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+The Project Gutenberg EBook of Lebensbeschreibung des k. k. Kapellmeisters
+Wolfgang Amadeus Mozart, by Franz Xaver Niemetschek
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Lebensbeschreibung des k. k. Kapellmeisters Wolfgang Amadeus Mozart
+
+Author: Franz Xaver Niemetschek
+
+Release Date: July 21, 2009 [EBook #29474]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBENSBESCHREIBUNG ***
+
+
+
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Markus Brenner and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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+
+
+
+
+ Lebensbeschreibung
+
+ des
+
+ K. K. Kapellmeisters
+
+ Wolfgang Amadeus Mozart,
+
+ aus
+
+ Originalquellen,
+
+ von
+
+ Franz Xav. Němetschek,
+ Professor an der Universität zu Prag.
+
+
+ Zweite vermehrte Auflage.
+
+
+ Prag 1808,
+ in der Herrlischen Buchhandlung.
+
+
+
+
+Die Nachwelt hat über den Rang bereits entschieden, der _Mozarten_ als
+Künstler gebührt. Einzig, unübertroffen steht er, ein Raphael seiner
+Kunst, unter den glorreichen Genien _Händel_, _Cimarosa_, _Gluck_,
+_Hayden_, oben an; sein Ruhm erfüllt die ganze gebildete Welt.
+
+Aber _Mozart_ als Mensch ist nicht minder interessant: die frühe
+Entwicklung und die schnelle Reife seines wunderbaren Genies biethet dem
+Forscher der menschlichen Natur lehrreichen Stoff zum Nachdenken dar. In
+beider Hinsicht darf sich diese biographische Skizze versprechen der
+Aufmerksamkeit des Publikums nicht unwerth zu seyn.
+
+
+
+
+ I.
+
+ Die Jugend Mozarts.
+
+
+Der Vater dieses außerordentlichen Genies, Leopold Mozart, war der Sohn
+eines Buchbinders zu Augsburg; er studirte zu Salzburg, und kam im Jahre
+1743 als Hofmusikus in die fürstl. Kapelle. Sein Talent verbunden mit
+einem rechtschaffenen Charakter verschaffte ihm 1762 die Stelle des
+zweiten Kapellmeisters. Er war mit Anna Bertlinn verheurathet; beyde
+waren von einer so vortheilhaften Körpergestalt, daß man sie zu ihrer
+Zeit für das schönste Ehepaar in Salzburg hielt.
+
+Leopold Mozart beschäftigte sich mit dem Hofdienste, die übrigen Stunden
+wendete er auf Komposition und Violinunterweisung. Welch ein
+vorzüglicher Kenner dieses Instruments er gewesen sey, beweiset die
+allgemein bekannte _Violinschule_, die er 1766 herausgab, und die im
+Jahre 1770, und zu unserer Zeit das drittemal in Wien aufgelegt wurde.
+
+Er zeugte 7 Kinder; aber nur 2 blieben am Leben; ein Mädchen und ein
+Knabe. Der Sohn der im Jahr 1756 am 27sten Jänner gebohren ward, hieß
+Wolfgang Gottlieb, oder _Amadeus_; die Schwester, die älter war, Maria
+Anna.
+
+Da der Vater bald an den beyden Kindern ein vorzügliches Talent zur
+Musik bemerkte, so gab er alle Lektionen und auswärtige Geschäfte außer
+seinem Dienste auf, und widmete sich ausschließlich der musikalischen
+Erziehung dieses Kinderpaares.
+
+Dieser vortrefflichen Leitung muß der ungewöhnlich hohe Grad der
+Vollkommenheit, zu dem Mozarts Genie sich so bald empor schwang,
+zugeschrieben werden. Die Natur vermag freylich viel – aber verwahrlost,
+oder zu einer andern Richtung gezwungen, verliert sie vieles von ihrer
+ursprünglichen Kraft. Auf die ersten Ideenreihen und Eindrücke kommt es
+bekanntermaßen bey der Erziehung der Kinder am meisten an; denke man
+sich nun ein so großes natürliches Talent, als Mozart besaß, in so
+günstigen Umständen, so wird man bald von dem Erstaunen, in welches uns
+das Unbegreifliche seiner Aeußerungen und Begebenheiten versetzt, zurück
+kommen, und den Thatsachen, die ich zu erzählen im Begriffe bin, gern
+Glauben beimessen. Die ersten Eindrücke, die sein Ohr auffaßte, waren
+Harmonien und Gesang; Musik waren die ersten Worte und Ideen, die er
+begriff! So mußte der himmlische Funke, den die Gottheit in den Busen
+dieses den Tönen geweihten Knaben gelegt hatte, sehr früh aufwachen und
+in helle Flammen schlagen. Die gründlichen Kenntnisse seines sorgsamen
+Vaters kamen überall dem aufwachenden Genie entgegen; so wuchs er auf,
+so reifte er schneller, als die bloße Natur zu reifen vermag.
+
+Mozart war eben 3 Jahr alt, als seine 7 jährige Schwester den ersten
+Unterricht auf dem Klaviere bekam; und hier äußerte sich zuerst das
+Genie des Knaben. Er setzte sich oft freywillig zu dem Klavier und
+beschäftigte sich stundenlang mit der Zusammenstimmung der _Terzen_, die
+er dann, wenn er sie fand, anschlug, und in lebhafte Freude ausbrach.
+Nun fing also der Vater an ihm leichte Stücke spielend beyzubringen; und
+er fand zu seinem freudevollen Erstaunen, daß der Schüler alle
+menschliche Erwartung übertraf; er lernte gewöhnlich in einer Stunde ein
+Menuet, oder ein Liedchen, und trug es dann mit dem angemessenen
+Ausdrucke vor.
+
+Jeder Leser wird es wahrscheinlich finden, wenn ich sage, daß der
+kleine Mozart, das lebhafteste Temperament, und ein sehr zärtliches
+Gefühl hatte. Seinen kindischen Spielen ergab er sich mit einer
+Innigkeit, die ihn auf alles übrige vergessen ließ, und Liebe für alle
+Personen die um ihn waren, oder sich mit ihm abgaben war sein
+herrschender Hang; er fragte jeden, der mit ihm umgieng, ob er ihn lieb
+habe, und vergoß gleich Zähren, wenn man es scherzweise verneinte.
+
+Ueberhaupt ergab sich Mozart schon als Kind und Knabe allen Dingen und
+Personen, an denen sein Geist Interesse fand, mit der ganzen warmen und
+lebhaften Innigkeit, deren ein so zartorganisirter Mensch fähig ist.
+Dieser Zug blieb stets auch an dem Manne das unterscheidende Merkmal –
+und war oft sein Unglück.
+
+Im 6ten Jahre kam er schon in der Musik so weit, daß er selbst kleine
+Stücke auf dem Klavier komponirte, die dann sein Vater in Noten setzen
+mußte. Von diesem Zeitpunkte an empfand er nichts so lebhaft, als Töne,
+und jede andere Spielerey, die sonst Kinder freut, war ihm gleichgiltig,
+sobald nicht Musik dabey war.
+
+Die täglichen Fortschritte die er darinn machte, setzten oft den Vater,
+der doch beständig um ihn war, und jeden Schritt beobachtete, in das
+überraschendeste Erstaunen; denn es waren nicht Fortschritte eines
+gewöhnlichen geschickten Lehrlings, sondern Riesenschritte eines Genies,
+dessen Größe selbst sein Vater und Erzieher nicht ahnden konnte, weil
+seine Entwickelung und Aeußerung auch den größten Erwartungen zuvor kam.
+Folgende Begebenheit, die auch Schlichtegroll in seinem Nekrolog
+erzählt, und die mir von mehreren Personen bestättiget wurde, mag zum
+Beweise dienen.
+
+Als Wolfgang ungefähr im 6ten Jahre seines Alters war, kam einst sein
+Vater, aus der Kapelle mit einem Freunde nach Hause zurück; sie trafen
+den kleinen Tonkünstler mit der Feder in der Hand beschäftiget an. Der
+Vater fragte ihn was er denn mache.
+
+_Wolfg._ Ein Conzert fürs Klavier.
+
+_Vat._ Laß sehen; das wird wohl was Sauberes seyn.
+
+_Wolfg._ Es ist noch nicht fertig.
+
+Nun nahm es der Vater in die Hand, und fand ein Geschmiere von Noten und
+ausgewischten Tintenflecken; denn der kleine Komponist wußte mit der
+Feder noch nicht recht umzugehen; er tauchte sie zu tief in der Tinte
+ein und machte dann freylich immer Flecke auf das Papier, die er mit der
+Hand auswischte, und so weiter darauf fortschrieb. Als aber der Vater
+etwas aufmerksamer die Komposition betrachtete, blieb sein Blick vom
+angenehmen Erstaunen und einer unbeschreiblichen Rührung darauf
+gefesselt, und helle Thränen der Freude traten in seine Augen.
+
+Sehen Sie Freund! sprach er dann lächelnd, wie alles richtig und nach
+den Regeln gesetzt ist; nur kann man es nicht brauchen, weil es so
+schwer ist, daß es sich nicht spielen läßt.
+
+_Wolfg_. Dafür ist es auch ein Konzert; man muß so lange exerzieren, bis
+man es heraus bringt. Sehen Sie, so muß es gehen.
+
+Hier fieng er es an zu spielen, konnte aber auch selbst kaum so viel
+vorbringen, als man erkennen konnte, was seine Gedanken gewesen sind.
+Denn er hatte die Meynung, ein Conzert spielen, und Mirakel wirken sey
+alles eins.
+
+Zu dieser Zeit hatte es der Knabe schon so weit in der Musik gebracht,
+daß der Vater ohne Bedenken auch das Ausland zum Zeugen der
+außerordentlichen Talente seines Sohnes machen konnte.
+
+Die erste Reise, die er mit ihm und seiner Schwester unternahm, war nach
+München, im Jahre 1762. Hier spielte Wolfgang vor dem Churfürsten ein
+Conzert, und erndete sammt seiner Schwester die größte Bewunderung ein.
+
+Die zweyte Reise geschah im Herbste des nemlichen Jahres, also auch im
+6ten Jahre seines Alters nach Wien, wo die beyden kleinen Virtuosen dem
+kaiserlichen Hof vorgestellet wurden.
+
+Eine verehrungswürdige Dame, die damals am Hofe war, versicherte mich,
+daß beyde Kinder ein allgemeines Erstaunen erregt haben; man konnte kaum
+seinen Augen und Ohren trauen, wenn sie sich produzirten. Vorzüglich hat
+der verewigte Schätzer der Künste, Kaiser Franz I. an dem kleinen
+Hexenmeister, (wie er ihn scherzweise nannte,) viel Wohlgefallen
+gefunden. Er unterhielt sich vielmal mit ihm. Alle Anekdoten die Herr
+Schlichtegroll bey dieser Gelegenheit erzählet, sind mir als wahr
+bestättiget worden.
+
+Der Kaiser hat unter andern mit ihm gescherzt, es seye wohl keine so
+außerordentliche Kunst zu spielen; wenn man auf die Klaviatur schauen
+kann, aber bey verdeckter Klaviatur – das wäre etwas? Mozart war damit
+nicht in Verlegenheit gesetzt: er läßt sich die Klaviatur bedecken und
+spielt eben so gut, wie vorher.
+
+Auch dieß sey noch nichts besonderes, versetzte der Kaiser, wenn man mit
+allen Fingern spielt; aber mit einem einzigen zu spielen, das wär erst
+Kunst.
+
+Auch diese Zumuthung machte den Knaben nichts weniger als verlegen – er
+versuchte es mit Entschlossenheit auf der Stelle, und spielte zur
+Verwunderung mehrere Stücke auf diese Art mit Nettigkeit aus. Schon
+damals äußerte er einen Charakterzug, der ihm stets eigen geblieben
+ist; nemlich die Verachtung alles _Lobes_ der Großen, und eine gewisse
+Abneigung vor Ihnen, wenn sie nicht Kenner zugleich waren, zu spielen.
+Mußte er es dennoch, so spielte er nichts als Tändeleyen, Tanzstücke
+u. d. gl. unbedeutende Sachen. Aber, wenn Kenner zugegen waren, so war
+er ganz Feuer und Aufmerksamkeit.
+
+Diese Eigenheit behielt er bis zu seinem Tode, wie wir es bey seinem
+dreymaligen Aufenthalt in Prag sehr oft erfahren haben.
+
+So geschah es auch damals bey dem Kaiser Franz. Als er sich zum Klavier
+setzte um ein Konzert zu spielen, und der Kaiser bey ihm stand, sagte
+Mozart: »Ist Herr Wagenseil nicht hier? der versteht es.« Wagenseil kam,
+und der kleine Virtuose sagte: »Ich spiele ein Conzert von Ihnen, Sie
+müssen mir umwenden.«
+
+Auch folgende Anekdote kann vielleicht zu seiner Schilderung beitragen.
+
+Unter allen Erzherzoginnen nahm ihn Antoinette, die nachmalige Königinn
+von Frankreich am meisten ein, und er hatte eine besondere Zärtlichkeit
+für sie. Als er einst in den Zimmern der höchstseligen Kaiserinn Maria
+Theresia war, und von den kleinen Prinzen und Prinzessinnen herum
+geführt wurde, hatte er das Unglück, des Gehens am geglätteten Fußboden
+ungewohnt, zu fallen. Niemand war geschäftiger ihm beyzuspringen und
+aufzuhelfen, als die kleine Erzherzoginn Antoinette; dieß rührte sein
+kleines Herz so sehr, daß er gerade zu der Monarchin eilte, und mit viel
+Begeisterung die Güte des Herzens dieser Prinzessinn erhob. Wer hätte
+einem solchen Kinde nicht gut werden sollen?
+
+Die beyspiellose Fertigkeit, mit welcher er das Klavier behandelte, und
+der hohe Grad der Kenntniß der Kunst, die er in einem Alter erreichte,
+wo Kinder sonst noch kaum einen Kunsttrieb äußern, war bewundernswürdig
+genug; ja es ließ sich wohl kaum etwas Größers erwarten. Aber der
+wunderbare Geist der Töne, der in ihn von dem Schöpfer gelegt ward,
+schritt alle gewöhnliche Schranken über, und ging, da er einmal erwacht
+war, allem Unterrichte voran. Was man ihn lehren wollte, das war seinem
+Geiste schon wie bekannt, und er schien sich nur daran zu besinnen!
+
+Der Unterricht diente ihm also nur als Reizmittel, und zur Berichtigung
+des Geschmackes.
+
+_Mozart_ spielte bisher kein anderes Instrument als das Klavier; aber er
+konnte auch schon geigen, bevor es sein Vater wahrnahm, oder ihm irgend
+eine Anweisung auf der Violine gegeben hatte. Ich will den Vorfall, der
+dieses offenbarte mit den Worten des Nekrologes erzählen. – »Mozart
+hatte aus Wien eine kleine Geige mitgebracht, die er dort geschenkt
+bekommen hatte. Kurz als die Familie wieder nach Salzburg zurück gekehrt
+war, kam _Wenzl_ ein geschickter Geiger und Anfänger in der Komposition
+zu dem Vater Mozart, und bath sich dessen Erinnerungen über 6 Trios aus,
+die er während der Abwesenheit der Mozartischen Familie gesetzt hatte.«
+
+»_Schachtner_, ein noch lebender Hoftrompeter in Salzburg, den der
+kleine Mozart besonders liebte, war eben gegenwärtig. Der Vater,« so
+erzählte dieser glaubwürdige Augenzeuge, »spielte mit der Viola den Baß,
+Wenzl die erste Violin, und ich sollte die zweyte spielen. Der kleine
+Wolfgang bath, daß er doch die zweyte Violin spielen dürfte. Aber der
+Vater verwieß ihm seine kindische Bitte, weil er noch keine ordentliche
+Anweisung auf der Violin gehabt hätte und daher unmöglich etwas Gutes
+herausbringen könnte. Der Kleine erwiederte, daß, um die 2te Violin zu
+spielen man es ja wohl nicht erst gelernet zu haben brauche; aber der
+Vater hieß ihn halb in Unwillen davon gehen und ihn nicht weiter stören.
+Der Kleine fing an bitterlich zu weinen, und lief mit seiner kleinen
+Geige davon. Ich bath, man möchte ihn doch mit mir spielen lassen;
+endlich willigte der Vater ein, und sagte zu ihm: Nun so geige nur mit
+Herrn Schachtner, jedoch so stille, daß man dich nicht höre, sonst mußt
+du gleich fort. Wir spielten und der kleine Mozart geigte mit mir, doch
+bald bemerkte ich, daß ich da ganz überflüssig sey. Ich legte meine
+Geige weg und sah den Vater an, dem bey dieser Scene Thränen der
+gerührten Zärtlichkeit aus dem väterlichen Auge über die Wangen rollten.
+So spielte Wolfgang alle 6 Trios durch. Nach deren Endigung wurde er
+durch unsern Beyfall so kühn, daß er behauptete, auch die erste Violin
+spielen zu können. Wir machten zum Scherz einen Versuch, und mußten
+herzlich lachen, als er auch diese, wiewohl mit lauter unrechten und
+unregelmäßigen Applikaturen, doch aber so spielte, daß er nie völlig
+stecken blieb.«
+
+Mit welcher bewundernswürdigen Genauigkeit sein Ohr auch den feinsten
+Unterschied der Töne maß, wie unglaublich sicher sein Gedächtniß Töne
+behielt, beweiset folgender Vorfall, der sich fast um gleiche Zeit
+ereignete.
+
+_Schachtner_, der erwähnte Freund des Mozartschen Hauses, und der
+Liebling des kleinen Wolfgangs, besaß eine Violin, die dieser ihres
+sanften Tones wegen vorzüglich liebte, und die Buttergeige nannte. Er
+spielte eines Tages darauf. In einigen Tagen kam Schachtner wieder, und
+traf den Wolfgang auf seiner eigenen kleinen Geige phantasirend an.
+
+»Was macht ihre Buttergeige?« sagte Wolfgang und fuhr in seiner
+Phantasie fort. Nach einer kleinen Pause, wo er sich auf etwas zu
+besinnen schien, sagte er weiter:
+
+Wenn sie aber nur ihre Geige immer in gleicher Stimmung ließen; sie war
+das letztemal, als ich auf ihr spielte, um einen Viertelton tiefer, als
+meine da. Man lächelte über diese dreiste Behauptung in einer Sache, wo
+das geübteste Künstlerohr kaum einen Unterschied zu bemerken im Stande
+ist.
+
+Der Vater aber, der schon oft durch ähnliche Aeußerungen des großen
+Tongefühls seines Sohnes überrascht wurde, hält es der Mühe werth die
+Angabe zu prüfen. Die Geige wird gebracht, und zum allgemeinen Erstaunen
+traf die Angabe mathematisch richtig ein.
+
+Bey allen diesen Fertigkeiten, bey diesem außerordentlich großen Talent,
+besaß der kleine Mozart einen Fleiß, der für seinen zarten Körperbau
+vielleicht zu groß war. Man mußte ihn Abends vom Klavier wegrufen, oft
+mit Ernst wegjagen, sonst hätte ihn die aufgehende Sonne vielleicht noch
+bey demselben angetroffen.
+
+Diese Vergessenheit seiner selbst, wenn er sich mit Musik beschäftigte,
+blieb ihm bis an sein Ende eigen; er saß täglich am Fortepiano bis in
+die späte Nacht. Ein sicheres Kennzeichen des Genies, welches seinen
+Gegenstand immer mit der ganzen Kraft der Seele umfaßte, und seiner
+selbst vergaß.
+
+Man darf jedoch nicht glauben, daß er nicht auch zu andern Sachen fähig
+war; alles was er lernte, begriff er leicht, und ergab sich dem
+Gegenstande mit einem Eifer und Feuer, dessen Grund in seiner
+empfindsamen Organisation lag. So bemahlte er Stühle, Tische und den
+Fußboden mit Ziffern, als er rechnen lernte, und dachte und redete von
+nichts andern, als von arithmetischen Aufgaben; er ward nach der Zeit
+einer der geübtesten Rechenmeister.
+
+Dabey war er so gehorsam und nachgiebig gegen seine Eltern, daß man nie
+sinnlicher Strafen bedurfte, und daß er selbst keine Eßwaare ohne
+Erlaubniß des Vaters annahm oder verzehrte.
+
+Sobald sein großes Talent etwas bekannt wurde, so mußte er oft ganze
+Tage sich vor Fremden hören lassen: und doch zeigte er nie Unwillen,
+wenn ihn der Befehl seines Vaters wieder an das Klavier gehen hieß.
+Gegen seine Gespielen war er immer voll Freundlichkeit und Wohlwollen,
+und hieng an ihnen mit der ganzen großen Zärtlichkeit seines Herzen;
+selbst in kindischen Unterhaltungen zeigte sich sein Geist der Musik,
+von der immer etwas mit dabey seyn mußte.
+
+Im siebenten Jahre seines Alters, das ist, im Jahr 1763 machte Mozart
+mit seinen beyden Kindern die erste größere musikalische Reise in
+Deutschland. Durch diese wurde der Ruhm des jungen Meisters allgemein
+verbreitet. Er zeigte seine Talente und Fertigkeiten vorzüglich in
+_München_, wo er auch ein Violin-Konzert vor dem Churfürsten spielte und
+dazu aus dem Kopfe präambulirte; dann in _Augsburg_, _Manheim_, _Mainz_,
+_Frankfurt_, _Koblenz_, _Kölln_, _Achen_ und _Brüssel_.
+
+Von da giengen sie im November nach Frankreich, wo sich die Familie
+21 Wochen aufhielt. Zu Versailles ließ sich der kleine 8 jährige Mozart
+in der königl. Kapelle vor dem Könige und dem ganzen Hofe auf der Orgel
+hören. Man schätzte zu dieser Zeit sein Orgelspiel noch höher als das
+Klavierspiel.
+
+In Paris gaben sie zwei Akademien fürs Publikum, wovon die Folge war,
+daß alsogleich der Vater sammt den beyden Kindern in Kupfer gestochen
+erschienen, und daß man allgemein in Bewunderung und Lobeserhebung
+derselben wetteiferte. Hier gab auch Wolfgang Mozart seine ersten
+Kompositionen in Stich heraus. Das erste Werk dedicirte er der Madame
+Viktoire, der zweyten Tochter des Königs, das andere der Gräfinn Tesse.
+Es sind Sonaten für das Klavier.
+
+Von Paris ging die Familie den 10. April 1764 nach England. Noch in
+demselben Monate ließen sich die Kinder vor der königlichen Familie
+hören; so auch im folgenden, wobei zugleich Mozart auf der Orgel des
+Königs spielen mußte. Darauf gaben sie ein großes Konzert für das
+Publikum zu ihrem Besten; ein anderes zum Nutzen des Hospitals der
+Wöchnerinnen: in beyden waren alle Sinfonien von der Komposition des
+Sohnes. Dann spielten sie noch einmal vor dem König und dem vornehmsten
+Adel.
+
+Der ungewöhnliche Beyfall und die Bewunderung, zu welcher solche
+Wundertalente das Publikum überall hingerissen haben, waren für den
+jungen Mozart Antrieb und Reiz sich immer vollkommener zu machen. Er
+sang auch mit der größten Empfindung Arien – und es war gewiß ein
+rührendes Schauspiel dieses kleine Virtuosenpaar auf 2 Klavieren
+konzertieren, oder im Gesange wetteifern zu hören! der Sohn war schon so
+weit in der Kunst gekommen, daß er die schwersten Stücke von den größten
+Meistern vom Blatte wegspielen konnte; in Paris und London legte man ihm
+Sachen vom _Händel_ und _Bach_ vor, die er mit Akkuratesse und dem
+angemessenen Vortrage zur Verwunderung jedes Kenners vom Blatt
+wegspielte.
+
+Als er bei dem Könige von England spielte, legte man ihm unter andern
+einen _bloßen Baß_ vor, wozu er auf der Stelle eine vortreffliche
+Melodie erfand und zugleich vortrug.
+
+Während dieses Aufenthalts in England schrieb er 6 Klavier-Sonaten, die
+er in London stechen ließ und der Königin dedizirte.
+
+Den Sommer des Jahrs 1765 brachte die Familie in _Flandern_, _Brabant_
+und _Holland_ zu. Während einer gefährlichen Krankheit, (_Blattern waren
+es_), welche die beyden Kinder einige Monathe lang auf das Krankenbette
+fesselte, fing Wolfgang andere 6 Klavier-Sonaten an; und als er sie nach
+der Krankheit vollendet hatte, ließ er sie stechen, und dedizirte sie
+der Prinzessin von Nassau-Weilburg. In dieser Krankheit zeigte sich die
+immer rege Thätigkeit seines harmonischen Geistes sehr auffallend: denn
+da er das Bette nicht verlassen durfte, so mußte man ihm ein Brett über
+das Lager richten, auf welchem er schreiben konnte; und selbst als seine
+kleinen Finger noch voll Pocken waren, konnte man ihn kaum vom Spielen
+und Schreiben abhalten. Diese Anekdote ist aus dem Munde eines sehr
+glaubwürdigen Zeugen.
+
+Zu dem Installationsfeste des Prinzen von Oranien, im Anfange des Jahrs
+1766, setzte der junge Mozart einige Sinfonien, Variationen und Arien.
+
+Nachdem er einigemal bey dem Erbstatthalter gespielt hatte, gieng die
+Familie wieder nach Frankreich, blieb einige Zeit in _Paris_, und reiste
+über _Lyon_ und die _Schweiz_ nach _Schwaben_, wo sie einige Zeit in
+Donaueschingen bey dem Fürsten von Fürstenberg verweilten, und dann zu
+Ende des Jahrs 1766 nach einer Abwesenheit von 3 Jahren wieder in
+Salzburg eintrafen.
