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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 04:53:23 -0700 |
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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Romanzen vom Rosenkranz + +Author: Clemens Brentano + +Release Date: May 28, 2006 [EBook #18463] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMANZEN VOM ROSENKRANZ *** + + + + +Produced by Karsten Weinert + + + + + +Clemens Brentano + +Herausgegeben und eingeleitet von Alphons M. von Steinle +Petrus Verlag, Trier, 1912 + +* Einleitung + +In weiter Kammer schlief ich und die Brüder + Auf stillen Betten, die der Traum umspielet; + Der Amme Lied ertönte still, und nieder +Die Winternacht mit kalten Sternen zielet. + Gesegnet seid, ihr ernsten nächt'gen Scheine, + Die ihr mir in die junge Seele fielet! +Ich fühlte ruhig mich, in Frieden klar und reine; + Der Brüder Herzen hört ich um mich schlagen, + Ergötzt war meine Brust, ich wacht alleine, +Hört sie im Traum die kindschen Wünsche klagen. + Der eine sprach von Wagen und von Rossen. + "Hinan, hinan!" hört ich die Schwester sagen, +"Ein Auge schließ ich auf der Leiter Sprossen, + Daß mich der tiefe Abgrund nicht ergrause." + Sie wußte nicht, daß beide sie geschlossen. +Die andre sprach von ihrem Blumenstrauße, + Wie er schon wieder frisch erblühen werde; + Und die ihr nah: "O tritt die Spitzenkrause +Mir nicht so liederlich hin an die Erde!" + Doch ferner schlummert einer; heftig bebet + Sein Busen, und mit trotziger Gebärde +Spricht er: "Seht hin, Geliebte, seht, es schwebet + Der Luftball hoch, ich habe ihn erfunden!" + Dann wirft er sich im Bette, hoch erhebet +Die Füße er, das Haupt hängt er nach unten. + Des Fensters Schatten lag gleich einer Leiter + Auf seiner Decke; künstlich eingewunden +Erseufzt er tief und schlummert lächelnd weiter. + Auf eines Mägdleins Bette glatt gestrichen + Erglänzt zur andern Seite Mondschein heiter; +Die weißen Röcklein auf dem Stuhle glichen + Zwei Engeln, die ihr still zum Haupte wachten. + Still war sie, bis der Mond von ihr gewichen; +Er senkte sich zur Erde. Sprünge machen + Sah ich ein Kätzlein schwarz beim letzten Bette; + Es spielte mit herumgestreuten Sachen, +Ein Strumpfband wars und eine Blumenkette; + Und als der Mond am Bett hinaufgeschwebet, + Sah ich's, als ob es glühnde Augen hätte. +Bang hob ich mich, und mir entgegen hebet + Das Mägdlein sich und sprach: "Wie schön gesungen + Hat heut die Amme, noch das Herz mir bebet: +Frau Nachtigall, mein Herz ist mir zersprungen." + So sprach das Kind und legte still sich nieder. + Ich fühlte mich mit Weh und Lust durchdrungen, +Ein stilles Feuer zog durch meine Glieder. + Oft hieß es mich empor nach ihr zu sehen, + Und immer hob ihr lockigt Haupt sie wieder. +Dann sprach sie Worte, mir nicht zu verstehen, + Gebetet war es, und es war gedichtet, + Und bis ich sah den Mond mir untergehen, +Blieb mir ihr Haupt genüber aufgerichtet. + Dann hört ich draußen -- harte Worte klangen, + Bis eine milde Stimm den Streit geschlichtet. +In unsre Kammer leise kams gegangen, + Von Bette schlichs zu Bette, gab uns Küsse + Und segnet uns auf Stirne und auf Wangen. +Ich war der letzte. Heiße Tränengüsse + Fühlt ich aus Mutteraugen auf mich fließen. + Ich wußte nicht, warum sie weinen müsse, +Ich traute nicht, den Arm um sie zu schließen. + Und als sie aus der Kammer war geschieden, + Da mußten meine Augen Tränen gießen, +Da fühlte ich zuerst den Schmerz hienieden! + Ich betete: "Maria, sei gegrüßet, + So viele Tränen sie geweint!" und schlief in Frieden. + +---- + +Viel war ich krank, kam wenig an die Sonne, + Die bunte Decke war mein Frühlinggarten, + Der Mutter Pflege war mir Frühlingswonne. +Ich konnte oft den Abend nicht erwarten, + Wenn sie die Wundermärchen uns gesungen, + Daß rings die Kinder in Erstaunen starrten. +Und keines ist mir so ins Herz gedrungen, + Als von des süßen Jesus schweren Leiden, + Wie des Herodes Kindermord mißlungen, +Maria durch Ägypten mußte reiten, + Und was sie da erfuhr in schweren Nöten, + Da focht ich in Gedanken gen die Heiden. +Und sah ihr Blut in allen Abendröten. -- + Oft kam ein alter Diener mich besuchen, + Mit kräftgen Reden meine Zeit zu töten, +Die Tasche leer vom oft versprochnen Kuchen, + Ein Meister im Versprechen und Beteuern, + Was oft sich falsch bewärt; dazu ohn Fluchen +Konnt er mit seinen Augen Glaub erneuern. + Vom Antichrist tät er mir prophezeien, + Und hat zum Held gen ihn in Abenteuern +Vor allem mich mit einem Schlag geweihet, + Den scherzhaft er mir auf das Haupt gegeben; + Doch meine Seele ihn des Ernstes zeihet; +Nichts traf so ernsthaft mich in meinem Leben; + Der Antichrist erfüllet mich mit Schrecken, + Und täglich mußt ich vor dem Trüger beben. +Ich sah ihn stets gen mich die Hand ausstrecken: + Allmächtiger, erleuchte meine Tage + Und wolle mich vor meinem Feind verstecken! +Und da dem Alten ich die Angst so klage, + Sprach er: "Wenn du drei Tage ohne Weinen + Geduldig bleibst, ich dich zur Kirche trage, +Da sollst du dir ein großer Held erscheinen, + Man wird dich singend bei dem Eintritt grüßen." + Ich glaubte ihm. Bei aller Krankheit Peinen +Ließ keine Trän ich von den Augen fließen. + Und als die Stunde endlich war erschienen, + Ward ich geschmückt vom Kopf bis zu den Füßen. +Ich ließ mich stolz, gleich einem Herrn, bedienen; + Der Alte selbst trug mich auf seinen Armen + Und machte übertrieben ernste Mienen. +Ich fühlte mich von Sonnenschein erwarmen, + Und als wir uns dem alten Kloster nahten, + Gab an der Pforte ich den frommen Armen, +Die barhaupt bittend uns entgegentraten, + Was ich besaß: sechs neue blanke Heller. + Mein Träger ging auf wohlbekannten Pfaden; +Er zeigte links hinab: "Dies ist dein Keller", + Sprach er, "da hast du deine vollen Fässer + Mit allen Sorten besten Muskateller!" +Ich glaubte ihm, und mit dem blanken Messer + Uns da ein schwarz und weißer Mönch begegnet. + Der Alte sprach: "Nun sieh, stets kommt es besser!" +Und als: "Wer war es?" ich ihm scheu entgegnet -- + "Dies war dein heilger Pater Küchenmeister, + Was er am Spieße brät, das ist gesegnet. +Er ist aus Schwaben und Marcellus heißt er; + Er soll den Antichrist zum Spieße stecken, + Er ist ein Zauberer, beschwöret Geister." +Nun hörte ich durch blühnde Gartenhecken + Die Orgel aus der Kirche rührend klingen; + Mich faßte da ein nie gefühlt Erschrecken. +Als endlich zu der Kirche wir eingingen, + Des Weihrauchs süße Wolken mich umwallten, + An hohen Säulen goldne Engel hingen, +Der vielen Bilder seltsame Gestalten, + So stille und so kühl die hohen Bogen, + Wie unsre Schritte in den Hallen schallten, +Die Orgeltöne jubilierend zogen, + Und wie die Mönche zu den Stühlen schlichen -- + So wunderbar hat nie mein Herz geflogen. +Der Alte machte mir des Kreuzes Zeichen, + Mit Weihewasser er mich tüchtig sprengte, + Befahl mir dann, zu horchen und zu schweigen. +Die Seele sich in meine Ohren drängte. + Als laut im Chor sie meinen Namen sagen, + Entzücken sich mit tiefer Angst vermengte. +Die Worte mir wie Feu'r zur Seele klangen: + "|O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria!|" + Ein ewiges Gefühl hab ich empfangen. +Ruft man mich Clemens, sprech ich still: "|o pia!| + In meiner letzten Stund dich mein erbarme; + |O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria,| +Empfange meine Seel in deine Arme!" + +---- + +Schon siebenmal war Weihnacht mir erschienen + Mit ihres Kinderschatzes frommen Glanz; + Ich konnte lesen und die Messe dienen. +Die Erde stand in Frühlingsfreude ganz; + Des lustgen Pfingstfests Feier zu begehen + Schmückt man die Kinder mit dem Blumenkranz. +Zur Kirche sah man tausend Kinder gehen; + Es teilt die Firmung dort der Bischof aus, + Daß sie bestätigt in dem Glauben stehen. +In Feierkleidern trat ich aus dem Haus + Und zog mit vielen Kindern zu der Weihe, + Wie sie geschmückt mit einem Blumenstrauß. +Am Chore kniend in der langen Reihe + Hab ich vom Bischof da das Öl empfangen + Auf meine Sirne, Gott mir Kraft verleihe! +Den Backenstreich empfingen meine Wangen, + Daß ich gedenke an den ernsten Tag, + An dem zur Kirch ich neu bin eingegangen. +Derb und empfindlich schien bei mir der Schlag; + Er sah in mir wohl jenes irdsche Wanken, + Das zu bestimmen noch ich kaum vermag. +Ich trat erschüttert aus den heilgen Schranken, + Und meine Stirn umschlang ein blaues Band. + Jedoch in mir, da schwankten die Gedanken, +Denn mir zur Seite an dem Altar stand + Ein kleines Mägdlein, das mich tief gerühret; + Ich faßte heftig ihre kleine Hand +Und habe sie zwei Schritte wohl geführet. + Da sprach mein Führer: "Laß das Mägdlein stehn! + Dergleichen Spiel allhier sich nicht gebühret." +Sie schied von mir, ich mußte weitergehn; + Verschlungen ward dies Kind mir von der Menge, + Und nimmer hab ich wieder es gesehn. +Von Sehnsucht wird noch jetzt die Brust mir enge; + Ich suche jetzt wohl noch nach jenem Kinde, + Und immer mehr tritt mirs aus dem Gedränge. +Traf mich des Priesters Hand dort nicht gelinde, + So traf mich schärfer noch mit seinem Pfeil + Der kleine Cupido mit seiner Binde. +Des Priesters Schlag rührt mich nur kurze Weil, + Und nie genas ich von der Liebe Wunden; + Der Tod empfängt den Kranken noch nicht heil. +Du zartes Mägdlein, dir mir dort verschwunden, + Siehst du auf Erden noch das süße Licht, + Hast du gelebt und hast du Leid empfunden, +Begegnet dir dies dunkele Gedicht: + Nimm hin den Gruß und Dank, du Namenlose, + Im irdschen Traum du himmlisches Gesicht! +Und schläfst du schon in unsrer Mutter Schoße, + So falle dir aus meinem ernsten Kranz + Ein Opfer auf das Grab: die weiße Rose! + +---- + +Getrennet lebte fern ich von den Meinen + In strenger und unmütterlicher Zucht. + Denk ich der Zeit, seh ich sich mir versteinen +Die Tage in des Lebens Blumenflucht, + Wie kleine Gärten zwischen steilen Mauern, + Die nie ein Sonnenstrahl hat heimgesucht, +Wo kalte Marmorkinder einsam trauern, + Die wilder Buchs und Salbei trüb umkreist. + Ihr kennet wohl des Knaben einsam Trauern! +Ich fühlte elend mich und tief verwaist. + Du, Schwester, die die trüben Tage teilte, + Du fühltest auch, was fremde Pflege heißt. +Den Genius, der früh bei mir verweilte, + Den sah ich dort zuerst, als unerkannt + Er mir das junge Herz begeisternd heilte. +Da schmückt ich mich mit einem blauen Band, + Und fesselt mich mit goldpapiernen Ketten, + Trug einen Schäferstab in kindscher Hand +Und auf der Brust geweihte Amuletten. + Ein alter Scherbenhügel war mein Thron; + Ich sprach: "Wer will den armen Sklaven retten?" +Fürst, Schäfer war ich, und verlorner Sohn, + Und sehnt mich zu den zarten Wolkenschafen, + Die durch den Himmel überm Haupt mir flohn. +So war ich einst begeistert dort entschlafen. + Schon stiegen die Gestirne aus dem Blau, + Die gütig mich mit ihrem Segen trafen; +Es spiegelte der Traum sich in dem Tau, + Der meine Stirne kühlend schon benetzte; + Er führte mich auf eine stille Au, +Wo eine Kinderschar sich laut ergötzte. + Fremd schienen sie; ich stand an einem Baum, + Zu dem ich scheu mich endlich niedersetzte. +O seliger, o himmelvoller Traum! + Ich sah hinauf. Aus deinem Himmel, Linde, + Zog nieder eines weißen Kleides Saum, +Und nieder stieg ein Kind aus dem Gewinde + Der Zweige, die es neidisch mir versteckt, + Ein Ebenbild von jenem Firmungskinde. +Sehnsüchtig hatte ich die Arme ausgestreckt, + Da kamen sie, dich boshaft mir zu rauben, + Die Unverständ'gen haben mich geweckt. +Nie blüht ihr wieder mir, ihr Jugendlauben, + Im Fackelschimmer nie betrogner Lust! + Die Liebe starb, die Hoffnung und der Glauben. +Was füllet jetzt die narbenvolle Brust? + Verbrannt das Herz! wie knirscht die tote Kohle! + Das habt ihr stillen Tränen wohl gewußt. +Zur Stube mußt ich, harte Worte holen, + Zur Strafe büßt ich ein mein Abendbrot, + Als hätte ich, was Gott mir gab, gestohlen: +Des selgen Traumes tiefes Abendrot. + Da war mein Herz im Innersten ergrimmet, + Ich fühlte recht, was mir zum Dasein not: +Ein Himmel blau, in dem die Hoffnung schwimmet, + Ein Schmerz in meiner freien starken Hand, + Die ihn nach ihren Melodien stimmet. +Und alles dies, was da zuerst ich fand, + Ward mit Moralien und trocknen Blicken + Zertrümmert mir, was niemals ich verstand. +Entschuldigend erzählt ich mein Entzücken; + Da lachte man den armen Träumer aus, + Den Scherbenkönig, drehte mir den Rücken; +Und als ich weinte, bracht man mich hinaus + Zum dunklen Gartensaal voll Malereien, + Der immer mich erfüllet hat mit Graus. +Es schienen da in traurig langen Reihen + Die Bilder von den Schatten überbebt, + Die mondumspielte Rebenlauben streuen. +Den Richter sah ich, der das Schwert erhebt, + Vor Salomon das Kindlein zu zerspalten; + Es schwankt das Laub, er zuckt, er scheint belebt. +Ich schauderte und konnte mich nicht halten + Und kniete nieder vor Mariens Bild. + Die Hände hab ich innig da gefalten +Und flehte kindisch zu der Mutter mild: + "O, Mutter Gottes, hilf dem armen Kinde!" + Da deckte sie mich mit allgütgem Schild; +Mein Schmerz zerfloß im Beten hin gelinde, + Es senkte nieder sich der ernste Traum, + Ich schlummert ein im Schatten jener Linde. + + +* Romanzen vom Rosenkranz +** Romanze I: Rosablankens Traum + +"Bitte für uns arme Sünder +Jetzt und in dem Tode, Amen!" + +Spricht sie -- und vom Stern der Frühe +Weissagt auch die fromme Schwalbe, +Und des Traumes schwülen Flügel +Spannt sie über Rosablanken. + +Auf der goldnen Locke Fülle, +Schwer vom blanken Nacken wallend, +Sinkt ihr schlummernd Haupt zurücke, +Himmelsspiegel wird die Wange. + +Schüchtern um die rosgen Füße +Ihr der Tau die Traumflut sammelt, +Und der West mit kühlem Flüstern +Dunkle Schlummersegel spannet. + +Und der Traum spielt, sie berückend, +Auf der Wimpern goldnen Strahlen, +Die zum Schlummer sind entzücket +In des Morgensternes Glanze. + +Und es kreuziget die Süße +Fromm gewohnt sich Stirn und Wange, +Legt in Gottes Hand die Zügel +Der nachtwandelnden Gedanken. + +Von den lichtergrauten Hügeln +Nieder zu des Tales Garten +Durch die Nebelwege düster +Sieht sie einen Jüngling wallen. + +Zu des Gartens Rosengrüften, +Wo die Düfte schlummernd schwanken, +Eilet Rosablanka schüchtern; +Jener folget ihrem Pfade, + +Wandelt ernsthaft durch die Türe, +In der Rechten einen Spaten, +Und sie wagt nicht, ihn zu grüßen, +Also hell und finster war er. + +Und sie pflückt gebückt in Züchten +Süße Blümlein, die noch schlafen, +Die unschuldgen, ohne Sünde, +Ohne Taufe, ihm zum Kranze. + +Da sie scheu den Kranz schon ründet, +Steht vor ihr der trübe Wandrer, +Spricht: "Wohl selig sind die Blüten, +Die du tötetest im Schlafe; + +Selig in der Nacht gepflücket, +Die in Unschuld sind empfangen, +Die nicht traf der Fluch der Sünde, +Starben selig vor dem Apfel. + +Aber uns tut not zu büßen, +Denn das Weib ward durch die Schlange +Zu dem Gottesraub verführet, +Den sie teilte mit dem Manne. + +Und so hat der Herr erzürnet +An die Erde uns gebannet; +In der Mutter muß ich wühlen +Nach dem göttlichen Erbarmen. + +Mit dem Fleische ist die Sünde +Aus der Erde aufgegangen; +In der Mutter muß ich wühlen, +Bis der Vater sich erbarmet!" + +Und vor Rosablankens Füßen +Fing der Ernste an zu graben, +Und da er die Gruft erwühlet, +Hat die Erde ihn umfangen. + +Mit ihm zu der Erden Grüften +Sinken auch des Tales Schatten; +Aus den Gründen zu den Hügeln +Tritt die Nebelwoge wachsend. + +Trüb getürmt auf düstern Füßen +Schwankt der Riese auf am Walde, +Schwingt die Nacht auf seinen Rücken, +Kalt die Nebelfäuste ballend. + +Trügend rüstet sich der Lügner +Mit dem Sonnengott zum Kampfe, +Der auf goldnen Flügelfüßen +Flammet aus dem Ozeanen. + +Seinen Spiegel stellt er lügend +In der Dünste giftgem Walle +Antichristisch ihm genüber; +Jeder wache, nicht zu fallen! + +Wo der Traum in irdschen Gründen +Barg den Mann, will Rosablanke +Ganz in tiefer Angst entzücket +Ihren Blumenkranz begraben. + +Aber ihr entgegen züngelnd +Reckt sich eine bunte Schlange, +Und mit heilgem Mut gerüstet +Betet bebend Rosablanke: + +"Sei verflucht, du Geist der Lügen, +Dich zertrat des Weibes Samen; +O Maria, sei gegrüßet, +Mutter Gottes, voller Gnaden! + +Amen!" und aus Himmelsflüssen +Gießt sich aus ein Meer des Glanzes: +__Maris Stella__ sei gegrüßet, +__Semper virgo, ave, salve!__ + +Und der Jungfrau Heldenfüße +Traten auf das Haupt der Schlange; +Kindisch ihre Schuld zu sühnen +Gibt dem Kranz ihr Rosablanke. + +Aber auf des Tales Hügeln +Glüht die Sonne, und es wallen +Schon die Bienen nach den Blüten, +Und es eilt die fromme Schwalbe, + +Kühlt des Traumes schwülen Flügel +Auf dem Spiegel klarer Wasser, +Und beträufelt mit dem Flügel +Weckend Rosablankens Wange. + +** Romanze II: Kosme und Rosablanka + +Auf des Fensters Efeuranken +Spielt der Strahl der jungen Sonne, +Und des Laubes Schatten schwankend +Weckt den greisen Vater Kosme. + +Schlummerstille ist die Kammer +Rosablankens, als er horchet, +Und er trägt den Krug zum Bache, +Füllet ihn mit frischem Borne. + +Aus dem Wasserspiegel mahnet +Ihn des Alters ernster Bote; +"Du wirst bald die Schuld bezahlen!" +Spricht des Hauptes Silberlocke. + +Betend senkt er in dem Schatten +Seine Stirne an den Boden; +Mit ihm betet auch das Wasser +und des Gartens heilge Rose. + +Und des Tales Sänger alle, +Blumen, Bäume, hohe Wolken, +Schallend, wachend, atmend, wandelnd, +Opfern fromm der goldnen Sonne. + +Aber zu der Kinder Lallen +Weint der graue Büßer Kosme, +Denn um seine Hütte wachsen +Weiße, rote, gelbe Rosen. + +Schamvoll, schuldvoll überschwankend +Wiegt die rote, blutge Rose -- +Ach, sie treffen ihn gleich Stacheln -- +Stumm zwei Knospen an der Sonne! + +Abgewendet von dem Alten +Unterm Zorn der dunklen Dornen +Läßt die gelbe Rose wanken +Tränenschwere Trauerglocken. + +Und die weiße Rose, zagend, +Gleicht dem Geiste einer Nonne, +Bleicht den Schleier weinend, wachend +Ewig unter Mond und Sonne. + +Jetzt auch zu dem Bache wandelt +Rosablanka, während Kosme +Betend liegt; mit kühlem Wasser +Netzt sie Wange, Brust und Locke, + +Ihre Stimme noch umfangen +Von des Traumes Nebelkrone, +Und die Augen scheu umflattert +Von der Sonnenbilder Flocken. + +Doch des Wassers Spiegel mahnet +Zu dem frommen Wunsch die Fromme: +"Könnte alle Schuld ich zahlen +Mit der goldnen Flut der Locken!" + +Ihre Worte hört der Alte, +Und spricht zu ihr: "Fromme Tochter, +Sei gesegnet an dem Tage, +Da du bist zum Licht geboren! + +Aber bleich sind deine Wangen, +Und die Augen trüb umfloret?" -- +"Vater, schwere Träume brachte +Diesen Morgen mir Aurore. + +Überm Haupte bang gespannet +Schwankt und droht des Traumes Bogen, +Den zerbrochen mir die Schwalbe, +Niederträufelnd einen Tropfen." -- + +"War es Feuer, war es Wasser, +Rosablanka, was dir drohte? +War erwühlet dir der Garten? +Bebte unter dir der Boden?" -- + +"Ja, es waren Tränen, Vater, +Und es war die Glut der Rosen, +Und um göttliches Erbarmen +Ward erwühlt des Gartens Boden." -- + +"Wehe! wehe! Rosablanka, +Der gewühlet in dem Boden, +Fand er göttliches Erbarmen +Oder blieb sein Werk verloren?" -- + +"Er ging unter still ermahnend, +Über ihm ist aufgeschossen +Eine bunte, schöne Schlange, +Dringend hin nach meinen Rosen." + +"Wehe! wehe! Rosablanka, +Gabst du hin die heilgen Rosen? +Hat die bunte, schöne Schlange +Dich mit bunter Luft betrogen?" + +"Von dem Himmeln kam gegangen +Die den Heiland hat geboren; +Sie zertrat das Haupt der Schlange +Und ich gab ihr hin die Rosen." -- + +"Sei gesegnet, Rosablanke, +Für die Worte voller Trostes! +Daß sich mein der Herr erbarme +Mag ich nun in Demut hoffen." -- + +Tiefbeweglich sprach der Alte, +Und es wagte nicht die Fromme +Nach der Rede Sinn zu fragen, +Sie sah schüchtern an den Boden. + +Aber zu der Hütte wandeln +Beide nun, und Vater Kosme +Spricht: "Nun gehe zu dem Garten, +Fülle deinen Schoß mit Rosen, + +Während ich die Honigwaben +Und das Wachs, das diese Woche +Ich zu Kerzen zog und malte, +Dir in deinen Korb geordnet. + +Nach Bologna mußt du wandern, +Eh noch höher steigt die Sonne, +Dort verkaufe deine Ware +Bei den schwarz und weißen Nonnen. + +Zwanzig Soldi nur an barem +Gelde nehme ich vom Kloster; +Was dir bleibt von deinem Wachse, +Tausche ein um weiße Brote. + +Bringe mir auch Purpurfarbe, +Einen Gran geriebnen Goldes, +Und Ultramarin zwei Asse +Aus dem Kram am römschen Tore. + +In dem Kloster zu Sankt Claren +Gibt dem Meßner zwanzig Soldi, +Daß er morgen, eh es taget +Eine Seelenmesse ordne. + +Morgen sind es zwanzig Jahre +Daß die Mutter dir gestorben. +Herr, dich ihrer Seel' erbarme +Durch die Mutter deines Sohnes! + +Ew'ge Ruhe gibt den Armen, +Die der Erde Schoß bewohnen." -- +Amen! betet Rosablanke, +Und geht weinend nach den Rosen. + +Da sie kehret, hat der Alte +Ihr den Korb schon wohlgeordnet, +Drüberhin ein Tuch gespannet, +Darauf gießt sie aus die Rosen. + +"Was dir bleibet, Rosablanke, +Gib den Armen oder opfre; +Gehe in Gottes Namen." -- +Und sie gehet mit dem Korbe. + +Kosme schließt das Tor des Gartens +Und der Hütte kleine Pforte, +Riegelt ein sich in der Kammer, +Wäre gern allein verschlossen. + +Aber nicht am Tor des Gartens, +Nicht an seiner Hütte Pforte, +Noch der Kammer, hört den Hammer +Er des strengen Gläubgers pochen. + +In den Bußen wohnt der Mahner +Alter Sünde, und die Rose +Mahnt am Fenster, und die Schwalbe, +Seiner Armut Gast, mahnt Kosme. + +Und die fromme Rosablanke, +Die mit goldner Flut der Locken +Möchte alle Schuld bezahlen, +Ist der strengste Gläubger Kosmes. + +Zu der Hütte letzter Kammer +Schleichet bang der alte Kosme, +Dort hält er den Schatz des Jammers +Sich im festen Schrank verschlossen. + +Eine Locke blonder Haare, +Die Gewande einer Nonne +Nimmt er weinend aus dem Kasten, +Und dann eine schwere Rolle. + +Er befestigt sie am Rande, +Und es rollet zu dem Boden +Ein Gemälde, das der Maler +Unvollendet, halb entworfen. + +Unten auf dem Meer der Schatten +Schwankt, umwogt von dunklen Wolken, +Ohne Steuer, ohne Flagge, +Bleich der Kahn des halben Mondes. + +An den Seiten aufwärts wallen +Opfersäulen grauer Wolken, +Die den Regenbogen tragen, +Des Triumphes Friedenspforte. + +Um des Tores Bogen ranken +Engel sich, aus rotem Golde, +Und von ihren Händen fallen +Purpurrote Morgenrosen. + +Wo sie zu dem Monde fallen +Scheinet er von blankem Golde +Eine Sichel, die am Abend +Rosen streute für Auroren. + +Aber nächtlich hat die Schlange +Um die Sichel sich gerollet. +O erscheine, Herr des Gartens, +Tritt den Lügner an den Boden! + +Denn inmitten dieser Tafel +Ist noch kaum ein Strich gezogen, +Gleich des Blinden Auge starret, +Gott erharrend, hin der Bogen. + +Jährlich nur an diesem Tage +Weint vor dem Gewand der Nonne +Und der Locke goldner Haare, +Büßt vor diesem Bilde Kosme. + +Wie, an heilgen Jahrestagen +Nur, die Kirche die Kleinode, +Die Reliquien des Schatzes +Auftut, zu der Frommen Troste, + +So auch liegt der Schatz des Jammers +Jährlich vor dem Büßer offen +Da geboren Rosablanke, +Da die Mutter ihr gestorben. + +Die in schwerer Schuld empfangen, +Die in schwerer Schuld gestorben, +Und es ist der Sünde Vater +Rosablankas Vater Kosme. + +Bis in tiefer Reue Flammen +Der Verzweiflung Erz geschmolzen, +Weinet Kosme in der Kammer +Vor dem Bild und Kleid der Nonne. + +Und als in des Büßens Asche, +Wie der Blick geschmolznen Goldes, +Hoffnung ihm entgegenlachet, +Geht bereiten er das Opfer. + +Er gießt aus gebleichtem Wachse, +Das im Mittagsstrahl zerflossen, +Eine hohe Totenfackel, +Einer Schlange gleich geformet. + +Malt sie an mit bunten Farben, +Schmückt sie auch mit Punkten Goldes; +Brennen soll sie am Altare +Bei der Totenmesse morgen. + +Und so hat er still gemalet, +Bis zum Garten ging des Mondes +Blanke Sichel, und des Abends +Rosen streute für Auroren. + +** Romanze III: Meliore und Apone + +Ruhig steht mit seinem Buche +Schon Meliore auf der Straße, +Vor dem Haus der hohen Schule +auf die Mitgenossen harrend. + +Er bedenkt die tiefsten Punkte, +Die Apone vorgetragen, +Wünscht ihm eine leichtre Zunge +Und sich schärfere Gedanken. + +Daß die Welt aus Gott entsprungen, +Und doch nicht von ihm erschaffen; +Daß Gott sei im Mittelpunkte, +Wo auch nichts sei und doch alles -- + +Dieses scheint ihm höchstens dunkel; +Aber da er Apo fragte, +Sprach der Lehrer: "Es war dunkel, +Da das Licht noch war im Schaffen. + +Bildend in den Kreaturen, +Hatte es nicht Zeit zu strahlen; +Also sei es dir kein Wunder, +Daß es noch bei dir nicht taget. + +Fühlst du erst die Macht des Dunkels, +Dann magst du nach Licht recht schmachten, +Nur der Durstgen Wünschelrute +Wird auf kühle Brunnen schlagen. + +Ist es mir erst recht gelungen +Euch ins Dunkle einzufangen, +Dann zu sehn des Lichtes Wunder, +Mögt ihr selbst ins Aug euch schlagen." -- + +Und so gab er sich zur Ruhe, +Wollte nicht mehr weiter fragen, +Ließ ergeben sich hinunter +In der Weisheit Stollen fahren. + +Harmoniam der Naturen, +Welche auf smaragdner Tafel +Nach der Sündflut aufgefunden +Zara, in Hermetis Grabe, + +Und der Dinge Signaturen +Hat schon Apo vorgetragen, +Und beinahe ists schon dunkel, +Daß man sich ins Aug möcht schlagen. + +Aber heute in der Stunde +Wird er hohe Dinge sagen, +Von der Töne Macht und Wunder +Und der Kunst des Liebestrankes. + +O, daß er die ganze Stunde +Lehrte von dem Liebestranke, +Denn Meliore kennt die Wunder +Harfenklanges und Gesanges. + +Denn es schlug die Liebeswunden +Ihm Biondettas Wunderharfe, +Die um Tanz und Sang und Tugend +Man die heilge Tänzrin nannte. + +Doch nun hört an dem Turme +Eine Viertelstunde schlagen, +Und durchs Fenster in der Schule +Apos Stimme lehrend schallen. + +Da er so versäumt die Stunde +Von der Kunst des Liebestrankes, +Will er eilen zu dem Brunnen, +Wo der Trank lebendig wallet. + +Trunken schlugen seine Pulse, +Da er ihrer Wohnung nahet; +Wie durch dunkle Grüfte, rufend +Sich, verwandte Quellen wandeln, + +Sich in ewiger Unruh suchen, +Aber fest in Stein gefangen, +Murmelnd ungeduldig sprudeln, +Können nicht zusammenfallen. + +An Biondettens Fenster duftet +Einer blühnden Linde Schatten, +In den Zweigen gehn zur Schule +Gern die süßen Nachtigallen. + +Lauschen in den Dämmerungen +Auf der Jungfrau Sang und Harfe, +Wenn die Meisterin verstummet +Wiederholen sie es lallend. + +In Bewundrung ganz betrunken +Singt das Bölklein durcheinander, +Die Studentlein ohne Ruhe +Mit dem Federmantel schlagen. + +Oft auch mischt ein frecher Kunde +Drein den ungewaschnen Schnabel, +Und die Sänger all im Sturme +Fassen, rupfen ihm den Kragen. + +Und entflohn zum nahen Turme +Lehrt der Star die andern Stare +Eines höhern Standpunkts Schule, +Gründend auf der Wetterfahne. + +Klagt auch, daß die andern drunten +Seine Hauptideen stahlen, +Macht ein kunterbunt Gemunkel, +Läßt in alle Welt es tragen. + +Doch in den Begeisterungen +Weiß die Jungfrau nichts von allem, +Sie hat nur vor Gott gesungen, +Lauschen gleich die Nachtigallen. + +So vergleicht der hohen Schule +Er der hohen Linde Schatten, +Wo in überflüssgen Zungen +Ihm Biondettens Sang verhallet. + +Ach! er möchte hin zum Grunde +Stürzen dieses Baumes Schatten, +Oder in den Zweigen ruhend, +Die ihm bloß ertönt, betrachten. + +Doch ein Bild von Gottes Mutter +Steht auf einsamen Altare +Bei der Linde, ihre Kuppel +Wölbet ihm des Tempels Halle. + +Ihm zur Seite steht ein Brunnen +Einsam wie das Bild, es fallen +Leis der Linde Blüten runter +Auf den Spiegel seines Wassers. + +Arm ist wohl das Bild an Schmucke, +Handel-, wandellos die Straße, +Aber nächtlich hört die Mutter +Hell Biondettens süßes: Ave! + +Und geht sie, im bunten Putze +Schimmernd, zu der Bühne abends, +Teilt sie fromm die Flitterblumen +Mit Marien, voll der Gnaden. + +Auf des Altars öder Stufe +Keimen Blümlein in dem Grase; +Nahe ist das Tor, hier ruhen +Gern, sich ordnend, müde Wandrer. + +Denn hier steht ein kühler Brunnen +Einsam wie das Bild, es fallen +Leis der Linde Blüten runter +Auf den Spiegel seines Wassers. + +Still an des Altares Stufen +Kniet Meliore und betrachtet +Glaubend, was mit Dämmerungen +Ihm der Schule Geist umnachtet. + +Eine Jungfrau kömmt zum Brunnen; +Zu der Stadt trägt Rosablanke +Einen Korb mit Wachs und Blumen, +Sprengt die Rosen an mit Wasser. + +Sitzt zu ruhn dann auf die Stufen +Bei dem Jüngling am Altare, +Ihre züchtgen Augen wurzeln +Bang auf der Gestalt des Mannes. + +Die erfrischten Rosen rufen, +Und er blickt nach Rosablanken; +Wie der Born geweckt die Blumen, +Weckt sein Blick die Rosenwange. + +Von geheimer Macht bezwungen +Spricht die Jungfrau: "Herr, im Garten +Bot ich heut dir diese Blumen, +Und du hast sie ausgeschlagen. + +Grubst dir emsig eine Grube, +Und empor schoß eine Schlange; +Du gingst in der Grube unter, +Ach in mir ist dieser Garten! + +Es erschien mir Gottes Mutter +Und zertrat die böse Schlange, +Und doch fühl ich mich verwundet, +Da ich lebend dich betrachte!" + +Und Meliore spricht verwundert: +"Du klagst einem kranken Arzte, +Rettung müßte ich sonst suchen +Vor der Schönheit meiner Kranken. + +Du sagst wahr: Längst ging ich unter +In der Wangen Rosengarten, +Der Gesang des süßten Mundes +War mir eine bunte Schlange. + +Aber hier steht Gottes Mutter. +Daß sie unser sich erbarme, +Lasse um die Stirn ihr duftend +Einen Kranz von Rosen prangen!" + +Und er sitzet auf den Stufen, +Flichten den Kranz mit Rosablanken; +Da bricht durch der Linde Dunkel +Zu dem Bild Biondettens: Ave! + +Und es krönet Gottes Mutter +Schon Meliore mit dem Kranze, +Und Biondettens Lied verstummet, +Bitter weinet Rosablanke. + +Ihr zum Herzen hingedrungen +Sind die Fluten des Gesanges, +Ihr im Busen ist entsprungen +Eine Quelle des Verlangens. + +Und der Tränen Flut wird suchen +Stets die Fluten des Gesanges, +Bis sie einst durch Gottes Wunder +Selig ineinander fallen. + +Doch nun eilet mit den Blumen +Nach dem Kloster Rosablanke, +Weil von Schülern dicht umrungen +Apo sich der Linde nahet. + +Er mag gern mit seinem Zuge +Durch Biondettens Straße prangen, +Und sie bei dem nahen Turme, +Wo er hauset, stolz enlassen. + +Ernsthaft mit gezogenem Hute +Folgt die Schar dem finstern Manne; +Vom Altare springt herunter +Schnell Meliore, ihn erwartend. + +Nahet nach demütgem Gruße +Ruhig dann dem finstern Manne. +"Daß ich heut versäumt die Schule" -- +Spricht er -- "muß ich leider klagen. + +Ungeduldig, ohne Ruhe, +Konnt ich nicht die Zeit erwarten, +Und ging aus, sie aufzusuchen, +Aber ich bin irr gegangen." + +Zu ihm spricht mit höhnscher Zunge +Apo, scharf ins Aug ihm fassend: +"Und der Irrgang scheint gelungen, +Angenehm ist dieser Schatten. + +Dieser Baum hegt geistge Zungen. +Einen Vogel zu erhaschen, +Bist du zum Altar gesprungen, +Und doch führst du leere Taschen." -- + +"Meister, nein! das Haupt der Mutter +Krönt ich mit dem Rosenkranze, +Während ich, bis du zum Turme +Kehretest, deiner hier geharret. + +Denn ich wollte dich ersuchen, +In der Kürze mir zu sagen, +Was in der versäumten Stunde +Mir vom Liebestrank entgangen. + +Denn der Töne Macht und Wunder +Kann ich mir schon deutlich machen; +Dieses Baumes geistge Zungen +Über mich sind ausgegangen." + +Apo spricht: "Der Töne Wunder +Lehrte dich der Linde Schatten, +Lerne nun von diesem Brunnen +Auch die Kunst des Liebestrankes." -- + +"Meister, höchlich ich bewundre, +Wie du fein mich höhnend strafest; +Ach! zu tief ist mir der Bunnen, +Und der Eimer schöpft nur Wasser. + +Auf des Glanzes Spiegel unten +Sah ich oft ein Antlitz strahlend +Durch die grünen Zweige funkeln, +Aber nimmer steigts zum Rande. + +Treulos immer ists verschwunden, +Wenn ich weisheitsdurstig nahte. +Nur das Bild von Gottes Mutter +Weilte ruhig meinen Klagen. + +Und so krönt ich sie mit Blumen, +Daß, nach gleichem Preis verlangend, +Auch das schönre Bild des Brunnens +Gütger meiner Andacht achte. + +Doch noch immer muß im Durste +Ich am kalten Rande schmachten, +Möcht hinab zu einem Kusse +Stürzend mich im Tode baden." -- + +"Trage Wasser in den Brunnen." -- +Spricht der Meister -- "bis zum Rande, +Dann magst du die durstge Zunge +Bald im kühlen Spiegel laben." -- + +"Meister, was dir nie gelungen", +Spricht Meliore, "soll ich wagen? +Seit dem Teufel hat die Schule +Wasser in den Born getragen. + +Doch des Himmels Spiegel unten +Ist noch nie heraufgewallet; +Von der Schule zu gesunden +Will den Blick ich aufwärts schlagen." + +So sprach er im Jugendmute, +Als er fühlt der Rede Stachel. +Apo spricht: "Ich sag dem Kruge: +Gehe, bis du brichst, zum Wasser! + +Kühner Knabe, willst du Funken, +Fange eh du streichst die Katze!" +Zornig geht er dann zum Turme, +Und Meliore steht verlachet. + +** Romanze IV: Rosablanka und Biondetta + +Nieder auf Bolognas Gassen +Brennt die volle Mittagssonne, +Und aus hohen Schloten wallen +Weiß des dichten Rauches Wolken. + +In den Kellern klimpern Flaschen, +Und auf kühlem Marmorboden +Wird mit silbernem Gerassel +Schon des Reichen Tisch geordnet. + +Suchend hie und da den Schatten, +Schleichen von der Klosterpforte +Auch die Bettler zu dem Mahle, +Mit dem vollen Suppentopfe. + +Und der Ochse lauscht am Wagen, +Wiederkäuend in der Sonne +Einsam auf dem heißen Markte, +Auf das Plätschern hoher Bronnen. + +Aber in der Linde Schatten, +Wo die fromme Tänzrin wohnet, +Scheint der Mittag selbst entschlafen +An dem lieben, stillen Bronnen. + +Leis umgrast von seinem Lamme +Auf dem dicht berasten Boden +Ruht ein süßer, kleiner Knabe, +Schlummerglühnd in goldnen Locken. + +Jede Blüte hör ich fallen, +Hör des Knaben leisen Odem, +Und die reine Rosablanke +Tritt einher mit ihrem Korbe. + +Auf den Stufen des Altares, +Wo sie früh den Kranz geflochten, +Ladet sie zum armen Mahle +Kindlich ein die Mutter Gottes. + +Eine goldne Honigwabe, +Auch ein Stückchen weißen Brotes +Und die milchgefüllte Flasche +Nimmt sie aus dem weißen Korbe. + +Da erwacht der blonde Knabe +Und steht harrend bei dem Bronnen, +Und es rief ihn Rosablanke: +"Komm, ich geb dir Honigbrote!" + +Und er nahet mit dem Lamme +Freundlich sich der Jungfrau Schoße, +Auch ein Vöglein kommt zu Gaste +Von der Linde abgeflogen. + +Liebreich lächelt Rosablanke, +Heißt sie allesamt willkommen, +Und es spricht der blonde Knabe: +"Du bist mild, o fromme Tochter! + +Was du teilest mit den Armen, +Das hast du dem Herrn geboten, +Der sich deiner wird erbarmen +In der Stunde deines Todes!" + +Von der Gäste lautem Danke +Ward Biondetta hergelocket, +Schaut herab zur offnen Tafel, +Will mit ihrer Kunst sie loben. + +Leis ergreift sie ihre Harfe, +Singet still herabgebogen: +"Heil dir, Jungfrau, mit dem Lamme, +Mit dem Knaben, mit dem Vogel. + +Über deinem frommen Mahle +Weile gern das Auge Gottes, +Denn so liebe Gäste saßen +Einstens um das Tischlein Josefs. + +Herr, dies Mahl laß dir gefallen +Zum Gedächtnis deines Sohnes, +Und die arme irdsche Harfe +Klinge bald am Himmelstore." + +Als die Worte niederklangen, +Saß die Jungfrau stille horchend, +Ließt die Gäste munter naschen +Brot und Honig aus dem Schoße. + +Und Biondetta flüstert sachte: +"Mägdlein, sieh nach deinem Korbe, +Denn das Lamm hat mit der Nase +Schon das weiße Tuch erhoben. + +Kindisch horchend meiner Harfe, +Bist du um dein Brot gekommen: +Darf ich dich zu Gaste laden, +So tritt ein in meine Pforte!" + +Doch nun spricht der blonde Knabe: +"Eh du gehest, fromme Tochter, +Gib drei Kerzlein mir vom Wachse, +Daß ich sie heut abend opfre. + +Ich will dir ein Lied auch sagen, +Wenn ich wieder zu dir komme, +Von dem Knaben und dem Lamme +Und drei wundervollen Rosen. + +Ich kenn deines Vaters Garten; +Will es Gott, so komm ich morgen." +Und sie gibt drei schön gemalte +Kerzen ihm, daß er sie opfre. + +Eine rote, eine schwarze: +Und er spricht: "Für dich, du Fromme, +Ist die weiße hier -- drei Farben +Will ich für drei Rosen opfern!" + +Und nun wendet sich der Knabe, +Spricht: "Gedenke dieses Morgens, +Denk der Schlange und des Mannes, +Folge seinen ernsten Worten. + +Daß sich unser mög erbarmen, +Der du gabst die frischen Rosen, +Die zertreten hat die Schlange, +Die den Heiland hat geboren!" + +Und nun schied er. Tief erbanget +Denkt die Jungfrau seiner Worte, +Bis Biondetta sie ermahnte +Mit der Saiten goldnem Tone. + +Ihren Korb nimmt Rosablanke; +Wie von lieber Hand gezogen +Steigt sie zu Biondettas Kammer +Und spricht schüchtern: "Willst du Rosen? + +Rosen, rot wie deine Wangen, +Kerzen, rein und schlank gezogen, +Wie dein klarer Leib gestaltet?" +Sprichts und zieht das Tuch vom Korbe. + +Kann die Antwort nicht erwarten, +Setzt sich nieder an den Boden, +Fleht: "O schlage an die Harfe, +Singe, singe rein und golden!" + +Und Biondetta spricht: "O klare +Jungfrau, schöne Harfe Gottes, +Woll an meinem Herzen schlagen +Von den Armen lieb umschlossen!" + +Und es sinket Rosablanke +Ihr ans Herz, und heilig lodert +Über sie die Gottesflamme, +Daß die Seelen dicht verschmolzen. + +Daß von ihren süßen Wangen, +Von den rot und weißen Rosen, +Von dem Klang verborgner Harfen +Heilge Tränenquellen flossen. + +"Hörst du, hörst du, wie vom Klange +Mir des Herzen Saiten pochen, +Wie von göttlichem Gesange +Sich ein Netz um uns gezogen? + +O, wer bist du? meine Arme +Haben einen Schatz gehoben; +O, wer sind wir, die sich fanden? +Sprich, wo wir uns einst verloren?" + +Also ward in süßen Fragen +Ihrer Arme Bund erschlossen, +Der mit heimlichen Gewalten +Ihrer Seele Bund geschlossen. + +"Da ich früh heut am Altare +Einen Rosenkranz geflochten, +Fühlte ich in dem Gesange, +Liebe, mich an dich verloren. + +Durch die Rosen meines Kranzes +Und durch meines Blutes Rosen, +Die in Lieb und Andacht wachsen, +Flocht ich deine Töne golden!" -- + +"Da ich dich gesehn beim Mahle +Mit dem Knaben, Lamm und Vogel, +Fühlte ich ein tief Erbarmen, +Daß ich hier so einsam wohne. + +Wie ein Himmelsglanz die Kammer +Heilgen Möchen in Visionen +Füllet, also füllte strahlend +Mich Verlangen, Lieb und Hoffen!" + +Um sich blicket Rosablanke, +Sieht das Stübchen wohl geordnet, +Spiegelblank sind Stuhl und Tafel, +Schrank und Wand von edlem Holze. + +Reicher Stoff in reichen Falten +Schwebet um der Fenster Bogen, +Und ein Bilderteppich spannet +Augerquickend sich am Boden. + +Und wo es erwünscht, da ragen +An den Wänden, halb erhoben, +Kunstgebildete Gestalten: +Mensch und Vase schön geformet. + +Marmor, Glas und Alabaster, +Erze, Silber, Gold und Bronze, +Die Metalle und Kristalle +Sprechen, was der Meister wollte. + +"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater, +Der dir all dies Gut erworben? +Solchen Reichtum zu betrachten, +Ist mir füher nie geworden." -- + +"Nur der Welt gehört dies alles," +Spricht Biondetta, "aber folge +Jetzt mir auch zum eigenen Schatze, +Den ich selber mir erworben. + +Trete in die enge Kammer, +Sieh mein Bett von trocknem Moose, +Wo ich mit dem Licht erwache, +Mit der Schwalbe Gott zu loben. + +Vor dem Fenster schwebt ein Garten +Auf der alten Mauerkrone, +Wo zwei süße Nachtigallen +Meine Lieder wiederholen. + +Aber deine Augen fragen, +Was das Tüchlein dort verborgen +Über meinem Betstuhl halte: +Sieh, das Bildnis einer Nonne. + +Schlecht ist nur das Bild gemalet, +Doch in seinen Zügen wohnet +Strenge, die mich liebreich strafet, +Liebe, die mich ernsthaft lobet. + +Heiliger als alles, alles, +Ist mir dieses Bild geworden, +Seinen Linnenvorhang achte +Höher ich, als sei er golden. + +Aber über deine Wangen +Seh ich sanfte Tränen rollen?" +"Kann ich," saget Rosablanke, +"Vor dem Bild nicht weinen wollen? + +Denn ich seh auf seinen Wangen +Blasser Lilien Kelch erschlossen, +Der von Tränen bittren Grames +Bis zum Tode überflossen. + +Wer hat dir das Bild gemalet, +Wer hat dir das Tuch gesponnen, +Daß sie lieb dir über alles +Und mir auch so lieb geworden?" -- + +"Was ich weiß, sollst du erfahren," +Spricht Biondetta, "doch zu sorgen +Bleibt mir vieles noch heut Abend; +Ich muß meinen Putz noch ordnen; + +Muß noch stimmen Leir und Harfe +Und die Lieder wiederholen, +Denn schon mahnet mich der Schatten +Meiner Uhr dort an der Sonne." + +Schüchtern fraget Rosablanke: +"Hohe Gäste hat entboten +Wohl dein Vater für heut Abend, +Die so reichen Putz erfordern?" -- + +"Alles das will ich dir sagen," +Spricht Biondetta, "doch nun folge +Mir zu meinem Kleiderschranke, +Hilf mir die Gewande ordnen." + +Vor den Blicken Rosablankens +Stehn die blanken Türen offen: +Ach die seltsamen Gewande +Und die bunten, reichen Stoffe, + +Und die schönen Blumen, wankend +Bei den Sternen silbern, golden, +Wie die zarten Federn schwanken # schwonken +Um die leichten, duftgen Flore, + +Wie die Diamanten strahlen +Lachend in rotgoldnen Kronen, +Wie die Perlenschnüre fallen +Weinend durch des Purpurs Wogen. + +Und in blanken Silberpanzern +Spiegeln dunkle Seidenrosen, +Windend sich um Schwert und Lanze +Aus des Goldhelms stolzem Schoße. + +Muschelhut und Pilgerflasche +Hängt am sarazenschen Bogen, +Falsche Stern und Monde prangen +Auf des Turbans üppgen Wolken. + +Flitterschuhe und Sandalen, +Bei Kothurn und Goldpantoffeln +Und gespornten Schienen, paaren +Traulich unten sich am Boden. + +"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater, +Der dir all dies Gut erworben?" -- +"Nur der Welt gehört dies alles, +Ich bin freier Künste Tochter. + +Muß auf offner Bühne tanzen, +Bin zur Lust der Welt erzogen; +Heute sind es nun sechs Jahre, +Daß ich sang die erste Rolle. + +Heute sind es zwanzig Jahre, +Daß ich bin gefunden worden +Als ein Kindlein am Altare, +Wo du früh den Kranz geflochten. + +Findelkind Mariens nannte +Mich die Tänzrin, die hier wohnte, +Ihr verdank ich Sang und Harfe, +Sie ist meine Mutter worden. + +Was mit Staunen du betrachtest, +Ist das Gut, das sie erworben +Und mir gütig hat gelassen, +Als ich sie im Tod verloren. + +Da zur Jungfrau ich erwachsen, +Übernahm ich ihre Rollen, +Und sie hat vom offnen Wandel +Sich zu Gott zurückgezogen. + +In dem Kloster zu Sankt Claren +Ward sie endlich aufgenommen. +Und im heilgen Kleid begraben +Als ein Mitglied jenes Ordens. + +Sterbend hat sie mir gestanden, +Daß ich ihre Findeltochter, +Und mir Zeit und Ort gesaget, +Da ich bin gefunden worden, + +In dem Tüchlein eingeschlagen, +Mit dem Bilde jener Nonne, +Und dem Ringlein, das ich trage, +Am Altare bei dem Bronnen. + +Heute sind es zwanzig Jahre; +Freitag nachts, als aus der Oper +Einsam sie nach Haus gegangen, +Nahm sie auf mich von dem Boden. + +Hat mit mir sich in der Kammer +Mutterheimlich eingeschlossen, +Und von den gemalten Wangen +Liebestränen auf mich flossen. + +Da sie sterbend mir dies sagte, +Fragt ich: wer hat mich geboren? +Doch sie konnte mirs nicht sagen, +Ihre Lippe war verschlossen. + +Ihre Blicke, aufgeschlagen, +Sahen nach dem Bild der Nonne, +Und auf ihre bleichen Wangen +Kalte Tränen niederflossen, + +Die noch traurig darauf standen +Als ich ihr das Aug geschlossen; +Und so sind mit ihr mir Armen +Beide Mütter mir gestorben: + +Die mich hilflos mußte lassen +Als sie mich zum Lichte geboren, +Die mich treu in ihre Arme +Als ein Kind hat aufgenommen. + +Heute nun zum letzten Male +Will ich tanzen in der Oper, +Will ich meine Wangen malen +Meiner Lehrerin zum Lobe, + +In der Künste bunter Flamme +Ihrem Leben noch dies Opfer, +Und dann fromm die jungen Tage +Opfern ihrem selgen Tode." + +Alles höret Rosablanke, +Dinge, die sie nie vernommen, +Über manches möcht sie fragen, +Stünd der Schrank nicht vor ihr offen. + +Lange steht sie vor den Masken, +Wie umgafft von fremden Volke; +Kindisch wagt sie nicht zu fragen, +Wer die Augen ausgestochen. + +Doch fragt sie bei Armors Larve, +Der ein Band von leichtem Flore +Um die Augen war gefaltet: +"Ist ihm auch das Aug genommen?" -- + +"Da ich einstens trug die Larve, +Sprach Apone unterm Volke: +Wer darf deine Mutter tadeln, +Wenn du spielst des Vaters Rolle! + +Da erglühten meine Wangen, +Durch die Maskenöffnung rollten +Heiße Tränen, und die Farben +Um die Augen her verloschen. + +Darum hab ich mit dem Bande +Diesen Schaden schnell verborgen, +Und blieb ferner an dem Abend +Von dem Toren unverspottet. + +Aber nun sollst du die Haare +Mir für heute Abend ordnen, +Wie um eine Silbernadel +Du die deinen hast geflochten. + +Willst du mir die Zöpfe