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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 04:48:36 -0700 |
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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Der Heizer + Ein Fragment + +Author: Franz Kafka + +Release Date: July 15, 2005 [EBook #16304] + +Language: German + +Character set encoding: UTF-8 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER HEIZER *** + + + + +Produced by Markus Brenner and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + + + + + Franz Kafka + + Der Heizer + + Ein Fragment + + + 1913 + Kurt Wolff Verlag * Leipzig + + + + Dies Buch wurde + gedruckt im Mai 1913 als dritter + Band der Bücherei »Der jüngste Tag« bei + Poeschel & Trepte in Leipzig + + +COPYRIGHT BY KURT WOLFF VERLAG, LEIPZIG 1913 + + + + +Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach +Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und +ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff +in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst +beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker +gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings +empor und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte. + +»So hoch!« sagte er sich und wurde, wie er so gar nicht an das Weggehen +dachte, von der immer mehr anschwellenden Menge der Gepäckträger, die an +ihm vorüberzogen, allmählich bis an das Bordgeländer geschoben. + +Ein junger Mann, mit dem er während der Fahrt flüchtig bekannt geworden +war, sagte im Vorübergehen: »Ja, haben Sie denn noch keine Lust, +auszusteigen?« »Ich bin doch fertig,« sagte Karl, ihn anlachend, und hob +aus Übermut, und weil er ein starker Junge war, seinen Koffer auf die +Achsel. Aber wie er über seinen Bekannten hinsah, der ein wenig seinen +Stock schwenkend sich schon mit den andern entfernte, merkte er +bestürzt, daß er seinen eigenen Regenschirm unten im Schiff vergessen +hatte. Er bat schnell den Bekannten, der nicht sehr beglückt schien, um +die Freundlichkeit, bei seinem Koffer einen Augenblick zu warten, +überblickte noch die Situation, um sich bei der Rückkehr zurechtzufinden +und eilte davon. Unten fand er zu seinem Bedauern einen Gang, der seinen +Weg sehr verkürzt hätte, zum erstenmal versperrt, was wahrscheinlich mit +der Ausschiffung sämtlicher Passagiere zusammenhing und mußte sich +seinen Weg durch eine Unzahl kleiner Räume, über kurze Treppen, die +einander immer wieder folgten, durch fortwährend abbiegende Korridore, +durch ein leeres Zimmer mit einem verlassenen Schreibtisch mühselig +suchen, bis er sich tatsächlich, da er diesen Weg nur ein- oder zweimal +und immer in größerer Gesellschaft gegangen war, ganz und gar verirrt +hatte. In seiner Ratlosigkeit und da er keinen Menschen traf und nur +immerfort über sich das Scharren der tausend Menschenfüße hörte und von +der Ferne, wie einen Hauch, das letzte Arbeiten der schon eingestellten +Maschinen merkte, fing er, ohne zu überlegen, an eine beliebige kleine +Tür zu schlagen an, bei der er in seinem Herumirren stockte. + +»Es ist ja offen,« rief es von innen, und Karl öffnete mit ehrlichem +Aufatmen die Tür. »Warum schlagen Sie so verrückt auf die Tür?« fragte +ein riesiger Mann, kaum daß er nach Karl hinsah. Durch irgendeine +Oberlichtluke fiel ein trübes, oben im Schiff längst abgebrauchtes Licht +in die klägliche Kabine, in welcher ein Bett, ein Schrank, ein Sessel +und der Mann knapp nebeneinander, wie eingelagert, standen. »Ich habe +mich verirrt,« sagte Karl, »ich habe es während der Fahrt gar nicht so +bemerkt, aber es ist ein schrecklich großes Schiff.« »Ja, da haben Sie +recht,« sagte der Mann mit einigem Stolz und hörte nicht auf, an dem +Schloß eines kleinen Koffers zu hantieren, den er mit beiden Händen +immer wieder zudrückte, um das Einschnappen des Riegels zu behorchen. +»Aber kommen Sie doch herein!« sagte der Mann weiter, »Sie werden doch +nicht draußen stehn!« »Störe ich nicht?« fragte Karl. »Ach, wie werden +Sie denn stören!« »Sind Sie ein Deutscher?« suchte sich Karl noch zu +versichern, da er viel von den Gefahren gehört hatte, welche besonders +von Irländern den Neuankömmlingen in Amerika drohen. »Bin ich, bin ich,« +sagte der Mann. Karl zögerte noch. Da faßte unversehens der Mann die +Türklinke und schob mit der Türe, die er rasch schloß, Karl zu sich +herein. »Ich kann es nicht leiden, wenn man mir vom Gang hereinschaut,« +sagte der Mann, der wieder an seinem Koffer arbeitete, »da läuft jeder +vorbei und schaut herein, das soll der Zehnte aushalten!« »Aber der Gang +ist doch ganz leer,« sagte Karl, der unbehaglich an den Bettpfosten +gequetscht dastand. »Ja, jetzt,« sagte der Mann. »Es handelt sich doch +um jetzt,« dachte Karl, »mit dem Mann ist schwer zu reden.« »Legen Sie +sich doch aufs Bett, da haben Sie mehr Platz,« sagte der Mann. Karl +kroch, so gut es ging, hinein und lachte dabei laut über den ersten +vergeblichen Versuch, sich hinüberzuschwingen. Kaum war er aber im Bett, +rief er: »Gottes Willen, ich habe ja ganz meinen Koffer vergessen!« »Wo +ist er denn?« »Oben auf dem Deck, ein Bekannter gibt acht auf ihn. Wie +heißt er nur?« Und er zog aus einer Geheimtasche, die ihm seine Mutter +für die Reise im Rockfutter angelegt hatte, eine Visitkarte. +»Butterbaum, Franz Butterbaum.« »Haben Sie den Koffer sehr nötig?« +»Natürlich.« »Ja, warum haben Sie ihn dann einem fremden Menschen +gegeben?« »Ich hatte meinen Regenschirm unten vergessen und bin +gelaufen, ihn zu holen, wollte aber den Koffer nicht mitschleppen. Dann +habe ich mich auch noch verirrt.« »Sie sind allein? Ohne Begleitung?« +»Ja, allein.« »Ich sollte mich vielleicht an diesen Mann halten,« ging +es Karl durch den Kopf, »wo finde ich gleich einen besseren Freund.« +»Und jetzt haben Sie auch noch den Koffer verloren. Vom Regenschirm rede +ich gar nicht.« Und der Mann setzte sich auf den Sessel, als habe Karls +Sache jetzt einiges Interesse für ihn gewonnen. »Ich glaube aber, der +Koffer ist noch nicht verloren.« »Glauben macht selig,« sagte der Mann +und kratzte sich kräftig in seinem dunklen, kurzen, dichten Haar, »auf +dem Schiff wechseln mit den Hafenplätzen auch die Sitten. In Hamburg +hätte Ihr Butterbaum den Koffer vielleicht bewacht, hier ist +höchstwahrscheinlich von beiden keine Spur mehr.« »Da muß ich aber doch +gleich hinaufschaun,« sagte Karl und sah sich um, wie er hinauskommen +könnte. »Bleiben Sie nur,« sagte der Mann und stieß ihn mit einer Hand +gegen die Brust, geradezu rauh, ins Bett zurück. »Warum denn?« fragte +Karl ärgerlich. »Weil es keinen Sinn hat,« sagte der Mann »in einem +kleinen Weilchen gehe ich auch, dann gehen wir zusammen. Entweder ist +der Koffer gestohlen, dann ist keine Hilfe, oder der Mensch bewacht ihn +noch immer, dann ist er ein Dummkopf und soll weiter wachen, oder er ist +bloß ein ehrlicher Mensch und hat den Koffer stehen gelassen, dann +werden wir ihn, bis das Schiff ganz entleert ist, desto besser finden. +Ebenso auch Ihren Regenschirm.« »Kennen Sie sich auf dem Schiff aus?« +fragte Karl mißtrauisch und es schien ihm, als hätte der sonst +überzeugende Gedanke, daß auf dem leeren Schiff seine Sachen am besten +zu finden sein würden, einen verborgenen Haken. »Ich bin doch +Schiffsheizer,« sagte der Mann. »Sie sind Schiffsheizer!« rief Karl +freudig, als überstiege das alle Erwartungen, und sah, den Ellbogen +aufgestützt, den Mann näher an. »Gerade vor der Kammer, wo ich mit den +Slowaken geschlafen habe, war eine Luke angebracht, durch die man in den +Maschinenraum sehen konnte.« »Ja, dort habe ich gearbeitet,« sagte der +Heizer. »Ich habe mich immer so für Technik interessiert,« sagte Karl, +der in einem bestimmten Gedankengang blieb, »und ich wäre sicher später +Ingenieur geworden, wenn ich nicht nach Amerika hätte fahren müssen.« +»Warum haben Sie denn fahren müssen?« »Ach was!« sagte Karl und warf die +ganze Geschichte mit der Hand weg. Dabei sah er lächelnd den Heizer an, +als bitte er ihn selbst für das Nichteingestandene um seine Nachsicht. +»Es wird schon einen Grund gehabt haben,« sagte der Heizer und man wußte +nicht recht, ob er damit die Erzählung dieses Grundes fordern oder +abwehren wollte. »Jetzt könnte ich auch Heizer werden,« sagte Karl, +»meinen Eltern ist es jetzt ganz gleichgültig, was ich werde.« »Meine +Stelle wird frei,« sagte der Heizer, gab im Vollbewußtsein dessen die +Hände in die Hosentaschen und warf die Beine, die in faltigen, +lederartigen, eisengrauen Hosen steckten, aufs Bett hin, um sie zu +strecken. Karl mußte mehr an die Wand rücken. »Sie verlassen das +Schiff?« »Jawohl, wir marschieren heute ab.« »Warum denn? Gefällt es +Ihnen nicht?« »Ja, das sind die Verhältnisse, es entscheidet nicht +immer, ob es einem gefällt oder nicht. Übrigens haben Sie recht, es +gefällt mir auch nicht. Sie denken wahrscheinlich nicht ernstlich daran, +Heizer zu werden, aber gerade dann kann man es am leichtesten werden. +Ich also rate Ihnen entschieden ab. Wenn Sie in Europa studieren +wollten, warum wollen Sie es denn hier nicht? Die amerikanischen +Universitäten sind ja unvergleichlich besser als die europäischen.« »Es +ist ja möglich,« sagte Karl, »aber ich habe ja fast kein Geld zum +Studieren. Ich habe zwar von irgendjemandem gelesen, der bei Tag in +einem Geschäft gearbeitet und in der Nacht studiert hat, bis er Doktor +und ich glaube Bürgermeister wurde, aber dazu gehört doch eine große +Ausdauer, nicht? Ich fürchte, die fehlt mir. Außerdem war ich gar kein +besonders guter Schüler, der Abschied von der Schule ist mir wirklich +nicht schwer geworden. Und die Schulen hier sind vielleicht noch +strenger. Englisch kann ich fast gar nicht. Überhaupt ist man hier gegen +Fremde so eingenommen, glaube ich.« »Haben Sie das auch schon erfahren? +Na, dann ist’s gut. Dann sind Sie mein Mann. Sehen Sie, wir sind doch +auf einem deutschen Schiff, es gehört der Hamburg-Amerika-Linie, warum +sind wir nicht lauter Deutsche hier? Warum ist der Obermaschinist ein +Rumäne? Er heißt Schubal. Das ist doch nicht zu glauben. Und dieser +Lumpenhund schindet uns Deutsche auf einem deutschen Schiff. Glauben Sie +nicht« – ihm ging die Luft aus, er fackelte mit der Hand – »daß ich +klage, um zu klagen. Ich weiß, daß Sie keinen Einfluß haben und selbst +ein armes Bürschchen sind. Aber es ist zu arg!« Und er schlug auf den +Tisch mehrmals mit der Faust und ließ kein Auge von ihr, während er +schlug. »Ich habe doch schon auf so vielen Schiffen gedient« – und er +nannte zwanzig Namen hintereinander als sei es ein Wort, Karl wurde ganz +wirr – »und habe mich ausgezeichnet, bin belobt worden, war ein Arbeiter +nach dem Geschmack meiner Kapitäne, sogar auf dem gleichen Handelssegler +war ich einige Jahre« – er erhob sich, als sei das der Höhepunkt seines +Lebens – »und hier auf diesem Kasten, wo alles nach der Schnur +eingerichtet ist, wo kein Witz erfordert wird, hier taug’ ich nichts, +hier stehe ich dem Schubal immer im Wege, bin ein Faulpelz, verdiene +hinausgeworfen zu werden und bekomme meinen Lohn aus Gnade. Verstehen +Sie das? Ich nicht.« »Das dürfen Sie sich nicht gefallen lassen,« sagte +Karl aufgeregt. Er hatte fast das Gefühl davon verloren, daß er auf dem +unsicheren Boden eines Schiffes, an der Küste eines unbekannten Erdteils +war, so heimisch war ihm hier auf dem Bett des Heizers zumute. »Waren +Sie schon beim Kapitän? Haben Sie schon bei ihm Ihr Recht gesucht?« »Ach +gehen Sie, gehen Sie lieber weg. Ich will Sie nicht hier haben. Sie +hören nicht zu was ich sage und geben mir Ratschläge. Wie soll ich denn +zum Kapitän gehen!« Und müde setzte sich der Heizer wieder und legte das +Gesicht in beide Hände. + +»Einen besseren Rat kann ich ihm nicht geben,« sagte sich Karl. Und er +fand überhaupt, daß er lieber seinen Koffer hätte holen sollen, statt +hier Ratschläge zu geben, die doch nur für dumm gehalten wurden. Als ihm +der Vater den Koffer für immer übergeben hatte, hatte er im Scherz +gefragt: »Wielange wirst Du ihn haben?« und jetzt war dieser teuere +Koffer vielleicht schon im Ernst verloren. Der einzige Trost war noch, +daß der Vater von seiner jetzigen Lage kaum erfahren konnte, selbst wenn +er nachforschen sollte. Nur daß er bis New York mitgekommen war, konnte +die Schiffsgesellschaft gerade noch sagen. Leid tat es aber Karl, daß er +die Sachen im Koffer noch kaum verwendet hatte, trotzdem er es +beispielsweise längst nötig gehabt hätte, das Hemd zu wechseln. Da hatte +er also am unrichtigen Ort gespart; jetzt, wo er es gerade am Beginn +seiner Laufbahn nötig haben würde, rein gekleidet aufzutreten, würde er +im schmutzigen Hemd erscheinen müssen. Sonst wäre der Verlust des +Koffers nicht gar so arg gewesen, denn der Anzug, den er anhatte, war +sogar besser, als jener im Koffer, der eigentlich nur ein Notanzug war, +den die Mutter noch knapp vor der Abreise hatte flicken müssen. Jetzt +erinnerte er sich auch, daß im Koffer noch ein Stück Veroneser Salami +war, die ihm die Mutter als Extragabe eingepackt hatte, von der er +jedoch nur den kleinsten Teil hatte aufessen können, da er während der +Fahrt ganz ohne Appetit gewesen war und die Suppe, die im Zwischendeck +zur Verteilung kam, ihm reichlich genügt hatte. Jetzt hätte er aber die +Wurst gern bei der Hand gehabt, um sie dem Heizer zu verehren. Denn +solche Leute sind leicht gewonnen, wenn man ihnen irgendeine Kleinigkeit +zusteckt, das wußte Karl noch von seinem Vater her, welcher durch +Zigarrenverteilung alle die niedrigeren Angestellten gewann, mit denen +er geschäftlich zu tun hatte. Jetzt besaß Karl an Verschenkbarem nur +noch sein Geld, und das wollte er, wenn er schon vielleicht den Koffer +verloren haben sollte, vorläufig nicht anrühren. Wieder kehrten seine +Gedanken zum Koffer zurück, und er konnte jetzt wirklich nicht einsehen, +warum er den Koffer während der Fahrt so aufmerksam bewacht hatte, daß +ihm die Wache fast den Schlaf gekostet hatte, wenn er jetzt diesen +gleichen Koffer so leicht sich hatte wegnehmen lassen. Er erinnerte sich +an die fünf Nächte, während derer er einen kleinen Slowaken, der zwei +Schlafstellen links von ihm gelegen war, unausgesetzt im Verdacht gehabt +hatte, daß er es auf seinen Koffer abgesehen habe. Dieser Slowake hatte +nur darauf gelauert, daß Karl endlich, von Schwäche befallen, für einen +Augenblick einnicke, damit er den Koffer mit einer langen Stange, mit +der er immer während des Tages spielte oder übte, zu sich hinüberziehen +könne. Bei Tag sah dieser Slowake genug unschuldig aus, aber kaum war +die Nacht gekommen, erhob er sich von Zeit zu Zeit von seinem Lager und +sah traurig zu Karls Koffer hinüber. Karl konnte dies ganz deutlich +erkennen, denn immer hatte hie und da jemand mit der Unruhe des +Auswanderers ein Lichtchen angezündet, trotzdem dies nach der +Schiffsordnung verboten war, und versuchte, unverständliche Prospekte +der Auswanderungsagenturen zu entziffern. War ein solches Licht in der +Nähe, dann konnte Karl ein wenig eindämmern, war es aber in der Ferne, +oder war dunkel, dann mußte er die Augen offenhalten. Diese Anstrengung +hatte ihn recht erschöpft, und nun war sie vielleicht ganz umsonst +gewesen. Dieser Butterbaum, wenn er ihn einmal irgendwo treffen sollte! + +In diesem Augenblick ertönten draußen in weiter Ferne in die bisherige +vollkommene Ruhe hinein kleine kurze Schläge, wie von Kinderfüßen, sie +kamen näher mit verstärktem Klang und nun war es ein ruhiger Marsch von +Männern. Sie gingen offenbar, wie es in dem schmalen Gang natürlich war, +in einer Reihe, man hörte Klirren wie von Waffen. Karl, der schon nahe +daran gewesen war, sich im Bett zu einem von allen Sorgen um Koffer und +Slowaken befreiten Schlafe auszustrecken, schreckte auf und stieß den +Heizer an, um ihn endlich aufmerksam zu machen, denn der Zug schien mit +seiner Spitze die Tür gerade erreicht zu haben. »Das ist die +Schiffskapelle,« sagte der Heizer, »die haben oben gespielt und gehen +jetzt einpacken. Jetzt ist alles fertig und wir können gehen. Kommen +Sie!« Er faßte Karl bei der Hand, nahm noch im letzten Augenblick ein +eingerahmtes Muttergottesbild von der Wand über dem Bett, stopfte es in +seine Brusttasche, ergriff seinen Koffer und verließ mit Karl eilig die +Kabine. + +»Jetzt gehe ich ins Bureau und werde den Herren meine Meinung sagen. Es +ist kein Passagier mehr da, man muß keine Rücksicht nehmen«. Dieses +wiederholte der Heizer verschiedenartig und wollte im Gehen mit +Seitwärtsstoßen des Fußes eine den Weg kreuzende Ratte niedertreten, +stieß sie aber bloß schneller in das Loch hinein, das sie noch +rechtzeitig erreicht hatte. Er war überhaupt langsam in seinen +Bewegungen, denn wenn er auch lange Beine hatte, so waren sie doch zu +schwer. + +Sie kamen durch eine Abteilung der Küche, wo einige Mädchen in +schmutzigen Schürzen – sie begossen sie absichtlich – Geschirr in großen +Bottichen reinigten. Der Heizer rief eine gewisse Line zu sich, legte +den Arm um ihre Hüfte und führte sie, die sich immerzu kokett gegen +seinen Arm drückte, ein Stückchen mit. »Es gibt jetzt Auszahlung, willst +du mitkommen?« fragte er. »Warum soll ich mich bemühn, bring mir das +Geld lieber her,« antwortete sie, schlüpfte unter seinem Arm durch und +lief davon. »Wo hast du denn den schönen Knaben aufgegabelt?« rief sie +noch, wollte aber keine Antwort mehr. Man hörte das Lachen aller +Mädchen, die ihre Arbeit unterbrochen hatten. + +Sie gingen aber weiter und kamen an eine Tür, die oben einen kleinen +Vorgiebel hatte, der von kleinen, vergoldeten Karyatiden getragen war. +Für eine Schiffseinrichtung sah das recht verschwenderisch aus. Karl +war, wie er merkte, niemals in diese Gegend gekommen, die +wahrscheinlich während der Fahrt den Passagieren der ersten und zweiten +Klasse vorbehalten gewesen war, während man jetzt vor der großen +Schiffsreinigung die Trennungstüren ausgehoben hatte. Sie waren auch +tatsächlich schon einigen Männern begegnet, die Besen an der Schulter +trugen und den Heizer gegrüßt hatten. Karl staunte über den großen +Betrieb, in seinem Zwischendeck hatte er davon freilich wenig erfahren. +Entlang der Gänge zogen sich auch Drähte elektrischer Leitungen und eine +kleine Glocke hörte man immerfort. + +Der Heizer klopfte respektvoll an der Türe an und forderte, als man +»herein« rief, Karl mit einer Handbewegung auf, ohne Furcht einzutreten. +Er trat auch ein, aber blieb an der Türe stehen. Vor den drei Fenstern +des Zimmers sah er die Wellen des Meeres und bei Betrachtung ihrer +fröhlichen Bewegung schlug ihm das Herz, als hätte er nicht fünf lange +Tage das Meer ununterbrochen gesehen. Große Schiffe kreuzten gegenseitig +ihre Wege und gaben dem Wellenschlag nur soweit nach als es ihre Schwere +erlaubte. Wenn man die Augen klein machte, schienen diese Schiffe vor +lauter Schwere zu schwanken. Auf ihren Masten trugen sie schmale, aber +lange Flaggen, die zwar durch die Fahrt gestrafft wurden, trotzdem aber +noch hin- und herzappelten. Wahrscheinlich von Kriegsschiffen her +erklangen Salutschüsse, die Kanonenrohre eines solchen nicht allzuweit +vorüberfahrenden Schiffes, strahlend mit dem Reflex ihres Stahlmantels, +waren wie gehätschelt von der sicheren, glatten und doch nicht +wagrechten Fahrt. Die kleinen Schiffchen und Boote konnte man, +wenigstens von der Tür aus, nur in der Ferne beobachten, wie sie in +Mengen in die Öffnungen zwischen den großen Schiffen einliefen. Hinter +alledem aber stand New York und sah Karl mit den hunderttausend Fenstern +seiner Wolkenkratzer an. Ja, in diesem Zimmer wußte man, wo man war. + +An einem runden Tisch saßen drei Herren, der eine ein Schiffsoffizier in +blauer Schiffsuniform, die zwei anderen, Beamte der Hafenbehörde, in +schwarzen, amerikanischen Uniformen. Auf dem Tisch lagen, +hochaufgeschichtet, verschiedene Dokumente, welche der Offizier zuerst +mit der Feder in der Hand überflog, um sie dann den beiden anderen zu +reichen, die bald lasen, bald exzerpierten, bald in ihre Aktentaschen +einlegten, wenn nicht gerade der eine, der fast ununterbrochen ein +kleines Geräusch mit den Zähnen vollführte, seinem Kollegen etwas in ein +Protokoll diktierte. + +Am Fenster saß an einem Schreibtisch, den Rücken der Türe zugewendet, +ein kleinerer Herr, der mit großen Folianten hantierte, die auf einem +starken Bücherbrett in Kopfhöhe vor ihm aneinander gereiht waren. Neben +ihm stand eine offene, wenigstens auf den ersten Blick leere Kassa. + +Das zweite Fenster war leer und gab den besten Ausblick. In der Nähe des +dritten aber standen zwei Herren in halblautem Gespräch. Der eine lehnte +neben dem Fenster, trug auch die Schiffsuniform und spielte mit dem +Griff des Degens. Derjenige, mit dem er sprach, war dem Fenster +zugewendet und enthüllte hie und da durch eine Bewegung einen Teil der +Ordensreihe auf der Brust des andern. Er war in Zivil und hatte ein +dünnes Bambusstöckchen, das, da er beide Hände an den Hüften festhielt, +auch wie ein Degen abstand. + +Karl hatte nicht viel Zeit, alles anzusehen, denn bald trat ein Diener +auf sie zu und fragte den Heizer mit einem Blick, als gehöre er nicht +hierher, was er denn wolle. Der Heizer antwortete, so leise als er +gefragt wurde, er wolle mit dem Herrn Oberkassier reden. Der Diener +lehnte für seinen Teil mit einer Handbewegung diese Bitte ab, ging aber +dennoch auf den Fußspitzen, dem runden Tisch in großem Bogen +ausweichend, zu dem Herrn mit den Folianten. Dieser Herr – das sah man +deutlich – erstarrte geradezu unter den Worten des Dieners, kehrte sich +aber endlich nach dem Manne um, der ihn zu sprechen wünschte, und +fuchtelte dann, streng abwehrend, gegen den Heizer und der Sicherheit +halber auch gegen den Diener hin. Der Diener kehrte darauf zum Heizer +zurück und sagte in einem Tone, als vertraue er ihm etwas an: »Scheren +Sie sich sofort aus dem Zimmer!« + +Der Heizer sah nach dieser Antwort zu Karl hinunter, als sei dieser sein +Herz, dem er stumm seinen Jammer klage. Ohne weitere Besinnung machte +sich Karl los, lief quer durchs Zimmer, daß er sogar leicht an den +Sessel des Offiziers streifte, der Diener lief gebeugt mit zum Umfangen +bereiten Armen, als jage er ein Ungeziefer, aber Karl war der erste beim +Tisch des Oberkassiers, wo er sich festhielt, für den Fall, daß der +Diener versuchen sollte, ihn fortzuziehen. + +Natürlich wurde gleich das ganze Zimmer lebendig. Der Schiffsoffizier am +Tisch war aufgesprungen, die Herren von der Hafenbehörde sahen ruhig, +aber aufmerksam zu, die beiden Herren am Fenster waren nebeneinander +getreten, der Diener, welcher glaubte, er sei dort, wo schon die hohen +Herren Interesse zeigten, nicht mehr am Platze, trat zurück. Der Heizer +an der Tür wartete angespannt auf den Augenblick, bis seine Hilfe nötig +würde. Der Oberkassier endlich machte in seinem Lehnsessel eine große +Rechtswendung. + +Karl kramte aus seiner Geheimtasche, die er den Blicken dieser Leute zu +zeigen keine Bedenken hatte, seinen Reisepaß hervor, den er statt +weiterer Vorstellung geöffnet auf den Tisch legte. Der Oberkassier +schien diesen Paß für nebensächlich zu halten, denn er schnippte ihn mit +zwei Fingern beiseite, worauf Karl, als sei diese Formalität zur +Zufriedenheit erledigt, den Paß wieder einsteckte. + +»Ich erlaube mir zu sagen,« begann er dann, »daß meiner Meinung nach dem +Herrn Heizer Unrecht geschehen ist. Es ist hier ein gewisser Schubal, +der ihm aufsitzt. Er selbst hat schon auf vielen Schiffen, die er Ihnen +alle nennen kann, zur vollständigen Zufriedenheit gedient, ist fleißig, +meint es mit seiner Arbeit gut, und es ist wirklich nicht einzusehen, +warum er gerade auf diesem Schiff, wo doch der Dienst nicht so übermäßig +schwer ist, wie zum Beispiel auf Handelsseglern, schlecht entsprechen +sollte. Es kann daher nur Verleumdung sein, die ihn in seinem +Vorwärtskommen hindert und ihn um die Anerkennung bringt, die ihm sonst +ganz bestimmt nicht fehlen würde. Ich habe nur das Allgemeine über diese +Sache gesagt, seine besonderen Beschwerden wird er Ihnen selbst +vorbringen.« Karl hatte sich mit dieser Rede an alle Herren gewendet, +weil ja tatsächlich auch alle zuhörten und es viel wahrscheinlicher +schien, daß sich unter allen zusammen ein Gerechter vorfand, als daß +dieser Gerechte gerade der Oberkassier sein sollte. Aus Schlauheit hatte +außerdem Karl verschwiegen, daß er den Heizer erst so kurze Zeit kannte. +Im übrigen hätte er noch viel besser gesprochen, wenn er nicht durch das +rote Gesicht des Herrn mit dem Bambusstöckchen beirrt worden wäre, das +er von seinem jetzigen Standort zum erstenmal sah. + +»Es ist alles Wort für Wort richtig,« sagte der Heizer, ehe ihn noch +jemand gefragt, ja ehe man noch überhaupt auf ihn hingesehen hatte. +Diese Übereiltheit des Heizers wäre ein großer Fehler gewesen, wenn +nicht der Herr mit den Orden, der, wie es jetzt Karl aufleuchtete, +jedenfalls der Kapitän war, offenbar mit sich bereits übereingekommen +wäre, den Heizer anzuhören. Er streckte nämlich die Hand aus und rief +dem Heizer zu: »Kommen Sie her!« mit einer Stimme, fest, um mit einem +Hammer darauf zu schlagen. Jetzt hing alles vom Benehmen des Heizers ab, +denn was die Gerechtigkeit seiner Sache anlangte, an der zweifelte Karl +nicht. + +Glücklicherweise zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß der Heizer +schon viel in der Welt herumgekommen war. Musterhaft ruhig nahm er aus +seinem Köfferchen mit dem ersten Griff ein Bündelchen Papiere, sowie ein +Notizbuch, ging damit, als verstünde sich das von selbst, unter +vollständiger Vernachlässigung des Oberkassiers, zum Kapitän und +breitete auf dem Fensterbrett seine Beweismittel aus. Dem Oberkassier +blieb nichts übrig, als sich selbst hinzubemühn. »Der Mann ist ein +bekannter Querulant,« sagte er zur Erklärung, »er ist mehr in der Kassa, +als im Maschinenraum. Er hat Schubal, diesen ruhigen Menschen, ganz zur +Verzweiflung gebracht. Hören Sie einmal!« wandte er sich an den Heizer, +»Sie treiben Ihre Zudringlichkeit doch schon wirklich zu weit. Wie oft +hat man Sie schon aus den Auszahlungsräumen hinausgeworfen, wie Sie es +mit Ihren ganz, vollständig und ausnahmslos unberechtigten Forderungen +verdienen! Wie oft sind Sie von dort in die Hauptkassa gelaufen +gekommen! Wie oft hat man Ihnen im Guten gesagt, daß Schubal Ihr +unmittelbarer Vorgesetzter ist, mit dem allein Sie sich als sein +Untergebener abzufinden haben! Und jetzt kommen Sie gar noch her, wenn +der Herr Kapitän da ist, schämen sich nicht, sogar ihn zu belästigen, +sondern entblöden sich nicht einmal, als eingelernten Stimmführer Ihrer +abgeschmackten Beschuldigungen diesen Kleinen mitzubringen, den ich +überhaupt zum erstenmal auf dem Schiffe sehe!