summaryrefslogtreecommitdiff
diff options
context:
space:
mode:
authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 04:53:23 -0700
committerRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 04:53:23 -0700
commita534a19a1dd29928bec51d8c9581c5ea1566a7fd (patch)
treea0ba2c5a0740bf3481049a7b2d3737ae244f76c6
initial commit of ebook 18463HEADmain
-rw-r--r--.gitattributes3
-rw-r--r--18463-8.txt13977
-rw-r--r--18463-8.zipbin0 -> 141506 bytes
-rw-r--r--LICENSE.txt11
-rw-r--r--README.md2
5 files changed, 13993 insertions, 0 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes
new file mode 100644
index 0000000..6833f05
--- /dev/null
+++ b/.gitattributes
@@ -0,0 +1,3 @@
+* text=auto
+*.txt text
+*.md text
diff --git a/18463-8.txt b/18463-8.txt
new file mode 100644
index 0000000..2c95eb4
--- /dev/null
+++ b/18463-8.txt
@@ -0,0 +1,13977 @@
+The Project Gutenberg EBook of Romanzen vom Rosenkranz, by Clemens Brentano
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Romanzen vom Rosenkranz
+
+Author: Clemens Brentano
+
+Release Date: May 28, 2006 [EBook #18463]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMANZEN VOM ROSENKRANZ ***
+
+
+
+
+Produced by Karsten Weinert
+
+
+
+
+
+Clemens Brentano
+
+Herausgegeben und eingeleitet von Alphons M. von Steinle
+Petrus Verlag, Trier, 1912
+
+* Einleitung
+
+In weiter Kammer schlief ich und die Brüder
+ Auf stillen Betten, die der Traum umspielet;
+ Der Amme Lied ertönte still, und nieder
+Die Winternacht mit kalten Sternen zielet.
+ Gesegnet seid, ihr ernsten nächt'gen Scheine,
+ Die ihr mir in die junge Seele fielet!
+Ich fühlte ruhig mich, in Frieden klar und reine;
+ Der Brüder Herzen hört ich um mich schlagen,
+ Ergötzt war meine Brust, ich wacht alleine,
+Hört sie im Traum die kindschen Wünsche klagen.
+ Der eine sprach von Wagen und von Rossen.
+ "Hinan, hinan!" hört ich die Schwester sagen,
+"Ein Auge schließ ich auf der Leiter Sprossen,
+ Daß mich der tiefe Abgrund nicht ergrause."
+ Sie wußte nicht, daß beide sie geschlossen.
+Die andre sprach von ihrem Blumenstrauße,
+ Wie er schon wieder frisch erblühen werde;
+ Und die ihr nah: "O tritt die Spitzenkrause
+Mir nicht so liederlich hin an die Erde!"
+ Doch ferner schlummert einer; heftig bebet
+ Sein Busen, und mit trotziger Gebärde
+Spricht er: "Seht hin, Geliebte, seht, es schwebet
+ Der Luftball hoch, ich habe ihn erfunden!"
+ Dann wirft er sich im Bette, hoch erhebet
+Die Füße er, das Haupt hängt er nach unten.
+ Des Fensters Schatten lag gleich einer Leiter
+ Auf seiner Decke; künstlich eingewunden
+Erseufzt er tief und schlummert lächelnd weiter.
+ Auf eines Mägdleins Bette glatt gestrichen
+ Erglänzt zur andern Seite Mondschein heiter;
+Die weißen Röcklein auf dem Stuhle glichen
+ Zwei Engeln, die ihr still zum Haupte wachten.
+ Still war sie, bis der Mond von ihr gewichen;
+Er senkte sich zur Erde. Sprünge machen
+ Sah ich ein Kätzlein schwarz beim letzten Bette;
+ Es spielte mit herumgestreuten Sachen,
+Ein Strumpfband wars und eine Blumenkette;
+ Und als der Mond am Bett hinaufgeschwebet,
+ Sah ich's, als ob es glühnde Augen hätte.
+Bang hob ich mich, und mir entgegen hebet
+ Das Mägdlein sich und sprach: "Wie schön gesungen
+ Hat heut die Amme, noch das Herz mir bebet:
+Frau Nachtigall, mein Herz ist mir zersprungen."
+ So sprach das Kind und legte still sich nieder.
+ Ich fühlte mich mit Weh und Lust durchdrungen,
+Ein stilles Feuer zog durch meine Glieder.
+ Oft hieß es mich empor nach ihr zu sehen,
+ Und immer hob ihr lockigt Haupt sie wieder.
+Dann sprach sie Worte, mir nicht zu verstehen,
+ Gebetet war es, und es war gedichtet,
+ Und bis ich sah den Mond mir untergehen,
+Blieb mir ihr Haupt genüber aufgerichtet.
+ Dann hört ich draußen -- harte Worte klangen,
+ Bis eine milde Stimm den Streit geschlichtet.
+In unsre Kammer leise kams gegangen,
+ Von Bette schlichs zu Bette, gab uns Küsse
+ Und segnet uns auf Stirne und auf Wangen.
+Ich war der letzte. Heiße Tränengüsse
+ Fühlt ich aus Mutteraugen auf mich fließen.
+ Ich wußte nicht, warum sie weinen müsse,
+Ich traute nicht, den Arm um sie zu schließen.
+ Und als sie aus der Kammer war geschieden,
+ Da mußten meine Augen Tränen gießen,
+Da fühlte ich zuerst den Schmerz hienieden!
+ Ich betete: "Maria, sei gegrüßet,
+ So viele Tränen sie geweint!" und schlief in Frieden.
+
+----
+
+Viel war ich krank, kam wenig an die Sonne,
+ Die bunte Decke war mein Frühlinggarten,
+ Der Mutter Pflege war mir Frühlingswonne.
+Ich konnte oft den Abend nicht erwarten,
+ Wenn sie die Wundermärchen uns gesungen,
+ Daß rings die Kinder in Erstaunen starrten.
+Und keines ist mir so ins Herz gedrungen,
+ Als von des süßen Jesus schweren Leiden,
+ Wie des Herodes Kindermord mißlungen,
+Maria durch Ägypten mußte reiten,
+ Und was sie da erfuhr in schweren Nöten,
+ Da focht ich in Gedanken gen die Heiden.
+Und sah ihr Blut in allen Abendröten. --
+ Oft kam ein alter Diener mich besuchen,
+ Mit kräftgen Reden meine Zeit zu töten,
+Die Tasche leer vom oft versprochnen Kuchen,
+ Ein Meister im Versprechen und Beteuern,
+ Was oft sich falsch bewärt; dazu ohn Fluchen
+Konnt er mit seinen Augen Glaub erneuern.
+ Vom Antichrist tät er mir prophezeien,
+ Und hat zum Held gen ihn in Abenteuern
+Vor allem mich mit einem Schlag geweihet,
+ Den scherzhaft er mir auf das Haupt gegeben;
+ Doch meine Seele ihn des Ernstes zeihet;
+Nichts traf so ernsthaft mich in meinem Leben;
+ Der Antichrist erfüllet mich mit Schrecken,
+ Und täglich mußt ich vor dem Trüger beben.
+Ich sah ihn stets gen mich die Hand ausstrecken:
+ Allmächtiger, erleuchte meine Tage
+ Und wolle mich vor meinem Feind verstecken!
+Und da dem Alten ich die Angst so klage,
+ Sprach er: "Wenn du drei Tage ohne Weinen
+ Geduldig bleibst, ich dich zur Kirche trage,
+Da sollst du dir ein großer Held erscheinen,
+ Man wird dich singend bei dem Eintritt grüßen."
+ Ich glaubte ihm. Bei aller Krankheit Peinen
+Ließ keine Trän ich von den Augen fließen.
+ Und als die Stunde endlich war erschienen,
+ Ward ich geschmückt vom Kopf bis zu den Füßen.
+Ich ließ mich stolz, gleich einem Herrn, bedienen;
+ Der Alte selbst trug mich auf seinen Armen
+ Und machte übertrieben ernste Mienen.
+Ich fühlte mich von Sonnenschein erwarmen,
+ Und als wir uns dem alten Kloster nahten,
+ Gab an der Pforte ich den frommen Armen,
+Die barhaupt bittend uns entgegentraten,
+ Was ich besaß: sechs neue blanke Heller.
+ Mein Träger ging auf wohlbekannten Pfaden;
+Er zeigte links hinab: "Dies ist dein Keller",
+ Sprach er, "da hast du deine vollen Fässer
+ Mit allen Sorten besten Muskateller!"
+Ich glaubte ihm, und mit dem blanken Messer
+ Uns da ein schwarz und weißer Mönch begegnet.
+ Der Alte sprach: "Nun sieh, stets kommt es besser!"
+Und als: "Wer war es?" ich ihm scheu entgegnet --
+ "Dies war dein heilger Pater Küchenmeister,
+ Was er am Spieße brät, das ist gesegnet.
+Er ist aus Schwaben und Marcellus heißt er;
+ Er soll den Antichrist zum Spieße stecken,
+ Er ist ein Zauberer, beschwöret Geister."
+Nun hörte ich durch blühnde Gartenhecken
+ Die Orgel aus der Kirche rührend klingen;
+ Mich faßte da ein nie gefühlt Erschrecken.
+Als endlich zu der Kirche wir eingingen,
+ Des Weihrauchs süße Wolken mich umwallten,
+ An hohen Säulen goldne Engel hingen,
+Der vielen Bilder seltsame Gestalten,
+ So stille und so kühl die hohen Bogen,
+ Wie unsre Schritte in den Hallen schallten,
+Die Orgeltöne jubilierend zogen,
+ Und wie die Mönche zu den Stühlen schlichen --
+ So wunderbar hat nie mein Herz geflogen.
+Der Alte machte mir des Kreuzes Zeichen,
+ Mit Weihewasser er mich tüchtig sprengte,
+ Befahl mir dann, zu horchen und zu schweigen.
+Die Seele sich in meine Ohren drängte.
+ Als laut im Chor sie meinen Namen sagen,
+ Entzücken sich mit tiefer Angst vermengte.
+Die Worte mir wie Feu'r zur Seele klangen:
+ "|O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria!|"
+ Ein ewiges Gefühl hab ich empfangen.
+Ruft man mich Clemens, sprech ich still: "|o pia!|
+ In meiner letzten Stund dich mein erbarme;
+ |O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria,|
+Empfange meine Seel in deine Arme!"
+
+----
+
+Schon siebenmal war Weihnacht mir erschienen
+ Mit ihres Kinderschatzes frommen Glanz;
+ Ich konnte lesen und die Messe dienen.
+Die Erde stand in Frühlingsfreude ganz;
+ Des lustgen Pfingstfests Feier zu begehen
+ Schmückt man die Kinder mit dem Blumenkranz.
+Zur Kirche sah man tausend Kinder gehen;
+ Es teilt die Firmung dort der Bischof aus,
+ Daß sie bestätigt in dem Glauben stehen.
+In Feierkleidern trat ich aus dem Haus
+ Und zog mit vielen Kindern zu der Weihe,
+ Wie sie geschmückt mit einem Blumenstrauß.
+Am Chore kniend in der langen Reihe
+ Hab ich vom Bischof da das Öl empfangen
+ Auf meine Sirne, Gott mir Kraft verleihe!
+Den Backenstreich empfingen meine Wangen,
+ Daß ich gedenke an den ernsten Tag,
+ An dem zur Kirch ich neu bin eingegangen.
+Derb und empfindlich schien bei mir der Schlag;
+ Er sah in mir wohl jenes irdsche Wanken,
+ Das zu bestimmen noch ich kaum vermag.
+Ich trat erschüttert aus den heilgen Schranken,
+ Und meine Stirn umschlang ein blaues Band.
+ Jedoch in mir, da schwankten die Gedanken,
+Denn mir zur Seite an dem Altar stand
+ Ein kleines Mägdlein, das mich tief gerühret;
+ Ich faßte heftig ihre kleine Hand
+Und habe sie zwei Schritte wohl geführet.
+ Da sprach mein Führer: "Laß das Mägdlein stehn!
+ Dergleichen Spiel allhier sich nicht gebühret."
+Sie schied von mir, ich mußte weitergehn;
+ Verschlungen ward dies Kind mir von der Menge,
+ Und nimmer hab ich wieder es gesehn.
+Von Sehnsucht wird noch jetzt die Brust mir enge;
+ Ich suche jetzt wohl noch nach jenem Kinde,
+ Und immer mehr tritt mirs aus dem Gedränge.
+Traf mich des Priesters Hand dort nicht gelinde,
+ So traf mich schärfer noch mit seinem Pfeil
+ Der kleine Cupido mit seiner Binde.
+Des Priesters Schlag rührt mich nur kurze Weil,
+ Und nie genas ich von der Liebe Wunden;
+ Der Tod empfängt den Kranken noch nicht heil.
+Du zartes Mägdlein, dir mir dort verschwunden,
+ Siehst du auf Erden noch das süße Licht,
+ Hast du gelebt und hast du Leid empfunden,
+Begegnet dir dies dunkele Gedicht:
+ Nimm hin den Gruß und Dank, du Namenlose,
+ Im irdschen Traum du himmlisches Gesicht!
+Und schläfst du schon in unsrer Mutter Schoße,
+ So falle dir aus meinem ernsten Kranz
+ Ein Opfer auf das Grab: die weiße Rose!
+
+----
+
+Getrennet lebte fern ich von den Meinen
+ In strenger und unmütterlicher Zucht.
+ Denk ich der Zeit, seh ich sich mir versteinen
+Die Tage in des Lebens Blumenflucht,
+ Wie kleine Gärten zwischen steilen Mauern,
+ Die nie ein Sonnenstrahl hat heimgesucht,
+Wo kalte Marmorkinder einsam trauern,
+ Die wilder Buchs und Salbei trüb umkreist.
+ Ihr kennet wohl des Knaben einsam Trauern!
+Ich fühlte elend mich und tief verwaist.
+ Du, Schwester, die die trüben Tage teilte,
+ Du fühltest auch, was fremde Pflege heißt.
+Den Genius, der früh bei mir verweilte,
+ Den sah ich dort zuerst, als unerkannt
+ Er mir das junge Herz begeisternd heilte.
+Da schmückt ich mich mit einem blauen Band,
+ Und fesselt mich mit goldpapiernen Ketten,
+ Trug einen Schäferstab in kindscher Hand
+Und auf der Brust geweihte Amuletten.
+ Ein alter Scherbenhügel war mein Thron;
+ Ich sprach: "Wer will den armen Sklaven retten?"
+Fürst, Schäfer war ich, und verlorner Sohn,
+ Und sehnt mich zu den zarten Wolkenschafen,
+ Die durch den Himmel überm Haupt mir flohn.
+So war ich einst begeistert dort entschlafen.
+ Schon stiegen die Gestirne aus dem Blau,
+ Die gütig mich mit ihrem Segen trafen;
+Es spiegelte der Traum sich in dem Tau,
+ Der meine Stirne kühlend schon benetzte;
+ Er führte mich auf eine stille Au,
+Wo eine Kinderschar sich laut ergötzte.
+ Fremd schienen sie; ich stand an einem Baum,
+ Zu dem ich scheu mich endlich niedersetzte.
+O seliger, o himmelvoller Traum!
+ Ich sah hinauf. Aus deinem Himmel, Linde,
+ Zog nieder eines weißen Kleides Saum,
+Und nieder stieg ein Kind aus dem Gewinde
+ Der Zweige, die es neidisch mir versteckt,
+ Ein Ebenbild von jenem Firmungskinde.
+Sehnsüchtig hatte ich die Arme ausgestreckt,
+ Da kamen sie, dich boshaft mir zu rauben,
+ Die Unverständ'gen haben mich geweckt.
+Nie blüht ihr wieder mir, ihr Jugendlauben,
+ Im Fackelschimmer nie betrogner Lust!
+ Die Liebe starb, die Hoffnung und der Glauben.
+Was füllet jetzt die narbenvolle Brust?
+ Verbrannt das Herz! wie knirscht die tote Kohle!
+ Das habt ihr stillen Tränen wohl gewußt.
+Zur Stube mußt ich, harte Worte holen,
+ Zur Strafe büßt ich ein mein Abendbrot,
+ Als hätte ich, was Gott mir gab, gestohlen:
+Des selgen Traumes tiefes Abendrot.
+ Da war mein Herz im Innersten ergrimmet,
+ Ich fühlte recht, was mir zum Dasein not:
+Ein Himmel blau, in dem die Hoffnung schwimmet,
+ Ein Schmerz in meiner freien starken Hand,
+ Die ihn nach ihren Melodien stimmet.
+Und alles dies, was da zuerst ich fand,
+ Ward mit Moralien und trocknen Blicken
+ Zertrümmert mir, was niemals ich verstand.
+Entschuldigend erzählt ich mein Entzücken;
+ Da lachte man den armen Träumer aus,
+ Den Scherbenkönig, drehte mir den Rücken;
+Und als ich weinte, bracht man mich hinaus
+ Zum dunklen Gartensaal voll Malereien,
+ Der immer mich erfüllet hat mit Graus.
+Es schienen da in traurig langen Reihen
+ Die Bilder von den Schatten überbebt,
+ Die mondumspielte Rebenlauben streuen.
+Den Richter sah ich, der das Schwert erhebt,
+ Vor Salomon das Kindlein zu zerspalten;
+ Es schwankt das Laub, er zuckt, er scheint belebt.
+Ich schauderte und konnte mich nicht halten
+ Und kniete nieder vor Mariens Bild.
+ Die Hände hab ich innig da gefalten
+Und flehte kindisch zu der Mutter mild:
+ "O, Mutter Gottes, hilf dem armen Kinde!"
+ Da deckte sie mich mit allgütgem Schild;
+Mein Schmerz zerfloß im Beten hin gelinde,
+ Es senkte nieder sich der ernste Traum,
+ Ich schlummert ein im Schatten jener Linde.
+
+
+* Romanzen vom Rosenkranz
+** Romanze I: Rosablankens Traum
+
+"Bitte für uns arme Sünder
+Jetzt und in dem Tode, Amen!"
+
+Spricht sie -- und vom Stern der Frühe
+Weissagt auch die fromme Schwalbe,
+Und des Traumes schwülen Flügel
+Spannt sie über Rosablanken.
+
+Auf der goldnen Locke Fülle,
+Schwer vom blanken Nacken wallend,
+Sinkt ihr schlummernd Haupt zurücke,
+Himmelsspiegel wird die Wange.
+
+Schüchtern um die rosgen Füße
+Ihr der Tau die Traumflut sammelt,
+Und der West mit kühlem Flüstern
+Dunkle Schlummersegel spannet.
+
+Und der Traum spielt, sie berückend,
+Auf der Wimpern goldnen Strahlen,
+Die zum Schlummer sind entzücket
+In des Morgensternes Glanze.
+
+Und es kreuziget die Süße
+Fromm gewohnt sich Stirn und Wange,
+Legt in Gottes Hand die Zügel
+Der nachtwandelnden Gedanken.
+
+Von den lichtergrauten Hügeln
+Nieder zu des Tales Garten
+Durch die Nebelwege düster
+Sieht sie einen Jüngling wallen.
+
+Zu des Gartens Rosengrüften,
+Wo die Düfte schlummernd schwanken,
+Eilet Rosablanka schüchtern;
+Jener folget ihrem Pfade,
+
+Wandelt ernsthaft durch die Türe,
+In der Rechten einen Spaten,
+Und sie wagt nicht, ihn zu grüßen,
+Also hell und finster war er.
+
+Und sie pflückt gebückt in Züchten
+Süße Blümlein, die noch schlafen,
+Die unschuldgen, ohne Sünde,
+Ohne Taufe, ihm zum Kranze.
+
+Da sie scheu den Kranz schon ründet,
+Steht vor ihr der trübe Wandrer,
+Spricht: "Wohl selig sind die Blüten,
+Die du tötetest im Schlafe;
+
+Selig in der Nacht gepflücket,
+Die in Unschuld sind empfangen,
+Die nicht traf der Fluch der Sünde,
+Starben selig vor dem Apfel.
+
+Aber uns tut not zu büßen,
+Denn das Weib ward durch die Schlange
+Zu dem Gottesraub verführet,
+Den sie teilte mit dem Manne.
+
+Und so hat der Herr erzürnet
+An die Erde uns gebannet;
+In der Mutter muß ich wühlen
+Nach dem göttlichen Erbarmen.
+
+Mit dem Fleische ist die Sünde
+Aus der Erde aufgegangen;
+In der Mutter muß ich wühlen,
+Bis der Vater sich erbarmet!"
+
+Und vor Rosablankens Füßen
+Fing der Ernste an zu graben,
+Und da er die Gruft erwühlet,
+Hat die Erde ihn umfangen.
+
+Mit ihm zu der Erden Grüften
+Sinken auch des Tales Schatten;
+Aus den Gründen zu den Hügeln
+Tritt die Nebelwoge wachsend.
+
+Trüb getürmt auf düstern Füßen
+Schwankt der Riese auf am Walde,
+Schwingt die Nacht auf seinen Rücken,
+Kalt die Nebelfäuste ballend.
+
+Trügend rüstet sich der Lügner
+Mit dem Sonnengott zum Kampfe,
+Der auf goldnen Flügelfüßen
+Flammet aus dem Ozeanen.
+
+Seinen Spiegel stellt er lügend
+In der Dünste giftgem Walle
+Antichristisch ihm genüber;
+Jeder wache, nicht zu fallen!
+
+Wo der Traum in irdschen Gründen
+Barg den Mann, will Rosablanke
+Ganz in tiefer Angst entzücket
+Ihren Blumenkranz begraben.
+
+Aber ihr entgegen züngelnd
+Reckt sich eine bunte Schlange,
+Und mit heilgem Mut gerüstet
+Betet bebend Rosablanke:
+
+"Sei verflucht, du Geist der Lügen,
+Dich zertrat des Weibes Samen;
+O Maria, sei gegrüßet,
+Mutter Gottes, voller Gnaden!
+
+Amen!" und aus Himmelsflüssen
+Gießt sich aus ein Meer des Glanzes:
+__Maris Stella__ sei gegrüßet,
+__Semper virgo, ave, salve!__
+
+Und der Jungfrau Heldenfüße
+Traten auf das Haupt der Schlange;
+Kindisch ihre Schuld zu sühnen
+Gibt dem Kranz ihr Rosablanke.
+
+Aber auf des Tales Hügeln
+Glüht die Sonne, und es wallen
+Schon die Bienen nach den Blüten,
+Und es eilt die fromme Schwalbe,
+
+Kühlt des Traumes schwülen Flügel
+Auf dem Spiegel klarer Wasser,
+Und beträufelt mit dem Flügel
+Weckend Rosablankens Wange.
+
+** Romanze II: Kosme und Rosablanka
+
+Auf des Fensters Efeuranken
+Spielt der Strahl der jungen Sonne,
+Und des Laubes Schatten schwankend
+Weckt den greisen Vater Kosme.
+
+Schlummerstille ist die Kammer
+Rosablankens, als er horchet,
+Und er trägt den Krug zum Bache,
+Füllet ihn mit frischem Borne.
+
+Aus dem Wasserspiegel mahnet
+Ihn des Alters ernster Bote;
+"Du wirst bald die Schuld bezahlen!"
+Spricht des Hauptes Silberlocke.
+
+Betend senkt er in dem Schatten
+Seine Stirne an den Boden;
+Mit ihm betet auch das Wasser
+und des Gartens heilge Rose.
+
+Und des Tales Sänger alle,
+Blumen, Bäume, hohe Wolken,
+Schallend, wachend, atmend, wandelnd,
+Opfern fromm der goldnen Sonne.
+
+Aber zu der Kinder Lallen
+Weint der graue Büßer Kosme,
+Denn um seine Hütte wachsen
+Weiße, rote, gelbe Rosen.
+
+Schamvoll, schuldvoll überschwankend
+Wiegt die rote, blutge Rose --
+Ach, sie treffen ihn gleich Stacheln --
+Stumm zwei Knospen an der Sonne!
+
+Abgewendet von dem Alten
+Unterm Zorn der dunklen Dornen
+Läßt die gelbe Rose wanken
+Tränenschwere Trauerglocken.
+
+Und die weiße Rose, zagend,
+Gleicht dem Geiste einer Nonne,
+Bleicht den Schleier weinend, wachend
+Ewig unter Mond und Sonne.
+
+Jetzt auch zu dem Bache wandelt
+Rosablanka, während Kosme
+Betend liegt; mit kühlem Wasser
+Netzt sie Wange, Brust und Locke,
+
+Ihre Stimme noch umfangen
+Von des Traumes Nebelkrone,
+Und die Augen scheu umflattert
+Von der Sonnenbilder Flocken.
+
+Doch des Wassers Spiegel mahnet
+Zu dem frommen Wunsch die Fromme:
+"Könnte alle Schuld ich zahlen
+Mit der goldnen Flut der Locken!"
+
+Ihre Worte hört der Alte,
+Und spricht zu ihr: "Fromme Tochter,
+Sei gesegnet an dem Tage,
+Da du bist zum Licht geboren!
+
+Aber bleich sind deine Wangen,
+Und die Augen trüb umfloret?" --
+"Vater, schwere Träume brachte
+Diesen Morgen mir Aurore.
+
+Überm Haupte bang gespannet
+Schwankt und droht des Traumes Bogen,
+Den zerbrochen mir die Schwalbe,
+Niederträufelnd einen Tropfen." --
+
+"War es Feuer, war es Wasser,
+Rosablanka, was dir drohte?
+War erwühlet dir der Garten?
+Bebte unter dir der Boden?" --
+
+"Ja, es waren Tränen, Vater,
+Und es war die Glut der Rosen,
+Und um göttliches Erbarmen
+Ward erwühlt des Gartens Boden." --
+
+"Wehe! wehe! Rosablanka,
+Der gewühlet in dem Boden,
+Fand er göttliches Erbarmen
+Oder blieb sein Werk verloren?" --
+
+"Er ging unter still ermahnend,
+Über ihm ist aufgeschossen
+Eine bunte, schöne Schlange,
+Dringend hin nach meinen Rosen."
+
+"Wehe! wehe! Rosablanka,
+Gabst du hin die heilgen Rosen?
+Hat die bunte, schöne Schlange
+Dich mit bunter Luft betrogen?"
+
+"Von dem Himmeln kam gegangen
+Die den Heiland hat geboren;
+Sie zertrat das Haupt der Schlange
+Und ich gab ihr hin die Rosen." --
+
+"Sei gesegnet, Rosablanke,
+Für die Worte voller Trostes!
+Daß sich mein der Herr erbarme
+Mag ich nun in Demut hoffen." --
+
+Tiefbeweglich sprach der Alte,
+Und es wagte nicht die Fromme
+Nach der Rede Sinn zu fragen,
+Sie sah schüchtern an den Boden.
+
+Aber zu der Hütte wandeln
+Beide nun, und Vater Kosme
+Spricht: "Nun gehe zu dem Garten,
+Fülle deinen Schoß mit Rosen,
+
+Während ich die Honigwaben
+Und das Wachs, das diese Woche
+Ich zu Kerzen zog und malte,
+Dir in deinen Korb geordnet.
+
+Nach Bologna mußt du wandern,
+Eh noch höher steigt die Sonne,
+Dort verkaufe deine Ware
+Bei den schwarz und weißen Nonnen.
+
+Zwanzig Soldi nur an barem
+Gelde nehme ich vom Kloster;
+Was dir bleibt von deinem Wachse,
+Tausche ein um weiße Brote.
+
+Bringe mir auch Purpurfarbe,
+Einen Gran geriebnen Goldes,
+Und Ultramarin zwei Asse
+Aus dem Kram am römschen Tore.
+
+In dem Kloster zu Sankt Claren
+Gibt dem Meßner zwanzig Soldi,
+Daß er morgen, eh es taget
+Eine Seelenmesse ordne.
+
+Morgen sind es zwanzig Jahre
+Daß die Mutter dir gestorben.
+Herr, dich ihrer Seel' erbarme
+Durch die Mutter deines Sohnes!
+
+Ew'ge Ruhe gibt den Armen,
+Die der Erde Schoß bewohnen." --
+Amen! betet Rosablanke,
+Und geht weinend nach den Rosen.
+
+Da sie kehret, hat der Alte
+Ihr den Korb schon wohlgeordnet,
+Drüberhin ein Tuch gespannet,
+Darauf gießt sie aus die Rosen.
+
+"Was dir bleibet, Rosablanke,
+Gib den Armen oder opfre;
+Gehe in Gottes Namen." --
+Und sie gehet mit dem Korbe.
+
+Kosme schließt das Tor des Gartens
+Und der Hütte kleine Pforte,
+Riegelt ein sich in der Kammer,
+Wäre gern allein verschlossen.
+
+Aber nicht am Tor des Gartens,
+Nicht an seiner Hütte Pforte,
+Noch der Kammer, hört den Hammer
+Er des strengen Gläubgers pochen.
+
+In den Bußen wohnt der Mahner
+Alter Sünde, und die Rose
+Mahnt am Fenster, und die Schwalbe,
+Seiner Armut Gast, mahnt Kosme.
+
+Und die fromme Rosablanke,
+Die mit goldner Flut der Locken
+Möchte alle Schuld bezahlen,
+Ist der strengste Gläubger Kosmes.
+
+Zu der Hütte letzter Kammer
+Schleichet bang der alte Kosme,
+Dort hält er den Schatz des Jammers
+Sich im festen Schrank verschlossen.
+
+Eine Locke blonder Haare,
+Die Gewande einer Nonne
+Nimmt er weinend aus dem Kasten,
+Und dann eine schwere Rolle.
+
+Er befestigt sie am Rande,
+Und es rollet zu dem Boden
+Ein Gemälde, das der Maler
+Unvollendet, halb entworfen.
+
+Unten auf dem Meer der Schatten
+Schwankt, umwogt von dunklen Wolken,
+Ohne Steuer, ohne Flagge,
+Bleich der Kahn des halben Mondes.
+
+An den Seiten aufwärts wallen
+Opfersäulen grauer Wolken,
+Die den Regenbogen tragen,
+Des Triumphes Friedenspforte.
+
+Um des Tores Bogen ranken
+Engel sich, aus rotem Golde,
+Und von ihren Händen fallen
+Purpurrote Morgenrosen.
+
+Wo sie zu dem Monde fallen
+Scheinet er von blankem Golde
+Eine Sichel, die am Abend
+Rosen streute für Auroren.
+
+Aber nächtlich hat die Schlange
+Um die Sichel sich gerollet.
+O erscheine, Herr des Gartens,
+Tritt den Lügner an den Boden!
+
+Denn inmitten dieser Tafel
+Ist noch kaum ein Strich gezogen,
+Gleich des Blinden Auge starret,
+Gott erharrend, hin der Bogen.
+
+Jährlich nur an diesem Tage
+Weint vor dem Gewand der Nonne
+Und der Locke goldner Haare,
+Büßt vor diesem Bilde Kosme.
+
+Wie, an heilgen Jahrestagen
+Nur, die Kirche die Kleinode,
+Die Reliquien des Schatzes
+Auftut, zu der Frommen Troste,
+
+So auch liegt der Schatz des Jammers
+Jährlich vor dem Büßer offen
+Da geboren Rosablanke,
+Da die Mutter ihr gestorben.
+
+Die in schwerer Schuld empfangen,
+Die in schwerer Schuld gestorben,
+Und es ist der Sünde Vater
+Rosablankas Vater Kosme.
+
+Bis in tiefer Reue Flammen
+Der Verzweiflung Erz geschmolzen,
+Weinet Kosme in der Kammer
+Vor dem Bild und Kleid der Nonne.
+
+Und als in des Büßens Asche,
+Wie der Blick geschmolznen Goldes,
+Hoffnung ihm entgegenlachet,
+Geht bereiten er das Opfer.
+
+Er gießt aus gebleichtem Wachse,
+Das im Mittagsstrahl zerflossen,
+Eine hohe Totenfackel,
+Einer Schlange gleich geformet.
+
+Malt sie an mit bunten Farben,
+Schmückt sie auch mit Punkten Goldes;
+Brennen soll sie am Altare
+Bei der Totenmesse morgen.
+
+Und so hat er still gemalet,
+Bis zum Garten ging des Mondes
+Blanke Sichel, und des Abends
+Rosen streute für Auroren.
+
+** Romanze III: Meliore und Apone
+
+Ruhig steht mit seinem Buche
+Schon Meliore auf der Straße,
+Vor dem Haus der hohen Schule
+auf die Mitgenossen harrend.
+
+Er bedenkt die tiefsten Punkte,
+Die Apone vorgetragen,
+Wünscht ihm eine leichtre Zunge
+Und sich schärfere Gedanken.
+
+Daß die Welt aus Gott entsprungen,
+Und doch nicht von ihm erschaffen;
+Daß Gott sei im Mittelpunkte,
+Wo auch nichts sei und doch alles --
+
+Dieses scheint ihm höchstens dunkel;
+Aber da er Apo fragte,
+Sprach der Lehrer: "Es war dunkel,
+Da das Licht noch war im Schaffen.
+
+Bildend in den Kreaturen,
+Hatte es nicht Zeit zu strahlen;
+Also sei es dir kein Wunder,
+Daß es noch bei dir nicht taget.
+
+Fühlst du erst die Macht des Dunkels,
+Dann magst du nach Licht recht schmachten,
+Nur der Durstgen Wünschelrute
+Wird auf kühle Brunnen schlagen.
+
+Ist es mir erst recht gelungen
+Euch ins Dunkle einzufangen,
+Dann zu sehn des Lichtes Wunder,
+Mögt ihr selbst ins Aug euch schlagen." --
+
+Und so gab er sich zur Ruhe,
+Wollte nicht mehr weiter fragen,
+Ließ ergeben sich hinunter
+In der Weisheit Stollen fahren.
+
+Harmoniam der Naturen,
+Welche auf smaragdner Tafel
+Nach der Sündflut aufgefunden
+Zara, in Hermetis Grabe,
+
+Und der Dinge Signaturen
+Hat schon Apo vorgetragen,
+Und beinahe ists schon dunkel,
+Daß man sich ins Aug möcht schlagen.
+
+Aber heute in der Stunde
+Wird er hohe Dinge sagen,
+Von der Töne Macht und Wunder
+Und der Kunst des Liebestrankes.
+
+O, daß er die ganze Stunde
+Lehrte von dem Liebestranke,
+Denn Meliore kennt die Wunder
+Harfenklanges und Gesanges.
+
+Denn es schlug die Liebeswunden
+Ihm Biondettas Wunderharfe,
+Die um Tanz und Sang und Tugend
+Man die heilge Tänzrin nannte.
+
+Doch nun hört an dem Turme
+Eine Viertelstunde schlagen,
+Und durchs Fenster in der Schule
+Apos Stimme lehrend schallen.
+
+Da er so versäumt die Stunde
+Von der Kunst des Liebestrankes,
+Will er eilen zu dem Brunnen,
+Wo der Trank lebendig wallet.
+
+Trunken schlugen seine Pulse,
+Da er ihrer Wohnung nahet;
+Wie durch dunkle Grüfte, rufend
+Sich, verwandte Quellen wandeln,
+
+Sich in ewiger Unruh suchen,
+Aber fest in Stein gefangen,
+Murmelnd ungeduldig sprudeln,
+Können nicht zusammenfallen.
+
+An Biondettens Fenster duftet
+Einer blühnden Linde Schatten,
+In den Zweigen gehn zur Schule
+Gern die süßen Nachtigallen.
+
+Lauschen in den Dämmerungen
+Auf der Jungfrau Sang und Harfe,
+Wenn die Meisterin verstummet
+Wiederholen sie es lallend.
+
+In Bewundrung ganz betrunken
+Singt das Bölklein durcheinander,
+Die Studentlein ohne Ruhe
+Mit dem Federmantel schlagen.
+
+Oft auch mischt ein frecher Kunde
+Drein den ungewaschnen Schnabel,
+Und die Sänger all im Sturme
+Fassen, rupfen ihm den Kragen.
+
+Und entflohn zum nahen Turme
+Lehrt der Star die andern Stare
+Eines höhern Standpunkts Schule,
+Gründend auf der Wetterfahne.
+
+Klagt auch, daß die andern drunten
+Seine Hauptideen stahlen,
+Macht ein kunterbunt Gemunkel,
+Läßt in alle Welt es tragen.
+
+Doch in den Begeisterungen
+Weiß die Jungfrau nichts von allem,
+Sie hat nur vor Gott gesungen,
+Lauschen gleich die Nachtigallen.
+
+So vergleicht der hohen Schule
+Er der hohen Linde Schatten,
+Wo in überflüssgen Zungen
+Ihm Biondettens Sang verhallet.
+
+Ach! er möchte hin zum Grunde
+Stürzen dieses Baumes Schatten,
+Oder in den Zweigen ruhend,
+Die ihm bloß ertönt, betrachten.
+
+Doch ein Bild von Gottes Mutter
+Steht auf einsamen Altare
+Bei der Linde, ihre Kuppel
+Wölbet ihm des Tempels Halle.
+
+Ihm zur Seite steht ein Brunnen
+Einsam wie das Bild, es fallen
+Leis der Linde Blüten runter
+Auf den Spiegel seines Wassers.
+
+Arm ist wohl das Bild an Schmucke,
+Handel-, wandellos die Straße,
+Aber nächtlich hört die Mutter
+Hell Biondettens süßes: Ave!
+
+Und geht sie, im bunten Putze
+Schimmernd, zu der Bühne abends,
+Teilt sie fromm die Flitterblumen
+Mit Marien, voll der Gnaden.
+
+Auf des Altars öder Stufe
+Keimen Blümlein in dem Grase;
+Nahe ist das Tor, hier ruhen
+Gern, sich ordnend, müde Wandrer.
+
+Denn hier steht ein kühler Brunnen
+Einsam wie das Bild, es fallen
+Leis der Linde Blüten runter
+Auf den Spiegel seines Wassers.
+
+Still an des Altares Stufen
+Kniet Meliore und betrachtet
+Glaubend, was mit Dämmerungen
+Ihm der Schule Geist umnachtet.
+
+Eine Jungfrau kömmt zum Brunnen;
+Zu der Stadt trägt Rosablanke
+Einen Korb mit Wachs und Blumen,
+Sprengt die Rosen an mit Wasser.
+
+Sitzt zu ruhn dann auf die Stufen
+Bei dem Jüngling am Altare,
+Ihre züchtgen Augen wurzeln
+Bang auf der Gestalt des Mannes.
+
+Die erfrischten Rosen rufen,
+Und er blickt nach Rosablanken;
+Wie der Born geweckt die Blumen,
+Weckt sein Blick die Rosenwange.
+
+Von geheimer Macht bezwungen
+Spricht die Jungfrau: "Herr, im Garten
+Bot ich heut dir diese Blumen,
+Und du hast sie ausgeschlagen.
+
+Grubst dir emsig eine Grube,
+Und empor schoß eine Schlange;
+Du gingst in der Grube unter,
+Ach in mir ist dieser Garten!
+
+Es erschien mir Gottes Mutter
+Und zertrat die böse Schlange,
+Und doch fühl ich mich verwundet,
+Da ich lebend dich betrachte!"
+
+Und Meliore spricht verwundert:
+"Du klagst einem kranken Arzte,
+Rettung müßte ich sonst suchen
+Vor der Schönheit meiner Kranken.
+
+Du sagst wahr: Längst ging ich unter
+In der Wangen Rosengarten,
+Der Gesang des süßten Mundes
+War mir eine bunte Schlange.
+
+Aber hier steht Gottes Mutter.
+Daß sie unser sich erbarme,
+Lasse um die Stirn ihr duftend
+Einen Kranz von Rosen prangen!"
+
+Und er sitzet auf den Stufen,
+Flichten den Kranz mit Rosablanken;
+Da bricht durch der Linde Dunkel
+Zu dem Bild Biondettens: Ave!
+
+Und es krönet Gottes Mutter
+Schon Meliore mit dem Kranze,
+Und Biondettens Lied verstummet,
+Bitter weinet Rosablanke.
+
+Ihr zum Herzen hingedrungen
+Sind die Fluten des Gesanges,
+Ihr im Busen ist entsprungen
+Eine Quelle des Verlangens.
+
+Und der Tränen Flut wird suchen
+Stets die Fluten des Gesanges,
+Bis sie einst durch Gottes Wunder
+Selig ineinander fallen.
+
+Doch nun eilet mit den Blumen
+Nach dem Kloster Rosablanke,
+Weil von Schülern dicht umrungen
+Apo sich der Linde nahet.
+
+Er mag gern mit seinem Zuge
+Durch Biondettens Straße prangen,
+Und sie bei dem nahen Turme,
+Wo er hauset, stolz enlassen.
+
+Ernsthaft mit gezogenem Hute
+Folgt die Schar dem finstern Manne;
+Vom Altare springt herunter
+Schnell Meliore, ihn erwartend.
+
+Nahet nach demütgem Gruße
+Ruhig dann dem finstern Manne.
+"Daß ich heut versäumt die Schule" --
+Spricht er -- "muß ich leider klagen.
+
+Ungeduldig, ohne Ruhe,
+Konnt ich nicht die Zeit erwarten,
+Und ging aus, sie aufzusuchen,
+Aber ich bin irr gegangen."
+
+Zu ihm spricht mit höhnscher Zunge
+Apo, scharf ins Aug ihm fassend:
+"Und der Irrgang scheint gelungen,
+Angenehm ist dieser Schatten.
+
+Dieser Baum hegt geistge Zungen.
+Einen Vogel zu erhaschen,
+Bist du zum Altar gesprungen,
+Und doch führst du leere Taschen." --
+
+"Meister, nein! das Haupt der Mutter
+Krönt ich mit dem Rosenkranze,
+Während ich, bis du zum Turme
+Kehretest, deiner hier geharret.
+
+Denn ich wollte dich ersuchen,
+In der Kürze mir zu sagen,
+Was in der versäumten Stunde
+Mir vom Liebestrank entgangen.
+
+Denn der Töne Macht und Wunder
+Kann ich mir schon deutlich machen;
+Dieses Baumes geistge Zungen
+Über mich sind ausgegangen."
+
+Apo spricht: "Der Töne Wunder
+Lehrte dich der Linde Schatten,
+Lerne nun von diesem Brunnen
+Auch die Kunst des Liebestrankes." --
+
+"Meister, höchlich ich bewundre,
+Wie du fein mich höhnend strafest;
+Ach! zu tief ist mir der Bunnen,
+Und der Eimer schöpft nur Wasser.
+
+Auf des Glanzes Spiegel unten
+Sah ich oft ein Antlitz strahlend
+Durch die grünen Zweige funkeln,
+Aber nimmer steigts zum Rande.
+
+Treulos immer ists verschwunden,
+Wenn ich weisheitsdurstig nahte.
+Nur das Bild von Gottes Mutter
+Weilte ruhig meinen Klagen.
+
+Und so krönt ich sie mit Blumen,
+Daß, nach gleichem Preis verlangend,
+Auch das schönre Bild des Brunnens
+Gütger meiner Andacht achte.
+
+Doch noch immer muß im Durste
+Ich am kalten Rande schmachten,
+Möcht hinab zu einem Kusse
+Stürzend mich im Tode baden." --
+
+"Trage Wasser in den Brunnen." --
+Spricht der Meister -- "bis zum Rande,
+Dann magst du die durstge Zunge
+Bald im kühlen Spiegel laben." --
+
+"Meister, was dir nie gelungen",
+Spricht Meliore, "soll ich wagen?
+Seit dem Teufel hat die Schule
+Wasser in den Born getragen.
+
+Doch des Himmels Spiegel unten
+Ist noch nie heraufgewallet;
+Von der Schule zu gesunden
+Will den Blick ich aufwärts schlagen."
+
+So sprach er im Jugendmute,
+Als er fühlt der Rede Stachel.
+Apo spricht: "Ich sag dem Kruge:
+Gehe, bis du brichst, zum Wasser!
+
+Kühner Knabe, willst du Funken,
+Fange eh du streichst die Katze!"
+Zornig geht er dann zum Turme,
+Und Meliore steht verlachet.
+
+** Romanze IV: Rosablanka und Biondetta
+
+Nieder auf Bolognas Gassen
+Brennt die volle Mittagssonne,
+Und aus hohen Schloten wallen
+Weiß des dichten Rauches Wolken.
+
+In den Kellern klimpern Flaschen,
+Und auf kühlem Marmorboden
+Wird mit silbernem Gerassel
+Schon des Reichen Tisch geordnet.
+
+Suchend hie und da den Schatten,
+Schleichen von der Klosterpforte
+Auch die Bettler zu dem Mahle,
+Mit dem vollen Suppentopfe.
+
+Und der Ochse lauscht am Wagen,
+Wiederkäuend in der Sonne
+Einsam auf dem heißen Markte,
+Auf das Plätschern hoher Bronnen.
+
+Aber in der Linde Schatten,
+Wo die fromme Tänzrin wohnet,
+Scheint der Mittag selbst entschlafen
+An dem lieben, stillen Bronnen.
+
+Leis umgrast von seinem Lamme
+Auf dem dicht berasten Boden
+Ruht ein süßer, kleiner Knabe,
+Schlummerglühnd in goldnen Locken.
+
+Jede Blüte hör ich fallen,
+Hör des Knaben leisen Odem,
+Und die reine Rosablanke
+Tritt einher mit ihrem Korbe.
+
+Auf den Stufen des Altares,
+Wo sie früh den Kranz geflochten,
+Ladet sie zum armen Mahle
+Kindlich ein die Mutter Gottes.
+
+Eine goldne Honigwabe,
+Auch ein Stückchen weißen Brotes
+Und die milchgefüllte Flasche
+Nimmt sie aus dem weißen Korbe.
+
+Da erwacht der blonde Knabe
+Und steht harrend bei dem Bronnen,
+Und es rief ihn Rosablanke:
+"Komm, ich geb dir Honigbrote!"
+
+Und er nahet mit dem Lamme
+Freundlich sich der Jungfrau Schoße,
+Auch ein Vöglein kommt zu Gaste
+Von der Linde abgeflogen.
+
+Liebreich lächelt Rosablanke,
+Heißt sie allesamt willkommen,
+Und es spricht der blonde Knabe:
+"Du bist mild, o fromme Tochter!
+
+Was du teilest mit den Armen,
+Das hast du dem Herrn geboten,
+Der sich deiner wird erbarmen
+In der Stunde deines Todes!"
+
+Von der Gäste lautem Danke
+Ward Biondetta hergelocket,
+Schaut herab zur offnen Tafel,
+Will mit ihrer Kunst sie loben.
+
+Leis ergreift sie ihre Harfe,
+Singet still herabgebogen:
+"Heil dir, Jungfrau, mit dem Lamme,
+Mit dem Knaben, mit dem Vogel.
+
+Über deinem frommen Mahle
+Weile gern das Auge Gottes,
+Denn so liebe Gäste saßen
+Einstens um das Tischlein Josefs.
+
+Herr, dies Mahl laß dir gefallen
+Zum Gedächtnis deines Sohnes,
+Und die arme irdsche Harfe
+Klinge bald am Himmelstore."
+
+Als die Worte niederklangen,
+Saß die Jungfrau stille horchend,
+Ließt die Gäste munter naschen
+Brot und Honig aus dem Schoße.
+
+Und Biondetta flüstert sachte:
+"Mägdlein, sieh nach deinem Korbe,
+Denn das Lamm hat mit der Nase
+Schon das weiße Tuch erhoben.
+
+Kindisch horchend meiner Harfe,
+Bist du um dein Brot gekommen:
+Darf ich dich zu Gaste laden,
+So tritt ein in meine Pforte!"
+
+Doch nun spricht der blonde Knabe:
+"Eh du gehest, fromme Tochter,
+Gib drei Kerzlein mir vom Wachse,
+Daß ich sie heut abend opfre.
+
+Ich will dir ein Lied auch sagen,
+Wenn ich wieder zu dir komme,
+Von dem Knaben und dem Lamme
+Und drei wundervollen Rosen.
+
+Ich kenn deines Vaters Garten;
+Will es Gott, so komm ich morgen."
+Und sie gibt drei schön gemalte
+Kerzen ihm, daß er sie opfre.
+
+Eine rote, eine schwarze:
+Und er spricht: "Für dich, du Fromme,
+Ist die weiße hier -- drei Farben
+Will ich für drei Rosen opfern!"
+
+Und nun wendet sich der Knabe,
+Spricht: "Gedenke dieses Morgens,
+Denk der Schlange und des Mannes,
+Folge seinen ernsten Worten.
+
+Daß sich unser mög erbarmen,
+Der du gabst die frischen Rosen,
+Die zertreten hat die Schlange,
+Die den Heiland hat geboren!"
+
+Und nun schied er. Tief erbanget
+Denkt die Jungfrau seiner Worte,
+Bis Biondetta sie ermahnte
+Mit der Saiten goldnem Tone.
+
+Ihren Korb nimmt Rosablanke;
+Wie von lieber Hand gezogen
+Steigt sie zu Biondettas Kammer
+Und spricht schüchtern: "Willst du Rosen?
+
+Rosen, rot wie deine Wangen,
+Kerzen, rein und schlank gezogen,
+Wie dein klarer Leib gestaltet?"
+Sprichts und zieht das Tuch vom Korbe.
+
+Kann die Antwort nicht erwarten,
+Setzt sich nieder an den Boden,
+Fleht: "O schlage an die Harfe,
+Singe, singe rein und golden!"
+
+Und Biondetta spricht: "O klare
+Jungfrau, schöne Harfe Gottes,
+Woll an meinem Herzen schlagen
+Von den Armen lieb umschlossen!"
+
+Und es sinket Rosablanke
+Ihr ans Herz, und heilig lodert
+Über sie die Gottesflamme,
+Daß die Seelen dicht verschmolzen.
+
+Daß von ihren süßen Wangen,
+Von den rot und weißen Rosen,
+Von dem Klang verborgner Harfen
+Heilge Tränenquellen flossen.
+
+"Hörst du, hörst du, wie vom Klange
+Mir des Herzen Saiten pochen,
+Wie von göttlichem Gesange
+Sich ein Netz um uns gezogen?
+
+O, wer bist du? meine Arme
+Haben einen Schatz gehoben;
+O, wer sind wir, die sich fanden?
+Sprich, wo wir uns einst verloren?"
+
+Also ward in süßen Fragen
+Ihrer Arme Bund erschlossen,
+Der mit heimlichen Gewalten
+Ihrer Seele Bund geschlossen.
+
+"Da ich früh heut am Altare
+Einen Rosenkranz geflochten,
+Fühlte ich in dem Gesange,
+Liebe, mich an dich verloren.
+
+Durch die Rosen meines Kranzes
+Und durch meines Blutes Rosen,
+Die in Lieb und Andacht wachsen,
+Flocht ich deine Töne golden!" --
+
+"Da ich dich gesehn beim Mahle
+Mit dem Knaben, Lamm und Vogel,
+Fühlte ich ein tief Erbarmen,
+Daß ich hier so einsam wohne.
+
+Wie ein Himmelsglanz die Kammer
+Heilgen Möchen in Visionen
+Füllet, also füllte strahlend
+Mich Verlangen, Lieb und Hoffen!"
+
+Um sich blicket Rosablanke,
+Sieht das Stübchen wohl geordnet,
+Spiegelblank sind Stuhl und Tafel,
+Schrank und Wand von edlem Holze.
+
+Reicher Stoff in reichen Falten
+Schwebet um der Fenster Bogen,
+Und ein Bilderteppich spannet
+Augerquickend sich am Boden.
+
+Und wo es erwünscht, da ragen
+An den Wänden, halb erhoben,
+Kunstgebildete Gestalten:
+Mensch und Vase schön geformet.
+
+Marmor, Glas und Alabaster,
+Erze, Silber, Gold und Bronze,
+Die Metalle und Kristalle
+Sprechen, was der Meister wollte.
+
+"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
+Der dir all dies Gut erworben?
+Solchen Reichtum zu betrachten,
+Ist mir füher nie geworden." --
+
+"Nur der Welt gehört dies alles,"
+Spricht Biondetta, "aber folge
+Jetzt mir auch zum eigenen Schatze,
+Den ich selber mir erworben.
+
+Trete in die enge Kammer,
+Sieh mein Bett von trocknem Moose,
+Wo ich mit dem Licht erwache,
+Mit der Schwalbe Gott zu loben.
+
+Vor dem Fenster schwebt ein Garten
+Auf der alten Mauerkrone,
+Wo zwei süße Nachtigallen
+Meine Lieder wiederholen.
+
+Aber deine Augen fragen,
+Was das Tüchlein dort verborgen
+Über meinem Betstuhl halte:
+Sieh, das Bildnis einer Nonne.
+
+Schlecht ist nur das Bild gemalet,
+Doch in seinen Zügen wohnet
+Strenge, die mich liebreich strafet,
+Liebe, die mich ernsthaft lobet.
+
+Heiliger als alles, alles,
+Ist mir dieses Bild geworden,
+Seinen Linnenvorhang achte
+Höher ich, als sei er golden.
+
+Aber über deine Wangen
+Seh ich sanfte Tränen rollen?"
+"Kann ich," saget Rosablanke,
+"Vor dem Bild nicht weinen wollen?
+
+Denn ich seh auf seinen Wangen
+Blasser Lilien Kelch erschlossen,
+Der von Tränen bittren Grames
+Bis zum Tode überflossen.
+
+Wer hat dir das Bild gemalet,
+Wer hat dir das Tuch gesponnen,
+Daß sie lieb dir über alles
+Und mir auch so lieb geworden?" --
+
+"Was ich weiß, sollst du erfahren,"
+Spricht Biondetta, "doch zu sorgen
+Bleibt mir vieles noch heut Abend;
+Ich muß meinen Putz noch ordnen;
+
+Muß noch stimmen Leir und Harfe
+Und die Lieder wiederholen,
+Denn schon mahnet mich der Schatten
+Meiner Uhr dort an der Sonne."
+
+Schüchtern fraget Rosablanke:
+"Hohe Gäste hat entboten
+Wohl dein Vater für heut Abend,
+Die so reichen Putz erfordern?" --
+
+"Alles das will ich dir sagen,"
+Spricht Biondetta, "doch nun folge
+Mir zu meinem Kleiderschranke,
+Hilf mir die Gewande ordnen."
+
+Vor den Blicken Rosablankens
+Stehn die blanken Türen offen:
+Ach die seltsamen Gewande
+Und die bunten, reichen Stoffe,
+
+Und die schönen Blumen, wankend
+Bei den Sternen silbern, golden,
+Wie die zarten Federn schwanken # schwonken
+Um die leichten, duftgen Flore,
+
+Wie die Diamanten strahlen
+Lachend in rotgoldnen Kronen,
+Wie die Perlenschnüre fallen
+Weinend durch des Purpurs Wogen.
+
+Und in blanken Silberpanzern
+Spiegeln dunkle Seidenrosen,
+Windend sich um Schwert und Lanze
+Aus des Goldhelms stolzem Schoße.
+
+Muschelhut und Pilgerflasche
+Hängt am sarazenschen Bogen,
+Falsche Stern und Monde prangen
+Auf des Turbans üppgen Wolken.
+
+Flitterschuhe und Sandalen,
+Bei Kothurn und Goldpantoffeln
+Und gespornten Schienen, paaren
+Traulich unten sich am Boden.
+
+"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,
+Der dir all dies Gut erworben?" --
+"Nur der Welt gehört dies alles,
+Ich bin freier Künste Tochter.
+
+Muß auf offner Bühne tanzen,
+Bin zur Lust der Welt erzogen;
+Heute sind es nun sechs Jahre,
+Daß ich sang die erste Rolle.
+
+Heute sind es zwanzig Jahre,
+Daß ich bin gefunden worden
+Als ein Kindlein am Altare,
+Wo du früh den Kranz geflochten.
+
+Findelkind Mariens nannte
+Mich die Tänzrin, die hier wohnte,
+Ihr verdank ich Sang und Harfe,
+Sie ist meine Mutter worden.
+
+Was mit Staunen du betrachtest,
+Ist das Gut, das sie erworben
+Und mir gütig hat gelassen,
+Als ich sie im Tod verloren.
+
+Da zur Jungfrau ich erwachsen,
+Übernahm ich ihre Rollen,
+Und sie hat vom offnen Wandel
+Sich zu Gott zurückgezogen.
+
+In dem Kloster zu Sankt Claren
+Ward sie endlich aufgenommen.
+Und im heilgen Kleid begraben
+Als ein Mitglied jenes Ordens.
+
+Sterbend hat sie mir gestanden,
+Daß ich ihre Findeltochter,
+Und mir Zeit und Ort gesaget,
+Da ich bin gefunden worden,
+
+In dem Tüchlein eingeschlagen,
+Mit dem Bilde jener Nonne,
+Und dem Ringlein, das ich trage,
+Am Altare bei dem Bronnen.
+
+Heute sind es zwanzig Jahre;
+Freitag nachts, als aus der Oper
+Einsam sie nach Haus gegangen,
+Nahm sie auf mich von dem Boden.
+
+Hat mit mir sich in der Kammer
+Mutterheimlich eingeschlossen,
+Und von den gemalten Wangen
+Liebestränen auf mich flossen.
+
+Da sie sterbend mir dies sagte,
+Fragt ich: wer hat mich geboren?
+Doch sie konnte mirs nicht sagen,
+Ihre Lippe war verschlossen.
+
+Ihre Blicke, aufgeschlagen,
+Sahen nach dem Bild der Nonne,
+Und auf ihre bleichen Wangen
+Kalte Tränen niederflossen,
+
+Die noch traurig darauf standen
+Als ich ihr das Aug geschlossen;
+Und so sind mit ihr mir Armen
+Beide Mütter mir gestorben:
+
+Die mich hilflos mußte lassen
+Als sie mich zum Lichte geboren,
+Die mich treu in ihre Arme
+Als ein Kind hat aufgenommen.
+
+Heute nun zum letzten Male
+Will ich tanzen in der Oper,
+Will ich meine Wangen malen
+Meiner Lehrerin zum Lobe,
+
+In der Künste bunter Flamme
+Ihrem Leben noch dies Opfer,
+Und dann fromm die jungen Tage
+Opfern ihrem selgen Tode."
+
+Alles höret Rosablanke,
+Dinge, die sie nie vernommen,
+Über manches möcht sie fragen,
+Stünd der Schrank nicht vor ihr offen.
+
+Lange steht sie vor den Masken,
+Wie umgafft von fremden Volke;
+Kindisch wagt sie nicht zu fragen,
+Wer die Augen ausgestochen.
+
+Doch fragt sie bei Armors Larve,
+Der ein Band von leichtem Flore
+Um die Augen war gefaltet:
+"Ist ihm auch das Aug genommen?" --
+
+"Da ich einstens trug die Larve,
+Sprach Apone unterm Volke:
+Wer darf deine Mutter tadeln,
+Wenn du spielst des Vaters Rolle!
+
+Da erglühten meine Wangen,
+Durch die Maskenöffnung rollten
+Heiße Tränen, und die Farben
+Um die Augen her verloschen.
+
+Darum hab ich mit dem Bande
+Diesen Schaden schnell verborgen,
+Und blieb ferner an dem Abend
+Von dem Toren unverspottet.
+
+Aber nun sollst du die Haare
+Mir für heute Abend ordnen,
+Wie um eine Silbernadel
+Du die deinen hast geflochten.
+
+Willst du mir die Zöpfe machen?
+Ich knie nieder an den Boden,
+Und indessen sollst du sagen,
+Wer dein Vater, wo du wohnest."
+
+Und sie flicht Biondettens Haare,
+Windet sie in feste Knoten,
+Während sie vom Rosengarten
+Spricht und von dem Vater Kosme.
+
+Wie im Traume heut die Schlange
+Gegen sie emporgeschossen,
+Wo der ernste Mann gegraben,
+Der versunken in den Boden.
+
+Wie dann später am Altare
+Sie ihn wieder angetroffen:
+"Ach, da hört ich deine Harfe,
+Hab mit ihm den Kranz geflochten!
+
+Und jetzt hat der blonde Knabe
+Mit dem Lamme und dem Vogel
+Zu bedenken ernst ermahnet,
+Was der ernste Mann gesprochen.
+
+Ach, ich bin mit Angst umfangen!