machen? +Ich knie nieder an den Boden, +Und indessen sollst du sagen, +Wer dein Vater, wo du wohnest." + +Und sie flicht Biondettens Haare, +Windet sie in feste Knoten, +Während sie vom Rosengarten +Spricht und von dem Vater Kosme. + +Wie im Traume heut die Schlange +Gegen sie emporgeschossen, +Wo der ernste Mann gegraben, +Der versunken in den Boden. + +Wie dann später am Altare +Sie ihn wieder angetroffen: +"Ach, da hört ich deine Harfe, +Hab mit ihm den Kranz geflochten! + +Und jetzt hat der blonde Knabe +Mit dem Lamme und dem Vogel +Zu bedenken ernst ermahnet, +Was der ernste Mann gesprochen. + +Ach, ich bin mit Angst umfangen! +Mich umdrängen diesen Morgen +Jener Mann, der Knab, die Schlange, +Du, dein Glanz, das Bild der Nonne! + +Beten will ich noch heut Abend, +Beten, recht von Herzen, morgen +An der armen Mutter Grabe, +Die mich sterbend hat geboren. + +Auch sie ruhet bei Sankt Claren; +Ich hab morgen angeordnet +Ihre Messe, eh es taget; +Willst auch du hin beten kommen? + +Aber halte fest, du wankest! +Sieht, jetzt durch den Flechtenknoten +Steck ich meine Silbernadel, +Bleib der Geberin gewogen!" + +Und Biondetta spricht: "Die Nadel +Will ich heut ins Herz mir stoßen, +Wenn ich auf des Spieles Bahnen +Mich dem schönsten Tode opfre. + +Wenn die Fluten des Gesanges +Weltlich alle sind zerronnen, +Wenn die Schwingungen des Tanzes +Alle nieder sind gezogen. + +Wenn die Saiten meiner Harfe +Weltlich alle sind gebrochen, +Denk ich deiner, Rosablanke, +Dient die Nadel mir zum Dolche! + +Und das Ringlein, das ich trage, +Das mit mir gefunden worden, +Nimm es hin zur Gegengabe! +Also bin ich dir gewogen! + +Aber wähl auch aus dem Schranke +Irgend ein Gewand dir, Holde! +Zur Erinnrung dieses Tages +Zeige es dem Vater Kosme. + +Morgen will ich Sankt Claren +Zu der Totenmesse kommen, +Und dann dir zum Rosengarten +Deines ernsten Vaters folgen." + +Lange wählet Rosablanke +Welch Gewand sie nehmen sollte, +Und Biondetta singt zur Harfe, +Ihre Rolle wiederholend: + +"Lebet wohl, ihr falschen Farben, +Eitler Tränen Regenbogen, +Sterne, die mit falschem Glanze +Dienten einem Flittermonde! + +Meine Tränen sollen wachsen, +Daß sie mit den bittern Wogen +Ganz mein Irdsches überwallen, +Bis die Schuld ist hingenommen. + +Aus dem Argen in die Arche +Geh ich, eine Tochter Noä, +Kleide mich in schwarzer Farbe, +Wie der Rabe ausgeflogen. + +Kleide schwarz mich gleich dem Raben, +Der als Bote ausgeflogen, +Und so traurig auf den Wassern +Schwebte, bis sie abgenommen. + +Schleire mich mit weißer Farbe +Gleich der Taube, die als Bote +Wiederkehrte mit dem Blatte, +Das dem Friedensbaum entsprossen. + +Sei gegrüßt, du Tag der Gnade! +Durch den Friedensbogen Gottes +Will ich zu den Vätern wallen +Auf der Opferflamme Wolken." + +Also sang sie. Rosablanke +Wählt das Röcklein einer Nonne, +Weiß den Schleier, schwarz den Mantel, +Wie die beiden Friedensboten. + +Da sie dies im Korb bewahret, +Und ihn auf das Haupt gehoben, +Singen scheidend sie zusammen, +Wie Biondetta angehoben: + +"Lebet wohl, ihr falschen Farben, +Eitler Tränen Regenbogen, +Sterne, die mit falschem Glanze +Dienten einem Flittermonde!" + +** Romanze V: Guidos Bild + +Welch Getümmel in der Ferne, +Welche wilde, freche Stimmen? +Ach, ich höre Degen wetzen, +Höre böse Klingen klirren! + +Näher, näher um die Ecke, +Ganz von Fechtenden umringet, +Weicht Meliore, mit dem Degen +Hebt er künstlich auf die Stiche. + +"Freistatt!" ruft er dann befehlend, +Springend nach Mariens Bilde, +"Diese Zuflucht müßt ihr ehren!" +Und sein mutger Ruf gelinget. + +Denn ein Angesehner stellet +Sich an seiner Gegner Spitze. +"Wackre Knaben, meine Herren, +Lassen Sie uns hier besinnen, + +Fromm und höflich unsre Degen +Senken und fein salutieren, +Höflich schöner Frauen wegen, +Fromm vor dem Marienbilde! + +Daß Meliore eingestehe, +Daß uns Zucht und Sitte bindet, +Wie für Wissenschaft gesehen +Er die raschen Klingen blinken. + +Darum will ich mit ihm reden, +Unsern Streit nun auszumitteln!" +Sprichts's und tritt dem Feind entgegen, +Den die ganze Schar umzingelt. + +Doch an den Altar gelehnet, +Lauscht Meliore auf zur Linde, +Er hat allen Streit vergessen, +Denn er hört Biondettens Stimme. + +Jener aber spricht: "Mein Bester, +Keine Wahrheit ist zu finden +Hier in diesem bunten Leben, +Darum laßt uns Frieden stiften! + +Und da Liebe nur im Sterben +Kann gefunden" ... "Stille, stille!" +Spricht Meliore, "ach, es wehet +Auch kein Lüftchen in der Linde!" -- + +"Willst du's kurz?" fragt dann der Redner. +Und Meliore spricht ergimmet: +"Schweigt sie, magst du ewig reden, +Schweige ewig, wenn sie singet!" + +Jener spricht, zurück sich wendend: +"Schweigen sollen wir, sie singet!" +Aber in dem Kreis erheben +Heftig schreiend sich die Stimmen: + +"Er soll gleich zurück jetzt nehmen, +Was er Apo sprach zum Schimpfe; +Laßt uns mit dem Degen wetzend +Überlärmen seine Dirne!" + +Und ein frecherer Geselle +Schreit hinauf: "Ha! schweig sie stille, +Heilge Jungfrau, um die Wette +Wollen wir mit ihr eins singen!" + +Aber wütend an der Kehle +Packt Meliore ihn und ringet +An den Boden hin den Frevler, +Und es heben sich die Klingen. + +Alle dringen ihm entgegen; +Auf den Altar fliehend springet +Nun Meliore, sich das Leben +In der heilgen Freistatt fristend. + +"Seinen Mantel werfe jeder +Nieder, der zu fechten willens, +Jedes Klinge will ich messen, +Dem ich Ehre abgeschnitten; + +Und da vor so vielen Gegnern +Ich wohl keine Rettung finde, +Darum laßt zu Gott mich beten +Nur noch wenge Augenblicke!" + +Eine tiefe Stille ehret +Seine Bitte, und er kniet; +Und von zwölfen breiten elfe +Ihre Mäntel um die Linde. + +Wie zwei aufgeschreckte Rehe +In gehemmter Flucht erzitternd +Stehn die Jungfraun stumm am Fenster, +Niederblickend durch die Linde. + +Als Meliore sie ersehen +Ruft er aufwärts: "Wenn ich sinke, +Liebesengel, Todesengel, +Bete für mich, wenn ich sinke!" + +Und nun springt er an die Erde, +Seinen Rücken deckt die Linde, +Zierlich grüßt er mit dem Degen +Jeden in dem weiten Ringe. + +Doch zuerst tritt ins Gefecht +Den er niederwarf im Grimme, +Und in tiefen Ängsten schwebend +Stehn die Jungfrauen und singen: + +"Gott und Vater, soll er sterben, +Lasse seinen Zorn sich stillen, +Daß er möge Heil erwerben +Um Herrn Jesu Leiden willen! + +Gott und Sohn! Schirm den Gerechten, +Decke ihn mit deinem Schilde, +Lasse ihn mit Ehren fechten +Hier vor deiner Mutter Bilde! + +Heilger Geist, das Herz erhelle +Ihm, dem frommen Schwertumklirrten, +Daß der böse Feind nicht stelle +Schlingen dem im Streit Verwirrten! + +Und Maria, Mutter, helfe, +Daß er seinen Judas finde, +Denn hier stehen wieder zwölfe, +Wie bei deinem heilgen Kinde!" -- + +"Gleiche Rechte, gleiche Rechte!" +Ruft der Gegner, "Brüder singet! +Hat er sich Musik bestellet, +Laßt mir auch ein Lied erklingen!" + +Und es bricht aus vollen Kehlen +Ein Gesang mit wildem Grimme; +An den stillen Mauern brechen +Widergellend sich die Stimmen: + +"Blanke Jungfern, blanke Degen +Muß man küssen, muß man schwingen; +Der Schwertfeger weiß zu fegen, +Sind sie rostig, unsre Klingen! + +Wenn der Metzger Messer wetzet, +Muß sein Weib ein Lied ihm singen, +Und das Kalb, vom Hund gehetzet, +Hilft sie leichter ihm bezwingen. + +Wetzt, ihr Brüder, wetzt die Degen, +Weil die schöne Jungfer singet, +Weil das Kalb sie uns entgegen +Singend aus dem Stalle bringet. + +Blanke Jungfern, blanke Degen, +Muß man küssen, muß man schwingen; +Der Schwertfeger weiß zu fegen, +Sind sie rostig, unsre Klingen!" + +Und schon mehret sich die Menge, +Hergelockt aus allen Winkeln, +Und es drohet aus der Ferne +Schon der schwere Tritt der Sbirren. + +Von dem wilden Sang erwecket, +Kam nun Apo auch zu Sinnen, +Der in seiner Weisheit Netzen +Hing wie eine giftge Spinne. + +Und kaum trat er auf die Schwelle, +Nähert sich der heilgen Linde, +Als ein Lebehoch entgegen +Ihm von allen Lippen dringet. + +Aber vor ihm fliegt ein Degen, +Senkrecht in die Erde dringend, +Den Meliore seinem Gegener +Kräftig aus der Faust legierte. + +Und Apone fragt verlegen: +"Wer hat diesen Gruß geschicket?" +Und Meliore spricht: "Vergebet, +Es ist meines Gegners Klinge. + +Nicht um Ehre, noch um Leben +Fecht ich hier, bloß um die Klinge: +Diese euch zu Füßen legend, +Wählt mein Glück euch selbst zum Richter. + +Und ich reich euch meinen Degen, +Weil ich kann mit beßrer Sitte +Weder rechten hier, noch fechten!" +Spricht Apone -- "Werdet stille! + +Denn es ist ein schwerer Frevel, +Jetzt Tumulte anzuspinnen, +Da der ganze Staat sich trennet +In zwei feindliche Partien. + +Wer jetzt offnen Lärm erreget, +Gleicht der Krähe, welche pickend +Auf dem hohen Alpenschnee +Anstoß gibt zu den Lawinen, + +Die sich wälzend mächtig schwellen +Und verderbend niederdringen, +Mit des kalten Eises Decke +Städt und Dörfer überrinnend. + +Übt ihr also meine Lehre, +Die euch auf die stolze Spitze +Höhrer Anschauung gestellet +Der Natur und der Geschichte? + +O, ihr kramt noch im Elenden, +Streitend um gemachte Lichter, +Ihr, die ich so frei gelehret +Mit den Sternen umzuspringen! + +Wollt ihr hier die Gieremei +Und die Lambertazzi spielen, +Die blind gen einander fechtend +Töricht hier ihr Blut vergießen? + +Welcher Jammer könnt entstehen, +Wenn, in euern Lärm sich mischend, +Die argwöhnenden Geschlechter +Sich erblickten und erhitzten? + +Und schon seh ich allerwegen +Müßig Volk heran sich ziehen. +Stecket ruhig ein die Degen, +Tretet um mich bei der Linde. + +Wer war unter euch zugegen +Und nicht in den Streit verwickelt? +Er soll treulich das Entstehen +Dieses Kampfes mir berichten." + +Aufgefordert naht der Redner, +Beißt rhetorisch sich die Lippe: +"Meister, deine Weisheit ehrend, +Preis ich selig mein Geschicke, + +Daß mir ward ein großer Lehrer, +Der mich lehrte Frieden stiften. +Früher schon war mein Bestreben, +Diesen Zwiespalt zu vermitteln. + +Doch mir war der Wind entgegen, +Der hier weht durch diese Linde, +Und die reizende Sirene, +Die in diesen Meeren singet. + +Er verachtete mein Reden, +Und mit frecher Hand beschimpfte +Jenen er, der von Biondetten +Eine Pause wollt erzwingen. + +Aber nicht um eigne Ehre +Hat der Kampf sich so erhitzet; +Herr, es galt um deine Lehre, +Die er traf mit giftgem Witze!" + +Also schloß der falsche Gegner. -- +Apo spricht: "Nun ins Gesichte +Wiederhole mir die Reden, +Knabe, die du sprachst zum Schimpfe!" + +Doch Meliore hat vergessen, +Daß er stehet im Gerichte; +Er gedenket an Biondetten, +Wie sie sang die Totenhymne. + +Was sie fromm für ihn gebetet, +Als er flehend zu ihr blickte, +Fühlt er schon als Himmelssegen +Sich durch alle Adern rinnen. + +Wie in geisterfüllte Segel +Blickt er ins Gewölb der Linde, +Freudig stößt er ab die Erde, +Hin nach schönrer Heimat dringend. + +Aber wie am Sterbebette +Rechnend gern der Teufel sitzet, +Zerrt ihn nun Apones Rede +Vom Unendlichen zur Ziffer. + +"Meister, was Ihr habt begehret, +Laßt mich gütig nochmals wissen, +Sagt mir's schnelle, denn die Schwelle +Meines irdschen Hauses zittert." + +Apo spricht: "Was meiner Ehre, +Meiner Lehre du zum Schimpfe +Sprachst, des Streites freche Quelle, +Sollst du in den Bart mir spritzen!" + +Und Meliore spricht: "Vollendet +Hatte Guido grad, der Bildner, +Ein Gemälde voller Schrecken +Und zur Schau es ausgestellet. + +Wie Aglaure und die Schwestern +Wild vom Wahnsinn sind ergriffen, +Kniend um den Korb Athenes, +Den sie treulos aufgerissen. + +Giftig aus dem Korbe strecken, +Um das Kind Erechtheus ringelnd, +Sich zwei Schlangen, und Entsetzen +Packt die törichten Geschwister. + +Um den Busen will sich Herfe +Gürtend eine Schlange winden, +Und es steigt ihr Haar zu Berge, +Denn das Tier hängt an dem Kinde. + +Und Aglaurens Fäuste treffen +Rasend ihre eigne Stirne, +Während Krampf die Füße hebet +Und zu wilden Sprüngen zwinget. + +Und Pandrosa zuchtvergessen +Hat sich das Gewand zerrissen; +Antlitz, Busen, Schoß und Lende +Sind ein Spiegel der Erynnen. + +Hinter ihnen steht Athene, +Ernst in Marmor gottgebildet; +Bösen Fluges Vögel schweben +Um der fernen Tempel Zinnen. + +Still und mannigfach erreget +Hatten wir dies Bild umringet, +Bis, sich ja nicht zu vergessen, +Einer alle schnell erinnert: + +"Jedes Kunstwerk, das vollendet", +Sprach er und zog hoch die Stirne, +"Muß, um klar sich auszusprechen, # wird niemals beendet +Stehen auf ewigen Begriffen. + +Doch, wie ich mich auch mag setzen, +Vor und in und nach dem Bilde, +Seh ich tot nur vor mir stehen +Dieses Werk des alten Pinsels. -- + +Ei, der zweite ihm entgegnet, +Mit der Schlange bei dem Kinde +Ist wohl auf das Leid des Herren +Und den Sündenfall gestichelt. -- + +Mit den törichten drei Schwestern +Meinet er, sprach dann der dritte, +Juden, Christen, Sarazenen +Streitend um die wahre Kirche. -- + +Und der vierte nun versetzte: +Die drei Tugenden der Christen +Sind es, die sich toll gebärden: +Glaube, Hoffnung und die Liebe: -- + +Und ein fünfter sprach: Ich sehe +Hier entsetzt die Charitinnen +Vor dem dreigeeinten Helden +In angstvoller Flucht begriffen. -- + +Ach, was können, sprach der sechste, +Juden, Sarazenen, Christen +Und die Grazien hier erhellen, +Die doch selbst Allegorien! + +Mir sind es die drei Essenzen, +Die das Wesen Gottes bilden, +Im Begriffe eins zu werden +In dem Wahnsinne der Christen. + +Und der siebente wollt sehen +Die drei Punkte Syllogismi, +Denen Abälard das Wesen +Der Dreieinigkeit verglichen. + +Ja, sprach dann der achte frecher, +Sie sehn drein wie Heloise, +Die den Mittelsatz entbehret, +Weil den Nachsatz er vermisset. + +Doch mir sinds drei Fakultäten, +Theologen, Mediziner +Und Juristen, sie umgeben +Tief erschreckt Apones Wiege. -- + +Und noch schlimmrer Rede Frevel +Stand ich vor dem Schreckensbilde +Mehr als durch es selbst entsetzet, +Doch ich wiederhol sie nimmer! + +Und nun trat von seiner Schwelle +Guido selbst heraus zum Bilde; +Kahl, ein Greis, in seiner Rechten +Hielt er eines Messers Klinge. + +Und er sprach: Mit frecher Rede +Habt ihr mir das Herz zerrissen! +Hat die rächende Athene +Euch, Gesellen, auch ergriffen? + +Wißt, ich war in tiefster Seele +Lang ob dieser Zeit ergrimmet, +Welche zu entblößen strebet, +Was Gott keusch verhüllt will wissen. + +Dieses schändlichen Entdeckens +Strafe wollte ich hier schildern, +Und ihr treibt denselben Frevel +Mir vor meinem züchtgen Bilde! + +Doch ich folg des Herren Lehre: +Gibt dein Aug dir Ärgernisse +Reiß es aus, tritts an die Erde! +Liebes Bild, ich muß dich richten. -- + +Und nun riß er mit dem Messer +Zürnend durch des Bildes Mitte, +Und zertrat mit bittren Tränen +Wild sein mühsam Werk mit Füßen. + +Seiner lachten noch die Frechen, +Dem das Liebste sie entrissen; +Das traf tief ihn in der Seele, +Und er stand in Tränen zitternd. + +Und das Messer aus der Rechten +Mußt liebkosend ich ihm winden, +Daß er nicht zum Mörder werde, +Schmeichelnd in das Haus ihn zwingen. + +Seine Axt, die in der Ecke +Stand -- er ist zugleich ein Zimmrer -- +Mußt die Tochter schnell verstecken, +Als ich ängstlich ihr gewinket. + +Denn er war so tief erreget, +Daß er gänzlich schien von Sinnen +Und die Tochter kaum erkennte, +Vor ihm auf den Knien liegend. + +Und er schrie: O Himmel, sende +Mir die Bären, die zerrissen +Jene Buben, den Propheten +Ob des nackten Hauptes schimpfend; + +Denn mit Lachen seine Fenster +Jene gottlos noch umringten, +Und die Laden vorzulegen +Wollten sie mich schmähend hindern. + +Schrieen scherzend: Freund, wir sehen +Uns dir heut sehr tief verpflichtet, +Weil du für uns einen Bären +Angebunden beim Philister! -- + +Da ich nun hinausgetreten, +Derb die Schmach mir zu verbitten, +Fragte mich dort jener Gegner +Höhnend mit dem frechen Witze: + +Lag das Findelkind Biondette +Auch in solchen Schlangenwindeln, +Weil du, gleich den tollen Schwestern, +Sinnlos wardst, sie anzublicken? -- + +Alle lachten Beifall gebend. +Fassen konnte ich mich nimmer, +Und ich trat ihm wild entgegen, +Sprach zu ihm mit scharfer Stimme: + +Schäm der Rede dich! Athene +Schämte auch sich dieses Kindes, +Denn sein Vater war, du Frecher, +Frech und wie dein Gleichnis hinkend! + +Willst du deutelnd schärfer treffen, +Sprich: Des Teufels Hirngespinste, +Die mein Lehrer Weisheit nennet, +Sah ich in Erechteus Windeln! + +Denn im trunkenem Erfrechen +Will sie sich mit Gott vermischen, +Und empfangen von der Erde +Gleicht sie wohl dem Drachenkinde. + +Gleicht das trübe Wortgefechte, +Das die Schule um uns stricket, +Nicht dem Korb, in dem sich's dehnet, +Wenn die Schlangen aufwärts dringen? + +Springt der Decke, und ihr stehet +Auf dem Standpunkt: den Alciden +Glaubt ihr in dem Korb zu sehen, +Wie er Schlangen würgt im Schilde! + +Schreit auch wohl: "Ich will vergessen, +Daß im Spiegel dies gebildet, +Daß ich selbst ein Gott hier stehe, +Der sich auf sich selbst besinnet! + +Und den letzten Flug erhebend +Zu den Göttern aufzudringen, +Bringt, den Gnadenstoß zu geben, +Euch der Teufel gar von Sinnen. + +Euch steht nur das Haar zu Berge, +Und dies nennt ihr reines Wissen; +Nennts der Isis Schleier heben, +Hebt ihr schamlos euern Kittel! + +Wie durchs Maul und um die Kehle +Schlechte Gaukler Viper schlingen, +Zieht der Teufel eure Seelen +Sich durchs Maul philosophierend. + +Und ihr könnet nicht mehr beten +Und ihr könnet nicht mehr dichten. +Die die Schlange hat zertreten, +Ist barmherzig, Gott ist Richter! -- + +Also habe ich geredet, +Zwar erregt, doch wohl bei Sinnen, +Und sie drängten mit dem Degen +Mich bis zu der heilgen Linde, + +Wo ich zu Biondettens Ehre, +Aber nicht zu Eurem Schimpfe, +Ruhig bliebt bei meiner Rede. +Meister, nun seid Ihr der Richter!" + +Und Apone zornbeweget +Spricht mit falscher Kälte: "Immer +Betend, horchend, fechtend, redend +Finde ich dich bei der Linde! + +Jacopone, dein gelehrter +Bruder, lehrt dich wohl die Schliche; +Er kann auch die Worte drehen +In der Kirch und vor dem Richter. + +Er, der die Parteien hetzet, +Um sie künstlicher zu schlichten, +Als wenn ich ein Bein verrenkte, +Um es wieder einzurichten. + +Ihn, der naseweis sich stellet +In der Fraktionen Mitte, # Faktionen +Werden einst die Schweine fressen +Weil er sich der Kleie mischet. + +Du bist von ihm angestecket, +Dem juristischen Philister, +Der verachtend meine Lehre +Im lateinschen Stalle mistet. + +Doch die Gieremei werden +Einst verfluchen seine Listen, +Und die Lambertazzi werden +Einst bereuen seine Pfiffe. + +Und ihr Streit wird dann erst enden, +Wenn in seines Herzens Mitte +Ihre Klingen sich begegnen, +Einen ewgen Frieden stiftend!" + +Und Meliore spricht: "O Lehrer, +Übel bleibst du bei der Klinge; +Um mich bitterer zu treffen, +Willst du meinen Bruder schimpfen! + +Ungerechter, den gerechten +Bruder du statt meiner schimpfest, +Denn du träffst auf den Unrechten, +Schimpftest du ihm zu Gesichte! + +Um das Recht mit Spott zu treffen, +Willst die Rechte du beschmitzen, +Doch ich räche den Gerechten, +Deines Beispiels mich bedienend. + +Du sprachst, unser Streit sei Frevel, +Weil er leicht das Volk erhitze, +Und im Zorne wirst du selber +Jener Anstoß der Lawine! + +Ob dem reinen Glanz des Schnees +Leicht ein dunkler Rab erbittert, +Und den bösen Schnabel wetzend, +Stößt er nieder die Lawine! + +Schmähst du meines Bruders Ehre, +Dieser Musenalpe Zierde, +Sonnenglänzend auf dem ewgen +Eispalaste der Juristen, + +Schmähst du ewige Gesetze, +Der Gesellschaft Urgranite, +Dann schimpfst du den Kern der Erde, +Der zum Licht dringt in Gebirgen!" -- + +"Ja, ich schmähe," sprach der Lehrer, +"Die Pandektentitel-Flicker +Und die unfruchtbaren Rechte, +Kahl wie deine Urgranite! + +Die sich immer kahl vererben, +So wie öder Berge Gipfel, +Von Geschlechte zu Geschlechte +Ihre alten Knoten schlingend. + +Und wie magst du diese Zwerge +In papiernen Nestern nistend, +Noch vergleichen mit den Bergen, +Die juristischen Philister?" + +Und Meliore spricht: "Die Zwerge, +Ja sie wohnen in Gebirgen, +Schmieden dort die starken Schwerte, +Eitle Riesen zu bezwingen. + +Aus der Tiefe mit den Bergen +Wächst das Eisen auf zum Lichte, +Und von ihnen wiederkehret +Alles zu der Tiefe wieder. + +So steigt nieder von den Bergen +Die Natur, und ihren Gipfeln +Sind die weiten Sündflutmeere, +Ist der Zorn zuerst entwichen. + +So steigt nieder von den Bergen +Die Geschichte: auf der Spitze +Sinai gab Gott Gesetze +Mosen für die Israliten. + +Wenn die Erde längst verwelket, +Steht noch das Granitgerippe, +Und des Wassers Flut begegnend +Heulet drum das Spiel der Winde. + +So auch stehen die Gesetze, +Wenn die Staaten rings versinken +Und unzählige Geschlechter +An dem alten Recht sich bilden." + +Apo spricht: "Das Recht so kennend, +Wirst du das Gesetz auch wissen, +Daß Bologna Repetenten +Nie erkennt ungraduieret. + +Und du hast das kaum Erlernte +Dennoch mir hier repetieret; +Du kurzärmiger Geselle, +Wisse, daß du delirierest! + +Denn die Kerkerstrafe stehet +Auf dem offnen Disputieren +Von Studenten gegen jeden, +Den die höhern Würden zieren." -- + +"Ja, ich kenne die Gesetze," +Spricht Meliore, "und die Pflichten +Eines Christen, daß er rede +Den Verkehrten ins Gewissen." -- + +"Predge weiter," sprach der Lehrer, +"Und entpflichte dich, mein Christe, +Daß ich dem Gesetz dich gebe +Ungestört in deinen Pflichten!" + +Und Meliore sprach: "Ich nenne +Jene Berge, euch Gewitter; +Euer dunkelmaulend Wesen +Ist nur dunkel, um zu blitzen. + +Seit die Welt im Zirkel gehet, +Kühlet sich das Wetter blitzend, +Doch, als sei's das erst und letzte, +Bläht sich jegliches Gewitter. + +Nur daß man die Sterne heller +Sehe auf der Berge Gipfel, +Lasset ihr, euch selbst verwetternd, +Euren trüben Schwall verwittern. + +Und wo werdet ihr dan stehen, +Wann zuletzt der ewge Richter +Nach den ewigen Gesetzen +Euch und jene kommt zu richten? + +Die geschimpfet auf die Recht, +Werden stehen auf der Linken, +Da wo Gottes Affen stehen, +Die gefallnen Engel hinkend. + +Die unzähligen Systeme +Frevelnder Philosophien +Werden flehen, bei den Hexen +Auf den Besen aufzusitzen. + +Ihr Allfresser, wo des ersten +Magen noch der zweite frisset, +Wenn ihm selbst schon aufgefressen +Seinen Magen hat der dritte! + +Ja, der Teufel wird den letzten +Noch zertrennen in der Mitte, +Daß das Maul den Leib kann fressen; +So wird sich die Kete schließen! + +Meister, du hast diese Schwerter +In der Schule selbst geschliffen, +Höhre Anschauung mich lehrend +Der Natur und der Geschichte." -- + +Aber zu dem Volk gewendet +Ruft Apone: "Holla, Sbirren, +Diesen Jüngling führt zum Kerker!" +Und Meliore wird umringet. + +Nochmals blickt er nach Biondetten, +Folget freudig dann den Sbirren, +Als sollt er zur Hochzeit gehen, +Denn er höret ihre Stimme. + +Und zu seinem Turme kehret +Apo wird, finstern Blickes; +Brach er gleich den Speer der Rede, +Haftet tödlich doch der Splitter. + +Freudig nichtig, gleich Raketen, +Luftgetragen auf den Stimmen +Hört er noch ein Vivat brennen, +Und der Schwarm verliert sich singend. + +Leise Lüfte hör ich wehen, +Schüchtern kehren zu der Linde +Auch die Vögel, und es treten +Aus dem Haus die beiden Kinder. + +Rosablanka und Biondette +Grüßen sich mit stummen Winken; +Da sich ihre Wege trennen, +Lassen sie die Blicke sinken. + +** Romanze VI: Pietro + +Sieh, es schürzet Rosablanke +Sich ihr Röcklein vor dem Tore, +Rückt den Korb, daß er nicht wanke, +Sich bequemer auf dem Kopfe. + +Ganz befangen in Gedanken +Und erfüllt mit neuer Sorge +Eilet durch das Feld die Schlanke +Wie auf traumbeschwingter Sohle. + +Höret nicht den "Guten Abend", +Den der Wandrer ihr geboten, +Und erwidert kaum das Amen +Auf ein: Jesus sei gelobet! + +Aber an den letzten Garten +Steht des Gärtners Fenster offen: +"Rosablanke, Rosablanke!" +ruft er ihr mit freudgem Tone. + +"Willst du so vorüber wandeln? +Nimm vorlieb; hier sind Melonen, +Feigen, Ananas, Orangen, +Alle bloß für dich gebrochen! + +Lange hab ich dein geharret; +Die mit dir zum Markte zogen, +Sind schon lang zurückgewandert. +Wo hast du so lang verzogen?" + +Und die Jungfrau spricht, sich sammelnd: +"Bald hätt ich mein Wort gebrochen, +Aber lieber mirs erlasse, +Denn es sinket schon die Sonne! + +Ängstlicher, als du geharret, +Harret mein der Vater Kosme. +Sieh, wie lange schon die Schatten! +Wäre ich den Berg erst oben! + +Sei Geleitsmann deinem Gaste, +Ich will deine Güte loben!" +Also bittet Rosablanke; +Jener greift nach seinem Korbe, + +Füllt ihn unten mit Orangen, +Legt die zarten Feigen oben, +Hängt zur Schulter ihn am Stabe, +Tritt heraus und schließt die Pforte. + +Und er spricht zur Seite wandelnd: +"Zürnen hätt ich mit dir sollen, +Sehnlich hab ich dein geharret, +Und nun ist auch dies verloren! + +Dies ist ihrer Schritte Schallen, +Glaubt ich, wenn mein Herz so pochte, +Blickte ängstlich durch die Kammer +Ob auch alles sei geordnet. + +Und wenn ich dann wieder dachte: +Sie versprach dirs nur zum Hohne, +Fühlt das Herz ich lauter schlagen +Als den Tritt der leichten Sohlen. + +Wer mir bot den guten Abend, +War an mir zum Lügner worden, +Und die schnellen Stunden standen +Boshaft still an meiner Pforte." + +Also sprach er. Tränen drangen +Ihm ins Aug, geheime Boten +Züchtger Flamme, die gefangen +Lag bis jetzt im Jugendstolze. + +Doch dies fühlt nicht Rosablanke. +Ungeschickt zu seinem Troste +Spricht sie: "Gib mir die Orangen, +Die du für mich abgebrochen!" + +Nimmt die goldne Frucht und danket. +Mutiger spricht er: "O Holde, +Wolltest du mit gleichem Danke +Nehmen, was du selbst gebrochen! + +Was vertraulich bei dem Mahle +Ich, dein Wirt, dir bieten wollte, +Dieses Herz muß auf der Straße +Scheu und unstet ich dir opfern. + +Mich ernähret wohl mein Garten; +Um Bologna aller Orten +Siehst du keinen so gewartet +Und so vorteilhaft geordnet. + +Und, verzeih, ich muß es sagen; +Also hab ich ihn erzogen +In dem heimlichen Verlangen, +Daß du drinnen mögest wohnen. + +Wärst du mit hineingegangen, +Unter bunten Blumenkronen +Eine Königin, empfangen +Hätt ich dich mit dieser Krone!" + +Und nun setzt er Rosablanken +Auf das Haupt die Blumenkrone, +Die er in dem Korb bewahret, +Ruhend auf den Früchten oben. + +Und die Jungfrau in Gedanken +Gehet mit bekränzten Locken +Ihm zur Seite durch den Abend, +Gleichend einer stummen Flore. + +Pietro aber spricht: "Dein Vater +Könnte dann bei uns auch wohnen, +Und er wäre nie verlassen, +Eines blieb ihm stets zum Troste. + +Und an manchem schönen Abend +Kömmt mein Bruder Jacopone, +Der an Weisheit hochgeachtet, +In den Garten, sich erholend. + +Und zur Freundin wirst du haben +Rosarosen, seine fromme +Stille Gattin; dir gefallen +Wird mein Bruder auch, Meliore." + +Aber stumm bleibt Rosablanke, +Und der Jüngling spricht betroffen: +"Schweige nicht, o laß mich Armen +Nicht in zweifelhaftem Troste. + +Seit als Gärtner deinem Vater +Ich gepflegt die roten Rosen, +Trag ich heimlich, Rosablanke, +Weißer Rosen bittre Dornen. + +Ich versetzte ihm im Garten +Weiße, rote, gelbe Rosen +Und begehrt am letzten Abend +Eine weiße mir zum Lohne. + +Da gabst du von deinem Stamme +Mir ein Zweiglein, dicht in Moose +Hüllt ich's, trug's zu meinem Garten, +Stellt es in den besten Boden. + +Schonend ist der Sonne Wagen +Über dieses Reis gezogen, +Segnend hat des Mondes Schale +Guten Tau zu ihm gegossen. + +Hoch bei goldnen Pomeranzen +Rankt sie aus den grünen Wolken, +Deines Namens Sternbild strahle +Günstig meinem Horizonte! + +Paradiesisch blüht der Garten, +Seit die Rose bei mir wohnet, +Und ich gleich dem ersten Manne, +Eh das Weib geschaffen worden." + +Aber Rosablanke dachte +Nun des Traums von diesem Morgen, +"Pietro," sprach sie, "eine Schlange +Rankt um deinen Baum die Rose! + +Und der Herr hat sie geschaffen +Aus der sehnsuchtvollen Woge +Seines Busens; des Entschlafnen +Herz entstieg die Traumgeborne. + +Die Orange wird zum Apfel, +Und der Apfel wird zum Tode, +Willst du schließen in die Arme, +Die dir in dem Herzen wohnet. + +Heute früh in meinem Garten +Grub er traurig bei den Rosen +Nach dem göttlichen Erbarmen, +Das er mit dem Weib verloren. + +Und die bunte, böse Schlange +Drang zu mir und meinen Rosen, +Doch Mariens Füße traten +Nieder diese Schuld des Todes. + +Nimm zurücke die Orange, +Die du mir vom Baum gebrochen, +Denn ich teile keinen Apfel +Weil der Herr um mich gestorben." + +Also redet Rosablanke. +Pietro schweigt, und tief betroffen +Legt der Jüngling die Orange +Zu den andern in dem Korbe. + +Schweigend gehn sie nun zusammen +Bis zu der Kapelle oben, +Und des Abends Zaubergarten +Schwankt vor ihrem Aug entrollet. + +Aus den Tälern wächst der Schatten, +Und es betet schon die Sonne +Ihren Abendsegen, schwankend +Auf des Waldes goldnen Kronen. + +Durch des Himmels Gründe wallen +Wolkenschafe, goldgeflocket; +In dem Abendmeere badend +Trinken sie die Purpurwoge. + +Und zum Rosengarten wandelt +Sich zu baden nun die Sonne, +Einen Mantel webt im Schatten +Ihr die Nacht aus grauem Flore. + +Als sie schwebet ob dem Bade, +Gleicht es einem Feueropfer, +Sie dem Phönix, der mit Flammen +Sich verjünget in dem Tode. + +Aber rings aus Luft erstarren +Hohe Purpurburgen, golden +Wundervolle Inseln wachsen +Aus des Äthers glühnden Wogen. + +Und die Inseln werden Drachen +Und die Burgen all Sankt George +Und der Sonne Strahlen Lanzen, +Gen die Drachen blank erhoben. + +Aber ewig sich verwandelnd, +Wo sie aufeinander stoßen, +Ziehn sie eine Bucht kristallen +Um der Sonne Bad voll Rosen. + +Wie ein Schäfer scheu und schmachtend, +Lauschend schleicht auf leichten Sohlen +Zu der spröden Hirtin Bade, +Zieht der Mond schon hinter Wolken. + +Nieder zuckt sie gleich Dianen; +Jungfräulich erglühnd im Zorne +Spritzt empor sie Goldkristalle, +Birgt den Schoß im Wellenschoße. + +Und der Mond, den Tropfen trafen, +Steht gehörnt gleich Aktäone, +Und zu Sternen rings erstarren +Um ihn her die goldnen Tropfen. + +Mahnend zieht die Nacht den Mantel +Vor des Unterganges Tore, +Und die Herzen fühlen alle, +Wer verloren, wer gewonnen. + +Seine Schmerzen nicht mehr fassend, +Spricht nun Pietro: "Deine Rosen, +Sonne, sind im Abendgarten +All verblutet an den Dornen. + +Paris gab den goldnen Apfel +Liebend hin der Schaumgebornen, +Aber mir ward ausgeschlagen +Die Granate, scheu geboten! + +Und die Sonne gleicht dem Apfel, +Paris gleicht dem Silbermonde, +Und das Meer des Unterganges +Der entschleierten Dione. + +Aber ach, meine Granate +Gleicht den Äpfeln von Gomorrha, +Innen voll von giftger Asche, +Außen lustig und voll Wohnne. + +Und es drohet mir die blanke +Todessichel dort des Mondes, +Wie in meinem armen Garten +Tödlich steht die weiße Rose!" -- + +"Pietro!" spricht nun Rosablanke, +"Umschaun hat der Herr verboten, +Sahst du in den Abendflammen +Sodom und Gomorrha lodern. + +Gab zurück ich dir den Apfel, +Denk getröstet meiner Worte: +Keinen Apfel mit dem Manne +Teil ich; Jesus ist gestorben! + +Lasse sinken all dies Trachten, +Lasse sinken diese Sonne, +Lasse wachsen diese Schatten! +Sinkt zur Ruhe, wächst zum Troste! + +Sieh, die Kerne der Granate, +Die verglichen du der Sonne, +Sind als Sterne aufgegangen, +Leuchtend zu den Ewgen Lobe. + +Betend sollst du nun betrachten, +Wie gehütet von dem Monde +Sie wie Gottes Lämmer wandern, +Und du sollst nicht trauern wollen. + +Trauern nicht um die Granate, +Trauern nicht um eine Rose, +Trauern nicht um Rosablanke, +Die dem Himmel sich verlobet!" + +Und nun nimmt sie die Gewande +Von Biondetten aus dem Korbe, +Legt sie an und fromm verwandelt +Steht sie eine weiße Nonne. + +Pietro spricht: "Leb wohl, zum Garten +Kehre ich, die Hochzeitskrone +Pfleg ich dir, dir muß sie tragen +weiße Rosen, mir die Dornen!" + +Und zur Erde kniet er jammernd, +Aus den dunklen Augen flossen +Tränen heiß, und seine Arme +Hielt er schmerzemporgehoben. + +Aber in den Büschen raschelt's, +Und die Jungfrau spricht: "Es kommen +meine Freunde, ausgegangen +Sind die Hirsche, mich zu holen. + +Beten werd ich noch heut abend, +Daß die kühlen Tauestropfen +Diese Nacht dein Herz erlaben, +Und dich ruhig seh der Morgen." + +Pietro spricht: "Es wird die Flamme +In der Nacht noch wilder lodern, +Büßend streue meine Asche +Sich ins falbe Haar Aurore!" + +Doch sie schreitet zu dem Walde: +"Jesus Christus sei gelobet!" +Pietro spricht ein leises Amen, +Und der Mond tritt aus den Wolken. + +** Romanze VII: Kosmes Buße I + +Allem Tagewerk sei Frieden, +Keine Art erschallt im Wald, +Alle Farbe ist geschieden, +Und es raget die Gestalt. + +Tauberauschte Blumen schließen +Ihrer Kelche süßen Kranz, +Und die schlummertrunknen Wiesen +Wiegen sich in Traumes Glanz. + +Wo die wilden Quellen zielen +Nieder von dem Felsenrand, +Ziehn die Hirsche frei und spielen +Freudig in dem blanken Sand. + +In der Düfte Schwermut wiegen +Sich die Rosen in den Schlaf, +Das Geheimnis ruht verschwiegen, +Das sie in den Busen traf. + +Und es wandeln, die sich lieben, +Flüsternd auf dem selgen Pfad, +Wo sie gestern Scherze trieben, +Zu des Meeres Glanzgestad. + +Die Sirene stimmet wieder +Ihre giften Lieder an, +Und die Herzen tauchen nieder +In untiefen süßen Wahn. + +Denn es schied die Sonne wieder +In der ewgen Flammen Pracht, +Und es hebt die dunklen Glieder +Abermals die alte Nacht. + +Und die Erde aufgeriegelt +Sendet ihren Geist heran, +Um das Haupt schwebt sternbesiegelt +Ihm der blaue Weltenplan. + +Und des Waldes dunkle Riesen +Drängen sich ums enge Tal, +Und durch ihre Kronen gießen +Sterne geisterhaften Strahl. + +Aus der Tiefe aufgewiegelt +Wachsen stumme Brunnen an, +Drinnen schaun sich mondumspiegelt +Die Gedanken traurig an. + +Vor der Hütte setzt sich nieder +Kosme, lauschet nach dem Wald, +Ob nicht aus der Ferne wieder +Seines Kindes Stimme schallt. + +Ob sie jenseits aus der Tiefe, +An dem schroffen Felsenhang, +Nicht das treue Echo riefe +In dem nächtlich späten Gang. + +Aber nur die Melodieen +Höret er der Nachtigall, +Und zu seinem Herzen ziehen +Nicht der Töne Flug und Fall. + +Ihm ergießet keinen Frieden +Der prophetschen Sterne Strahl, +Alle seine Pulse schmieden +Eines bösen Schwertes Stahl. + +Die Milchstraße sieht er liegen +In des blauen Himmels Bahn; +Da stehn aller Waisen Wiegen, +Lehret ihn ein frommer Wahn. + +Und er denkt der bösen Liebe +Und der Früchte, die sie gab, +Die in sündlich frechem Triebe +Er dem Schicksal übergab. + +Und die Sünde warf ihn nieder, +Fesselt ihn in schwerer Acht, +Und mit bitterem Gefieder +Rauscht um ihn die böse Nacht. + +Tief in Ängsten schon erlieget +Er des Herzens bangem Schlag, +Denn in dieser Nacht gewieget +Wird verhängnisvoll ein Tag. + +Denn das Weib, das er geliebet, +Ging zu Grabe diese Nacht, +Und die Tochter, die er liebet, +Kam zum Leben diese Nacht. + +Und die Sünde, nie besieget +Durch der Reue bittre Macht, +Jene Schuld, der er erlieget, +War erzeuget diese Nacht. + +Und er wühlet in der Tiefe +Seiner Brust der Sünde nach, +Daß die Reue nicht entschliefe, +Schreit er seine Tote wach. + +Und er sieht sie heilig knieen, +Wie er sie durchs Gitter sah, +Sieht sie dann die Glocke ziehen, +Da der böse Feind ihm nah, + +Der die Farben ihm gerieben, +Als ein heilig Bild er malt, +Und den Schuldbrief ihm geschrieben, +Den nur ewger Tod bezahlt. + +Ach! auch sie ist da erschienen +Seinen Augen keusch und klar, +Wie sie als Modell sollt dienen +Zu dem Bilde am Altar. + +Mit den frommen heilgen Mienen, +Mit den Rosen in dem Haar; +Seinen Augen, brünstgen Bienen, +Sie die süße Blume war. + +Lust und Sünde sieht er wieder, +Bis sie tief im Elend starb, +Die Verzweiflung reißt ihn nieder, +Weil er sie durch Lust verdarb. + +Ach, daß alle Berge fielen +Und bedeckten ihn im Tal! +Wollten doch die Blitze zielen +Auf sein nackte Haupt zumal! + +Ach, daß alle Wasser stigen, +Und es säh der neue Tag +Öde, weite Fluten liegen, +Wo er heute weinend lag! + +Möchte dann die Taube fliegen +Mit dem milden Frühlingsblatt, +Sich en Friedensbogen biegen, +Wo er schwer gebüßet hat. + +Aber weh! das Nachtgefieder +Schwingt der Rabe wild und hart, +Stürzt sich auf sein Haupt hernieder +Das in bösem Traum erstarrt. + +Kalte Schrecken um ihn fließen, +Und Entsetzen sträubt sein Haar: +Wehe, dorten auf den Wiesen +Werden die Gesichte wahr! + +An dem Walde ist erschienen +Eine weibliche Gestalt, +Von dem Haupte mondbeschienen +Das Gewand herniederwallt. + +Gleich wie weiße Schwäne fliehen +An der dunklen Wälder Rand, +Sieht er eine Nonne ziehen +Längs des Gartens Schattenwand. + +Jetzt sieht er den Schleier fließen, +Sieht die Füße blank und bar, +Sieht den Strick den Leib umschließen +Und die Rosen in dem Haar. + +"Wehe, wehe, noch hienieden +Schwebst du, teure Seele, arm! +Wehe, wehe, noch kein Frieden! +O, daß sich der Herr erbarm!" + +Und der Schrecken reißt ihn nieder, +Doch ihn faßt kein kalter Arm: +"Vater, find ich so dich wieder? +O, daß Gott sich dein erbarm!" + +** Romanze VIII: Kosmes Buße II + +Nieder stieg die Sonne wieder +Auf des stummen Hügels Rand +Und sieht scheidend ernst hernieder +In das dämmervolle Land. + +Ihre Strahlen fallen schiefer +An der engen Kammer Wand, +Malend an der Kerze, tiefer +Sinket Kosme fleißge Hand. + +Lang nach jenem Bilde sieht er, +Das er hänget an die Wand, +Und zur Erde kniet er nieder, +Weit die Arme ausgespannt. + +Und er spricht: "O Herr, den Frieden +Gabst du, an das Kreuz gespannt, +Und das Kreuz, es blieb hienieden, +Du hast dich zu Gott gewandt. + +Sieh gekreuzet mich hier knieen +In der schweren Sünde Last, +Bis du, Herr, auch mir verziehen, +Auch für mich gelitten hast. + +Ach, das Herz ward dir durchspießet +Von verräterischem Stahl, +Blutge Versöhnung sprießet +Aus der heilgen Wunden Mal. + +Aber ach, die Sonne spielet +Ewig nur mit meiner Qual, +Ewig, ewig sie mir zielet, +Nimmer tötet mich ihr Strahl. + +Wenn so rasch die Wolken fließen +Um den nackten Feuerball, +Alle Narben sich erschließen, +Aufstehn meine Sünden all. + +So wenn einst die Engel ziehen +Mit der Zornposaune Schall, +Nahn die Toten aufgeschrieen +In des Wahnes Widerhall. + +Nieder schmilzt der Sonne Siegel +Vor des Richters jüngstem Tag, +Es zerbricht des Todes Riegel, +Klar steht, was verloren lag. + +Und der ewgen Schönheit Spiegel +Spiegelt jegliche Gestalt, +Und des Rechtes Feuertiegel +Prüfet jeglichen Gehalt. + +Wohin soll ich dann mich schmiegen- +Wenn das Licht hoch überwallt? +In dem Staube werd ich kriechen +Mit der Schlange Mißgestalt. + +Weh, die Sonne sinkt, vergießend +Blutge Tränen ohne Zahl, +Und aus ihren Tränen sprießen +Tausend Tränen bittrer Qual. + +Und es weinen die Verliebten +Einsam in vergeßner Schmach, +Und es weinen die Geliebten, +Denen man die Treue brach. + +Unter gingst du, Lustgezierte, +Der die Ehe mich verband, +Der aus schändlicher Begierde +Pflicht und Treue ich entwand. + +Blutschuld ist die Rosenzierde +In der Sonne Untergang: +Fluch der teuflischen Begierde, +Die mit Sünde dich verschlang. + +Alle Tränen, die du gießest, +Sinkend auf der ewgen Bahn, +Bis du deine Augen schließest, +Wachsen mir zur Sündflut an. + +Und auf ihrer Woge ziehet +Dort des Mondes bleicher Kahn, +Aber keine Taube fliehet +Mit dem Ölblatt mir heran. + +Mond, wie blinkst du bleich und siechend +An des Abends Rosengrab, +Wo die Sonne still versiegend +In den Schatten sinkt hinab. + +Rosalata, du sankst nieder +Mit dem roten Rosenkranz, +Rosatristis, du kehrst wieder +Mit der weißen Rose Glanz. + +Mond, ich sah dich mahnend ziehen +Wie ein Geist die Wolkenbahn, +Und ich muß hier weinend knieen, +Klagen mich der Sünde an. + +Eile nicht, vorüberfliehend +Mit der Sichel scharf und blank; +Schneide ab den Stamm, der knieend +An der Erde welk und krank. + +Eine Wagschal, hoch auffliegend, +Hebt die Buße dich hinan, +Meine Sünde nie aufwiegend +Klagest du vor Gott mich an. + +Wie so weiß dein Schleier fliehet, +Nonne, durch den Sternensaal, +Mit dir betend, büßend, ziehet +Still der Sterne Nacht-Choral. + +Aus der Unschuld Paradiesen, +Wo du trugst den Rosenkranz, +Irrest du, durch mich verwiesen +Mit des Schwertes Feuerglanz." + +Doch der Mond zog stillverschwiegen +Hinter eine Wolkenwand, +Ließ ihn ungetröstet liegen, +Wo er ihn in Tränen fand. + +Und er hebt sich von den Knieen, +Als er sein Gebet vollbracht; +Aber ihm ward nicht verziehen. +Auf dem Tale lag die Nacht. + +** Romanze IX: Apo und Moles auf dem Turme + +In des Turmes höchster Kuppel, +Unter seinem Fuß die Glocke, +Sitzt Apone, und die Uhren +Rasseln unter ihm im Boden. + +In des hohlen Spiegels Runde, +Gegenüber einem Loche, +Sieht die weite Stadt er ruhen +Abgetürmt am Horizonte. + +Doch des Meisters Blicke suchen +Rings umher im weiten Bogen, +Bis sie auf der hohen Kuppel +Des Theaters fest geworden. + +Also mit den Augen wurzelnd +Sieht er ziehn die wilden Wolken, +Und die hohen Sterne funkeln +Aus des Himmels tiefer Woge. + +Und er spricht mit finsterm Munde: +"Venus, du bist mir gewogen, +Du hast mich zu guter Stunde +Immer mächtig angezogen! + +Alle kenn ich euch, ihr Kunden, +Die, man sagt, den Herren loben, +Doch der Herr sitzt manchmal unten +Und die Diener stehen oben! + +Sterne, ich bin euch verbunden, +Ich hab mich mit euch verwoben, +Und ich kenne eure Stunden, +Lasse euch nicht warten droben. + +Auf der Erde gehn die Dummen, +Wissen nicht, was ihr nur wollet, +Doch ich kenne eure Summen, +Ja, ich weiß auch, was ihr sollet! + +Halb nur sind die Kreaturen, +Denen Gott die Stirn erhoben +Und die göttlichen Naturen +Nicht erkennen, die da droben. + +Als der große Geist des Grundes +Wollte überm Lichte wohnen, +Überschlug er sich im Sturze, +Und das Schwere ward geboren. + +Und das Leichte muß sich suchen, +Daraus ward das Licht geboren; +Schweres Dunkel war nun unten, +Leichtes Licht, das schwebte oben. + +Und das Schwere war umrungen +Von dem Leichten, und es rollet, +Bis geboren war das Runde, +Das unendlich ist geformet. + +Da das Licht dazu gedrungen, +Ist das Feuer aufgelodert, +Hat mit seiner bösen Zunge +Schnell das Wasser hergelocket. + +Und aus dieses Kampfes Schwunge +Ward der Raum zur luftgen Woge, +So daß, wenn der eine zucket, +Wird der andre angestoßen. + +Und dem Kampfe ist entsprungen, +Was hienieden irdisch wohnet, +Was da droben himmlisch rundet, +Was im Ganzen göttlich thronet. + +Der gespalten, was verbunden, +Ist der Geist zum Fleisch geworden, +Aber Fleisch war eine Zunge, +Und die Zunge ward zum Worte. + +Und der Mensch, der irdisch fußet, +Suchet seinen Gott im Hohen, +Der doch ist im Mittelpunkte +Und ihn reißet zu dem Boden. + +Doch ich habe ihn gefunden: +Er der all den Streit erhoben, +Der gestört die tote Ruhe, +Ihm ist diese Welt entsprossen. + +Er trägt mich mit festem Grunde, +Er hat mich aus Staub geboren, +Und die Sterne, die nicht ruhen, +Ziehn mich neidisch auf im Zorne. + +Adam aus dem Erdengrunde +Ward als Geisel ausgeboren, +Und das Licht ab einen Funken +Als ein Unterpfand von oben. + +Erde, feste Burg gerundet, +Schwebest in des Lichtes Wogen +Sicher, wie kein Schiff in Fluten, +Wie kein Kind im Mutterschoße. + +Denn es sitzt am Steuerruder +Selbst des Lichts unehl'che Tochter, +Die Philosophia schlummert +Nie, und hält das Richt'ge oben. + +Und Astronomia suchet +Rastlos an dem Himmelsbogen +Und dem Kompaß; alle Stunden +Geht die Welt nach ihren Polen. + +Medizina heilt die Wunden +Mutig ringend mit dem Tode, +Und Magia hat des Sturmes +Flügel und des Windes Rosse. + +O Magia, du des Dunkels +Schwarze, lichtentsprungne Tochter, +Du allein genügst zum Schutze, +Mag das Licht auch ewig toben! + +Doch zum frechen Überflusse +Hat der Erdgeist auch geboren +Flaggen jeglicher Naturen, +Die allfarbgen Religionen. + +Wenn das Schiffsvolk steht und murret +Und nicht trauet dem Piloten, +Wird die Flagge aufgewunden, +Und Begeistrung strahlt die Sonne. + +Plagt die Krankheit und der Hunger, +Und das Wasser ist verdorben, +Da suffliert der Erdgeist dunkel, +Und sie beten, die Kujonen! + +Also schwebt die Erde munter +Um des dunklen Geistes Pole; +Und sie dienen, dem sie fluchen, +Und er schämt sich, sie zu holen. + +Doch das Licht und auch das Dunkel +Haben beide sich sich belogen, +Und die Lüge war das Wunder, +War das Wort, das Fleisch geworden. + +Denn der Mann aus irdschem Grunde +War um Erdgeist nur geformet, +Daß das Licht, in ihm gebunden, +Sei gefesselt an den Boden. + +Und vom Lichte nur durchdrungen +Ward der Mann, der Erdgeborne, +Daß der Erdgeist, sei gezwungen +In dem Manne hin nach oben. + +So im wechselnden Betruge +Ist der Streit zum Fleisch geworden, +Und er herrscht im Mittelpunkte +Des unendlich ewgen Zornes. + +Da das Licht den Schlaf erfunden, +Ward dem Mann das Weib geboren, +Durch den Baum des Bös und Guten +Führt der Erdgeist uns zum Tode. + +Nach uns greift das Licht hinunter, +Ziehet mächtig uns nach oben, +Die Metalle schwer und dunkel +Ziehen nieder uns zu Boden. + +Beiden Welten so verbunden +Wehet betend auf der Odem, +Wer erkennen will, was unten, +Stiehlt das hohe Licht von oben. + +Als ich war im Licht betrunken +Und um Weisheit fleht von oben, +Sprach das Wort: Du sollst gesunden, +Wenn du mir das Fleisch willst opfern! + +Wenn das Böse du verblutet, +Wenn versiegt der irdsche Bronnen, +Wenn du wandelst in dem Guten, +Magst du schauen in die Sonne. + +Fasten sollte ich und hungern +Und entbehren alle Wonnen, +Recht in Schmerzen sollt ich wurzeln, +Um im Lichte aufzusprossen. + +Mit dem Licht stieg ich hinunter, +Und der Erdgeist, leicht gewonnen, +Gab zu trinken mir das Dunkel, +Das in mir zum Licht geworden. + +Und in diesem Licht betrunken +Ist mir die Erkenntnis worden, +Ich hab meinen Geist gefunden +Und verstehe seine Worte. + +Wie die Sterne oben runden, +Die Metalle unten wohnen, +Wie die Sonnen gehen unter, +Wie herauf sich ziehn die Monde, + +Fühl ich all in meinen Pulsen, +Und mein Fuß fühlt in dem Boden, +Wo die goldnen Schätze wurzeln, +Wo die Quellen gehn verborgen. + +Eva, Eva! schlaue Mutter, +Hast den Apfel du gekostet, +Hat die Schlange dich versuchet, +Hast du uns den Tod geboren, + +Hast das Böse und das Gute +Du erkennet, soll verloren +Mir nicht sein die teure Kunde, +Um die du das Heil verloren! + +Bin der Erde ich verbunden, +Bin ich an den Tod verloren +Um ein Schnitzchen sauren Obstes, +Dreht um mich sich doch die Sonne! + +Und ich will nicht eher ruhn +In dem dunkeln Erdenschoße, +Bis ich aller Sinnen Brunnen +Überfüllend ausgesogen!" -- + +Also sprach Apone murmelnd +Und bedeckt mit heißem Odem +Seines Wunderspiegels Runde, +Daß er trüb war und umfloret. + +Und der rote Mond steigt blutend +Über Wolken auf im Osten; +Da er in den Spiegel funkelt, +Heult der schwarze Hund Apones. + +Und der Meister wischt mit Fluchen +Von dem Spiegel seinen Odem: +"Will des Theater Kuppel +Noch nicht auf in Flammen lodern?" + +Er nimmt einen Schwefelkuchen +Und ein Glas voll goldnem Korne, +Und den Schwanz von einem Fuchse +Aus dem Kasten an dem Boden. + +Und den Wetterhahn, der funkelnd +Stehet auf des Turmes Knopfe, +Nimmt er, greifend durch die Luke, +Setzt ihn zu dem goldnen Korne. + +Peitschet dann den Schwefelkuchen +Mit dem Fuchsschwanz aller Orten, +Und es springen helle Funken +In das Glas zum goldnen Korne. + +"Simson," spricht er, "deine Wunder +Hab ich kürzer mir geordnet; +Mir auch muß vom Schwanz des Fuchses +Der Philister Korn auflodern! + +Ja, Geselle, werde munter!" +Spricht zum Hahne dann Apone, +"Beug den Schnabel zu dem Futter, +Wartest du, daß ich dich stopfe? + +Der du in den Blitzen fußest, +Der du krähest in dem Donner, +Der du in der Sonne funkelst +Und die Flügel schlägst im Monde, + +Wettermacher, armer Schlucker, +Du bestehst auf deinem Kopfe? +Wart, ich will dich lehren schlucken, +Daß dich Feuer reißt im Kropfe!" + +Und er schlägt den Hahn mit Ruten, +Bis der Kamm ihm schwillt im Zorne, +Hetzet ihn mit seinem Hunde, +Und nun neigt er mit dem Kopfe, + +Schluckt das Feuerkorn mit Hunger, +Das ihn brennt wie glühe Kohlen, +Seine Flügel schon erfunkeln +Und die roten Augen rollen. + +Seine Sichel sprühet Funken, +Sein Metallgefieder lodert, +Plötzlich beide Flügel zucken +Breit hinaus mit heftgem Tone. + +Und er greift ganz ungeduldig +Nach dem schwarzen Feuerhorne, +Setzt es an am dunklen Munde, +Lenkt hinaus es zu dem Loche. + +Setzt den Hahn bereit zum Fluge +In das weite Maul des Hornes, +Der wie eine Feuerzunge +Durch die Luft stürzt aus dem Horne. + +Apo läßt die Feuerrufe +Durch die klare Nacht hindonnern, +Und auf des Theaters Kuppel +Fliegt der Hahn, die hell auflodert. + +Feuer! Feuer! schreit man unten, +Und die Hörner schreien oben, +Hoch die Glocken gehn im Sturme, +Tief das Rasseln wilder Trommeln. + +Aus des blauen Reno Ufern +Eilen bald die gütgen Wogen, +Hilfreich zu der Flammenkuppel +Durch die Hände emsgen Volkes. + +Hundert Eimer um die Brunnen +Kommend, gehend, Wasser fordernd; +Der Metallsirenen Busen +Schimmert in der Fackeln Lohe. + +Und die marmornen Neptune +Und die blasenden Tritonen +Gießen aus die vollen Muscheln +In die Urnen rings erhoben. + +In dem Widerscheine funkelnd +Halten rings, die Menge ordnend, +Blankgestahlte Reuter Runde, +Jeder steht an seinem Orte. + +Aus der fernen Klöster Dunkel +Tragen schon die frommen Orden, +Stille Litaneien murmelnd, +Wasser zu in Prozessionen. + +Niederstürzend aus den Stuben +Sammeln schnell sich die Legionen +Der Studenten, und sie rufen: +|Pereat Incensus!