+
+Hier blieb nun die Mozartische Familie mehr als ein Jahr in Ruhe. Diesen
+Zeitraum der Musse wendete der junge Künstler auf das höhere Studium der
+Komposition, deren größte Tiefen er nun bald ergründet hatte. _Emmanuel
+Bach_, _Hasse_ und _Händel_ waren seine Männer – ihre Werke sein
+unablässiges Studium! Er vernachlässigte auch nicht die alten
+italienischen Meister, deren Vorzüge in Rücksicht der Melodie und der
+Gründlichkeit des Satzes so auffallend gegen die heutigen Italiener
+abstechen. So schritt er immer näher zu der Stufe der Vollkommenheit,
+auf der ihn bald darauf die Welt als eine seltene Erscheinung erblickte.
+
+Im folgenden Jahre 1768 gieng Mozart nach Wien und spielte vor dem
+Kaiser _Joseph_, der dem 12 jährigen Knaben den Auftrag gab, eine #Opera
+buffa# zu schreiben. Sie hieß #La finta semplice#, und erhielt den
+Beyfall des Kapellmeisters Hasse und Metastasios, wurde aber nicht
+aufgeführt.
+
+Bey diesem Aufenthalte zu Wien war er oft bey dem Dichter Metastasio,
+der ihn sehr liebte, bey dem Kapellmeister Hasse und dem Fürsten
+Kaunitz; hier gab man ihm oft die erste beste italienische Arie, zu
+welcher Wolfgang auf der Stelle in Gegenwart aller Anwesenden die Musik
+mit allen Instrumenten setzte. Dieses Faktum bestättigen mehrere noch
+lebende verehrungswürdige Zeugen, aus deren Mund ich die Anekdote gehört
+habe.
+
+Zu der Einweihung der Kirche des Waisenhauses, welche zu dieser Zeit
+gefeyert wurde, komponirte der zwölfjährige Meister Mozart die
+Kirchenmusik, und dirigirte ihre Aufführung in Gegenwart des ganzen
+kaiserlichen Hofes.
+
+Das Jahr 1769 brachte er mit seinem Vater in Salzburg zu, theils in
+vollkommener Erlernung der italienischen Sprache, theils in der
+Fortsetzung des höhern Studium seiner Kunst. In demselben Jahre wurde er
+zum Konzertmeister bey dem Salzburgischen Hofe ernannt.
+
+Mozart hatte nun die ansehnlichsten Länder Europens gesehen; der Ruhm
+seines großen, früh gereiften Künstlertalents blühte bereits von den
+Ufern der Donau bis zur Seine und der Themse hin; aber er war noch nicht
+in dem Vaterlande der Musik gewesen. Italiens Beyfall und Bewunderung
+mußte erst der Urkunde seines Ruhmes das Siegel aufdrücken. Auch war es
+seinem nach Vollkommenheit strebenden Geiste daran gelegen, die Blüthe
+der Tonkunst – den Gesang in seinem natürlichen Boden zu beobachten, und
+die vielen großen Männer, die damals noch Italiens Ruhm in der Musik
+stützten, zu kennen – und von ihnen zu lernen.
+
+Im Dezember des nämlichen Jahres verließ also Mozart blos in Begleitung
+seines Vaters, Salzburg. Sein erster Aufenthalt war Inspruck, wo er in
+einer Akademie bey dem Grafen Künigl ein Konzert #primi vista# mit
+vieler Leichtigkeit spielte. Von da giengen sie nach Mailand.
+
+Hatte in Frankreich und England sein großes Genie und die seltenen
+Kunst-Fertigkeiten Bewunderung erregt, so war es in Italien feuriger
+Enthusiasmus, mit dem man ihn aufnahm und erhob! Selbst der mächtige
+Nationalstolz, und das Vorurtheil des Ultramontanismus wich besiegt von
+den glänzenden Talenten des 12 jährigen Knaben; er schien eine
+Erscheinung vom Himmel, ein höherer Genius der Tonkunst zu seyn!
+
+So groß war die Ueberlegenheit seines Genies, daß ihm zu Mailand nach
+einigen öffentlichen Proben seiner Kunst, gleich die #Scrittura# zu der
+#Opera seria# für den künftigen Karneval 1771 gegeben ward. Von da
+reisete er schon im März 1770 nach Bologna – eine Stadt die nebst Neapel
+den größten Ruhm der Musik hatte.
+
+Hier fand der junge Künstler einen enthusiastischen Bewunderer an dem
+berühmten Kapellmeister Pater _Martini_,[1] dem größten Kontrapunktisten
+und einem berühmten Schriftsteller in der Musik. Künstler von wahrem
+Verdienst ehren einander überall! Auch haben es die Italiener nicht nur
+an Mozart, sondern auch an unserm Landsmann Misliweczek bewiesen, daß
+sie große Talente, wenn sie auch außer Italien entsprossen sind, zu
+schätzen verstehen. Wie groß war die Achtung, in der dieser berühmte
+Böhme in Neapel und Rom stand?
+
+ [Fußnote 1: Anmerkung: Ohne meine Erinnerung werden die Leser
+ einsehen, daß dieser Martini mit dem Opernkomponisten Martini,
+ dem Verfasser der #Cosa rara#, nicht zu verwechseln sey.]
+
+Abbate _Martini_ war nebst den andern Kapellmeistern außer sich vor
+Bewunderung, als der junge Mozart über jedes Fugenthema, das ihm Martini
+hinschrieb, die gehörige Eintheilung und Disposition nach der ganzen
+Strenge der Kunst angab, und die Fuge augenblicklich auf dem Klavier
+ausführte.
+
+Zu Florenz fand man bey seiner Gegenwart alles, was der Ruf von seinen
+Talenten sagte, zu gering, als Mozart bey dem #Marchese Ligneville#
+ebenfalls einem großen Kontrapunktisten, jedes angegebene Thema auf der
+Stelle vortrefflich ausführte – jede vorgelegte Fuge, mit einer
+Leichtigkeit vom Blatte wegspielte, als hätte er sie selbst komponirt.
+Und wie wahr es ist, daß treffliche Geister einander verstehen und ihre
+Verwandschaft bald anerkennen, zeuget die Bekanntschaft, die Mozart hier
+in Florenz mit einem jungen Engländer _Thomas Linley_, einem Knaben von
+14 Jahren gemacht hatte. Er war der Schüler des berühmten Violonisten
+Nardini, schon selbst Virtuose und Meister seines Instrumentes. Sie
+wurden bald innige vertraute Freunde; ihre Freundschaft aber war nicht
+Knaben Anhänglichkeit, sondern die Zärtlichkeit zweyer tieffühlenden,
+übereinstimmenden Seelen! sie achteten sich als Künstler, und führten
+sich auf wie Männer! Wie bitter war ihnen der Tag ihrer Trennung? Linley
+brachte Mozarten am Tage der Abreise noch ein Gedicht, das er von der
+Dichterin _Corilla_ auf ihn hatte verfertigen lassen, schied unter
+vielen Umarmungen und Thränen von ihm, und begleitete seinen Wagen unter
+beständigen Aeußerungen der zärtlichsten Betrübniß bis vor die Stadt.
+
+Von Florenz reisete Vater und Sohn nach Rom; sie kamen eben in der
+Charwoche an. Hier hatte nun Mozart Gelegenheit genug die vielen
+Meisterstücke der erhabensten Kirchenmusik zu hören, die in dieser
+heiligen Zeit bey der ernsten Feyer der Welterlösung aufgeführt werden.
+Den ersten Rang darunter verdiente das berühmte _Miserere_, welches
+Mittwochs und Freytags diese Woche in der sixtinischen Kapelle blos von
+Vokalstimmen gesungen wird, und das in dem _erhabenen, feyerlichen_
+Kirchengesange das #non plus ultra# der Kunst seyn soll; so zwar daß es
+den päpstlichen Musikern unter der Strafe der Exkommunikation verbothen
+ward, eine Kopie davon zu machen.
+
+Dieß gab dem jungen Mozart den Gedanken ein, bei der Anhörung desselben
+recht aufmerksam zu seyn, und es dann zu Hause aus dem Gedächtnisse
+aufzuschreiben. Es gelang ihm über alle Erwartung; er nahm den Aufsatz
+am Charfreytage zur Wiederholung desselben mit, um im Stande zu seyn
+Verbesserungen zu machen, und das Mangelhafte zu ergänzen.
+
+Bald verbreitete sich der Ruf davon in Rom, und erregte allgemeines
+Aufsehen und Erstaunen; besonders, da es Mozart in einer Akademie
+aufführte, wobey der Kastrat Christophori zugegen war, welcher es in der
+Kapelle gesungen hatte, und durch sein Erstaunen Mozarts Triumph
+vollkommen machte.
+
+Wer es einsieht, welchen Aufwand von Kunst eine so vielstimmige,
+kritische Choralmusik erfodert, der wird mit Recht durch diese
+Begebenheit in Erstaunen gesetzt. Welch ein Ohr, Gedächtniß, Tongefühl –
+welche Kenntniß des Satzes war das, die vermögend war, ein solches Werk
+sogleich zu fassen und so vollkommen zu behalten? Dieß zu können, mußte
+ein höheres Maß von Kräften vorhanden seyn, als man gewöhnlich
+anzutreffen pflegt.
+
+In Neapel, wohin er sich aus Rom begab, fand Mozart nicht weniger
+Bewunderer, als in den andern Städten Italiens; denn jeder unbefangene
+Zuhörer mußte seinem Genie huldigen. Mozart riß später als Mann mit der
+Allgewalt seiner Kunst jedes gefühlvolle Herz hin: was mußte den
+Zuhörern in Italien geschehen, die einen Knaben sahen und den
+vollendetesten Künstler hörten? – Sie hielten ihn für einen Zauberer:
+der war nun Mozart freylich: aber die magische Kraft lag nicht in seinem
+Ringe, wie man in Neapel wähnte; denn als er ihn auf Verlangen der
+Zuhörer weglegte, war sein Spiel nicht weniger bezaubernd, als zu vor.
+Man denke sich nun das Erstaunen und die Bewunderung der lebhaften
+Italiener? Von Neapel kehrte Mozart, mit einem Rufe, der nur _selten_
+einem Künstler vorangeht, nach Rom zurück. Der Papst durch alle die
+Wunder der Kunst aufmerksam gemacht, wollte den jungen Kapellmeister
+sehen. Er ward ihm vorgestellt, und erhielt das Kreuz und Breve als
+Ritter #militiae auratae#.
+
+Auf seiner Rückreise von Rom nach Mayland, hielt er sich wieder eine
+kurze Zeit zu Bologna auf, wo er mit einstimmiger Wahl als Mitglied und
+Maestro der philharmonischen Akademie aufgenommen wurde. Zur Prüfung
+bekam er eine vierstimmige Fuge im Kirchenstil auszuarbeiten; man schloß
+ihn deshalb in ein Zimmer ganz allein ein. Er war damit in einer halben
+Stunde fertig und erhielt das Diplom.
+
+In allen diesen Städten wurden ihm Opern-Akkorde für den nächsten
+Fasching angetragen; da er aber bereits für Mailand versprochen war, so
+mußte er sie alle ausschlagen. Daher eilte er dahin zu kommen. Seine
+Oper unter dem Titel: #Mitridate# kam noch zu Ende des Jahres 1770, den
+26. Dezember auf die Scene; sie erhielt allgemeinen Beyfall und ward
+zwanzigmal nacheinander aufgeführt. Eben darum wurde mit ihm alsogleich
+schriftlichen Akkord auf die #Opera seria# für den Karneval von 1773
+eingegangen. Sie hieß, #Lucio Sulla# und erhielt einen noch größern
+Beyfall als #Mitridate#, denn sie wurde 26mal ohne Unterbrechen
+aufgeführt.
+
+Auf seiner Rückreise aus Italien im J. 1771, besuchte er noch Venedig
+und Verona; hier überreichte man ihm auch das Diplom als Mitglied der
+philharmonischen Gesellschaft.[2] So kam er nach einem Aufenthalte von
+mehr als 15 Monaten in Italien, nach Salzburg zurück. Die Ausbeute
+dieser langen Reise war ein Schatz neuer Kenntnisse und Ideen, ein
+geläuterter Geschmack und die Bewunderung einer Nation, die von der
+Natur selbst zur Richterin in der Tonkunst berufen zu seyn schien.
+
+ [Fußnote 2: Anmerkung. Alle diese Diplome, so wie das Kreuz des
+ päpstl. Ordens, bewahret die Wittwe zum Andenken.]
+
+Bey seiner Ankunft in Salzburg fand Mozart einen Brief von dem Grafen
+_Firmian_ aus Mayland, worinn ihm dieser im Namen der Kaiserin _Maria
+Theresia_ den Auftrag machte, die große theatralische Serenate zur
+Vermählung des Erzherzogs _Ferdinand_ zu schreiben.[3] Zu diesem Feste
+schrieb _Hasse_, der älteste unter den Kapellmeistern die Opera, und
+Mozart, der jüngste unter ihnen, die Serenate; die Kaiserin schien das
+so mit Absicht angeordnet zu haben! Diese Serenate hieß: #Ascanio in
+Alba#; während der Feyerlichkeit ward immer mit der Oper und der
+Serenate abgewechselt. Bey der Wahl des neuen Erzbischofs von Salzburg,
+1772, schrieb Mozart auch eine theatralische Serenate, betitelt: #Lo
+sogno di Scipione.#
+
+ [Fußnote 3: Serenaten waren eine Gattung Kantaten, denen zum
+ Grunde ein dramatisches Sujet gelegt war; sie hatten also
+ Aehnlichkeiten mit den Oratorien.]
+
+Einige Reisen die Mozart im Jahre 1773 und 1774 nach Wien und München
+machte, gaben die Gelegenheit zu mehreren Meisterwerken der Tonkunst;
+hieher gehört die komische Oper: #La finta Giardiniera#, und mehrere
+Messen für die Münchner Hofkapelle.
+
+Im Jahre 1775 schrieb Mozart in Salzburg die Serenate #il re pastore#,
+welche außerordentlich gefiel, und unter diejenigen ältern Werke Mozarts
+gehört, die auch jetzt noch ihren großen Werth haben; denn er hatte
+darinn schon den hohen Geist ahnden lassen, der in seinen spätern
+Kunstwerken herrscht. Dahin gehört das Oratorium der büssende David,
+welches unter die besten Werke dieser Art gehört, und auch jetzt noch
+von Kennern bewundert wird.
+
+
+
+
+ II.
+
+ Mozart als Mann.
+
+
+Diesen Zeitpunkt, das heißt, sein 20stes Lebensjahr können wir für die
+Epoche seiner Vollendung als Meister annehmen; denn von nun an zeigte er
+sich immer als ein solcher im glänzendesten Lichte, und mit einer
+entscheidenden Ueberlegenheit des Geschmackes und Genies; alle seine
+Werke, die er seit dem geliefert hat, sind klassisch und erwarben ihm
+die Krone der Unsterblichkeit. Wir fahren in der Erzählung seiner
+Lebensbegebenheiten fort, und werden die vorzüglichsten seiner Werke,
+aus dieser Lebensperiode, in einem besondern Abschnitte rezensiren.
+
+Mozarts Ruhm war nun gegründet. Jede große Stadt, die er zu dem
+Schauplatze seiner Talente gemacht hätte, würde ihn mit Freude
+aufgenommen, und seine Werke mit Entzücken angehört haben. Zu einer
+solchen Erwartung berechtigte ihn im hohen Maße die große Wirkung, die
+sein zweifaches gleich großes Talent, des Klavierspielers und
+Kompositors jedesmal und überall auf das Publikum gemacht hatte.
+
+Unter diesen Städten war wohl _Paris_ der angemessenste Platz für das
+Genie Mozarts; um so mehr, da seine Kunst dort ein schon begeistertes
+Publikum gefunden hätte. Aber er hatte keinen Geschmack an der
+französischen Musik; über dieß war sein gerader Charakter zu Intriguen
+und Kabalen nicht gemacht, die auf diesem großen Tummelplatze
+menschlicher Leidenschaften auch die Künste mit ihren Schlangenwindungen
+umstrickten. Er kam also von der letzten Reise, die er im Jahre 1777 mit
+seiner Mutter nach Paris zu dem Endzwecke gemacht hatte, bald wieder,
+aber allein zurück; denn sie starb dort.[4] Auch dieß mag seinem
+gefühlvollen Herzen den Aufenthalt in Paris verleidet haben. Zu Ende
+des Jahres 1778 war er schon wieder in Salzburg.
+
+ [Fußnote 4: Anmerkung: Diese Reise nach Paris gab der Welt die
+ große Sinfonie in #D.# die deshalb und ihres raschen Feuers
+ wegen, die französische heißt.]
+
+Der Bayerische Hof, der schon so oft Zeuge seines Künstlertalentes war,
+und insbesondere der damalige Churfürst, der große Schätzer aller
+schönen Künste, liebte Mozarts Musik im hohen Grade. Er bekam daher den
+Auftrag für den Fasching vom 1781 in München eine #Opera seria# zu
+schreiben.
+
+Da schuf Mozart das erhabene Werk, die Oper #Idomeneo#; worinn eine
+Gedankenfülle, eine Wärme der Empfindung herrscht, die sich nur von der
+Jugendkraft eines genialischen Tonkünstlers wie Mozart erwarten ließ.
+Diesen Aufenthalt in München rechnete Mozart unter die angenehmsten Tage
+seines Lebens und vergaß nie auf die gefällige Freundschaft, die er da
+von so vielen Männern vom Verdienst genoß.
+
+Aus München ward er durch einen Auftrag seines Erzbischofs nach Wien
+berufen: und von dieser Zeit an, das heißt von seinem 25sten Jahre,
+lebte er in dieser Kaiserstadt, die eben so sehr durch den entschiedenen
+Hang des Publikums zur Musik, als auch durch die Menge vortrefflicher
+Tonkünstler, für Mozarts Geist wichtig seyn mußte.
+
+Von hier aus verbreiteten sich seine erstaunenswürdigen Kompositionen
+zunächst nach Böhmen, dann in das übrige Deutschland, und gaben dem
+Geschmacke in der Musik einen großen Schwung, eine neue Richtung, die
+aber seine zeitherigen Nachahmer verzerren und verderben.
+
+Sein Spiel auf dem Pianoforte fand zuerst Bewunderer und Liebhaber; denn
+obschon Wien mehrere große Meister dieses Instrumentes, des Lieblinges
+des Publikums zählte, so kam doch keiner unserm Mozart gleich. Eine
+bewundernswürdige Geschwindigkeit, die man besonders in Rücksicht der
+linken Hand oder des Basses einzig nennen konnte, Feinheit und
+Delikatesse, der schönste, redendeste Ausdruck und ein Gefühl, das
+unwiderstehlich zum Herzen drang, sind die Vorzüge seines Spieles
+gewesen, die gepaart mit seiner Gedankenfülle, mit der tiefen Kenntniß
+der Komposition natürlich jeden Hörer hinreißen, und Mozarten zu dem
+größten Klavierspieler seiner Zeit erheben mußten.
+
+Seine Klavierkompositionen aller Art, Sonaten, Variationen, Konzerte,
+wurden bald allgemein bekannt und beliebt. Man ward bey jedem neu
+erschienenen Werke überrascht durch die Neuheit des Stiles, und der
+Gedanken – man staunte über die Höhe, zu der sich die Musik durch seine
+Werke so schnell empor schwang!
+
+In Wien fand Mozart einen Tonkünstler, dessen Genie dem seinigen am
+ähnlichsten war; ich meine den berühmten Schöpfer der Alzeste und
+Iphigenie, _Ritter von Gluck_, einen Böhmen von Geburt. Der Umgang mit
+ihm und das unablässige Studium seiner erhabenen Werke gab Mozarten viel
+Nahrung, und hatte Einfluß auf seine Opernkompositionen. Auch wurde
+Mozart bald der innigste Verehrer des großen, unvergleichlichen _Joseph
+Haydn_, der schon damals der Stolz der Tonkunst war, und nun, nachdem
+Mozart nicht mehr ist, unser einzige Liebling, unsere Wonne bleibt.
+Mozart nannte ihn oft seinen Lehrer.
+
+Bald nachdem Mozart seinen Aufenthalt in Wien aufgeschlagen hatte, faßte
+der unvergeßliche Kaiser _Joseph_ II. den Gedanken, der eines deutschen
+Kaisers so würdig war, den Geschmack an italienischen Opern durch die
+Unterstützung deutscher Singspiele und Sänger zu verdrängen, und für das
+Vaterländische mehr zu stimmen. Er versammelte daher die besten Sänger
+und Sängerinnen, und ließ von Mozart eine deutsche Oper setzen. Für
+diese Virtuosen schrieb Mozart das allgemein bekannte, allgemein
+beliebte Singspiel, die _Entführung aus dem Serail_ in dem Jahre 1782.
+
+Sie machte allgemeines Aufsehen; und die schlauen Italiener sahen bald
+ein, daß ein solcher Kopf für ihr welsches Geklingel bald gefährlich
+werden dürfte. Der Neid erwachte nun mit der ganzen Schärfe des
+italienischen Giftes! Der Monarch der im Grunde von der _neuen
+tiefeindringenden_ Musik entzückt war, sagte doch zu Mozart: »Gewaltig
+viel Noten lieber Mozart!«
+
+»Gerade so viel, Eure Majestät, als nöthig ist,« versetzte dieser mit
+jenem edlen Stolze, und der Freymüthigkeit, die großen Geistern so gut
+anstehet. Er sah es ein, daß dieß nicht eigenes Urtheil, sondern
+nachgesagt war.
+
+Ich darf hier nicht verschweigen, daß Mozart zu der Zeit, als er diese
+Oper schrieb, _Konstanza Weber_, seine nachmahlige Gemahlin, die
+Schwester der berühmten Sängerin _Lang_, liebte und eben Bräutigam war.
+Den Einfluß, den diese Seelenstimmung auf die Komposition dieser Oper
+haben mußte, wird jedermann erkennen, der sie gehört hat; denn wer weiß
+es nicht, wie voll süßer Gefühle, voll schmachtender Liebe sie ist?
+
+Ich kann den Beyfall und die Sensation, die sie in Wien erregte, nicht
+aus eigener Erfahrung beschreiben – aber ich bin Zeuge des Enthusiasmus
+gewesen, den sie bey ihrer Aufführung in Prag in Kennern und
+Nichtkennern verursachte! Es war, als wenn das, was man hier bisher
+gehört und gekannt hatte, keine Musik gewesen wäre! Alles war
+hingerissen – alles staunte über die neuen Harmonien, über die
+originellen, bisher ungehörten Sätze der Blasinstrumente. Nun fingen die
+Böhmen an seine Kompositionen zu suchen; und in eben dem Jahre hörte man
+schon in allen bessern musikalischen Akademien, Mozarts Klavierstücke
+und Sinfonien. Von nun an war die Vorliebe der Böhmen für seine Werke
+entschieden! Die größten Kenner und Künstler unserer Vaterstadt, waren
+auch Mozarts größte Bewunderer, die feurigsten Verkündiger seines
+Ruhmes.[5]
+
+ [Fußnote 5: Vorzüglich der verehrte Herr _Duscheck, Kucharz,
+ Praupner, Johann Kozeluch, (nicht Leopold der in Wien lebt,) die
+ beyden Loschek, Maschek, Caj. Vogel, Wenzel, Weber, Rösler,
+ Witassek, Tomaschek_ u. a. m.]
+
+Mozart lebte bisher, ungeachtet seines großen Ruhmes ohne _Anstellung_,
+also ohne bestimmte Einkünfte. Klavier-Unterricht, und abonnirte
+Konzerte für einen geschlossenen Cirkel des hohen Adels waren noch die
+ausgiebigsten Quellen seiner Einkünfte, wobey sich in einer Stadt, wie
+Wien, sicher nichts ersparen ließ.
+
+In dieser Periode schrieb er die schönsten Sachen für das Klavier:
+Sonaten mit und ohne Begleitung, Konzerte, die nun in jedermanns Händen
+sind.
+
+Im Jahre 1785 gab er 6 meisterhafte Violin-Quartetten im Stich heraus,
+mit einer Dedikation an seinen Freund den Kapellmeister _Joseph Haydn_,
+die ein schöner Abdruck seiner Hochachtung für diesen großen Mann ist;
+und so wie dieselbe den Ruhm _Haydns_, durch die Huldigungen eines
+Künstlers wie Mozart, vermehrt: eben so sehr gereicht sie diesem zur
+Ehre, und macht uns das Herz eines Mannes liebenswürdig, dessen Talent
+Bewunderung heischt.
+
+Gewiß, Mozart hätte mit keinem Werke einen _Joseph Haydn_ besser ehren
+können, als mit diesen Quartetten, die ein Schatz der schönsten
+Gedanken, und das Muster und eine Schule der Komposition sind. In den
+Augen des Kenners ist dies Werk eben so viel werth, als jede
+Opernkomposition Mozarts. Alles darinn ist durchgedacht, und vollendet!
+– Man sieht es diesen Quartetten an, daß er sich die Mühe gab _Haydns_
+Beyfall zu verdienen.
+
+Eben zu der Zeit machte das französische Lustspiel von Beaumarchais,
+_Figaro_ sein Glück und kam auf alle Theater. Mozart ward vom Kaiser
+_Joseph_ dazu bestimmt, diesem Lustspiele, nachdem es in ein Singspiel
+umgegossen ward, auch auf dem italienischen Operntheater durch seine
+Musik Celebrität zu verschaffen. Es wurde in Wien von der italienischen
+Opern-Gesellschaft aufgeführt. Wenn es wahr ist, was man allgemein als
+wahr erzählt, und was sich bei so vielen glaubwürdigen Zeugen freylich
+nicht in Zweifel ziehen läßt, daß die Sänger, aus Haß, Neid und
+niedriger Kabale bey der ersten Vorstellung durch vorsetzliche Fehler
+sich alle Mühe gegeben haben die Oper zu stürzen: so kann der Leser
+daraus schließen, wie sehr diese Faktion die Ueberlegenheit des Genies
+in Mozart fürchtete, und wie wahr es sey, was ich kurz vorher bey
+Gelegenheit der _Entführung aus dem Serail_ bemerkt habe. Dieser feige
+Bund verdienstloser Menschen blieb bis an das frühe Ende des
+unsterblichen Künstlers in voller Thätigkeit ihn zu hassen, zu
+verläumden, und seine Kunst herabzusetzen. Welchen Kampf hatte Mozarts
+Geist zu bestehen, bis er vollkommen triumphirte?