+Mich umdrängen diesen Morgen
+Jener Mann, der Knab, die Schlange,
+Du, dein Glanz, das Bild der Nonne!
+
+Beten will ich noch heut Abend,
+Beten, recht von Herzen, morgen
+An der armen Mutter Grabe,
+Die mich sterbend hat geboren.
+
+Auch sie ruhet bei Sankt Claren;
+Ich hab morgen angeordnet
+Ihre Messe, eh es taget;
+Willst auch du hin beten kommen?
+
+Aber halte fest, du wankest!
+Sieht, jetzt durch den Flechtenknoten
+Steck ich meine Silbernadel,
+Bleib der Geberin gewogen!"
+
+Und Biondetta spricht: "Die Nadel
+Will ich heut ins Herz mir stoßen,
+Wenn ich auf des Spieles Bahnen
+Mich dem schönsten Tode opfre.
+
+Wenn die Fluten des Gesanges
+Weltlich alle sind zerronnen,
+Wenn die Schwingungen des Tanzes
+Alle nieder sind gezogen.
+
+Wenn die Saiten meiner Harfe
+Weltlich alle sind gebrochen,
+Denk ich deiner, Rosablanke,
+Dient die Nadel mir zum Dolche!
+
+Und das Ringlein, das ich trage,
+Das mit mir gefunden worden,
+Nimm es hin zur Gegengabe!
+Also bin ich dir gewogen!
+
+Aber wähl auch aus dem Schranke
+Irgend ein Gewand dir, Holde!
+Zur Erinnrung dieses Tages
+Zeige es dem Vater Kosme.
+
+Morgen will ich Sankt Claren
+Zu der Totenmesse kommen,
+Und dann dir zum Rosengarten
+Deines ernsten Vaters folgen."
+
+Lange wählet Rosablanke
+Welch Gewand sie nehmen sollte,
+Und Biondetta singt zur Harfe,
+Ihre Rolle wiederholend:
+
+"Lebet wohl, ihr falschen Farben,
+Eitler Tränen Regenbogen,
+Sterne, die mit falschem Glanze
+Dienten einem Flittermonde!
+
+Meine Tränen sollen wachsen,
+Daß sie mit den bittern Wogen
+Ganz mein Irdsches überwallen,
+Bis die Schuld ist hingenommen.
+
+Aus dem Argen in die Arche
+Geh ich, eine Tochter Noä,
+Kleide mich in schwarzer Farbe,
+Wie der Rabe ausgeflogen.
+
+Kleide schwarz mich gleich dem Raben,
+Der als Bote ausgeflogen,
+Und so traurig auf den Wassern
+Schwebte, bis sie abgenommen.
+
+Schleire mich mit weißer Farbe
+Gleich der Taube, die als Bote
+Wiederkehrte mit dem Blatte,
+Das dem Friedensbaum entsprossen.
+
+Sei gegrüßt, du Tag der Gnade!
+Durch den Friedensbogen Gottes
+Will ich zu den Vätern wallen
+Auf der Opferflamme Wolken."
+
+Also sang sie. Rosablanke
+Wählt das Röcklein einer Nonne,
+Weiß den Schleier, schwarz den Mantel,
+Wie die beiden Friedensboten.
+
+Da sie dies im Korb bewahret,
+Und ihn auf das Haupt gehoben,
+Singen scheidend sie zusammen,
+Wie Biondetta angehoben:
+
+"Lebet wohl, ihr falschen Farben,
+Eitler Tränen Regenbogen,
+Sterne, die mit falschem Glanze
+Dienten einem Flittermonde!"
+
+** Romanze V: Guidos Bild
+
+Welch Getümmel in der Ferne,
+Welche wilde, freche Stimmen?
+Ach, ich höre Degen wetzen,
+Höre böse Klingen klirren!
+
+Näher, näher um die Ecke,
+Ganz von Fechtenden umringet,
+Weicht Meliore, mit dem Degen
+Hebt er künstlich auf die Stiche.
+
+"Freistatt!" ruft er dann befehlend,
+Springend nach Mariens Bilde,
+"Diese Zuflucht müßt ihr ehren!"
+Und sein mutger Ruf gelinget.
+
+Denn ein Angesehner stellet
+Sich an seiner Gegner Spitze.
+"Wackre Knaben, meine Herren,
+Lassen Sie uns hier besinnen,
+
+Fromm und höflich unsre Degen
+Senken und fein salutieren,
+Höflich schöner Frauen wegen,
+Fromm vor dem Marienbilde!
+
+Daß Meliore eingestehe,
+Daß uns Zucht und Sitte bindet,
+Wie für Wissenschaft gesehen
+Er die raschen Klingen blinken.
+
+Darum will ich mit ihm reden,
+Unsern Streit nun auszumitteln!"
+Sprichts's und tritt dem Feind entgegen,
+Den die ganze Schar umzingelt.
+
+Doch an den Altar gelehnet,
+Lauscht Meliore auf zur Linde,
+Er hat allen Streit vergessen,
+Denn er hört Biondettens Stimme.
+
+Jener aber spricht: "Mein Bester,
+Keine Wahrheit ist zu finden
+Hier in diesem bunten Leben,
+Darum laßt uns Frieden stiften!
+
+Und da Liebe nur im Sterben
+Kann gefunden" ... "Stille, stille!"
+Spricht Meliore, "ach, es wehet
+Auch kein Lüftchen in der Linde!" --
+
+"Willst du's kurz?" fragt dann der Redner.
+Und Meliore spricht ergimmet:
+"Schweigt sie, magst du ewig reden,
+Schweige ewig, wenn sie singet!"
+
+Jener spricht, zurück sich wendend:
+"Schweigen sollen wir, sie singet!"
+Aber in dem Kreis erheben
+Heftig schreiend sich die Stimmen:
+
+"Er soll gleich zurück jetzt nehmen,
+Was er Apo sprach zum Schimpfe;
+Laßt uns mit dem Degen wetzend
+Überlärmen seine Dirne!"
+
+Und ein frecherer Geselle
+Schreit hinauf: "Ha! schweig sie stille,
+Heilge Jungfrau, um die Wette
+Wollen wir mit ihr eins singen!"
+
+Aber wütend an der Kehle
+Packt Meliore ihn und ringet
+An den Boden hin den Frevler,
+Und es heben sich die Klingen.
+
+Alle dringen ihm entgegen;
+Auf den Altar fliehend springet
+Nun Meliore, sich das Leben
+In der heilgen Freistatt fristend.
+
+"Seinen Mantel werfe jeder
+Nieder, der zu fechten willens,
+Jedes Klinge will ich messen,
+Dem ich Ehre abgeschnitten;
+
+Und da vor so vielen Gegnern
+Ich wohl keine Rettung finde,
+Darum laßt zu Gott mich beten
+Nur noch wenge Augenblicke!"
+
+Eine tiefe Stille ehret
+Seine Bitte, und er kniet;
+Und von zwölfen breiten elfe
+Ihre Mäntel um die Linde.
+
+Wie zwei aufgeschreckte Rehe
+In gehemmter Flucht erzitternd
+Stehn die Jungfraun stumm am Fenster,
+Niederblickend durch die Linde.
+
+Als Meliore sie ersehen
+Ruft er aufwärts: "Wenn ich sinke,
+Liebesengel, Todesengel,
+Bete für mich, wenn ich sinke!"
+
+Und nun springt er an die Erde,
+Seinen Rücken deckt die Linde,
+Zierlich grüßt er mit dem Degen
+Jeden in dem weiten Ringe.
+
+Doch zuerst tritt ins Gefecht
+Den er niederwarf im Grimme,
+Und in tiefen Ängsten schwebend
+Stehn die Jungfrauen und singen:
+
+"Gott und Vater, soll er sterben,
+Lasse seinen Zorn sich stillen,
+Daß er möge Heil erwerben
+Um Herrn Jesu Leiden willen!
+
+Gott und Sohn! Schirm den Gerechten,
+Decke ihn mit deinem Schilde,
+Lasse ihn mit Ehren fechten
+Hier vor deiner Mutter Bilde!
+
+Heilger Geist, das Herz erhelle
+Ihm, dem frommen Schwertumklirrten,
+Daß der böse Feind nicht stelle
+Schlingen dem im Streit Verwirrten!
+
+Und Maria, Mutter, helfe,
+Daß er seinen Judas finde,
+Denn hier stehen wieder zwölfe,
+Wie bei deinem heilgen Kinde!" --
+
+"Gleiche Rechte, gleiche Rechte!"
+Ruft der Gegner, "Brüder singet!
+Hat er sich Musik bestellet,
+Laßt mir auch ein Lied erklingen!"
+
+Und es bricht aus vollen Kehlen
+Ein Gesang mit wildem Grimme;
+An den stillen Mauern brechen
+Widergellend sich die Stimmen:
+
+"Blanke Jungfern, blanke Degen
+Muß man küssen, muß man schwingen;
+Der Schwertfeger weiß zu fegen,
+Sind sie rostig, unsre Klingen!
+
+Wenn der Metzger Messer wetzet,
+Muß sein Weib ein Lied ihm singen,
+Und das Kalb, vom Hund gehetzet,
+Hilft sie leichter ihm bezwingen.
+
+Wetzt, ihr Brüder, wetzt die Degen,
+Weil die schöne Jungfer singet,
+Weil das Kalb sie uns entgegen
+Singend aus dem Stalle bringet.
+
+Blanke Jungfern, blanke Degen,
+Muß man küssen, muß man schwingen;
+Der Schwertfeger weiß zu fegen,
+Sind sie rostig, unsre Klingen!"
+
+Und schon mehret sich die Menge,
+Hergelockt aus allen Winkeln,
+Und es drohet aus der Ferne
+Schon der schwere Tritt der Sbirren.
+
+Von dem wilden Sang erwecket,
+Kam nun Apo auch zu Sinnen,
+Der in seiner Weisheit Netzen
+Hing wie eine giftge Spinne.
+
+Und kaum trat er auf die Schwelle,
+Nähert sich der heilgen Linde,
+Als ein Lebehoch entgegen
+Ihm von allen Lippen dringet.
+
+Aber vor ihm fliegt ein Degen,
+Senkrecht in die Erde dringend,
+Den Meliore seinem Gegener
+Kräftig aus der Faust legierte.
+
+Und Apone fragt verlegen:
+"Wer hat diesen Gruß geschicket?"
+Und Meliore spricht: "Vergebet,
+Es ist meines Gegners Klinge.
+
+Nicht um Ehre, noch um Leben
+Fecht ich hier, bloß um die Klinge:
+Diese euch zu Füßen legend,
+Wählt mein Glück euch selbst zum Richter.
+
+Und ich reich euch meinen Degen,
+Weil ich kann mit beßrer Sitte
+Weder rechten hier, noch fechten!"
+Spricht Apone -- "Werdet stille!
+
+Denn es ist ein schwerer Frevel,
+Jetzt Tumulte anzuspinnen,
+Da der ganze Staat sich trennet
+In zwei feindliche Partien.
+
+Wer jetzt offnen Lärm erreget,
+Gleicht der Krähe, welche pickend
+Auf dem hohen Alpenschnee
+Anstoß gibt zu den Lawinen,
+
+Die sich wälzend mächtig schwellen
+Und verderbend niederdringen,
+Mit des kalten Eises Decke
+Städt und Dörfer überrinnend.
+
+Übt ihr also meine Lehre,
+Die euch auf die stolze Spitze
+Höhrer Anschauung gestellet
+Der Natur und der Geschichte?
+
+O, ihr kramt noch im Elenden,
+Streitend um gemachte Lichter,
+Ihr, die ich so frei gelehret
+Mit den Sternen umzuspringen!
+
+Wollt ihr hier die Gieremei
+Und die Lambertazzi spielen,
+Die blind gen einander fechtend
+Töricht hier ihr Blut vergießen?
+
+Welcher Jammer könnt entstehen,
+Wenn, in euern Lärm sich mischend,
+Die argwöhnenden Geschlechter
+Sich erblickten und erhitzten?
+
+Und schon seh ich allerwegen
+Müßig Volk heran sich ziehen.
+Stecket ruhig ein die Degen,
+Tretet um mich bei der Linde.
+
+Wer war unter euch zugegen
+Und nicht in den Streit verwickelt?
+Er soll treulich das Entstehen
+Dieses Kampfes mir berichten."
+
+Aufgefordert naht der Redner,
+Beißt rhetorisch sich die Lippe:
+"Meister, deine Weisheit ehrend,
+Preis ich selig mein Geschicke,
+
+Daß mir ward ein großer Lehrer,
+Der mich lehrte Frieden stiften.
+Früher schon war mein Bestreben,
+Diesen Zwiespalt zu vermitteln.
+
+Doch mir war der Wind entgegen,
+Der hier weht durch diese Linde,
+Und die reizende Sirene,
+Die in diesen Meeren singet.
+
+Er verachtete mein Reden,
+Und mit frecher Hand beschimpfte
+Jenen er, der von Biondetten
+Eine Pause wollt erzwingen.
+
+Aber nicht um eigne Ehre
+Hat der Kampf sich so erhitzet;
+Herr, es galt um deine Lehre,
+Die er traf mit giftgem Witze!"
+
+Also schloß der falsche Gegner. --
+Apo spricht: "Nun ins Gesichte
+Wiederhole mir die Reden,
+Knabe, die du sprachst zum Schimpfe!"
+
+Doch Meliore hat vergessen,
+Daß er stehet im Gerichte;
+Er gedenket an Biondetten,
+Wie sie sang die Totenhymne.
+
+Was sie fromm für ihn gebetet,
+Als er flehend zu ihr blickte,
+Fühlt er schon als Himmelssegen
+Sich durch alle Adern rinnen.
+
+Wie in geisterfüllte Segel
+Blickt er ins Gewölb der Linde,
+Freudig stößt er ab die Erde,
+Hin nach schönrer Heimat dringend.
+
+Aber wie am Sterbebette
+Rechnend gern der Teufel sitzet,
+Zerrt ihn nun Apones Rede
+Vom Unendlichen zur Ziffer.
+
+"Meister, was Ihr habt begehret,
+Laßt mich gütig nochmals wissen,
+Sagt mir's schnelle, denn die Schwelle
+Meines irdschen Hauses zittert."
+
+Apo spricht: "Was meiner Ehre,
+Meiner Lehre du zum Schimpfe
+Sprachst, des Streites freche Quelle,
+Sollst du in den Bart mir spritzen!"
+
+Und Meliore spricht: "Vollendet
+Hatte Guido grad, der Bildner,
+Ein Gemälde voller Schrecken
+Und zur Schau es ausgestellet.
+
+Wie Aglaure und die Schwestern
+Wild vom Wahnsinn sind ergriffen,
+Kniend um den Korb Athenes,
+Den sie treulos aufgerissen.
+
+Giftig aus dem Korbe strecken,
+Um das Kind Erechtheus ringelnd,
+Sich zwei Schlangen, und Entsetzen
+Packt die törichten Geschwister.
+
+Um den Busen will sich Herfe
+Gürtend eine Schlange winden,
+Und es steigt ihr Haar zu Berge,
+Denn das Tier hängt an dem Kinde.
+
+Und Aglaurens Fäuste treffen
+Rasend ihre eigne Stirne,
+Während Krampf die Füße hebet
+Und zu wilden Sprüngen zwinget.
+
+Und Pandrosa zuchtvergessen
+Hat sich das Gewand zerrissen;
+Antlitz, Busen, Schoß und Lende
+Sind ein Spiegel der Erynnen.
+
+Hinter ihnen steht Athene,
+Ernst in Marmor gottgebildet;
+Bösen Fluges Vögel schweben
+Um der fernen Tempel Zinnen.
+
+Still und mannigfach erreget
+Hatten wir dies Bild umringet,
+Bis, sich ja nicht zu vergessen,
+Einer alle schnell erinnert:
+
+"Jedes Kunstwerk, das vollendet",
+Sprach er und zog hoch die Stirne,
+"Muß, um klar sich auszusprechen, # wird niemals beendet
+Stehen auf ewigen Begriffen.
+
+Doch, wie ich mich auch mag setzen,
+Vor und in und nach dem Bilde,
+Seh ich tot nur vor mir stehen
+Dieses Werk des alten Pinsels. --
+
+Ei, der zweite ihm entgegnet,
+Mit der Schlange bei dem Kinde
+Ist wohl auf das Leid des Herren
+Und den Sündenfall gestichelt. --
+
+Mit den törichten drei Schwestern
+Meinet er, sprach dann der dritte,
+Juden, Christen, Sarazenen
+Streitend um die wahre Kirche. --
+
+Und der vierte nun versetzte:
+Die drei Tugenden der Christen
+Sind es, die sich toll gebärden:
+Glaube, Hoffnung und die Liebe: --
+
+Und ein fünfter sprach: Ich sehe
+Hier entsetzt die Charitinnen
+Vor dem dreigeeinten Helden
+In angstvoller Flucht begriffen. --
+
+Ach, was können, sprach der sechste,
+Juden, Sarazenen, Christen
+Und die Grazien hier erhellen,
+Die doch selbst Allegorien!
+
+Mir sind es die drei Essenzen,
+Die das Wesen Gottes bilden,
+Im Begriffe eins zu werden
+In dem Wahnsinne der Christen.
+
+Und der siebente wollt sehen
+Die drei Punkte Syllogismi,
+Denen Abälard das Wesen
+Der Dreieinigkeit verglichen.
+
+Ja, sprach dann der achte frecher,
+Sie sehn drein wie Heloise,
+Die den Mittelsatz entbehret,
+Weil den Nachsatz er vermisset.
+
+Doch mir sinds drei Fakultäten,
+Theologen, Mediziner
+Und Juristen, sie umgeben
+Tief erschreckt Apones Wiege. --
+
+Und noch schlimmrer Rede Frevel
+Stand ich vor dem Schreckensbilde
+Mehr als durch es selbst entsetzet,
+Doch ich wiederhol sie nimmer!
+
+Und nun trat von seiner Schwelle
+Guido selbst heraus zum Bilde;
+Kahl, ein Greis, in seiner Rechten
+Hielt er eines Messers Klinge.
+
+Und er sprach: Mit frecher Rede
+Habt ihr mir das Herz zerrissen!
+Hat die rächende Athene
+Euch, Gesellen, auch ergriffen?
+
+Wißt, ich war in tiefster Seele
+Lang ob dieser Zeit ergrimmet,
+Welche zu entblößen strebet,
+Was Gott keusch verhüllt will wissen.
+
+Dieses schändlichen Entdeckens
+Strafe wollte ich hier schildern,
+Und ihr treibt denselben Frevel
+Mir vor meinem züchtgen Bilde!
+
+Doch ich folg des Herren Lehre:
+Gibt dein Aug dir Ärgernisse
+Reiß es aus, tritts an die Erde!
+Liebes Bild, ich muß dich richten. --
+
+Und nun riß er mit dem Messer
+Zürnend durch des Bildes Mitte,
+Und zertrat mit bittren Tränen
+Wild sein mühsam Werk mit Füßen.
+
+Seiner lachten noch die Frechen,
+Dem das Liebste sie entrissen;
+Das traf tief ihn in der Seele,
+Und er stand in Tränen zitternd.
+
+Und das Messer aus der Rechten
+Mußt liebkosend ich ihm winden,
+Daß er nicht zum Mörder werde,
+Schmeichelnd in das Haus ihn zwingen.
+
+Seine Axt, die in der Ecke
+Stand -- er ist zugleich ein Zimmrer --
+Mußt die Tochter schnell verstecken,
+Als ich ängstlich ihr gewinket.
+
+Denn er war so tief erreget,
+Daß er gänzlich schien von Sinnen
+Und die Tochter kaum erkennte,
+Vor ihm auf den Knien liegend.
+
+Und er schrie: O Himmel, sende
+Mir die Bären, die zerrissen
+Jene Buben, den Propheten
+Ob des nackten Hauptes schimpfend;
+
+Denn mit Lachen seine Fenster
+Jene gottlos noch umringten,
+Und die Laden vorzulegen
+Wollten sie mich schmähend hindern.
+
+Schrieen scherzend: Freund, wir sehen
+Uns dir heut sehr tief verpflichtet,
+Weil du für uns einen Bären
+Angebunden beim Philister! --
+
+Da ich nun hinausgetreten,
+Derb die Schmach mir zu verbitten,
+Fragte mich dort jener Gegner
+Höhnend mit dem frechen Witze:
+
+Lag das Findelkind Biondette
+Auch in solchen Schlangenwindeln,
+Weil du, gleich den tollen Schwestern,
+Sinnlos wardst, sie anzublicken? --
+
+Alle lachten Beifall gebend.
+Fassen konnte ich mich nimmer,
+Und ich trat ihm wild entgegen,
+Sprach zu ihm mit scharfer Stimme:
+
+Schäm der Rede dich! Athene
+Schämte auch sich dieses Kindes,
+Denn sein Vater war, du Frecher,
+Frech und wie dein Gleichnis hinkend!
+
+Willst du deutelnd schärfer treffen,
+Sprich: Des Teufels Hirngespinste,
+Die mein Lehrer Weisheit nennet,
+Sah ich in Erechteus Windeln!
+
+Denn im trunkenem Erfrechen
+Will sie sich mit Gott vermischen,
+Und empfangen von der Erde
+Gleicht sie wohl dem Drachenkinde.
+
+Gleicht das trübe Wortgefechte,
+Das die Schule um uns stricket,
+Nicht dem Korb, in dem sich's dehnet,
+Wenn die Schlangen aufwärts dringen?
+
+Springt der Decke, und ihr stehet
+Auf dem Standpunkt: den Alciden
+Glaubt ihr in dem Korb zu sehen,
+Wie er Schlangen würgt im Schilde!
+
+Schreit auch wohl: "Ich will vergessen,
+Daß im Spiegel dies gebildet,
+Daß ich selbst ein Gott hier stehe,
+Der sich auf sich selbst besinnet!
+
+Und den letzten Flug erhebend
+Zu den Göttern aufzudringen,
+Bringt, den Gnadenstoß zu geben,
+Euch der Teufel gar von Sinnen.
+
+Euch steht nur das Haar zu Berge,
+Und dies nennt ihr reines Wissen;
+Nennts der Isis Schleier heben,
+Hebt ihr schamlos euern Kittel!
+
+Wie durchs Maul und um die Kehle
+Schlechte Gaukler Viper schlingen,
+Zieht der Teufel eure Seelen
+Sich durchs Maul philosophierend.
+
+Und ihr könnet nicht mehr beten
+Und ihr könnet nicht mehr dichten.
+Die die Schlange hat zertreten,
+Ist barmherzig, Gott ist Richter! --
+
+Also habe ich geredet,
+Zwar erregt, doch wohl bei Sinnen,
+Und sie drängten mit dem Degen
+Mich bis zu der heilgen Linde,
+
+Wo ich zu Biondettens Ehre,
+Aber nicht zu Eurem Schimpfe,
+Ruhig bliebt bei meiner Rede.
+Meister, nun seid Ihr der Richter!"
+
+Und Apone zornbeweget
+Spricht mit falscher Kälte: "Immer
+Betend, horchend, fechtend, redend
+Finde ich dich bei der Linde!
+
+Jacopone, dein gelehrter
+Bruder, lehrt dich wohl die Schliche;
+Er kann auch die Worte drehen
+In der Kirch und vor dem Richter.
+
+Er, der die Parteien hetzet,
+Um sie künstlicher zu schlichten,
+Als wenn ich ein Bein verrenkte,
+Um es wieder einzurichten.
+
+Ihn, der naseweis sich stellet
+In der Fraktionen Mitte, # Faktionen
+Werden einst die Schweine fressen
+Weil er sich der Kleie mischet.
+
+Du bist von ihm angestecket,
+Dem juristischen Philister,
+Der verachtend meine Lehre
+Im lateinschen Stalle mistet.
+
+Doch die Gieremei werden
+Einst verfluchen seine Listen,
+Und die Lambertazzi werden
+Einst bereuen seine Pfiffe.
+
+Und ihr Streit wird dann erst enden,
+Wenn in seines Herzens Mitte
+Ihre Klingen sich begegnen,
+Einen ewgen Frieden stiftend!"
+
+Und Meliore spricht: "O Lehrer,
+Übel bleibst du bei der Klinge;
+Um mich bitterer zu treffen,
+Willst du meinen Bruder schimpfen!
+
+Ungerechter, den gerechten
+Bruder du statt meiner schimpfest,
+Denn du träffst auf den Unrechten,
+Schimpftest du ihm zu Gesichte!
+
+Um das Recht mit Spott zu treffen,
+Willst die Rechte du beschmitzen,
+Doch ich räche den Gerechten,
+Deines Beispiels mich bedienend.
+
+Du sprachst, unser Streit sei Frevel,
+Weil er leicht das Volk erhitze,
+Und im Zorne wirst du selber
+Jener Anstoß der Lawine!
+
+Ob dem reinen Glanz des Schnees
+Leicht ein dunkler Rab erbittert,
+Und den bösen Schnabel wetzend,
+Stößt er nieder die Lawine!
+
+Schmähst du meines Bruders Ehre,
+Dieser Musenalpe Zierde,
+Sonnenglänzend auf dem ewgen
+Eispalaste der Juristen,
+
+Schmähst du ewige Gesetze,
+Der Gesellschaft Urgranite,
+Dann schimpfst du den Kern der Erde,
+Der zum Licht dringt in Gebirgen!" --
+
+"Ja, ich schmähe," sprach der Lehrer,
+"Die Pandektentitel-Flicker
+Und die unfruchtbaren Rechte,
+Kahl wie deine Urgranite!
+
+Die sich immer kahl vererben,
+So wie öder Berge Gipfel,
+Von Geschlechte zu Geschlechte
+Ihre alten Knoten schlingend.
+
+Und wie magst du diese Zwerge
+In papiernen Nestern nistend,
+Noch vergleichen mit den Bergen,
+Die juristischen Philister?"
+
+Und Meliore spricht: "Die Zwerge,
+Ja sie wohnen in Gebirgen,
+Schmieden dort die starken Schwerte,
+Eitle Riesen zu bezwingen.
+
+Aus der Tiefe mit den Bergen
+Wächst das Eisen auf zum Lichte,
+Und von ihnen wiederkehret
+Alles zu der Tiefe wieder.
+
+So steigt nieder von den Bergen
+Die Natur, und ihren Gipfeln
+Sind die weiten Sündflutmeere,
+Ist der Zorn zuerst entwichen.
+
+So steigt nieder von den Bergen
+Die Geschichte: auf der Spitze
+Sinai gab Gott Gesetze
+Mosen für die Israliten.
+
+Wenn die Erde längst verwelket,
+Steht noch das Granitgerippe,
+Und des Wassers Flut begegnend
+Heulet drum das Spiel der Winde.
+
+So auch stehen die Gesetze,
+Wenn die Staaten rings versinken
+Und unzählige Geschlechter
+An dem alten Recht sich bilden."
+
+Apo spricht: "Das Recht so kennend,
+Wirst du das Gesetz auch wissen,
+Daß Bologna Repetenten
+Nie erkennt ungraduieret.
+
+Und du hast das kaum Erlernte
+Dennoch mir hier repetieret;
+Du kurzärmiger Geselle,
+Wisse, daß du delirierest!
+
+Denn die Kerkerstrafe stehet
+Auf dem offnen Disputieren
+Von Studenten gegen jeden,
+Den die höhern Würden zieren." --
+
+"Ja, ich kenne die Gesetze,"
+Spricht Meliore, "und die Pflichten
+Eines Christen, daß er rede
+Den Verkehrten ins Gewissen." --
+
+"Predge weiter," sprach der Lehrer,
+"Und entpflichte dich, mein Christe,
+Daß ich dem Gesetz dich gebe
+Ungestört in deinen Pflichten!"
+
+Und Meliore sprach: "Ich nenne
+Jene Berge, euch Gewitter;
+Euer dunkelmaulend Wesen
+Ist nur dunkel, um zu blitzen.
+
+Seit die Welt im Zirkel gehet,
+Kühlet sich das Wetter blitzend,
+Doch, als sei's das erst und letzte,
+Bläht sich jegliches Gewitter.
+
+Nur daß man die Sterne heller
+Sehe auf der Berge Gipfel,
+Lasset ihr, euch selbst verwetternd,
+Euren trüben Schwall verwittern.
+
+Und wo werdet ihr dan stehen,
+Wann zuletzt der ewge Richter
+Nach den ewigen Gesetzen
+Euch und jene kommt zu richten?
+
+Die geschimpfet auf die Recht,
+Werden stehen auf der Linken,
+Da wo Gottes Affen stehen,
+Die gefallnen Engel hinkend.
+
+Die unzähligen Systeme
+Frevelnder Philosophien
+Werden flehen, bei den Hexen
+Auf den Besen aufzusitzen.
+
+Ihr Allfresser, wo des ersten
+Magen noch der zweite frisset,
+Wenn ihm selbst schon aufgefressen
+Seinen Magen hat der dritte!
+
+Ja, der Teufel wird den letzten
+Noch zertrennen in der Mitte,
+Daß das Maul den Leib kann fressen;
+So wird sich die Kete schließen!
+
+Meister, du hast diese Schwerter
+In der Schule selbst geschliffen,
+Höhre Anschauung mich lehrend
+Der Natur und der Geschichte." --
+
+Aber zu dem Volk gewendet
+Ruft Apone: "Holla, Sbirren,
+Diesen Jüngling führt zum Kerker!"
+Und Meliore wird umringet.
+
+Nochmals blickt er nach Biondetten,
+Folget freudig dann den Sbirren,
+Als sollt er zur Hochzeit gehen,
+Denn er höret ihre Stimme.
+
+Und zu seinem Turme kehret
+Apo wird, finstern Blickes;
+Brach er gleich den Speer der Rede,
+Haftet tödlich doch der Splitter.
+
+Freudig nichtig, gleich Raketen,
+Luftgetragen auf den Stimmen
+Hört er noch ein Vivat brennen,
+Und der Schwarm verliert sich singend.
+
+Leise Lüfte hör ich wehen,
+Schüchtern kehren zu der Linde
+Auch die Vögel, und es treten
+Aus dem Haus die beiden Kinder.
+
+Rosablanka und Biondette
+Grüßen sich mit stummen Winken;
+Da sich ihre Wege trennen,
+Lassen sie die Blicke sinken.
+
+** Romanze VI: Pietro
+
+Sieh, es schürzet Rosablanke
+Sich ihr Röcklein vor dem Tore,
+Rückt den Korb, daß er nicht wanke,
+Sich bequemer auf dem Kopfe.
+
+Ganz befangen in Gedanken
+Und erfüllt mit neuer Sorge
+Eilet durch das Feld die Schlanke
+Wie auf traumbeschwingter Sohle.
+
+Höret nicht den "Guten Abend",
+Den der Wandrer ihr geboten,
+Und erwidert kaum das Amen
+Auf ein: Jesus sei gelobet!
+
+Aber an den letzten Garten
+Steht des Gärtners Fenster offen:
+"Rosablanke, Rosablanke!"
+ruft er ihr mit freudgem Tone.
+
+"Willst du so vorüber wandeln?
+Nimm vorlieb; hier sind Melonen,
+Feigen, Ananas, Orangen,
+Alle bloß für dich gebrochen!
+
+Lange hab ich dein geharret;
+Die mit dir zum Markte zogen,
+Sind schon lang zurückgewandert.
+Wo hast du so lang verzogen?"
+
+Und die Jungfrau spricht, sich sammelnd:
+"Bald hätt ich mein Wort gebrochen,
+Aber lieber mirs erlasse,
+Denn es sinket schon die Sonne!
+
+Ängstlicher, als du geharret,
+Harret mein der Vater Kosme.
+Sieh, wie lange schon die Schatten!
+Wäre ich den Berg erst oben!
+
+Sei Geleitsmann deinem Gaste,
+Ich will deine Güte loben!"
+Also bittet Rosablanke;
+Jener greift nach seinem Korbe,
+
+Füllt ihn unten mit Orangen,
+Legt die zarten Feigen oben,
+Hängt zur Schulter ihn am Stabe,
+Tritt heraus und schließt die Pforte.
+
+Und er spricht zur Seite wandelnd:
+"Zürnen hätt ich mit dir sollen,
+Sehnlich hab ich dein geharret,
+Und nun ist auch dies verloren!
+
+Dies ist ihrer Schritte Schallen,
+Glaubt ich, wenn mein Herz so pochte,
+Blickte ängstlich durch die Kammer
+Ob auch alles sei geordnet.
+
+Und wenn ich dann wieder dachte:
+Sie versprach dirs nur zum Hohne,
+Fühlt das Herz ich lauter schlagen
+Als den Tritt der leichten Sohlen.
+
+Wer mir bot den guten Abend,
+War an mir zum Lügner worden,
+Und die schnellen Stunden standen
+Boshaft still an meiner Pforte."
+
+Also sprach er. Tränen drangen
+Ihm ins Aug, geheime Boten
+Züchtger Flamme, die gefangen
+Lag bis jetzt im Jugendstolze.
+
+Doch dies fühlt nicht Rosablanke.
+Ungeschickt zu seinem Troste
+Spricht sie: "Gib mir die Orangen,
+Die du für mich abgebrochen!"
+
+Nimmt die goldne Frucht und danket.
+Mutiger spricht er: "O Holde,
+Wolltest du mit gleichem Danke
+Nehmen, was du selbst gebrochen!
+
+Was vertraulich bei dem Mahle
+Ich, dein Wirt, dir bieten wollte,
+Dieses Herz muß auf der Straße
+Scheu und unstet ich dir opfern.
+
+Mich ernähret wohl mein Garten;
+Um Bologna aller Orten
+Siehst du keinen so gewartet
+Und so vorteilhaft geordnet.
+
+Und, verzeih, ich muß es sagen;
+Also hab ich ihn erzogen
+In dem heimlichen Verlangen,
+Daß du drinnen mögest wohnen.
+
+Wärst du mit hineingegangen,
+Unter bunten Blumenkronen
+Eine Königin, empfangen
+Hätt ich dich mit dieser Krone!"
+
+Und nun setzt er Rosablanken
+Auf das Haupt die Blumenkrone,
+Die er in dem Korb bewahret,
+Ruhend auf den Früchten oben.
+
+Und die Jungfrau in Gedanken
+Gehet mit bekränzten Locken
+Ihm zur Seite durch den Abend,
+Gleichend einer stummen Flore.
+
+Pietro aber spricht: "Dein Vater
+Könnte dann bei uns auch wohnen,
+Und er wäre nie verlassen,
+Eines blieb ihm stets zum Troste.
+
+Und an manchem schönen Abend
+Kömmt mein Bruder Jacopone,
+Der an Weisheit hochgeachtet,
+In den Garten, sich erholend.
+
+Und zur Freundin wirst du haben
+Rosarosen, seine fromme
+Stille Gattin; dir gefallen
+Wird mein Bruder auch, Meliore."
+
+Aber stumm bleibt Rosablanke,
+Und der Jüngling spricht betroffen:
+"Schweige nicht, o laß mich Armen
+Nicht in zweifelhaftem Troste.
+
+Seit als Gärtner deinem Vater
+Ich gepflegt die roten Rosen,
+Trag ich heimlich, Rosablanke,
+Weißer Rosen bittre Dornen.
+
+Ich versetzte ihm im Garten
+Weiße, rote, gelbe Rosen
+Und begehrt am letzten Abend
+Eine weiße mir zum Lohne.
+
+Da gabst du von deinem Stamme
+Mir ein Zweiglein, dicht in Moose
+Hüllt ich's, trug's zu meinem Garten,
+Stellt es in den besten Boden.
+
+Schonend ist der Sonne Wagen
+Über dieses Reis gezogen,
+Segnend hat des Mondes Schale
+Guten Tau zu ihm gegossen.
+
+Hoch bei goldnen Pomeranzen
+Rankt sie aus den grünen Wolken,
+Deines Namens Sternbild strahle
+Günstig meinem Horizonte!
+
+Paradiesisch blüht der Garten,
+Seit die Rose bei mir wohnet,
+Und ich gleich dem ersten Manne,
+Eh das Weib geschaffen worden."
+
+Aber Rosablanke dachte
+Nun des Traums von diesem Morgen,
+"Pietro," sprach sie, "eine Schlange
+Rankt um deinen Baum die Rose!
+
+Und der Herr hat sie geschaffen
+Aus der sehnsuchtvollen Woge
+Seines Busens; des Entschlafnen
+Herz entstieg die Traumgeborne.
+
+Die Orange wird zum Apfel,
+Und der Apfel wird zum Tode,
+Willst du schließen in die Arme,
+Die dir in dem Herzen wohnet.
+
+Heute früh in meinem Garten
+Grub er traurig bei den Rosen
+Nach dem göttlichen Erbarmen,
+Das er mit dem Weib verloren.
+
+Und die bunte, böse Schlange
+Drang zu mir und meinen Rosen,
+Doch Mariens Füße traten
+Nieder diese Schuld des Todes.
+
+Nimm zurücke die Orange,
+Die du mir vom Baum gebrochen,
+Denn ich teile keinen Apfel
+Weil der Herr um mich gestorben."
+
+Also redet Rosablanke.
+Pietro schweigt, und tief betroffen
+Legt der Jüngling die Orange
+Zu den andern in dem Korbe.
+
+Schweigend gehn sie nun zusammen
+Bis zu der Kapelle oben,
+Und des Abends Zaubergarten
+Schwankt vor ihrem Aug entrollet.
+
+Aus den Tälern wächst der Schatten,
+Und es betet schon die Sonne
+Ihren Abendsegen, schwankend
+Auf des Waldes goldnen Kronen.
+
+Durch des Himmels Gründe wallen
+Wolkenschafe, goldgeflocket;
+In dem Abendmeere badend
+Trinken sie die Purpurwoge.
+
+Und zum Rosengarten wandelt
+Sich zu baden nun die Sonne,
+Einen Mantel webt im Schatten
+Ihr die Nacht aus grauem Flore.
+
+Als sie schwebet ob dem Bade,
+Gleicht es einem Feueropfer,
+Sie dem Phönix, der mit Flammen
+Sich verjünget in dem Tode.
+
+Aber rings aus Luft erstarren
+Hohe Purpurburgen, golden
+Wundervolle Inseln wachsen
+Aus des Äthers glühnden Wogen.
+
+Und die Inseln werden Drachen
+Und die Burgen all Sankt George
+Und der Sonne Strahlen Lanzen,
+Gen die Drachen blank erhoben.
+
+Aber ewig sich verwandelnd,
+Wo sie aufeinander stoßen,
+Ziehn sie eine Bucht kristallen
+Um der Sonne Bad voll Rosen.
+
+Wie ein Schäfer scheu und schmachtend,
+Lauschend schleicht auf leichten Sohlen
+Zu der spröden Hirtin Bade,
+Zieht der Mond schon hinter Wolken.
+
+Nieder zuckt sie gleich Dianen;
+Jungfräulich erglühnd im Zorne
+Spritzt empor sie Goldkristalle,
+Birgt den Schoß im Wellenschoße.
+
+Und der Mond, den Tropfen trafen,
+Steht gehörnt gleich Aktäone,
+Und zu Sternen rings erstarren
+Um ihn her die goldnen Tropfen.
+
+Mahnend zieht die Nacht den Mantel
+Vor des Unterganges Tore,
+Und die Herzen fühlen alle,
+Wer verloren, wer gewonnen.
+
+Seine Schmerzen nicht mehr fassend,
+Spricht nun Pietro: "Deine Rosen,
+Sonne, sind im Abendgarten
+All verblutet an den Dornen.
+
+Paris gab den goldnen Apfel
+Liebend hin der Schaumgebornen,
+Aber mir ward ausgeschlagen
+Die Granate, scheu geboten!
+
+Und die Sonne gleicht dem Apfel,
+Paris gleicht dem Silbermonde,
+Und das Meer des Unterganges
+Der entschleierten Dione.
+
+Aber ach, meine Granate
+Gleicht den Äpfeln von Gomorrha,
+Innen voll von giftger Asche,
+Außen lustig und voll Wohnne.
+
+Und es drohet mir die blanke
+Todessichel dort des Mondes,
+Wie in meinem armen Garten
+Tödlich steht die weiße Rose!" --
+
+"Pietro!" spricht nun Rosablanke,
+"Umschaun hat der Herr verboten,
+Sahst du in den Abendflammen
+Sodom und Gomorrha lodern.
+
+Gab zurück ich dir den Apfel,
+Denk getröstet meiner Worte:
+Keinen Apfel mit dem Manne
+Teil ich; Jesus ist gestorben!
+
+Lasse sinken all dies Trachten,
+Lasse sinken diese Sonne,
+Lasse wachsen diese Schatten!
+Sinkt zur Ruhe, wächst zum Troste!
+
+Sieh, die Kerne der Granate,
+Die verglichen du der Sonne,
+Sind als Sterne aufgegangen,
+Leuchtend zu den Ewgen Lobe.
+
+Betend sollst du nun betrachten,
+Wie gehütet von dem Monde
+Sie wie Gottes Lämmer wandern,
+Und du sollst nicht trauern wollen.
+
+Trauern nicht um die Granate,
+Trauern nicht um eine Rose,
+Trauern nicht um Rosablanke,
+Die dem Himmel sich verlobet!"
+
+Und nun nimmt sie die Gewande
+Von Biondetten aus dem Korbe,
+Legt sie an und fromm verwandelt
+Steht sie eine weiße Nonne.
+
+Pietro spricht: "Leb wohl, zum Garten
+Kehre ich, die Hochzeitskrone
+Pfleg ich dir, dir muß sie tragen
+weiße Rosen, mir die Dornen!"
+
+Und zur Erde kniet er jammernd,
+Aus den dunklen Augen flossen
+Tränen heiß, und seine Arme
+Hielt er schmerzemporgehoben.
+
+Aber in den Büschen raschelt's,
+Und die Jungfrau spricht: "Es kommen
+meine Freunde, ausgegangen
+Sind die Hirsche, mich zu holen.
+
+Beten werd ich noch heut abend,
+Daß die kühlen Tauestropfen
+Diese Nacht dein Herz erlaben,
+Und dich ruhig seh der Morgen."
+
+Pietro spricht: "Es wird die Flamme
+In der Nacht noch wilder lodern,
+Büßend streue meine Asche
+Sich ins falbe Haar Aurore!"
+
+Doch sie schreitet zu dem Walde:
+"Jesus Christus sei gelobet!"
+Pietro spricht ein leises Amen,
+Und der Mond tritt aus den Wolken.
+
+** Romanze VII: Kosmes Buße I
+
+Allem Tagewerk sei Frieden,
+Keine Art erschallt im Wald,
+Alle Farbe ist geschieden,
+Und es raget die Gestalt.
+
+Tauberauschte Blumen schließen
+Ihrer Kelche süßen Kranz,
+Und die schlummertrunknen Wiesen
+Wiegen sich in Traumes Glanz.
+
+Wo die wilden Quellen zielen
+Nieder von dem Felsenrand,
+Ziehn die Hirsche frei und spielen
+Freudig in dem blanken Sand.
+
+In der Düfte Schwermut wiegen
+Sich die Rosen in den Schlaf,
+Das Geheimnis ruht verschwiegen,
+Das sie in den Busen traf.
+
+Und es wandeln, die sich lieben,
+Flüsternd auf dem selgen Pfad,
+Wo sie gestern Scherze trieben,
+Zu des Meeres Glanzgestad.
+
+Die Sirene stimmet wieder
+Ihre giften Lieder an,
+Und die Herzen tauchen nieder
+In untiefen süßen Wahn.
+
+Denn es schied die Sonne wieder
+In der ewgen Flammen Pracht,
+Und es hebt die dunklen Glieder
+Abermals die alte Nacht.
+
+Und die Erde aufgeriegelt
+Sendet ihren Geist heran,
+Um das Haupt schwebt sternbesiegelt
+Ihm der blaue Weltenplan.
+
+Und des Waldes dunkle Riesen
+Drängen sich ums enge Tal,
+Und durch ihre Kronen gießen
+Sterne geisterhaften Strahl.
+
+Aus der Tiefe aufgewiegelt
+Wachsen stumme Brunnen an,
+Drinnen schaun sich mondumspiegelt
+Die Gedanken traurig an.
+
+Vor der Hütte setzt sich nieder
+Kosme, lauschet nach dem Wald,
+Ob nicht aus der Ferne wieder
+Seines Kindes Stimme schallt.
+
+Ob sie jenseits aus der Tiefe,
+An dem schroffen Felsenhang,
+Nicht das treue Echo riefe
+In dem nächtlich späten Gang.
+
+Aber nur die Melodieen
+Höret er der Nachtigall,
+Und zu seinem Herzen ziehen
+Nicht der Töne Flug und Fall.
+
+Ihm ergießet keinen Frieden
+Der prophetschen Sterne Strahl,
+Alle seine Pulse schmieden
+Eines bösen Schwertes Stahl.
+
+Die Milchstraße sieht er liegen
+In des blauen Himmels Bahn;
+Da stehn aller Waisen Wiegen,
+Lehret ihn ein frommer Wahn.
+
+Und er denkt der bösen Liebe
+Und der Früchte, die sie gab,
+Die in sündlich frechem Triebe
+Er dem Schicksal übergab.
+
+Und die Sünde warf ihn nieder,
+Fesselt ihn in schwerer Acht,
+Und mit bitterem Gefieder
+Rauscht um ihn die böse Nacht.
+
+Tief in Ängsten schon erlieget
+Er des Herzens bangem Schlag,
+Denn in dieser Nacht gewieget
+Wird verhängnisvoll ein Tag.
+
+Denn das Weib, das er geliebet,
+Ging zu Grabe diese Nacht,
+Und die Tochter, die er liebet,
+Kam zum Leben diese Nacht.
+
+Und die Sünde, nie besieget
+Durch der Reue bittre Macht,
+Jene Schuld, der er erlieget,
+War erzeuget diese Nacht.
+
+Und er wühlet in der Tiefe
+Seiner Brust der Sünde nach,
+Daß die Reue nicht entschliefe,
+Schreit er seine Tote wach.
+
+Und er sieht sie heilig knieen,
+Wie er sie durchs Gitter sah,
+Sieht sie dann die Glocke ziehen,
+Da der böse Feind ihm nah,
+
+Der die Farben ihm gerieben,
+Als ein heilig Bild er malt,
+Und den Schuldbrief ihm geschrieben,
+Den nur ewger Tod bezahlt.
+
+Ach! auch sie ist da erschienen
+Seinen Augen keusch und klar,
+Wie sie als Modell sollt dienen
+Zu dem Bilde am Altar.
+
+Mit den frommen heilgen Mienen,
+Mit den Rosen in dem Haar;
+Seinen Augen, brünstgen Bienen,
+Sie die süße Blume war.
+
+Lust und Sünde sieht er wieder,
+Bis sie tief im Elend starb,
+Die Verzweiflung reißt ihn nieder,
+Weil er sie durch Lust verdarb.
+
+Ach, daß alle Berge fielen
+Und bedeckten ihn im Tal!
+Wollten doch die Blitze zielen
+Auf sein nackte Haupt zumal!
+
+Ach, daß alle Wasser stigen,
+Und es säh der neue Tag
+Öde, weite Fluten liegen,
+Wo er heute weinend lag!
+
+Möchte dann die Taube fliegen
+Mit dem milden Frühlingsblatt,
+Sich en Friedensbogen biegen,
+Wo er schwer gebüßet hat.
+
+Aber weh! das Nachtgefieder
+Schwingt der Rabe wild und hart,
+Stürzt sich auf sein Haupt hernieder
+Das in bösem Traum erstarrt.
+
+Kalte Schrecken um ihn fließen,
+Und Entsetzen sträubt sein Haar:
+Wehe, dorten auf den Wiesen
+Werden die Gesichte wahr!
+
+An dem Walde ist erschienen
+Eine weibliche Gestalt,
+Von dem Haupte mondbeschienen
+Das Gewand herniederwallt.
+
+Gleich wie weiße Schwäne fliehen
+An der dunklen Wälder Rand,
+Sieht er eine Nonne ziehen
+Längs des Gartens Schattenwand.
+
+Jetzt sieht er den Schleier fließen,
+Sieht die Füße blank und bar,
+Sieht den Strick den Leib umschließen
+Und die Rosen in dem Haar.
+
+"Wehe, wehe, noch hienieden
+Schwebst du, teure Seele, arm!
+Wehe, wehe, noch kein Frieden!
+O, daß sich der Herr erbarm!"
+
+Und der Schrecken reißt ihn nieder,
+Doch ihn faßt kein kalter Arm:
+"Vater, find ich so dich wieder?
+O, daß Gott sich dein erbarm!"
+
+** Romanze VIII: Kosmes Buße II
+
+Nieder stieg die Sonne wieder
+Auf des stummen Hügels Rand
+Und sieht scheidend ernst hernieder
+In das dämmervolle Land.
+
+Ihre Strahlen fallen schiefer
+An der engen Kammer Wand,
+Malend an der Kerze, tiefer
+Sinket Kosme fleißge Hand.
+
+Lang nach jenem Bilde sieht er,
+Das er hänget an die Wand,
+Und zur Erde kniet er nieder,
+Weit die Arme ausgespannt.
+
+Und er spricht: "O Herr, den Frieden
+Gabst du, an das Kreuz gespannt,
+Und das Kreuz, es blieb hienieden,
+Du hast dich zu Gott gewandt.
+
+Sieh gekreuzet mich hier knieen
+In der schweren Sünde Last,
+Bis du, Herr, auch mir verziehen,
+Auch für mich gelitten hast.
+
+Ach, das Herz ward dir durchspießet
+Von verräterischem Stahl,
+Blutge Versöhnung sprießet
+Aus der heilgen Wunden Mal.
+
+Aber ach, die Sonne spielet
+Ewig nur mit meiner Qual,
+Ewig, ewig sie mir zielet,
+Nimmer tötet mich ihr Strahl.
+
+Wenn so rasch die Wolken fließen
+Um den nackten Feuerball,
+Alle Narben sich erschließen,
+Aufstehn meine Sünden all.
+
+So wenn einst die Engel ziehen
+Mit der Zornposaune Schall,
+Nahn die Toten aufgeschrieen
+In des Wahnes Widerhall.
+
+Nieder schmilzt der Sonne Siegel
+Vor des Richters jüngstem Tag,
+Es zerbricht des Todes Riegel,
+Klar steht, was verloren lag.
+
+Und der ewgen Schönheit Spiegel
+Spiegelt jegliche Gestalt,
+Und des Rechtes Feuertiegel
+Prüfet jeglichen Gehalt.
+
+Wohin soll ich dann mich schmiegen-
+Wenn das Licht hoch überwallt?
+In dem Staube werd ich kriechen
+Mit der Schlange Mißgestalt.
+
+Weh, die Sonne sinkt, vergießend
+Blutge Tränen ohne Zahl,
+Und aus ihren Tränen sprießen
+Tausend Tränen bittrer Qual.
+
+Und es weinen die Verliebten
+Einsam in vergeßner Schmach,
+Und es weinen die Geliebten,
+Denen man die Treue brach.
+
+Unter gingst du, Lustgezierte,
+Der die Ehe mich verband,
+Der aus schändlicher Begierde
+Pflicht und Treue ich entwand.
+
+Blutschuld ist die Rosenzierde
+In der Sonne Untergang:
+Fluch der teuflischen Begierde,
+Die mit Sünde dich verschlang.
+
+Alle Tränen, die du gießest,
+Sinkend auf der ewgen Bahn,
+Bis du deine Augen schließest,
+Wachsen mir zur Sündflut an.
+
+Und auf ihrer Woge ziehet
+Dort des Mondes bleicher Kahn,
+Aber keine Taube fliehet
+Mit dem Ölblatt mir heran.
+
+Mond, wie blinkst du bleich und siechend
+An des Abends Rosengrab,
+Wo die Sonne still versiegend
+In den Schatten sinkt hinab.
+
+Rosalata, du sankst nieder
+Mit dem roten Rosenkranz,
+Rosatristis, du kehrst wieder
+Mit der weißen Rose Glanz.
+
+Mond, ich sah dich mahnend ziehen
+Wie ein Geist die Wolkenbahn,
+Und ich muß hier weinend knieen,
+Klagen mich der Sünde an.
+
+Eile nicht, vorüberfliehend
+Mit der Sichel scharf und blank;
+Schneide ab den Stamm, der knieend
+An der Erde welk und krank.
+
+Eine Wagschal, hoch auffliegend,
+Hebt die Buße dich hinan,
+Meine Sünde nie aufwiegend
+Klagest du vor Gott mich an.
+
+Wie so weiß dein Schleier fliehet,
+Nonne, durch den Sternensaal,
+Mit dir betend, büßend, ziehet
+Still der Sterne Nacht-Choral.
+
+Aus der Unschuld Paradiesen,
+Wo du trugst den Rosenkranz,
+Irrest du, durch mich verwiesen
+Mit des Schwertes Feuerglanz."
+
+Doch der Mond zog stillverschwiegen
+Hinter eine Wolkenwand,
+Ließ ihn ungetröstet liegen,
+Wo er ihn in Tränen fand.
+
+Und er hebt sich von den Knieen,
+Als er sein Gebet vollbracht;
+Aber ihm ward nicht verziehen.
+Auf dem Tale lag die Nacht.
+
+** Romanze IX: Apo und Moles auf dem Turme
+
+In des Turmes höchster Kuppel,
+Unter seinem Fuß die Glocke,
+Sitzt Apone, und die Uhren
+Rasseln unter ihm im Boden.
+
+In des hohlen Spiegels Runde,
+Gegenüber einem Loche,
+Sieht die weite Stadt er ruhen
+Abgetürmt am Horizonte.
+
+Doch des Meisters Blicke suchen
+Rings umher im weiten Bogen,
+Bis sie auf der hohen Kuppel
+Des Theaters fest geworden.
+
+Also mit den Augen wurzelnd
+Sieht er ziehn die wilden Wolken,
+Und die hohen Sterne funkeln
+Aus des Himmels tiefer Woge.
+
+Und er spricht mit finsterm Munde:
+"Venus, du bist mir gewogen,
+Du hast mich zu guter Stunde
+Immer mächtig angezogen!
+
+Alle kenn ich euch, ihr Kunden,
+Die, man sagt, den Herren loben,
+Doch der Herr sitzt manchmal unten
+Und die Diener stehen oben!
+
+Sterne, ich bin euch verbunden,
+Ich hab mich mit euch verwoben,
+Und ich kenne eure Stunden,
+Lasse euch nicht warten droben.
+
+Auf der Erde gehn die Dummen,
+Wissen nicht, was ihr nur wollet,
+Doch ich kenne eure Summen,
+Ja, ich weiß auch, was ihr sollet!
+
+Halb nur sind die Kreaturen,
+Denen Gott die Stirn erhoben
+Und die göttlichen Naturen
+Nicht erkennen, die da droben.
+
+Als der große Geist des Grundes
+Wollte überm Lichte wohnen,
+Überschlug er sich im Sturze,
+Und das Schwere ward geboren.
+
+Und das Leichte muß sich suchen,
+Daraus ward das Licht geboren;
+Schweres Dunkel war nun unten,
+Leichtes Licht, das schwebte oben.
+
+Und das Schwere war umrungen
+Von dem Leichten, und es rollet,
+Bis geboren war das Runde,
+Das unendlich ist geformet.
+
+Da das Licht dazu gedrungen,
+Ist das Feuer aufgelodert,
+Hat mit seiner bösen Zunge
+Schnell das Wasser hergelocket.
+
+Und aus dieses Kampfes Schwunge
+Ward der Raum zur luftgen Woge,
+So daß, wenn der eine zucket,
+Wird der andre angestoßen.
+
+Und dem Kampfe ist entsprungen,
+Was hienieden irdisch wohnet,
+Was da droben himmlisch rundet,
+Was im Ganzen göttlich thronet.
+
+Der gespalten, was verbunden,
+Ist der Geist zum Fleisch geworden,
+Aber Fleisch war eine Zunge,
+Und die Zunge ward zum Worte.
+
+Und der Mensch, der irdisch fußet,
+Suchet seinen Gott im Hohen,
+Der doch ist im Mittelpunkte
+Und ihn reißet zu dem Boden.
+
+Doch ich habe ihn gefunden:
+Er der all den Streit erhoben,
+Der gestört die tote Ruhe,
+Ihm ist diese Welt entsprossen.
+
+Er trägt mich mit festem Grunde,
+Er hat mich aus Staub geboren,
+Und die Sterne, die nicht ruhen,
+Ziehn mich neidisch auf im Zorne.
+
+Adam aus dem Erdengrunde
+Ward als Geisel ausgeboren,
+Und das Licht ab einen Funken
+Als ein Unterpfand von oben.
+
+Erde, feste Burg gerundet,
+Schwebest in des Lichtes Wogen
+Sicher, wie kein Schiff in Fluten,
+Wie kein Kind im Mutterschoße.
+
+Denn es sitzt am Steuerruder
+Selbst des Lichts unehl'che Tochter,
+Die Philosophia schlummert
+Nie, und hält das Richt'ge oben.
+
+Und Astronomia suchet
+Rastlos an dem Himmelsbogen
+Und dem Kompaß; alle Stunden
+Geht die Welt nach ihren Polen.
+
+Medizina heilt die Wunden
+Mutig ringend mit dem Tode,
+Und Magia hat des Sturmes
+Flügel und des Windes Rosse.
+
+O Magia, du des Dunkels
+Schwarze, lichtentsprungne Tochter,
+Du allein genügst zum Schutze,
+Mag das Licht auch ewig toben!
+
+Doch zum frechen Überflusse
+Hat der Erdgeist auch geboren
+Flaggen jeglicher Naturen,
+Die allfarbgen Religionen.
+
+Wenn das Schiffsvolk steht und murret
+Und nicht trauet dem Piloten,
+Wird die Flagge aufgewunden,
+Und Begeistrung strahlt die Sonne.
+
+Plagt die Krankheit und der Hunger,
+Und das Wasser ist verdorben,
+Da suffliert der Erdgeist dunkel,
+Und sie beten, die Kujonen!
+
+Also schwebt die Erde munter
+Um des dunklen Geistes Pole;
+Und sie dienen, dem sie fluchen,
+Und er schämt sich, sie zu holen.
+
+Doch das Licht und auch das Dunkel
+Haben beide sich sich belogen,
+Und die Lüge war das Wunder,
+War das Wort, das Fleisch geworden.
+
+Denn der Mann aus irdschem Grunde
+War um Erdgeist nur geformet,
+Daß das Licht, in ihm gebunden,
+Sei gefesselt an den Boden.
+
+Und vom Lichte nur durchdrungen
+Ward der Mann, der Erdgeborne,
+Daß der Erdgeist, sei gezwungen
+In dem Manne hin nach oben.
+
+So im wechselnden Betruge
+Ist der Streit zum Fleisch geworden,
+Und er herrscht im Mittelpunkte
+Des unendlich ewgen Zornes.
+
+Da das Licht den Schlaf erfunden,
+Ward dem Mann das Weib geboren,
+Durch den Baum des Bös und Guten
+Führt der Erdgeist uns zum Tode.
+
+Nach uns greift das Licht hinunter,
+Ziehet mächtig uns nach oben,
+Die Metalle schwer und dunkel
+Ziehen nieder uns zu Boden.
+
+Beiden Welten so verbunden
+Wehet betend auf der Odem,
+Wer erkennen will, was unten,
+Stiehlt das hohe Licht von oben.
+
+Als ich war im Licht betrunken
+Und um Weisheit fleht von oben,
+Sprach das Wort: Du sollst gesunden,
+Wenn du mir das Fleisch willst opfern!
+
+Wenn das Böse du verblutet,
+Wenn versiegt der irdsche Bronnen,
+Wenn du wandelst in dem Guten,
+Magst du schauen in die Sonne.
+
+Fasten sollte ich und hungern
+Und entbehren alle Wonnen,
+Recht in Schmerzen sollt ich wurzeln,
+Um im Lichte aufzusprossen.
+
+Mit dem Licht stieg ich hinunter,
+Und der Erdgeist, leicht gewonnen,
+Gab zu trinken mir das Dunkel,
+Das in mir zum Licht geworden.
+
+Und in diesem Licht betrunken
+Ist mir die Erkenntnis worden,
+Ich hab meinen Geist gefunden
+Und verstehe seine Worte.