| drohend. + +Auf den festen Sammelpunkten +Ordnen sich die Nationen, +Und es schallen, sie berufend, +Rings die Stimmen der Senioren. + +Lärmend eilen zu den Pumpen +Bald die munteren Franzosen, +Und die Hebel auf und unter +Hört man kreischend, jammernd toben. + +Und die langgehosten Ungern +Ziehn auf ihren kleinen Rossen +Durch die weite Stadt umtummelnd, +Wache haltend nach dem Tore. + +Bei dem schiefen Eselsturme +Sammeln sich mailändsche Chore, +Senden rüstige Patrouillen +Den Palästen ihrer Nobels. + +Bei der Kirche Sankt Proculens +Stellet sich der Römer Horde +Auf zum Schutz der hohen Schule +Und der edlen Professoren. + +Sankt Januari Blut anrufend +Füllen ihre Wasserrohre +Zu der Büchersäle Schutze +Neapolitansche Chore. + +Und die festen deutschen Bursche, +Mit den Ellenbogen stoßend, +Schleppen auf den breiten Schultern +Feuerleitern, Haken, Kloben. + +Bald mit Macht hinangeschwungen +Zu der hohen Fenster Bogen +Nun die sichern Leitern ruhen, +Allen Fliehenden zum Troste. + +Viele retten sich im Sprunge; +Andre, an den Feuerkloben +Fest sich klammernd, hoch im Schwunge +Kommen nieder in dem Bogen. + +Denn zum wilden Rettungssturme +Sind zu eng des Hauses Tore, +Und auf ewig wird verschlungen +Mancher in des Ausdrangs Woge. + +In dem Brausen des Tumultes +Bricht des Kerkers Tor Meliore, +Eilet zu Biondettens Brunnen, +Einen Eimer voll zu holen. + +Und ein kleiner blonder Junge +Hat den Eimer voll schon oben, +Spricht: "Geh hin und hilf, du Guter, +Traue auf die Allmacht Gottes!" + +Bei der Kirche Sankt Proculens, +Wo der Maler Guido wohnet, +Steht Meliore, heftig rufend: +"Komme, alter Guido, komme! + +Werft die Äxte mir herunter: +Ich und du und deine Tochter +Steigen auf des Brandes Kuppel, +Denn die Hilfe kömmt von oben!" + +Und zum Feuer hingedrungen +Mit dem Meister und der Tochter, +Sieht aus einem Fenster, rufend: +"Leitern, Hilfe!" Jacopone. + +Jacopone, der sein Bruder, +Hält die Gattin hoch erhoben, +Und um sie im Hintergrunde +Schon die roten Flmmen lodern. + +"Rosarosa, spring herunter! +Weihe dich der Mutter Gottes, +Sie tut heut noch manches Wunder, +Hält in ihrer Hut die Frommen!" + +Rosarosa springt im Fluge, +Stürzt sich in den Arm Meliores; +Neben sie stürzt auch im Sprunge +Jacopone an den Boden. + +Als Meliore sie umschlungen, +Schrie sie laut: "Gott sei gelobet!" +Und erblasset; Ströme Blutes +Stürzen von ihr aller Orten. + +Und vier deutsche brave Bursche, +Einen Manteln breit aufrollend, +Tragen heim sie auf dem Tuche, +Jammernd folget Jakopone. + +Aber mit dem Wasserkruge +Dringet aufwärts nun Meliore +Auf der Jakobsleiter Stufen +Mit dem Maler und der Tochter. + +Die die Leiter hierher trugen. +Sie sind göttliche Genossen; +Hoch zu des Theaters Kuppel +Steigen sie die lichten Sprossen. + +Und nun hauet ohne Ruhe +Guido und die rüstge Tochter +Eine Öffnung in die kuppel, +Seinen Krug leert Meliore. + +Segen ist in seinem Kruge; +Wie er gießt in stetem Strome, +Ist er nimmer leer, o Wunder! +Guido kniet und seine Tochter. + +Und die Hände fest verschlungen +Beten sie, den Herren lobend. +Aber in des Hauses Runde +Springet kühn nun Melire. + +Eine Stimme hört er rufen; +Wo sie rufet, wird er folgen, +Rief aus der Hölle Schlunde, +Rief sie von des Himmels Throne. + +Als er stürzet mit dem Kruge, +Ist die wilde Feuerlohe +Bald in seiner Flut ertrunken, +Und die Not ist rings erloschen. + +Niedersenket sich die Ruhe. +Mit des Wasser schneller Woge +Rinnen auch des Volkes Fluten +Ab zum Bette ihres Stromes. + +Ruhig schaut von seinem Turme +In den Jammer hin Apone; +Wenn die Flammen aufwärts zucken, +Fühlt er froh sein Herz erhoben. + +Aber als er auf der Kuppel +Sah den Maler und die Tochter, +Grüßt er sie mit bösem Fluche +Und den tapfern Meliore. + +Denn aus einem armen Kruge +Löschet er die wilde Lohe, +Und so viele schwere Stunden +Hat ihn selbst sein Hahn gekostet. + +Als solches denkt, da rufet +Laut der Hahn, der zu dem Knopfe +Wiederkehrte, und im Turme +Tönt herauf die Pfortenglocke. + +Apo öffnet mit dem Zuge, +Lauschet nach des Trittes Tone, +Wie er auf den Wendelstufen +Hell sich aufdreht hin nach oben. + +Dumpfer schallte es von unten -- +Es war schier, als sei er doppelt -- +Schwerer in dem halben Turme, +Als trüg man die Last nach oben. + +Weiter oft der Tritt verstummet, +Denn der Träger holet Odem, +Endlich auf den letzten Stufen, +Bald wird's an der Türe klopfen. + +Apo blicket durch die Stube, +Ob auch alles sei geordnet, +Jagt den Hund vom roten Stuhle, +Den er vor den Spiegel rollet. + +Und mit einem Kranz von Blumen, +Belladonna, Hundsviolen, +Frauenschuh und Eisenhute, +Kränzet er des Stuhles Stollen. + +Zeichnet dann mit einer Rute +In den Mehltau, auf dem Boden, +Seinem Gast zum bösen Gruße +Schnell ein magisches Willkommen. + +Aber mitten in der Stube +Brennt an einem Totenkopfe, +Der in grüner Urne ruht, +Eine zauberische Lohe. + +Eine süße Laube duftend, +Von des Mondes Strahl durchflochten, +Scheint des Turmes rußge Stube, +Als die Rosenflamme lodert. + +Und die Flamme scheint ein Brunnen, +Funkelnd in des Mondes Wonne, +Wundersüße Träume murmelnd +Durch den Duft wollüstger Rosen. + +Und es pocht. Herein zur Stube +Tritt der Famulus Apones, +Moles, seufzend ob dem Buche, +Das er anschleppt auf dem Kopfe. + +"Du allein! Elender Bube!" +Flucht entgegen ihm Apone, +"Prahler! ist dir nicht gelungen, +Was du frech mir zugeschworen? + +Wo ist sie, die heilge Jungfer? +Hat ein andrer sie gewonnen?" -- +"Meister, schone deine Zunge!" +Spricht und lacht der schlaue Moles. + +"Du sitzt hier im Mondschein munkelnd +Bei wollüstger Brunnen Wonne, +Eine andere Laube funkelnd +War um mich und andre Bronnen! + +Trug ich gleich die süße Jungfer, +Sprach sie doch unselge Worte; +Ihr half eine andre Jungfer, +Der ich nicht bin mächtig worden. + +Auch sprang von des Hauses Kuppel +Auf mich ein der Meliore, +Und des Feuers wilde Zungen +Leckten mich bis auf den Knochen. + +Aber dummer als das Dummste +War der Weihewasserbronnen, +Den ein Mönch -- im Höllenpfuhle +Durst er -- auf mich ausgegossen. + +Meister, Meister, trotz der Gluten, +Trotz dem scharfen Weihebronnen +Schwör ich, nimmer will ich ruhen, +Bis Biondette uns geworden! + +Ach, wer dieses Leibes Wunder +Einmal trug in seinen Pfoten, +Wer den Druck des süßen Busens +Fühlte und den Duft des Odems -- + +Disteln sind mir alle Blumen, +Seit mir nah des Mundes Rose; +Der Kometen Haar gleicht Ruten +Vor der Goldflut ihrer Locken. + +Und der Brüste Dioskuren, +Aus der Leda Ei geboren, +Durstig wie des Schwanes Busen, +Da er taumelte in Wonne. + +Unter ihrer Brauen Runde +Lag der Venus Stern verschlossen, +Wie in Wolkenbetten schlummern +Liebestrunkne Nebelsonnen. + +Und der Flammen durstge Zungen +Konnten nicht die Luft austrocknen, +Die, als ich sie trug, im Blute +Mir ein süßer Quell ergossen. + +Welche Hölle kann verdunkeln +Dieses Himmels Wollustsonne? +Ja, die Sünde hat Minuten, +Wert des Lichtes ewge Kronen!" -- + +"Schweige, du berauschter Bube!" +Spricht Apone nun im Zorne -- +"Soll mich in der Zauberbude +Trösten dein verdorbner Odem? + +Ich glaub, von dem schweren Buche +Wardst du toll in deinem Kopfe; +Bringst du mir vielleicht vom Juden +Dieses Buch zum schlechten Troste?" -- + +"Meister, Meister, wollt nicht fluchen, +Denn von aller Liebeswonne +Und von aller Schönheit Wunder +Wird dies Buch nicht aufgewogen! + +Bringe mir Biondetten ruhend +In dem Schoße süßer Moose, +Singend, von Gewürzen duftend, +Wie das Lied des Salomone -- + +Nicht kauf ich sie mit dem Buche! +Vor ihm seien die Kleinode, +Die in Licht und Dunkel ruhen, +Eine taube Nuß gescholten! + +Ein Geschenk mit diesem Buche +Mach ich dir, wenn du gelobest, +Mir zu stellen diese Stunde, +Ja jetzt gleich, die Horoskope. + +Mir gab's meine selge Mutter, +Die drum einen Mönch ermordet. +Der es in dem Sarg gefunden +Eines zauberischen Mohren, + +Der von einem alten Juden +Es getauscht um heilge Brote +Wahren Leibs und wahren Blutes, +Die er vom Altar gestohlen. + +Und der Jude, einen Hunnen +Hat er um das Buch betrogen, +Der von einem Arzt beim Sturme +Von Cracovia es erobert. + +Und der Arzt kam zu dem Buche +Durch die Erbschaft eines Kopten, +Dessen Stamm durch manch Jahrhundert +Es erhielt, Gott weiß wie, woher! + +Doch daß über Adams Schulter +Einsten an dem dritten Morgen +Es ein Engel abschrieb munter, +Stehet auf dem letzten Bogen." -- + +"Wie kam Adam zu dem Buche?" -- +"Wisse, wann des Himmels Sonne +Und die Sterne gehn zur Schule, +Ist dies Büchlein in der Mode. + +Da der Herr die Welt erfunden, +War die Welt von wenig Worte; +Alles war sehr kurz gebunden, +Auf die lange Bank geschoben. + +Des Vokals belebend Wunder, +Ehgeheimnis der Diphthonge, +Und der Konsonanten Hunger +Lernt er draus zu Worten kochen. + +In dem A den Schall zu suchen, +In dem E der Rede Wonne, +In dem I der Stimme Wurzel, +In dem O des Tones Odem, + +In dem U des Mutes Fluchen, +Hat er aus dem Buch geholet, +Als im H des Hauches Wunder +Gottes Geist in ihm gegossen. + +Auch das große Vaterunser +Und der Herr Gott wir dich loben +Findst du drin in grobem Drucke, +Wie es beten Mond und Sonne. + +Und manch Rätsel von der Tugend +Und vom Fiat, fein verschoben; +Die Auflösung stehet unten +In verkehrt gedruckten Noten. + +Fabeln mischen sich mit drunter, +Wie die Tiere sich besprochen, +Wie der Adam sich verwundert, +Da die Eva kam in Wochen, + +Da sie trug ein groß Gelüsten +Nach ausländschem Himmelsobste, +Wie die Schlange sie entbunden, +Und wie sie moralisch worden. + +Unterhaltung und auch Nutzen +Sind verbunden hier gar vornhem, +Denn du findest angebunden +Kunstrezepten aller Sorten: + +Färberkuppen, Tintenpulver, +Surrogate für die Toten, +Restaurantia für die Tugend, +Manch Rezept zu Religionen. + +Freier Wille ist des Buches +Höhrer Titel in zwei Worten, +Gottes Wille heißt's im Grunde, +Seit die Freiheit ging verloren. + +Und Notwendigkeit am Schlusse +Heißt es auch mit anderen Worten, +Not ist hier die wahre Wurzel, +Und das Wenden wird verboten. + +Gott sprach zu den Menschen: |Surge, +Eheu, eheu Christofore, +Nam ad scholam tempus nunc est!| +Und weckt ihn mit seinem Odem. + +Und vom Himmel kam herunter +Diese A-B-C-Methode, +Und die neugeschaffne Jugend +Ist daraus zum Doktor worden. + +Aber schwer sind die Geburten, +Nötig sind die Rotationen, +Und fatal ist das Versuchen, +Seit das Weib den Tod geboren. + +Und du lernst aus diesem Buche, +Wie der Kaiserschnitt zu ordnen, +Daß lebendig bleibt die Mutter +Und das Kind auch sei gewonnen! + +Denn wie alle ihre Wunder +In den ersten Schriftleinsbogen +Die Gelehrten gern hermustern, +So ging's hier auch den Autoren. + +Und weil Adam bei dem Buche +Sich den Kopf zu sehr gebrochen, +Fragte Eva, Rat sich suchend, +Andere Kommentatoren. + +Was im Stile oben dunkel, +Hellen auf die untern Noten; +Über oben, über unten +Schrieb am Rand ein Geist die Glosse. + +"Schweig, es ist genug; verstumme!" +Spricht zu Moles nun Apone, +"Ich weiß nicht, ob du den Dummen +Spielest oder ob du spottest! + +Hatt ich das in dir gesuchet? +Redest du mir Kinderpossen, +Oder bist du ein Verruchter, +Der mich höhnisch denkt zu foppen? + +Hat ein Arzt dies Buch beim Sturme +Von Krakovia verloren, +Und hieß Amber Herr des Buches? +Rede, sage es unverhohlen?" -- + +"Amber, ja, so steht im Buche, +Und er war ein Äthiope." -- +"Hei! so ist ein Schatz gefunden!" +Spricht in Freuden jetzt Apone, + +"Gib es her!" -- "Nein!" spricht der Bube, +"Stelle mir die Horoskope, +Jetzt, sogleich, in fünf Minuten, +Und dir geb ich's, wie gelobet!" + +Und Apone fragt mit Murren: +"Wann bist du geboren, Moles, +Sag das Jahr, den Tag, die Stunde, +Und ich stell die Horoskope." -- + +"Meister, meine letzte Mutter +Hat mich dieses Mal geboren +In dem Jahre Siebenhundert, +Am Geburtstag des Herodes, + +In der lustgen roten Stunde, +Da die Kindlein man gemordet. +Sie hat selbst es in dem Buche +Angemerkt mit kurzen Worten." + +Apo merkt sich diese Punkte, +Hat der Kreise viel gezogen +Und geschrieben viele Nummern +An dem Boden mit der Kohle, + +Und hierauf die ganzen Summen +Von den halben abgezogen, +Dann sich ernstlich drob verwundert, +Als er fand die Horoskope. + +"Du bist heut im Jahr der Stufen," +Sprach er, "hüte dich vor Rosen! +Du bist heut in diesen Stunden +Von Gefahren schwer bedrohet! + +Hüte dich, denn ob dir runden +Die Gestirn recht im Zorne, +Einge Stellen bleiben dunkel, +Die vom Feuer und vom Tode. + +Denn dein Schicksal ist verbunden +Mit unzähligen Legionen, +Unbekannt ist eure Mutter, +Um Betrug wirst du betrogen + +Und wirst sein von großen Nutzen +Einem hohen Philosophen, +Und dies ist schon mit dem Funde +Deines Buches eingetroffen. + +Aber dunkler wird's und dunkler, +Denn ich sehe die drei Rosen, +Die zu einem starken Bunde +Gegen dich sich fest verschworen. + +Hüte dich vor einem Brunnen, +Wo die Kinder drinnen wohnen, +Denn du teilest diese Punkte +Mit dem Tage des Herodes. + +Und in manchen Konjunkturen +Stehen meine eignen Pole +Mit den deinigen verbunden, +Denn mir drohen auch die Rosen. + +Durch dich, was mich gar sehr wundert, +Wird entstehen einst ein Kloster, +Und die böse Rosenblume +Wächst im Garten dieses Klosters. + +Einem ungeheuern Sturze +Bist du auch noch unterworfen; +Jetzt wird's klarer: Deine Stunde +Wird dir mit dem Feuer kommen." + +Und nun greift er nach dem Buches. +"Nimm es hin!" sprach lachend Moles, +"Du weissagst mir wenig Gutes, +Mein Geschick ist nicht zu loben." + +Aber an dem Turme unten +Schallet heftig nun die Glocke, +Und da Apo schaut hinunter, +Sieht er seiner Schüler Horde. + +"Was nur mag zu dieser Stunde +Dieser Troß von mir doch wollen?" +Und er öffnet mit dem Zuge +Schnell des Turme kleine Pforte, + +Löschet in der grünen Urne +Schnell das Licht des Totenkopfes, +Und es gleicht die schwarze Stube +Einem alten dunkeln Boden. + +Da die Schüler auf den Stufen +Seiner Türe näher kommen, +Spricht: "O Meister, laß mich suchen +Einen Winkel!" zu ihm Moles. + +"Weil in diesen bösen Stunden, +Wie du sprachst, Gefahr mir drohet; +Daß die Schüler dich besuchen, +Macht mich ängstlich und betroffen." + +Apo spricht: "Hier hinterm Stuhle +Bist du gänzlich wohl verborgen; +Ich verhäng dich mit dem Tuche, +Das ihn rings bedeckt zum Boden." + +Und es öffnet sich die Stube. +Apo sitzt wie auf dem Throne, +Und in eine halbe Runde +Sich die Schüler um ihn ordnen. + +Einer tritt dann mit der Urne +Vor ihn, spricht: "O Herr, des Moles +Asche in der Urne ruhet! +Er starb eines seltnen Todes. + +Ja sein Tod war recht ein Wunder, +Denn die Sängrin retten wollend, +Stürzten zu ihm alle Gluten, +Brannten ihn vor uns zu Kohlen! + +Und wie auch des Wasser Fluten +Rings wir auf ihn niedergossen, +Brannt er bis zum letzten Funken, +Und es blieb auch nicht ein Knochen! + +Da ein Mönch geweihten Brunnen +Zu ihm sprengte ein'ge Tropfen, +Ward er Asche; in der Urne +Haben wir sie aufgehoben. + +Herr verzeih, daß wir zur Stunde +Uns hieher zu dir erhoben, +Denn wir kommen hoch verwundert +Zu dir, und entsetzt, erschrocken!" + +Apo höret ihre Kunde, +Und ihm stockt fast der Odem; +Ängstlich spricht er: "Deine Zunge, +Schüler, hat sie nicht gelogen?" + +Alle sprechen in der Runde: +"Meister, es ist nicht gelogen, +Denn es sah's die ganze Schule, +Und es sahens alle Ordnen. + +Und es schrieen alle: Wunder! +Die gelöschet in der Oper, +Da sie unsern teuern Bruder +Sahn zu Asche niederlohern!" -- + +"So enthüllet mir die Urne!" +Sprach Apone tief erschrocken, +"Daß ich Ehre an ihm tue, +Denn ich war ihm stets gewogen. + +Längst wußt ich, daß dieser Stunden +Große Nöten ihn bedrohten; +Seht: Hier mit dem schwarzen Ruße +Stellt ich seine Horoskope. + +Er war eine der Naturen, +Die im Zentrum aller Sonnen +Feuer tragen in dem Blute, +Das sich in sich selbst vertrocknet. + +Seine Asche untersuchen +Wollen wir am nächsten Morgen, +Daß er uns belehrend, nutze, +Auch noch hilfreich in dem Tode!" + +Da enthüllten von dem Tuche +Sie die Urne; eine Wolke +Schoß heraus, ganz dick und dunkel, +Die rings durch die Stube rollte. + +Sie drang auf mit solchem Schwunge, +Daß der Schüler stürzt zu Boden, +Und die Treppentüre suchend +Alle übernander stoßen. + +Wunderliche Zerrfiguren +Bildete die wilde Wolke, +Flog dann summend, eine Hummel, +In den schwarzen Bart Apones. + +Da er sie zu jagen suchte, +Wuchs sie, ihm zu großem Zorne, +Aus dem Bart als Bart herunter +Und flocht sich zu einem Zopfe. + +Apo fängt nun an zu fluchen, +Und ein hohles Lachen kollert +Um ihn her. Nichts mehr zu suchen +Hatten die Studenten oben. + +Und die Treppe schier kopfunter +Schossen sie hinab von oben, +Ihre Seelen auch mitunter +Diesem, jenem angelobend. + +Apo glaubt in falschem Mute, +Daß sie seiner spotten wollten, +Und stürzt nach mit seiner Rute +Auf die armen jungen Toren, + +Bis in seinem Bart verschlungen +Er hinabzustürzen drohte; +Denn er stieß mit einem Fuße +Auf dem Weihbrunnkessel oben, + +Der hellklingend auf den Stufen +Widerspringend niederrollet +Und der fliehenden Schuljugend +Wie ein böser Donner folgte. + +Hei! wie hat ein muntres Fluchen +Da der zornge Mann erhoben! +Aufwärts tappend nach der Stube +Ward er an dem Bart gezogen. + +Da er eintrag in die Kuppel, +War der Bart dem Zug gefolget +Und fiel vor ihm in der Stube +Schwarz als Asche auf den Boden. + +Apo reißt das Tuch vom Stuhle, +Aber statt des Schelmen Moles +Sieht er dort nur seinen Pudel +Sitzend auf den Hinterpfoten. + +Dieser Anblick macht ihn stutzen, +Und es ging sein Zorn verloren; +Vor der Überraschung Wunder +War er innerlich erschrocken. + +Er erkannte in dem Hunde +Und in seinem Schüler Moles, +Was er nimmermehr vermutet, +Einen heimlichen Dämonen. + +Und sprach nun mit kalter Ruhe: +"Bist du solchen Schrot und Kornes, +Soll dir alles auch zugute, +Wie du mir's geboten, kommen!" + +Greifet dann nach einem Buche +Und nach einer Glasesglocke, +Die bezeichnet mit Figuren +Und beschrieben rings mit Formeln. + +Und mit seines Fingers Drucke +Töne aus der Glocke lockt er, +Die dem wundersamen Pudel +Peinlich schallten in den Ohren. + +Mit dem Winseln eines Hundes +Schrie: "Erbarmen!" laut der Moles. +"Laß mich nicht so schwer verschulden, +Daß ich scherzhaft bin geworden!" + +Doch zu quälen ihn nicht ruhet +Apo mit dem Ton der Glocke, +Bis der Geist zu allem Guten +Sich ihm hoch und tief verschworen. + +"Sprich, in welcherlei Figuren +Soll ich künftig bei dir wohnen?" +Fragt er, "da ich in den Gluten +Starb, nach deinem Horoskope." + +Apo sprach: "Du bleibst mein Pudel; +Aber soll ich deiner schonen, +So erklär die dunklen Punkte +Gleich jetzt deines Horoskopes. + +Wer war deine erste Mutter? +Wer hat dich zuletzt geboren? +Wie steht es mit jenem Buche? +Was bedeut der Haß der Rosen? + +Was hast du mit einem Brunnen, +Welchen Kinder klein bewohnen?" +Nun spricht aus dem Hundeknurren +Zu dem Herrn der schlaue Moles: + +"Ich weiß nichts von jenem Brunnen +Und auch nichts von jenen Rosen, +Sie sind mir wie dir so dunkel, +Auch die Stiftung jenes Klosters. + +Denn es gibt gar manche Wunder, +Die mir ewig sind verschlossen: +Aber ganz auf andre Spuren +Hab ich suchend mich geworfen! + +Wenn Biondetten du errungen, +Wenn getötet du Meliore, +Wenn ohn Abendmahls Genusse +Starb das Weib des Jacopone, + +Wenn verzweifelt, ohne Buße, +Starb der Fackelgießer Kosme, +Und wenn stürzt in schwere Schulden +Seine jungfräuliche Tochter, + +Und in Raserei zugrunde +Geht der Bruder Jacopones, +Pietro, der die schönen Blumen +Ziehet vor dem römschen Tore: + +Dann magst du und ich in Ruhe +Ewig hausen vor den Rosen +Und dem Kinde jenes Brunnens +Und vor jenem neuen Kloster! + +Aber willst du meine Mutter +Kennen, lies die ersten Bogen +Des dir hochgepriesnen Buches +Von dem Weib des Erdensohnes!" + +Also sprach der Geist. Zum Buche +Sitzt begierig nun Apone, +Ihm zu Füßen liegt der Pudel +Augenfunkelnd an dem Boden. + +Doch die Lettern dieses Buches +Sind ihm unbekannte Formen, +Und erzürnt der Meister fluchet, +Moles mit den Füßen stoßend. + +"Was soll mir der welsche Plunder? +Wahrlich, diese Schrift ist toller, +Als im Schnee die krausen Spuren +Hungrig scharrnder Hühnerpfoten!" + +Zu ihm schwänzelnd spricht der Pudel: +"Meister, diesen Fall ich lobe. +Lang ging ich zu deiner Schule, +Nun kannst du zu meiner kommen. + +Ich will dir zur rechten Stunde +Bald ein paar Tinkturen kochen, +Und hast du davon getrunken, +Liest du alle Hühnerpfoten! + +Und dann geb ich dir in kurzem +Auch die rechte Lesmethode, +Wie von oben du nach unten, +Und von unten liest nach oben. + +Denn das ist des Buches Wunder, +Trotz dem Werk der Philosophen: +Du magst lesen drüber, drunter, +Immer gleich bleibt dir geholfen. + +Weil auf Schlüssen es beruhet, +Die von hinten aus nach vornen +Was nach oben, was nach unten +Ward verknüpfet, schnell entknoten. + +Konsequenz allein ist Tugend, +Und das Ding verkehrt genommen, +Was man kann, weil es gerundet, +Kann das Laster selbst uns frommen. + +Hast du Kraft dazu gefunden, +Magst du immer unverhohlen +Schwimmen gen den Strom des Flusses, +Streichen gen des Wuchs die Borsten. + +So findst du der Freiheit Wurzel, +Dringst vom Abgrund du nach oben; +Allen Zwang hat überwunden, +Wer entwurzelt das Verbotne!" -- + +"Schweig mit der Moral der Hunde!" +Sprach beschämet nun Apone, +"Sage her des ersten Buches +Inhalt!" -- Und zu ihm spricht Moles: + +"Du liest in dem ersten Buche, +Wie unendlich war ergossen +Or Haënsoph ohne Dunkel, +Ein unendlich Leuchten Gottes. + +Wie dem Lichte ist entsprungen, +Sich rückziehend durch das Wollen, +Dunkler Raum im Mittelpunkte, +Worin ward die Welt geboren. + +Wie sich in des Rückzugs Spuren +Kreisend dann das Licht ergossen, +Mannigfach des Raumes Dunkel +Licht erringend hat umschlossen. + +Und wie, alles durchfiguret, +Adam Kadmon war geboren, +Aus sich selbsten ausnaturend +Die zehn Kräfte Sephirote. + +Wie vier Welte sind entsprungen, +Da lebendig war das Wollen: +Asia, Briat, Aziluthe +Und Jezirah, Antlitz Gottes. + +Die Jezirah ist durchdrungen +Von zehn hohen Engelchoren, +In astralschen Leiber funkelnd +Sind sie alle schon personet. + +Die Asia ist die untre, +Materialisch schon geformet, +Drin die bösen Geister wurzeln, +Die in Gottes Zorn geboren. + +Sie ist aus dem Streit entsprungen, +Als das Ebenbildnis Gottes, +Adam Kadmon, zu bewundern +Gott die Engel aufgefordert. + +Luzifer ist aufgedrungen +Und hat da im ersten Stolze +Adam Kadmon ausgerufen, +Nicht als Bild, nein als den Gott selbst. + +Denn als Gott sich ausfiguret +In der Kraft des ewgen Wollens, +Wollte Luzifer naturet, +Über ihm als Herr nun thronen. + +Aber aus dem Licht ins Dunkel +Ward er da hinabgestoßen; +So entstand die Schwere unten, +So ward untre Welt geformet. + +Die nun materialisch rundet +Als die Erde, Mond und Sonne, +Aber doch in ihrem Schwunge +Ist der obern unterworfen. + +Und so sind in Gott entsprungen, +Aber doch in ihrem Wollen +Widerstreitend scharf zwei Punkte: +Ewges Licht und ewges Dunkel. + +Wer nun in der Tiefe suchet, +Wo die starken Geister wohnen, +Der wird stark in ihrem Bunde; +Jeder ist dem Geist willkommen. + +Selig aber sind die Dummen, +Sie gehn auf im Schoße Gottes, +Wissen nicht das was sie tuen; +Hast du Lust dazu, Apone? + +Geißle blutig dir den Buckel, +Schlafe auf dem harten Boden, +Küß kein Weib und bet hungre, +Gehe stolz einher im Spotte! + +Und vor allem sei ein Kluger, +Wählst du in den Religionen +Unter Heiden, Christen, Juden, +Daß du triffst die rechte Pforte! + +Oder willst du im Abgrunde +Mit dem hohen Geiste wohnen? +Willst du leuchten in dem Dunkel +Vor den andern Philosophen? + +Jauchze dann in ewger Jugend, +Plätschre in des Lebens Wogen, +Daß dich heben Wollustfluten +Übers Tor des ewgen Todes! + +Denn das ist das hohe Wunder +Und der Teufelsquell des Trostes, +Daß wir nimmer gehen unter, +Weil wir streben nur nach oben! + +Wir allein sind fest gefußet, +Sind es durch Erkenntnis worden +Von dem Bösen und dem Guten; +Stürzen können die von oben, + +Steigen können die von unten!" -- +Also sprach der schlaue Moles, +Und begann von seiner Mutter +Die Geschichte dann, wie folget. + +** Romanze X: Schöpfungsgeschichte des Moles + +"Als das Licht sich hat entzweiet, +Stieg was leicht und sank was schwer, +Und das Eine war gezweiet +Zwischen Gott und Luzifer. + +Luzifer, dem stolzen Geiste, +Diente nun der feste Kern, +Und was unterridisch kreiste, +Nannte ihn den mächtgen Herrn, + +Der von unten aufwärts greifet +Und mit Wonne und mit Schmerz +Was unsicher oben schweifet +Niederreißt ans erzne Herz. + +Und der Oberfläche Zweifel +Stehet an der Scheide Weg, +Und das eben ist der Teufel, +Daß so eben ist sein Weg. + +Aber nieder sah mit Neide +Gott zum festen Erdenstern, +Und er wollte, daß sie beide +Anteil hätten an dem Kern. + +Wollte, daß als Friedensgeisel +Einer zwischen beiden geh, +Und, des großen Künstlers Meißel +Lobend, an der Sonne steh; + +Der, den Geist der Erde preisend, +Hafte an dem Grunde schwer, +Mit der Stirne aufwärts weisend, +Mit dem Leibe irdisch wär. + +Und der Herr sprach: "Nieder reise +Zu der Erde, Gabriel, +Bring in ihre sieben Kreise +Des Allmächtigen Befehl, + +Daß sie dir des Staubes reiche +Aus den sieben Tiefen schnell, +Daß ein Bildnis, das mir gleiche, +Ich ihr draus zum Herren stell." + +Als der Seraph niedersteigend +Zu der irdschen Feste schwebt, +Lag die Erde einsam schweigend, +Von der Geister Puls durchbebt. + +Wo des Engels Flug ausgreifet, +Spaltet sich das Firmament, +Und aus seinen Ufern schweifet +Bang das nasse Element. + +Und es dreht sich das Eisen +Schmerzlich in der Erde Herz, +Daß die Quellen los sich reißen +Aus der Tiefe himmelwärts. + +Auf den Fittichen gebreitet +Steht der Seraph vor dem Kern: +"Erde, dir ist Heil bereitet +Durch den Willen deines Herrn! + +Sei gegrüßt, Gebenedeite! +Denn mit dir will sein der Herr, +Und aus deinem Eingeweide +Soll erstehen dir der Herr. + +Und die Frucht aus deinem Leibe +Soll dem Herren ähnlich sehn; +Daß dir Gottes Liebe bleibe, +Soll sein Bild aus dir erstehn. + +Drum aus deinen sieben Reisen, +Von der Rinde bis zum Kern, +Laß mich eine Handvoll greifen; +Also ist der Will des Herrn!" + +Vor des Engels lautem Schreie +Widertönt der Erde Erz, +Und mit einem tiefen Schreie +Tönet auf aus ihr das Herz: + +"Gabriel! zum Herrn ich schreie, +Tief in innrer Angst erbebt, +Daß er mir den Wunsch verzeihe, +Daß ich bleibe unbelebt. + +Daß ich jungfräulich im Scheine +Seines Lichtes freudig steh, +Nimmer um den Menschen weine, +Nicht in Sünde untergeh. + +Jetzo bin vor Gott ich reine; +Soll ein Herr aus mir erstehn, +Wie soll bleiben er der meine, +Wenn er in das Licht gesehn?" + +Und den Seraph hat das Weinen +Der Jungfräulichen bewegt, +Zu des ewgen Lichtes Scheinen +Ihn der Flügel wieder trägt. + +Und wo er im Flug verweilet +In der weiten Himmelshöh, +Geht die Sonne, da er eilet, +Auf, daß sie die Erde seh. + +Und er sprach: "O Herr, verzeihe! +Mich durchdrang ihr rührend Flehn; +Ihre Bitte, Herr, verleihe, +Laß in Reinheit sie bestehn!" + +Doch der Herr sprach: "Will im Scheine +Meiner Sonnen keusch sie gehn, +Will sie bleiben immer reine, +Eh ihr auf die Augen gehn? + +Sie liegt in des Traumes Zweifel, +Wenn mein Bild nicht auf ihr lebt; +Aus ihr schreiet nur der Teufel, +Wenn sie zierend widerstrebt." + +Und der Herr sprach: "Niedersteige +Zu der Züchtgen, Michael! +Daß sie dir des Staubes reiche, +Nach des Ewigen Befehl!" + +Als der Seraph sie umkreisend +Sieht im Mittagsglanze stehen +Und, des Herren Milde preisend, +Sich im Sonnenstrahl ergehn, + +Rühret ihn, den göttlich Freien, +Der nicht kannte irdisch Weh, +Ihr metallisch heißes Schreien, +Daß ihr hart Gewalt gescheh. + +Und er blieb, zur Höhe eilend +Bittend vor dem Ewgen stehn, +"Herr!" sprach er, "hör Gnad erteilend +Schonend an der Erde Flehn! + +Ich hab sie im Sonnenkleide +Also schuldlos schlummern sehn, +Aller Tränen Augenweide +Unter meines Fittichs Wehn. + +Als ich meine Flüge breitend +Sie mit meinem Flug erweckt, +Ihre Schmerzen tief mitleidend, +Hat mich ihr Geschrei erschreckt!" + +Und der Ewge sprach: "So steige +Zu der Jungfrau, Raphael, +Daß sie dir des Staubes reiche, +Bringe ihr des Herrn Befehl!" + +Und der Seraph niederschweifet +Überm blauen Wogenmeer, +Und die Erde lag umreifet +Von dem Abendglanz umher. + +In dem roten Sonnenscheine +War sie so in Trauer schön, +Stille lauschend, wie sie weine, +Blieb er auf den Wogen stehn. + +Und von ihrem heißen Weinen +Wurden seine Flügel schwer, +Und er mußte mit ihr weinen +Nieder in das dunkle Meer. + +Da er in die Wogen weinet, +Da erbitterte das Meer, +Und ihr Herz in Schmerz versteinet +Floß in salzgen Quellen her. + +Und der Engel wollte weichen, +Da die Sonne stieg zur See, +Und er stellt zum Friedenszeichen +Ihr den Mond in blauer Höh. + +Da er zu dem Licht aufreisend +Durch das hohe Himmelsfeld, +Rollen seine Tränen kreisend +Um die Erd das Sternenzelt. + +Und der Herr sprach: "Niedersteige +Zu der Erde, Azrael! +Daß sie dir des Staubes reiche, +Bringe ihr des Herrn Befehl!" + +Und der Seraph weit ausbreitet +Er die Flügel um sich her, +Daß der Schatten mit ihm schreitet +Und die Nacht so tief und schwer. + +Ihn soll nicht ihr Schmerz ergreifen, +Er will sie nicht trauern sehn, +Und vor ihm an ihren Reifen +Mond und Sonne untergehn. + +Von der neuen Lichter Scheine +Die Geblendeten vergehn, +Als sie freudg und alleine +In ihr eigenes Herz gesehn, + +Und fand allerlei Gebeine, +Die das Licht in ihr erregt, +Fand in sich die edlen Steine +Dunkel schimmernd ausgelegt. + +Und traumwandelnd sie beschleichet +Nun der schlaue Azrael, +Und die Träumerin sie reichet +Sieben Staube dem Gesell. + +Da er zu dem Ewgen steiget, +Ließ er sie im Schlafe stehn, +Der der Erde hat gezeiget, +Daß sie müsse untergehn. + +Da den Staub dem Herrn er reichet, +Spricht der Ewge: "Azrael! +Wer das Leben so beschleichet +So vollbringet den Befehl, + +Der soll alle Seelen leiten +Zu dem Himmel, zu der Höll, +Die sich von dem Leben scheiden, +Todesengel Azrael!" + +Und die Erden schärfer scheidend +Ließ des Meisters Will entstehn, +Tiere immer höher schreitend +Kriechen, schwimmen, fliegen, gehn. + +Und die sieben Erden einet +Er zum Menschen noch zuletzt; +Der da lachet und auch weinet +War zum Erdherrn eingesetzt. + +Ihn haucht an der Herr der Geister, +Hat ihm einen Geist geschenkt, +Daß er ähnlich sei dem Meister, +Irdisch lebend göttlich denkt. + +Von der Erd zum Sternenkreise +Reicht er, wenn er aufgestellt; +Sonnen gleich zu Gottes Preise +War das Antlitz ihm erhellt. + +Ruhend ihm die Stirne reichte, +Wo die Sonne aufersteht; +Ruhend ihm die Ferse reichte, +Wo die Sonne untergeht. + +Und die Tiere und die Geister +Blieben betend vor ihm stehn, +Glaubten ihn den ewgen Meister, +So war herrlich er und schön! + +Doch da sie ihm näher schreiten, +Haben sie ihn erst erkennt, +Da er schrie: "Die Herrlichkeiten +Gottes sind ohn Zahl und End!" + +Aber Gott sah ihn mit Neide, +Wollte ihn verkleinern gern, +Auf daß künftig unterscheide +Man den Diener von dem Herrn. + +Ließ vom Schlafe ihn beschleichen, +Den erfunden Azrael, +Zu ihm, zu den irdschen Reichen +Stieg er, daß er ihn bestehl. + +Machte um viel Ellen kleiner +Und beraubt sein eigen Werk, +Streute um ihn her die Beiner, +Daß er seine Herrschaft merk. + +Und da Adam war alleine, +Sah die Tiere paarweis gehn, +Wollt der Herr, daß er nicht weine, +Ihm nach einem Weibe sehn. + +Und er rief: "Hernieder steige +in die Tiefe, Azrael! +Daß sie dir des Staubes reiche, +Bringe ihr des Herrn Befehl!" + +Aber alle sieben Kreise +Waren durch und durch belebt, +Daß den Staub er zu sich reiße, +Harten Kampf der Geist erhebt. + +Als er in der Nacht ausgreifet, +Griff er in ein Pfauennest, +Und den Vogel hochgeschweifet +Steckt im Wolkengurt er fest. + +Weiter fassend zu ihm schleichet +Eine Katze augenhell, +Funken sprühen, wenn er's streichet, +Aus dem glatten Schmeichelfell. + +Aus der Wurzel sodann reißt er +Belladonna Azrael, +Und Fünffingerkraut; der Meister +Wird schon wissen, was ihm fehl. + +Eine Purpurschnecke reichet +Ihm sodann das weite Meer, +Und aus seiner Höhle steiget +Basiliskus zu ihm her. + +Und mit diesen Sechsen einet +Er den König, der sich hebt, +Und in roter Schminke scheinet, +Wenn Merkur bei Sulphur lebt. + +Diese böse Sieben reichet +Klug dem Engel Luzifer, +Der vor ihm im Dunkel schleichet, +Als wenn er die Erde wär. + +Diese Sieben formt zum Leibe +Nun der Herr, die sonst getrennt, +Gibt dem Adam sie zum Weibe; +Lilith war das Weib genennt. + +Adam! Adam! du mußt leiden, +Dir ist bös ein Weib gesellt! +Wer mag dich von Lilith scheiden, +Die vom Herrn dir ward bestellt? + +Schreiend, widergellend, keifend +Eifert sie und widerbellt, +Mit den tausend Augen schweifend, +Die der Pfauenschweif enthält. + +Und da heuchelt sie und schmeichelt +In dem weichen Katzenfell, +Und wenn er betört sie streichelt +Kratzt und beißt sie den Gesell. + +Nach der Belladonna weisend +Er sie etwas giftig nennt, +Bald auf seinen Wangen beißend +Das Fünffingerkraut entbrennt. + +Purpur und Zinnober weiset, +Wie es mit der Wahrheit steht, +Wenn der Basiliske gleißend +Aus der falschen Schminke geht. + +Ewig waren sie entzweiet, +Sie erkannt ihn nicht als Herrn, +Den Schemhamphorasch laut schreiend +Flog sie in die Lüfte fern. + +Da sprach Adam: "Herr der Geister, +Lilith floh aus meiner Welt; +Sie will nicht, daß ich als Meister +Über sie sei aufgestellt!" + +Gott ließ nun drei Engel reisen, +Die sie fanden überm Meer; +Sie zur Güte hinzuweisen, +Machte sie den Engeln schwer. + +Und nichts konnte sie erweichen, +Daß sie zu dem Adam kehr, +Und die Engel, daß sie schweige, +Drohn zu stürzen sie ins Meer. + +Da schwur sie, zur Qual alleine +Sei geschaffen sie zur Welt, +Zu der eignen Kindlein Peine +Sei zum Leben sie bestellt. + +Und der Herr sprach: "Ja, so bleib es! +Doch, um sie zu bändigen, +Sollen Kinder ihres Leibes +Täglich hundert untergehn!" + +Und seit diesen Fluch der Meister +Ließ ergehen für ein Recht, +Sterben täglich hundert Geister +Aus der Lilith Urgeschlecht. + +Um den Adam zu beschleichen, +Gott sein Haupt in Schlummer senkt, +Stiehlt die Rippe ihm, ein Zeichen, +Daß der Mensch denkt und Gott lenkt. + +Denn er war durch Schaden weiser, +Scheute sich vor Luzifer, +Und er geht Werke leiser, +Will nun keine Erde mehr. + +Und die Rippe wird zum Weibe; +Heva hat er sie genennt, +Sie war Fleisch von Adams Leibe, +Und sie haben sich erkennt. + +Ihre Locken zu den Seiten +Flocht und schmückte ihr der Herr, +Salbte sie, und tanzend schreiten +Mußte sie zu Adam her. + +Tausend Engel, sie zu preisen, +Vor dem klaren Weibe gehn, +Singend, spielend sie umkreisen +Rings mit himmlischem Getön. + +Und es tanzten rings den Reigen +Sonne, Mond und Sterne fern +Nach der Engel Harf und Geigen +Vor der Braut des Erdenherrn. + +Während seinen Segen beiden +Reichet gütig nun der Herr, +Zu der Mahlzeit sie zu leiten +Eilten dann die Engel her. + +Auf dem Tisch von Edelsteine +Da die Hochzeitsspeisen stehen, +Schenkend wohlgekühlte Weine +Engel um die Tafel gehn. + +Gott zeigt in dem Paradeise +Einen Baum, der hoch aufstrebt, +Spricht: "Die Frucht nehmt nicht zur Speise, +Sie ist tödlich!" und entschwebt. + +Da er von der Erde weichet, +Von dem Herren zum Geschenk +Raphael ein Buch ihm reichet, +Daß er seiner Liebe denk. + +Aller Schöpfung Heimlichkeiten +In dem Buch verzeichnet stehn, +Und die Engel aller Seiten +Schleichen, in das Buch zu sehn. + +Hinter seinem Rücken schreibet +Ab das Buch der Samael, +Luzifer ihn dazu treibt, +Daß auch nicht ein Buchstab fehl. + +Doch zu viel sitzt seinem Weibe +Bei dem Buche der Gesell, +Und sie schweift zum Zeitvertreibe +Durch den weiten Garten schnell. + +Und sie sieht zur ihr herreiten +Auf dem ragenden Kameel, +Der sie will zur Freiheit leiten, +Stolz den hohen Samael. + +"Wollet mich zum Baum doch leiten", +Spricht er, "der im Garten steht, +Der verboten ist euch beiden, +Auf daß ihr euch nicht erhöht! + +Aus des Buches Heimlichkeiten +Hab ich heute eingesehn: +Wer der Früchte ißt, wird schreiten +Auf zu Gott, ja gleich ihm stehn." + +Und geführet von dem Weibe +Greift zum Baume Samael; +Daß er ungetötet bleibe, +Zeigt er essend ohne Hehl. + +Und das Weib zum Baume greifet; +Aber wehe! vor ihr schnell +Zu der Erde niederschweifet +Todesengel Azrael. + +Sie gedacht in tiefem Leide, +Daß sie nicht alleine sterb. +"Sterben wir doch besser beide, +Daß kein Weib ihn mehr erwerb." + +Zu dem Mann ist sie geeilet, +Der bei seinem Buche steht; +Bis die Sünde er geteilet, +Eher sie nicht von ihm geht. + +Und der Herr sah es mit Neide, +Und aus Adams Händen schwebt +Weg das Buch, daß er mit Leide +Seinen Blick zu Gott erhebt. + +Und er schlug sein Haupt und weinte, +In den Gichon-Fluß sich stellt, +Und so jammerte und weinte, +Daß er bis zum Haupt ihm schwellt. + +Und der Schimmer seines Leibes +Rostet und wird träg und schwer, +Und es wird zum Fluch des Weibes, +Daß mit Schmerzen sie gebär. + +Gott stürzt sie vom Paradeise, +Und sie stürzten ab, getrennt; +In der Erde tiefstem Kreise +Adam sich zuerst erkennt. + +Erez Hattachtona heißet +Sie und Welt im finstern Kern; +Aber Luzifer beweiset +Sich als einen guten Herrn. + +Er schickt zu dem zweiten Kreise +Adamah, den Erdgesell, +Daß den Boden er aufreiße +Und das Bergwerk ihm bestell; + +Wo er hundert Jahre bleibet. +Lilith drang da zu ihm her, +Und mit diesem bösen Weibe +Zeuget Zwerg und Riesen er. + +Heva lebt im tiefern Kreise +Mit dem Geiste Samael, +Zeugt mit ihm in gleicher Weise +Geister und Dämonen schnell. + +Da bevölkert er die Kreise, +Wie er wollte, Luzifer, +Ließ er sie zur Arka reisen, +Die die vierte Erde wär. + +Und hier fanden sie sich beide, +Und da sie sich hier erkennt, +Ward geboren ihrem Leide +Stolz ein Sohn und Kain genennt. + +Und nun stiegen nach der Reihe +Um drei Erden still einher +Bis zur Tebhel alle dreie, +Unsere Erde, unser Meer. + +Adam hier ein Buch aufschreibet, +Was er unten hat gelernt, +Und was ihm erinnerend bleibet +Aus dem Buch, das Gott entfernt. + +Viel vom Bann und Glück der Geister +Ihm die Eva auch erzählt, +Wenig hat ihr starker Meister +Samael vor ihr verhehlt. + +Alles in das Buch er schreibet, +Alles in dem Buche steht, +Und das hohe Buch es bleibet +Als er stirbt dem Sohne Seth. + +Von dem Seth zum Tubalkaine +Hat sich dann das Buch entfernt, +Der die harten Eisensteine +Daraus künstlich schmieden lernt. + +Jubal lernt daraus der Geigen +Und der Flöten süß Getön, +Und aus seines Stammes Zweigen +Alle Pfeifer auferstehn. + +Und so steigt es immer weiter +Von Geschlechte zu Geschlecht, +Und auf seiner ewgen Leiter +Stehen alle Künste recht. + +Mündlich, schriftlich, stets erweitert +Geht es durch die trübe Welt, +Die es mit der Kunst erheitert, +Mit Erkenntnissen erhellt. + +Noah schrieb hinein die Reise +Durch der Sündflut hohes Weh +Und der Tiere Art