+
+Man erzählt, daß die Sänger durch eine ernste Warnung des seligen
+Monarchen zu ihrer Pflicht gewiesen werden mußten, da Mozart voll
+Bestürzung zwischen dem 2ten Akte zu Ihm in die Loge kam und Ihn darauf
+aufmerksam machte.
+
+So wie jedes seiner Werke in Böhmen nach seinem wahren Werthe erkannt
+und geschätzt wurde: so geschah es auch mit dieser Oper. Sie wurde im
+Jahre 1786 von der Bondinischen Gesellschaft in Prag auf das Theater
+gebracht und gleich bey der ersten Vorstellung mit einem Beyfall
+aufgenommen, der nur mit demjenigen, welchen die Zauberflöte nachher
+erhielt, verglichen werden kann. Es ist die strengste Wahrheit, wenn ich
+sage, daß diese Oper fast ohne Unterbrechen diesen ganzen Winter
+gespielt ward, und daß sie den traurigen Umständen des Unternehmers
+vollkommen aufgeholfen hatte. Der Enthusiasmus, den sie bei dem Publikum
+erregte, war bisher ohne Beyspiel; man konnte sich nicht genug daran
+satt hören. Sie wurde bald von einem unserer besten Meister, Herrn
+Kucharz in einen guten Klavier-Auszug gebracht, in blasende Parthieen,
+ins Quintett für Kammermusik, in teutsche Tänze verwandelt: kurz Figaros
+Gesänge wiederhallten auf den Gässen, in Gärten, ja selbst der Harfenist
+auf der Bierbank mußte sein #non piu andrai# tönen lassen, wenn er
+gehört werden wollte. Diese Erscheinung hat freylich größtentheils in
+der Vortrefflichkeit des Werkes ihren Grund; aber nur ein Publikum,
+welches so viel Sinn für das wahre Schöne in der Tonkunst und so viel
+gründliche Kenner unter sich besitzt, konnte den Werth einer solchen
+Kunst auf der Stelle empfinden; dazu gehört auch das unvergleiche
+Orchester der damaligen Oper, welches die Ideen Mozarts so genau und
+fleißig auszuführen verstand. Denn auf diese verdienten Männer, die zwar
+größtentheils keine Konzertisten, aber desto gründlichere Kenner und
+Orchestersubjekte waren, machte die neue Harmonie und der feurige Gang
+des Gesanges den ersten und tiefsten Eindruck! Der nunmehr verstorbene
+rühmlich bekannte Orchester-Direktor _Strobach_ versicherte oft, daß er
+sammt seinem Personale bey der jedesmaligen Vorstellung so sehr ins
+Feuer gerathe, daß er trotz der mühsamen Arbeit mit Vergnügen von vorne
+wieder anfangen würde.
+
+Die Bewunderung für den Verfasser dieser Musik gieng so weit, daß einer
+unserer edelsten Kavaliere und Kenner der Musik, _Graf Johann Joseph
+Thun_, der selbst eine vortreffliche Kapelle unterhielt, ihn nach Prag
+zu kommen einlud, und ihm Wohnung, Kost und alle Bequemlichkeiten in
+seinem Hause anboth. Mozart war zu sehr über die Wirkung erfreut, die
+seine Musik auf die Böhmen machte – zu begierig eine Nation von einem
+solchen Musikgefühle kennen zu lernen, als daß er die Gelegenheit nicht
+mit Freuden ergriffen hätte. Er kam im Februar 1787 nach Prag: am Tage
+seiner Ankunft wurde Figaro gegeben, und Mozart erschien darinn.
+Alsogleich verbreitete sich der Ruf von seiner Anwesenheit im Parterre,
+und so wie die Sinfonie zu Ende gieng, klatschte ihm das ganze Publikum
+Beyfall und Bewillkommen zu.
+
+Er ließ sich dann auf allgemeines Verlangen in einer großen
+musikalischen Akademie im Operntheater auf dem Pianoforte hören. Nie sah
+man noch das Theater so voll Menschen, als bey dieser Gelegenheit; nie
+ein stärkeres, einstimmiges Entzücken, als sein göttliches Spiel
+erweckte. Wir wußten in der That nicht, was wir mehr bewundern sollten,
+ob die _außerordentliche_ Komposition, oder das _außerordentliche_
+Spiel; beydes zusammen bewirkte einen Totaleindruck auf unsere Seelen,
+welcher einer süßen Bezauberung glich! Aber dieser Zustand lösete sich
+dann, als Mozart zu Ende der Akademie allein auf dem Pianoforte mehr als
+eine halbe Stunde phantasirte und unser Entzücken auf den höchsten Grad
+gespannt hatte, in laute überströmende Beyfallsäußerung auf. Und in der
+That übertraf dieses Phantasiren alles, was man sich vom Klavierspiele
+vorstellen konnte, da der höchste Grad der Kompositionskunst mit der
+vollkommensten Fertigkeit im Spiele vereinigt ward. Gewiß, so wie diese
+Akademie für die Prager die einzige ihrer Art war, so zählte Mozart
+diesen Tag zu den schönsten seines Lebens.
+
+Die Sinfonien, die er für diese Gelegenheit setzte, sind wahre
+Meisterstücke des Instrumentalsatzes, voll überraschender Uebergänge und
+haben einen raschen, feurigen Gang, so, daß sie alsogleich die Seele zur
+Erwartung irgend etwas Erhabenen stimmen. Dieß gilt besonders von der
+großen Sinfonie in #D dur# und #Es#, die noch immer ein Lieblingsstück
+des Prager Publikums sind, obschon sie wohl hundertmal gehört waren.
+
+Der Opernunternehmer Bondini schloß zugleich mit Mozart den Akkord zu
+einer neuen Oper für die Prager Bühne auf den nächsten Winter, welche
+dieser gerne übernahm, weil er erfahren hatte, wie gut die Böhmen seine
+Musik zu schätzen und auszuführen verstanden. Dieß äußerte er oft gegen
+seine Prager Freunde: er war überhaupt gern in Prag, wo ihn ein
+gefühlvolles Publikum, und wahre Freunde so zu sagen auf den Händen
+trugen. – Dem Opernorchester dankte er in einem Briefe an den damaligen
+Direktor Herrn Strobach sehr verbindlich, und schrieb seiner geschickten
+Ausführung den größten Theil des Beyfalls zu, den seine Musik in Prag
+erhalten hatte.[6] Dieser Zug seines Herzens, so unbedeutend er scheint,
+ist sehr schön; er giebt einen Beweis, daß _Stolz_, _Eigendünkel_ oder
+_Undankbarkeit_ seine Fehler nicht waren, wie man es so häufig an viel
+geringern Virtuosen wahrnimmt.
+
+ [Fußnote 6: Der Verfasser las den Brief im Original, und fand
+ ihn sehr gut geschrieben.]
+
+In dem nemlichen Jahre 1787 gegen den Winter kam Mozart vermög seines
+Akkords wieder nach Prag, und vollendete da die Krone aller seiner
+Meisterwerke, die Oper: #Il dissoluto punito#, oder #Don Giovanni#.
+
+Die Böhmen sind stolz darauf, daß er durch eine so erhabene und aus der
+Tiefe seines Genies geschöpfte Musik ihren guten Geschmack erkannte und
+ehrte. »_Don Juan ist für Prag geschrieben_« – mehr braucht man nicht zu
+sagen, um zu beweisen, welchen hohen Begriff Mozart von dem
+musikalischen Sinne der Böhmen hatte. Es gelang ihm auch vollkommen
+diesen Sinn zu treffen und zu rühren; denn keine Oper hat sich hier in
+einem gleichen Wohlgefallen so lange auf dem Theater erhalten, als _Don
+Juan_. Es sind nunmehr 21 Jahre, seit sie gegeben wird, und noch immer
+hört man sie mit Vergnügen, noch immer lockt sie zahlreiche Versammlung
+in das Parterre. Kurz _Don Juan_ ist die Lieblingsoper des bessern
+Publikum in Prag. Als Mozart bey der ersten Vorstellung derselben an dem
+Klavier im Orchester erschien, empfing ihn das ganze bis zum Erdrücken
+volle Theater mit einem allgemeinen Beyfallklatschen. Ueberhaupt bekam
+Mozart in Prag bey jeder Gelegenheit große und unzweydeutige Beweise der
+Hochachtung und Bewunderung, welche gewiß ehrenvoll waren, weil nicht
+Vorurtheil oder Mode, sondern reines Gefühl seiner Kunst daran Theil
+hatte. Man liebte und bewunderte seine schönen Werke; wie konnte man
+gegen die Person ihres großen Schöpfers gleichgültig bleiben?
+
+In dem Jahre 1789 im Monat December schrieb Mozart das italienische
+komische Singspiel, #Cosi fan tutte#, oder _die Schule der Liebenden_;
+man wundert sich allgemein, wie der große Geist sich herablassen konnte,
+an ein so elendes Machwerk von Text seine himmlisch süßen Melodien zu
+verschwenden. Es stand nicht in seiner Gewalt, den Auftrag abzulehnen,
+und der Text ward ihm ausdrücklich aufgetragen. – In diese Periode fällt
+auch seine Reise über Leipzig und Dresden nach Berlin.[7] Der große Ruf
+seines Namens gieng ihm voran, und man fand sich nirgends in der
+Erwartung getäuscht, die er überall erregt hatte. Der damalige König von
+Preußen, ein freygebiger Kenner und Freund der Tonkunst, ward ganz für
+ihn eingenommen; und gab ihm ausgezeichnete Beweise seiner Achtung. Wie
+wahrhaft und daurend dieselbe gewesen sey, beweiset die königliche
+Großmuth, mit welcher dieser Monarch später die Wittwe Mozart in Berlin
+aufnahm und unterstützte.
+
+ [Fußnote 7: Er unternahm sie im Frühjahr des Jahrs 1789.]
+
+Mozart war bis jetzo ohne Anstellung, ohne sichere Einkünfte. So bekannt
+auch sein Talent war, so sehr man seine Kompositionen suchte: so wenig
+dachte man daran ihn zu belohnen, und zu unterstützen. Er hatte zwar oft
+beträchtliche Einnahmen gemacht; aber bei der Unsicherheit und Unordnung
+der Einkünfte, bei den häufigen Kindbetten, den langwierigen Krankheiten
+seiner Gattin, in einer Stadt wie Wien, mußte Mozart doch im
+eigentlichen Verstande darben. Er beschloß daher die _Stadt_ zu
+verlassen, wo sich keine Stelle für einen Kopf wie _Mozart_ fand. Sein
+Plan war nach England zu gehen, wo er ein besseres Schicksal um so mehr
+erwarten konnte, als ihm oft von da Einladungen und lockende Anträge
+gemacht wurden.
+
+Alles war zur Abreise fertig, als ihm _Kaiser Joseph_ den Titel eines
+kaiserlichen Kammerkomponisten mit einem Jahrgehalt von 800 Gulden und
+der Zusicherung ertheilte, daß auf ihn in der Zukunft Bedacht genommen
+werden würde. Mozart mochte nicht trotzen; er nahm es willig an, und
+blieb. Das Anstellungsdekret ist am 7. Dec. 1787 ausgestellt.
+
+Ich überlasse es jedem Leser darüber Beobachtungen anzustellen, um die
+Ursachen der langen Vernachlässigung eines so großen Künstlers
+auszuforschen. An ihm lag die Schuld gewiß nicht; man müßte denn seinen
+geraden und offenen zum Bücken und Kriechen untauglichen Charakter als
+Schuld annehmen.
+
+So viele Feinde und Neider auch jeden seiner Vorzüge durch Herabsetzung
+und Verläumdung zu verdunkeln bemüht waren: so vollkommen war dennoch
+der Triumph seiner Kunst bey unbefangenen, von dem Roste der Mode
+unverletzten Seelen. Alle wahren Kenner der Tonkunst huldigten seinem
+Genie. Ich will davon ein Beyspiel anführen.
+
+Der als Staatsmann und Gelehrter gleich verehrungswürdige _Baron von
+Switten_, ein wahrer Kenner der Tonkunst, voll Gefühl für den ernsten
+Gesang des erhabenen _Händels_, ließ oft die Werke dieses berühmten
+Tonkünstlers, die für den tändelnden Modegeschmack unserer Tage eine zu
+einfache Kost sind, in Privatkonzerten aufführen. Er bediente sich dazu
+der Talente unsers Mozarts, der die großen Ideen _Händels_ mit der Wärme
+seiner Empfindung zu beleben und durch den Zauber seines
+Instrumentalsatzes für unser Zeitalter genüßbar zu machen verstand.[8]
+Baron von _Switten_ korrespondirte oft über die Angelegenheit mit
+Mozart, und schrieb ihm einst unter andern:
+
+ Den 21sten März 1789.
+
+ »Ihr Gedanke, den Text der kalten Arie in ein #Recitativ# zu
+ bringen ist trefflich, und in der Ungewißheit ob Sie wohl die
+ Worte zurückbehalten haben, schickte ich sie Ihnen hier
+ abgeschrieben. Wer _Händel_ so feyerlich und so geschmackvoll
+ kleiden kann, daß er einerseits auch dem Modegecken gefällt, und
+ andererseits doch immer in seiner Erhabenheit sich zeiget, der
+ hat seinen Werth gefühlt, der hat ihn verstanden, der ist zu der
+ Quelle seines Ausdruckes gelanget und kann und wird sicher
+ daraus schöpfen. So sehe ich dasjenige an, was Sie leisteten,
+ und nun brauche ich von keinem Zutrauen mehr zu sprechen,
+ sondern nur von dem Wunsche das Rezitativ bald zu erhalten.«
+
+ _Switten_.
+
+ [Fußnote 8: Mozart bearbeitete für ihn _Händels Acis und
+ Galathea, Messias, Cecilia, und das Fest des Alexanders_ in den
+ Jahren 1788, 89, 90.]
+
+Der Türkenkrieg und der dadurch veranlaßte Tod des _edelsten Monarchen_,
+des unvergeßlichen _Josephs_, raubte auch Mozarten eine große Stütze
+seiner Hoffnungen; er blieb Kapellmeister mit 800 Fl. und ohne
+Wirkungskreis!
+
+Aber auch sein Ende rückte nun heran; er sollte den großen _Monarchen_
+nicht lange überleben. Das Jahr 1791, furchtbar reich an großen Todten,
+ward bestimmt auch den Stolz der Tonkunst zu entreißen. Mozart hatte
+jedoch zuvor der Nachwelt mit vollen Händen aus dem Reichthume seines
+Geistes ausgespendet. Daher ist dieses Jahr eben so merkwürdig durch die
+Schöpfung seiner schönsten Werke, als es uns durch seinen unerwarteten
+Tod schmerzhaft geworden ist. In demselben, ja gewissermaßen nahe an dem
+Ziele seines Lebens schuf er die Musik zu der _Zauberflöte_, zu der
+ernsthaften Oper, #La Clemenza di Tito#, und das furchtbar erhabene
+#Requiem# (Seelenmesse) welches er nicht einmal mehr vollenden konnte.
+So gewiß es ist, daß diese drey Werke allein ihm den ersten Platz unter
+den Tonkünstlern seines Zeitalters und unsterblichen Ruhm versichert
+hätten, so sehr vermehren sie die Sehnsucht nach dem Entrissenen, durch
+den Gedanken, der sich dem gefühlvollen Zuhörer unter dem Genusse seiner
+Werke unwiderstehlich aufdringt: »_Ach! wie viel würde der Mann noch
+geleistet, welche Harmonien geschaffen haben_?«
+
+Die Zauberflöte setzte er für das Theater des bekannten _Schikaneders_,
+der sein alter Bekannter war. Die Musik zu der Oper #La Clemenza di
+Tito# war von den böhmischen Ständen zu der Krönung des Kaisers
+_Leopold_ bestellt. Diese letzte begann er in seinem Reisewagen auf dem
+Wege von Wien, und vollendete sie in dem kurzen Zeitraume von 18 Tagen
+in Prag.
+
+_Die Geschichte seines_ letzten Werkes, der erwähnten _Seelenmesse_, ist
+eben so geheimnißvoll als merkwürdig.
+
+Kurz vor der Krönungszeit des Kaisers _Leopold_, bevor noch _Mozart_ den
+Auftrag erhielt nach Prag zu reisen, wurde ihm ein Brief _ohne
+Unterschrift_ von einem _unbekannten Bothen_ übergeben, der nebst
+mehreren schmeichelhaften Aeußerungen die Anfrage enthielt, ob Mozart
+eine Seelenmesse zu schreiben übernehmen wollte? um welchen Preis und
+binnen welcher Zeit er sie liefern könnte?
+
+Mozart der ohne Mitwissen seiner Gattin nicht den geringsten Schritt zu
+thun pflegte, erzählte ihr den sonderbaren Auftrag, und äußerte zugleich
+sein Verlangen sich in dieser Gattung auch einmal zu versuchen, um so
+mehr, da der höhere pathetische Stil der Kirchenmusik immer sehr nach
+seinem Genie war. Sie rieth ihm den Auftrag anzunehmen. Er schrieb also
+dem unbekannten Besteller zurück, er würde das Requiem für eine gewisse
+Belohnung verfertigen; die Zeit der Vollendung könne er nicht genau
+bestimmen; er wünsche jedoch den Ort zu wissen, wohin er das Werk, wenn
+es fertig seyn würde, zu übergeben habe. In kurzer Zeit erschien
+derselbe Bothe wieder, brachte nicht nur die bedungene Belohnung mit,
+sondern noch das Versprechen, da er in dem Preise so billig gewesen sey,
+bey der Absendung des Werkes eine beträchtliche Zugabe zu erhalten. Er
+sollte übrigens nach der Stimmung und Laune seines Geistes schreiben,
+sich aber gar keine Mühe geben, den Besteller zu erfahren, indem es
+gewiß vergeblich seyn würde.
+
+Mittlerweile bekam Mozart den ehrenvollen und vortheilhaften Antrag für
+die Prager Krönung des Kaisers _Leopold_ die Oper Titus zu schreiben.
+Nach Prag zu gehen, für seine lieben Böhmen zu schreiben, hatte für ihn
+zu viel Reiz, als daß er es hätte ausschlagen können!
+
+Eben als Mozart mit seiner Frau in den Reisewagen stieg, stand der Bothe
+wie ein Geist da, zupfte die Frau an dem Rocke, und fragte: »Wie wird es
+nun mit dem Requiem aussehen? –«
+
+Mozart entschuldigte sich mit der Nothwendigkeit der Reise und der
+Unmöglichkeit seinem unbekannten Herrn davon Nachricht geben zu können:
+übrigens würde es seine erste Arbeit bey der Zurückkunft seyn, und es
+käme nur auf den Unbekannten an, ob er so lange warten wolle. Damit war
+der Bothe gänzlich befriedigt.
+
+Schon in Prag kränkelte und medizinirte Mozart unaufhörlich; seine Farbe
+war blaß und die Miene traurig, obschon sich sein munterer Humor in der
+Gesellschaft seiner Freunde doch oft noch in fröhlichen Scherz ergoß.
+Bey seinem Abschiede von dem Zirkel seiner Freunde ward er so wehmüthig,
+daß er Thränen vergoß. Ein ahnendes Gefühl seines nahen Lebensende
+schien die schwermüthige Stimmung hervorgebracht zu haben – denn schon
+damals trug er den Keim der Krankheit, die ihn bald hinraffte, in sich.
+
+Bey seiner Zurückkunft nach Wien nahm er sogleich seine Seelenmesse vor,
+und arbeitete mit viel Anstrengung und einem lebhaften Interesse daran:
+aber seine Unpäßlichkeit nahm sichtbar zu, und stimmte ihn zur düstern
+Schwermuth. Seine Gattin nahm es mit Betrübniß wahr. Als sie eines Tages
+mit ihm in den Prater fuhr, um ihm Zerstreuung und Aufmunterung zu
+verschaffen, und sie da beyde einsam saßen, fing Mozart an vom Tode zu
+sprechen, und behauptete, daß er das Requiem für sich setze. Thränen
+standen dem empfindsamen Manne in den Augen. »Ich fühle mich zu sehr,
+sagte er weiter, mit mir dauert es nicht mehr lange: gewiß, man hat mir
+Gift gegeben! Ich kann mich von diesem Gedanken nicht los winden. –«
+
+Zentnerschwer fiel diese Rede auf das Herz seiner Gattin; sie war kaum
+im Stande ihn zu trösten, und das Grundlose seiner schwermüthigen
+Vorstellungen zu beweisen. Da sie der Meynung war, daß wohl eine
+Krankheit im Anzuge wäre, und das Requiem seine empfindlichen Nerven zu
+sehr angreife, so rufte sie den Arzt, und nahm die Partitur der
+Komposition weg.
+
+Wirklich besserte sich sein Zustand etwas, und er war während desselben
+fähig eine kleine Kantate, die von einer Gesellschaft für ein Fest
+bestellt wurde, zu verfertigen. Die gute Ausführung derselben und der
+große Beyfall, mit dem sie aufgenommen ward, gab seinem Geiste neue
+Schnellkraft. Er wurde nun etwas munterer und verlangte wiederholt sein
+Requiem fortzusetzen und zu vollenden. Seine Frau fand nun keinen
+Anstand ihm seine Noten wieder zu geben.
+
+Doch kurz war dieser hoffnungsvolle Zustand; in wenig Tagen verfiel er
+in seine Melancholie, ward immer matter und schwächer, bis er endlich
+ganz auf das Krankenlager hinsank, von dem er ach! nimmer aufstand.
+
+Am Tage seines Todes ließ er sich die Partitur an sein Bette bringen.
+»Hab ich es nicht vorgesagt, daß ich dieß Requiem für mich schreibe?« so
+sprach er, und sah noch einmal das Ganze mit nassen Augen aufmerksam
+durch. Es war der letzte schmerzvolle Blick des Abschiedes von seiner
+geliebten Kunst – eine Ahndung seiner Unsterblichkeit!
+
+Gleich nach seinem Tode meldete sich der Bothe, verlangte das Werk, so
+wie es unvollendet war, und erhielt es. Von dem Augenblicke an sah ihn
+die Wittwe nie mehr, und erfuhr nicht das mindeste, weder von der
+Seelenmesse, noch von dem Besteller. Jeder Leser kann sich vorstellen,
+daß man sich alle Mühe gab den räthselhaften Bothen auszuforschen, aber
+alle Mittel und Versuche waren fruchtlos.[9]
+
+ [Fußnote 9: Der Verfasser erzählt die Begebenheit, wie er sie
+ oftmals aus dem Munde der Wittwe gehört hatte, und überläßt es
+ jedem Leser Betrachtungen darüber anzustellen. Er sah eines der
+ Billette, die der unbekannte Besteller an Mozart schrieb. Man
+ kann daraus nichts Besonders abnehmen. Es ist sehr kurz, Mozart
+ wird darinn ersucht das Requiem zu senden, und eine Summe zu
+ bestimmen, um welche er jährlich eine gewisse Anzahl Quartetten
+ machen könnte. Warum hat der unbekannte Verehrer der Talente
+ Mozarts, (so nannte er sich,) für gut gefunden verborgen zu
+ bleiben? Was ist mit dem Requiem geschehen? Man erfuhr nie, daß
+ es damals irgendwo aufgeführt worden sey. Mozarts Freunden würde
+ es ein großes Vergnügen machen, einigen Aufschluß über die Sache
+ zu erhalten. Denn man kann keine gegründete Ursache denken, die
+ eine solche geheimnißvolle Verborgenheit nothwendig machte.]
+
+Mozart blieb während seiner Krankheit bey vollkommenem Bewußtseyn bis
+an sein Ende, und starb zwar gelassen, aber doch sehr ungern. Jedermann
+wird dieß begreiflich finden, wenn er bedenkt, daß Mozart kurz zuvor das
+Anstellungsdekret als Kapellmeister in der St. Stephanskirche mit allen
+Emolumenten, die von Alters her damit verbunden waren, bekam, und nun
+erst die frohe Aussicht hatte, bei hinlänglichen Einkünften ruhig, ohne
+Nahrungssorgen leben zu können. Auch erhielt er fast zu gleicher Zeit
+aus _Ungarn_ und _Amsterdam_ ansehnliche Bestellungen und Akkorde auf
+periodische Lieferungen gewisser Kompositionen.
+
+Dieses sonderbare Zusammentreffen so glücklicher Vorbothen eines
+bessern Schicksales – seine gegenwärtigen traurigen Vermögensumstände –
+der Anblick einer trostlosen Gattin – der Gedanke an zwey unmündige
+Kinder: alles dieses war nicht gemacht, einen bewunderten Künstler, der
+nie Stoiker gewesen ist, in seinem 35ten Jahre die Bitterkeit des Todes
+zu versüßen. »Eben _jetzt_, so klagte er oft in seiner Krankheit, soll
+ich fort, da ich ruhig leben würde! _Jetzt_ meine Kunst verlassen, da
+ich nicht mehr als Sklave der Mode, nicht mehr von Spekulanten
+gefesselt, den Regungen meiner Empfindung folgen, frey und unabhängig
+schreiben könnte, was mein Herz mir eingiebt! Ich soll fort von meiner
+Familie, von meinen armen Kindern, in dem Augenblicke, da ich im Stande
+geworden wäre, für ihr Wohl besser zu sorgen!« Sein Tod erfolgte in der
+Nacht am 5ten Dezember 1791. Die Aerzte waren in der Bestimmung seiner
+Krankheit nicht einig. Man kann sagen, um Mozart floßen unzählbare
+Thränen; nicht in Wien allein, vielleicht mehr noch in Prag, wo man ihn
+liebte und bewunderte. Jeder Kenner, jeder Freund der Tonkunst hielt
+seinen Verlust für unersetzlich; und wahrlich, bis jetzt hat man nicht
+Ursache diese trostlose Meynung zurück zu nehmen! Es schien unglaublich,
+daß ein Mann, der so unsterbliche Werke geliefert, der unsern Herzen so
+reine Entzückungen geschaffen hat, nicht mehr seyn sollte!