« + +Karl hielt sich mit Gewalt zurück, vorzuspringen. Aber schon war auch +der Kapitän da, welcher sagte: »Hören wir den Mann doch einmal an. Der +Schubal wird mir sowieso mit der Zeit viel zu selbständig, womit ich +aber nichts zu Ihren Gunsten gesagt haben will.« Das letztere galt dem +Heizer, es war nur natürlich, daß er sich nicht sofort für ihn einsetzen +konnte, aber alles schien auf dem richtigen Wege. Der Heizer begann +seine Erklärungen und überwand sich gleich am Anfang, indem er den +Schubal mit »Herr« titulierte. Wie freute sich Karl am verlassenen +Schreibtisch des Oberkassiers, wo er eine Briefwage immer wieder +niederdrückte vor lauter Vergnügen. – Herr Schubal ist ungerecht! Herr +Schubal bevorzugt die Ausländer! Herr Schubal verwies den Heizer aus dem +Maschinenraum und ließ ihn Klosette reinigen, was doch gewiß nicht des +Heizers Sache war! – Einmal wurde sogar die Tüchtigkeit des Herrn +Schubal angezweifelt, die eher scheinbar als wirklich vorhanden sein +sollte. Bei dieser Stelle starrte Karl mit aller Kraft den Kapitän an, +zutunlich, als sei er sein Kollege, nur damit er sich durch die etwas +ungeschickte Ausdrucksweise des Heizers nicht zu dessen Ungunsten +beeinflussen lasse. Immerhin erfuhr man aus den vielen Reden nichts +Eigentliches, und wenn auch der Kapitän noch immer vor sich hinsah, in +den Augen die Entschlossenheit, den Heizer diesmal bis zu Ende +anzuhören, so wurden doch die anderen Herren ungeduldig, und die Stimme +des Heizers regierte bald nicht mehr unumschränkt in dem Raume, was +manches befürchten ließ. Als erster setzte der Herr in Zivil sein +Bambusstöckchen in Tätigkeit und klopfte, wenn auch nur leise, auf das +Parkett. Die anderen Herren sahen natürlich hie und da hin, die Herren +von der Hafenbehörde, die offenbar pressiert waren, griffen wieder zu +den Akten und begannen, wenn auch noch etwas geistesabwesend, sie +durchzusehen, der Schiffsoffizier rückte seinem Tische wieder näher, und +der Oberkassier, der gewonnenes Spiel zu haben glaubte, seufzte aus +Ironie tief auf. Von der allgemein eintretenden Zerstreuung schien nur +der Diener bewahrt, der von den Leiden des unter die Großen gestellten +armen Mannes einen Teil mitfühlte und Karl ernst zunickte, als wolle er +damit etwas erklären. + +Inzwischen ging vor den Fenstern das Hafenleben weiter; ein flaches +Lastschiff mit einem Berg von Fässern, die wunderbar verstaut sein +mußten, daß sie nicht ins Rollen kamen, zog vorüber und erzeugte in dem +Zimmer fast Dunkelheit; kleine Motorboote, die Karl jetzt, wenn er Zeit +gehabt hätte, genau hätte ansehen können, rauschten nach den Zuckungen +der Hände eines am Steuer aufrecht stehenden Mannes schnurgerade dahin; +eigentümliche Schwimmkörper tauchten hie und da selbständig aus dem +ruhelosen Wasser, wurden gleich wieder überschwemmt und versanken vor +dem erstaunten Blick; Boote der Ozeandampfer wurden von heiß arbeitenden +Matrosen vorwärtsgerudert und waren voll von Passagieren, die darin, so +wie man sie hineingezwängt hatte, still und erwartungsvoll saßen, wenn +es auch manche nicht unterlassen konnten, die Köpfe nach den wechselnden +Szenerien zu drehen. Eine Bewegung ohne Ende, eine Unruhe, übertragen +von dem unruhigen Element auf die hilflosen Menschen und ihre Werke! + +Aber alles mahnte zur Eile, zur Deutlichkeit, zu ganz genauer +Darstellung, aber was tat der Heizer! Er redete sich allerdings in +Schweiß, die Papiere auf dem Fenster konnte er längst mit seinen +zitternden Händen nicht mehr halten, aus allen Himmelsrichtungen +strömten ihm Klagen über Schubal zu, von denen seiner Meinung nach jede +einzelne genügt hätte, diesen Schubal vollständig zu begraben, aber +was er dem Kapitän vorzeigen konnte, war nur ein trauriges +Durcheinanderstrudeln aller insgesamt. Längst schon pfiff der Herr mit +dem Bambusstöckchen schwach zur Decke hinauf, die Herren von der +Hafenbehörde hielten schon den Offizier an ihrem Tisch und machten keine +Miene, ihn je wieder loszulassen, der Oberkassier wurde sichtlich nur +durch die Ruhe des Kapitäns vor dem Dreinfahren zurückgehalten, der +Diener erwartete in Habtachtstellung jeden Augenblick einen auf den +Heizer bezüglichen Befehl seines Kapitäns. + +Da konnte Karl nicht mehr untätig bleiben. Er ging also langsam zu der +Gruppe hin und überlegte im Gehen nur desto schneller, wie er die Sache +möglichst geschickt angreifen könnte. Es war wirklich höchste Zeit, noch +ein kleines Weilchen nur, und sie konnten ganz gut beide aus dem Bureau +fliegen. Der Kapitän mochte ja ein guter Mann sein und überdies gerade +jetzt, wie es Karl schien, irgend einen besonderen Grund haben, sich als +gerechter Vorgesetzter zu zeigen, aber schließlich war er kein +Instrument, das man in Grund und Boden spielen konnte – und gerade so +behandelte ihn der Heizer, allerdings aus seinem grenzenlos empörten +Innern heraus. + +Karl sagte also zum Heizer: »Sie müssen das einfacher erzählen, klarer, +der Herr Kapitän kann es nicht würdigen, so wie Sie es ihm erzählen. +Kennt er denn alle Maschinisten und Laufburschen beim Namen oder gar +beim Taufnamen, daß er, wenn Sie nur einen solchen Namen aussprechen, +gleich wissen kann, um wen es sich handelt? Ordnen Sie doch Ihre +Beschwerden, sagen Sie die wichtigste zuerst und absteigend die anderen, +vielleicht wird es dann überhaupt nicht mehr nötig sein, die meisten +auch nur zu erwähnen. Mir haben Sie es doch immer so klar dargestellt!« +Wenn man in Amerika Koffer stehlen kann, kann man auch hie und da lügen, +dachte er zur Entschuldigung. + +Wenn es aber nur geholfen hätte! Ob es nicht auch schon zu spät war? Der +Heizer unterbrach sich zwar sofort, als er die bekannte Stimme hörte, +aber mit seinen Augen, die ganz von Tränen der beleidigten Mannesehre, +der schrecklichen Erinnerungen, der äußersten gegenwärtigen Not verdeckt +waren, konnte er Karl schon nicht einmal gut mehr erkennen. Wie sollte +er auch jetzt – Karl sah das schweigend vor dem jetzt Schweigenden wohl +ein – wie sollte er auch jetzt plötzlich seine Redeweise ändern, da es +ihm doch schien, als hätte er alles, was zu sagen war, ohne die +geringste Anerkennung schon vorgebracht und als habe er andererseits +noch gar nichts gesagt und könne doch den Herren jetzt nicht zumuten, +noch alles anzuhören. Und in einem solchen Zeitpunkt kommt noch Karl, +sein einziger Anhänger, daher, will ihm gute Lehren geben, zeigt ihm +aber statt dessen, daß alles, alles verloren ist. + +»Wäre ich früher gekommen, statt aus dem Fenster zu schauen,« sagte +sich Karl, senkte vor dem Heizer das Gesicht und schlug die Hände an die +Hosennaht, zum Zeichen des Endes jeder Hoffnung. + +Aber der Heizer mißverstand das, witterte wohl in Karl irgendwelche +geheime Vorwürfe gegen sich, und in der guten Absicht, sie ihm +auszureden, fing er zur Krönung seiner Taten mit Karl jetzt zu streiten +an. Jetzt, wo doch die Herren am runden Tisch längst empört über den +nutzlosen Lärm waren, der ihre wichtigen Arbeiten störte, wo der +Hauptkassier allmählich die Geduld des Kapitäns unverständlich fand und +zum sofortigen Ausbruch neigte, wo der Diener, ganz wieder in der Sphäre +seiner Herren, den Heizer mit wildem Blicke maß, und wo endlich der Herr +mit dem Bambusstöckchen, zu welchem sogar der Kapitän hie und da +freundschaftlich hinübersah, schon gänzlich abgestumpft gegen den +Heizer, ja von ihm angewidert, ein kleines Notizbuch hervorzog und, +offenbar mit ganz anderen Angelegenheiten beschäftigt, die Augen +zwischen dem Notizbuch und Karl hin- und herwandern ließ. + +»Ich weiß ja, ich weiß ja,« sagte Karl, der Mühe hatte, den jetzt gegen +ihn gekehrten Schwall des Heizers abzuwehren, trotzdem aber quer durch +allen Streit noch ein Freundeslächeln für ihn übrig hatte, »Sie haben +Recht, Recht, ich habe ja nie daran gezweifelt.« Er hätte ihm gern aus +Furcht vor Schlägen die herumfahrenden Hände gehalten, noch lieber +allerdings ihn in einen Winkel gedrängt, um ihm ein paar leise +beruhigende Worte zuzuflüstern, die niemand sonst hätte hören müssen. +Aber der Heizer war außer Rand und Band. Karl begann jetzt schon sogar +aus dem Gedanken eine Art Trost zu schöpfen, daß der Heizer im Notfall +mit der Kraft seiner Verzweiflung alle anwesenden sieben Männer +bezwingen könne. Allerdings lag auf dem Schreibtisch, wie ein Blick +dorthin lehrte, ein Aufsatz mit viel zu vielen Druckknöpfen der +elektrischen Leitung und eine Hand, einfach auf sie niedergedrückt, +konnte das ganze Schiff mit allen seinen von feindlichen Menschen +gefüllten Gängen rebellisch machen. + +Da trat der doch so uninteressierte Herr mit dem Bambusstöckchen auf +Karl zu und fragte, nicht überlaut, aber deutlich über allem Geschrei +des Heizers: »Wie heißen Sie denn eigentlich?« In diesem Augenblick, als +hätte jemand hinter der Tür auf diese Äußerung des Herrn gewartet, +klopfte es. Der Diener sah zum Kapitän hinüber, dieser nickte. Daher +ging der Diener zur Tür und öffnete sie. Draußen stand in einem alten +Kaiserrock ein Mann von mittleren Proportionen, seinem Aussehen nach +nicht eigentlich zur Arbeit an den Maschinen geeignet und war doch – +Schubal. Wenn es Karl nicht an aller Augen erkannt hätte, die eine +gewisse Befriedigung ausdrückten, von der nicht einmal der Kapitän frei +war, er hätte es zu seinem Schrecken am Heizer sehen müssen, der die +Fäuste an den gestrafften Armen so ballte, als sei diese Ballung das +Wichtigste an ihm, dem er alles, was er an Leben habe, zu opfern bereit +sei. Da steckte jetzt alle seine Kraft, auch die, welche ihn überhaupt +aufrecht erhielt. + +Und da war also der Feind, frei und frisch im Festanzug, unter dem Arm +ein Geschäftsbuch, wahrscheinlich die Lohnlisten und Arbeitsausweise des +Heizers, und sah mit dem ungescheuten Zugeständnis, daß er die Stimmung +jedes Einzelnen vor allem feststellen wolle, in aller Augen der Reihe +nach. Die sieben waren auch schon alle seine Freunde, denn wenn auch der +Kapitän früher gewisse Einwände gegen ihn gehabt oder vielleicht auch +nur vorgeschützt hatte, nach dem Leid, das ihm der Heizer angetan hatte, +schien ihm wahrscheinlich an Schubal auch das Geringste nicht mehr +auszusetzen. Gegen einen Mann, wie den Heizer, konnte man nicht streng +genug verfahren, und wenn dem Schubal etwas vorzuwerfen war, so war es +der Umstand, daß er die Widerspenstigkeit des Heizers im Laufe der Zeit +nicht so weit hatte brechen können, daß es dieser heute noch gewagt +hatte, vor dem Kapitän zu erscheinen. + +Nun konnte man ja vielleicht noch annehmen, die Gegenüberstellung des +Heizers und Schubals werde die ihr vor einem höheren Forum zukommende +Wirkung auch vor den Menschen nicht verfehlen, denn wenn sich auch +Schubal gut verstellen konnte, er mußte es doch durchaus nicht bis zum +Ende aushalten können. Ein kurzes Aufblitzen seiner Schlechtigkeit +sollte genügen, um sie den Herren sichtbar zu machen, dafür wollte Karl +schon sorgen. Er kannte doch schon beiläufig den Scharfsinn, die +Schwächen, die Launen der einzelnen Herren und unter diesem +Gesichtspunkt war die bisher hier verbrachte Zeit nicht verloren. Wenn +nur der Heizer besser auf dem Platz gewesen wäre, aber der schien +vollständig kampfunfähig. Wenn man ihm den Schubal hingehalten hätte, +hätte er wohl dessen gehaßten Schädel mit den Fäusten aufklopfen können. +Aber schon die paar Schritte zu ihm hinzugehen, war er wohl kaum +imstande. Warum hatte denn Karl das so leicht Vorauszusehende nicht +vorausgesehen, daß Schubal endlich kommen müsse, wenn nicht aus eigenem +Antrieb, so vom Kapitän gerufen. Warum hatte er auf dem Herweg mit dem +Heizer nicht einen genauen Kriegsplan besprochen, statt, wie sie es in +Wirklichkeit getan hatten, heillos unvorbereitet einfach dort +einzutreten, wo eine Tür war? Konnte der Heizer überhaupt noch reden, ja +und nein sagen, wie es bei dem Kreuzverhör, das allerdings nur im +günstigsten Fall bevorstand, nötig sein würde? Er stand da, die Beine +auseinander gestellt, die Knie ein wenig gebogen, den Kopf etwas gehoben +und die Luft verkehrte durch den offenen Mund, als gebe es innen keine +Lungen mehr, die sie verarbeiteten. + +Karl allerdings fühlte sich so kräftig und bei Verstand, wie er es +vielleicht zu Hause niemals gewesen war. Wenn ihn doch seine Eltern +sehen könnten, wie er in fremdem Land, vor angesehenen Persönlichkeiten +das Gute verfocht und wenn er es auch noch nicht zum Siege gebracht +hatte, so doch zur letzten Eroberung sich vollkommen bereit stellte! +Würden sie ihre Meinung über ihn revidieren? Ihn zwischen sich +niedersetzen und loben? Ihm einmal, einmal in die ihnen so ergebenen +Augen sehn? Unsichere Fragen und ungeeignetester Augenblick, sie zu +stellen! + +»Ich komme, weil ich glaube, daß mich der Heizer irgendwelcher +Unredlichkeiten beschuldigt. Ein Mädchen aus der Küche sagte mir, sie +hätte ihn auf dem Wege hierher gesehen. Herr Kapitän und Sie alle meine +Herren, ich bin bereit, jede Beschuldigung an der Hand meiner Schriften, +nötigenfalls durch Aussagen unvoreingenommener und unbeeinflußter +Zeugen, die vor der Türe stehen, zu widerlegen.« So sprach Schubal. Das +war allerdings die klare Rede eines Mannes und nach der Veränderung in +den Mienen der Zuhörer hätte man glauben können, sie hörten zum +erstenmal nach langer Zeit wieder menschliche Laute. Sie bemerkten +freilich nicht, daß selbst diese schöne Rede Löcher hatte. Warum war das +erste sachliche Wort, das ihm einfiel, »Unredlichkeiten«? Hätte +vielleicht die Beschuldigung hier einsetzen müssen, statt bei seinen +nationalen Voreingenommenheiten? Ein Mädchen aus der Küche hatte den +Heizer auf dem Weg ins Bureau gesehen und Schubal hatte sofort +begriffen? War es nicht das Schuldbewußtsein, das ihm den Verstand +schärfte? Und Zeugen hatte er gleich mitgebracht und nannte sie noch +außerdem unvoreingenommen und unbeeinflußt? Gaunerei, nichts als +Gaunerei! Und die Herren duldeten das und anerkannten es noch als +richtiges Benehmen? Warum hatte er zweifellos sehr viel Zeit zwischen +der Meldung des Küchenmädchens und seiner Ankunft hier verstreichen +lassen, doch zu keinem anderen Zwecke, als damit der Heizer die Herren +so ermüde, daß sie allmählich ihre klare Urteilskraft verloren, welche +Schubal vor allem zu fürchten hatte? Hatte er, der sicher schon lange +hinter der Tür gestanden war, nicht erst in dem Augenblick geklopft, als +er infolge der nebensächlichen Frage jenes Herrn hoffen durfte, der +Heizer sei erledigt? + +Alles war klar und wurde ja auch von Schubal wider Willen so dargeboten, +aber den Herren mußte man es anders, noch handgreiflicher zeigen. Sie +brauchten Aufrüttelung. Also Karl, rasch, nütze jetzt wenigstens die +Zeit aus, ehe die Zeugen auftreten und alles überschwemmen! + +Eben aber winkte der Kapitän dem Schubal ab, der daraufhin sofort – denn +seine Angelegenheit schien für ein Weilchen aufgeschoben zu sein – +beiseite trat und mit dem Diener, der sich ihm gleich angeschlossen +hatte, eine leise Unterhaltung begann, bei der es an Seitenblicken nach +dem Heizer und Karl sowie an den überzeugtesten Handbewegungen nicht +fehlte. Schubal schien so seine nächste große Rede einzuüben. + +»Wollten Sie nicht den jungen Menschen etwas fragen, Herr Jakob?« sagte +der Kapitän unter allgemeiner Stille zu dem Herrn mit dem +Bambusstöckchen. + +»Allerdings,« sagte dieser, mit einer kleinen Neigung für die +Aufmerksamkeit dankend. Und fragte dann Karl nochmals: »Wie heißen Sie +eigentlich?« + +Karl, welcher glaubte, es sei im Interesse der großen Hauptsache +gelegen, wenn dieser Zwischenfall des hartnäckigen Fragers bald erledigt +würde, antwortete kurz, ohne, wie es seine Gewohnheit war, durch +Vorweisung des Passes sich vorzustellen, den er erst hätte suchen +müssen: »Karl Roßmann«. + +»Aber,« sagte der mit Jakob Angesprochene und trat zuerst fast +ungläubig lächelnd zurück. Auch der Kapitän, der Oberkassier, der +Schiffsoffizier, ja sogar der Diener zeigten deutlich ein übermäßiges +Erstaunen wegen Karls Namen. Nur die Herren von der Hafenbehörde und +Schubal verhielten sich gleichgültig. + +»Aber,« wiederholte Herr Jakob und trat mit etwas steifen Schritten auf +Karl zu, »dann bin ich ja dein Onkel Jakob und du bist mein lieber +Neffe. Ahnte ich es doch die ganze Zeit über!« sagte er zum Kapitän hin, +ehe er Karl umarmte und küßte, der alles stumm geschehen ließ. + +»Wie heißen Sie?« fragte Karl, nachdem er sich losgelassen fühlte, zwar +sehr höflich, aber gänzlich ungerührt, und strengte sich an, die Folgen +abzusehen, welche dieses neue Ereignis für den Heizer haben dürfte. +Vorläufig deutete nichts darauf hin, daß Schubal aus dieser Sache Nutzen +ziehen könnte. + +»Begreifen Sie doch, junger Mann, Ihr Glück,« sagte der Kapitän, der +durch Karls Frage die Würde der Person des Herrn Jakob verletzt glaubte, +der sich zum Fenster gestellt hatte, offenbar, um sein aufgeregtes +Gesicht, das er überdies mit einem Taschentuch betupfte, den andern +nicht zeigen zu müssen. »Es ist der Senator Edward Jakob, der sich Ihnen +als Ihr Onkel zu erkennen gegeben hat. Es erwartet Sie nunmehr, doch +wohl ganz gegen Ihre bisherigen Erwartungen, eine glänzende Laufbahn. +Versuchen Sie das einzusehen, so gut es im ersten Augenblick geht, und +fassen Sie sich!« + +»Ich habe allerdings einen Onkel Jakob in Amerika,« sagte Karl zum +Kapitän gewendet, »aber wenn ich recht verstanden habe, ist Jakob bloß +der Zuname des Herrn Senators.« + +»So ist es,« sagte der Kapitän erwartungsvoll. + +»Nun, mein Onkel Jakob, welcher der Bruder meiner Mutter ist, heißt aber +mit dem Taufnamen Jakob, während sein Zuname natürlich gleich jenem +meiner Mutter lauten müßte, welche eine geborene Bendelmayer ist.« + +»Meine Herren!« rief der Senator, der von seinem Erholungsposten beim +Fenster munter zurückkehrte, mit Bezug auf Karls Erklärung aus. Alle, +mit Ausnahme der Hafenbeamten, brachen in Lachen aus, manche wie in +Rührung, manche undurchdringlich. + +»So lächerlich war das, was ich gesagt habe, doch keineswegs,« dachte +Karl. + +»Meine Herren,« wiederholte der Senator, »Sie nehmen gegen meinen und +gegen Ihren Willen an einer kleinen Familienszene teil und ich kann +deshalb nicht umhin, Ihnen eine Erläuterung zu geben, da, wie ich +glaube, nur der Herr Kapitän« – diese Erwähnung hatte eine gegenseitige +Verbeugung zur Folge – »vollständig unterrichtet ist.« + +»Jetzt muß ich aber wirklich auf jedes Wort achtgeben,« sagte sich Karl +und freute sich, als er bei einem Seitwärtsschauen bemerkte, daß in die +Figur des Heizers das Leben zurückzukehren begann. + +»Ich lebe seit allen den langen Jahren meines amerikanischen +Aufenthaltes – das Wort Aufenthalt paßt hier allerdings schlecht für +den amerikanischen Bürger, der ich mit ganzer Seele bin – seit allen den +langen Jahren lebe ich also von meinen europäischen Verwandten +vollständig abgetrennt, aus Gründen, die erstens nicht hierher gehören, +und die zweitens zu erzählen, mich wirklich zu sehr hernehmen würde. Ich +fürchte mich sogar vor dem Augenblick, wo ich vielleicht gezwungen sein +werde, sie meinem lieben Neffen zu erzählen, wobei sich leider ein +offenes Wort über seine Eltern und ihren Anhang nicht vermeiden lassen +wird.« + +»Es ist mein Onkel, kein Zweifel,« sagte sich Karl und lauschte, +»wahrscheinlich hat er seinen Namen ändern lassen.« + +»Mein lieber Neffe ist nun von seinen Eltern – sagen wir nur das Wort, +das die Sache auch wirklich bezeichnet – einfach beiseitegeschafft +worden, wie man eine Katze vor die Tür wirft, wenn sie ärgert. Ich will +durchaus nicht beschönigen, was mein Neffe gemacht hat, daß er so +gestraft wurde, aber sein Verschulden ist ein solches, daß sein +einfaches Nennen schon genug Entschuldigung enthält.« + +»Das läßt sich hören,« dachte Karl, »aber ich will nicht, daß er es +allen erzählt. Übrigens kann er es ja auch nicht wissen. Woher denn?« + +»Er wurde nämlich,« fuhr der Onkel fort und stützte sich mit kleinen +Neigungen auf das vor ihm eingestemmte Bambusstöckchen, wodurch es ihm +tatsächlich gelang, der Sache die unnötige Feierlichkeit zu nehmen, die +sie sonst unbedingt gehabt hätte, »er wurde nämlich von einem +Dienstmädchen, Johanna Brummer, einer etwa 35jährigen Person, verführt. +Ich will mit dem Worte »verführt« meinen Neffen durchaus nicht kränken, +aber es ist doch schwer, ein anderes, gleich passendes Wort zu finden.« + +Karl, der schon ziemlich nahe zum Onkel getreten war, drehte sich hier +um, um den Eindruck der Erzählung von den Gesichtern der Anwesenden +abzulesen. Keiner lachte, alle hörten geduldig und ernsthaft zu. +Schließlich lacht man auch nicht über den Neffen eines Senators bei der +ersten Gelegenheit, die sich darbietet. Eher hätte man schon sagen +können, daß der Heizer, wenn auch nur ganz wenig, Karl anlächelte, was +aber erstens als neues Lebenszeichen erfreulich und zweitens +entschuldbar war, da ja Karl in der Kabine aus dieser Sache, die jetzt +so publik wurde, ein besonderes Geheimnis hatte machen wollen. + +»Nun hat diese Brummer,« setzte der Onkel fort, »von meinem Neffen ein +Kind bekommen, einen gesunden Jungen, welcher in der Taufe den Namen +Jakob erhielt, zweifellos in Gedanken an meine Wenigkeit, welche, selbst +in den sicher nur ganz nebensächlichen Erwähnungen meines Neffen, auf +das Mädchen einen großen Eindruck gemacht haben muß. Glücklicherweise, +sage ich. Denn da die Eltern zur Vermeidung der Alimentenzahlung oder +sonstigen bis an sie selbst heranreichenden Skandales – ich kenne, wie +ich betonen muß, weder die dortigen Gesetze noch die sonstigen +Verhältnisse der Eltern – da sie also zur Vermeidung der +Alimentenzahlung und des Skandales ihren Sohn, meinen lieben Neffen, +nach Amerika haben transportieren lassen, mit unverantwortlich +ungenügender Ausrüstung, wie man sieht, so wäre der Junge, ohne die +gerade noch in Amerika lebendigen Zeichen und Wunder, auf sich allein +angewiesen, wohl schon gleich in einem Gäßchen im Hafen von New York +verkommen, wenn nicht jenes Dienstmädchen in einem an mich gerichteten +Brief, der nach langen Irrfahrten vorgestern in meinen Besitz kam, mir +die ganze Geschichte samt Personenbeschreibung meines Neffen und +vernünftigerweise auch Namensnennung des Schiffes mitgeteilt hätte. Wenn +ich es darauf angelegt hätte, Sie, meine Herren, zu unterhalten, könnte +ich wohl einige Stellen jenes Briefes« – er zog zwei riesige, +engbeschriebene Briefbogen aus der Tasche und schwenkte sie – »hier +vorlesen. Er würde sicher Wirkung machen, da er mit einer etwas +einfachen, wenn auch immer gutgemeinten Schlauheit und mit viel Liebe zu +dem Vater des Kindes geschrieben ist. Aber ich will weder Sie mehr +unterhalten, als es zur Aufklärung nötig ist, noch vielleicht gar zum +Empfang möglicherweise noch bestehende Gefühle meines Neffen verletzen, +der den Brief, wenn er mag, in der Stille seines ihn schon erwartenden +Zimmers zur Belehrung lesen kann.« + +Karl hatte aber keine Gefühle für jenes Mädchen. Im Gedränge einer immer +mehr zurücktretenden Vergangenheit saß sie in ihrer Küche neben dem +Küchenschrank, auf dessen Platte sie ihren Ellbogen stützte. Sie sah ihn +an, wenn er hin und wieder in die Küche kam, um ein Glas zum +Wassertrinken für seinen Vater zu holen oder einen Auftrag seiner +Mutter auszurichten. Manchmal schrieb sie in der vertrackten Stellung +seitlich vom Küchenschrank einen Brief und holte sich die Eingebungen +von Karls Gesicht. Manchmal hielt sie die Augen mit der Hand verdeckt, +dann drang keine Anrede zu ihr. Manchmal kniete sie in ihrem engen +Zimmerchen neben der Küche und betete zu einem hölzernen Kreuz; Karl +beobachtete sie dann nur mit Scheu im Vorübergehen durch die Spalte der +ein wenig geöffneten Tür. Manchmal jagte sie in der Küche herum und fuhr +wie eine Hexe lachend zurück, wenn Karl ihr in den Weg kam. Manchmal +schloß sie die Küchentüre, wenn Karl eingetreten war und behielt die +Klinke solange in der Hand, bis er wegzugehn verlangte. Manchmal holte +sie Sachen, die er gar nicht haben wollte, und drückte sie ihm +schweigend in die Hände. Einmal aber sagte sie »Karl« und führte ihn, +der noch über die unerwartete Ansprache staunte, unter Grimassen +seufzend in ihr Zimmerchen, das sie zusperrte. Würgend umarmte sie +seinen Hals und während sie ihn bat, sie zu entkleiden, entkleidete sie +in Wirklichkeit ihn und legte ihn in ihr Bett, als wolle sie ihn von +jetzt niemandem mehr lassen und ihn streicheln und pflegen bis zum Ende +der Welt. »Karl, o du mein Karl!« rief sie, als sähe sie ihn und +bestätige sich seinen Besitz, während er nicht das Geringste sah und +sich unbehaglich in dem vielen warmen Bettzeug fühlte, das sie eigens +für ihn aufgehäuft zu haben schien. Dann legte sie sich auch zu ihm und +wollte irgendwelche Geheimnisse von ihm erfahren, aber er konnte ihr +keine sagen und sie ärgerte sich im Scherz oder Ernst, schüttelte ihn, +horchte sein Herz ab, bot ihre Brust zum gleichen Abhorchen hin, wozu +sie Karl aber nicht bringen konnte, drückte ihren nackten Bauch an +seinen Leib, suchte mit der Hand, so widerlich, daß Karl Kopf und Hals +aus den Kissen heraus schüttelte, zwischen seinen Beinen, stieß dann den +Bauch einige Male gegen ihn, ihm war, als sei sie ein Teil seiner selbst +und vielleicht aus diesem Grunde hatte ihn eine entsetzliche +Hilfsbedürftigkeit ergriffen. Weinend kam er endlich nach vielen +Wiedersehenswünschen ihrerseits in sein Bett. Das war alles gewesen und +doch verstand es der Onkel, daraus eine große Geschichte zu machen. Und +die Köchin hatte also auch an ihn gedacht und den Onkel von seiner +Ankunft verständigt. Das war schön von ihr gehandelt und er würde es ihr +wohl noch einmal vergelten. + +»Und jetzt,« rief der Senator, »will ich von dir offen hören, ob ich +dein Onkel bin oder nicht.« + +»Du bist mein Onkel,« sagte Karl und küßte ihm die Hand und wurde dafür +auf die Stirne geküßt. »Ich bin sehr froh, daß ich dich getroffen habe, +aber du irrst, wenn du glaubst, daß meine Eltern nur Schlechtes von dir +reden. Aber auch abgesehen davon, sind in deiner Rede einige Fehler +enthalten gewesen, das heißt, ich meine, es hat sich in Wirklichkeit +nicht alles so zugetragen. Du kannst aber auch wirklich von hier aus die +Dinge nicht so gut beurteilen, und ich glaube außerdem, daß es keinen +besonderen Schaden bringen wird, wenn die Herren in Einzelheiten einer +Sache, an der ihnen doch wirklich nicht viel liegen kann, ein wenig +unrichtig informiert worden sind.