und Weise, +Ihrer Sprache A B C, + +Und des Weines Zaubereien, +Und wie man am Firmament +Aus der Sterne klaren Reihen +Menschliches Geschick erkennt. + +Abram, daß die Kunst mög bleiben +Die Gestirne zu verstehn, +Wollte sie auf Körper schreiben, +Die durch Feu'r und Wasser gehn. + +Er schrieb sie zum Trost der Seinen +Auf zwei Säulen himmelwärts, +Eine von gebrannten Steinen +Und die andre war von Erz." + +So sprach Moles zu dem Meister, +Der in hoher Freude steht, +Daß die Weisheit aller Geister +Nun in seinen Händen steht. + +"Aber sag," spricht er zum Geiste, +"Wie sich deine Mutter nennt?" +"Heva," sprach er, "mit mir kreiste +Durch den Vater Samael. + +Und du selber, starker Meister, +Stammest von der Lilith her; +Dein Urvater, Adam heißt er, +Und der Taufpat Luzifer. + +In Ägypten hat verbreitet +Sich dein mächtiges Geschlecht, +Und durch deinen Vater streifte +Es herüber ungeschwächt." + +"He! mein Vater, he! wie heißt er?" +Spricht nun Apo zum Gesell. +"Amber, Amber, lieber Meister," +Spricht der Hund, "doch ist's nicht hell! + +Denn es mag die Heimlichkeiten, +Die die Liebe zwirnt und dreht, +Selbst der Teufel nicht entscheiden; +Mancher erntet ungesät." + +Also sprachen diese beiden, +Bis es an dem Turme schellt, +Apo zu den letzten Leiden +Einer Kranken ward bestellt. + +Und der Geist ward immer dreister: +"Mach, daß sie das Sakrament," +Sprach befehlend er zum Meister, +"Nicht empfängt vor ihrem End!" + +** Romanze XI: Biondetta in dem Theater + +Schwarze Damen, schwarze Herren +Wandeln durch Bolognas Straßen. +Werden sie zur Leiche gehen? +Wen bringt man so spät zu Grabe? + +Doch kein Priester wird gesehen, +Kreuz und Fahne nicht getragen; +Alles strömet laut und rege, +Und die schnellen Wagen rasseln. + +Nicht zur Mette oder Vesper, +Miserere, Salve, Ave, +Auch zu keiner Totenmesse: +Diese liest man nicht am Abend. + +Nein, sie gehn zur letzten Ehre, +Trauernd all in schwarzer Farbe, +Was sie lieben anzusehen +In die Runde des Theaters. + +Denn die herrliche Biondette +Wird der Bühne heut entsagen, +Morgen dann den Schleier nehmen +In der Kirche zu Sankt Claren. + +Und der Schein unzähl'ger Kerzen +Füllet leuchtend schon die Hallen, +Und es lodern alle Herzen +In unsichtbar schönen Flammen. + +All die schwarzen Fraun und Herren, +All die Diamanten strahlend +Und die schwarzen Augen brennend +Reihen blendend sich zum Kranze. + +Bis lebendig alle Wände +In viel tausend Herzen schlagen, +Jeder Blick ein Aug muß treffen, +Jeden Ton ein Ohr muß fassen. + +So gleich einem Firmamente +Mit viel guten Sternen flammend, +Baut sich wundersam ein Tempel, +Um Biondetten zu umfangen. + +Da der Vorhang ruhig schwebet, +Sonne, bist du aufgegangen, +Leise Kühlung duftend wehet +Um die sehnsuchtsheißen Wangen. + +Liliensäulen sich erheben +Eine Rosenkuppel tragend; +Unter einem Blumentempel +Steht Biondetta mit der Harfe. + +Ach, sie war ein klarer Engel, +Voll von lieblichen Gedanken, +Einer frommen Jungfrau Seele +An der Himmelspforte zagend. + +Alles Licht zu ihr sich sehnet, +Zu ihr alle Strahlen fallen, +Alles schweigt und liebt und betet +Recht in selgem Wohlgefallen. + +Also schwieg die junge Erde, +Da der Mensch, der Gottgeschaffne, +In dem Kelch des jungen Lebens +Sinnend schwankt und weint und lachte. + +In ihr nur war alles Denken, +In ihr alle Herzen schlagen, +Mit ihr jedes Aug gesenket +Oder freudig aufgeschlagen. + +Nun erhebet sie die Rede, +Und die tausend Hörer alle +Fühlen ihrer Lippe Beben +Still in freudigem Erwachen. + +Züchtig sprach sie: "Hochgeehrte! +Schonend habt ihr mich vor Jahren +Aufgenommen in den Tempel, +Habt geduldet mich seit Jahren. + +Wollet heute auch in Ehren +Eure Dienerin entlassen, +Daß mich rein ein reinrer Tempel +Aus der Künste Haus empfange. + +Als ein Opfer will ich geben +heut des äußren Lebens Fabel, +Daß ich dann das innre Leben +Morgen opfre am Altare!" + +Und nun stieg des Tempels Schwelle. +Mit Biondetten, einsam ragend +Stand ein Fels in ödem Meere, +Ein Marienbildlein tragend. + +Rings die tausend Lichter blendend +Sanken ein, die Diamanten +Blickten schüchtern, ferne Sterne, +An dem dunklen Firmamente. + +Eine weite Dämmrung streckte +Sich umher, und keine Schranken +Schienen um den Fels zu stehen, +Als nur liebende Gedanken. + +Bei dem Bildlein saß Biondette +In dem Scheine einer Lampe, +In den weißen Arm gelehnet +Schimmerte die goldene Harfe. + +Schweigend glich das Volk dem Meere, +Über dem ein Gott hinwandelt; +Als ruht und wogt die Menge +In Biondettens Sang und Harfe. + +Und es sind des Meeres Wellen +An der Jungfrau Lied gebannet, +Weh und Wonne fluten, ebben, +Wie sie will in allen Adern. + +Hell auf meerumwogten Felsen +Hebt sich über ewges Wasser +Ein Marienbild; des Meeres +Stern auf ihrem Haupte flammet. + + "Meerstern, wir dich grüßen, + Die durch Tränenwüsten + Aus der sündedunkeln Zeit + Einsam steuern müssen + Zu den hellen Küsten + Der gestirnten Ewigkeit." + +Nächtlich steigt zur ihr Sirene, +Opfert Perlen und Korallen, +Singt auf mondbeglänzter Schwelle +Zu kristallner Harfen Schalle: + + "Jungfrau, laut verkünden + Von des Himmels Bühnen + Engel deine Herrlichkeit; + Und aus Meeres Gründen + Steigt, dich zu versühnen, + Was da lebt in irdschem Streit." + +Aber dunkle Wolken treten +Vor den Mond, das weite Wasser +Sträubt das Wogenhaar zu Berge +Vor den tosenden Orkanen. + + "Jungfrau voller Güte, + Wie das Meer sich türme, + Stehest du in Heiterkeit; + Wie gefallne Blüten + Schütten dir die Stürme + Himmelssterne auf dein Kleid." + +Ach, im zorngen Elemente +Schwankt ein Schifflein notumklammert! +Leuchte, leuchte, Stern des Meeres, +Einer Mutter dich erbarme! + +Ach, sie flehet nur zu retten +Ihren Säugling, den umarmend +An der Brust sie nährt zum Leben, +Schwankend selbst im Untergange. + +Dir, o Meerstern, weiht sie betend +Den sie unterm Herz getragen, +Nun zur Wogenwiege leget +Aus den sichern Mutterarmen. + + "Denk, o Mutter süße, + Wie du durch die Wüste + Unsern Herren trugst in Pein, + Daß er für uns büße, + Trank er deine Brüste, + Sog er deine Milde ein." + +Schon zerbricht des Sturmes Segel, +Und der Blitze Feuerflagge +Zucket einsam auf den Wellen, +Wo das Schiff in Nöten schwankte. + +Nieder zur der Gruft der Meere +Sank das Schiff; es folgt dem Sarge +Schwarz der Donner, ernstlich betend, +Und der Blitze Leichenfackel. + +Und es suchen kleine Sterne +Einsam durch die dunklen Wasser +Nach der Mutter, ach vergebens! +Fromme Kerzen ihres Grabes. + + "Jungfrau, Himmelstüre, + In des Todes Gründe + Senke deiner Strahlen Schein + Und helleuchtend führe + Aus dem Meer der Sünde + Uns zum Quell des Lichtes ein!" + +An dem Himmelsdome brennet +Still des Mondes ewge Lampe; +Zu dem Felsen rauscht Sirene, +Einen Schatz im Arme haltend. + +Denn sie trug das Kindlein flehend +Zu dem steilen Felsenrande, +Das die Mutter untergehend +Legte in Mariens Arme. + +Die, ein heller Stern des Meeres, +Trägt den Scheiternden Erbarmen, +Hat es sicher durch die Wellen +In Sirenens Arm getragen. + +Aus dem wilden Elemente +Trug sie nun das Bild der Gnade +Freudig aufwärts zu dem Felsen, +Ganz in neuer Lieb erwallend. + +Liebvoll löst sie ihre Flechten, +Teilt die Locken sich am Nacken, +Bildet draus am warmen Herzen +Für das Mägdlein weich ein Lager. + +Setzt sich an des Bildes Schwelle +Mit dem süßen Wunderpfande +Und spricht fromm: "O Stern des Meeres, +Lasse mich dies Kind erlaben!" + +Und nach ihren Brüsten wendet +Sich das Kind und findet Gnade; +Die es lebend hielt in Wellen, +Gab barmherzig ihm die Amme. + +Alle die keuschen Lebensquellen +Über ihrem Herzen wallen, +Muß sie süße Blicke senken +Zu dem Kind in Mutterarmen. + +Und dann singt sie; schlummerwebend +Tönt das Lied und rauscht das Wasser, +Und es wandeln Mond und Sterne +Leise, daß das Kind entschlafe. + +"Da der Morgen wiederkehrte, +Lag ich in kristallner Kammer; +Auf der weichen Purpurdecke +Spielten goldne Sonnenstrahlen. + +Und am Mittag wiegt Sirene +Mich in glatten Muschelschalen, +Und ich schlief bis sie mich weckte +Mit Gesang und süßer Harfe. + +Rötet Abendlicht die Welle, +Trug sie mich in Mutterarmen +Zu dem Bilde, für mein Leben +Der Gebenedeiten dankend. + +Wenn um Mitternacht die Sterne +Sinnend in dem Meere schwankten, +Flocht mir durch den Traum Sirene +Ihrer Lieder heilge Schlangen. + +Also in dem Land des Lebens +Und in Andacht schon erwachsen, +Nannte sie das Kind Biondette +Ob der goldnen Flut des Haares. + +Frühe lehrt sie mich zu schweben +Auf des Tanzes Wunderbahnen, +Früher noch die Blicke heben +Und zu Gott die Händlein falten. + +Und sie lehrt die junge Seele +Sich erschwingen im Gesange +Und mit Engeln auf der Töne +Himmelsleiter freudig tanzen. + +Aber endlich sprach Sirene: +`Folge mir in meine Kammer; +Fest ist schon in dir das Leben, +Lerne nun, dich zu verwandeln! + +Alles Leben lerne leben, +Alle schöne Klage klagen, +Alle Freude schön erheben, +Alle Geister aufwärts tragen! + +Alle Herzen sollen beben +In dem Klange deiner Harfe! +Bannen sollst du alle Seelen +In die Kreise deines Tanzes! + +Mit der Künste heilgem Zepter +Schlage an das Herz der Sklaven, +Die du in den Sinnen fesselst, +Um im Geist sie zu entlassen!' + +Also sprach zu mir Sirene, +Hüllend mich in einen Mantel, +Der sich wie der Leib der Seele +Allgestaltend um mich faltet. + +Nieder stieg ich. Tief im Felsen +Tut sich auf ein bunter Garten, +Rauschet, strömet Toneswellen +Um das Eiland aller Farben!" + +Also schwieg das Lied Biondettens. +Neben ihr die kleine Lampe +Ward zu einem Kranz von Sternen, +Um das Bild Mariens strahlend. + +Dies erhob sich leis vom Felsen +Zu dem Himmel aufgetragen; +Mit dem Felsen sank Biondette +Knieend und die Harfe schlagend. + +Und die wilden Elemente +Schieden sich, sie zu empfangen; +Es stieg aus dem öden Meere +Einen Wunderinsel prangend. + +Tonumflutet vom Orchester +Trennte sich das Kunstgestade +Von dem Garten des Parterres +Und der Logen Glanzterrassen. + +Auf den stillen Blumenbeeten +Blinkt der Tau der Diamanten +Und die stillen Tränenperlen +In dem Blick der schwarzen Damen. + +Und es stieg hoch überschwellend +Melodie aus allen Schranken, +Aus den Wänden tausend Kerzen, +Aus dem Boden tausend Lampen. + +Von Marien niederwehend +Sank der himmelblaue Mantel, +Schürzt sich feierlich zum Zelte +In des Ölbaums grünen Armen. + +Aus dem Zelte tritt Biondette, +Eingeflochten ihre Haare, +Stolz geschmückt mit milden Perlen, +Edelstein und goldnen Spangen. + +Schwer ein Schwert faßt ihre Rechte, +Von der linken Schulter wallet +Eine blutge Purpurdecke, +Hüllend, was die Linke trage. + +Und sie schürzt die Decke, sprechend: +"Den durch Gott ein Weib geschlagen, +Seht das Haupt des Holofernes, +Seht die Decke seines Lagers! + +Und so wahr der Herr uns lebet, +Rein sein Engel mich bewahrte, +Die ohn Sünde wiederkehret, +Nur mit Freud und Sieg beladen!" + +Nun tritt sie zurück zum Zelte, +Das nach ihr hernieder wallet, +Aber rings Gesang sich hebet, +Freudig Flöt und Zimbeln klangen. + +Jauchzend durcheinander wehten +Alle Töne, und es schwangen +Triumphierend sich die Chöre +Wie ein Wald voll Siegespalmen. + +Schneller, jubelnder und heller, +Bis zu einer wilden Flamme, +Die sich wieder selbst verzehrte, +Bis zur stillen glühen Asche. + +Da trat still einher Biondette +Unter weißem Rosenkranze, +Ihre Locken, goldne Flechten, +Von der Stirn zum Gürtel fallen. + +Um die zarten Glieder bebet +Ihr ein schlichter, weißer Mantel, +An des Gürtels Silberkette +Hängt ein Brot und eine Flasche. + +Ihrer Augen blaue Quellen +Lassen Tränenperlen fallen +In der Maienglöckchen Kelche +An dem goldnen Knauf der Harfe. + +Als die zarten Finger beben +Durch der Saiten goldnen Garten, +Blühen ihrer Lippen Nelken +Und das Rosenfeld der Wangen. + +Und sie sang ein Lied bewegend +Von dem Tode eines Lammes, +Das, die Schuld von uns zu nehmen, +Starb in heilger Opferflamme. + +Als schleiert sich in Nebel +Oft der Mond; aus keuschen Strahlen +Einen Heilgenschein sich webend, +Weint er umd die trüben Tage; + +Also tönt ein Schwan im Sterben, +Der im Spiegel klarer Wasser +Stumm sein Sternbild angesehen, +Grüßt es scheidend im Gesange. + +"Lebet wohl, ich will mich wenden +Zum Gebirge; einsam wandelnd +Will die reine Tochter Jephtas +Weinen um die jungen Tage! + +Weinen um den Schein des Lebens, +Weinen um den Duft des Kranzes, +Weinen, daß die Seele heller +Scheine, als des Opfers Flamme!" + +Und nun wendet sich Biondette +Trauernd zu dem Felsenpfade, +Der bald sichtbar, bald verstecket +Aufsteigt an des Berges Rande. + +Wo der Steg zu Tal sich wendet, +Stand sie grüßend mit der Harfe, +Ferne Sehnsuchtsklänge sendend +Zu verlaßnen Frühlingstalen. + +Rings die Hirtenflöten flehen, +Und der Herden Glocken stammeln, +Und die Abendlieder schweben +Klagend aus der Büsche Schatten. + +Sie geleitend steigt am Felsen +Sonnenschein zum Untergange, +In der Tritte Spuren senket +Dämmerung den ernsten Mantel. + +Aber schaut! Nun steht Biondette +Hoch am dunklen Tor des Waldes, +Niederkniet sie und singt betend +In die Welt, die sie verlassen: + +"Lebet wohl, ihr falschen Farben, +Eitler Tränen Regenbogen, +Sterne, die mit falschem Glanze +Dienet einem Flittermonde! + +Meine Tränen sollen wachsen, +Daß sie mit den bittren Wogen +Ganz mein Irdsches überwallen, +Bis die Schuld ist hingenommen. + +Aus dem Argen in die Arche +Geh ich gleich der Tochter Noä, +Kleide mich in schwarzer Farbe, +Wie der Rabe ausgeflogen. + +Kleide schwarz mich gleich dem Raben, +Der als Bote ausgeflogen +Und so traurig auf den Wassern +Schwebte, bis sie abgeronnen. + +Schleire mich in weißer Farbe +Gleich der Taube, die als Bote +Wiederkehrte mit dem Blatte, +Das dem Friedensbaum entsprossen. + +Sei gegrüßt, du Tag der Gnade! +Durch den Friedensbogen Gottes +Will ich zu den Vätern wallen +Auf der Opferflamme Wolken!" + +Aber in den Wald nun senket +Sich die Sonne, und mit Flammen +Scheint Biondetta rings umgeben, +Schwarz geschleiert, nur ein Schatten. + +Da der Wald im Glanze stehet, +Schweigen rings die Flöten alle, +Und ein Chor von Hörnern schwebet +Klagend auf im Widerhalle. + +Und das Volk lauscht tief beweget, +Denn die Sonne widerstrahlend +Spielet, die nicht auszusprechen, +Lieder durch die goldne Harfe. + +Und so stille war die Menge, +Daß man hört die Tränen fallen +Und die heißen Seufzer wehen +Und die bangen Herzen schlagen. + +Wie ein Kahn auf stillem Meere +Mondumspielet träumend wanket +Und der Fischer hingestrecket +Schlummert ein in dem Gesange: + +Also waren alle Schmerzen +In Biondettens Lied entschlafen, +Scheiden kann sie von den Herzen, +Die in Wunderträumen wandeln. + +Doch es treibt das Schiff zum Felsen +Und füllt sinkend sich mit Wasser; +Nacht ist's und der Mond bedecket, +Und der Mann starb unerwachet. + +Aber weh! nicht so die Schmerzen, +Schlummernd, träumend im Gesange, +Hier im süßen Schlafe starben, +Wie der Fischer, Mond und Rachen. + +Um Biondetten wird es heller: +"Wehe, wehe, das sind Flammen! +Feuer, Feuer, Helft! o helfet!" +Schreiet alles im Theater. + +"Feuer! Helfet!" schreit Biondette. -- +"Stürzet das Gerüst zusammen, +Ist sie nimmermehr zu retten": +So erfüllt das Haus ein Jammer. + +Nach den Türen, zu den Treppen +Stürzen alle Herrn und Damen, +Und die Menge des Parterres +Will sich wogend überschlagen. + +Bald in allen Fenstern stehen +Hohe Leitern; Herrn und Damen +Drängen sich, hinab zu klettern, +Und hinauf die Herrn Soldaten. + +Dieser will sein Liebchen retten +Und faßt seine alte Base; +Jener, der die Frau will heben, +Wird umklammert von dem Manne. + +Und die duftgen Cicisbeen +Müssen gar zu harter Strafe +Helfend auf und nieder klettern, +Wie die nassen Katzen jammernd. + +Denn den Fliehend entgegen +Springen schon die Wasserstrahlen; +Wer im Feuer nicht kann leben, +Muß sich durch das Wasser baden. + +Schreien, Weinen, Fluchen, Beten, +Steigen, Klettern, Ohnmachtfallen, +Trommelschlag und Brandtrompeten, +Wagenrasseln, Glockenschlagen. + +Und schon windet sich die Menge +Kapuziner, Domnikaner +Sich in braun, schwarz-weißer Kutte, +Wassereimer eilig langend. + +Doch die mutigen Studenten +Springen jubelnd zum Theater, +Stürmen die papiernen Felsen, +Niederreißend rings die Lampen. + +Oben an des Haues Decke +Hört man schwere Äxte fallen, +Sieht auch bald die Zimmrer stehen, +Niederstürzend Fluten Wassers. + +Und schon ordnet sich die Menge, +Massen bilden sich und Straßen, +Alles stehet, geht und kehret, +Keiner hindert mehr den andern. + +Aber unter den Studenten +Achtet einer nicht der Flammen; +Er hat gar ein wildes Wesen, +Gleichet einem Salamander. + +Und schon klagt man um den Helden, +Den umkrachten alle Sparren, +Doch er kehrt und trägt Biondetten +In den dunklen, harten Armen. + +Da er eilet in die Szene, +Schreit die Jungfrau: "O erbarme +Dich, Maria! Rette, rette +Mich von ihm in Jesus Namen!" + +Da springt von der offnen Decke +Kühn ein Jüngling, wütend packet +Er den Räuber von Biondetten, +Doch der stehet ganz in Flammen. + +Alle Glut zu ihm sich wendet, +Und wie auch die Wasserstrahlen +Auf ihn stürzen, wills nicht helfen, +Und man hört ihn gräßlich lachen. + +Und wie Wirbelwinde drehen +Zu ihm hin sich alle Flammen, +Die wie Haare um ihn wehen, +Wenn er also gräßlich lachet. + +Und so hat er lachend, brennend, +Eine lange Zeit gestanden, +Da das Feuer rings geendet, +Und das Volk schrie laut: Mirakel! + +Da ein Priester zu ihm sprenget +Einen Strahl geweihten Wassers, +Ward er, allen zum Entsetzen, +Nur ein Häuflein dunkler Asche. + +Und das Volk kniet ringsum betend. +Von der Höhe des Theaters +Sprach der Priester dann den Segen, +Und es schallt ein lautes: Amen! + +Fromme Litaneien betend, +Ziehn die Mönche still gepaaret, +Und die hilfreichen Gewerke +Folgen betend aus den Hallen. + +In des Hauses weiter Leere +Schallet das Geträuf des Wassers; +Rings die stummen Wachen stehen +Bei dem wilden Schein der Fackeln. + +Aber die Studenten stehen +Staunend um das Häuflein Asche; +Den die Flamme hat verzehret, +War der beste Kandidate. + +Er war Famulus des Lehrers, +Und sie brechen aus in Klagen, +Bis die rufenden Pedellen +Sie zur Heimkehr laut ermahnen. + +In den Weihewasserkessel, +Den die Mönche stehn gelassen, +Sammelt unter Tränen jeder +Des verbrannten Freundes Asche. + +Und dann ziehen die Gesellen, +Die geliebte Urne tragend, +Trost sich singend, von der Schwelle, +Um Apone es zu klagen. + +Schweigend steht das Haus. Es sehen +Durch die Öffnungen des Daches +Stille nieder Mond und Sterne, +Traurig spiegelnd in dem Wasser. + +An der Erde ruht Biondette; +Als sie nannte Jesu Namen, +Ließ der fürchterliche Retter +Sinken sie aus seinen Armen. + +Bei ihr kniet mit seinem Schwerte +Stumm Meliore; in die Harfe +Hat er sorglich sie gebettet, +In den himmelblauen Mantel. + +Er verließ im Lärm den Kerker, +Er war's, der den Sprung gewaget +Von der Decke, sie zu retten +Aus des Räubers dunklen Armen. + +Da es stille war, erhebet +Sich Biondette, und den Mantel +Schlingt sie um sich, von der Erde +Hebt sie dann die goldne Harfe. + +Spricht, sich zu Meliore wendend: +"Sei gegrüßt! In Jesu Namen +Hast du mich von ihm gerettet +Und gehütet in dem Schlafe. + +Einen Traum hab ich gesehen: +Asche war ich, und zu Asche +Soll ich einstens wieder werden, +Wenn erfüllet sind die Tage. + +Für dich hab ich heut gebetet, +Da du fochtest am Altare; +Und du hast für mich gebetet +Jetzt in dringenden Gefahren. + +Du hast liebend mich gerettet +Aus des ewgen Todes Banden, +Und ich werde dir's vergelten +Bald in übervollem Maße. + +Laß die Sinne untergehen, +Liebe nicht, was irdisch schwanket; +Die du irdisch angesehen, +Wird dir göttlich liebend danken. + +Hier auf dieser öden Stelle +Wird es einstens göttlich tagen. +Sieh, es haben schon die Sterne +Ihren Strahl den Weg gebahnet. + +Wenn hier an des Altars Schwelle +Eine Jungfrau wird entsagen, +Werd ich durch dich auferstehen +Aus der irdschen Leibesasche. + +Und du wirst die Asche nehmen, +Streuen sie in deine Haare, +Weil die Schlange wird zertreten +Von des Weibes heilgem Samen. + +Was in Träumen ich gesehen, +Hab ich alles dir gesaget; +Denn auch du bist ausersehen +Zu unendlich großen Gnaden. + +Wir gehn auf demselben Wege; +Lasse uns im Geiste wallen, +Lasse uns nie Abschied nehmen, +Gehe hin in Gottes Namen!" + +Da geendet sie die Rede, +Konnt er nicht den Blick ertragen; +Also mächtig war ihr Wesen, +Daß er schweigend ging von dannen. + +Und zur Harfe sang Biondete: +"Lob sei Gott dem Herren! Amen!" +Und das öde Haus erbebte, +Widerhallend: Amen, Amen! + +Amen! sprachen Mond und Sterne, +Träufelnd sprach das Wasser: Amen! +Und da sie verließ die Schwelle, +Riefen rings die Wachen: Amen! + +** Romanze XII: Jacopone und Rosarosa + +Von Folianten rings umgeben +Sitzt der stolze Jacopone; +Hochgeehrt von den Klienten +Ist der junge weise Doktor, + +Ausgetreten seine Schwelle; +Denn mit vollen Händen kommen +Taufend, um in ihren Rechten +Weise Sprüche sich zu holen. + +Täglich, nächtlich kommen, kehren +Zu ihm, von ihm schnelle Boten, +Fern und nah muß er die Texte +Streitigen Parteien ordnen. + +Und vor seinem Hause stehen +Oft der Fürsten stolze Rosse, +Er ist rings im Land gebeten, +Und man wünscht ihn allerorten. + +Er verstand wohl die Gesetze +Gleich dem griechschen Hermodore. +Die zwölf Tafeln hergestellet +Hätt er, wären sie verloren. + +Und wie Flavius gelernet +Auswendig die Aktionen, +Kannte auch wohl alle Leges, +Alle Formeln Jacopone. + +Mutius hat er gelesen +Und den Brutus wohl erwogen, +Den Manilius versteht er, +Ist Sulpicio gewogen. + +Des Antistius Labeo Gegner +Folget er, des Capitonis +Schüler, des Sabini Regeln, +Sabinianischer Methode. + +Er hielt streng bei den Gesetzen +und schrieb |dissertationem|, +Die ihn bracht zu hohen Ehren: +|De bonorum possessione|. + +Salvium Julianum kennt er, +Gaji Institutionen, +Papinian, Ulpiano strebt er +Und Herennio zu folgen. + +Ehre hätte dem Katheder +Zu Beryt, Konstantinopel +Und zu Rom er einst gegeben, +Wie jene Antecessores. + +Hätte damals er gelebet, +Die drei Codices zu ordnen +In den Justinianschen, neben +Tribonian würd er gelobet. + +Und die Sechzehn, die mit jenem +Die Pandekten ausgeboren, +Wären Siebzehn dann gewesen; +Also war sein Geist zu loben. + +Zum Behufe der Pandekten, +Auf die fünfzig Dezisionen +Für Justinian zu stellen, +Wär er mitbeehret worden. + +Dem Theophilo wohl neben +Dorotheo zugeordnet +Wär er, Triboniano helfend +Bei den Institutionen. + +Er wär recht der Mann gewesen +|Repetitae praelectionis +Codicem| ins Licht zu stellen, +Und |nearai diataxeis|. + +Aber spätrer Zeit zur Ehre +War er recht ein Schmuck geboren +Auf Bononischem Katheder +|Magnae matris studiorum| + +Wo Irnerius gelehret +Seine Justinianischen Glossen, +Bulgar, Gosias gelebet, +Hugo und Glossatoren. + +Weil er ganz besonders ehrte +Jakob vom Ravenner Tore, +Hat er sich nach ihm genennet +Gar bescheiden Jacopone. + +Und Accursius war sein Lehrer, +Otofredus diesem folgte; +So hat er das Recht erlernet +Nach der Summa des Azzonis. + +Und kaum dreißig Jahre zählt er; +Um die hohe Stirne Locken +Wallen braun aus dem Barette, +Und sein Bart ist schön geordnet. + +Wenn er im Ornate stehet +Und kreieret die Doktoren, +Fließet ihm die stolze Rede +Gleich dem zweiten Cicerone. + +Wüßten das, was er vergessen, +Manche andre Professoren, +Wäre ziehenden Studenten +Öfters aus der Not geholfen. + +Und so ganz in Ehren schwebend, +Lebte er in seinem Stolze; +Seinem Ruhm sind nah und ferne +Tausend Schüler nachgezogen. + +Dunkler Herkunft zu entstreben, +Hat ihn so sein Fleiß erhoben, +Denn nicht seinen Vater kennt er, +Seine Mutter starb verborgen. + +Er begann sein Jugendleben +Mit zwei Brüdern in dem Kloster; +Pietro ward ein Blumengärtner, +Noch studieret Meliore. + +Da er stieg zu dem Katheder, +Nahm zum Weib er Rosarosen, +Eine Jungfrau auserlesen, +Eines Arztes Pflegetochter. + +Als er ging zur Doktorehre +Durch der Aula hohe Pforte, +War die Züchtge ihm begegnet, +Und er sprach zu ihr die Worte: + +"Schöne Jungfrau! Ihr begegnet +Mir an sehr gefährlchem Orte, +Jetzo ich zu streiten gehe +|De bonorum possessione|. + +Und die Schätze aller Welten +Habe ich bei Euch verloren, +Nichts besitz ich auf der Erde, +Da Ihr mich mir selbst genommen. + +Was ich künftig nun erwerbe, +Habt Ihr schon von mir gewonnen. +Geht und betet, daß die Ehre +Mir nicht gehe heut verloren!" + +Rosarose sah beschämet +An den glatten Marmorboden: +"Ich erfleh Euch, Herr, die Ehre", +Sprach Sie, "und halt Euch beim Worte: + +Daß Ihr mir sodann die Ehre +Teilet, die ich Euch erworben, +Und nie nehmet mir die Ehre, +Die um jene Gott ich opfre!" + +Ach, zu spät verstand die Rede +Rosarosas Jacopone, +Und es hat ihn sehr beschweret, +Was er damals ihr versprochen. + +Und sie schieden; sie zum Tempel, +Er zu dem Juristenhofe; +Sie erfleht ihm Gottes Segen, +Er den Doktorhut erobert. + +Als er austritt hochgeehret +Unter der Schalmeien Chore, +Wird bei Pauken und Trompeten +Ihm drei "Vivat hoch!" erhoben. + +Doch er blicket allerwegen +Nach der Jungfrau dieses Morgens, +Ihm will auch der Wein nicht schmecken +Bei dem Doktorschmause oben. + +Ach, wenn sie den Trank kredenzte, +Säh er in des Bechers Golde +Spiegelnd ihre Augen brennen; +Ach, wie er dann trinken wollte! + +Ach, und wo ihr Mund den Becher +Selbst entsauget einen Tropfen, +Durstig hätte er die Stelle +Ausgebissen aus dem Golde. + +Und in dem Tumult des Festes +Schleicht er aus dem lauten Chore, +Irret auf verschiednen Wegen, +Denn er wußt nicht, wo sie wohnet. + +Wo vor Stunden sie sich trennten, +Geht er, ihren Weg verfolgend, +In den Garten, nah gelegen, +Von Sankt Clarens stillem Kloster. + +Längs den still beblumten Feldern +Wiegen sich die vollen Rosen, +Von den Tönen tief beweget +Einer süß gerührten Orgel. + +Und im stillen Garten stehet +Tief erschüttert Jacopone; +Lang hat ihn nicht angewehet +Der unschuldge Odem Gottes. + +Lange hat er nicht gesehen +In das offne Herz der Rosen, +Und so frommer Töne Wehen +War entfremdet seinen Ohren. + +Er war in der Bücher Menge +Ganz verriegelt und verschlossen, +Und hier, wo die Blumen scherzten, +Ist ihm auf das Herz gebrochen. + +Brach ihm auf in Liebesschmerzen, +Recht wie eine Blumenknospe +Ihn Geschmeide keusch ausleget +In dem Kuß der jungen Sonne. + +Wie verschloßne Felsenquellen +Traurig in dem Dunkel wohnen, +Jauchzend dann zutage brechen +Zu den Sternen, zu der Sonne, + +Und mit bunten Steinen scherzend +Und mit Fischen spielend wogen, +Wo die Blumen spiegelnd stehen, +Von Libellen leicht umflogen. + +Wie, dem Kinde gleich, die Welle +Gern um Tand die Körner Goldes +Hingibt, die im Schoß der Berge +Sie mit Angst vom Geiz erworben, + +Und den süßen Blütenregen +Freudig zu dem Fluß hinwoget, +Freudiger dann Fischersegel +Trägt, und durch die Mühle toset, + +Hohe Masten dann bewegend +In den breiten starken Flossen, +Und dann kühne, volle Segel +Führet, recht in hohem Stolze, + +Dann dem ganzen Elemente +Sich hingebend, abwärts tosend +In die hohen, vollen Meere, +Stirbt in Wiedersehens Wonne; + +So fand er sich tief beweget +Und, dem Bücherstaub entronnen, +Neue Liebe in dem Herzen, +Zwischen Blumen in der Sonne. + +Doch da eine Stimme schwellend +Sich ergießt zum Orgelstrome, +Schreitet er zu der Kapelle, +Die in Büschen steht verborgen. + +Und er wurzelt auf der Schwelle; +Rosarosa schlägt die Orgel +Singend, ohne ihn zu sehen, +Zwischen Engelbildern golden. + +Auf dem kleinen Orgelwerke +Steht das Bild der Mutter Gottes, +Frische Rosen reicht ein Engel +Unserm Herrn in ihrem Schoße. + +Und das Bild des andren Engels +Hebt empor in goldnem Korbe, +Singend auf und niederschwebend, +Einen süßen, bunten Vogel. + +Und die leichten Bälge tretend, +Sieht er einen goldumlockten, +Schönen Knaben freudig schweben. +Ach! er glich dem Liebesgotte, + +Wäre nicht so fromm sein Wesen; +Doch ihm fehlen Pfeil und Bogen, +Und ein Kreuz im Arm ihm lehnet +Aus zwei jungen Weidensprossen. + +Einen Rosenstrauß am Herzen, +Schlummert still sein Lamm am Boden; +Niedersinket auch zur Stelle +Auf die Kniee Jacopone. + +Ihr Gesang sich so erhebet: +"Heilge Jungfrau! Mutter Gottes, +Denke, wie sandst im Tempel +Jesum, den du glaubst verloren, + +Streitend mit den Schriftgelehrten, +Mit den Ärzten, Philosophen, +Wie er als ein Kindlein redet +Wunderbare, hohe Worte. + +Als er fragt: `Ihr Männer, wessen +Sohn Messias wird geboren?' +Alle kecklich zu ihm sprachen: +`Davids Sohn wird er geboren!' -- + +`Warum dann,' dein Kind versetzte, +`Nennt ihn David seinen Obern? +Sprach der Herr zu meinem Herren: +Du sollst mir zur Rechten thronen, + +Daß ich dir zu Füßen werfe +Deine Feinde an den Boden!' -- +`Hast die Bücher du gelesen?' +Fragte Jesum dann ein Doktor. + +Und dein Kind sprach: `Ja, gelesen +Und auch das, was drin verborgen.' +Dann erklärt er dem Propheten +Satzungen und dunkle Worte. + +Allen war er ein Entsetzen; +Ärzte und die Philosophen, +Pharisäer, Schriftgelehrte +Mußten Kinderweisheit loben. + +Hohe Mutter, o gedenke, +Wie dein Herz in Freuden wogte, +Da du dort in solchen Ehren +Wiederfandest den Verlornen. + +Zu ihm sprachst du: `Warum setztest +Mich und Joseph du in Sorgen, +Die dich suchten allerwegen, +Glaubten, du seist uns verloren?' + +Und dein Kind sprach, zu dir redend: +`Warum sucht ihr nach dem Sohne, +Dem ihr selbst als Zucht gelehret, +In des Vaters Haus zu wohnen?' -- + +O Maria! denk der Ehren, +Die die Meister dir da boten, +Preisend deines Leibes Segen, +Der so weis ein Kind geboren! + +O, verleihe deinen Segen +Jenem Jüngling, der heut morgen +Mir so huldvoll ist begegnet +An des Rechtshofs hoher Pforte! + +Für ihn bring ich meine Ehre +Deinem Gottessohn zum Opfer, +Lasse ihn das Recht vermehren +Zur Vermehrung des Lob Gottes! + +Laß geehrt nach Haus ihn kehren, +Recht zu seiner Mutter Wonne, +Denk der Freude, denk der Ehre, +Die du sahst an deinem Sohne!" + +Als sie so das Lied geendet, +Gab der Knabe gute Worte: +"Ich will singen, ich will beten; +Schlag auch meinem Lied die Orgel!" + +Und die Jungfrau ohn Bedenken +Seiner frommen Bitte folget, +Und er singt, die Bälge tretend, +Wie ein Engel klar aus Wolken: + +"O, mein Jesulein, gedenke +Deiner hohen, weisen Worte, +Als Zachäus dich belehren +In dem Aleph Beta wollte! + +`Sage Aleph!' sprach der Lehrer; +`Aleph, hast du fromm gesprochen; +Nun sprich Beth!' der Mann begehrte; +Da sprachst du zu ihm die Worte: + +`Nein, ich sprech Beth nicht eher, +Bis mir Aleph deutlich worden; +Du sollst erstlich mich belehren, +Warum Aleph so geformet.' + +Und da sahst du deinen Lehrer +In Unwissenheit betroffen; +Sprachst: `Ich will dich nun belehren, +Wie das Aleph ist geformet. + +Aus drei Strichen es bestehet, +Weil auch steht die Einheit Gottes, +Dieses Aleph alles Lebens, +In drei göttlichen Personen!' -- + +Als dein Lehrer ob der Rede +Dich, o Jesu, schlagen wollte, +Mußte er zur Stunde sterben, +Der gen Gott die Hand erhoben! + +O du Anfang, o du Ende +Aller Weisheit ausgeboren, +Allbarmherziger, o spende +Weisheit zu der Frommen Troste!" + +"Amen!" sang die Jungfrau bebend, +"Amen!" sang da Jacopone, +Und da sie ihn sah, sich wendend, +Blühen ihrer Wangen Rosen. + +Und sie geht aus der Kapelle; +Auch der Knabe hin ihr folget, +Wo in einem Rosenzelte +Freudig tanzt ein frischer Bronnen. + +Und zu Rosarosen redet +Zärtlich dankend Jacopone: +"Gott erhörte gern dein Beten, +Durch dich bin geehrt ich worden. + +Was ich heut von dir erflehet, +Ist mit Ruhm an mir erfolget, +Um dich ward mein Haupt bedecket +Mit dem Doktorhut der Rechte. + +Und nun möchte ich die Ehre +Mit dir teilen, Fromme, Holde; +Ach, wie auf so selge Wege +Hast du, Jungfrau, mich gelocket! + +Aus dem dunklen Bücherkerker +In den Blumensaal der Sonne, +Zu der heimlichen Kapelle, +In den selgen Klang der Orgel! + +Sieh, es tanzet meine Seele +Auf dem frohen Strahl des Bronnens, +Und sie faltet ihre Hände, +Dir ihr Herz in Liebe opfernd!" + +Rosarosa ihm entgegnet: +"Freund, ich bin dir wohlgewogen, +Doch ich kenne keine Eltern; +Kannst du lieben eine solche? + +Mich gefunden und gefleget +Hat des Arztes Weib Dolores; +Sie erbaute die Kapelle, +Stiftete die kleine Orgel. + +Dort fand sie des Grabes Stelle, +Und ich lebe von vier Soldi, +Die sie täglich ausgesetzet, +Daß ich sing und spiel die Orgel. + +Mir zum Vormund ist gesetzet +Fromm ein Priester, der Benone, +Bis ich in den Ehstand gehe +Oder trete in ein Kloster. + +Sonst kann ich auch schreiben, lesen, +Schnüre wirken und auch Borten, +Spinnen und Tapeten weben, +Sticken Silbernes und Goldnes. + +Und daß ich nicht müßig gehe, +Habe ich im Klosterhofe +Eine Schule angeleget +In des Kreuzgangs hohen Bogen. + +Oft auch hier bei dieser Quelle +Zu mir meine Kinder kommen, +Mannigfaltge Schulgesellen +Sich aus allen Winkeln holend. + +Hier der Knabe war der erste, +Der sich selbst mir angeboten, +Und mit seines Lammes Schelle +Andre Kinder angelocket. + +Wie sich meine Schüler nennen, +Weiß ich nur durch ihre Worte, +Kenne keines einzgen Eltern, +Meine Schul ist frei und offen. + +Und die Mütter stehn oft ferne, +Lauschend an der Gartenpforte; +Täglich mehret sich die Herde, +Und ich lehr um Gottes Lohne. + +Und die gute Hirtin nennen +Mich die Kinder, und ich wollte, +Hätt ich nimmer dich gesehen, +Keinen andern Namen borgen." -- + +"Hättst du nimmer mich gesehen!" +Jacopone wiederholet; +"Hätt ich nimmer dich gesehen! +O, wie sind dies goldne Worte! + +Wären nimmer sie geredet +Mit so liebem, süßem Tone, +Möchte ich in diesem Leben +Nimmer sehen diese Sonne! + +Unser Los ist gleich gestellet, +Unser Würfel gleich geworfen; +Auch ich kenne keine Eltern, +Ward im Kloster auferzogen. + +Willst du deine Hand mir schenken, +So will ich dir angeloben: +Du magst deine Kinder lehren, +Du magst spielen hier die Orgel. + +Wenn mein Reichtum sich vermehret +Durch den Ruhm, den ich erworben, +Will ich in das Haus noch nehmen +Meinen Bruder Meliore. + +Einen Garten auch erwerben +Pietro, dem Zuletztgebornen +Meiner Mutter, der jetzt lernet +Blumen pflegen in dem Kloster." + +Und dann hat er ihr gegeben +Einer Rose Doppelknospe, +Und mit scheuen Fingern trennen, +teilen sie die Zwillingsrose. + +Tief sich in die Augen sehend +Waren sie vor Gott verlobet, +Wußten nicht, wie es geschehen, +Waren still und voller Wonne. + +Aber Rosarosa redet, +Da sie hört des Lammes Glocke: +"Lebe wohl, auf Wiedersehen! +Meine Schüler hör ich kommen!" + +Jacopone spricht: "Ich gehe +Hin zum alten Mönch Benone, +Unsern Bund ihm vorzulegen." +Und dann eilt er von dem Bronnen. + +Einsam Rosarosa stehet, +Blicket in den Strahl des Bronnens; +Wie er sinket, wie er schwebet, +Fühlt sie in dem Herzen pochen. + +In den Händen die getrennte, +Sonst gepaarte Zwillingsrose, +Und es fließen ihre Tränen +Auf die stille Rosenknospe. + +Eilet dann zu der Kapelle, +Findt an der belaubten Pforte +Ihre kleine Schülerherde +Feierlich im Kreis geordnet. + +Und der Knabe trägt in Händen +Einen Kranz von weißen Rosen, +Einen Schäferstab, weiß blendend, +Sprach zu ihr die süßen Worte: + +"Du hast dich in der Kapelle, +Hirtin, heut dem Herrn verlobet, +Der ein treuer Hirt, die Herde +Weidet an dem Himmelsbogen. + +Und darum soll ich dich kränzen +Mit dem Brautkranz weißer Rosen +Und den Schäferstab dir geben, +Daß du denkest deiner Worte!" + +Rosarosa kniet zur Erde, +Und er kränzt die dunklen Locken +Mit den weißen Rosen blendend, +Gibt den weißen Stab der Holden. + +Und die Kinder sie umgeben, +Freuen sich der Rosenkrone; +Jacopones und des Herren +Denket weinend Rosarose. -- + +Wenig Sonnen untergehen, +Und herauf ziehn wenig Monde, +Wenig volle Rosen sterben +Aufgekeimt sind wenig Knospen, + +Da geschmückt am Altar stehen, +Vor dem alten Mönch Benone, +Rosarosa, weiß bekränzet, +Rotbekränzet Jacopone. + +Als sie goldne Ringe wechseln, +Fällt das Ringlein Jacoopones +Springend nieder an die Erde, +In dem Kreise weit hinrollend. + +Und dem Knaben, der zugegen, +War es endlich zugerollet, +Der es in dem Lilienkelche, +Den er trug, der Braut geboten. + +"Nimm den Ring im Lilienkelche", +Sprach das Kind, "und denk des Opfers, +Da du um des Jünglings Ehre +Deinem Herrn dich hast verlobet!" + +Und er schied. Sie nahm erbebend +Nun den Ring, und Jacopone +Wußte nicht, was sie beschwerte, +Da sie schwer das Ja gesprochen. + +Und der Priester sprach den Segen; +Traurig weinte Rosarose, +Als sie still von dannen gehen; +Freudig weinet Jacopone. + +An des Tempels Marmorschwelle +Sprach die Jungfrau: "Jacopone, +Laß mich gehn zu der Kapelle, +Einsam meinen Herrn zu loben. + +Daß ich fromm am Abend kehre, +Bei dir in dem Haus zu wohnen; +Einen Trunk aus unsrer Quelle +Bring ich dir und viele Rosen." + +Einsam geht nun der Geselle, +Seine Kammer schön zu ordnen. +Pietro hat zum Schmaus gebeten +Er, und auch den Meliore. + +Und es steigt im Abendmeere +Feurig nieder schon die Sonne, +Und es zieht die Sternenherde +Vor dem Monde durch die Wolken. + +Rosarosa noch nicht kehret; +Pietro spannt die Blumenbogen, +Und es zündet hundert Kerzen +In der Kammer Meliore. + +In der Kammer Mitte stehet +Blank ein Tischlein, wohlgeordnet, +Zierlich ist da aufgedecket +Für vier fröhliche Personen. + +Pietro Rosarosens Teller +Ziert mit einer Myrtenkrone, +Und zwei künstliche Sonette +Legt dazu ihr Meliore. + +Aber von dem Hochzeitsbette +Springet traurig Jacopone: +"Will mein Weib denn noch nicht kehren, +Gehe ich, sie mir zu holen! + +Was des Kaisers ist soll geben +Man dem Kaiser, Gott was Gottes, +Und der Mann, er soll sich nehmen, +Was ihm ward vor beider Throne!" + +Seinen Mantel umgeleget +Hat er dann im Liebeszorne, +Und mit raschen Schritten geht er, +Doch der Garten ist verschlossen. + +Er vernimmt ein leises Reden, +Doch das Sprudeln jenes Bronnens +Und der Büsche flüsternd Wehen +Überrauschet ihm die Worte. + +Eifersucht seine Herz durchbrennet, +An sich hält er seinen Odem, +Aber nur der Büsche Wehen +Hört er, und des Herzens Pochen. + +Und er findet eine Stelle +An der Mauer ausgebrochen, +Und behutsam überkletternd +Kommt er an des Gartens Boden. + +Durch die Gänge schleicht er, geht er; +Der wollüstge Duft der Rosen +Schüret ihm die Brust noch enger, +Und er greift nach seinem Dolche. + +Ach, es spiegeln sich die Sterne +In dem blanken, bösen Dolche. +Ach, wie schrecklich sind die Sterne, +Denkt im Herzen Jacopone. + +Unbekümmert um mein Elend +Spielen sie mit meinem Dolche; +Nein, sie sollen ihn nicht sehen! +Und er haucht ihn an mit Odem. + +Aber seine Tränen nehmen +Stets den Odem von dem Dolche. +Und die Sterne ruhig sehen +In den Stahl den Himmelsbogen. + +Und nun hört er wieder reden, +Und er hört die leisen Worte: +"Du wirst mich nicht wiedersehen +Als bei deinem frühen Tode! + +Was du unterm Herzen trägest, +Ist ein Pfand von dem Verlobten; +Wolle nie des Leibes Tempel +Einer andern Liebe opfern!" + +Rosarosa dann entgegnet +Sammelnd liebestrunkne Worte: +"Ja, ich bin die Magd des Herren, +Dem ich liebend bleib verlobet! + +Was ich trage unterm Herzen, +Bleibt dir treulich aufgehoben, +Durch dich mag es heimlich leben, +Durch mich werde es geboren. + +Nimmer habe ichs gesehen, +Nimmer werde ichs sehen wollen, +Unbekannt ie meine Seele, +Die durch Gott den Leib bewohnet. + +Stünd geschrieben mir am Herzen +Gar die Stunde meines Todes, +Nimmer würde sie gelesen, +Und ich stürbe unverhoffet. + +Keusch bleibt meines Leibes Tempel +Dem Geliebten nur geopfert, +Meine Blicke haben selber +Nimmer Teil an mir genommen. + +Wenn der Himmel ist bedecket, +Ohne Sterne, Mond und Sonne, +Hab ich hier in dieser Quelle +Einsam kühl das Bad genommen. + +Meines Herren Aug erhellte +Mir das Herz mit Liebeswonnen, +Unter Beten, unter Flehen +Bin ich ihm so lieb geworden. + +Und sah ich am Tag die Quelle, +Die mich nächtlich kühl umschlossen, +Schamrot konnte ich wohl wetten +In der Röte mit den Rosen. + +Leb dann wohl, auf Wiedersehen, +Du geliebter Blondgelockter! +Werde in des Todes Wehen +Rosarosen einst zum Troste!" -- + +Und nun höret jemand gehen +Durch den Garten Jacopone, +Und er sucht ihm zu begegnen, +Irret durch die Laubenbogen. + +Ach, in seinem Herzen wehen +Höllenflammen tiefen Zornes, +Den Geliebten Rosarosens +Will er mit dem Dolch durchstoßen! + +Mondhell fand er eine Stelle, +Und es rauschet Laub am Boden; +Mit gezücktem Dolch verstecket +Er sich im Gebüsch der Rosen. + +Schon sieht er den Schatten schweben +Des verhaßten Blondgelockten, +Und er hat in bösem Streben +Seinen Dolch schon hoch erhoben, + +Als der Knabe vor ihm stehet +Und ihm ruhig sagt die Worte: +"Jacopone, wiedersehen +Wirst du mich bei deinem Tode!" + +Und er fühlte sich gefesselt +Und stieß nieder mit dem Dolche +In die kalte, harte Erde; +Hat sich lange nicht erholet. + +Als er wieder sich erhebet, +War sein Sinn ganz wild verworren, +Auch der Himmel war bedecket +Mit dem Mantel schwarzer Wolken. + +Und an Rosarosen denkt er: +War der Knabe nur ein Bote? +Sie muß selbst den Herrn mir nennen +Oder sterben von dem Dolche! + +Und nun tappt er nach der Quelle +Durch die dunkeln Laubenbogen, +Und er höret Rosarosen +Badend plätschern in dem Bronnen. + +Und in seinem Herzen reget +Sich ein Strahl geheimer Wonne. +"O, wie boshaft seid ihr, Sterne, +Daß ihr jetzt euch habt verborgen! + +Meine Augen, Feuerspeere, +Möchten gern die Nacht durchbohren, +Daß der helle Tag anbreche +Glänzend mit der vollen Sonne; + +Daß ich meine Braut könnt sehen +In dem Schoß kristallner Wogen, +Süß errötend in dem Tempel, +Taufend voller Liebesrosen! + +In den Arm wollt ich sie nehmen, +Und mit lustberauschten Worten +Meines Gartens Rosen brechen +Beim Geläut der Blumenglocken!" + +Also denkt er, und es hebet +Sich ein lauer Wind von Osten, +Der die Bäume leis beweget +Und im Laube laut ertoset. + +Und es wirft zur Badequelle +Viele Rosen Jacopone, +Doch im Bad die Jungfrau denket, +Daß der Sturm sie abgebrochen. + +"O Geliebter", spricht sie betend, +"Nicht mit Rosen, nur mit Dornen +Deine arme Dienrin treffe, +Weil sie dir das Wort gebrochen!" + +Doch nun schleicht zu der Kapelle, +Zündet an der Ampel Dochte +Jacopone eine Kerze, +Trägt sie unterm Hut verborgen. + +Da er kehrt zum Rosenzelte, +Da er nah des Bades Bronnen, +Füllt er plötzlich mit der Kerze +Schein die dunkle Blumengrotte. + +Rosarose taucht erschrecket +Schreiend nieder in den Bronnen, +Alle Sinne ihr vergehen, +Als wär sie vom Blitz getroffen. + +Und es löschte aus die Kerze +Vom Gespritze. Jacopone, +Ach, er hat sie nackt gesehen, +Nimmer wird der Anblick frommen! + +Und sie weinet, und sie flehet, +Daß er fliehe ovn dem Orte; +Aber er war tief verblendet, +Sprach zu ihr die harten Worte: + +"Für mich bist du nicht zu sehen, +Aber für den Blondgelockten; +Das, was du trägst unterm Herzen +Soll mir ewig sein verborgen! + +Ihm willst du nicht Treue brechen, +Aber mir ist sie gebrochen; +Aber jetzt sollst du ihn nennen, +Und dann will ich dich durchbohren! + +In des frechen Blutes Quelle +Soll erröten dieser Bronnen, +Sich und dich der Lüge schelten, +Denn hier hast du mich belogen!" + +Stammelnd ihm entgegnet: +"Herr und Gatte, hör mein Flehen! +Ehe du mich willst ermorden, +Laß mich an die Kleider legen, + +Daß mich nicht errötend sehe +So entblößt der junge Morgen; +Herr, nur aus der Laube trete, +Ich will rufen dich zum Morde! + +Denn ich kann dir nimmer nennen, +Was mir unterm Herzen wohnet, +Da ichs nimmer hab gesehen, +Da es immer bleibt verborgen. + +Herr und Gatte, hör mein Flehen! +Laß mich beten vor dem Tode, +Laß mich nicht so elend sterben +Ohne Sakramentes Troste!" + +"Das will ich dir zugestehen!" +Sprach voll Unwill Jacopone, +"Doch die Kleider dir verstecke +Ich, daß du nicht kommst vom Orte. + +Ich will bald zurücke kehren +Mit dem alten Mönch Benone; +Der den bösen Bund gesehen, +Seh zerhauen auch den Knoten!" + +Und mit ihrem Mantel gehet +Schnell von dannen Jacopone. +Hartes Weh ist ihr geschehn, +Die zurückblieb in den Wogen. + +Doch den Herrn um Hilf anflehend, +Ist ihr Herz erstärket worden, +Mutig stieg