+
+In Wien feyerte man sein Andenken mit Würde; aber Prag zeichnete sich
+auch hierinn durch die wärmste Theilnahme aus; die Trauer um unsern
+Liebling war allgemein und ungeheuchelt. Zuerst veranstaltete der
+würdige Musik Direktor _Joseph Strobach,_ ein Freund des
+Verstorbenen,[10] in seiner Pfarrkirche bey St. Niklas den 14ten
+Dezember d. n. J. ein feyerliches Seelenamt für Mozart. Nie gab es ein
+so rührendes und erhabenes Trauerbegängniß. Ein Chor von 120 Personen
+aus den besten Künstlern Prags ausgewählt, die alle mit wehmüthigen
+Eifer sich dazu angebothen hatten, unter der Direktion des braven
+_Strobachs_ führte das meisterhafte Requiem unsers berühmten Landsmannes
+Rosetti mit einem so schwermuthsvollen Ausdrucke auf, daß es nothwendig
+auf das versammelte Volk den tiefsten Eindruck machen mußte. Mehr als
+3000 Menschen, vom Adel und Bürgerstande, (so viel nemlich diese große
+Kirche faßte,) waren da beysammen – alle gerührt, alle voll Wehmuth
+über den frühen Tod des entrissenen Künstlers!
+
+ [Fußnote 10: Dieser als Künstler und Mensch gleich
+ verehrungswürdige Mann ist im Jahr 1798 im Dezember gestorben.]
+
+Etwas später, den 28ten Dezember 1791 unternahm eine Gesellschaft wahrer
+Verehrer des Verstorbenen, zur Unterstützung der hinterlassenen Waisen
+und Wittwe ein öffentliches Konzert in dem Nationaltheater; man führte
+einige der besten, weniger bekannten Kompositionen Mozarts auf. Eine so
+edle Todtenfeier unterstützte das Prager Publikum aus allen Kräften, um
+so mehr, da es die Gelegenheit fand den Tribut seiner Hochachtung dem
+_Genie_ Mozarts in der großmüthigen Unterstützung der hilflosen Waisen
+zu zollen. Das Theater war voll, und die Einnahme beträchtlich. Wie
+glücklich ist ein Künstler, dessen Talent solche Freunde erwirbt!
+
+In Wien wurde die Wittwe auf eine eben so großmüthige Art unterstützt. –
+Mozart hinterließ seiner Familie nichts als den Ruhm seines Namens. Alle
+Hilfsmittel ihrer Erhaltung beruhten auf der Großmuth eines dankbaren
+Publikums, dem Mozart so viele Stunden des reinsten Vergnügens, der
+edelsten Unterhaltung durch sein unerschöpfliches Talent geschaffen
+hatte. Und wahrlich, man kann sagen, daß dieses seine Schuld redlich
+abzutragen suchte. Die Wittwe ließ in einem öffentlichen Konzert zu
+ihrem Besten die merkwürdige _Seelenmesse_ aufführen. Der große Ruf
+dieses Meisterstückes und der Wunsch, die Waisen zu unterstützen, zog
+ein zahlreiches Publikum hin, und man muß es den edlen Freunden der
+Kunst in Wien zum Ruhme nachsagen, daß dieselben auch nach 17 Jahren
+noch gegen den Mozartischen Namen nicht gleichgültig geworden sind. In
+allen musikalischen Akademien, die der Wittwe zu ihrem Besten
+zugestanden werden, ist das Haus voll, und die Einnahme gut.
+
+Aber die Großmuth des sel. Kaisers _Leopold_, dieses
+menschenfreundlichen, für die Wissenschaften und Künste so früh
+entrissenen Monarchen, übertraf alles, was bisher der Wittwe zum Besten
+geschah.
+
+Mozarts Feinde und Verläumder wurden besonders gegen sein Ende, und nach
+seinem Tode so boshaft, so laut, daß bis zu dem Ohre des Monarchen
+manche nachtheilige Sage von Mozart gedrungen war. Diese Ausstreuungen
+und Lügen waren so unverschämt, so empörend, daß der Monarch, von
+Niemanden des Gegentheiles belehrt, sehr entrüstet war. Nebst einer
+schändlichen Erdichtung und Vergrößerung von Ausschweifungen, denen
+Mozart, wie sie sagten, ergeben gewesen sey, behauptete man, daß er
+nicht weniger als 30,000 Gulden Schulden hinterlassen habe – eine Summe,
+über die der Monarch erschrack!
+
+Die Wittwe war eben gesonnen den Monarchen um Pension zu bitten. Eine
+edeldenkende Freundin und vortreffliche Schülerin Mozarts unterrichtete
+sie von den Verläumdungen ihres Mannes bey Hofe, und gab ihr den Rath
+den gütigen Monarchen bey der Audienz eines Bessern zu belehren.
+
+Die Wittwe hatte bald Gelegenheit ihren Rath auszuführen.
+
+»=Euer Majestät=,« sagte sie mit edlem Eifer bey der Audienz, »jeder
+Mensch hat Feinde; aber heftiger und anhaltender ist noch niemand von
+den seinigen verfolgt und verläumdet worden, als mein Mann, blos weil er
+ein so großes Talent war! Man hat es gewagt =Euer Majestät= viel
+Unwahres über ihn zu sagen: man hat seine hinterlassene Schulden
+_zehnfach_ vergrößert. Ich stehe mit meinem Leben dafür, daß ich mit
+einer Summe von ungefähr 3000 Gulden alles bezahlen könnte, was er
+schuldig ist. Und diese Schuld ist nicht muthwillig gemacht worden. Wir
+hatten keine sichern Einkünfte; häufige Kindbetten, eine schwere und
+kostbare Krankheit von anderthalb Jahren, die ich auszustehen hatte,
+werden bey dem menschenfreundlichen Herzen _meines Monarchen_ zur
+Entschuldigung dienen.«
+
+»Wenn es so ist,« sagte der Monarch, »da ist wohl noch Rath zu schaffen.
+Geben sie ein Konzert von seinen hinterlassenen Werken, und ich will es
+unterstützen.«
+
+Er nahm ihr die Bittschrift gnädig ab; und in kurzer Zeit ward ihr eine
+Pension von 260 fl. angewiesen, die zwar an sich gering ist, aber da
+Mozart erst 3 Jahre angestellt, folglich die Wittwe noch nicht
+pensionsfähig war, so bleibt es immer eine Gnade. Die Akademie ward
+unternommen, und der _unsterbliche Monarch_ erfüllte so großmüthig sein
+Versprechen, daß die Wittwe dadurch in den Stand gesetzt wurde, die
+Schulden ihres Mannes zu tilgen.
+
+Aus dieser Begebenheit kann man schließen, wie viel an den boshaften
+Erzählungen von der Unordnung seiner Haushaltung, seiner Verschwendung
+und dergleichen Anschwärzungen Wahres seyn mag. Da man so wenig seiner
+Größe als Künstler beyzukommen im Stande war, so suchte der grämliche
+Neid seinen moralischen Charakter zu verstellen! Eine sehr leichte und
+gewöhnliche Taktik kleiner Seelen, denen jedes Verdienst, jede Größe
+unausstehlich ist: um so mehr, wenn sie ihrem kleinen Gewerbe zu schaden
+droht! Es ist nur Gerechtigkeit, die dem Verdienste gebührt, wenn man
+sich Mühe giebt _solche fremde_ Flecken aus dem Gemählde würdiger
+Menschen zu verwischen.
+
+Wenn gegen Mozart diejenige Billigkeit ausgeübt wird, die jeder an sich
+selbst zu erfahren wünschen muß, so wird er deshalb noch nicht als
+Muster der Oekonomie und Sparsamkeit angepriesen. Es ist wahr; er hätte
+den Werth des Geldes besser schätzen sollen: aber darf ein großer Geist
+keine Schwächen, keine Fehler haben? Möchten doch die, über ihn so
+streng urtheilen, auf ihr Herz greifen und sich fragen: – – –
+
+ #Quid tu?
+ nullane habes vitia?#
+
+Und sind sie in irgend einem Fache _Mozarte_? – Die Endschuldigung der
+Schulden, die er hinterließ, vernahmen wir eben aus dem Munde seiner
+Wittwe; und gewiß, sie ist nicht ungegründet.
+
+Mozart hinterließ von mehreren Kindern nur zwey Söhne, wovon der jüngere
+etwa 4 Monathe alt war, als der Vater starb. Er heißt Wolfgang wie sein
+Vater, ist gegenwärtig 17 Jahre alt, und durch die ersten Produkte
+seines musikalischen Talentes dem Publikum schon vortheilhaft bekannt.
+Sein Klavierspiel zeichnet sich durch feinen Ausdruck und Präcision aus.
+Und so wäre denn zum Theil die scherzhafte Vorhersagung seines Vaters
+erfüllt, daß _dieß Kind ein Mozart werden würde_, weil es einst weinend
+in den Ton stimmte, aus dem der Vater eben auf dem Fortepiano spielte.
+Offenbar lebt der Geist seines Vaters in ihm: aber dem Sohne fehlt eine
+so bildende Vaterhand, wie diejenige war, die das Genie des Vaters so
+trefflich leitete und entwickelte.
+
+Möge der hoffnungsvolle Sohn in dem Bestreben nach Vollkommenheit nicht
+ermüden, und so wie er der Erbe des väterlichen Talentes ist, auch
+seinen rastlosen Fleiß in dem Studium großer Meister geerbt haben! Nur
+dadurch geht der Weg zum wahren Ruhme! Der ältere Sohn Karl ist
+gegenwärtig in Mayland und macht ebenfalls große Fortschritte in der
+Tonkunst.
+
+In Böhmen war Mozarts Kunstvollkommenheit noch bey seinem Leben
+allgemein anerkannt und nach Werth geschätzt: aber er lebte zu kurz, um
+die wahre Blüthezeit seines Ruhmes zu sehen. Selbst in Wien seinem
+Wohnorte waren es nur Kenner, die seinem Genie Gerechtigkeit widerfahren
+ließen. Der Zauberflöte, wovon Mozart die ersten Vorstellungen und
+folglich auch den außerordentlichen Beyfall noch erlebte, war es
+vorbehalten seine Größe dem Auslande zu verkünden. Durch dieß
+Meisterwerk begeistert suchte man seine übrigen Werke auf, studierte sie
+und empfand ihre Schönheit, und so ward der Name _Mozart_ bald in der
+ganzen gebildeten Welt gefeyert, seine Gesänge die Lust jegliches Ohres!
+
+Dieß erfuhr seine Wittwe auf ihrer Reise durch Deutschland, die sie im
+J. 1796 unternommen hatte. Ueberall sah sie zu ihrer innigsten Wonne,
+wie gern die Teutschen wahres Verdienst erkennen und ehren, und wie tief
+Mozarts Gesänge auf ihre Herzen gewirket haben.
+
+Bey ihrem Aufenthalte zu Berlin im Febr. 1796 gab der _höchstselige
+Wilhelm_ II., dieser vortreffliche Freund der Tonkunst, und der ganze
+königl. Hof ausgezeichnete Beweise seiner Liebe und Achtung für das
+Genie Mozarts. Durch ein gnädiges Handbillet ward ihr blos aus Rücksicht
+auf die Talente ihres Mannes das königl. Theater und die Kapelle zum
+Gebrauche für ihr Konzert überlassen; und ihre Unternehmung wurde nicht
+nur von dem Monarchen, sondern auch von dem ganzen Publikum auf das
+großmüthigste unterstützt. Ueber alle Beschreibung groß und rührend war
+die Wirkung, welche die Aufführung der Singstücke aus der Oper: #La
+Clemenza di Tito# bey dem Konzerte auf den König, und das so
+ungewöhnlich zahlreich versammelte Publikum machte. Alles war gleich
+begeistert, die großen Sänger, das vortreffliche Orchester und die
+Zuhörer. Der Geist des verewigten Künstlers, (so drückt sich ein
+Berliner Wochenblatt aus, worinn die Akademie sehr interessant
+beschrieben wurde) schien über der Versammlung zu schweben, als zum
+Anfange die Sinfonie aus der Zauberflöte von dem Orchester so
+meisterhaft vorgetragen, eine feyerliche, einweihende Stille
+hervorbrachte. Das Handbillet worinn der König von Preußen einen so
+rühmlichen Beweis seines guten Geschmackes und der Achtung für teutsches
+Talent gegeben, lautet wörtlich so:
+
+ »Sr. Königliche Majestät von Preußen etc. etc. machen sich ein
+ wahres Vergnügen, durch die Gewährung des Wunsches der Wittwe
+ Mozart zu beweisen, wie sehr Sie das Talent ihres verstorbenen
+ Mannes geschätzt und die ungünstigen Umstände bedauert haben,
+ welche ihm die Früchte seiner Werke einzuerndten verhinderten.
+ Allerhöchst dieselben bewilligen der Wittwe Mozart zur
+ Ausführung dessen letzter Komposition, #La Clemenza di Tito# das
+ große Opernhaus, so wie Dero eigenes Orchester, haben auch
+ dieserhalb die nöthigen Befehle an den Kammerherrn Freyherrn von
+ der _Reck_ erlassen, an welchen sich selbige nunmehr zu wenden
+ hat, und wegen des hiezu zu bestimmenden Tages und wegen des
+ übrigen Details mit ihm sich gehörig zu besprechen. Berlin den
+ 14ten Februar 1796.«
+
+ Fr. Wilhelm.
+
+Selbst der Italiener seit Jahrhunderten im unbestrittenem Besitze des
+Meisterrechtes der Tonkunst überwand seinen Nationalstolz, und erkennt
+nun Mozarts Ueberlegenheit in der Musik an. Seine Opern werden in Rom,
+Mayland und andern Städten mit Beyfall gegeben; die Klaviersachen von
+jedermann gespielt; Meister studiren seine Partituren.
+
+Noch früher hat Frankreich seiner Kunst gehuldiget. Der Beyfall den die
+Mysterien der Isis (Zauberflöte) in Paris erhielten ist ein Beweis
+davon. Don Juan machte kein so großes Glück; aber dieß war, wie alle
+Nachrichten einstimmig aussagten, die Folge der schlechten Darstellung
+des Stückes. Denn der hohe Werth der Musik selbst wurde vollkommen
+anerkannt. Seine Sinfonien, Klavierkonzerte, Quartetten werden allgemein
+bewundert, häufig gespielt, und im Stich und Druck ohne Aufhören neu
+aufgelegt.
+
+England, welches deutsches Tonkünstlerverdienst von jeher schätzte und
+lohnte, kennt und bewundert auch Mozarts allgewaltigen Geist. Die
+Seelenmesse ward in London öfter mit dem größten Beyfalle aufgeführt;
+der Absatz seiner Werke, die bey Breitkopf und Härtel herausgekommen,
+ist nach England eben so stark, als in Deutschland und Frankreich.
+
+Wo giebt es überhaupt Kenner und Liebhaber der süßesten der Künste, wo
+nicht Mozarts Töne tönten und jedes Ohr entzückten? Selbst in den
+entferntesten Welttheilen, wohin kaum der Name der berühmtesten Europäer
+dringt, wiederhallen seine Harmonien. In den philippinischen Inseln,
+(schreibt unser Landsmann, der bekannte Botaniker Hänke) werden seine
+Werke mit Entzücken gehört.
+
+
+
+
+ III.
+
+ Mozart als Künstler und Mensch.
+
+
+Die Körperbildung dieses außerordentlichen Menschen hatte nichts
+Auszeichnendes; er war klein, sein Angesicht angenehm, aber, wenn man
+das große, feurige Auge ausnimmt, kündigte es die Größe seines Genies
+auf den ersten Anblick nicht an.
+
+Der Blick schien unstet und zerstreut, außer wenn er bey dem Klavier
+saß; da änderte sich sein ganzes Antlitz! Ernst und versammelt ruhte
+dann sein Auge; auf jeder Muskelbewegung drückte sich die Empfindung
+aus, welche er durch sein Spiel vortrug und in dem Zuhörer so mächtig
+wieder zu erwecken vermochte.
+
+Er hatte kleine schöne Hände; bey dem Klavierspielen wußte er sie so
+sanft und natürlich an der Klaviatur zu bewegen, daß sich das Auge
+daran nicht minder, als das Ohr an den Tönen ergötzen mußte. Auch darinn
+zeichnete sich also Mozart vor den tummelnden Kraftgenies unserer Tage
+aus!
+
+Der kleine Wuchs seines Körpers kam von seiner frühen Geistesanstrengung
+her, und von dem Mangel an freyer Bewegung in der Zeit seiner Kindheit.
+Er war zwar von schönen Eltern erzeugt, und selbst ein schönes Kind
+gewesen; aber von dem 6ten Lebensjahre an war er an eine sitzende
+Lebensweise gebunden; um diese Zeit fing er schon an zu schreiben! Und
+wie viel hat der Mann nicht in seinem Leben geschrieben? Da Mozart
+bekanntermaßen in der Nacht am liebsten spielte und komponirte und die
+Arbeit oft dringend war: so kann sich jeder vorstellen, wie sehr ein so
+fein organisirter Körper darunter leiden mußte! Sein früher Tod, (_wenn
+er ja nicht auch künstlich befördert war_), muß diesen Ursachen
+hauptsächlich zugeschrieben werden.
+
+_Aber in dem unansehnlichen Körper wohnte ein Genius der Kunst_, wie ihn
+nur wenigen Lieblingen die Natur verlieh!
+
+Die Größe und der Umfang seines Genies läßt sich nur nach dem so frühen,
+so beyspiellos schnellen Gange seiner Entwickelung, und nach der hohen
+Stufe der Vollkommenheit abmessen, auf die er in seiner Kunst gestiegen
+war. Kein Tonkünstler vor ihm hatte das weite Gebiet seiner Kunst so
+ganz umfaßt, und in jedem Zweige derselben so vollendete Produkte
+geschaffen, als Mozart. Von der Schöpfung einer Oper an, bis zu dem
+einfachen Liede, von der kritischen Erhabenheit einer Sinfonie, bis zu
+dem leichten Tanzstückchen herab; im Ernsten und Komischen tragen seine
+Werke überall den Stempel der reichsten Phantasie, der eindringendsten
+Empfindung, des feinsten Geschmackes. Sie haben eine Neuheit und
+Originalität, die eine getreue Beurkundung seines Genies ist. Selbst
+dasjenige, welches man ihm als _Fehler_ vorwirft, zeuget von der Kraft
+seines _freyen_, eine _neue Bahn_ gehenden Geistes. Dazu denke man noch
+die _Vollkommenheit_, die er zugleich im Klavierspielen erreicht hatte!
+
+Alle diese so seltenen, so mannigfaltigen und so innig verwebten Vorzüge
+bestimmen den Rang, der _ihm unter den Genien_ der Künste gebührt. _Er
+war unstreitig einer der großen, schöpferischen Geister, die in ihrer
+Kunst Epoche machen, weil sie dieselbe vervollkommnen, oder doch ihren
+Nachfolgern neue Ansichten und Pfade eröffnen; nach deren Erscheinung
+aber die Kunst gewöhnlich still stehet, oder rückwärts geht._
+
+Unter den schönen Künsten ist keine so sehr Sklavin der Mode und des
+Zeitgeschmackes, als die Musik. Da sie bey uns blos dem Vergnügen dient,
+blos Sache des _Einzelnen_ bleibt, keinen Vereinigungspunkt, keine
+Anstalt hat, wodurch der Geschmack des Publikums die gehörige Richtung
+bekäme; da ferner ihre Theorie noch zu wenig bestimmt und entwickelt
+ist, um selbst den Künstlern eine Gränze zu zeigen oder ein Ideal
+vorzustellen: so muß sie immer zwischen der Laune der Mode, dem
+Eigensinne eines verderbten Geschmackes und zwischen den aufgestellten
+Mustern großer Künstler unstet hin und her schwanken, und erhält nie
+einen sichern Gang zur Vollkommenheit. Ueberdieß sind ihre Zeichen und
+Formen zu unbestimmt, und das _Ohr_, durch welches sie auf den Geist
+wirket, ist ein viel zu untreuer Bothe, seine Sensationen sind zu
+dunkel, als daß man so deutlich bestimmen könnte, welches darinn das
+wahre Schöne sey. _Was dem großen Haufen gefällt_ – heißt _schön_! Das
+Neue hat einen starken Reiz; daher ist es seines Sieges über das bessere
+Alte gewiß; und darum gilt alte Musik und alte Mode einerley. Denn die
+wenigsten Menschen haben Geschmack und Kenntniß genug, um ächte
+Schönheit, vom Flitter zu unterscheiden. Wenn größere Geister durch ihre
+Meisterwerke mehr als eine augenblickliche Rührung hervorbringen, so
+summen doch der Leyermänner der zwey _Schwestern von Prag_, des _Tyroler
+Wastels_, und dergl. schönen Sächelchen, so lange dem Publikum um die
+Ohren, bis der Nachhall schönerer Töne verschwindet! Dann kennt man die
+Namen großer Meister nur noch aus Büchern; ihre himmlischen Harmonien
+sind längst verhallt! Das ist gewöhnlich das traurige Schicksal der
+Musik! Wie viel Kraft, wie viel klassischen Gehalt muß also in den
+Werken Mozarts liegen, wenn ihre Wirkung von dieser Erscheinung eine
+Ausnahme machet? Ihre Schönheit empfindet man gewöhnlich dann erst recht
+lebhaft, wenn man sie öfters gehört, oder recht scharf geprüfet hat.
+Oder haben uns wohl _Figaro_, _Don Juan_, _Titus_, während ihrer
+vieljährigen Vorstellung noch jemals Langeweile gemacht? Hört man seine
+_Klavierkonzerte_, _Sonaten_, _Lieder_ das dreyßigstemal nicht lieber
+noch, als das erstemal? Wer hat die tiefgedachten Schönheiten seiner
+Violin-Quartetten und Quintetten nach der häufigsten Wiederholung
+erschöpft? Dieses ist der wahre Probirstein des klassischen Werthes! Die
+Meisterstücke der Römer und Griechen gefallen bey fortgesetzter Lektüre
+und je reifer der Geschmack wird, immer mehr und mehr – das nemliche
+widerfährt dem Kenner und Nichtkenner bey der Anhörung Mozartischer
+Musik, besonders der dramatischen Werke. So ging es uns bey der ersten
+Vorstellung des _Don Juan_ und insbesondere des Titus.
+
+Ja eben itzt, nachdem die meisten Schöpfungen seiner Kunst 20 bis 30
+Jahre alt sind, gefallen sie am meisten! Wie gern hört man nach dem
+Wirrwarr neuester Kompositeurs die stillerhabenen, klaren, so einfachen
+Gesänge unsers Lieblinges! Wie wohl thun sie unserm Gefühle – es ist als
+wenn man aus einem chaotischen Gewirre, aus dichter Finsterniß ins Licht
+und eine heitere Ordnung versetzt würde.
+
+Nebst den oben angeführten Eigenheiten und Vorzügen des mozartischen
+Kunsttalentes, beobachtete an ihm der aufmerksame Schätzer seiner Werke
+einen gewissen _feinen Sinn_, den Charakter jeder Person, Lage und
+Empfindung aufs genaueste zu treffen;
+
+ #reddere convenientia cuique#.
+
+Diese Eigenschaft war sein wahrer Beruf zum dramatischen Komponisten,
+und ist zugleich der Erklärungsgrund des Zaubers und der großen Wirkung
+seiner Werke. Daher hat jede seiner Kompositionen einen bestimmten,
+eigenthümlichen Charakter, eine Individualität, die selbst in der Wahl
+der Tonart sich ankündigt. Kenner seiner Werke bedürfen keiner
+besondern Beyspiele, da alle Opern von seiner Komposition diese
+Eigenschaft im hohen Grade an sich haben; aber das schönste Muster davon
+ist #La Clemenza di Tito#. – Wie ganz anders bey den gewöhnlichen
+Kompositionen? Es sind größtentheils Gesänge von so unbestimmtem
+Charakter, daß sie eben so gut zu einer Messe, als #Opera buffa# taugen.
+
+Eine andere auszeichnende Eigenheit seiner Werke ist die _Verbindung der
+höchsten Kompositionskunst mit Lieblichkeit und Anmuth_. Diese
+Vereinigung ist eine Aufgabe blos für Künstler von mozartischem Genie.
+Den Beweis davon giebt die Erfahrung. Wie selten trift man auf
+Kompositionen, die den beyden Forderungen Genüge leisteten? Entweder
+sind es blos kontrapunktische Kunststücke, die wohl allen Regeln des
+Satzes zusagen mögen; aber Wärme, Anmuth und Lieblichkeit, diese wahren
+Zaubermittel der Rührung, wußte ihnen ihr Meister nicht anzuziffern:
+oder es sind geistlose, fade Liedeleyen, ohne Sinn und Zusammenhang,
+kaum im Stande dem Ohre mit ihrem übersüßen Geklingel einen
+vorübergehenden Kitzel zu verursachen.
+
+Wie ganz anders ist es beym Mozart? Wie schmilzt in seinen Werken das,
+was man Kunst des Satzes nennt, mit Anmuth, Lieblichkeit und Wohllaut
+so schön zusammen, daß das eine wegen des andern da zu seyn scheint –
+und beydes zur Hervorbringung des höchsten Effektes gleich wirksam ist!
+Und doch, wie mäßig und besonnen war er in dem Gebrauche der Süßigkeiten
+und Gewürze? Er kannte die hohe Forderung der Kunst und der Natur. Er
+schrieb was sein Genius ihm eingab, was sein richtiger Geschmack wahr
+fand, unbekümmert ob es nach dem Geschmacke des Parterres seyn würde
+oder nicht; und _so bildete er sich selber das Publikum_, überzeugt, daß
+wahre Schönheit, wie die Wahrheit, endlich doch erkannt wird und
+gefällt. Dieß thaten immer große Künstler, welche die Kraft hatten einen
+eigenen Weg zu gehen, und der Mode nicht zu fröhnen.