+
+Wie die Sterne oben runden,
+Die Metalle unten wohnen,
+Wie die Sonnen gehen unter,
+Wie herauf sich ziehn die Monde,
+
+Fühl ich all in meinen Pulsen,
+Und mein Fuß fühlt in dem Boden,
+Wo die goldnen Schätze wurzeln,
+Wo die Quellen gehn verborgen.
+
+Eva, Eva! schlaue Mutter,
+Hast den Apfel du gekostet,
+Hat die Schlange dich versuchet,
+Hast du uns den Tod geboren,
+
+Hast das Böse und das Gute
+Du erkennet, soll verloren
+Mir nicht sein die teure Kunde,
+Um die du das Heil verloren!
+
+Bin der Erde ich verbunden,
+Bin ich an den Tod verloren
+Um ein Schnitzchen sauren Obstes,
+Dreht um mich sich doch die Sonne!
+
+Und ich will nicht eher ruhn
+In dem dunkeln Erdenschoße,
+Bis ich aller Sinnen Brunnen
+Überfüllend ausgesogen!" --
+
+Also sprach Apone murmelnd
+Und bedeckt mit heißem Odem
+Seines Wunderspiegels Runde,
+Daß er trüb war und umfloret.
+
+Und der rote Mond steigt blutend
+Über Wolken auf im Osten;
+Da er in den Spiegel funkelt,
+Heult der schwarze Hund Apones.
+
+Und der Meister wischt mit Fluchen
+Von dem Spiegel seinen Odem:
+"Will des Theater Kuppel
+Noch nicht auf in Flammen lodern?"
+
+Er nimmt einen Schwefelkuchen
+Und ein Glas voll goldnem Korne,
+Und den Schwanz von einem Fuchse
+Aus dem Kasten an dem Boden.
+
+Und den Wetterhahn, der funkelnd
+Stehet auf des Turmes Knopfe,
+Nimmt er, greifend durch die Luke,
+Setzt ihn zu dem goldnen Korne.
+
+Peitschet dann den Schwefelkuchen
+Mit dem Fuchsschwanz aller Orten,
+Und es springen helle Funken
+In das Glas zum goldnen Korne.
+
+"Simson," spricht er, "deine Wunder
+Hab ich kürzer mir geordnet;
+Mir auch muß vom Schwanz des Fuchses
+Der Philister Korn auflodern!
+
+Ja, Geselle, werde munter!"
+Spricht zum Hahne dann Apone,
+"Beug den Schnabel zu dem Futter,
+Wartest du, daß ich dich stopfe?
+
+Der du in den Blitzen fußest,
+Der du krähest in dem Donner,
+Der du in der Sonne funkelst
+Und die Flügel schlägst im Monde,
+
+Wettermacher, armer Schlucker,
+Du bestehst auf deinem Kopfe?
+Wart, ich will dich lehren schlucken,
+Daß dich Feuer reißt im Kropfe!"
+
+Und er schlägt den Hahn mit Ruten,
+Bis der Kamm ihm schwillt im Zorne,
+Hetzet ihn mit seinem Hunde,
+Und nun neigt er mit dem Kopfe,
+
+Schluckt das Feuerkorn mit Hunger,
+Das ihn brennt wie glühe Kohlen,
+Seine Flügel schon erfunkeln
+Und die roten Augen rollen.
+
+Seine Sichel sprühet Funken,
+Sein Metallgefieder lodert,
+Plötzlich beide Flügel zucken
+Breit hinaus mit heftgem Tone.
+
+Und er greift ganz ungeduldig
+Nach dem schwarzen Feuerhorne,
+Setzt es an am dunklen Munde,
+Lenkt hinaus es zu dem Loche.
+
+Setzt den Hahn bereit zum Fluge
+In das weite Maul des Hornes,
+Der wie eine Feuerzunge
+Durch die Luft stürzt aus dem Horne.
+
+Apo läßt die Feuerrufe
+Durch die klare Nacht hindonnern,
+Und auf des Theaters Kuppel
+Fliegt der Hahn, die hell auflodert.
+
+Feuer! Feuer! schreit man unten,
+Und die Hörner schreien oben,
+Hoch die Glocken gehn im Sturme,
+Tief das Rasseln wilder Trommeln.
+
+Aus des blauen Reno Ufern
+Eilen bald die gütgen Wogen,
+Hilfreich zu der Flammenkuppel
+Durch die Hände emsgen Volkes.
+
+Hundert Eimer um die Brunnen
+Kommend, gehend, Wasser fordernd;
+Der Metallsirenen Busen
+Schimmert in der Fackeln Lohe.
+
+Und die marmornen Neptune
+Und die blasenden Tritonen
+Gießen aus die vollen Muscheln
+In die Urnen rings erhoben.
+
+In dem Widerscheine funkelnd
+Halten rings, die Menge ordnend,
+Blankgestahlte Reuter Runde,
+Jeder steht an seinem Orte.
+
+Aus der fernen Klöster Dunkel
+Tragen schon die frommen Orden,
+Stille Litaneien murmelnd,
+Wasser zu in Prozessionen.
+
+Niederstürzend aus den Stuben
+Sammeln schnell sich die Legionen
+Der Studenten, und sie rufen:
+|Pereat Incensus!| drohend.
+
+Auf den festen Sammelpunkten
+Ordnen sich die Nationen,
+Und es schallen, sie berufend,
+Rings die Stimmen der Senioren.
+
+Lärmend eilen zu den Pumpen
+Bald die munteren Franzosen,
+Und die Hebel auf und unter
+Hört man kreischend, jammernd toben.
+
+Und die langgehosten Ungern
+Ziehn auf ihren kleinen Rossen
+Durch die weite Stadt umtummelnd,
+Wache haltend nach dem Tore.
+
+Bei dem schiefen Eselsturme
+Sammeln sich mailändsche Chore,
+Senden rüstige Patrouillen
+Den Palästen ihrer Nobels.
+
+Bei der Kirche Sankt Proculens
+Stellet sich der Römer Horde
+Auf zum Schutz der hohen Schule
+Und der edlen Professoren.
+
+Sankt Januari Blut anrufend
+Füllen ihre Wasserrohre
+Zu der Büchersäle Schutze
+Neapolitansche Chore.
+
+Und die festen deutschen Bursche,
+Mit den Ellenbogen stoßend,
+Schleppen auf den breiten Schultern
+Feuerleitern, Haken, Kloben.
+
+Bald mit Macht hinangeschwungen
+Zu der hohen Fenster Bogen
+Nun die sichern Leitern ruhen,
+Allen Fliehenden zum Troste.
+
+Viele retten sich im Sprunge;
+Andre, an den Feuerkloben
+Fest sich klammernd, hoch im Schwunge
+Kommen nieder in dem Bogen.
+
+Denn zum wilden Rettungssturme
+Sind zu eng des Hauses Tore,
+Und auf ewig wird verschlungen
+Mancher in des Ausdrangs Woge.
+
+In dem Brausen des Tumultes
+Bricht des Kerkers Tor Meliore,
+Eilet zu Biondettens Brunnen,
+Einen Eimer voll zu holen.
+
+Und ein kleiner blonder Junge
+Hat den Eimer voll schon oben,
+Spricht: "Geh hin und hilf, du Guter,
+Traue auf die Allmacht Gottes!"
+
+Bei der Kirche Sankt Proculens,
+Wo der Maler Guido wohnet,
+Steht Meliore, heftig rufend:
+"Komme, alter Guido, komme!
+
+Werft die Äxte mir herunter:
+Ich und du und deine Tochter
+Steigen auf des Brandes Kuppel,
+Denn die Hilfe kömmt von oben!"
+
+Und zum Feuer hingedrungen
+Mit dem Meister und der Tochter,
+Sieht aus einem Fenster, rufend:
+"Leitern, Hilfe!" Jacopone.
+
+Jacopone, der sein Bruder,
+Hält die Gattin hoch erhoben,
+Und um sie im Hintergrunde
+Schon die roten Flmmen lodern.
+
+"Rosarosa, spring herunter!
+Weihe dich der Mutter Gottes,
+Sie tut heut noch manches Wunder,
+Hält in ihrer Hut die Frommen!"
+
+Rosarosa springt im Fluge,
+Stürzt sich in den Arm Meliores;
+Neben sie stürzt auch im Sprunge
+Jacopone an den Boden.
+
+Als Meliore sie umschlungen,
+Schrie sie laut: "Gott sei gelobet!"
+Und erblasset; Ströme Blutes
+Stürzen von ihr aller Orten.
+
+Und vier deutsche brave Bursche,
+Einen Manteln breit aufrollend,
+Tragen heim sie auf dem Tuche,
+Jammernd folget Jakopone.
+
+Aber mit dem Wasserkruge
+Dringet aufwärts nun Meliore
+Auf der Jakobsleiter Stufen
+Mit dem Maler und der Tochter.
+
+Die die Leiter hierher trugen.
+Sie sind göttliche Genossen;
+Hoch zu des Theaters Kuppel
+Steigen sie die lichten Sprossen.
+
+Und nun hauet ohne Ruhe
+Guido und die rüstge Tochter
+Eine Öffnung in die kuppel,
+Seinen Krug leert Meliore.
+
+Segen ist in seinem Kruge;
+Wie er gießt in stetem Strome,
+Ist er nimmer leer, o Wunder!
+Guido kniet und seine Tochter.
+
+Und die Hände fest verschlungen
+Beten sie, den Herren lobend.
+Aber in des Hauses Runde
+Springet kühn nun Melire.
+
+Eine Stimme hört er rufen;
+Wo sie rufet, wird er folgen,
+Rief aus der Hölle Schlunde,
+Rief sie von des Himmels Throne.
+
+Als er stürzet mit dem Kruge,
+Ist die wilde Feuerlohe
+Bald in seiner Flut ertrunken,
+Und die Not ist rings erloschen.
+
+Niedersenket sich die Ruhe.
+Mit des Wasser schneller Woge
+Rinnen auch des Volkes Fluten
+Ab zum Bette ihres Stromes.
+
+Ruhig schaut von seinem Turme
+In den Jammer hin Apone;
+Wenn die Flammen aufwärts zucken,
+Fühlt er froh sein Herz erhoben.
+
+Aber als er auf der Kuppel
+Sah den Maler und die Tochter,
+Grüßt er sie mit bösem Fluche
+Und den tapfern Meliore.
+
+Denn aus einem armen Kruge
+Löschet er die wilde Lohe,
+Und so viele schwere Stunden
+Hat ihn selbst sein Hahn gekostet.
+
+Als solches denkt, da rufet
+Laut der Hahn, der zu dem Knopfe
+Wiederkehrte, und im Turme
+Tönt herauf die Pfortenglocke.
+
+Apo öffnet mit dem Zuge,
+Lauschet nach des Trittes Tone,
+Wie er auf den Wendelstufen
+Hell sich aufdreht hin nach oben.
+
+Dumpfer schallte es von unten --
+Es war schier, als sei er doppelt --
+Schwerer in dem halben Turme,
+Als trüg man die Last nach oben.
+
+Weiter oft der Tritt verstummet,
+Denn der Träger holet Odem,
+Endlich auf den letzten Stufen,
+Bald wird's an der Türe klopfen.
+
+Apo blicket durch die Stube,
+Ob auch alles sei geordnet,
+Jagt den Hund vom roten Stuhle,
+Den er vor den Spiegel rollet.
+
+Und mit einem Kranz von Blumen,
+Belladonna, Hundsviolen,
+Frauenschuh und Eisenhute,
+Kränzet er des Stuhles Stollen.
+
+Zeichnet dann mit einer Rute
+In den Mehltau, auf dem Boden,
+Seinem Gast zum bösen Gruße
+Schnell ein magisches Willkommen.
+
+Aber mitten in der Stube
+Brennt an einem Totenkopfe,
+Der in grüner Urne ruht,
+Eine zauberische Lohe.
+
+Eine süße Laube duftend,
+Von des Mondes Strahl durchflochten,
+Scheint des Turmes rußge Stube,
+Als die Rosenflamme lodert.
+
+Und die Flamme scheint ein Brunnen,
+Funkelnd in des Mondes Wonne,
+Wundersüße Träume murmelnd
+Durch den Duft wollüstger Rosen.
+
+Und es pocht. Herein zur Stube
+Tritt der Famulus Apones,
+Moles, seufzend ob dem Buche,
+Das er anschleppt auf dem Kopfe.
+
+"Du allein! Elender Bube!"
+Flucht entgegen ihm Apone,
+"Prahler! ist dir nicht gelungen,
+Was du frech mir zugeschworen?
+
+Wo ist sie, die heilge Jungfer?
+Hat ein andrer sie gewonnen?" --
+"Meister, schone deine Zunge!"
+Spricht und lacht der schlaue Moles.
+
+"Du sitzt hier im Mondschein munkelnd
+Bei wollüstger Brunnen Wonne,
+Eine andere Laube funkelnd
+War um mich und andre Bronnen!
+
+Trug ich gleich die süße Jungfer,
+Sprach sie doch unselge Worte;
+Ihr half eine andre Jungfer,
+Der ich nicht bin mächtig worden.
+
+Auch sprang von des Hauses Kuppel
+Auf mich ein der Meliore,
+Und des Feuers wilde Zungen
+Leckten mich bis auf den Knochen.
+
+Aber dummer als das Dummste
+War der Weihewasserbronnen,
+Den ein Mönch -- im Höllenpfuhle
+Durst er -- auf mich ausgegossen.
+
+Meister, Meister, trotz der Gluten,
+Trotz dem scharfen Weihebronnen
+Schwör ich, nimmer will ich ruhen,
+Bis Biondette uns geworden!
+
+Ach, wer dieses Leibes Wunder
+Einmal trug in seinen Pfoten,
+Wer den Druck des süßen Busens
+Fühlte und den Duft des Odems --
+
+Disteln sind mir alle Blumen,
+Seit mir nah des Mundes Rose;
+Der Kometen Haar gleicht Ruten
+Vor der Goldflut ihrer Locken.
+
+Und der Brüste Dioskuren,
+Aus der Leda Ei geboren,
+Durstig wie des Schwanes Busen,
+Da er taumelte in Wonne.
+
+Unter ihrer Brauen Runde
+Lag der Venus Stern verschlossen,
+Wie in Wolkenbetten schlummern
+Liebestrunkne Nebelsonnen.
+
+Und der Flammen durstge Zungen
+Konnten nicht die Luft austrocknen,
+Die, als ich sie trug, im Blute
+Mir ein süßer Quell ergossen.
+
+Welche Hölle kann verdunkeln
+Dieses Himmels Wollustsonne?
+Ja, die Sünde hat Minuten,
+Wert des Lichtes ewge Kronen!" --
+
+"Schweige, du berauschter Bube!"
+Spricht Apone nun im Zorne --
+"Soll mich in der Zauberbude
+Trösten dein verdorbner Odem?
+
+Ich glaub, von dem schweren Buche
+Wardst du toll in deinem Kopfe;
+Bringst du mir vielleicht vom Juden
+Dieses Buch zum schlechten Troste?" --
+
+"Meister, Meister, wollt nicht fluchen,
+Denn von aller Liebeswonne
+Und von aller Schönheit Wunder
+Wird dies Buch nicht aufgewogen!
+
+Bringe mir Biondetten ruhend
+In dem Schoße süßer Moose,
+Singend, von Gewürzen duftend,
+Wie das Lied des Salomone --
+
+Nicht kauf ich sie mit dem Buche!
+Vor ihm seien die Kleinode,
+Die in Licht und Dunkel ruhen,
+Eine taube Nuß gescholten!
+
+Ein Geschenk mit diesem Buche
+Mach ich dir, wenn du gelobest,
+Mir zu stellen diese Stunde,
+Ja jetzt gleich, die Horoskope.
+
+Mir gab's meine selge Mutter,
+Die drum einen Mönch ermordet.
+Der es in dem Sarg gefunden
+Eines zauberischen Mohren,
+
+Der von einem alten Juden
+Es getauscht um heilge Brote
+Wahren Leibs und wahren Blutes,
+Die er vom Altar gestohlen.
+
+Und der Jude, einen Hunnen
+Hat er um das Buch betrogen,
+Der von einem Arzt beim Sturme
+Von Cracovia es erobert.
+
+Und der Arzt kam zu dem Buche
+Durch die Erbschaft eines Kopten,
+Dessen Stamm durch manch Jahrhundert
+Es erhielt, Gott weiß wie, woher!
+
+Doch daß über Adams Schulter
+Einsten an dem dritten Morgen
+Es ein Engel abschrieb munter,
+Stehet auf dem letzten Bogen." --
+
+"Wie kam Adam zu dem Buche?" --
+"Wisse, wann des Himmels Sonne
+Und die Sterne gehn zur Schule,
+Ist dies Büchlein in der Mode.
+
+Da der Herr die Welt erfunden,
+War die Welt von wenig Worte;
+Alles war sehr kurz gebunden,
+Auf die lange Bank geschoben.
+
+Des Vokals belebend Wunder,
+Ehgeheimnis der Diphthonge,
+Und der Konsonanten Hunger
+Lernt er draus zu Worten kochen.
+
+In dem A den Schall zu suchen,
+In dem E der Rede Wonne,
+In dem I der Stimme Wurzel,
+In dem O des Tones Odem,
+
+In dem U des Mutes Fluchen,
+Hat er aus dem Buch geholet,
+Als im H des Hauches Wunder
+Gottes Geist in ihm gegossen.
+
+Auch das große Vaterunser
+Und der Herr Gott wir dich loben
+Findst du drin in grobem Drucke,
+Wie es beten Mond und Sonne.
+
+Und manch Rätsel von der Tugend
+Und vom Fiat, fein verschoben;
+Die Auflösung stehet unten
+In verkehrt gedruckten Noten.
+
+Fabeln mischen sich mit drunter,
+Wie die Tiere sich besprochen,
+Wie der Adam sich verwundert,
+Da die Eva kam in Wochen,
+
+Da sie trug ein groß Gelüsten
+Nach ausländschem Himmelsobste,
+Wie die Schlange sie entbunden,
+Und wie sie moralisch worden.
+
+Unterhaltung und auch Nutzen
+Sind verbunden hier gar vornhem,
+Denn du findest angebunden
+Kunstrezepten aller Sorten:
+
+Färberkuppen, Tintenpulver,
+Surrogate für die Toten,
+Restaurantia für die Tugend,
+Manch Rezept zu Religionen.
+
+Freier Wille ist des Buches
+Höhrer Titel in zwei Worten,
+Gottes Wille heißt's im Grunde,
+Seit die Freiheit ging verloren.
+
+Und Notwendigkeit am Schlusse
+Heißt es auch mit anderen Worten,
+Not ist hier die wahre Wurzel,
+Und das Wenden wird verboten.
+
+Gott sprach zu den Menschen: |Surge,
+Eheu, eheu Christofore,
+Nam ad scholam tempus nunc est!|
+Und weckt ihn mit seinem Odem.
+
+Und vom Himmel kam herunter
+Diese A-B-C-Methode,
+Und die neugeschaffne Jugend
+Ist daraus zum Doktor worden.
+
+Aber schwer sind die Geburten,
+Nötig sind die Rotationen,
+Und fatal ist das Versuchen,
+Seit das Weib den Tod geboren.
+
+Und du lernst aus diesem Buche,
+Wie der Kaiserschnitt zu ordnen,
+Daß lebendig bleibt die Mutter
+Und das Kind auch sei gewonnen!
+
+Denn wie alle ihre Wunder
+In den ersten Schriftleinsbogen
+Die Gelehrten gern hermustern,
+So ging's hier auch den Autoren.
+
+Und weil Adam bei dem Buche
+Sich den Kopf zu sehr gebrochen,
+Fragte Eva, Rat sich suchend,
+Andere Kommentatoren.
+
+Was im Stile oben dunkel,
+Hellen auf die untern Noten;
+Über oben, über unten
+Schrieb am Rand ein Geist die Glosse.
+
+"Schweig, es ist genug; verstumme!"
+Spricht zu Moles nun Apone,
+"Ich weiß nicht, ob du den Dummen
+Spielest oder ob du spottest!
+
+Hatt ich das in dir gesuchet?
+Redest du mir Kinderpossen,
+Oder bist du ein Verruchter,
+Der mich höhnisch denkt zu foppen?
+
+Hat ein Arzt dies Buch beim Sturme
+Von Krakovia verloren,
+Und hieß Amber Herr des Buches?
+Rede, sage es unverhohlen?" --
+
+"Amber, ja, so steht im Buche,
+Und er war ein Äthiope." --
+"Hei! so ist ein Schatz gefunden!"
+Spricht in Freuden jetzt Apone,
+
+"Gib es her!" -- "Nein!" spricht der Bube,
+"Stelle mir die Horoskope,
+Jetzt, sogleich, in fünf Minuten,
+Und dir geb ich's, wie gelobet!"
+
+Und Apone fragt mit Murren:
+"Wann bist du geboren, Moles,
+Sag das Jahr, den Tag, die Stunde,
+Und ich stell die Horoskope." --
+
+"Meister, meine letzte Mutter
+Hat mich dieses Mal geboren
+In dem Jahre Siebenhundert,
+Am Geburtstag des Herodes,
+
+In der lustgen roten Stunde,
+Da die Kindlein man gemordet.
+Sie hat selbst es in dem Buche
+Angemerkt mit kurzen Worten."
+
+Apo merkt sich diese Punkte,
+Hat der Kreise viel gezogen
+Und geschrieben viele Nummern
+An dem Boden mit der Kohle,
+
+Und hierauf die ganzen Summen
+Von den halben abgezogen,
+Dann sich ernstlich drob verwundert,
+Als er fand die Horoskope.
+
+"Du bist heut im Jahr der Stufen,"
+Sprach er, "hüte dich vor Rosen!
+Du bist heut in diesen Stunden
+Von Gefahren schwer bedrohet!
+
+Hüte dich, denn ob dir runden
+Die Gestirn recht im Zorne,
+Einge Stellen bleiben dunkel,
+Die vom Feuer und vom Tode.
+
+Denn dein Schicksal ist verbunden
+Mit unzähligen Legionen,
+Unbekannt ist eure Mutter,
+Um Betrug wirst du betrogen
+
+Und wirst sein von großen Nutzen
+Einem hohen Philosophen,
+Und dies ist schon mit dem Funde
+Deines Buches eingetroffen.
+
+Aber dunkler wird's und dunkler,
+Denn ich sehe die drei Rosen,
+Die zu einem starken Bunde
+Gegen dich sich fest verschworen.
+
+Hüte dich vor einem Brunnen,
+Wo die Kinder drinnen wohnen,
+Denn du teilest diese Punkte
+Mit dem Tage des Herodes.
+
+Und in manchen Konjunkturen
+Stehen meine eignen Pole
+Mit den deinigen verbunden,
+Denn mir drohen auch die Rosen.
+
+Durch dich, was mich gar sehr wundert,
+Wird entstehen einst ein Kloster,
+Und die böse Rosenblume
+Wächst im Garten dieses Klosters.
+
+Einem ungeheuern Sturze
+Bist du auch noch unterworfen;
+Jetzt wird's klarer: Deine Stunde
+Wird dir mit dem Feuer kommen."
+
+Und nun greift er nach dem Buches.
+"Nimm es hin!" sprach lachend Moles,
+"Du weissagst mir wenig Gutes,
+Mein Geschick ist nicht zu loben."
+
+Aber an dem Turme unten
+Schallet heftig nun die Glocke,
+Und da Apo schaut hinunter,
+Sieht er seiner Schüler Horde.
+
+"Was nur mag zu dieser Stunde
+Dieser Troß von mir doch wollen?"
+Und er öffnet mit dem Zuge
+Schnell des Turme kleine Pforte,
+
+Löschet in der grünen Urne
+Schnell das Licht des Totenkopfes,
+Und es gleicht die schwarze Stube
+Einem alten dunkeln Boden.
+
+Da die Schüler auf den Stufen
+Seiner Türe näher kommen,
+Spricht: "O Meister, laß mich suchen
+Einen Winkel!" zu ihm Moles.
+
+"Weil in diesen bösen Stunden,
+Wie du sprachst, Gefahr mir drohet;
+Daß die Schüler dich besuchen,
+Macht mich ängstlich und betroffen."
+
+Apo spricht: "Hier hinterm Stuhle
+Bist du gänzlich wohl verborgen;
+Ich verhäng dich mit dem Tuche,
+Das ihn rings bedeckt zum Boden."
+
+Und es öffnet sich die Stube.
+Apo sitzt wie auf dem Throne,
+Und in eine halbe Runde
+Sich die Schüler um ihn ordnen.
+
+Einer tritt dann mit der Urne
+Vor ihn, spricht: "O Herr, des Moles
+Asche in der Urne ruhet!
+Er starb eines seltnen Todes.
+
+Ja sein Tod war recht ein Wunder,
+Denn die Sängrin retten wollend,
+Stürzten zu ihm alle Gluten,
+Brannten ihn vor uns zu Kohlen!
+
+Und wie auch des Wasser Fluten
+Rings wir auf ihn niedergossen,
+Brannt er bis zum letzten Funken,
+Und es blieb auch nicht ein Knochen!
+
+Da ein Mönch geweihten Brunnen
+Zu ihm sprengte ein'ge Tropfen,
+Ward er Asche; in der Urne
+Haben wir sie aufgehoben.
+
+Herr verzeih, daß wir zur Stunde
+Uns hieher zu dir erhoben,
+Denn wir kommen hoch verwundert
+Zu dir, und entsetzt, erschrocken!"
+
+Apo höret ihre Kunde,
+Und ihm stockt fast der Odem;
+Ängstlich spricht er: "Deine Zunge,
+Schüler, hat sie nicht gelogen?"
+
+Alle sprechen in der Runde:
+"Meister, es ist nicht gelogen,
+Denn es sah's die ganze Schule,
+Und es sahens alle Ordnen.
+
+Und es schrieen alle: Wunder!
+Die gelöschet in der Oper,
+Da sie unsern teuern Bruder
+Sahn zu Asche niederlohern!" --
+
+"So enthüllet mir die Urne!"
+Sprach Apone tief erschrocken,
+"Daß ich Ehre an ihm tue,
+Denn ich war ihm stets gewogen.
+
+Längst wußt ich, daß dieser Stunden
+Große Nöten ihn bedrohten;
+Seht: Hier mit dem schwarzen Ruße
+Stellt ich seine Horoskope.
+
+Er war eine der Naturen,
+Die im Zentrum aller Sonnen
+Feuer tragen in dem Blute,
+Das sich in sich selbst vertrocknet.
+
+Seine Asche untersuchen
+Wollen wir am nächsten Morgen,
+Daß er uns belehrend, nutze,
+Auch noch hilfreich in dem Tode!"
+
+Da enthüllten von dem Tuche
+Sie die Urne; eine Wolke
+Schoß heraus, ganz dick und dunkel,
+Die rings durch die Stube rollte.
+
+Sie drang auf mit solchem Schwunge,
+Daß der Schüler stürzt zu Boden,
+Und die Treppentüre suchend
+Alle übernander stoßen.
+
+Wunderliche Zerrfiguren
+Bildete die wilde Wolke,
+Flog dann summend, eine Hummel,
+In den schwarzen Bart Apones.
+
+Da er sie zu jagen suchte,
+Wuchs sie, ihm zu großem Zorne,
+Aus dem Bart als Bart herunter
+Und flocht sich zu einem Zopfe.
+
+Apo fängt nun an zu fluchen,
+Und ein hohles Lachen kollert
+Um ihn her. Nichts mehr zu suchen
+Hatten die Studenten oben.
+
+Und die Treppe schier kopfunter
+Schossen sie hinab von oben,
+Ihre Seelen auch mitunter
+Diesem, jenem angelobend.
+
+Apo glaubt in falschem Mute,
+Daß sie seiner spotten wollten,
+Und stürzt nach mit seiner Rute
+Auf die armen jungen Toren,
+
+Bis in seinem Bart verschlungen
+Er hinabzustürzen drohte;
+Denn er stieß mit einem Fuße
+Auf dem Weihbrunnkessel oben,
+
+Der hellklingend auf den Stufen
+Widerspringend niederrollet
+Und der fliehenden Schuljugend
+Wie ein böser Donner folgte.
+
+Hei! wie hat ein muntres Fluchen
+Da der zornge Mann erhoben!
+Aufwärts tappend nach der Stube
+Ward er an dem Bart gezogen.
+
+Da er eintrag in die Kuppel,
+War der Bart dem Zug gefolget
+Und fiel vor ihm in der Stube
+Schwarz als Asche auf den Boden.
+
+Apo reißt das Tuch vom Stuhle,
+Aber statt des Schelmen Moles
+Sieht er dort nur seinen Pudel
+Sitzend auf den Hinterpfoten.
+
+Dieser Anblick macht ihn stutzen,
+Und es ging sein Zorn verloren;
+Vor der Überraschung Wunder
+War er innerlich erschrocken.
+
+Er erkannte in dem Hunde
+Und in seinem Schüler Moles,
+Was er nimmermehr vermutet,
+Einen heimlichen Dämonen.
+
+Und sprach nun mit kalter Ruhe:
+"Bist du solchen Schrot und Kornes,
+Soll dir alles auch zugute,
+Wie du mir's geboten, kommen!"
+
+Greifet dann nach einem Buche
+Und nach einer Glasesglocke,
+Die bezeichnet mit Figuren
+Und beschrieben rings mit Formeln.
+
+Und mit seines Fingers Drucke
+Töne aus der Glocke lockt er,
+Die dem wundersamen Pudel
+Peinlich schallten in den Ohren.
+
+Mit dem Winseln eines Hundes
+Schrie: "Erbarmen!" laut der Moles.
+"Laß mich nicht so schwer verschulden,
+Daß ich scherzhaft bin geworden!"
+
+Doch zu quälen ihn nicht ruhet
+Apo mit dem Ton der Glocke,
+Bis der Geist zu allem Guten
+Sich ihm hoch und tief verschworen.
+
+"Sprich, in welcherlei Figuren
+Soll ich künftig bei dir wohnen?"
+Fragt er, "da ich in den Gluten
+Starb, nach deinem Horoskope."
+
+Apo sprach: "Du bleibst mein Pudel;
+Aber soll ich deiner schonen,
+So erklär die dunklen Punkte
+Gleich jetzt deines Horoskopes.
+
+Wer war deine erste Mutter?
+Wer hat dich zuletzt geboren?
+Wie steht es mit jenem Buche?
+Was bedeut der Haß der Rosen?
+
+Was hast du mit einem Brunnen,
+Welchen Kinder klein bewohnen?"
+Nun spricht aus dem Hundeknurren
+Zu dem Herrn der schlaue Moles:
+
+"Ich weiß nichts von jenem Brunnen
+Und auch nichts von jenen Rosen,
+Sie sind mir wie dir so dunkel,
+Auch die Stiftung jenes Klosters.
+
+Denn es gibt gar manche Wunder,
+Die mir ewig sind verschlossen:
+Aber ganz auf andre Spuren
+Hab ich suchend mich geworfen!
+
+Wenn Biondetten du errungen,
+Wenn getötet du Meliore,
+Wenn ohn Abendmahls Genusse
+Starb das Weib des Jacopone,
+
+Wenn verzweifelt, ohne Buße,
+Starb der Fackelgießer Kosme,
+Und wenn stürzt in schwere Schulden
+Seine jungfräuliche Tochter,
+
+Und in Raserei zugrunde
+Geht der Bruder Jacopones,
+Pietro, der die schönen Blumen
+Ziehet vor dem römschen Tore:
+
+Dann magst du und ich in Ruhe
+Ewig hausen vor den Rosen
+Und dem Kinde jenes Brunnens
+Und vor jenem neuen Kloster!
+
+Aber willst du meine Mutter
+Kennen, lies die ersten Bogen
+Des dir hochgepriesnen Buches
+Von dem Weib des Erdensohnes!"
+
+Also sprach der Geist. Zum Buche
+Sitzt begierig nun Apone,
+Ihm zu Füßen liegt der Pudel
+Augenfunkelnd an dem Boden.
+
+Doch die Lettern dieses Buches
+Sind ihm unbekannte Formen,
+Und erzürnt der Meister fluchet,
+Moles mit den Füßen stoßend.
+
+"Was soll mir der welsche Plunder?
+Wahrlich, diese Schrift ist toller,
+Als im Schnee die krausen Spuren
+Hungrig scharrnder Hühnerpfoten!"
+
+Zu ihm schwänzelnd spricht der Pudel:
+"Meister, diesen Fall ich lobe.
+Lang ging ich zu deiner Schule,
+Nun kannst du zu meiner kommen.
+
+Ich will dir zur rechten Stunde
+Bald ein paar Tinkturen kochen,
+Und hast du davon getrunken,
+Liest du alle Hühnerpfoten!
+
+Und dann geb ich dir in kurzem
+Auch die rechte Lesmethode,
+Wie von oben du nach unten,
+Und von unten liest nach oben.
+
+Denn das ist des Buches Wunder,
+Trotz dem Werk der Philosophen:
+Du magst lesen drüber, drunter,
+Immer gleich bleibt dir geholfen.
+
+Weil auf Schlüssen es beruhet,
+Die von hinten aus nach vornen
+Was nach oben, was nach unten
+Ward verknüpfet, schnell entknoten.
+
+Konsequenz allein ist Tugend,
+Und das Ding verkehrt genommen,
+Was man kann, weil es gerundet,
+Kann das Laster selbst uns frommen.
+
+Hast du Kraft dazu gefunden,
+Magst du immer unverhohlen
+Schwimmen gen den Strom des Flusses,
+Streichen gen des Wuchs die Borsten.
+
+So findst du der Freiheit Wurzel,
+Dringst vom Abgrund du nach oben;
+Allen Zwang hat überwunden,
+Wer entwurzelt das Verbotne!" --
+
+"Schweig mit der Moral der Hunde!"
+Sprach beschämet nun Apone,
+"Sage her des ersten Buches
+Inhalt!" -- Und zu ihm spricht Moles:
+
+"Du liest in dem ersten Buche,
+Wie unendlich war ergossen
+Or Haënsoph ohne Dunkel,
+Ein unendlich Leuchten Gottes.
+
+Wie dem Lichte ist entsprungen,
+Sich rückziehend durch das Wollen,
+Dunkler Raum im Mittelpunkte,
+Worin ward die Welt geboren.
+
+Wie sich in des Rückzugs Spuren
+Kreisend dann das Licht ergossen,
+Mannigfach des Raumes Dunkel
+Licht erringend hat umschlossen.
+
+Und wie, alles durchfiguret,
+Adam Kadmon war geboren,
+Aus sich selbsten ausnaturend
+Die zehn Kräfte Sephirote.
+
+Wie vier Welte sind entsprungen,
+Da lebendig war das Wollen:
+Asia, Briat, Aziluthe
+Und Jezirah, Antlitz Gottes.
+
+Die Jezirah ist durchdrungen
+Von zehn hohen Engelchoren,
+In astralschen Leiber funkelnd
+Sind sie alle schon personet.
+
+Die Asia ist die untre,
+Materialisch schon geformet,
+Drin die bösen Geister wurzeln,
+Die in Gottes Zorn geboren.
+
+Sie ist aus dem Streit entsprungen,
+Als das Ebenbildnis Gottes,
+Adam Kadmon, zu bewundern
+Gott die Engel aufgefordert.
+
+Luzifer ist aufgedrungen
+Und hat da im ersten Stolze
+Adam Kadmon ausgerufen,
+Nicht als Bild, nein als den Gott selbst.
+
+Denn als Gott sich ausfiguret
+In der Kraft des ewgen Wollens,
+Wollte Luzifer naturet,
+Über ihm als Herr nun thronen.
+
+Aber aus dem Licht ins Dunkel
+Ward er da hinabgestoßen;
+So entstand die Schwere unten,
+So ward untre Welt geformet.
+
+Die nun materialisch rundet
+Als die Erde, Mond und Sonne,
+Aber doch in ihrem Schwunge
+Ist der obern unterworfen.
+
+Und so sind in Gott entsprungen,
+Aber doch in ihrem Wollen
+Widerstreitend scharf zwei Punkte:
+Ewges Licht und ewges Dunkel.
+
+Wer nun in der Tiefe suchet,
+Wo die starken Geister wohnen,
+Der wird stark in ihrem Bunde;
+Jeder ist dem Geist willkommen.
+
+Selig aber sind die Dummen,
+Sie gehn auf im Schoße Gottes,
+Wissen nicht das was sie tuen;
+Hast du Lust dazu, Apone?
+
+Geißle blutig dir den Buckel,
+Schlafe auf dem harten Boden,
+Küß kein Weib und bet hungre,
+Gehe stolz einher im Spotte!
+
+Und vor allem sei ein Kluger,
+Wählst du in den Religionen
+Unter Heiden, Christen, Juden,
+Daß du triffst die rechte Pforte!
+
+Oder willst du im Abgrunde
+Mit dem hohen Geiste wohnen?
+Willst du leuchten in dem Dunkel
+Vor den andern Philosophen?
+
+Jauchze dann in ewger Jugend,
+Plätschre in des Lebens Wogen,
+Daß dich heben Wollustfluten
+Übers Tor des ewgen Todes!
+
+Denn das ist das hohe Wunder
+Und der Teufelsquell des Trostes,
+Daß wir nimmer gehen unter,
+Weil wir streben nur nach oben!
+
+Wir allein sind fest gefußet,
+Sind es durch Erkenntnis worden
+Von dem Bösen und dem Guten;
+Stürzen können die von oben,
+
+Steigen können die von unten!" --
+Also sprach der schlaue Moles,
+Und begann von seiner Mutter
+Die Geschichte dann, wie folget.
+
+** Romanze X: Schöpfungsgeschichte des Moles
+
+"Als das Licht sich hat entzweiet,
+Stieg was leicht und sank was schwer,
+Und das Eine war gezweiet
+Zwischen Gott und Luzifer.
+
+Luzifer, dem stolzen Geiste,
+Diente nun der feste Kern,
+Und was unterridisch kreiste,
+Nannte ihn den mächtgen Herrn,
+
+Der von unten aufwärts greifet
+Und mit Wonne und mit Schmerz
+Was unsicher oben schweifet
+Niederreißt ans erzne Herz.
+
+Und der Oberfläche Zweifel
+Stehet an der Scheide Weg,
+Und das eben ist der Teufel,
+Daß so eben ist sein Weg.
+
+Aber nieder sah mit Neide
+Gott zum festen Erdenstern,
+Und er wollte, daß sie beide
+Anteil hätten an dem Kern.
+
+Wollte, daß als Friedensgeisel
+Einer zwischen beiden geh,
+Und, des großen Künstlers Meißel
+Lobend, an der Sonne steh;
+
+Der, den Geist der Erde preisend,
+Hafte an dem Grunde schwer,
+Mit der Stirne aufwärts weisend,
+Mit dem Leibe irdisch wär.
+
+Und der Herr sprach: "Nieder reise
+Zu der Erde, Gabriel,
+Bring in ihre sieben Kreise
+Des Allmächtigen Befehl,
+
+Daß sie dir des Staubes reiche
+Aus den sieben Tiefen schnell,
+Daß ein Bildnis, das mir gleiche,
+Ich ihr draus zum Herren stell."
+
+Als der Seraph niedersteigend
+Zu der irdschen Feste schwebt,
+Lag die Erde einsam schweigend,
+Von der Geister Puls durchbebt.
+
+Wo des Engels Flug ausgreifet,
+Spaltet sich das Firmament,
+Und aus seinen Ufern schweifet
+Bang das nasse Element.
+
+Und es dreht sich das Eisen
+Schmerzlich in der Erde Herz,
+Daß die Quellen los sich reißen
+Aus der Tiefe himmelwärts.
+
+Auf den Fittichen gebreitet
+Steht der Seraph vor dem Kern:
+"Erde, dir ist Heil bereitet
+Durch den Willen deines Herrn!
+
+Sei gegrüßt, Gebenedeite!
+Denn mit dir will sein der Herr,
+Und aus deinem Eingeweide
+Soll erstehen dir der Herr.
+
+Und die Frucht aus deinem Leibe
+Soll dem Herren ähnlich sehn;
+Daß dir Gottes Liebe bleibe,
+Soll sein Bild aus dir erstehn.
+
+Drum aus deinen sieben Reisen,
+Von der Rinde bis zum Kern,
+Laß mich eine Handvoll greifen;
+Also ist der Will des Herrn!"
+
+Vor des Engels lautem Schreie
+Widertönt der Erde Erz,
+Und mit einem tiefen Schreie
+Tönet auf aus ihr das Herz:
+
+"Gabriel! zum Herrn ich schreie,
+Tief in innrer Angst erbebt,
+Daß er mir den Wunsch verzeihe,
+Daß ich bleibe unbelebt.
+
+Daß ich jungfräulich im Scheine
+Seines Lichtes freudig steh,
+Nimmer um den Menschen weine,
+Nicht in Sünde untergeh.
+
+Jetzo bin vor Gott ich reine;
+Soll ein Herr aus mir erstehn,
+Wie soll bleiben er der meine,
+Wenn er in das Licht gesehn?"
+
+Und den Seraph hat das Weinen
+Der Jungfräulichen bewegt,
+Zu des ewgen Lichtes Scheinen
+Ihn der Flügel wieder trägt.
+
+Und wo er im Flug verweilet
+In der weiten Himmelshöh,
+Geht die Sonne, da er eilet,
+Auf, daß sie die Erde seh.
+
+Und er sprach: "O Herr, verzeihe!
+Mich durchdrang ihr rührend Flehn;
+Ihre Bitte, Herr, verleihe,
+Laß in Reinheit sie bestehn!"
+
+Doch der Herr sprach: "Will im Scheine
+Meiner Sonnen keusch sie gehn,
+Will sie bleiben immer reine,
+Eh ihr auf die Augen gehn?
+
+Sie liegt in des Traumes Zweifel,
+Wenn mein Bild nicht auf ihr lebt;
+Aus ihr schreiet nur der Teufel,
+Wenn sie zierend widerstrebt."
+
+Und der Herr sprach: "Niedersteige
+Zu der Züchtgen, Michael!
+Daß sie dir des Staubes reiche,
+Nach des Ewigen Befehl!"
+
+Als der Seraph sie umkreisend
+Sieht im Mittagsglanze stehen
+Und, des Herren Milde preisend,
+Sich im Sonnenstrahl ergehn,
+
+Rühret ihn, den göttlich Freien,
+Der nicht kannte irdisch Weh,
+Ihr metallisch heißes Schreien,
+Daß ihr hart Gewalt gescheh.
+
+Und er blieb, zur Höhe eilend
+Bittend vor dem Ewgen stehn,
+"Herr!" sprach er, "hör Gnad erteilend
+Schonend an der Erde Flehn!
+
+Ich hab sie im Sonnenkleide
+Also schuldlos schlummern sehn,
+Aller Tränen Augenweide
+Unter meines Fittichs Wehn.
+
+Als ich meine Flüge breitend
+Sie mit meinem Flug erweckt,
+Ihre Schmerzen tief mitleidend,
+Hat mich ihr Geschrei erschreckt!"
+
+Und der Ewge sprach: "So steige
+Zu der Jungfrau, Raphael,
+Daß sie dir des Staubes reiche,
+Bringe ihr des Herrn Befehl!"
+
+Und der Seraph niederschweifet
+Überm blauen Wogenmeer,
+Und die Erde lag umreifet
+Von dem Abendglanz umher.
+
+In dem roten Sonnenscheine
+War sie so in Trauer schön,
+Stille lauschend, wie sie weine,
+Blieb er auf den Wogen stehn.
+
+Und von ihrem heißen Weinen
+Wurden seine Flügel schwer,
+Und er mußte mit ihr weinen
+Nieder in das dunkle Meer.
+
+Da er in die Wogen weinet,
+Da erbitterte das Meer,
+Und ihr Herz in Schmerz versteinet
+Floß in salzgen Quellen her.
+
+Und der Engel wollte weichen,
+Da die Sonne stieg zur See,
+Und er stellt zum Friedenszeichen
+Ihr den Mond in blauer Höh.
+
+Da er zu dem Licht aufreisend
+Durch das hohe Himmelsfeld,
+Rollen seine Tränen kreisend
+Um die Erd das Sternenzelt.
+
+Und der Herr sprach: "Niedersteige
+Zu der Erde, Azrael!
+Daß sie dir des Staubes reiche,
+Bringe ihr des Herrn Befehl!"
+
+Und der Seraph weit ausbreitet
+Er die Flügel um sich her,
+Daß der Schatten mit ihm schreitet
+Und die Nacht so tief und schwer.
+
+Ihn soll nicht ihr Schmerz ergreifen,
+Er will sie nicht trauern sehn,
+Und vor ihm an ihren Reifen
+Mond und Sonne untergehn.
+
+Von der neuen Lichter Scheine
+Die Geblendeten vergehn,
+Als sie freudg und alleine
+In ihr eigenes Herz gesehn,
+
+Und fand allerlei Gebeine,
+Die das Licht in ihr erregt,
+Fand in sich die edlen Steine
+Dunkel schimmernd ausgelegt.
+
+Und traumwandelnd sie beschleichet
+Nun der schlaue Azrael,
+Und die Träumerin sie reichet
+Sieben Staube dem Gesell.
+
+Da er zu dem Ewgen steiget,
+Ließ er sie im Schlafe stehn,
+Der der Erde hat gezeiget,
+Daß sie müsse untergehn.
+
+Da den Staub dem Herrn er reichet,
+Spricht der Ewge: "Azrael!
+Wer das Leben so beschleichet
+So vollbringet den Befehl,
+
+Der soll alle Seelen leiten
+Zu dem Himmel, zu der Höll,
+Die sich von dem Leben scheiden,
+Todesengel Azrael!"
+
+Und die Erden schärfer scheidend
+Ließ des Meisters Will entstehn,
+Tiere immer höher schreitend
+Kriechen, schwimmen, fliegen, gehn.
+
+Und die sieben Erden einet
+Er zum Menschen noch zuletzt;
+Der da lachet und auch weinet
+War zum Erdherrn eingesetzt.
+
+Ihn haucht an der Herr der Geister,
+Hat ihm einen Geist geschenkt,
+Daß er ähnlich sei dem Meister,
+Irdisch lebend göttlich denkt.
+
+Von der Erd zum Sternenkreise
+Reicht er, wenn er aufgestellt;
+Sonnen gleich zu Gottes Preise
+War das Antlitz ihm erhellt.
+
+Ruhend ihm die Stirne reichte,
+Wo die Sonne aufersteht;
+Ruhend ihm die Ferse reichte,
+Wo die Sonne untergeht.
+
+Und die Tiere und die Geister
+Blieben betend vor ihm stehn,
+Glaubten ihn den ewgen Meister,
+So war herrlich er und schön!
+
+Doch da sie ihm näher schreiten,
+Haben sie ihn erst erkennt,
+Da er schrie: "Die Herrlichkeiten
+Gottes sind ohn Zahl und End!"
+
+Aber Gott sah ihn mit Neide,
+Wollte ihn verkleinern gern,
+Auf daß künftig unterscheide
+Man den Diener von dem Herrn.
+
+Ließ vom Schlafe ihn beschleichen,
+Den erfunden Azrael,
+Zu ihm, zu den irdschen Reichen
+Stieg er, daß er ihn bestehl.
+
+Machte um viel Ellen kleiner
+Und beraubt sein eigen Werk,
+Streute um ihn her die Beiner,
+Daß er seine Herrschaft merk.
+
+Und da Adam war alleine,
+Sah die Tiere paarweis gehn,
+Wollt der Herr, daß er nicht weine,
+Ihm nach einem Weibe sehn.
+
+Und er rief: "Hernieder steige
+in die Tiefe, Azrael!
+Daß sie dir des Staubes reiche,
+Bringe ihr des Herrn Befehl!"
+
+Aber alle sieben Kreise
+Waren durch und durch belebt,
+Daß den Staub er zu sich reiße,
+Harten Kampf der Geist erhebt.
+
+Als er in der Nacht ausgreifet,
+Griff er in ein Pfauennest,
+Und den Vogel hochgeschweifet
+Steckt im Wolkengurt er fest.
+
+Weiter fassend zu ihm schleichet
+Eine Katze augenhell,
+Funken sprühen, wenn er's streichet,
+Aus dem glatten Schmeichelfell.
+
+Aus der Wurzel sodann reißt er
+Belladonna Azrael,
+Und Fünffingerkraut; der Meister
+Wird schon wissen, was ihm fehl.
+
+Eine Purpurschnecke reichet
+Ihm sodann das weite Meer,
+Und aus seiner Höhle steiget
+Basiliskus zu ihm her.
+
+Und mit diesen Sechsen einet
+Er den König, der sich hebt,
+Und in roter Schminke scheinet,
+Wenn Merkur bei Sulphur lebt.
+
+Diese böse Sieben reichet
+Klug dem Engel Luzifer,
+Der vor ihm im Dunkel schleichet,
+Als wenn er die Erde wär.
+
+Diese Sieben formt zum Leibe
+Nun der Herr, die sonst getrennt,
+Gibt dem Adam sie zum Weibe;
+Lilith war das Weib genennt.
+
+Adam! Adam! du mußt leiden,
+Dir ist bös ein Weib gesellt!
+Wer mag dich von Lilith scheiden,
+Die vom Herrn dir ward bestellt?
+
+Schreiend, widergellend, keifend
+Eifert sie und widerbellt,
+Mit den tausend Augen schweifend,
+Die der Pfauenschweif enthält.
+
+Und da heuchelt sie und schmeichelt
+In dem weichen Katzenfell,
+Und wenn er betört sie streichelt
+Kratzt und beißt sie den Gesell.
+
+Nach der Belladonna weisend
+Er sie etwas giftig nennt,
+Bald auf seinen Wangen beißend
+Das Fünffingerkraut entbrennt.
+
+Purpur und Zinnober weiset,
+Wie es mit der Wahrheit steht,
+Wenn der Basiliske gleißend
+Aus der falschen Schminke geht.
+
+Ewig waren sie entzweiet,
+Sie erkannt ihn nicht als Herrn,
+Den Schemhamphorasch laut schreiend
+Flog sie in die Lüfte fern.
+
+Da sprach Adam: "Herr der Geister,
+Lilith floh aus meiner Welt;
+Sie will nicht, daß ich als Meister
+Über sie sei aufgestellt!"
+
+Gott ließ nun drei Engel reisen,
+Die sie fanden überm Meer;
+Sie zur Güte hinzuweisen,
+Machte sie den Engeln schwer.
+
+Und nichts konnte sie erweichen,
+Daß sie zu dem Adam kehr,
+Und die Engel, daß sie schweige,
+Drohn zu stürzen sie ins Meer.
+
+Da schwur sie, zur Qual alleine
+Sei geschaffen sie zur Welt,
+Zu der eignen Kindlein Peine
+Sei zum Leben sie bestellt.
+
+Und der Herr sprach: "Ja, so bleib es!
+Doch, um sie zu bändigen,
+Sollen Kinder ihres Leibes
+Täglich hundert untergehn!"
+
+Und seit diesen Fluch der Meister
+Ließ ergehen für ein Recht,
+Sterben täglich hundert Geister
+Aus der Lilith Urgeschlecht.
+
+Um den Adam zu beschleichen,
+Gott sein Haupt in Schlummer senkt,
+Stiehlt die Rippe ihm, ein Zeichen,
+Daß der Mensch denkt und Gott lenkt.
+
+Denn er war durch Schaden weiser,
+Scheute sich vor Luzifer,
+Und er geht Werke leiser,
+Will nun keine Erde mehr.
+
+Und die Rippe wird zum Weibe;
+Heva hat er sie genennt,
+Sie war Fleisch von Adams Leibe,
+Und sie haben sich erkennt.
+
+Ihre Locken zu den Seiten
+Flocht und schmückte ihr der Herr,
+Salbte sie, und tanzend schreiten
+Mußte sie zu Adam her.
+
+Tausend Engel, sie zu preisen,
+Vor dem klaren Weibe gehn,
+Singend, spielend sie umkreisen
+Rings mit himmlischem Getön.
+
+Und es tanzten rings den Reigen
+Sonne, Mond und Sterne fern
+Nach der Engel Harf und Geigen
+Vor der Braut des Erdenherrn.
+
+Während seinen Segen beiden
+Reichet gütig nun der Herr,
+Zu der Mahlzeit sie zu leiten
+Eilten dann die Engel her.
+
+Auf dem Tisch von Edelsteine
+Da die Hochzeitsspeisen stehen,
+Schenkend wohlgekühlte Weine
+Engel um die Tafel gehn.
+
+Gott zeigt in dem Paradeise
+Einen Baum, der hoch aufstrebt,
+Spricht: "Die Frucht nehmt nicht zur Speise,
+Sie ist tödlich!" und entschwebt.
+
+Da er von der Erde weichet,
+Von dem Herren zum Geschenk
+Raphael ein Buch ihm reichet,
+Daß er seiner Liebe denk.
+
+Aller Schöpfung Heimlichkeiten
+In dem Buch verzeichnet stehn,
+Und die Engel aller Seiten
+Schleichen, in das Buch zu sehn.
+
+Hinter seinem Rücken schreibet
+Ab das Buch der Samael,
+Luzifer ihn dazu treibt,
+Daß auch nicht ein Buchstab fehl.
+
+Doch zu viel sitzt seinem Weibe
+Bei dem Buche der Gesell,
+Und sie schweift zum Zeitvertreibe
+Durch den weiten Garten schnell.
+
+Und sie sieht zur ihr herreiten
+Auf dem ragenden Kameel,
+Der sie will zur Freiheit leiten,
+Stolz den hohen Samael.
+
+"Wollet mich zum Baum doch leiten",
+Spricht er, "der im Garten steht,
+Der verboten ist euch beiden,
+Auf daß ihr euch nicht erhöht!
+
+Aus des Buches Heimlichkeiten
+Hab ich heute eingesehn:
+Wer der Früchte ißt, wird schreiten
+Auf zu Gott, ja gleich ihm stehn."
+
+Und geführet von dem Weibe
+Greift zum Baume Samael;
+Daß er ungetötet bleibe,
+Zeigt er essend ohne Hehl.
+
+Und das Weib zum Baume greifet;
+Aber wehe! vor ihr schnell
+Zu der Erde niederschweifet
+Todesengel Azrael.
+
+Sie gedacht in tiefem Leide,
+Daß sie nicht alleine sterb.
+"Sterben wir doch besser beide,
+Daß kein Weib ihn mehr erwerb."
+
+Zu dem Mann ist sie geeilet,
+Der bei seinem Buche steht;
+Bis die Sünde er geteilet,
+Eher sie nicht von ihm geht.
+
+Und der Herr sah es mit Neide,
+Und aus Adams Händen schwebt
+Weg das Buch, daß er mit Leide
+Seinen Blick zu Gott erhebt.
+
+Und er schlug sein Haupt und weinte,
+In den Gichon-Fluß sich stellt,
+Und so jammerte und weinte,
+Daß er bis zum Haupt ihm schwellt.
+
+Und der Schimmer seines Leibes
+Rostet und wird träg und schwer,
+Und es wird zum Fluch des Weibes,
+Daß mit Schmerzen sie gebär.
+
+Gott stürzt sie vom Paradeise,
+Und sie stürzten ab, getrennt;
+In der Erde tiefstem Kreise
+Adam sich zuerst erkennt.
+
+Erez Hattachtona heißet
+Sie und Welt im finstern Kern;
+Aber Luzifer beweiset
+Sich als einen guten Herrn.
+
+Er schickt zu dem zweiten Kreise
+Adamah, den Erdgesell,
+Daß den Boden er aufreiße
+Und das Bergwerk ihm bestell;
+
+Wo er hundert Jahre bleibet.
+Lilith drang da zu ihm her,
+Und mit diesem bösen Weibe
+Zeuget Zwerg und Riesen er.
+
+Heva lebt im tiefern Kreise
+Mit dem Geiste Samael,
+Zeugt mit ihm in gleicher Weise
+Geister und Dämonen schnell.
+
+Da bevölkert er die Kreise,
+Wie er wollte, Luzifer,
+Ließ er sie zur Arka reisen,
+Die die vierte Erde wär.
+
+Und hier fanden sie sich beide,
+Und da sie sich hier erkennt,
+Ward geboren ihrem Leide
+Stolz ein Sohn und Kain genennt.
+
+Und nun stiegen nach der Reihe
+Um drei Erden still einher
+Bis zur Tebhel alle dreie,
+Unsere Erde, unser Meer.
+
+Adam hier ein Buch aufschreibet,
+Was er unten hat gelernt,
+Und was ihm erinnerend bleibet
+Aus dem Buch, das Gott entfernt.
+
+Viel vom Bann und Glück der Geister
+Ihm die Eva auch erzählt,
+Wenig hat ihr starker Meister
+Samael vor ihr verhehlt.
+
+Alles in das Buch er schreibet,
+Alles in dem Buche steht,
+Und das hohe Buch es bleibet
+Als er stirbt dem Sohne Seth.
+
+Von dem Seth zum Tubalkaine
+Hat sich dann das Buch entfernt,
+Der die harten Eisensteine
+Daraus künstlich schmieden lernt.
+
+Jubal lernt daraus der Geigen
+Und der Flöten süß Getön,
+Und aus seines Stammes Zweigen
+Alle Pfeifer auferstehn.
+
+Und so steigt es immer weiter
+Von Geschlechte zu Geschlecht,
+Und auf seiner ewgen Leiter
+Stehen alle Künste recht.
+
+Mündlich, schriftlich, stets erweitert
+Geht es durch die trübe Welt,
+Die es mit der Kunst erheitert,
+Mit Erkenntnissen erhellt.
+
+Noah schrieb hinein die Reise
+Durch der Sündflut hohes Weh
+Und der Tiere Art und Weise,
+Ihrer Sprache A B C,
+
+Und des Weines Zaubereien,
+Und wie man am Firmament
+Aus der Sterne klaren Reihen
+Menschliches Geschick erkennt.
+
+Abram, daß die Kunst mög bleiben
+Die Gestirne zu verstehn,
+Wollte sie auf Körper schreiben,
+Die durch Feu'r und Wasser gehn.
+
+Er schrieb sie zum Trost der Seinen
+Auf zwei Säulen himmelwärts,
+Eine von gebrannten Steinen
+Und die andre war von Erz."
+
+So sprach Moles zu dem Meister,
+Der in hoher Freude steht,
+Daß die Weisheit aller Geister
+Nun in seinen Händen steht.
+
+"Aber sag," spricht er zum Geiste,
+"Wie sich deine Mutter nennt?"
+"Heva," sprach er, "mit mir kreiste
+Durch den Vater Samael.
+
+Und du selber, starker Meister,
+Stammest von der Lilith her;
+Dein Urvater, Adam heißt er,
+Und der Taufpat Luzifer.
+
+In Ägypten hat verbreitet
+Sich dein mächtiges Geschlecht,
+Und durch deinen Vater streifte
+Es herüber ungeschwächt."
+
+"He! mein Vater, he! wie heißt er?"
+Spricht nun Apo zum Gesell.
+"Amber, Amber, lieber Meister,"
+Spricht der Hund, "doch ist's nicht hell!
+
+Denn es mag die Heimlichkeiten,
+Die die Liebe zwirnt und dreht,
+Selbst der Teufel nicht entscheiden;
+Mancher erntet ungesät."
+
+Also sprachen diese beiden,
+Bis es an dem Turme schellt,
+Apo zu den letzten Leiden
+Einer Kranken ward bestellt.
+
+Und der Geist ward immer dreister:
+"Mach, daß sie das Sakrament,"
+Sprach befehlend er zum Meister,
+"Nicht empfängt vor ihrem End!"
+
+** Romanze XI: Biondetta in dem Theater
+
+Schwarze Damen, schwarze Herren
+Wandeln durch Bolognas Straßen.
+Werden sie zur Leiche gehen?
+Wen bringt man so spät zu Grabe?
+
+Doch kein Priester wird gesehen,
+Kreuz und Fahne nicht getragen;
+Alles strömet laut und rege,
+Und die schnellen Wagen rasseln.
+
+Nicht zur Mette oder Vesper,
+Miserere, Salve, Ave,
+Auch zu keiner Totenmesse:
+Diese liest man nicht am Abend.