sie aus der Quelle, +Und die Nacht ist dunkler worden. + +Da sie nackt in der Kapelle +Bleibe vor dem Licht verborgen, +Breitet sie der Haare Flechten +Um sich her bis auf den Boden. + +Und auf ihre Augen senket +Nieder sie den Kranz der Rosen, +Den als Braut sie aus dem Tempel +Traurig trug in ihren Locken. + +Da sie tritt zu der Kapelle, +Ist die Lampe schnell erloschen, +Ihre Keuschheit zu verehren; +Und sie suchet an der Orgel, + +Wo der goldne Schlüssel hänget +Zu dem Grabe der Dolores; +In verzweifeltem Gebete +Hat sie dann die Gruft erschlossen. + +Und die Stufen abwärts tretend +Sprach sie: "Heil euch, heilge Toten! +Wollet meine Blöße decken, +Einer armen züchtgen Tochter!" + +Und sie hört die Stimme beben +Der verstorbenen Dolores: +"Liebe Tochter, wir dir geben +Hilfe, kniee an den Boden!" + +Und sie fühlt sich um die Lenden +Ein Cilicium geschlossen, +Und von einer schnellen Schere +Ihre Locken abgeschoren, + +Dann mit seidenen Gewändern +Ihren züchtgen Leib verborgen, +Hört dann nahe vor sich reden +Die unendlich süßen Worte: + +"Den Bußgürtel um die Lenden +Trage, bis bei deinem Tode +Deine arme Schwester erbet; +Büß um meine Schuld, o Tochter! + +Trage züchtig, die dich decken, +Diese farbgen Seidenstoffe, +Und die Schuld, die sie beflecket, +Helf mir büßen, liebe Tochter! + +Einstens werd ich bei dir stehen; +Zu unendlich süßem Troste +Wirst du deine Mutter sehen; +Jetzo gehe, süße Tochter!" + +Und es scheidet Rosarose +Freudig von der gütgen Toten, +Hängt den Schlüssel an die Stelle, +Da sie hat die Gruft verschlossen. + +Und die Lampe brennet helle; +Sie setzt freudig sich zur Orgel, +Läßt ein Requiem erschwellen, +Recht in freudig vollem Tone. + +Als in des Benone Zelle +Eingetreten Jacopone, +Lag der Alte im Gebete +Und sprach hörbar diese Worte: + +"Herr, dein Aug nicht von mir wende, +Wenn ich steh in bösem Zorne! +Herr, o leite meine Seele +Durch des Sündenmeeres Toben! + +Herr, laß keinen trostlos sterben, +Ohne heilge Sakramente, +Laß den Sünder nicht verderben, +Ohne Buß vor seinem Ende!" + +An der Zelle Türe stehet +Dieses hörend Jacopone, +Und von Schrecken ganz erbebet +Pochet er und ruft: "Benone!" + +Und, die Tür geöffnet, redet +Ernst der Mönch: "O Jacopone, +Gott hat mein Gebet gesegnet, +Daß du bist an diesem Orte! + +Doch du hast ein wildes Wesen, +Was willst du mit diesem Dolche? +Deine Haare um dich wehen, +Kommst du, mich hier zu ermorden? + +Oder hast du Rosarosen, +Deine fromme Braut, erstochen? +Fremde Lieb bei ihr erkennend, +Was der Herr verhüten wolle? + +Oder hast du gen dich selber +Diesen bösen Stahl erhoben, +Willst in blinder Wut du sterben? +O, du armer Jacopone! + +Weh, ich seh Rosarosens +Mantel deinem Arm entrollet! +Rede, rede, du Entstellter, +Gibt dem stummen Schrecken Worte!" + +"Vater, zu dem Garten gehe," +Spricht nun bebend Jacopone, +"Wo mein Weib in der Kapelle +Täglich singet zu der Orgel. + +Trete zu ihr an die Quelle, +Wo sie badet in dem Bronnen, +Laß sie beichten, laß sie beten, +Eh sie stirbt von diesem Dolche. + +Daß sie nackt die Flucht nicht nehme, +Hab ich ihr Gewand genommen; +Du magst rücklings hin es werfen, +Wenn du zu dem Bronnen kommest." + +Und der Mönch schließt seine Zelle, +Folgt zum Garten Jacopone. +Da sie an der Brücke stehen, +An des Reno blauen Wogen, + +Spricht der Mönch zu dem Gesellen: +"Wirst du mich nicht hier durchbohren, +Mich dann in den Reno werfen? +Sieh, ich trau nicht deinem Dolche; + +Gib ihn mir doch aufzuheben!" +Und es gibt ihn Jacopone, +Und sie gehn. Doch unbemerket +Wirft der Mönch ihn in die Wogen. + +Vor dem Garten nun begehret +Seinen Dolch der Jacopone: +"Er ruht in des Reno Wellen!" +Spricht zu ihm der Mönch Benone. + +Und die Arme um ihn legend +Küßt die Stirn er Jacopone, +Spricht: "Zu deiner Kammer kehre, +Deine Seele steht im Zorne! + +Dir zum Troste wiederkehren +Will ich bald mit Rosarosen. +Gott verleih dir seinen Segen!" +Und es gehet Jacopone. + +Und auf seinem Weg begegnet +Suchend ihn der Meliore, +Fragt ihn bang nach Rosarosen, +Doch es schweiget Jacopone. + +Da sie in die Stube treten, +Schlummert Pietro an dem Boden, +Abgebrannt sind tief die Kerzen, +Traurig stehn die Blumenbogen. + +Jacopone spricht: "O wehe!" +Und bricht aus im Tränenstrome, +"Weh, ihr dunkeln Hochzeitskerzen, +Weh, ihr armen Blumenbogen! + +Nieder brennt ihr in dem Herzen +Und erlöscht im Tränenstrom, +Nieder welkt ihr in den Schmerzen +Unter meiner Klage Odem! + +Kehret nicht zum Firmamente, +Sterne, Mond und hohe Sonne1 +Ewig an des Himmels Schwelle +Steh blutweinende Aurore! + +Also ewig stille stehen +Soll der Puls im Herz gebrochen, +Ewig meine Hochzeitskerze +Niederbrennen unverloschen! + +Ewig meine Kränze welken, +Von den Tränen nur begossen, +Stille ewig sterbend leben +Nur die bittren Tränen rollend! + +Blumenkränze, Hochzeitskerzen, +Sterne, Mond und hohe Sonne, +Ewgen Schmerzes Tränenquellen +Und blutweinende Aurore: + +Welket, brennet, steht in Schmerzen! +Nimmer lachet Jacopone; +Die die Liebste mir gewesen, +Sie ist schlecht mir vorgekommen!" + +Aber zu dem Mahl einkehret +Nun der alte Mönch Benone, +Ihm zur Seite traurig stehet +Rosarose ohne Locken. + +Pietro, vom Geräusch erwecket, +Springet auf; die Myrtenkrone +Reichet er der neuen Schwester, +Lieb und Treue ihr gelobend. + +Dann putzt schnell er rings die Kerzen, +Daß es helle ward. Meliore +Grüßt sie, reicht ihr die Sonette +Und blickt schüchtern an den Boden. + +Aber auf dem Hochzeitsbette +Lieget jammernd Jacopone: +"Die die Liebste mir gewesen, +Sie ist schlecht mir vorgekommen!" -- + +"Nun genug der frevlen Reden!" +Spricht zu ihm der Mönch Benone, +Daß, der du ihr lieb gewesen, +Ihr nicht schlechter vor mögst kommen! + +Hier empfange Rosarosen, +Und bei Gott im Himmel droben +Bist gleich ihr du reines Herzens, +Will ich dich vor Engeln loben. + +Ich hab all ihr Tun gesehen, +Da ich bin ihr Beichtger worden, +Konnt des Herren Leib ihr geben +Ohne Absolutionen. + +Sie hat dir auch schon vergeben, +Daß du sie ermorden wolltest. +Die du hast entblößt im Leben, +Ward gekleidet von den Toten." + +Aber Rosarosa redet: +"Denke meiner ersten Worte: +`Ich erflehe eure Ehre, +Gebe meine Gott zum Opfer. + +So bin eine Braut des Herren +Ich, und dennoch Euch verlobet, +Teile mit euch eure Ehre, +Meine bleibe unverloren! + +Was im Garten hat geredet +Jener Knabe, dunkle Worte +Sind es mir wie dir; erhellen +Müssen sie zukünftge Sonnen!" + +Und sie knieet vor dem Bette, +Nimmt die Rechte Jacopones, +Auf ihr nacktes Haupt sie legend +In den vollen Kranz der Rosen. + +Und der Jüngling, tief beweget, +Spricht: "O Weib, wo sind die Locken, +Die ich wollte liebend flechten? +Was soll mir der Kranz voll Dornen?" + +Liebvoll Rosarosa redet: +"Ich ließ sie den gütgen Toten, +Die dein nacktes Weib bedecket, +Das du hast entblößt im Zorne. + +Auch den Hochzeitsmantel schwebend, +Den zurück mir gab Benone, +Hab ich ihnen hingegeben, +Ihre Güte zu belohnen. + +Herr, o wolle dich erheben, +Sieh, es kehret schon Aurore, +Wolle mich zu dir aufnehmen, +Züchtig will ich bei dir wohnen! + +Eine Magd mich dir bequemen, +Spinnen dir zur Nacht, zum Morgen. +Für dich beten, für dich sterben; +Herr, entsage deinem Zorne!" + +Jetzt erhebt er sich, doch sehen +Kann er nicht, ein Regenbogen +Schwebt um sie von seinen Tränen +In dem Schein des Morgenrotes. + +Und sie trocknet seine Tränen, +Still mit ihres Kranzes Rosen, +Und Benone gibt den Segen, +Will dann kehren nach dem Kloster. + +"Trink des Brautweins einen Becher, +Heilger!" flehte Jacopone. +"Gib ihn mir, ich will zur Messe +Ihn verwandeln!" spricht Benone. + +"Dort will eurer ich gedenken +Und als Christi Blut ihn opfern!" +Und nun kehrt zu seiner Zelle +Still der alte Mönch Benone. + +Rosarosa spricht nun: "Denke, +Lieber, was ich dir versprochen: +Hier ist Wasser aus der Quelle, +Hier sind unsres Gartens Rosen. + +Lasse unsre Augen netzen, +Die getrübt vom Weinen worden." +Und nun auf die Tafel setzet +Sie das Glas bekränzt mit Rosen. + +Und sie kühlen mit der Quelle, +Den die Tränen all entquollen, +Ihrer Augen heiße Quellen; +Sieh, da steigt herauf die Sonne. + +"Sie will sein bei unserm Feste!" +Spricht der stille Meliore; +Aber Pietro laut erhebet +Seine Stimme ihr zum Lobe: + +"Grüß dich, Held des Orientes, +Grüß dich, Gottes Morgensonne, +Grüß dich, Heiland aller Wesen, +Grüß dich, Heiland voller Rosen! + +Grüß dich, Trost der dunklen Felder, +Grüß dich, Quell der Tauestropfen, +Grüß dich auf dem Himmelswege, +Grüß dich, goldne Morgensonne! + +Singt mir, was sie spricht, ihr Lerchen, +Singt die sieben letzten Worte, +Singt den Held des Orientes, +Der die schwere Nacht gebrochen!" + +Also sang er, während betend +Die drei andren zu ihm horchen, +Und die volle Sonne sehen +Sie, und waren voll des Trostes. + +Und sie trinken einen Becher +Brautwein, haben angestoßen +Einer zu des andern Segen, +Und dann aßen sie des Brotes. + +Da ertönt das Glöcklein helle +An dem wohlbekannten Kloster, +Und sie gehen zu der Messe +Ihres alten Freunds Benone. -- + +Also liebte er ihr Wesen, +Hat sich so mit ihr versprochen, +Feiert so die Hochzeitsfeste, +Der gelehrte Jacopone. + +Und sie war ihm tief ergeben, +Eine Magd ihm unterworfen, +Winke waren ihr Befehle +Und Gesetze seine Worte. + +Auf sein Haus strömt voller Segen, +Und man pries ihn allerorten; +Die er führte, die Prozesse, +Waren alle bald gewonnen. + +Und sie füllte spinnend, webend, +Seine Schränke an bis oben, +Nähte ihm wohl hundert Hemden, +Die sie alle selbst gewoben. + +Sie half ihm die Bücher stellen, +Wußte sie gar wohl zu ordnen, +Schrieb ihm ab viel dicke Hefte +Und gar manchen schweren Codex. + +Als sie einst ihm die Pandekten +Heimlich schrieb mit flüssgem Golde +Auf schneeweißem Pergamente +Und ihm gab am Christtagsmorgen, + +War er gar in Lieb beweget, +Schenkte ihr, die sie gesponnen +Und gewebet, all die Hemden +Und dazu viel Münzen Goldes. + +Und sie ließ auf allen Wegen +Zu sich bald die Armen kommen, +Ihre Linnen sie ausspendet, +Recht zu aller Frommen Troste. + +Und so lebten sie in Segen, +Wohl vier Jahre ohne Sorgen, +Und es wußte kaum zu bergen +Seinen Reichtum Jacopone. + +Und Bologna war getrennet +In Parteien. Die des Volkes +Sich die Gieremei nennen, +Stritten für das Recht des Volkes. + +Lambertazzi, ihre Gegner, +Für des Adels Recht erhoben; +Von zwei feindlichen Geschlechtern +War der Namen angenommen. + +Und da diesen eigenen Händeln +Sich noch fremde eingeflochten, +Ghilbellinen und die Guelphen, +Ward die Sache mehr verworren. + +Und so ward gar viel gerechtet, +Manches Blut im Streit vergossen, +Daß die Frauen bittre Tränen +Um die Toten weinen konnten. + +Oft erteilte den Geschlechtern +Seinen Rat auch Jacopone, +Und in ihrer Mitte stehend +Mußte Freund und Feind ihn loben. + +Wenn in diesem stolzen Leben +War sein irdscher Mut erhoben, +Sah er oft sein Weib beschämet +Neben sich so still verborgen. + +Die den Schleier nie ableget +Von des schönen Hauptes Locken, +Die mit Edelstein und Perlen +Nimmer vor ihm prangen wollte. + +Und sie wollte niemals gehen +Zu dem Tanze, zu der Oper, +Ging vor Tag nur in die Messe +Und zu der Kapelle Orgel. + +Endlich hat er sie erbeten, +Ihm zu folgen in die Oper, +Da die Sängrin Biondette +Wollt entsagen zu dem Kloster. + +Und er hat ihr angeleget +Schwere Spangen roten Goldes, +Edelsteine, reiche Perlen +Und Rubinen, blutge Rosen. + +Als er ihr den Schmuck anlegte, +Stand sie wie ein Lamm des Opfers, +Und er sprach: "Den Schleier lege +Ab, laß flechten mich die Locken!" + +Doch sie wollt ihn nicht ablegen, +Bis er zürnend es befohlen; +Ach, was muß erschreckt er sehen: +Schneeweiß sind des Hauptes Locken! + +Ruhig sie da zu ihm redet: +"Darum hielt ich sie verborgen. +Seit sie von der Totenschere +Fielen, sind sie bleich geworden!" + +Ach, wie recht im tiefsten Herzen +Traf die Rede Jacopone, +Da er sah die Jungfrau stehen +Mit des Alters grauen Locken. + +"Könnte ich mit meinen Tränen +Dir das Silberhaar vergolden! +Ach, ich habe dich dem Schrecken +Jener Schere unterworfen!" + +Und er hat die Silberflechten +Mit Rubinen ihr durchzogen, +Wie ein Busch im Blütenschnee, +Vom Johanniswurm umflogen. + +Wunderbar war sie zu sehen, +Eine Diamantensonne, +Und es freut an Rosarosen +Wie ein Kind sich Jacopone. + +Wie die Flitterkränze schweben, +Und die flimmernden Goldrosen +Zitternd auf der Jungfraun Särgen, +Schien sie in der Glorien Krone + +Eine selge Braut der Engel, +Eine Königin der Toten, +Eine hochzeitliche Seele, +Ein gestirnter Geist voll Wonne. + +Schier geneigt, sie anzubeten, +Ging bei ihr der Jacopone. +Da sie ins Theater treten, +Ging ein Flüstern durch die Logen. + +Nie noch hatte man gesehen +Die Gemahlin Jacopones, +Und nun wie ein höhres Wesen +Stand sie blendend vor dem Volke. + +Und in der erstaunten Menge +Hat ein Klatschen sich erhoben, +Bis beschämt in tiefstem Herzen, +Sie den Schleier umgenommen. + +Als die liebliche Biondette +Sang ihr Leben vor dem Volke, +War die schöne Rosarose +Tief im Herzen scharf getroffen. + +"Daß du mich mit dir zu gehen +Hast bewogen, Jacopone," +Sprach sie, "dank ich dir ohn Ende. +O, wie ist mir wohl geworden! + +Diese Jungfrau anzusehen +Ist mir nie genossne Wonne, +Und ich könnte ruhig sterben, +Spräch sie zu mir süße Worte! + +Ach, ich fühle ihrem Wesen +Meine Seele tief verwoben, +O, ich werde nie genesen, +Steht sie mir nicht bei im Tode!" + +Und sie war so tief beweget, +Da die Jungfrau ihre Rollen +Wiederholt als Judith, Jephthe, +Daß sie nachsprach alle Worte. + +Aber als sich um Biondetten +Hat die wilde Glut erhoben, +Hat sie, nicht um sie, um jene +Nur, das Hilfsgeschrei erhoben. + +Und es brachte sie zu retten +Mit Gewalt nun Jacopone +Hinzu einem hohen Fenster, +Da ersah sie Meliore. + +Keine Leiter ruht am Fenster, +Rings schon alles um sie lodert, +Und sie sprang, sich Gott befehlend, +Nieder in den Arm Meliores. + +Glücklich nieder zu der Erde +Folgt ihr springend Jacopone, +Doch er findet sie mit Schrecken +Blaß und schon ihr Aug geschlossen. + +Und rings unter ihrem Herzen +Blutge Tropfen niederflossen, +Doch sie sprach: "Mein Herr, ich lebe +Annoch durch die Hilfe Gottes!" + +Und vier rheinische Studenten +Sie auf ihren Mantel hoben, +Trugen still sie durchs Gedränge, +Weinend folget Jacopone. + +Und sie ward auf ihren Wegen +Angestaunet von dem Volke, +Wie ein Kunstwerk von Juwelen +Und ein Bild von lauterm Golde. + +Nimmer ward von solchem Werte +Ein geheimer Schatz gehoben, +Und die tragenden Studenten +Nimmer von ihr blicken konnten, + +Wenn sie in dem Schein der Sterne +Oder in dem Glanz des Mondes +Auf dem weißen Mantel blendet, +Wie auf Schätzen Flammen lodern. + +Hätte sie nicht von Biondetten +Oft den Namen ausgesprochen, +Für die Leiche eines Engels +Hätte man sie halten sollen. + +Über ihres Hauses Schwelle, +Bis zu ihrer Kammer oben, +Auf sein keusches Hochzeitbette +Ließ sie tragen Jacopone. + +Dann entließ er die Studenten, +Ihre Treue zärtlich lobend, +Und zu ihm sprach Rosarose: +"Höre mich, mein Jacopone! + +Da ich aus dem Leben gehe, +Soll dir bleiben unverborgen, +Was ich mußte dir verhehlen, +Das Geheimnis jenes Bronnens. + +Warum du mich wolltest töten, +Als den Knaben du gehorchet. +Wisse, daß ich deine Schwester, +Deinem Vater bin entsprossen! + +Und ich danke, daß du ehrend +Meine Unschuld nicht verdorben, +Daß von Blutschuld unbeflecket, +Keusch wir bei einander wohnten. + +Aus versündeten Geschlechtern +Sind wir sündenvoll geboren, +Und die Sünde wird erst enden, +Wenn ein schweres Jahr verflossen. + +Von der eitlen Welt dich wende, +Geh in einen frommen Orden, +Wo das Schauspielhaus verbrennte, +Laß erbauen mir ein Kloster! + +Aber jetzo, eh ich sterbe, +Hole mir den Greis Benone, +Daß ich nehm die Sakramente, +Zu der Seele letztem Troste!" + +Jacopone steht entsetzet, +Ohne Regung, ohne Worte, +Nur sein Haar hebt sich zu Berge; +Doch er eilet zu Benone. + +Aber auf der Treppe schellet +Schon des kleinen Lammes Glocke, +Und zu Rosarose gehet +Ein der Knabe blondgelocket. + +"Grüß dich Gott zum Wiedersehen1 +Ei, wie bist du schön geworden, +Meine liebe Rosarose!" +Hat das Kind zu ihr gesprochen. + +Und sie sprach: "Mein guter Engel, +Du kamst, wie du mir versprochen, +Doch du bleibest stets derselbe, +Du bist größer nicht geworden!" + +"Mir ist", hier das Kind versetzte, +"Dieses Maß gegeben worden. +Ach, es war nicht zu ermessen, +Als dies Maß war voller Wonne!" + +Doch nun fühlt die Jungfrau Schmerzen; +Klagend sprach sie: "O, Benone, +Komme bald zum Trost der Seele +Und geselle mich den Toten!" + +Und der Knabe sorglich legte +Auf die Stirn ihr eine Rose, +Und von ihrem Duft erwecket, +Hat die Jungfrau sich erholet. + +"Du hast dich zum Hochzeitsfeste", +Spricht er, "schön geschmückt mit Golde, +Und mit Perlen und Juwelen +Strahlst du in der Jungfraunkrone! + +Wird dein Bräutigam dich auch kennen, +Der dich sonst nur sah mit Rosen?" +"Ja," sprach sie, "er wird mich kennen +An dem Blut, das ich vergossen!" + +** Romanze XIII: Tod der Rosarosa + +Wie in dunklen Meereswogen +Ein verbranntes Schiff entmastet +Unterm weiten Himmelsbogen +Traurig steht auf ödem Sande, + +Wie die Flamme scheu noch lodert, +Von den Fluten rings belagert, +Bis die traurig tote Kohle +Leicht umschaukelt in dem Wasser, + +Fern schon ziehn die dunkeln Wolken, +Die geübt die böse Rache, +Und die Sterne vor dem Monde +Ziehn heran, unschuldig fragend: + +Wo ist hin das segelvolle +Freudge Schiff, so hoch bemastet, +Das wie eine Braut die Wogen, +Buhlend mit dem Wind, durchtanzte? + +Wo sind hin die Schifferchöre, +Die in feuchten Tauen tanzten? +Ist von all dem stolzen Volke +An dem Fels der Ruf verhallet? + +Und das Meer spielt mit den Toten, +Mit den Segeln, mit den Masten; +Sterbend zischen noch die Kohlen, +Und dann schweigt und ruhet alles. + +Und die Sterne zu dem Monde +Brechen aus in bittre Klagen: +Ach! wo ist die schöne Tochter, +Die uns grüßte mit Gesange? + +Die gelöst die goldnen Locken, +Ließ in freudgen Lüften flaggen, +Unsern Spiegel in den Wogen +Betend grüßt mit Harfenklange? + +Muß sie auch im Wasserschlosse, +Von Untieren rings bewachet, +Bei Sirenen und Tritonen +Fern von uns nun sein gefangen? + +Also klagen sie dem Monde, +Der zu ihrer Klage lachet +Und das blaue Feld der Wogen +Überschüttet weit mit Glanze. + +Und was schimmert dort so golden, +Rauschend durch die Wasserbahnen, +Zieht gleich einem Arione +Ruhig durch die Meere, harfend? + +Heil! Es ist die schöne Tochter; +Sie steht auf dem Wundermantel +Sicher, wie auf starkem Boote, +Und ihr Schleier ist die Flagge. + +Und die Sterne freudig horchen, +Denn es zieht durch ihre Harfe +Äolus mit süßem Tone, +Daß die Ufer rings entschlafen: + +Also unterm Himmelsbogen +Stand zerstöret das Theater, +Um die trüben Säulentore +Schauerten der Wachen Fackeln. + +Also in dem Glanz des Mondes +Trat Biondette mit der Harfe +Aus den hohen, dunkeln Pforten, +Wie in lichter Geist umwandelt. + +Unterm hohen Sternendome +Steht sie auf dem öden Platze, +Unter ihren leichten Sohlen +Knirscht die Kohle auf den Platten. + +Und zum Monde auf sich wolket +Noch der Rauch des toten Brandes, +Dumpf schallt fernes Wagenrollen +Und es rinnet rings das Wasser. + +Und des blauen Reno Wogen +Lauter durch die Nacht hinwallen, +Lauter rauschen auch die Bronnen +Siegreich ob dem Feuerkampfe. + +Und Biondetta wiederholet: +"Lebet wohl, ihr falschen Farben, +Eitler Tränen Regenbogen, +Sterne hell von falschem Glanze, + +Ihr dient einem Flittermonde!" +Sprachs, da klang es in der Harfe, +Und zwei hohe, weiße Nonnen +Geistig ihr zur Seite standen. + +Von dem Schleier ganz verborgen +Schienen sie zwei selge Schatten, +Winkend, ihnen nachzufolgen, +Sie Biondetten still ermahnten. + +Eine schweift in einem Bogen +Um sie, Freudenzeichen machend, +Und die andre sah zu Boden, +Traurig ihr Hände faltend. + +"Sprechet, was ihr von mir wollet, +Fromme Schwestern von Sankt Claren?" +Frug die Jungfrau. Nachzufolgen +Winkend jene sie ermahnten. + +Und Biondetta folgt den Nonnen, +Die wie Geister vor ihr wallen, +Zu dem Hause Jacopones, +Zu der Rosarosa Lager. + +"Sei willkommen mir im Tode!" +Sprach die Kranke, und vom Lager +Hat sie leis ihr Haupt erhoben, +Unterstützet von dem Knaben. + +"Daß dem Feuer du entkommen, +O, Biondetta, Gott ich danke; +Wolle nun zu meinem Troste +Mir ein Lied zur Harfe schlagen!" + +Als die Jungfrau harfen wollte, +Sah sie an den blonden Knaben: +"Sah ich heut dich nicht am Bronnen +Mit dem Vogel, mit dem Lamme, + +Bei der Jungfrau mit den Rosen, +Bei der süßen Rosablanke, +Die heut früh den Kranz geflochten +Für Marien am Altare?" + +Und der Knabe hat gesprochen: +"Reicher als heut am Altare +Ward auch hier ein Kranz geflochten, +Und du wirst die Dornen tragen. + +Als der Gärtner säte Rosen +In der Buße bittren Garten, +Fiel dein Körnlein in die Dornen, +Und du kennst nicht deinen Namen. + +Denn du heißest Rosadore, +Jene heißet Rosablanke, +Rosarosa, rote Rose, +Ihr seid aus demselben Stamme! + +Seid geschenkt der Mutter Gottes, +Als sie vor zwölfhundert Jahren +Auf der sündgen Erde wohnte; +Jetzt erst seid ihr aufgegangen. + +Doch noch seid ihr kaum entsprossen! +O erscheine, Herr des Gartens, +Hüte deine heilgen Rosen +Und zertritt die falsche Schlange!" -- + +"O, Benone, mir zum Troste +Eile!" nun die Kranke klaget, +"Denn es wirft die Lebenssonne +Über mich schon lange Schatten!" + +Und der Knabe spricht: "Zum Kloster +Gehe ich, ihn zu ermahnen; +Doch zuvor, o fromme Tochter, +Muß ich deiner Treue danken. + +Denn ich kann nicht wiederkommmen, +Eh erfüllet sind die Tage, +Daß wir alle durch die Pforte +Der Barmherzigkeit einwandern. + +Heil sei dir und ewge Wonne, +Daß in Unschuld du gewandelt, +Und, zu hören Gottesworte, +Kinder gern um dich versammelt! + +Viele dich am Himmelsthrone +Palmen schwingend schon erwarten, +Und sie singen dort im Chore, +Die du sie gelehrt, die Psalmen. + +Heil sei dir und ewge Wonne, +Daß in Unschuld du gewandelt, +Daß du dich dem Herrn verlobet +Und die Treue ihm gehalten! + +Also ist auch Jacopone +In die Blutschuld nicht gefallen, +Und so bricht der Tod dich Rose +Zu der Sühnung ewgem Kranze! + +Heil sei dir und ewge Wonne, +Daß in Unschuld du gewandelt, +Und das Kleid der gütgen Toten +Unbeflecket hast erhalten! + +Den Bußgürtel scharf gedornet +Trugst du still und ohne Klagen, +Und so halfst du, fromme Tochter, +Deiner Mutter Sünde tragen. + +Heil sei dir und ewge Wonne, +Daß in Unschuld du gewandelt. +Was dir unterm Herzen wohnet, +Hast du nimmer mich gefraget! + +Aber nun vor diesen Nonnen +Öffne ruhig die Gewande, +Zeige deines Herzen Rose, +Dieses Siegel deines Stammes! + +Und es soll auch Rosadore, +Die man sonst Biondetten nannte, +An des eignen Busens Rose +Wahr erkennen ihren Namen. + +Heil sei dir und ewge Wonne, +Daß in Unschuld du gewandelt, +Wisse, daß dir stets zu folgen, +Mich mein eigen Heil ermahnte. + +Denn ich harre der drei Rosen +Länger als zwölfhundert Jahre. +Eine bist du, bald gebrochen, +Bald auch breche ich die andre! + +Als der Heiland ward geboren, +Hab ich auch das Licht empfangen, +Und ich gab ihm meine Rosen, +Da er spielte bei dem Lamme. + +Und er gab mir eine Knospe +Aus den Gräsern seines Lagers, +Hat dann liebvoll auch gesprochen: +`Agnus castus sei dein Name!' + +Und wo ich bis jetzt gewohnet, +Sät ich dieser Pflanze Samen, +Ehrt sie höher als Kleinode, +Weil der Herr auf ihr geschlafen. + +Agnus castus aller Orten +Heißt, wie ich, nun diese Pflanze. +Weißt du noch, wie ich dir Mosse +Sammeln sollte mit den Knaben, + +Weil du dir bereiten wolltest +Deiner Hochzeit keusches Lager, +Wie ich dir zu deinem Schoße +Nichts als Agnus castus brachte? + +Und du hast sie angenommen, +Dankend für die Hochzeitsgabe, +So schliefst du und Jacopone +Wie der Herr auf dieser Pflanze. + +So hat eurem frommen Wollen +Gern der Heiland beigestanden, +Und das Lager deines Todes +Blieb durch ihn der Keuschheit Lager. + +Bald steht deines Herzens Rose +Nun im selgen Himmelsgarten +Und schmückt ihm die Dornenkrone, +Die er hat für uns getragen!" + +Als der Knabe so gesprochen, +Ging er betend aus der Kammer: +"Jesus Christus sei gelobet!" +Und die Sterbende sprach: "Amen!" + +Doch jetzt nahten sich die Nonnen, +Die verschleiert fern gestanden, +Leis hinschwebend an dem Boden, +Rosarosens Sterbelager. + +Und es knieet Rosadore +Eingehüllet in den Mantel. +Stille war es, nur der Odem +Wehte und das Licht der Lampe. + +Und die eine sprach: "O Tochter, +Ich bin deiner Mutter Schatten. +Weh mir, daß ich es geworden! +Rosatristis ist mein Name. + +Und auch du, o Rosadore, +Hast durch mich das Licht empfangen; +Fürchte nichts, erheb vom Boden +Deinen Blick, der mich erlabet. + +Ach, so kann ich nach dem Tode +Mutterfreuden erst erlangen! +Wie unendlich ist die Wonne +Unergründlichen Erbarmens!" + +Und nun schweift sie wie ein Vogel +Freudig um das Bett der Kranken, +Und umschwebet Rosadoren, +Streifend kühl durch ihre Haare. + +Rosarosens Lebenswoge +Hebt sich nochmals Wellen schlagend, +Stumme Freudentränen flossen +Nieder von der bleichen Wange. + +Denn sie hört im Ton der Worte +Jene Stimme widerschallen, +Die ihr einst das Haupt geschoren, +Ihrer Blöße sich erbarmend. + +Durch die Seele Rosadorens +Bebt ein tiefes, süßes Bangen; +Furchtlos hat emporgehoben +Sie die Arme nach dem Schatten. + +Denn sie sieht in dieser Nonne +Jenes Bildlein ihrer Kammer, +Das mit ihr gefunden worden, +Das sie stets so wert gehalten. + +Rosatristis nun voll Wonne +Löst der Kranken Brustgewande, +Daß des Busens heilge Wogen +Schimmernd zu dem Lichte drangen. + +Eine rote blutge Rose +Rosarosens Brust bestrahlet; +Was ihr unterm Herzen wohnet, +Hat sie so im Tod erfahren. + +Während leis zu Rosadoren +Sich die andre Nonne nahte, +Und sie sah, die sie erzogen, +Rosalätens heilgen Schatten. + +Rührend sprach sie: "Rosadore +Die ich sonst Biondette nannte, +Teure Jungfrau, zeig die Rose, +Die dir gab den neuen Namen. + +Lasse, die dich hat geboren, +Meiner armen Schwester Schatten, +Lasse ihres Heiles Rose +Vor ihr blühn im keuschen Garten!" + +Und in Zucht löst Rosadore +Ihres Mieders goldne Spangen, +Und des Herzens banges Pochen +Hört man durch die Stille schlagen. + +Eine kleine goldne Rose, +Über ihrem Herz gemalet, +Zeigt im Spiegel ihr die Nonne +Als das Zeichen ihres Stammes. + +Rosatristis spricht voll Wonne: +"O, gesegnet ist der Garten, +O, wie herrlich stehn die Rosen, +Und derHerr wird sich erbarmen! + +Aber eine weiße Rose +Muß ich traurend noch erwarten, # trauernd? +Sehen darf ich nicht die Tochter, +Die unschuldge Rosablanke!" + +Und nun hat sie aufgeschlossen +Den Bußgürtel, der die Kranke +Noch umgürtete -- da flossen +Ströme Blutes von der Armen. + +Stürzend in den Arm Meliores +Aus dem Fenster bei dem Brande, +Hatte von des Gürtels Dornen +Tiefe Wunden sie empfangen! + +Rosatristis spricht zum Troste: +"Du stehst recht im Rosengarten, +Den der Herr bei seinem Tode +Für die Märtyrer gepflanzet. + +Deines Blutes jeder Tropfen +Fällt auf meine Seele labend; +Heilig hast du es vergossen, +Das in Sünden du empfangen." + +Und sie gürtet Rosadoren +Mit des Gürtels scharfen Stacheln: +"Wolle ihn um mich, du Tochter, +Treu wie deine Schwester tragen! + +Gebe ihn bei deinem Tode", +Spricht die Nonne, "Rosablanken!" +Peinumgürtet steht die Fromme, +Klaglos für die Marter dankend. + +Und nun sinkt sie mit den Worten +Froh in Rosarosens Arme: +"Laß, o Schwester, deinen Odem +Mich von deinen Lippen fangen!" -- + +"Sei willkommen, Todessonne!" +Spricht die Kranke liebesstammelnd, +"Mir ins Herz mit Siegeswonne +Fallen deiner Augen Strahlen! + +Aber, was du mir versprochen, +Singe mir ein Lied zur Harfe, +Daß die Seele vor dem Tode +Auf dem Klang vorüber wandle!" + +Da ergreifet Rosadore +Geistberauschet ihre Harfe, +Also süße Töne lockend, +Daß die Nonnen selig schwanken. + +Doch es tritt nun Jacopone +Heftig ein mit einem Arzt: +Der unheilige Apone +Folgt ihm stolz und dreist zur Kammer. + +Und vom Zug der Tür erloschen, +Starb das Licht der kleinen Lampe. +"Licht her, Licht!" schreit wild Apone, +"Was tun hier die alten Ammen?" + +Denn er sieht die beiden Nonnen +Geistig schimmernd bei dem Lager. +Und es eilet Jacopone, +Anzustecken schnell die Lampe. + +Und es folgen ihm die Nonnen, +Geistig rauschend durch die Harfe, +Rufen: "Wehe, weh Apone! +Fluch der Schlang und ihrem Samen!" + +Und nun griff der Arzt im Zorn, # Zorne? +Und erfasset bei der Harfe +Die versteckte Rosadore, +Und die Jungfrau schreit: "Erbarmen!" + +"Ha!" spricht Apo, "sei willkommen, +Schöne Nachbarin! Zu fangen +Solch ein Vöglein ich nicht hoffte +Bei dem Bette einer Kranken! + +Hat der kluge Jacopone +Dich zu seinem Trost belanget? +Die Juristen bei den Toten +Gerne sich an Leben halten!" + +Und nun will er Rosadoren +Scherzend um die Hüfte fassen; +Doch sie war erstarkt im Zorne, +Reißt ihm schmerzlich an dem Barte. + +"Also halt ich dich, du Toller," +Spricht die Jungfrau, "bis die Lampe +Wiederbringet Jacopone, +Daß er sehe deine Schande!" + +Frech erwidert ihr Apone: +"Wenn du mich nicht fester fassest, +Sind mir eine rechte Wonne +Solche Händlein in dem Barte!" + +Und nun kehret Jacopone +Mit der Lampe in die Kammer, +Und es läßt den Bart Apones +Rosadore schamhaft fahren. + +"Herr," spricht sie, "wie magst du zum Troste +Deines Weibes du den alten, +Ehrvergessnen Buben holen? +Weh mir, daß ich hier gestanden!" + +Aber nun zu Jacopone +Spricht mit schwachem Ton die Kranke: +"Um den tröstenden Benone +Bat ich meinen Herrn und Gatten!" + +Und er spricht: "Auch er wird kommen, +Jetzt vertrau dem großen Arzte; +Dieser Aesculap Bolognens +Wird dich, Theure, mir erhalten. # Teure? + +Conciliator, dich, Apone, +Man ob hoher Weisheit nennet, +Dich versühnend wolle folgen +Der Bedeutung deines Namens." + +Aber nun zu Jacopone +Spricht mit schwachem Ton die Kranke: +"Um den tröstenden Benone +Bat ich meinen Herrn und Gatten!" + +Und er spricht: "Auch er wird kommen, +Jetzt vertrau dem großen Arzte. +Wolle, daß die Kunst Apones, +Teure, dich mir noch erhalte!" # Theure? + +Und zum Arzt spricht er die Worte: +"Herrlicher, vergiß des Kampfes, +Der uns trennte oft im Zorne, +Nimm die Hand zum Friedenspfande! + +Dienen will ich deinem Lobe; +Kannst du mir mein Weib erhalten, +Geb ich dir zweitausend Kronen, +Geb ich mehr noch, geb ich alles!" + +Und zum Lager tritt Apone, +Reißt die Decke von der Kranken, +Doch es stürzt sich Rosadore +Über sie mit ihrem Mantel. + +Und der Arzt spricht wild im Zorne: +"Was soll hier ich besser machen, +Wo man meiner nur will spotten? +Nackt muß ich die Kranke haben! + +Über ihrem Herzen drohend +Einen Flecken von dem Brande +Sah ich schwarz. Sie ist des Todes, +Wenn ich sie nicht heilend salbe!" + +"Nimmer," spricht nun Rosadore, +"Sollst du sie berühret haben, +Ihres Herzens heilge Rose +Nimmer sehen, böse Schlange!" + +Und erbittert flucht Apone: +"Nun, so soll ich sein verdammet! +Schöne Buhlrin, dir zum Hohne +Sollst du mir zur Seite wandeln! + +Du sollst deine Jungfraukrone +Selber mir ins Haus eintragen, +In den Spuren meiner Sohlen +Sollst du liebekrank herwandeln! # liebeskrank? + +Abends an mein Lager kommen, +Deinen Leib mir anzutragen, +Und mit Füßen weggestoßen +Sollst du in der Brunst verschmachten! + +In der Kirche, vor dem Volke, +auf dem offnen vollen Markte +Sollst du mir verbuhlet folgen, +Wie dem Leibe folgt der Schatten!" + +Ihm erwidert Rosadore: +"Mein wird sich der Herr erbarmen; +Vor dem Fluch, den du geschworen, +Wird er seine Magd bewahren! + +Eher sollen alle Rosen +Mit den Wurzeln abwärts wachsen +Und die vollen Liebeskronen +In der Erde Nacht begraben, + +Eher all die bleichen Toten +Aus der Tiefe blühend wandeln +Und was lebet an der Sonne +Fluchend in die Gräber tragen, + +Eh der Mond vom Sternendome +Buhlend in ein Nest voll Drachen +Steigen und im keuschen Schoße +Ungeheure Brut empfangen, + +Und eh soll die lichte Sonne +Weichen aus des Himmels Bahnen, +Durch der Hölle Tor zu wandeln, +Eh ich tret in deine Pforte. + +Ja, eh wird dem Feinde Gottes, +Dem satanschen Sündenvater, +Auch ein Gottsohn ausgeboren, +Keusch von einer Magd empfangen, + +Und zu lösen uns vom Tode, +An das heilge Kreuz geschlagen! +Gott verzeihe mir die Worte, +Antwort ungeheurer Fragen! + +Nein! nein! nein! Du hast gelogen! +O erscheine, Herr des Gartens, +Tritt den Lügner an den Boden, +Trete auf das Haupt der Schlange!" + +"Kind," spricht Apo, "heiße Kohlen +Möchtest auf mein Haupt du sammeln, +Aber mir auch blühen Rosen; +Gut lacht, wer am letzten lachet!" + +Doch indes fragt Jacopone +Flehend die geliebte Kranke, +Wie sie so viel Blut vergossen? +Und sie hat es ihm gestanden. + +Und nun bietet er Apone, +Daß er helfend ihm mög raten, +Abermals zweitausend Kronen, +Nimmt das Gold gleich aus dem Schranke. + +Jener aber spricht: "Die Dornen, +Die ihr schwer den Leib durchstachen, +Wirf in einen tiefen Bronnen +Oder in ein fließend Wasser; + +Dann, so wie der Gürtel rostet, +Schließen sich die Wundenmale; +Doch vor allem einen Tropfen +Nehme sie aus dieser Flasche!" + +Und nun reichet ihr Apone +Eine Flasche; doch die Kranke +Winkt verneinend mit dem Kopfe, +Und Apone weicht vom Lager; + +Denn er höret eine Glocke; +Fackelschein erhellt die Gasse, +Weil begleitet von dem Volke +Sich der Leib des Herren nahet. + +Mit dem Sakrament gezogen +Kommt Benone durch die Straße, +Und die Kranke hebt frohlockend +Und getröstet sich vom Lager. + +"Bleibe liegen!" sprach Apone. +"Willst du dir dein Weib erhalten," +Sagt er dann zu Jacopone, +"Hüt sie vor dem Abendmahle! + +Sie stirbt eines schnellen Todes +Bei der letzten Ölung Salbe. +Da ich sie hab übernommen, +Werd ich dieses nie gestatten!" -- + +"Jacopone, Jacopone," +Seufzt nun angstbewegt die Kranke, +"Willst du mich zur Hölle stoßen? +Hüte mich vor diesem Drachen!" + +"Seht, sie raset," spricht Apone, +"Sie ist nicht mehr bei Verstande, +Denn sie spricht verwirrte Worte, +Taugt jetzt nicht zu heilgen Sachen!" + +Doch nun tritt herein Benone, +Nahet sich dem Bett der Kranken, +Und sie spricht: "O Herr, willkommen! +Wolle meine Beicht empfangen!" + +Und der Priester will, es sollen +Alle nun allein ihn lassen. +"Rosadore, Jacopone +Mögen bleiben," spricht die Kranke. + +"Und ich geh nicht," spricht Apone, +"Bis der Gürtel liegt im Wasser, +Bis getrunken sie die Tropfen. +Wer bringt meine Pflicht zu wanken?" + +Und zu weichen hat Benone +Nochmals friedlich ihn ermahnet; +Aber höhnisch ihm der Stolze +In das würdge Antlitz lachet. + +Nun erst fühlet Jacopone, +Welcher Geist in diesem Arzte, +Und er spricht in schnellem Zorne: +"Weich aus meinem Haus, du Laster!" -- + +"Hast du mich mit Schmeichelworten +Hergelocket," spricht der Arge, +"Bringst du mich mit bösem Trotze +Wahrlich nimmermehr von hinnen!" -- + +"Weh uns!" jammert Jacopone, +"Wer mag diesen Teufel bannen!" +Und es nahet Rosadore, +Spricht: "Ich wags in Gottes Namen!" + +Und sie zieht gleich einem Dolche +Jene Nadel Rosablankens +Aus dem Haar, das Gold der Locken +Fließt, sie rüstend, von dem Nacken. + +Und im heilgen Zorne Gottes +Springt die Kranke von dem Lager, +Und ein Kreuz von rotem Golde +Dienet ihr zur frommen Waffe. + +Aber beiden reißt Apone +Von dem Busen die Gewande. +Da er sieht die heilgen Rosen, +Fühlt er seine Sinne wanken. + +Und er fluchet: "Moles, Moles! +Dies ist unser Rosengarten. +Daß er ewiglich verdorre, +Mußt du dich zur Arbeit halten!" + +Doch am Fenster ruft Benone +Dem Geleite, und mit Fackeln +Dringen sie herauf; Meliore +Tritt einher vor allen andern. + +Doch er stehet schwer erschrocken, +Da er Apo sieht, und fraget: +"Meister, lebet ihr hier doppelt? +Eben hab ich euch verlassen! + +Pietro kam als schneller Bote +Zu dem Vater Rosablankens, +Der erkrankte, euch zu holen, +Und Ihr seid mit ihm gegangen. + +Habt mir selbst die Hand geboten, +Spracht, daß ihr des alten Hasses +Gänzlich nun vergessen wolltet, +Weil ich brav gelöscht beim Brande. + +Dann hast du mich angesprochen +Um ein Büschel meiner Haare; +Sprachst: `Aus blondem Haar gesponnen +Wird zur Wundennaht der Faden.' + +Und ich gab dir eine Locke -- +Sieh, hier fehlt sie mir im Nacken -- +Folgte weit dir vor dem Tore, +Bis in meines Bruders Garten, + +Wo du eintratst, weiße Rosen +Und Arzneikraut einem Kranken +Zur Erquickung gleich zu holen; +Dorten hab ich dich verlassen. + +Denn es war dort bei den Rosen +Solch ein heftger Duft entstanden, +Daß mir schier gebrach der Odem; +Wankend ging ich aus dem Garten. + +Jetzt -- wie find ich dich hier oben?" +Doch ihn bei dem Arme fassend +Spricht Apone: "Freund Meliore. +Jetzt geleite mich von dannen! + +Denn die Gattin Jacopones +Will das Sakrament empfangen, +Gönnen wir ihr Raum zum Troste!" +Und nun gehen sie zusammen. + +Ihnen folgen, die vom Volke +Mit den Fackeln aufwärts drangen. +In den Armen Jacopones +Ruht ohnmächtig noch die Kranke. + +Da sie wieder sich erholet, +Segnend ihr der Priester nahet, +Und sie spricht mit leisen Worten, +Matt aufrichtend sich vom Lager: + +"Der du an der Stätte Gottes, +Höre, wie ich mich anklage, +Was ich sündlich hab verbrochen, +Seit auf Erden ich gewandelt, + +Mit Gedanken, Werken, Worten. +Und zuerst nun mit Gedanken: +Ich gedachte, meinem Gotte +Könnt ich Sünderin gefallen. + +Und ich sündigte mit Worten, +Weil ich Gott nicht Wort gehalten, +Als das ja ich Jacopone +Treulos gab an dem Altare. + +Und mit Werken," sprach die Fromme, +"Da ich sprang von dem Theater; +Denn ich glaubte fest, des Todes +Würd ich an die Erde fallen; + +Glaubt in meinem bösen Stolze +Ohne Sakrament empfangen +Käm ich doch zu meinem Gotte, +Sündigte auf sein Erbarmen. + +Doch mich nicht verderben wollend, +Hat er mich zur Buß erhalten, +Die von ihm durch dich, Benone, +Ich zerknirschet nun erwarte!" -- + +"Rosarosa," sprach Benone, +"Keiner noch trat ohne Makel +Vor den Thron des ewgen Gottes; +Er wird dein sich auch erbarmen! + +In des Vaters, in des Sohnes, +In des heilgen Geistes Namen +Sei dir, meine fromme Tochter, +Deine Schuld erlassen! Amen. + +Fühlst du jetzt dein Haus geordnet, +Deinen Herren zu empfangen, +Speis ich mit dem Himmelsbrote +Dich zu diesem letzten Pfade." -- + +"Bis zum neuen Morgenrote +Harret noch", spricht leis die Kranke, +"Einen Bissen weißen Brotes +Aß ich heut von einer Armen, + +Der durch dich, mein Jacopone, +Ward ihr kleines Feld erhalten +Gen den Anspruch eines Großen; +Sie bracht mir das Brot zum Danke, + +Bat: `O esse von dem Korne +Jetzt aus Liebe zu dem Manne, +Der gerettet mir den Boden +Dem dies Brot für mich entwachsen!' + +Aber hört, die elfte Glocke +Schlägt! Noch eine Stunde harret; +Reicht indes zum letzten Troste +Mir des heilgen Öles Salbe!" + +Doch nun klaget Jacopone, +Der bis jetzt in stummen Jammer +Saß an ihrem Lager oben: +"Weh, o weh, ich muß dich lassen! + +O dich, aller Jungfraun Krone, +Keusch und duldend gleich dem Lamme, +Das die Schuld hat hingenommen, +Das für uns das Kreuz getragen, + +Rosarose, heilge Sonne +Meiner irdisch trüben Tage, +Firmament voll Lichtessonne, +Ewig gleiche Friedenswage! # waage? + +Herr, was hab ich denn verbrochen, +Daß ich in der Nacht soll wandeln, +Daß aus meines Himmels Dome +Nun erlischt die heilge Lampe? + +Weh, o weh, du süße Rose, +Dornen dir das Herz zerbrachen, +Die du fromm vor mir verborgen; +Schuldig muß ich mich anklagen! + +Weh, ich bins, der dich gemordet, +Blind an jenem Hochzeitsabend, +Da durch mich du von den Toten +Hast den Dornengurt empfangen! + +Und ich habe zu der Oper +Dich geführet heute Abend: +Weh, durch mich wards du durchbohret +Von dem Gürtel bei dem Brande! + +Deine letzte Zeit verdorben +Hab ich dir aus falschem Wahne +Durch den Bösewicht Apone, +Hoffend, dich mir zu erhalten! + +Ach, ich diene bösem Stolze! +Die ich nie besessen habe, +Die mir ewig war verloren, +Wollt ich mir durch Kunst erhalten! + +Weh, mein Weib, du Jugendrose, +Auf dem Wasser der Demanten +Spiegelt deiner Schönheit Sonne +Ihres Abendrotes Flamme!" + +Also jammert Jacopone. +Ihm erwidert dann die Kranke: +"Wolle nicht mit harten Worten +Gegen Gottes Willen klagen. + +Lasse uns den Herren loben, +Daß er uns zurückgehalten +Von dem Abgrund ewgen Todes, +Von der Blutschuld hartem Laster. + +Wenn der Schleier wird gehoben +Über unserm dunklen Stamme, +Singst du bis zu deinem Tode +Gott und seiner Mutter Psalmen. + +Seit das Weib den schwer verbotnen +Apfel teilte mit dem Manne, +Bringt das Weib das Kind des Todes +Zu der Welt mit Not und Jammer. + +Und wir durch die Güte Gottes +Haben schuldlos uns erhalten, +Und er wird uns nicht verstoßen +Aus des Paradieses Garten. + +Auch ich muß von diesem Orte +In den Willen des Erbarmers; +Dich, bei dem so gern ich wohnte, +Muß ich einsam nun verlassen. + +Und du sollst, wie Christen sollen, +Deinem irdschen Gut entsagen, +O, mein Bruder, wolle folgen +Eines schwachen Weibes Rate. + +Geh in einen frommen Orden; +An die Stelle des Theaters +Laß erbaun ein heiles Kloster; +Dort auch ruhe meine Asche! + +Lasse jetzt von armen Volke +Stille mich zu Grabe tragen, +Bis erbauet ist das Kloster +Zur Kapelle bei Sankt Claren. + +Und den Schwestern dieses Ordens +Dann das neue Kloster lasse, +Weil sie jetzt nur ärmlich wohnen +Und das Haus sie kaum mehr fasset. + +Meinen Sarg, geschmückt mit Rosen, +Laß von armen Jungfraun tragen; +Lasse auch die Kinder folgen, +Die ich stets geliebet habe. + +Allen spende aus zum Lohne +Meine vollen Kleiderladen, +Aus dem Tuch, das ich gesponnen, +Lasse allen Hemdlein machen. + +Mein Geschmeide, silber, golden, +Alle Perlen und Demanten, +Die mir deine Huld erworben, +Schenke ich zu dem Altare. + +Lasse eine Mutter Gottes +Recht vor allen herrlich malen +Und ihr vor dem hohen Chore +Himmlische Musik erschallen. + +Mit des Weihrauchs süßen Wolken, +In wollüstger Düfte Kampfe, +Soll ein Wald unzählger Rosen +Um der Kirche Säulen ranken. + +Kelche, Lampe, Weihebronnen, +Leuchter, Rauchfaß und Monstranzen: +Alle seien goldne Rosen, +Durch der Künstler Fleiß gestaltet. + +Und die groß und kleine Glocke +Und der Taufstein und die Kanzel +Seien Rosen gleich geformet. +O, welche frommer Rosengarten! + +Als ich bin getragen worden +Sinnlos weg von dem Theater, +Hat sich ein Gesicht ergossen, +Hab ich diesen Wunsch empfangen. + +Unter einem hohen Dome +Sah ich Weihrauchwolken wallen +Und Gesang und Klang der Orgel +Durch die Säulenwälder wachsen. + +Und ich sah den Greis Benone +Eine Totenmesse halten, +Aber alles war voll Wonne, +Alles war voll selgen Glanzes! + +Und ich sah viel fromme Nonnen +Einsam betend in der Kammer, +Sah sie nächtlich in dem Chore +Himmlische Gebete lallend. + +Und vor allen glanzumflossen +Sah ich eine mit der Nadel +Weiße, rote, schwarze Rosen +Wirken in die Meßgewande. + +Und das Bild der Mutter Gottes, +Gnädig blickend vom Altare, +Glich dir, meine Rosadore, +Aber heilger, höher strahlend. + +Und ich selbst lag eingeschlossen +Kühl in einem Marmorsarge; +Auf der schweren Decke oben +Schlief der Knabe mit dem Lamme. + +Rings um mich geliebte Tote +Schlummerten zum letzten Tage; +Doch kein Sinn war mir verschlossen, +Und ich sah und hörte alles. + +Ach, wie mag die Visionen +Alle ich in Worte fassen! +Durch der Kirche hohe Bogen +Himmelschöre niederdrangen!" + +Und nun sagte Rosadore: +"Ja, des Himmels Tore standen +Über diesem Tempel offen, +Von den Seligen umscharet. + +Und es stand die Mutter Gottes +Und der Heiland mit dem Lamme +Ganz bekränzt mit süßen Rosen +In des Lichtes ewgen Glanze. + +Und der Engel Legionen +Sangen: Gnade! Gnade! Gnade! +Tausend Kränze heilger Rosen +Sah ich zum Altare fallen. + +Und den Schleier einer Nonne +Sah ich nehmen Rosablanken; +Eine Goldflut ihrer Locken +Vor der Schere niedersanken. + +Singend stand ich auf der Orgel, +Vor mir stand die goldne Harfe; +Aber stille und gestorben +Lag mein Herz in kalten Banden, + +Wie in bösem Traum der Boden +Fliehenden die Füße bannet, +Hilferufenden der Odem +Kämpfend in der Brust erstarret. + +Lebend und doch