+
+Der Punkt dieser schönen Vereinigung der Gründlichkeit des Satzes mit
+Anmuth und Lieblichkeit ist gewiß die treffliche und vor seiner Zeit
+_unbekannte Art die Blasinstrumente zu brauchen und wirken zu lassen_.
+Hierinn glänzt sein erfinderisches _Genie_ ohne Beyspiel und
+Nebenbuhler.
+
+Er maß mit dem feinsten Sinne die Natur und den Umfang der Instrumente
+ab, zeichnete ihnen neue Bahnen vor, und gab jedem derselben die
+vortheilhafteste Rolle, um die kraftvolle Masse von Harmonie
+hervorzubringen, welche die Bewunderung aller Kenner erzwingt und das
+Muster und Studium der guten Köpfe bleiben wird. Wie ganz anders sehen
+hierinn die Kompositionen selbst großer Meister nach Mozarts Periode,
+als vor derselben aus? Wie unendlich viel haben sie gewonnen durch die
+Anwendung seiner Art, die Blasinstrumente zu setzen? Selbst des großen
+Haidns Werke bestättigen diese Behauptung. Man vergleiche die ältern
+Sinfonien von ihm, mit den neuern? Die Schöpfung schrieb Haidn erst nach
+Mozarts Epoche.
+
+Wie leise schmiegen sich die Töne der Blasinstrumente dem Hauptgesange
+an? wie kühn wetteifern sie bald wieder mit der Singstimme? Welche feine
+Wendungen? Welche Mannichfaltigkeit und Abwechslung überall? Bald
+wieder, wo es der Gegenstand oder Affekt erfordert, wie abstehend der
+Kontrast? Wie gewaltig das Aufbrausen der Leidenschaft? Selbst in
+Stücken ohne Singstimmen lehrte Mozart seine Instrumente einen Gesang,
+der so vernehmlich zu dem Gefühle spricht, daß der Zuhörer nur wenig die
+Abwesenheit der Singstimme wahrnehmen kann. Man höre seine Andantes oder
+Romanzen, in den Klavierkonzerten und Quartetten!
+
+Bey dem häufigen Gebrauche der Blasinstrumente, wie vollkommen wußte
+doch Mozart alle Ueberladung zu vermeiden? wie richtig den Ort und den
+Zeitpunkt zu treffen, wo sie Effekt machen? Nie ist ein Instrument
+verschwendet oder mißbraucht, und daher überflüssig. Aber nur _er_
+verstand die Oekonomie mit dem geringsten Aufwande, oft durch einen
+einzigen Zug eines Instruments, durch einen _Akkord_, einen
+Trompetenstoß, einen Paukenwirbel die größte Wirkung hervorzuzaubern!
+Wie tief sind viele seiner Nachahmer hierinnen unter ihm?
+
+So groß, so neu immer Mozart in der Instrumentalpartie seyn mag, so
+entfaltet sich doch sein mächtiges Genie noch _reizender in dem Satze
+des Gesanges für menschliche Stimmen_. Hierinn erwarb er sich ein
+zweifaches, gleich großes Verdienst. Mit richtigem Geschmacke führte er
+ihn zu seiner anspruchslosen Mutter, der Natur und Empfindung zurück. Er
+wagte es den italienischen Sängern zu trotzen,[11] alle unnützen
+charakterlosen Gurgeleyen, Schnörkel und Passagen zu verbannen! Daher
+ist sein Gesang überall _einfach, natürlich, kraftvoll, ein reiner
+Ausdruck der Empfindung und der Individualität_ der Person und ihrer
+Lage. Der Sinn des Textes ist immer so richtig und genau getroffen, daß
+man ausrufen muß: »Wahrlich die Musik spricht«! Aber Mozart scheint sich
+selbst zu übertreffen, wenn er den Gesang für mehrere Stimmen dichtet,
+_in Terzetten, Quartetten, Quintetten_ d. h. in vielstimmigen Stücken;
+vorzüglich in seinen unübertrefflichen, wahrlich _einzigen Operfinalen_.
+Welcher Reichthum? welche Mannigfaltigkeit in Wendungen und
+Veränderungen? Wie schlingt sich da eine Stimme um die andere? wie schön
+vereinigen sie sich alle ein reizendes Ganze zu bilden, eine neue
+Harmonie hervorzubringen? Und doch sagt jede nur ihre eigene oft
+entgegengesetzte Empfindung! _Hier ist die größte Mannigfaltigkeit und
+die strengste Einheit vereinigt._ Man findet wohl _schöne_ Arien auch
+bey andern Meistern: aber niemand wird in _vielstimmigen Sachen_
+Mozarten die Palme entreißen.
+
+ [Fußnote 11: Auch dieß ist eine Ursache der Abneigung der
+ welschen Sänger gegen seine Werke; eine noch stärkere ist die
+ Mühe, die es ihrer Unwissenheit kostete seine Gesänge
+ einzustudiren. Mozart hat zwar bisweilen von diesem Grundsatze
+ eine Ausnahme gemacht. Aber war er denn in bestellten Sachen
+ immer frey? Mußte er nicht gegen Sänger gefällig seyn, wenn er
+ wünschte, daß sie ihm die Sachen nicht verderben? Darum müßte
+ man immer die Sänger kennen, für die er schrieb, wenn man ein
+ richtiges Urtheil über seine dramatischen Werke fällen wollte.]
+
+Doch wer mag sie alle entwickeln, die unzähligen Vorzüge, die
+unerschöpflichen Schönheiten seiner Kunst? Wer mag mit Worten das _Neue,
+Originelle, Hinreißende, Erhabene, Volltönende seiner_ Musik
+beschreiben? Seine Musik verfehlt nie ihre Wirkung, wenn sie nur
+pünktlich und mit Feuer vorgetragen wird. Freylich ist es nicht leicht
+seinem Geiste nachzufliegen; und da bey ihm jede Note mathematisch genau
+zu der Harmonie berechnet ist: so giebt es auch kein so arges Mißgetön,
+als wenn rohe Hände unwissender Bierfiedler sich an seine Heiligthümer
+wagen.
+
+Die berühmtesten Tonkünstler erkannten die Größe seines Genies, und
+bewunderten seine Werke. _Joseph Haydn_, dieser Liebling der Grazien,
+der in seinem Alter noch das Gefühl eines Jünglinges zeigte, ist gewiß
+vor allen _ein befugter und berufener Richter_.
+
+Sein Urtheil ist unpartheyisch, weil er als ein redlicher Mann bekannt
+ist, und Mozarts aufblühender Ruhm dem seinigen im Wege stand. Schon im
+Jahre 1785 da Mozarts Vater noch lebte, sagte J. Hayden bey einer
+Zusammenkunft in Wien zu ihm: »_Ich sage Ihnen vor Gott und als ein
+ehrlicher Mann, daß ich ihren Sohn für den größten Komponisten
+anerkenne, von dem ich nur immer gehört habe; er hat Geschmack und
+besitzt die gründlichste Kenntniß in der Kunst der Komposition._«
+
+Im Jahre 1787 im Dezember schrieb eben dieser große Mann an einen
+_Freund in Prag_, der mit ihm seit langer Zeit in Briefwechsel stand,
+und ein Singspiel von seiner Komposition für Prag verlangte, folgenden
+merkwürdigen Brief:
+
+ »Sie verlangen eine #Opera buffa# von mir; recht herzlich gern,
+ wenn Sie Lust haben von meiner Singkomposition etwas für sich
+ allein zu besitzen. Aber um sie auf dem Theater zu Prag
+ aufzuführen, kann ich Ihnen dießfalls nicht dienen, weil alle
+ meine Opern zu viel auf unser Personale (_zu Esterhaz in
+ Ungarn_) gebunden sind, und außerdem nie die Wirkung
+ hervorbringen würden, die ich nach der Lokalität berechnet habe.
+ Ganz was anders wär es, wenn ich das unschätzbare Glück hätte
+ ein ganz neues Buch für das dasige Theater zu komponiren. Aber
+ auch da hätte ich noch viel zu wagen, in dem der _große_ Mozart
+ schwerlich jemanden andern zur Seite haben kann.«
+
+ »Denn, könnt ich jedem Musikfreunde besonders aber den Großen
+ die unnachahmlichen Arbeiten Mozarts _so tief und mit einem
+ solchen musikalischen Verstande, mit einer so großen Empfindung
+ in die Seele prägen, als ich sie begreife und empfinde_: so
+ würden die Nationen wetteifern ein solches Kleinod in ihren
+ Ringmauern zu besitzen. Prag soll den theuern Mann fest halten –
+ aber auch belohnen; denn ohne dieses ist die Geschichte großer
+ _Genies traurig_, und giebt der Nachwelt wenig Aufmunterung zum
+ fernern Bestreben; weßwegen leider! so viel hoffnungsvolle
+ Geister darnieder liegen. Mich zürnet es, daß dieser _einzige
+ Mozart_ noch nicht bey einem kaiserlichen oder königlichen Hofe
+ engagirt ist. Verzeihen Sie, wenn ich aus dem Geleise komme: ich
+ habe den Mann zu lieb.«
+
+ Ich bin etc.
+ Joseph Hayden.
+
+ N. S. An das Prager Orchester und die dasige Virtuosen mein
+ ergebenstes Kompliment.[12]
+
+ [Fußnote 12: Ich habe dieses schätzbare Denkmal einer edlen
+ Seele der gütigen Mittheilung des _Herrn Roth_
+ Proviantoberverwalter zu Prag (an den der Brief geschrieben war)
+ zu danken. Da er für den Geist und das Herz seines Verfassers
+ nicht minder ruhmvoll ist, als für Mozart: so ließ ich ihn hier
+ _wörtlich nach dem Originale abdrucken_.]
+
+Wenn ein _Haydn_ so urtheilt, so begeistert spricht – ein Haydn, der
+allein unter allen Tonkünstlern über seinen Verlust zu trösten im Stande
+wäre, was will dann das Gekreische einiger kleinen Geister sagen, die an
+Mozarts Ruhme zu Rittern werden wollten?
+
+Der chursächsische Kapellmeister H. Naumann bezeugte bey seinem
+Aufenthalte zu Prag auf eine schöne Art seine Hochachtung und
+Bewunderung für Mozarts Talente und Werke in einer rührenden Anrede an
+seinen Sohn, als ihm derselbe von seiner Freundin Duschek vorgestellt
+wurde. Wer die redliche anspruchslose Denkungsart dieses berühmten
+Meisters kannte, wird an der Wahrheit seiner Gesinnungen gewiß nicht
+zweifeln.[13]
+
+ [Fußnote 13: Der Verfasser hatte das Vergnügen Augenzeuge der
+ schönen Scene zu seyn.]
+
+Wie sehr ihn _Gluck_ geschätzt habe, ist schon erwähnt worden.
+
+Cherubini, dessen Geist dem Mozartischen am nächsten verwandt scheint,
+ist sein größter Bewunderer, und hat seine Werke zum Gegenstande seines
+beständigen Studium gemacht. Alle Neuern, wenn sie es auch nicht
+gestehen wollen, haben von Mozart gelernt, oder ahmen ihn nach!
+
+Ein noch lebender, nicht unberühmter Tonsetzer in Wien sagte zu einem
+andern bey Mozarts Tode, mit vieler Wahrheit und Aufrichtigkeit: »Es ist
+zwar Schade um ein so großes Genie; aber wohl uns, daß er todt ist.
+Denn, würde er länger gelebt haben, wahrlich! die Welt hätte uns kein
+Stück Brod mehr für unsere Kompositionen gegeben.«
+
+Die zahlreiche Klasse gründlicher Tonkünstler in Prag verdient mit Recht
+unter den Richtern über Mozarts hohen Werth einen ansehnlichen Platz.
+Die meisten von ihnen sprechen mit einer Achtung von Mozarts Werken, die
+ein rühmlicher Beweis ihrer Kenntnisse, und der Unbefangenheit ihres
+Herzens ist. – Einige, (lange noch nicht alle) sind in einer
+vorhergehenden Anmerkung genannt worden. Der brave Duschek mit seiner
+Gattin, die als Künstlerin und gebildete Frau im gleichen Maße auf
+Achtung und Beyfall Anspruch machen kann, waren Freunde und Bewunderer
+Mozarts. Wie viele treffliche Künstler, auf die _Böhmen_ stolz ist – wie
+viele gründliche und geschmackvolle Dilletanten vom Adel und dem
+Bürgerstande, die in jedem andern Lande für Virtuosen gelten würden,
+müßte ich nennen, wenn ich alle Freunde und Verehrer seiner Werke und
+Talente in Böhmen herzählen wollte?
+
+Doch um Mozart als Tonkünstler ganz kennen zu lernen, ist es nöthig ihn
+bey seinem Schreibpulte, wenn er die unsterblichen Werke dichtete, zu
+beobachten!
+
+Mozart schrieb alles mit einer Leichtigkeit und Geschwindigkeit, die
+wohl beym ersten Anblick Flüchtigkeit oder Eile scheinen konnte; auch
+kam er nie während des Schreibens zum Klavier. Seine Imagination stellte
+ihm das ganze Werk, wenn es empfangen war, deutlich und lebhaft dar. Die
+große Kenntniß des Satzes erleichterte ihm den Ueberblick der gesammten
+Harmonie. Selten trift man in seinen Konzeptpartituren ausgebesserte
+oder überstrichene Stellen an. Daraus folgt nicht, daß er seine Arbeiten
+nur hingeworfen habe. In seinem Kopfe lag das Werk immer schon
+vollendet, ehe er sich zum Schreibpulte setzte. Wenn er den Text zu
+einer Singkomposition bekam, so ging er lange Zeit damit herum, dachte
+sich ganz hinein, und erregte die Thätigkeit seiner Phantasie. Bey dem
+Klavier arbeitete er dann die Gedanken vollständig aus; und nun erst
+setzte er sich zum Schreiben hin. Daher war ihm das Schreiben eine
+leichte Arbeit, wobey er oft scherzte und tändelte. Es ist schon oben
+gesagt worden, daß er auch in seinen Mannsjahren halbe Nächte bey dem
+Klavier zubrachte, dieß waren eigentlich die _Schöpferstunden_ seiner
+himmlischen Gesänge! Bey der schweigenden Ruhe der Nacht, wo kein
+Gegenstand die Sinne fesselt, entglühete seine Einbildungskraft zu der
+regesten Thätigkeit, und entfaltete den ganzen Reichthum der Töne,
+welchen die Natur in seinen Geist gelegt hatte. Hier war _Mozart ganz_
+Empfindung und Wohllaut – hier floßen von seinen Fingern die
+wunderbarsten Harmonien! _Wer Mozart in solchen Stunden hörte, der nur
+kannte die Tiefe, den ganzen Umfang seines musikalischen Genies: frey
+und unabhängig von jeder Rücksicht durfte da sein Geist mit kühnen Fluge
+sich in die höchsten Regionen der Kunst schwingen._ In solchen Stunden
+der dichterischen Laune schuf sich Mozart unerschöpflichen Vorrath;
+daraus ordnete und bildete er dann mit leichter Hand seine unsterblichen
+Werke.
+
+Uebrigens wird jeder einsehen, daß eine reiche Ader der Gedanken dazu
+erfodert war. Ohne diese würde alle seine Kunst unfruchtbar geblieben
+seyn. Es giebt zwar Komponisten, die durch hartnäckigen Fleiß einige
+Gedanken erzwingen: aber wie bald versiegt ihre Quelle? Dann hört man
+sie nur wiederholen: ihre spätern Werke sind gewöhnlich nur die
+Musterkarte der frühern.
+
+Diese Leichtigkeit, mit der Mozart schrieb, hat er, wie wir gesehen
+haben, schon als Knabe gezeigt; ein Beweis, daß sie ein Werk des Genies
+war. Aber wie oft überraschte er damit in seinen letzten Jahren selbst
+diejenigen, die mit seinen Talenten vertraut waren? Die genievolle
+Eingangssinfonie zum _Don Juan_ ist ein merkwürdiges Beyspiel davon.
+Mozart schrieb diese Oper im Oktober 1787 zu Prag; sie war nun schon
+vollendet, einstudirt, und sollte übermorgen aufgeführt werden, nur die
+Ouverture fehlte noch.
+
+Die ängstliche Besorgniß seiner Freunde, die mit jeder Stunde zunahm,
+schien ihn zu unterhalten; je mehr sie verlegen waren, desto
+leichtsinniger stellte sich Mozart. Endlich am Abende vor dem Tage der
+ersten Vorstellung, nachdem er sich satt gescherzt hatte, gieng er gegen
+Mitternacht auf sein Zimmer, fing an zu schreiben, und vollendete _in
+einigen Stunden das bewundernswürdige Meisterstück_, welches die Kenner
+nur der himmlischen Sinfonie der Zauberflöte nachsetzen. Die Kopisten
+wurden nur mit Mühe bis zur Vorstellung fertig, und das Opernorchester,
+dessen Geschicklichkeit Mozart schon kannte, führte sie #prima vista#
+vortrefflich auf.[14]
+
+ [Fußnote 14: Die Begebenheit ist in Prag allgemein bekannt.]
+
+Die Musik zur Zauberflöte war schon im Julius 1791 fertig. In der Mitte
+des _Augustus_ gieng Mozart nach Prag, schrieb da innerhalb 18 Tagen #La
+Clemenza di Tito#, welche am 5ten September aufs Theater kam. In der
+Mitte dieses Monaths reisete er nach Wien zurück, und schrieb ein paar
+Tage vor der Vorstellung der Zauberflöte, die am 30. September geschah,
+die beste aller Ouverturen und den _Priestermarsch_ zum Anfang des 2ten
+Aktes.
+
+Solche Beyspiele könnten häufig angeführt werden. Sein außerordentliches
+Gedächtniß zeigte sich auch schon in der Jugend; das aufgefaßte
+_Miserere_ in Rom giebt einen vollen Beweis davon. Er behielt es
+ungeschwächt bis an sein Ende.
+
+Da man seine Kompositionen unglaublich suchte: so war er nie sicher, daß
+ihm nicht ein neues Werk selbst während des Kopirens abgestohlen werde.
+Er schrieb daher bey seinen Klavier-Konzerten gewöhnlich nur eine Zeile
+für eine Hand auf, und spielte das übrige aus dem Gedächtnisse. So hat
+er einst ein Klavierkonzert, welches er schon seit geraumer Zeit nicht
+in Händen gehabt hatte, in einer musik. Akademie aus dem Gedächtnisse
+gespielt, indem er die Prinzipalstimme in der Eile zu Hause vergaß.
+
+Aber wie ist Mozart ein so _großer_, ja ich möchte sagen, _einziger_
+Mann in seiner Kunst geworden? Hat er alles der Natur, oder seinem
+Studium, seiner Ausbildung zu danken? Einige teutschen Schriftsteller
+sprechen von einer _instinktartigen Beschaffenheit seines Geistes_,
+welche ihn unwillkührlich zur Hervorbringung seiner Meisterwerke
+getrieben habe. Aber diese Herrn kennen sicher Mozarten gar nicht, und
+scheinen die Leichtigkeit, mit welcher er, wenn die Idee des Werkes
+einmal gebildet war, schrieb, für die instinktartige Wirkung seines
+Talentes zu halten. Freylich haben die Aeußerungen des Genies, in
+wiefern es angeboren ist, etwas instinktartiges: aber nur Bildung und
+Uebung – Studium giebt ihm Reife und Vollendung. Mozart hatte von der
+Natur ein Genie empfangen wie Shakespeare, aber er übertraf diesen an
+Geschmack und Korrektheit. Er produzirte mit Verstand und Wahl. Diese so
+seltene Vereinigung eines feinen Geschmackes und der richtigsten
+Beurtheilung mit den größten Naturanlagen, die Mozarten unter den
+Meistern seiner Kunst den ersten Rang giebt, war größtentheils sein
+Werk – das Werk seines Eifers, seines Fleißes; das Werk des tiefen und
+gründlichen Studiums der Kunst.
+
+Aus der Geschichte seiner Jugend haben wir gesehen, wie sorgfältig er
+jede Gelegenheit benützte, um zu lernen; wie weise und streng ihn sein
+Vater dazu leitete; wie tief er in die Geheimnisse der Kunst so früh
+schon eingedrungen war. Aber wir wollen ihn selbst darüber hören.
+
+Einst – (es war nach den ersten Proben seines Don Juan) – gieng Mozart
+mit dem damaligen Orchesterdirektor und Kapellmeister Herr Kucharz[15]
+spazieren. Unter andern vertraulichen Gesprächen kam die Rede auf Don
+Juan. Mozart sagte: »Was halten sie von der Musik zum Don Juan? Wird sie
+so gefallen, wie Figaro? Sie ist von einer andern Gattung!
+
+ [Fußnote 15: Anmerkung. Ein trefflicher Schüler Seegerts, und
+ biederer Mann. Diese Anekdote habe ich aus seinem Munde.]
+
+_Kuch_. Wie können Sie daran zweifeln? Die Musik ist schön, originell,
+tief gedacht. Was von Mozart kommt wird den Böhmen gewiß gefallen.
+
+_Moz_. Ihre Versicherung beruhigt mich, sie kommt von einem Kenner. Aber
+ich habe mir Mühe und Arbeit nicht verdrüßen lassen, für Prag etwas
+vorzügliches zu leisten. Ueberhaupt irrt man, wenn man denkt, daß mir
+meine Kunst so leicht geworden ist. Ich versichere Sie, lieber Freund!
+niemand hat so viel Mühe auf das Studium der Komposition verwendet als
+ich. _Es giebt nicht leicht einen berühmten Meister in der Musik, den
+ich nicht fleißig, oft mehrmal durchstudirt hätte._«
+
+Und in der That, man sah die Werke großer Tonkünstler, auch da noch, als
+er bereits klassische Vollkommenheit erreicht hatte, auf seinem Pulte.
+
+Sein gewandter Geist wußte sich den Charakter eines jeden so anzueignen,
+daß er sie oft zum Scherze im Satze und Stile bis zum Täuschen
+nachahmte.
+
+Sein Gehör war so fein, faßte die Verschiedenheit der Töne so gewiß und
+richtig auf, daß er den geringsten Fehler oder Mißton selbst bey dem
+stärksten Orchester bemerkte, und dasjenige Subjekt oder Instrument,
+welches ihn begieng genau anzugeben wußte. Nichts brachte ihn so sehr
+auf, als Unruhe, Getöse oder Geschwätz bey der Musik. Da gerieth der so
+sanfte, muntere Mann in den größten Unwillen, und äußerte ihn sehr
+lebhaft. Es ist bekannt, daß er einst mitten im Spiele unwillig von dem
+Klavier aufstand, und die unaufmerksamen Zuhörer verließ. Dieses hat
+man ihm vielfältig übel genommen; aber gewiß mit Unrecht. Alles, was er
+vortrug, empfand er selbst auf das stärkste – sein ganzes Wesen war dann
+Gefühl und Aufmerksamkeit: wie konnte ihn also kalte Fühllosigkeit,
+Unaufmerksamkeit: oder gar ein störendes Geschwätze in der Laune und
+Fassung erhalten? Als begeisterter Künstler vergaß er da auf alle andere
+Rücksichten.
+
+Wie reizbar lebhaft sein Kunstsinn gewesen sey, kann man aus dem
+schließen, daß er bey der Aufführung einer guten Musik bis zu Thränen
+gerührt wurde: vorzüglich wenn er etwas von den beyden großen _Haydn_
+hörte. Aber nicht allein Musik, jeder andere rührende Gegenstand ergriff
+sein ganzes Gefühl und erschütterte ihn. Seine Einbildungskraft war
+immer thätig, immer mit Musik beschäftigt; daher schien er oft zerstreut
+und gedankenlos.
+
+_So groß war Mozart als Künstler!_ Den Forscher der menschlichen
+Natur wird es nicht befremden, wenn er sieht, daß dieser als Künstler
+so seltene Mensch, nicht auch in den übrigen Verhältnissen des
+Lebens ein _großer Mann_ war. Die Tonkunst machte die Haupt- und
+Lieblingsbeschäftigung seines ganzen Lebens aus – um diese bewegte sich
+sein ganzes Gedanken- und Empfindungsspiel; alle Bildung seiner Kräfte,
+die das Genie des Künstlers ausmachen, ging von da aus und bezog sich
+darauf. Ist es ein Wunder, wenn er den übrigen Dingen um sich weniger
+Aufmerksamkeit widmete? Er war Künstler, war es ganz und in einer
+bewundernswürdigen Größe: das ist genug! Wer mag indeß die Gränzlinien
+seiner Geistkräfte so genau ziehen, um behaupten zu können, Mozart habe
+außer seiner Kunst zu nichts sonst Anlage oder Fähigkeit gehabt? Man
+setzt freylich das Wesen des Künstler-Genies in eine überwiegende Stärke
+der untern oder ästhetischen Kräfte der Seele, aber man weiß auch, daß
+die Künste besonders die Musik häufig einen scharfen Ueberblick,
+Beurtheilung und Einsicht in die Lage der Dinge erfodern; welches bey
+Mozart um so gewisser vorauszusetzen ist, da er kein gemeiner
+mechanischer Virtuos eines Instrumentes war, sondern das ganze weite
+Gebieth der Tonkunst mit seltner Kraft und Geschicklichkeit umfaßte.
+
+Wie schön und beneidenswerth ist übrigens der Wirkungskreis eines
+Tonkünstlers? Mit seinen süßen Harmonien entzückt er tausend gefühlvolle
+Seelen; er schafft ihnen die reinste Wonne; er erhebt, besänftiget,
+tröstet! Auch dann wenn er nicht mehr ist, lebt er dennoch in seinen
+widerholenden Gesängen – Tausende segnen und bewundern ihn.