+
+Nein, sie gehn zur letzten Ehre,
+Trauernd all in schwarzer Farbe,
+Was sie lieben anzusehen
+In die Runde des Theaters.
+
+Denn die herrliche Biondette
+Wird der Bühne heut entsagen,
+Morgen dann den Schleier nehmen
+In der Kirche zu Sankt Claren.
+
+Und der Schein unzähl'ger Kerzen
+Füllet leuchtend schon die Hallen,
+Und es lodern alle Herzen
+In unsichtbar schönen Flammen.
+
+All die schwarzen Fraun und Herren,
+All die Diamanten strahlend
+Und die schwarzen Augen brennend
+Reihen blendend sich zum Kranze.
+
+Bis lebendig alle Wände
+In viel tausend Herzen schlagen,
+Jeder Blick ein Aug muß treffen,
+Jeden Ton ein Ohr muß fassen.
+
+So gleich einem Firmamente
+Mit viel guten Sternen flammend,
+Baut sich wundersam ein Tempel,
+Um Biondetten zu umfangen.
+
+Da der Vorhang ruhig schwebet,
+Sonne, bist du aufgegangen,
+Leise Kühlung duftend wehet
+Um die sehnsuchtsheißen Wangen.
+
+Liliensäulen sich erheben
+Eine Rosenkuppel tragend;
+Unter einem Blumentempel
+Steht Biondetta mit der Harfe.
+
+Ach, sie war ein klarer Engel,
+Voll von lieblichen Gedanken,
+Einer frommen Jungfrau Seele
+An der Himmelspforte zagend.
+
+Alles Licht zu ihr sich sehnet,
+Zu ihr alle Strahlen fallen,
+Alles schweigt und liebt und betet
+Recht in selgem Wohlgefallen.
+
+Also schwieg die junge Erde,
+Da der Mensch, der Gottgeschaffne,
+In dem Kelch des jungen Lebens
+Sinnend schwankt und weint und lachte.
+
+In ihr nur war alles Denken,
+In ihr alle Herzen schlagen,
+Mit ihr jedes Aug gesenket
+Oder freudig aufgeschlagen.
+
+Nun erhebet sie die Rede,
+Und die tausend Hörer alle
+Fühlen ihrer Lippe Beben
+Still in freudigem Erwachen.
+
+Züchtig sprach sie: "Hochgeehrte!
+Schonend habt ihr mich vor Jahren
+Aufgenommen in den Tempel,
+Habt geduldet mich seit Jahren.
+
+Wollet heute auch in Ehren
+Eure Dienerin entlassen,
+Daß mich rein ein reinrer Tempel
+Aus der Künste Haus empfange.
+
+Als ein Opfer will ich geben
+heut des äußren Lebens Fabel,
+Daß ich dann das innre Leben
+Morgen opfre am Altare!"
+
+Und nun stieg des Tempels Schwelle.
+Mit Biondetten, einsam ragend
+Stand ein Fels in ödem Meere,
+Ein Marienbildlein tragend.
+
+Rings die tausend Lichter blendend
+Sanken ein, die Diamanten
+Blickten schüchtern, ferne Sterne,
+An dem dunklen Firmamente.
+
+Eine weite Dämmrung streckte
+Sich umher, und keine Schranken
+Schienen um den Fels zu stehen,
+Als nur liebende Gedanken.
+
+Bei dem Bildlein saß Biondette
+In dem Scheine einer Lampe,
+In den weißen Arm gelehnet
+Schimmerte die goldene Harfe.
+
+Schweigend glich das Volk dem Meere,
+Über dem ein Gott hinwandelt;
+Als ruht und wogt die Menge
+In Biondettens Sang und Harfe.
+
+Und es sind des Meeres Wellen
+An der Jungfrau Lied gebannet,
+Weh und Wonne fluten, ebben,
+Wie sie will in allen Adern.
+
+Hell auf meerumwogten Felsen
+Hebt sich über ewges Wasser
+Ein Marienbild; des Meeres
+Stern auf ihrem Haupte flammet.
+
+ "Meerstern, wir dich grüßen,
+ Die durch Tränenwüsten
+ Aus der sündedunkeln Zeit
+ Einsam steuern müssen
+ Zu den hellen Küsten
+ Der gestirnten Ewigkeit."
+
+Nächtlich steigt zur ihr Sirene,
+Opfert Perlen und Korallen,
+Singt auf mondbeglänzter Schwelle
+Zu kristallner Harfen Schalle:
+
+ "Jungfrau, laut verkünden
+ Von des Himmels Bühnen
+ Engel deine Herrlichkeit;
+ Und aus Meeres Gründen
+ Steigt, dich zu versühnen,
+ Was da lebt in irdschem Streit."
+
+Aber dunkle Wolken treten
+Vor den Mond, das weite Wasser
+Sträubt das Wogenhaar zu Berge
+Vor den tosenden Orkanen.
+
+ "Jungfrau voller Güte,
+ Wie das Meer sich türme,
+ Stehest du in Heiterkeit;
+ Wie gefallne Blüten
+ Schütten dir die Stürme
+ Himmelssterne auf dein Kleid."
+
+Ach, im zorngen Elemente
+Schwankt ein Schifflein notumklammert!
+Leuchte, leuchte, Stern des Meeres,
+Einer Mutter dich erbarme!
+
+Ach, sie flehet nur zu retten
+Ihren Säugling, den umarmend
+An der Brust sie nährt zum Leben,
+Schwankend selbst im Untergange.
+
+Dir, o Meerstern, weiht sie betend
+Den sie unterm Herz getragen,
+Nun zur Wogenwiege leget
+Aus den sichern Mutterarmen.
+
+ "Denk, o Mutter süße,
+ Wie du durch die Wüste
+ Unsern Herren trugst in Pein,
+ Daß er für uns büße,
+ Trank er deine Brüste,
+ Sog er deine Milde ein."
+
+Schon zerbricht des Sturmes Segel,
+Und der Blitze Feuerflagge
+Zucket einsam auf den Wellen,
+Wo das Schiff in Nöten schwankte.
+
+Nieder zur der Gruft der Meere
+Sank das Schiff; es folgt dem Sarge
+Schwarz der Donner, ernstlich betend,
+Und der Blitze Leichenfackel.
+
+Und es suchen kleine Sterne
+Einsam durch die dunklen Wasser
+Nach der Mutter, ach vergebens!
+Fromme Kerzen ihres Grabes.
+
+ "Jungfrau, Himmelstüre,
+ In des Todes Gründe
+ Senke deiner Strahlen Schein
+ Und helleuchtend führe
+ Aus dem Meer der Sünde
+ Uns zum Quell des Lichtes ein!"
+
+An dem Himmelsdome brennet
+Still des Mondes ewge Lampe;
+Zu dem Felsen rauscht Sirene,
+Einen Schatz im Arme haltend.
+
+Denn sie trug das Kindlein flehend
+Zu dem steilen Felsenrande,
+Das die Mutter untergehend
+Legte in Mariens Arme.
+
+Die, ein heller Stern des Meeres,
+Trägt den Scheiternden Erbarmen,
+Hat es sicher durch die Wellen
+In Sirenens Arm getragen.
+
+Aus dem wilden Elemente
+Trug sie nun das Bild der Gnade
+Freudig aufwärts zu dem Felsen,
+Ganz in neuer Lieb erwallend.
+
+Liebvoll löst sie ihre Flechten,
+Teilt die Locken sich am Nacken,
+Bildet draus am warmen Herzen
+Für das Mägdlein weich ein Lager.
+
+Setzt sich an des Bildes Schwelle
+Mit dem süßen Wunderpfande
+Und spricht fromm: "O Stern des Meeres,
+Lasse mich dies Kind erlaben!"
+
+Und nach ihren Brüsten wendet
+Sich das Kind und findet Gnade;
+Die es lebend hielt in Wellen,
+Gab barmherzig ihm die Amme.
+
+Alle die keuschen Lebensquellen
+Über ihrem Herzen wallen,
+Muß sie süße Blicke senken
+Zu dem Kind in Mutterarmen.
+
+Und dann singt sie; schlummerwebend
+Tönt das Lied und rauscht das Wasser,
+Und es wandeln Mond und Sterne
+Leise, daß das Kind entschlafe.
+
+"Da der Morgen wiederkehrte,
+Lag ich in kristallner Kammer;
+Auf der weichen Purpurdecke
+Spielten goldne Sonnenstrahlen.
+
+Und am Mittag wiegt Sirene
+Mich in glatten Muschelschalen,
+Und ich schlief bis sie mich weckte
+Mit Gesang und süßer Harfe.
+
+Rötet Abendlicht die Welle,
+Trug sie mich in Mutterarmen
+Zu dem Bilde, für mein Leben
+Der Gebenedeiten dankend.
+
+Wenn um Mitternacht die Sterne
+Sinnend in dem Meere schwankten,
+Flocht mir durch den Traum Sirene
+Ihrer Lieder heilge Schlangen.
+
+Also in dem Land des Lebens
+Und in Andacht schon erwachsen,
+Nannte sie das Kind Biondette
+Ob der goldnen Flut des Haares.
+
+Frühe lehrt sie mich zu schweben
+Auf des Tanzes Wunderbahnen,
+Früher noch die Blicke heben
+Und zu Gott die Händlein falten.
+
+Und sie lehrt die junge Seele
+Sich erschwingen im Gesange
+Und mit Engeln auf der Töne
+Himmelsleiter freudig tanzen.
+
+Aber endlich sprach Sirene:
+`Folge mir in meine Kammer;
+Fest ist schon in dir das Leben,
+Lerne nun, dich zu verwandeln!
+
+Alles Leben lerne leben,
+Alle schöne Klage klagen,
+Alle Freude schön erheben,
+Alle Geister aufwärts tragen!
+
+Alle Herzen sollen beben
+In dem Klange deiner Harfe!
+Bannen sollst du alle Seelen
+In die Kreise deines Tanzes!
+
+Mit der Künste heilgem Zepter
+Schlage an das Herz der Sklaven,
+Die du in den Sinnen fesselst,
+Um im Geist sie zu entlassen!'
+
+Also sprach zu mir Sirene,
+Hüllend mich in einen Mantel,
+Der sich wie der Leib der Seele
+Allgestaltend um mich faltet.
+
+Nieder stieg ich. Tief im Felsen
+Tut sich auf ein bunter Garten,
+Rauschet, strömet Toneswellen
+Um das Eiland aller Farben!"
+
+Also schwieg das Lied Biondettens.
+Neben ihr die kleine Lampe
+Ward zu einem Kranz von Sternen,
+Um das Bild Mariens strahlend.
+
+Dies erhob sich leis vom Felsen
+Zu dem Himmel aufgetragen;
+Mit dem Felsen sank Biondette
+Knieend und die Harfe schlagend.
+
+Und die wilden Elemente
+Schieden sich, sie zu empfangen;
+Es stieg aus dem öden Meere
+Einen Wunderinsel prangend.
+
+Tonumflutet vom Orchester
+Trennte sich das Kunstgestade
+Von dem Garten des Parterres
+Und der Logen Glanzterrassen.
+
+Auf den stillen Blumenbeeten
+Blinkt der Tau der Diamanten
+Und die stillen Tränenperlen
+In dem Blick der schwarzen Damen.
+
+Und es stieg hoch überschwellend
+Melodie aus allen Schranken,
+Aus den Wänden tausend Kerzen,
+Aus dem Boden tausend Lampen.
+
+Von Marien niederwehend
+Sank der himmelblaue Mantel,
+Schürzt sich feierlich zum Zelte
+In des Ölbaums grünen Armen.
+
+Aus dem Zelte tritt Biondette,
+Eingeflochten ihre Haare,
+Stolz geschmückt mit milden Perlen,
+Edelstein und goldnen Spangen.
+
+Schwer ein Schwert faßt ihre Rechte,
+Von der linken Schulter wallet
+Eine blutge Purpurdecke,
+Hüllend, was die Linke trage.
+
+Und sie schürzt die Decke, sprechend:
+"Den durch Gott ein Weib geschlagen,
+Seht das Haupt des Holofernes,
+Seht die Decke seines Lagers!
+
+Und so wahr der Herr uns lebet,
+Rein sein Engel mich bewahrte,
+Die ohn Sünde wiederkehret,
+Nur mit Freud und Sieg beladen!"
+
+Nun tritt sie zurück zum Zelte,
+Das nach ihr hernieder wallet,
+Aber rings Gesang sich hebet,
+Freudig Flöt und Zimbeln klangen.
+
+Jauchzend durcheinander wehten
+Alle Töne, und es schwangen
+Triumphierend sich die Chöre
+Wie ein Wald voll Siegespalmen.
+
+Schneller, jubelnder und heller,
+Bis zu einer wilden Flamme,
+Die sich wieder selbst verzehrte,
+Bis zur stillen glühen Asche.
+
+Da trat still einher Biondette
+Unter weißem Rosenkranze,
+Ihre Locken, goldne Flechten,
+Von der Stirn zum Gürtel fallen.
+
+Um die zarten Glieder bebet
+Ihr ein schlichter, weißer Mantel,
+An des Gürtels Silberkette
+Hängt ein Brot und eine Flasche.
+
+Ihrer Augen blaue Quellen
+Lassen Tränenperlen fallen
+In der Maienglöckchen Kelche
+An dem goldnen Knauf der Harfe.
+
+Als die zarten Finger beben
+Durch der Saiten goldnen Garten,
+Blühen ihrer Lippen Nelken
+Und das Rosenfeld der Wangen.
+
+Und sie sang ein Lied bewegend
+Von dem Tode eines Lammes,
+Das, die Schuld von uns zu nehmen,
+Starb in heilger Opferflamme.
+
+Als schleiert sich in Nebel
+Oft der Mond; aus keuschen Strahlen
+Einen Heilgenschein sich webend,
+Weint er umd die trüben Tage;
+
+Also tönt ein Schwan im Sterben,
+Der im Spiegel klarer Wasser
+Stumm sein Sternbild angesehen,
+Grüßt es scheidend im Gesange.
+
+"Lebet wohl, ich will mich wenden
+Zum Gebirge; einsam wandelnd
+Will die reine Tochter Jephtas
+Weinen um die jungen Tage!
+
+Weinen um den Schein des Lebens,
+Weinen um den Duft des Kranzes,
+Weinen, daß die Seele heller
+Scheine, als des Opfers Flamme!"
+
+Und nun wendet sich Biondette
+Trauernd zu dem Felsenpfade,
+Der bald sichtbar, bald verstecket
+Aufsteigt an des Berges Rande.
+
+Wo der Steg zu Tal sich wendet,
+Stand sie grüßend mit der Harfe,
+Ferne Sehnsuchtsklänge sendend
+Zu verlaßnen Frühlingstalen.
+
+Rings die Hirtenflöten flehen,
+Und der Herden Glocken stammeln,
+Und die Abendlieder schweben
+Klagend aus der Büsche Schatten.
+
+Sie geleitend steigt am Felsen
+Sonnenschein zum Untergange,
+In der Tritte Spuren senket
+Dämmerung den ernsten Mantel.
+
+Aber schaut! Nun steht Biondette
+Hoch am dunklen Tor des Waldes,
+Niederkniet sie und singt betend
+In die Welt, die sie verlassen:
+
+"Lebet wohl, ihr falschen Farben,
+Eitler Tränen Regenbogen,
+Sterne, die mit falschem Glanze
+Dienet einem Flittermonde!
+
+Meine Tränen sollen wachsen,
+Daß sie mit den bittren Wogen
+Ganz mein Irdsches überwallen,
+Bis die Schuld ist hingenommen.
+
+Aus dem Argen in die Arche
+Geh ich gleich der Tochter Noä,
+Kleide mich in schwarzer Farbe,
+Wie der Rabe ausgeflogen.
+
+Kleide schwarz mich gleich dem Raben,
+Der als Bote ausgeflogen
+Und so traurig auf den Wassern
+Schwebte, bis sie abgeronnen.
+
+Schleire mich in weißer Farbe
+Gleich der Taube, die als Bote
+Wiederkehrte mit dem Blatte,
+Das dem Friedensbaum entsprossen.
+
+Sei gegrüßt, du Tag der Gnade!
+Durch den Friedensbogen Gottes
+Will ich zu den Vätern wallen
+Auf der Opferflamme Wolken!"
+
+Aber in den Wald nun senket
+Sich die Sonne, und mit Flammen
+Scheint Biondetta rings umgeben,
+Schwarz geschleiert, nur ein Schatten.
+
+Da der Wald im Glanze stehet,
+Schweigen rings die Flöten alle,
+Und ein Chor von Hörnern schwebet
+Klagend auf im Widerhalle.
+
+Und das Volk lauscht tief beweget,
+Denn die Sonne widerstrahlend
+Spielet, die nicht auszusprechen,
+Lieder durch die goldne Harfe.
+
+Und so stille war die Menge,
+Daß man hört die Tränen fallen
+Und die heißen Seufzer wehen
+Und die bangen Herzen schlagen.
+
+Wie ein Kahn auf stillem Meere
+Mondumspielet träumend wanket
+Und der Fischer hingestrecket
+Schlummert ein in dem Gesange:
+
+Also waren alle Schmerzen
+In Biondettens Lied entschlafen,
+Scheiden kann sie von den Herzen,
+Die in Wunderträumen wandeln.
+
+Doch es treibt das Schiff zum Felsen
+Und füllt sinkend sich mit Wasser;
+Nacht ist's und der Mond bedecket,
+Und der Mann starb unerwachet.
+
+Aber weh! nicht so die Schmerzen,
+Schlummernd, träumend im Gesange,
+Hier im süßen Schlafe starben,
+Wie der Fischer, Mond und Rachen.
+
+Um Biondetten wird es heller:
+"Wehe, wehe, das sind Flammen!
+Feuer, Feuer, Helft! o helfet!"
+Schreiet alles im Theater.
+
+"Feuer! Helfet!" schreit Biondette. --
+"Stürzet das Gerüst zusammen,
+Ist sie nimmermehr zu retten":
+So erfüllt das Haus ein Jammer.
+
+Nach den Türen, zu den Treppen
+Stürzen alle Herrn und Damen,
+Und die Menge des Parterres
+Will sich wogend überschlagen.
+
+Bald in allen Fenstern stehen
+Hohe Leitern; Herrn und Damen
+Drängen sich, hinab zu klettern,
+Und hinauf die Herrn Soldaten.
+
+Dieser will sein Liebchen retten
+Und faßt seine alte Base;
+Jener, der die Frau will heben,
+Wird umklammert von dem Manne.
+
+Und die duftgen Cicisbeen
+Müssen gar zu harter Strafe
+Helfend auf und nieder klettern,
+Wie die nassen Katzen jammernd.
+
+Denn den Fliehend entgegen
+Springen schon die Wasserstrahlen;
+Wer im Feuer nicht kann leben,
+Muß sich durch das Wasser baden.
+
+Schreien, Weinen, Fluchen, Beten,
+Steigen, Klettern, Ohnmachtfallen,
+Trommelschlag und Brandtrompeten,
+Wagenrasseln, Glockenschlagen.
+
+Und schon windet sich die Menge
+Kapuziner, Domnikaner
+Sich in braun, schwarz-weißer Kutte,
+Wassereimer eilig langend.
+
+Doch die mutigen Studenten
+Springen jubelnd zum Theater,
+Stürmen die papiernen Felsen,
+Niederreißend rings die Lampen.
+
+Oben an des Haues Decke
+Hört man schwere Äxte fallen,
+Sieht auch bald die Zimmrer stehen,
+Niederstürzend Fluten Wassers.
+
+Und schon ordnet sich die Menge,
+Massen bilden sich und Straßen,
+Alles stehet, geht und kehret,
+Keiner hindert mehr den andern.
+
+Aber unter den Studenten
+Achtet einer nicht der Flammen;
+Er hat gar ein wildes Wesen,
+Gleichet einem Salamander.
+
+Und schon klagt man um den Helden,
+Den umkrachten alle Sparren,
+Doch er kehrt und trägt Biondetten
+In den dunklen, harten Armen.
+
+Da er eilet in die Szene,
+Schreit die Jungfrau: "O erbarme
+Dich, Maria! Rette, rette
+Mich von ihm in Jesus Namen!"
+
+Da springt von der offnen Decke
+Kühn ein Jüngling, wütend packet
+Er den Räuber von Biondetten,
+Doch der stehet ganz in Flammen.
+
+Alle Glut zu ihm sich wendet,
+Und wie auch die Wasserstrahlen
+Auf ihn stürzen, wills nicht helfen,
+Und man hört ihn gräßlich lachen.
+
+Und wie Wirbelwinde drehen
+Zu ihm hin sich alle Flammen,
+Die wie Haare um ihn wehen,
+Wenn er also gräßlich lachet.
+
+Und so hat er lachend, brennend,
+Eine lange Zeit gestanden,
+Da das Feuer rings geendet,
+Und das Volk schrie laut: Mirakel!
+
+Da ein Priester zu ihm sprenget
+Einen Strahl geweihten Wassers,
+Ward er, allen zum Entsetzen,
+Nur ein Häuflein dunkler Asche.
+
+Und das Volk kniet ringsum betend.
+Von der Höhe des Theaters
+Sprach der Priester dann den Segen,
+Und es schallt ein lautes: Amen!
+
+Fromme Litaneien betend,
+Ziehn die Mönche still gepaaret,
+Und die hilfreichen Gewerke
+Folgen betend aus den Hallen.
+
+In des Hauses weiter Leere
+Schallet das Geträuf des Wassers;
+Rings die stummen Wachen stehen
+Bei dem wilden Schein der Fackeln.
+
+Aber die Studenten stehen
+Staunend um das Häuflein Asche;
+Den die Flamme hat verzehret,
+War der beste Kandidate.
+
+Er war Famulus des Lehrers,
+Und sie brechen aus in Klagen,
+Bis die rufenden Pedellen
+Sie zur Heimkehr laut ermahnen.
+
+In den Weihewasserkessel,
+Den die Mönche stehn gelassen,
+Sammelt unter Tränen jeder
+Des verbrannten Freundes Asche.
+
+Und dann ziehen die Gesellen,
+Die geliebte Urne tragend,
+Trost sich singend, von der Schwelle,
+Um Apone es zu klagen.
+
+Schweigend steht das Haus. Es sehen
+Durch die Öffnungen des Daches
+Stille nieder Mond und Sterne,
+Traurig spiegelnd in dem Wasser.
+
+An der Erde ruht Biondette;
+Als sie nannte Jesu Namen,
+Ließ der fürchterliche Retter
+Sinken sie aus seinen Armen.
+
+Bei ihr kniet mit seinem Schwerte
+Stumm Meliore; in die Harfe
+Hat er sorglich sie gebettet,
+In den himmelblauen Mantel.
+
+Er verließ im Lärm den Kerker,
+Er war's, der den Sprung gewaget
+Von der Decke, sie zu retten
+Aus des Räubers dunklen Armen.
+
+Da es stille war, erhebet
+Sich Biondette, und den Mantel
+Schlingt sie um sich, von der Erde
+Hebt sie dann die goldne Harfe.
+
+Spricht, sich zu Meliore wendend:
+"Sei gegrüßt! In Jesu Namen
+Hast du mich von ihm gerettet
+Und gehütet in dem Schlafe.
+
+Einen Traum hab ich gesehen:
+Asche war ich, und zu Asche
+Soll ich einstens wieder werden,
+Wenn erfüllet sind die Tage.
+
+Für dich hab ich heut gebetet,
+Da du fochtest am Altare;
+Und du hast für mich gebetet
+Jetzt in dringenden Gefahren.
+
+Du hast liebend mich gerettet
+Aus des ewgen Todes Banden,
+Und ich werde dir's vergelten
+Bald in übervollem Maße.
+
+Laß die Sinne untergehen,
+Liebe nicht, was irdisch schwanket;
+Die du irdisch angesehen,
+Wird dir göttlich liebend danken.
+
+Hier auf dieser öden Stelle
+Wird es einstens göttlich tagen.
+Sieh, es haben schon die Sterne
+Ihren Strahl den Weg gebahnet.
+
+Wenn hier an des Altars Schwelle
+Eine Jungfrau wird entsagen,
+Werd ich durch dich auferstehen
+Aus der irdschen Leibesasche.
+
+Und du wirst die Asche nehmen,
+Streuen sie in deine Haare,
+Weil die Schlange wird zertreten
+Von des Weibes heilgem Samen.
+
+Was in Träumen ich gesehen,
+Hab ich alles dir gesaget;
+Denn auch du bist ausersehen
+Zu unendlich großen Gnaden.
+
+Wir gehn auf demselben Wege;
+Lasse uns im Geiste wallen,
+Lasse uns nie Abschied nehmen,
+Gehe hin in Gottes Namen!"
+
+Da geendet sie die Rede,
+Konnt er nicht den Blick ertragen;
+Also mächtig war ihr Wesen,
+Daß er schweigend ging von dannen.
+
+Und zur Harfe sang Biondete:
+"Lob sei Gott dem Herren! Amen!"
+Und das öde Haus erbebte,
+Widerhallend: Amen, Amen!
+
+Amen! sprachen Mond und Sterne,
+Träufelnd sprach das Wasser: Amen!
+Und da sie verließ die Schwelle,
+Riefen rings die Wachen: Amen!
+
+** Romanze XII: Jacopone und Rosarosa
+
+Von Folianten rings umgeben
+Sitzt der stolze Jacopone;
+Hochgeehrt von den Klienten
+Ist der junge weise Doktor,
+
+Ausgetreten seine Schwelle;
+Denn mit vollen Händen kommen
+Taufend, um in ihren Rechten
+Weise Sprüche sich zu holen.
+
+Täglich, nächtlich kommen, kehren
+Zu ihm, von ihm schnelle Boten,
+Fern und nah muß er die Texte
+Streitigen Parteien ordnen.
+
+Und vor seinem Hause stehen
+Oft der Fürsten stolze Rosse,
+Er ist rings im Land gebeten,
+Und man wünscht ihn allerorten.
+
+Er verstand wohl die Gesetze
+Gleich dem griechschen Hermodore.
+Die zwölf Tafeln hergestellet
+Hätt er, wären sie verloren.
+
+Und wie Flavius gelernet
+Auswendig die Aktionen,
+Kannte auch wohl alle Leges,
+Alle Formeln Jacopone.
+
+Mutius hat er gelesen
+Und den Brutus wohl erwogen,
+Den Manilius versteht er,
+Ist Sulpicio gewogen.
+
+Des Antistius Labeo Gegner
+Folget er, des Capitonis
+Schüler, des Sabini Regeln,
+Sabinianischer Methode.
+
+Er hielt streng bei den Gesetzen
+und schrieb |dissertationem|,
+Die ihn bracht zu hohen Ehren:
+|De bonorum possessione|.
+
+Salvium Julianum kennt er,
+Gaji Institutionen,
+Papinian, Ulpiano strebt er
+Und Herennio zu folgen.
+
+Ehre hätte dem Katheder
+Zu Beryt, Konstantinopel
+Und zu Rom er einst gegeben,
+Wie jene Antecessores.
+
+Hätte damals er gelebet,
+Die drei Codices zu ordnen
+In den Justinianschen, neben
+Tribonian würd er gelobet.
+
+Und die Sechzehn, die mit jenem
+Die Pandekten ausgeboren,
+Wären Siebzehn dann gewesen;
+Also war sein Geist zu loben.
+
+Zum Behufe der Pandekten,
+Auf die fünfzig Dezisionen
+Für Justinian zu stellen,
+Wär er mitbeehret worden.
+
+Dem Theophilo wohl neben
+Dorotheo zugeordnet
+Wär er, Triboniano helfend
+Bei den Institutionen.
+
+Er wär recht der Mann gewesen
+|Repetitae praelectionis
+Codicem| ins Licht zu stellen,
+Und |nearai diataxeis|.
+
+Aber spätrer Zeit zur Ehre
+War er recht ein Schmuck geboren
+Auf Bononischem Katheder
+|Magnae matris studiorum|
+
+Wo Irnerius gelehret
+Seine Justinianischen Glossen,
+Bulgar, Gosias gelebet,
+Hugo und Glossatoren.
+
+Weil er ganz besonders ehrte
+Jakob vom Ravenner Tore,
+Hat er sich nach ihm genennet
+Gar bescheiden Jacopone.
+
+Und Accursius war sein Lehrer,
+Otofredus diesem folgte;
+So hat er das Recht erlernet
+Nach der Summa des Azzonis.
+
+Und kaum dreißig Jahre zählt er;
+Um die hohe Stirne Locken
+Wallen braun aus dem Barette,
+Und sein Bart ist schön geordnet.
+
+Wenn er im Ornate stehet
+Und kreieret die Doktoren,
+Fließet ihm die stolze Rede
+Gleich dem zweiten Cicerone.
+
+Wüßten das, was er vergessen,
+Manche andre Professoren,
+Wäre ziehenden Studenten
+Öfters aus der Not geholfen.
+
+Und so ganz in Ehren schwebend,
+Lebte er in seinem Stolze;
+Seinem Ruhm sind nah und ferne
+Tausend Schüler nachgezogen.
+
+Dunkler Herkunft zu entstreben,
+Hat ihn so sein Fleiß erhoben,
+Denn nicht seinen Vater kennt er,
+Seine Mutter starb verborgen.
+
+Er begann sein Jugendleben
+Mit zwei Brüdern in dem Kloster;
+Pietro ward ein Blumengärtner,
+Noch studieret Meliore.
+
+Da er stieg zu dem Katheder,
+Nahm zum Weib er Rosarosen,
+Eine Jungfrau auserlesen,
+Eines Arztes Pflegetochter.
+
+Als er ging zur Doktorehre
+Durch der Aula hohe Pforte,
+War die Züchtge ihm begegnet,
+Und er sprach zu ihr die Worte:
+
+"Schöne Jungfrau! Ihr begegnet
+Mir an sehr gefährlchem Orte,
+Jetzo ich zu streiten gehe
+|De bonorum possessione|.
+
+Und die Schätze aller Welten
+Habe ich bei Euch verloren,
+Nichts besitz ich auf der Erde,
+Da Ihr mich mir selbst genommen.
+
+Was ich künftig nun erwerbe,
+Habt Ihr schon von mir gewonnen.
+Geht und betet, daß die Ehre
+Mir nicht gehe heut verloren!"
+
+Rosarose sah beschämet
+An den glatten Marmorboden:
+"Ich erfleh Euch, Herr, die Ehre",
+Sprach Sie, "und halt Euch beim Worte:
+
+Daß Ihr mir sodann die Ehre
+Teilet, die ich Euch erworben,
+Und nie nehmet mir die Ehre,
+Die um jene Gott ich opfre!"
+
+Ach, zu spät verstand die Rede
+Rosarosas Jacopone,
+Und es hat ihn sehr beschweret,
+Was er damals ihr versprochen.
+
+Und sie schieden; sie zum Tempel,
+Er zu dem Juristenhofe;
+Sie erfleht ihm Gottes Segen,
+Er den Doktorhut erobert.
+
+Als er austritt hochgeehret
+Unter der Schalmeien Chore,
+Wird bei Pauken und Trompeten
+Ihm drei "Vivat hoch!" erhoben.
+
+Doch er blicket allerwegen
+Nach der Jungfrau dieses Morgens,
+Ihm will auch der Wein nicht schmecken
+Bei dem Doktorschmause oben.
+
+Ach, wenn sie den Trank kredenzte,
+Säh er in des Bechers Golde
+Spiegelnd ihre Augen brennen;
+Ach, wie er dann trinken wollte!
+
+Ach, und wo ihr Mund den Becher
+Selbst entsauget einen Tropfen,
+Durstig hätte er die Stelle
+Ausgebissen aus dem Golde.
+
+Und in dem Tumult des Festes
+Schleicht er aus dem lauten Chore,
+Irret auf verschiednen Wegen,
+Denn er wußt nicht, wo sie wohnet.
+
+Wo vor Stunden sie sich trennten,
+Geht er, ihren Weg verfolgend,
+In den Garten, nah gelegen,
+Von Sankt Clarens stillem Kloster.
+
+Längs den still beblumten Feldern
+Wiegen sich die vollen Rosen,
+Von den Tönen tief beweget
+Einer süß gerührten Orgel.
+
+Und im stillen Garten stehet
+Tief erschüttert Jacopone;
+Lang hat ihn nicht angewehet
+Der unschuldge Odem Gottes.
+
+Lange hat er nicht gesehen
+In das offne Herz der Rosen,
+Und so frommer Töne Wehen
+War entfremdet seinen Ohren.
+
+Er war in der Bücher Menge
+Ganz verriegelt und verschlossen,
+Und hier, wo die Blumen scherzten,
+Ist ihm auf das Herz gebrochen.
+
+Brach ihm auf in Liebesschmerzen,
+Recht wie eine Blumenknospe
+Ihn Geschmeide keusch ausleget
+In dem Kuß der jungen Sonne.
+
+Wie verschloßne Felsenquellen
+Traurig in dem Dunkel wohnen,
+Jauchzend dann zutage brechen
+Zu den Sternen, zu der Sonne,
+
+Und mit bunten Steinen scherzend
+Und mit Fischen spielend wogen,
+Wo die Blumen spiegelnd stehen,
+Von Libellen leicht umflogen.
+
+Wie, dem Kinde gleich, die Welle
+Gern um Tand die Körner Goldes
+Hingibt, die im Schoß der Berge
+Sie mit Angst vom Geiz erworben,
+
+Und den süßen Blütenregen
+Freudig zu dem Fluß hinwoget,
+Freudiger dann Fischersegel
+Trägt, und durch die Mühle toset,
+
+Hohe Masten dann bewegend
+In den breiten starken Flossen,
+Und dann kühne, volle Segel
+Führet, recht in hohem Stolze,
+
+Dann dem ganzen Elemente
+Sich hingebend, abwärts tosend
+In die hohen, vollen Meere,
+Stirbt in Wiedersehens Wonne;
+
+So fand er sich tief beweget
+Und, dem Bücherstaub entronnen,
+Neue Liebe in dem Herzen,
+Zwischen Blumen in der Sonne.
+
+Doch da eine Stimme schwellend
+Sich ergießt zum Orgelstrome,
+Schreitet er zu der Kapelle,
+Die in Büschen steht verborgen.
+
+Und er wurzelt auf der Schwelle;
+Rosarosa schlägt die Orgel
+Singend, ohne ihn zu sehen,
+Zwischen Engelbildern golden.
+
+Auf dem kleinen Orgelwerke
+Steht das Bild der Mutter Gottes,
+Frische Rosen reicht ein Engel
+Unserm Herrn in ihrem Schoße.
+
+Und das Bild des andren Engels
+Hebt empor in goldnem Korbe,
+Singend auf und niederschwebend,
+Einen süßen, bunten Vogel.
+
+Und die leichten Bälge tretend,
+Sieht er einen goldumlockten,
+Schönen Knaben freudig schweben.
+Ach! er glich dem Liebesgotte,
+
+Wäre nicht so fromm sein Wesen;
+Doch ihm fehlen Pfeil und Bogen,
+Und ein Kreuz im Arm ihm lehnet
+Aus zwei jungen Weidensprossen.
+
+Einen Rosenstrauß am Herzen,
+Schlummert still sein Lamm am Boden;
+Niedersinket auch zur Stelle
+Auf die Kniee Jacopone.
+
+Ihr Gesang sich so erhebet:
+"Heilge Jungfrau! Mutter Gottes,
+Denke, wie sandst im Tempel
+Jesum, den du glaubst verloren,
+
+Streitend mit den Schriftgelehrten,
+Mit den Ärzten, Philosophen,
+Wie er als ein Kindlein redet
+Wunderbare, hohe Worte.
+
+Als er fragt: `Ihr Männer, wessen
+Sohn Messias wird geboren?'
+Alle kecklich zu ihm sprachen:
+`Davids Sohn wird er geboren!' --
+
+`Warum dann,' dein Kind versetzte,
+`Nennt ihn David seinen Obern?
+Sprach der Herr zu meinem Herren:
+Du sollst mir zur Rechten thronen,
+
+Daß ich dir zu Füßen werfe
+Deine Feinde an den Boden!' --
+`Hast die Bücher du gelesen?'
+Fragte Jesum dann ein Doktor.
+
+Und dein Kind sprach: `Ja, gelesen
+Und auch das, was drin verborgen.'
+Dann erklärt er dem Propheten
+Satzungen und dunkle Worte.
+
+Allen war er ein Entsetzen;
+Ärzte und die Philosophen,
+Pharisäer, Schriftgelehrte
+Mußten Kinderweisheit loben.
+
+Hohe Mutter, o gedenke,
+Wie dein Herz in Freuden wogte,
+Da du dort in solchen Ehren
+Wiederfandest den Verlornen.
+
+Zu ihm sprachst du: `Warum setztest
+Mich und Joseph du in Sorgen,
+Die dich suchten allerwegen,
+Glaubten, du seist uns verloren?'
+
+Und dein Kind sprach, zu dir redend:
+`Warum sucht ihr nach dem Sohne,
+Dem ihr selbst als Zucht gelehret,
+In des Vaters Haus zu wohnen?' --
+
+O Maria! denk der Ehren,
+Die die Meister dir da boten,
+Preisend deines Leibes Segen,
+Der so weis ein Kind geboren!
+
+O, verleihe deinen Segen
+Jenem Jüngling, der heut morgen
+Mir so huldvoll ist begegnet
+An des Rechtshofs hoher Pforte!
+
+Für ihn bring ich meine Ehre
+Deinem Gottessohn zum Opfer,
+Lasse ihn das Recht vermehren
+Zur Vermehrung des Lob Gottes!
+
+Laß geehrt nach Haus ihn kehren,
+Recht zu seiner Mutter Wonne,
+Denk der Freude, denk der Ehre,
+Die du sahst an deinem Sohne!"
+
+Als sie so das Lied geendet,
+Gab der Knabe gute Worte:
+"Ich will singen, ich will beten;
+Schlag auch meinem Lied die Orgel!"
+
+Und die Jungfrau ohn Bedenken
+Seiner frommen Bitte folget,
+Und er singt, die Bälge tretend,
+Wie ein Engel klar aus Wolken:
+
+"O, mein Jesulein, gedenke
+Deiner hohen, weisen Worte,
+Als Zachäus dich belehren
+In dem Aleph Beta wollte!
+
+`Sage Aleph!' sprach der Lehrer;
+`Aleph, hast du fromm gesprochen;
+Nun sprich Beth!' der Mann begehrte;
+Da sprachst du zu ihm die Worte:
+
+`Nein, ich sprech Beth nicht eher,
+Bis mir Aleph deutlich worden;
+Du sollst erstlich mich belehren,
+Warum Aleph so geformet.'
+
+Und da sahst du deinen Lehrer
+In Unwissenheit betroffen;
+Sprachst: `Ich will dich nun belehren,
+Wie das Aleph ist geformet.
+
+Aus drei Strichen es bestehet,
+Weil auch steht die Einheit Gottes,
+Dieses Aleph alles Lebens,
+In drei göttlichen Personen!' --
+
+Als dein Lehrer ob der Rede
+Dich, o Jesu, schlagen wollte,
+Mußte er zur Stunde sterben,
+Der gen Gott die Hand erhoben!
+
+O du Anfang, o du Ende
+Aller Weisheit ausgeboren,
+Allbarmherziger, o spende
+Weisheit zu der Frommen Troste!"
+
+"Amen!" sang die Jungfrau bebend,
+"Amen!" sang da Jacopone,
+Und da sie ihn sah, sich wendend,
+Blühen ihrer Wangen Rosen.
+
+Und sie geht aus der Kapelle;
+Auch der Knabe hin ihr folget,
+Wo in einem Rosenzelte
+Freudig tanzt ein frischer Bronnen.
+
+Und zu Rosarosen redet
+Zärtlich dankend Jacopone:
+"Gott erhörte gern dein Beten,
+Durch dich bin geehrt ich worden.
+
+Was ich heut von dir erflehet,
+Ist mit Ruhm an mir erfolget,
+Um dich ward mein Haupt bedecket
+Mit dem Doktorhut der Rechte.
+
+Und nun möchte ich die Ehre
+Mit dir teilen, Fromme, Holde;
+Ach, wie auf so selge Wege
+Hast du, Jungfrau, mich gelocket!
+
+Aus dem dunklen Bücherkerker
+In den Blumensaal der Sonne,
+Zu der heimlichen Kapelle,
+In den selgen Klang der Orgel!
+
+Sieh, es tanzet meine Seele
+Auf dem frohen Strahl des Bronnens,
+Und sie faltet ihre Hände,
+Dir ihr Herz in Liebe opfernd!"
+
+Rosarosa ihm entgegnet:
+"Freund, ich bin dir wohlgewogen,
+Doch ich kenne keine Eltern;
+Kannst du lieben eine solche?
+
+Mich gefunden und gefleget
+Hat des Arztes Weib Dolores;
+Sie erbaute die Kapelle,
+Stiftete die kleine Orgel.
+
+Dort fand sie des Grabes Stelle,
+Und ich lebe von vier Soldi,
+Die sie täglich ausgesetzet,
+Daß ich sing und spiel die Orgel.
+
+Mir zum Vormund ist gesetzet
+Fromm ein Priester, der Benone,
+Bis ich in den Ehstand gehe
+Oder trete in ein Kloster.
+
+Sonst kann ich auch schreiben, lesen,
+Schnüre wirken und auch Borten,
+Spinnen und Tapeten weben,
+Sticken Silbernes und Goldnes.
+
+Und daß ich nicht müßig gehe,
+Habe ich im Klosterhofe
+Eine Schule angeleget
+In des Kreuzgangs hohen Bogen.
+
+Oft auch hier bei dieser Quelle
+Zu mir meine Kinder kommen,
+Mannigfaltge Schulgesellen
+Sich aus allen Winkeln holend.
+
+Hier der Knabe war der erste,
+Der sich selbst mir angeboten,
+Und mit seines Lammes Schelle
+Andre Kinder angelocket.
+
+Wie sich meine Schüler nennen,
+Weiß ich nur durch ihre Worte,
+Kenne keines einzgen Eltern,
+Meine Schul ist frei und offen.
+
+Und die Mütter stehn oft ferne,
+Lauschend an der Gartenpforte;
+Täglich mehret sich die Herde,
+Und ich lehr um Gottes Lohne.
+
+Und die gute Hirtin nennen
+Mich die Kinder, und ich wollte,
+Hätt ich nimmer dich gesehen,
+Keinen andern Namen borgen." --
+
+"Hättst du nimmer mich gesehen!"
+Jacopone wiederholet;
+"Hätt ich nimmer dich gesehen!
+O, wie sind dies goldne Worte!
+
+Wären nimmer sie geredet
+Mit so liebem, süßem Tone,
+Möchte ich in diesem Leben
+Nimmer sehen diese Sonne!
+
+Unser Los ist gleich gestellet,
+Unser Würfel gleich geworfen;
+Auch ich kenne keine Eltern,
+Ward im Kloster auferzogen.
+
+Willst du deine Hand mir schenken,
+So will ich dir angeloben:
+Du magst deine Kinder lehren,
+Du magst spielen hier die Orgel.
+
+Wenn mein Reichtum sich vermehret
+Durch den Ruhm, den ich erworben,
+Will ich in das Haus noch nehmen
+Meinen Bruder Meliore.
+
+Einen Garten auch erwerben
+Pietro, dem Zuletztgebornen
+Meiner Mutter, der jetzt lernet
+Blumen pflegen in dem Kloster."
+
+Und dann hat er ihr gegeben
+Einer Rose Doppelknospe,
+Und mit scheuen Fingern trennen,
+teilen sie die Zwillingsrose.
+
+Tief sich in die Augen sehend
+Waren sie vor Gott verlobet,
+Wußten nicht, wie es geschehen,
+Waren still und voller Wonne.
+
+Aber Rosarosa redet,
+Da sie hört des Lammes Glocke:
+"Lebe wohl, auf Wiedersehen!
+Meine Schüler hör ich kommen!"
+
+Jacopone spricht: "Ich gehe
+Hin zum alten Mönch Benone,
+Unsern Bund ihm vorzulegen."
+Und dann eilt er von dem Bronnen.
+
+Einsam Rosarosa stehet,
+Blicket in den Strahl des Bronnens;
+Wie er sinket, wie er schwebet,
+Fühlt sie in dem Herzen pochen.
+
+In den Händen die getrennte,
+Sonst gepaarte Zwillingsrose,
+Und es fließen ihre Tränen
+Auf die stille Rosenknospe.
+
+Eilet dann zu der Kapelle,
+Findt an der belaubten Pforte
+Ihre kleine Schülerherde
+Feierlich im Kreis geordnet.
+
+Und der Knabe trägt in Händen
+Einen Kranz von weißen Rosen,
+Einen Schäferstab, weiß blendend,
+Sprach zu ihr die süßen Worte:
+
+"Du hast dich in der Kapelle,
+Hirtin, heut dem Herrn verlobet,
+Der ein treuer Hirt, die Herde
+Weidet an dem Himmelsbogen.
+
+Und darum soll ich dich kränzen
+Mit dem Brautkranz weißer Rosen
+Und den Schäferstab dir geben,
+Daß du denkest deiner Worte!"
+
+Rosarosa kniet zur Erde,
+Und er kränzt die dunklen Locken
+Mit den weißen Rosen blendend,
+Gibt den weißen Stab der Holden.
+
+Und die Kinder sie umgeben,
+Freuen sich der Rosenkrone;
+Jacopones und des Herren
+Denket weinend Rosarose. --
+
+Wenig Sonnen untergehen,
+Und herauf ziehn wenig Monde,
+Wenig volle Rosen sterben
+Aufgekeimt sind wenig Knospen,
+
+Da geschmückt am Altar stehen,
+Vor dem alten Mönch Benone,
+Rosarosa, weiß bekränzet,
+Rotbekränzet Jacopone.
+
+Als sie goldne Ringe wechseln,
+Fällt das Ringlein Jacoopones
+Springend nieder an die Erde,
+In dem Kreise weit hinrollend.
+
+Und dem Knaben, der zugegen,
+War es endlich zugerollet,
+Der es in dem Lilienkelche,
+Den er trug, der Braut geboten.
+
+"Nimm den Ring im Lilienkelche",
+Sprach das Kind, "und denk des Opfers,
+Da du um des Jünglings Ehre
+Deinem Herrn dich hast verlobet!"
+
+Und er schied. Sie nahm erbebend
+Nun den Ring, und Jacopone
+Wußte nicht, was sie beschwerte,
+Da sie schwer das Ja gesprochen.
+
+Und der Priester sprach den Segen;
+Traurig weinte Rosarose,
+Als sie still von dannen gehen;
+Freudig weinet Jacopone.
+
+An des Tempels Marmorschwelle
+Sprach die Jungfrau: "Jacopone,
+Laß mich gehn zu der Kapelle,
+Einsam meinen Herrn zu loben.
+
+Daß ich fromm am Abend kehre,
+Bei dir in dem Haus zu wohnen;
+Einen Trunk aus unsrer Quelle
+Bring ich dir und viele Rosen."
+
+Einsam geht nun der Geselle,
+Seine Kammer schön zu ordnen.
+Pietro hat zum Schmaus gebeten
+Er, und auch den Meliore.
+
+Und es steigt im Abendmeere
+Feurig nieder schon die Sonne,
+Und es zieht die Sternenherde
+Vor dem Monde durch die Wolken.
+
+Rosarosa noch nicht kehret;
+Pietro spannt die Blumenbogen,
+Und es zündet hundert Kerzen
+In der Kammer Meliore.
+
+In der Kammer Mitte stehet
+Blank ein Tischlein, wohlgeordnet,
+Zierlich ist da aufgedecket
+Für vier fröhliche Personen.
+
+Pietro Rosarosens Teller
+Ziert mit einer Myrtenkrone,
+Und zwei künstliche Sonette
+Legt dazu ihr Meliore.
+
+Aber von dem Hochzeitsbette
+Springet traurig Jacopone:
+"Will mein Weib denn noch nicht kehren,
+Gehe ich, sie mir zu holen!
+
+Was des Kaisers ist soll geben
+Man dem Kaiser, Gott was Gottes,
+Und der Mann, er soll sich nehmen,
+Was ihm ward vor beider Throne!"
+
+Seinen Mantel umgeleget
+Hat er dann im Liebeszorne,
+Und mit raschen Schritten geht er,
+Doch der Garten ist verschlossen.
+
+Er vernimmt ein leises Reden,
+Doch das Sprudeln jenes Bronnens
+Und der Büsche flüsternd Wehen
+Überrauschet ihm die Worte.
+
+Eifersucht seine Herz durchbrennet,
+An sich hält er seinen Odem,
+Aber nur der Büsche Wehen
+Hört er, und des Herzens Pochen.
+
+Und er findet eine Stelle
+An der Mauer ausgebrochen,
+Und behutsam überkletternd
+Kommt er an des Gartens Boden.
+
+Durch die Gänge schleicht er, geht er;
+Der wollüstge Duft der Rosen
+Schüret ihm die Brust noch enger,
+Und er greift nach seinem Dolche.
+
+Ach, es spiegeln sich die Sterne
+In dem blanken, bösen Dolche.
+Ach, wie schrecklich sind die Sterne,
+Denkt im Herzen Jacopone.
+
+Unbekümmert um mein Elend
+Spielen sie mit meinem Dolche;
+Nein, sie sollen ihn nicht sehen!
+Und er haucht ihn an mit Odem.
+
+Aber seine Tränen nehmen
+Stets den Odem von dem Dolche.
+Und die Sterne ruhig sehen
+In den Stahl den Himmelsbogen.
+
+Und nun hört er wieder reden,
+Und er hört die leisen Worte:
+"Du wirst mich nicht wiedersehen
+Als bei deinem frühen Tode!
+
+Was du unterm Herzen trägest,
+Ist ein Pfand von dem Verlobten;
+Wolle nie des Leibes Tempel
+Einer andern Liebe opfern!"
+
+Rosarosa dann entgegnet
+Sammelnd liebestrunkne Worte:
+"Ja, ich bin die Magd des Herren,
+Dem ich liebend bleib verlobet!
+
+Was ich trage unterm Herzen,
+Bleibt dir treulich aufgehoben,
+Durch dich mag es heimlich leben,
+Durch mich werde es geboren.
+
+Nimmer habe ichs gesehen,
+Nimmer werde ichs sehen wollen,
+Unbekannt ie meine Seele,
+Die durch Gott den Leib bewohnet.
+
+Stünd geschrieben mir am Herzen
+Gar die Stunde meines Todes,
+Nimmer würde sie gelesen,
+Und ich stürbe unverhoffet.
+
+Keusch bleibt meines Leibes Tempel
+Dem Geliebten nur geopfert,
+Meine Blicke haben selber
+Nimmer Teil an mir genommen.
+
+Wenn der Himmel ist bedecket,
+Ohne Sterne, Mond und Sonne,
+Hab ich hier in dieser Quelle
+Einsam kühl das Bad genommen.
+
+Meines Herren Aug erhellte
+Mir das Herz mit Liebeswonnen,
+Unter Beten, unter Flehen
+Bin ich ihm so lieb geworden.
+
+Und sah ich am Tag die Quelle,
+Die mich nächtlich kühl umschlossen,
+Schamrot konnte ich wohl wetten
+In der Röte mit den Rosen.
+
+Leb dann wohl, auf Wiedersehen,
+Du geliebter Blondgelockter!
+Werde in des Todes Wehen
+Rosarosen einst zum Troste!" --
+
+Und nun höret jemand gehen
+Durch den Garten Jacopone,
+Und er sucht ihm zu begegnen,
+Irret durch die Laubenbogen.
+
+Ach, in seinem Herzen wehen
+Höllenflammen tiefen Zornes,
+Den Geliebten Rosarosens
+Will er mit dem Dolch durchstoßen!
+
+Mondhell fand er eine Stelle,
+Und es rauschet Laub am Boden;
+Mit gezücktem Dolch verstecket
+Er sich im Gebüsch der Rosen.
+
+Schon sieht er den Schatten schweben
+Des verhaßten Blondgelockten,
+Und er hat in bösem Streben
+Seinen Dolch schon hoch erhoben,
+
+Als der Knabe vor ihm stehet
+Und ihm ruhig sagt die Worte:
+"Jacopone, wiedersehen
+Wirst du mich bei deinem Tode!"
+
+Und er fühlte sich gefesselt
+Und stieß nieder mit dem Dolche
+In die kalte, harte Erde;
+Hat sich lange nicht erholet.
+
+Als er wieder sich erhebet,
+War sein Sinn ganz wild verworren,
+Auch der Himmel war bedecket
+Mit dem Mantel schwarzer Wolken.
+
+Und an Rosarosen denkt er:
+War der Knabe nur ein Bote?
+Sie muß selbst den Herrn mir nennen
+Oder sterben von dem Dolche!
+
+Und nun tappt er nach der Quelle
+Durch die dunkeln Laubenbogen,
+Und er höret Rosarosen
+Badend plätschern in dem Bronnen.
+
+Und in seinem Herzen reget
+Sich ein Strahl geheimer Wonne.
+"O, wie boshaft seid ihr, Sterne,
+Daß ihr jetzt euch habt verborgen!
+
+Meine Augen, Feuerspeere,
+Möchten gern die Nacht durchbohren,
+Daß der helle Tag anbreche
+Glänzend mit der vollen Sonne;
+
+Daß ich meine Braut könnt sehen
+In dem Schoß kristallner Wogen,
+Süß errötend in dem Tempel,
+Taufend voller Liebesrosen!
+
+In den Arm wollt ich sie nehmen,
+Und mit lustberauschten Worten
+Meines Gartens Rosen brechen
+Beim Geläut der Blumenglocken!"
+
+Also denkt er, und es hebet
+Sich ein lauer Wind von Osten,
+Der die Bäume leis beweget
+Und im Laube laut ertoset.
+
+Und es wirft zur Badequelle
+Viele Rosen Jacopone,
+Doch im Bad die Jungfrau denket,
+Daß der Sturm sie abgebrochen.
+
+"O Geliebter", spricht sie betend,
+"Nicht mit Rosen, nur mit Dornen
+Deine arme Dienrin treffe,
+Weil sie dir das Wort gebrochen!"
+
+Doch nun schleicht zu der Kapelle,
+Zündet an der Ampel Dochte
+Jacopone eine Kerze,
+Trägt sie unterm Hut verborgen.
+
+Da er kehrt zum Rosenzelte,
+Da er nah des Bades Bronnen,
+Füllt er plötzlich mit der Kerze
+Schein die dunkle Blumengrotte.
+
+Rosarose taucht erschrecket
+Schreiend nieder in den Bronnen,
+Alle Sinne ihr vergehen,
+Als wär sie vom Blitz getroffen.
+
+Und es löschte aus die Kerze
+Vom Gespritze. Jacopone,
+Ach, er hat sie nackt gesehen,
+Nimmer wird der Anblick frommen!
+
+Und sie weinet, und sie flehet,
+Daß er fliehe ovn dem Orte;
+Aber er war tief verblendet,
+Sprach zu ihr die harten Worte:
+
+"Für mich bist du nicht zu sehen,
+Aber für den Blondgelockten;
+Das, was du trägst unterm Herzen
+Soll mir ewig sein verborgen!
+
+Ihm willst du nicht Treue brechen,
+Aber mir ist sie gebrochen;
+Aber jetzt sollst du ihn nennen,
+Und dann will ich dich durchbohren!
+
+In des frechen Blutes Quelle
+Soll erröten dieser Bronnen,
+Sich und dich der Lüge schelten,
+Denn hier hast du mich belogen!"
+
+Stammelnd ihm entgegnet:
+"Herr und Gatte, hör mein Flehen!
+Ehe du mich willst ermorden,
+Laß mich an die Kleider legen,
+
+Daß mich nicht errötend sehe
+So entblößt der junge Morgen;
+Herr, nur aus der Laube trete,
+Ich will rufen dich zum Morde!
+
+Denn ich kann dir nimmer nennen,
+Was mir unterm Herzen wohnet,
+Da ichs nimmer hab gesehen,
+Da es immer bleibt verborgen.
+
+Herr und Gatte, hör mein Flehen!
+Laß mich beten vor dem Tode,
+Laß mich nicht so elend sterben
+Ohne Sakramentes Troste!"
+
+"Das will ich dir zugestehen!"
+Sprach voll Unwill Jacopone,
+"Doch die Kleider dir verstecke
+Ich, daß du nicht kommst vom Orte.
+
+Ich will bald zurücke kehren
+Mit dem alten Mönch Benone;
+Der den bösen Bund gesehen,
+Seh zerhauen auch den Knoten!"
+
+Und mit ihrem Mantel gehet
+Schnell von dannen Jacopone.
+Hartes Weh ist ihr geschehn,
+Die zurückblieb in den Wogen.
+
+Doch den Herrn um Hilf anflehend,
+Ist ihr Herz erstärket worden,
+Mutig stieg sie aus der Quelle,
+Und die Nacht ist dunkler worden.
+
+Da sie nackt in der Kapelle
+Bleibe vor dem Licht verborgen,
+Breitet sie der Haare Flechten
+Um sich her bis auf den Boden.
+
+Und auf ihre Augen senket
+Nieder sie den Kranz der Rosen,
+Den als Braut sie aus dem Tempel
+Traurig trug in ihren Locken.
+
+Da sie tritt zu der Kapelle,
+Ist die Lampe schnell erloschen,
+Ihre Keuschheit zu verehren;
+Und sie suchet an der Orgel,
+
+Wo der goldne Schlüssel hänget
+Zu dem Grabe der Dolores;
+In verzweifeltem Gebete
+Hat sie dann die Gruft erschlossen.
+
+Und die Stufen abwärts tretend
+Sprach sie: "Heil euch, heilge Toten!
+Wollet meine Blöße decken,
+Einer armen züchtgen Tochter!"
+
+Und sie hört die Stimme beben
+Der verstorbenen Dolores:
+"Liebe Tochter, wir dir geben
+Hilfe, kniee an den Boden!"
+
+Und sie fühlt sich um die Lenden
+Ein Cilicium geschlossen,
+Und von einer schnellen Schere
+Ihre Locken abgeschoren,
+
+Dann mit seidenen Gewändern
+Ihren züchtgen Leib verborgen,
+Hört dann nahe vor sich reden
+Die unendlich süßen Worte:
+
+"Den Bußgürtel um die Lenden
+Trage, bis bei deinem Tode
+Deine arme Schwester erbet;
+Büß um meine Schuld, o Tochter!
+
+Trage züchtig, die dich decken,
+Diese farbgen Seidenstoffe,
+Und die Schuld, die sie beflecket,
+Helf mir büßen, liebe Tochter!
+
+Einstens werd ich bei dir stehen;
+Zu unendlich süßem Troste
+Wirst du deine Mutter sehen;
+Jetzo gehe, süße Tochter!"
+
+Und es scheidet Rosarose
+Freudig von der gütgen Toten,
+Hängt den Schlüssel an die Stelle,
+Da sie hat die Gruft verschlossen.
+
+Und die Lampe brennet helle;
+Sie setzt freudig sich zur Orgel,
+Läßt ein Requiem erschwellen,
+Recht in freudig vollem Tone.
+
+Als in des Benone Zelle
+Eingetreten Jacopone,
+Lag der Alte im Gebete
+Und sprach hörbar diese Worte:
+
+"Herr, dein Aug nicht von mir wende,
+Wenn ich steh in bösem Zorne!
+Herr, o leite meine Seele
+Durch des Sündenmeeres Toben!
+
+Herr, laß keinen trostlos sterben,
+Ohne heilge Sakramente,
+Laß den Sünder nicht verderben,
+Ohne Buß vor seinem Ende!"
+
+An der Zelle Türe stehet
+Dieses hörend Jacopone,
+Und von Schrecken ganz erbebet
+Pochet er und ruft: "Benone!"
+
+Und, die Tür geöffnet, redet
+Ernst der Mönch: "O Jacopone,
+Gott hat mein Gebet gesegnet,
+Daß du bist an diesem Orte!
+
+Doch du hast ein wildes Wesen,
+Was willst du mit diesem Dolche?
+Deine Haare um dich wehen,
+Kommst du, mich hier zu ermorden?
+
+Oder hast du Rosarosen,
+Deine fromme Braut, erstochen?