eine Tote, +Sehend und doch dicht umnachtet, +Stumm, doch singend vollen Tones, +War ich wie von Stein umfangen. + +Neben mir stand schwarz Apone. +Weh, o weh, was er gesaget, +Was er sprach vorhin im Zorne, +Füllet mich mit tiefem Bangen! + +Doch am Altar aufgezogen +Ward ein himmelblauer Mantel, +Und das Bild der Mutter Gottes +Grüßte laut des Volkes Ave. + +Und ich hört in meinen Ohren: +Ave, Salve, Mater! schallen, +Und aus meinen Augen quollen +Wieder Tränen auf die Wangen. + +In der Kirche hohem Dome +Schmetterten die Nachtigallen, +Ganz durchzucket von dem Tone +Fühlt mein Herz ich wieder schlagen. + +Und ich bin emporgeflogen, +Eine Stimme, singend Ave, +Bin des Engels Gruß geworden, +Ave, Salve, Dei Mater! + +Dies Gesicht war mir ergossen, +Da ich sinnlos in der Harfe +Ruhete, von Meliore +Fromm gerettet bei dem Brande." -- + +"Was du sahest, Rosadore, +Sah ich alles," sprach die Kranke, +"Herr! du hast in Visionen +Wunderbar dich uns erbarmet!" + +Und in stiller Wonne schlossen +Beide sich in ihre Arme. +Ruhig sprach nun Jacopone: +"Herr, tu mir nach Wohlgefallen!" + +Aber nun tritt durch die Pforte +Agnus castus mit dem Lamme, +Knieet betend an dem Boden +Neben Rosarosens Lager. + +Nach der Sanduhr sieht Benone, +Eine Schelle rührt der Knabe, +Niederknieet Rosadore, +Jacopone bei der Kranken. + +Beim Gesang des frommen Volkes, +In dem Scheine heller Fackeln, +Hat sie leis das Haupt erhoben +Und des Herren Leib empfangen. + +Und dann sprach sie noch die Worte: +"Herr, du hast dich mein erbarmet, +Herr, dein Wille sei gelobet, +Meine Seele nun empfange!" + +Mit dem heilgen Öl Benone +Haupt und Hand und Fuß ihr salbet. +Und sie sprach: "Des Herzens Rose +Wirft unendlich weiten Schatten! + +O der Wonne, o des Trostes, +O des wundersüßen Garten! +Singe, meine Rosadore, +Mit des Himmels Nachtigallen! + +In dem Schatten meines Todes +Lasse Gottes Lob erschallen!" +Und es sang nun Rosadore +Zu dem Klang der goldnen Harfe. + +Solch ein Lieb, so selgen Tones, +Hat nur da die Luft getragen, +Als der Heiland ward geboren +Und die Engel Gloria sangen. + +Also sang des Lichtes Bogen, +Da den Lustkreis aller Farben +Gott durch seinen Raum hinrollte +In dem Glanz des ersten Tages; + +Also tönt des Wassers Woge, +Mit dem Rund des Erdenballes +Selig spielend in der Sonne, +Jauchzend an dem ersten Tage. + +In so süßen Tones Strome +War die Luft aus Gottes Atem +Um die junge Welt ergossen, +In der Lust des ersten Tages. + +Und die neue Erde rollte +Unter also freudgem Klange +In den Kreis von Mond und Sonne, +Jubelnd an dem ersten Tage. + +Also sang das Blut, ergossen +Durch des neuen Menschen Adern, +Also sang der Mensch voll Wonne, +Da er zu der Welt erwachte. + +Doch annoch viel höhern Tones +Wird das Lied der Selgen schallen, +Wenn sie aus dem Haus des Todes +Zu dem Antlitz Gottes wandeln. + +Aber nun zieht mit dem Volke, +Betend bei dem Schein der Fackeln, +Nach dem Kloster hin Benone. +Einsam steht der Toten Lager. + +Und es küßt ihr Rosadore +Tränenlos die bleiche Wange, +Grüßet scheidend Jacopone +Und verläßt ihn mit der Harfe. + +Einsam sitzet Jacopone +Auf dem stummen Sterbelager, +In der Toten Demantkrone +Mit des Schmerzes Blick hinstarrend. + +Keine Träne ihm entrollet; +Seine tiefe Trauer raget +Wie die Wüste öd und trocken +Auf, am Horizont verschmachtend, + +Ohne Schatten, und die Sonne +Selbst ein tiefer Feuerschatten, +Der sich wie ein weiter Bogen +Über seinen Scheitel lagert. + +Die Gedanken an dem Boden +Schleichend, in dem gleichen Sande, +Alle Spuren von dem Odem +Heißen Sturmes stets verwaschen. + +An dem Himmel keine Wolke, +An der Erde keine Pflanze, +Auch kein einzger kühler Tropfen +In dem ungeheuren Plane. + +Also sitzet Jacopone +In der Wüste seines Jammers, +In die helle Demantkrone +Der geliebten Leiche starrend. + +Aber auf die Schulter klopfet +Agnus castus ihm, der Knabe, +Reicht ihm einen Korb voll Rosen: +"Jacopone, jetzt erwache! + +Kränz des Todes Braut mit Rosen; +Sie sind aus demselben Garten, +Wo die Rosen ihr gebrochen +An dem ersten Hochzeitsabend. + +Nimm ihr ab die Demantkrone, +Die du ihr hast heute abend +In das Silberhaar geflochten; +Deiner letzten Pflicht gewarte! # gewahre? + +Einst werd ich am rechten Orte +Wunderbare Dinge sagen; +Du wirst, die dir war verborgen, +Deines Namens Schuld erfahren." + +Sprachs. -- Da jener nahm die Rosen, +Schied er betend aus der Kammer: +"Jesus Christus sei gelobet!" +Jacopone saget: "Amen!" + +Als er löst die Demantkrone +Aus dem Strom des Silberhaares, +Ist des Schmerzes Kern gebrochen, +Und des Jammers Quellen sprangen. + +Da er ihr den Kranz der Rosen +Legte in die Silberhaare, +Sind die Augen in dem Strome +Heißer Tränen ihm vergangen. + +Da der arme Jacopone +Ihr die kalten Hände faltet, +Ist der Trauring roten Goldes +In die Hand ihm schwer gefallen. + +Da er ihr das Aug geschlossen, +Brach er aus in lauten Jammer, +Ganz in einem Tränenstrome +Der Geliebten Antlitz badend. + +Als die Nacht war hingezogen, +Stand des Morgensternes Fackel +An dem stillen Horizonte, +Wie ein Irrlicht auf dem Grabe. + +Wie in eines ausgestochnen +Auges leere Höhle, zagend +Sah des neuen Tages Sonne +In das Herz des armen Mannes. + +Und wie an dem Hochzeitsmorgen +Pietro, sie begrüßend, sagte: +Grüßt sie an dem Todesmorgen; +Jacopone, laut aufjammernd: + +"Grüß dich, blutge Todessonne, +Grüß dich, Held des Unterganges, +Grüß dich, Heiland voller Dornen, +Grüß dich, Sichel meines Gartens! + +Grüß dich, lichter Trauerbote, +Grüß dich, Tauestränensammler, +Grüß dich, Wecker aller Toten, +Grüß dich, Feuerheld des Grabes! + +Singt die sieben letzten Worte, +Singt sie mir, ihr grauen Schwalben! +Singt ihn mir, den Schild des Todes, +Singt den Held des Unterganges!" + +** Romanze XIV: Apo und Meliore + +Durch die stillen Straßen schreiten +Apo und Meliore hin, +Gleiche Pfade führen beide +Zu dem Turm, zur Tänzerin. + +Wo das Mondgefild sich breitet +Um des Brandes Trümmer hin, +Ruht ihr Weg, und tief erweitet +Fühlt Meliore seinen Sinn. + +Und er spricht zum ernsten Meister, +Den er bei der Rechten nimmt: +"Selig, wer gleich dir die Geister +Leicht nach seinem Willen stimmt. + +Spricht, o Herr! auf welche Weise +Reißest du mich jetzt zur dir? +Da du heut im lauten Kreise +Also hart begegnet mir? + +Da du zürntest mir im Streite, +Sieh, da scheute ich dich nicht; +Jetzo friedlich dir zur Seite +Alle Kühnheit mir gebricht. + +Daß der, den ich erst geleitet +Zu des Pietro Garten hin, +Wieder mir zur Seite schreitet, +Will mir nimmer in den Sinn. + +Sprich, wie soll ich nur begreifen +Deiner Künste tiefe List, +Daß ich hier dich kann ergreifen, +Der erst dort vor kurzer Frist. + +Meister sprich, und dann verzeihe, +Daß ich also heut mit Schimpf +Traf des hohen Hauptes Weihe; +Zeige deines Herzens Glimpf! + +Kenntest du des Jünglings Leiden, +Der so kühn dich heut bestritt, +Ach, du würdest Trost bereiten +Mir, der deinen Zorn erlitt. + +Lass mich zum Kerker weichen, +Dem das Feuer mich entriß, +Kannst du mir die Hand nicht reichen, +Daß mir deine Gunst gewiß!" + +Apo gab die Hand: "Dein Eifer," +Spricht er, "wisse, war mir lieb; +Herrlich wirst du, wenn du reifer, +Denn dich treibet hoher Trieb. + +Doch es muß vor der Gemeine +Leiden, wer zutage springt, +Daß nicht aus dem Chor alleine +Einer andre Weise singt. + +Ob du würdig könntest leiden, +War zu forschen ich gewillt; +Nebst dem Schwerte zu dem Streiten +Führe auch der Mann das Schild. + +Und nun nenn ich dich den Meinen, +Zeigte dir mein Doppelbild; +Wird der dritte dir erscheinen, +Ist das Ganze dir enthüllt. + +Zeugnisgebende sind dreie, +Und die dreie eines sind; +Du hast einen Grad der Weihe, +Noch bist du ein blindes Kind. + +Wisse, der Dreieinigkeiten +Schweben in dem Zirkel viel; +Wer sie alle kann durchschreiten, +Dreht den Zirkel hin zum Ziel. + +Doch nun laß uns andre Kreise, +Die uns näher liegen, ziehn, +Daß ich tätig dir beweise, +Wie ich dir gewogen bin. + +Einsam sind wir und alleine, +Ich und du und die Begier; +Sprich, nach welchem Zauberweine +Lechzt die trockne Zunge dir? + +Fein ist diese Zeit; es schweifet +Süß das trunkne Mondenlicht; +Wer jetzt nach den Äpfeln greifet, +Der verfehlt die reifen nicht. + +Von der Venus Tau bereifet, +Schwillt der Früchte süß Gewicht: +Sage, welche Lust gereifet +Dir aus heißem Busen bricht" -- + +"O, mein hoher Herr und Meister, +Du bist weis," Meliore spricht, +"Und es reichen alle Geister +Deinen Augen gern ihr Licht. + +Sehe, hier stehn wir im Freien, +Unterm hohen Wolkenschild, +Und des Brands Ruinen streuen +Auf den Plan ihr Schattenbild. + +Kannst du aus der Sterne Reihen +Sagen, ob die Zukunft hier +Andre Schatten wird verleihen +Dieses Platzes hoher Zier? + +Ob nicht seinen Schatten breiten +Hier ein heilger Tempel wird, +Wo wir jetzt durch Trümmer schreiten, +Die des Wassers Flut durchirrt?" + +Doch Apone sprach: "O schweige, +Anderes begehr von mir, +Daß ich anderes dir zeige, +Was mir lieber ist und dir! + +Denn nicht diese toten Steine +Heben zu dem Licht den Blick; +Nur des Lichtes Sohn alleine +Liest gestirnet sein Geschick. + +Geisterschwer erblühn die Zeiten +Heute aus dem Sterngefild, +Durch den reichen Himmel schreiten +Seh ich wunderbar Gebild. + +Denn die Jungfrau hebt den Schleier, +Und der Widder freudig springt, +Und der Stier erhebt sich freier, +Da der Schwan verbuhlet sind. + +Und die Zwillinge, sie weinen, +Da die eine Wage sinkt, +Und der Steinbock will nicht scheinen, +Weil der Schütz den Bogen schwingt. + +Amors Pfeil der Pfeil heut gleichet, +Sieh, wie er zur Jungfrau ziel; +Wie der Fisch zum Fische streichet +Und in Wogenschimmer spielt. + +Nach des Bechers süßem Weine +Greift der Wassermann und trinkt, +Bär und Hund, der groß und kleine, +Tanzen, der Triangel klingt. + +Pegasus mit Wiehern schreiet +Zu dem kleinen Pferde hier, +Des Zentauren Lust sich zweiet +Zu der Jungfrau, zu dem Tier. + +Und der Walfisch, ein Hochzeiter, +Jauchzend im Eridan springt, +Und das Schiff, es flagget heiter, +In dem Pol sein Ruder klingt. + +Bei dem Hafen jagdlich schweifen +Sehe ich Orions Licht, +Doch vor ihm die Flucht ergreifen +Heute die Plejaden nicht. + +Liebend denket er mit Schweigen +Der Hyperboreerin, +Und vor Herkuls Seele streichen +Alle Thespiaden hin. + +Cepheus, Cassiopeia neigen +Liebend zueinander sich, +Und Andromeda erreichen +Seh den starken Perseus ich. + +Freudig laut der Fuhrmann geißelt, +Und das Böcklein zu ihm springt, +Und der Löwe lustgekräuselt +Seinen Schweif zur Jungfrau schwingt. + +Wie im Paradiese schweifet +Dort die Schlange lustgeringt; +Weil die Feigen sind gereifet, +Hoch der Rab den Becher schwingt. + +Frei strömt, wie zur Hochzeitsfeier, +Berenicens Locke hin, +Und im Klang von Orpheus Leier +Schaukelt trunken der Delphin. + +Den Antinous umkreisend, +Hoch des Adlers Fittig klingt, +Der, sie von der Erde reißend, +Götterknaben aufwärts schwingt. + +Eine Schlange tragend weilen +Seh den Polyides ich, +Minos lehrte sie ihn heilen, +Dich zu heilen lehrt sie mich. + +In der Nordkron goldne Reife +Eine Myrte süß sich schlingt, +Und der Drach mit brünstgem Schweife +Heiß den kalten Pol umringt. + +Zu geheimer Liebe Feier +Hell des Altars Glut entglimmt; +Die Südkrone schimmert freier, +Und in Lust der Südfisch schwimmt. + +Ihre Scheren brünstig breiten +Krebs und Skorpion zum Licht, +Und der Wolf in Himmelsweiden +Trübt der Lämmer Quelle nicht. + +Also glühend sind die Zeiten, +Also brünstig ist das Licht, +Wie die Rose, die den Bräuten +Venus durch die Locken flicht. + +Die Granate senkt gereifet +Ihrer Kerne Goldgewicht, +Trunken durch die Blätter schweifet +Amor, der sie taumelnd bricht. + +Selig ist wohl der zu heißen, +Der in Liebe selig ist; +Sprich, kann ich dich selig preisen, +Der du also liebend bist? + +Meliore, sei der meine; +Sage ohne Hinterlist, +Ob Biondette je die deine +Ganz und gar gewesen ist? + +Ob dein selger Mund alleine +Ihres Leibes Rosen bricht, +In der Augen Sonnescheine, +In des Busens Mondenlicht? + +Ob du in die Wollustkreise +Ihrer Mitternächte blickst, +Daß dich jauchzend an sich reiße, +Die entzücket du entzückst?" + +Doch entsetzet hier den Meister +Meliore unterbricht; +"Bei dem Gott der selgen Geister +Schwöre ich: das tat ich nicht! + +Und will einer des sich preisen, +Ich nenn einen Teufel ihn; +Will mit Händen den zerreißen, +Der sie solcher Schmach geziehn! + +Gott und Vater! wüßt ich einen +Solches denkend, sein Gehirn +Schlüg ich ihm mit kotgen Steinen +Aus der unverschämten Stirn! + +Denn die Sterne sind nicht reiner, +Als der Leib Biondettens ist, +Und der Schoß, er war nicht reiner, +Der empfangen Jesum Christ! + +Doch du machst aus Weltenkreisen, +Wo der Engel Palmen schwingt, +Und, den Ewigen zu preisen, +Gloria die Sphäre singt, + +Einen Tummelplatz der Heiden, +Wo die Sünde Lanzen bricht, +Und ein ekles Wolluststreiten, +Dem die Geilheit Kränze flicht! + +Könntest du mir auch beweisen, +So sei meiner Liebe Ziel, +Möge mich der Stern zereißen, +Der jetzt dort vom Himmel fiel!" + +Also sprach er, und es breitet +Apo seinen Mantel hin, +Fing den Stern, der niedergleitet: +"Sieh, was dir ein Stern erschien! + +In dem trüben, kalten Schleime +Hier, erkennest du das Licht? +Stürzend durch des Himmels Räume +Wahrlich, dies erschlägt dich nicht! + +Alles ist nicht Gold, was gleißet, +Und was glühend dir erschien, +Sich als faules Holz erweiset, +Nahest du dem Wunder kühn. + +Und das eben macht den Weisen, +Daß er in dem Sonnenlicht +Kann die Mitternacht beweisen, +In dem Leichten das Gewicht. + +Daß selbst in des Lichtes Leichte +Er die Wucht, die niederzieht, +In dem Abgrund auch das Seichte, +In dem Seichten Abgrund sieht. + +Sollt ich dich nicht selig preisen, +Wäre solch ein Weib dein Spiel? +Um die Erde möcht ich reisen +Nach so wunderbarem Ziel! + +Doch die Jugend möchte steigen, +Um den Himmel zu erfliehn, +Und das Alter muß sich neigen, +Sieht ihn an der Erde blühn. + +Willst du nun die Lust erreichen, +Die dir durch die Adern rinnt, +Einen Trank will ich dir reichen, +Der dir ihre Gunst gewinnt. + +Läßt du dir das Recht entreißen, +Das dir Lust und Jugend gibt, +Wird dich schwer der Neid zerreißen, +Wenn sie andern sich ergibt. + +Daß zum Falle sie gereifet, +Seh in ihren Sternen ich, +Wenn kein andrer sie ergreifet, +Nenne einen Lügner mich!" -- + +"Den möcht ich jetzt gleich dich heißen," +Zürnend nun Meliore spricht, +"Solche Unschuld kann nicht gleißen, +Gottes ist ihr Angesicht! + +Körner streust du; ich soll gleiten, +Aber Gott erhalte mich! +Sündflut aller Eitelkeiten, +Hier vor Gott verfluch ich dich! + +Ja, gleich leicht magst du beweisen, +Diesen Himmel ernst und still +Sehest du vom Blitz zerreißen +Und von donnerndem Gebrüll; + +Und die Stadt im Mondenscheine +Fülle jetzt der wilde Krieg, +Und daß jetzt, wo wir alleine, +Weit ein Feld voll Leichen lieg; + +Daß Bologna ihre weite, +Hochgetürmte, feste Stirn +Niederbeuge jetzt im Streite +Vor dem himmlischen Gestirn! + +Daß du doppelt kannst erscheinen, +Weil ichs sah, bewiest du mir; +Doch Biondettens Schuld verneinen, +Selbst sie sehend, würd ich dir!" -- + +"Malst du an die Wand den Teufel," +Apo zu dem Jüngling spricht, +"Hält er dir auch ohne Zweifel +Zu der Malerei das Licht!" + +Sprachs. Und plötzlich donnernd steiget +Um den Mond die Finsternis, +Und so weit der Himmel reichet, +Hell ein Blitz die Nacht zerriß. + +Und rings durch die Stadt verbreitet +Sich ein tosend Stahlgeklirr; +Näher, immer näher streitet +Her der Stimmen Kampfgewirr. + +Meliore bebt. Es schreiten +Tausend Bürger in den Ring, +Und mit Wut von allen Seiten +Hebet sich das Schwertgekling. + +Und es sinket Reih auf Reihe +Auf dem blutgen Mordgefild, +Daß von Wut- und Wehgeschreie +Laut ertost das Wolkenschild. + +Weh! da stürzen auf die Streiter +Rings Bolognas Türme hin, +Doch sie kämpfen immer weiter, +Nichts erschrecket ihren Grimm! + +Zu den Füßen seinem Meister +Sinnlos hin Meliore sinkt, +Bis das Spiel der bösen Geister +Dieser in den Abgrund winkt. + +Und von Schrecken ganz gebleichet +Richtet auf der Jüngling sich: +"Du hast Böses mir gezeiget, +Meister, nun entlasse mich!" + +Apo spricht: "Du prophezeitest +Dieser Stadt dies Ungeschick, +Weil du sie so toll vereidest +Für Biondettens Tugendglück. + +In der Wage liegen beide, +Leg dich zu der Tänzerin; +Daß dein Vaterland nicht leide, +Gebe dich der Freude hin! + +Größre Wunder könnt ich zeigen -- +Eines Wortes leicht Gewicht, +Eines nichtgen Blickes Steigen +Führt oft her ein schwer Gericht. + +Und so stehn die Himmelszeichen: +Es erfüllt sich dies Gesicht, +Brichst du von Biondettens Zweigen +Heut die reifen Früchte nicht!" -- + +"Läßt so leicht vom Himmel reißen +Dieses Landes Schicksal sich," +Spricht Meliore, "will verheißen +Eine schönre Zukunft ich! + +Hohe Nacht, ihr Sternenreiche, +Mond, du keusches Angesicht, +Euch Biondetten ich vergleiche, +Sie weicht euch an Friede nicht. + +Und so fest und ungebeuget +Stehet ihrer Tugend Zier, +Als einst fromm ein Tempel steiget +Aus des Brands Ruinen hier! + +Sieh! beweget sind die Steine, +Ordnen auf zu Mauern sich; +Diese Geister sind die meinen, +Und ihr Meister bin auch ich! + +Freudig auf die Pfeiler steigen; +Hörst du, wie Biondette singt? +Wie nach ihrer Harfe Reigen +Stein auf Stein zum Himmel dringt? + +Wie nach ihren Melodeien +Kuppel sich an Kuppel ringt, +Und die Säule ihre Reihen +Mit dem Palmenknauf verschlingt? + +Der Kapellen Einsamkeiten +Ordnen sich in Harmonie; +Wo die Töne sich durchschneiden, +Wölbt des Chores Halle sie. + +Wo die Töne höher steigen, +Heben sich die Türme spitz, +Die zum Firmamente reichen +Mit der Kreuze goldnem Blitz. + +Wo sie sich zur Tiefe neigen, +Zu der Grüfte Labyrinth, +Seh ich trauernd niederschleichen +Still der Treppen Steingewind. + +Heilig scherzt in tausend Weisen +Blum um Blume, Bild um Bild, +Und, die Meisterin zu preisen, +Widerhall dem Stein entquillt. + +In der Kerzen selgem Scheine +Bebt der Altar feierlich, +Und gleich einem Frühlingshaine +Füllt das Haus mit Jubel sich. + +Silbernem Gefäß entkreisend +Süß der Weihrauch aufwärts dringt, +Und des Himmels Tor aufreißend +Hochgesang in Wonne ringt. + +Sieh, wie zu des Tempels Weihe +Rings die frommen Bürger ziehn; +Meister! Gott uns Trost verleihe, +Laß uns betend niederknien!" + +Spricht Meliore, und den Meister +Will er an dem Mantel ziehn; +Helfet! alle guten Geister! +Er sieht vor sich doppelt ihn! + +Einer trägt ein Feuerzeichen +Auf der hohen, dunkeln Stirn, +Kalt sie sich die Hände reichen, +Und es bebet das Gestirn. + +Lachend sie von dannen schleichen, +Sieh, da kehrt das Mondenlicht; +Durch das nächtlich tiefe Schweigen +Meliors Stimme bricht: + +"Weh! Bologna, weh! Sich neigen +Sah ich deiner Türme Zier, +Sah ein blutig Feld der Leichen +Über deinem Herzen hier! + +Weh! in deinen Eingeweiden +Reget sich ein Drachenkind, +Und es streun die dunklen Zeiten +Deine Asche in den Wind! + +O, wie muß ich den beneiden, +Der den Stamm, des Sohn er ist, +Kennt, daß er den Fluch der Leiden +Nicht in seinem Schuldbuch liest! + +Einen Schuldgen suchend, reißen +Um das Schiff die Stürme sich; +Weh! ich kann mich des nicht preisen, +Daß den Fluch nicht trage ich! + +O Allmächtiger, o zeige, +Ob der Sünde ich entspring, +Daß ich zu der Flut mich neige +Und ein sühnend Opfer bring!" + +Also fleht er um ein Zeichen, +Und sein Flehen ihm gelingt: +Durch das tiefe nächtge Schweigen +Hell die Totenglocke klingt. + +Und der Glocke Schall geleitet +Zu Biondettens Wohnung ihn; +Wo der Baum die Schatten breitet, +Kniet er bei dem Altar hin. + +"Herr! die Seele, die jetzt streitet, +Richt in deinem Zorne nicht; +Herr! die Seele, die jetzt scheidet, +Sehe bald dein Angesicht!" + +Und er höret an dem Zeichen, +Daß ein Weib gestorben ist, +Weil die Zahl der Glockenstreiche +Zweimal unterbrochen ist. + +"Jacopones frommem Weibe +Wohl das dunkle Auge bricht. +Ob ich gehe, ob ich bleibe?" +Bang der Jüngling zu sich spricht. + +"Denn nicht lang mehr kann verweilen +Die geliebte Tänzerin; +Sah ich sie, dann will ich eilen +Tröstend zu dem Bruder hin. + +Ach, schon hör ich aus der Weite +Leichter Füße Flügelschritt!" +Von der monderhellten Seite +Bang er in den Schatten tritt. + +"Soll ich singen, soll ich schweigen, +Wenn sie mir vorüberzieht? +Gerne gäb ich ihr ein Zeichen, +Daß ein Liebender sie sieht!" + +Doch ein dunkler Fechter schreitet +In dem Schatten vor ihn hin, +Und zum Kampfe schnell bereitet +Meliore sich gen ihn. + +Aber in des Degen Kreisen +Seine Klinge ihm zerspringt, +Ihn durchbohrt des Feindes Eisen, +Und er spricht, indem er sinkt: + +"Herr! die Seele, die jetzt streitet, +Richt in deinem Zorne nicht; +Herr! die Seele, die jetzt scheidet, +Sehe bald dein Angesicht!" + +** Romanze XV: Meliore und Biondetta -- Biondettens hohes Lied + +Gieße, Mond, dein Silber milder +Durch die blauen Himmelsmeere; +Blicket fromm, ihr Heldenbilder, +Nieder aus dem Sternenheere. + +Einsam kühle Nachtluft, stille +Grüße aus dem Himmel sende; +Blüten, Blumen, eure Fülle +Duftend sich der Nacht verschwende. + +Philomela, süßer stimme +Deines Traumes Wonn und Wehe, +Daß es zu den Sternen glimme +Und um Gottes Liebe flehe. + +Klang der süßberauschten Zither +Unter Liebchens Fenster bebe; +Still eröffne sie das Gitter, +Daß sie Liebesworte gebe. + +Jünglingen, die schlummernd liegen, +Komm ein Liebestraum entgegen; +Auf die Kindlein in den Wiegen +Senke sich ein Engelsegen. + +Und die Wünschelrute sinke +Jedem auf des Schatzes Schwelle, +Und dem Durstgen, daß er trinke, +Sei der Schatz die kühle Quelle. + +All ihr Bronnen, selig zielet +In die mondberauschten Becken; +Leis im West, ihr Blätter, spielet, +Um die Vöglein nicht zu wecken. + +Nacht, in deines Zaubers Schlingen +Soll sich Liebesscham verketten, +Unter lustbetrauten Schwingen +Bräutliches Entzücken betten. + +Was die Seele, was die Sinne +Hoch begeistert, tief erreget, +Deines Glücksrads Lustgewinne +Seien alle ausgeleget. + +Spinnet bei dem Mondenlichte +Eure feinsten Netze, Elfen, +Und die schlauen Zauberwichte, +Alle Zwerge sollen helfen. + +Felsbewohnende Sibyllen, +Leichte Nymphen flüchtger Quellen, +Einet alle euren Willen, +Diese Netze aufzustellen. + +Locket, locket, süßer singend, +In die Netze, ihr Sirenen, +Und den Tönen nicht gelingend, +Laßt gelingen es den Tränen. + +Denn es will uns heut entfliehen +Der melodischste der Schwäne, +Will zu heilgerm Himmel ziehen, +Daß sein Herz sich nicht mehr sehne. + +Königin der Sternenzinne, +Priesterin verklärter Herzen, +Lehrerin geheimer Minne, +Heldin, Trösterin der Schmerzen, + +Nacht! durch deines Tempels Mitte +Sehe ich Biondetten gehen, +Scheu verhüllt in züchtger Sitte; +Du wirst sie nicht wiedersehen. + +Auf dem Platze mondbeschienen +Bleibt sie ruhig schauend stehen, +In die düsteren Ruinen +Noch einmal zurück zu sehen. + +Sie beginnet leis zu singen; +In der Nachtluft einsam Wehen +Ihre Töne sich verschlingen +Wie der Andacht schwankend Flehen. + +"Herr, ich steh in deinem Frieden, +Ob ich lebe, ob ich sterbe; +Starb mein Heiland doch hienieden, +Daß ich sein Verdienst erwerbe. + +Will der Schmetterling zum Lichte, +Muß die Larve er zerbrechen, +So hast du dies Haus vernichtet, +Meine Freiheit auszusprechen. + +Laß die Flügel mich erquicken, +In der Andacht sie erstrecken, +Und zum Himmelsgarten zücken +Durch der Buße dornge Hecken! + +O, wie hast du hoch gezieret +Diese Weltnacht, mir die letzte; +Eine Seele triumphieret, +Deren Tod mich hoch ergötzte. + +Solchen Tod laß mich gewinnen, +Herr, nach einem solchen Leben, +Laß mich mit so klaren Sinnen +Dir die Seele wiedergeben! + +Denn in deinen Händen liegen +Alle demutvollen Herzen, +Wie die Kindlein in den Wiegen, +Still entschlummert, ohne Schmerzen." + +Also sang sie, und geschwinde +Eilt sie auf verschlungnen Wegen, +Und schon höret sie die Linde +Nächtlich grüßend sich bewegen. + +Rascher flügelt sie die Schritte +Ihres Hauses Tor entgegen, +Da begegnet ihrem Tritte +Klirrend ein entblößter Degen. + +Ach, und weiter noch zwei Schritte +Liegt, vom Mantel leicht bedecket, +Der den bösen Mord erlitten, +Stumm ein Jüngling ausgestrecket! + +Da sie zu ihm niederblicket, +Will er noch die Blicke heben; +Den der Tod schon fest umstricket, +Kann die Schönheit noch beleben. + +Gleich dem frommen Samariter +Hebt die mutige Biondette +Mühsam nun den toten Ritter, +Trägt ihn hin nach ihrem Bette. + +Lebend konnts ihm nie gelingen, +In ihr Kämmerlein zu sehen, +Und er mußte, einzudringen, +Durch des Todes Pforte gehen. + +Schnell die Lampe angezündet +Unter bangen Herzensschlägen! +Ach, das Herz, das sie verbindet, +Schlägt noch liebend ihr entgegen! + +Balsam macht sie aus den Giften, +Die sie sonst im Tanz umgeben, +Mit der Öle süßen Düften +Ruft sie wieder ihn zum Leben. + +Und sie löset ihm geschwinde +Seinen Koller überm Herzen, +Sauget ihm sein Blut gelinde +Aus der Wunde mit den Schmerzen. + +Ach! und ihren frommen Lippen +Strömt die Torheit frech entgegen; +Quelle böser Zauberklippen, +Liebesgift war an dem Degen! + +Auf der Brust ihm eingeschnitten +Ihren Namen liest Biondette, +Und ihr Bild, nach Liebessitte, +Hängt darauf an goldner Kette. + +Doppelt ihren Schleier windet +Sie, mit Tränen ihn benetzend, +Und die Wunde sie verbindet, +Sich der Blöße nicht entsetzend. + +Und sie eilt und schmückt das Zimmer, +Zündet an wohl hundert Kerzen, +In der Spiegel Widerschimmer +Gold und Silber freudig scherzen. + +Ihres Putzschranks Flügeltüren +Öffnet sie mit leichten Händen, +Daß ein eitles Triumphieren +Rings entstrahle allen Wänden. + +Und die falschen Götterbilder +Schmücket sie mit Flitterkränzen, +Aus dem Schoße goldner Schilder +Läßt sie seidne Röslein glänzen. + +Reiherbüsche pflanzt sie flitternd +Auf des Boden Purpurdecken, +Diamantne Nadeln zitternd +Zäumt sie ein mit Federhecken. + +In der Torheit Garten glimmend +Rüstet sie ein Weihrauchbecken, +Daß die Weihrauchwolken schwimmend, +Lüstern halb den Glanz bedecken. + +Weh! wer hat sie so verrücket? +Alle Blumen muß sie brechen; +Wie des Wahnsinns Braut geschmücket, +Muß ihr keusches Herz erfrechen. + +Schamlos tritt sie vor den Spiegel, +Ihre Brust zu Tag zu legen, +Weh! da blicket Gottes Siegel, +Die Goldrose ihr entgegen. + +Doch sie ist so tief verstricket, +Nichts kann ihre Glut erschrecken, +Ihre Blöße sie entzücket, +Und sie mag sich nicht bedecken. + +Und mit süß vertrauten Blicken +Sitzt sie auf des Jünglings Bette; +Weltlicher nicht konnt sie blicken, +Wenn sie nie gebetet hätte. + +Und sie fühlt in allen Sinnen +Ein unheiliges Ergötzen +Wild durch ihre Adern rinnen, +Und sie muß die Zucht verletzen. + +Seine Lippen, seine Stirne, +Ihren Namen ihm am Herzen, +Küsset heiß die arme Dirne +Unter suß berauschten Schmerzen. + +Und in seinen Locken spielen +Ihre zarten Hände bebend, +Doch umsonst die Küsse zielen, +Seine Lippen nicht belebend. + +An den Busen ihn zu drücken, +Seinen Namen laut zu nennen, +Fühlet sie ein wild Entzücken, +Doch er will sie nicht erkennen. + +"Meliore," spricht sie liebend, +"Deine Augen zu mir wende, +Süßen Dank der Huld ausübend, +Die ich zärtlich dir verschwende! + +Sieh, es will der gütge Himmel +So dich an das Herz mir legen, +Wie ich in des Brands Getümmel +An dem deinen bin gelegen! + +Wenn du auch nicht wiederküssest, +Winkend nur ein Zeichen gebe, +Mir zum Troste, daß du wissest, +Wie ich dich nicht überlebe!" + +Und die Harfe nimmt die Süße, +Läßt die Saiten wild erbeben; +Ach, die heißen Liebesgrüße +Können nicht sein Aug erheben. + +Keuscher Tod, du drückst sie nieder, +Solche Raserei zu sehen, +In dem Klang der giftgen Lieder +Soll er sie nicht wiedersehen. + +"Ihn, den meine Seele liebet," +Singt sie, "sucht ich in dem Bette, +Sucht ihn durch die Straßen ziehend, +Fand ihn doch an keiner Stätte. + +Und ich fragt die Wächter bittend, +Die da durch die Straße gehen: +Ihn, den meine Seele liebet, +Habet ihr ihn nicht gesehen? + +Und vorübergehend finde +Ich den Liebsten meiner Seele, +Ihn mit Rosenketten binde, +Ihn auf ewig mir vermähle! + +Und ich halt ihn, laß ihn nimmer, +Den ich fand auf meiner Schwelle, +Führ ihn in der Mutter Zimmer, +Führe ihn in meine Zelle. + +Sieh, ich bin ein Rauch von Myrrhen, +Auf sich aus der Wüste hebend, +Und, wie Bienenschwärme irren, +Küsse meinem Mund entschweben. + +Weiß und rot ist, den ich minne, +Golden sich sein Haupt erhebet; +Wenn ich seinen Locken spinne, +Schwarz die Nacht den Mantel webet. + +Seine Augen mich erquicken +Und die Seele mir erhellen, +Wie die Taubenaugen blicken +Zu den klaren Wasserquellen. + +Wie Gewürze duftend, grüßen +Seiner Wangen Blumenzellen, +Süße Myrtenöle gießen +Seiner Lippen Rosenquellen. + +Goldne Türkisringe zieren +Seine klaren Silberhände, +Elfenbeinern und saphieren +Trägt der Goldfuß seine Lende. + +Und er stehet aufgerichtet, +Wie die Zedern auserwählet, +Wie der Libanon umlichtet, +Der dem Himmel sich vermählet. + +Wie mein Saitenspiel, erklinget +Süß und lieblich seine Kehle, +Und zu seinen Lippen dringet +Lustberauschet meine Seele. + +O, du Büschel süßer Myrrhen, +Zwischen meinen Brüsten hängend, +Sag, wo deine Schafe irren, +Sich im Mittagsstrahle drängend. + +Töchter Zions, meine Bitte +Höret und den Freund mir wecket, +Schlummernd vor der Zedernhütte +Unter Rosen ausgestrecket. + +Daß er blühend aufgerichtet: +Süße Freundin, zu mir spreche, +Komme her, die Gott gedichtet, +All die Rosen mit mir breche! + +Sieh, verschwunden ist der Winter, +Und dahin ist Sturm und Regen, +Und die Blumen, Frühlingskinder, +Spielen schon auf grünen Wegen. + +Meine Wangen lieblich flimmern, +In den Spangen, in der Kette +Sehe meinen Hals erschimmern, +Und es grünet unser Bette! + +Wie die Traube Copher schwillet +Zu Engeddi in den Gärten, +Und der Lippen Kelch erfüllet, +Küß ich meinen Lustgefährten! + +Zedern fest das Haus uns stützen, +Unsre Latten sind Zypressen, +In dem Schatten will ich sitzen +Und der Schmerzen all vergessen. + +Unterm Schatten will ich sitzen; +Des die Seele mir begehret, +Wie der Apfelbaum bei wilden +Bäumen, ist mein Freund verehret. + +Deiner Lieb Paniere schwinge +Über mir, du Hoch und Heller, +Und du Freundlicher, mich bringe +In des süßen Weines Keller! + +Und mit Blumen mich erquicke, +Mich zu laben Äpfel gebe; +Krank bin ich vor Liebe; blicke, +Blicke auf, mich zu beleben! + +Unter deinem Haupt die Linke +Muß dich meine Rechte herzen, +Wenn ich deinen Kuß nicht trinke, +Muß verdürsten ich in Schmerzen! + +Sieh, die Honigbienen irren +In dem honigsüßen Lenze, +Und die Turteltauben girren; +Komme, mein Freund, daß ich dich kränze! + +Sieh, dem Feigenbaum entspringen +Knospen; aus dem Aug der Reben +Süße Wollusttränen dringen; +Also weint mein junges Leben! + +Wie in dunklen Felsenritzen +Turteltauben auf dem Neste, +Also will ich bei dir sitzen +In dem Glanz der Blütenäste. + +Und es tönet meine Stimme +Süß, o süß ist meine Kehle, +Bis wetteifernd süß ergrimme +und verglimme Philomele. + +Und ich singe zu dir nieder: +Mein bist du und mir gegeben, +Und es sehn dich meine Lieder +Unter Rosen weidend schweben!" + +Wie sie also töricht singet, +Spricht Meliore: "Meine Schwester, +Fromme Taube, ach, es schlinget +Sich des Todes Band nur fester! + +Nachttau mir vom Haupte fließet, +Und es wecket mir im Herzen, +Wenn sich gleich mein Auge schließet, +Deine Liebe bittre Schmerzen! + +Mein Gewand, ich legt es nieder, +Soll ich wieder an es legen? +Nach dem Bad die Füße wieder +Mir besudeln auf den Wegen? + +Deine Augen gleichen Blitzen, +Deine Augen von mir wende! +Meinem Herzen Degenspitzen +Scheinen deine zarten Hände!" + +Aber wehe! nicht vernimmet +Sie den schweren Namen Schwester, +Glühender ihr Wahn entglimmet, +Sie umklammert ihn noch fester. + +Und sie spricht: "Der Kelch der Lilien +Unserm Bett das Rauchfaß schwenket, +Unser Dursten zu vertilgen +Sich der Traube Becher senket. + +Unsre Tür umgeben Früchte, +Ich bewahrte dir, mein Leben, +Heurige und fernge Früchte, +Beide kann ich dir nun geben! + +O, du Liebe in Wollüsten! +O, du schön und lieblich Schweben! +Trauben gleichen meine Brüste, +Trauben wundersüßer Reben! + +Einer Palme aufwärts dringend +Gleichet meines Leibes Länge, +Wie der Wein hinan sich schlinget: +O, wer sich hinan so schwänge! + +Laß uns durch die Felder ziehen, +Ob uns sieht das Aug der Reben, +Ich will, wenn Granaten blühen, +Dort dir meine Brüste geben. + +Dich, der meiner Mutter Brüste +Saugte, Bruder, dich den Schönen, +Wenn ich dort dich brünstig küßte, +Ach, wer wollte mich verhöhnen!" + +Als sie diesen Frevel singet, +Springt sein Blut ihr neu entgegen; +Der Verband, der Hilfe bringet, +Kann die Raserei nicht legen. + +Und von ihrem Nonnenbilde +Reißt sie in der Angst die Decke, +Daß damit das Blut sich stillte, +Und es dienet ihrem Zwecke. + +Als sie zu dem Bilde blicket, +Fühlet sie ein tief Erschrecken, +Scham sie wie ein Schwert durchzücket, +Und sie eilt, sich zu bedecken. + +Von des Bildes Augen fließen, +Wunder Gottes! bittre Tränen, +In die Arme muß sies schließen, +Ach, sie möchte es versöhnen! + +Und dem Bilde gegenüber +Sitzt zur Harfe sie am Bette, +Und die Augen strömen über +Der verlorenen Biondette. + +"Wo ist die, die aus der Wüste +Aufgeht, auf den Freund gelehnet?" +Spricht Meliore nun, und grüßte +Sie, nach der sein Herz sich sehnet. + +"Auf dein Herz gleich einem Siegel +War sie wahrlich doch gesetzet. +Goldne Rose, deinen Spiegel +Hat die Schlange bös verletzet. + +Um den Apfelbaum sich schlingend, +Der die Mutter dir bedeckte, +Als sie rang, zur Welt dich bringend, +Bös die Schlange mich erweckte!" + +Aber traurend sitzt die Süße, +Läßt die Harfe leis erbeben, +Daß ihn schön das Leben grüße, +Das die Liebe ihm gegeben. + +Wie die Töne sich ergießen, +Fühlt die Jungfrau in dem Herzen +Wunderbaren Zauber fließen +Und so süße, wilde Schmerzen. + +Höher sie die Saiten schwinget, +Denket nicht mehr des Gesellen; +Wie der Schwan im Tode singet, +Glühend ihre Töne schwellen. + +Tausend Töne, die sonst schliefen, +Aus der Harfe lebend brechen, +Und in allen Herzenstiefen +Hört sie laut das Echo sprechen. + +In dem Tode hallt es wider; +Schüchtern zu des Lebens Schwelle +Rufen ihn die Zauberlieder, +Seine Blicke werden helle. + +Wer erklärt ihm die Gesichte, +Wer ergießt des Himmels Segen? +Ist so mild das Weltgerichte, +Kommt die Gottheit ihm entgegen? + +"Süßer Tod, den ich erlitten! +Goldne Töne zu mir gehen, +Selig in des Himmels Mitten +Soll ich wieder auferstehen!" + +Aus Biondettens frommen Mienen +Strömet ihm das selge Wähnen, +Gottes Mutter sei erschienen, +Und er betet unter Tränen. + +Doch die arme Jungfrau singet +Unter bittren, bittren Tränen, +Während sie die Hände ringet: +"O, welch schmerzlich glühes Sehnen! + +Schwarz bin ich, doch voller Liebe, +Wie die Hütten Kedars stehen, +Wie die bunten Teppche schimmernd +Salomons im Tempel wehen. + +Die Weingärten zu behüten, +Setzten sie mich ein zum Wächter, +Meinen konnt ich nicht behüten, +Von Jerusalem ihr Töchter! + +Wie der Tod so stark ist Liebe, +Fest der Eifer wie die Hölle, +Glut und Feuer meine Triebe, +Wie des Herren Blitz so schnelle. + +Und wenn alle Wasser stiegen, +Und wenn alle Ströme rännen, +Würden sie sie nicht besiegen, +Nimmer sie erlöschen können! + +Was in meinem Haus sich findet, +Alles Gut, wenn ichs wollt geben +Um die Liebe, die mich bindet, +Ach, ich hätte nichts gegeben! + +Schön und lieblich meine Füße +In den goldnen Schuhen stehen, +Und mein Haupt, wenn ich ihn grüße, +Ist wie eines Helmbuschs Wehen! + +Wie zwo Spangen schön sich schwingend, +Von des größten Meisters Händen +Eben aneinander dringend, +Stehen freudig meine Lenden!" + +Doch nun lischt der Kerzen Schimmer +Und Biondette singet: "Wehe, +Wehe, Wehe, Lebensschimmer, +Holdes Leben, nicht vergehe! + +Sterbet nicht, ihr süßen Lieder, +Wollt, o wollt nicht von mir schweben! +Sterbet nicht, ihr raschen Glieder, +Laßt euch froh zum Tanze heben!" + +Eh die Lampe auch verglimme, +Will sie freudig nochmals schweben; +Doch sie hört nicht ihre Stimme, +Fühlt nicht ihrer Füße Schweben. + +Weh! es walten böse Künste, +Laut die frühen Hähne krähen; +Kehrt, ihr Geister, aus dem Dienste, +Denn der Tag will auferstehen! + +Und Meliore kömmt zu Sinnen. +Licht und Lied und Lieb entschweben, +Mächtig fühlt er sich von hinnen +Auf die öde Straße heben. + +Kühl umwehn ihn Morgenwinde, +Wunderbar ist ihm geschehen, +Denn er kann noch ihre Binde +Auf der frischen Wunde sehen. + +Und die nahe Glocke klinget, +Und er hört die ersten Messen: +Bete, bete, nie gelinget, +Die Geliebte zu vergessen! + +** Romanze XVI: Kosme krank -- Pietros Garten brennt + +Wenn du gleich den Vögeln schwebest, +Über dir der blaue Bogen, +Unter dir die grüne Erde +Und des Wassers Silberwoge; + +Und du wolltest niedersehen, +Wo du ruhig möchtest wohnen, +Wo du deinem kleinen Neste +Eine Stelle suchen solltest; + +Flöhest du der Städte Elend +Und die Armut eines Dorfes, +Und zögst über Land und Felder +Zu dem stillen Tale Kosmes, + +Wo die stillen Bächlein gehen +Durch den Schatten, durch die Sonne, +Durch die Büsche, durch die Felsen, +Bis zum Garten voller Rosen, + +Und du bautest dir dein Nestchen, +Wo die klare Jungfrau wohnet, +Und sie ging dir aus dem Wege, +Wenn du ruhig brüten wolltest, + +Und du sängst ihr an dem Fenster +In des Lorbeerbaumes Krone; +Futter würde hin sie legen +Alle Abend, alle Morgen, + +Und dir schiens ein selig Leben, +Ging zu beten früh die Fromme, +Flögst du mit ihr zur Kapelle, +Die am Felsen höher oben; + +Und wenn sie aus vollem Herzen +Unter Tränen spräch die Worte: +Herr, ach schau zu meinem Herzen, +Es ist ganz von Schmerz umdornet! + +Herr, um deines Sohnes Schmerzen +Richte auf den Vater Kosme, +Laß ihn nicht verzweifelnd sterben, +Öffne ihm die Gnadenspforte: + +Dann wär deine Lust zu Ende, +Deine Seligkeit zerronnen, +Denn nicht ferne von den Menschen +Überall das Elend wohnet. + +Und es ist kein öder Felsen +Und kein Bächlein oder Bronnen, +Keine waldumschlossne Stelle +Unterm Monde und der Sonne, + +Wo ein Mensch das Licht gesehen, +Wo nicht wär gesündigt worden, +Wo nicht wären bittre Tränen +Vor dem Herrn vergossen worden. + +Und du würdest Abschied nehmen +Vor der nächsten Morgensonne, +Sängst noch einmal ihr am Fenster, +Flögst dann weiter unbesorget. -- + +Wärst du einer von den Sternen, +Die am hohen Himmelsbogen +Ewig auf und unter gehen, +Wie der Herr es hat geboten, + +Und du wolltest dich bedenken, +Wo du deine Strahlen solltest +Rein und freudig niedersenken, +Daß sie widerspiegeln sollten + +In dem Spiegel weiter Meere; +Sähest du das Schiff hinwogen, +Das die Sünde aus der Fremde +Bringet zu entfernten Zonen; + +Auf der stadtbesäten Erde +Sähest du die Menschen morden; +In den Tälern, auf den Bergen +Sähest du die Sünde wohnen; + +In des Klosters enger Zelle, +In dem gleichen Tun des Dorfes, +In des Marktes regem Leben, +Im erstarrten Tun des Schlosses: + +Wo du deine Strahlen senkest, +Findest du ein Herz gebrochen, +Findest du ein Werk des Bösen, +Findest du ein Kind des Todes. + +Und, wer seine Blicke lenkte +Zu dir flehend hin nach oben, +Wäre trunken ganz von Tränen, +Wäre dürstend nach dem Troste. + +Doch du würdest dich nicht wenden, +Strahltest ruhig Gott zum Lobe, +Wollte untergehn die Erde, +Wollten auferstehn die Toten. + +Was hier klaget, muß vergehen, +Schmerz und Sünde sind des Todes, +Und die Leiden tun nur wehe, +Weil sie sterblich sind geboren. + +Aber was da ewig stehet +Sündenlos im Schaffen Gottes, +Kann sich nur in ihm bewegen, +Ist ein Freud- und Leidenloses. + +Sieh, der göttliche Geselle, +Phosphoros, der Held des Morgens, +Funkelt von des Himmels Schwelle +Ruhig in den Garten Kosmes. + +Und im Morgenwind beweget +Träumen still des Gartens Rosen; +Doch die Hütte ist voll Elend, +Und sie ist ein Haus der Sorgen. + +Rosablanka sitzt in Tränen +An dem Bett des kranken Kosme, +Den ein leiser Schlummer decket, +Nur vom Seufzern unterbrochen. # von? + +Und sein müdes Haupt erhebet +Nun der Alte zu der Tochter, +Spricht: "Mein Kind, jetzt mußt du gehen +Zu der Messe in das Kloster!" -- + +"Vater, lasset hier mich beten +Zum allgegenwärtgen Gotte, +Daß ich eurer Krankheit pflege; # eure? +Fern bin ich um euch in Sorgen!" -- + +"Armes Kind, ich kann genesen +Nur in einem selgen Tode, +Nur vom Schmerz kann mich erlösen +Blut des eingebornen Sohnes!" -- + +"Vater, schrecklich ist gewesen +Euer finstrer Arzt Apone, +Und ich muß noch Kräuter lesen, +Die er alle hat verordnet!" -- + +"Kind, hast alle du gehöret, +Die er zu mir sprach, die Worte? +Sie zerschnitten mir die Seele +Wie viel hundert giftge Dolche!" -- + +"Das, was ich davon gehöret, +Ich doch nicht verstehen konnte: +`Kosme, was dein Herz verzehret', +Sprach er, `ist die Härte Gottes! + +Kräftig hast du einst dem Leben, +Was des Todes ist, geopfert, +Und nun opferst du das Leben, +Das dir übrig bleibt, dem Tode! + +Du treibst hier ein töricht Wesen, +Machst zur Närrin deine Tochter, +Und die Löcher deiner Seele +Willst du mit der ihren stopfen! + +Höre auf, sie zu bestehlen, +Tritt ihr nicht in ihre Sonne, +Laß sie lesen die Poeten, +Gehe in der Stadt zu wohnen! + +Du magst ewig dich bekehren, +Was verloren, ist verloren; +Besser solltest du noch scheren, +Die dir übrig bleibt, die Wolle!' -- + +Dann hat er mich angesehen, +Wie der grimmige Herodes, +Als die Kindlein er zu töten +Seinen Knechten hat befohlen. + +Und ich war recht in dem Herzen +Von dem giftgen Blick durchbohret, +Bin, Marien anzuflehen, +Zur Kapelle dann geflohen. + +Und am Wege sah ich stehen, +Den am Morgen bei den Rosen +Ich ein Grab hatt graben sehen, +Da die Schlang emporgeschossen. + +Aber er hat nicht geredet, +Winkte mit dem Finger drohend, +Griff mir nach der Hand behende, +Nach Biondettens Ringlein golden. + +Doch ich wollt es ihm nicht geben; +Da versank er in den Boden, +Und ich eilte zur Kapelle, +Sank ohnmächtig an den Boden. + +Und ich sah auch einen Engel +Jubelschreiend in den Wolken, +Er schwang sich wie eine Lerche +Jubilierend hin gen Morgen. + +Vater, was ich da gesehen +Klar, wie bei dem Licht der Sonne, +Hat mir ganz verwirrt die Seele; +Jetzt kann ichs nicht wiederholen. + +Als ich zu dir kam, da brennte +Über mir der Himmelsbogen, +Es ist Feuer wohl gewesen +In der Gegend, in Bologne. + +Vor Marien bin in Tränen +Betend ganz und gar zerflossen, +Gnädig ist sie mir gewesen, +Und ich bin gestärket worden." + +Kosme sprach: "Des Arztes Wesen +Ist stets schecklicher geworden: +In der Seele mir zu lesen, +Hat er mir das Herz zerbrochen. + +Ach, er kennt mein ganzes Leben, +Und mit jedem harten Worte +Hat er, ihn auf mich zu werfen, +Von mir einen Berg gehoben. + +Und so lieg ich ganz zerschmettert, +Als sei ich gesteinigt worden; +Er hat mich mit einer Kette, +Die ich schmiedete, umzogen. + +Aus dem Leibe nah dem Herzen +Meine Eingeweide zog er, +Hat, mein Übel draus zu lesen, +Frech sie in die Luft geworfen. + +Und ich sah es ohne Schmerzen. +Seit sie wieder eingeschlossen, +Wars, als seien tausend Zentner +In der Seele Haus gezogen. + +Boshaft sprach er: `Du genesest, +Wenn auf Erden die drei Rosen +In der Hand der Venus sterben, +Die jetzt stehn im Garten Gottes. + +Wenn dein Kind ins Kloster gehet +Und bekränzt mit Liebesrosen +Als Modell dem Maler stehet, +Ist dir, ihr und mir geholfen.' -- + +Und nun rief ich: `Wehe, wehe! +Wehe über diese Worte!' +Und als ich ihn angesehen, +Ist er deutlich mir geworden. + +`Jener Bube bist du, Frecher, +Der die Farben mir im Kloster +Rieb, als ich in Gottes Tempel +Bin ein böser Sünder worden. + +In dem Namen Jesus hebe +Dich von mir!' -- Da floh Apone. +Ach, er ist es nicht gewesen, +War der Widersacher Gottes!" -- + +"Vater, nicht so traurig redet! +Ja, es war der Arzt Apone, +Den ich gestern noch gesehen +Zu Bologna bei dem Bronnen. + +O, beschwert nicht eure Seele, +Die in Träumen ist verworren; +Wendet ruhig im Gebete +Euch zum allbarmherzgen Gotte!" -- + +"Gutes Kind, lies mir den Zettel, +Der vom Arzt geschrieben worden, +Daß