+
+_Mozart_ hatte schon in seiner Jugend zu allen Kenntnissen, die man ihm
+beyzubringen für nöthig fand, eine große Anlage gezeigt, in allen
+schnelle Fortschritte gemacht; von der Arithmetik ist Erwähnung
+geschehen. Auch in seinen spätern Jahren liebte er diese Kenntniß sehr
+und war wirklich ein ungemein geschickter Rechenmeister. Eben so groß
+war sein Talent zur Sprachwissenschaft; er verstand _Französisch_,
+_Englisch_, _Italienisch_ und _Teutsch_. Die lateinische Sprache lernte
+er in spätern Jahren, und zwar nur so weit, als es zur Verständniß des
+Kirchentextes, den er allenfalls in Musik zu setzen hätte, erfordert
+war. In allen übrigen Sprachen hat er die guten Schriftsteller gelesen
+und verstanden. Er machte oft selbst Verse; meistens aber nur bey
+scherzhaften Gelegenheiten.[16] In den übrigen Fächern hatte Mozart
+wenigstens so viel historische Kenntniß, als für einen Mann von Bildung
+nöthig war.
+
+ [Fußnote 16: Dieß war unter andern der Fall bey dem Tode eines
+ geliebten Staares, den er in seinem gemietheten Garten ein
+ ordentliches Grabmahl errichtet, und mit einer Inschrift
+ versehen hatte. Thiere und insbesondere Vögel liebte er sehr.]
+
+Zu bedauern ist es, daß er nicht über seine Kunst schrieb! Aus einem
+Briefe, welchen er an F. v. Trattner, eine seiner Schülerinnen über den
+_Vortrag_ der für sie gesetzten Klavierphantasie geschrieben hatte,
+konnte man sehen, daß er nicht nur die Prax, sondern auch die Theorie
+seiner Kunst vollkommen verstand. Der Brief ist, leider! nicht zu finden
+gewesen.
+
+In einem Heft einer musikalischen Zeitschrift von Berlin vor einigen
+Jahren wurde von Mozart behauptet, er habe eigentlich keine _höhere
+Bildung_ gehabt. Es ist schwer zu errathen, was der Verfasser mit den
+Worten höhere Bildung gemeint habe. Mozart hatte die Welt gesehen, er
+kannte die Schriftsteller der gebildetesten Nationen, zeigte überall
+einen offenen und freymüthigen Geist: was fehlte ihm also zur höhern
+Kultur? Muß man in Göttingen oder Jena studirt haben, um höhere Bildung
+zu erlangen? Oder besteht die höhere Bildung darinn, daß man weiß, was
+teutsche Schriftsteller sagen? daß man von allen zu schwatzen verstehet?
+
+Der _moralische Charakter Mozarts_ war _bieder_ und _liebenswürdig_.
+Unbefangene _Herzensgüte_ und eine _seltene Empfindlichkeit für alle
+Eindrücke_ des _Wohlwollens und der Freundschaft_ waren seine Grundzüge.
+Er überließ sich diesen liebenswürdigen Regungen ganz, und wurde daher
+mehrmal das Opfer seines gutmüthigen Zutrauens. Oft beherbergte und
+pflegte er seine ärgsten Feinde und Verderber bey sich.
+
+Er hatte zwar oft mit einem schnellen Blicke auch versteckte Charaktere
+aus dem Innersten ausgeholt: aber im Ganzen genommen, hatte er zu viel
+Gutmüthigkeit um Menschenkenntniß zu erlangen. Selbst die Art seiner
+_Erziehung_, die _unstäte Lebensart auf Reisen_, wo er nur für seine
+Kunst lebte, machte eine wahre Kenntniß des menschlichen Herzen
+unmöglich. Diesem Mangel muß man manche Unklugheit seines Lebens zu
+schreiben.
+
+Uebrigens hatte Mozart für die Freuden der Geselligkeit und Freundschaft
+einen offenen Sinn. Unter guten Freunden war er vertraulich wie ein
+Kind, voll _munterer_ Laune; diese ergoß sich dann meistentheils in den
+drolligsten _Einfällen_. Mit Vergnügen denken seine Freunde in Prag an
+die schönen Stunden, die sie in seiner Gesellschaft verlebten; sie
+können sein gutes argloses Herz nie genug rühmen; man vergaß in seiner
+Gesellschaft ganz, daß man _Mozart_ den bewunderten Künstler vor sich
+habe.
+
+Nie verrieth er einen gewissen _Kunst-Pedantismus_, der an manchen
+Jüngern Apollos so widerlich ist. Er sprach selten und wenig von seiner
+Kunst, und immer mit einer liebenswürdigen Bescheidenheit. Hochschätzung
+des wahren Verdienstes und Achtung für die Person leiteten seine
+Urtheile in Kunstsachen. Es war gewiß rührend, wenn er von den _beyden
+Haydn_, oder andern großen Meistern sprach: man glaubte nicht dem
+allgewaltigen Mozart, sondern einen ihrer begeisterten Schüler zu hören.
+
+Ich kann hier eine Anekdote nicht übergehen, die eben so sehr seinen
+geraden Sinn, und den Unwillen gegen lieblose Tadelsucht, als seine
+große Achtung für Joseph _Haydn_ beweiset. Sie sey zugleich ein Beyspiel
+seiner guten Einfälle.
+
+In einer Privatgesellschaft wurde einst ein neues Werk von Joseph Haydn
+gemacht. Nebst Mozart waren mehrere Tonkünstler gegenwärtig, unter
+andern L. K..., der noch nie jemanden gelobt hatte, als sich selbst. Er
+stellte sich zum Mozart und tadelte bald dieses bald jenes. Mit Geduld
+hörte ihn dieser eine Zeit an; als es ihm aber zu lang dauerte, und der
+Tadler endlich wieder bey einer Stelle mit Selbstgenügsamkeit ausrief:
+»Das hätt’ ich nicht gethan« – erwiederte Mozart: Ich auch nicht; wissen
+Sie aber warum? Weil _wir es beyde_ nicht so gut getroffen hätten! –
+Durch diesen Einfall machte er sich einen unversöhnlichen Feind mehr.
+
+Mit einer solchen Bescheidenheit verband Mozart dennoch ein edles
+_Bewußtseyn_ seiner Künstlerwürde. Wie wäre es auch möglich gewesen
+nicht zu wissen, wie _groß_ er sey? Aber er jagte nie nach dem Beyfalle
+der Menge; selbst als Kind rührte ihn nur das Lob des Kenners. Daher war
+ihm alles gleichgültig, was blos aus Neugierde ihn anzugaffen gekommen
+war. Oft ging dieses Betragen vielleicht zu weit. Er war daher bisweilen
+auch in der Gegenwart großer Herrn vom höchsten Range zum Spielen nicht
+zu bewegen; oder er spielte nichts als Tändeleyen, wenn er merkte, daß
+sie keine Kenner oder wahre Liebhaber sind. Aber Mozart war der
+gefälligste Mann von der Welt, wenn er sah, daß man Sinn für seine Kunst
+besitze; er spielte Stunden lang dem geringsten, oft unbekannten
+Menschen. Mit aufmunternder Achtsamkeit hörte er die Versuche junger
+Künstler an, und weckte durch eine liebevolle Beyfallsäußerung das
+schlummernde Selbstbewußtseyn.
+
+Unser beste Klavierspieler und beliebter Tonsetzer Joh. Witassek dankt
+ihm diese Erweckung seines Talentes. Die wenigen Stunden die er bey
+Mozart zubrachte, schätzt er nach eigenem Geständnisse für einen großen
+Zuwachs zu seiner Ausbildung.
+
+Menschenfreundlich und uneigennützig war _Mozart_ im hohen Grade. Darum
+sammelte er kein Vermögen. Ganz im Reiche der Töne lebend, schätzte er
+den Werth des Geldes und der übrigen Dinge zu wenig. Daher arbeitete er
+viel umsonst, aus Gefälligkeit oder Wohlthätigkeit. Jeder reisende
+Virtuos war gewiß, wenn er sich ihm durch Talent oder moralischen
+Charakter zu empfehlen wußte, eine Komposition für sich zu erhalten. So
+entstanden die Konzerte für die übrigen Instrumente, so eine Menge
+einzelner Singkompositionen, unter andern die majestätischen Chöre zu
+dem Schauspiele, König Tamos, die den erhabensten Werken Händels und
+Glucks an die Seite gesetzt werden.
+
+Aber selbst die Bezahlung, die er für seine Arbeiten bekam, war meistens
+mittelmäßig. Der Theaterunternehmer Guardasoni zahlte ihm für Don Juan
+nur hundert Dukaten.
+
+_Verstellung und Schmeicheley_ war seinem arglosen Herzen gleich fremd;
+jeder Zwang, den er seinem Geiste anthun mußte, _unausstehlich_.
+Freymüthig und offen in seinen Aeußerungen und Antworten, beleidigte er
+nicht selten die Empfindlichkeit der Eigenliebe, und zog sich dadurch
+manchen Feind zu.
+
+Seine hohe Kunst und der liebenswürdige Charakter verschafften ihm
+Freunde, die ihn von ganzer Seele liebten und für sein Wohl eifrig
+besorgt waren. Es würde das Zartgefühl dieser edlen Menschen beleidigen,
+wenn sie hier namentlich angeführt würden; wie wäre es auch möglich alle
+zu kennen und zu nennen? Indem mir also diese Betrachtung verbiethet von
+der großmüthigen Freundschaft eines B. v. S**, und des Kaufmannes B** in
+Wien zu reden: so sey es wenigstens erlaubt hier der ausgezeichneten
+Wohlthätigkeit eines Wiener Bürgers gegen Mozart zu erwähnen. Dieser
+brave Mann, ein Flecksieder vom Gewerbe, ohne Mozart persönlich zu
+kennen, blos von Bewunderung für seine Kunst hingerissen, verschaffte
+seiner kranken Gemahlin, (die nach der Verordnung der Aerzte wegen einer
+Lähmung am Fuße Bäder vom gekochten Magengekröße brauchen mußte), die
+Gelegenheit in seinem eigenen Hause durch geraume Zeit die Kur mit
+vieler Bequemlichkeit brauchen zu können. Er lieferte ihr nicht nur die
+Flecke unentgeltlich und ersparte dadurch Mozarten eine Auslage von
+mehreren hundert Gulden, sondern verlangte auch für Logis und Kost gar
+nichts. Aehnliche Beyspiele eines solchen Enthusiasmus für die hohe
+Kunst Mozarts sind sehr häufig.
+
+Aber Mozart hatte auch Feinde, zahlreiche, unversöhnliche Feinde. Wie
+hätten ihm auch diese mangeln können, da er ein so _großer Künstler_ und
+_ein so gerader Mann war_? Und diese waren die unlautere Quelle, aus
+welcher so viele häßliche _Erzählungen_ von seinem _Leichtsinne, seinen
+Ausschweifungen_ gefloßen sind. Mozart war Mensch, folglich Fehlern
+unterworfen wie alle Menschen. Die nemlichen Eigenschaften und Kräfte,
+die das Wesen seiner großen Talente ausmachten, waren zugleich Reiz und
+Anlaß zu manchen Fehltritte: brachten Neigungen hervor, die freylich bey
+Alltagsmenschen nicht angetroffen werden. Seine Erziehung und Lebensart
+bis zu dem Zeitpunkte, da er sich in Wien niederließ, war auch nicht
+gemacht ihm Menschenkenntniß und Welterfahrung zu verschaffen. Denke man
+sich einen so zart organisirten Jüngling – einen Tonkünstler von seiner
+Empfindung in einer Stadt, wie Wien, sich selbst überlassen? Braucht es
+mehr um zur Nachsicht gegen seine Fehler gestimmt zu werden? Man muß
+aber gegen diese Erzählungen überhaupt mißtrauisch seyn, da gewiß der
+größte Theil baare Unwahrheiten, und nichts als Schmähungen des
+scheelsüchtigen Neides sind. Wir haben dieß in Rücksicht seiner
+hinterlassenen Schulden schon bemerkt. Niemand wird es unbegreiflich
+finden, warum die Welt diesen Ausstreuungen so leicht Glauben beymißt,
+wenn er sich erinnert, daß man gewöhnlich mit einem Tonkünstler den
+Begriff eines Verschwenders oder Wüstlings verbindet. Aber zahlreiche
+Beyspiele achtungswürdiger Künstler haben bewiesen, wie sehr dieses
+Vorurtheil einzuschränken sey.
+
+In seiner Ehe mit _Konstanza Weber_ lebte Mozart vergnügt. Er fand an
+ihr ein gutes, liebevolles Weib, die sich an seine Gemüthsart
+vortrefflich anzuschmiegen wußte, und dadurch sein ganzes Zutrauen und
+eine Gewalt über ihn gewann, welche sie nur dazu anwendete, ihn oft von
+Uebereilungen abzuhalten. Er liebte sie wahrhaft, vertraute ihr alles,
+selbst seine kleinen Sünden – und sie vergalt es ihm mit Zärtlichkeit
+und treuer Sorgfalt. Wien war Zeuge dieser Behandlung, und die Wittwe
+denkt nie ohne Rührung an die Tage ihrer Ehe.[17]
+
+ [Fußnote 17: Die achtungswürdige Frau beträgt sich in ihrem
+ Wittwenstande sehr klug, und sorgt für ihre 2 Söhne mütterlich.
+ Sie lebt in Wien von ihrer Pension und dem kleinen Erwerbe aus
+ dem Nachlasse ihres Mannes.]
+
+Seine liebste Unterhaltung war _Musik_; wenn ihm seine Gemahlinn eine
+recht angenehme Ueberraschung an einem Familienfeste machen wollte, so
+veranstaltete sie in Geheim die Aufführung einer neuen Kirchen-Komposition
+von Michael oder Joseph Haydn.
+
+Das Billardspiel liebte er leidenschaftlich, vermuthlich weil es mit
+Bewegung des Körpers verbunden ist; er hatte ein eignes zu Hause, bey
+dem er sich täglich mit seiner Frau unterhielt. Die Schönheit der Natur
+im Sommer war für sein tieffühlendes Herz ein entzückender Genuß; er
+verschaffte sich ihn, wenn er konnte, und miethete daher fast alle Jahre
+Gärtchen in der Vorstadt, wo er den Sommer zuzubringen pflegte.
+
+Erstaunend ist die Arbeitsamkeit seiner letzten Lebensjahre.
+
+Aus dem vollständigen Verzeichnisse seiner Kompositionen seit dem Jahre
+1784 bis zu seinem Tode, in welches er mit eigener Hand das Thema eines
+jeden Stückes und den Tag der Vollendung eintrug, sieht man wie viel er
+oft in einem Monathe gearbeitet hatte?[18] Nur die Größe und
+Fruchtbarkeit seines Genies macht die Möglichkeit so vielfacher Arbeit
+begreiflich. So schrieb er innerhalb der 4 letzten Monathe seines
+Lebens, wo er schon kränkelte, und Reisen machte:
+
+ [Fußnote 18: Der Verfasser hatte es bey der Ausarbeitung dieser
+ Biographie im Originale vor sich.]
+
+1) Eine Klavierkantate: »Die ihr des unermeßlichen Weltalls Schöpfer
+ehrt.«
+
+2) Die Zauberflöte.
+
+3) #La Clemenza di Tito.#
+
+4) Ein Klarinett-Konzert für H. Stadler.
+
+5) Eine Kantate für ein ganzes Chor.
+
+6) Das Requiem.
+
+Eine ungeheure Anstrengung, die seine Kräfte erschöpfen mußte!
+
+So wurde _Mozart ein Wunder seiner Kunst_, der _Liebling_ seines
+Zeitalters! Sein kurzes, aber glänzendes Künstlerleben macht in der
+Geschichte der Tonkunst eine neue Epoche.
+
+Der große, feurige Geist, der in seinen Werken waltet und der volle
+Strom der Empfindung reißen jedes gefühlvolle Herz mit unwiderstehlicher
+Gewalt hin. Der süße Zauber seiner Harmonien entzückt das Ohr; die Fülle
+der Gedanken, das Neue in ihrer Ausführung machen das Gefallen seiner
+Musik dauerhaft. Wer einmal an _Mozart_ Geschmack gefunden hat, der wird
+durch andere Musik schwer zu befriedigen seyn. Und _alle_ diese
+Vollkommenheiten hat er _in einem Alter_ erreicht, das für gewöhnliche
+Künstler kaum der Zeitpunkt _der ersten Ausbildung_ ist! Da er starb,
+hatte sein Ruhm bereits eine Größe, wie sie nur selten auch der
+glücklichste Künstler hoffen darf – und wie kurz war sein Leben? Er
+hatte noch nicht das 35te Jahr vollendet, als er starb! Was würde sein
+unerschöpflicher Geist der Welt noch geliefert haben? – –
+
+Wär er nach England gegangen – sein Ruhm würde neben _Händels_
+unsterblichem Namen glänzen: in Teutschland rang sein Geist oft mit
+Mangel; seinen _Grabeshügel zeichnet nicht einmal eine schlechte
+Inschrift aus_! –
+
+Auf seinen Tod erschienen mehrere Trauer-Kantaten; darunter zeichnen
+sich zwey aus, vom Herrn _Wessely_ und _Karl Kannabich_ dem jüngern aus
+München.
+
+Einfach und edel war das Fest, welches die Hörer der Rechte zu Prag in
+ihrer musikalischen Akademie, bey der Anwesenheit der Wittwe im Jahre
+1794 Mozarts Andenken weiheten; es wurde durch ein Gedicht
+verherrlichet, welches den Profess. Meinert zum Verfasser hat. Ein Paar
+Stanzen daraus verdienen hier allerdings einen Platz.
+
+ Ach! er ward uns früh entrückt,
+ Der die Saiten der Empfindung,
+ Wie ihr Schöpfer kannt’ und griff;
+ In harmonische Verbindung
+ Ihre kühnsten Töne rief:
+ Jetzt ein Gott in seines Zornes
+ Donner rauschend niederfuhr,
+ Itzo lispelnd wie des Wiesenbornes
+ Welle floß in stiller Flur.
+
+ Ach! schon grünt des Edlen Hügel:
+ Aber ganz birgt er ihn nicht.
+ Eines, das durch Gräber Riegel,
+ Ewig jung und göttlich bricht,
+ _Eines_ lebt – der hohe reine
+ Geistesabdruck ist dieß _Eine_,
+ Das zur Ewigkeit entblüht,
+ Norne! deinem Dolch entflieht.
+
+ Fühlt ihr in der Saiten Beben,
+ Im begeisternden Gesang,
+ In des Herzens Sturm und Drang
+ Fühlt ihr des Entschlaf’nen Leben?
+ Horch! es tönen Engelharmonien, –
+ Das ist Mozart! Seht ihr ihn
+ Lichtbekränzt? Mit Feentritte
+ Wallt sein Geist in eurer Mitte.
+
+
+
+
+ IV.
+
+ Nachricht von Mozarts Werken.
+
+
+Es ist fast kein Zweig der Tonkunst, in welchem Mozart nicht mit
+entschiedenem Glücke seine Kräfte versucht hätte.
+
+_Dramatische Musik_, und die _Klavierkompositionen_ haben ihm am meisten
+Ruhm erworben. Wenn man seine Werke besonders die theatralischen nach
+der Zeitfolge ihrer Entstehung betrachtet, so merkt man deutlich den
+Gang seines zur Vollkommenheit schreitenden Geistes. In den frühern,
+z. B. in der Oper Idomeneo und der _Entführung aus dem Serail_, auch
+noch zum Theil im _Figaro_ strömt das ganze Feuer einer jugendlichen
+Phantasie und eine Fülle üppiger Empfindung ohne Gränzen. Es ist mehr
+Wärme, als Licht darinn – die Massen des Gesanges und der Harmonie sind
+nicht so bestimmt, wie in den spätern Werken, in welchen dieser Strom
+der Empfindung immer sanfter sich in sein Bett zurückzieht, alles
+leichter, einfacher und korrekter wird. Nirgends ist diese Reife des
+Geschmackes sichtbarer, als in der #Clemenza di Tito#, und dem Requiem.
+Daraus läßt es sich schließen, was man noch von Mozart zu erwarten
+berechtiget war?
+
+Einige _Kunstrichter_ haben mit sinnreicher Feinheit zwar die
+Vortrefflichkeit seiner Instrumentation, d. i. den mehr mechanischen
+Theil der Kunst anerkannt, aber das, was blos Sache des Genies ist, die
+Singparthie getadelt, – sie haben behauptet, Mozart sey hierinn nicht so
+groß, als in der Instrumentalparthie. Die Gränzen dieser Schilderung
+erlauben es nicht, die Grundlosigkeit davon zu zeigen, oder die Werke
+Mozarts von dieser Ansicht zu betrachten. Die Tadler mögen indessen nur
+beherzigen, daß gerade diese Seite seiner Werke von gründlichen und
+berufenen Richtern immer am meisten bewundert worden ist. Was konnte
+denn in seinen Opern und den übrigen Singkompositionen so sehr gefallen,
+wenn es _der Gesang_ nicht war? Das Volk versteht wenig von der
+Schönheit des Instrumentalsatzes; gerade dieser Theil seiner Werke, der
+große Geschicklichkeit der Subjekte erfodert, wird gewöhnlich schlecht
+aufgeführt – und doch brachten die meisten seiner Singkompositionen so
+viel Wirkung, so viel Enthusiasmus hervor? dieß konnte nur der
+_einfache, schöne, rhythmische Gesang bewirken_. Warum singt man seine
+Melodien so gern nach? Warum sind so viele davon Volksgesänge geworden?
+Wie wahr, wie lebhaft weiß Mozart den Sinn der Worte des Dichters
+auszudrücken? Dringt sein Gesang nicht überall dem Zuhörer ans Herz?
+Wenn dieß der höchste _Zweck_ der Tonkunst ist, wer hat ihn vollkommener
+_erreicht als Mozart_?
+
+Man könnte zahlreiche Beyspiele anführen, wo Mozart mit einem feinen
+ästhetischen Sinne selbst die Worte und Ideen des Dichters durch schöne
+Wendungen der Melodie erhoben und verbessert hat. Sein Gesang haucht den
+Worten meistentheils erst Wärme und Leben ein; fast immer liegt darinn
+noch mehr Sinn und Empfindung, als in den Worten. Daher haben selbst
+elende Poesien blos durch seine Komposition gefallen. Die Zauberflöte
+und #Cosi fan tutte# sey Beweis.
+
+Die Gestalt, in welcher die alte #Opera seria# von Metastasio #La
+Clemenza di Tito# bey seiner Musik erscheint, ist das Werk seines
+richtigen Urtheiles und Geschmackes. Und ein solcher Kompositeur, der
+den Geist des Textes, das eigene der Situation so faßte und verstand –
+ihn oft verbesserte noch öfter erhob, soll keine höhere Bildung gehabt
+haben?
+
+»Aber Mozarts Werke sind so _schwer_, so _kritisch_, _voll Kunst_ und so
+_wenig_ für das Gehör.«
+
+Auf gleiche Art klagen oft Schulknaben über die Dunkelheiten und
+Schwierigkeiten des Horaz. Man muß darüber lächeln! Wen trifft hier der
+Vorwurf? Schrieb Mozart bloß für Schüler? oder ist dasjenige, was er für
+sie schrieb, nicht leicht und verständlich? Das Schwere in seinen Werken
+ist nicht _Absicht_, ist _nur Folge_ der Größe und Originalität seines
+Genies. Dieß hat Mozart mit allen großen Künstlern gemein. _Populär_
+durften alle seine Werke nicht seyn; wo Popularität nöthig war, da hat
+er sie vollkommen erreicht. Findet in seinen Singspielen nicht der
+Kenner und der bloße Liebhaber Gerüchte für seinen Gaum? Auch die
+_erhabensten Sachen_ von seiner Hand, wo er sich in der ganzen Stärke
+seiner Kunst des Kontrapunktes zeigt, haben so viel Schönheit an sich,
+daß sie auch uneingeweihten Ohren gefallen, wenn sie _nur richtig_, und
+_geschmackvoll vorgetragen werden_. Aber hier liegt _der Knoten_ – das
+ist größtentheils der Grund solcher Klagen. Ueberdieß erheischt seine
+Musik ein reines Gefühl, ein unverdorbenes Ohr: _wer dieses nicht
+mitbringt, für den hat Mozart nicht geschrieben._[19]
+
+ [Fußnote 19: Anmerkung. Diese Bemerkungen der ersten Ausgabe,
+ sind jetzt beynahe unnöthig, da Mozart gegen seine Nachahmer,
+ die Faßlichkeit und Popularität selbst ist!]
+
+Der Tadel einer Klasse von Menschen, denen seine Musik nicht gefällt,
+entscheidet nichts gegen ihre Vortrefflichkeit; so wie Rafaels Ruhm
+nicht geschmählert wird, wenn dem ehrlichen Schneiderjungen ein buntes
+Allerley von einem Schmierer besser ins Auge fällt, als Rafaels
+Meisterstücke. Oder gab es nie Ohren, welchen die rauhe Pfeife des
+Waldgottes entzückender schien, als die himmlischen Töne Apollos? – Wem
+_Mozarts Musik_ nicht genug fürs Gehör zu seyn scheint, der dürfte wohl
+den Fehler eigentlich in seinen Ohren suchen. Was werden so delikate
+Ohren zu der Musik der neuern Tonsetzer sagen?
+
+Mit seinen Werken wird nun von den _Uebersetzern und Musikhändlern_ ein
+wahrer Unfug getrieben, wobey das Publikum oft angeführt, und der Name
+des großen Meisters größtentheils geschändet wird. Man hängt ihn erstens
+als Anempfehlungsschild so manchem Machwerk vor, das seines Geistes ganz
+unwürdig ist; noch häufiger ist der Fall, daß unbefugte Uebersetzer aus
+seinen größern Werken _Klaviersachen_ zusammenstoppeln, die dann als
+Originalwerke verkauft werden, und nothwendig schlechter seyn müssen,
+als seine übrigen Klavierkompositionen.
+
+Eben so nachtheilig für seinen Ruhm ist es, daß man so häufig aus
+Mangel an neuern Werken von seiner Meisterhand, ältere Kompositionen,
+zum Theil aus seiner frühen Jugend herausgiebt, ohne diesen Umstand dem
+Publikum zu sagen. Solche Werke sind größtentheils seinen spätern ganz
+unähnlich, und können den Stempel der Vollkommenheit an sich nicht
+haben.