« + +»Wohl gesprochen,« sagte der Senator, führte Karl vor den sichtlich +teilnehmenden Kapitän und fragte: »Habe ich nicht einen prächtigen +Neffen?« + +»Ich bin glücklich,« sagte der Kapitän mit einer Verbeugung, wie sie nur +militärisch geschulte Leute zustandebringen, »Ihren Neffen, Herr +Senator, kennen gelernt zu haben. Es ist eine besondere Ehre für mein +Schiff, daß es den Ort eines solchen Zusammentreffens abgeben konnte. +Aber die Fahrt im Zwischendeck war wohl sehr arg, ja, wer kann denn +wissen, wer da mitgeführt wird. Nun, wir tun alles Mögliche, den Leuten +im Zwischendeck die Fahrt möglichst zu erleichtern, viel mehr zum +Beispiel, als die amerikanischen Linien, aber eine solche Fahrt zu einem +Vergnügen zu machen, ist uns allerdings noch immer nicht gelungen.« + +»Es hat mir nicht geschadet,« sagte Karl. + +»Es hat ihm nicht geschadet!« wiederholte laut lachend der Senator. + +»Nur meinen Koffer fürchte ich verloren zu –« und damit erinnerte er +sich an alles, was geschehen war und was noch zu tun übrigblieb, sah +sich um und erblickte alle Anwesenden stumm vor Achtung und Staunen auf +ihren früheren Plätzen, die Augen auf ihn gerichtet. Nur den +Hafenbeamten sah man, soweit ihre strengen, selbstzufriedenen Gesichter +einen Einblick gestatteten, das Bedauern an, zu so ungelegener Zeit +gekommen zu sein und die Taschenuhr, die sie jetzt vor sich liegen +hatten, war ihnen wahrscheinlich wichtiger, als alles, was im Zimmer +vorging und vielleicht noch geschehen konnte. + +Der erste, welcher nach dem Kapitän seine Anteilnahme ausdrückte, war +merkwürdigerweise der Heizer. »Ich gratuliere Ihnen herzlich,« sagte er +und schüttelte Karl die Hand, womit er auch etwas wie Anerkennung +ausdrücken wollte. Als er sich dann mit der gleichen Ansprache auch an +den Senator wenden wollte, trat dieser zurück, als überschreite der +Heizer damit seine Rechte; der Heizer ließ auch sofort ab. + +Die übrigen aber sahen jetzt ein, was zu tun war, und bildeten gleich um +Karl und den Senator einen Wirrwarr. So geschah es, daß Karl sogar eine +Gratulation Schubals erhielt, annahm und für sie dankte. Als letzte +traten in der wieder entstandenen Ruhe die Hafenbeamten hinzu und sagten +zwei englische Worte, was einen lächerlichen Eindruck machte. + +Der Senator war ganz in der Laune, um das Vergnügen vollständig +auszukosten, nebensächlichere Momente sich und den anderen in Erinnerung +zu bringen, was natürlich von allen nicht nur geduldet, sondern mit +Interesse hingenommen wurde. So machte er darauf aufmerksam, daß er sich +die in dem Brief der Köchin erwähnten hervorstechendsten +Erkennungszeichen Karls in sein Notizbuch zu möglicherweise notwendigem +augenblicklichen Gebrauch eingetragen hatte. Nun hatte er während des +unerträglichen Geschwätzes des Heizers zu keinem anderen Zweck, als um +sich abzulenken, das Notizbuch herausgezogen und die natürlich nicht +gerade detektivisch richtigen Beobachtungen der Köchin mit Karls +Aussehen zum Spiel in Verbindung zu bringen gesucht. »Und so findet man +seinen Neffen!« schloß er in einem Ton, als wolle er noch einmal +Gratulationen bekommen. + +»Was wird jetzt dem Heizer geschehen?« fragte Karl, vorbei an der +letzten Erzählung des Onkels. Er glaubte in seiner neuen Stellung alles, +was er dachte, auch aussprechen zu können. + +»Dem Heizer wird geschehen, was er verdient,« sagte der Senator, »und +was der Herr Kapitän für gut erachtet. Ich glaube, wir haben von dem +Heizer genug und übergenug, wozu mir jeder der anwesenden Herren sicher +zustimmen wird.« + +»Darauf kommt es doch nicht an, bei einer Sache der Gerechtigkeit,« +sagte Karl. Er stand zwischen dem Onkel und dem Kapitän, und glaubte, +vielleicht durch diese Stellung beeinflußt, die Entscheidung in der Hand +zu haben. + +Und trotzdem schien der Heizer nichts mehr für sich zu hoffen. Die Hände +hielt er halb in dem Hosengürtel, der durch seine aufgeregten Bewegungen +mit dem Streifen eines gemusterten Hemdes zum Vorschein gekommen war. +Das kümmerte ihn nicht im geringsten, er hatte sein ganzes Leid geklagt, +nun sollte man auch noch die paar Fetzen sehen, die er am Leibe hatte, +und dann sollte man ihn forttragen. Er dachte sich aus, der Diener und +Schubal, als die zwei hier im Range Tiefsten, sollten ihm diese letzte +Güte erweisen. Schubal würde dann Ruhe haben und nicht mehr in +Verzweiflung kommen, wie sich der Oberkassier ausgedrückt hatte. Der +Kapitän würde lauter Rumänen anstellen können, es würde überall +rumänisch gesprochen werden, und vielleicht würde dann wirklich alles +besser gehen. Kein Heizer würde mehr in der Hauptkassa schwätzen, nur +sein letztes Geschwätz würde man in ziemlich freundlicher Erinnerung +behalten, da es, wie der Senator ausdrücklich erklärt hatte, die +mittelbare Veranlassung zur Erkennung des Neffen gegeben hatte. Dieser +Neffe hatte ihm übrigens vorher öfters zu nützen gesucht und daher für +seinen Dienst bei der Wiedererkennung längst vorher einen mehr als +genügenden Dank abgestattet; dem Heizer fiel gar nicht ein, jetzt noch +etwas von ihm zu verlangen. Im übrigen, mochte er auch der Neffe des +Senators sein, ein Kapitän war er noch lange nicht, aber aus dem Munde +des Kapitäns würde schließlich das böse Wort fallen. – So wie es seiner +Meinung entsprach, versuchte auch der Heizer nicht zu Karl hinzusehen, +aber leider blieb in diesem Zimmer der Feinde kein anderer Ruheort für +seine Augen. + +»Mißverstehe die Sachlage nicht,« sagte der Senator zu Karl, »es handelt +sich vielleicht um eine Sache der Gerechtigkeit, aber gleichzeitig um +eine Sache der Disziplin. Beides und ganz besonders das letztere +unterliegt hier der Beurteilung des Herrn Kapitäns.« + +»So ist es,« murmelte der Heizer. Wer es merkte und verstand, lächelte +befremdet. + +»Wir aber haben überdies den Herrn Kapitän in seinen Amtsgeschäften, +die sich sicher gerade bei der Ankunft in New York unglaublich häufen, +so sehr schon behindert, daß es höchste Zeit für uns ist, das Schiff zu +verlassen, um nicht zum Überfluß auch noch durch irgendwelche höchst +unnötige Einmischung diese geringfügige Zänkerei zweier Maschinisten zu +einem Ereignis zu machen. Ich begreife deine Handlungsweise, lieber +Neffe, übrigens vollkommen, aber gerade das gibt mir das Recht, dich +eilends von hier fortzuführen.« + +»Ich werde sofort ein Boot für Sie flottmachen lassen,« sagte der +Kapitän, ohne zum Erstaunen Karls auch nur den kleinsten Einwand gegen +die Worte des Onkels vorzubringen, die doch zweifellos als eine +Selbstdemütigung des Onkels angesehen werden konnten. Der Oberkassier +eilte überstürzt zum Schreibtisch und telephonierte den Befehl des +Kapitäns an den Bootsmeister. + +»Die Zeit drängt schon,« sagte sich Karl, »aber ohne alle zu beleidigen, +kann ich nichts tun. Ich kann doch jetzt den Onkel nicht verlassen, +nachdem er mich kaum wiedergefunden hat. Der Kapitän ist zwar höflich, +aber das ist auch alles. Bei der Disziplin hört seine Höflichkeit auf, +und der Onkel hat ihm sicher aus der Seele gesprochen. Mit Schubal will +ich nicht reden, es tut mir sogar leid, daß ich ihm die Hand gereicht +habe. Und alle anderen Leute hier sind Spreu.« + +Und er ging langsam in solchen Gedanken zum Heizer, zog dessen rechte +Hand aus dem Gürtel und hielt sie spielend in der seinen. »Warum sagst +du denn nichts?« fragte er. »Warum läßt du dir alles gefallen?« + +Der Heizer legte nur die Stirn in Falten, als suche er den Ausdruck für +das, was er zu sagen habe. Im übrigen sah er auf Karls und seine Hand +hinab. + +»Dir ist ja unrecht geschehen, wie keinem auf dem Schiff, das weiß ich +ganz genau.« Und Karl zog seine Finger hin und her zwischen den Fingern +des Heizers, der mit glänzenden Augen ringsumher schaute, als widerfahre +ihm eine Wonne, die ihm aber niemand verübeln möge. + +»Du mußt dich aber zur Wehr setzen, ja und nein sagen, sonst haben doch +die Leute keine Ahnung von der Wahrheit. Du mußt mir versprechen, daß du +mir folgen wirst, denn ich selbst, das fürchte ich mit vielem Grund, +werde dir gar nicht mehr helfen können.« Und nun weinte Karl, während er +die Hand des Heizers küßte und nahm die rissige, fast leblose Hand und +drückte sie an seine Wangen, wie einen Schatz, auf den man verzichten +muß. – Da war aber auch schon der Onkel Senator an seiner Seite und zog +ihn, wenn auch nur mit dem leichtesten Zwange, fort. + +»Der Heizer scheint dich bezaubert zu haben,« sagte er und sah +verständnisinnig über Karls Kopf zum Kapitän hin. »Du hast dich +verlassen gefühlt, da hast du den Heizer gefunden und bist ihm jetzt +dankbar, das ist ja ganz löblich. Treibe das aber, schon mir zuliebe, +nicht zu weit und lerne deine Stellung begreifen.« + +Vor der Türe entstand ein Lärmen, man hörte Rufe und es war sogar, als +werde jemand brutal gegen die Türe gestoßen. Ein Matrose trat ein, etwas +verwildert, und hatte eine Mädchenschürze umgebunden. »Es sind Leute +draußen,« rief er und stieß einmal mit dem Ellbogen herum, als sei er +noch im Gedränge. Endlich fand er seine Besinnung und wollte vor dem +Kapitän salutieren, da bemerkte er die Mädchenschürze, riß sie herunter, +warf sie zu Boden und rief: »Das ist ja ekelhaft, da haben sie mir eine +Mädchenschürze umgebunden.« Dann aber klappte er die Hacken zusammen und +salutierte. Jemand versuchte zu lachen, aber der Kapitän sagte streng: +»Das nenne ich eine gute Laune. Wer ist denn draußen?« + +»Es sind meine Zeugen,« sagte Schubal vortretend, »ich bitte ergebenst +um Entschuldigung für ihr unpassendes Benehmen. Wenn die Leute die +Seefahrt hinter sich haben, sind sie manchmal wie toll.« + +»Rufen Sie sie sofort herein!« befahl der Kapitän und gleich sich zum +Senator umwendend sagte er verbindlich, aber rasch: »Haben Sie jetzt die +Güte, verehrter Herr Senator, mit Ihrem Herrn Neffen diesem Matrosen zu +folgen, der Sie ins Boot bringen wird. Ich muß wohl nicht erst sagen, +welches Vergnügen und welche Ehre mir das persönliche Bekanntwerden mit +Ihnen, Herr Senator, bereitet hat. Ich wünsche mir nur, bald Gelegenheit +zu haben, mit Ihnen, Herr Senator, unser unterbrochenes Gespräch über +die amerikanischen Flottenverhältnisse wieder einmal aufnehmen zu können +und dann vielleicht neuerdings auf so angenehme Weise, wie heute, +unterbrochen zu werden.« + +»Vorläufig genügt mir dieser eine Neffe,« sagte der Onkel lachend. »Und +nun nehmen Sie meinen besten Dank für Ihre Liebenswürdigkeit und leben +Sie wohl. Es wäre übrigens gar nicht so unmöglich, daß wir« – er drückte +Karl herzlich an sich – »bei unserer nächsten Europareise vielleicht für +längere Zeit mit Ihnen zusammenkommen könnten.« + +»Es würde mich herzlich freuen,« sagte der Kapitän. Die beiden Herren +schüttelten einander die Hände, Karl konnte nur noch stumm und flüchtig +seine Hand dem Kapitän reichen, denn dieser war bereits von den +vielleicht fünfzehn Leuten in Anspruch genommen, welche unter Führung +Schubals zwar etwas betroffen, aber doch sehr laut einzogen. Der Matrose +bat den Senator, vorausgehen zu dürfen und teilte dann die Menge für ihn +und Karl, die leicht zwischen den sich verbeugenden Leuten durchkamen. +Es schien, daß diese im übrigen gutmütigen Leute den Streit Schubals mit +dem Heizer als einen Spaß auffaßten, dessen Lächerlichkeit nicht einmal +vor dem Kapitän aufhöre. Karl bemerkte unter ihnen auch das +Küchenmädchen Line, welche, ihm lustig zuzwinkernd, die vom Matrosen +hingeworfene Schürze umband, denn es war die ihrige. + +Weiter dem Matrosen folgend verließen sie das Bureau und bogen in einen +kleinen Gang ein, der sie nach ein paar Schritten zu einem Türchen +brachte, von dem aus eine kurze Treppe in das Boot hinabführte, welches +für sie vorbereitet war. Die Matrosen im Boot, in das ihr Führer gleich +mit einem einzigen Satz hinuntersprang, erhoben sich und salutierten. +Der Senator gab Karl gerade eine Ermahnung zu vorsichtigem +Hinuntersteigen, als Karl noch auf der obersten Stufe in heftiges +Weinen ausbrach. Der Senator legte die rechte Hand unter Karls Kinn, +hielt ihn fest an sich gepreßt und streichelte ihn mit der linken Hand. +So gingen sie langsam Stufe für Stufe hinab und traten engverbunden ins +Boot, wo der Senator für Karl gerade sich gegenüber einen guten Platz +aussuchte. Auf ein Zeichen des Senators stießen die Matrosen vom Schiffe +ab und waren gleich in voller Arbeit. Kaum waren sie ein paar Meter vom +Schiff entfernt, machte Karl die unerwartete Entdeckung, daß sie sich +gerade auf jener Seite des Schiffes befanden, wohin die Fenster der +Hauptkassa gingen. Alle drei Fenster waren mit Zeugen Schubals besetzt, +welche freundschaftlichst grüßten und winkten, sogar der Onkel dankte, +und ein Matrose machte das Kunststück, ohne eigentlich das gleichmäßige +Rudern zu unterbrechen, eine Kußhand hinaufzuschicken. Es war wirklich, +als gebe es keinen Heizer mehr. Karl faßte den Onkel, mit dessen Knien +sich die seinen fast berührten, genauer ins Auge, und es kamen ihm +Zweifel, ob dieser Mann ihm jemals den Heizer werde ersetzen können. +Auch wich der Onkel seinem Blicke aus und sah auf die Wellen hin, von +denen ihr Boot umschwankt wurde. + + + +[Anmerkungen zur Transkription: Dieses elektronische Buch wurde auf +Grundlage der Erstausgabe erstellt. + +Nach dem Korrekturlesen auf PGDP wurde der Text mit der eigens für +diesen Zweck eingescannten Fassung aus »Franz Kafka: Die Erzählungen – +Originalfassung, Fischer Taschenbuchverlag, 8. Auflage: August 2003« +verglichen. Jene Fassung basiert auf der Kritischen Kafka-Ausgabe. +Entsprechend dieser Textvergleiche wurden folgende Korrekturen +vorgenommen: + +p 05: sechszehnjährige -> sechzehnjährige +p 08: »Ja, warum haben sie -> Sie +p 21: Kofferchen -> Köfferchen +p 34: beseitegeschafft -> beiseitegeschafft +p 42: in Verzweiflung kommen wie -> kommen, wie ] + + + +[Transcriber’s Note: This ebook has been prepared from scans of a first +edition copy. + +After proofreading on PGDP had been completed, the text was compared +with another version scanned from a recent printing of »Franz Kafka: Die +Erzählungen – Originalfassung, Fischer Taschenbuchverlag, 8. Auflage: +August 2003«; which follows the critical edition of Kafka’s works. While +I kept most of the peculiarities of the first edition, I corrected the +following list of words and punctuation which I believe to be misprints: + +p 05: sechszehnjährige -> sechzehnjährige +p 08: »Ja, warum haben sie -> Sie +p 21: Kofferchen -> Köfferchen +p 34: beseitegeschafft -> beiseitegeschafft +p 42: in Verzweiflung kommen wie -> kommen, wie ] + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der Heizer, by Franz Kafka + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER HEIZER *** + +***** This file should be named 16304-0.txt or 16304-0.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/6/3/0/16304/ + +Produced by Markus Brenner and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/16304-0.zip b/16304-0.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b467df0 --- /dev/null +++ b/16304-0.zip diff --git a/16304-8.txt b/16304-8.txt new file mode 100644 index 0000000..97afca4 --- /dev/null +++ b/16304-8.txt @@ -0,0 +1,1508 @@ +The Project Gutenberg EBook of Der Heizer, by Franz Kafka + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Der Heizer + Ein Fragment + +Author: Franz Kafka + +Release Date: July 15, 2005 [EBook #16304] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER HEIZER *** + + + + +Produced by Markus Brenner and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + + + + + Franz Kafka + + Der Heizer + + Ein Fragment + + + 1913 + Kurt Wolff Verlag * Leipzig + + + + Dies Buch wurde + gedruckt im Mai 1913 als dritter + Band der Bücherei »Der jüngste Tag« bei + Poeschel & Trepte in Leipzig + + +COPYRIGHT BY KURT WOLFF VERLAG, LEIPZIG 1913 + + + + +Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach +Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und +ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff +in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst +beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker +gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings +empor und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte. + +»So hoch!« sagte er sich und wurde, wie er so gar nicht an das Weggehen +dachte, von der immer mehr anschwellenden Menge der Gepäckträger, die an +ihm vorüberzogen, allmählich bis an das Bordgeländer geschoben. + +Ein junger Mann, mit dem er während der Fahrt flüchtig bekannt geworden +war, sagte im Vorübergehen: »Ja, haben Sie denn noch keine Lust, +auszusteigen?« »Ich bin doch fertig,« sagte Karl, ihn anlachend, und hob +aus Übermut, und weil er ein starker Junge war, seinen Koffer auf die +Achsel. Aber wie er über seinen Bekannten hinsah, der ein wenig seinen +Stock schwenkend sich schon mit den andern entfernte, merkte er +bestürzt, daß er seinen eigenen Regenschirm unten im Schiff vergessen +hatte. Er bat schnell den Bekannten, der nicht sehr beglückt schien, um +die Freundlichkeit, bei seinem Koffer einen Augenblick zu warten, +überblickte noch die Situation, um sich bei der Rückkehr zurechtzufinden +und eilte davon. Unten fand er zu seinem Bedauern einen Gang, der seinen +Weg sehr verkürzt hätte, zum erstenmal versperrt, was wahrscheinlich mit +der Ausschiffung sämtlicher Passagiere zusammenhing und mußte sich +seinen Weg durch eine Unzahl kleiner Räume, über kurze Treppen, die +einander immer wieder folgten, durch fortwährend abbiegende Korridore, +durch ein leeres Zimmer mit einem verlassenen Schreibtisch mühselig +suchen, bis er sich tatsächlich, da er diesen Weg nur ein- oder zweimal +und immer in größerer Gesellschaft gegangen war, ganz und gar verirrt +hatte. In seiner Ratlosigkeit und da er keinen Menschen traf und nur +immerfort über sich das Scharren der tausend Menschenfüße hörte und von +der Ferne, wie einen Hauch, das letzte Arbeiten der schon eingestellten +Maschinen merkte, fing er, ohne zu überlegen, an eine beliebige kleine +Tür zu schlagen an, bei der er in seinem Herumirren stockte. + +»Es ist ja offen,« rief es von innen, und Karl öffnete mit ehrlichem +Aufatmen die Tür. »Warum schlagen Sie so verrückt auf die Tür?« fragte +ein riesiger Mann, kaum daß er nach Karl hinsah. Durch irgendeine +Oberlichtluke fiel ein trübes, oben im Schiff längst abgebrauchtes Licht +in die klägliche Kabine, in welcher ein Bett, ein Schrank, ein Sessel +und der Mann knapp nebeneinander, wie eingelagert, standen. »Ich habe +mich verirrt,« sagte Karl, »ich habe es während der Fahrt gar nicht so +bemerkt, aber es ist ein schrecklich großes Schiff.« »Ja, da haben Sie +recht,« sagte der Mann mit einigem Stolz und hörte nicht auf, an dem +Schloß eines kleinen Koffers zu hantieren, den er mit beiden Händen +immer wieder zudrückte, um das Einschnappen des Riegels zu behorchen. +»Aber kommen Sie doch herein!« sagte der Mann weiter, »Sie werden doch +nicht draußen stehn!« »Störe ich nicht?« fragte Karl. »Ach, wie werden +Sie denn stören!« »Sind Sie ein Deutscher?« suchte sich Karl noch zu +versichern, da er viel von den Gefahren gehört hatte, welche besonders +von Irländern den Neuankömmlingen in Amerika drohen. »Bin ich, bin ich,« +sagte der Mann. Karl zögerte noch. Da faßte unversehens der Mann die +Türklinke und schob mit der Türe, die er rasch schloß, Karl zu sich +herein. »Ich kann es nicht leiden, wenn man mir vom Gang hereinschaut,« +sagte der Mann, der wieder an seinem Koffer arbeitete, »da läuft jeder +vorbei und schaut herein, das soll der Zehnte aushalten!« »Aber der Gang +ist doch ganz leer,« sagte Karl, der unbehaglich an den Bettpfosten +gequetscht dastand. »Ja, jetzt,« sagte der Mann. »Es handelt sich doch +um jetzt,« dachte Karl, »mit dem Mann ist schwer zu reden.« »Legen Sie +sich doch aufs Bett, da haben Sie mehr Platz,« sagte der Mann. Karl +kroch, so gut es ging, hinein und lachte dabei laut über den ersten +vergeblichen Versuch, sich hinüberzuschwingen. Kaum war er aber im Bett, +rief er: »Gottes Willen, ich habe ja ganz meinen Koffer vergessen!« »Wo +ist er denn?« »Oben auf dem Deck, ein Bekannter gibt acht auf ihn. Wie +heißt er nur?« Und er zog aus einer Geheimtasche, die ihm seine Mutter +für die Reise im Rockfutter angelegt hatte, eine Visitkarte. +»Butterbaum, Franz Butterbaum.« »Haben Sie den Koffer sehr nötig?« +»Natürlich.« »Ja, warum haben Sie ihn dann einem fremden Menschen +gegeben?« »Ich hatte meinen Regenschirm unten vergessen und bin +gelaufen, ihn zu holen, wollte aber den Koffer nicht mitschleppen. Dann +habe ich mich auch noch verirrt.« »Sie sind allein? Ohne Begleitung?« +»Ja, allein.« »Ich sollte mich vielleicht an diesen Mann halten,« ging +es Karl durch den Kopf, »wo finde ich gleich einen besseren Freund.« +»Und jetzt haben Sie auch noch den Koffer verloren. Vom Regenschirm rede +ich gar nicht.« Und der Mann setzte sich auf den Sessel, als habe Karls +Sache jetzt einiges Interesse für ihn gewonnen. »Ich glaube aber, der +Koffer ist noch nicht verloren.« »Glauben macht selig,« sagte der Mann +und kratzte sich kräftig in seinem dunklen, kurzen, dichten Haar, »auf +dem Schiff wechseln mit den Hafenplätzen auch die Sitten. In Hamburg +hätte Ihr Butterbaum den Koffer vielleicht bewacht, hier ist +höchstwahrscheinlich von beiden keine Spur mehr.« »Da muß ich aber doch +gleich hinaufschaun,« sagte Karl und sah sich um, wie er hinauskommen +könnte. »Bleiben Sie nur,« sagte der Mann und stieß ihn mit einer Hand +gegen die Brust, geradezu rauh, ins Bett zurück. »Warum denn?« fragte +Karl ärgerlich. »Weil es keinen Sinn hat,« sagte der Mann »in einem +kleinen Weilchen gehe ich auch, dann gehen wir zusammen. Entweder ist +der Koffer gestohlen, dann ist keine Hilfe, oder der Mensch bewacht ihn +noch immer, dann ist er ein Dummkopf und soll weiter wachen, oder er ist +bloß ein ehrlicher Mensch und hat den Koffer stehen gelassen, dann +werden wir ihn, bis das Schiff ganz entleert ist, desto besser finden. +Ebenso auch Ihren Regenschirm.« »Kennen Sie sich auf dem Schiff aus?« +fragte Karl mißtrauisch und es schien ihm, als hätte der sonst +überzeugende Gedanke, daß auf dem leeren Schiff seine Sachen am besten +zu finden sein würden, einen verborgenen Haken. »Ich bin doch +Schiffsheizer,« sagte der Mann. »Sie sind Schiffsheizer!« rief Karl +freudig, als überstiege das alle Erwartungen, und sah, den Ellbogen +aufgestützt, den Mann näher an. »Gerade vor der Kammer, wo ich mit den +Slowaken geschlafen habe, war eine Luke angebracht, durch die man in den +Maschinenraum sehen konnte.« »Ja, dort habe ich gearbeitet,« sagte der +Heizer. »Ich habe mich immer so für Technik interessiert,« sagte Karl, +der in einem bestimmten Gedankengang blieb, »und ich wäre sicher später +Ingenieur geworden, wenn ich nicht nach Amerika hätte fahren müssen.« +»Warum haben Sie denn fahren müssen?« »Ach was!« sagte Karl und warf die +ganze Geschichte mit der Hand weg. Dabei sah er lächelnd den Heizer an, +als bitte er ihn selbst für das Nichteingestandene um seine Nachsicht. +»Es wird schon einen Grund gehabt haben,« sagte der Heizer und man wußte +nicht recht, ob er damit die Erzählung dieses Grundes fordern oder +abwehren wollte. »Jetzt könnte ich auch Heizer werden,« sagte Karl, +»meinen Eltern ist es jetzt ganz gleichgültig, was ich werde.« »Meine +Stelle wird frei,« sagte der Heizer, gab im Vollbewußtsein dessen die +Hände in die Hosentaschen und warf die Beine, die in faltigen, +lederartigen, eisengrauen Hosen steckten, aufs Bett hin, um sie zu +strecken. Karl mußte mehr an die Wand rücken. »Sie verlassen das +Schiff?« »Jawohl, wir marschieren heute ab.« »Warum denn? Gefällt es +Ihnen nicht?« »Ja, das sind die Verhältnisse, es entscheidet nicht +immer, ob es einem gefällt oder nicht. Übrigens haben Sie recht, es +gefällt mir auch nicht. Sie denken wahrscheinlich nicht ernstlich daran, +Heizer zu werden, aber gerade dann kann man es am leichtesten werden. +Ich also rate Ihnen entschieden ab. Wenn Sie in Europa studieren +wollten, warum wollen Sie es denn hier nicht? Die amerikanischen +Universitäten sind ja unvergleichlich besser als die europäischen.« »Es +ist ja möglich,« sagte Karl, »aber ich habe ja fast kein Geld zum +Studieren. Ich habe zwar von irgendjemandem gelesen, der bei Tag in +einem Geschäft gearbeitet und in der Nacht studiert hat, bis er Doktor +und ich glaube Bürgermeister wurde, aber dazu gehört doch eine große +Ausdauer, nicht? Ich fürchte, die fehlt mir. Außerdem war ich gar kein +besonders guter Schüler, der Abschied von der Schule ist mir wirklich +nicht schwer geworden. Und die Schulen hier sind vielleicht noch +strenger. Englisch kann ich fast gar nicht. Überhaupt ist man hier gegen +Fremde so eingenommen, glaube ich.« »Haben Sie das auch schon erfahren? +Na, dann ist's gut. Dann sind Sie mein Mann. Sehen Sie, wir sind doch +auf einem deutschen Schiff, es gehört der Hamburg-Amerika-Linie, warum +sind wir nicht lauter Deutsche hier? Warum ist der Obermaschinist ein +Rumäne? Er heißt Schubal. Das ist doch nicht zu glauben. Und dieser +Lumpenhund schindet uns Deutsche auf einem deutschen Schiff. Glauben Sie +nicht« -- ihm ging die Luft aus, er fackelte mit der Hand -- »daß ich +klage, um zu klagen. Ich weiß, daß Sie keinen Einfluß haben und selbst +ein armes Bürschchen sind. Aber es ist zu arg!« Und er schlug auf den +Tisch mehrmals mit der Faust und ließ kein Auge von ihr, während er +schlug. »Ich habe doch schon auf so vielen Schiffen gedient« -- und er +nannte zwanzig Namen hintereinander als sei es ein Wort, Karl wurde ganz +wirr -- »und habe mich ausgezeichnet, bin belobt worden, war ein Arbeiter +nach dem Geschmack meiner Kapitäne, sogar auf dem gleichen Handelssegler +war ich einige Jahre« -- er erhob sich, als sei das der Höhepunkt seines +Lebens -- »und hier auf diesem Kasten, wo alles nach der Schnur +eingerichtet ist, wo kein Witz erfordert wird, hier taug' ich nichts, +hier stehe ich dem Schubal immer im Wege, bin ein Faulpelz, verdiene +hinausgeworfen zu werden und bekomme meinen Lohn aus Gnade. Verstehen +Sie das? Ich nicht.