+Fremde Lieb bei ihr erkennend,
+Was der Herr verhüten wolle?
+
+Oder hast du gen dich selber
+Diesen bösen Stahl erhoben,
+Willst in blinder Wut du sterben?
+O, du armer Jacopone!
+
+Weh, ich seh Rosarosens
+Mantel deinem Arm entrollet!
+Rede, rede, du Entstellter,
+Gibt dem stummen Schrecken Worte!"
+
+"Vater, zu dem Garten gehe,"
+Spricht nun bebend Jacopone,
+"Wo mein Weib in der Kapelle
+Täglich singet zu der Orgel.
+
+Trete zu ihr an die Quelle,
+Wo sie badet in dem Bronnen,
+Laß sie beichten, laß sie beten,
+Eh sie stirbt von diesem Dolche.
+
+Daß sie nackt die Flucht nicht nehme,
+Hab ich ihr Gewand genommen;
+Du magst rücklings hin es werfen,
+Wenn du zu dem Bronnen kommest."
+
+Und der Mönch schließt seine Zelle,
+Folgt zum Garten Jacopone.
+Da sie an der Brücke stehen,
+An des Reno blauen Wogen,
+
+Spricht der Mönch zu dem Gesellen:
+"Wirst du mich nicht hier durchbohren,
+Mich dann in den Reno werfen?
+Sieh, ich trau nicht deinem Dolche;
+
+Gib ihn mir doch aufzuheben!"
+Und es gibt ihn Jacopone,
+Und sie gehn. Doch unbemerket
+Wirft der Mönch ihn in die Wogen.
+
+Vor dem Garten nun begehret
+Seinen Dolch der Jacopone:
+"Er ruht in des Reno Wellen!"
+Spricht zu ihm der Mönch Benone.
+
+Und die Arme um ihn legend
+Küßt die Stirn er Jacopone,
+Spricht: "Zu deiner Kammer kehre,
+Deine Seele steht im Zorne!
+
+Dir zum Troste wiederkehren
+Will ich bald mit Rosarosen.
+Gott verleih dir seinen Segen!"
+Und es gehet Jacopone.
+
+Und auf seinem Weg begegnet
+Suchend ihn der Meliore,
+Fragt ihn bang nach Rosarosen,
+Doch es schweiget Jacopone.
+
+Da sie in die Stube treten,
+Schlummert Pietro an dem Boden,
+Abgebrannt sind tief die Kerzen,
+Traurig stehn die Blumenbogen.
+
+Jacopone spricht: "O wehe!"
+Und bricht aus im Tränenstrome,
+"Weh, ihr dunkeln Hochzeitskerzen,
+Weh, ihr armen Blumenbogen!
+
+Nieder brennt ihr in dem Herzen
+Und erlöscht im Tränenstrom,
+Nieder welkt ihr in den Schmerzen
+Unter meiner Klage Odem!
+
+Kehret nicht zum Firmamente,
+Sterne, Mond und hohe Sonne1
+Ewig an des Himmels Schwelle
+Steh blutweinende Aurore!
+
+Also ewig stille stehen
+Soll der Puls im Herz gebrochen,
+Ewig meine Hochzeitskerze
+Niederbrennen unverloschen!
+
+Ewig meine Kränze welken,
+Von den Tränen nur begossen,
+Stille ewig sterbend leben
+Nur die bittren Tränen rollend!
+
+Blumenkränze, Hochzeitskerzen,
+Sterne, Mond und hohe Sonne,
+Ewgen Schmerzes Tränenquellen
+Und blutweinende Aurore:
+
+Welket, brennet, steht in Schmerzen!
+Nimmer lachet Jacopone;
+Die die Liebste mir gewesen,
+Sie ist schlecht mir vorgekommen!"
+
+Aber zu dem Mahl einkehret
+Nun der alte Mönch Benone,
+Ihm zur Seite traurig stehet
+Rosarose ohne Locken.
+
+Pietro, vom Geräusch erwecket,
+Springet auf; die Myrtenkrone
+Reichet er der neuen Schwester,
+Lieb und Treue ihr gelobend.
+
+Dann putzt schnell er rings die Kerzen,
+Daß es helle ward. Meliore
+Grüßt sie, reicht ihr die Sonette
+Und blickt schüchtern an den Boden.
+
+Aber auf dem Hochzeitsbette
+Lieget jammernd Jacopone:
+"Die die Liebste mir gewesen,
+Sie ist schlecht mir vorgekommen!" --
+
+"Nun genug der frevlen Reden!"
+Spricht zu ihm der Mönch Benone,
+Daß, der du ihr lieb gewesen,
+Ihr nicht schlechter vor mögst kommen!
+
+Hier empfange Rosarosen,
+Und bei Gott im Himmel droben
+Bist gleich ihr du reines Herzens,
+Will ich dich vor Engeln loben.
+
+Ich hab all ihr Tun gesehen,
+Da ich bin ihr Beichtger worden,
+Konnt des Herren Leib ihr geben
+Ohne Absolutionen.
+
+Sie hat dir auch schon vergeben,
+Daß du sie ermorden wolltest.
+Die du hast entblößt im Leben,
+Ward gekleidet von den Toten."
+
+Aber Rosarosa redet:
+"Denke meiner ersten Worte:
+`Ich erflehe eure Ehre,
+Gebe meine Gott zum Opfer.
+
+So bin eine Braut des Herren
+Ich, und dennoch Euch verlobet,
+Teile mit euch eure Ehre,
+Meine bleibe unverloren!
+
+Was im Garten hat geredet
+Jener Knabe, dunkle Worte
+Sind es mir wie dir; erhellen
+Müssen sie zukünftge Sonnen!"
+
+Und sie knieet vor dem Bette,
+Nimmt die Rechte Jacopones,
+Auf ihr nacktes Haupt sie legend
+In den vollen Kranz der Rosen.
+
+Und der Jüngling, tief beweget,
+Spricht: "O Weib, wo sind die Locken,
+Die ich wollte liebend flechten?
+Was soll mir der Kranz voll Dornen?"
+
+Liebvoll Rosarosa redet:
+"Ich ließ sie den gütgen Toten,
+Die dein nacktes Weib bedecket,
+Das du hast entblößt im Zorne.
+
+Auch den Hochzeitsmantel schwebend,
+Den zurück mir gab Benone,
+Hab ich ihnen hingegeben,
+Ihre Güte zu belohnen.
+
+Herr, o wolle dich erheben,
+Sieh, es kehret schon Aurore,
+Wolle mich zu dir aufnehmen,
+Züchtig will ich bei dir wohnen!
+
+Eine Magd mich dir bequemen,
+Spinnen dir zur Nacht, zum Morgen.
+Für dich beten, für dich sterben;
+Herr, entsage deinem Zorne!"
+
+Jetzt erhebt er sich, doch sehen
+Kann er nicht, ein Regenbogen
+Schwebt um sie von seinen Tränen
+In dem Schein des Morgenrotes.
+
+Und sie trocknet seine Tränen,
+Still mit ihres Kranzes Rosen,
+Und Benone gibt den Segen,
+Will dann kehren nach dem Kloster.
+
+"Trink des Brautweins einen Becher,
+Heilger!" flehte Jacopone.
+"Gib ihn mir, ich will zur Messe
+Ihn verwandeln!" spricht Benone.
+
+"Dort will eurer ich gedenken
+Und als Christi Blut ihn opfern!"
+Und nun kehrt zu seiner Zelle
+Still der alte Mönch Benone.
+
+Rosarosa spricht nun: "Denke,
+Lieber, was ich dir versprochen:
+Hier ist Wasser aus der Quelle,
+Hier sind unsres Gartens Rosen.
+
+Lasse unsre Augen netzen,
+Die getrübt vom Weinen worden."
+Und nun auf die Tafel setzet
+Sie das Glas bekränzt mit Rosen.
+
+Und sie kühlen mit der Quelle,
+Den die Tränen all entquollen,
+Ihrer Augen heiße Quellen;
+Sieh, da steigt herauf die Sonne.
+
+"Sie will sein bei unserm Feste!"
+Spricht der stille Meliore;
+Aber Pietro laut erhebet
+Seine Stimme ihr zum Lobe:
+
+"Grüß dich, Held des Orientes,
+Grüß dich, Gottes Morgensonne,
+Grüß dich, Heiland aller Wesen,
+Grüß dich, Heiland voller Rosen!
+
+Grüß dich, Trost der dunklen Felder,
+Grüß dich, Quell der Tauestropfen,
+Grüß dich auf dem Himmelswege,
+Grüß dich, goldne Morgensonne!
+
+Singt mir, was sie spricht, ihr Lerchen,
+Singt die sieben letzten Worte,
+Singt den Held des Orientes,
+Der die schwere Nacht gebrochen!"
+
+Also sang er, während betend
+Die drei andren zu ihm horchen,
+Und die volle Sonne sehen
+Sie, und waren voll des Trostes.
+
+Und sie trinken einen Becher
+Brautwein, haben angestoßen
+Einer zu des andern Segen,
+Und dann aßen sie des Brotes.
+
+Da ertönt das Glöcklein helle
+An dem wohlbekannten Kloster,
+Und sie gehen zu der Messe
+Ihres alten Freunds Benone. --
+
+Also liebte er ihr Wesen,
+Hat sich so mit ihr versprochen,
+Feiert so die Hochzeitsfeste,
+Der gelehrte Jacopone.
+
+Und sie war ihm tief ergeben,
+Eine Magd ihm unterworfen,
+Winke waren ihr Befehle
+Und Gesetze seine Worte.
+
+Auf sein Haus strömt voller Segen,
+Und man pries ihn allerorten;
+Die er führte, die Prozesse,
+Waren alle bald gewonnen.
+
+Und sie füllte spinnend, webend,
+Seine Schränke an bis oben,
+Nähte ihm wohl hundert Hemden,
+Die sie alle selbst gewoben.
+
+Sie half ihm die Bücher stellen,
+Wußte sie gar wohl zu ordnen,
+Schrieb ihm ab viel dicke Hefte
+Und gar manchen schweren Codex.
+
+Als sie einst ihm die Pandekten
+Heimlich schrieb mit flüssgem Golde
+Auf schneeweißem Pergamente
+Und ihm gab am Christtagsmorgen,
+
+War er gar in Lieb beweget,
+Schenkte ihr, die sie gesponnen
+Und gewebet, all die Hemden
+Und dazu viel Münzen Goldes.
+
+Und sie ließ auf allen Wegen
+Zu sich bald die Armen kommen,
+Ihre Linnen sie ausspendet,
+Recht zu aller Frommen Troste.
+
+Und so lebten sie in Segen,
+Wohl vier Jahre ohne Sorgen,
+Und es wußte kaum zu bergen
+Seinen Reichtum Jacopone.
+
+Und Bologna war getrennet
+In Parteien. Die des Volkes
+Sich die Gieremei nennen,
+Stritten für das Recht des Volkes.
+
+Lambertazzi, ihre Gegner,
+Für des Adels Recht erhoben;
+Von zwei feindlichen Geschlechtern
+War der Namen angenommen.
+
+Und da diesen eigenen Händeln
+Sich noch fremde eingeflochten,
+Ghilbellinen und die Guelphen,
+Ward die Sache mehr verworren.
+
+Und so ward gar viel gerechtet,
+Manches Blut im Streit vergossen,
+Daß die Frauen bittre Tränen
+Um die Toten weinen konnten.
+
+Oft erteilte den Geschlechtern
+Seinen Rat auch Jacopone,
+Und in ihrer Mitte stehend
+Mußte Freund und Feind ihn loben.
+
+Wenn in diesem stolzen Leben
+War sein irdscher Mut erhoben,
+Sah er oft sein Weib beschämet
+Neben sich so still verborgen.
+
+Die den Schleier nie ableget
+Von des schönen Hauptes Locken,
+Die mit Edelstein und Perlen
+Nimmer vor ihm prangen wollte.
+
+Und sie wollte niemals gehen
+Zu dem Tanze, zu der Oper,
+Ging vor Tag nur in die Messe
+Und zu der Kapelle Orgel.
+
+Endlich hat er sie erbeten,
+Ihm zu folgen in die Oper,
+Da die Sängrin Biondette
+Wollt entsagen zu dem Kloster.
+
+Und er hat ihr angeleget
+Schwere Spangen roten Goldes,
+Edelsteine, reiche Perlen
+Und Rubinen, blutge Rosen.
+
+Als er ihr den Schmuck anlegte,
+Stand sie wie ein Lamm des Opfers,
+Und er sprach: "Den Schleier lege
+Ab, laß flechten mich die Locken!"
+
+Doch sie wollt ihn nicht ablegen,
+Bis er zürnend es befohlen;
+Ach, was muß erschreckt er sehen:
+Schneeweiß sind des Hauptes Locken!
+
+Ruhig sie da zu ihm redet:
+"Darum hielt ich sie verborgen.
+Seit sie von der Totenschere
+Fielen, sind sie bleich geworden!"
+
+Ach, wie recht im tiefsten Herzen
+Traf die Rede Jacopone,
+Da er sah die Jungfrau stehen
+Mit des Alters grauen Locken.
+
+"Könnte ich mit meinen Tränen
+Dir das Silberhaar vergolden!
+Ach, ich habe dich dem Schrecken
+Jener Schere unterworfen!"
+
+Und er hat die Silberflechten
+Mit Rubinen ihr durchzogen,
+Wie ein Busch im Blütenschnee,
+Vom Johanniswurm umflogen.
+
+Wunderbar war sie zu sehen,
+Eine Diamantensonne,
+Und es freut an Rosarosen
+Wie ein Kind sich Jacopone.
+
+Wie die Flitterkränze schweben,
+Und die flimmernden Goldrosen
+Zitternd auf der Jungfraun Särgen,
+Schien sie in der Glorien Krone
+
+Eine selge Braut der Engel,
+Eine Königin der Toten,
+Eine hochzeitliche Seele,
+Ein gestirnter Geist voll Wonne.
+
+Schier geneigt, sie anzubeten,
+Ging bei ihr der Jacopone.
+Da sie ins Theater treten,
+Ging ein Flüstern durch die Logen.
+
+Nie noch hatte man gesehen
+Die Gemahlin Jacopones,
+Und nun wie ein höhres Wesen
+Stand sie blendend vor dem Volke.
+
+Und in der erstaunten Menge
+Hat ein Klatschen sich erhoben,
+Bis beschämt in tiefstem Herzen,
+Sie den Schleier umgenommen.
+
+Als die liebliche Biondette
+Sang ihr Leben vor dem Volke,
+War die schöne Rosarose
+Tief im Herzen scharf getroffen.
+
+"Daß du mich mit dir zu gehen
+Hast bewogen, Jacopone,"
+Sprach sie, "dank ich dir ohn Ende.
+O, wie ist mir wohl geworden!
+
+Diese Jungfrau anzusehen
+Ist mir nie genossne Wonne,
+Und ich könnte ruhig sterben,
+Spräch sie zu mir süße Worte!
+
+Ach, ich fühle ihrem Wesen
+Meine Seele tief verwoben,
+O, ich werde nie genesen,
+Steht sie mir nicht bei im Tode!"
+
+Und sie war so tief beweget,
+Da die Jungfrau ihre Rollen
+Wiederholt als Judith, Jephthe,
+Daß sie nachsprach alle Worte.
+
+Aber als sich um Biondetten
+Hat die wilde Glut erhoben,
+Hat sie, nicht um sie, um jene
+Nur, das Hilfsgeschrei erhoben.
+
+Und es brachte sie zu retten
+Mit Gewalt nun Jacopone
+Hinzu einem hohen Fenster,
+Da ersah sie Meliore.
+
+Keine Leiter ruht am Fenster,
+Rings schon alles um sie lodert,
+Und sie sprang, sich Gott befehlend,
+Nieder in den Arm Meliores.
+
+Glücklich nieder zu der Erde
+Folgt ihr springend Jacopone,
+Doch er findet sie mit Schrecken
+Blaß und schon ihr Aug geschlossen.
+
+Und rings unter ihrem Herzen
+Blutge Tropfen niederflossen,
+Doch sie sprach: "Mein Herr, ich lebe
+Annoch durch die Hilfe Gottes!"
+
+Und vier rheinische Studenten
+Sie auf ihren Mantel hoben,
+Trugen still sie durchs Gedränge,
+Weinend folget Jacopone.
+
+Und sie ward auf ihren Wegen
+Angestaunet von dem Volke,
+Wie ein Kunstwerk von Juwelen
+Und ein Bild von lauterm Golde.
+
+Nimmer ward von solchem Werte
+Ein geheimer Schatz gehoben,
+Und die tragenden Studenten
+Nimmer von ihr blicken konnten,
+
+Wenn sie in dem Schein der Sterne
+Oder in dem Glanz des Mondes
+Auf dem weißen Mantel blendet,
+Wie auf Schätzen Flammen lodern.
+
+Hätte sie nicht von Biondetten
+Oft den Namen ausgesprochen,
+Für die Leiche eines Engels
+Hätte man sie halten sollen.
+
+Über ihres Hauses Schwelle,
+Bis zu ihrer Kammer oben,
+Auf sein keusches Hochzeitbette
+Ließ sie tragen Jacopone.
+
+Dann entließ er die Studenten,
+Ihre Treue zärtlich lobend,
+Und zu ihm sprach Rosarose:
+"Höre mich, mein Jacopone!
+
+Da ich aus dem Leben gehe,
+Soll dir bleiben unverborgen,
+Was ich mußte dir verhehlen,
+Das Geheimnis jenes Bronnens.
+
+Warum du mich wolltest töten,
+Als den Knaben du gehorchet.
+Wisse, daß ich deine Schwester,
+Deinem Vater bin entsprossen!
+
+Und ich danke, daß du ehrend
+Meine Unschuld nicht verdorben,
+Daß von Blutschuld unbeflecket,
+Keusch wir bei einander wohnten.
+
+Aus versündeten Geschlechtern
+Sind wir sündenvoll geboren,
+Und die Sünde wird erst enden,
+Wenn ein schweres Jahr verflossen.
+
+Von der eitlen Welt dich wende,
+Geh in einen frommen Orden,
+Wo das Schauspielhaus verbrennte,
+Laß erbauen mir ein Kloster!
+
+Aber jetzo, eh ich sterbe,
+Hole mir den Greis Benone,
+Daß ich nehm die Sakramente,
+Zu der Seele letztem Troste!"
+
+Jacopone steht entsetzet,
+Ohne Regung, ohne Worte,
+Nur sein Haar hebt sich zu Berge;
+Doch er eilet zu Benone.
+
+Aber auf der Treppe schellet
+Schon des kleinen Lammes Glocke,
+Und zu Rosarose gehet
+Ein der Knabe blondgelocket.
+
+"Grüß dich Gott zum Wiedersehen1
+Ei, wie bist du schön geworden,
+Meine liebe Rosarose!"
+Hat das Kind zu ihr gesprochen.
+
+Und sie sprach: "Mein guter Engel,
+Du kamst, wie du mir versprochen,
+Doch du bleibest stets derselbe,
+Du bist größer nicht geworden!"
+
+"Mir ist", hier das Kind versetzte,
+"Dieses Maß gegeben worden.
+Ach, es war nicht zu ermessen,
+Als dies Maß war voller Wonne!"
+
+Doch nun fühlt die Jungfrau Schmerzen;
+Klagend sprach sie: "O, Benone,
+Komme bald zum Trost der Seele
+Und geselle mich den Toten!"
+
+Und der Knabe sorglich legte
+Auf die Stirn ihr eine Rose,
+Und von ihrem Duft erwecket,
+Hat die Jungfrau sich erholet.
+
+"Du hast dich zum Hochzeitsfeste",
+Spricht er, "schön geschmückt mit Golde,
+Und mit Perlen und Juwelen
+Strahlst du in der Jungfraunkrone!
+
+Wird dein Bräutigam dich auch kennen,
+Der dich sonst nur sah mit Rosen?"
+"Ja," sprach sie, "er wird mich kennen
+An dem Blut, das ich vergossen!"
+
+** Romanze XIII: Tod der Rosarosa
+
+Wie in dunklen Meereswogen
+Ein verbranntes Schiff entmastet
+Unterm weiten Himmelsbogen
+Traurig steht auf ödem Sande,
+
+Wie die Flamme scheu noch lodert,
+Von den Fluten rings belagert,
+Bis die traurig tote Kohle
+Leicht umschaukelt in dem Wasser,
+
+Fern schon ziehn die dunkeln Wolken,
+Die geübt die böse Rache,
+Und die Sterne vor dem Monde
+Ziehn heran, unschuldig fragend:
+
+Wo ist hin das segelvolle
+Freudge Schiff, so hoch bemastet,
+Das wie eine Braut die Wogen,
+Buhlend mit dem Wind, durchtanzte?
+
+Wo sind hin die Schifferchöre,
+Die in feuchten Tauen tanzten?
+Ist von all dem stolzen Volke
+An dem Fels der Ruf verhallet?
+
+Und das Meer spielt mit den Toten,
+Mit den Segeln, mit den Masten;
+Sterbend zischen noch die Kohlen,
+Und dann schweigt und ruhet alles.
+
+Und die Sterne zu dem Monde
+Brechen aus in bittre Klagen:
+Ach! wo ist die schöne Tochter,
+Die uns grüßte mit Gesange?
+
+Die gelöst die goldnen Locken,
+Ließ in freudgen Lüften flaggen,
+Unsern Spiegel in den Wogen
+Betend grüßt mit Harfenklange?
+
+Muß sie auch im Wasserschlosse,
+Von Untieren rings bewachet,
+Bei Sirenen und Tritonen
+Fern von uns nun sein gefangen?
+
+Also klagen sie dem Monde,
+Der zu ihrer Klage lachet
+Und das blaue Feld der Wogen
+Überschüttet weit mit Glanze.
+
+Und was schimmert dort so golden,
+Rauschend durch die Wasserbahnen,
+Zieht gleich einem Arione
+Ruhig durch die Meere, harfend?
+
+Heil! Es ist die schöne Tochter;
+Sie steht auf dem Wundermantel
+Sicher, wie auf starkem Boote,
+Und ihr Schleier ist die Flagge.
+
+Und die Sterne freudig horchen,
+Denn es zieht durch ihre Harfe
+Äolus mit süßem Tone,
+Daß die Ufer rings entschlafen:
+
+Also unterm Himmelsbogen
+Stand zerstöret das Theater,
+Um die trüben Säulentore
+Schauerten der Wachen Fackeln.
+
+Also in dem Glanz des Mondes
+Trat Biondette mit der Harfe
+Aus den hohen, dunkeln Pforten,
+Wie in lichter Geist umwandelt.
+
+Unterm hohen Sternendome
+Steht sie auf dem öden Platze,
+Unter ihren leichten Sohlen
+Knirscht die Kohle auf den Platten.
+
+Und zum Monde auf sich wolket
+Noch der Rauch des toten Brandes,
+Dumpf schallt fernes Wagenrollen
+Und es rinnet rings das Wasser.
+
+Und des blauen Reno Wogen
+Lauter durch die Nacht hinwallen,
+Lauter rauschen auch die Bronnen
+Siegreich ob dem Feuerkampfe.
+
+Und Biondetta wiederholet:
+"Lebet wohl, ihr falschen Farben,
+Eitler Tränen Regenbogen,
+Sterne hell von falschem Glanze,
+
+Ihr dient einem Flittermonde!"
+Sprachs, da klang es in der Harfe,
+Und zwei hohe, weiße Nonnen
+Geistig ihr zur Seite standen.
+
+Von dem Schleier ganz verborgen
+Schienen sie zwei selge Schatten,
+Winkend, ihnen nachzufolgen,
+Sie Biondetten still ermahnten.
+
+Eine schweift in einem Bogen
+Um sie, Freudenzeichen machend,
+Und die andre sah zu Boden,
+Traurig ihr Hände faltend.
+
+"Sprechet, was ihr von mir wollet,
+Fromme Schwestern von Sankt Claren?"
+Frug die Jungfrau. Nachzufolgen
+Winkend jene sie ermahnten.
+
+Und Biondetta folgt den Nonnen,
+Die wie Geister vor ihr wallen,
+Zu dem Hause Jacopones,
+Zu der Rosarosa Lager.
+
+"Sei willkommen mir im Tode!"
+Sprach die Kranke, und vom Lager
+Hat sie leis ihr Haupt erhoben,
+Unterstützet von dem Knaben.
+
+"Daß dem Feuer du entkommen,
+O, Biondetta, Gott ich danke;
+Wolle nun zu meinem Troste
+Mir ein Lied zur Harfe schlagen!"
+
+Als die Jungfrau harfen wollte,
+Sah sie an den blonden Knaben:
+"Sah ich heut dich nicht am Bronnen
+Mit dem Vogel, mit dem Lamme,
+
+Bei der Jungfrau mit den Rosen,
+Bei der süßen Rosablanke,
+Die heut früh den Kranz geflochten
+Für Marien am Altare?"
+
+Und der Knabe hat gesprochen:
+"Reicher als heut am Altare
+Ward auch hier ein Kranz geflochten,
+Und du wirst die Dornen tragen.
+
+Als der Gärtner säte Rosen
+In der Buße bittren Garten,
+Fiel dein Körnlein in die Dornen,
+Und du kennst nicht deinen Namen.
+
+Denn du heißest Rosadore,
+Jene heißet Rosablanke,
+Rosarosa, rote Rose,
+Ihr seid aus demselben Stamme!
+
+Seid geschenkt der Mutter Gottes,
+Als sie vor zwölfhundert Jahren
+Auf der sündgen Erde wohnte;
+Jetzt erst seid ihr aufgegangen.
+
+Doch noch seid ihr kaum entsprossen!
+O erscheine, Herr des Gartens,
+Hüte deine heilgen Rosen
+Und zertritt die falsche Schlange!" --
+
+"O, Benone, mir zum Troste
+Eile!" nun die Kranke klaget,
+"Denn es wirft die Lebenssonne
+Über mich schon lange Schatten!"
+
+Und der Knabe spricht: "Zum Kloster
+Gehe ich, ihn zu ermahnen;
+Doch zuvor, o fromme Tochter,
+Muß ich deiner Treue danken.
+
+Denn ich kann nicht wiederkommmen,
+Eh erfüllet sind die Tage,
+Daß wir alle durch die Pforte
+Der Barmherzigkeit einwandern.
+
+Heil sei dir und ewge Wonne,
+Daß in Unschuld du gewandelt,
+Und, zu hören Gottesworte,
+Kinder gern um dich versammelt!
+
+Viele dich am Himmelsthrone
+Palmen schwingend schon erwarten,
+Und sie singen dort im Chore,
+Die du sie gelehrt, die Psalmen.
+
+Heil sei dir und ewge Wonne,
+Daß in Unschuld du gewandelt,
+Daß du dich dem Herrn verlobet
+Und die Treue ihm gehalten!
+
+Also ist auch Jacopone
+In die Blutschuld nicht gefallen,
+Und so bricht der Tod dich Rose
+Zu der Sühnung ewgem Kranze!
+
+Heil sei dir und ewge Wonne,
+Daß in Unschuld du gewandelt,
+Und das Kleid der gütgen Toten
+Unbeflecket hast erhalten!
+
+Den Bußgürtel scharf gedornet
+Trugst du still und ohne Klagen,
+Und so halfst du, fromme Tochter,
+Deiner Mutter Sünde tragen.
+
+Heil sei dir und ewge Wonne,
+Daß in Unschuld du gewandelt.
+Was dir unterm Herzen wohnet,
+Hast du nimmer mich gefraget!
+
+Aber nun vor diesen Nonnen
+Öffne ruhig die Gewande,
+Zeige deines Herzen Rose,
+Dieses Siegel deines Stammes!
+
+Und es soll auch Rosadore,
+Die man sonst Biondetten nannte,
+An des eignen Busens Rose
+Wahr erkennen ihren Namen.
+
+Heil sei dir und ewge Wonne,
+Daß in Unschuld du gewandelt,
+Wisse, daß dir stets zu folgen,
+Mich mein eigen Heil ermahnte.
+
+Denn ich harre der drei Rosen
+Länger als zwölfhundert Jahre.
+Eine bist du, bald gebrochen,
+Bald auch breche ich die andre!
+
+Als der Heiland ward geboren,
+Hab ich auch das Licht empfangen,
+Und ich gab ihm meine Rosen,
+Da er spielte bei dem Lamme.
+
+Und er gab mir eine Knospe
+Aus den Gräsern seines Lagers,
+Hat dann liebvoll auch gesprochen:
+`Agnus castus sei dein Name!'
+
+Und wo ich bis jetzt gewohnet,
+Sät ich dieser Pflanze Samen,
+Ehrt sie höher als Kleinode,
+Weil der Herr auf ihr geschlafen.
+
+Agnus castus aller Orten
+Heißt, wie ich, nun diese Pflanze.
+Weißt du noch, wie ich dir Mosse
+Sammeln sollte mit den Knaben,
+
+Weil du dir bereiten wolltest
+Deiner Hochzeit keusches Lager,
+Wie ich dir zu deinem Schoße
+Nichts als Agnus castus brachte?
+
+Und du hast sie angenommen,
+Dankend für die Hochzeitsgabe,
+So schliefst du und Jacopone
+Wie der Herr auf dieser Pflanze.
+
+So hat eurem frommen Wollen
+Gern der Heiland beigestanden,
+Und das Lager deines Todes
+Blieb durch ihn der Keuschheit Lager.
+
+Bald steht deines Herzens Rose
+Nun im selgen Himmelsgarten
+Und schmückt ihm die Dornenkrone,
+Die er hat für uns getragen!"
+
+Als der Knabe so gesprochen,
+Ging er betend aus der Kammer:
+"Jesus Christus sei gelobet!"
+Und die Sterbende sprach: "Amen!"
+
+Doch jetzt nahten sich die Nonnen,
+Die verschleiert fern gestanden,
+Leis hinschwebend an dem Boden,
+Rosarosens Sterbelager.
+
+Und es knieet Rosadore
+Eingehüllet in den Mantel.
+Stille war es, nur der Odem
+Wehte und das Licht der Lampe.
+
+Und die eine sprach: "O Tochter,
+Ich bin deiner Mutter Schatten.
+Weh mir, daß ich es geworden!
+Rosatristis ist mein Name.
+
+Und auch du, o Rosadore,
+Hast durch mich das Licht empfangen;
+Fürchte nichts, erheb vom Boden
+Deinen Blick, der mich erlabet.
+
+Ach, so kann ich nach dem Tode
+Mutterfreuden erst erlangen!
+Wie unendlich ist die Wonne
+Unergründlichen Erbarmens!"
+
+Und nun schweift sie wie ein Vogel
+Freudig um das Bett der Kranken,
+Und umschwebet Rosadoren,
+Streifend kühl durch ihre Haare.
+
+Rosarosens Lebenswoge
+Hebt sich nochmals Wellen schlagend,
+Stumme Freudentränen flossen
+Nieder von der bleichen Wange.
+
+Denn sie hört im Ton der Worte
+Jene Stimme widerschallen,
+Die ihr einst das Haupt geschoren,
+Ihrer Blöße sich erbarmend.
+
+Durch die Seele Rosadorens
+Bebt ein tiefes, süßes Bangen;
+Furchtlos hat emporgehoben
+Sie die Arme nach dem Schatten.
+
+Denn sie sieht in dieser Nonne
+Jenes Bildlein ihrer Kammer,
+Das mit ihr gefunden worden,
+Das sie stets so wert gehalten.
+
+Rosatristis nun voll Wonne
+Löst der Kranken Brustgewande,
+Daß des Busens heilge Wogen
+Schimmernd zu dem Lichte drangen.
+
+Eine rote blutge Rose
+Rosarosens Brust bestrahlet;
+Was ihr unterm Herzen wohnet,
+Hat sie so im Tod erfahren.
+
+Während leis zu Rosadoren
+Sich die andre Nonne nahte,
+Und sie sah, die sie erzogen,
+Rosalätens heilgen Schatten.
+
+Rührend sprach sie: "Rosadore
+Die ich sonst Biondette nannte,
+Teure Jungfrau, zeig die Rose,
+Die dir gab den neuen Namen.
+
+Lasse, die dich hat geboren,
+Meiner armen Schwester Schatten,
+Lasse ihres Heiles Rose
+Vor ihr blühn im keuschen Garten!"
+
+Und in Zucht löst Rosadore
+Ihres Mieders goldne Spangen,
+Und des Herzens banges Pochen
+Hört man durch die Stille schlagen.
+
+Eine kleine goldne Rose,
+Über ihrem Herz gemalet,
+Zeigt im Spiegel ihr die Nonne
+Als das Zeichen ihres Stammes.
+
+Rosatristis spricht voll Wonne:
+"O, gesegnet ist der Garten,
+O, wie herrlich stehn die Rosen,
+Und derHerr wird sich erbarmen!
+
+Aber eine weiße Rose
+Muß ich traurend noch erwarten, # trauernd?
+Sehen darf ich nicht die Tochter,
+Die unschuldge Rosablanke!"
+
+Und nun hat sie aufgeschlossen
+Den Bußgürtel, der die Kranke
+Noch umgürtete -- da flossen
+Ströme Blutes von der Armen.
+
+Stürzend in den Arm Meliores
+Aus dem Fenster bei dem Brande,
+Hatte von des Gürtels Dornen
+Tiefe Wunden sie empfangen!
+
+Rosatristis spricht zum Troste:
+"Du stehst recht im Rosengarten,
+Den der Herr bei seinem Tode
+Für die Märtyrer gepflanzet.
+
+Deines Blutes jeder Tropfen
+Fällt auf meine Seele labend;
+Heilig hast du es vergossen,
+Das in Sünden du empfangen."
+
+Und sie gürtet Rosadoren
+Mit des Gürtels scharfen Stacheln:
+"Wolle ihn um mich, du Tochter,
+Treu wie deine Schwester tragen!
+
+Gebe ihn bei deinem Tode",
+Spricht die Nonne, "Rosablanken!"
+Peinumgürtet steht die Fromme,
+Klaglos für die Marter dankend.
+
+Und nun sinkt sie mit den Worten
+Froh in Rosarosens Arme:
+"Laß, o Schwester, deinen Odem
+Mich von deinen Lippen fangen!" --
+
+"Sei willkommen, Todessonne!"
+Spricht die Kranke liebesstammelnd,
+"Mir ins Herz mit Siegeswonne
+Fallen deiner Augen Strahlen!
+
+Aber, was du mir versprochen,
+Singe mir ein Lied zur Harfe,
+Daß die Seele vor dem Tode
+Auf dem Klang vorüber wandle!"
+
+Da ergreifet Rosadore
+Geistberauschet ihre Harfe,
+Also süße Töne lockend,
+Daß die Nonnen selig schwanken.
+
+Doch es tritt nun Jacopone
+Heftig ein mit einem Arzt:
+Der unheilige Apone
+Folgt ihm stolz und dreist zur Kammer.
+
+Und vom Zug der Tür erloschen,
+Starb das Licht der kleinen Lampe.
+"Licht her, Licht!" schreit wild Apone,
+"Was tun hier die alten Ammen?"
+
+Denn er sieht die beiden Nonnen
+Geistig schimmernd bei dem Lager.
+Und es eilet Jacopone,
+Anzustecken schnell die Lampe.
+
+Und es folgen ihm die Nonnen,
+Geistig rauschend durch die Harfe,
+Rufen: "Wehe, weh Apone!
+Fluch der Schlang und ihrem Samen!"
+
+Und nun griff der Arzt im Zorn, # Zorne?
+Und erfasset bei der Harfe
+Die versteckte Rosadore,
+Und die Jungfrau schreit: "Erbarmen!"
+
+"Ha!" spricht Apo, "sei willkommen,
+Schöne Nachbarin! Zu fangen
+Solch ein Vöglein ich nicht hoffte
+Bei dem Bette einer Kranken!
+
+Hat der kluge Jacopone
+Dich zu seinem Trost belanget?
+Die Juristen bei den Toten
+Gerne sich an Leben halten!"
+
+Und nun will er Rosadoren
+Scherzend um die Hüfte fassen;
+Doch sie war erstarkt im Zorne,
+Reißt ihm schmerzlich an dem Barte.
+
+"Also halt ich dich, du Toller,"
+Spricht die Jungfrau, "bis die Lampe
+Wiederbringet Jacopone,
+Daß er sehe deine Schande!"
+
+Frech erwidert ihr Apone:
+"Wenn du mich nicht fester fassest,
+Sind mir eine rechte Wonne
+Solche Händlein in dem Barte!"
+
+Und nun kehret Jacopone
+Mit der Lampe in die Kammer,
+Und es läßt den Bart Apones
+Rosadore schamhaft fahren.
+
+"Herr," spricht sie, "wie magst du zum Troste
+Deines Weibes du den alten,
+Ehrvergessnen Buben holen?
+Weh mir, daß ich hier gestanden!"
+
+Aber nun zu Jacopone
+Spricht mit schwachem Ton die Kranke:
+"Um den tröstenden Benone
+Bat ich meinen Herrn und Gatten!"
+
+Und er spricht: "Auch er wird kommen,
+Jetzt vertrau dem großen Arzte;
+Dieser Aesculap Bolognens
+Wird dich, Theure, mir erhalten. # Teure?
+
+Conciliator, dich, Apone,
+Man ob hoher Weisheit nennet,
+Dich versühnend wolle folgen
+Der Bedeutung deines Namens."
+
+Aber nun zu Jacopone
+Spricht mit schwachem Ton die Kranke:
+"Um den tröstenden Benone
+Bat ich meinen Herrn und Gatten!"
+
+Und er spricht: "Auch er wird kommen,
+Jetzt vertrau dem großen Arzte.
+Wolle, daß die Kunst Apones,
+Teure, dich mir noch erhalte!" # Theure?
+
+Und zum Arzt spricht er die Worte:
+"Herrlicher, vergiß des Kampfes,
+Der uns trennte oft im Zorne,
+Nimm die Hand zum Friedenspfande!
+
+Dienen will ich deinem Lobe;
+Kannst du mir mein Weib erhalten,
+Geb ich dir zweitausend Kronen,
+Geb ich mehr noch, geb ich alles!"
+
+Und zum Lager tritt Apone,
+Reißt die Decke von der Kranken,
+Doch es stürzt sich Rosadore
+Über sie mit ihrem Mantel.
+
+Und der Arzt spricht wild im Zorne:
+"Was soll hier ich besser machen,
+Wo man meiner nur will spotten?
+Nackt muß ich die Kranke haben!
+
+Über ihrem Herzen drohend
+Einen Flecken von dem Brande
+Sah ich schwarz. Sie ist des Todes,
+Wenn ich sie nicht heilend salbe!"
+
+"Nimmer," spricht nun Rosadore,
+"Sollst du sie berühret haben,
+Ihres Herzens heilge Rose
+Nimmer sehen, böse Schlange!"
+
+Und erbittert flucht Apone:
+"Nun, so soll ich sein verdammet!
+Schöne Buhlrin, dir zum Hohne
+Sollst du mir zur Seite wandeln!
+
+Du sollst deine Jungfraukrone
+Selber mir ins Haus eintragen,
+In den Spuren meiner Sohlen
+Sollst du liebekrank herwandeln! # liebeskrank?
+
+Abends an mein Lager kommen,
+Deinen Leib mir anzutragen,
+Und mit Füßen weggestoßen
+Sollst du in der Brunst verschmachten!
+
+In der Kirche, vor dem Volke,
+auf dem offnen vollen Markte
+Sollst du mir verbuhlet folgen,
+Wie dem Leibe folgt der Schatten!"
+
+Ihm erwidert Rosadore:
+"Mein wird sich der Herr erbarmen;
+Vor dem Fluch, den du geschworen,
+Wird er seine Magd bewahren!
+
+Eher sollen alle Rosen
+Mit den Wurzeln abwärts wachsen
+Und die vollen Liebeskronen
+In der Erde Nacht begraben,
+
+Eher all die bleichen Toten
+Aus der Tiefe blühend wandeln
+Und was lebet an der Sonne
+Fluchend in die Gräber tragen,
+
+Eh der Mond vom Sternendome
+Buhlend in ein Nest voll Drachen
+Steigen und im keuschen Schoße
+Ungeheure Brut empfangen,
+
+Und eh soll die lichte Sonne
+Weichen aus des Himmels Bahnen,
+Durch der Hölle Tor zu wandeln,
+Eh ich tret in deine Pforte.
+
+Ja, eh wird dem Feinde Gottes,
+Dem satanschen Sündenvater,
+Auch ein Gottsohn ausgeboren,
+Keusch von einer Magd empfangen,
+
+Und zu lösen uns vom Tode,
+An das heilge Kreuz geschlagen!
+Gott verzeihe mir die Worte,
+Antwort ungeheurer Fragen!
+
+Nein! nein! nein! Du hast gelogen!
+O erscheine, Herr des Gartens,
+Tritt den Lügner an den Boden,
+Trete auf das Haupt der Schlange!"
+
+"Kind," spricht Apo, "heiße Kohlen
+Möchtest auf mein Haupt du sammeln,
+Aber mir auch blühen Rosen;
+Gut lacht, wer am letzten lachet!"
+
+Doch indes fragt Jacopone
+Flehend die geliebte Kranke,
+Wie sie so viel Blut vergossen?
+Und sie hat es ihm gestanden.
+
+Und nun bietet er Apone,
+Daß er helfend ihm mög raten,
+Abermals zweitausend Kronen,
+Nimmt das Gold gleich aus dem Schranke.
+
+Jener aber spricht: "Die Dornen,
+Die ihr schwer den Leib durchstachen,
+Wirf in einen tiefen Bronnen
+Oder in ein fließend Wasser;
+
+Dann, so wie der Gürtel rostet,
+Schließen sich die Wundenmale;
+Doch vor allem einen Tropfen
+Nehme sie aus dieser Flasche!"
+
+Und nun reichet ihr Apone
+Eine Flasche; doch die Kranke
+Winkt verneinend mit dem Kopfe,
+Und Apone weicht vom Lager;
+
+Denn er höret eine Glocke;
+Fackelschein erhellt die Gasse,
+Weil begleitet von dem Volke
+Sich der Leib des Herren nahet.
+
+Mit dem Sakrament gezogen
+Kommt Benone durch die Straße,
+Und die Kranke hebt frohlockend
+Und getröstet sich vom Lager.
+
+"Bleibe liegen!" sprach Apone.
+"Willst du dir dein Weib erhalten,"
+Sagt er dann zu Jacopone,
+"Hüt sie vor dem Abendmahle!
+
+Sie stirbt eines schnellen Todes
+Bei der letzten Ölung Salbe.
+Da ich sie hab übernommen,
+Werd ich dieses nie gestatten!" --
+
+"Jacopone, Jacopone,"
+Seufzt nun angstbewegt die Kranke,
+"Willst du mich zur Hölle stoßen?
+Hüte mich vor diesem Drachen!"
+
+"Seht, sie raset," spricht Apone,
+"Sie ist nicht mehr bei Verstande,
+Denn sie spricht verwirrte Worte,
+Taugt jetzt nicht zu heilgen Sachen!"
+
+Doch nun tritt herein Benone,
+Nahet sich dem Bett der Kranken,
+Und sie spricht: "O Herr, willkommen!
+Wolle meine Beicht empfangen!"
+
+Und der Priester will, es sollen
+Alle nun allein ihn lassen.
+"Rosadore, Jacopone
+Mögen bleiben," spricht die Kranke.
+
+"Und ich geh nicht," spricht Apone,
+"Bis der Gürtel liegt im Wasser,
+Bis getrunken sie die Tropfen.
+Wer bringt meine Pflicht zu wanken?"
+
+Und zu weichen hat Benone
+Nochmals friedlich ihn ermahnet;
+Aber höhnisch ihm der Stolze
+In das würdge Antlitz lachet.
+
+Nun erst fühlet Jacopone,
+Welcher Geist in diesem Arzte,
+Und er spricht in schnellem Zorne:
+"Weich aus meinem Haus, du Laster!" --
+
+"Hast du mich mit Schmeichelworten
+Hergelocket," spricht der Arge,
+"Bringst du mich mit bösem Trotze
+Wahrlich nimmermehr von hinnen!" --
+
+"Weh uns!" jammert Jacopone,
+"Wer mag diesen Teufel bannen!"
+Und es nahet Rosadore,
+Spricht: "Ich wags in Gottes Namen!"
+
+Und sie zieht gleich einem Dolche
+Jene Nadel Rosablankens
+Aus dem Haar, das Gold der Locken
+Fließt, sie rüstend, von dem Nacken.
+
+Und im heilgen Zorne Gottes
+Springt die Kranke von dem Lager,
+Und ein Kreuz von rotem Golde
+Dienet ihr zur frommen Waffe.
+
+Aber beiden reißt Apone
+Von dem Busen die Gewande.
+Da er sieht die heilgen Rosen,
+Fühlt er seine Sinne wanken.
+
+Und er fluchet: "Moles, Moles!
+Dies ist unser Rosengarten.
+Daß er ewiglich verdorre,
+Mußt du dich zur Arbeit halten!"
+
+Doch am Fenster ruft Benone
+Dem Geleite, und mit Fackeln
+Dringen sie herauf; Meliore
+Tritt einher vor allen andern.
+
+Doch er stehet schwer erschrocken,
+Da er Apo sieht, und fraget:
+"Meister, lebet ihr hier doppelt?
+Eben hab ich euch verlassen!
+
+Pietro kam als schneller Bote
+Zu dem Vater Rosablankens,
+Der erkrankte, euch zu holen,
+Und Ihr seid mit ihm gegangen.
+
+Habt mir selbst die Hand geboten,
+Spracht, daß ihr des alten Hasses
+Gänzlich nun vergessen wolltet,
+Weil ich brav gelöscht beim Brande.
+
+Dann hast du mich angesprochen
+Um ein Büschel meiner Haare;
+Sprachst: `Aus blondem Haar gesponnen
+Wird zur Wundennaht der Faden.'
+
+Und ich gab dir eine Locke --
+Sieh, hier fehlt sie mir im Nacken --
+Folgte weit dir vor dem Tore,
+Bis in meines Bruders Garten,
+
+Wo du eintratst, weiße Rosen
+Und Arzneikraut einem Kranken
+Zur Erquickung gleich zu holen;
+Dorten hab ich dich verlassen.
+
+Denn es war dort bei den Rosen
+Solch ein heftger Duft entstanden,
+Daß mir schier gebrach der Odem;
+Wankend ging ich aus dem Garten.
+
+Jetzt -- wie find ich dich hier oben?"
+Doch ihn bei dem Arme fassend
+Spricht Apone: "Freund Meliore.
+Jetzt geleite mich von dannen!
+
+Denn die Gattin Jacopones
+Will das Sakrament empfangen,
+Gönnen wir ihr Raum zum Troste!"
+Und nun gehen sie zusammen.
+
+Ihnen folgen, die vom Volke
+Mit den Fackeln aufwärts drangen.
+In den Armen Jacopones
+Ruht ohnmächtig noch die Kranke.
+
+Da sie wieder sich erholet,
+Segnend ihr der Priester nahet,
+Und sie spricht mit leisen Worten,
+Matt aufrichtend sich vom Lager:
+
+"Der du an der Stätte Gottes,
+Höre, wie ich mich anklage,
+Was ich sündlich hab verbrochen,
+Seit auf Erden ich gewandelt,
+
+Mit Gedanken, Werken, Worten.
+Und zuerst nun mit Gedanken:
+Ich gedachte, meinem Gotte
+Könnt ich Sünderin gefallen.
+
+Und ich sündigte mit Worten,
+Weil ich Gott nicht Wort gehalten,
+Als das ja ich Jacopone
+Treulos gab an dem Altare.
+
+Und mit Werken," sprach die Fromme,
+"Da ich sprang von dem Theater;
+Denn ich glaubte fest, des Todes
+Würd ich an die Erde fallen;
+
+Glaubt in meinem bösen Stolze
+Ohne Sakrament empfangen
+Käm ich doch zu meinem Gotte,
+Sündigte auf sein Erbarmen.
+
+Doch mich nicht verderben wollend,
+Hat er mich zur Buß erhalten,
+Die von ihm durch dich, Benone,
+Ich zerknirschet nun erwarte!" --
+
+"Rosarosa," sprach Benone,
+"Keiner noch trat ohne Makel
+Vor den Thron des ewgen Gottes;
+Er wird dein sich auch erbarmen!
+
+In des Vaters, in des Sohnes,
+In des heilgen Geistes Namen
+Sei dir, meine fromme Tochter,
+Deine Schuld erlassen! Amen.
+
+Fühlst du jetzt dein Haus geordnet,
+Deinen Herren zu empfangen,
+Speis ich mit dem Himmelsbrote
+Dich zu diesem letzten Pfade." --
+
+"Bis zum neuen Morgenrote
+Harret noch", spricht leis die Kranke,
+"Einen Bissen weißen Brotes
+Aß ich heut von einer Armen,
+
+Der durch dich, mein Jacopone,
+Ward ihr kleines Feld erhalten
+Gen den Anspruch eines Großen;
+Sie bracht mir das Brot zum Danke,
+
+Bat: `O esse von dem Korne
+Jetzt aus Liebe zu dem Manne,
+Der gerettet mir den Boden
+Dem dies Brot für mich entwachsen!'
+
+Aber hört, die elfte Glocke
+Schlägt! Noch eine Stunde harret;
+Reicht indes zum letzten Troste
+Mir des heilgen Öles Salbe!"
+
+Doch nun klaget Jacopone,
+Der bis jetzt in stummen Jammer
+Saß an ihrem Lager oben:
+"Weh, o weh, ich muß dich lassen!
+
+O dich, aller Jungfraun Krone,
+Keusch und duldend gleich dem Lamme,
+Das die Schuld hat hingenommen,
+Das für uns das Kreuz getragen,
+
+Rosarose, heilge Sonne
+Meiner irdisch trüben Tage,
+Firmament voll Lichtessonne,
+Ewig gleiche Friedenswage! # waage?
+
+Herr, was hab ich denn verbrochen,
+Daß ich in der Nacht soll wandeln,
+Daß aus meines Himmels Dome
+Nun erlischt die heilge Lampe?
+
+Weh, o weh, du süße Rose,
+Dornen dir das Herz zerbrachen,
+Die du fromm vor mir verborgen;
+Schuldig muß ich mich anklagen!
+
+Weh, ich bins, der dich gemordet,
+Blind an jenem Hochzeitsabend,
+Da durch mich du von den Toten
+Hast den Dornengurt empfangen!
+
+Und ich habe zu der Oper
+Dich geführet heute Abend:
+Weh, durch mich wards du durchbohret
+Von dem Gürtel bei dem Brande!
+
+Deine letzte Zeit verdorben
+Hab ich dir aus falschem Wahne
+Durch den Bösewicht Apone,
+Hoffend, dich mir zu erhalten!
+
+Ach, ich diene bösem Stolze!
+Die ich nie besessen habe,
+Die mir ewig war verloren,
+Wollt ich mir durch Kunst erhalten!
+
+Weh, mein Weib, du Jugendrose,
+Auf dem Wasser der Demanten
+Spiegelt deiner Schönheit Sonne
+Ihres Abendrotes Flamme!"
+
+Also jammert Jacopone.
+Ihm erwidert dann die Kranke:
+"Wolle nicht mit harten Worten
+Gegen Gottes Willen klagen.
+
+Lasse uns den Herren loben,
+Daß er uns zurückgehalten
+Von dem Abgrund ewgen Todes,
+Von der Blutschuld hartem Laster.
+
+Wenn der Schleier wird gehoben
+Über unserm dunklen Stamme,
+Singst du bis zu deinem Tode
+Gott und seiner Mutter Psalmen.
+
+Seit das Weib den schwer verbotnen
+Apfel teilte mit dem Manne,
+Bringt das Weib das Kind des Todes
+Zu der Welt mit Not und Jammer.
+
+Und wir durch die Güte Gottes
+Haben schuldlos uns erhalten,
+Und er wird uns nicht verstoßen
+Aus des Paradieses Garten.
+
+Auch ich muß von diesem Orte
+In den Willen des Erbarmers;
+Dich, bei dem so gern ich wohnte,
+Muß ich einsam nun verlassen.
+
+Und du sollst, wie Christen sollen,
+Deinem irdschen Gut entsagen,
+O, mein Bruder, wolle folgen
+Eines schwachen Weibes Rate.
+
+Geh in einen frommen Orden;
+An die Stelle des Theaters
+Laß erbaun ein heiles Kloster;
+Dort auch ruhe meine Asche!
+
+Lasse jetzt von armen Volke
+Stille mich zu Grabe tragen,
+Bis erbauet ist das Kloster
+Zur Kapelle bei Sankt Claren.
+
+Und den Schwestern dieses Ordens
+Dann das neue Kloster lasse,
+Weil sie jetzt nur ärmlich wohnen
+Und das Haus sie kaum mehr fasset.
+
+Meinen Sarg, geschmückt mit Rosen,
+Laß von armen Jungfraun tragen;
+Lasse auch die Kinder folgen,
+Die ich stets geliebet habe.
+
+Allen spende aus zum Lohne
+Meine vollen Kleiderladen,
+Aus dem Tuch, das ich gesponnen,
+Lasse allen Hemdlein machen.
+
+Mein Geschmeide, silber, golden,
+Alle Perlen und Demanten,
+Die mir deine Huld erworben,
+Schenke ich zu dem Altare.
+
+Lasse eine Mutter Gottes
+Recht vor allen herrlich malen
+Und ihr vor dem hohen Chore
+Himmlische Musik erschallen.
+
+Mit des Weihrauchs süßen Wolken,
+In wollüstger Düfte Kampfe,
+Soll ein Wald unzählger Rosen
+Um der Kirche Säulen ranken.
+
+Kelche, Lampe, Weihebronnen,
+Leuchter, Rauchfaß und Monstranzen:
+Alle seien goldne Rosen,
+Durch der Künstler Fleiß gestaltet.
+
+Und die groß und kleine Glocke
+Und der Taufstein und die Kanzel
+Seien Rosen gleich geformet.
+O, welche frommer Rosengarten!
+
+Als ich bin getragen worden
+Sinnlos weg von dem Theater,
+Hat sich ein Gesicht ergossen,
+Hab ich diesen Wunsch empfangen.
+
+Unter einem hohen Dome
+Sah ich Weihrauchwolken wallen
+Und Gesang und Klang der Orgel
+Durch die Säulenwälder wachsen.
+
+Und ich sah den Greis Benone
+Eine Totenmesse halten,
+Aber alles war voll Wonne,
+Alles war voll selgen Glanzes!
+
+Und ich sah viel fromme Nonnen
+Einsam betend in der Kammer,
+Sah sie nächtlich in dem Chore
+Himmlische Gebete lallend.
+
+Und vor allen glanzumflossen
+Sah ich eine mit der Nadel
+Weiße, rote, schwarze Rosen
+Wirken in die Meßgewande.
+
+Und das Bild der Mutter Gottes,
+Gnädig blickend vom Altare,
+Glich dir, meine Rosadore,
+Aber heilger, höher strahlend.
+
+Und ich selbst lag eingeschlossen
+Kühl in einem Marmorsarge;
+Auf der schweren Decke oben
+Schlief der Knabe mit dem Lamme.
+
+Rings um mich geliebte Tote
+Schlummerten zum letzten Tage;
+Doch kein Sinn war mir verschlossen,
+Und ich sah und hörte alles.
+
+Ach, wie mag die Visionen
+Alle ich in Worte fassen!
+Durch der Kirche hohe Bogen
+Himmelschöre niederdrangen!"
+
+Und nun sagte Rosadore:
+"Ja, des Himmels Tore standen
+Über diesem Tempel offen,
+Von den Seligen umscharet.
+
+Und es stand die Mutter Gottes
+Und der Heiland mit dem Lamme
+Ganz bekränzt mit süßen Rosen
+In des Lichtes ewgen Glanze.
+
+Und der Engel Legionen
+Sangen: Gnade! Gnade! Gnade!
+Tausend Kränze heilger Rosen
+Sah ich zum Altare fallen.
+
+Und den Schleier einer Nonne
+Sah ich nehmen Rosablanken;
+Eine Goldflut ihrer Locken
+Vor der Schere niedersanken.
+
+Singend stand ich auf der Orgel,
+Vor mir stand die goldne Harfe;
+Aber stille und gestorben
+Lag mein Herz in kalten Banden,
+
+Wie in bösem Traum der Boden
+Fliehenden die Füße bannet,
+Hilferufenden der Odem
+Kämpfend in der Brust erstarret.
+
+Lebend und doch eine Tote,
+Sehend und doch dicht umnachtet,
+Stumm, doch singend vollen Tones,
+War ich wie von Stein umfangen.
+
+Neben mir stand schwarz Apone.
+Weh, o weh, was er gesaget,
+Was er sprach vorhin im Zorne,
+Füllet mich mit tiefem Bangen!
+
+Doch am Altar aufgezogen
+Ward ein himmelblauer Mantel,
+Und das Bild der Mutter Gottes
+Grüßte laut des Volkes Ave.
+
+Und ich hört in meinen Ohren:
+Ave, Salve, Mater! schallen,
+Und aus meinen Augen quollen
+Wieder Tränen auf die Wangen.
+
+In der Kirche hohem Dome
+Schmetterten die Nachtigallen,
+Ganz durchzucket von dem Tone
+Fühlt mein Herz ich wieder schlagen.
+
+Und ich bin emporgeflogen,
+Eine Stimme, singend Ave,
+Bin des Engels Gruß geworden,
+Ave, Salve, Dei Mater!
+
+Dies Gesicht war mir ergossen,
+Da ich sinnlos in der Harfe
+Ruhete, von Meliore
+Fromm gerettet bei dem Brande." --
+
+"Was du sahest, Rosadore,
+Sah ich alles," sprach die Kranke,
+"Herr! du hast in Visionen
+Wunderbar dich uns erbarmet!"
+
+Und in stiller Wonne schlossen
+Beide sich in ihre Arme.
+Ruhig sprach nun Jacopone:
+"Herr, tu mir nach Wohlgefallen!"
+
+Aber nun tritt durch die Pforte
+Agnus castus mit dem Lamme,
+Knieet betend an dem Boden
+Neben Rosarosens Lager.
+
+Nach der Sanduhr sieht Benone,
+Eine Schelle rührt der Knabe,
+Niederknieet Rosadore,
+Jacopone bei der Kranken.
+
+Beim Gesang des frommen Volkes,
+In dem Scheine heller Fackeln,
+Hat sie leis das Haupt erhoben
+Und des Herren Leib empfangen.
+
+Und dann sprach sie noch die Worte:
+"Herr, du hast dich mein erbarmet,
+Herr, dein Wille sei gelobet,
+Meine Seele nun empfange!"
+
+Mit dem heilgen Öl Benone
+Haupt und Hand und Fuß ihr salbet.
+Und sie sprach: "Des Herzens Rose
+Wirft unendlich weiten Schatten!
+
+O der Wonne, o des Trostes,
+O des wundersüßen Garten!
+Singe, meine Rosadore,
+Mit des Himmels Nachtigallen!
+
+In dem Schatten meines Todes
+Lasse Gottes Lob erschallen!"
+Und es sang nun Rosadore
+Zu dem Klang der goldnen Harfe.
+
+Solch ein Lieb, so selgen Tones,
+Hat nur da die Luft getragen,
+Als der Heiland ward geboren
+Und die Engel Gloria sangen.
+
+Also sang des Lichtes Bogen,
+Da den Lustkreis aller Farben
+Gott durch seinen Raum hinrollte
+In dem Glanz des ersten Tages;
+
+Also tönt des Wassers Woge,
+Mit dem Rund des Erdenballes
+Selig spielend in der Sonne,
+Jauchzend an dem ersten Tage.
+
+In so süßen Tones Strome
+War die Luft aus Gottes Atem
+Um die junge Welt ergossen,
+In der Lust des ersten Tages.
+
+Und die neue Erde rollte
+Unter also freudgem Klange
+In den Kreis von Mond und Sonne,
+Jubelnd an dem ersten Tage.
+
+Also sang das Blut, ergossen
+Durch des neuen Menschen Adern,
+Also sang der Mensch voll Wonne,
+Da er zu der Welt erwachte.