ich dir die Orte nenne, +Wo die Kräuter sind zu holen. + +Denn der Arzt sprach: `In der Nähe, +Ja, in deines Gartens Boden, +Werden diese Kräuter stehen, +Deren Trank ich dir verordne'." + +Rosablanka liest den Zettel: +"Aus Sankt Clarens Garten Rosen +Um die Mitternacht zu brechen +Und mit Keuschlamm einzukochen. + +Unser Liebfrau Bettstroh nehme, +Mische es mit Venusrosen, +Zu Marienschühlein menge +Teufelsklau und Hahnensporen. + +Und Mariensiegel breche +In dem Schein des vollen Mondes, +Mit Marienmantel leg es +In den dir bekannten Bronnen. + +Liebfraumilch und Liebfrautränen +Mit unschuldger Kindlein Rosen, +Findelkraut und Venusnelken +Destilliere durch neun Monde. + +Alle Stunden einzunehmen +Und so lang zu wiederholen, +Und dem Arzte schnell zu melden, +Wenns nicht helfen will. Apone!" + +Als sie dies Rezept gelesen, +Sprach der Kranke: "Meine Tochter, +Jetzo eile nach der Messe, +Kehre wieder mit Benone! + +Also heißt, der sie wird lesen; +Er ist recht ein Heilger Gottes; +Beichte will ich ihm ablegen, +Meiner armen Seel zum Troste!" -- + +"Soll ich nicht zum Wald erst gehen, +Vater, und die Kräuter holen, +Weil ich sie wohl alle kenne, +Außer Teufelsfuß und Krone?" + +"Nein, ich muß sie selber brechen +Unter Tränen, fromme Tochter; +Wo ich gehe, liege, stehe, +Blühen sie ja allerorten! + +Gehe nun, mein Kind, und flehe +Für mich um die Gnade Gottes! +Mein Bekenntnis abzulegen, +Will indes mein Herz ich ordnen. + +Nimm die Fackel, die ich gestern +Einer Schlange gleich geformet, +Am Altare laß sie brennen, +Bei der Mutter Totenopfer!" + +Und sie nimmt die Fackel betend; +Ihre Tränen niederflossen +Auf den Alten, der sie segnet, +Und sie wandelt aus der Pforte. + +Wie sie durch den Garten gehet, +Weinen morgenlich die Rosen, +Und in tiefen Träumen wehen +Über ihr des Waldes Kronen. + +Und es wirft schon durch die Stämme +Ihre Strahlen hin Aurore. +Aber sieh! zur Link und Rechten +Glüht am Himmel heut der Morgen. + +Doch jetzt sieht bei der Kapelle +Sie ins Tal herab von oben; +Weh! die Röte ihr zur Rechten +Ist des Pietro Hütte lodernd. + +Nieder durch die Felsenwegen +Eilt sie, achtend nicht der Dornen. +Da sie zu dem Garten gehet, +Fühlt ihr Fuß den glühen Boden. + +Und der Hütte Asche hebet +Wild emport der Sturm des Morgens, +Der sich sonst zu wiegen pflegte +In dem Busen tausend Rosen. + +Als sie durch den Garten gehet, +Lief um sie die wilde Lohe, +Schlangen, Drachen, sengend, brennend +Blum und Baum und Laubenbogen. + +"Pietro, Pietro!" ruft sie bebend, +"Ob er in der Glut gestorben?" +Sieh, bei jener weißen Rose +Steht er, die sie ihm geschenket. + +Alle Bäume rings gefället +Hat er zu dem Schutz der Rose, +Und ihr immer Wasser gebend +Geht und kehrt er zu dem Bronnen. + +Als die Jungfrau er gesehen, +Spricht er: "Du hast lang verzogen, +Dich zum Opfer einzustellen, +Das zu deiner Ehre lodert! + +Alles, was du hast verschmähet, +Hat die Flamme angenommen, +Und sie will mich drum vermählen +Mit der Asche, ihrer Tochter. + +Sieh, schon kommen Hochzeitsgäste, +Die Gesellen ohne Sorgen, +Morgenwinde, lustig heben +Sie der grauen Braut die Locken! + +Ach, ich lieb sie ohne Ende! +Göttlich ist sie, hochgeboren, +Denn der herrlichste der Helden +Stahl das Feuer von der Sonne. + +Meine Braut ist deine Schwester, +Du auch bist des Helden Tochter, +Dem der Geier nagt am Herzen, +Weil das Feuer er gestohlen. + +Von den Göttern hoch gesegnet +War die Mutter dir Pandore, +Alle Freuden, alle Wehen +Sind aus ihr nächst dir geboren. + +So ist aller Lust des Lebens +Buße zugeordnet worden; +Meine Braut, die Asche, schwebet, +Spielt die Flamme mit den Rosen. + +Ach, ich liebe sie ohn Ende, +Denn ich bin aus ihr geboren, +Und will wieder Asche werden, +Weil ich dich nicht hab erworben. + +Wahrlich, sie ist deine Schwester, +Denn die schöne, weiße Rose +Hat sie brennend nicht verzehret, +Weil sie hat für mich geworben. + +Sei willkomm beim Hochzeitsfeste! +Sieh die rosige Aurore +Ihre gelben Locken mengen +Mit der Asche meiner Rosen! + +Hoch ist dies Fest geehret: +Gestern hab ich dich verloren, +Heute Nacht starb Rosarose, +Meine Rosen diesen Morgen!" + +Und nun weint er bittre Tränen +Seinen sinnverwirrten Worten. +Rosablanka tief beweget +Spricht: "O Pietro, denke Gottes! + +Pietro, du stehst ganz in Frevel, +Seine Hand von dir gezogen +Hat der Herr! O Pietro, bete, +Daß er dein nicht denk im Zorne! + +Nie bin ich dir lieb gewesen, +Du hast gestern mich betrogen, +Denn ich sehe deine Seele +Tief in irdscher Not verworren. + +Laß dem Feuer seine Rechte, +Das du gen dich aufgefordert; +Deine Seele zu erretten, +Folge mir zur Kirche Gottes! + +Und erzähl mir auf dem Wege, +Was dir so den Sinn verworren! +Ich will liebreich mit dir reden, +Folge mir von diesem Orte!" + +Pietro spricht: "O Gottes Engel, +Wie du mild bist in dem Zorne!" +Eine Handvoll Asche nehmend +Beugt er sich dann zu dem Boden. + +Und sie unter Tränen mengend +In die taubereiften Locken, +Spricht er, nochmals um sich sehend, +Schmerzdurchdrungen diese Worte: + +"O, du liebes, armes Leben! +Bunter Thron des ewgen Todes! +Blutig Schlachtfeld des Verderbens! +O ihr aschevollen Rosen! + +Meiner Hütte klare Fenster, +Von Jasmin so still umzogen, +Und du schattig Dach der Reben +Über meiner kleinen Pforte! + +Weh, es grinset wie Gespenster +An im glühen Blick der Kohlen, +Und der Rasen, den ich pflegte, +Knirschet unter meinen Sohlen. + +O ihr tausend frommen Engel, +In den Lilien, in den Rosen, +Morgens mit dem Gärtner betend, +Sterne, Sonnen, Kelche, Kronen, + +Zeihet mich mit dürrem Stengel, +Daß ich alle euch gemordet, +Daß ich, folgend dem Verderber, +Hab gestört den Tempel Gottes! + +Fromme Priester fleißger Zellen, +Goldne Bienen, euer Kloster, +Eures Gottesdiensts Kapellen, +Eurer Andacht Stationen, + +Alle liegen sie versenget, +Und die Glut des bösen Opfers +Und der Rauch des Feuerfrevels +War für euch des Todes Odem. + +Kühler Labung Marmorbecken, +Glatter Rand des treuen Bronnens, +Du bist in dem durstgen Lecken +Dieser wilden Brunst zerborsten. + +Stiller Mahner des Gescäftes, +Stundenzeiger, Freund der Sonne, +Du bist, Feuerschatten werfend, +In der bösen Glut zerschmolzen. + +Hütte, Garten, Blumen, Reben, +Fromme Bienen, süße Rosen, +O, du unschuldvolles Leben, +Ich hab dich von mir gestoßen! + +Einsam nur im Garten stehet +Dort die hohe, weiße Rose; +Paradies mußt untergehen, +Ewig steht der Baum des Todes!" + +Und nun mit der Jungfrau gehet +Zu der Stadt der Trauervolle, +Und sie wechseln stille Reden, +Niedersehend an den Boden. + +"Wann ist, Pietro, Rosarose, +Deine Schwester, dir gestorben?" -- +"Des Theaters Glut entgehend +Fiel sie in den Arm Meliores. + +Niedersprang sie von dem Fenster, +Und der Sturz führt sie zum Tode. +Jetzt zu ihrem Leichenfeste +Gehe ich zu Jacopone." -- + +"So war dies die Glut, die gestern +Ich sah an dem Himmel lodern! +Ach, die herrliche Biondette, +Ward sie heil dem Brand entzogen?" -- + +"An der Schwester Sterbebette +War sie noch mit Jacopone!" -- +"Ist dein Bruder unverletzet, +Der getreue Meliore?" -- + +"Ich hab ihn nicht mehr gesehen, +Ich hab ihn nicht sehen wollen, +Und ich will ihn nicht mehr sehen, +Er hat mein Geschick verdorben! + +Er, der Buhler von Biondetten, +Er hat mir dein Herz entzogen, +Und durch ihn starb Rosarose, +Sank mein Haus und meine Rosen! + +Ich bin nicht zur Stadt gewesen; +Als die wilde Glut da tobte, +Saß ich still in meiner Zelle, +In verschmähter Lieb verloren. + +Und zu deinem Vater gehend, +Führt Meliore den Apone, +Und der falsche Bruder kehrte +Zu der Stadt von meiner Pforte. + +Und der weise Arzt erzählte, +Kräuter in dem Garten holend, +Mir den Tod der Rosarose +Und die Buhlerei Meliores. + +Und er warf mir in die Seele +Einen Brand, der ewig lodert, +Der den Garten mir verzehrte, +Der mich selbst noch treibt zum Tode!" + +Rosablanka rief nun: "Wehe, +Wehe dir, du Höllenbote! +Apo ist es nicht gewesen, +Wahrhaft sprach der Vater Kosme. + +Deinen Schritt zurück noch wende, +Du erweckende Aurore, +Lasse, was der Böse säte, +Nicht erblühn in deiner Sonne! + +Schauertrunkne Nacht, o kehre! +Decke, die du tot geboren, +All die Lügen und Gespenster +Unterm Dunkel deines Zornes!" + +Also spricht sie. Doch es stehen +Glühnd des Morgens goldne Kronen, +Zeugen ihres Angstgebetes, +Auf Bolognas hohen Domen. + +Und da sie beisammen stehen +Bei der Linde, bei dem Bronnen, +Sich schon Tagesstrahlen senken +In den Schein der Mutter Gottes. + +"Pietro," spricht sie, "Gottes Segen +Leuchte dir in deinem Zorne!" +Scheidend sah er da die Tränen, +Die ihr aus den Augen quollen. + +Und sie sah verwirrt umwehen +Finstre Stirn die dunkeln Locken; +Denn schon auf die Gipfel leget +Niederschauend sich die Sonne. + +Die da ewig sinkt und kehret +Sündenlos im Schaffen Gottes, +Kann sich nur in ihm bewegen, +Ist ein Freud- und Leidenloses. + +** Romanze XVII: Totenmesse -- Meliore und Rosablanka beichten + +Stille herrscht in den Straßen, +Und es rauscht ein Morgenwehn +Durch der Gärten Lustterassen, +Wo die Blumen träumend stehn. + +Eine Perle, eine Träne +Legt es jeder in das Herz, +Und sie wenden also schöne +Ihre Kelche sonnenwärts. + +Und es wehen ihre Düfte +Durch die schlummerstille Stadt, +Durch die kühlen, regen Lüfte +Weht ein einsam Blütenblatt. + +Und ein Vöglein aus der Linde +Flieget und das Blättlein fing, +Glaubt es spielend in dem Winde +Einen bunten Schmetterling. + +Läßt betrogen dann es fallen +In des Springbrunns Marmorrand, +Und er spielt mit süßem Lallen +Mit dem süßen Frühlingstand. + +Und der Vogel ohne Sorgen +Stürzet aus dem Bann der Nacht, +In den goldnen, lieben Morgen, +Der auf Turmesspitzen lacht. + +Sonn und Vogel golden lachet +Auf dem Kreuz, das himmlisch thront, +Und es sinket überwachet +In das Licht der blasse Mond. + +Durch den grauen Morgen dringet +Der prophetsche Hahnenschrei, +Und die Schwalbe dichtend singet +Ihres Traumes Phantasei. + +Sieh, in einem frommen Blitze +Fängt das Kreuz den Sonnenschein, +Senkt ihn von des Turmes Spitze +In die stillen Straßen ein. + +Und der Bettler, der geschlafen +Vor des Palasts Säulenkranz, +Hebt sich, da ihn Strahlen trafen, +Still und dreht den Rosenkranz. + +Und es gehet Rosablanke +Durch das römsche Tor herein, +Eine Kerze trägt die Schlanke +Und ein Kännlein Opferwein. + +Als sie an des Altars Stufen +Vor Biondettens Wohnung steht, +Will die Tänzerin sie rufen, +Daß sie mit zur Kirche geht. + +Aber wie ward sie betroffen! +An dem kleinen, stillen Haus +Steht die Türe nächtlich offen: +Ging so früh die Jungfrau aus? + +Nein, dann hätte sie geschlossen +Ehrbar hinter sich das Tor. +Und nun steigt sie unverdrossen +Zu der Kammer leis empor. + +Und sie findet ganz zerrücket +Dieser Stube Ebenmaß, +An der Erde lag zerstücket +Manche Urne, manches Glas. + +Blumen, Federn bunt zerstreuet +Und Gewänder hie und da, +Das, was gestern sie erfreuet, +Heute sie mit Schrecken sah. + +Die zerrissnen Perlenschnüre +Säten eine Tränensaat +Zu des Schlafgemaches Türe, +Der sich Rosablanka naht. + +Und sie pochet: doch die Kammer +Schweiget, und sie geht hinein. +Ach! Da tritt in tiefern Jammer +Noch die bange Jungfrau ein. + +Weh, das Bettlein blutbeflecket, +Und zerstört das Saitenspiel! +Rosablanka tief erschrecket +Auf die Kniee niederfiel. + +Zu dem kleinen Nonnenbilde +Rief sie unter Tränen aus: +"O, du Antlitz, ernst und milde, +Blut und Tod befleckt dies Haus!" + +Und mit Angst und mit Entzücken +Fühlte sie, wie wundervoll +Aus des Bildes stillen Blicken +Eine helle Träne quoll. + +Und so ganz von Angst durchdrungen +Weilt sie in dem bösen Haus, +Streckt die Hände schmerzgerungen +Zu dem Morgenlichte aus. + +Wie verspätete Gespenster +Gaben hundert Kerzen Schein, +Tiefgebrannt, und durch die Fenster +Sah erschreckt der Tag herein, + +Den die Nachtigallen grüßen +Auf des Fensters Gartenbeet, +Wo ihr Bauer unter süßen +Blumen eingezäunet steht. + +Rosablanka geht zum Bauer, +Läßt die Sängerinnen frei: +"Flieht und sucht, wo eurer Trauer, +Meiner Trauer Heldin sei! + +Schwinget euch zu ihrer Leiche, +Rufet ihren Mörder aus, +Daß die Rache den erreiche, +Der befleckt dies heilge Haus!" + +Und die kleinen Vögel lenken +Zu dem Lichte erst den Flug, +Werden aber bald sich schwenken +Nach des Herzens innrem Zug, + +Wie das Schiff vom Lande rauschet +Freudig erst ins Element +Und die freie Lust dann tauschet +Mit des Schiffers Ziel und End. + +Doch nun kömmt der kleine Knabe, +Dem sie gestern am Altar +Teilte ihre Honigwabe, +Sprach mit seiner Stimme klar: + +"Rosablanka, nicht vergesse +Über dieses Hauses Schmerz +Deiner Mutter Totenmesse, +Trage ins Gebet dein Herz! + +Größre Trauer zu bestehen +Stehet deiner Seele vor, +Durch die Dornen mußt du gehen +Zu des Himmels Rosenflor! + +Es verließ die kleine Zelle +Schon der treue Gottesmann, +Kerzenhell ist die Kapelle +Und der Glockenruf getan. + +Zünde deine Schlangenfackel +An der ewgen Lampe Licht, +Sie sei vor dem Tabernakel +Des Erlösers aufgericht!" + +Rosablanka spricht: "O sage +Mir, du blondes Wunderkind, +Ob ich die, um die ich klage, +Je im Leben wiederfind?" + +Und er sprach: "Die Seele stehet +Wieder licht in Gottes Hand, +Nur der Leib, der irdisch gehet, +Ist dem Dunkel zugewandt!" + +Und nun wendet er sich stille, +Und die Jungfrau folget nach. +"Es geschehe Gottes Wille!" +Sie ergeben vor sich sprach. + +Und er führt sie zu Sankt Claren +Durch den Klostergarten ein, +Wo sich tausend Blumen paaren +In des neuen Tages Schein. + +Vor des Kirchleins Marmorschwelle +Sproßt der schönste Rosenstrauch +Und erfüllet die Kapelle +Mit der süßen Düfte Hauch. + +Wunderbar ist er gewunden +Und geranket tausendfach, +Einer Schlange gleicht er unten +Und umzieht das ganze Dach. + +Wo er aus der Erde dringet, +Ist er dürr und ungestalt, +Wo er höher an sich schwinget, +Grünt und sproßt er mit Gewalt. + +Links wohl alle Rosen trauern, +Rechts sie freundlich lachend glühn, +Und es stehn des Kirchleins Mauern +Wie in Mond- und Sonnenschein. + +Doch drei Sprossen sendet oben +Frisch der recht und linke Zweig; +Alle sechse dicht verwoben +Blühen freudig alle gleich. + +Durch das Kuppelfenster schauen +Still sechs Rosen zum Altar, +Ihre Tränen nieder tauen +Auf Mariens Schleier klar. + +Aber von den sechsen schimmert +Eine rot und eine weiß, +Und die dritte golden flimmert +Aus dem wunderbaren Gleiß. + +|Rosa mystica Maria| +Heißt der heilge Rosenbund; +|Virgo dulcis, clemens, pia| +Grüßet sie des Volkes Mund. + +Als die Jungfrau fromm sich neiget +Und zum Weihbrunn führt die Hand, +Wunderbar ein Anblick steiget +Auf an seinem Marmorrand. + +Vor ihr steht zwei geistge Nonnen, +Blicken zu ihr ernst und mild, +Reichen ihr den heilgen Bronnen; +Eine glich wohl jenem Bild. + +Jene, die da stand zur Linken, +Wo die Rosen traurig sind, +Ließ voll Schmerz die Augen sinken, +Wie die Mutter auf das Kind. + +Als die Magd von ihren Händen +Das geweihte Naß empfing, +Suchte sie ihr zu entwenden +Von der Hand Biondettens Ring. + +Als die Jungfrau dies empfindet, +Schloß sie schreckhaft ihre Hand +Und das Nonnenpaar verschwindet +Seufzend an des Brunnens Rand. + +Aber in der Seele stehet +Ewig nun dies Antlitz fest, +Wo sie ruhet, wo sie gehet, +Dieses Bild sie nie verläßt. + +Doch nun steckt sie Kosmes Kerze +An der ewgen Lampe Glut, +Will sie dann mit frommen Schmerze +Pflanzen, wo die Mutter ruht. + +Doch sie findet aufgedecket +Der geliebten Toten Gruft, +Und: "O Jungfrau, nicht erschrecke!" +Eine Stimme zu ihr ruft. + +Und es tritt der blonde Knabe, +Der sie bis hierher geführt, +Lächelnd aus dem offnen Grabe +Zu ihr, die sein Anblick rührt. + +Denn es war, als stieg das Leben +Aus dem schweren, tiefen Tod; +Also wird ein Engel schweben +In dem letzten Abendrot. + +Und er wird der Sonne winken +Die dann sinket nimmermehr, +Und die Erde wird ertrinken +In des ewgen Lichtes Meer. + +Alle Schatten werden leuchten, +Alles Dunkel wird erglühn, +Und die Welten werden beichten +Vor dem Lichte auf den Knien. + +Und der Knabe sprach: "Geschauet +Hab ich Rosarosens Gruft, +Wo sie heut wird Gott vertrauet, +Bis der Herr uns alle ruft. + +Rosatristis, die begraben +Hier mit Rosaläta steht, +Sie wird heut Gesellschaft haben, +Blumen, die sie ausgesät. + +Schön ist diese Gruft geweitet, +Für sechs Särge ist noch Raum, +Daß die Wurzel sicher breitet, +Wie den Zweig, der Rosenbaum. + +Vor der offnen Gruft nicht bange, +Stell vor deines Stammes Haus +Hell die Fackel; eine Schlange, +Spricht sie wohl die Sünde aus. + +Bete! Ich muß von dir scheiden, +Denn ich führ das Kinderchor, +Um die Leiche zu begleiten, +Hier zu ihres Tempels Tor!" + +Nun verließ er die Kapelle. +Zum Altar Benone zieht, +Ihm zu dienen auf der Schwelle +Meliore betend kniet. + +Als die Jungfrau ihn erblicket, +Von der Wunde siech und bleich, +Fühlet sie das Herz erquicket +Und zerdrücket allzugleich. + +Denn er gleicht in allen Mienen +Jenem, dem sie Rosen gab, +Als die Schlange ist erschienen +In dem Garten bei dem Grab. + +Mit dem bei des Altars Schwelle +Morgens sie die Kränze wand, +Der den Ring bei der Kapelle +Reißen wollte von der Hand, + +Den sie eng mit sich verbunden +Dann in heimlichem Gesicht, +Das sie tief verschweigt, gefunden; +Beten, ach! vermag sie nicht. + +Neben ihr das Licht als Schlange +Und die offne Totengruft, +Und der Mann, macht ihr so bange, +Und der tausend Rosen Duft. + +Was sie nimmer hat gefühlet, +Woget durch die keusche Brust, +In dem Herzen brennt und kühlet +Ihr ein Leid und eine Lust. + +Immer muß sie nach ihm sehen, +Ob er nicht sein Antlitz kehrt, +Und vor Scham möcht sie vergehen, +Wenn er ihren Wunsch gewährt. + +Und in züchtig bangen Schmerzen +Werden tausend Wünsche frei; +Ach, sie wünscht, verwirrt im Herzen, +Daß er eine Jungfrau sei. + +Und sie möchte mit ihm gehen +In vertrauter Liebeswahl, +Möchte mit ihm niedersehen +Von dem Berge in das Tal. + +Würde er wohl träumend schweigen, +Wenn ein Abendvogel singt? +Würde er die Hand mir reichen, +Wenn die Sonne untersinkt? + +Ach, ich würde ihn verstehen, +Wüßte stets, was er gedacht, +Würde seine Blicke sehen, +Deckt ihn gleich die stumme Nacht. + +Und wenn ewig untersänke +Mir das süße Tageslicht, +Er, den ich so herzlich denke, +Er versänke mir doch nicht. + +Ja, er müßte mich erhalten +Mit der treuen, starken Hand, +Wollte sich die Erde spalten, +An des Abgrunds steiler Wand. + +Halte, halte, ach ich gleite! +Doch der starre Felsenschlund +Blühet mir an deiner Seite +Wie ein duftger Wiesengrund. + +Mondvoll sind die Finsternisse, +Eine Rose ist mein Mund, +Deine Worte werden Küsse +In dem zauberischen Bund! + +Also trieb vor ihrer Sonne +Sich der Träume Wolkenflug, +Und in wunderbarer Wonne +Ihre Seele Wogen schlug. + +Aber von der Schlangenkerze +Traf ein Funken ihre Hand, +In des Brandes scharfem Schmerze +Sie die Sinne wiederfand. + +Bei der Gruft erschien die Kerze, +Gleich der Schlange jener Gruft, +Die heut früh zu ihrem Herzen +Zückte aus dem Rosenduft. + +Und Meliore glich dem Manne, +Der so ernstlich warnt und sprach, +Doch mit seines Blickes Banne +Jetzt ihr krankes Herz zerbrach. + +Sieh, da küßt die volle Sonne +Jetzt Mariens Altarbild, +Und es deckt mit Glanzeswonne +Nochmals sie der Jungfrau Schild. + +Und mit kindlicher Gebärde +Senkt die Magd ihr Lockenhaupt, +Spricht: "Die Schlange tritt zur Erde, +Die dir deine Rosen raubt!" + +Und in Tränen ganz zerschwimmend, +Fühlet sie die Gnade mild, +Dennoch in den Tränen glimmend +Sieht sie nur des Jünglings Bild. + +Und ihr Herz, sie anzuklagen, +Ewig: "|mea culpa!|" spricht, +Und sie braucht nicht dran zu schlagen, +Weil es schon in Ängsten bricht. + +Wie sie auch die Blicke wendet, +Ihn, und immer ihn, sie sieht, +Gleicht dem Auge, das geblendet +Nie dem Sonnenfleck entflieht. + +Von des Meßrocks schwarzem Grunde, +Zu des Kelches blankem Gold, +Zu der Kuppel Rosenrunde, +Sie die süßen Augen rollt. + +Doch es war ein liebend Schweifen, +Denn sie suchte, was sie floh, +Floh ihn, um ihn zu ergreifen, +Und ward ihrer Sorge froh. + +War sie endlich ihm entronnen, +In der Rosen Labyrinth, +Das der Kuppel Fenstersonnen +Wie mit einem Netz umspinnt, + +Wo die süß gefangnen Strahlen +Offner Rosen Busen wiegt +Und das Licht, des Duftes Schalen, +Wie ein Schmetterling umfliegt, + +Ist die Seele eingeträumet +In des blauen Himmels Aug, +Daß sie selig überschäumet +In des Wohlgeruches Hauch: + +Sieh, das rasselt mit der Schelle +Meliore am Altar, +Und sie findet auf der Schwelle, +Dem sie kaum entronnen war. + +Also geht des Opfers Feier +Ihr vorüber ohn Gebet, +Und auf ihrem Mund der Schleier +Von den heißen Seufzern weht. + +Doch als sich Benone kehret: +"|Ite missa est!|" nun spricht, +Was so ängstlich sie beschweret, +Plötzlich mit ihr niederbricht. + +Wie vom Taue überfüllet +Eine Blume niedersinkt +Und ihr Haupt in Staub verhüllet, +Der nun ihre Tränen trinkt, + +Also neigt in tiefer Demut +Sie die Stirne voller Schmerz, +Und der Tränenkelch der Wehmut +Sinkt in ihr verwirrtes Herz. + +Lämmlein, fromm an sonngen Hügeln, +Stürzt nicht an dem Wasserfall; +Vöglein, unter Mutterflügeln, +Schreckt nicht vor des Sturzes Schall! + +Wo auf süß beraster Stelle +Sonst die keusche Hirtin sang, +Da erwühlt sich eine Quelle, +Stürzet von dem Felsenhang. + +Und die Lämmer, bunt geflecket, +Stürzet nach dem Abgrund hin, +Aus dem Schlummer aufgeschrecket, +Hält sie nicht die Schäferin. + +Hirtin, Hirtin, nach den Höhen +Lenke rettend deine Flucht, +Um der Welle zu entgehen, +Die ja selbst die Tiefe sucht! + +Doch sie stehet schon geschürzet +In der heilgen Grotte Raum, +Und die Welle nach ihr stürzet, +Folgend ihres Mantels Saum. + +Aber als sie niederknieet +Vor dem kleinen Felsaltar, +In der Höhle Dunkel siehet +Sie gedrängt der Lämmer Schar. + +Und sie dankt dem Gnadenbilde +Ihrer Herde Rettung itzt, +Das auch mit dem Wunderschilde +Sie in banger Flucht geschützt. + +Und sie findet auf der Schwelle +Ihren Schäferstab und Hut, +Hierher führte ihn die Welle +Von dem Ort, wo sie geruht, + +Die nun tiefer ab sich stürzet +Von der steilen Felsenwand, +Wo der Kräuter süß Gewürze +Nun von ihr erquicket stand. + +Und die Hirtin tritt ins Freie, +Von den Lämmern bang umdrängt, +Sieht, wie eine neue Weihe +Fels und Tal und Quell empfängt; + +Wie der Quell von Felsengipfeln +Stürzt und springt und widerspringt, +In der Schluchten Tannenwipfeln +Sich, ein kühner Jüngling, schwingt; + +Wie der Wald sich ihm erbieget +Und in manchen Arm ihn flicht, +Oder wie er stürmisch sieget +Und die Zweige niederbricht; + +Und wie heilge Sonnenblicke +Bauen in dem Wasserrschaum +Eine Regenbogenbrücke, +Friede sinket in den Traum. + +Und der Adler, den dem Neste +Wild entstürzt die neue Flut, +Staunend ob dem heilgen Feste +Schwebend überm Bogen ruht. + +Und es scheut ihn nicht die Taube, +Segelt aus dem Felsenspalt, +Denn ein wunderbarer Glaube +Tuet aller Welt Gewalt. + +Und die Lämmer ruhig schauen +Von der steilen Felsenbrust, +Lassen sich ds Vlies betauen +Von des Wasserfalles Lust. + +Denn es waltet ein Vertrauen, +Und der Hirtin frommes lied +Tönet durch die selgen Augen, +Bis die Sonne niederzieht. + +Solcher Schreck traf Rosablanken, +Solche Ruh hat sie erquickt, +Als aus irdischen Gedanken +Sie ein tief Gebet entrückt. + +Als sie wieder sich gefunden, +War schon einsam der Altar, +Und Meliore zeigt die Wunden +Seines Herzen beichtend dar. + +An dem Beichtstuhl kniet Meliore, +In der kleinen Sakristei, +Und bekennt des Priesters Ohre, +Welcher Sünd er schuldig sei. + +Und erzählt ihm die Geschichte +Dieser wunderbaren Nacht, +Die in einem Traumgesichte +Zu Biondetten ihn gebracht. + +Daß die Wunde er empfangen, +Zeigt und fühlte seine Brust, +Was sonst über ihn ergangen +War ihm angstverwirrte Lust. + +Und Benone hört mit Schauer +Seiner bangen Worte Hast, +Bis die Tränen seiner Trauer +Lindern seines Herzens Last. + +Als der Jüngling lang geweinet, +Da erließ er ihm die Schuld: +"Friede, Herz! Die Sonne scheinet," +Sprach er: "fühl des Himmels Huld!" + +Und zur andern Seite beuget +Rosablanka nun das Knie, +Spricht: "Das Ohr, o Vater, neiget +Einer armen Sündrin hie!" + +Sie bekennt ihm die Verirrung +Ihrer Sinne im Gebet, +Wie in seltsamer Verwirrung +Sie seit manchen Tagen geht. + +Wie sie in Biondettens Kammer +Heut Verwüstung fand und Schmerz; +Also zeiget sie voll Jammer +Ihm das eigne kranke Herz. + +Und vertraut ihm Kosmes Leiden +Und der letzten Nächte Qual, +Bittet ihn, sie zu begleiten +In das stille Tränental. + +"Deine Schuld, mein Kind, zu büßen," +Sprach Benone, "ist genug, +Folgst du fromm mit bloßen Füßen +Rosarosens Leichenug. + +Meliore wird dich leiten. +Wenn die Erde sie umschließt, +Will ich dich ins Tal begleiten, +Wo den Vater du verließst." + +Ruhig hört sie ihn und weinet, +Da erließ er ihr die Schuld: +"Friede, Herz! Die Sonne scheinet," +Sprach er, "fühl des Himmels Huld!" + +Nun verläßt sie die Kapelle. +An des Weihbrunns Marmorrand +Steht Meliore bei der Schwelle, +Reicht ihr segnend seine Hand. + +Abermals die beiden Nonnen +Sieht sie stehn mit tiefem Blick, +Und sie bebt vom Weihebronnen +In erneuter Angst zurück. + +Und sie tritt mit dem Gesellen +In den lichten Garten ein, +Und des Lebens rege Wellen +Lachen in dem Sonnenschein. + +Und sie fühlen alle beide, +Daß sie ihre Schuld bekannt, +Gehn in Freude sich zur Seite +Durch das blumenvolle Land. + +Selig, wer solch Heil gefühlet, +Wer die sündenvolle Brust +In der Beichte hat erkühlet, +In der Reue frommer Lust! + +O unendliches Erbarmen, +Ja, ich fühle dich mir nah, +Auch mich trugst du in den Armen, +Daß ich Gottes Antlitz sah! + +Zu der Beichte gehn die Sünder, +Schleppend eine tote Welt, +Aus der Buße wie die Kinder +Tummeln sich durchs Blumenfeld. + +Alles wird zum Paradiese. +Mensch und Tier versöhnet sind, +Und die Blumen senden Grüße +Von dem süßen Jesuskind. + +O, wie lacht der Garten heiter! +Funkeln nicht die Blumen schön? +Und der Himmel scheinet weiter +In der Vögel Lustgetön. + +Aber sieh! Zwei Nachtigallen +Flattern bange um sie her, +Wo sie gehen, wo sie wallen, +Und verlassen sie nicht mehr. + +Und Meliore bricht das Schweigen: +"Was bedeutet wohl, mein Knd, +Daß die Vögel nicht mehr weichen, +Die doch sonst nicht heimlich sind?" + +Rosablanke spricht: "Die beiden +Habe ich wohl gleich erkannt, +Ach, sie klagen uns ihr Leiden, +Haben sich uns zugewandt. + +Ihre Herrin ist verschwunden, +Heute früh gab ich sie frei; +Daß sie wieder sie gefunden, +Saget uns ihr Wehgeschrei." + +Daß sie von Biondetten spreche, +Wußte zwar Meliore nicht, +Doch es stürzten Tränenbäche +Von dem bleichen Angesicht. + +Und sie wagt ihm nicht zu sagen, +Wie sie jener Kammer fand, +Denn schon hatte ihn geschlagen +Allzusehr des Schicksals Hand. + +Und sie ließ die Vöglein flehen, +War sie doch wie sie gebannt, +In das Antlitz ihm zu sehen, +Das zur Erde er gewandt. + +Meliore sprach: "Ich glaube, +Diese Vögel flehn um Schutz +Vor des wilden Geiers Raube +Oder böser Buben Trutz. + +Laß uns ihren Flug begleiten!" -- +Ach, er kannte nicht ihr Leiden! +Und hinaus zum Garten schreiten +Ernst und ahnungsvoll die Beiden. + +** Romanze XVIII: Biondetta ersticht sich + +"Apo, Apo, laß mich ein!" +Rufet aus des Turmes Grunde +Samael, der Herr der Stunde, +Zwölfmal aus kristallnem Munde. + +Auf und nieder in dem Turme +Steigt Apone ohne Ruhe; +Weil der König ihn besuchet, +Muß sein Haus geordnet sein; + +Seine Kammer macht er rein. +Bibeln, Kreuze, heilger Plunder, +Aller Sprachen Vaterunser, +Lagen da seit seiner Jugend. + +Zu den Stufen all hinunter +Stürzet er die heilgen Kunden, +Daß es in dem Turme summet, +Wie zum Brunnen plumpt der Stein. + +Alles muß er tun allein, +Und er tut es unter Fluchen, +Daß der untertänge Pudel, +Der abwesend ist zur Stunde, + +Daß der Hund im Doktorhute +Seine Kranken jetzt besuchet! +Doch die Not erhält ihn munter +Und des Geistes lautes Schrein. + +Seine Kammer schmückt er fein. +Frauenwurz wohl vier Gebunde, +Totenblume, Hundeszunge +Legt er zierlich in die Runde. + +Männlein klein von Alraunwurzel, +Ausgerupft im Galgengrunde +Von dem schwer verfluchten Hunde, +Setzt als Wächter er dabei. + +Und ein Basiliskenei, +Kinderfinger, einzutunken, +All dem König zum Genusse, +Muß bei diesem Mahle prunken. + +Seinen Dolch befleckt mit Blute +Stößt er in die mitte Stube; +An dem Hefte der Karfunkel +Soll des Mahles Fackel sein. + +"Apo, Apo, laß mich ein!" +Rufet aus des Turmes Grunde +Samael, der Herr der Stunde, +Zwölfmal aus metallnem Munde. + +Apo blickt noch zu dem Buche, +Das ihm Moles aufgefunden: +"Wo verberg ich es jetzunder +Vor dem scharfen, hellen Geist?" + +Von dem Pulte er es reißt, +Und an einen Stab gebunden, +Steckt er es hinaus zum Turme +Durch der Kuppel offne Luke, + +Daß die Blätter, in dem Sturme +Hin und her geweht, die Wunder +Ihres Inhalts lauf ausrufen, +In dem klaren Sternenschein. + +Das könnt ihm verderblich sein; +Doch sie drehen sich so munter, +Eines geht im andern unter, +Und so ists, als wenn es ruhte. + +Und der Geist, emporgerufen, +Schwebet leuchtend auf den Stufen, +Und des Turmes Wände funkeln, +Wo sein Silberfittig streift. + +Schimmernd durch die Kammer schweift +Dann der Geist und spricht: "Gelungen +Ists dir, Apo, aufzuputzen +Deine Stube zum Besuche!" + +An dem golden Weberstuhle +Sitzet Apo, und die Spule +Treibt er hin durch hell und dunkel, +Webt des Geistes Flügel ein. + +"Samael, ich webe fein." +Spricht er, "nun erst ists gelungen, +Da ich, Schelm, dich fest gebunden, +Nun entflieht mir nicht die Stunde!" -- + +Listig hast du mich bezwungen," +Spricht der Geist und nimmt die Spule, +"Web ich alles dir zum Wunsche, +Läßt du mich dann wieder frei?" -- + +"Webe bis zum Hahnenschrei! +Ist dir dann das Werk gelungen, +Ist Biondetten mir errungen, +Dann sei Freiheit dir bedungen!" -- + +"Apo, zähme deine Zunge," +Spricht der Geist, "du mußt verstummen! +Auf die Spule sieh, und tue, +Was dir mein Gewebe zeigt!" + +Apo blicket scharf und schweigt. +Vor ihm fliegt auf dunklem Grunde +Flammend hin und her die Spule, +Seine Sinne gehen unter. + +Dunkler bald, bald wieder bunter +Woget er in Traumes Wunder, +Bild und Weber ist verschwunden, +Und er glaubet sich allein. + +Sieh! Da springt mit blutgem Schein +Feuerschrift aus dunklem Grunde, +Und die Lettern laufen munter +Wie die Funken an dem Zunder. + +Und Apone liest verwundert: +"Fest ist dieser Jungfrau Tugend! +An die Sünde angebunden +Sie wird uns verderblich sein. + +Du bist blutig, sie ist rein! +Nur in Blutschuld geht sie unter, +Wenn ein Mann aus ihrem Blute, +Den sie liebt, im Arm ihr ruhte!" + +Also las er, und ins Dunkel +Ist die Schrift dann eingesunken. +Schnell greift Apo nun zum Kruge, +Voll von giftgem Zauberwein. + +Gießt ein Philtrum noch hinein, +Reißt den Dolch dann aus dem Grunde, +Der im Zauberrunde funklet, +In das Gift ihn tief eintunkend. + +Und erinnernd sich des Spruches, +Den er las am Weberstuhle, +Spricht er: "Was auch webt die Spule, +Dennoch lock ich sie herein! + +Hat den Jüngling sie allein +An der Türe ruhnd gefunden, +Den ich eile zu verwunden, +Trägt sie ihn gewiß zur Stube! + +So mag er im Arm ihr ruhen, +Und verbindend seine Wunde, +Bleiben von dem giftgen Blute +Ihre Hände nimmer rein, + +Und sie wird bezaubert mein! +Sicher vor dem kranken Buhler +Bleibt mir ihres Leibes Blume, +Die ich selber will entwurzeln. + +Las ich doch in meinem Buche, +Daß ich ihres Vaters Bruder; +Da sie stammt aus meinem Blute, +Sei die Lust der Blutschuld mein!" + +Und er folgt dem Feuerschein, +Der noch auf den hundert Stufen +Von des Geistes Flügeln funkelt, +Schleichet murrend aus dem Turme. + +Er umgeht das Bild des Brunnens; +Venus dominiert zur Stunde, +Und Maria tut kein Wunder +Freitag nachts im Mondenschein. + +An Biondettens Tür allein, +In den Mantel eingewunden, +Sieht er seinen Nebenbuhler +Und versetzt ihm Todeswunden. + +Als Meliore hingesunken +Und sein Blut das Gift getrunken, +Eilt Apone zu dem Turme. +Tat ers, war es Zauberei? + +Daß er jetzt ein Mörder sei, +Hat er schwerer nicht empfunden, +Als den Weg zum Turm hinunter +Und hinan die hundert Stufen. + +In der Kammer sitzt er dunkel; +An dem Dolche den Karfunkel +Traf ein Tropfen von dem Blute, +Und es starb der Edelstein. + +"Mag sie nun zu Hause sein? +Ihre Türe hat geklungen!" +Und er blicket von dem Turme +Seufzend nach Biondettens Stube. + +Auf Bologna ist die Ruhe, +Mondeskühle hingesunken, +Einsam, nächtlich von dem Turme +Nur der Totenvogel schreit. + +Da springt aus der stillen Zeit +Ihre Stimme klangumwunden, +Kerzenhell ist ihre Stube; +Apo sieht das Liebeswunder. + +Auf ihr Lager hingesunken +Liegt Meliore, heiß umschlungen +Von Biondetten. Apo fluchet. +"Wehe, wehe!" schreit der Geist, + +"Des Gewebes Faden reißt!" +Schreit der Geist am Weberstuhle +Und lebendig schießt die Spule, +Ohne Meister, ungebunden. + +"Mußt du Tölpel auch da fluchen, +Da die Arbeit schier gelungen! +Rückwärts fliegt die freie Spule, +Meine Flügel werden frei!" -- + +"Webe bis zum Hahnenschrei," +Spricht nun Apo, "wie bedungen!" +Und er hat sich losgerungen +Und gen Morgen hingeschwungen. + +Und hineilend durch die Luke, +Riß er gierig in dem Fluge +Aus dem sturmdurchwehten Buche +Wohl der goldnen Blätter drei. + +Dann mit einem Jubelschrei +Macht er um den Turm die Runde, +Stürzet jauchzend mit dem Funde +Nieder dann in nächtge Dunkel. + +"Soll der Mord mir nun nicht fruchten? +Bleibt Biondette unerrungen?" +Klagt der Meister, und im Turme +Schlägt die Viertelglocke drei. + +"Apo zählet eins bis drei: +"Wohl, die dreimal fünf Minuten +Sind mir andre noch gebunden, +Ist der Weber gleich verschwunden." + +Nun nimmt aus des Turmes Kuppel +Er die giftig grüne Kugel, +Öffnet sie. Ach! nackend ruhet +Drin ein wächsern Jungfräulein. + +Goldner Haare süßer Schein +Fließt ihm von den zarten Schultern, +Türkis sind die Äuglein funkelnd, +Ein Rubin lacht auf dem Munde. + +Recht für Engel ein Puppe! +Zwei Rubinen trägt der Busen, +Überm Herzen ihm figuret +Ist ein goldnes Röselein. + +Einen roten Faden fein +Schlingt ihm Apo um den runden +Hals und stellt das kleine Wunder +In den Kreis zum Zauberplunder. + +Und er betet still mit Murren +In des Zirkels mächtger Runde, +Zieht mit bösen Bannes Zuge +Fremde Gäste in den Kreis. + +In das zauberische Gleis +Zieht daher, mit fremdem Schmucke, +Stolz auf des Kameles Buckel, +Sarabot, mit seinem Zuge. + +Ihm folgt eine Blume, duftend, +Eine Taube, zärtlich murrend, +Dann wie Sterne rein und funkelnd, +Nackt ein freundlich Geisterweib. + +Klar, kristallen scheint ihr Leib; +Aus der Locken tiefem Dunkel +Blicken ihre Augen funkelnd, +Kalt und lachend und betrunken. + +Wie der Zug um Apo rundet, +Spricht zu ihm der König murrend: +"Trocken ist mir meine Zunge, +Wer ists, der den Becher reicht?" + +Und von dem Kamel steigt +Zürnend er, und mit dem Fuße +Stampft er, daß der Turm im Grunde +Schwanket wie ein Schiff im Sturme. + +Und gekrümmt gleich einem Wurme +Beugt sich in des Zirkels Runde +Apo, dunkle Worte summend, +Bis das Schwanken ging vorbei. + +Und mit einem lauten Schrei +Klagt das Geisterweib: "Mich dürstet!" +Fragt die Taube nach dem Trunke, +Sprach: "Mich dürstet!" auch die Blume. + +Und Apone sprach ermutet: +"Besser wär es, wenn ihr ruhtet, +Von der Eile so durchglutet +Kann der Trunk euch schädlich sein. + +Saget erst, nach welchem Wein +Also heftig euch gelustet, +Daß ihr also schreien mußtet?" +Und sie schrieen all: "Nach Blute!" -- + +"Warum hast du, böser Bube," +Spricht der König, "mich gerufen, +Da in wenigen Minuten +Schon mein kurzes Reich vorbei?" + +Durch das Basilikenei +Bringet Apo sie zur Ruhe, +Und die Taube, schnabelzuckend, +Pickt die Schale schnell hinunter. + +Sarabot das Weiße schlucket, +Und das Gelbe zum Genusse +Reicht er, nebst dem Hahnenpunkte, +Hin dem klaren Geisterweib. + +Und daß nicht vergessen bleib +Auch die Zauberblume duftend, +Stürzet sie die Schalenkuppe +Über sie gleich einem Hute. + +Apo spricht: "Es fehlt am Trunke; +Ach! ein Fäßlein süßen Blutes +Hatt ich halb heraufgewunden, +Als der Strick mir tückisch reißt. + +Mir hat Samael, der Geist, +Nicht gehalten, was bedungen, +Hat sich los von mir gerungen +Und gen Morgen hingeschwungen!" + +"Und wo ruht der Most jetzunder?" +Fragt der König. "Herr, er ruhet +Unter jenem kühlen Brunnen, +Wo die Sabbatgöttin weilt. + +Wollt ihr trinken, o so eilt, +Weil er jetzo gärend sprudelt, +Da der Venusstern noch funkelt +Bis zur mitternächtgen Stunde. + +Da ich wußte, was euch munde, +Hängt ich würzend zu dem Spunde +Von Muskaten ein Lunte, +Schwefelglühend, erst hinein!" -- + +"Wohl, ich sorge für den Wein!" +Spricht der König. "Munter, munter +Sei der Strick hinabgewunden +Aus der Venus Lockendunkel!" + +Doch es will das Weib nicht ruhen, +Weil der König heftig rupfet; +Apo gibt ihr drum die Puppe, +Daß sie spielend sich zerstreu. + +Und sie treibet Kinderei; +Aus dem Kelch der Zauberblume +Machet sie dem Kindlein Schuhe, +Küßt sie, drückt sie an den Busen. + +Doch es glänzt ihr zum Verdrusse +Auf dem Herz der kleinen Puppe, +Und sie riß es gern herunter, +Jenes goldne Röselein. + +Und sie drückt das Herz ihm ein +Mit des Fingers hartem Drucke. +So beschäftigt ohne Zucken, +Dient dem Geiste sie zur Kunkel. + +Und aus ihren Locken munter +Dreht den Faden er, hinunter +Trägt die Taube ihn die Stufen +Zu Biondettens Kämmerlein. + +Dem Kamele an ein Bein +Wird der Faden angebunden, +Und dies macht so lang die Runde, +Bis der Faden aufgewunden. + +"Ist das Fäßlein ausgetrunken, +Geb ich dir zum Eigentume +Des Getränkes schönen Brunnen!" +Spricht der König und erbleicht. + +Denn schon durch die Kammer streicht +Bang die Taube, und es zucket +Schon der Hammer in dem Turme, +Drohend mit der zwölften Stunde. + +Doch es schaukelt mit der Puppe, +Daß gewieget sie entschlummre, +Singt ein Lied, sie einzulullen, +Jetzt das klare Geisterweib: + +"Hast du gleich kein Herz im Leib, +Hast du doch zwei ganze Schuhe. +Schlummre, schlummre, ruhe, ruhe, +Träume von der bunten Kuhe! + +All die Bienlein, die gesummet +Zu den wunderlichen Blumen, +Belladonna, Frauenschuhe, +Um zu bilden deinen Leib, + +Ziehen jetzt zum Zeitvertreib +In die lustge Rockenstube, +Wo die schlanken Wasserjungfern +Drüben bei dem grünen Sumpfe + +An des Storches rotem Strumpfe +Stricken, und sie singen Wunder, +Hundert kunterbunte Wunder, +Von dem Meister Langebein. + +Wie er holt die Kindlein klein +Aus dem milchgefüllten Brunnen, +Wie dem Mond die karge Mutter +An dem Rock stets tät zu kurze + +Und ihm aus dem blauen Schurze +Nimmer ganz die Mütze rundet; +Von des Eichhorns lustgem Sturze +In den kalten Born hinein, + +Da sein Schatz im Mondenschein +Wollte lugen in den Brunnen, +Ob sie sehe ihres Buhlen +Abbild in der Wassergrube, + +Und um mit hineinzugucken, +Tät er bücken sich und ducken, +Fiel und mußte Wasser schlucken. +Ei, wie lief das Jungfräulein! + +Schlaf, mein Püppchen, schlafe ein! +Herdesglut ist eingesunken, +Und das Heimchen grillt im Dunkel +Nun das Märchen von dem Funken, + +Der der Köchin, die betrunken +Schlief, eh sie ihr Lied gesungen, +In den wüllnen Rock gesprungen +Und verbrennet ihr den Leib, + +Daß sie ward gleich einem Weib; +Und wie aus dem falschen Kruge +Für den Schwulst sie Salbe suchte, +Auf den Besen stieg und fluchte, + +Wider Will den Ritt versuchte +Zu der klugen Frauen Runde, +Wo die Hausfrau sie gefunden, +Tanzend um den Bock den Reihn. + +Als sie christlich wollte schrein, +Fiel sie durch den Schlot herunter; +Morgens saß sie ganz berußet +In der heißen Aschengruben; + +Und die Schornsteinfegerbuben +Singen ihr: "Aus unsrer Schule +Schwatzte heut mit dir dein Buhle, +Doch sein Besen fegt nicht rein!" + +"Mutter, es soll Wahrheit sein!" +Sprach sogleich ein schwarzer Junge, +Der mit einem kühnen Sprunge +Aus der Schürze kam gesprungen! + +Schlummre, süßes Püppchen, schlummre, +Bist du dumm, es gibt noch Dummre, +Bist du stumm, es gibt noch Stummre, +Schlummre, schlummre, Püppchen, ein! + +Bald miau! Die Katzen schrein, +Machen Diebs- und Liebesrunde, +Brünstig, günstig ist die Stunde, +Zu dem Mondmann heulen Hunde. + +Sieh! Dort auf dem Wiesengrunde +Tanzen jetzt die Elfen munter +Unterm Knabenkraut hinunter, +Das die Blätter niederstreut. + +Kind, sie spielen Lotto heut, +Schreiben auf die Blättchen Nummern, +Und du darfst nur kühnlich schlummern, +Denn dir kommt dein Glück im Schlummer. + +Du gewinnst die beste Nummer, +Eine Braut wirst du im Schlummer, +Und dich wecket ohne Kummer +Hochzeit, Hochzeit, hohe Zeit! + +Mondschein deckt dein Bettlein breit, +Tu dich zu dem Bräutgam ducken, +Wenn die Wichtlein Jubel rufend +Auf den Stufen ihre Krucken + +Brechen, durch die Ritzen gucken +Und zum Schlüsselloch einschlupfen: +Wenn sie an der Decke zupfen, +Strecke nur heraus kein Bein! + +Ei, die Nacht ist wunderfein! +Vor der Kröt auf hohem Stuhle +Singen Frosch und Unk im Pfuhle, +Eine heilge Judenschule. + +Und der Irrwisch hüpft betrunken, +Wo der Musikant versunken; +Brünstig glühn Johannisfunken, +Wo jüngst fiel ein Jungfräulein, + +Als ihr Buhl ihr stellt ein Bein +Und ihr Kränzlein ohn Vermuten +Fiel in eines Schatzes Gluten, +Der im Acker eingetruhet + +Blank zu ihren Füßen ruhet. +Heim trug sie den Schatz zur Stunde, +Schwerer war noch viele Pfunde +Ihr lebendger Edelstein. + +Schlaf, mein Püppchen, schlafe ein!" +Also hat das Weib gesungen +Mit verwirrter, süßer Zunge, +Und der Zauber ist gelungen. -- + +Denn Biondette, schlummertrunken, +Folgt des Zauberfadens Zuge, +Geht zur Linde, und am Brunnen +Liegt vor ihr ein Knabe fein. + +"Jungfrau, ach, erbarm dich sein!" +Spricht sie, legt den kleinen Buben +Auf des Altars höchste Stufe, +Wo sie einst auch ward gefunden. + +"Bleibe unten, bleibe unten, +Bete erst ein Vaterunser!" +Hört sie jetzt den Knaben rufen, +Doch sie soll verloren sein. + +Und sie zieht zum Turm hinein, +Steigt hinan die dunklen Stufen; +Immer schwächer hört sie rufen: +"Bleibe unten, bleibe unten!" + +Bis die Stimme ganz verschwunden; +Und Biondette, traumumwunden, +Steiget jetzt die letzte Stufe, +Gehet zu dem Mahl hinein. + +Rosablankens Nadel fein, +Um die sie das Haar gewunden, +Zieht sie aus dem Lockenbunde, +Die ihr golden niederfluten. + +Nächtlich bloß den keuschen Busen, +Tritt sie an die Zauberspuren, +Und von ihrem Herzen funkelt +Hell das goldne Röselein. + +"Muß ich denn verloren sein? +O Maria, Gottes Mutter, +Der ich einstens ward gefunden, +In die Windeln eingewunden, + +Denke meiner frommen Stunden, +Lasse sterbend mich gefunden!" +Lallt sie, peinlich traumumwunden, +Zu der reinen Seele Heil. + +"Sei gegrüßt, du Todespfeil, +Sei gegrüßt mit reinem Munde, +Der nie freche Lust getrunken, +Keuscher Tod in keuscher Wunde! + +Flieh, du letzte sündge Stunde! +Märtyrkrone sei errungen!" +Dann ruft sie mit kühner Zunge: +"O Maria, erbarm dich mein!" + +Und die goldne Nadel fein +Stößt sie in den reinen Busen +Durch die goldne Rosenblume, +Sinket nieder, heilig blutend. + +Und es schlägt die zwölfte Stunde. +"Weh, zu spät ists zu dem Trunke!" +Schreit der König, und geht unter. + +** Romanze XIX: Moles in Biondettens Leiche + +Triumphiert, ihr guten Geister, +Es zerbrach der falsche Thron! +Apo, dem verfluchten Meister, +Sind die Diener all entflohn. + +Heilger Sabbat, betend steige +Auf im Ost dein frühes Rot! +Über dieser Jungfrau Leiche +Schimmre lieblich hin der Tod! + +In des Morgenlichtes Streifen +Sehe ich ein Flammenboot +Selig durch die Rosen schweifen, +Mit den Segeln purpurrot. + +Rosarosa, still geneiget, +Führt das Steuer treu und fromm, +Rosadora zu ihr steiget, +Daß sie auch zum Heile komm. + +Jene keusch den Mantel breitet +Um der Schwester Seele bloß; +Freudig nun der Kahn hingleitet +Durch den blutgen Tränenschoß. + +Zu des Traumes Insel streichet +Ihre Fahrt, zum stillen Mond, +Den in Sonn und Tränen bleichend +Die unschuldge Schuld bewohnt. + +Wo die kleinen Kindlein weinen, +Die der Tod ums Licht betrog; +Auf dem Totenkränzlein scheinen +Morgens ihre Tränen