« »Das dürfen Sie sich nicht gefallen lassen,« sagte +Karl aufgeregt. Er hatte fast das Gefühl davon verloren, daß er auf dem +unsicheren Boden eines Schiffes, an der Küste eines unbekannten Erdteils +war, so heimisch war ihm hier auf dem Bett des Heizers zumute. »Waren +Sie schon beim Kapitän? Haben Sie schon bei ihm Ihr Recht gesucht?« »Ach +gehen Sie, gehen Sie lieber weg. Ich will Sie nicht hier haben. Sie +hören nicht zu was ich sage und geben mir Ratschläge. Wie soll ich denn +zum Kapitän gehen!« Und müde setzte sich der Heizer wieder und legte das +Gesicht in beide Hände. + +»Einen besseren Rat kann ich ihm nicht geben,« sagte sich Karl. Und er +fand überhaupt, daß er lieber seinen Koffer hätte holen sollen, statt +hier Ratschläge zu geben, die doch nur für dumm gehalten wurden. Als ihm +der Vater den Koffer für immer übergeben hatte, hatte er im Scherz +gefragt: »Wielange wirst Du ihn haben?« und jetzt war dieser teuere +Koffer vielleicht schon im Ernst verloren. Der einzige Trost war noch, +daß der Vater von seiner jetzigen Lage kaum erfahren konnte, selbst wenn +er nachforschen sollte. Nur daß er bis New York mitgekommen war, konnte +die Schiffsgesellschaft gerade noch sagen. Leid tat es aber Karl, daß er +die Sachen im Koffer noch kaum verwendet hatte, trotzdem er es +beispielsweise längst nötig gehabt hätte, das Hemd zu wechseln. Da hatte +er also am unrichtigen Ort gespart; jetzt, wo er es gerade am Beginn +seiner Laufbahn nötig haben würde, rein gekleidet aufzutreten, würde er +im schmutzigen Hemd erscheinen müssen. Sonst wäre der Verlust des +Koffers nicht gar so arg gewesen, denn der Anzug, den er anhatte, war +sogar besser, als jener im Koffer, der eigentlich nur ein Notanzug war, +den die Mutter noch knapp vor der Abreise hatte flicken müssen. Jetzt +erinnerte er sich auch, daß im Koffer noch ein Stück Veroneser Salami +war, die ihm die Mutter als Extragabe eingepackt hatte, von der er +jedoch nur den kleinsten Teil hatte aufessen können, da er während der +Fahrt ganz ohne Appetit gewesen war und die Suppe, die im Zwischendeck +zur Verteilung kam, ihm reichlich genügt hatte. Jetzt hätte er aber die +Wurst gern bei der Hand gehabt, um sie dem Heizer zu verehren. Denn +solche Leute sind leicht gewonnen, wenn man ihnen irgendeine Kleinigkeit +zusteckt, das wußte Karl noch von seinem Vater her, welcher durch +Zigarrenverteilung alle die niedrigeren Angestellten gewann, mit denen +er geschäftlich zu tun hatte. Jetzt besaß Karl an Verschenkbarem nur +noch sein Geld, und das wollte er, wenn er schon vielleicht den Koffer +verloren haben sollte, vorläufig nicht anrühren. Wieder kehrten seine +Gedanken zum Koffer zurück, und er konnte jetzt wirklich nicht einsehen, +warum er den Koffer während der Fahrt so aufmerksam bewacht hatte, daß +ihm die Wache fast den Schlaf gekostet hatte, wenn er jetzt diesen +gleichen Koffer so leicht sich hatte wegnehmen lassen. Er erinnerte sich +an die fünf Nächte, während derer er einen kleinen Slowaken, der zwei +Schlafstellen links von ihm gelegen war, unausgesetzt im Verdacht gehabt +hatte, daß er es auf seinen Koffer abgesehen habe. Dieser Slowake hatte +nur darauf gelauert, daß Karl endlich, von Schwäche befallen, für einen +Augenblick einnicke, damit er den Koffer mit einer langen Stange, mit +der er immer während des Tages spielte oder übte, zu sich hinüberziehen +könne. Bei Tag sah dieser Slowake genug unschuldig aus, aber kaum war +die Nacht gekommen, erhob er sich von Zeit zu Zeit von seinem Lager und +sah traurig zu Karls Koffer hinüber. Karl konnte dies ganz deutlich +erkennen, denn immer hatte hie und da jemand mit der Unruhe des +Auswanderers ein Lichtchen angezündet, trotzdem dies nach der +Schiffsordnung verboten war, und versuchte, unverständliche Prospekte +der Auswanderungsagenturen zu entziffern. War ein solches Licht in der +Nähe, dann konnte Karl ein wenig eindämmern, war es aber in der Ferne, +oder war dunkel, dann mußte er die Augen offenhalten. Diese Anstrengung +hatte ihn recht erschöpft, und nun war sie vielleicht ganz umsonst +gewesen. Dieser Butterbaum, wenn er ihn einmal irgendwo treffen sollte! + +In diesem Augenblick ertönten draußen in weiter Ferne in die bisherige +vollkommene Ruhe hinein kleine kurze Schläge, wie von Kinderfüßen, sie +kamen näher mit verstärktem Klang und nun war es ein ruhiger Marsch von +Männern. Sie gingen offenbar, wie es in dem schmalen Gang natürlich war, +in einer Reihe, man hörte Klirren wie von Waffen. Karl, der schon nahe +daran gewesen war, sich im Bett zu einem von allen Sorgen um Koffer und +Slowaken befreiten Schlafe auszustrecken, schreckte auf und stieß den +Heizer an, um ihn endlich aufmerksam zu machen, denn der Zug schien mit +seiner Spitze die Tür gerade erreicht zu haben. »Das ist die +Schiffskapelle,« sagte der Heizer, »die haben oben gespielt und gehen +jetzt einpacken. Jetzt ist alles fertig und wir können gehen. Kommen +Sie!« Er faßte Karl bei der Hand, nahm noch im letzten Augenblick ein +eingerahmtes Muttergottesbild von der Wand über dem Bett, stopfte es in +seine Brusttasche, ergriff seinen Koffer und verließ mit Karl eilig die +Kabine. + +»Jetzt gehe ich ins Bureau und werde den Herren meine Meinung sagen. Es +ist kein Passagier mehr da, man muß keine Rücksicht nehmen«. Dieses +wiederholte der Heizer verschiedenartig und wollte im Gehen mit +Seitwärtsstoßen des Fußes eine den Weg kreuzende Ratte niedertreten, +stieß sie aber bloß schneller in das Loch hinein, das sie noch +rechtzeitig erreicht hatte. Er war überhaupt langsam in seinen +Bewegungen, denn wenn er auch lange Beine hatte, so waren sie doch zu +schwer. + +Sie kamen durch eine Abteilung der Küche, wo einige Mädchen in +schmutzigen Schürzen -- sie begossen sie absichtlich -- Geschirr in großen +Bottichen reinigten. Der Heizer rief eine gewisse Line zu sich, legte +den Arm um ihre Hüfte und führte sie, die sich immerzu kokett gegen +seinen Arm drückte, ein Stückchen mit. »Es gibt jetzt Auszahlung, willst +du mitkommen?« fragte er. »Warum soll ich mich bemühn, bring mir das +Geld lieber her,« antwortete sie, schlüpfte unter seinem Arm durch und +lief davon. »Wo hast du denn den schönen Knaben aufgegabelt?« rief sie +noch, wollte aber keine Antwort mehr. Man hörte das Lachen aller +Mädchen, die ihre Arbeit unterbrochen hatten. + +Sie gingen aber weiter und kamen an eine Tür, die oben einen kleinen +Vorgiebel hatte, der von kleinen, vergoldeten Karyatiden getragen war. +Für eine Schiffseinrichtung sah das recht verschwenderisch aus. Karl +war, wie er merkte, niemals in diese Gegend gekommen, die +wahrscheinlich während der Fahrt den Passagieren der ersten und zweiten +Klasse vorbehalten gewesen war, während man jetzt vor der großen +Schiffsreinigung die Trennungstüren ausgehoben hatte. Sie waren auch +tatsächlich schon einigen Männern begegnet, die Besen an der Schulter +trugen und den Heizer gegrüßt hatten. Karl staunte über den großen +Betrieb, in seinem Zwischendeck hatte er davon freilich wenig erfahren. +Entlang der Gänge zogen sich auch Drähte elektrischer Leitungen und eine +kleine Glocke hörte man immerfort. + +Der Heizer klopfte respektvoll an der Türe an und forderte, als man +»herein« rief, Karl mit einer Handbewegung auf, ohne Furcht einzutreten. +Er trat auch ein, aber blieb an der Türe stehen. Vor den drei Fenstern +des Zimmers sah er die Wellen des Meeres und bei Betrachtung ihrer +fröhlichen Bewegung schlug ihm das Herz, als hätte er nicht fünf lange +Tage das Meer ununterbrochen gesehen. Große Schiffe kreuzten gegenseitig +ihre Wege und gaben dem Wellenschlag nur soweit nach als es ihre Schwere +erlaubte. Wenn man die Augen klein machte, schienen diese Schiffe vor +lauter Schwere zu schwanken. Auf ihren Masten trugen sie schmale, aber +lange Flaggen, die zwar durch die Fahrt gestrafft wurden, trotzdem aber +noch hin- und herzappelten. Wahrscheinlich von Kriegsschiffen her +erklangen Salutschüsse, die Kanonenrohre eines solchen nicht allzuweit +vorüberfahrenden Schiffes, strahlend mit dem Reflex ihres Stahlmantels, +waren wie gehätschelt von der sicheren, glatten und doch nicht +wagrechten Fahrt. Die kleinen Schiffchen und Boote konnte man, +wenigstens von der Tür aus, nur in der Ferne beobachten, wie sie in +Mengen in die Öffnungen zwischen den großen Schiffen einliefen. Hinter +alledem aber stand New York und sah Karl mit den hunderttausend Fenstern +seiner Wolkenkratzer an. Ja, in diesem Zimmer wußte man, wo man war. + +An einem runden Tisch saßen drei Herren, der eine ein Schiffsoffizier in +blauer Schiffsuniform, die zwei anderen, Beamte der Hafenbehörde, in +schwarzen, amerikanischen Uniformen. Auf dem Tisch lagen, +hochaufgeschichtet, verschiedene Dokumente, welche der Offizier zuerst +mit der Feder in der Hand überflog, um sie dann den beiden anderen zu +reichen, die bald lasen, bald exzerpierten, bald in ihre Aktentaschen +einlegten, wenn nicht gerade der eine, der fast ununterbrochen ein +kleines Geräusch mit den Zähnen vollführte, seinem Kollegen etwas in ein +Protokoll diktierte. + +Am Fenster saß an einem Schreibtisch, den Rücken der Türe zugewendet, +ein kleinerer Herr, der mit großen Folianten hantierte, die auf einem +starken Bücherbrett in Kopfhöhe vor ihm aneinander gereiht waren. Neben +ihm stand eine offene, wenigstens auf den ersten Blick leere Kassa. + +Das zweite Fenster war leer und gab den besten Ausblick. In der Nähe des +dritten aber standen zwei Herren in halblautem Gespräch. Der eine lehnte +neben dem Fenster, trug auch die Schiffsuniform und spielte mit dem +Griff des Degens. Derjenige, mit dem er sprach, war dem Fenster +zugewendet und enthüllte hie und da durch eine Bewegung einen Teil der +Ordensreihe auf der Brust des andern. Er war in Zivil und hatte ein +dünnes Bambusstöckchen, das, da er beide Hände an den Hüften festhielt, +auch wie ein Degen abstand. + +Karl hatte nicht viel Zeit, alles anzusehen, denn bald trat ein Diener +auf sie zu und fragte den Heizer mit einem Blick, als gehöre er nicht +hierher, was er denn wolle. Der Heizer antwortete, so leise als er +gefragt wurde, er wolle mit dem Herrn Oberkassier reden. Der Diener +lehnte für seinen Teil mit einer Handbewegung diese Bitte ab, ging aber +dennoch auf den Fußspitzen, dem runden Tisch in großem Bogen +ausweichend, zu dem Herrn mit den Folianten. Dieser Herr -- das sah man +deutlich -- erstarrte geradezu unter den Worten des Dieners, kehrte sich +aber endlich nach dem Manne um, der ihn zu sprechen wünschte, und +fuchtelte dann, streng abwehrend, gegen den Heizer und der Sicherheit +halber auch gegen den Diener hin. Der Diener kehrte darauf zum Heizer +zurück und sagte in einem Tone, als vertraue er ihm etwas an: »Scheren +Sie sich sofort aus dem Zimmer!« + +Der Heizer sah nach dieser Antwort zu Karl hinunter, als sei dieser sein +Herz, dem er stumm seinen Jammer klage. Ohne weitere Besinnung machte +sich Karl los, lief quer durchs Zimmer, daß er sogar leicht an den +Sessel des Offiziers streifte, der Diener lief gebeugt mit zum Umfangen +bereiten Armen, als jage er ein Ungeziefer, aber Karl war der erste beim +Tisch des Oberkassiers, wo er sich festhielt, für den Fall, daß der +Diener versuchen sollte, ihn fortzuziehen. + +Natürlich wurde gleich das ganze Zimmer lebendig. Der Schiffsoffizier am +Tisch war aufgesprungen, die Herren von der Hafenbehörde sahen ruhig, +aber aufmerksam zu, die beiden Herren am Fenster waren nebeneinander +getreten, der Diener, welcher glaubte, er sei dort, wo schon die hohen +Herren Interesse zeigten, nicht mehr am Platze, trat zurück. Der Heizer +an der Tür wartete angespannt auf den Augenblick, bis seine Hilfe nötig +würde. Der Oberkassier endlich machte in seinem Lehnsessel eine große +Rechtswendung. + +Karl kramte aus seiner Geheimtasche, die er den Blicken dieser Leute zu +zeigen keine Bedenken hatte, seinen Reisepaß hervor, den er statt +weiterer Vorstellung geöffnet auf den Tisch legte. Der Oberkassier +schien diesen Paß für nebensächlich zu halten, denn er schnippte ihn mit +zwei Fingern beiseite, worauf Karl, als sei diese Formalität zur +Zufriedenheit erledigt, den Paß wieder einsteckte. + +»Ich erlaube mir zu sagen,« begann er dann, »daß meiner Meinung nach dem +Herrn Heizer Unrecht geschehen ist. Es ist hier ein gewisser Schubal, +der ihm aufsitzt. Er selbst hat schon auf vielen Schiffen, die er Ihnen +alle nennen kann, zur vollständigen Zufriedenheit gedient, ist fleißig, +meint es mit seiner Arbeit gut, und es ist wirklich nicht einzusehen, +warum er gerade auf diesem Schiff, wo doch der Dienst nicht so übermäßig +schwer ist, wie zum Beispiel auf Handelsseglern, schlecht entsprechen +sollte. Es kann daher nur Verleumdung sein, die ihn in seinem +Vorwärtskommen hindert und ihn um die Anerkennung bringt, die ihm sonst +ganz bestimmt nicht fehlen würde. Ich habe nur das Allgemeine über diese +Sache gesagt, seine besonderen Beschwerden wird er Ihnen selbst +vorbringen.« Karl hatte sich mit dieser Rede an alle Herren gewendet, +weil ja tatsächlich auch alle zuhörten und es viel wahrscheinlicher +schien, daß sich unter allen zusammen ein Gerechter vorfand, als daß +dieser Gerechte gerade der Oberkassier sein sollte. Aus Schlauheit hatte +außerdem Karl verschwiegen, daß er den Heizer erst so kurze Zeit kannte. +Im übrigen hätte er noch viel besser gesprochen, wenn er nicht durch das +rote Gesicht des Herrn mit dem Bambusstöckchen beirrt worden wäre, das +er von seinem jetzigen Standort zum erstenmal sah. + +»Es ist alles Wort für Wort richtig,« sagte der Heizer, ehe ihn noch +jemand gefragt, ja ehe man noch überhaupt auf ihn hingesehen hatte. +Diese Übereiltheit des Heizers wäre ein großer Fehler gewesen, wenn +nicht der Herr mit den Orden, der, wie es jetzt Karl aufleuchtete, +jedenfalls der Kapitän war, offenbar mit sich bereits übereingekommen +wäre, den Heizer anzuhören. Er streckte nämlich die Hand aus und rief +dem Heizer zu: »Kommen Sie her!« mit einer Stimme, fest, um mit einem +Hammer darauf zu schlagen. Jetzt hing alles vom Benehmen des Heizers ab, +denn was die Gerechtigkeit seiner Sache anlangte, an der zweifelte Karl +nicht. + +Glücklicherweise zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß der Heizer +schon viel in der Welt herumgekommen war. Musterhaft ruhig nahm er aus +seinem Köfferchen mit dem ersten Griff ein Bündelchen Papiere, sowie ein +Notizbuch, ging damit, als verstünde sich das von selbst, unter +vollständiger Vernachlässigung des Oberkassiers, zum Kapitän und +breitete auf dem Fensterbrett seine Beweismittel aus. Dem Oberkassier +blieb nichts übrig, als sich selbst hinzubemühn. »Der Mann ist ein +bekannter Querulant,« sagte er zur Erklärung, »er ist mehr in der Kassa, +als im Maschinenraum. Er hat Schubal, diesen ruhigen Menschen, ganz zur +Verzweiflung gebracht. Hören Sie einmal!« wandte er sich an den Heizer, +»Sie treiben Ihre Zudringlichkeit doch schon wirklich zu weit. Wie oft +hat man Sie schon aus den Auszahlungsräumen hinausgeworfen, wie Sie es +mit Ihren ganz, vollständig und ausnahmslos unberechtigten Forderungen +verdienen! Wie oft sind Sie von dort in die Hauptkassa gelaufen +gekommen! Wie oft hat man Ihnen im Guten gesagt, daß Schubal Ihr +unmittelbarer Vorgesetzter ist, mit dem allein Sie sich als sein +Untergebener abzufinden haben! Und jetzt kommen Sie gar noch her, wenn +der Herr Kapitän da ist, schämen sich nicht, sogar ihn zu belästigen, +sondern entblöden sich nicht einmal, als eingelernten Stimmführer Ihrer +abgeschmackten Beschuldigungen diesen Kleinen mitzubringen, den ich +überhaupt zum erstenmal auf dem Schiffe sehe!« + +Karl hielt sich mit Gewalt zurück, vorzuspringen. Aber schon war auch +der Kapitän da, welcher sagte: »Hören wir den Mann doch einmal an. Der +Schubal wird mir sowieso mit der Zeit viel zu selbständig, womit ich +aber nichts zu Ihren Gunsten gesagt haben will.« Das letztere galt dem +Heizer, es war nur natürlich, daß er sich nicht sofort für ihn einsetzen +konnte, aber alles schien auf dem richtigen Wege. Der Heizer begann +seine Erklärungen und überwand sich gleich am Anfang, indem er den +Schubal mit »Herr« titulierte. Wie freute sich Karl am verlassenen +Schreibtisch des Oberkassiers, wo er eine Briefwage immer wieder +niederdrückte vor lauter Vergnügen. -- Herr Schubal ist ungerecht! Herr +Schubal bevorzugt die Ausländer! Herr Schubal verwies den Heizer aus dem +Maschinenraum und ließ ihn Klosette reinigen, was doch gewiß nicht des +Heizers Sache war! -- Einmal wurde sogar die Tüchtigkeit des Herrn +Schubal angezweifelt, die eher scheinbar als wirklich vorhanden sein +sollte. Bei dieser Stelle starrte Karl mit aller Kraft den Kapitän an, +zutunlich, als sei er sein Kollege, nur damit er sich durch die etwas +ungeschickte Ausdrucksweise des Heizers nicht zu dessen Ungunsten +beeinflussen lasse. Immerhin erfuhr man aus den vielen Reden nichts +Eigentliches, und wenn auch der Kapitän noch immer vor sich hinsah, in +den Augen die Entschlossenheit, den Heizer diesmal bis zu Ende +anzuhören, so wurden doch die anderen Herren ungeduldig, und die Stimme +des Heizers regierte bald nicht mehr unumschränkt in dem Raume, was +manches befürchten ließ. Als erster setzte der Herr in Zivil sein +Bambusstöckchen in Tätigkeit und klopfte, wenn auch nur leise, auf das +Parkett. Die anderen Herren sahen natürlich hie und da hin, die Herren +von der Hafenbehörde, die offenbar pressiert waren, griffen wieder zu +den Akten und begannen, wenn auch noch etwas geistesabwesend, sie +durchzusehen, der Schiffsoffizier rückte seinem Tische wieder näher, und +der Oberkassier, der gewonnenes Spiel zu haben glaubte, seufzte aus +Ironie tief auf. Von der allgemein eintretenden Zerstreuung schien nur +der Diener bewahrt, der von den Leiden des unter die Großen gestellten +armen Mannes einen Teil mitfühlte und Karl ernst zunickte, als wolle er +damit etwas erklären. + +Inzwischen ging vor den Fenstern das Hafenleben weiter; ein flaches +Lastschiff mit einem Berg von Fässern, die wunderbar verstaut sein +mußten, daß sie nicht ins Rollen kamen, zog vorüber und erzeugte in dem +Zimmer fast Dunkelheit; kleine Motorboote, die Karl jetzt, wenn er Zeit +gehabt hätte, genau hätte ansehen können, rauschten nach den Zuckungen +der Hände eines am Steuer aufrecht stehenden Mannes schnurgerade dahin; +eigentümliche Schwimmkörper tauchten hie und da selbständig aus dem +ruhelosen Wasser, wurden gleich wieder überschwemmt und versanken vor +dem erstaunten Blick; Boote der Ozeandampfer wurden von heiß arbeitenden +Matrosen vorwärtsgerudert und waren voll von Passagieren, die darin, so +wie man sie hineingezwängt hatte, still und erwartungsvoll saßen, wenn +es auch manche nicht unterlassen konnten, die Köpfe nach den wechselnden +Szenerien zu drehen. Eine Bewegung ohne Ende, eine Unruhe, übertragen +von dem unruhigen Element auf die hilflosen Menschen und ihre Werke! + +Aber alles mahnte zur Eile, zur Deutlichkeit, zu ganz genauer +Darstellung, aber was tat der Heizer! Er redete sich allerdings in +Schweiß, die Papiere auf dem Fenster konnte er längst mit seinen +zitternden Händen nicht mehr halten, aus allen Himmelsrichtungen +strömten ihm Klagen über Schubal zu, von denen seiner Meinung nach jede +einzelne genügt hätte, diesen Schubal vollständig zu begraben, aber +was er dem Kapitän vorzeigen konnte, war nur ein trauriges +Durcheinanderstrudeln aller insgesamt. Längst schon pfiff der Herr mit +dem Bambusstöckchen schwach zur Decke hinauf, die Herren von der +Hafenbehörde hielten schon den Offizier an ihrem Tisch und machten keine +Miene, ihn je wieder loszulassen, der Oberkassier wurde sichtlich nur +durch die Ruhe des Kapitäns vor dem Dreinfahren zurückgehalten, der +Diener erwartete in Habtachtstellung jeden Augenblick einen auf den +Heizer bezüglichen Befehl seines Kapitäns. + +Da konnte Karl nicht mehr untätig bleiben. Er ging also langsam zu der +Gruppe hin und überlegte im Gehen nur desto schneller, wie er die Sache +möglichst geschickt angreifen könnte. Es war wirklich höchste Zeit, noch +ein kleines Weilchen nur, und sie konnten ganz gut beide aus dem Bureau +fliegen. Der Kapitän mochte ja ein guter Mann sein und überdies gerade +jetzt, wie es Karl schien, irgend einen besonderen Grund haben, sich als +gerechter Vorgesetzter zu zeigen, aber schließlich war er kein +Instrument, das man in Grund und Boden spielen konnte -- und gerade so +behandelte ihn der Heizer, allerdings aus seinem grenzenlos empörten +Innern heraus. + +Karl sagte also zum Heizer: »Sie müssen das einfacher erzählen, klarer, +der Herr Kapitän kann es nicht würdigen, so wie Sie es ihm erzählen. +Kennt er denn alle Maschinisten und Laufburschen beim Namen oder gar +beim Taufnamen, daß er, wenn Sie nur einen solchen Namen aussprechen, +gleich wissen kann, um wen es sich handelt? Ordnen Sie doch Ihre +Beschwerden, sagen Sie die wichtigste zuerst und absteigend die anderen, +vielleicht wird es dann überhaupt nicht mehr nötig sein, die meisten +auch nur zu erwähnen. Mir haben Sie es doch immer so klar dargestellt!« +Wenn man in Amerika Koffer stehlen kann, kann man auch hie und da lügen, +dachte er zur Entschuldigung. + +Wenn es aber nur geholfen hätte! Ob es nicht auch schon zu spät war? Der +Heizer unterbrach sich zwar sofort, als er die bekannte Stimme hörte, +aber mit seinen Augen, die ganz von Tränen der beleidigten Mannesehre, +der schrecklichen Erinnerungen, der äußersten gegenwärtigen Not verdeckt +waren, konnte er Karl schon nicht einmal gut mehr erkennen. Wie sollte +er auch jetzt -- Karl sah das schweigend vor dem jetzt Schweigenden wohl +ein -- wie sollte er auch jetzt plötzlich seine Redeweise ändern, da es +ihm doch schien, als hätte er alles, was zu sagen war, ohne die +geringste Anerkennung schon vorgebracht und als habe er andererseits +noch gar nichts gesagt und könne doch den Herren jetzt nicht zumuten, +noch alles anzuhören. Und in einem solchen Zeitpunkt kommt noch Karl, +sein einziger Anhänger, daher, will ihm gute Lehren geben, zeigt ihm +aber statt dessen, daß alles, alles verloren ist. + +»Wäre ich früher gekommen, statt aus dem Fenster zu schauen,« sagte +sich Karl, senkte vor dem Heizer das Gesicht und schlug die Hände an die +Hosennaht, zum Zeichen des Endes jeder Hoffnung. + +Aber der Heizer mißverstand das, witterte wohl in Karl irgendwelche +geheime Vorwürfe gegen sich, und in der guten Absicht, sie ihm +auszureden, fing er zur Krönung seiner Taten mit Karl jetzt zu streiten +an. Jetzt, wo doch die Herren am runden Tisch längst empört über den +nutzlosen Lärm waren, der ihre wichtigen Arbeiten störte, wo der +Hauptkassier allmählich die Geduld des Kapitäns unverständlich fand und +zum sofortigen Ausbruch neigte, wo der Diener, ganz wieder in der Sphäre +seiner Herren, den Heizer mit wildem Blicke maß, und wo endlich der Herr +mit dem Bambusstöckchen, zu welchem sogar der Kapitän hie und da +freundschaftlich hinübersah, schon gänzlich abgestumpft gegen den +Heizer, ja von ihm angewidert, ein kleines Notizbuch hervorzog und, +offenbar mit ganz anderen Angelegenheiten beschäftigt, die Augen +zwischen dem Notizbuch und Karl hin- und herwandern ließ. + +»Ich weiß ja, ich weiß ja,« sagte Karl, der Mühe hatte, den jetzt gegen +ihn gekehrten Schwall des Heizers abzuwehren, trotzdem aber quer durch +allen Streit noch ein Freundeslächeln für ihn übrig hatte, »Sie haben +Recht, Recht, ich habe ja nie daran gezweifelt.« Er hätte ihm gern aus +Furcht vor Schlägen die herumfahrenden Hände gehalten, noch lieber +allerdings ihn in einen Winkel gedrängt, um ihm ein paar leise +beruhigende Worte zuzuflüstern, die niemand sonst hätte hören müssen. +Aber der Heizer war außer Rand und Band. Karl begann jetzt schon sogar +aus dem Gedanken eine Art Trost zu schöpfen, daß der Heizer im Notfall +mit der Kraft seiner Verzweiflung alle anwesenden sieben Männer +bezwingen könne. Allerdings lag auf dem Schreibtisch, wie ein Blick +dorthin lehrte, ein Aufsatz mit viel zu vielen Druckknöpfen der +elektrischen Leitung und eine Hand, einfach auf sie niedergedrückt, +konnte das ganze Schiff mit allen seinen von feindlichen Menschen +gefüllten Gängen rebellisch machen. + +Da trat der doch so uninteressierte Herr mit dem Bambusstöckchen auf +Karl zu und fragte, nicht überlaut, aber deutlich über allem Geschrei +des Heizers: »Wie heißen Sie denn eigentlich?