+
+Doch annoch viel höhern Tones
+Wird das Lied der Selgen schallen,
+Wenn sie aus dem Haus des Todes
+Zu dem Antlitz Gottes wandeln.
+
+Aber nun zieht mit dem Volke,
+Betend bei dem Schein der Fackeln,
+Nach dem Kloster hin Benone.
+Einsam steht der Toten Lager.
+
+Und es küßt ihr Rosadore
+Tränenlos die bleiche Wange,
+Grüßet scheidend Jacopone
+Und verläßt ihn mit der Harfe.
+
+Einsam sitzet Jacopone
+Auf dem stummen Sterbelager,
+In der Toten Demantkrone
+Mit des Schmerzes Blick hinstarrend.
+
+Keine Träne ihm entrollet;
+Seine tiefe Trauer raget
+Wie die Wüste öd und trocken
+Auf, am Horizont verschmachtend,
+
+Ohne Schatten, und die Sonne
+Selbst ein tiefer Feuerschatten,
+Der sich wie ein weiter Bogen
+Über seinen Scheitel lagert.
+
+Die Gedanken an dem Boden
+Schleichend, in dem gleichen Sande,
+Alle Spuren von dem Odem
+Heißen Sturmes stets verwaschen.
+
+An dem Himmel keine Wolke,
+An der Erde keine Pflanze,
+Auch kein einzger kühler Tropfen
+In dem ungeheuren Plane.
+
+Also sitzet Jacopone
+In der Wüste seines Jammers,
+In die helle Demantkrone
+Der geliebten Leiche starrend.
+
+Aber auf die Schulter klopfet
+Agnus castus ihm, der Knabe,
+Reicht ihm einen Korb voll Rosen:
+"Jacopone, jetzt erwache!
+
+Kränz des Todes Braut mit Rosen;
+Sie sind aus demselben Garten,
+Wo die Rosen ihr gebrochen
+An dem ersten Hochzeitsabend.
+
+Nimm ihr ab die Demantkrone,
+Die du ihr hast heute abend
+In das Silberhaar geflochten;
+Deiner letzten Pflicht gewarte! # gewahre?
+
+Einst werd ich am rechten Orte
+Wunderbare Dinge sagen;
+Du wirst, die dir war verborgen,
+Deines Namens Schuld erfahren."
+
+Sprachs. -- Da jener nahm die Rosen,
+Schied er betend aus der Kammer:
+"Jesus Christus sei gelobet!"
+Jacopone saget: "Amen!"
+
+Als er löst die Demantkrone
+Aus dem Strom des Silberhaares,
+Ist des Schmerzes Kern gebrochen,
+Und des Jammers Quellen sprangen.
+
+Da er ihr den Kranz der Rosen
+Legte in die Silberhaare,
+Sind die Augen in dem Strome
+Heißer Tränen ihm vergangen.
+
+Da der arme Jacopone
+Ihr die kalten Hände faltet,
+Ist der Trauring roten Goldes
+In die Hand ihm schwer gefallen.
+
+Da er ihr das Aug geschlossen,
+Brach er aus in lauten Jammer,
+Ganz in einem Tränenstrome
+Der Geliebten Antlitz badend.
+
+Als die Nacht war hingezogen,
+Stand des Morgensternes Fackel
+An dem stillen Horizonte,
+Wie ein Irrlicht auf dem Grabe.
+
+Wie in eines ausgestochnen
+Auges leere Höhle, zagend
+Sah des neuen Tages Sonne
+In das Herz des armen Mannes.
+
+Und wie an dem Hochzeitsmorgen
+Pietro, sie begrüßend, sagte:
+Grüßt sie an dem Todesmorgen;
+Jacopone, laut aufjammernd:
+
+"Grüß dich, blutge Todessonne,
+Grüß dich, Held des Unterganges,
+Grüß dich, Heiland voller Dornen,
+Grüß dich, Sichel meines Gartens!
+
+Grüß dich, lichter Trauerbote,
+Grüß dich, Tauestränensammler,
+Grüß dich, Wecker aller Toten,
+Grüß dich, Feuerheld des Grabes!
+
+Singt die sieben letzten Worte,
+Singt sie mir, ihr grauen Schwalben!
+Singt ihn mir, den Schild des Todes,
+Singt den Held des Unterganges!"
+
+** Romanze XIV: Apo und Meliore
+
+Durch die stillen Straßen schreiten
+Apo und Meliore hin,
+Gleiche Pfade führen beide
+Zu dem Turm, zur Tänzerin.
+
+Wo das Mondgefild sich breitet
+Um des Brandes Trümmer hin,
+Ruht ihr Weg, und tief erweitet
+Fühlt Meliore seinen Sinn.
+
+Und er spricht zum ernsten Meister,
+Den er bei der Rechten nimmt:
+"Selig, wer gleich dir die Geister
+Leicht nach seinem Willen stimmt.
+
+Spricht, o Herr! auf welche Weise
+Reißest du mich jetzt zur dir?
+Da du heut im lauten Kreise
+Also hart begegnet mir?
+
+Da du zürntest mir im Streite,
+Sieh, da scheute ich dich nicht;
+Jetzo friedlich dir zur Seite
+Alle Kühnheit mir gebricht.
+
+Daß der, den ich erst geleitet
+Zu des Pietro Garten hin,
+Wieder mir zur Seite schreitet,
+Will mir nimmer in den Sinn.
+
+Sprich, wie soll ich nur begreifen
+Deiner Künste tiefe List,
+Daß ich hier dich kann ergreifen,
+Der erst dort vor kurzer Frist.
+
+Meister sprich, und dann verzeihe,
+Daß ich also heut mit Schimpf
+Traf des hohen Hauptes Weihe;
+Zeige deines Herzens Glimpf!
+
+Kenntest du des Jünglings Leiden,
+Der so kühn dich heut bestritt,
+Ach, du würdest Trost bereiten
+Mir, der deinen Zorn erlitt.
+
+Lass mich zum Kerker weichen,
+Dem das Feuer mich entriß,
+Kannst du mir die Hand nicht reichen,
+Daß mir deine Gunst gewiß!"
+
+Apo gab die Hand: "Dein Eifer,"
+Spricht er, "wisse, war mir lieb;
+Herrlich wirst du, wenn du reifer,
+Denn dich treibet hoher Trieb.
+
+Doch es muß vor der Gemeine
+Leiden, wer zutage springt,
+Daß nicht aus dem Chor alleine
+Einer andre Weise singt.
+
+Ob du würdig könntest leiden,
+War zu forschen ich gewillt;
+Nebst dem Schwerte zu dem Streiten
+Führe auch der Mann das Schild.
+
+Und nun nenn ich dich den Meinen,
+Zeigte dir mein Doppelbild;
+Wird der dritte dir erscheinen,
+Ist das Ganze dir enthüllt.
+
+Zeugnisgebende sind dreie,
+Und die dreie eines sind;
+Du hast einen Grad der Weihe,
+Noch bist du ein blindes Kind.
+
+Wisse, der Dreieinigkeiten
+Schweben in dem Zirkel viel;
+Wer sie alle kann durchschreiten,
+Dreht den Zirkel hin zum Ziel.
+
+Doch nun laß uns andre Kreise,
+Die uns näher liegen, ziehn,
+Daß ich tätig dir beweise,
+Wie ich dir gewogen bin.
+
+Einsam sind wir und alleine,
+Ich und du und die Begier;
+Sprich, nach welchem Zauberweine
+Lechzt die trockne Zunge dir?
+
+Fein ist diese Zeit; es schweifet
+Süß das trunkne Mondenlicht;
+Wer jetzt nach den Äpfeln greifet,
+Der verfehlt die reifen nicht.
+
+Von der Venus Tau bereifet,
+Schwillt der Früchte süß Gewicht:
+Sage, welche Lust gereifet
+Dir aus heißem Busen bricht" --
+
+"O, mein hoher Herr und Meister,
+Du bist weis," Meliore spricht,
+"Und es reichen alle Geister
+Deinen Augen gern ihr Licht.
+
+Sehe, hier stehn wir im Freien,
+Unterm hohen Wolkenschild,
+Und des Brands Ruinen streuen
+Auf den Plan ihr Schattenbild.
+
+Kannst du aus der Sterne Reihen
+Sagen, ob die Zukunft hier
+Andre Schatten wird verleihen
+Dieses Platzes hoher Zier?
+
+Ob nicht seinen Schatten breiten
+Hier ein heilger Tempel wird,
+Wo wir jetzt durch Trümmer schreiten,
+Die des Wassers Flut durchirrt?"
+
+Doch Apone sprach: "O schweige,
+Anderes begehr von mir,
+Daß ich anderes dir zeige,
+Was mir lieber ist und dir!
+
+Denn nicht diese toten Steine
+Heben zu dem Licht den Blick;
+Nur des Lichtes Sohn alleine
+Liest gestirnet sein Geschick.
+
+Geisterschwer erblühn die Zeiten
+Heute aus dem Sterngefild,
+Durch den reichen Himmel schreiten
+Seh ich wunderbar Gebild.
+
+Denn die Jungfrau hebt den Schleier,
+Und der Widder freudig springt,
+Und der Stier erhebt sich freier,
+Da der Schwan verbuhlet sind.
+
+Und die Zwillinge, sie weinen,
+Da die eine Wage sinkt,
+Und der Steinbock will nicht scheinen,
+Weil der Schütz den Bogen schwingt.
+
+Amors Pfeil der Pfeil heut gleichet,
+Sieh, wie er zur Jungfrau ziel;
+Wie der Fisch zum Fische streichet
+Und in Wogenschimmer spielt.
+
+Nach des Bechers süßem Weine
+Greift der Wassermann und trinkt,
+Bär und Hund, der groß und kleine,
+Tanzen, der Triangel klingt.
+
+Pegasus mit Wiehern schreiet
+Zu dem kleinen Pferde hier,
+Des Zentauren Lust sich zweiet
+Zu der Jungfrau, zu dem Tier.
+
+Und der Walfisch, ein Hochzeiter,
+Jauchzend im Eridan springt,
+Und das Schiff, es flagget heiter,
+In dem Pol sein Ruder klingt.
+
+Bei dem Hafen jagdlich schweifen
+Sehe ich Orions Licht,
+Doch vor ihm die Flucht ergreifen
+Heute die Plejaden nicht.
+
+Liebend denket er mit Schweigen
+Der Hyperboreerin,
+Und vor Herkuls Seele streichen
+Alle Thespiaden hin.
+
+Cepheus, Cassiopeia neigen
+Liebend zueinander sich,
+Und Andromeda erreichen
+Seh den starken Perseus ich.
+
+Freudig laut der Fuhrmann geißelt,
+Und das Böcklein zu ihm springt,
+Und der Löwe lustgekräuselt
+Seinen Schweif zur Jungfrau schwingt.
+
+Wie im Paradiese schweifet
+Dort die Schlange lustgeringt;
+Weil die Feigen sind gereifet,
+Hoch der Rab den Becher schwingt.
+
+Frei strömt, wie zur Hochzeitsfeier,
+Berenicens Locke hin,
+Und im Klang von Orpheus Leier
+Schaukelt trunken der Delphin.
+
+Den Antinous umkreisend,
+Hoch des Adlers Fittig klingt,
+Der, sie von der Erde reißend,
+Götterknaben aufwärts schwingt.
+
+Eine Schlange tragend weilen
+Seh den Polyides ich,
+Minos lehrte sie ihn heilen,
+Dich zu heilen lehrt sie mich.
+
+In der Nordkron goldne Reife
+Eine Myrte süß sich schlingt,
+Und der Drach mit brünstgem Schweife
+Heiß den kalten Pol umringt.
+
+Zu geheimer Liebe Feier
+Hell des Altars Glut entglimmt;
+Die Südkrone schimmert freier,
+Und in Lust der Südfisch schwimmt.
+
+Ihre Scheren brünstig breiten
+Krebs und Skorpion zum Licht,
+Und der Wolf in Himmelsweiden
+Trübt der Lämmer Quelle nicht.
+
+Also glühend sind die Zeiten,
+Also brünstig ist das Licht,
+Wie die Rose, die den Bräuten
+Venus durch die Locken flicht.
+
+Die Granate senkt gereifet
+Ihrer Kerne Goldgewicht,
+Trunken durch die Blätter schweifet
+Amor, der sie taumelnd bricht.
+
+Selig ist wohl der zu heißen,
+Der in Liebe selig ist;
+Sprich, kann ich dich selig preisen,
+Der du also liebend bist?
+
+Meliore, sei der meine;
+Sage ohne Hinterlist,
+Ob Biondette je die deine
+Ganz und gar gewesen ist?
+
+Ob dein selger Mund alleine
+Ihres Leibes Rosen bricht,
+In der Augen Sonnescheine,
+In des Busens Mondenlicht?
+
+Ob du in die Wollustkreise
+Ihrer Mitternächte blickst,
+Daß dich jauchzend an sich reiße,
+Die entzücket du entzückst?"
+
+Doch entsetzet hier den Meister
+Meliore unterbricht;
+"Bei dem Gott der selgen Geister
+Schwöre ich: das tat ich nicht!
+
+Und will einer des sich preisen,
+Ich nenn einen Teufel ihn;
+Will mit Händen den zerreißen,
+Der sie solcher Schmach geziehn!
+
+Gott und Vater! wüßt ich einen
+Solches denkend, sein Gehirn
+Schlüg ich ihm mit kotgen Steinen
+Aus der unverschämten Stirn!
+
+Denn die Sterne sind nicht reiner,
+Als der Leib Biondettens ist,
+Und der Schoß, er war nicht reiner,
+Der empfangen Jesum Christ!
+
+Doch du machst aus Weltenkreisen,
+Wo der Engel Palmen schwingt,
+Und, den Ewigen zu preisen,
+Gloria die Sphäre singt,
+
+Einen Tummelplatz der Heiden,
+Wo die Sünde Lanzen bricht,
+Und ein ekles Wolluststreiten,
+Dem die Geilheit Kränze flicht!
+
+Könntest du mir auch beweisen,
+So sei meiner Liebe Ziel,
+Möge mich der Stern zereißen,
+Der jetzt dort vom Himmel fiel!"
+
+Also sprach er, und es breitet
+Apo seinen Mantel hin,
+Fing den Stern, der niedergleitet:
+"Sieh, was dir ein Stern erschien!
+
+In dem trüben, kalten Schleime
+Hier, erkennest du das Licht?
+Stürzend durch des Himmels Räume
+Wahrlich, dies erschlägt dich nicht!
+
+Alles ist nicht Gold, was gleißet,
+Und was glühend dir erschien,
+Sich als faules Holz erweiset,
+Nahest du dem Wunder kühn.
+
+Und das eben macht den Weisen,
+Daß er in dem Sonnenlicht
+Kann die Mitternacht beweisen,
+In dem Leichten das Gewicht.
+
+Daß selbst in des Lichtes Leichte
+Er die Wucht, die niederzieht,
+In dem Abgrund auch das Seichte,
+In dem Seichten Abgrund sieht.
+
+Sollt ich dich nicht selig preisen,
+Wäre solch ein Weib dein Spiel?
+Um die Erde möcht ich reisen
+Nach so wunderbarem Ziel!
+
+Doch die Jugend möchte steigen,
+Um den Himmel zu erfliehn,
+Und das Alter muß sich neigen,
+Sieht ihn an der Erde blühn.
+
+Willst du nun die Lust erreichen,
+Die dir durch die Adern rinnt,
+Einen Trank will ich dir reichen,
+Der dir ihre Gunst gewinnt.
+
+Läßt du dir das Recht entreißen,
+Das dir Lust und Jugend gibt,
+Wird dich schwer der Neid zerreißen,
+Wenn sie andern sich ergibt.
+
+Daß zum Falle sie gereifet,
+Seh in ihren Sternen ich,
+Wenn kein andrer sie ergreifet,
+Nenne einen Lügner mich!" --
+
+"Den möcht ich jetzt gleich dich heißen,"
+Zürnend nun Meliore spricht,
+"Solche Unschuld kann nicht gleißen,
+Gottes ist ihr Angesicht!
+
+Körner streust du; ich soll gleiten,
+Aber Gott erhalte mich!
+Sündflut aller Eitelkeiten,
+Hier vor Gott verfluch ich dich!
+
+Ja, gleich leicht magst du beweisen,
+Diesen Himmel ernst und still
+Sehest du vom Blitz zerreißen
+Und von donnerndem Gebrüll;
+
+Und die Stadt im Mondenscheine
+Fülle jetzt der wilde Krieg,
+Und daß jetzt, wo wir alleine,
+Weit ein Feld voll Leichen lieg;
+
+Daß Bologna ihre weite,
+Hochgetürmte, feste Stirn
+Niederbeuge jetzt im Streite
+Vor dem himmlischen Gestirn!
+
+Daß du doppelt kannst erscheinen,
+Weil ichs sah, bewiest du mir;
+Doch Biondettens Schuld verneinen,
+Selbst sie sehend, würd ich dir!" --
+
+"Malst du an die Wand den Teufel,"
+Apo zu dem Jüngling spricht,
+"Hält er dir auch ohne Zweifel
+Zu der Malerei das Licht!"
+
+Sprachs. Und plötzlich donnernd steiget
+Um den Mond die Finsternis,
+Und so weit der Himmel reichet,
+Hell ein Blitz die Nacht zerriß.
+
+Und rings durch die Stadt verbreitet
+Sich ein tosend Stahlgeklirr;
+Näher, immer näher streitet
+Her der Stimmen Kampfgewirr.
+
+Meliore bebt. Es schreiten
+Tausend Bürger in den Ring,
+Und mit Wut von allen Seiten
+Hebet sich das Schwertgekling.
+
+Und es sinket Reih auf Reihe
+Auf dem blutgen Mordgefild,
+Daß von Wut- und Wehgeschreie
+Laut ertost das Wolkenschild.
+
+Weh! da stürzen auf die Streiter
+Rings Bolognas Türme hin,
+Doch sie kämpfen immer weiter,
+Nichts erschrecket ihren Grimm!
+
+Zu den Füßen seinem Meister
+Sinnlos hin Meliore sinkt,
+Bis das Spiel der bösen Geister
+Dieser in den Abgrund winkt.
+
+Und von Schrecken ganz gebleichet
+Richtet auf der Jüngling sich:
+"Du hast Böses mir gezeiget,
+Meister, nun entlasse mich!"
+
+Apo spricht: "Du prophezeitest
+Dieser Stadt dies Ungeschick,
+Weil du sie so toll vereidest
+Für Biondettens Tugendglück.
+
+In der Wage liegen beide,
+Leg dich zu der Tänzerin;
+Daß dein Vaterland nicht leide,
+Gebe dich der Freude hin!
+
+Größre Wunder könnt ich zeigen --
+Eines Wortes leicht Gewicht,
+Eines nichtgen Blickes Steigen
+Führt oft her ein schwer Gericht.
+
+Und so stehn die Himmelszeichen:
+Es erfüllt sich dies Gesicht,
+Brichst du von Biondettens Zweigen
+Heut die reifen Früchte nicht!" --
+
+"Läßt so leicht vom Himmel reißen
+Dieses Landes Schicksal sich,"
+Spricht Meliore, "will verheißen
+Eine schönre Zukunft ich!
+
+Hohe Nacht, ihr Sternenreiche,
+Mond, du keusches Angesicht,
+Euch Biondetten ich vergleiche,
+Sie weicht euch an Friede nicht.
+
+Und so fest und ungebeuget
+Stehet ihrer Tugend Zier,
+Als einst fromm ein Tempel steiget
+Aus des Brands Ruinen hier!
+
+Sieh! beweget sind die Steine,
+Ordnen auf zu Mauern sich;
+Diese Geister sind die meinen,
+Und ihr Meister bin auch ich!
+
+Freudig auf die Pfeiler steigen;
+Hörst du, wie Biondette singt?
+Wie nach ihrer Harfe Reigen
+Stein auf Stein zum Himmel dringt?
+
+Wie nach ihren Melodeien
+Kuppel sich an Kuppel ringt,
+Und die Säule ihre Reihen
+Mit dem Palmenknauf verschlingt?
+
+Der Kapellen Einsamkeiten
+Ordnen sich in Harmonie;
+Wo die Töne sich durchschneiden,
+Wölbt des Chores Halle sie.
+
+Wo die Töne höher steigen,
+Heben sich die Türme spitz,
+Die zum Firmamente reichen
+Mit der Kreuze goldnem Blitz.
+
+Wo sie sich zur Tiefe neigen,
+Zu der Grüfte Labyrinth,
+Seh ich trauernd niederschleichen
+Still der Treppen Steingewind.
+
+Heilig scherzt in tausend Weisen
+Blum um Blume, Bild um Bild,
+Und, die Meisterin zu preisen,
+Widerhall dem Stein entquillt.
+
+In der Kerzen selgem Scheine
+Bebt der Altar feierlich,
+Und gleich einem Frühlingshaine
+Füllt das Haus mit Jubel sich.
+
+Silbernem Gefäß entkreisend
+Süß der Weihrauch aufwärts dringt,
+Und des Himmels Tor aufreißend
+Hochgesang in Wonne ringt.
+
+Sieh, wie zu des Tempels Weihe
+Rings die frommen Bürger ziehn;
+Meister! Gott uns Trost verleihe,
+Laß uns betend niederknien!"
+
+Spricht Meliore, und den Meister
+Will er an dem Mantel ziehn;
+Helfet! alle guten Geister!
+Er sieht vor sich doppelt ihn!
+
+Einer trägt ein Feuerzeichen
+Auf der hohen, dunkeln Stirn,
+Kalt sie sich die Hände reichen,
+Und es bebet das Gestirn.
+
+Lachend sie von dannen schleichen,
+Sieh, da kehrt das Mondenlicht;
+Durch das nächtlich tiefe Schweigen
+Meliors Stimme bricht:
+
+"Weh! Bologna, weh! Sich neigen
+Sah ich deiner Türme Zier,
+Sah ein blutig Feld der Leichen
+Über deinem Herzen hier!
+
+Weh! in deinen Eingeweiden
+Reget sich ein Drachenkind,
+Und es streun die dunklen Zeiten
+Deine Asche in den Wind!
+
+O, wie muß ich den beneiden,
+Der den Stamm, des Sohn er ist,
+Kennt, daß er den Fluch der Leiden
+Nicht in seinem Schuldbuch liest!
+
+Einen Schuldgen suchend, reißen
+Um das Schiff die Stürme sich;
+Weh! ich kann mich des nicht preisen,
+Daß den Fluch nicht trage ich!
+
+O Allmächtiger, o zeige,
+Ob der Sünde ich entspring,
+Daß ich zu der Flut mich neige
+Und ein sühnend Opfer bring!"
+
+Also fleht er um ein Zeichen,
+Und sein Flehen ihm gelingt:
+Durch das tiefe nächtge Schweigen
+Hell die Totenglocke klingt.
+
+Und der Glocke Schall geleitet
+Zu Biondettens Wohnung ihn;
+Wo der Baum die Schatten breitet,
+Kniet er bei dem Altar hin.
+
+"Herr! die Seele, die jetzt streitet,
+Richt in deinem Zorne nicht;
+Herr! die Seele, die jetzt scheidet,
+Sehe bald dein Angesicht!"
+
+Und er höret an dem Zeichen,
+Daß ein Weib gestorben ist,
+Weil die Zahl der Glockenstreiche
+Zweimal unterbrochen ist.
+
+"Jacopones frommem Weibe
+Wohl das dunkle Auge bricht.
+Ob ich gehe, ob ich bleibe?"
+Bang der Jüngling zu sich spricht.
+
+"Denn nicht lang mehr kann verweilen
+Die geliebte Tänzerin;
+Sah ich sie, dann will ich eilen
+Tröstend zu dem Bruder hin.
+
+Ach, schon hör ich aus der Weite
+Leichter Füße Flügelschritt!"
+Von der monderhellten Seite
+Bang er in den Schatten tritt.
+
+"Soll ich singen, soll ich schweigen,
+Wenn sie mir vorüberzieht?
+Gerne gäb ich ihr ein Zeichen,
+Daß ein Liebender sie sieht!"
+
+Doch ein dunkler Fechter schreitet
+In dem Schatten vor ihn hin,
+Und zum Kampfe schnell bereitet
+Meliore sich gen ihn.
+
+Aber in des Degen Kreisen
+Seine Klinge ihm zerspringt,
+Ihn durchbohrt des Feindes Eisen,
+Und er spricht, indem er sinkt:
+
+"Herr! die Seele, die jetzt streitet,
+Richt in deinem Zorne nicht;
+Herr! die Seele, die jetzt scheidet,
+Sehe bald dein Angesicht!"
+
+** Romanze XV: Meliore und Biondetta -- Biondettens hohes Lied
+
+Gieße, Mond, dein Silber milder
+Durch die blauen Himmelsmeere;
+Blicket fromm, ihr Heldenbilder,
+Nieder aus dem Sternenheere.
+
+Einsam kühle Nachtluft, stille
+Grüße aus dem Himmel sende;
+Blüten, Blumen, eure Fülle
+Duftend sich der Nacht verschwende.
+
+Philomela, süßer stimme
+Deines Traumes Wonn und Wehe,
+Daß es zu den Sternen glimme
+Und um Gottes Liebe flehe.
+
+Klang der süßberauschten Zither
+Unter Liebchens Fenster bebe;
+Still eröffne sie das Gitter,
+Daß sie Liebesworte gebe.
+
+Jünglingen, die schlummernd liegen,
+Komm ein Liebestraum entgegen;
+Auf die Kindlein in den Wiegen
+Senke sich ein Engelsegen.
+
+Und die Wünschelrute sinke
+Jedem auf des Schatzes Schwelle,
+Und dem Durstgen, daß er trinke,
+Sei der Schatz die kühle Quelle.
+
+All ihr Bronnen, selig zielet
+In die mondberauschten Becken;
+Leis im West, ihr Blätter, spielet,
+Um die Vöglein nicht zu wecken.
+
+Nacht, in deines Zaubers Schlingen
+Soll sich Liebesscham verketten,
+Unter lustbetrauten Schwingen
+Bräutliches Entzücken betten.
+
+Was die Seele, was die Sinne
+Hoch begeistert, tief erreget,
+Deines Glücksrads Lustgewinne
+Seien alle ausgeleget.
+
+Spinnet bei dem Mondenlichte
+Eure feinsten Netze, Elfen,
+Und die schlauen Zauberwichte,
+Alle Zwerge sollen helfen.
+
+Felsbewohnende Sibyllen,
+Leichte Nymphen flüchtger Quellen,
+Einet alle euren Willen,
+Diese Netze aufzustellen.
+
+Locket, locket, süßer singend,
+In die Netze, ihr Sirenen,
+Und den Tönen nicht gelingend,
+Laßt gelingen es den Tränen.
+
+Denn es will uns heut entfliehen
+Der melodischste der Schwäne,
+Will zu heilgerm Himmel ziehen,
+Daß sein Herz sich nicht mehr sehne.
+
+Königin der Sternenzinne,
+Priesterin verklärter Herzen,
+Lehrerin geheimer Minne,
+Heldin, Trösterin der Schmerzen,
+
+Nacht! durch deines Tempels Mitte
+Sehe ich Biondetten gehen,
+Scheu verhüllt in züchtger Sitte;
+Du wirst sie nicht wiedersehen.
+
+Auf dem Platze mondbeschienen
+Bleibt sie ruhig schauend stehen,
+In die düsteren Ruinen
+Noch einmal zurück zu sehen.
+
+Sie beginnet leis zu singen;
+In der Nachtluft einsam Wehen
+Ihre Töne sich verschlingen
+Wie der Andacht schwankend Flehen.
+
+"Herr, ich steh in deinem Frieden,
+Ob ich lebe, ob ich sterbe;
+Starb mein Heiland doch hienieden,
+Daß ich sein Verdienst erwerbe.
+
+Will der Schmetterling zum Lichte,
+Muß die Larve er zerbrechen,
+So hast du dies Haus vernichtet,
+Meine Freiheit auszusprechen.
+
+Laß die Flügel mich erquicken,
+In der Andacht sie erstrecken,
+Und zum Himmelsgarten zücken
+Durch der Buße dornge Hecken!
+
+O, wie hast du hoch gezieret
+Diese Weltnacht, mir die letzte;
+Eine Seele triumphieret,
+Deren Tod mich hoch ergötzte.
+
+Solchen Tod laß mich gewinnen,
+Herr, nach einem solchen Leben,
+Laß mich mit so klaren Sinnen
+Dir die Seele wiedergeben!
+
+Denn in deinen Händen liegen
+Alle demutvollen Herzen,
+Wie die Kindlein in den Wiegen,
+Still entschlummert, ohne Schmerzen."
+
+Also sang sie, und geschwinde
+Eilt sie auf verschlungnen Wegen,
+Und schon höret sie die Linde
+Nächtlich grüßend sich bewegen.
+
+Rascher flügelt sie die Schritte
+Ihres Hauses Tor entgegen,
+Da begegnet ihrem Tritte
+Klirrend ein entblößter Degen.
+
+Ach, und weiter noch zwei Schritte
+Liegt, vom Mantel leicht bedecket,
+Der den bösen Mord erlitten,
+Stumm ein Jüngling ausgestrecket!
+
+Da sie zu ihm niederblicket,
+Will er noch die Blicke heben;
+Den der Tod schon fest umstricket,
+Kann die Schönheit noch beleben.
+
+Gleich dem frommen Samariter
+Hebt die mutige Biondette
+Mühsam nun den toten Ritter,
+Trägt ihn hin nach ihrem Bette.
+
+Lebend konnts ihm nie gelingen,
+In ihr Kämmerlein zu sehen,
+Und er mußte, einzudringen,
+Durch des Todes Pforte gehen.
+
+Schnell die Lampe angezündet
+Unter bangen Herzensschlägen!
+Ach, das Herz, das sie verbindet,
+Schlägt noch liebend ihr entgegen!
+
+Balsam macht sie aus den Giften,
+Die sie sonst im Tanz umgeben,
+Mit der Öle süßen Düften
+Ruft sie wieder ihn zum Leben.
+
+Und sie löset ihm geschwinde
+Seinen Koller überm Herzen,
+Sauget ihm sein Blut gelinde
+Aus der Wunde mit den Schmerzen.
+
+Ach! und ihren frommen Lippen
+Strömt die Torheit frech entgegen;
+Quelle böser Zauberklippen,
+Liebesgift war an dem Degen!
+
+Auf der Brust ihm eingeschnitten
+Ihren Namen liest Biondette,
+Und ihr Bild, nach Liebessitte,
+Hängt darauf an goldner Kette.
+
+Doppelt ihren Schleier windet
+Sie, mit Tränen ihn benetzend,
+Und die Wunde sie verbindet,
+Sich der Blöße nicht entsetzend.
+
+Und sie eilt und schmückt das Zimmer,
+Zündet an wohl hundert Kerzen,
+In der Spiegel Widerschimmer
+Gold und Silber freudig scherzen.
+
+Ihres Putzschranks Flügeltüren
+Öffnet sie mit leichten Händen,
+Daß ein eitles Triumphieren
+Rings entstrahle allen Wänden.
+
+Und die falschen Götterbilder
+Schmücket sie mit Flitterkränzen,
+Aus dem Schoße goldner Schilder
+Läßt sie seidne Röslein glänzen.
+
+Reiherbüsche pflanzt sie flitternd
+Auf des Boden Purpurdecken,
+Diamantne Nadeln zitternd
+Zäumt sie ein mit Federhecken.
+
+In der Torheit Garten glimmend
+Rüstet sie ein Weihrauchbecken,
+Daß die Weihrauchwolken schwimmend,
+Lüstern halb den Glanz bedecken.
+
+Weh! wer hat sie so verrücket?
+Alle Blumen muß sie brechen;
+Wie des Wahnsinns Braut geschmücket,
+Muß ihr keusches Herz erfrechen.
+
+Schamlos tritt sie vor den Spiegel,
+Ihre Brust zu Tag zu legen,
+Weh! da blicket Gottes Siegel,
+Die Goldrose ihr entgegen.
+
+Doch sie ist so tief verstricket,
+Nichts kann ihre Glut erschrecken,
+Ihre Blöße sie entzücket,
+Und sie mag sich nicht bedecken.
+
+Und mit süß vertrauten Blicken
+Sitzt sie auf des Jünglings Bette;
+Weltlicher nicht konnt sie blicken,
+Wenn sie nie gebetet hätte.
+
+Und sie fühlt in allen Sinnen
+Ein unheiliges Ergötzen
+Wild durch ihre Adern rinnen,
+Und sie muß die Zucht verletzen.
+
+Seine Lippen, seine Stirne,
+Ihren Namen ihm am Herzen,
+Küsset heiß die arme Dirne
+Unter suß berauschten Schmerzen.
+
+Und in seinen Locken spielen
+Ihre zarten Hände bebend,
+Doch umsonst die Küsse zielen,
+Seine Lippen nicht belebend.
+
+An den Busen ihn zu drücken,
+Seinen Namen laut zu nennen,
+Fühlet sie ein wild Entzücken,
+Doch er will sie nicht erkennen.
+
+"Meliore," spricht sie liebend,
+"Deine Augen zu mir wende,
+Süßen Dank der Huld ausübend,
+Die ich zärtlich dir verschwende!
+
+Sieh, es will der gütge Himmel
+So dich an das Herz mir legen,
+Wie ich in des Brands Getümmel
+An dem deinen bin gelegen!
+
+Wenn du auch nicht wiederküssest,
+Winkend nur ein Zeichen gebe,
+Mir zum Troste, daß du wissest,
+Wie ich dich nicht überlebe!"
+
+Und die Harfe nimmt die Süße,
+Läßt die Saiten wild erbeben;
+Ach, die heißen Liebesgrüße
+Können nicht sein Aug erheben.
+
+Keuscher Tod, du drückst sie nieder,
+Solche Raserei zu sehen,
+In dem Klang der giftgen Lieder
+Soll er sie nicht wiedersehen.
+
+"Ihn, den meine Seele liebet,"
+Singt sie, "sucht ich in dem Bette,
+Sucht ihn durch die Straßen ziehend,
+Fand ihn doch an keiner Stätte.
+
+Und ich fragt die Wächter bittend,
+Die da durch die Straße gehen:
+Ihn, den meine Seele liebet,
+Habet ihr ihn nicht gesehen?
+
+Und vorübergehend finde
+Ich den Liebsten meiner Seele,
+Ihn mit Rosenketten binde,
+Ihn auf ewig mir vermähle!
+
+Und ich halt ihn, laß ihn nimmer,
+Den ich fand auf meiner Schwelle,
+Führ ihn in der Mutter Zimmer,
+Führe ihn in meine Zelle.
+
+Sieh, ich bin ein Rauch von Myrrhen,
+Auf sich aus der Wüste hebend,
+Und, wie Bienenschwärme irren,
+Küsse meinem Mund entschweben.
+
+Weiß und rot ist, den ich minne,
+Golden sich sein Haupt erhebet;
+Wenn ich seinen Locken spinne,
+Schwarz die Nacht den Mantel webet.
+
+Seine Augen mich erquicken
+Und die Seele mir erhellen,
+Wie die Taubenaugen blicken
+Zu den klaren Wasserquellen.
+
+Wie Gewürze duftend, grüßen
+Seiner Wangen Blumenzellen,
+Süße Myrtenöle gießen
+Seiner Lippen Rosenquellen.
+
+Goldne Türkisringe zieren
+Seine klaren Silberhände,
+Elfenbeinern und saphieren
+Trägt der Goldfuß seine Lende.
+
+Und er stehet aufgerichtet,
+Wie die Zedern auserwählet,
+Wie der Libanon umlichtet,
+Der dem Himmel sich vermählet.
+
+Wie mein Saitenspiel, erklinget
+Süß und lieblich seine Kehle,
+Und zu seinen Lippen dringet
+Lustberauschet meine Seele.
+
+O, du Büschel süßer Myrrhen,
+Zwischen meinen Brüsten hängend,
+Sag, wo deine Schafe irren,
+Sich im Mittagsstrahle drängend.
+
+Töchter Zions, meine Bitte
+Höret und den Freund mir wecket,
+Schlummernd vor der Zedernhütte
+Unter Rosen ausgestrecket.
+
+Daß er blühend aufgerichtet:
+Süße Freundin, zu mir spreche,
+Komme her, die Gott gedichtet,
+All die Rosen mit mir breche!
+
+Sieh, verschwunden ist der Winter,
+Und dahin ist Sturm und Regen,
+Und die Blumen, Frühlingskinder,
+Spielen schon auf grünen Wegen.
+
+Meine Wangen lieblich flimmern,
+In den Spangen, in der Kette
+Sehe meinen Hals erschimmern,
+Und es grünet unser Bette!
+
+Wie die Traube Copher schwillet
+Zu Engeddi in den Gärten,
+Und der Lippen Kelch erfüllet,
+Küß ich meinen Lustgefährten!
+
+Zedern fest das Haus uns stützen,
+Unsre Latten sind Zypressen,
+In dem Schatten will ich sitzen
+Und der Schmerzen all vergessen.
+
+Unterm Schatten will ich sitzen;
+Des die Seele mir begehret,
+Wie der Apfelbaum bei wilden
+Bäumen, ist mein Freund verehret.
+
+Deiner Lieb Paniere schwinge
+Über mir, du Hoch und Heller,
+Und du Freundlicher, mich bringe
+In des süßen Weines Keller!
+
+Und mit Blumen mich erquicke,
+Mich zu laben Äpfel gebe;
+Krank bin ich vor Liebe; blicke,
+Blicke auf, mich zu beleben!
+
+Unter deinem Haupt die Linke
+Muß dich meine Rechte herzen,
+Wenn ich deinen Kuß nicht trinke,
+Muß verdürsten ich in Schmerzen!
+
+Sieh, die Honigbienen irren
+In dem honigsüßen Lenze,
+Und die Turteltauben girren;
+Komme, mein Freund, daß ich dich kränze!
+
+Sieh, dem Feigenbaum entspringen
+Knospen; aus dem Aug der Reben
+Süße Wollusttränen dringen;
+Also weint mein junges Leben!
+
+Wie in dunklen Felsenritzen
+Turteltauben auf dem Neste,
+Also will ich bei dir sitzen
+In dem Glanz der Blütenäste.
+
+Und es tönet meine Stimme
+Süß, o süß ist meine Kehle,
+Bis wetteifernd süß ergrimme
+und verglimme Philomele.
+
+Und ich singe zu dir nieder:
+Mein bist du und mir gegeben,
+Und es sehn dich meine Lieder
+Unter Rosen weidend schweben!"
+
+Wie sie also töricht singet,
+Spricht Meliore: "Meine Schwester,
+Fromme Taube, ach, es schlinget
+Sich des Todes Band nur fester!
+
+Nachttau mir vom Haupte fließet,
+Und es wecket mir im Herzen,
+Wenn sich gleich mein Auge schließet,
+Deine Liebe bittre Schmerzen!
+
+Mein Gewand, ich legt es nieder,
+Soll ich wieder an es legen?
+Nach dem Bad die Füße wieder
+Mir besudeln auf den Wegen?
+
+Deine Augen gleichen Blitzen,
+Deine Augen von mir wende!
+Meinem Herzen Degenspitzen
+Scheinen deine zarten Hände!"
+
+Aber wehe! nicht vernimmet
+Sie den schweren Namen Schwester,
+Glühender ihr Wahn entglimmet,
+Sie umklammert ihn noch fester.
+
+Und sie spricht: "Der Kelch der Lilien
+Unserm Bett das Rauchfaß schwenket,
+Unser Dursten zu vertilgen
+Sich der Traube Becher senket.
+
+Unsre Tür umgeben Früchte,
+Ich bewahrte dir, mein Leben,
+Heurige und fernge Früchte,
+Beide kann ich dir nun geben!
+
+O, du Liebe in Wollüsten!
+O, du schön und lieblich Schweben!
+Trauben gleichen meine Brüste,
+Trauben wundersüßer Reben!
+
+Einer Palme aufwärts dringend
+Gleichet meines Leibes Länge,
+Wie der Wein hinan sich schlinget:
+O, wer sich hinan so schwänge!
+
+Laß uns durch die Felder ziehen,
+Ob uns sieht das Aug der Reben,
+Ich will, wenn Granaten blühen,
+Dort dir meine Brüste geben.
+
+Dich, der meiner Mutter Brüste
+Saugte, Bruder, dich den Schönen,
+Wenn ich dort dich brünstig küßte,
+Ach, wer wollte mich verhöhnen!"
+
+Als sie diesen Frevel singet,
+Springt sein Blut ihr neu entgegen;
+Der Verband, der Hilfe bringet,
+Kann die Raserei nicht legen.
+
+Und von ihrem Nonnenbilde
+Reißt sie in der Angst die Decke,
+Daß damit das Blut sich stillte,
+Und es dienet ihrem Zwecke.
+
+Als sie zu dem Bilde blicket,
+Fühlet sie ein tief Erschrecken,
+Scham sie wie ein Schwert durchzücket,
+Und sie eilt, sich zu bedecken.
+
+Von des Bildes Augen fließen,
+Wunder Gottes! bittre Tränen,
+In die Arme muß sies schließen,
+Ach, sie möchte es versöhnen!
+
+Und dem Bilde gegenüber
+Sitzt zur Harfe sie am Bette,
+Und die Augen strömen über
+Der verlorenen Biondette.
+
+"Wo ist die, die aus der Wüste
+Aufgeht, auf den Freund gelehnet?"
+Spricht Meliore nun, und grüßte
+Sie, nach der sein Herz sich sehnet.
+
+"Auf dein Herz gleich einem Siegel
+War sie wahrlich doch gesetzet.
+Goldne Rose, deinen Spiegel
+Hat die Schlange bös verletzet.
+
+Um den Apfelbaum sich schlingend,
+Der die Mutter dir bedeckte,
+Als sie rang, zur Welt dich bringend,
+Bös die Schlange mich erweckte!"
+
+Aber traurend sitzt die Süße,
+Läßt die Harfe leis erbeben,
+Daß ihn schön das Leben grüße,
+Das die Liebe ihm gegeben.
+
+Wie die Töne sich ergießen,
+Fühlt die Jungfrau in dem Herzen
+Wunderbaren Zauber fließen
+Und so süße, wilde Schmerzen.
+
+Höher sie die Saiten schwinget,
+Denket nicht mehr des Gesellen;
+Wie der Schwan im Tode singet,
+Glühend ihre Töne schwellen.
+
+Tausend Töne, die sonst schliefen,
+Aus der Harfe lebend brechen,
+Und in allen Herzenstiefen
+Hört sie laut das Echo sprechen.
+
+In dem Tode hallt es wider;
+Schüchtern zu des Lebens Schwelle
+Rufen ihn die Zauberlieder,
+Seine Blicke werden helle.
+
+Wer erklärt ihm die Gesichte,
+Wer ergießt des Himmels Segen?
+Ist so mild das Weltgerichte,
+Kommt die Gottheit ihm entgegen?
+
+"Süßer Tod, den ich erlitten!
+Goldne Töne zu mir gehen,
+Selig in des Himmels Mitten
+Soll ich wieder auferstehen!"
+
+Aus Biondettens frommen Mienen
+Strömet ihm das selge Wähnen,
+Gottes Mutter sei erschienen,
+Und er betet unter Tränen.
+
+Doch die arme Jungfrau singet
+Unter bittren, bittren Tränen,
+Während sie die Hände ringet:
+"O, welch schmerzlich glühes Sehnen!
+
+Schwarz bin ich, doch voller Liebe,
+Wie die Hütten Kedars stehen,
+Wie die bunten Teppche schimmernd
+Salomons im Tempel wehen.
+
+Die Weingärten zu behüten,
+Setzten sie mich ein zum Wächter,
+Meinen konnt ich nicht behüten,
+Von Jerusalem ihr Töchter!
+
+Wie der Tod so stark ist Liebe,
+Fest der Eifer wie die Hölle,
+Glut und Feuer meine Triebe,
+Wie des Herren Blitz so schnelle.
+
+Und wenn alle Wasser stiegen,
+Und wenn alle Ströme rännen,
+Würden sie sie nicht besiegen,
+Nimmer sie erlöschen können!
+
+Was in meinem Haus sich findet,
+Alles Gut, wenn ichs wollt geben
+Um die Liebe, die mich bindet,
+Ach, ich hätte nichts gegeben!
+
+Schön und lieblich meine Füße
+In den goldnen Schuhen stehen,
+Und mein Haupt, wenn ich ihn grüße,
+Ist wie eines Helmbuschs Wehen!
+
+Wie zwo Spangen schön sich schwingend,
+Von des größten Meisters Händen
+Eben aneinander dringend,
+Stehen freudig meine Lenden!"
+
+Doch nun lischt der Kerzen Schimmer
+Und Biondette singet: "Wehe,
+Wehe, Wehe, Lebensschimmer,
+Holdes Leben, nicht vergehe!
+
+Sterbet nicht, ihr süßen Lieder,
+Wollt, o wollt nicht von mir schweben!
+Sterbet nicht, ihr raschen Glieder,
+Laßt euch froh zum Tanze heben!"
+
+Eh die Lampe auch verglimme,
+Will sie freudig nochmals schweben;
+Doch sie hört nicht ihre Stimme,
+Fühlt nicht ihrer Füße Schweben.
+
+Weh! es walten böse Künste,
+Laut die frühen Hähne krähen;
+Kehrt, ihr Geister, aus dem Dienste,
+Denn der Tag will auferstehen!
+
+Und Meliore kömmt zu Sinnen.
+Licht und Lied und Lieb entschweben,
+Mächtig fühlt er sich von hinnen
+Auf die öde Straße heben.
+
+Kühl umwehn ihn Morgenwinde,
+Wunderbar ist ihm geschehen,
+Denn er kann noch ihre Binde
+Auf der frischen Wunde sehen.
+
+Und die nahe Glocke klinget,
+Und er hört die ersten Messen:
+Bete, bete, nie gelinget,
+Die Geliebte zu vergessen!
+
+** Romanze XVI: Kosme krank -- Pietros Garten brennt
+
+Wenn du gleich den Vögeln schwebest,
+Über dir der blaue Bogen,
+Unter dir die grüne Erde
+Und des Wassers Silberwoge;
+
+Und du wolltest niedersehen,
+Wo du ruhig möchtest wohnen,
+Wo du deinem kleinen Neste
+Eine Stelle suchen solltest;
+
+Flöhest du der Städte Elend
+Und die Armut eines Dorfes,
+Und zögst über Land und Felder
+Zu dem stillen Tale Kosmes,
+
+Wo die stillen Bächlein gehen
+Durch den Schatten, durch die Sonne,
+Durch die Büsche, durch die Felsen,
+Bis zum Garten voller Rosen,
+
+Und du bautest dir dein Nestchen,
+Wo die klare Jungfrau wohnet,
+Und sie ging dir aus dem Wege,
+Wenn du ruhig brüten wolltest,
+
+Und du sängst ihr an dem Fenster
+In des Lorbeerbaumes Krone;
+Futter würde hin sie legen
+Alle Abend, alle Morgen,
+
+Und dir schiens ein selig Leben,
+Ging zu beten früh die Fromme,
+Flögst du mit ihr zur Kapelle,
+Die am Felsen höher oben;
+
+Und wenn sie aus vollem Herzen
+Unter Tränen spräch die Worte:
+Herr, ach schau zu meinem Herzen,
+Es ist ganz von Schmerz umdornet!
+
+Herr, um deines Sohnes Schmerzen
+Richte auf den Vater Kosme,
+Laß ihn nicht verzweifelnd sterben,
+Öffne ihm die Gnadenspforte:
+
+Dann wär deine Lust zu Ende,
+Deine Seligkeit zerronnen,
+Denn nicht ferne von den Menschen
+Überall das Elend wohnet.
+
+Und es ist kein öder Felsen
+Und kein Bächlein oder Bronnen,
+Keine waldumschlossne Stelle
+Unterm Monde und der Sonne,
+
+Wo ein Mensch das Licht gesehen,
+Wo nicht wär gesündigt worden,
+Wo nicht wären bittre Tränen
+Vor dem Herrn vergossen worden.
+
+Und du würdest Abschied nehmen
+Vor der nächsten Morgensonne,
+Sängst noch einmal ihr am Fenster,
+Flögst dann weiter unbesorget. --
+
+Wärst du einer von den Sternen,
+Die am hohen Himmelsbogen
+Ewig auf und unter gehen,
+Wie der Herr es hat geboten,
+
+Und du wolltest dich bedenken,
+Wo du deine Strahlen solltest
+Rein und freudig niedersenken,
+Daß sie widerspiegeln sollten
+
+In dem Spiegel weiter Meere;
+Sähest du das Schiff hinwogen,
+Das die Sünde aus der Fremde
+Bringet zu entfernten Zonen;
+
+Auf der stadtbesäten Erde
+Sähest du die Menschen morden;
+In den Tälern, auf den Bergen
+Sähest du die Sünde wohnen;
+
+In des Klosters enger Zelle,
+In dem gleichen Tun des Dorfes,
+In des Marktes regem Leben,
+Im erstarrten Tun des Schlosses:
+
+Wo du deine Strahlen senkest,
+Findest du ein Herz gebrochen,
+Findest du ein Werk des Bösen,
+Findest du ein Kind des Todes.
+
+Und, wer seine Blicke lenkte
+Zu dir flehend hin nach oben,
+Wäre trunken ganz von Tränen,
+Wäre dürstend nach dem Troste.
+
+Doch du würdest dich nicht wenden,
+Strahltest ruhig Gott zum Lobe,
+Wollte untergehn die Erde,
+Wollten auferstehn die Toten.
+
+Was hier klaget, muß vergehen,
+Schmerz und Sünde sind des Todes,
+Und die Leiden tun nur wehe,
+Weil sie sterblich sind geboren.
+
+Aber was da ewig stehet
+Sündenlos im Schaffen Gottes,
+Kann sich nur in ihm bewegen,
+Ist ein Freud- und Leidenloses.
+
+Sieh, der göttliche Geselle,
+Phosphoros, der Held des Morgens,
+Funkelt von des Himmels Schwelle
+Ruhig in den Garten Kosmes.
+
+Und im Morgenwind beweget
+Träumen still des Gartens Rosen;
+Doch die Hütte ist voll Elend,
+Und sie ist ein Haus der Sorgen.
+
+Rosablanka sitzt in Tränen
+An dem Bett des kranken Kosme,
+Den ein leiser Schlummer decket,
+Nur vom Seufzern unterbrochen. # von?
+
+Und sein müdes Haupt erhebet
+Nun der Alte zu der Tochter,
+Spricht: "Mein Kind, jetzt mußt du gehen
+Zu der Messe in das Kloster!" --
+
+"Vater, lasset hier mich beten
+Zum allgegenwärtgen Gotte,
+Daß ich eurer Krankheit pflege; # eure?
+Fern bin ich um euch in Sorgen!" --
+
+"Armes Kind, ich kann genesen
+Nur in einem selgen Tode,
+Nur vom Schmerz kann mich erlösen
+Blut des eingebornen Sohnes!" --
+
+"Vater, schrecklich ist gewesen
+Euer finstrer Arzt Apone,
+Und ich muß noch Kräuter lesen,
+Die er alle hat verordnet!" --
+
+"Kind, hast alle du gehöret,
+Die er zu mir sprach, die Worte?
+Sie zerschnitten mir die Seele
+Wie viel hundert giftge Dolche!" --
+
+"Das, was ich davon gehöret,
+Ich doch nicht verstehen konnte:
+`Kosme, was dein Herz verzehret',
+Sprach er, `ist die Härte Gottes!
+
+Kräftig hast du einst dem Leben,
+Was des Todes ist, geopfert,
+Und nun opferst du das Leben,
+Das dir übrig bleibt, dem Tode!
+
+Du treibst hier ein töricht Wesen,
+Machst zur Närrin deine Tochter,
+Und die Löcher deiner Seele
+Willst du mit der ihren stopfen!
+
+Höre auf, sie zu bestehlen,
+Tritt ihr nicht in ihre Sonne,
+Laß sie lesen die Poeten,
+Gehe in der Stadt zu wohnen!
+
+Du magst ewig dich bekehren,
+Was verloren, ist verloren;
+Besser solltest du noch scheren,
+Die dir übrig bleibt, die Wolle!' --
+
+Dann hat er mich angesehen,
+Wie der grimmige Herodes,
+Als die Kindlein er zu töten
+Seinen Knechten hat befohlen.
+
+Und ich war recht in dem Herzen
+Von dem giftgen Blick durchbohret,
+Bin, Marien anzuflehen,
+Zur Kapelle dann geflohen.
+
+Und am Wege sah ich stehen,
+Den am Morgen bei den Rosen
+Ich ein Grab hatt graben sehen,
+Da die Schlang emporgeschossen.
+
+Aber er hat nicht geredet,
+Winkte mit dem Finger drohend,
+Griff mir nach der Hand behende,
+Nach Biondettens Ringlein golden.
+
+Doch ich wollt es ihm nicht geben;
+Da versank er in den Boden,
+Und ich eilte zur Kapelle,
+Sank ohnmächtig an den Boden.
+
+Und ich sah auch einen Engel
+Jubelschreiend in den Wolken,
+Er schwang sich wie eine Lerche
+Jubilierend hin gen Morgen.
+
+Vater, was ich da gesehen
+Klar, wie bei dem Licht der Sonne,
+Hat mir ganz verwirrt die Seele;
+Jetzt kann ichs nicht wiederholen.
+
+Als ich zu dir kam, da brennte
+Über mir der Himmelsbogen,
+Es ist Feuer wohl gewesen
+In der Gegend, in Bologne.
+
+Vor Marien bin in Tränen
+Betend ganz und gar zerflossen,
+Gnädig ist sie mir gewesen,
+Und ich bin gestärket worden."
+
+Kosme sprach: "Des Arztes Wesen
+Ist stets schecklicher geworden:
+In der Seele mir zu lesen,
+Hat er mir das Herz zerbrochen.
+
+Ach, er kennt mein ganzes Leben,
+Und mit jedem harten Worte
+Hat er, ihn auf mich zu werfen,
+Von mir einen Berg gehoben.
+
+Und so lieg ich ganz zerschmettert,
+Als sei ich gesteinigt worden;
+Er hat mich mit einer Kette,
+Die ich schmiedete, umzogen.
+
+Aus dem Leibe nah dem Herzen
+Meine Eingeweide zog er,
+Hat, mein Übel draus zu lesen,
+Frech sie in die Luft geworfen.
+
+Und ich sah es ohne Schmerzen.
+Seit sie wieder eingeschlossen,
+Wars, als seien tausend Zentner
+In der Seele Haus gezogen.
+
+Boshaft sprach er: `Du genesest,
+Wenn auf Erden die drei Rosen
+In der Hand der Venus sterben,
+Die jetzt stehn im Garten Gottes.
+
+Wenn dein Kind ins Kloster gehet
+Und bekränzt mit Liebesrosen
+Als Modell dem Maler stehet,
+Ist dir, ihr und mir geholfen.' --
+
+Und nun rief ich: `Wehe, wehe!
+Wehe über diese Worte!'
+Und als ich ihn angesehen,
+Ist er deutlich mir geworden.
+
+`Jener Bube bist du, Frecher,
+Der die Farben mir im Kloster
+Rieb, als ich in Gottes Tempel
+Bin ein böser Sünder worden.
+
+In dem Namen Jesus hebe
+Dich von mir!' -- Da floh Apone.
+Ach, er ist es nicht gewesen,
+War der Widersacher Gottes!" --
+
+"Vater, nicht so traurig redet!
+Ja, es war der Arzt Apone,
+Den ich gestern noch gesehen
+Zu Bologna bei dem Bronnen.
+
+O, beschwert nicht eure Seele,
+Die in Träumen ist verworren;
+Wendet ruhig im Gebete
+Euch zum allbarmherzgen Gotte!" --
+
+"Gutes Kind, lies mir den Zettel,
+Der vom Arzt geschrieben worden,
+Daß ich dir die Orte nenne,
+Wo die Kräuter sind zu holen.
+
+Denn der Arzt sprach: `In der Nähe,
+Ja, in deines Gartens Boden,
+Werden diese Kräuter stehen,
+Deren Trank ich dir verordne'."
+
+Rosablanka liest den Zettel:
+"Aus Sankt Clarens Garten Rosen
+Um die Mitternacht zu brechen
+Und mit Keuschlamm einzukochen.
+
+Unser Liebfrau Bettstroh nehme,
+Mische es mit Venusrosen,
+Zu Marienschühlein menge
+Teufelsklau und Hahnensporen.
+
+Und Mariensiegel breche
+In dem Schein des vollen Mondes,
+Mit Marienmantel leg es
+In den dir bekannten Bronnen.
+
+Liebfraumilch und Liebfrautränen
+Mit unschuldger Kindlein Rosen,
+Findelkraut und Venusnelken
+Destilliere durch neun Monde.
+
+Alle Stunden einzunehmen
+Und so lang zu wiederholen,
+Und dem Arzte schnell zu melden,
+Wenns nicht helfen will. Apone!"
+
+Als sie dies Rezept gelesen,
+Sprach der Kranke: "Meine Tochter,
+Jetzo eile nach der Messe,
+Kehre wieder mit Benone!
+
+Also heißt, der sie wird lesen;
+Er ist recht ein Heilger Gottes;
+Beichte will ich ihm ablegen,
+Meiner armen Seel zum Troste!" --
+
+"Soll ich nicht zum Wald erst gehen,
+Vater, und die Kräuter holen,
+Weil ich sie wohl alle kenne,
+Außer Teufelsfuß und Krone?"
+
+"Nein, ich muß sie selber brechen
+Unter Tränen, fromme Tochter;
+Wo ich gehe, liege, stehe,
+Blühen sie ja allerorten!
+
+Gehe nun, mein Kind, und flehe
+Für mich um die Gnade Gottes!
+Mein Bekenntnis abzulegen,
+Will indes mein Herz ich ordnen.
+
+Nimm die Fackel, die ich gestern
+Einer Schlange gleich geformet,
+Am Altare laß sie brennen,
+Bei der Mutter Totenopfer!"
+
+Und sie nimmt die Fackel betend;
+Ihre Tränen niederflossen
+Auf den Alten, der sie segnet,
+Und sie wandelt aus der Pforte.
+
+Wie sie durch den Garten gehet,
+Weinen morgenlich die Rosen,
+Und in tiefen Träumen wehen
+Über ihr des Waldes Kronen.
+
+Und es wirft schon durch die Stämme
+Ihre Strahlen hin Aurore.
+Aber sieh! zur Link und Rechten
+Glüht am Himmel heut der Morgen.
+
+Doch jetzt sieht bei der Kapelle
+Sie ins Tal herab von oben;
+Weh! die Röte ihr zur Rechten
+Ist des Pietro Hütte lodernd.
+
+Nieder durch die Felsenwegen
+Eilt sie, achtend nicht der Dornen.
+Da sie zu dem Garten gehet,
+Fühlt ihr Fuß den glühen Boden.
+
+Und der Hütte Asche hebet
+Wild emport der Sturm des Morgens,
+Der sich sonst zu wiegen pflegte
+In dem Busen tausend Rosen.
+
+Als sie durch den Garten gehet,
+Lief um sie die wilde Lohe,
+Schlangen, Drachen, sengend, brennend
+Blum und Baum und Laubenbogen.
+
+"Pietro, Pietro!" ruft sie bebend,
+"Ob er in der Glut gestorben?"
+Sieh, bei jener weißen Rose
+Steht er, die sie ihm geschenket.
+
+Alle Bäume rings gefället
+Hat er zu dem Schutz der Rose,
+Und ihr immer Wasser gebend
+Geht und kehrt er zu dem Bronnen.
+
+Als die Jungfrau er gesehen,
+Spricht er: "Du hast lang verzogen,
+Dich zum Opfer einzustellen,
+Das zu deiner Ehre lodert!
+
+Alles, was du hast verschmähet,
+Hat die Flamme angenommen,
+Und sie will mich drum vermählen
+Mit der Asche, ihrer Tochter.
+
+Sieh, schon kommen Hochzeitsgäste,
+Die Gesellen ohne Sorgen,
+Morgenwinde, lustig heben
+Sie der grauen Braut die Locken!
+
+Ach, ich lieb sie ohne Ende!