+
+Seine Werke können zur bessern Uebersicht in 11 verschiedene Klassen
+eingetheilt werden. Zur ersten rechnen wir die _dramatischen_. Mozart
+schrieb 9 italienische Opern, – und 3 teutsche.
+
+#La finta semplice, opera buffa# für Kaiser Joseph 1768
+
+#Mitridate, opera seria# für Mayland; im Jahr 1770
+
+#Sulla,# – – – – 1772
+
+#Giardiniera, opera buffa# für Kaiser Joseph im Jahr 1774
+
+#Idomeneo, opera seria# für München im J. 1780
+
+#Figaro, opera buffa# für Wien im J. 1786
+
+#Don Giovanni, opera buffa# für Prag 1787
+
+#Cosi fan tutte, opera buffa# für Wien 1790
+
+#La Clemenza di Tito, opera seria# für Prag 1791
+
+
+_Teutsche Singspiele:_
+
+Die Entführung aus dem Serail für Wien 1782
+
+Der Schauspieldirektor ein kleines Singspiel für den Kaiser Joseph nach
+Schönbrunn im Jahre 1786
+
+Die Zauberflöte für das Theater Schikaneders 1791
+
+_Idomeneo_ ist eines seiner größten, und gedankenreichesten Werke; der
+Stil ist durchgehends pathetisch und athmet heroische Erhabenheit. Da er
+diese Opera für große Sänger und für eines der besten Orchester von
+Europa schrieb, so fühlte sein Geist keinen Zwang, und entfaltete sich
+darinn am üppigsten. Aber Idomeneo muß besser aufgeführt werden, als es
+zu Prag vor einigen Jahren in Sommer geschah, wo ihn der
+Opern-Unternehmer im eigentlichen Verstande prostituirte. Es war ein
+drolligter Gedanke eine der größten Opern ohne Sängerinnen und Orchester
+aufzuführen. Denn beydes fehlte, und ward durch Substituten ersetzt.
+Auch hüte man sich diese Opera, so wie jede von Mozart nach
+mittelmäßigen Klavierübersetzungen zu beurtheilen!
+
+_Figaro_ wird von Musik-Kennern am meisten geschätzt; wahr ist es, daß
+Mozart bey ihrer Ausarbeitung am fleißigsten studirt habe. An
+Gedanken-Reichthum gleicht sie dem Idomeneo, an Originalität weicht sie
+keiner andern.
+
+_Don Juan_ ist anerkannt das größte Meisterstück seines Genies – die
+höchste Kunst mit der größten Anmuth ist darinn in lieblicher Eintracht
+gepaart. Die Rolle des Leporello ist das erste Meisterstück des
+Komischen – das Muster für alle Opernkomponisten.
+
+#Cosi fan tutte# oder die Schule der Liebenden ist die _lieblichste_ und
+scherzhafteste Musik voll Charakter und Ausdruck.
+
+Die Finalien sind unübertrefflich. Wenn man den schlechten Text dieser
+Oper betrachtet, so muß man über die Fruchtbarkeit seines dichterischen
+Genies erstaunen, das fähig war ein so trockenes, einfältiges Sujet zu
+beleben und solche Schönheiten hervor zu bringen. Es ist schon bemerkt
+worden, daß er in der Wahl des Buches nicht frey war.
+
+#La Clemenza di Tito# wird in ästhetischer Hinsicht, als schönes
+Kunstwerk, für die vollendeteste Arbeit Mozarts gehalten. Mit einem
+feinem Sinne faßte Mozart die Einfachheit, die stille Erhabenheit des
+Charakters des Titus, und der ganzen Handlung auf, und übertrug sie ganz
+in seine Komposition. Jeder Theil, selbst die gemäßigte
+Instrumentalparthie trägt dieses Gepräge an sich, und vereinigt sich zu
+der schönsten Einheit des Ganzen. Da sie für ein Krönungsfest, und für
+zwey ganz eigends dazu angenommene Sänger aus Italien geschrieben war,
+so mußte er nothwendig brillante Arien für diese zwey Rollen schreiben.
+Aber welche Arien sind das? Wie hoch stehen sie über dem gewöhnlichen
+Troß der Bravour-Gesänge?
+
+Die übrigen Stücke verrathen überall den großen Geist aus dem sie
+gefloßen. Die letzte Scene oder das Finale des 1ten Aktes ist gewiß die
+gelungenste Arbeit Mozarts, ja wohl aller dramatischen Tonsetzungen;
+_Ausdruck_, _Charakter_, _Empfindung_, wetteifern darinn den größten
+Effekt hervorzubringen. Der Gesang, die Instrumentation, die Abwechslung
+der Töne, der Wiederhall der fernen Chöre – bewirkten bey jeder
+Aufführung eine Rührung und Täuschung, die bey Opern eine so seltene
+Erscheinung ist. Unter allen Chören, die ich gehört habe, ist keiner so
+fließend, so erhaben und ausdrucksvoll, als der Schlußchor im 2ten Akte;
+unter allen Arien, keine so lieblich, so voll süßer Schwermuth, so reich
+an musikalischen Schönheiten, als das vollkommene Rondo in #F#, mit dem
+oblig: Baßethorne, #Non piu di fiori# im 2ten Akte. Die wenigen
+instrumentirten Rezitative sind von Mozart, die übrigen alle – was sehr
+zu bedauern ist, – von einer Schülerhand.
+
+Die Oper, die jetzt noch immer mit Entzücken gehört wird, gefiel das
+erstemal bey der Krönung nicht so sehr, als sie es verdiente. Ein
+Publikum, das vom Tanz, von Bällen und Vergnügungen trunken war, in dem
+Geräusche eines Krönungsfestes, konnte freylich an den einfachen
+Schönheiten Mozartscher Kunst wenig Geschmack finden.
+
+_Unter den teutschen Singspielen_ zeichnet sich die Entführung aus dem
+Serail an Empfindung und Schönheit des Gesanges aus. Man sieht es ihr
+an, daß sie bald nach Idomeneo gedichtet ward.
+
+Das kleine Singspiel, der _Schauspieldirektor_ ist blos ein
+Gelegenheitsstück für den kaiserl. Hof in Schönbrunn. Was soll ich von
+der _Zauberflöte_ sagen? Wer kennt sie in Teutschland nicht? Giebt es
+ein Theater, wo sie nicht aufgeführt ward? Sie ist unser Nationalstück.
+Der Beyfall den sie überall – überall erhielt, von dem Hoftheater an,
+bis zu der wandernden Bühne des kleinen Marktfleckens, ist bisher ohne
+Beyspiel. In Wien wurde sie nur im 1ten Jahre ihrer Erscheinung mehr als
+_hundertmal_ aufgeführt.
+
+_Die 2te Klasse_ seiner Werke begreift die Kompositionen fürs Klavier.
+Darunter glänzen am meisten die Klavierkonzerte, worinn Mozart ohne
+Nebenbuhler den ersten Rang behauptet. Hier, so wie in vielen andern
+Fächern war er Erfinder einer neuen Gattung. Diese Werke enthalten
+einen unerschöpflichen Reichthum an den treflichsten Gedanken, die
+glänzendeste Instrumentation, und erschöpfen fast alle Tiefen des
+Kontrapunktes.
+
+Die Sonaten aller Art _mit und ohne_ Begleitung sind in jedermanns
+Händen. Unter denselben sind die Trio am originellsten geschrieben. Das
+berühmte Quintett fürs Klavier mit Begleitung einer Oboe, einer
+Klarinette, eines Waldhornes und Fagottes halten Kenner für sein
+Meisterstück in Rücksicht der Instrumentation; geschrieben im J. 1784
+_den 30ten März_. Die vielen _Variazionen_ zeichnen sich durch
+Reichthum, Manigfaltigkeit und Neuheit vor allen ähnlichen Werken aus.
+Die letzten, die er setzte, sind die, über das Lied: _Ein Weib ist das
+herrlichste Ding_; den 15ten März 1791 komponirt. Diese Klasse seiner
+Werke ist die zahlreichste.
+
+_Die 3te Klasse_ begreift die Sinfonien; die schönsten davon, die er in
+den Jahren 1786 bis 1788 schrieb, sind folgende 4: in #D#, #Eb#, #G mol#
+und #C# mit der Fuge im letzten Stücke. Alle können den schönsten von
+_Hayden_ an die Seite gesetzt werden; er entfaltete darinn seine Kunst
+der Komposition im höchsten Grade. Die Opernsinfonien sind bekannt und
+bewundert genug.
+
+_Zur 4ten Klasse_ gehören Gelegenheits-Kantaten mit vollstimmiger
+Begleitung. In dem Verzeichnisse sind 3 aufgemerkt.
+
+_In die 5te Klasse_ können die einzelnen Scenen und Arien gerechnet
+werden, die er für musikalische Akademien oder für besondere Sänger
+schrieb. In dem Verzeichnisse sind 22 solche enthalten, für allerley
+Stimmen.
+
+_6te Klasse:_ teutsche Lieder mit Klavierbegleitung allein; in dem
+Verzeichnisse sind 20 Stücke aufgezeichnet, worunter _die_ so bekannte
+_Abendempfindung_, _das Veilchen_ und an _Chloe_, so voll Einfachheit,
+Ausdruck und Empfindung, _kurz so schön_ sind, daß man sagen kann,
+Mozart hätte blos mit diesem sich unsterblichen Ruhm erworben. Daraus
+vorzüglich mögen seine Tadler sehen, ob er nicht _groß_ in der
+Singkomposition war? Ob er den Worten Leben zu geben, auch ohne das
+Rauschen der Instrumente nicht verstand?
+
+_7te Klasse:_ Konzerte für verschiedene Instrumente schrieb er am
+seltensten.
+
+In dem Verzeichnisse sind nur folgende angemerkt: 1) Ein Andante zu
+einem Violinkonzert; 2) Ein Konzert für das Waldhorn. 3) _Für die
+Harmonika_; 4) für die Klarinette.
+
+_8te Klasse:_ Violinquartetten und Quintetten. Unter den Quartetten sind
+die 6, die er Joseph Haydn dedizirte, klassisch. Später im Jahre 1789
+im Junius schrieb er 3 konzertante Quartetten für den verstorbenen König
+von Preußen; nebst diesen ist noch ein einzelnes Quartett aus #D# im
+Jahr 1786 geschrieben, und _eine einzelne Fuge_.
+
+_Originalquintetten_ sind in dem Verzeichnisse nur 4 aufgezeichnet; aus
+#C#, #G mol#, #D dur# und #Eb#. Er schrieb bey seinem Aufenthalte in
+München 1782 einige Nachtmusiken #à quadro# mit Begleitung 2er
+Waldhörner, die man füglich als Violinkonzerte betrachten kann – alle
+diese Sachen sind voll Gedanken und Schönheiten. Ein konzertantes
+Divertimento für 3 Stimmen, die Violin, Bratsche und das Violoncello ist
+vorzüglich schön und voll hoher Kunst. Die 2 Duetten für die Violin und
+Bratsche sind bekannt und beliebt genug.
+
+_9te Klasse:_ Parthien für blasende Instrumente zu Tafel- und
+Nachtmusiken. Hier in Prag sind mehrere bekannt. Ihre Schönheiten sind
+bezaubernd, und reißen auch das gefühlloseste Herz hin. Es existirt auch
+eine Nachtmusik aus 13 blasenden Instrumenten von seiner Arbeit.
+
+_10te Klasse: Tanzstücke._ Mozart schrieb mehrere Parthien, Menuetten
+und teutsche Tänze für den Kaiserl. Redouten Saal zu Wien. Wie sehr
+diese Sachen von seiner Arbeit gesucht wurden, sieht man aus dem
+Verzeichnisse, wo jeden Karneval eine Menge Menuetten, Teutsche, Walzer
+und Kontratänze angemerkt sind.
+
+_11te Klasse: Kirchenmusik_, war das Lieblingsfach Mozarts. Aber er
+konnte sich demselben _am wenigsten_ widmen. Die Messen, die von ihm
+übrig sind, wurden bey verschiedenen Gelegenheiten und Einladungen
+verfertigt. Alle, die wir hier in Prag gehört haben, tragen den Stempel
+seines Genies. In dem Verzeichnisse ist keine einzige Messe angezeigt –
+ein Beweis, daß alle, die wir haben, in frühere Zeiten seines Lebens zu
+setzen sind. Nur ein Graduale auf den Text: #ave verum corpus# hat er im
+Junius 1791 verfertiget.
+
+Mozart würde in diesem Fache der Kunst seine ganze Stärke erst gezeigt
+haben, wenn er die Stelle bey St. Stephan wirklich angetreten hätte; er
+freute sich auch sehr darauf. Wie sehr sein Genie für den hohen Stil des
+ernsten Kirchengesanges gemacht war, beweiset seine letzte Arbeit, die
+_Seelenmesse_, die gewiß _alles_ übertrifft, was in diesem Fache bisher
+ist geleistet worden, und nicht so bald übertroffen werden wird.
+
+Nebst diesen Gattungen seiner Werke hinterließ er 10 #Canoni# blos für
+Singstimmen; und zwar 8 vierstimmige, und 2 dreystimmige, sowohl
+komische, als ernsthafte. Sie sind nicht nur Meisterstücke in der Kunst
+sondern auch sehr unterhaltend.
+
+Zum Schlusse setzen wir noch eine Anekdote her, die mehr als eine
+Lobrede sagt. Ein alter italienischer Impressarius einer
+Operngesellschaft in Teutschland, der es an seiner Kasse zu fühlen
+schien, daß seit Mozart keine andern Opern, am wenigsten die von
+welschen Authoren gefallen wollen, pflegte immer, so oft er in seiner
+Opernregistratur auf eine Oper von Mozart kam, mit einem Seufzer
+auszurufen: _Der ist mein Unglück!_
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription: Dieses elektronische Buch wurde auf
+Grundlage der 1808 erschienenen zweiten Auflage erstellt. Kleinere
+Unregelmäßigkeiten in der Schreibweise wurden beibehalten. Die
+nachfolgende Tabelle enthält eine Auflistung aller gegenüber dem
+Originaltext vorgenommenen Korrekturen.
+
+Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. Textauszeichnungen
+wurden folgendermaßen ersetzt:
+
+Sperrung: _gesperrter Text_
+Großdruck: =groß gedruckter Text=
+Antiquaschrift: #Antiquatext#
+
+Die Fraktur-Ligatur für »etc.« wurde durch etc. ersetzt.
+
+
+Transcriber’s Note: This ebook has been prepared from the second edition
+published in 1808. Minor spelling inconsistencies have been maintained.
+The table below lists all corrections applied to the original text.
+
+The original book is printed in Fraktur font. Marked-up text has been
+replaced by:
+
+Spaced-out: _spaced out text_
+Bigger font: =bigger font=
+Antiqua: #text in Antiqua font#
+
+The ligature for “etc.” has been replaced by etc.
+
+
+p. 004: und deu Thatsacheu -> und den Thatsachen
+p. 006: Es ist noch uicht fertig -> nicht
+p. 009: [added period] Tanzstücke u. d. gl -> u. d. gl.
+p. 011: ihn nicht weier stören -> weiter
+p. 013: [added comma] in einer Sache, wo das
+p. 013: auserordentlich großen Talent -> außerordentlich
+p. 015: zweyten Tochter der Königs -> des
+p. 016: den 10 April 1764 -> 10. April
+p. 017: konnte man ihm kaum vom Spielen -> ihn
+p. 020: mit den man ihn aufnahm -> dem
+p. 021: zu schatzen verstehen -> schätzen
+p. 024: den vollendesten Künstler hörten -> vollendetesten
+p. 025: Der Pabst durch alle die Wunder -> Papst
+p. 025: [deleted period] den Karneval von 1773. eingegangen
+p. 031: München eine Oper seria zu schreiben -> Opera
+p. 033: der schon damal der Stolz -> damals
+p. 036: [deleted comma] Man sieht, es diesen Quartetten an
+p. 041: obschon sie wohl hundermal gehört waren -> hundertmal
+p. 042: empfing ihm das ganze -> ihn
+p. 043: Der große Rnf seines Namens -> Ruf
+p. 044: oft von da Einladuugen -> Einladungen
+p. 045: vom dem Roste der Mode -> von
+p. 048: eben so geheimnißvoll als merkmürdig -> merkwürdig
+p. 048: sich in dieser Gattuug -> Gattung
+p. 053: der Unbekannte Verehrer -> unbekannte
+p. 054: [added comma] und wahrlich, bis jetzt
+p. 055: ein feyrrliches Seelenamt -> feyerliches
+p. 057: das Haus voll, nnd die Einnahme gut -> und
+p. 057: [deleted comma] nicht weniger, als 30,000 Gulden
+p. 057: [added comma] eine Summe, über die
+p. 060: über ihn so streng urtheien -> urtheilen
+p. 062: so drückt sich ein Berliner Wochenblatt, worinn -> aus, worin
+p. 068: [added comma] zu dem einfachen Liede, von der
+p. 070: die Meisterstücke der Römer und Griechen -> Die
+p. 072: [deleted comma] 20, bis 30 Jahre alt
+p. 072: bey dem gewöhnlichen Kompositionen -> den
+p. 072: von so unbestimmten Charakter -> unbestimmtem
+p. 072: [added comma] Anmuth und Lieblichkeit, diese wahren Zaubermittel
+p. 082: [added comma] damit herum, dachte sich
+p. 085: die am 30 September geschah -> 30. September
+p. 092: Schriftsteller der gebildesten Nationen -> gebildetesten
+p. 093: Unter guten Freuden -> Freunden
+p. 096: nach eigenem Geständuisse -> Geständnisse
+p. 096: Menschrnfreundlich und uneigennützig -> Menschenfreundlich
+p. 096: den Werh des Geldes -> Werth
+p. 096: nnd zog sich dadurch -> und
+p. 100: [deleted period] seit dem Jahre 1784. bis -> 1784 bis
+p. 101: Eine Klavierkantatate -> Klavierkantate
+p. 101: das Neue in ihrer Ausführuug -> Ausführung
+p. 102: verdienen hier allerdings einen Plaz -> Platz
+p. 102: Wie ihr Schöpfer kannt’ und grif -> griff
+p. 107: wo Popularität uöthig war -> nöthig
+p. 111: in leiblicher Eintracht gepaart -> lieblicher
+p. 116: auch das gefülloseste Herz -> gefühlloseste
+p. 116: [added comma] mehrere Parthien, Menuetten und teutsche Tänze
+p. 117: sieht mau aus dem -> man
+p. 117: 11te Klase: Kirchenmusik -> Klasse
+p. 118: sondern auch sehr unhaltend -> unterhaltend
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Lebensbeschreibung des k. k.
+Kapellmeisters Wolfgang Amad, by Franz Xaver Niemetschek
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBENSBESCHREIBUNG ***
+
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+will be renamed.
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+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
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+such as creation of derivative works, reports, performances and
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+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
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+ money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
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+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
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+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
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+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ http://www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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+++ b/29474-8.txt
@@ -0,0 +1,2977 @@
+The Project Gutenberg EBook of Lebensbeschreibung des k. k. Kapellmeisters
+Wolfgang Amadeus Mozart, by Franz Xaver Niemetschek
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Lebensbeschreibung des k. k. Kapellmeisters Wolfgang Amadeus Mozart
+
+Author: Franz Xaver Niemetschek
+
+Release Date: July 21, 2009 [EBook #29474]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBENSBESCHREIBUNG ***
+
+
+
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Markus Brenner and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+ Lebensbeschreibung
+
+ des
+
+ K. K. Kapellmeisters
+
+ Wolfgang Amadeus Mozart,
+
+ aus
+
+ Originalquellen,
+
+ von
+
+ Franz Xav. Nemetschek,
+ Professor an der Universitt zu Prag.
+
+
+ Zweite vermehrte Auflage.
+
+
+ Prag 1808,
+ in der Herrlischen Buchhandlung.
+
+
+
+
+Die Nachwelt hat ber den Rang bereits entschieden, der _Mozarten_ als
+Knstler gebhrt. Einzig, unbertroffen steht er, ein Raphael seiner
+Kunst, unter den glorreichen Genien _Hndel_, _Cimarosa_, _Gluck_,
+_Hayden_, oben an; sein Ruhm erfllt die ganze gebildete Welt.
+
+Aber _Mozart_ als Mensch ist nicht minder interessant: die frhe
+Entwicklung und die schnelle Reife seines wunderbaren Genies biethet dem
+Forscher der menschlichen Natur lehrreichen Stoff zum Nachdenken dar. In
+beider Hinsicht darf sich diese biographische Skizze versprechen der
+Aufmerksamkeit des Publikums nicht unwerth zu seyn.
+
+
+
+
+ I.
+
+ Die Jugend Mozarts.
+
+
+Der Vater dieses auerordentlichen Genies, Leopold Mozart, war der Sohn
+eines Buchbinders zu Augsburg; er studirte zu Salzburg, und kam im Jahre
+1743 als Hofmusikus in die frstl. Kapelle. Sein Talent verbunden mit
+einem rechtschaffenen Charakter verschaffte ihm 1762 die Stelle des
+zweiten Kapellmeisters. Er war mit Anna Bertlinn verheurathet; beyde
+waren von einer so vortheilhaften Krpergestalt, da man sie zu ihrer
+Zeit fr das schnste Ehepaar in Salzburg hielt.
+
+Leopold Mozart beschftigte sich mit dem Hofdienste, die brigen Stunden
+wendete er auf Komposition und Violinunterweisung. Welch ein
+vorzglicher Kenner dieses Instruments er gewesen sey, beweiset die
+allgemein bekannte _Violinschule_, die er 1766 herausgab, und die im
+Jahre 1770, und zu unserer Zeit das drittemal in Wien aufgelegt wurde.
+
+Er zeugte 7 Kinder; aber nur 2 blieben am Leben; ein Mdchen und ein
+Knabe. Der Sohn der im Jahr 1756 am 27sten Jnner gebohren ward, hie
+Wolfgang Gottlieb, oder _Amadeus_; die Schwester, die lter war, Maria
+Anna.
+
+Da der Vater bald an den beyden Kindern ein vorzgliches Talent zur
+Musik bemerkte, so gab er alle Lektionen und auswrtige Geschfte auer
+seinem Dienste auf, und widmete sich ausschlielich der musikalischen
+Erziehung dieses Kinderpaares.
+
+Dieser vortrefflichen Leitung mu der ungewhnlich hohe Grad der
+Vollkommenheit, zu dem Mozarts Genie sich so bald empor schwang,
+zugeschrieben werden. Die Natur vermag freylich viel -- aber verwahrlost,
+oder zu einer andern Richtung gezwungen, verliert sie vieles von ihrer
+ursprnglichen Kraft. Auf die ersten Ideenreihen und Eindrcke kommt es
+bekanntermaen bey der Erziehung der Kinder am meisten an; denke man
+sich nun ein so groes natrliches Talent, als Mozart besa, in so
+gnstigen Umstnden, so wird man bald von dem Erstaunen, in welches uns
+das Unbegreifliche seiner Aeuerungen und Begebenheiten versetzt, zurck
+kommen, und den Thatsachen, die ich zu erzhlen im Begriffe bin, gern
+Glauben beimessen. Die ersten Eindrcke, die sein Ohr auffate, waren
+Harmonien und Gesang; Musik waren die ersten Worte und Ideen, die er
+begriff! So mute der himmlische Funke, den die Gottheit in den Busen
+dieses den Tnen geweihten Knaben gelegt hatte, sehr frh aufwachen und
+in helle Flammen schlagen. Die grndlichen Kenntnisse seines sorgsamen
+Vaters kamen berall dem aufwachenden Genie entgegen; so wuchs er auf,
+so reifte er schneller, als die bloe Natur zu reifen vermag.
+
+Mozart war eben 3Jahr alt, als seine 7jhrige Schwester den ersten
+Unterricht auf dem Klaviere bekam; und hier uerte sich zuerst das
+Genie des Knaben. Er setzte sich oft freywillig zu dem Klavier und
+beschftigte sich stundenlang mit der Zusammenstimmung der _Terzen_, die
+er dann, wenn er sie fand, anschlug, und in lebhafte Freude ausbrach.
+Nun fing also der Vater an ihm leichte Stcke spielend beyzubringen; und
+er fand zu seinem freudevollen Erstaunen, da der Schler alle
+menschliche Erwartung bertraf; er lernte gewhnlich in einer Stunde ein
+Menuet, oder ein Liedchen, und trug es dann mit dem angemessenen
+Ausdrucke vor.
+
+Jeder Leser wird es wahrscheinlich finden, wenn ich sage, da der
+kleine Mozart, das lebhafteste Temperament, und ein sehr zrtliches
+Gefhl hatte. Seinen kindischen Spielen ergab er sich mit einer
+Innigkeit, die ihn auf alles brige vergessen lie, und Liebe fr alle
+Personen die um ihn waren, oder sich mit ihm abgaben war sein
+herrschender Hang; er fragte jeden, der mit ihm umgieng, ob er ihn lieb
+habe, und vergo gleich Zhren, wenn man es scherzweise verneinte.
+
+Ueberhaupt ergab sich Mozart schon als Kind und Knabe allen Dingen und
+Personen, an denen sein Geist Interesse fand, mit der ganzen warmen und
+lebhaften Innigkeit, deren ein so zartorganisirter Mensch fhig ist.
+Dieser Zug blieb stets auch an dem Manne das unterscheidende Merkmal --
+und war oft sein Unglck.
+
+Im 6ten Jahre kam er schon in der Musik so weit, da er selbst kleine
+Stcke auf dem Klavier komponirte, die dann sein Vater in Noten setzen
+mute. Von diesem Zeitpunkte an empfand er nichts so lebhaft, als Tne,
+und jede andere Spielerey, die sonst Kinder freut, war ihm gleichgiltig,
+sobald nicht Musik dabey war.
+
+Die tglichen Fortschritte die er darinn machte, setzten oft den Vater,
+der doch bestndig um ihn war, und jeden Schritt beobachtete, in das
+berraschendeste Erstaunen; denn es waren nicht Fortschritte eines
+gewhnlichen geschickten Lehrlings, sondern Riesenschritte eines Genies,
+dessen Gre selbst sein Vater und Erzieher nicht ahnden konnte, weil
+seine Entwickelung und Aeuerung auch den grten Erwartungen zuvor kam.