« In diesem Augenblick, als +hätte jemand hinter der Tür auf diese Äußerung des Herrn gewartet, +klopfte es. Der Diener sah zum Kapitän hinüber, dieser nickte. Daher +ging der Diener zur Tür und öffnete sie. Draußen stand in einem alten +Kaiserrock ein Mann von mittleren Proportionen, seinem Aussehen nach +nicht eigentlich zur Arbeit an den Maschinen geeignet und war doch -- +Schubal. Wenn es Karl nicht an aller Augen erkannt hätte, die eine +gewisse Befriedigung ausdrückten, von der nicht einmal der Kapitän frei +war, er hätte es zu seinem Schrecken am Heizer sehen müssen, der die +Fäuste an den gestrafften Armen so ballte, als sei diese Ballung das +Wichtigste an ihm, dem er alles, was er an Leben habe, zu opfern bereit +sei. Da steckte jetzt alle seine Kraft, auch die, welche ihn überhaupt +aufrecht erhielt. + +Und da war also der Feind, frei und frisch im Festanzug, unter dem Arm +ein Geschäftsbuch, wahrscheinlich die Lohnlisten und Arbeitsausweise des +Heizers, und sah mit dem ungescheuten Zugeständnis, daß er die Stimmung +jedes Einzelnen vor allem feststellen wolle, in aller Augen der Reihe +nach. Die sieben waren auch schon alle seine Freunde, denn wenn auch der +Kapitän früher gewisse Einwände gegen ihn gehabt oder vielleicht auch +nur vorgeschützt hatte, nach dem Leid, das ihm der Heizer angetan hatte, +schien ihm wahrscheinlich an Schubal auch das Geringste nicht mehr +auszusetzen. Gegen einen Mann, wie den Heizer, konnte man nicht streng +genug verfahren, und wenn dem Schubal etwas vorzuwerfen war, so war es +der Umstand, daß er die Widerspenstigkeit des Heizers im Laufe der Zeit +nicht so weit hatte brechen können, daß es dieser heute noch gewagt +hatte, vor dem Kapitän zu erscheinen. + +Nun konnte man ja vielleicht noch annehmen, die Gegenüberstellung des +Heizers und Schubals werde die ihr vor einem höheren Forum zukommende +Wirkung auch vor den Menschen nicht verfehlen, denn wenn sich auch +Schubal gut verstellen konnte, er mußte es doch durchaus nicht bis zum +Ende aushalten können. Ein kurzes Aufblitzen seiner Schlechtigkeit +sollte genügen, um sie den Herren sichtbar zu machen, dafür wollte Karl +schon sorgen. Er kannte doch schon beiläufig den Scharfsinn, die +Schwächen, die Launen der einzelnen Herren und unter diesem +Gesichtspunkt war die bisher hier verbrachte Zeit nicht verloren. Wenn +nur der Heizer besser auf dem Platz gewesen wäre, aber der schien +vollständig kampfunfähig. Wenn man ihm den Schubal hingehalten hätte, +hätte er wohl dessen gehaßten Schädel mit den Fäusten aufklopfen können. +Aber schon die paar Schritte zu ihm hinzugehen, war er wohl kaum +imstande. Warum hatte denn Karl das so leicht Vorauszusehende nicht +vorausgesehen, daß Schubal endlich kommen müsse, wenn nicht aus eigenem +Antrieb, so vom Kapitän gerufen. Warum hatte er auf dem Herweg mit dem +Heizer nicht einen genauen Kriegsplan besprochen, statt, wie sie es in +Wirklichkeit getan hatten, heillos unvorbereitet einfach dort +einzutreten, wo eine Tür war? Konnte der Heizer überhaupt noch reden, ja +und nein sagen, wie es bei dem Kreuzverhör, das allerdings nur im +günstigsten Fall bevorstand, nötig sein würde? Er stand da, die Beine +auseinander gestellt, die Knie ein wenig gebogen, den Kopf etwas gehoben +und die Luft verkehrte durch den offenen Mund, als gebe es innen keine +Lungen mehr, die sie verarbeiteten. + +Karl allerdings fühlte sich so kräftig und bei Verstand, wie er es +vielleicht zu Hause niemals gewesen war. Wenn ihn doch seine Eltern +sehen könnten, wie er in fremdem Land, vor angesehenen Persönlichkeiten +das Gute verfocht und wenn er es auch noch nicht zum Siege gebracht +hatte, so doch zur letzten Eroberung sich vollkommen bereit stellte! +Würden sie ihre Meinung über ihn revidieren? Ihn zwischen sich +niedersetzen und loben? Ihm einmal, einmal in die ihnen so ergebenen +Augen sehn? Unsichere Fragen und ungeeignetester Augenblick, sie zu +stellen! + +»Ich komme, weil ich glaube, daß mich der Heizer irgendwelcher +Unredlichkeiten beschuldigt. Ein Mädchen aus der Küche sagte mir, sie +hätte ihn auf dem Wege hierher gesehen. Herr Kapitän und Sie alle meine +Herren, ich bin bereit, jede Beschuldigung an der Hand meiner Schriften, +nötigenfalls durch Aussagen unvoreingenommener und unbeeinflußter +Zeugen, die vor der Türe stehen, zu widerlegen.« So sprach Schubal. Das +war allerdings die klare Rede eines Mannes und nach der Veränderung in +den Mienen der Zuhörer hätte man glauben können, sie hörten zum +erstenmal nach langer Zeit wieder menschliche Laute. Sie bemerkten +freilich nicht, daß selbst diese schöne Rede Löcher hatte. Warum war das +erste sachliche Wort, das ihm einfiel, »Unredlichkeiten«? Hätte +vielleicht die Beschuldigung hier einsetzen müssen, statt bei seinen +nationalen Voreingenommenheiten? Ein Mädchen aus der Küche hatte den +Heizer auf dem Weg ins Bureau gesehen und Schubal hatte sofort +begriffen? War es nicht das Schuldbewußtsein, das ihm den Verstand +schärfte? Und Zeugen hatte er gleich mitgebracht und nannte sie noch +außerdem unvoreingenommen und unbeeinflußt? Gaunerei, nichts als +Gaunerei! Und die Herren duldeten das und anerkannten es noch als +richtiges Benehmen? Warum hatte er zweifellos sehr viel Zeit zwischen +der Meldung des Küchenmädchens und seiner Ankunft hier verstreichen +lassen, doch zu keinem anderen Zwecke, als damit der Heizer die Herren +so ermüde, daß sie allmählich ihre klare Urteilskraft verloren, welche +Schubal vor allem zu fürchten hatte? Hatte er, der sicher schon lange +hinter der Tür gestanden war, nicht erst in dem Augenblick geklopft, als +er infolge der nebensächlichen Frage jenes Herrn hoffen durfte, der +Heizer sei erledigt? + +Alles war klar und wurde ja auch von Schubal wider Willen so dargeboten, +aber den Herren mußte man es anders, noch handgreiflicher zeigen. Sie +brauchten Aufrüttelung. Also Karl, rasch, nütze jetzt wenigstens die +Zeit aus, ehe die Zeugen auftreten und alles überschwemmen! + +Eben aber winkte der Kapitän dem Schubal ab, der daraufhin sofort -- denn +seine Angelegenheit schien für ein Weilchen aufgeschoben zu sein -- +beiseite trat und mit dem Diener, der sich ihm gleich angeschlossen +hatte, eine leise Unterhaltung begann, bei der es an Seitenblicken nach +dem Heizer und Karl sowie an den überzeugtesten Handbewegungen nicht +fehlte. Schubal schien so seine nächste große Rede einzuüben. + +»Wollten Sie nicht den jungen Menschen etwas fragen, Herr Jakob?« sagte +der Kapitän unter allgemeiner Stille zu dem Herrn mit dem +Bambusstöckchen. + +»Allerdings,« sagte dieser, mit einer kleinen Neigung für die +Aufmerksamkeit dankend. Und fragte dann Karl nochmals: »Wie heißen Sie +eigentlich?« + +Karl, welcher glaubte, es sei im Interesse der großen Hauptsache +gelegen, wenn dieser Zwischenfall des hartnäckigen Fragers bald erledigt +würde, antwortete kurz, ohne, wie es seine Gewohnheit war, durch +Vorweisung des Passes sich vorzustellen, den er erst hätte suchen +müssen: »Karl Roßmann«. + +»Aber,« sagte der mit Jakob Angesprochene und trat zuerst fast +ungläubig lächelnd zurück. Auch der Kapitän, der Oberkassier, der +Schiffsoffizier, ja sogar der Diener zeigten deutlich ein übermäßiges +Erstaunen wegen Karls Namen. Nur die Herren von der Hafenbehörde und +Schubal verhielten sich gleichgültig. + +»Aber,« wiederholte Herr Jakob und trat mit etwas steifen Schritten auf +Karl zu, »dann bin ich ja dein Onkel Jakob und du bist mein lieber +Neffe. Ahnte ich es doch die ganze Zeit über!« sagte er zum Kapitän hin, +ehe er Karl umarmte und küßte, der alles stumm geschehen ließ. + +»Wie heißen Sie?« fragte Karl, nachdem er sich losgelassen fühlte, zwar +sehr höflich, aber gänzlich ungerührt, und strengte sich an, die Folgen +abzusehen, welche dieses neue Ereignis für den Heizer haben dürfte. +Vorläufig deutete nichts darauf hin, daß Schubal aus dieser Sache Nutzen +ziehen könnte. + +»Begreifen Sie doch, junger Mann, Ihr Glück,« sagte der Kapitän, der +durch Karls Frage die Würde der Person des Herrn Jakob verletzt glaubte, +der sich zum Fenster gestellt hatte, offenbar, um sein aufgeregtes +Gesicht, das er überdies mit einem Taschentuch betupfte, den andern +nicht zeigen zu müssen. »Es ist der Senator Edward Jakob, der sich Ihnen +als Ihr Onkel zu erkennen gegeben hat. Es erwartet Sie nunmehr, doch +wohl ganz gegen Ihre bisherigen Erwartungen, eine glänzende Laufbahn. +Versuchen Sie das einzusehen, so gut es im ersten Augenblick geht, und +fassen Sie sich!« + +»Ich habe allerdings einen Onkel Jakob in Amerika,« sagte Karl zum +Kapitän gewendet, »aber wenn ich recht verstanden habe, ist Jakob bloß +der Zuname des Herrn Senators.« + +»So ist es,« sagte der Kapitän erwartungsvoll. + +»Nun, mein Onkel Jakob, welcher der Bruder meiner Mutter ist, heißt aber +mit dem Taufnamen Jakob, während sein Zuname natürlich gleich jenem +meiner Mutter lauten müßte, welche eine geborene Bendelmayer ist.« + +»Meine Herren!« rief der Senator, der von seinem Erholungsposten beim +Fenster munter zurückkehrte, mit Bezug auf Karls Erklärung aus. Alle, +mit Ausnahme der Hafenbeamten, brachen in Lachen aus, manche wie in +Rührung, manche undurchdringlich. + +»So lächerlich war das, was ich gesagt habe, doch keineswegs,« dachte +Karl. + +»Meine Herren,« wiederholte der Senator, »Sie nehmen gegen meinen und +gegen Ihren Willen an einer kleinen Familienszene teil und ich kann +deshalb nicht umhin, Ihnen eine Erläuterung zu geben, da, wie ich +glaube, nur der Herr Kapitän« -- diese Erwähnung hatte eine gegenseitige +Verbeugung zur Folge -- »vollständig unterrichtet ist.« + +»Jetzt muß ich aber wirklich auf jedes Wort achtgeben,« sagte sich Karl +und freute sich, als er bei einem Seitwärtsschauen bemerkte, daß in die +Figur des Heizers das Leben zurückzukehren begann. + +»Ich lebe seit allen den langen Jahren meines amerikanischen +Aufenthaltes -- das Wort Aufenthalt paßt hier allerdings schlecht für +den amerikanischen Bürger, der ich mit ganzer Seele bin -- seit allen den +langen Jahren lebe ich also von meinen europäischen Verwandten +vollständig abgetrennt, aus Gründen, die erstens nicht hierher gehören, +und die zweitens zu erzählen, mich wirklich zu sehr hernehmen würde. Ich +fürchte mich sogar vor dem Augenblick, wo ich vielleicht gezwungen sein +werde, sie meinem lieben Neffen zu erzählen, wobei sich leider ein +offenes Wort über seine Eltern und ihren Anhang nicht vermeiden lassen +wird.« + +»Es ist mein Onkel, kein Zweifel,« sagte sich Karl und lauschte, +»wahrscheinlich hat er seinen Namen ändern lassen.« + +»Mein lieber Neffe ist nun von seinen Eltern -- sagen wir nur das Wort, +das die Sache auch wirklich bezeichnet -- einfach beiseitegeschafft +worden, wie man eine Katze vor die Tür wirft, wenn sie ärgert. Ich will +durchaus nicht beschönigen, was mein Neffe gemacht hat, daß er so +gestraft wurde, aber sein Verschulden ist ein solches, daß sein +einfaches Nennen schon genug Entschuldigung enthält.« + +»Das läßt sich hören,« dachte Karl, »aber ich will nicht, daß er es +allen erzählt. Übrigens kann er es ja auch nicht wissen. Woher denn?« + +»Er wurde nämlich,« fuhr der Onkel fort und stützte sich mit kleinen +Neigungen auf das vor ihm eingestemmte Bambusstöckchen, wodurch es ihm +tatsächlich gelang, der Sache die unnötige Feierlichkeit zu nehmen, die +sie sonst unbedingt gehabt hätte, »er wurde nämlich von einem +Dienstmädchen, Johanna Brummer, einer etwa 35jährigen Person, verführt. +Ich will mit dem Worte »verführt« meinen Neffen durchaus nicht kränken, +aber es ist doch schwer, ein anderes, gleich passendes Wort zu finden.« + +Karl, der schon ziemlich nahe zum Onkel getreten war, drehte sich hier +um, um den Eindruck der Erzählung von den Gesichtern der Anwesenden +abzulesen. Keiner lachte, alle hörten geduldig und ernsthaft zu. +Schließlich lacht man auch nicht über den Neffen eines Senators bei der +ersten Gelegenheit, die sich darbietet. Eher hätte man schon sagen +können, daß der Heizer, wenn auch nur ganz wenig, Karl anlächelte, was +aber erstens als neues Lebenszeichen erfreulich und zweitens +entschuldbar war, da ja Karl in der Kabine aus dieser Sache, die jetzt +so publik wurde, ein besonderes Geheimnis hatte machen wollen. + +»Nun hat diese Brummer,« setzte der Onkel fort, »von meinem Neffen ein +Kind bekommen, einen gesunden Jungen, welcher in der Taufe den Namen +Jakob erhielt, zweifellos in Gedanken an meine Wenigkeit, welche, selbst +in den sicher nur ganz nebensächlichen Erwähnungen meines Neffen, auf +das Mädchen einen großen Eindruck gemacht haben muß. Glücklicherweise, +sage ich. Denn da die Eltern zur Vermeidung der Alimentenzahlung oder +sonstigen bis an sie selbst heranreichenden Skandales -- ich kenne, wie +ich betonen muß, weder die dortigen Gesetze noch die sonstigen +Verhältnisse der Eltern -- da sie also zur Vermeidung der +Alimentenzahlung und des Skandales ihren Sohn, meinen lieben Neffen, +nach Amerika haben transportieren lassen, mit unverantwortlich +ungenügender Ausrüstung, wie man sieht, so wäre der Junge, ohne die +gerade noch in Amerika lebendigen Zeichen und Wunder, auf sich allein +angewiesen, wohl schon gleich in einem Gäßchen im Hafen von New York +verkommen, wenn nicht jenes Dienstmädchen in einem an mich gerichteten +Brief, der nach langen Irrfahrten vorgestern in meinen Besitz kam, mir +die ganze Geschichte samt Personenbeschreibung meines Neffen und +vernünftigerweise auch Namensnennung des Schiffes mitgeteilt hätte. Wenn +ich es darauf angelegt hätte, Sie, meine Herren, zu unterhalten, könnte +ich wohl einige Stellen jenes Briefes« -- er zog zwei riesige, +engbeschriebene Briefbogen aus der Tasche und schwenkte sie -- »hier +vorlesen. Er würde sicher Wirkung machen, da er mit einer etwas +einfachen, wenn auch immer gutgemeinten Schlauheit und mit viel Liebe zu +dem Vater des Kindes geschrieben ist. Aber ich will weder Sie mehr +unterhalten, als es zur Aufklärung nötig ist, noch vielleicht gar zum +Empfang möglicherweise noch bestehende Gefühle meines Neffen verletzen, +der den Brief, wenn er mag, in der Stille seines ihn schon erwartenden +Zimmers zur Belehrung lesen kann.« + +Karl hatte aber keine Gefühle für jenes Mädchen. Im Gedränge einer immer +mehr zurücktretenden Vergangenheit saß sie in ihrer Küche neben dem +Küchenschrank, auf dessen Platte sie ihren Ellbogen stützte. Sie sah ihn +an, wenn er hin und wieder in die Küche kam, um ein Glas zum +Wassertrinken für seinen Vater zu holen oder einen Auftrag seiner +Mutter auszurichten. Manchmal schrieb sie in der vertrackten Stellung +seitlich vom Küchenschrank einen Brief und holte sich die Eingebungen +von Karls Gesicht. Manchmal hielt sie die Augen mit der Hand verdeckt, +dann drang keine Anrede zu ihr. Manchmal kniete sie in ihrem engen +Zimmerchen neben der Küche und betete zu einem hölzernen Kreuz; Karl +beobachtete sie dann nur mit Scheu im Vorübergehen durch die Spalte der +ein wenig geöffneten Tür. Manchmal jagte sie in der Küche herum und fuhr +wie eine Hexe lachend zurück, wenn Karl ihr in den Weg kam. Manchmal +schloß sie die Küchentüre, wenn Karl eingetreten war und behielt die +Klinke solange in der Hand, bis er wegzugehn verlangte. Manchmal holte +sie Sachen, die er gar nicht haben wollte, und drückte sie ihm +schweigend in die Hände. Einmal aber sagte sie »Karl« und führte ihn, +der noch über die unerwartete Ansprache staunte, unter Grimassen +seufzend in ihr Zimmerchen, das sie zusperrte. Würgend umarmte sie +seinen Hals und während sie ihn bat, sie zu entkleiden, entkleidete sie +in Wirklichkeit ihn und legte ihn in ihr Bett, als wolle sie ihn von +jetzt niemandem mehr lassen und ihn streicheln und pflegen bis zum Ende +der Welt. »Karl, o du mein Karl!« rief sie, als sähe sie ihn und +bestätige sich seinen Besitz, während er nicht das Geringste sah und +sich unbehaglich in dem vielen warmen Bettzeug fühlte, das sie eigens +für ihn aufgehäuft zu haben schien. Dann legte sie sich auch zu ihm und +wollte irgendwelche Geheimnisse von ihm erfahren, aber er konnte ihr +keine sagen und sie ärgerte sich im Scherz oder Ernst, schüttelte ihn, +horchte sein Herz ab, bot ihre Brust zum gleichen Abhorchen hin, wozu +sie Karl aber nicht bringen konnte, drückte ihren nackten Bauch an +seinen Leib, suchte mit der Hand, so widerlich, daß Karl Kopf und Hals +aus den Kissen heraus schüttelte, zwischen seinen Beinen, stieß dann den +Bauch einige Male gegen ihn, ihm war, als sei sie ein Teil seiner selbst +und vielleicht aus diesem Grunde hatte ihn eine entsetzliche +Hilfsbedürftigkeit ergriffen. Weinend kam er endlich nach vielen +Wiedersehenswünschen ihrerseits in sein Bett. Das war alles gewesen und +doch verstand es der Onkel, daraus eine große Geschichte zu machen. Und +die Köchin hatte also auch an ihn gedacht und den Onkel von seiner +Ankunft verständigt. Das war schön von ihr gehandelt und er würde es ihr +wohl noch einmal vergelten. + +»Und jetzt,« rief der Senator, »will ich von dir offen hören, ob ich +dein Onkel bin oder nicht.« + +»Du bist mein Onkel,« sagte Karl und küßte ihm die Hand und wurde dafür +auf die Stirne geküßt. »Ich bin sehr froh, daß ich dich getroffen habe, +aber du irrst, wenn du glaubst, daß meine Eltern nur Schlechtes von dir +reden. Aber auch abgesehen davon, sind in deiner Rede einige Fehler +enthalten gewesen, das heißt, ich meine, es hat sich in Wirklichkeit +nicht alles so zugetragen. Du kannst aber auch wirklich von hier aus die +Dinge nicht so gut beurteilen, und ich glaube außerdem, daß es keinen +besonderen Schaden bringen wird, wenn die Herren in Einzelheiten einer +Sache, an der ihnen doch wirklich nicht viel liegen kann, ein wenig +unrichtig informiert worden sind.« + +»Wohl gesprochen,« sagte der Senator, führte Karl vor den sichtlich +teilnehmenden Kapitän und fragte: »Habe ich nicht einen prächtigen +Neffen?« + +»Ich bin glücklich,« sagte der Kapitän mit einer Verbeugung, wie sie nur +militärisch geschulte Leute zustandebringen, »Ihren Neffen, Herr +Senator, kennen gelernt zu haben. Es ist eine besondere Ehre für mein +Schiff, daß es den Ort eines solchen Zusammentreffens abgeben konnte. +Aber die Fahrt im Zwischendeck war wohl sehr arg, ja, wer kann denn +wissen, wer da mitgeführt wird. Nun, wir tun alles Mögliche, den Leuten +im Zwischendeck die Fahrt möglichst zu erleichtern, viel mehr zum +Beispiel, als die amerikanischen Linien, aber eine solche Fahrt zu einem +Vergnügen zu machen, ist uns allerdings noch immer nicht gelungen.« + +»Es hat mir nicht geschadet,« sagte Karl. + +»Es hat ihm nicht geschadet!« wiederholte laut lachend der Senator. + +»Nur meinen Koffer fürchte ich verloren zu --« und damit erinnerte er +sich an alles, was geschehen war und was noch zu tun übrigblieb, sah +sich um und erblickte alle Anwesenden stumm vor Achtung und Staunen auf +ihren früheren Plätzen, die Augen auf ihn gerichtet. Nur den +Hafenbeamten sah man, soweit ihre strengen, selbstzufriedenen Gesichter +einen Einblick gestatteten, das Bedauern an, zu so ungelegener Zeit +gekommen zu sein und die Taschenuhr, die sie jetzt vor sich liegen +hatten, war ihnen wahrscheinlich wichtiger, als alles, was im Zimmer +vorging und vielleicht noch geschehen konnte. + +Der erste, welcher nach dem Kapitän seine Anteilnahme ausdrückte, war +merkwürdigerweise der Heizer. »Ich gratuliere Ihnen herzlich,« sagte er +und schüttelte Karl die Hand, womit er auch etwas wie Anerkennung +ausdrücken wollte. Als er sich dann mit der gleichen Ansprache auch an +den Senator wenden wollte, trat dieser zurück, als überschreite der +Heizer damit seine Rechte; der Heizer ließ auch sofort ab. + +Die übrigen aber sahen jetzt ein, was zu tun war, und bildeten gleich um +Karl und den Senator einen Wirrwarr. So geschah es, daß Karl sogar eine +Gratulation Schubals erhielt, annahm und für sie dankte. Als letzte +traten in der wieder entstandenen Ruhe die Hafenbeamten hinzu und sagten +zwei englische Worte, was einen lächerlichen Eindruck machte. + +Der Senator war ganz in der Laune, um das Vergnügen vollständig +auszukosten, nebensächlichere Momente sich und den anderen in Erinnerung +zu bringen, was natürlich von allen nicht nur geduldet, sondern mit +Interesse hingenommen wurde. So machte er darauf aufmerksam, daß er sich +die in dem Brief der Köchin erwähnten hervorstechendsten +Erkennungszeichen Karls in sein Notizbuch zu möglicherweise notwendigem +augenblicklichen Gebrauch eingetragen hatte. Nun hatte er während des +unerträglichen Geschwätzes des Heizers zu keinem anderen Zweck, als um +sich abzulenken, das Notizbuch herausgezogen und die natürlich nicht +gerade detektivisch richtigen Beobachtungen der Köchin mit Karls +Aussehen zum Spiel in Verbindung zu bringen gesucht. »Und so findet man +seinen Neffen!« schloß er in einem Ton, als wolle er noch einmal +Gratulationen bekommen. + +»Was wird jetzt dem Heizer geschehen?« fragte Karl, vorbei an der +letzten Erzählung des Onkels. Er glaubte in seiner neuen Stellung alles, +was er dachte, auch aussprechen zu können. + +»Dem Heizer wird geschehen, was er verdient,« sagte der Senator, »und +was der Herr Kapitän für gut erachtet. Ich glaube, wir haben von dem +Heizer genug und übergenug, wozu mir jeder der anwesenden Herren sicher +zustimmen wird.« + +»Darauf kommt es doch nicht an, bei einer Sache der Gerechtigkeit,« +sagte Karl. Er stand zwischen dem Onkel und dem Kapitän, und glaubte, +vielleicht durch diese Stellung beeinflußt, die Entscheidung in der Hand +zu haben. + +Und trotzdem schien der Heizer nichts mehr für sich zu hoffen. Die Hände +hielt er halb in dem Hosengürtel, der durch seine aufgeregten Bewegungen +mit dem Streifen eines gemusterten Hemdes zum Vorschein gekommen war. +Das kümmerte ihn nicht im geringsten, er hatte sein ganzes Leid geklagt, +nun sollte man auch noch die paar Fetzen sehen, die er am Leibe hatte, +und dann sollte man ihn forttragen. Er dachte sich aus, der Diener und +Schubal, als die zwei hier im Range Tiefsten, sollten ihm diese letzte +Güte erweisen. Schubal würde dann Ruhe haben und nicht mehr in +Verzweiflung kommen, wie sich der Oberkassier ausgedrückt hatte. Der +Kapitän würde lauter Rumänen anstellen können, es würde überall +rumänisch gesprochen werden, und vielleicht würde dann wirklich alles +besser gehen. Kein Heizer würde mehr in der Hauptkassa schwätzen, nur +sein letztes Geschwätz würde man in ziemlich freundlicher Erinnerung +behalten, da es, wie der Senator ausdrücklich erklärt hatte, die +mittelbare Veranlassung zur Erkennung des Neffen gegeben hatte. Dieser +Neffe hatte ihm übrigens vorher öfters zu nützen gesucht und daher für +seinen Dienst bei der Wiedererkennung längst vorher einen mehr als +genügenden Dank abgestattet; dem Heizer fiel gar nicht ein, jetzt noch +etwas von ihm zu verlangen. Im übrigen, mochte er auch der Neffe des +Senators sein, ein Kapitän war er noch lange nicht, aber aus dem Munde +des Kapitäns würde schließlich das böse Wort fallen. -- So wie es seiner +Meinung entsprach, versuchte auch der Heizer nicht zu Karl hinzusehen, +aber leider blieb in diesem Zimmer der Feinde kein anderer Ruheort für +seine Augen. + +»Mißverstehe die Sachlage nicht,« sagte der Senator zu Karl, »es handelt +sich vielleicht um eine Sache der Gerechtigkeit, aber gleichzeitig um +eine Sache der Disziplin. Beides und ganz besonders das letztere +unterliegt hier der Beurteilung des Herrn Kapitäns.« + +»So ist es,« murmelte der Heizer. Wer es merkte und verstand, lächelte +befremdet. + +»Wir aber haben überdies den Herrn Kapitän in seinen Amtsgeschäften, +die sich sicher gerade bei der Ankunft in New York unglaublich häufen, +so sehr schon behindert, daß es höchste Zeit für uns ist, das Schiff zu +verlassen, um nicht zum Überfluß auch noch durch irgendwelche höchst +unnötige Einmischung diese geringfügige Zänkerei zweier Maschinisten zu +einem Ereignis zu machen. Ich begreife deine Handlungsweise, lieber +Neffe, übrigens vollkommen, aber gerade das gibt mir das Recht, dich +eilends von hier fortzuführen.« + +»Ich werde sofort ein Boot für Sie flottmachen lassen,« sagte der +Kapitän, ohne zum Erstaunen Karls auch nur den kleinsten Einwand gegen +die Worte des Onkels vorzubringen, die doch zweifellos als eine +Selbstdemütigung des Onkels angesehen werden konnten. Der Oberkassier +eilte überstürzt zum Schreibtisch und telephonierte den Befehl des +Kapitäns an den Bootsmeister. + +»Die Zeit drängt schon,« sagte sich Karl, »aber ohne alle zu beleidigen, +kann ich nichts tun. Ich kann doch jetzt den Onkel nicht verlassen, +nachdem er mich kaum wiedergefunden hat. Der Kapitän ist zwar höflich, +aber das ist auch alles. Bei der Disziplin hört seine Höflichkeit auf, +und der Onkel hat ihm sicher aus der Seele gesprochen. Mit Schubal will +ich nicht reden, es tut mir sogar leid, daß ich ihm die Hand gereicht +habe. Und alle anderen Leute hier sind Spreu.« + +Und er ging langsam in solchen Gedanken zum Heizer, zog dessen rechte +Hand aus dem Gürtel und hielt sie spielend in der seinen. »Warum sagst +du denn nichts?« fragte er. »Warum läßt du dir alles gefallen?« + +Der Heizer legte nur die Stirn in Falten, als suche er den Ausdruck für +das, was er zu sagen habe. Im übrigen sah er auf Karls und seine Hand +hinab. + +»Dir ist ja unrecht geschehen, wie keinem auf dem Schiff, das weiß ich +ganz genau.« Und Karl zog seine Finger hin und her zwischen den Fingern +des Heizers, der mit glänzenden Augen ringsumher schaute, als widerfahre +ihm eine Wonne, die ihm aber niemand verübeln möge. + +»Du mußt dich aber zur Wehr setzen, ja und nein sagen, sonst haben doch +die Leute keine Ahnung von der Wahrheit. Du mußt mir versprechen, daß du +mir folgen wirst, denn ich selbst, das fürchte ich mit vielem Grund, +werde dir gar nicht mehr helfen können.« Und nun weinte Karl, während er +die Hand des Heizers küßte und nahm die rissige, fast leblose Hand und +drückte sie an seine Wangen, wie einen Schatz, auf den man verzichten +muß. -- Da war aber auch schon der Onkel Senator an seiner Seite und zog +ihn, wenn auch nur mit dem leichtesten Zwange, fort. + +»Der Heizer scheint dich bezaubert zu haben,« sagte er und sah +verständnisinnig über Karls Kopf zum Kapitän hin. »Du hast dich +verlassen gefühlt, da hast du den Heizer gefunden und bist ihm jetzt +dankbar, das ist ja ganz löblich. Treibe das aber, schon mir zuliebe, +nicht zu weit und lerne deine Stellung begreifen.« + +Vor der Türe entstand ein Lärmen, man hörte Rufe und es war sogar, als +werde jemand brutal gegen die Türe gestoßen. Ein Matrose trat ein, etwas +verwildert, und hatte eine Mädchenschürze umgebunden. »Es sind Leute +draußen,« rief er und stieß einmal mit dem Ellbogen herum, als sei er +noch im Gedränge. Endlich fand er seine Besinnung und wollte vor dem +Kapitän salutieren, da bemerkte er die Mädchenschürze, riß sie herunter, +warf sie zu Boden und rief: »Das ist ja ekelhaft, da haben sie mir eine +Mädchenschürze umgebunden.« Dann aber klappte er die Hacken zusammen und +salutierte. Jemand versuchte zu lachen, aber der Kapitän sagte streng: +»Das nenne ich eine gute Laune. Wer ist denn draußen?« + +»Es sind meine Zeugen,« sagte Schubal vortretend, »ich bitte ergebenst +um Entschuldigung für ihr unpassendes Benehmen. Wenn die Leute die +Seefahrt hinter sich haben, sind sie manchmal wie toll.« + +»Rufen Sie sie sofort herein!« befahl der Kapitän und gleich sich zum +Senator umwendend sagte er verbindlich, aber rasch: »Haben Sie jetzt die +Güte, verehrter Herr Senator, mit Ihrem Herrn Neffen diesem Matrosen zu +folgen, der Sie ins Boot bringen wird. Ich muß wohl nicht erst sagen, +welches Vergnügen und welche Ehre mir das persönliche Bekanntwerden mit +Ihnen, Herr Senator, bereitet hat. Ich wünsche mir nur, bald Gelegenheit +zu haben, mit Ihnen, Herr Senator, unser unterbrochenes Gespräch über +die amerikanischen Flottenverhältnisse wieder einmal aufnehmen zu können +und dann vielleicht neuerdings auf so angenehme Weise, wie heute, +unterbrochen zu werden.« + +»Vorläufig genügt mir dieser eine Neffe,« sagte der Onkel lachend. »Und +nun nehmen Sie meinen besten Dank für Ihre Liebenswürdigkeit und leben +Sie wohl. Es wäre übrigens gar nicht so unmöglich, daß wir« -- er drückte +Karl herzlich an sich -- »bei unserer nächsten Europareise vielleicht für +längere Zeit mit Ihnen zusammenkommen könnten.