+Göttlich ist sie, hochgeboren,
+Denn der herrlichste der Helden
+Stahl das Feuer von der Sonne.
+
+Meine Braut ist deine Schwester,
+Du auch bist des Helden Tochter,
+Dem der Geier nagt am Herzen,
+Weil das Feuer er gestohlen.
+
+Von den Göttern hoch gesegnet
+War die Mutter dir Pandore,
+Alle Freuden, alle Wehen
+Sind aus ihr nächst dir geboren.
+
+So ist aller Lust des Lebens
+Buße zugeordnet worden;
+Meine Braut, die Asche, schwebet,
+Spielt die Flamme mit den Rosen.
+
+Ach, ich liebe sie ohn Ende,
+Denn ich bin aus ihr geboren,
+Und will wieder Asche werden,
+Weil ich dich nicht hab erworben.
+
+Wahrlich, sie ist deine Schwester,
+Denn die schöne, weiße Rose
+Hat sie brennend nicht verzehret,
+Weil sie hat für mich geworben.
+
+Sei willkomm beim Hochzeitsfeste!
+Sieh die rosige Aurore
+Ihre gelben Locken mengen
+Mit der Asche meiner Rosen!
+
+Hoch ist dies Fest geehret:
+Gestern hab ich dich verloren,
+Heute Nacht starb Rosarose,
+Meine Rosen diesen Morgen!"
+
+Und nun weint er bittre Tränen
+Seinen sinnverwirrten Worten.
+Rosablanka tief beweget
+Spricht: "O Pietro, denke Gottes!
+
+Pietro, du stehst ganz in Frevel,
+Seine Hand von dir gezogen
+Hat der Herr! O Pietro, bete,
+Daß er dein nicht denk im Zorne!
+
+Nie bin ich dir lieb gewesen,
+Du hast gestern mich betrogen,
+Denn ich sehe deine Seele
+Tief in irdscher Not verworren.
+
+Laß dem Feuer seine Rechte,
+Das du gen dich aufgefordert;
+Deine Seele zu erretten,
+Folge mir zur Kirche Gottes!
+
+Und erzähl mir auf dem Wege,
+Was dir so den Sinn verworren!
+Ich will liebreich mit dir reden,
+Folge mir von diesem Orte!"
+
+Pietro spricht: "O Gottes Engel,
+Wie du mild bist in dem Zorne!"
+Eine Handvoll Asche nehmend
+Beugt er sich dann zu dem Boden.
+
+Und sie unter Tränen mengend
+In die taubereiften Locken,
+Spricht er, nochmals um sich sehend,
+Schmerzdurchdrungen diese Worte:
+
+"O, du liebes, armes Leben!
+Bunter Thron des ewgen Todes!
+Blutig Schlachtfeld des Verderbens!
+O ihr aschevollen Rosen!
+
+Meiner Hütte klare Fenster,
+Von Jasmin so still umzogen,
+Und du schattig Dach der Reben
+Über meiner kleinen Pforte!
+
+Weh, es grinset wie Gespenster
+An im glühen Blick der Kohlen,
+Und der Rasen, den ich pflegte,
+Knirschet unter meinen Sohlen.
+
+O ihr tausend frommen Engel,
+In den Lilien, in den Rosen,
+Morgens mit dem Gärtner betend,
+Sterne, Sonnen, Kelche, Kronen,
+
+Zeihet mich mit dürrem Stengel,
+Daß ich alle euch gemordet,
+Daß ich, folgend dem Verderber,
+Hab gestört den Tempel Gottes!
+
+Fromme Priester fleißger Zellen,
+Goldne Bienen, euer Kloster,
+Eures Gottesdiensts Kapellen,
+Eurer Andacht Stationen,
+
+Alle liegen sie versenget,
+Und die Glut des bösen Opfers
+Und der Rauch des Feuerfrevels
+War für euch des Todes Odem.
+
+Kühler Labung Marmorbecken,
+Glatter Rand des treuen Bronnens,
+Du bist in dem durstgen Lecken
+Dieser wilden Brunst zerborsten.
+
+Stiller Mahner des Gescäftes,
+Stundenzeiger, Freund der Sonne,
+Du bist, Feuerschatten werfend,
+In der bösen Glut zerschmolzen.
+
+Hütte, Garten, Blumen, Reben,
+Fromme Bienen, süße Rosen,
+O, du unschuldvolles Leben,
+Ich hab dich von mir gestoßen!
+
+Einsam nur im Garten stehet
+Dort die hohe, weiße Rose;
+Paradies mußt untergehen,
+Ewig steht der Baum des Todes!"
+
+Und nun mit der Jungfrau gehet
+Zu der Stadt der Trauervolle,
+Und sie wechseln stille Reden,
+Niedersehend an den Boden.
+
+"Wann ist, Pietro, Rosarose,
+Deine Schwester, dir gestorben?" --
+"Des Theaters Glut entgehend
+Fiel sie in den Arm Meliores.
+
+Niedersprang sie von dem Fenster,
+Und der Sturz führt sie zum Tode.
+Jetzt zu ihrem Leichenfeste
+Gehe ich zu Jacopone." --
+
+"So war dies die Glut, die gestern
+Ich sah an dem Himmel lodern!
+Ach, die herrliche Biondette,
+Ward sie heil dem Brand entzogen?" --
+
+"An der Schwester Sterbebette
+War sie noch mit Jacopone!" --
+"Ist dein Bruder unverletzet,
+Der getreue Meliore?" --
+
+"Ich hab ihn nicht mehr gesehen,
+Ich hab ihn nicht sehen wollen,
+Und ich will ihn nicht mehr sehen,
+Er hat mein Geschick verdorben!
+
+Er, der Buhler von Biondetten,
+Er hat mir dein Herz entzogen,
+Und durch ihn starb Rosarose,
+Sank mein Haus und meine Rosen!
+
+Ich bin nicht zur Stadt gewesen;
+Als die wilde Glut da tobte,
+Saß ich still in meiner Zelle,
+In verschmähter Lieb verloren.
+
+Und zu deinem Vater gehend,
+Führt Meliore den Apone,
+Und der falsche Bruder kehrte
+Zu der Stadt von meiner Pforte.
+
+Und der weise Arzt erzählte,
+Kräuter in dem Garten holend,
+Mir den Tod der Rosarose
+Und die Buhlerei Meliores.
+
+Und er warf mir in die Seele
+Einen Brand, der ewig lodert,
+Der den Garten mir verzehrte,
+Der mich selbst noch treibt zum Tode!"
+
+Rosablanka rief nun: "Wehe,
+Wehe dir, du Höllenbote!
+Apo ist es nicht gewesen,
+Wahrhaft sprach der Vater Kosme.
+
+Deinen Schritt zurück noch wende,
+Du erweckende Aurore,
+Lasse, was der Böse säte,
+Nicht erblühn in deiner Sonne!
+
+Schauertrunkne Nacht, o kehre!
+Decke, die du tot geboren,
+All die Lügen und Gespenster
+Unterm Dunkel deines Zornes!"
+
+Also spricht sie. Doch es stehen
+Glühnd des Morgens goldne Kronen,
+Zeugen ihres Angstgebetes,
+Auf Bolognas hohen Domen.
+
+Und da sie beisammen stehen
+Bei der Linde, bei dem Bronnen,
+Sich schon Tagesstrahlen senken
+In den Schein der Mutter Gottes.
+
+"Pietro," spricht sie, "Gottes Segen
+Leuchte dir in deinem Zorne!"
+Scheidend sah er da die Tränen,
+Die ihr aus den Augen quollen.
+
+Und sie sah verwirrt umwehen
+Finstre Stirn die dunkeln Locken;
+Denn schon auf die Gipfel leget
+Niederschauend sich die Sonne.
+
+Die da ewig sinkt und kehret
+Sündenlos im Schaffen Gottes,
+Kann sich nur in ihm bewegen,
+Ist ein Freud- und Leidenloses.
+
+** Romanze XVII: Totenmesse -- Meliore und Rosablanka beichten
+
+Stille herrscht in den Straßen,
+Und es rauscht ein Morgenwehn
+Durch der Gärten Lustterassen,
+Wo die Blumen träumend stehn.
+
+Eine Perle, eine Träne
+Legt es jeder in das Herz,
+Und sie wenden also schöne
+Ihre Kelche sonnenwärts.
+
+Und es wehen ihre Düfte
+Durch die schlummerstille Stadt,
+Durch die kühlen, regen Lüfte
+Weht ein einsam Blütenblatt.
+
+Und ein Vöglein aus der Linde
+Flieget und das Blättlein fing,
+Glaubt es spielend in dem Winde
+Einen bunten Schmetterling.
+
+Läßt betrogen dann es fallen
+In des Springbrunns Marmorrand,
+Und er spielt mit süßem Lallen
+Mit dem süßen Frühlingstand.
+
+Und der Vogel ohne Sorgen
+Stürzet aus dem Bann der Nacht,
+In den goldnen, lieben Morgen,
+Der auf Turmesspitzen lacht.
+
+Sonn und Vogel golden lachet
+Auf dem Kreuz, das himmlisch thront,
+Und es sinket überwachet
+In das Licht der blasse Mond.
+
+Durch den grauen Morgen dringet
+Der prophetsche Hahnenschrei,
+Und die Schwalbe dichtend singet
+Ihres Traumes Phantasei.
+
+Sieh, in einem frommen Blitze
+Fängt das Kreuz den Sonnenschein,
+Senkt ihn von des Turmes Spitze
+In die stillen Straßen ein.
+
+Und der Bettler, der geschlafen
+Vor des Palasts Säulenkranz,
+Hebt sich, da ihn Strahlen trafen,
+Still und dreht den Rosenkranz.
+
+Und es gehet Rosablanke
+Durch das römsche Tor herein,
+Eine Kerze trägt die Schlanke
+Und ein Kännlein Opferwein.
+
+Als sie an des Altars Stufen
+Vor Biondettens Wohnung steht,
+Will die Tänzerin sie rufen,
+Daß sie mit zur Kirche geht.
+
+Aber wie ward sie betroffen!
+An dem kleinen, stillen Haus
+Steht die Türe nächtlich offen:
+Ging so früh die Jungfrau aus?
+
+Nein, dann hätte sie geschlossen
+Ehrbar hinter sich das Tor.
+Und nun steigt sie unverdrossen
+Zu der Kammer leis empor.
+
+Und sie findet ganz zerrücket
+Dieser Stube Ebenmaß,
+An der Erde lag zerstücket
+Manche Urne, manches Glas.
+
+Blumen, Federn bunt zerstreuet
+Und Gewänder hie und da,
+Das, was gestern sie erfreuet,
+Heute sie mit Schrecken sah.
+
+Die zerrissnen Perlenschnüre
+Säten eine Tränensaat
+Zu des Schlafgemaches Türe,
+Der sich Rosablanka naht.
+
+Und sie pochet: doch die Kammer
+Schweiget, und sie geht hinein.
+Ach! Da tritt in tiefern Jammer
+Noch die bange Jungfrau ein.
+
+Weh, das Bettlein blutbeflecket,
+Und zerstört das Saitenspiel!
+Rosablanka tief erschrecket
+Auf die Kniee niederfiel.
+
+Zu dem kleinen Nonnenbilde
+Rief sie unter Tränen aus:
+"O, du Antlitz, ernst und milde,
+Blut und Tod befleckt dies Haus!"
+
+Und mit Angst und mit Entzücken
+Fühlte sie, wie wundervoll
+Aus des Bildes stillen Blicken
+Eine helle Träne quoll.
+
+Und so ganz von Angst durchdrungen
+Weilt sie in dem bösen Haus,
+Streckt die Hände schmerzgerungen
+Zu dem Morgenlichte aus.
+
+Wie verspätete Gespenster
+Gaben hundert Kerzen Schein,
+Tiefgebrannt, und durch die Fenster
+Sah erschreckt der Tag herein,
+
+Den die Nachtigallen grüßen
+Auf des Fensters Gartenbeet,
+Wo ihr Bauer unter süßen
+Blumen eingezäunet steht.
+
+Rosablanka geht zum Bauer,
+Läßt die Sängerinnen frei:
+"Flieht und sucht, wo eurer Trauer,
+Meiner Trauer Heldin sei!
+
+Schwinget euch zu ihrer Leiche,
+Rufet ihren Mörder aus,
+Daß die Rache den erreiche,
+Der befleckt dies heilge Haus!"
+
+Und die kleinen Vögel lenken
+Zu dem Lichte erst den Flug,
+Werden aber bald sich schwenken
+Nach des Herzens innrem Zug,
+
+Wie das Schiff vom Lande rauschet
+Freudig erst ins Element
+Und die freie Lust dann tauschet
+Mit des Schiffers Ziel und End.
+
+Doch nun kömmt der kleine Knabe,
+Dem sie gestern am Altar
+Teilte ihre Honigwabe,
+Sprach mit seiner Stimme klar:
+
+"Rosablanka, nicht vergesse
+Über dieses Hauses Schmerz
+Deiner Mutter Totenmesse,
+Trage ins Gebet dein Herz!
+
+Größre Trauer zu bestehen
+Stehet deiner Seele vor,
+Durch die Dornen mußt du gehen
+Zu des Himmels Rosenflor!
+
+Es verließ die kleine Zelle
+Schon der treue Gottesmann,
+Kerzenhell ist die Kapelle
+Und der Glockenruf getan.
+
+Zünde deine Schlangenfackel
+An der ewgen Lampe Licht,
+Sie sei vor dem Tabernakel
+Des Erlösers aufgericht!"
+
+Rosablanka spricht: "O sage
+Mir, du blondes Wunderkind,
+Ob ich die, um die ich klage,
+Je im Leben wiederfind?"
+
+Und er sprach: "Die Seele stehet
+Wieder licht in Gottes Hand,
+Nur der Leib, der irdisch gehet,
+Ist dem Dunkel zugewandt!"
+
+Und nun wendet er sich stille,
+Und die Jungfrau folget nach.
+"Es geschehe Gottes Wille!"
+Sie ergeben vor sich sprach.
+
+Und er führt sie zu Sankt Claren
+Durch den Klostergarten ein,
+Wo sich tausend Blumen paaren
+In des neuen Tages Schein.
+
+Vor des Kirchleins Marmorschwelle
+Sproßt der schönste Rosenstrauch
+Und erfüllet die Kapelle
+Mit der süßen Düfte Hauch.
+
+Wunderbar ist er gewunden
+Und geranket tausendfach,
+Einer Schlange gleicht er unten
+Und umzieht das ganze Dach.
+
+Wo er aus der Erde dringet,
+Ist er dürr und ungestalt,
+Wo er höher an sich schwinget,
+Grünt und sproßt er mit Gewalt.
+
+Links wohl alle Rosen trauern,
+Rechts sie freundlich lachend glühn,
+Und es stehn des Kirchleins Mauern
+Wie in Mond- und Sonnenschein.
+
+Doch drei Sprossen sendet oben
+Frisch der recht und linke Zweig;
+Alle sechse dicht verwoben
+Blühen freudig alle gleich.
+
+Durch das Kuppelfenster schauen
+Still sechs Rosen zum Altar,
+Ihre Tränen nieder tauen
+Auf Mariens Schleier klar.
+
+Aber von den sechsen schimmert
+Eine rot und eine weiß,
+Und die dritte golden flimmert
+Aus dem wunderbaren Gleiß.
+
+|Rosa mystica Maria|
+Heißt der heilge Rosenbund;
+|Virgo dulcis, clemens, pia|
+Grüßet sie des Volkes Mund.
+
+Als die Jungfrau fromm sich neiget
+Und zum Weihbrunn führt die Hand,
+Wunderbar ein Anblick steiget
+Auf an seinem Marmorrand.
+
+Vor ihr steht zwei geistge Nonnen,
+Blicken zu ihr ernst und mild,
+Reichen ihr den heilgen Bronnen;
+Eine glich wohl jenem Bild.
+
+Jene, die da stand zur Linken,
+Wo die Rosen traurig sind,
+Ließ voll Schmerz die Augen sinken,
+Wie die Mutter auf das Kind.
+
+Als die Magd von ihren Händen
+Das geweihte Naß empfing,
+Suchte sie ihr zu entwenden
+Von der Hand Biondettens Ring.
+
+Als die Jungfrau dies empfindet,
+Schloß sie schreckhaft ihre Hand
+Und das Nonnenpaar verschwindet
+Seufzend an des Brunnens Rand.
+
+Aber in der Seele stehet
+Ewig nun dies Antlitz fest,
+Wo sie ruhet, wo sie gehet,
+Dieses Bild sie nie verläßt.
+
+Doch nun steckt sie Kosmes Kerze
+An der ewgen Lampe Glut,
+Will sie dann mit frommen Schmerze
+Pflanzen, wo die Mutter ruht.
+
+Doch sie findet aufgedecket
+Der geliebten Toten Gruft,
+Und: "O Jungfrau, nicht erschrecke!"
+Eine Stimme zu ihr ruft.
+
+Und es tritt der blonde Knabe,
+Der sie bis hierher geführt,
+Lächelnd aus dem offnen Grabe
+Zu ihr, die sein Anblick rührt.
+
+Denn es war, als stieg das Leben
+Aus dem schweren, tiefen Tod;
+Also wird ein Engel schweben
+In dem letzten Abendrot.
+
+Und er wird der Sonne winken
+Die dann sinket nimmermehr,
+Und die Erde wird ertrinken
+In des ewgen Lichtes Meer.
+
+Alle Schatten werden leuchten,
+Alles Dunkel wird erglühn,
+Und die Welten werden beichten
+Vor dem Lichte auf den Knien.
+
+Und der Knabe sprach: "Geschauet
+Hab ich Rosarosens Gruft,
+Wo sie heut wird Gott vertrauet,
+Bis der Herr uns alle ruft.
+
+Rosatristis, die begraben
+Hier mit Rosaläta steht,
+Sie wird heut Gesellschaft haben,
+Blumen, die sie ausgesät.
+
+Schön ist diese Gruft geweitet,
+Für sechs Särge ist noch Raum,
+Daß die Wurzel sicher breitet,
+Wie den Zweig, der Rosenbaum.
+
+Vor der offnen Gruft nicht bange,
+Stell vor deines Stammes Haus
+Hell die Fackel; eine Schlange,
+Spricht sie wohl die Sünde aus.
+
+Bete! Ich muß von dir scheiden,
+Denn ich führ das Kinderchor,
+Um die Leiche zu begleiten,
+Hier zu ihres Tempels Tor!"
+
+Nun verließ er die Kapelle.
+Zum Altar Benone zieht,
+Ihm zu dienen auf der Schwelle
+Meliore betend kniet.
+
+Als die Jungfrau ihn erblicket,
+Von der Wunde siech und bleich,
+Fühlet sie das Herz erquicket
+Und zerdrücket allzugleich.
+
+Denn er gleicht in allen Mienen
+Jenem, dem sie Rosen gab,
+Als die Schlange ist erschienen
+In dem Garten bei dem Grab.
+
+Mit dem bei des Altars Schwelle
+Morgens sie die Kränze wand,
+Der den Ring bei der Kapelle
+Reißen wollte von der Hand,
+
+Den sie eng mit sich verbunden
+Dann in heimlichem Gesicht,
+Das sie tief verschweigt, gefunden;
+Beten, ach! vermag sie nicht.
+
+Neben ihr das Licht als Schlange
+Und die offne Totengruft,
+Und der Mann, macht ihr so bange,
+Und der tausend Rosen Duft.
+
+Was sie nimmer hat gefühlet,
+Woget durch die keusche Brust,
+In dem Herzen brennt und kühlet
+Ihr ein Leid und eine Lust.
+
+Immer muß sie nach ihm sehen,
+Ob er nicht sein Antlitz kehrt,
+Und vor Scham möcht sie vergehen,
+Wenn er ihren Wunsch gewährt.
+
+Und in züchtig bangen Schmerzen
+Werden tausend Wünsche frei;
+Ach, sie wünscht, verwirrt im Herzen,
+Daß er eine Jungfrau sei.
+
+Und sie möchte mit ihm gehen
+In vertrauter Liebeswahl,
+Möchte mit ihm niedersehen
+Von dem Berge in das Tal.
+
+Würde er wohl träumend schweigen,
+Wenn ein Abendvogel singt?
+Würde er die Hand mir reichen,
+Wenn die Sonne untersinkt?
+
+Ach, ich würde ihn verstehen,
+Wüßte stets, was er gedacht,
+Würde seine Blicke sehen,
+Deckt ihn gleich die stumme Nacht.
+
+Und wenn ewig untersänke
+Mir das süße Tageslicht,
+Er, den ich so herzlich denke,
+Er versänke mir doch nicht.
+
+Ja, er müßte mich erhalten
+Mit der treuen, starken Hand,
+Wollte sich die Erde spalten,
+An des Abgrunds steiler Wand.
+
+Halte, halte, ach ich gleite!
+Doch der starre Felsenschlund
+Blühet mir an deiner Seite
+Wie ein duftger Wiesengrund.
+
+Mondvoll sind die Finsternisse,
+Eine Rose ist mein Mund,
+Deine Worte werden Küsse
+In dem zauberischen Bund!
+
+Also trieb vor ihrer Sonne
+Sich der Träume Wolkenflug,
+Und in wunderbarer Wonne
+Ihre Seele Wogen schlug.
+
+Aber von der Schlangenkerze
+Traf ein Funken ihre Hand,
+In des Brandes scharfem Schmerze
+Sie die Sinne wiederfand.
+
+Bei der Gruft erschien die Kerze,
+Gleich der Schlange jener Gruft,
+Die heut früh zu ihrem Herzen
+Zückte aus dem Rosenduft.
+
+Und Meliore glich dem Manne,
+Der so ernstlich warnt und sprach,
+Doch mit seines Blickes Banne
+Jetzt ihr krankes Herz zerbrach.
+
+Sieh, da küßt die volle Sonne
+Jetzt Mariens Altarbild,
+Und es deckt mit Glanzeswonne
+Nochmals sie der Jungfrau Schild.
+
+Und mit kindlicher Gebärde
+Senkt die Magd ihr Lockenhaupt,
+Spricht: "Die Schlange tritt zur Erde,
+Die dir deine Rosen raubt!"
+
+Und in Tränen ganz zerschwimmend,
+Fühlet sie die Gnade mild,
+Dennoch in den Tränen glimmend
+Sieht sie nur des Jünglings Bild.
+
+Und ihr Herz, sie anzuklagen,
+Ewig: "|mea culpa!|" spricht,
+Und sie braucht nicht dran zu schlagen,
+Weil es schon in Ängsten bricht.
+
+Wie sie auch die Blicke wendet,
+Ihn, und immer ihn, sie sieht,
+Gleicht dem Auge, das geblendet
+Nie dem Sonnenfleck entflieht.
+
+Von des Meßrocks schwarzem Grunde,
+Zu des Kelches blankem Gold,
+Zu der Kuppel Rosenrunde,
+Sie die süßen Augen rollt.
+
+Doch es war ein liebend Schweifen,
+Denn sie suchte, was sie floh,
+Floh ihn, um ihn zu ergreifen,
+Und ward ihrer Sorge froh.
+
+War sie endlich ihm entronnen,
+In der Rosen Labyrinth,
+Das der Kuppel Fenstersonnen
+Wie mit einem Netz umspinnt,
+
+Wo die süß gefangnen Strahlen
+Offner Rosen Busen wiegt
+Und das Licht, des Duftes Schalen,
+Wie ein Schmetterling umfliegt,
+
+Ist die Seele eingeträumet
+In des blauen Himmels Aug,
+Daß sie selig überschäumet
+In des Wohlgeruches Hauch:
+
+Sieh, das rasselt mit der Schelle
+Meliore am Altar,
+Und sie findet auf der Schwelle,
+Dem sie kaum entronnen war.
+
+Also geht des Opfers Feier
+Ihr vorüber ohn Gebet,
+Und auf ihrem Mund der Schleier
+Von den heißen Seufzern weht.
+
+Doch als sich Benone kehret:
+"|Ite missa est!|" nun spricht,
+Was so ängstlich sie beschweret,
+Plötzlich mit ihr niederbricht.
+
+Wie vom Taue überfüllet
+Eine Blume niedersinkt
+Und ihr Haupt in Staub verhüllet,
+Der nun ihre Tränen trinkt,
+
+Also neigt in tiefer Demut
+Sie die Stirne voller Schmerz,
+Und der Tränenkelch der Wehmut
+Sinkt in ihr verwirrtes Herz.
+
+Lämmlein, fromm an sonngen Hügeln,
+Stürzt nicht an dem Wasserfall;
+Vöglein, unter Mutterflügeln,
+Schreckt nicht vor des Sturzes Schall!
+
+Wo auf süß beraster Stelle
+Sonst die keusche Hirtin sang,
+Da erwühlt sich eine Quelle,
+Stürzet von dem Felsenhang.
+
+Und die Lämmer, bunt geflecket,
+Stürzet nach dem Abgrund hin,
+Aus dem Schlummer aufgeschrecket,
+Hält sie nicht die Schäferin.
+
+Hirtin, Hirtin, nach den Höhen
+Lenke rettend deine Flucht,
+Um der Welle zu entgehen,
+Die ja selbst die Tiefe sucht!
+
+Doch sie stehet schon geschürzet
+In der heilgen Grotte Raum,
+Und die Welle nach ihr stürzet,
+Folgend ihres Mantels Saum.
+
+Aber als sie niederknieet
+Vor dem kleinen Felsaltar,
+In der Höhle Dunkel siehet
+Sie gedrängt der Lämmer Schar.
+
+Und sie dankt dem Gnadenbilde
+Ihrer Herde Rettung itzt,
+Das auch mit dem Wunderschilde
+Sie in banger Flucht geschützt.
+
+Und sie findet auf der Schwelle
+Ihren Schäferstab und Hut,
+Hierher führte ihn die Welle
+Von dem Ort, wo sie geruht,
+
+Die nun tiefer ab sich stürzet
+Von der steilen Felsenwand,
+Wo der Kräuter süß Gewürze
+Nun von ihr erquicket stand.
+
+Und die Hirtin tritt ins Freie,
+Von den Lämmern bang umdrängt,
+Sieht, wie eine neue Weihe
+Fels und Tal und Quell empfängt;
+
+Wie der Quell von Felsengipfeln
+Stürzt und springt und widerspringt,
+In der Schluchten Tannenwipfeln
+Sich, ein kühner Jüngling, schwingt;
+
+Wie der Wald sich ihm erbieget
+Und in manchen Arm ihn flicht,
+Oder wie er stürmisch sieget
+Und die Zweige niederbricht;
+
+Und wie heilge Sonnenblicke
+Bauen in dem Wasserrschaum
+Eine Regenbogenbrücke,
+Friede sinket in den Traum.
+
+Und der Adler, den dem Neste
+Wild entstürzt die neue Flut,
+Staunend ob dem heilgen Feste
+Schwebend überm Bogen ruht.
+
+Und es scheut ihn nicht die Taube,
+Segelt aus dem Felsenspalt,
+Denn ein wunderbarer Glaube
+Tuet aller Welt Gewalt.
+
+Und die Lämmer ruhig schauen
+Von der steilen Felsenbrust,
+Lassen sich ds Vlies betauen
+Von des Wasserfalles Lust.
+
+Denn es waltet ein Vertrauen,
+Und der Hirtin frommes lied
+Tönet durch die selgen Augen,
+Bis die Sonne niederzieht.
+
+Solcher Schreck traf Rosablanken,
+Solche Ruh hat sie erquickt,
+Als aus irdischen Gedanken
+Sie ein tief Gebet entrückt.
+
+Als sie wieder sich gefunden,
+War schon einsam der Altar,
+Und Meliore zeigt die Wunden
+Seines Herzen beichtend dar.
+
+An dem Beichtstuhl kniet Meliore,
+In der kleinen Sakristei,
+Und bekennt des Priesters Ohre,
+Welcher Sünd er schuldig sei.
+
+Und erzählt ihm die Geschichte
+Dieser wunderbaren Nacht,
+Die in einem Traumgesichte
+Zu Biondetten ihn gebracht.
+
+Daß die Wunde er empfangen,
+Zeigt und fühlte seine Brust,
+Was sonst über ihn ergangen
+War ihm angstverwirrte Lust.
+
+Und Benone hört mit Schauer
+Seiner bangen Worte Hast,
+Bis die Tränen seiner Trauer
+Lindern seines Herzens Last.
+
+Als der Jüngling lang geweinet,
+Da erließ er ihm die Schuld:
+"Friede, Herz! Die Sonne scheinet,"
+Sprach er: "fühl des Himmels Huld!"
+
+Und zur andern Seite beuget
+Rosablanka nun das Knie,
+Spricht: "Das Ohr, o Vater, neiget
+Einer armen Sündrin hie!"
+
+Sie bekennt ihm die Verirrung
+Ihrer Sinne im Gebet,
+Wie in seltsamer Verwirrung
+Sie seit manchen Tagen geht.
+
+Wie sie in Biondettens Kammer
+Heut Verwüstung fand und Schmerz;
+Also zeiget sie voll Jammer
+Ihm das eigne kranke Herz.
+
+Und vertraut ihm Kosmes Leiden
+Und der letzten Nächte Qual,
+Bittet ihn, sie zu begleiten
+In das stille Tränental.
+
+"Deine Schuld, mein Kind, zu büßen,"
+Sprach Benone, "ist genug,
+Folgst du fromm mit bloßen Füßen
+Rosarosens Leichenug.
+
+Meliore wird dich leiten.
+Wenn die Erde sie umschließt,
+Will ich dich ins Tal begleiten,
+Wo den Vater du verließst."
+
+Ruhig hört sie ihn und weinet,
+Da erließ er ihr die Schuld:
+"Friede, Herz! Die Sonne scheinet,"
+Sprach er, "fühl des Himmels Huld!"
+
+Nun verläßt sie die Kapelle.
+An des Weihbrunns Marmorrand
+Steht Meliore bei der Schwelle,
+Reicht ihr segnend seine Hand.
+
+Abermals die beiden Nonnen
+Sieht sie stehn mit tiefem Blick,
+Und sie bebt vom Weihebronnen
+In erneuter Angst zurück.
+
+Und sie tritt mit dem Gesellen
+In den lichten Garten ein,
+Und des Lebens rege Wellen
+Lachen in dem Sonnenschein.
+
+Und sie fühlen alle beide,
+Daß sie ihre Schuld bekannt,
+Gehn in Freude sich zur Seite
+Durch das blumenvolle Land.
+
+Selig, wer solch Heil gefühlet,
+Wer die sündenvolle Brust
+In der Beichte hat erkühlet,
+In der Reue frommer Lust!
+
+O unendliches Erbarmen,
+Ja, ich fühle dich mir nah,
+Auch mich trugst du in den Armen,
+Daß ich Gottes Antlitz sah!
+
+Zu der Beichte gehn die Sünder,
+Schleppend eine tote Welt,
+Aus der Buße wie die Kinder
+Tummeln sich durchs Blumenfeld.
+
+Alles wird zum Paradiese.
+Mensch und Tier versöhnet sind,
+Und die Blumen senden Grüße
+Von dem süßen Jesuskind.
+
+O, wie lacht der Garten heiter!
+Funkeln nicht die Blumen schön?
+Und der Himmel scheinet weiter
+In der Vögel Lustgetön.
+
+Aber sieh! Zwei Nachtigallen
+Flattern bange um sie her,
+Wo sie gehen, wo sie wallen,
+Und verlassen sie nicht mehr.
+
+Und Meliore bricht das Schweigen:
+"Was bedeutet wohl, mein Knd,
+Daß die Vögel nicht mehr weichen,
+Die doch sonst nicht heimlich sind?"
+
+Rosablanke spricht: "Die beiden
+Habe ich wohl gleich erkannt,
+Ach, sie klagen uns ihr Leiden,
+Haben sich uns zugewandt.
+
+Ihre Herrin ist verschwunden,
+Heute früh gab ich sie frei;
+Daß sie wieder sie gefunden,
+Saget uns ihr Wehgeschrei."
+
+Daß sie von Biondetten spreche,
+Wußte zwar Meliore nicht,
+Doch es stürzten Tränenbäche
+Von dem bleichen Angesicht.
+
+Und sie wagt ihm nicht zu sagen,
+Wie sie jener Kammer fand,
+Denn schon hatte ihn geschlagen
+Allzusehr des Schicksals Hand.
+
+Und sie ließ die Vöglein flehen,
+War sie doch wie sie gebannt,
+In das Antlitz ihm zu sehen,
+Das zur Erde er gewandt.
+
+Meliore sprach: "Ich glaube,
+Diese Vögel flehn um Schutz
+Vor des wilden Geiers Raube
+Oder böser Buben Trutz.
+
+Laß uns ihren Flug begleiten!" --
+Ach, er kannte nicht ihr Leiden!
+Und hinaus zum Garten schreiten
+Ernst und ahnungsvoll die Beiden.
+
+** Romanze XVIII: Biondetta ersticht sich
+
+"Apo, Apo, laß mich ein!"
+Rufet aus des Turmes Grunde
+Samael, der Herr der Stunde,
+Zwölfmal aus kristallnem Munde.
+
+Auf und nieder in dem Turme
+Steigt Apone ohne Ruhe;
+Weil der König ihn besuchet,
+Muß sein Haus geordnet sein;
+
+Seine Kammer macht er rein.
+Bibeln, Kreuze, heilger Plunder,
+Aller Sprachen Vaterunser,
+Lagen da seit seiner Jugend.
+
+Zu den Stufen all hinunter
+Stürzet er die heilgen Kunden,
+Daß es in dem Turme summet,
+Wie zum Brunnen plumpt der Stein.
+
+Alles muß er tun allein,
+Und er tut es unter Fluchen,
+Daß der untertänge Pudel,
+Der abwesend ist zur Stunde,
+
+Daß der Hund im Doktorhute
+Seine Kranken jetzt besuchet!
+Doch die Not erhält ihn munter
+Und des Geistes lautes Schrein.
+
+Seine Kammer schmückt er fein.
+Frauenwurz wohl vier Gebunde,
+Totenblume, Hundeszunge
+Legt er zierlich in die Runde.
+
+Männlein klein von Alraunwurzel,
+Ausgerupft im Galgengrunde
+Von dem schwer verfluchten Hunde,
+Setzt als Wächter er dabei.
+
+Und ein Basiliskenei,
+Kinderfinger, einzutunken,
+All dem König zum Genusse,
+Muß bei diesem Mahle prunken.
+
+Seinen Dolch befleckt mit Blute
+Stößt er in die mitte Stube;
+An dem Hefte der Karfunkel
+Soll des Mahles Fackel sein.
+
+"Apo, Apo, laß mich ein!"
+Rufet aus des Turmes Grunde
+Samael, der Herr der Stunde,
+Zwölfmal aus metallnem Munde.
+
+Apo blickt noch zu dem Buche,
+Das ihm Moles aufgefunden:
+"Wo verberg ich es jetzunder
+Vor dem scharfen, hellen Geist?"
+
+Von dem Pulte er es reißt,
+Und an einen Stab gebunden,
+Steckt er es hinaus zum Turme
+Durch der Kuppel offne Luke,
+
+Daß die Blätter, in dem Sturme
+Hin und her geweht, die Wunder
+Ihres Inhalts lauf ausrufen,
+In dem klaren Sternenschein.
+
+Das könnt ihm verderblich sein;
+Doch sie drehen sich so munter,
+Eines geht im andern unter,
+Und so ists, als wenn es ruhte.
+
+Und der Geist, emporgerufen,
+Schwebet leuchtend auf den Stufen,
+Und des Turmes Wände funkeln,
+Wo sein Silberfittig streift.
+
+Schimmernd durch die Kammer schweift
+Dann der Geist und spricht: "Gelungen
+Ists dir, Apo, aufzuputzen
+Deine Stube zum Besuche!"
+
+An dem golden Weberstuhle
+Sitzet Apo, und die Spule
+Treibt er hin durch hell und dunkel,
+Webt des Geistes Flügel ein.
+
+"Samael, ich webe fein."
+Spricht er, "nun erst ists gelungen,
+Da ich, Schelm, dich fest gebunden,
+Nun entflieht mir nicht die Stunde!" --
+
+Listig hast du mich bezwungen,"
+Spricht der Geist und nimmt die Spule,
+"Web ich alles dir zum Wunsche,
+Läßt du mich dann wieder frei?" --
+
+"Webe bis zum Hahnenschrei!
+Ist dir dann das Werk gelungen,
+Ist Biondetten mir errungen,
+Dann sei Freiheit dir bedungen!" --
+
+"Apo, zähme deine Zunge,"
+Spricht der Geist, "du mußt verstummen!
+Auf die Spule sieh, und tue,
+Was dir mein Gewebe zeigt!"
+
+Apo blicket scharf und schweigt.
+Vor ihm fliegt auf dunklem Grunde
+Flammend hin und her die Spule,
+Seine Sinne gehen unter.
+
+Dunkler bald, bald wieder bunter
+Woget er in Traumes Wunder,
+Bild und Weber ist verschwunden,
+Und er glaubet sich allein.
+
+Sieh! Da springt mit blutgem Schein
+Feuerschrift aus dunklem Grunde,
+Und die Lettern laufen munter
+Wie die Funken an dem Zunder.
+
+Und Apone liest verwundert:
+"Fest ist dieser Jungfrau Tugend!
+An die Sünde angebunden
+Sie wird uns verderblich sein.
+
+Du bist blutig, sie ist rein!
+Nur in Blutschuld geht sie unter,
+Wenn ein Mann aus ihrem Blute,
+Den sie liebt, im Arm ihr ruhte!"
+
+Also las er, und ins Dunkel
+Ist die Schrift dann eingesunken.
+Schnell greift Apo nun zum Kruge,
+Voll von giftgem Zauberwein.
+
+Gießt ein Philtrum noch hinein,
+Reißt den Dolch dann aus dem Grunde,
+Der im Zauberrunde funklet,
+In das Gift ihn tief eintunkend.
+
+Und erinnernd sich des Spruches,
+Den er las am Weberstuhle,
+Spricht er: "Was auch webt die Spule,
+Dennoch lock ich sie herein!
+
+Hat den Jüngling sie allein
+An der Türe ruhnd gefunden,
+Den ich eile zu verwunden,
+Trägt sie ihn gewiß zur Stube!
+
+So mag er im Arm ihr ruhen,
+Und verbindend seine Wunde,
+Bleiben von dem giftgen Blute
+Ihre Hände nimmer rein,
+
+Und sie wird bezaubert mein!
+Sicher vor dem kranken Buhler
+Bleibt mir ihres Leibes Blume,
+Die ich selber will entwurzeln.
+
+Las ich doch in meinem Buche,
+Daß ich ihres Vaters Bruder;
+Da sie stammt aus meinem Blute,
+Sei die Lust der Blutschuld mein!"
+
+Und er folgt dem Feuerschein,
+Der noch auf den hundert Stufen
+Von des Geistes Flügeln funkelt,
+Schleichet murrend aus dem Turme.
+
+Er umgeht das Bild des Brunnens;
+Venus dominiert zur Stunde,
+Und Maria tut kein Wunder
+Freitag nachts im Mondenschein.
+
+An Biondettens Tür allein,
+In den Mantel eingewunden,
+Sieht er seinen Nebenbuhler
+Und versetzt ihm Todeswunden.
+
+Als Meliore hingesunken
+Und sein Blut das Gift getrunken,
+Eilt Apone zu dem Turme.
+Tat ers, war es Zauberei?
+
+Daß er jetzt ein Mörder sei,
+Hat er schwerer nicht empfunden,
+Als den Weg zum Turm hinunter
+Und hinan die hundert Stufen.
+
+In der Kammer sitzt er dunkel;
+An dem Dolche den Karfunkel
+Traf ein Tropfen von dem Blute,
+Und es starb der Edelstein.
+
+"Mag sie nun zu Hause sein?
+Ihre Türe hat geklungen!"
+Und er blicket von dem Turme
+Seufzend nach Biondettens Stube.
+
+Auf Bologna ist die Ruhe,
+Mondeskühle hingesunken,
+Einsam, nächtlich von dem Turme
+Nur der Totenvogel schreit.
+
+Da springt aus der stillen Zeit
+Ihre Stimme klangumwunden,
+Kerzenhell ist ihre Stube;
+Apo sieht das Liebeswunder.
+
+Auf ihr Lager hingesunken
+Liegt Meliore, heiß umschlungen
+Von Biondetten. Apo fluchet.
+"Wehe, wehe!" schreit der Geist,
+
+"Des Gewebes Faden reißt!"
+Schreit der Geist am Weberstuhle
+Und lebendig schießt die Spule,
+Ohne Meister, ungebunden.
+
+"Mußt du Tölpel auch da fluchen,
+Da die Arbeit schier gelungen!
+Rückwärts fliegt die freie Spule,
+Meine Flügel werden frei!" --
+
+"Webe bis zum Hahnenschrei,"
+Spricht nun Apo, "wie bedungen!"
+Und er hat sich losgerungen
+Und gen Morgen hingeschwungen.
+
+Und hineilend durch die Luke,
+Riß er gierig in dem Fluge
+Aus dem sturmdurchwehten Buche
+Wohl der goldnen Blätter drei.
+
+Dann mit einem Jubelschrei
+Macht er um den Turm die Runde,
+Stürzet jauchzend mit dem Funde
+Nieder dann in nächtge Dunkel.
+
+"Soll der Mord mir nun nicht fruchten?
+Bleibt Biondette unerrungen?"
+Klagt der Meister, und im Turme
+Schlägt die Viertelglocke drei.
+
+"Apo zählet eins bis drei:
+"Wohl, die dreimal fünf Minuten
+Sind mir andre noch gebunden,
+Ist der Weber gleich verschwunden."
+
+Nun nimmt aus des Turmes Kuppel
+Er die giftig grüne Kugel,
+Öffnet sie. Ach! nackend ruhet
+Drin ein wächsern Jungfräulein.
+
+Goldner Haare süßer Schein
+Fließt ihm von den zarten Schultern,
+Türkis sind die Äuglein funkelnd,
+Ein Rubin lacht auf dem Munde.
+
+Recht für Engel ein Puppe!
+Zwei Rubinen trägt der Busen,
+Überm Herzen ihm figuret
+Ist ein goldnes Röselein.
+
+Einen roten Faden fein
+Schlingt ihm Apo um den runden
+Hals und stellt das kleine Wunder
+In den Kreis zum Zauberplunder.
+
+Und er betet still mit Murren
+In des Zirkels mächtger Runde,
+Zieht mit bösen Bannes Zuge
+Fremde Gäste in den Kreis.
+
+In das zauberische Gleis
+Zieht daher, mit fremdem Schmucke,
+Stolz auf des Kameles Buckel,
+Sarabot, mit seinem Zuge.
+
+Ihm folgt eine Blume, duftend,
+Eine Taube, zärtlich murrend,
+Dann wie Sterne rein und funkelnd,
+Nackt ein freundlich Geisterweib.
+
+Klar, kristallen scheint ihr Leib;
+Aus der Locken tiefem Dunkel
+Blicken ihre Augen funkelnd,
+Kalt und lachend und betrunken.
+
+Wie der Zug um Apo rundet,
+Spricht zu ihm der König murrend:
+"Trocken ist mir meine Zunge,
+Wer ists, der den Becher reicht?"
+
+Und von dem Kamel steigt
+Zürnend er, und mit dem Fuße
+Stampft er, daß der Turm im Grunde
+Schwanket wie ein Schiff im Sturme.
+
+Und gekrümmt gleich einem Wurme
+Beugt sich in des Zirkels Runde
+Apo, dunkle Worte summend,
+Bis das Schwanken ging vorbei.
+
+Und mit einem lauten Schrei
+Klagt das Geisterweib: "Mich dürstet!"
+Fragt die Taube nach dem Trunke,
+Sprach: "Mich dürstet!" auch die Blume.
+
+Und Apone sprach ermutet:
+"Besser wär es, wenn ihr ruhtet,
+Von der Eile so durchglutet
+Kann der Trunk euch schädlich sein.
+
+Saget erst, nach welchem Wein
+Also heftig euch gelustet,
+Daß ihr also schreien mußtet?"
+Und sie schrieen all: "Nach Blute!" --
+
+"Warum hast du, böser Bube,"
+Spricht der König, "mich gerufen,
+Da in wenigen Minuten
+Schon mein kurzes Reich vorbei?"
+
+Durch das Basilikenei
+Bringet Apo sie zur Ruhe,
+Und die Taube, schnabelzuckend,
+Pickt die Schale schnell hinunter.
+
+Sarabot das Weiße schlucket,
+Und das Gelbe zum Genusse
+Reicht er, nebst dem Hahnenpunkte,
+Hin dem klaren Geisterweib.
+
+Und daß nicht vergessen bleib
+Auch die Zauberblume duftend,
+Stürzet sie die Schalenkuppe
+Über sie gleich einem Hute.
+
+Apo spricht: "Es fehlt am Trunke;
+Ach! ein Fäßlein süßen Blutes
+Hatt ich halb heraufgewunden,
+Als der Strick mir tückisch reißt.
+
+Mir hat Samael, der Geist,
+Nicht gehalten, was bedungen,
+Hat sich los von mir gerungen
+Und gen Morgen hingeschwungen!"
+
+"Und wo ruht der Most jetzunder?"
+Fragt der König. "Herr, er ruhet
+Unter jenem kühlen Brunnen,
+Wo die Sabbatgöttin weilt.
+
+Wollt ihr trinken, o so eilt,
+Weil er jetzo gärend sprudelt,
+Da der Venusstern noch funkelt
+Bis zur mitternächtgen Stunde.
+
+Da ich wußte, was euch munde,
+Hängt ich würzend zu dem Spunde
+Von Muskaten ein Lunte,
+Schwefelglühend, erst hinein!" --
+
+"Wohl, ich sorge für den Wein!"
+Spricht der König. "Munter, munter
+Sei der Strick hinabgewunden
+Aus der Venus Lockendunkel!"
+
+Doch es will das Weib nicht ruhen,
+Weil der König heftig rupfet;
+Apo gibt ihr drum die Puppe,
+Daß sie spielend sich zerstreu.
+
+Und sie treibet Kinderei;
+Aus dem Kelch der Zauberblume
+Machet sie dem Kindlein Schuhe,
+Küßt sie, drückt sie an den Busen.
+
+Doch es glänzt ihr zum Verdrusse
+Auf dem Herz der kleinen Puppe,
+Und sie riß es gern herunter,
+Jenes goldne Röselein.
+
+Und sie drückt das Herz ihm ein
+Mit des Fingers hartem Drucke.
+So beschäftigt ohne Zucken,
+Dient dem Geiste sie zur Kunkel.
+
+Und aus ihren Locken munter
+Dreht den Faden er, hinunter
+Trägt die Taube ihn die Stufen
+Zu Biondettens Kämmerlein.
+
+Dem Kamele an ein Bein
+Wird der Faden angebunden,
+Und dies macht so lang die Runde,
+Bis der Faden aufgewunden.
+
+"Ist das Fäßlein ausgetrunken,
+Geb ich dir zum Eigentume
+Des Getränkes schönen Brunnen!"
+Spricht der König und erbleicht.
+
+Denn schon durch die Kammer streicht
+Bang die Taube, und es zucket
+Schon der Hammer in dem Turme,
+Drohend mit der zwölften Stunde.
+
+Doch es schaukelt mit der Puppe,
+Daß gewieget sie entschlummre,
+Singt ein Lied, sie einzulullen,
+Jetzt das klare Geisterweib:
+
+"Hast du gleich kein Herz im Leib,
+Hast du doch zwei ganze Schuhe.
+Schlummre, schlummre, ruhe, ruhe,
+Träume von der bunten Kuhe!
+
+All die Bienlein, die gesummet
+Zu den wunderlichen Blumen,
+Belladonna, Frauenschuhe,
+Um zu bilden deinen Leib,
+
+Ziehen jetzt zum Zeitvertreib
+In die lustge Rockenstube,
+Wo die schlanken Wasserjungfern
+Drüben bei dem grünen Sumpfe
+
+An des Storches rotem Strumpfe
+Stricken, und sie singen Wunder,
+Hundert kunterbunte Wunder,
+Von dem Meister Langebein.
+
+Wie er holt die Kindlein klein
+Aus dem milchgefüllten Brunnen,
+Wie dem Mond die karge Mutter
+An dem Rock stets tät zu kurze
+
+Und ihm aus dem blauen Schurze
+Nimmer ganz die Mütze rundet;
+Von des Eichhorns lustgem Sturze
+In den kalten Born hinein,
+
+Da sein Schatz im Mondenschein
+Wollte lugen in den Brunnen,
+Ob sie sehe ihres Buhlen
+Abbild in der Wassergrube,
+
+Und um mit hineinzugucken,
+Tät er bücken sich und ducken,
+Fiel und mußte Wasser schlucken.
+Ei, wie lief das Jungfräulein!
+
+Schlaf, mein Püppchen, schlafe ein!
+Herdesglut ist eingesunken,
+Und das Heimchen grillt im Dunkel
+Nun das Märchen von dem Funken,
+
+Der der Köchin, die betrunken
+Schlief, eh sie ihr Lied gesungen,
+In den wüllnen Rock gesprungen
+Und verbrennet ihr den Leib,
+
+Daß sie ward gleich einem Weib;
+Und wie aus dem falschen Kruge
+Für den Schwulst sie Salbe suchte,
+Auf den Besen stieg und fluchte,
+
+Wider Will den Ritt versuchte
+Zu der klugen Frauen Runde,
+Wo die Hausfrau sie gefunden,
+Tanzend um den Bock den Reihn.
+
+Als sie christlich wollte schrein,
+Fiel sie durch den Schlot herunter;
+Morgens saß sie ganz berußet
+In der heißen Aschengruben;
+
+Und die Schornsteinfegerbuben
+Singen ihr: "Aus unsrer Schule
+Schwatzte heut mit dir dein Buhle,
+Doch sein Besen fegt nicht rein!"
+
+"Mutter, es soll Wahrheit sein!"
+Sprach sogleich ein schwarzer Junge,
+Der mit einem kühnen Sprunge
+Aus der Schürze kam gesprungen!
+
+Schlummre, süßes Püppchen, schlummre,
+Bist du dumm, es gibt noch Dummre,
+Bist du stumm, es gibt noch Stummre,
+Schlummre, schlummre, Püppchen, ein!
+
+Bald miau! Die Katzen schrein,
+Machen Diebs- und Liebesrunde,
+Brünstig, günstig ist die Stunde,
+Zu dem Mondmann heulen Hunde.
+
+Sieh! Dort auf dem Wiesengrunde
+Tanzen jetzt die Elfen munter
+Unterm Knabenkraut hinunter,
+Das die Blätter niederstreut.
+
+Kind, sie spielen Lotto heut,
+Schreiben auf die Blättchen Nummern,
+Und du darfst nur kühnlich schlummern,
+Denn dir kommt dein Glück im Schlummer.
+
+Du gewinnst die beste Nummer,
+Eine Braut wirst du im Schlummer,
+Und dich wecket ohne Kummer
+Hochzeit, Hochzeit, hohe Zeit!
+
+Mondschein deckt dein Bettlein breit,
+Tu dich zu dem Bräutgam ducken,
+Wenn die Wichtlein Jubel rufend
+Auf den Stufen ihre Krucken
+
+Brechen, durch die Ritzen gucken
+Und zum Schlüsselloch einschlupfen:
+Wenn sie an der Decke zupfen,
+Strecke nur heraus kein Bein!
+
+Ei, die Nacht ist wunderfein!
+Vor der Kröt auf hohem Stuhle
+Singen Frosch und Unk im Pfuhle,
+Eine heilge Judenschule.
+
+Und der Irrwisch hüpft betrunken,
+Wo der Musikant versunken;
+Brünstig glühn Johannisfunken,
+Wo jüngst fiel ein Jungfräulein,
+
+Als ihr Buhl ihr stellt ein Bein
+Und ihr Kränzlein ohn Vermuten
+Fiel in eines Schatzes Gluten,
+Der im Acker eingetruhet
+
+Blank zu ihren Füßen ruhet.
+Heim trug sie den Schatz zur Stunde,
+Schwerer war noch viele Pfunde
+Ihr lebendger Edelstein.
+
+Schlaf, mein Püppchen, schlafe ein!"
+Also hat das Weib gesungen
+Mit verwirrter, süßer Zunge,
+Und der Zauber ist gelungen. --
+
+Denn Biondette, schlummertrunken,
+Folgt des Zauberfadens Zuge,
+Geht zur Linde, und am Brunnen
+Liegt vor ihr ein Knabe fein.
+
+"Jungfrau, ach, erbarm dich sein!"
+Spricht sie, legt den kleinen Buben
+Auf des Altars höchste Stufe,
+Wo sie einst auch ward gefunden.
+
+"Bleibe unten, bleibe unten,
+Bete erst ein Vaterunser!"
+Hört sie jetzt den Knaben rufen,
+Doch sie soll verloren sein.
+
+Und sie zieht zum Turm hinein,
+Steigt hinan die dunklen Stufen;
+Immer schwächer hört sie rufen:
+"Bleibe unten, bleibe unten!"
+
+Bis die Stimme ganz verschwunden;
+Und Biondette, traumumwunden,
+Steiget jetzt die letzte Stufe,
+Gehet zu dem Mahl hinein.
+
+Rosablankens Nadel fein,
+Um die sie das Haar gewunden,
+Zieht sie aus dem Lockenbunde,
+Die ihr golden niederfluten.
+
+Nächtlich bloß den keuschen Busen,
+Tritt sie an die Zauberspuren,
+Und von ihrem Herzen funkelt
+Hell das goldne Röselein.
+
+"Muß ich denn verloren sein?
+O Maria, Gottes Mutter,
+Der ich einstens ward gefunden,
+In die Windeln eingewunden,
+
+Denke meiner frommen Stunden,
+Lasse sterbend mich gefunden!"
+Lallt sie, peinlich traumumwunden,
+Zu der reinen Seele Heil.
+
+"Sei gegrüßt, du Todespfeil,
+Sei gegrüßt mit reinem Munde,
+Der nie freche Lust getrunken,
+Keuscher Tod in keuscher Wunde!
+
+Flieh, du letzte sündge Stunde!
+Märtyrkrone sei errungen!"
+Dann ruft sie mit kühner Zunge:
+"O Maria, erbarm dich mein!"
+
+Und die goldne Nadel fein
+Stößt sie in den reinen Busen
+Durch die goldne Rosenblume,
+Sinket nieder, heilig blutend.
+
+Und es schlägt die zwölfte Stunde.
+"Weh, zu spät ists zu dem Trunke!"
+Schreit der König, und geht unter.
+
+** Romanze XIX: Moles in Biondettens Leiche
+
+Triumphiert, ihr guten Geister,
+Es zerbrach der falsche Thron!
+Apo, dem verfluchten Meister,
+Sind die Diener all entflohn.
+
+Heilger Sabbat, betend steige
+Auf im Ost dein frühes Rot!
+Über dieser Jungfrau Leiche
+Schimmre lieblich hin der Tod!
+
+In des Morgenlichtes Streifen
+Sehe ich ein Flammenboot
+Selig durch die Rosen schweifen,
+Mit den Segeln purpurrot.
+
+Rosarosa, still geneiget,
+Führt das Steuer treu und fromm,
+Rosadora zu ihr steiget,
+Daß sie auch zum Heile komm.
+
+Jene keusch den Mantel breitet
+Um der Schwester Seele bloß;
+Freudig nun der Kahn hingleitet
+Durch den blutgen Tränenschoß.
+
+Zu des Traumes Insel streichet
+Ihre Fahrt, zum stillen Mond,
+Den in Sonn und Tränen bleichend
+Die unschuldge Schuld bewohnt.
+
+Wo die kleinen Kindlein weinen,
+Die der Tod ums Licht betrog;
+Auf dem Totenkränzlein scheinen
+Morgens ihre Tränen noch.
+
+Ungetaufet sie verweilen
+Singend vor des Himmels Tor,
+Und die Tränentauf erteilen
+Tauend sie dem Blumenflor.
+
+Rosarosa lehrt die Kleinen,
+Die auf Erden sie verlor,
+Rosadora wird erscheinen,
+Führerin in diesem Chor.
+
+Bis die Rosen sind befreiet
+Aus ererbter Sünde Not,
+Bis zum Kranze sie gereihet
+Selig steigen aus dem Tod,
+
+Singet Jungfraun, Kindlein weinet
+An dem goldnen Himmelstor,
+Bald Maria euch erscheinet
+Mit der Engel selgem Chor.
+
+Aber blickend nach der Reinen,
+Taucht die Sonne jetzt empor,
+Hüllet dann sich, um zu weinen,
+In der grauen Wolken Flor.
+
+Und ein dichter Nebelschleier
+Über ihres Hauptes Gold
+Zu des Tages Totenfeier
+Traurend tief herniederrollt.
+
+Wie ein Trauerhaus bekleidet,
+Steht umwölkt das Himmelstor;
+Sonnenlos, leidtragend schreite
+Bleich der junge Tag hervor.
+
+Asche auf die Hügel streuend
+Wandelt hin der Göttersohn,
+Und Aurora weint bereuend,
+Daß er ihrem Schoß entflohn.
+
+Und sie spricht: "Aus schweren Träumen
+Aufgeschrecket muß ich schon
+Dir mit blutgem Purpur säumen
+Deiner Trauer trüben Thron.
+
+Wo die Nacht den Flügel breitet
+Über Schlaf und über Tod,
+War mein Lager heut bereitet
+Unter böser Träume Not.
+
+Boten auf und nieder steigen
+Zwischen Erde, zwischen Mond,
+Sah ich zu des Abgrunds Reichen,
+Wo die Brut des Fluches wohnt.
+
+Einen hört ich freuig schreien,
+Der etwas verkünden wollt,
+Und zur Erde niederstreuen
+Blätter, deren Schrift von Gold.
+
+Dann in wunderbaren Weisen
+Sang er stammelnd Gottes Lob,
+Der zu höhern Lichtes Kreisen,
+Sein erbarmend, ihn erhob.
+
+Er verschwand mit Benedeien,
+Und zum Grund vom blauen Dom
+Zog hinab mit Maledeien
+Ein gespenstisches Phantom.
+
+Mit der Taube und dem Weibe
+Sah ich unter Fluch und Spott
+Sein Kamel zum Abgrund treiben
+Den verbuhlten Sarabot.
+
+Und er riß vorüber schleichend
+Mir vom Haupt des Schlafes Mohn,
+Und ich harrte weinend, schweigend
+Dein, mein lichter Freudensohn!"
+
+Also sang Aurora leise,
+Während still der Tag aufzog,
+Und versank im ewgen Gleise,
+Das ihr lichter Sohn durchflog.
+
+Aber auf dem Turm alleine
+Harret Apo zornestoll;
+Daß ihm Moles nicht erscheine,
+Füllet ihn mit bitterm Groll.
+
+Es erkaltet schon die Leiche,
+Deren Herz noch blutend quoll,
+Und die Wangen schon erbleichen
+Und die Lippe rosenvoll.
+
+Und er legt metallne Scheiben
+Ihr auf Augen, Brust und Schoß,
+Um ihr Blut zurückzutreiben
+Durch geheimer Kräfte Stoß.
+
+Nieder reißt er ihre Kleider;
+Ach, sie hüllt kein schamhaft Rot!
+Doch ihr Leichnam nackt und heiter
+Ist geheiligt in dem Tod.
+
+Rosarosens Gurt von Eisen
+Schützet Lende ihr und Schoß;
+Apo will ihn niederreißen,
+Doch er zwinget ihn nicht los.
+
+Und mit allen seinen Feilen
+Kann mit Mühe er und Not
+Den Bußgürtel nicht zerteilen
+Der geheiligt Trotz ihm bot.
+
+Nun zum Keller niedersteiget
+Apo, wo am feuchten Ort
+Springwurz, die jed Schloß erweichet,
+Ruhet, daß sie nicht verdorrt.
+
+Als er wiederkehrt zur Leiche,
+Sieht er selbst sich oben schon,
+Und er spricht: "Laß deine Streiche,
+Moles, was soll dieser Hohn?
+
+Hund, du sollst als Hund erscheinen;
+Sieh, du treibst es mir zu toll!