noch. + +Ungetaufet sie verweilen +Singend vor des Himmels Tor, +Und die Tränentauf erteilen +Tauend sie dem Blumenflor. + +Rosarosa lehrt die Kleinen, +Die auf Erden sie verlor, +Rosadora wird erscheinen, +Führerin in diesem Chor. + +Bis die Rosen sind befreiet +Aus ererbter Sünde Not, +Bis zum Kranze sie gereihet +Selig steigen aus dem Tod, + +Singet Jungfraun, Kindlein weinet +An dem goldnen Himmelstor, +Bald Maria euch erscheinet +Mit der Engel selgem Chor. + +Aber blickend nach der Reinen, +Taucht die Sonne jetzt empor, +Hüllet dann sich, um zu weinen, +In der grauen Wolken Flor. + +Und ein dichter Nebelschleier +Über ihres Hauptes Gold +Zu des Tages Totenfeier +Traurend tief herniederrollt. + +Wie ein Trauerhaus bekleidet, +Steht umwölkt das Himmelstor; +Sonnenlos, leidtragend schreite +Bleich der junge Tag hervor. + +Asche auf die Hügel streuend +Wandelt hin der Göttersohn, +Und Aurora weint bereuend, +Daß er ihrem Schoß entflohn. + +Und sie spricht: "Aus schweren Träumen +Aufgeschrecket muß ich schon +Dir mit blutgem Purpur säumen +Deiner Trauer trüben Thron. + +Wo die Nacht den Flügel breitet +Über Schlaf und über Tod, +War mein Lager heut bereitet +Unter böser Träume Not. + +Boten auf und nieder steigen +Zwischen Erde, zwischen Mond, +Sah ich zu des Abgrunds Reichen, +Wo die Brut des Fluches wohnt. + +Einen hört ich freuig schreien, +Der etwas verkünden wollt, +Und zur Erde niederstreuen +Blätter, deren Schrift von Gold. + +Dann in wunderbaren Weisen +Sang er stammelnd Gottes Lob, +Der zu höhern Lichtes Kreisen, +Sein erbarmend, ihn erhob. + +Er verschwand mit Benedeien, +Und zum Grund vom blauen Dom +Zog hinab mit Maledeien +Ein gespenstisches Phantom. + +Mit der Taube und dem Weibe +Sah ich unter Fluch und Spott +Sein Kamel zum Abgrund treiben +Den verbuhlten Sarabot. + +Und er riß vorüber schleichend +Mir vom Haupt des Schlafes Mohn, +Und ich harrte weinend, schweigend +Dein, mein lichter Freudensohn!" + +Also sang Aurora leise, +Während still der Tag aufzog, +Und versank im ewgen Gleise, +Das ihr lichter Sohn durchflog. + +Aber auf dem Turm alleine +Harret Apo zornestoll; +Daß ihm Moles nicht erscheine, +Füllet ihn mit bitterm Groll. + +Es erkaltet schon die Leiche, +Deren Herz noch blutend quoll, +Und die Wangen schon erbleichen +Und die Lippe rosenvoll. + +Und er legt metallne Scheiben +Ihr auf Augen, Brust und Schoß, +Um ihr Blut zurückzutreiben +Durch geheimer Kräfte Stoß. + +Nieder reißt er ihre Kleider; +Ach, sie hüllt kein schamhaft Rot! +Doch ihr Leichnam nackt und heiter +Ist geheiligt in dem Tod. + +Rosarosens Gurt von Eisen +Schützet Lende ihr und Schoß; +Apo will ihn niederreißen, +Doch er zwinget ihn nicht los. + +Und mit allen seinen Feilen +Kann mit Mühe er und Not +Den Bußgürtel nicht zerteilen +Der geheiligt Trotz ihm bot. + +Nun zum Keller niedersteiget +Apo, wo am feuchten Ort +Springwurz, die jed Schloß erweichet, +Ruhet, daß sie nicht verdorrt. + +Als er wiederkehrt zur Leiche, +Sieht er selbst sich oben schon, +Und er spricht: "Laß deine Streiche, +Moles, was soll dieser Hohn? + +Hund, du sollst als Hund erscheinen; +Sieh, du treibst es mir zu toll! +Willst du, daß zu deinen Peinen +Ich die Glocke schlagen soll? + +Wo bist du so lang verweilet?" -- +"Herr, ich tat, was ich gesollt, +Und bin dann zurückgeeilet. +Drum nicht also schmähen wollt! + +Einem Kranken Hilfe reichend, +Dessen Heil uns schwer bedroht, +Gab ich Gift, das zäh und schleichend +Ihn verzweifeln läßt im Tod. + +Böse Frucht sah ich uns reifen; +Wo ich war, da war man fromm, +Und da muß man seltsam greifen, +Daß man zu dem Pulse komm. + +Zürne nicht, mein teurer Meister, +Kam ich doch ums Gastgebot +Meiner anverwandten Geister; +Mir tut auch Zerstreuung not. + +Wunderbare Neuigkeiten +Sind auch zu bedenken noch; +Wenn wir nicht zum Flicken schreiten, +Kriegt der Sack ein böses Loch." + +Doch Apone spricht: "Jetzt schweige! +Eins nur mildert meinen Groll: +Rate mir, wie ich die Leiche +Auf die Beine bringen soll?" + +Moles spricht: "Des Gürtels Eisen +Hindert deine Wünsche bloß, +Kannst du ihn herniederreißen, +Zeige ich dir Wunder groß! + +Ich schmeck was von Heiligkeiten, +Drum laß ich die Hand davon. +Du mußt selbst das Schloß bestreiten, +Daß der Schatz dir wird zum Lohn!" + +Und die Springwurz hält der Meister +An des Gürtels heilig Schloß; +Nimmer doch den Gurt zerreißt er, +Und er flucht, und sein Genoß. + +Moles spricht: "Hier hilft nur Schneiden! +Zeige dich, mein Anatom, +Und wir schicken Heimlichkeiten +Als Reliquien nach Rom." + +Apo spricht: "Hinüberschleiche, +Wo die Jungfrau hat gewohnt, +Und mir schnell den Schlüssel reiche, +Daß ihr Leib mir bleibt verschont!" + +"Ei, dies mag dir leicht wohl scheinen!" +Sagt der Hund, "bedenke doch, +Was die Frau dazu wird meinen, +Die da steht am Brunnen noch. + +Gehe selbst, mein kluger Meister, +Du vielleicht trägst ihn davon, +Doch wir andern jüdschen Geister +Feiern jetzt den Sabbat schon." + +Apo geht. -- Zum toten Leibe +Spricht der Hund: "Verdammter Spott, +Nicht zum Manne, nicht zum Weibe, +Hast du mich erschaffen, Gott! + +Diese Puppe zu zerreißen, +Scheut sich der gelehrte Tor, +Und sieht das geweihte Eisen +Wie die Kuh das neue Tor. + +Mensch, um zweie nur beneidet +Dich der Teufel: um den Tod +Und die Lust, die dir bereitet, +Als sie dir den Apfel bot. + +Als du ihn mit ihr geteilet, +Warfst du ab des Lebens Joch; +Mir, der ewig sich langweilet, +Ließ der Zimmermann kein Loch. + +Allen Quark muß ich beneiden +Und bin allen Quarkes Gott; +Spott ich Gottes Herrlichkeiten, +Tödlich wird mir nie der Spott. + +Stift ich tausend Bubereien, +Gehn sie alle auf ein Lot; +Das unendliche Verzeihen +Hilft dem Herrn aus aller Not. + +Als ich in der Wüst allein +Ihm die Erdenschätze bot, +Macht er aus dem dummen Steine +Mir zulieb nicht einmal Brot. + +Ohne Freude muß ich teuflen, +Und mein Werk wird all zu Kot, +An dem ewgen Leben zweiflen, # zweifeln? +Und erzweifle nie den Tod! + +Was ich mühsam hab geleimet, +Ist und bleibt ein schlechter Klotz, +Und in jedem Kraute keimet +Gegen meine Werke Trotz! + +Nichts kann ich zu Ende treiben, +Ach, ein Ende wär ein Lohn! +Das Unendliche vertreiben +Kann nicht all mein Spott und Hohn. + +Ewig elendes Arbeiten, +Null ist mir wie Million, +Wer den Knoten könnt zerschneiden: +Sohn ist Vater, Vater Sohn! + +Arm, blutarm bin ich ein Teufel, +Mutterlos und vaterlos, +Bös erzeuget von dem Zweifel +In der Lüge dunklem Schoß. + +Treibe ewge Affereien, +Ohne Freude, ohne Zorn, +Keine Rose kann mich freuen, +Und mich schmerzen kann kein Dorn. + +Elende Quacksalbereien, +Wort zum Fleisch und Fleisch zum Wort, +Hänseleien, sieben Weihen, +Jagen mich bald hier, bald dort. + +Hab ich mich wo eingefleischet, +Brauchts vom Kreuz ein Stückchen Holz, +Und der Teufel flieht und kreischet +Wie ein Hund vor Pfeil und Bolz. + +Doch den alten Bärenhäuter +Hör ich auf der Treppe schon; +Munter, Moles, treib es weiter, +Bett dich, wie des Menschen Sohn! + +Sieh einmal zum Zeitvertreibe, +Wie sichs in der Jungfrau wohnt, +Und dem mürrschen Apo bleibe +Doch der Pudel, der ihm front!" + +Und der Geist, der stets entzweite, +Treibet einen Höllensproß, +Und von seinem Stamm befreite +Sich der Zweig und reißt sich los. + +Und sie machen Höflichkeiten, +Wer das Weib besitzen soll, +Ja, beginnen schier zu streiten, +Also ist der Teufel toll. + +"Vater bin ich," schreit der eine, +"Mir gebührt des Lebens Thron!" +"Nein, das Fleisch, es ist da meine," +Spricht der andre, "ich bin Sohn! + +Weh, es fehlt uns nur am Geiste, +Wäre der uns nicht entflohn, +Daß er uns Entscheidung leiste, +Dann wär uns geholfen schon. + +Einig sind Dreieinigkeiten, +Vater wird durch Geist zum Sohn, +Zweie sind Zweideutigkeiten, +Zote nur gebiert der Hohn." + +"Wechseln wollen wir zuzeiten," +Spricht der Hohn nun zu dem Spott, +"Denn das Leiden wie das Streiten +Treiben beide wir gen Gott." + +Und der Spott dringt in die Leiche, +Und es hilft ihm frech der Hohn, +Daß er in die Wunde schleiche, +Der Biondettens Geist entflohn. + +Apo kehrt und spricht: "Es scheinen +Menschen in dem Hause noch, +Eine Stimme hört ich weinen +Und sah Licht durchs Schlüsselloch." + +Doch nun richtet sich die Leiche +Auf und nicket mit dem Kopf; +Als sie ihm die Hand will reichen, +Bebet Apo wie ein Tropf. + +Moles spricht: "Empfang, Hochzeiter, +Meine Gratulation, +Sieh, dein Glückstern scheinet heiter, +Führe deine Braut davon! + +Eine Unschuld sondergleichen, +Ohne Hemdlein, nackt und bloß, +Even muß ich sie vergleichen, +Wie sie stieg aus Adams Schoß. + +Fräulein, ich seh von dem Pfeile +Amors euer Herz durchbohrt! +Daß er euch die Wunde heile, +Ihr den rechten Arzt erkort. + +Alles ist nicht Gold, was gleißet; +Wenn der Herzensrose Gold +Eure Wunde gleich zerreißet, +Seid ihr drum nicht minder hold." + +Apo spricht: "Laß deine Streiche! +Sage, wie du sie erhobst, +Welchen Geist der schönen Leiche +Du belebend unterschobst?" + +Und der frechste aller Geister +Spricht: "Ein Wort sagt ich ins Ohr; +|Fiat| heißts beim großen Meister, +Pfui heißts in unserm Chor. + +Willig hat sie sich bezeiget, +Etwas blöde freilich noch; +Was die Lippe jetzt verschweiget, +Pocht im Herzen laut und hoch. + +Brechet erst diese züchtge Schweigen; +Durch des Treurings rotes Gold +Läßt sie sich vielleicht erweichen, +Gibt den Schlüssel, den ihr wollt. + +Die Kleinode laß erscheinen, +Gut erworben hier und dort; +Durch Kleinode kommt der Kleinen +Bald das lustge Fleisch zu Wort!" + +Einen Schrein voll Edelsteinen +Und von goldnen Ringen voll +Bringt der Meister, daraus einen +Sich die Braut erwählen soll. + +Gierig nun den Schatz durchschweifet +Wild ihr Aug, das dunkel rollt, +Heftig zuckt die Hand und greifet +Einen Siegelring von Gold. + +Und als wollt sie ihn zerbeißen, +Zuckt sie ihn zum Mund empor, +Apo wollt ihn ihr entreißen, +Doch verschlang sie ihn zuvor. + +Und nun spricht sie: "Herr, die Deine +Bin ich nun, wie du gewollt: +Vor dem Volke und alleine +Dien ich dir um dieses Gold. + +Dieses Ringlein auf der Reise +König Pharao verlor, +In dem Roten Meer zur Speise +Sichs ein geizger Hecht erkor. + +König Pharao, dem Weisen, +Setzt der Koch den Fisch einst vor; +Als er wollt den Hecht verspeisen, +Kam das Ringlein blank hervor. + +In dem Bette seiner Weiber +Kam es wieder ihm davon, +Ein ägyptscher Eselstreiber +Trug es dann als süßen Lohn. + +Dems der freche Papageie +Der Herodias entzog, +Und mit einem Freudenschreie +Fand sie es in seinem Trog. + +Bei der blutgen Weihnachtsfeier, +Bei der Kindlein lustgem Mord, +Daß er tanz nach ihrer Leier, +Schenkt sie es dem Vater dort. + +Und das Ringlein war ihm teuer, +Es besiegelte sein Wort; +Doch es lief ein ungetreuer +Diener mit dem Ring ihm fort. + +Und der Ring kam immer weiter, +Keinem hat er noch gefrommt, +Außer dir, mein Herr Hochzeiter, +Dessen Braut er wohl bekommt. + +Meines Leibes bist du Meister +Bis zum Gürtel und dem Schoß; +Leider zwingen alle Geister +Diese Last mir nimmer los! + +Könnt ich dir den Schlüssel reichen, +Wär ich deiner Lust Genoß; +Aber er ist mir nicht eigen, +Mir gehöret nur das Schloß. + +Alles geb ich, nur verweigern +Muß ich dir den Schlüssel bloß, +Deine Kunst, kannst du sie steigern, +Ringt vielleicht dem Feind ihn los. + +Ich will offen dich begleiten, +Nach Belieben, wann und wo; +Alle sollen dich beneiden; +Werde dieses Neides froh! + +Mich als Nonne einzukleiden +Sag ich auf dem Markt mich los; +Lügen müssen wir verbreiten, +Wie ich ward dein Hausgenoß. + +Wie ich in Melancholeien +Hilf von deiner Kunst gehofft, +Wie, die Kranken zu zerstreuen, +Mein Gesang dir diene oft. + +Wie die Kunst der Arzeneien +Ich von dir erlernen soll, +Wie nichts könne uns entzweien, +Weil wir eines Gottes voll. + +Dieses, jenes, und so weiter +Lüge nur, man glaubt es schon, +Denn du bist ein Teil gescheiter, +Herr und Meister und Patron! + +Deine Magd kann ich erscheinen, +Wie es deinen Lüsten frommt; +Nur nicht lachen und nicht weinen, +Weil dies von der Seele kommt. + +Soll dein Lager ich beschreiten, +Oder auf der Erde bloß +Ruhn an deines Bettes Seiten, +Oder sitzen dir im Schoß? + +Ob ich auf dem Draht, dem Seile, +Dir soll gaukeln liebestoll, +Ob ich dir zur kurzen Weile +Buhlerliedlein singen soll? + +Deinen Blicken, Fingerzeigen +Folget deine Dienrin schon, +Darf ich deinen Bart dir streichen, +Ist es mir ein süßer Lohn. + +Vor der Welt nach alter Weise +Nenne mich Biondette noch; +Älia Lälia Crispis heiße +Mich in Traulichkeiten doch. + +Denn in mir von diesen Dreien +Brennet der gedrillte Docht, +Um die einst in Buhlereien +Mancher römscher Bürger focht. + +Ja, ich bin von diesen Dreien +Das gezwirnte Kunstphantom, +Und wie sie will ich nicht schreien, +Küssest du gleich wie ganz Rom. + +Will dir mein Besitz verleiden, +Werd ich zu der Lust zu stolz, +Kann dich wieder von mir scheiden +Klein ein Splitter Kreuzesholz. + +Aber an dem Jungfernleibe, +Den ich dir zur Lust bewohn, +Daß er unverdorben bleibe, +Zeig jetzt deine Kunst, Patron!" + +Und mit Blut zwei Sprüche schreibet +Apo ihr nun hinters Ohr, +Unter ihre Achseln reibet +Salbe er, die er beschwor. + +Lüstern die besessne Leiche +Küsset nun der alte Tor, +Moles spielet auf der Geige +Ein vermaledeites Chor. + +Und in buhlerischem Eifer +Tanzet, wie der trunkne Lot, +Mit der Braut er einen Schleifer +In fatalem Teufelstrott. + +Älia Lälia Crispis schreiet +Mit verruchtem, giftgem Ton, +Und Biondettens Kehl entweihet +Eines frechen Liedes Hohn. + +Dies gefällt nicht gnaz dem Meister, +Und er spricht: "Verschon mein Ohr!" +Mit Biondettens Stimme heißt er +Singen sie den Hochzeitschor. + +"Denn du sollst Biondette scheinen, +Die zum Freunde ich erkor, +Und die Stadt soll sie beweinen, +Daß sie sich an mich verlor. + +Alle sollen mich verschreien, +Und um Silber und um Gold +Will ich ihren Festen leihen +Meine Freundin süß und hold!" + +Und die Jungfrau spricht: "So sei es! +Lieb ich gleich nicht jenen Ton, +Freut sich gleich des frechen Schreies +Mehr ein freier Musensohn, + +Lieb ich lügend doch zu gleißen; +Und zweideutig will ich Gott +Dir in schiefen Weisen preisen, +Mir zum Lobe, ihm zum Spott! + +Mit gedrehten Schlangenhäuten +Lasse mir von Apfelholz +Eine Harfe bald besaiten, +Ich bin auf dergleichen stolz. + +Ich will die Akkorde greifen, +Daß du mich gewißlich lobst, +Daß der Weiber Augen greifen +Rings nach dem verbotnen Obst. + +Und die Männer werden eilen, +Den verrufnen Apfel rot +Mit den Even schnell zu teilen, +Und sie essen sich den Tod!" + +Moles spricht nun zu dem Meister: +"Eine Harfe ist besorgt, +Der galanteste der Geister +Hat die seine mir geborgt. + +Ist sie gleich ein bißchen heischer, +Ist sie doch vom besten Ton, +Wird die Sängerin erst keuscher, +Wird sie besser stimmen schon. + +Aber jetzt, ihr Hochzeitsleute, +Machet mich nicht länger rot! +Apo, es tut uns für heute +Zu studieren noch sehr not! + +Denk, wie du vor kurzen Zeiten +Sahst in meinem Horoskop, +Wie die Rose gen uns beide +Drohnd ein dreifach Haupt erhob. + +Uns entzogen hat die eine +Rosarosens selger Tod, +Diese hier ist jetzt die Deine, +Und sie bringt uns keine Not. + +Wenn die dritte nun erscheinet, +Ist das böse Kleeblatt voll, +Dem ich einst mit dir vereinet +Tragisch unterliegen soll. + +Schnell mein Meister, ohn Verweilen! +Über Rose, über Dorn +Muß das Buch uns Rat erteilen, +Suche hinten, ich such vorn!" + +Im Register steht verzeichnet: +Rose golden, weiß und rot, +Die Marien zugeeignet, +Bringen böse Kunst in Not. + +Auf der angeführten Seite +Stehet: Suche Jericho! +Jericho nun suchen beide, +Doch es fehlet J bis O. + +Und Apone denkt, wie heute +Er das Buch durchs Fenster schob, +Wie der Wind da, Seit auf Seite +Wälzend, in dem Buch getobt. + +"Weh, mir Toren!" flucht der Meister. +"Als mir Samael entfloh, +Dacht ich: Ach, mein Buch zerreißt er! +Denn es tönte wahrlich so." + +Moles spricht: "Am Wald hinreisend +Sah ich unterm blanken Mond +Samael in Freuden kreisend, +Weil der Herr ihn hat belohnt. + +Und ich sah ihn Blätter streuen +Unter hellem Gottes Lob, +Und ich konnt ihn nicht erschreien, +Weil er sich zum Licht erhob. + +Das sind böse Neuigkeiten, +Dumm hast dus gemacht, Patron, +Du mußt jetzt im Dunkel schreiten, +Weil die Blätter dir entflohn." + +Und sie fangen an zu streiten, +Wechseln harter Worte Zorn, +Älia Lälia Crispis beiden +Schärfet noch des Grimmes Dorn. + +Aber ihren Zank durchschneidet +Der geweihten Glocke Ton; +Jacopone zubereitet +Seine Leichenfeier schon. + +Älia spricht jetzt: "Schnell mich kleide +In den buntsten Freudenrock, +Hülle mich in Samt und Seide, +Meine Haare üppig lock! + +Schütte alle dein Geschmeide +Über meinen Busen bloß, +Daß ich durch das Volk hinschreite +Dir zur Seite leicht und los! + +Und dein Kummer wird zur Freude, +Es versinkt dein grimmer Zorn +In dem allgemeinen Neide, +Wie im Meer ein kleiner Born!" + +Lächelnd kräuselt ihr der Meister +Nun das Haar in frei Gelock, +Und der hündischste der Geister +Schürzet ihr den Purpurrock. + +Und es schmücken sie die beiden, +Gleich der Hure Babylon, +Und sie singet Schändlichkeiten +Ihnen vor im frechen Ton. + +Sodomitsche Blumenzweige +Steckt sie ihrem Busen vor, +Und nun führt die falsche Leiche +Apo aus des Turmes Tor. + +Wer sie sieht, steht wie versteinert, +Oder mehret ihr Gefolg; +Aber allen unter keiner +Kennt in ihr den Höllenmolch. + +Und mit bangem Finger zeiget +Jeder Vater sie dem Sohn, +Und von Mund zu Munde streichet: +"Sahst du heut Biondetten schon?" + +Alle, die sie einst beneidet, +Weil sie kunstreich, schön und fromm, +Glauben, wo sie hin nur schreitet, +Daß die irdsche Venus komm. + +Also frech ist ihr Bezeigen, +Jedem Buben scheint sie eigen, +Ich erschrecke und muß schweigen. + +** Romanze XX: Rosarosens Leichenzug + +Frühe Sonne, frühe Sonne, +Ach wo bist du hingesunken! +All des Tages Jugendwonne +Ist im Morgenrot ertrunken. + +Deine wunderselgen Augen, +Inseln aus des Himmels Seen, +Sah ich steigen, untertauchen +In des Morgens erstem Wehn. + +Und es steigt ein Nebelschleier +Übers tiefe, stille Blau, +Eine einsam tiefe Feier +Breitet sich durch Wald und Au. + +Ruhig unbewegte Bäume, +Kein Gesang, kein Blattgeräusch; +Spinnet ihr die nächtgen Träume +Wieder an, ihr Blumen keusch? + +O Bologna, deine Zinnen, +Die gelacht im Sonnenstrahl, +Seh ich bösen Schmuck gewinnen: +Schwarze Flaggen überall! + +Alle Buden sind geschlossen, +Trauerteppche hängen aus, +Durch die Straßen weit ergossen +Reget sich ein Volksgebraus. + +Aber mitten durchs Gedränge +Gehet eine freie Bahn, +Und es wirft die rege Menge +Blumen auf den offnen Plan. + +Vor dem Konsularpalaste, +Auf des Marktes weitem Raum, +Der viel tausend Bürger faßte, +Bildet Wache einen Saum. + +Und die acht Konsulen treten +Aus des Palasts hohem Tor, +Und der Ältste tritt zu reden +Auf den Marmorstuhl empor. + +Und er winkt mit dem Barette +Und der Herold mit dem Stab, +Das Geschmetter der Trompete +Nun zur Ruh das Zeichen gab. + +"Seid gegrüßt, ihr freien Bürger! +Seid gegrüßet, edle Ritter! +Seid gegrüßet, ihr Gelehrten! +Seid gegrüßet, ihr Studenten! + +Euch die Ursache zu sagen, +Warum heute alle wir +Also reiche Trauer tragen, +Seht ihr mich erscheinen hier. + +Jacopone, der gelehrte -- +Wer ists, der ihn hier nicht kennte, +Seine Weisheit nicht verehrte, +Nicht ihn einen Gönner nennte? + +Über diesen Mann gesenket +Hat sich jüngst ein bittres Leiden, +Und in Tränen ganz ertränket +Ist er nicht mehr zu beneiden. + +In des Schauspielhauses Brande +Ward sein herrlich Weib verletzet, +Und zu einem bessern Lande +Von dem Herrn der Welt versetzet. + +Sie, die Lehrerin der Waisen, +Seine Hauses treue Wirtin, +Ward in dieser Stadt geheißen +Nur die fromme, liebe Hirtin. + +Und sie ist nicht mehr hienieden; +Wo sich alle Lämmlein sammeln +Hat der Hirt sie hinbeschieden, +Gottes Loblied mitzustammeln. + +Da sie ihm nun ist geraubet, +Will er nicht mehr grünend leben, +Will er, wie ein Baum entlaubet, +Nimmer wieder Schatten geben. + +Und er ist vor uns erschienen, +Hat uns weinend eingeladen, +Alle seinem Leid zu dienen, +Und wir haben uns beraten. + +Denn als eine freie Gabe +Gibt der Stadt er seine Gelder, +Liegende und fahrnde Habe, +Seine Häuser, seine Felder. + +Alles, was er hat erworben, +Sei ihm auch mit ihr verloren, +Sei ihm auch mit ihr gestorben, +Armut hat er sich erkoren. + +Eine Kirche will er bauen, +Wo das Spielhaus ist verbrennet, +Zum Behuf der Klosterfrauen, +Welche man Clarissen nennet. + +Und er hat zu diesem Ende +Alle Sicerheit gegeben, +Siegelbrief und Dokumente, +Wo die Gelder sind zu heben. + +Und hiefür ward ihm die Bitte, +Seines Schmerzes Trost, gewähret, +Daß mit ungewohnter Sitte +Seine Trauer sei geehret. + +Denn die so den Staat bedachten, +Die verdienen solche Ehren; +Solche Bürger hoch zu achten, +Das muß unsre Größe mehren. + +Und ich wollte hie verkünden, +Daß im wogenden Gedränge +Sich kein Streiten mög entzünden, +Wo die Straßen krumm und enge. + +Denn wir wissen, uns zum Leide, +Daß in unsern treuen Mauern +Zwei Parein zum bösen Streite +Immer auf den Anstoß lauern. + +Laßt uns nicht den Tag entwiehen +Einer tugendhaften Toten! +Eintracht möge Gott verleihen +Unser Gruß sei euch entboten!" + +Und er winkt mit dem Barette +Und der Herold mit dem Stab, +Und die schmetternde Trompete +Seiner Rede Schluß angab. + +Und nun reiten durch die Masse +Herolde und tuen kund +An der Eckejeder Gasse, +Was er sprach, der weise Mund. + +Aber aus des Schlosses Bogen +Zieht der Heerwagen der Stadt, +Von acht weißen Stiern gezogen, +Und ein Jauchzen findet statt. + +Denn kein Bürger kann ihn sehen, +Wie aus reicher Bilder Zier +Bologneser Flaggen wehen, +Ohne innre Kampfbegier. + +Vor dem Wagen ernsthaft schreiten +Acht Trompeter, rot und weiß, +Die acht weiße Stiere leiten, +Dann acht Führer rot und weiß. + +Übers Volk, wie aus dem Meere, +Sieht man nun den weiten Wagen, +Ähnlich einer Prachtgaleere, +Mit der hohen Fahne ragen. + +Rings mit goldenen Geländern +Er wohl vierzig Reite rfaßt, +Haltend an den vierzig Bändern, +Die sich niederziehn vom Mast, + +Der ein silbern Kreuz erhebet, +Das des Lichtes Blick erhellt; +Nieder mit der Fahne wehet +Weiß ein Kreuz im roten Feld. + +Und vor dieesr Fahne sitzet +Ein vor allen prächtger Mann; +Wie sein harnisch strahlt und blitzet, +Kaum daas Aug ertragen kann. + +Er gleicht einem Martisbilde; +In dem blanken, großen Schwert, +In dem runden Spiegelschilde +Lacht die ganze Pracht verklärt. + +Im die Fahne ist vertrauet, +Er des Wagens Ehr bewacht, +Den die Herrn des Rats erbauet +Als den Mittelpunkt der Schlacht. + +Als des Staates Bundeslade, +Als Symbol der Bürgerehre, +Als der Thron des Zorns, der Gnade, +Geht der Wagen mit dem Heere. + +Wenn er stehet, wenn er schreitet, +Steht und geht die Kriegerschar, +Ihn des Heeres Kern umstreitet +In der dringenden Gefahr. + +Und zersprengte Reuterhaufen +Sammeln sich in seinem Kreis, +Und von neuem auszulaufen # um? +Nach des Kampfes blutgem Preis. + +Und den Feldarzt trägt der Wagen +Mit des Leibes Arzenein, +All, die blutig sind geschlagen, +Wollen hier geheilet sein. + +Auch die Priester auf ihm stehen, +Mit dem heilgen Sakrament +Jeden Krieger zu versehen +In dem ehrenvollen End. + +Kehrt der Wagen mit dem Heere, +Dann ward gut die Schlacht geschlagen, +Denn des Heeres Mut und Ehre +Hänget an dem Fahnenwagen. + +Fällt er in des Feindes Hände, +Dann sucht Heil in schnöder Flucht, +Wer nicht in des Lebens Ende +Seiner Schande Ende sucht. + +Aber wie er in dem Kriege +Ist des Mutes fester Kern, +Wird er nach errungnem Siege +Des Triumphes schönster Stern. + +Und von seiner Bühne glänzen +Feindeshelme in Trophäen, +Zwischen stolzen Lorbeerkränzen +Die errungnen Fahnen wehen. + +Und in seine Spuren weinen +Sklaven, paarweis hart gebunden, +Nieder zu den kalten Steinen, +Die den nackten Fuß verwunden. + +Auch des Friedens Pracht zu mehren +Zieht er aus mit stolzem Prangen, +Als ein Zeichen reiche rEhren +Hohe Gäste zu empfangen. + +Gold und Scharlach muß dann wallen, +Weise Männer ihn betreten, +Und von seiner Höhe schallen +Zierlich ausgesprochne Reden. + +Oder, mehr ihn zu verschönen, +Höret man das Wort der Richter, +Lieblich stolz auf ihm umtönen +Vn den Liedern heilger Dichter. + +Also dient er in dem Streite, +Triumphiert, und trägt die Beute +So zu festlichem Geleite; +Aber anders dient er heute. + +Und die dunkle Trauerbühne +Nun die bunte Menge teilet, +Wie ein schwarzes Schiff die grüne +Flut mit scharfem Kiel durcheilet. + +Aber tröstlich auf dem dunkeln +Maste, dessen Segel trauern, +Sieht das weiße Kreuz man funkeln, +Wie ein Stern im nächtgen Schauern. + +Schwarze Tücher rings verhüllen +Seine kriegerische Pracht, +Und sein Schnitzwerk Rosen füllen, +Sterne einer tiefen Nacht. + +Guido hat ihn zu der Trauer +Rosarosens so verzieret, +Um ihn weht ein leiser Schauer, +Weil der Tod hier triumphieret. + +Und wo sonst die Schwerter glänzen, +Stehen trauernde Martronen, +Tragend in Zypressenkränzen +Pomeranzen und Zitronen. + +Herbe Bitterkeit der Tränen, +Dunkles Laub zur Erde sinkend +Und den Tau mit irdschem Sehnen +Aus des Grabes Blumen trinkend. + +Weiß geschmückt, zu beiden Seiten, +An des Mastes schwarzen Schnüren +Haltend, Kinder traurig schreiten, +Ihrer Hirtin Fest zu zieren. + +Seht, vor Jacapones Türe +Steht ein schwarzer Baldachin, +Daß das Volk ihn nicht berühre, +Hüten sechzehn Ritter ihn. + +Acht vom Stamm der Gieremeen, +Acht vom Lambertazzer Haus +Rechts und links vermischet stehen; +Keiner hat den Rang voraus. + +Und es drängt von allen Seiten, +Was zu den Partein gehört, +Zwar ohn Lieb, doch auch ohn Streiten, +So ist der Moment geehrt. + +Mit dem Trauerschmuck der Flöre +Haaren rings sich anzuschließen +Die verschiednen Ehrenchöre, +Wenn der Zug sich wird ergießen. + +Wenn die Priester angekommen, +Werden tief die Glocken schallen +Und der Leib der lieben Frommen +Wird zu seiner Ruhe wallen. + +Aber in des Hauses Kammer +Sitzt der schmerzdurchbohrte Mann, +Öd in tränenlosem Jammer +Sieht er ihre Leiche an. + +Engel, die ihr Haupt umschweben, +Die zu ihren Füßen knien, +Konnten ihm nicht Tränen geben, +Tränen sind ihm nicht verliehn. + +Seit die Augen sie geschlossen, +Die ihm Lust und Leid gespiegelt, +Ist in Tränen er zerflossen, +Und nun ist ihr Quell versiegelt. + +Irdisch kann sie nicht mehr scheinen, +Die der Erde zu vereinen; +Irdisch kann er nicht mehr weinen, +Und seinherz will ihm versteinen. + +Ja, ein Grab von Marmorfelsen +Haut der Schmerz in seinem Herzen, +Was nicht springen will, muß schmelzen +Von der Glut der Trauerkerzen. + +Ist die Halle erst geweitet, +Wird sie ruhen in den Felsen, +Wenn er stillzur Türe schreitet, +Einen Stein davor zu wälzen, + +Also schwer und ungeheuer, +Daß kein andrer ihn beweget, +Als Luft, Erde, Wasser, Feuer, +Wenn sie Gottes Zorn erreget. + +Und wenn so die Gruft verschlossen, +Wird er auf den Felsen steigen, +Klipp vor Klippe unverdrossen, +Um den Gipfel zu erreichen. + +Und da wird der Feind ihm zeigen +Alle weiten Herrlichkeiten, +Wie die Flüsse silbern schleichen, +Wie die Ufer sie begleiten. + +Sonnenschein auf Bergesgipfeln, +Dämmerung in grünen Talen, +Sang und Lust in Waldeswipfeln, +Hochgetürmter Städte Prahlen, + +Schiffe segelnd, Wolken ziehend, +Schlosses Dach im Abend glühend, +Schatten übers Meer hinfliehend, +Und ein ganzer Frühling blühend. + +Alles wird der Feind ihm zeigen; +Doch er wird es nicht verlangen, +Und die Welt wird sich ihm neigen, +Er wird nur am HImmel hangen. + +Freudig ohne niedern Kummer +Wird er an die Erde sinken, +Betend dann in selgem Schlummer +Eines guten Traums ertrinken. + +Überm Haupt die Jakobsleiter, +Wird er mit der Engel Reigen +In den offnen Himmel heiter +Zu geliebten Seelen steigen. + +Also wird ihm einst geschehen, +Den jetzt solche Schläge schlagen, +Daß er ganz versteint in Wehen -- +Dies wollt ich zum Trost uns sagen. + +Unbemerkt im eignen Leide, +Knieet Pietro in der Kammer, +Und sie schweigen alle beide, +Jeder in dem eignen Jammer. + +Aber nun spricht Jacopone, +Denn er hört ein fernes Singen: +"Wo ist ihre Blumenkrone? +Ach, man will sie von mir bringen! + +Wo sind Blumen ihr zum Kranze, +Fromm und keusch, wie sie gewesen? +Erde, küß mit deinem Glanze +Nochmals, die von dir genesen!" + +Und zu Pietro er sich wendet, +Spricht: "Hast Blumen du gebracht? +Rosen, die zutag gesendet +Diese tränenvolle Nacht? + +O, mein Pietro, die Verblühte, +Zier sie mit des Lebens Bild; +Daß der Schmerz nicht also wüte, +Deck sie mit dem Blumenschild!" + +Pietro mit dem Haupt verneinet, +Aber reden kann er nicht, +Und der Tränenlose weinet, +Als er sieht sein Angesicht. + +Jacopone ihn umarmet: +"O, mein Bruder! mich erquicket, +Daß mein Leid dich so erbarmet, +Und aus deinen Augen blicket." + +Aber jener ihm entgegnet: +"Ach! es ist das deine nicht! +Dann wär wohl mein Los gesegnet, +Und es das meine nicht. + +Blumen konnt ich dir nicht bringen, +Weil sie all wie Rosarose +In dem Feuer untergingen, +Bis auf eine weiße Rose." + +Pietro wollte weiter reden, +Doch Melior und Rosablanke, +Welche zum Gemach eintreten, +Werden seiner Rede Schranke. + +Und er fühlt sich dumpf ergrimmet, +Wenn er zu Meliore blickt, +Denn in seinem Busen glimmet +Eifersucht, die ihn erstickt. + +An der Türe schüchtern weilet +Rosablanka. Zur ihr schreitet +Jacopone: "Jungfrau, eilet, +Daß Ihr mir den Kranz bereitet!" -- + +"Herr, dies kann gar wohl geschehen, +Ich hab Rosen, rot und wieße, +Und ich kann die Kränze drehen, +Doch fehlt mirs am Myrtenreise!" -- + +"Keine Myrt in ihre Krone! +Einen jungfräulichen Kranz +Winde ihr!" -- sprach Jacopone, +Blickend durch der Tränen Glanz. + +Und sie naht der Leiche Füßen, +Aus dem Korbe, den sie trug, +Ihre Rosen auszugießen. +Ach, wie ihr das Herz da schlug! + +Sie mit Liebe zu begrüßen, +Fühlt sie einen innern Zug, +Und sie soll doch, um zu büßen, +Folgen ihrem Leichenzug. + +Wie sie so die Tote schauet, +Wie sie so die stille fühlet, +Mild ihr Aug von Tränen tauet +Und die heiße Wange kühlet. + +Und sie nimmt die rote Rose, +Fügt zu ihr der weißen Glanz, +Weiter eine gelbe Rose, +Und so fort den ganzen Kranz. + +Bei den roten spricht sie immer: +"Rosarose, bitt für mich!" +Bei der weißen Rosen Schimmer: +"Rosablank geleitet dich!" + +Aber bei der gelben Rose +Muß sie an Biondetten denken, +Und dann traurig zu der Rose +Ihre Blicke niedersenken. + +Da sie nun den Kranz vollendet, +Sprach sie scheu zu Jacopone: +"Mich that zu dir hergesendet +Heut der Beichtiger Benone. + +Meine Schulden abzubüßen, +Will er, daß ich im Geleite +Deine Weibs mit bloßen Füßen +Hinter ihrem Sarge schreite. + +Und ich bitte dich zum Lohne, +Daß du dieses mir gestattest, +Als den Preis der Blumenkrone, +Die du ohne mich nicht hattest. + +Trauer ist mein Kleid, ich weine +An der Mutter Sterbetage; +Wenn ich dir zu arm nicht scheine, +Laß mich folgen deiner Klage." + +Da sprach zu ihr Jacopone: +"Du sollst bei dem Leichenwagen +Ihr die jungfräuliche Krone, +Die du ihr geflochten, tragen. + +Dieses ist des Lanes Sitte; +Zwischen Pietro und Meliore +Sollst du schreiten in der Mitte +Mit dem Kranz im Trauerchore." + +Aber plötzlich brach das Schallen +Aller Glocken durch die Luft, +Und der Priester in die Hallen +Tritt mit Kranz und Weihrauchduft. + +"Es ist Zeit, müssen wallen," +Spricht er, "weil die dunkle Gruft +Dieser jetzt, wie einst uns allen, +Mit metallner Zunge ruft." + +Acht Matronen tief in Trauer +Tragen nun den Sarg hinab, +Stellten ihn zum Trost der Schauer +Unterm Baldachine ab. + +Und die Ritter mußten wehren +Mit dem Schwert die Totenschau, +Doch ein jeder wollte ehren +Noch einmal die fromme Frau. + +Und es zieht, sie anzuschauen, +Vor ihr hin der Leichenzug; +Ach, wer sieht, sich zu erbauen, +Solch ein heilig Bild genug! + +Mit dem Kreuz vorüberziehen +Erst die Priester, traurig singend, +Und das Volk liegt auf den Knieen, +Chöre durch die Lüfte schwingend. + +Und die Schwermut der Posaunen +Windet sich durch Litaneien, +Die vorm Ewigen erstaunen, +In der Zeit um Hilfe schreien. + +Ihnen folgen fromme Orden, +Ewige Gebete lallend, +Vor den Kreuzen allerorten +Auf das Antlitzt niederfallend. + +Und nun treten schwarze Nonnen +Um den Sarg, in weißen Schleiern, +Wie die Strahlen einer Sonnen, +Dieser Frommen Tod zu feiern. + +Aber sie auch müssen gehen, +Denn jetzt nahn die Tiefbetrübten; +Seht der Kindlein Fahne wehen, +Traurig bei der Hochgeliebten! + +Agnus castus mit dem Lamme +Führt die Mägdlein und die Knaben, +Die mit einem Blumendamme +Nun der Hirtin Sarg umgaben. + +Und mit kindisch süßem Flehen +Drängt die Schar zu ihren Füßen; +Jedes Kindlein will sie sehen +Und die milden Hände küssen. + +Ach! sie kennen nicht das Scheiden, +Freuen sich des Rosenkranzes +Und des Rocks von Samt und Seiden +Und des Diamantenglanzes. + +Doch Bolognas Heereswagen +Mit gedämpften Hörnerklang, +Ihren Leib zur Gruft zu tragen, +Durch die Kinderschar herdrang. + +Und den Sarg hinan zu heben +Zaudern noch die ernsten Ritter, +Sich die Hand dazu zu geben +Ist ihr innrer Groll zu bitter. + +Als der Konsul dies ersehen, +Fürchtet Störung er der Ruhe +Und beginnt umher zu spähen, +Wer erheben soll die Truhe. + +Sieh, da naht mit Flötenschalle +Ernst der Zug sich der Studenten, +Jeder Nation Marschalle +Sich heran zum Sarge wenden. + +Jene, die sie nach dem Brande +Heimgetragen mit Verehren, +Nahn dem Konsul als Gesandte, +Schwarz, mit langen Trauerflören. + +Und da sie das Zögern sahen +Und des Konsuls Wink empfingen, +Barhaupt sie dem Sarge nahen, +Fassen an den goldnen Ringen. + +Heben ihn mit guter Site +Auf den hohen Trauerwagen, +In der Blumen stille Mitte, +Traurend, aber ohn Verzagen. + +Als den Wagen sie verließen, +Kehrend hin zu den Gesellen, +Nun die Kinder ihn umschließen +Rings mit freudgen Blumenwellen. + +Zwischen schlanken Lilienstengeln +Und den zarten Rosenzweigen, +Rings umwallt von frommen Engeln, +Zieht er hin mit prächtgem Schweigen. + +Und es folget Jacopone; +Zwischen Pietro und Meliore +Wanelt mit der Totenkrone +Rosablanka in dem Chore. + +Ihre Locken aufgelöset +Traurend um die Schultern wehen, +Ihre Füße sind entblößet, +Sie muß so zur Buße gehen. + +Als sie aus dem Haus geschritten, +Zog sie Schuh und Strümpfe ab, +Die sie, auf sein dringend Bitten, +Pietro zu bewahren gab. + +Und im Gurt er sie verstecket, +Wie beliebten, reichen Schmuck; +Seines Herzens Schlag erwecket +Der verehrten Pfänder Druck. + +In verschiednem Schmerz befangen +Diese Viere vor uns schreiten, +Manche Trän auf frmden Wangen +Ehrt ihr tränenloses Leiden. + +Wie ein Christ scheint Jacopone, +Der getrost zum Tode gehet, +Dem die blutge Martyrkrone +Aus dem Himmel niederwehet. + +Hinter ihm kommt Rosablanke, +Mit der Blumen süßem Glanz, +Als ob sie vom Himmel schwanke +Zu ihm mit dem Martyrkranz; + +Wie ein Engel ungetrübet, +Doch umhaucht von irdschem Leid, +Weil der Herr die Menschen liebet, +Die um ihn bestehn den Streit. + +Ihr zur Rechten Meliore, +Wie ein unbesiegter Held +Unter einem Sklavenheere +Durch der Brüder Leichenfeld. + +Er ist nach dem Kranz gesprungen, +Fesseln haben ihn umringt, +Er hat selbst das Lied gesungen, +Das der Feind jetzt um ihn singt. + +Aber der ist unbesieget, +Der ein Dichter und ein Held, +Weil er in dem Himmel wieget +Seines Schmerzes giftge Welt. + +Und es steigt an seinem Leiden +Heilend Sonn und Mond empor, +Unter Sklaven kann er schreiten, +Wie ein Sänger in dem Chor. + +Er ist einsam im Getümmel, +Und er geht in selgem Traum, +Und sein Aug steigt zum Himmel +Ewig von dem irdschen Saum. + +Aber Pietro geht zur Linken +Wie ein armer Schäferknabe, +Der den Schatz hinab sah sinken, +Den er mühsam ausgegraben. + +Immer sieht er vor sich spielen +Noch die goldne Zaubertruhe, +Wo sein Weg auch hin mag zielen, +Flieht der Schatz ihn ohne Ruhe. + +Also muß ein Buhler irren, +Dem die Buhle ging zu Grab, +Die aus zaubrischen Geschirren +Ihm die Liebestränke gab; + +Also in dem Venusheere +Zieht die liebestörge Brut, +Daß sie ewig sich verzehre, +Ewig wachs in böser Glut. + +Ob sin Blick zur Erde nieder +Oder auf zum Himmel schwebt, +Sieht er stets den Rumpf der Hyder, +Der ein neues Haupt erhebt. + +Jede Blume möcht er küssen, +Die die Jungfrau ihm zur Rechten +Tritt mit zarten Rosenfüßen, +Und sich einen Kranz draus flechten, + +Und mit solchem Schmerz bekränzet, +Steigen durch die finstern Felsen, +Wo kein Stern mehr fröhlich glänzet +Und sich schwarze Bäche wälzen. + +Und an einen bittren Bronnen +Möcht er trinkend niedersinken, +Bis zum Ablauf aller Sonnen +Immer schöpfen, immer trinken, + +Und dem Quelle wieder weinen, +Ihn mit seinem Schmerz berauschen, +Und zum Felsen dann versteinen +Und den eignen Schmerz belauschen. -- + +Diesen folgen nun die Armen, +All in neues Tuch gekleidet; +Sterbend hat sie voll Erbarmen +Ihnen diesen Trost bereitet. + +Die Konsulen folgen diesen +In dem festlichen Ornat, +Und die Herrn des Rates schließen +Sich an sie, und der Senat. + +Weiter alle Professoren +Der juristschen Fakultät +Und Magister und Doktoren, +In der Hand das Samtbarett. + +Und nun treten die Pedelle +Mit den Silberstäben her, +Der Studenten Mareschälle +Und so fort ihr ganzes Heer. + +In den schwarzen Mänteln steckten +Pursch ealler Nationen, +Kandidaten der Pandekten, +Helden der Institutionen. + +Alle seine Schüler ehrten +Jacopones schweres Leid, +So beschlossen und vermehrten +Sie das prächtige Geleit. + +Und so schlingt der Zug der Trauer +Sich durch lange Straßen hin +Und ergießt sich durch die Schauer, +Aber alle ehren ihn. + +Doch dort auf des Marktes Mitte +Ist ein heftiges Bewegen, +Alles wendet seine Schritte +Einem neuen Bild entgegen. + +Als der Sarg zur Stelle schreitet, +Trat zum Zuge her Apone +Mit Biondetten, frech gekleidet, +Dich zum armen Jacopone. + +Und ein wunderbar Entsetzen +Bricht durch alle, die sie sahn +So, mit frechem Zuchtverletzen, +Sich der frommen Leiche nahn. + +Und der ganze Zug sich hemmte; +Es entstehet ein Gedränge; +"Weg mit diesem Purpurhemde!" +Schreit empört die rege Menge. + +Doch will keiner sie ergreifen, +Weil sie so satanisch gleißet, +Und wo ihre Augen schweifen, +Alle Sinne sie zerreißet. + +In den Wogen ihres Busens +Alle Sünder untertauchen, +Und wie Schlangenhaar Medusens +Ihre Locken Schrecken hauchen. + +Über Apos greisem Haupte +Die zwei Nachtigallen schweben, +Weil er ihre Herrin raubt, +Ihre Klage laut erheben. + +Und als sie sich auf der Stirne +Von Biondetten niedersenken, +Scheuchet sie die freche Dirne +Mit des Hauptes freiem Schwenken. + +Und so groß ist das Erschrekcen, +Wie sie so verwandelt sei, +Daß nicht Achtung konnt erwecken +RosablankesnHilfsgeschrei, + +Der Meliore an der Seite +Sinnlos sank zur Erde hin, +Als er sah, Biondette schreite +Her wie eine Sünderin. + +Und sie legt die Totenkrone +Zu dem Sarge auf den Wagen: +"Helft, o helft, zu Jacopone +Mir den kranken Jüngling tragen!" -- + +"Dahin ist nicht durchzudringen, +Alles füllt der rege Zug, +Können wir ihn seitwärts bringen +Ist es Hilfe schon genug." + +Pietro nun mit Rosablanken +Machen sich im Volke Raum, +Und er trägt den stillen Kranken +Zum Altare an dem Baum. + +Doch es mehrt sich die Verwirrung, +Und es steiget auf den Wagen +Nun der Konsul, dieser Irrung +Ersten Anlaß zu erfragen. + +So erhöhet aus der Menge +Sieht er Apo und Biondetten, +Rings in wogendem Gedränge, +Vor dem Pöbel kaum zu retten. + +Und er rufet: "Stille! Stille! +Um das Heil der Republik!" +Endlich sieget dann sein Wille, +Und er spricht mit strengem Blick: + +"Wer hat unsern Zug zerrissen? +Vor uns ruht des Todes Friede, +Fromm geschmückt, auf schwarzen Kissen, +Und die Seele ist geschieden. + +Und ich seh am Arm des Weisen +Hier mit unverschämter Stirne +Unser frommes Fest zerreißen +Eine sündlich bunte Dirne. + +Welch ein Blick, von dieser Leiche +Zu dem frechen Weib getragen! +Brücke zu des Teufel Reiche +Aus dem Himmels Tor geschlagen! + +Was verlangst du hier, Apone? +Bist in Wahnsinn du gefallen? +Trittst du so einher zum Hohne +Dir alleinig, oder allen?" + +Und Apone ihm erwidert: +"Spreche, Konsul, nicht so gröblich; +Rede, die mich hier erniedert, +Ist nicht ziemlich dir und löblich. + +Ich bin dir nicht untergeben, +Ich bin kein Vasall des Staates, +Wer kann sich gen mich erheben, +Als der Rektor des Senates? + +Und vor allem mußt du wissen, +Daß ich, von des Volkes Menge +Wider Willen fortgerissen, +Hier gekommen ins Gedränge. + +Könnt man doch nicht prächtger trauern, +Wär die Republik gestorben, +Die sich in Bolognas Mauern +Wechselfiebernd hat verdorben. + +Da ich all die Glocken hörte +Rufen, mit der Zunge Erz, +Gen die Einsamkeit empörte +Sich im Busen mir das Herz. + +Und ich glaubte, man bereite +Für Biondetten diese Feier, +Weil sie ausgesagt, sie kleide +Heut sich in den Nonnenschleier. + +Und so führte ich hier nieder +Meine Freundin von der Zelle, +Daß sie durch die Macht der Lieder +Euch, was sie beschloß, erhelle. + +Doch die Zeit scheint nicht gelegen, +Alles fühlt des Todes Schauer, +Und ich seh auf allen Wegen +Eine übermäßge Trauer. + +Zieht die Republik zu Grabe +Hier auf unserm Heereswagen, +Tiefer Leid könnt man nicht tragen, +Als ich hier gesehen habe. + +Sterbt, ihr Bologneser Frauen, +Tut euch recht zu leben not, +Denn galanter ist zu schauen +Als das Leben euer Tod. + +Zu dem Wagen, der vor Jahren +Unsrer Schlachten wunde Helden +In Triumpfh herangefahren, +Kann sich nun ein jeder melden. + +Ists erhört, in die Monstranzen, +Wo nur wohnt das Sakrament, +Eines Weibes Bild zu pflanzen, +Die im Schauspielhaus verbrennt? + +Lambertazzi, Gieremeen, +Wo ist unsrer Ehre Schutz, +Wenn die Staatesflaggen wehen +Über schnöder Leichen Putz? + +Rühret euch, ihr tapfern Schläger! +Von dem Wagen mit dem Weib! +Mag der falsche Achselträger +Selbst begraben ihren Leib!" + +Also regt mit falschen Reden +Er des Hasses stille Glut; +Allen, di um ihn getreten, +Wallet zürnend auf das Blut. + +Und die feindlichen Parteien, +An den Schwertern mit der Hand, +Mit verbissnem Maledeien +Stehn zum Ausbruch angespannt. + +In dem Lärm steht unbeweget +Jacopone; wie ein Felsen +In dem Meere sich nicht reget, +Wenn sich Stürme um ihn wälzen. + +Doch es wird ihm aufgetragen +Von dem Konsul nun, zu reden, +Und so ist er auf den Wagen +Zu dem Sarge hingetreten. + +Doch der Schmerz ihn so durchdringet, +Daß er sich muß niedersetzen; +Alle rings sein Leid bezwinget, +Keiner wagt ihn zu verletzen. + +Noch, eh er begann zu sprechen, +Sah mit wild gehobnen Armen +Er das dichte Volk durchbrechen +Seine Freunde, alle Armen. + +Und sie schrien mit lauter Stimme: +"Treibt die Ochsen, fahret zu! +Bringet trotz des Toren Grimme +Unsre Mutter jetzt zur Ruh!" + +Um den Wagen mit den Kindern +Klaget Agnus castus laut: +"Wer will frech den Brautzug hindern +Einer himmlisch reinen Braut!" + +Und das Volk zu beiden Seiten +Treibt die Stiere mächtig an, +Und indem sie vorwärts schreiten, +Zieht die Leiche ihre Bahn. + +Daß sich Apo still entferne, +Läßt der Rektor ihn ermahnen, +Und der Schergen Morgensterne +Müssen ihm den Weg schier bahnen, + +Bis ihn seine Schüler finden, +Die ihn nun mit Biondetten +Eng mit ihrem Kreis umwinden +Und aus dem Gedränge retten. + +Doch es ist das Volk geteilet, +Viele hinter Apo drängen, +Der hin zu dem Rathaus eilet; +Andre sich dem Zug vermengen. + +Beide könnte ich geleiten; +Doch ich gehe zu der Linde, +Wo ich an Meliores Seiten +Rosablanken trauernd finde. + +Pietro aber steht am Bronnen, +Und von Eifersucht durchpeint, +Fühlt er nicht den Strahl der Sonne, +Die ihm auf den Scheitel scheint. + + + + + +End of Project Gutenberg's Romanzen vom Rosenkranz, by Clemens Brentano + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMANZEN VOM ROSENKRANZ *** + +***** This file should be named 18463-8.txt or 18463-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/1/8/4/6/18463/ + +Produced by Karsten Weinert + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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