« + +»Es würde mich herzlich freuen,« sagte der Kapitän. Die beiden Herren +schüttelten einander die Hände, Karl konnte nur noch stumm und flüchtig +seine Hand dem Kapitän reichen, denn dieser war bereits von den +vielleicht fünfzehn Leuten in Anspruch genommen, welche unter Führung +Schubals zwar etwas betroffen, aber doch sehr laut einzogen. Der Matrose +bat den Senator, vorausgehen zu dürfen und teilte dann die Menge für ihn +und Karl, die leicht zwischen den sich verbeugenden Leuten durchkamen. +Es schien, daß diese im übrigen gutmütigen Leute den Streit Schubals mit +dem Heizer als einen Spaß auffaßten, dessen Lächerlichkeit nicht einmal +vor dem Kapitän aufhöre. Karl bemerkte unter ihnen auch das +Küchenmädchen Line, welche, ihm lustig zuzwinkernd, die vom Matrosen +hingeworfene Schürze umband, denn es war die ihrige. + +Weiter dem Matrosen folgend verließen sie das Bureau und bogen in einen +kleinen Gang ein, der sie nach ein paar Schritten zu einem Türchen +brachte, von dem aus eine kurze Treppe in das Boot hinabführte, welches +für sie vorbereitet war. Die Matrosen im Boot, in das ihr Führer gleich +mit einem einzigen Satz hinuntersprang, erhoben sich und salutierten. +Der Senator gab Karl gerade eine Ermahnung zu vorsichtigem +Hinuntersteigen, als Karl noch auf der obersten Stufe in heftiges +Weinen ausbrach. Der Senator legte die rechte Hand unter Karls Kinn, +hielt ihn fest an sich gepreßt und streichelte ihn mit der linken Hand. +So gingen sie langsam Stufe für Stufe hinab und traten engverbunden ins +Boot, wo der Senator für Karl gerade sich gegenüber einen guten Platz +aussuchte. Auf ein Zeichen des Senators stießen die Matrosen vom Schiffe +ab und waren gleich in voller Arbeit. Kaum waren sie ein paar Meter vom +Schiff entfernt, machte Karl die unerwartete Entdeckung, daß sie sich +gerade auf jener Seite des Schiffes befanden, wohin die Fenster der +Hauptkassa gingen. Alle drei Fenster waren mit Zeugen Schubals besetzt, +welche freundschaftlichst grüßten und winkten, sogar der Onkel dankte, +und ein Matrose machte das Kunststück, ohne eigentlich das gleichmäßige +Rudern zu unterbrechen, eine Kußhand hinaufzuschicken. Es war wirklich, +als gebe es keinen Heizer mehr. Karl faßte den Onkel, mit dessen Knien +sich die seinen fast berührten, genauer ins Auge, und es kamen ihm +Zweifel, ob dieser Mann ihm jemals den Heizer werde ersetzen können. +Auch wich der Onkel seinem Blicke aus und sah auf die Wellen hin, von +denen ihr Boot umschwankt wurde. + + + +[Anmerkungen zur Transkription: Dieses elektronische Buch wurde auf +Grundlage der Erstausgabe erstellt. + +Nach dem Korrekturlesen auf PGDP wurde der Text mit der eigens für +diesen Zweck eingescannten Fassung aus »Franz Kafka: Die Erzählungen -- +Originalfassung, Fischer Taschenbuchverlag, 8. Auflage: August 2003« +verglichen. Jene Fassung basiert auf der Kritischen Kafka-Ausgabe. +Entsprechend dieser Textvergleiche wurden folgende Korrekturen +vorgenommen: + +p 05: sechszehnjährige -> sechzehnjährige +p 08: »Ja, warum haben sie -> Sie +p 21: Kofferchen -> Köfferchen +p 34: beseitegeschafft -> beiseitegeschafft +p 42: in Verzweiflung kommen wie -> kommen, wie ] + + + +[Transcriber's Note: This ebook has been prepared from scans of a first +edition copy. + +After proofreading on PGDP had been completed, the text was compared +with another version scanned from a recent printing of »Franz Kafka: Die +Erzählungen -- Originalfassung, Fischer Taschenbuchverlag, 8. Auflage: +August 2003«; which follows the critical edition of Kafka's works. While +I kept most of the peculiarities of the first edition, I corrected the +following list of words and punctuation which I believe to be misprints: + +p 05: sechszehnjährige -> sechzehnjährige +p 08: »Ja, warum haben sie -> Sie +p 21: Kofferchen -> Köfferchen +p 34: beseitegeschafft -> beiseitegeschafft +p 42: in Verzweiflung kommen wie -> kommen, wie ] + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der Heizer, by Franz Kafka + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER HEIZER *** + +***** This file should be named 16304-8.txt or 16304-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/6/3/0/16304/ + +Produced by Markus Brenner and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact +information can be found at the Foundation's web site and official +page at https://pglaf.org + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. 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Donations are accepted in a number of other +ways including including checks, online payments and credit card +donations. To donate, please visit: https://pglaf.org/donate + + +Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic +works. + +Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/16304-8.zip b/16304-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..14d5cdd --- /dev/null +++ b/16304-8.zip diff --git a/16304-h.zip b/16304-h.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..de682d4 --- /dev/null +++ b/16304-h.zip diff --git a/16304-h/16304-h.htm b/16304-h/16304-h.htm new file mode 100644 index 0000000..28dc7ff --- /dev/null +++ b/16304-h/16304-h.htm @@ -0,0 +1,1897 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> + <head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> + <title> + The Project Gutenberg eBook of Der Heizer, by Franz Kafka. + </title> + <style type="text/css"> +/*<![CDATA[ XML blockout */ +<!-- + a.page { + position: absolute; + right: 1%; + font-size: x-small; + display: inline; /* set to "none" to make page numbers disappear */ + } + a.page:after { + content: attr(title); + } + p { margin-top: .75em; + text-align: justify; + margin-bottom: .75em; + } + p.newsection:first-letter { + font-size:161.8%; + font-weight: bold; + } + div.docImprint { + margin-top: 5em; + text-transform: uppercase; + } + p.seriesinfo { + font-size: smaller; + text-align: center; + } + p.copyright { + margin-top: 2em; + font-size: smaller; + text-align: center; + } + div.note { + margin: 4em 10% 0 10%; + padding: 0 0.5em 0 0.5em; + border: 1px dashed black; + background-color: rgb(80%,100%,80%); + font-size: smaller; + } + h1,h2,h3,h4,h5,h6 { + text-align: center; /* all headings centered */ + clear: both; + } + hr { width: 33%; + margin-top: 2em; + margin-bottom: 2em; + margin-left: auto; + margin-right: auto; + clear: both; + } + + body{margin-left: 10%; + margin-right: 10%; + } + + .center {text-align: center;} + + .caption { + font-weight: bold; + margin-left: auto; + margin-right: auto; + } + + .figcenter {margin: auto; text-align: center;} + // --> + /* XML end ]]>*/ + </style> + </head> +<body> + + +<pre> + +The Project Gutenberg EBook of Der Heizer, by Franz Kafka + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Der Heizer + Ein Fragment + +Author: Franz Kafka + +Release Date: July 15, 2005 [EBook #16304] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER HEIZER *** + + + + +Produced by Markus Brenner and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + + + + + +</pre> + + + +<p><a class="page" name="Page_2" id="Page_2" title="2"></a></p> +<div class="figcenter" style="width: 582px;"> +<img src="images/hafen.jpg" width="582" height="400" alt="Im Hafen von New York." title="Im Hafen von New York." /> +<span class="caption">Im Hafen von New York.</span> +</div> + +<hr style="width: 65%;" /> +<p><a class="page" name="Page_3" id="Page_3" title="3"></a></p> +<h2>Franz Kafka</h2> +<h1>Der Heizer</h1> + +<h3>Ein Fragment</h3> + +<div class="docImprint"> +<h5>1913<br /> +Kurt Wolff Verlag • Leipzig</h5> +</div> + +<hr style="width: 65%;" /> +<p><a class="page" name="Page_4" id="Page_4" title="4"></a></p> +<p class="seriesinfo">Dies Buch wurde<br /> +gedruckt im Mai 1913 als dritter<br /> +Band der Bücherei »Der jüngste Tag« bei<br /> +Poeschel & Trepte in Leipzig</p> + + +<p class="copyright">COPYRIGHT BY KURT WOLFF VERLAG, LEIPZIG 1913</p> + +<hr style="width: 65%;" /> +<p><a class="page" name="Page_5" id="Page_5" title="5"></a></p> +<p class="newsection">Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen +armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, +weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von +ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen +Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er +die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin +wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht. +Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor +und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.</p> + +<p>»So hoch!« sagte er sich und wurde, wie er so gar +nicht an das Weggehen dachte, von der immer mehr +anschwellenden Menge der Gepäckträger, die an ihm +vorüberzogen, allmählich bis an das Bordgeländer geschoben.</p> + +<p>Ein junger Mann, mit dem er während der Fahrt +flüchtig bekannt geworden war, sagte im Vorübergehen: +»Ja, haben Sie denn noch keine Lust, auszusteigen?« +»Ich bin doch fertig,« sagte Karl, ihn anlachend, und +hob aus Übermut, und weil er ein starker Junge war, +seinen Koffer auf die Achsel. Aber wie er über seinen +Bekannten hinsah, der ein wenig seinen Stock schwenkend +sich schon mit den andern entfernte, merkte er bestürzt, +daß er seinen eigenen Regenschirm unten im Schiff vergessen +hatte. Er bat schnell den Bekannten, der nicht sehr +beglückt schien, um die Freundlichkeit, bei seinem Koffer +einen Augenblick zu warten, überblickte noch die Situation,<a class="page" name="Page_6" id="Page_6" title="6"></a> +um sich bei der Rückkehr zurechtzufinden und eilte davon. +Unten fand er zu seinem Bedauern einen Gang, der +seinen Weg sehr verkürzt hätte, zum erstenmal versperrt, +was wahrscheinlich mit der Ausschiffung sämtlicher Passagiere +zusammenhing und mußte sich seinen Weg durch +eine Unzahl kleiner Räume, über kurze Treppen, die einander +immer wieder folgten, durch fortwährend abbiegende +Korridore, durch ein leeres Zimmer mit einem verlassenen +Schreibtisch mühselig suchen, bis er sich tatsächlich, da +er diesen Weg nur ein- oder zweimal und immer in +größerer Gesellschaft gegangen war, ganz und gar verirrt +hatte. In seiner Ratlosigkeit und da er keinen Menschen +traf und nur immerfort über sich das Scharren der +tausend Menschenfüße hörte und von der Ferne, wie +einen Hauch, das letzte Arbeiten der schon eingestellten +Maschinen merkte, fing er, ohne zu überlegen, an eine +beliebige kleine Tür zu schlagen an, bei der er in seinem +Herumirren stockte.</p> + +<p>»Es ist ja offen,« rief es von innen, und Karl öffnete +mit ehrlichem Aufatmen die Tür. »Warum schlagen Sie +so verrückt auf die Tür?« fragte ein riesiger Mann, kaum +daß er nach Karl hinsah. Durch irgendeine Oberlichtluke +fiel ein trübes, oben im Schiff längst abgebrauchtes +Licht in die klägliche Kabine, in welcher ein Bett, ein +Schrank, ein Sessel und der Mann knapp nebeneinander, +wie eingelagert, standen. »Ich habe mich verirrt,« sagte +Karl, »ich habe es während der Fahrt gar nicht so bemerkt, +aber es ist ein schrecklich großes Schiff.« »Ja, +da haben Sie recht,« sagte der Mann mit einigem Stolz<a class="page" name="Page_7" id="Page_7" title="7"></a> +und hörte nicht auf, an dem Schloß eines kleinen Koffers +zu hantieren, den er mit beiden Händen immer wieder +zudrückte, um das Einschnappen des Riegels zu behorchen. +»Aber kommen Sie doch herein!« sagte der Mann weiter, +»Sie werden doch nicht draußen stehn!« »Störe ich nicht?« +fragte Karl. »Ach, wie werden Sie denn stören!« »Sind +Sie ein Deutscher?« suchte sich Karl noch zu versichern, +da er viel von den Gefahren gehört hatte, welche besonders +von Irländern den Neuankömmlingen in Amerika +drohen. »Bin ich, bin ich,« sagte der Mann. Karl +zögerte noch. Da faßte unversehens der Mann die Türklinke +und schob mit der Türe, die er rasch schloß, Karl +zu sich herein. »Ich kann es nicht leiden, wenn man mir +vom Gang hereinschaut,« sagte der Mann, der wieder +an seinem Koffer arbeitete, »da läuft jeder vorbei und +schaut herein, das soll der Zehnte aushalten!« »Aber der +Gang ist doch ganz leer,« sagte Karl, der unbehaglich +an den Bettpfosten gequetscht dastand. »Ja, jetzt,« sagte +der Mann. »Es handelt sich doch um jetzt,« dachte Karl, +»mit dem Mann ist schwer zu reden.« »Legen Sie sich +doch aufs Bett, da haben Sie mehr Platz,« sagte der +Mann. Karl kroch, so gut es ging, hinein und lachte +dabei laut über den ersten vergeblichen Versuch, sich hinüberzuschwingen. +Kaum war er aber im Bett, rief er: +»Gottes Willen, ich habe ja ganz meinen Koffer vergessen!« +»Wo ist er denn?« »Oben auf dem Deck, ein +Bekannter gibt acht auf ihn. Wie heißt er nur?« Und +er zog aus einer Geheimtasche, die ihm seine Mutter für +<a class="page" name="Page_8" id="Page_8" title="8"></a>die Reise im Rockfutter angelegt hatte, eine Visitkarte. +»Butterbaum, Franz Butterbaum.« »Haben Sie den +Koffer sehr nötig?« »Natürlich.« »Ja, warum haben +Sie ihn dann einem fremden Menschen gegeben?« »Ich +hatte meinen Regenschirm unten vergessen und bin +gelaufen, ihn zu holen, wollte aber den Koffer nicht +mitschleppen. Dann habe ich mich auch noch verirrt.« +»Sie sind allein? Ohne Begleitung?« »Ja, +allein.« »Ich sollte mich vielleicht an diesen Mann +halten,« ging es Karl durch den Kopf, »wo finde +ich gleich einen besseren Freund.« »Und jetzt haben +Sie auch noch den Koffer verloren. Vom Regenschirm +rede ich gar nicht.« Und der Mann setzte sich +auf den Sessel, als habe Karls Sache jetzt einiges Interesse +für ihn gewonnen. »Ich glaube aber, der Koffer +ist noch nicht verloren.« »Glauben macht selig,« sagte +der Mann und kratzte sich kräftig in seinem dunklen, +kurzen, dichten Haar, »auf dem Schiff wechseln mit den +Hafenplätzen auch die Sitten. In Hamburg hätte Ihr +Butterbaum den Koffer vielleicht bewacht, hier ist höchstwahrscheinlich +von beiden keine Spur mehr.« »Da muß +ich aber doch gleich hinaufschaun,« sagte Karl und sah +sich um, wie er hinauskommen könnte. »Bleiben Sie +nur,« sagte der Mann und stieß ihn mit einer Hand +gegen die Brust, geradezu rauh, ins Bett zurück. »Warum +denn?« fragte Karl ärgerlich. »Weil es keinen Sinn +hat,« sagte der Mann »in einem kleinen Weilchen gehe +ich auch, dann gehen wir zusammen. Entweder ist der +Koffer gestohlen, dann ist keine Hilfe, oder der Mensch +<a class="page" name="Page_9" id="Page_9" title="9"></a>bewacht ihn noch immer, dann ist er ein Dummkopf und +soll weiter wachen, oder er ist bloß ein ehrlicher Mensch +und hat den Koffer stehen gelassen, dann werden wir +ihn, bis das Schiff ganz entleert ist, desto besser finden. +Ebenso auch Ihren Regenschirm.« »Kennen Sie sich auf +dem Schiff aus?« fragte Karl mißtrauisch und es schien +ihm, als hätte der sonst überzeugende Gedanke, daß auf +dem leeren Schiff seine Sachen am besten zu finden sein +würden, einen verborgenen Haken. »Ich bin doch Schiffsheizer,« +sagte der Mann. »Sie sind Schiffsheizer!« rief +Karl freudig, als überstiege das alle Erwartungen, und +sah, den Ellbogen aufgestützt, den Mann näher an. »Gerade +vor der Kammer, wo ich mit den Slowaken geschlafen +habe, war eine Luke angebracht, durch die man +in den Maschinenraum sehen konnte.« »Ja, dort habe +ich gearbeitet,« sagte der Heizer. »Ich habe mich immer +so für Technik interessiert,« sagte Karl, der in einem +bestimmten Gedankengang blieb, »und ich wäre sicher +später Ingenieur geworden, wenn ich nicht nach Amerika +hätte fahren müssen.« »Warum haben Sie denn fahren +müssen?« »Ach was!« sagte Karl und warf die ganze +Geschichte mit der Hand weg. Dabei sah er lächelnd +den Heizer an, als bitte er ihn selbst für das Nichteingestandene +um seine Nachsicht. »Es wird schon einen +Grund gehabt haben,« sagte der Heizer und man wußte +nicht recht, ob er damit die Erzählung dieses Grundes +fordern oder abwehren wollte. »Jetzt könnte ich auch +Heizer werden,« sagte Karl, »meinen Eltern ist es jetzt +ganz gleichgültig, was ich werde.« »Meine Stelle wird +<a class="page" name="Page_10" id="Page_10" title="10"></a>frei,« sagte der Heizer, gab im Vollbewußtsein dessen +die Hände in die Hosentaschen und warf die Beine, die +in faltigen, lederartigen, eisengrauen Hosen steckten, aufs +Bett hin, um sie zu strecken. Karl mußte mehr an die +Wand rücken. »Sie verlassen das Schiff?« »Jawohl, wir +marschieren heute ab.« »Warum denn? Gefällt es Ihnen +nicht?« »Ja, das sind die Verhältnisse, es entscheidet nicht +immer, ob es einem gefällt oder nicht. Übrigens haben Sie +recht, es gefällt mir auch nicht. Sie denken wahrscheinlich +nicht ernstlich daran, Heizer zu werden, aber gerade +dann kann man es am leichtesten werden. Ich also +rate Ihnen entschieden ab. Wenn Sie in Europa studieren +wollten, warum wollen Sie es denn hier nicht? +Die amerikanischen Universitäten sind ja unvergleichlich +besser als die europäischen.« »Es ist ja möglich,« sagte +Karl, »aber ich habe ja fast kein Geld zum Studieren. +Ich habe zwar von irgendjemandem gelesen, der bei +Tag in einem Geschäft gearbeitet und in der Nacht +studiert hat, bis er Doktor und ich glaube Bürgermeister +wurde, aber dazu gehört doch eine große Ausdauer, +nicht? Ich fürchte, die fehlt mir. Außerdem war ich gar +kein besonders guter Schüler, der Abschied von der +Schule ist mir wirklich nicht schwer geworden. Und die +Schulen hier sind vielleicht noch strenger. Englisch kann +ich fast gar nicht. Überhaupt ist man hier gegen Fremde +so eingenommen, glaube ich.« »Haben Sie das auch +schon erfahren? Na, dann ist’s gut. Dann sind Sie mein +Mann. Sehen Sie, wir sind doch auf einem deutschen +Schiff, es gehört der Hamburg-Amerika-Linie, warum +<a class="page" name="Page_11" id="Page_11" title="11"></a>sind wir nicht lauter Deutsche hier? Warum ist der +Obermaschinist ein Rumäne? Er heißt Schubal. Das ist +doch nicht zu glauben. Und dieser Lumpenhund schindet +uns Deutsche auf einem deutschen Schiff. Glauben Sie +nicht« – ihm ging die Luft aus, er fackelte mit der +Hand – »daß ich klage, um zu klagen. Ich weiß, daß +Sie keinen Einfluß haben und selbst ein armes Bürschchen +sind. Aber es ist zu arg!« Und er schlug auf den +Tisch mehrmals mit der Faust und ließ kein Auge von +ihr, während er schlug. »Ich habe doch schon auf so +vielen Schiffen gedient« – und er nannte zwanzig +Namen hintereinander als sei es ein Wort, Karl wurde +ganz wirr – »und habe mich ausgezeichnet, bin belobt +worden, war ein Arbeiter nach dem Geschmack meiner +Kapitäne, sogar auf dem gleichen Handelssegler war ich +einige Jahre« – er erhob sich, als sei das der Höhepunkt +seines Lebens – »und hier auf diesem Kasten, +wo alles nach der Schnur eingerichtet ist, wo kein Witz +erfordert wird, hier taug’ ich nichts, hier stehe ich dem +Schubal immer im Wege, bin ein Faulpelz, verdiene +hinausgeworfen zu werden und bekomme meinen Lohn +aus Gnade. Verstehen Sie das? Ich nicht.« »Das dürfen +Sie sich nicht gefallen lassen,« sagte Karl aufgeregt. Er +hatte fast das Gefühl davon verloren, daß er auf dem +unsicheren Boden eines Schiffes, an der Küste eines unbekannten +Erdteils war, so heimisch war ihm hier auf +dem Bett des Heizers zumute. »Waren Sie schon beim +Kapitän? Haben Sie schon bei ihm Ihr Recht gesucht?« +»Ach gehen Sie, gehen Sie lieber weg. Ich will Sie +<a class="page" name="Page_12" id="Page_12" title="12"></a>nicht hier haben. Sie hören nicht zu was ich sage und +geben mir Ratschläge. Wie soll ich denn zum Kapitän +gehen!« Und müde setzte sich der Heizer wieder und +legte das Gesicht in beide Hände.</p> + +<p>»Einen besseren Rat kann ich ihm nicht geben,« sagte +sich Karl. Und er fand überhaupt, daß er lieber seinen +Koffer hätte holen sollen, statt hier Ratschläge zu geben, +die doch nur für dumm gehalten wurden. Als ihm der +Vater den Koffer für immer übergeben hatte, hatte er +im Scherz gefragt: »Wielange wirst Du ihn haben?« +und jetzt war dieser teuere Koffer vielleicht schon im +Ernst verloren. Der einzige Trost war noch, daß der +Vater von seiner jetzigen Lage kaum erfahren konnte, +selbst wenn er nachforschen sollte. Nur daß er bis New +York mitgekommen war, konnte die Schiffsgesellschaft +gerade noch sagen. Leid tat es aber Karl, daß er die +Sachen im Koffer noch kaum verwendet hatte, trotzdem +er es beispielsweise längst nötig gehabt hätte, das Hemd +zu wechseln. Da hatte er also am unrichtigen Ort gespart; +jetzt, wo er es gerade am Beginn seiner Laufbahn +nötig haben würde, rein gekleidet aufzutreten, würde er +im schmutzigen Hemd erscheinen müssen. Sonst wäre der +Verlust des Koffers nicht gar so arg gewesen, denn der +Anzug, den er anhatte, war sogar besser, als jener im +Koffer, der eigentlich nur ein Notanzug war, den die +Mutter noch knapp vor der Abreise hatte flicken müssen. +Jetzt erinnerte er sich auch, daß im Koffer noch ein +Stück Veroneser Salami war, die ihm die Mutter als +Extragabe eingepackt hatte, von der er jedoch nur den +<a class="page" name="Page_13" id="Page_13" title="13"></a>kleinsten Teil hatte aufessen können, da er während der +Fahrt ganz ohne Appetit gewesen war und die Suppe, +die im Zwischendeck zur Verteilung kam, ihm reichlich +genügt hatte. Jetzt hätte er aber die Wurst gern bei +der Hand gehabt, um sie dem Heizer zu verehren. Denn +solche Leute sind leicht gewonnen, wenn man ihnen +irgendeine Kleinigkeit zusteckt, das wußte Karl noch +von seinem Vater her, welcher durch Zigarrenverteilung +alle die niedrigeren Angestellten gewann, mit denen er +geschäftlich zu tun hatte. Jetzt besaß Karl an Verschenkbarem +nur noch sein Geld, und das wollte er, wenn er +schon vielleicht den Koffer verloren haben sollte, vorläufig +nicht anrühren. Wieder kehrten seine Gedanken +zum Koffer zurück, und er konnte jetzt wirklich nicht einsehen, +warum er den Koffer während der Fahrt so +aufmerksam bewacht hatte, daß ihm die Wache fast den +Schlaf gekostet hatte, wenn er jetzt diesen gleichen Koffer +so leicht sich hatte wegnehmen lassen. Er erinnerte sich an +die fünf Nächte, während derer er einen kleinen Slowaken, +der zwei Schlafstellen links von ihm gelegen war, +unausgesetzt im Verdacht gehabt hatte, daß er es auf +seinen Koffer abgesehen habe. Dieser Slowake hatte nur +darauf gelauert, daß Karl endlich, von Schwäche befallen, +für einen Augenblick einnicke, damit er den +Koffer mit einer langen Stange, mit der er immer +während des Tages spielte oder übte, zu sich hinüberziehen +könne. Bei Tag sah dieser Slowake genug unschuldig +aus, aber kaum war die Nacht gekommen, erhob +er sich von Zeit zu Zeit von seinem Lager und sah +<a class="page" name="Page_14" id="Page_14" title="14"></a>traurig zu Karls Koffer hinüber. Karl konnte dies ganz +deutlich erkennen, denn immer hatte hie und da jemand +mit der Unruhe des Auswanderers ein Lichtchen angezündet, +trotzdem dies nach der Schiffsordnung verboten +war, und versuchte, unverständliche Prospekte der Auswanderungsagenturen +zu entziffern. War ein solches Licht +in der Nähe, dann konnte Karl ein wenig eindämmern, +war es aber in der Ferne, oder war dunkel, dann +mußte er die Augen offenhalten. Diese Anstrengung hatte +ihn recht erschöpft, und nun war sie vielleicht ganz umsonst +gewesen. Dieser Butterbaum, wenn er ihn einmal +irgendwo treffen sollte!</p> + +<p>In diesem Augenblick ertönten draußen in weiter +Ferne in die bisherige vollkommene Ruhe hinein kleine +kurze Schläge, wie von Kinderfüßen, sie kamen näher +mit verstärktem Klang und nun war es ein ruhiger +Marsch von Männern. Sie gingen offenbar, wie es in +dem schmalen Gang natürlich war, in einer Reihe, man +hörte Klirren wie von Waffen. Karl, der schon nahe +daran gewesen war, sich im Bett zu einem von allen +Sorgen um Koffer und Slowaken befreiten Schlafe +auszustrecken, schreckte auf und stieß den Heizer an, um +ihn endlich aufmerksam zu machen, denn der Zug schien +mit seiner Spitze die Tür gerade erreicht zu haben. »Das +ist die Schiffskapelle,« sagte der Heizer, »die haben oben +gespielt und gehen jetzt einpacken. Jetzt ist alles fertig +und wir können gehen. Kommen Sie!« Er faßte Karl +bei der Hand, nahm noch im letzten Augenblick ein eingerahmtes +Muttergottesbild von der Wand über dem +<a class="page" name="Page_15" id="Page_15" title="15"></a>Bett, stopfte es in seine Brusttasche, ergriff seinen Koffer +und verließ mit Karl eilig die Kabine.</p> + +<p>»Jetzt gehe ich ins Bureau und werde den Herren +meine Meinung sagen. Es ist kein Passagier mehr da, +man muß keine Rücksicht nehmen«. Dieses wiederholte +der Heizer verschiedenartig und wollte im Gehen mit +Seitwärtsstoßen des Fußes eine den Weg kreuzende +Ratte niedertreten, stieß sie aber bloß schneller in das +Loch hinein, das sie noch rechtzeitig erreicht hatte. Er +war überhaupt langsam in seinen Bewegungen, denn +wenn er auch lange Beine hatte, so waren sie doch zu +schwer.</p> + +<p>Sie kamen durch eine Abteilung der Küche, wo einige +Mädchen in schmutzigen Schürzen – sie begossen sie +absichtlich – Geschirr in großen Bottichen reinigten. +Der Heizer rief eine gewisse Line zu sich, legte den Arm +um ihre Hüfte und führte sie, die sich immerzu kokett +gegen seinen Arm drückte, ein Stückchen mit. »Es gibt +jetzt Auszahlung, willst du mitkommen?« fragte er. +»Warum soll ich mich bemühn, bring mir das Geld +lieber her,« antwortete sie, schlüpfte unter seinem Arm +durch und lief davon. »Wo hast du denn den schönen +Knaben aufgegabelt?« rief sie noch, wollte aber keine +Antwort mehr. Man hörte das Lachen aller Mädchen, +die ihre Arbeit unterbrochen hatten.</p> + +<p>Sie gingen aber weiter und kamen an eine Tür, die +oben einen kleinen Vorgiebel hatte, der von kleinen, +vergoldeten Karyatiden getragen war. Für eine Schiffseinrichtung +sah das recht verschwenderisch aus. Karl war, +<a class="page" name="Page_16" id="Page_16" title="16"></a>wie er merkte, niemals in diese Gegend gekommen, die +wahrscheinlich während der Fahrt den Passagieren der +ersten und zweiten Klasse vorbehalten gewesen war, +während man jetzt vor der großen Schiffsreinigung die +Trennungstüren ausgehoben hatte. Sie waren auch tatsächlich +schon einigen Männern begegnet, die Besen an +der Schulter trugen und den Heizer gegrüßt hatten. +Karl staunte über den großen Betrieb, in seinem +Zwischendeck hatte er davon freilich wenig erfahren. +Entlang der Gänge zogen sich auch Drähte elektrischer +Leitungen und eine kleine Glocke hörte man immerfort.