+Willst du, daß zu deinen Peinen
+Ich die Glocke schlagen soll?
+
+Wo bist du so lang verweilet?" --
+"Herr, ich tat, was ich gesollt,
+Und bin dann zurückgeeilet.
+Drum nicht also schmähen wollt!
+
+Einem Kranken Hilfe reichend,
+Dessen Heil uns schwer bedroht,
+Gab ich Gift, das zäh und schleichend
+Ihn verzweifeln läßt im Tod.
+
+Böse Frucht sah ich uns reifen;
+Wo ich war, da war man fromm,
+Und da muß man seltsam greifen,
+Daß man zu dem Pulse komm.
+
+Zürne nicht, mein teurer Meister,
+Kam ich doch ums Gastgebot
+Meiner anverwandten Geister;
+Mir tut auch Zerstreuung not.
+
+Wunderbare Neuigkeiten
+Sind auch zu bedenken noch;
+Wenn wir nicht zum Flicken schreiten,
+Kriegt der Sack ein böses Loch."
+
+Doch Apone spricht: "Jetzt schweige!
+Eins nur mildert meinen Groll:
+Rate mir, wie ich die Leiche
+Auf die Beine bringen soll?"
+
+Moles spricht: "Des Gürtels Eisen
+Hindert deine Wünsche bloß,
+Kannst du ihn herniederreißen,
+Zeige ich dir Wunder groß!
+
+Ich schmeck was von Heiligkeiten,
+Drum laß ich die Hand davon.
+Du mußt selbst das Schloß bestreiten,
+Daß der Schatz dir wird zum Lohn!"
+
+Und die Springwurz hält der Meister
+An des Gürtels heilig Schloß;
+Nimmer doch den Gurt zerreißt er,
+Und er flucht, und sein Genoß.
+
+Moles spricht: "Hier hilft nur Schneiden!
+Zeige dich, mein Anatom,
+Und wir schicken Heimlichkeiten
+Als Reliquien nach Rom."
+
+Apo spricht: "Hinüberschleiche,
+Wo die Jungfrau hat gewohnt,
+Und mir schnell den Schlüssel reiche,
+Daß ihr Leib mir bleibt verschont!"
+
+"Ei, dies mag dir leicht wohl scheinen!"
+Sagt der Hund, "bedenke doch,
+Was die Frau dazu wird meinen,
+Die da steht am Brunnen noch.
+
+Gehe selbst, mein kluger Meister,
+Du vielleicht trägst ihn davon,
+Doch wir andern jüdschen Geister
+Feiern jetzt den Sabbat schon."
+
+Apo geht. -- Zum toten Leibe
+Spricht der Hund: "Verdammter Spott,
+Nicht zum Manne, nicht zum Weibe,
+Hast du mich erschaffen, Gott!
+
+Diese Puppe zu zerreißen,
+Scheut sich der gelehrte Tor,
+Und sieht das geweihte Eisen
+Wie die Kuh das neue Tor.
+
+Mensch, um zweie nur beneidet
+Dich der Teufel: um den Tod
+Und die Lust, die dir bereitet,
+Als sie dir den Apfel bot.
+
+Als du ihn mit ihr geteilet,
+Warfst du ab des Lebens Joch;
+Mir, der ewig sich langweilet,
+Ließ der Zimmermann kein Loch.
+
+Allen Quark muß ich beneiden
+Und bin allen Quarkes Gott;
+Spott ich Gottes Herrlichkeiten,
+Tödlich wird mir nie der Spott.
+
+Stift ich tausend Bubereien,
+Gehn sie alle auf ein Lot;
+Das unendliche Verzeihen
+Hilft dem Herrn aus aller Not.
+
+Als ich in der Wüst allein
+Ihm die Erdenschätze bot,
+Macht er aus dem dummen Steine
+Mir zulieb nicht einmal Brot.
+
+Ohne Freude muß ich teuflen,
+Und mein Werk wird all zu Kot,
+An dem ewgen Leben zweiflen, # zweifeln?
+Und erzweifle nie den Tod!
+
+Was ich mühsam hab geleimet,
+Ist und bleibt ein schlechter Klotz,
+Und in jedem Kraute keimet
+Gegen meine Werke Trotz!
+
+Nichts kann ich zu Ende treiben,
+Ach, ein Ende wär ein Lohn!
+Das Unendliche vertreiben
+Kann nicht all mein Spott und Hohn.
+
+Ewig elendes Arbeiten,
+Null ist mir wie Million,
+Wer den Knoten könnt zerschneiden:
+Sohn ist Vater, Vater Sohn!
+
+Arm, blutarm bin ich ein Teufel,
+Mutterlos und vaterlos,
+Bös erzeuget von dem Zweifel
+In der Lüge dunklem Schoß.
+
+Treibe ewge Affereien,
+Ohne Freude, ohne Zorn,
+Keine Rose kann mich freuen,
+Und mich schmerzen kann kein Dorn.
+
+Elende Quacksalbereien,
+Wort zum Fleisch und Fleisch zum Wort,
+Hänseleien, sieben Weihen,
+Jagen mich bald hier, bald dort.
+
+Hab ich mich wo eingefleischet,
+Brauchts vom Kreuz ein Stückchen Holz,
+Und der Teufel flieht und kreischet
+Wie ein Hund vor Pfeil und Bolz.
+
+Doch den alten Bärenhäuter
+Hör ich auf der Treppe schon;
+Munter, Moles, treib es weiter,
+Bett dich, wie des Menschen Sohn!
+
+Sieh einmal zum Zeitvertreibe,
+Wie sichs in der Jungfrau wohnt,
+Und dem mürrschen Apo bleibe
+Doch der Pudel, der ihm front!"
+
+Und der Geist, der stets entzweite,
+Treibet einen Höllensproß,
+Und von seinem Stamm befreite
+Sich der Zweig und reißt sich los.
+
+Und sie machen Höflichkeiten,
+Wer das Weib besitzen soll,
+Ja, beginnen schier zu streiten,
+Also ist der Teufel toll.
+
+"Vater bin ich," schreit der eine,
+"Mir gebührt des Lebens Thron!"
+"Nein, das Fleisch, es ist da meine,"
+Spricht der andre, "ich bin Sohn!
+
+Weh, es fehlt uns nur am Geiste,
+Wäre der uns nicht entflohn,
+Daß er uns Entscheidung leiste,
+Dann wär uns geholfen schon.
+
+Einig sind Dreieinigkeiten,
+Vater wird durch Geist zum Sohn,
+Zweie sind Zweideutigkeiten,
+Zote nur gebiert der Hohn."
+
+"Wechseln wollen wir zuzeiten,"
+Spricht der Hohn nun zu dem Spott,
+"Denn das Leiden wie das Streiten
+Treiben beide wir gen Gott."
+
+Und der Spott dringt in die Leiche,
+Und es hilft ihm frech der Hohn,
+Daß er in die Wunde schleiche,
+Der Biondettens Geist entflohn.
+
+Apo kehrt und spricht: "Es scheinen
+Menschen in dem Hause noch,
+Eine Stimme hört ich weinen
+Und sah Licht durchs Schlüsselloch."
+
+Doch nun richtet sich die Leiche
+Auf und nicket mit dem Kopf;
+Als sie ihm die Hand will reichen,
+Bebet Apo wie ein Tropf.
+
+Moles spricht: "Empfang, Hochzeiter,
+Meine Gratulation,
+Sieh, dein Glückstern scheinet heiter,
+Führe deine Braut davon!
+
+Eine Unschuld sondergleichen,
+Ohne Hemdlein, nackt und bloß,
+Even muß ich sie vergleichen,
+Wie sie stieg aus Adams Schoß.
+
+Fräulein, ich seh von dem Pfeile
+Amors euer Herz durchbohrt!
+Daß er euch die Wunde heile,
+Ihr den rechten Arzt erkort.
+
+Alles ist nicht Gold, was gleißet;
+Wenn der Herzensrose Gold
+Eure Wunde gleich zerreißet,
+Seid ihr drum nicht minder hold."
+
+Apo spricht: "Laß deine Streiche!
+Sage, wie du sie erhobst,
+Welchen Geist der schönen Leiche
+Du belebend unterschobst?"
+
+Und der frechste aller Geister
+Spricht: "Ein Wort sagt ich ins Ohr;
+|Fiat| heißts beim großen Meister,
+Pfui heißts in unserm Chor.
+
+Willig hat sie sich bezeiget,
+Etwas blöde freilich noch;
+Was die Lippe jetzt verschweiget,
+Pocht im Herzen laut und hoch.
+
+Brechet erst diese züchtge Schweigen;
+Durch des Treurings rotes Gold
+Läßt sie sich vielleicht erweichen,
+Gibt den Schlüssel, den ihr wollt.
+
+Die Kleinode laß erscheinen,
+Gut erworben hier und dort;
+Durch Kleinode kommt der Kleinen
+Bald das lustge Fleisch zu Wort!"
+
+Einen Schrein voll Edelsteinen
+Und von goldnen Ringen voll
+Bringt der Meister, daraus einen
+Sich die Braut erwählen soll.
+
+Gierig nun den Schatz durchschweifet
+Wild ihr Aug, das dunkel rollt,
+Heftig zuckt die Hand und greifet
+Einen Siegelring von Gold.
+
+Und als wollt sie ihn zerbeißen,
+Zuckt sie ihn zum Mund empor,
+Apo wollt ihn ihr entreißen,
+Doch verschlang sie ihn zuvor.
+
+Und nun spricht sie: "Herr, die Deine
+Bin ich nun, wie du gewollt:
+Vor dem Volke und alleine
+Dien ich dir um dieses Gold.
+
+Dieses Ringlein auf der Reise
+König Pharao verlor,
+In dem Roten Meer zur Speise
+Sichs ein geizger Hecht erkor.
+
+König Pharao, dem Weisen,
+Setzt der Koch den Fisch einst vor;
+Als er wollt den Hecht verspeisen,
+Kam das Ringlein blank hervor.
+
+In dem Bette seiner Weiber
+Kam es wieder ihm davon,
+Ein ägyptscher Eselstreiber
+Trug es dann als süßen Lohn.
+
+Dems der freche Papageie
+Der Herodias entzog,
+Und mit einem Freudenschreie
+Fand sie es in seinem Trog.
+
+Bei der blutgen Weihnachtsfeier,
+Bei der Kindlein lustgem Mord,
+Daß er tanz nach ihrer Leier,
+Schenkt sie es dem Vater dort.
+
+Und das Ringlein war ihm teuer,
+Es besiegelte sein Wort;
+Doch es lief ein ungetreuer
+Diener mit dem Ring ihm fort.
+
+Und der Ring kam immer weiter,
+Keinem hat er noch gefrommt,
+Außer dir, mein Herr Hochzeiter,
+Dessen Braut er wohl bekommt.
+
+Meines Leibes bist du Meister
+Bis zum Gürtel und dem Schoß;
+Leider zwingen alle Geister
+Diese Last mir nimmer los!
+
+Könnt ich dir den Schlüssel reichen,
+Wär ich deiner Lust Genoß;
+Aber er ist mir nicht eigen,
+Mir gehöret nur das Schloß.
+
+Alles geb ich, nur verweigern
+Muß ich dir den Schlüssel bloß,
+Deine Kunst, kannst du sie steigern,
+Ringt vielleicht dem Feind ihn los.
+
+Ich will offen dich begleiten,
+Nach Belieben, wann und wo;
+Alle sollen dich beneiden;
+Werde dieses Neides froh!
+
+Mich als Nonne einzukleiden
+Sag ich auf dem Markt mich los;
+Lügen müssen wir verbreiten,
+Wie ich ward dein Hausgenoß.
+
+Wie ich in Melancholeien
+Hilf von deiner Kunst gehofft,
+Wie, die Kranken zu zerstreuen,
+Mein Gesang dir diene oft.
+
+Wie die Kunst der Arzeneien
+Ich von dir erlernen soll,
+Wie nichts könne uns entzweien,
+Weil wir eines Gottes voll.
+
+Dieses, jenes, und so weiter
+Lüge nur, man glaubt es schon,
+Denn du bist ein Teil gescheiter,
+Herr und Meister und Patron!
+
+Deine Magd kann ich erscheinen,
+Wie es deinen Lüsten frommt;
+Nur nicht lachen und nicht weinen,
+Weil dies von der Seele kommt.
+
+Soll dein Lager ich beschreiten,
+Oder auf der Erde bloß
+Ruhn an deines Bettes Seiten,
+Oder sitzen dir im Schoß?
+
+Ob ich auf dem Draht, dem Seile,
+Dir soll gaukeln liebestoll,
+Ob ich dir zur kurzen Weile
+Buhlerliedlein singen soll?
+
+Deinen Blicken, Fingerzeigen
+Folget deine Dienrin schon,
+Darf ich deinen Bart dir streichen,
+Ist es mir ein süßer Lohn.
+
+Vor der Welt nach alter Weise
+Nenne mich Biondette noch;
+Älia Lälia Crispis heiße
+Mich in Traulichkeiten doch.
+
+Denn in mir von diesen Dreien
+Brennet der gedrillte Docht,
+Um die einst in Buhlereien
+Mancher römscher Bürger focht.
+
+Ja, ich bin von diesen Dreien
+Das gezwirnte Kunstphantom,
+Und wie sie will ich nicht schreien,
+Küssest du gleich wie ganz Rom.
+
+Will dir mein Besitz verleiden,
+Werd ich zu der Lust zu stolz,
+Kann dich wieder von mir scheiden
+Klein ein Splitter Kreuzesholz.
+
+Aber an dem Jungfernleibe,
+Den ich dir zur Lust bewohn,
+Daß er unverdorben bleibe,
+Zeig jetzt deine Kunst, Patron!"
+
+Und mit Blut zwei Sprüche schreibet
+Apo ihr nun hinters Ohr,
+Unter ihre Achseln reibet
+Salbe er, die er beschwor.
+
+Lüstern die besessne Leiche
+Küsset nun der alte Tor,
+Moles spielet auf der Geige
+Ein vermaledeites Chor.
+
+Und in buhlerischem Eifer
+Tanzet, wie der trunkne Lot,
+Mit der Braut er einen Schleifer
+In fatalem Teufelstrott.
+
+Älia Lälia Crispis schreiet
+Mit verruchtem, giftgem Ton,
+Und Biondettens Kehl entweihet
+Eines frechen Liedes Hohn.
+
+Dies gefällt nicht gnaz dem Meister,
+Und er spricht: "Verschon mein Ohr!"
+Mit Biondettens Stimme heißt er
+Singen sie den Hochzeitschor.
+
+"Denn du sollst Biondette scheinen,
+Die zum Freunde ich erkor,
+Und die Stadt soll sie beweinen,
+Daß sie sich an mich verlor.
+
+Alle sollen mich verschreien,
+Und um Silber und um Gold
+Will ich ihren Festen leihen
+Meine Freundin süß und hold!"
+
+Und die Jungfrau spricht: "So sei es!
+Lieb ich gleich nicht jenen Ton,
+Freut sich gleich des frechen Schreies
+Mehr ein freier Musensohn,
+
+Lieb ich lügend doch zu gleißen;
+Und zweideutig will ich Gott
+Dir in schiefen Weisen preisen,
+Mir zum Lobe, ihm zum Spott!
+
+Mit gedrehten Schlangenhäuten
+Lasse mir von Apfelholz
+Eine Harfe bald besaiten,
+Ich bin auf dergleichen stolz.
+
+Ich will die Akkorde greifen,
+Daß du mich gewißlich lobst,
+Daß der Weiber Augen greifen
+Rings nach dem verbotnen Obst.
+
+Und die Männer werden eilen,
+Den verrufnen Apfel rot
+Mit den Even schnell zu teilen,
+Und sie essen sich den Tod!"
+
+Moles spricht nun zu dem Meister:
+"Eine Harfe ist besorgt,
+Der galanteste der Geister
+Hat die seine mir geborgt.
+
+Ist sie gleich ein bißchen heischer,
+Ist sie doch vom besten Ton,
+Wird die Sängerin erst keuscher,
+Wird sie besser stimmen schon.
+
+Aber jetzt, ihr Hochzeitsleute,
+Machet mich nicht länger rot!
+Apo, es tut uns für heute
+Zu studieren noch sehr not!
+
+Denk, wie du vor kurzen Zeiten
+Sahst in meinem Horoskop,
+Wie die Rose gen uns beide
+Drohnd ein dreifach Haupt erhob.
+
+Uns entzogen hat die eine
+Rosarosens selger Tod,
+Diese hier ist jetzt die Deine,
+Und sie bringt uns keine Not.
+
+Wenn die dritte nun erscheinet,
+Ist das böse Kleeblatt voll,
+Dem ich einst mit dir vereinet
+Tragisch unterliegen soll.
+
+Schnell mein Meister, ohn Verweilen!
+Über Rose, über Dorn
+Muß das Buch uns Rat erteilen,
+Suche hinten, ich such vorn!"
+
+Im Register steht verzeichnet:
+Rose golden, weiß und rot,
+Die Marien zugeeignet,
+Bringen böse Kunst in Not.
+
+Auf der angeführten Seite
+Stehet: Suche Jericho!
+Jericho nun suchen beide,
+Doch es fehlet J bis O.
+
+Und Apone denkt, wie heute
+Er das Buch durchs Fenster schob,
+Wie der Wind da, Seit auf Seite
+Wälzend, in dem Buch getobt.
+
+"Weh, mir Toren!" flucht der Meister.
+"Als mir Samael entfloh,
+Dacht ich: Ach, mein Buch zerreißt er!
+Denn es tönte wahrlich so."
+
+Moles spricht: "Am Wald hinreisend
+Sah ich unterm blanken Mond
+Samael in Freuden kreisend,
+Weil der Herr ihn hat belohnt.
+
+Und ich sah ihn Blätter streuen
+Unter hellem Gottes Lob,
+Und ich konnt ihn nicht erschreien,
+Weil er sich zum Licht erhob.
+
+Das sind böse Neuigkeiten,
+Dumm hast dus gemacht, Patron,
+Du mußt jetzt im Dunkel schreiten,
+Weil die Blätter dir entflohn."
+
+Und sie fangen an zu streiten,
+Wechseln harter Worte Zorn,
+Älia Lälia Crispis beiden
+Schärfet noch des Grimmes Dorn.
+
+Aber ihren Zank durchschneidet
+Der geweihten Glocke Ton;
+Jacopone zubereitet
+Seine Leichenfeier schon.
+
+Älia spricht jetzt: "Schnell mich kleide
+In den buntsten Freudenrock,
+Hülle mich in Samt und Seide,
+Meine Haare üppig lock!
+
+Schütte alle dein Geschmeide
+Über meinen Busen bloß,
+Daß ich durch das Volk hinschreite
+Dir zur Seite leicht und los!
+
+Und dein Kummer wird zur Freude,
+Es versinkt dein grimmer Zorn
+In dem allgemeinen Neide,
+Wie im Meer ein kleiner Born!"
+
+Lächelnd kräuselt ihr der Meister
+Nun das Haar in frei Gelock,
+Und der hündischste der Geister
+Schürzet ihr den Purpurrock.
+
+Und es schmücken sie die beiden,
+Gleich der Hure Babylon,
+Und sie singet Schändlichkeiten
+Ihnen vor im frechen Ton.
+
+Sodomitsche Blumenzweige
+Steckt sie ihrem Busen vor,
+Und nun führt die falsche Leiche
+Apo aus des Turmes Tor.
+
+Wer sie sieht, steht wie versteinert,
+Oder mehret ihr Gefolg;
+Aber allen unter keiner
+Kennt in ihr den Höllenmolch.
+
+Und mit bangem Finger zeiget
+Jeder Vater sie dem Sohn,
+Und von Mund zu Munde streichet:
+"Sahst du heut Biondetten schon?"
+
+Alle, die sie einst beneidet,
+Weil sie kunstreich, schön und fromm,
+Glauben, wo sie hin nur schreitet,
+Daß die irdsche Venus komm.
+
+Also frech ist ihr Bezeigen,
+Jedem Buben scheint sie eigen,
+Ich erschrecke und muß schweigen.
+
+** Romanze XX: Rosarosens Leichenzug
+
+Frühe Sonne, frühe Sonne,
+Ach wo bist du hingesunken!
+All des Tages Jugendwonne
+Ist im Morgenrot ertrunken.
+
+Deine wunderselgen Augen,
+Inseln aus des Himmels Seen,
+Sah ich steigen, untertauchen
+In des Morgens erstem Wehn.
+
+Und es steigt ein Nebelschleier
+Übers tiefe, stille Blau,
+Eine einsam tiefe Feier
+Breitet sich durch Wald und Au.
+
+Ruhig unbewegte Bäume,
+Kein Gesang, kein Blattgeräusch;
+Spinnet ihr die nächtgen Träume
+Wieder an, ihr Blumen keusch?
+
+O Bologna, deine Zinnen,
+Die gelacht im Sonnenstrahl,
+Seh ich bösen Schmuck gewinnen:
+Schwarze Flaggen überall!
+
+Alle Buden sind geschlossen,
+Trauerteppche hängen aus,
+Durch die Straßen weit ergossen
+Reget sich ein Volksgebraus.
+
+Aber mitten durchs Gedränge
+Gehet eine freie Bahn,
+Und es wirft die rege Menge
+Blumen auf den offnen Plan.
+
+Vor dem Konsularpalaste,
+Auf des Marktes weitem Raum,
+Der viel tausend Bürger faßte,
+Bildet Wache einen Saum.
+
+Und die acht Konsulen treten
+Aus des Palasts hohem Tor,
+Und der Ältste tritt zu reden
+Auf den Marmorstuhl empor.
+
+Und er winkt mit dem Barette
+Und der Herold mit dem Stab,
+Das Geschmetter der Trompete
+Nun zur Ruh das Zeichen gab.
+
+"Seid gegrüßt, ihr freien Bürger!
+Seid gegrüßet, edle Ritter!
+Seid gegrüßet, ihr Gelehrten!
+Seid gegrüßet, ihr Studenten!
+
+Euch die Ursache zu sagen,
+Warum heute alle wir
+Also reiche Trauer tragen,
+Seht ihr mich erscheinen hier.
+
+Jacopone, der gelehrte --
+Wer ists, der ihn hier nicht kennte,
+Seine Weisheit nicht verehrte,
+Nicht ihn einen Gönner nennte?
+
+Über diesen Mann gesenket
+Hat sich jüngst ein bittres Leiden,
+Und in Tränen ganz ertränket
+Ist er nicht mehr zu beneiden.
+
+In des Schauspielhauses Brande
+Ward sein herrlich Weib verletzet,
+Und zu einem bessern Lande
+Von dem Herrn der Welt versetzet.
+
+Sie, die Lehrerin der Waisen,
+Seine Hauses treue Wirtin,
+Ward in dieser Stadt geheißen
+Nur die fromme, liebe Hirtin.
+
+Und sie ist nicht mehr hienieden;
+Wo sich alle Lämmlein sammeln
+Hat der Hirt sie hinbeschieden,
+Gottes Loblied mitzustammeln.
+
+Da sie ihm nun ist geraubet,
+Will er nicht mehr grünend leben,
+Will er, wie ein Baum entlaubet,
+Nimmer wieder Schatten geben.
+
+Und er ist vor uns erschienen,
+Hat uns weinend eingeladen,
+Alle seinem Leid zu dienen,
+Und wir haben uns beraten.
+
+Denn als eine freie Gabe
+Gibt der Stadt er seine Gelder,
+Liegende und fahrnde Habe,
+Seine Häuser, seine Felder.
+
+Alles, was er hat erworben,
+Sei ihm auch mit ihr verloren,
+Sei ihm auch mit ihr gestorben,
+Armut hat er sich erkoren.
+
+Eine Kirche will er bauen,
+Wo das Spielhaus ist verbrennet,
+Zum Behuf der Klosterfrauen,
+Welche man Clarissen nennet.
+
+Und er hat zu diesem Ende
+Alle Sicerheit gegeben,
+Siegelbrief und Dokumente,
+Wo die Gelder sind zu heben.
+
+Und hiefür ward ihm die Bitte,
+Seines Schmerzes Trost, gewähret,
+Daß mit ungewohnter Sitte
+Seine Trauer sei geehret.
+
+Denn die so den Staat bedachten,
+Die verdienen solche Ehren;
+Solche Bürger hoch zu achten,
+Das muß unsre Größe mehren.
+
+Und ich wollte hie verkünden,
+Daß im wogenden Gedränge
+Sich kein Streiten mög entzünden,
+Wo die Straßen krumm und enge.
+
+Denn wir wissen, uns zum Leide,
+Daß in unsern treuen Mauern
+Zwei Parein zum bösen Streite
+Immer auf den Anstoß lauern.
+
+Laßt uns nicht den Tag entwiehen
+Einer tugendhaften Toten!
+Eintracht möge Gott verleihen
+Unser Gruß sei euch entboten!"
+
+Und er winkt mit dem Barette
+Und der Herold mit dem Stab,
+Und die schmetternde Trompete
+Seiner Rede Schluß angab.
+
+Und nun reiten durch die Masse
+Herolde und tuen kund
+An der Eckejeder Gasse,
+Was er sprach, der weise Mund.
+
+Aber aus des Schlosses Bogen
+Zieht der Heerwagen der Stadt,
+Von acht weißen Stiern gezogen,
+Und ein Jauchzen findet statt.
+
+Denn kein Bürger kann ihn sehen,
+Wie aus reicher Bilder Zier
+Bologneser Flaggen wehen,
+Ohne innre Kampfbegier.
+
+Vor dem Wagen ernsthaft schreiten
+Acht Trompeter, rot und weiß,
+Die acht weiße Stiere leiten,
+Dann acht Führer rot und weiß.
+
+Übers Volk, wie aus dem Meere,
+Sieht man nun den weiten Wagen,
+Ähnlich einer Prachtgaleere,
+Mit der hohen Fahne ragen.
+
+Rings mit goldenen Geländern
+Er wohl vierzig Reite rfaßt,
+Haltend an den vierzig Bändern,
+Die sich niederziehn vom Mast,
+
+Der ein silbern Kreuz erhebet,
+Das des Lichtes Blick erhellt;
+Nieder mit der Fahne wehet
+Weiß ein Kreuz im roten Feld.
+
+Und vor dieesr Fahne sitzet
+Ein vor allen prächtger Mann;
+Wie sein harnisch strahlt und blitzet,
+Kaum daas Aug ertragen kann.
+
+Er gleicht einem Martisbilde;
+In dem blanken, großen Schwert,
+In dem runden Spiegelschilde
+Lacht die ganze Pracht verklärt.
+
+Im die Fahne ist vertrauet,
+Er des Wagens Ehr bewacht,
+Den die Herrn des Rats erbauet
+Als den Mittelpunkt der Schlacht.
+
+Als des Staates Bundeslade,
+Als Symbol der Bürgerehre,
+Als der Thron des Zorns, der Gnade,
+Geht der Wagen mit dem Heere.
+
+Wenn er stehet, wenn er schreitet,
+Steht und geht die Kriegerschar,
+Ihn des Heeres Kern umstreitet
+In der dringenden Gefahr.
+
+Und zersprengte Reuterhaufen
+Sammeln sich in seinem Kreis,
+Und von neuem auszulaufen # um?
+Nach des Kampfes blutgem Preis.
+
+Und den Feldarzt trägt der Wagen
+Mit des Leibes Arzenein,
+All, die blutig sind geschlagen,
+Wollen hier geheilet sein.
+
+Auch die Priester auf ihm stehen,
+Mit dem heilgen Sakrament
+Jeden Krieger zu versehen
+In dem ehrenvollen End.
+
+Kehrt der Wagen mit dem Heere,
+Dann ward gut die Schlacht geschlagen,
+Denn des Heeres Mut und Ehre
+Hänget an dem Fahnenwagen.
+
+Fällt er in des Feindes Hände,
+Dann sucht Heil in schnöder Flucht,
+Wer nicht in des Lebens Ende
+Seiner Schande Ende sucht.
+
+Aber wie er in dem Kriege
+Ist des Mutes fester Kern,
+Wird er nach errungnem Siege
+Des Triumphes schönster Stern.
+
+Und von seiner Bühne glänzen
+Feindeshelme in Trophäen,
+Zwischen stolzen Lorbeerkränzen
+Die errungnen Fahnen wehen.
+
+Und in seine Spuren weinen
+Sklaven, paarweis hart gebunden,
+Nieder zu den kalten Steinen,
+Die den nackten Fuß verwunden.
+
+Auch des Friedens Pracht zu mehren
+Zieht er aus mit stolzem Prangen,
+Als ein Zeichen reiche rEhren
+Hohe Gäste zu empfangen.
+
+Gold und Scharlach muß dann wallen,
+Weise Männer ihn betreten,
+Und von seiner Höhe schallen
+Zierlich ausgesprochne Reden.
+
+Oder, mehr ihn zu verschönen,
+Höret man das Wort der Richter,
+Lieblich stolz auf ihm umtönen
+Vn den Liedern heilger Dichter.
+
+Also dient er in dem Streite,
+Triumphiert, und trägt die Beute
+So zu festlichem Geleite;
+Aber anders dient er heute.
+
+Und die dunkle Trauerbühne
+Nun die bunte Menge teilet,
+Wie ein schwarzes Schiff die grüne
+Flut mit scharfem Kiel durcheilet.
+
+Aber tröstlich auf dem dunkeln
+Maste, dessen Segel trauern,
+Sieht das weiße Kreuz man funkeln,
+Wie ein Stern im nächtgen Schauern.
+
+Schwarze Tücher rings verhüllen
+Seine kriegerische Pracht,
+Und sein Schnitzwerk Rosen füllen,
+Sterne einer tiefen Nacht.
+
+Guido hat ihn zu der Trauer
+Rosarosens so verzieret,
+Um ihn weht ein leiser Schauer,
+Weil der Tod hier triumphieret.
+
+Und wo sonst die Schwerter glänzen,
+Stehen trauernde Martronen,
+Tragend in Zypressenkränzen
+Pomeranzen und Zitronen.
+
+Herbe Bitterkeit der Tränen,
+Dunkles Laub zur Erde sinkend
+Und den Tau mit irdschem Sehnen
+Aus des Grabes Blumen trinkend.
+
+Weiß geschmückt, zu beiden Seiten,
+An des Mastes schwarzen Schnüren
+Haltend, Kinder traurig schreiten,
+Ihrer Hirtin Fest zu zieren.
+
+Seht, vor Jacapones Türe
+Steht ein schwarzer Baldachin,
+Daß das Volk ihn nicht berühre,
+Hüten sechzehn Ritter ihn.
+
+Acht vom Stamm der Gieremeen,
+Acht vom Lambertazzer Haus
+Rechts und links vermischet stehen;
+Keiner hat den Rang voraus.
+
+Und es drängt von allen Seiten,
+Was zu den Partein gehört,
+Zwar ohn Lieb, doch auch ohn Streiten,
+So ist der Moment geehrt.
+
+Mit dem Trauerschmuck der Flöre
+Haaren rings sich anzuschließen
+Die verschiednen Ehrenchöre,
+Wenn der Zug sich wird ergießen.
+
+Wenn die Priester angekommen,
+Werden tief die Glocken schallen
+Und der Leib der lieben Frommen
+Wird zu seiner Ruhe wallen.
+
+Aber in des Hauses Kammer
+Sitzt der schmerzdurchbohrte Mann,
+Öd in tränenlosem Jammer
+Sieht er ihre Leiche an.
+
+Engel, die ihr Haupt umschweben,
+Die zu ihren Füßen knien,
+Konnten ihm nicht Tränen geben,
+Tränen sind ihm nicht verliehn.
+
+Seit die Augen sie geschlossen,
+Die ihm Lust und Leid gespiegelt,
+Ist in Tränen er zerflossen,
+Und nun ist ihr Quell versiegelt.
+
+Irdisch kann sie nicht mehr scheinen,
+Die der Erde zu vereinen;
+Irdisch kann er nicht mehr weinen,
+Und seinherz will ihm versteinen.
+
+Ja, ein Grab von Marmorfelsen
+Haut der Schmerz in seinem Herzen,
+Was nicht springen will, muß schmelzen
+Von der Glut der Trauerkerzen.
+
+Ist die Halle erst geweitet,
+Wird sie ruhen in den Felsen,
+Wenn er stillzur Türe schreitet,
+Einen Stein davor zu wälzen,
+
+Also schwer und ungeheuer,
+Daß kein andrer ihn beweget,
+Als Luft, Erde, Wasser, Feuer,
+Wenn sie Gottes Zorn erreget.
+
+Und wenn so die Gruft verschlossen,
+Wird er auf den Felsen steigen,
+Klipp vor Klippe unverdrossen,
+Um den Gipfel zu erreichen.
+
+Und da wird der Feind ihm zeigen
+Alle weiten Herrlichkeiten,
+Wie die Flüsse silbern schleichen,
+Wie die Ufer sie begleiten.
+
+Sonnenschein auf Bergesgipfeln,
+Dämmerung in grünen Talen,
+Sang und Lust in Waldeswipfeln,
+Hochgetürmter Städte Prahlen,
+
+Schiffe segelnd, Wolken ziehend,
+Schlosses Dach im Abend glühend,
+Schatten übers Meer hinfliehend,
+Und ein ganzer Frühling blühend.
+
+Alles wird der Feind ihm zeigen;
+Doch er wird es nicht verlangen,
+Und die Welt wird sich ihm neigen,
+Er wird nur am HImmel hangen.
+
+Freudig ohne niedern Kummer
+Wird er an die Erde sinken,
+Betend dann in selgem Schlummer
+Eines guten Traums ertrinken.
+
+Überm Haupt die Jakobsleiter,
+Wird er mit der Engel Reigen
+In den offnen Himmel heiter
+Zu geliebten Seelen steigen.
+
+Also wird ihm einst geschehen,
+Den jetzt solche Schläge schlagen,
+Daß er ganz versteint in Wehen --
+Dies wollt ich zum Trost uns sagen.
+
+Unbemerkt im eignen Leide,
+Knieet Pietro in der Kammer,
+Und sie schweigen alle beide,
+Jeder in dem eignen Jammer.
+
+Aber nun spricht Jacopone,
+Denn er hört ein fernes Singen:
+"Wo ist ihre Blumenkrone?
+Ach, man will sie von mir bringen!
+
+Wo sind Blumen ihr zum Kranze,
+Fromm und keusch, wie sie gewesen?
+Erde, küß mit deinem Glanze
+Nochmals, die von dir genesen!"
+
+Und zu Pietro er sich wendet,
+Spricht: "Hast Blumen du gebracht?
+Rosen, die zutag gesendet
+Diese tränenvolle Nacht?
+
+O, mein Pietro, die Verblühte,
+Zier sie mit des Lebens Bild;
+Daß der Schmerz nicht also wüte,
+Deck sie mit dem Blumenschild!"
+
+Pietro mit dem Haupt verneinet,
+Aber reden kann er nicht,
+Und der Tränenlose weinet,
+Als er sieht sein Angesicht.
+
+Jacopone ihn umarmet:
+"O, mein Bruder! mich erquicket,
+Daß mein Leid dich so erbarmet,
+Und aus deinen Augen blicket."
+
+Aber jener ihm entgegnet:
+"Ach! es ist das deine nicht!
+Dann wär wohl mein Los gesegnet,
+Und es das meine nicht.
+
+Blumen konnt ich dir nicht bringen,
+Weil sie all wie Rosarose
+In dem Feuer untergingen,
+Bis auf eine weiße Rose."
+
+Pietro wollte weiter reden,
+Doch Melior und Rosablanke,
+Welche zum Gemach eintreten,
+Werden seiner Rede Schranke.
+
+Und er fühlt sich dumpf ergrimmet,
+Wenn er zu Meliore blickt,
+Denn in seinem Busen glimmet
+Eifersucht, die ihn erstickt.
+
+An der Türe schüchtern weilet
+Rosablanka. Zur ihr schreitet
+Jacopone: "Jungfrau, eilet,
+Daß Ihr mir den Kranz bereitet!" --
+
+"Herr, dies kann gar wohl geschehen,
+Ich hab Rosen, rot und wieße,
+Und ich kann die Kränze drehen,
+Doch fehlt mirs am Myrtenreise!" --
+
+"Keine Myrt in ihre Krone!
+Einen jungfräulichen Kranz
+Winde ihr!" -- sprach Jacopone,
+Blickend durch der Tränen Glanz.
+
+Und sie naht der Leiche Füßen,
+Aus dem Korbe, den sie trug,
+Ihre Rosen auszugießen.
+Ach, wie ihr das Herz da schlug!
+
+Sie mit Liebe zu begrüßen,
+Fühlt sie einen innern Zug,
+Und sie soll doch, um zu büßen,
+Folgen ihrem Leichenzug.
+
+Wie sie so die Tote schauet,
+Wie sie so die stille fühlet,
+Mild ihr Aug von Tränen tauet
+Und die heiße Wange kühlet.
+
+Und sie nimmt die rote Rose,
+Fügt zu ihr der weißen Glanz,
+Weiter eine gelbe Rose,
+Und so fort den ganzen Kranz.
+
+Bei den roten spricht sie immer:
+"Rosarose, bitt für mich!"
+Bei der weißen Rosen Schimmer:
+"Rosablank geleitet dich!"
+
+Aber bei der gelben Rose
+Muß sie an Biondetten denken,
+Und dann traurig zu der Rose
+Ihre Blicke niedersenken.
+
+Da sie nun den Kranz vollendet,
+Sprach sie scheu zu Jacopone:
+"Mich that zu dir hergesendet
+Heut der Beichtiger Benone.
+
+Meine Schulden abzubüßen,
+Will er, daß ich im Geleite
+Deine Weibs mit bloßen Füßen
+Hinter ihrem Sarge schreite.
+
+Und ich bitte dich zum Lohne,
+Daß du dieses mir gestattest,
+Als den Preis der Blumenkrone,
+Die du ohne mich nicht hattest.
+
+Trauer ist mein Kleid, ich weine
+An der Mutter Sterbetage;
+Wenn ich dir zu arm nicht scheine,
+Laß mich folgen deiner Klage."
+
+Da sprach zu ihr Jacopone:
+"Du sollst bei dem Leichenwagen
+Ihr die jungfräuliche Krone,
+Die du ihr geflochten, tragen.
+
+Dieses ist des Lanes Sitte;
+Zwischen Pietro und Meliore
+Sollst du schreiten in der Mitte
+Mit dem Kranz im Trauerchore."
+
+Aber plötzlich brach das Schallen
+Aller Glocken durch die Luft,
+Und der Priester in die Hallen
+Tritt mit Kranz und Weihrauchduft.
+
+"Es ist Zeit, müssen wallen,"
+Spricht er, "weil die dunkle Gruft
+Dieser jetzt, wie einst uns allen,
+Mit metallner Zunge ruft."
+
+Acht Matronen tief in Trauer
+Tragen nun den Sarg hinab,
+Stellten ihn zum Trost der Schauer
+Unterm Baldachine ab.
+
+Und die Ritter mußten wehren
+Mit dem Schwert die Totenschau,
+Doch ein jeder wollte ehren
+Noch einmal die fromme Frau.
+
+Und es zieht, sie anzuschauen,
+Vor ihr hin der Leichenzug;
+Ach, wer sieht, sich zu erbauen,
+Solch ein heilig Bild genug!
+
+Mit dem Kreuz vorüberziehen
+Erst die Priester, traurig singend,
+Und das Volk liegt auf den Knieen,
+Chöre durch die Lüfte schwingend.
+
+Und die Schwermut der Posaunen
+Windet sich durch Litaneien,
+Die vorm Ewigen erstaunen,
+In der Zeit um Hilfe schreien.
+
+Ihnen folgen fromme Orden,
+Ewige Gebete lallend,
+Vor den Kreuzen allerorten
+Auf das Antlitzt niederfallend.
+
+Und nun treten schwarze Nonnen
+Um den Sarg, in weißen Schleiern,
+Wie die Strahlen einer Sonnen,
+Dieser Frommen Tod zu feiern.
+
+Aber sie auch müssen gehen,
+Denn jetzt nahn die Tiefbetrübten;
+Seht der Kindlein Fahne wehen,
+Traurig bei der Hochgeliebten!
+
+Agnus castus mit dem Lamme
+Führt die Mägdlein und die Knaben,
+Die mit einem Blumendamme
+Nun der Hirtin Sarg umgaben.
+
+Und mit kindisch süßem Flehen
+Drängt die Schar zu ihren Füßen;
+Jedes Kindlein will sie sehen
+Und die milden Hände küssen.
+
+Ach! sie kennen nicht das Scheiden,
+Freuen sich des Rosenkranzes
+Und des Rocks von Samt und Seiden
+Und des Diamantenglanzes.
+
+Doch Bolognas Heereswagen
+Mit gedämpften Hörnerklang,
+Ihren Leib zur Gruft zu tragen,
+Durch die Kinderschar herdrang.
+
+Und den Sarg hinan zu heben
+Zaudern noch die ernsten Ritter,
+Sich die Hand dazu zu geben
+Ist ihr innrer Groll zu bitter.
+
+Als der Konsul dies ersehen,
+Fürchtet Störung er der Ruhe
+Und beginnt umher zu spähen,
+Wer erheben soll die Truhe.
+
+Sieh, da naht mit Flötenschalle
+Ernst der Zug sich der Studenten,
+Jeder Nation Marschalle
+Sich heran zum Sarge wenden.
+
+Jene, die sie nach dem Brande
+Heimgetragen mit Verehren,
+Nahn dem Konsul als Gesandte,
+Schwarz, mit langen Trauerflören.
+
+Und da sie das Zögern sahen
+Und des Konsuls Wink empfingen,
+Barhaupt sie dem Sarge nahen,
+Fassen an den goldnen Ringen.
+
+Heben ihn mit guter Site
+Auf den hohen Trauerwagen,
+In der Blumen stille Mitte,
+Traurend, aber ohn Verzagen.
+
+Als den Wagen sie verließen,
+Kehrend hin zu den Gesellen,
+Nun die Kinder ihn umschließen
+Rings mit freudgen Blumenwellen.
+
+Zwischen schlanken Lilienstengeln
+Und den zarten Rosenzweigen,
+Rings umwallt von frommen Engeln,
+Zieht er hin mit prächtgem Schweigen.
+
+Und es folget Jacopone;
+Zwischen Pietro und Meliore
+Wanelt mit der Totenkrone
+Rosablanka in dem Chore.
+
+Ihre Locken aufgelöset
+Traurend um die Schultern wehen,
+Ihre Füße sind entblößet,
+Sie muß so zur Buße gehen.
+
+Als sie aus dem Haus geschritten,
+Zog sie Schuh und Strümpfe ab,
+Die sie, auf sein dringend Bitten,
+Pietro zu bewahren gab.
+
+Und im Gurt er sie verstecket,
+Wie beliebten, reichen Schmuck;
+Seines Herzens Schlag erwecket
+Der verehrten Pfänder Druck.
+
+In verschiednem Schmerz befangen
+Diese Viere vor uns schreiten,
+Manche Trän auf frmden Wangen
+Ehrt ihr tränenloses Leiden.
+
+Wie ein Christ scheint Jacopone,
+Der getrost zum Tode gehet,
+Dem die blutge Martyrkrone
+Aus dem Himmel niederwehet.
+
+Hinter ihm kommt Rosablanke,
+Mit der Blumen süßem Glanz,
+Als ob sie vom Himmel schwanke
+Zu ihm mit dem Martyrkranz;
+
+Wie ein Engel ungetrübet,
+Doch umhaucht von irdschem Leid,
+Weil der Herr die Menschen liebet,
+Die um ihn bestehn den Streit.
+
+Ihr zur Rechten Meliore,
+Wie ein unbesiegter Held
+Unter einem Sklavenheere
+Durch der Brüder Leichenfeld.
+
+Er ist nach dem Kranz gesprungen,
+Fesseln haben ihn umringt,
+Er hat selbst das Lied gesungen,
+Das der Feind jetzt um ihn singt.
+
+Aber der ist unbesieget,
+Der ein Dichter und ein Held,
+Weil er in dem Himmel wieget
+Seines Schmerzes giftge Welt.
+
+Und es steigt an seinem Leiden
+Heilend Sonn und Mond empor,
+Unter Sklaven kann er schreiten,
+Wie ein Sänger in dem Chor.
+
+Er ist einsam im Getümmel,
+Und er geht in selgem Traum,
+Und sein Aug steigt zum Himmel
+Ewig von dem irdschen Saum.
+
+Aber Pietro geht zur Linken
+Wie ein armer Schäferknabe,
+Der den Schatz hinab sah sinken,
+Den er mühsam ausgegraben.
+
+Immer sieht er vor sich spielen
+Noch die goldne Zaubertruhe,
+Wo sein Weg auch hin mag zielen,
+Flieht der Schatz ihn ohne Ruhe.
+
+Also muß ein Buhler irren,
+Dem die Buhle ging zu Grab,
+Die aus zaubrischen Geschirren
+Ihm die Liebestränke gab;
+
+Also in dem Venusheere
+Zieht die liebestörge Brut,
+Daß sie ewig sich verzehre,
+Ewig wachs in böser Glut.
+
+Ob sin Blick zur Erde nieder
+Oder auf zum Himmel schwebt,
+Sieht er stets den Rumpf der Hyder,
+Der ein neues Haupt erhebt.
+
+Jede Blume möcht er küssen,
+Die die Jungfrau ihm zur Rechten
+Tritt mit zarten Rosenfüßen,
+Und sich einen Kranz draus flechten,
+
+Und mit solchem Schmerz bekränzet,
+Steigen durch die finstern Felsen,
+Wo kein Stern mehr fröhlich glänzet
+Und sich schwarze Bäche wälzen.
+
+Und an einen bittren Bronnen
+Möcht er trinkend niedersinken,
+Bis zum Ablauf aller Sonnen
+Immer schöpfen, immer trinken,
+
+Und dem Quelle wieder weinen,
+Ihn mit seinem Schmerz berauschen,
+Und zum Felsen dann versteinen
+Und den eignen Schmerz belauschen. --
+
+Diesen folgen nun die Armen,
+All in neues Tuch gekleidet;
+Sterbend hat sie voll Erbarmen
+Ihnen diesen Trost bereitet.
+
+Die Konsulen folgen diesen
+In dem festlichen Ornat,
+Und die Herrn des Rates schließen
+Sich an sie, und der Senat.
+
+Weiter alle Professoren
+Der juristschen Fakultät
+Und Magister und Doktoren,
+In der Hand das Samtbarett.
+
+Und nun treten die Pedelle
+Mit den Silberstäben her,
+Der Studenten Mareschälle
+Und so fort ihr ganzes Heer.
+
+In den schwarzen Mänteln steckten
+Pursch ealler Nationen,
+Kandidaten der Pandekten,
+Helden der Institutionen.
+
+Alle seine Schüler ehrten
+Jacopones schweres Leid,
+So beschlossen und vermehrten
+Sie das prächtige Geleit.
+
+Und so schlingt der Zug der Trauer
+Sich durch lange Straßen hin
+Und ergießt sich durch die Schauer,
+Aber alle ehren ihn.
+
+Doch dort auf des Marktes Mitte
+Ist ein heftiges Bewegen,
+Alles wendet seine Schritte
+Einem neuen Bild entgegen.
+
+Als der Sarg zur Stelle schreitet,
+Trat zum Zuge her Apone
+Mit Biondetten, frech gekleidet,
+Dich zum armen Jacopone.
+
+Und ein wunderbar Entsetzen
+Bricht durch alle, die sie sahn
+So, mit frechem Zuchtverletzen,
+Sich der frommen Leiche nahn.
+
+Und der ganze Zug sich hemmte;
+Es entstehet ein Gedränge;
+"Weg mit diesem Purpurhemde!"
+Schreit empört die rege Menge.
+
+Doch will keiner sie ergreifen,
+Weil sie so satanisch gleißet,
+Und wo ihre Augen schweifen,
+Alle Sinne sie zerreißet.
+
+In den Wogen ihres Busens
+Alle Sünder untertauchen,
+Und wie Schlangenhaar Medusens
+Ihre Locken Schrecken hauchen.
+
+Über Apos greisem Haupte
+Die zwei Nachtigallen schweben,
+Weil er ihre Herrin raubt,
+Ihre Klage laut erheben.
+
+Und als sie sich auf der Stirne
+Von Biondetten niedersenken,
+Scheuchet sie die freche Dirne
+Mit des Hauptes freiem Schwenken.
+
+Und so groß ist das Erschrekcen,
+Wie sie so verwandelt sei,
+Daß nicht Achtung konnt erwecken
+RosablankesnHilfsgeschrei,
+
+Der Meliore an der Seite
+Sinnlos sank zur Erde hin,
+Als er sah, Biondette schreite
+Her wie eine Sünderin.
+
+Und sie legt die Totenkrone
+Zu dem Sarge auf den Wagen:
+"Helft, o helft, zu Jacopone
+Mir den kranken Jüngling tragen!" --
+
+"Dahin ist nicht durchzudringen,
+Alles füllt der rege Zug,
+Können wir ihn seitwärts bringen
+Ist es Hilfe schon genug."
+
+Pietro nun mit Rosablanken
+Machen sich im Volke Raum,
+Und er trägt den stillen Kranken
+Zum Altare an dem Baum.
+
+Doch es mehrt sich die Verwirrung,
+Und es steiget auf den Wagen
+Nun der Konsul, dieser Irrung
+Ersten Anlaß zu erfragen.
+
+So erhöhet aus der Menge
+Sieht er Apo und Biondetten,
+Rings in wogendem Gedränge,
+Vor dem Pöbel kaum zu retten.
+
+Und er rufet: "Stille! Stille!
+Um das Heil der Republik!"
+Endlich sieget dann sein Wille,
+Und er spricht mit strengem Blick:
+
+"Wer hat unsern Zug zerrissen?
+Vor uns ruht des Todes Friede,
+Fromm geschmückt, auf schwarzen Kissen,
+Und die Seele ist geschieden.
+
+Und ich seh am Arm des Weisen
+Hier mit unverschämter Stirne
+Unser frommes Fest zerreißen
+Eine sündlich bunte Dirne.
+
+Welch ein Blick, von dieser Leiche
+Zu dem frechen Weib getragen!
+Brücke zu des Teufel Reiche
+Aus dem Himmels Tor geschlagen!
+
+Was verlangst du hier, Apone?
+Bist in Wahnsinn du gefallen?
+Trittst du so einher zum Hohne
+Dir alleinig, oder allen?"
+
+Und Apone ihm erwidert:
+"Spreche, Konsul, nicht so gröblich;
+Rede, die mich hier erniedert,
+Ist nicht ziemlich dir und löblich.
+
+Ich bin dir nicht untergeben,
+Ich bin kein Vasall des Staates,
+Wer kann sich gen mich erheben,
+Als der Rektor des Senates?
+
+Und vor allem mußt du wissen,
+Daß ich, von des Volkes Menge
+Wider Willen fortgerissen,
+Hier gekommen ins Gedränge.
+
+Könnt man doch nicht prächtger trauern,
+Wär die Republik gestorben,
+Die sich in Bolognas Mauern
+Wechselfiebernd hat verdorben.
+
+Da ich all die Glocken hörte
+Rufen, mit der Zunge Erz,
+Gen die Einsamkeit empörte
+Sich im Busen mir das Herz.
+
+Und ich glaubte, man bereite
+Für Biondetten diese Feier,
+Weil sie ausgesagt, sie kleide
+Heut sich in den Nonnenschleier.
+
+Und so führte ich hier nieder
+Meine Freundin von der Zelle,
+Daß sie durch die Macht der Lieder
+Euch, was sie beschloß, erhelle.
+
+Doch die Zeit scheint nicht gelegen,
+Alles fühlt des Todes Schauer,
+Und ich seh auf allen Wegen
+Eine übermäßge Trauer.
+
+Zieht die Republik zu Grabe
+Hier auf unserm Heereswagen,
+Tiefer Leid könnt man nicht tragen,
+Als ich hier gesehen habe.
+
+Sterbt, ihr Bologneser Frauen,
+Tut euch recht zu leben not,
+Denn galanter ist zu schauen
+Als das Leben euer Tod.
+
+Zu dem Wagen, der vor Jahren
+Unsrer Schlachten wunde Helden
+In Triumpfh herangefahren,
+Kann sich nun ein jeder melden.
+
+Ists erhört, in die Monstranzen,
+Wo nur wohnt das Sakrament,
+Eines Weibes Bild zu pflanzen,
+Die im Schauspielhaus verbrennt?
+
+Lambertazzi, Gieremeen,
+Wo ist unsrer Ehre Schutz,
+Wenn die Staatesflaggen wehen
+Über schnöder Leichen Putz?
+
+Rühret euch, ihr tapfern Schläger!
+Von dem Wagen mit dem Weib!
+Mag der falsche Achselträger
+Selbst begraben ihren Leib!"
+
+Also regt mit falschen Reden
+Er des Hasses stille Glut;
+Allen, di um ihn getreten,
+Wallet zürnend auf das Blut.
+
+Und die feindlichen Parteien,
+An den Schwertern mit der Hand,
+Mit verbissnem Maledeien
+Stehn zum Ausbruch angespannt.
+
+In dem Lärm steht unbeweget
+Jacopone; wie ein Felsen
+In dem Meere sich nicht reget,
+Wenn sich Stürme um ihn wälzen.
+
+Doch es wird ihm aufgetragen
+Von dem Konsul nun, zu reden,
+Und so ist er auf den Wagen
+Zu dem Sarge hingetreten.
+
+Doch der Schmerz ihn so durchdringet,
+Daß er sich muß niedersetzen;
+Alle rings sein Leid bezwinget,
+Keiner wagt ihn zu verletzen.
+
+Noch, eh er begann zu sprechen,
+Sah mit wild gehobnen Armen
+Er das dichte Volk durchbrechen
+Seine Freunde, alle Armen.
+
+Und sie schrien mit lauter Stimme:
+"Treibt die Ochsen, fahret zu!
+Bringet trotz des Toren Grimme
+Unsre Mutter jetzt zur Ruh!"
+
+Um den Wagen mit den Kindern
+Klaget Agnus castus laut:
+"Wer will frech den Brautzug hindern
+Einer himmlisch reinen Braut!"
+
+Und das Volk zu beiden Seiten
+Treibt die Stiere mächtig an,
+Und indem sie vorwärts schreiten,
+Zieht die Leiche ihre Bahn.
+
+Daß sich Apo still entferne,
+Läßt der Rektor ihn ermahnen,
+Und der Schergen Morgensterne
+Müssen ihm den Weg schier bahnen,
+
+Bis ihn seine Schüler finden,
+Die ihn nun mit Biondetten
+Eng mit ihrem Kreis umwinden
+Und aus dem Gedränge retten.
+
+Doch es ist das Volk geteilet,
+Viele hinter Apo drängen,
+Der hin zu dem Rathaus eilet;
+Andre sich dem Zug vermengen.
+
+Beide könnte ich geleiten;
+Doch ich gehe zu der Linde,
+Wo ich an Meliores Seiten
+Rosablanken trauernd finde.
+
+Pietro aber steht am Bronnen,
+Und von Eifersucht durchpeint,
+Fühlt er nicht den Strahl der Sonne,
+Die ihm auf den Scheitel scheint.
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Romanzen vom Rosenkranz, by Clemens Brentano
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMANZEN VOM ROSENKRANZ ***
+
+***** This file should be named 18463-8.txt or 18463-8.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ http://www.gutenberg.org/1/8/4/6/18463/
+
+Produced by Karsten Weinert
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
+protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
+charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you
+do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
+practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
+
+
+
+*** START: FULL LICENSE ***
+
+THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
+PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
+
+To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
+distribution of electronic works, by using or distributing this work
+(or any other work associated in any way with the phrase "Project
+Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
+Gutenberg-tm License (available with this file or online at
+http://gutenberg.org/license).
+
+
+Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
+electronic works
+
+1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
+electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
+and accept all the terms of this license and intellectual property
+(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
+the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
+all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession.
+If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
+Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
+terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
+entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
+
+1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
+used on or associated in any way with an electronic work by people who
+agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
+
+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
+individual work is in the public domain in the United States and you are
+located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
+copying, distributing, performing, displaying or creating derivative
+works based on the work as long as all references to Project Gutenberg
+are removed. Of course, we hope that you will support the Project
+Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by
+freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
+this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with
+the work. You can easily comply with the terms of this agreement by
+keeping this work in the same format with its attached full Project
+Gutenberg-tm License when you share it without charge with others.
+
+1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
+what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in
+a constant state of change. If you are outside the United States, check
+the laws of your country in addition to the terms of this agreement
+before downloading, copying, displaying, performing, distributing or
+creating derivative works based on this work or any other Project
+Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning
+the copyright status of any work in any country outside the United
+States.
+
+1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:
+
+1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate
+access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently
+whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the
+phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project
+Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
+copied or distributed:
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived
+from the public domain (does not contain a notice indicating that it is
+posted with permission of the copyright holder), the work can be copied
+and distributed to anyone in the United States without paying any fees
+or charges. If you are redistributing or providing access to a work
+with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
+work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1
+through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
+Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or
+1.E.9.
+
+1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
+with the permission of the copyright holder, your use and distribution
+must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
+terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked
+to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the
+permission of the copyright holder found at the beginning of this work.
+
+1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
+License terms from this work, or any files containing a part of this
+work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
+
+1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
+electronic work, or any part of this electronic work, without
+prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
+active links or immediate access to the full terms of the Project
+Gutenberg-tm License.
+
+1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
+compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any
+word processing or hypertext form. However, if you provide access to or
+distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than
+"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version
+posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org),
+you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
+copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
+request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other
+form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm
+License as specified in paragraph 1.E.1.
+
+1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
+performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
+unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
+
+1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
+access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
+that
+
+- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
+ the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
+ you already use to calculate your applicable taxes. The fee is
+ owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
+ has agreed to donate royalties under this paragraph to the
+ Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments
+ must be paid within 60 days following each date on which you
+ prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
+ returns. Royalty payments should be clearly marked as such and
+ sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
+ address specified in Section 4, "Information about donations to
+ the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
+
+- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
+ you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
+ does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
+ License. You must require such a user to return or
+ destroy all copies of the works possessed in a physical medium
+ and discontinue all use of and all access to other copies of
+ Project Gutenberg-tm works.
+
+- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
+ money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
+ electronic work is discovered and reported to you within 90 days
+ of receipt of the work.
+
+- You comply with all other terms of this agreement for free
+ distribution of Project Gutenberg-tm works.
+
+1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
+electronic work or group of works on different terms than are set
+forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
+both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
+Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
+Foundation as set forth in Section 3 below.
+
+1.F.
+
+1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
+effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
+public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
+collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
+works, and the medium on which they may be stored, may contain
+"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
+corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
+property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
+computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
+your equipment.
+
+1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
+of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
+Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
+Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
+liability to you for damages, costs and expenses, including legal
+fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
+LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
+PROVIDED IN PARAGRAPH F3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
+TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
+LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
+INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
+DAMAGE.
+
+1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
+defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
+receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
+written explanation to the person you received the work from. If you
+received the work on a physical medium, you must return the medium with
+your written explanation. The person or entity that provided you with
+the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
+refund. If you received the work electronically, the person or entity
+providing it to you may choose to give you a second opportunity to
+receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy
+is also defective, you may demand a refund in writing without further
+opportunities to fix the problem.
+
+1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
+
+1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
+warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
+If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
+law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
+
+1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
+providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
+with this agreement, and any volunteers associated with the production,
+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ http://www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
diff --git a/18463-8.zip b/18463-8.zip
new file mode 100644
index 0000000..154b1e7
--- /dev/null
+++ b/18463-8.zip
Binary files differ
diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt
new file mode 100644
index 0000000..6312041
--- /dev/null
+++ b/LICENSE.txt
@@ -0,0 +1,11 @@
+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
+
+Procedures for determining public domain status are described in
+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
+
+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
+this eBook outside of the United States should confirm copyright
+status under the laws that apply to them.
diff --git a/README.md b/README.md
new file mode 100644
index 0000000..67bb532
--- /dev/null
+++ b/README.md
@@ -0,0 +1,2 @@
+Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for
+eBook #18463 (https://www.gutenberg.org/ebooks/18463)