</p> + +<p>Der Heizer klopfte respektvoll an der Türe an und +forderte, als man »herein« rief, Karl mit einer Handbewegung +auf, ohne Furcht einzutreten. Er trat auch +ein, aber blieb an der Türe stehen. Vor den drei Fenstern +des Zimmers sah er die Wellen des Meeres und +bei Betrachtung ihrer fröhlichen Bewegung schlug ihm +das Herz, als hätte er nicht fünf lange Tage das Meer +ununterbrochen gesehen. Große Schiffe kreuzten gegenseitig +ihre Wege und gaben dem Wellenschlag nur soweit +nach als es ihre Schwere erlaubte. Wenn man die +Augen klein machte, schienen diese Schiffe vor lauter Schwere +zu schwanken. Auf ihren Masten trugen sie schmale, aber +lange Flaggen, die zwar durch die Fahrt gestrafft wurden, +trotzdem aber noch hin- und herzappelten. Wahrscheinlich +von Kriegsschiffen her erklangen Salutschüsse, die +Kanonenrohre eines solchen nicht allzuweit vorüberfahrenden +Schiffes, strahlend mit dem Reflex ihres +Stahlmantels, waren wie gehätschelt von der sicheren, +<a class="page" name="Page_17" id="Page_17" title="17"></a>glatten und doch nicht wagrechten Fahrt. Die kleinen +Schiffchen und Boote konnte man, wenigstens von der +Tür aus, nur in der Ferne beobachten, wie sie in +Mengen in die Öffnungen zwischen den großen Schiffen +einliefen. Hinter alledem aber stand New York und sah +Karl mit den hunderttausend Fenstern seiner Wolkenkratzer +an. Ja, in diesem Zimmer wußte man, wo man war.</p> + +<p>An einem runden Tisch saßen drei Herren, der eine +ein Schiffsoffizier in blauer Schiffsuniform, die zwei +anderen, Beamte der Hafenbehörde, in schwarzen, amerikanischen +Uniformen. Auf dem Tisch lagen, hochaufgeschichtet, +verschiedene Dokumente, welche der Offizier +zuerst mit der Feder in der Hand überflog, um sie dann +den beiden anderen zu reichen, die bald lasen, bald exzerpierten, +bald in ihre Aktentaschen einlegten, wenn nicht +gerade der eine, der fast ununterbrochen ein kleines Geräusch +mit den Zähnen vollführte, seinem Kollegen etwas +in ein Protokoll diktierte.</p> + +<p>Am Fenster saß an einem Schreibtisch, den Rücken der +Türe zugewendet, ein kleinerer Herr, der mit großen +Folianten hantierte, die auf einem starken Bücherbrett +in Kopfhöhe vor ihm aneinander gereiht waren. Neben +ihm stand eine offene, wenigstens auf den ersten Blick +leere Kassa.</p> + +<p>Das zweite Fenster war leer und gab den besten Ausblick. +In der Nähe des dritten aber standen zwei Herren +in halblautem Gespräch. Der eine lehnte neben dem +Fenster, trug auch die Schiffsuniform und spielte mit +dem Griff des Degens. Derjenige, mit dem er sprach, +<a class="page" name="Page_18" id="Page_18" title="18"></a>war dem Fenster zugewendet und enthüllte hie und da +durch eine Bewegung einen Teil der Ordensreihe auf +der Brust des andern. Er war in Zivil und hatte ein +dünnes Bambusstöckchen, das, da er beide Hände an den +Hüften festhielt, auch wie ein Degen abstand.</p> + +<p>Karl hatte nicht viel Zeit, alles anzusehen, denn bald +trat ein Diener auf sie zu und fragte den Heizer mit +einem Blick, als gehöre er nicht hierher, was er denn +wolle. Der Heizer antwortete, so leise als er gefragt +wurde, er wolle mit dem Herrn Oberkassier reden. Der +Diener lehnte für seinen Teil mit einer Handbewegung +diese Bitte ab, ging aber dennoch auf den Fußspitzen, +dem runden Tisch in großem Bogen ausweichend, zu dem +Herrn mit den Folianten. Dieser Herr – das sah man +deutlich – erstarrte geradezu unter den Worten des +Dieners, kehrte sich aber endlich nach dem Manne um, +der ihn zu sprechen wünschte, und fuchtelte dann, streng +abwehrend, gegen den Heizer und der Sicherheit halber +auch gegen den Diener hin. Der Diener kehrte darauf +zum Heizer zurück und sagte in einem Tone, als vertraue +er ihm etwas an: »Scheren Sie sich sofort aus dem +Zimmer!«</p> + +<p>Der Heizer sah nach dieser Antwort zu Karl hinunter, +als sei dieser sein Herz, dem er stumm seinen Jammer +klage. Ohne weitere Besinnung machte sich Karl los, +lief quer durchs Zimmer, daß er sogar leicht an den +Sessel des Offiziers streifte, der Diener lief gebeugt mit +zum Umfangen bereiten Armen, als jage er ein Ungeziefer, +aber Karl war der erste beim Tisch des Ober<a class="page" name="Page_19" id="Page_19" title="19"></a>kassiers, +wo er sich festhielt, für den Fall, daß der +Diener versuchen sollte, ihn fortzuziehen.</p> + +<p>Natürlich wurde gleich das ganze Zimmer lebendig. +Der Schiffsoffizier am Tisch war aufgesprungen, die +Herren von der Hafenbehörde sahen ruhig, aber aufmerksam +zu, die beiden Herren am Fenster waren nebeneinander +getreten, der Diener, welcher glaubte, er sei dort, +wo schon die hohen Herren Interesse zeigten, nicht mehr +am Platze, trat zurück. Der Heizer an der Tür wartete +angespannt auf den Augenblick, bis seine Hilfe nötig +würde. Der Oberkassier endlich machte in seinem Lehnsessel +eine große Rechtswendung.</p> + +<p>Karl kramte aus seiner Geheimtasche, die er den Blicken +dieser Leute zu zeigen keine Bedenken hatte, seinen Reisepaß +hervor, den er statt weiterer Vorstellung geöffnet +auf den Tisch legte. Der Oberkassier schien diesen Paß +für nebensächlich zu halten, denn er schnippte ihn mit +zwei Fingern beiseite, worauf Karl, als sei diese Formalität +zur Zufriedenheit erledigt, den Paß wieder einsteckte.</p> + +<p>»Ich erlaube mir zu sagen,« begann er dann, »daß +meiner Meinung nach dem Herrn Heizer Unrecht geschehen +ist. Es ist hier ein gewisser Schubal, der ihm aufsitzt. +Er selbst hat schon auf vielen Schiffen, die er Ihnen +alle nennen kann, zur vollständigen Zufriedenheit gedient, +ist fleißig, meint es mit seiner Arbeit gut, und es ist wirklich +nicht einzusehen, warum er gerade auf diesem Schiff, +wo doch der Dienst nicht so übermäßig schwer ist, wie zum +Beispiel auf Handelsseglern, schlecht entsprechen sollte. +<a class="page" name="Page_20" id="Page_20" title="20"></a>Es kann daher nur Verleumdung sein, die ihn in seinem +Vorwärtskommen hindert und ihn um die Anerkennung +bringt, die ihm sonst ganz bestimmt nicht fehlen würde. +Ich habe nur das Allgemeine über diese Sache gesagt, +seine besonderen Beschwerden wird er Ihnen selbst vorbringen.« +Karl hatte sich mit dieser Rede an alle Herren +gewendet, weil ja tatsächlich auch alle zuhörten und es +viel wahrscheinlicher schien, daß sich unter allen zusammen +ein Gerechter vorfand, als daß dieser Gerechte gerade +der Oberkassier sein sollte. Aus Schlauheit hatte außerdem +Karl verschwiegen, daß er den Heizer erst so kurze +Zeit kannte. Im übrigen hätte er noch viel besser gesprochen, +wenn er nicht durch das rote Gesicht des Herrn +mit dem Bambusstöckchen beirrt worden wäre, das er +von seinem jetzigen Standort zum erstenmal sah.</p> + +<p>»Es ist alles Wort für Wort richtig,« sagte der Heizer, +ehe ihn noch jemand gefragt, ja ehe man noch überhaupt +auf ihn hingesehen hatte. Diese Übereiltheit des Heizers +wäre ein großer Fehler gewesen, wenn nicht der Herr +mit den Orden, der, wie es jetzt Karl aufleuchtete, jedenfalls +der Kapitän war, offenbar mit sich bereits übereingekommen +wäre, den Heizer anzuhören. Er streckte nämlich +die Hand aus und rief dem Heizer zu: »Kommen +Sie her!« mit einer Stimme, fest, um mit einem Hammer +darauf zu schlagen. Jetzt hing alles vom Benehmen des +Heizers ab, denn was die Gerechtigkeit seiner Sache anlangte, +an der zweifelte Karl nicht.</p> + +<p>Glücklicherweise zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß +der Heizer schon viel in der Welt herumgekommen war. +<a class="page" name="Page_21" id="Page_21" title="21"></a>Musterhaft ruhig nahm er aus seinem Köfferchen mit +dem ersten Griff ein Bündelchen Papiere, sowie ein Notizbuch, +ging damit, als verstünde sich das von selbst, unter +vollständiger Vernachlässigung des Oberkassiers, zum +Kapitän und breitete auf dem Fensterbrett seine Beweismittel +aus. Dem Oberkassier blieb nichts übrig, als sich +selbst hinzubemühn. »Der Mann ist ein bekannter Querulant,« +sagte er zur Erklärung, »er ist mehr in der +Kassa, als im Maschinenraum. Er hat Schubal, diesen +ruhigen Menschen, ganz zur Verzweiflung gebracht. Hören +Sie einmal!« wandte er sich an den Heizer, »Sie treiben +Ihre Zudringlichkeit doch schon wirklich zu weit. Wie +oft hat man Sie schon aus den Auszahlungsräumen hinausgeworfen, +wie Sie es mit Ihren ganz, vollständig +und ausnahmslos unberechtigten Forderungen verdienen! +Wie oft sind Sie von dort in die Hauptkassa gelaufen +gekommen! Wie oft hat man Ihnen im Guten gesagt, +daß Schubal Ihr unmittelbarer Vorgesetzter ist, mit dem +allein Sie sich als sein Untergebener abzufinden haben! +Und jetzt kommen Sie gar noch her, wenn der Herr +Kapitän da ist, schämen sich nicht, sogar ihn zu belästigen, +sondern entblöden sich nicht einmal, als eingelernten +Stimmführer Ihrer abgeschmackten Beschuldigungen diesen +Kleinen mitzubringen, den ich überhaupt zum erstenmal +auf dem Schiffe sehe!«</p> + +<p>Karl hielt sich mit Gewalt zurück, vorzuspringen. Aber +schon war auch der Kapitän da, welcher sagte: »Hören +wir den Mann doch einmal an. Der Schubal wird mir +sowieso mit der Zeit viel zu selbständig, womit ich aber +<a class="page" name="Page_22" id="Page_22" title="22"></a>nichts zu Ihren Gunsten gesagt haben will.« Das letztere +galt dem Heizer, es war nur natürlich, daß er sich nicht +sofort für ihn einsetzen konnte, aber alles schien auf dem +richtigen Wege. Der Heizer begann seine Erklärungen +und überwand sich gleich am Anfang, indem er den +Schubal mit »Herr« titulierte. Wie freute sich Karl am +verlassenen Schreibtisch des Oberkassiers, wo er eine +Briefwage immer wieder niederdrückte vor lauter Vergnügen. +– Herr Schubal ist ungerecht! Herr Schubal +bevorzugt die Ausländer! Herr Schubal verwies den +Heizer aus dem Maschinenraum und ließ ihn Klosette +reinigen, was doch gewiß nicht des Heizers Sache war! – +Einmal wurde sogar die Tüchtigkeit des Herrn Schubal +angezweifelt, die eher scheinbar als wirklich vorhanden +sein sollte. Bei dieser Stelle starrte Karl mit aller Kraft +den Kapitän an, zutunlich, als sei er sein Kollege, nur +damit er sich durch die etwas ungeschickte Ausdrucksweise +des Heizers nicht zu dessen Ungunsten beeinflussen lasse. +Immerhin erfuhr man aus den vielen Reden nichts Eigentliches, +und wenn auch der Kapitän noch immer vor sich +hinsah, in den Augen die Entschlossenheit, den Heizer +diesmal bis zu Ende anzuhören, so wurden doch die +anderen Herren ungeduldig, und die Stimme des Heizers +regierte bald nicht mehr unumschränkt in dem Raume, +was manches befürchten ließ. Als erster setzte der Herr +in Zivil sein Bambusstöckchen in Tätigkeit und klopfte, +wenn auch nur leise, auf das Parkett. Die anderen +Herren sahen natürlich hie und da hin, die Herren von +der Hafenbehörde, die offenbar pressiert waren, griffen +<a class="page" name="Page_23" id="Page_23" title="23"></a>wieder zu den Akten und begannen, wenn auch noch +etwas geistesabwesend, sie durchzusehen, der Schiffsoffizier +rückte seinem Tische wieder näher, und der Oberkassier, +der gewonnenes Spiel zu haben glaubte, seufzte aus +Ironie tief auf. Von der allgemein eintretenden Zerstreuung +schien nur der Diener bewahrt, der von den +Leiden des unter die Großen gestellten armen Mannes +einen Teil mitfühlte und Karl ernst zunickte, als wolle +er damit etwas erklären.</p> + +<p>Inzwischen ging vor den Fenstern das Hafenleben +weiter; ein flaches Lastschiff mit einem Berg von Fässern, +die wunderbar verstaut sein mußten, daß sie nicht ins +Rollen kamen, zog vorüber und erzeugte in dem Zimmer +fast Dunkelheit; kleine Motorboote, die Karl jetzt, wenn +er Zeit gehabt hätte, genau hätte ansehen können, rauschten +nach den Zuckungen der Hände eines am Steuer +aufrecht stehenden Mannes schnurgerade dahin; eigentümliche +Schwimmkörper tauchten hie und da selbständig aus +dem ruhelosen Wasser, wurden gleich wieder überschwemmt +und versanken vor dem erstaunten Blick; Boote der +Ozeandampfer wurden von heiß arbeitenden Matrosen +vorwärtsgerudert und waren voll von Passagieren, die +darin, so wie man sie hineingezwängt hatte, still und +erwartungsvoll saßen, wenn es auch manche nicht unterlassen +konnten, die Köpfe nach den wechselnden Szenerien +zu drehen. Eine Bewegung ohne Ende, eine Unruhe, +übertragen von dem unruhigen Element auf die hilflosen +Menschen und ihre Werke!</p> + +<p>Aber alles mahnte zur Eile, zur Deutlichkeit, zu ganz +<a class="page" name="Page_24" id="Page_24" title="24"></a>genauer Darstellung, aber was tat der Heizer! Er redete +sich allerdings in Schweiß, die Papiere auf dem Fenster +konnte er längst mit seinen zitternden Händen nicht mehr +halten, aus allen Himmelsrichtungen strömten ihm Klagen +über Schubal zu, von denen seiner Meinung nach jede +einzelne genügt hätte, diesen Schubal vollständig zu begraben, +aber was er dem Kapitän vorzeigen konnte, war +nur ein trauriges Durcheinanderstrudeln aller insgesamt. +Längst schon pfiff der Herr mit dem Bambusstöckchen +schwach zur Decke hinauf, die Herren von der Hafenbehörde +hielten schon den Offizier an ihrem Tisch und +machten keine Miene, ihn je wieder loszulassen, der Oberkassier +wurde sichtlich nur durch die Ruhe des Kapitäns +vor dem Dreinfahren zurückgehalten, der Diener erwartete +in Habtachtstellung jeden Augenblick einen auf den Heizer +bezüglichen Befehl seines Kapitäns.</p> + +<p>Da konnte Karl nicht mehr untätig bleiben. Er ging +also langsam zu der Gruppe hin und überlegte im Gehen +nur desto schneller, wie er die Sache möglichst geschickt +angreifen könnte. Es war wirklich höchste Zeit, noch ein +kleines Weilchen nur, und sie konnten ganz gut beide aus +dem Bureau fliegen. Der Kapitän mochte ja ein guter +Mann sein und überdies gerade jetzt, wie es Karl schien, +irgend einen besonderen Grund haben, sich als gerechter +Vorgesetzter zu zeigen, aber schließlich war er kein Instrument, +das man in Grund und Boden spielen konnte – +und gerade so behandelte ihn der Heizer, allerdings aus +seinem grenzenlos empörten Innern heraus.</p> + +<p>Karl sagte also zum Heizer: »Sie müssen das einfacher +<a class="page" name="Page_25" id="Page_25" title="25"></a>erzählen, klarer, der Herr Kapitän kann es nicht würdigen, +so wie Sie es ihm erzählen. Kennt er denn alle +Maschinisten und Laufburschen beim Namen oder gar +beim Taufnamen, daß er, wenn Sie nur einen solchen +Namen aussprechen, gleich wissen kann, um wen es sich +handelt? Ordnen Sie doch Ihre Beschwerden, sagen Sie die +wichtigste zuerst und absteigend die anderen, vielleicht wird es +dann überhaupt nicht mehr nötig sein, die meisten auch nur +zu erwähnen. Mir haben Sie es doch immer so klar dargestellt!« +Wenn man in Amerika Koffer stehlen kann, kann +man auch hie und da lügen, dachte er zur Entschuldigung.</p> + +<p>Wenn es aber nur geholfen hätte! Ob es nicht auch +schon zu spät war? Der Heizer unterbrach sich zwar +sofort, als er die bekannte Stimme hörte, aber mit seinen +Augen, die ganz von Tränen der beleidigten Mannesehre, +der schrecklichen Erinnerungen, der äußersten gegenwärtigen +Not verdeckt waren, konnte er Karl schon nicht +einmal gut mehr erkennen. Wie sollte er auch jetzt – +Karl sah das schweigend vor dem jetzt Schweigenden +wohl ein – wie sollte er auch jetzt plötzlich seine Redeweise +ändern, da es ihm doch schien, als hätte er alles, +was zu sagen war, ohne die geringste Anerkennung schon +vorgebracht und als habe er andererseits noch gar nichts +gesagt und könne doch den Herren jetzt nicht zumuten, +noch alles anzuhören. Und in einem solchen Zeitpunkt +kommt noch Karl, sein einziger Anhänger, daher, will +ihm gute Lehren geben, zeigt ihm aber statt dessen, daß +alles, alles verloren ist.</p> + +<p>»Wäre ich früher gekommen, statt aus dem Fenster +<a class="page" name="Page_26" id="Page_26" title="26"></a>zu schauen,« sagte sich Karl, senkte vor dem Heizer das +Gesicht und schlug die Hände an die Hosennaht, zum +Zeichen des Endes jeder Hoffnung.</p> + +<p>Aber der Heizer mißverstand das, witterte wohl in +Karl irgendwelche geheime Vorwürfe gegen sich, und in +der guten Absicht, sie ihm auszureden, fing er zur Krönung +seiner Taten mit Karl jetzt zu streiten an. Jetzt, wo doch +die Herren am runden Tisch längst empört über den +nutzlosen Lärm waren, der ihre wichtigen Arbeiten störte, +wo der Hauptkassier allmählich die Geduld des Kapitäns +unverständlich fand und zum sofortigen Ausbruch neigte, +wo der Diener, ganz wieder in der Sphäre seiner Herren, +den Heizer mit wildem Blicke maß, und wo endlich der +Herr mit dem Bambusstöckchen, zu welchem sogar der +Kapitän hie und da freundschaftlich hinübersah, schon +gänzlich abgestumpft gegen den Heizer, ja von ihm angewidert, +ein kleines Notizbuch hervorzog und, offenbar +mit ganz anderen Angelegenheiten beschäftigt, die Augen +zwischen dem Notizbuch und Karl hin- und herwandern ließ.</p> + +<p>»Ich weiß ja, ich weiß ja,« sagte Karl, der Mühe +hatte, den jetzt gegen ihn gekehrten Schwall des Heizers +abzuwehren, trotzdem aber quer durch allen Streit noch +ein Freundeslächeln für ihn übrig hatte, »Sie haben +Recht, Recht, ich habe ja nie daran gezweifelt.« Er +hätte ihm gern aus Furcht vor Schlägen die herumfahrenden +Hände gehalten, noch lieber allerdings ihn in +einen Winkel gedrängt, um ihm ein paar leise beruhigende +Worte zuzuflüstern, die niemand sonst hätte hören +müssen. Aber der Heizer war außer Rand und Band. +<a class="page" name="Page_27" id="Page_27" title="27"></a>Karl begann jetzt schon sogar aus dem Gedanken eine +Art Trost zu schöpfen, daß der Heizer im Notfall mit +der Kraft seiner Verzweiflung alle anwesenden sieben +Männer bezwingen könne. Allerdings lag auf dem +Schreibtisch, wie ein Blick dorthin lehrte, ein Aufsatz +mit viel zu vielen Druckknöpfen der elektrischen Leitung +und eine Hand, einfach auf sie niedergedrückt, konnte +das ganze Schiff mit allen seinen von feindlichen Menschen +gefüllten Gängen rebellisch machen.</p> + +<p>Da trat der doch so uninteressierte Herr mit dem +Bambusstöckchen auf Karl zu und fragte, nicht überlaut, +aber deutlich über allem Geschrei des Heizers: +»Wie heißen Sie denn eigentlich?« In diesem Augenblick, +als hätte jemand hinter der Tür auf diese Äußerung +des Herrn gewartet, klopfte es. Der Diener sah +zum Kapitän hinüber, dieser nickte. Daher ging der +Diener zur Tür und öffnete sie. Draußen stand in einem +alten Kaiserrock ein Mann von mittleren Proportionen, +seinem Aussehen nach nicht eigentlich zur Arbeit an den +Maschinen geeignet und war doch – Schubal. Wenn +es Karl nicht an aller Augen erkannt hätte, die eine +gewisse Befriedigung ausdrückten, von der nicht einmal +der Kapitän frei war, er hätte es zu seinem Schrecken +am Heizer sehen müssen, der die Fäuste an den gestrafften +Armen so ballte, als sei diese Ballung das +Wichtigste an ihm, dem er alles, was er an Leben habe, +zu opfern bereit sei. Da steckte jetzt alle seine Kraft, +auch die, welche ihn überhaupt aufrecht erhielt.</p> + +<p>Und da war also der Feind, frei und frisch im Fest<a class="page" name="Page_28" id="Page_28" title="28"></a>anzug, +unter dem Arm ein Geschäftsbuch, wahrscheinlich +die Lohnlisten und Arbeitsausweise des Heizers, +und sah mit dem ungescheuten Zugeständnis, daß er die +Stimmung jedes Einzelnen vor allem feststellen wolle, +in aller Augen der Reihe nach. Die sieben waren auch +schon alle seine Freunde, denn wenn auch der Kapitän +früher gewisse Einwände gegen ihn gehabt oder vielleicht +auch nur vorgeschützt hatte, nach dem Leid, das ihm +der Heizer angetan hatte, schien ihm wahrscheinlich an +Schubal auch das Geringste nicht mehr auszusetzen. +Gegen einen Mann, wie den Heizer, konnte man nicht +streng genug verfahren, und wenn dem Schubal etwas +vorzuwerfen war, so war es der Umstand, daß er die +Widerspenstigkeit des Heizers im Laufe der Zeit nicht +so weit hatte brechen können, daß es dieser heute noch +gewagt hatte, vor dem Kapitän zu erscheinen.</p> + +<p>Nun konnte man ja vielleicht noch annehmen, die +Gegenüberstellung des Heizers und Schubals werde die +ihr vor einem höheren Forum zukommende Wirkung +auch vor den Menschen nicht verfehlen, denn wenn sich +auch Schubal gut verstellen konnte, er mußte es doch +durchaus nicht bis zum Ende aushalten können. Ein +kurzes Aufblitzen seiner Schlechtigkeit sollte genügen, um +sie den Herren sichtbar zu machen, dafür wollte Karl +schon sorgen. Er kannte doch schon beiläufig den Scharfsinn, +die Schwächen, die Launen der einzelnen Herren +und unter diesem Gesichtspunkt war die bisher hier +verbrachte Zeit nicht verloren. Wenn nur der Heizer +besser auf dem Platz gewesen wäre, aber der schien voll<a class="page" name="Page_29" id="Page_29" title="29"></a>ständig +kampfunfähig. Wenn man ihm den Schubal +hingehalten hätte, hätte er wohl dessen gehaßten Schädel +mit den Fäusten aufklopfen können. Aber schon die paar +Schritte zu ihm hinzugehen, war er wohl kaum imstande. +Warum hatte denn Karl das so leicht Vorauszusehende +nicht vorausgesehen, daß Schubal endlich kommen müsse, +wenn nicht aus eigenem Antrieb, so vom Kapitän gerufen. +Warum hatte er auf dem Herweg mit dem Heizer +nicht einen genauen Kriegsplan besprochen, statt, wie +sie es in Wirklichkeit getan hatten, heillos unvorbereitet +einfach dort einzutreten, wo eine Tür war? Konnte der +Heizer überhaupt noch reden, ja und nein sagen, wie +es bei dem Kreuzverhör, das allerdings nur im günstigsten +Fall bevorstand, nötig sein würde? Er stand da, +die Beine auseinander gestellt, die Knie ein wenig gebogen, +den Kopf etwas gehoben und die Luft verkehrte +durch den offenen Mund, als gebe es innen keine Lungen +mehr, die sie verarbeiteten.</p> + +<p>Karl allerdings fühlte sich so kräftig und bei Verstand, +wie er es vielleicht zu Hause niemals gewesen war. +Wenn ihn doch seine Eltern sehen könnten, wie er in +fremdem Land, vor angesehenen Persönlichkeiten das +Gute verfocht und wenn er es auch noch nicht zum +Siege gebracht hatte, so doch zur letzten Eroberung sich +vollkommen bereit stellte! Würden sie ihre Meinung über +ihn revidieren? Ihn zwischen sich niedersetzen und loben? +Ihm einmal, einmal in die ihnen so ergebenen Augen +sehn? Unsichere Fragen und ungeeignetester Augenblick, +sie zu stellen!</p> + +<p><a class="page" name="Page_30" id="Page_30" title="30"></a>»Ich komme, weil ich glaube, daß mich der Heizer +irgendwelcher Unredlichkeiten beschuldigt. Ein Mädchen +aus der Küche sagte mir, sie hätte ihn auf dem Wege +hierher gesehen. Herr Kapitän und Sie alle meine +Herren, ich bin bereit, jede Beschuldigung an der Hand +meiner Schriften, nötigenfalls durch Aussagen unvoreingenommener +und unbeeinflußter Zeugen, die vor der +Türe stehen, zu widerlegen.« So sprach Schubal. Das +war allerdings die klare Rede eines Mannes und nach +der Veränderung in den Mienen der Zuhörer hätte man +glauben können, sie hörten zum erstenmal nach langer +Zeit wieder menschliche Laute. Sie bemerkten freilich +nicht, daß selbst diese schöne Rede Löcher hatte. Warum +war das erste sachliche Wort, das ihm einfiel, »Unredlichkeiten«? +Hätte vielleicht die Beschuldigung hier +einsetzen müssen, statt bei seinen nationalen Voreingenommenheiten? +Ein Mädchen aus der Küche hatte den +Heizer auf dem Weg ins Bureau gesehen und Schubal +hatte sofort begriffen? War es nicht das Schuldbewußtsein, +das ihm den Verstand schärfte? Und Zeugen hatte +er gleich mitgebracht und nannte sie noch außerdem unvoreingenommen +und unbeeinflußt? Gaunerei, nichts als +Gaunerei! Und die Herren duldeten das und anerkannten +es noch als richtiges Benehmen? Warum hatte er +zweifellos sehr viel Zeit zwischen der Meldung des +Küchenmädchens und seiner Ankunft hier verstreichen +lassen, doch zu keinem anderen Zwecke, als damit der +Heizer die Herren so ermüde, daß sie allmählich ihre +klare Urteilskraft verloren, welche Schubal vor allem +<a class="page" name="Page_31" id="Page_31" title="31"></a>zu fürchten hatte? Hatte er, der sicher schon lange hinter +der Tür gestanden war, nicht erst in dem Augenblick +geklopft, als er infolge der nebensächlichen Frage jenes +Herrn hoffen durfte, der Heizer sei erledigt?</p> + +<p>Alles war klar und wurde ja auch von Schubal wider +Willen so dargeboten, aber den Herren mußte man es +anders, noch handgreiflicher zeigen. Sie brauchten Aufrüttelung. +Also Karl, rasch, nütze jetzt wenigstens die Zeit +aus, ehe die Zeugen auftreten und alles überschwemmen!</p> + +<p>Eben aber winkte der Kapitän dem Schubal ab, der +daraufhin sofort – denn seine Angelegenheit schien für +ein Weilchen aufgeschoben zu sein – beiseite trat und +mit dem Diener, der sich ihm gleich angeschlossen hatte, +eine leise Unterhaltung begann, bei der es an Seitenblicken +nach dem Heizer und Karl sowie an den überzeugtesten +Handbewegungen nicht fehlte. Schubal schien +so seine nächste große Rede einzuüben.</p> + +<p>»Wollten Sie nicht den jungen Menschen etwas +fragen, Herr Jakob?« sagte der Kapitän unter allgemeiner +Stille zu dem Herrn mit dem Bambusstöckchen.</p> + +<p>»Allerdings,« sagte dieser, mit einer kleinen Neigung +für die Aufmerksamkeit dankend. Und fragte dann Karl +nochmals: »Wie heißen Sie eigentlich?«</p> + +<p>Karl, welcher glaubte, es sei im Interesse der großen +Hauptsache gelegen, wenn dieser Zwischenfall des hartnäckigen +Fragers bald erledigt würde, antwortete kurz, +ohne, wie es seine Gewohnheit war, durch Vorweisung +des Passes sich vorzustellen, den er erst hätte suchen +müssen: »Karl Roßmann«.</p> + +<p><a class="page" name="Page_32" id="Page_32" title="32"></a>»Aber,« sagte der mit Jakob Angesprochene und trat +zuerst fast ungläubig lächelnd zurück. Auch der Kapitän, +der Oberkassier, der Schiffsoffizier, ja sogar der Diener +zeigten deutlich ein übermäßiges Erstaunen wegen Karls +Namen. Nur die Herren von der Hafenbehörde und +Schubal verhielten sich gleichgültig.</p> + +<p>»Aber,« wiederholte Herr Jakob und trat mit etwas +steifen Schritten auf Karl zu, »dann bin ich ja dein +Onkel Jakob und du bist mein lieber Neffe. Ahnte ich +es doch die ganze Zeit über!« sagte er zum Kapitän hin, +ehe er Karl umarmte und küßte, der alles stumm geschehen +ließ.</p> + +<p>»Wie heißen Sie?« fragte Karl, nachdem er sich losgelassen +fühlte, zwar sehr höflich, aber gänzlich ungerührt, +und strengte sich an, die Folgen abzusehen, +welche dieses neue Ereignis für den Heizer haben dürfte. +Vorläufig deutete nichts darauf hin, daß Schubal aus +dieser Sache Nutzen ziehen könnte.</p> + +<p>»Begreifen Sie doch, junger Mann, Ihr Glück,« sagte +der Kapitän, der durch Karls Frage die Würde der +Person des Herrn Jakob verletzt glaubte, der sich zum +Fenster gestellt hatte, offenbar, um sein aufgeregtes Gesicht, +das er überdies mit einem Taschentuch betupfte, den +andern nicht zeigen zu müssen. »Es ist der Senator +Edward Jakob, der sich Ihnen als Ihr Onkel zu erkennen +gegeben hat. Es erwartet Sie nunmehr, doch wohl +ganz gegen Ihre bisherigen Erwartungen, eine glänzende +Laufbahn. Versuchen Sie das einzusehen, so gut +es im ersten Augenblick geht, und fassen Sie sich!«</p> + +<p><a class="page" name="Page_33" id="Page_33" title="33"></a>»Ich habe allerdings einen Onkel Jakob in Amerika,« +sagte Karl zum Kapitän gewendet, »aber wenn ich recht +verstanden habe, ist Jakob bloß der Zuname des Herrn +Senators.«</p> + +<p>»So ist es,« sagte der Kapitän erwartungsvoll.</p> + +<p>»Nun, mein Onkel Jakob, welcher der Bruder meiner +Mutter ist, heißt aber mit dem Taufnamen Jakob, während +sein Zuname natürlich gleich jenem meiner Mutter +lauten müßte, welche eine geborene Bendelmayer ist.«</p> + +<p>»Meine Herren!« rief der Senator, der von seinem +Erholungsposten beim Fenster munter zurückkehrte, mit +Bezug auf Karls Erklärung aus. Alle, mit Ausnahme +der Hafenbeamten, brachen in Lachen aus, manche wie +in Rührung, manche undurchdringlich.</p> + +<p>»So lächerlich war das, was ich gesagt habe, doch +keineswegs,« dachte Karl.</p> + +<p>»Meine Herren,« wiederholte der Senator, »Sie +nehmen gegen meinen und gegen Ihren Willen an einer +kleinen Familienszene teil und ich kann deshalb nicht +umhin, Ihnen eine Erläuterung zu geben, da, wie ich +glaube, nur der Herr Kapitän« – diese Erwähnung +hatte eine gegenseitige Verbeugung zur Folge – »vollständig +unterrichtet ist.«</p> + +<p>»Jetzt muß ich aber wirklich auf jedes Wort achtgeben,« +sagte sich Karl und freute sich, als er bei einem +Seitwärtsschauen bemerkte, daß in die Figur des Heizers +das Leben zurückzukehren begann.</p> + +<p>»Ich lebe seit allen den langen Jahren meines amerikanischen +Aufenthaltes – das Wort Aufenthalt paßt +<a class="page" name="Page_34" id="Page_34" title="34"></a>hier allerdings schlecht für den amerikanischen Bürger, +der ich mit ganzer Seele bin – seit allen den langen +Jahren lebe ich also von meinen europäischen Verwandten +vollständig abgetrennt, aus Gründen, die erstens +nicht hierher gehören, und die zweitens zu erzählen, mich +wirklich zu sehr hernehmen würde. Ich fürchte mich sogar +vor dem Augenblick, wo ich vielleicht gezwungen sein +werde, sie meinem lieben Neffen zu erzählen, wobei sich +leider ein offenes Wort über seine Eltern und ihren +Anhang nicht vermeiden lassen wird.«</p> + +<p>»Es ist mein Onkel, kein Zweifel,« sagte sich Karl +und lauschte, »wahrscheinlich hat er seinen Namen ändern +lassen.«</p> + +<p>»Mein lieber Neffe ist nun von seinen Eltern – +sagen wir nur das Wort, das die Sache auch wirklich +bezeichnet – einfach beiseitegeschafft worden, wie man +eine Katze vor die Tür wirft, wenn sie ärgert. Ich will +durchaus nicht beschönigen, was mein Neffe gemacht hat, +daß er so gestraft wurde, aber sein Verschulden ist ein +solches, daß sein einfaches Nennen schon genug Entschuldigung +enthält.«</p> + +<p>»Das läßt sich hören,« dachte Karl, »aber ich will +nicht, daß er es allen erzählt. Übrigens kann er es ja +auch nicht wissen. Woher denn?«</p> + +<p>»Er wurde nämlich,« fuhr der Onkel fort und stützte +sich mit kleinen Neigungen auf das vor ihm eingestemmte +Bambusstöckchen, wodurch es ihm tatsächlich gelang, der +Sache die unnötige Feierlichkeit zu nehmen, die sie sonst +unbedingt gehabt hätte, »er wurde nämlich von einem +<a class="page" name="Page_35" id="Page_35" title="35"></a>Dienstmädchen, Johanna Brummer, einer etwa 35jährigen +Person, verführt. Ich will mit dem Worte »verführt« +meinen Neffen durchaus nicht kränken, aber es ist doch +schwer, ein anderes, gleich passendes Wort zu finden.«</p> + +<p>Karl, der schon ziemlich nahe zum Onkel getreten war, +drehte sich hier um, um den Eindruck der Erzählung +von den Gesichtern der Anwesenden abzulesen. Keiner +lachte, alle hörten geduldig und ernsthaft zu. Schließlich +lacht man auch nicht über den Neffen eines Senators +bei der ersten Gelegenheit, die sich darbietet. Eher hätte +man schon sagen können, daß der Heizer, wenn auch +nur ganz wenig, Karl anlächelte, was aber erstens als +neues Lebenszeichen erfreulich und zweitens entschuldbar +war, da ja Karl in der Kabine aus dieser Sache, die +jetzt so publik wurde, ein besonderes Geheimnis hatte +machen wollen.</p> + +<p>»Nun hat diese Brummer,« setzte der Onkel fort, +»von meinem Neffen ein Kind bekommen, einen gesunden +Jungen, welcher in der Taufe den Namen Jakob +erhielt, zweifellos in Gedanken an meine Wenigkeit, +welche, selbst in den sicher nur ganz nebensächlichen Erwähnungen +meines Neffen, auf das Mädchen einen +großen Eindruck gemacht haben muß. Glücklicherweise, +sage ich. Denn da die Eltern zur Vermeidung der Alimentenzahlung +oder sonstigen bis an sie selbst heranreichenden +Skandales – ich kenne, wie ich betonen +muß, weder die dortigen Gesetze noch die sonstigen Verhältnisse +der Eltern – da sie also zur Vermeidung der +Alimentenzahlung und des Skandales ihren Sohn, meinen +<a class="page" name="Page_36" id="Page_36" title="36"></a>lieben Neffen, nach Amerika haben transportieren lassen, +mit unverantwortlich ungenügender Ausrüstung, wie man +sieht, so wäre der Junge, ohne die gerade noch in +Amerika lebendigen Zeichen und Wunder, auf sich allein +angewiesen, wohl schon gleich in einem Gäßchen im +Hafen von New York verkommen, wenn nicht jenes +Dienstmädchen in einem an mich gerichteten Brief, der +nach langen Irrfahrten vorgestern in meinen Besitz kam, +mir die ganze Geschichte samt Personenbeschreibung +meines Neffen und vernünftigerweise auch Namensnennung +des Schiffes mitgeteilt hätte. Wenn ich es darauf +angelegt hätte, Sie, meine Herren, zu unterhalten, könnte +ich wohl einige Stellen jenes Briefes« – er zog zwei +riesige, engbeschriebene Briefbogen aus der Tasche und +schwenkte sie – »hier vorlesen. Er würde sicher Wirkung +machen, da er mit einer etwas einfachen, wenn +auch immer gutgemeinten Schlauheit und mit viel Liebe +zu dem Vater des Kindes geschrieben ist. Aber ich will +weder Sie mehr unterhalten, als es zur Aufklärung +nötig ist, noch vielleicht gar zum Empfang möglicherweise +noch bestehende Gefühle meines Neffen verletzen, +der den Brief, wenn er mag, in der Stille seines +ihn schon erwartenden Zimmers zur Belehrung lesen kann.«</p> + +<p>Karl hatte aber keine Gefühle für jenes Mädchen. +Im Gedränge einer immer mehr zurücktretenden Vergangenheit +saß sie in ihrer Küche neben dem Küchenschrank, +auf dessen Platte sie ihren Ellbogen stützte. Sie +sah ihn an, wenn er hin und wieder in die Küche kam, +um ein Glas zum Wassertrinken für seinen Vater zu +<a class="page" name="Page_37" id="Page_37" title="37"></a>holen oder einen Auftrag seiner Mutter auszurichten. +Manchmal schrieb sie in der vertrackten Stellung seitlich +vom Küchenschrank einen Brief und holte sich die Eingebungen +von Karls Gesicht. Manchmal hielt sie die +Augen mit der Hand verdeckt, dann drang keine Anrede +zu ihr. Manchmal kniete sie in ihrem engen Zimmerchen +neben der Küche und betete zu einem hölzernen +Kreuz; Karl beobachtete sie dann nur mit Scheu im +Vorübergehen durch die Spalte der ein wenig geöffneten +Tür. Manchmal jagte sie in der Küche herum und +fuhr wie eine Hexe lachend zurück, wenn Karl ihr in +den Weg kam. Manchmal schloß sie die Küchentüre, wenn +Karl eingetreten war und behielt die Klinke solange +in der Hand, bis er wegzugehn verlangte. Manchmal +holte sie Sachen, die er gar nicht haben wollte, und +drückte sie ihm schweigend in die Hände. Einmal aber +sagte sie »Karl« und führte ihn, der noch über die unerwartete +Ansprache staunte, unter Grimassen seufzend +in ihr Zimmerchen, das sie zusperrte. Würgend umarmte +sie seinen Hals und während sie ihn bat, sie zu entkleiden, +entkleidete sie in Wirklichkeit ihn und legte ihn +in ihr Bett, als wolle sie ihn von jetzt niemandem mehr +lassen und ihn streicheln und pflegen bis zum Ende der +Welt. »Karl, o du mein Karl!« rief sie, als sähe sie +ihn und bestätige sich seinen Besitz, während er nicht +das Geringste sah und sich unbehaglich in dem vielen +warmen Bettzeug fühlte, das sie eigens für ihn aufgehäuft +zu haben schien. Dann legte sie sich auch zu ihm +und wollte irgendwelche Geheimnisse von ihm erfahren, +<a class="page" name="Page_38" id="Page_38" title="38"></a>aber er konnte ihr keine sagen und sie ärgerte sich im +Scherz oder Ernst, schüttelte ihn, horchte sein Herz ab, +bot ihre Brust zum gleichen Abhorchen hin, wozu sie Karl +aber nicht bringen konnte, drückte ihren nackten Bauch +an seinen Leib, suchte mit der Hand, so widerlich, daß +Karl Kopf und Hals aus den Kissen heraus schüttelte, +zwischen seinen Beinen, stieß dann den Bauch einige +Male gegen ihn, ihm war, als sei sie ein Teil seiner +selbst und vielleicht aus diesem Grunde hatte ihn eine +entsetzliche Hilfsbedürftigkeit ergriffen. Weinend kam er +endlich nach vielen Wiedersehenswünschen ihrerseits in +sein Bett. Das war alles gewesen und doch verstand es +der Onkel, daraus eine große Geschichte zu machen. +Und die Köchin hatte also auch an ihn gedacht und den +Onkel von seiner Ankunft verständigt. Das war schön +von ihr gehandelt und er würde es ihr wohl noch einmal +vergelten.</p> + +<p>»Und jetzt,« rief der Senator, »will ich von dir offen +hören, ob ich dein Onkel bin oder nicht.«</p> + +<p>»Du bist mein Onkel,« sagte Karl und küßte ihm die +Hand und wurde dafür auf die Stirne geküßt. »Ich +bin sehr froh, daß ich dich getroffen habe, aber du irrst, +wenn du glaubst, daß meine Eltern nur Schlechtes von +dir reden. Aber auch abgesehen davon, sind in deiner +Rede einige Fehler enthalten gewesen, das heißt, ich +meine, es hat sich in Wirklichkeit nicht alles so zugetragen. +Du kannst aber auch wirklich von hier aus die +Dinge nicht so gut beurteilen, und ich glaube außerdem, +daß es keinen besonderen Schaden bringen wird, wenn +<a class="page" name="Page_39" id="Page_39" title="39"></a>die Herren in Einzelheiten einer Sache, an der ihnen +doch wirklich nicht viel liegen kann, ein wenig unrichtig +informiert worden sind.«</p> + +<p>»Wohl gesprochen,« sagte der Senator, führte Karl +vor den sichtlich teilnehmenden Kapitän und fragte: +»Habe ich nicht einen prächtigen Neffen?«</p> + +<p>»Ich bin glücklich,« sagte der Kapitän mit einer Verbeugung, +wie sie nur militärisch geschulte Leute zustandebringen, +»Ihren Neffen, Herr Senator, kennen gelernt +zu haben. Es ist eine besondere Ehre für mein Schiff, +daß es den Ort eines solchen Zusammentreffens abgeben +konnte. Aber die Fahrt im Zwischendeck war wohl +sehr arg, ja, wer kann denn wissen, wer da mitgeführt +wird. Nun, wir tun alles Mögliche, den Leuten im +Zwischendeck die Fahrt möglichst zu erleichtern, viel +mehr zum Beispiel, als die amerikanischen Linien, aber +eine solche Fahrt zu einem Vergnügen zu machen, ist +uns allerdings noch immer nicht gelungen.«</p> + +<p>»Es hat mir nicht geschadet,« sagte Karl.</p> + +<p>»Es hat ihm nicht geschadet!« wiederholte laut lachend +der Senator.</p> + +<p>»Nur meinen Koffer fürchte ich verloren zu –« und +damit erinnerte er sich an alles, was geschehen war und +was noch zu tun übrigblieb, sah sich um und erblickte +alle Anwesenden stumm vor Achtung und Staunen auf +ihren früheren Plätzen, die Augen auf ihn gerichtet. +Nur den Hafenbeamten sah man, soweit ihre strengen, +selbstzufriedenen Gesichter einen Einblick gestatteten, das +Bedauern an, zu so ungelegener Zeit gekommen zu sein +<a class="page" name="Page_40" id="Page_40" title="40"></a>und die Taschenuhr, die sie jetzt vor sich liegen hatten, +war ihnen wahrscheinlich wichtiger, als alles, was im +Zimmer vorging und vielleicht noch geschehen konnte.</p> + +<p>Der erste, welcher nach dem Kapitän seine Anteilnahme +ausdrückte, war merkwürdigerweise der Heizer. +»Ich gratuliere Ihnen herzlich,« sagte er und schüttelte +Karl die Hand, womit er auch etwas wie Anerkennung +ausdrücken wollte. Als er sich dann mit der gleichen +Ansprache auch an den Senator wenden wollte, trat +dieser zurück, als überschreite der Heizer damit seine +Rechte; der Heizer ließ auch sofort ab.</p> + +<p>Die übrigen aber sahen jetzt ein, was zu tun war, +und bildeten gleich um Karl und den Senator einen +Wirrwarr. So geschah es, daß Karl sogar eine Gratulation +Schubals erhielt, annahm und für sie dankte. +Als letzte traten in der wieder entstandenen Ruhe die +Hafenbeamten hinzu und sagten zwei englische Worte, +was einen lächerlichen Eindruck machte.</p> + +<p>Der Senator war ganz in der Laune, um das Vergnügen +vollständig auszukosten, nebensächlichere Momente +sich und den anderen in Erinnerung zu bringen, was +natürlich von allen nicht nur geduldet, sondern mit Interesse +hingenommen wurde. So machte er darauf aufmerksam, +daß er sich die in dem Brief der Köchin erwähnten +hervorstechendsten Erkennungszeichen Karls in +sein Notizbuch zu möglicherweise notwendigem augenblicklichen +Gebrauch eingetragen hatte. Nun hatte er +während des unerträglichen Geschwätzes des Heizers zu +keinem anderen Zweck, als um sich abzulenken, das Notiz<a class="page" name="Page_41" id="Page_41" title="41"></a>buch +herausgezogen und die natürlich nicht gerade detektivisch +richtigen Beobachtungen der Köchin mit Karls +Aussehen zum Spiel in Verbindung zu bringen gesucht. +»Und so findet man seinen Neffen!« schloß er in einem +Ton, als wolle er noch einmal Gratulationen bekommen.</p> + +<p>»Was wird jetzt dem Heizer geschehen?« fragte Karl, +vorbei an der letzten Erzählung des Onkels. Er glaubte +in seiner neuen Stellung alles, was er dachte, auch aussprechen +zu können.</p> + +<p>»Dem Heizer wird geschehen, was er verdient,« sagte +der Senator, »und was der Herr Kapitän für gut erachtet. +Ich glaube, wir haben von dem Heizer genug +und übergenug, wozu mir jeder der anwesenden Herren +sicher zustimmen wird.«</p> + +<p>»Darauf kommt es doch nicht an, bei einer Sache +der Gerechtigkeit,« sagte Karl. Er stand zwischen dem +Onkel und dem Kapitän, und glaubte, vielleicht durch +diese Stellung beeinflußt, die Entscheidung in der Hand +zu haben.</p> + +<p>Und trotzdem schien der Heizer nichts mehr für sich +zu hoffen. Die Hände hielt er halb in dem Hosengürtel, +der durch seine aufgeregten Bewegungen mit dem Streifen +eines gemusterten Hemdes zum Vorschein gekommen war. +Das kümmerte ihn nicht im geringsten, er hatte sein +ganzes Leid geklagt, nun sollte man auch noch die paar +Fetzen sehen, die er am Leibe hatte, und dann sollte +man ihn forttragen. Er dachte sich aus, der Diener und +Schubal, als die zwei hier im Range Tiefsten, sollten +ihm diese letzte Güte erweisen. Schubal würde dann +<a class="page" name="Page_42" id="Page_42" title="42"></a>Ruhe haben und nicht mehr in Verzweiflung kommen, +wie sich der Oberkassier ausgedrückt hatte. Der Kapitän +würde lauter Rumänen anstellen können, es würde überall +rumänisch gesprochen werden, und vielleicht würde dann +wirklich alles besser gehen. Kein Heizer würde mehr in +der Hauptkassa schwätzen, nur sein letztes Geschwätz +würde man in ziemlich freundlicher Erinnerung behalten, +da es, wie der Senator ausdrücklich erklärt hatte, die +mittelbare Veranlassung zur Erkennung des Neffen gegeben +hatte. Dieser Neffe hatte ihm übrigens vorher +öfters zu nützen gesucht und daher für seinen Dienst bei +der Wiedererkennung längst vorher einen mehr als genügenden +Dank abgestattet; dem Heizer fiel gar nicht +ein, jetzt noch etwas von ihm zu verlangen. Im übrigen, +mochte er auch der Neffe des Senators sein, ein Kapitän +war er noch lange nicht, aber aus dem Munde des +Kapitäns würde schließlich das böse Wort fallen. – +So wie es seiner Meinung entsprach, versuchte auch der +Heizer nicht zu Karl hinzusehen, aber leider blieb in +diesem Zimmer der Feinde kein anderer Ruheort für +seine Augen.</p> + +<p>»Mißverstehe die Sachlage nicht,« sagte der Senator +zu Karl, »es handelt sich vielleicht um eine Sache der +Gerechtigkeit, aber gleichzeitig um eine Sache der Disziplin. +Beides und ganz besonders das letztere unterliegt +hier der Beurteilung des Herrn Kapitäns.«</p> + +<p>»So ist es,« murmelte der Heizer. Wer es merkte +und verstand, lächelte befremdet.</p> + +<p>»Wir aber haben überdies den Herrn Kapitän in +<a class="page" name="Page_43" id="Page_43" title="43"></a>seinen Amtsgeschäften, die sich sicher gerade bei der Ankunft +in New York unglaublich häufen, so sehr schon +behindert, daß es höchste Zeit für uns ist, das Schiff +zu verlassen, um nicht zum Überfluß auch noch durch +irgendwelche höchst unnötige Einmischung diese geringfügige +Zänkerei zweier Maschinisten zu einem Ereignis +zu machen. Ich begreife deine Handlungsweise, lieber +Neffe, übrigens vollkommen, aber gerade das gibt mir +das Recht, dich eilends von hier fortzuführen.«</p> + +<p>»Ich werde sofort ein Boot für Sie flottmachen +lassen,« sagte der Kapitän, ohne zum Erstaunen Karls +auch nur den kleinsten Einwand gegen die Worte des +Onkels vorzubringen, die doch zweifellos als eine Selbstdemütigung +des Onkels angesehen werden konnten. Der +Oberkassier eilte überstürzt zum Schreibtisch und telephonierte +den Befehl des Kapitäns an den Bootsmeister.</p> + +<p>»Die Zeit drängt schon,« sagte sich Karl, »aber ohne +alle zu beleidigen, kann ich nichts tun. Ich kann doch +jetzt den Onkel nicht verlassen, nachdem er mich kaum +wiedergefunden hat. Der Kapitän ist zwar höflich, aber +das ist auch alles. Bei der Disziplin hört seine Höflichkeit +auf, und der Onkel hat ihm sicher aus der Seele +gesprochen. Mit Schubal will ich nicht reden, es tut mir +sogar leid, daß ich ihm die Hand gereicht habe. Und +alle anderen Leute hier sind Spreu.«</p> + +<p>Und er ging langsam in solchen Gedanken zum Heizer, +zog dessen rechte Hand aus dem Gürtel und hielt sie +spielend in der seinen. »Warum sagst du denn nichts?« +fragte er. »Warum läßt du dir alles gefallen?«</p> + +<p><a class="page" name="Page_44" id="Page_44" title="44"></a>Der Heizer legte nur die Stirn in Falten, als suche +er den Ausdruck für das, was er zu sagen habe. Im +übrigen sah er auf Karls und seine Hand hinab.</p> + +<p>»Dir ist ja unrecht geschehen, wie keinem auf dem +Schiff, das weiß ich ganz genau.« Und Karl zog seine +Finger hin und her zwischen den Fingern des Heizers, +der mit glänzenden Augen ringsumher schaute, als widerfahre +ihm eine Wonne, die ihm aber niemand verübeln +möge.</p> + +<p>»Du mußt dich aber zur Wehr setzen, ja und nein sagen, +sonst haben doch die Leute keine Ahnung von der Wahrheit. +Du mußt mir versprechen, daß du mir folgen wirst, +denn ich selbst, das fürchte ich mit vielem Grund, werde +dir gar nicht mehr helfen können.« Und nun weinte Karl, +während er die Hand des Heizers küßte und nahm die +rissige, fast leblose Hand und drückte sie an seine Wangen, +wie einen Schatz, auf den man verzichten muß. – Da +war aber auch schon der Onkel Senator an seiner Seite +und zog ihn, wenn auch nur mit dem leichtesten Zwange, +fort.</p> + +<p>»Der Heizer scheint dich bezaubert zu haben,« sagte er +und sah verständnisinnig über Karls Kopf zum Kapitän +hin. »Du hast dich verlassen gefühlt, da hast du den +Heizer gefunden und bist ihm jetzt dankbar, das ist ja +ganz löblich. Treibe das aber, schon mir zuliebe, nicht +zu weit und lerne deine Stellung begreifen.«</p> + +<p>Vor der Türe entstand ein Lärmen, man hörte Rufe +und es war sogar, als werde jemand brutal gegen die +Türe gestoßen. Ein Matrose trat ein, etwas verwildert, +<a class="page" name="Page_45" id="Page_45" title="45"></a>und hatte eine Mädchenschürze umgebunden. »Es sind Leute +draußen,« rief er und stieß einmal mit dem Ellbogen +herum, als sei er noch im Gedränge. Endlich fand er +seine Besinnung und wollte vor dem Kapitän salutieren, +da bemerkte er die Mädchenschürze, riß sie herunter, warf +sie zu Boden und rief: »Das ist ja ekelhaft, da haben +sie mir eine Mädchenschürze umgebunden.« Dann aber +klappte er die Hacken zusammen und salutierte. Jemand +versuchte zu lachen, aber der Kapitän sagte streng: »Das +nenne ich eine gute Laune. Wer ist denn draußen?«</p> + +<p>»Es sind meine Zeugen,« sagte Schubal vortretend, +»ich bitte ergebenst um Entschuldigung für ihr unpassendes +Benehmen. Wenn die Leute die Seefahrt hinter sich +haben, sind sie manchmal wie toll.«</p> + +<p>»Rufen Sie sie sofort herein!« befahl der Kapitän +und gleich sich zum Senator umwendend sagte er verbindlich, +aber rasch: »Haben Sie jetzt die Güte, verehrter +Herr Senator, mit Ihrem Herrn Neffen diesem +Matrosen zu folgen, der Sie ins Boot bringen wird. +Ich muß wohl nicht erst sagen, welches Vergnügen und +welche Ehre mir das persönliche Bekanntwerden mit +Ihnen, Herr Senator, bereitet hat. Ich wünsche mir nur, +bald Gelegenheit zu haben, mit Ihnen, Herr Senator, +unser unterbrochenes Gespräch über die amerikanischen +Flottenverhältnisse wieder einmal aufnehmen zu können +und dann vielleicht neuerdings auf so angenehme Weise, +wie heute, unterbrochen zu werden.«</p> + +<p>»Vorläufig genügt mir dieser eine Neffe,« sagte der +Onkel lachend. »Und nun nehmen Sie meinen besten +<a class="page" name="Page_46" id="Page_46" title="46"></a>Dank für Ihre Liebenswürdigkeit und leben Sie wohl. +Es wäre übrigens gar nicht so unmöglich, daß wir« – +er drückte Karl herzlich an sich – »bei unserer nächsten +Europareise vielleicht für längere Zeit mit Ihnen zusammenkommen +könnten.«</p> + +<p>»Es würde mich herzlich freuen,« sagte der Kapitän. +Die beiden Herren schüttelten einander die Hände, Karl +konnte nur noch stumm und flüchtig seine Hand dem +Kapitän reichen, denn dieser war bereits von den vielleicht +fünfzehn Leuten in Anspruch genommen, welche +unter Führung Schubals zwar etwas betroffen, aber doch +sehr laut einzogen. Der Matrose bat den Senator, vorausgehen +zu dürfen und teilte dann die Menge für ihn +und Karl, die leicht zwischen den sich verbeugenden Leuten +durchkamen. Es schien, daß diese im übrigen gutmütigen +Leute den Streit Schubals mit dem Heizer als einen +Spaß auffaßten, dessen Lächerlichkeit nicht einmal vor +dem Kapitän aufhöre. Karl bemerkte unter ihnen auch +das Küchenmädchen Line, welche, ihm lustig zuzwinkernd, +die vom Matrosen hingeworfene Schürze umband, denn +es war die ihrige.</p> + +<p>Weiter dem Matrosen folgend verließen sie das Bureau +und bogen in einen kleinen Gang ein, der sie nach ein paar +Schritten zu einem Türchen brachte, von dem aus eine +kurze Treppe in das Boot hinabführte, welches für sie +vorbereitet war. Die Matrosen im Boot, in das ihr +Führer gleich mit einem einzigen Satz hinuntersprang, +erhoben sich und salutierten. Der Senator gab Karl +gerade eine Ermahnung zu vorsichtigem Hinuntersteigen, +<a class="page" name="Page_47" id="Page_47" title="47"></a>als Karl noch auf der obersten Stufe in heftiges Weinen +ausbrach. Der Senator legte die rechte Hand unter Karls +Kinn, hielt ihn fest an sich gepreßt und streichelte ihn +mit der linken Hand. So gingen sie langsam Stufe für +Stufe hinab und traten engverbunden ins Boot, wo der +Senator für Karl gerade sich gegenüber einen guten +Platz aussuchte. Auf ein Zeichen des Senators stießen +die Matrosen vom Schiffe ab und waren gleich in voller +Arbeit. Kaum waren sie ein paar Meter vom Schiff +entfernt, machte Karl die unerwartete Entdeckung, daß +sie sich gerade auf jener Seite des Schiffes befanden, +wohin die Fenster der Hauptkassa gingen. Alle drei +Fenster waren mit Zeugen Schubals besetzt, welche freundschaftlichst +grüßten und winkten, sogar der Onkel dankte, +und ein Matrose machte das Kunststück, ohne eigentlich +das gleichmäßige Rudern zu unterbrechen, eine Kußhand +hinaufzuschicken. Es war wirklich, als gebe es keinen +Heizer mehr. Karl faßte den Onkel, mit dessen Knien +sich die seinen fast berührten, genauer ins Auge, und es +kamen ihm Zweifel, ob dieser Mann ihm jemals den +Heizer werde ersetzen können. Auch wich der Onkel seinem +Blicke aus und sah auf die Wellen hin, von denen ihr +Boot umschwankt wurde.</p> + + + +<div class="note"> +<p>Anmerkungen zur Transkription: Dieses elektronische Buch wurde auf +Grundlage der Erstausgabe erstellt.</p> + +<p>Nach dem Korrekturlesen auf PGDP wurde der Text mit der eigens für +diesen Zweck eingescannten Fassung aus »Franz Kafka: Die Erzählungen – +Originalfassung, Fischer Taschenbuchverlag, 8. Auflage: August 2003« +verglichen. Jene Fassung basiert auf der Kritischen Kafka-Ausgabe. +Entsprechend dieser Textvergleiche wurden folgende Korrekturen +vorgenommen:</p> + +<p> +p 05: sechszehnjährige -> sechzehnjährige<br /> +p 08: »Ja, warum haben sie -> Sie<br /> +p 21: Kofferchen -> Köfferchen<br /> +p 34: beseitegeschafft -> beiseitegeschafft<br /> +p 42: in Verzweiflung kommen wie -> kommen, wie</p> +</div> + + + +<div class="note"> +<p>Transcriber’s Note: This ebook has been prepared from scans of a first +edition copy.</p> + +<p>After proofreading on PGDP had been completed, the text was +compared with another version scanned from a recent printing of »Franz +Kafka: Die Erzählungen – Originalfassung, Fischer Taschenbuchverlag, +8. Auflage: August 2003«; which follows the critical edition of Kafka’s +works. While I kept most of the peculiarities of the first edition, I +corrected the following list of words and punctuation which I believe to +be misprints:</p> + +<p> +p 05: sechszehnjährige -> sechzehnjährige<br /> +p 08: »Ja, warum haben sie -> Sie<br /> +p 21: Kofferchen -> Köfferchen<br /> +p 34: beseitegeschafft -> beiseitegeschafft<br /> +p 42: in Verzweiflung kommen wie -> kommen, wie</p> +</div> + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der Heizer, by Franz Kafka + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER HEIZER *** + +***** This file should be named 16304-h.htm or 16304-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/6/3/0/16304/ + +Produced by Markus Brenner and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact +information can be found at the Foundation's web site and official +page at https://pglaf.org + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + +</pre> + +</body> +</html> diff --git a/16304-h/images/hafen.jpg b/16304-h/images/hafen.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..9cd10ec --- /dev/null +++ b/16304-h/images/hafen.jpg diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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