+Folgende Begebenheit, die auch Schlichtegroll in seinem Nekrolog
+erzhlt, und die mir von mehreren Personen bestttiget wurde, mag zum
+Beweise dienen.
+
+Als Wolfgang ungefhr im 6ten Jahre seines Alters war, kam einst sein
+Vater, aus der Kapelle mit einem Freunde nach Hause zurck; sie trafen
+den kleinen Tonknstler mit der Feder in der Hand beschftiget an. Der
+Vater fragte ihn was er denn mache.
+
+_Wolfg._ Ein Conzert frs Klavier.
+
+_Vat._ La sehen; das wird wohl was Sauberes seyn.
+
+_Wolfg._ Es ist noch nicht fertig.
+
+Nun nahm es der Vater in die Hand, und fand ein Geschmiere von Noten und
+ausgewischten Tintenflecken; denn der kleine Komponist wute mit der
+Feder noch nicht recht umzugehen; er tauchte sie zu tief in der Tinte
+ein und machte dann freylich immer Flecke auf das Papier, die er mit der
+Hand auswischte, und so weiter darauf fortschrieb. Als aber der Vater
+etwas aufmerksamer die Komposition betrachtete, blieb sein Blick vom
+angenehmen Erstaunen und einer unbeschreiblichen Rhrung darauf
+gefesselt, und helle Thrnen der Freude traten in seine Augen.
+
+Sehen Sie Freund! sprach er dann lchelnd, wie alles richtig und nach
+den Regeln gesetzt ist; nur kann man es nicht brauchen, weil es so
+schwer ist, da es sich nicht spielen lt.
+
+_Wolfg_. Dafr ist es auch ein Konzert; man mu so lange exerzieren, bis
+man es heraus bringt. Sehen Sie, so mu es gehen.
+
+Hier fieng er es an zu spielen, konnte aber auch selbst kaum so viel
+vorbringen, als man erkennen konnte, was seine Gedanken gewesen sind.
+Denn er hatte die Meynung, ein Conzert spielen, und Mirakel wirken sey
+alles eins.
+
+Zu dieser Zeit hatte es der Knabe schon so weit in der Musik gebracht,
+da der Vater ohne Bedenken auch das Ausland zum Zeugen der
+auerordentlichen Talente seines Sohnes machen konnte.
+
+Die erste Reise, die er mit ihm und seiner Schwester unternahm, war nach
+Mnchen, im Jahre 1762. Hier spielte Wolfgang vor dem Churfrsten ein
+Conzert, und erndete sammt seiner Schwester die grte Bewunderung ein.
+
+Die zweyte Reise geschah im Herbste des nemlichen Jahres, also auch im
+6ten Jahre seines Alters nach Wien, wo die beyden kleinen Virtuosen dem
+kaiserlichen Hof vorgestellet wurden.
+
+Eine verehrungswrdige Dame, die damals am Hofe war, versicherte mich,
+da beyde Kinder ein allgemeines Erstaunen erregt haben; man konnte kaum
+seinen Augen und Ohren trauen, wenn sie sich produzirten. Vorzglich hat
+der verewigte Schtzer der Knste, Kaiser FranzI. an dem kleinen
+Hexenmeister, (wie er ihn scherzweise nannte,) viel Wohlgefallen
+gefunden. Er unterhielt sich vielmal mit ihm. Alle Anekdoten die Herr
+Schlichtegroll bey dieser Gelegenheit erzhlet, sind mir als wahr
+bestttiget worden.
+
+Der Kaiser hat unter andern mit ihm gescherzt, es seye wohl keine so
+auerordentliche Kunst zu spielen; wenn man auf die Klaviatur schauen
+kann, aber bey verdeckter Klaviatur -- das wre etwas? Mozart war damit
+nicht in Verlegenheit gesetzt: er lt sich die Klaviatur bedecken und
+spielt eben so gut, wie vorher.
+
+Auch die sey noch nichts besonderes, versetzte der Kaiser, wenn man mit
+allen Fingern spielt; aber mit einem einzigen zu spielen, das wr erst
+Kunst.
+
+Auch diese Zumuthung machte den Knaben nichts weniger als verlegen -- er
+versuchte es mit Entschlossenheit auf der Stelle, und spielte zur
+Verwunderung mehrere Stcke auf diese Art mit Nettigkeit aus. Schon
+damals uerte er einen Charakterzug, der ihm stets eigen geblieben
+ist; nemlich die Verachtung alles _Lobes_ der Groen, und eine gewisse
+Abneigung vor Ihnen, wenn sie nicht Kenner zugleich waren, zu spielen.
+Mute er es dennoch, so spielte er nichts als Tndeleyen, Tanzstcke
+u.d.gl. unbedeutende Sachen. Aber, wenn Kenner zugegen waren, so war
+er ganz Feuer und Aufmerksamkeit.
+
+Diese Eigenheit behielt er bis zu seinem Tode, wie wir es bey seinem
+dreymaligen Aufenthalt in Prag sehr oft erfahren haben.
+
+So geschah es auch damals bey dem Kaiser Franz. Als er sich zum Klavier
+setzte um ein Konzert zu spielen, und der Kaiser bey ihm stand, sagte
+Mozart: Ist Herr Wagenseil nicht hier? der versteht es. Wagenseil kam,
+und der kleine Virtuose sagte: Ich spiele ein Conzert von Ihnen, Sie
+mssen mir umwenden.
+
+Auch folgende Anekdote kann vielleicht zu seiner Schilderung beitragen.
+
+Unter allen Erzherzoginnen nahm ihn Antoinette, die nachmalige Kniginn
+von Frankreich am meisten ein, und er hatte eine besondere Zrtlichkeit
+fr sie. Als er einst in den Zimmern der hchstseligen Kaiserinn Maria
+Theresia war, und von den kleinen Prinzen und Prinzessinnen herum
+gefhrt wurde, hatte er das Unglck, des Gehens am gegltteten Fuboden
+ungewohnt, zu fallen. Niemand war geschftiger ihm beyzuspringen und
+aufzuhelfen, als die kleine Erzherzoginn Antoinette; die rhrte sein
+kleines Herz so sehr, da er gerade zu der Monarchin eilte, und mit viel
+Begeisterung die Gte des Herzens dieser Prinzessinn erhob. Wer htte
+einem solchen Kinde nicht gut werden sollen?
+
+Die beyspiellose Fertigkeit, mit welcher er das Klavier behandelte, und
+der hohe Grad der Kenntni der Kunst, die er in einem Alter erreichte,
+wo Kinder sonst noch kaum einen Kunsttrieb uern, war bewundernswrdig
+genug; ja es lie sich wohl kaum etwas Grers erwarten. Aber der
+wunderbare Geist der Tne, der in ihn von dem Schpfer gelegt ward,
+schritt alle gewhnliche Schranken ber, und ging, da er einmal erwacht
+war, allem Unterrichte voran. Was man ihn lehren wollte, das war seinem
+Geiste schon wie bekannt, und er schien sich nur daran zu besinnen!
+
+Der Unterricht diente ihm also nur als Reizmittel, und zur Berichtigung
+des Geschmackes.
+
+_Mozart_ spielte bisher kein anderes Instrument als das Klavier; aber er
+konnte auch schon geigen, bevor es sein Vater wahrnahm, oder ihm irgend
+eine Anweisung auf der Violine gegeben hatte. Ich will den Vorfall, der
+dieses offenbarte mit den Worten des Nekrologes erzhlen. -- Mozart
+hatte aus Wien eine kleine Geige mitgebracht, die er dort geschenkt
+bekommen hatte. Kurz als die Familie wieder nach Salzburg zurck gekehrt
+war, kam _Wenzl_ ein geschickter Geiger und Anfnger in der Komposition
+zu dem Vater Mozart, und bath sich dessen Erinnerungen ber 6 Trios aus,
+die er whrend der Abwesenheit der Mozartischen Familie gesetzt hatte.
+
+_Schachtner_, ein noch lebender Hoftrompeter in Salzburg, den der
+kleine Mozart besonders liebte, war eben gegenwrtig. Der Vater, so
+erzhlte dieser glaubwrdige Augenzeuge, spielte mit der Viola den Ba,
+Wenzl die erste Violin, und ich sollte die zweyte spielen. Der kleine
+Wolfgang bath, da er doch die zweyte Violin spielen drfte. Aber der
+Vater verwie ihm seine kindische Bitte, weil er noch keine ordentliche
+Anweisung auf der Violin gehabt htte und daher unmglich etwas Gutes
+herausbringen knnte. Der Kleine erwiederte, da, um die 2te Violin zu
+spielen man es ja wohl nicht erst gelernet zu haben brauche; aber der
+Vater hie ihn halb in Unwillen davon gehen und ihn nicht weiter stren.
+Der Kleine fing an bitterlich zu weinen, und lief mit seiner kleinen
+Geige davon. Ich bath, man mchte ihn doch mit mir spielen lassen;
+endlich willigte der Vater ein, und sagte zu ihm: Nun so geige nur mit
+Herrn Schachtner, jedoch so stille, da man dich nicht hre, sonst mut
+du gleich fort. Wir spielten und der kleine Mozart geigte mit mir, doch
+bald bemerkte ich, da ich da ganz berflssig sey. Ich legte meine
+Geige weg und sah den Vater an, dem bey dieser Scene Thrnen der
+gerhrten Zrtlichkeit aus dem vterlichen Auge ber die Wangen rollten.
+So spielte Wolfgang alle 6 Trios durch. Nach deren Endigung wurde er
+durch unsern Beyfall so khn, da er behauptete, auch die erste Violin
+spielen zu knnen. Wir machten zum Scherz einen Versuch, und muten
+herzlich lachen, als er auch diese, wiewohl mit lauter unrechten und
+unregelmigen Applikaturen, doch aber so spielte, da er nie vllig
+stecken blieb.
+
+Mit welcher bewundernswrdigen Genauigkeit sein Ohr auch den feinsten
+Unterschied der Tne ma, wie unglaublich sicher sein Gedchtni Tne
+behielt, beweiset folgender Vorfall, der sich fast um gleiche Zeit
+ereignete.
+
+_Schachtner_, der erwhnte Freund des Mozartschen Hauses, und der
+Liebling des kleinen Wolfgangs, besa eine Violin, die dieser ihres
+sanften Tones wegen vorzglich liebte, und die Buttergeige nannte. Er
+spielte eines Tages darauf. In einigen Tagen kam Schachtner wieder, und
+traf den Wolfgang auf seiner eigenen kleinen Geige phantasirend an.
+
+Was macht ihre Buttergeige? sagte Wolfgang und fuhr in seiner
+Phantasie fort. Nach einer kleinen Pause, wo er sich auf etwas zu
+besinnen schien, sagte er weiter:
+
+Wenn sie aber nur ihre Geige immer in gleicher Stimmung lieen; sie war
+das letztemal, als ich auf ihr spielte, um einen Viertelton tiefer, als
+meine da. Man lchelte ber diese dreiste Behauptung in einer Sache, wo
+das gebteste Knstlerohr kaum einen Unterschied zu bemerken im Stande
+ist.
+
+Der Vater aber, der schon oft durch hnliche Aeuerungen des groen
+Tongefhls seines Sohnes berrascht wurde, hlt es der Mhe werth die
+Angabe zu prfen. Die Geige wird gebracht, und zum allgemeinen Erstaunen
+traf die Angabe mathematisch richtig ein.
+
+Bey allen diesen Fertigkeiten, bey diesem auerordentlich groen Talent,
+besa der kleine Mozart einen Flei, der fr seinen zarten Krperbau
+vielleicht zu gro war. Man mute ihn Abends vom Klavier wegrufen, oft
+mit Ernst wegjagen, sonst htte ihn die aufgehende Sonne vielleicht noch
+bey demselben angetroffen.
+
+Diese Vergessenheit seiner selbst, wenn er sich mit Musik beschftigte,
+blieb ihm bis an sein Ende eigen; er sa tglich am Fortepiano bis in
+die spte Nacht. Ein sicheres Kennzeichen des Genies, welches seinen
+Gegenstand immer mit der ganzen Kraft der Seele umfate, und seiner
+selbst verga.
+
+Man darf jedoch nicht glauben, da er nicht auch zu andern Sachen fhig
+war; alles was er lernte, begriff er leicht, und ergab sich dem
+Gegenstande mit einem Eifer und Feuer, dessen Grund in seiner
+empfindsamen Organisation lag. So bemahlte er Sthle, Tische und den
+Fuboden mit Ziffern, als er rechnen lernte, und dachte und redete von
+nichts andern, als von arithmetischen Aufgaben; er ward nach der Zeit
+einer der gebtesten Rechenmeister.
+
+Dabey war er so gehorsam und nachgiebig gegen seine Eltern, da man nie
+sinnlicher Strafen bedurfte, und da er selbst keine Ewaare ohne
+Erlaubni des Vaters annahm oder verzehrte.
+
+Sobald sein groes Talent etwas bekannt wurde, so mute er oft ganze
+Tage sich vor Fremden hren lassen: und doch zeigte er nie Unwillen,
+wenn ihn der Befehl seines Vaters wieder an das Klavier gehen hie.
+Gegen seine Gespielen war er immer voll Freundlichkeit und Wohlwollen,
+und hieng an ihnen mit der ganzen groen Zrtlichkeit seines Herzen;
+selbst in kindischen Unterhaltungen zeigte sich sein Geist der Musik,
+von der immer etwas mit dabey seyn mute.
+
+Im siebenten Jahre seines Alters, das ist, im Jahr 1763 machte Mozart
+mit seinen beyden Kindern die erste grere musikalische Reise in
+Deutschland. Durch diese wurde der Ruhm des jungen Meisters allgemein
+verbreitet. Er zeigte seine Talente und Fertigkeiten vorzglich in
+_Mnchen_, wo er auch ein Violin-Konzert vor dem Churfrsten spielte und
+dazu aus dem Kopfe prambulirte; dann in _Augsburg_, _Manheim_, _Mainz_,
+_Frankfurt_, _Koblenz_, _Klln_, _Achen_ und _Brssel_.
+
+Von da giengen sie im November nach Frankreich, wo sich die Familie
+21Wochen aufhielt. Zu Versailles lie sich der kleine 8jhrige Mozart
+in der knigl. Kapelle vor dem Knige und dem ganzen Hofe auf der Orgel
+hren. Man schtzte zu dieser Zeit sein Orgelspiel noch hher als das
+Klavierspiel.
+
+In Paris gaben sie zwei Akademien frs Publikum, wovon die Folge war,
+da alsogleich der Vater sammt den beyden Kindern in Kupfer gestochen
+erschienen, und da man allgemein in Bewunderung und Lobeserhebung
+derselben wetteiferte. Hier gab auch Wolfgang Mozart seine ersten
+Kompositionen in Stich heraus. Das erste Werk dedicirte er der Madame
+Viktoire, der zweyten Tochter des Knigs, das andere der Grfinn Tesse.
+Es sind Sonaten fr das Klavier.
+
+Von Paris ging die Familie den 10. April 1764 nach England. Noch in
+demselben Monate lieen sich die Kinder vor der kniglichen Familie
+hren; so auch im folgenden, wobei zugleich Mozart auf der Orgel des
+Knigs spielen mute. Darauf gaben sie ein groes Konzert fr das
+Publikum zu ihrem Besten; ein anderes zum Nutzen des Hospitals der
+Wchnerinnen: in beyden waren alle Sinfonien von der Komposition des
+Sohnes. Dann spielten sie noch einmal vor dem Knig und dem vornehmsten
+Adel.
+
+Der ungewhnliche Beyfall und die Bewunderung, zu welcher solche
+Wundertalente das Publikum berall hingerissen haben, waren fr den
+jungen Mozart Antrieb und Reiz sich immer vollkommener zu machen. Er
+sang auch mit der grten Empfindung Arien -- und es war gewi ein
+rhrendes Schauspiel dieses kleine Virtuosenpaar auf 2Klavieren
+konzertieren, oder im Gesange wetteifern zu hren! der Sohn war schon so
+weit in der Kunst gekommen, da er die schwersten Stcke von den grten
+Meistern vom Blatte wegspielen konnte; in Paris und London legte man ihm
+Sachen vom _Hndel_ und _Bach_ vor, die er mit Akkuratesse und dem
+angemessenen Vortrage zur Verwunderung jedes Kenners vom Blatt
+wegspielte.
+
+Als er bei dem Knige von England spielte, legte man ihm unter andern
+einen _bloen Ba_ vor, wozu er auf der Stelle eine vortreffliche
+Melodie erfand und zugleich vortrug.
+
+Whrend dieses Aufenthalts in England schrieb er 6Klavier-Sonaten, die
+er in London stechen lie und der Knigin dedizirte.
+
+Den Sommer des Jahrs 1765 brachte die Familie in _Flandern_, _Brabant_
+und _Holland_ zu. Whrend einer gefhrlichen Krankheit, (_Blattern waren
+es_), welche die beyden Kinder einige Monathe lang auf das Krankenbette
+fesselte, fing Wolfgang andere 6Klavier-Sonaten an; und als er sie nach
+der Krankheit vollendet hatte, lie er sie stechen, und dedizirte sie
+der Prinzessin von Nassau-Weilburg. In dieser Krankheit zeigte sich die
+immer rege Thtigkeit seines harmonischen Geistes sehr auffallend: denn
+da er das Bette nicht verlassen durfte, so mute man ihm ein Brett ber
+das Lager richten, auf welchem er schreiben konnte; und selbst als seine
+kleinen Finger noch voll Pocken waren, konnte man ihn kaum vom Spielen
+und Schreiben abhalten. Diese Anekdote ist aus dem Munde eines sehr
+glaubwrdigen Zeugen.
+
+Zu dem Installationsfeste des Prinzen von Oranien, im Anfange des Jahrs
+1766, setzte der junge Mozart einige Sinfonien, Variationen und Arien.
+
+Nachdem er einigemal bey dem Erbstatthalter gespielt hatte, gieng die
+Familie wieder nach Frankreich, blieb einige Zeit in _Paris_, und reiste
+ber _Lyon_ und die _Schweiz_ nach _Schwaben_, wo sie einige Zeit in
+Donaueschingen bey dem Frsten von Frstenberg verweilten, und dann zu
+Ende des Jahrs 1766 nach einer Abwesenheit von 3Jahren wieder in
+Salzburg eintrafen.
+
+Hier blieb nun die Mozartische Familie mehr als ein Jahr in Ruhe. Diesen
+Zeitraum der Musse wendete der junge Knstler auf das hhere Studium der
+Komposition, deren grte Tiefen er nun bald ergrndet hatte. _Emmanuel
+Bach_, _Hasse_ und _Hndel_ waren seine Mnner -- ihre Werke sein
+unablssiges Studium! Er vernachlssigte auch nicht die alten
+italienischen Meister, deren Vorzge in Rcksicht der Melodie und der
+Grndlichkeit des Satzes so auffallend gegen die heutigen Italiener
+abstechen. So schritt er immer nher zu der Stufe der Vollkommenheit,
+auf der ihn bald darauf die Welt als eine seltene Erscheinung erblickte.
+
+Im folgenden Jahre 1768 gieng Mozart nach Wien und spielte vor dem
+Kaiser _Joseph_, der dem 12jhrigen Knaben den Auftrag gab, eine #Opera
+buffa# zu schreiben. Sie hie #La finta semplice#, und erhielt den
+Beyfall des Kapellmeisters Hasse und Metastasios, wurde aber nicht
+aufgefhrt.
+
+Bey diesem Aufenthalte zu Wien war er oft bey dem Dichter Metastasio,
+der ihn sehr liebte, bey dem Kapellmeister Hasse und dem Frsten
+Kaunitz; hier gab man ihm oft die erste beste italienische Arie, zu
+welcher Wolfgang auf der Stelle in Gegenwart aller Anwesenden die Musik
+mit allen Instrumenten setzte. Dieses Faktum bestttigen mehrere noch
+lebende verehrungswrdige Zeugen, aus deren Mund ich die Anekdote gehrt
+habe.
+
+Zu der Einweihung der Kirche des Waisenhauses, welche zu dieser Zeit
+gefeyert wurde, komponirte der zwlfjhrige Meister Mozart die
+Kirchenmusik, und dirigirte ihre Auffhrung in Gegenwart des ganzen
+kaiserlichen Hofes.
+
+Das Jahr 1769 brachte er mit seinem Vater in Salzburg zu, theils in
+vollkommener Erlernung der italienischen Sprache, theils in der
+Fortsetzung des hhern Studium seiner Kunst. In demselben Jahre wurde er
+zum Konzertmeister bey dem Salzburgischen Hofe ernannt.
+
+Mozart hatte nun die ansehnlichsten Lnder Europens gesehen; der Ruhm
+seines groen, frh gereiften Knstlertalents blhte bereits von den
+Ufern der Donau bis zur Seine und der Themse hin; aber er war noch nicht
+in dem Vaterlande der Musik gewesen. Italiens Beyfall und Bewunderung
+mute erst der Urkunde seines Ruhmes das Siegel aufdrcken. Auch war es
+seinem nach Vollkommenheit strebenden Geiste daran gelegen, die Blthe
+der Tonkunst -- den Gesang in seinem natrlichen Boden zu beobachten, und
+die vielen groen Mnner, die damals noch Italiens Ruhm in der Musik
+sttzten, zu kennen -- und von ihnen zu lernen.
+
+Im Dezember des nmlichen Jahres verlie also Mozart blos in Begleitung
+seines Vaters, Salzburg. Sein erster Aufenthalt war Inspruck, wo er in
+einer Akademie bey dem Grafen Knigl ein Konzert #primi vista# mit
+vieler Leichtigkeit spielte. Von da giengen sie nach Mailand.
+
+Hatte in Frankreich und England sein groes Genie und die seltenen
+Kunst-Fertigkeiten Bewunderung erregt, so war es in Italien feuriger
+Enthusiasmus, mit dem man ihn aufnahm und erhob! Selbst der mchtige
+Nationalstolz, und das Vorurtheil des Ultramontanismus wich besiegt von
+den glnzenden Talenten des 12jhrigen Knaben; er schien eine
+Erscheinung vom Himmel, ein hherer Genius der Tonkunst zu seyn!
+
+So gro war die Ueberlegenheit seines Genies, da ihm zu Mailand nach
+einigen ffentlichen Proben seiner Kunst, gleich die #Scrittura# zu der
+#Opera seria# fr den knftigen Karneval 1771 gegeben ward. Von da
+reisete er schon im Mrz 1770 nach Bologna -- eine Stadt die nebst Neapel
+den grten Ruhm der Musik hatte.
+
+Hier fand der junge Knstler einen enthusiastischen Bewunderer an dem
+berhmten Kapellmeister Pater _Martini_,[1] dem grten Kontrapunktisten
+und einem berhmten Schriftsteller in der Musik. Knstler von wahrem
+Verdienst ehren einander berall! Auch haben es die Italiener nicht nur
+an Mozart, sondern auch an unserm Landsmann Misliweczek bewiesen, da
+sie groe Talente, wenn sie auch auer Italien entsprossen sind, zu
+schtzen verstehen. Wie gro war die Achtung, in der dieser berhmte
+Bhme in Neapel und Rom stand?
+
+ [Funote 1: Anmerkung: Ohne meine Erinnerung werden die Leser
+ einsehen, da dieser Martini mit dem Opernkomponisten Martini,
+ dem Verfasser der #Cosa rara#, nicht zu verwechseln sey.]
+
+Abbate _Martini_ war nebst den andern Kapellmeistern auer sich vor
+Bewunderung, als der junge Mozart ber jedes Fugenthema, das ihm Martini
+hinschrieb, die gehrige Eintheilung und Disposition nach der ganzen
+Strenge der Kunst angab, und die Fuge augenblicklich auf dem Klavier
+ausfhrte.
+
+Zu Florenz fand man bey seiner Gegenwart alles, was der Ruf von seinen
+Talenten sagte, zu gering, als Mozart bey dem #Marchese Ligneville#
+ebenfalls einem groen Kontrapunktisten, jedes angegebene Thema auf der
+Stelle vortrefflich ausfhrte -- jede vorgelegte Fuge, mit einer
+Leichtigkeit vom Blatte wegspielte, als htte er sie selbst komponirt.
+Und wie wahr es ist, da treffliche Geister einander verstehen und ihre
+Verwandschaft bald anerkennen, zeuget die Bekanntschaft, die Mozart hier
+in Florenz mit einem jungen Englnder _Thomas Linley_, einem Knaben von
+14Jahren gemacht hatte. Er war der Schler des berhmten Violonisten
+Nardini, schon selbst Virtuose und Meister seines Instrumentes. Sie
+wurden bald innige vertraute Freunde; ihre Freundschaft aber war nicht
+Knaben Anhnglichkeit, sondern die Zrtlichkeit zweyer tieffhlenden,
+bereinstimmenden Seelen! sie achteten sich als Knstler, und fhrten
+sich auf wie Mnner! Wie bitter war ihnen der Tag ihrer Trennung? Linley
+brachte Mozarten am Tage der Abreise noch ein Gedicht, das er von der
+Dichterin _Corilla_ auf ihn hatte verfertigen lassen, schied unter
+vielen Umarmungen und Thrnen von ihm, und begleitete seinen Wagen unter
+bestndigen Aeuerungen der zrtlichsten Betrbni bis vor die Stadt.
+
+Von Florenz reisete Vater und Sohn nach Rom; sie kamen eben in der
+Charwoche an. Hier hatte nun Mozart Gelegenheit genug die vielen
+Meisterstcke der erhabensten Kirchenmusik zu hren, die in dieser
+heiligen Zeit bey der ernsten Feyer der Welterlsung aufgefhrt werden.
+Den ersten Rang darunter verdiente das berhmte _Miserere_, welches
+Mittwochs und Freytags diese Woche in der sixtinischen Kapelle blos von
+Vokalstimmen gesungen wird, und das in dem _erhabenen, feyerlichen_
+Kirchengesange das #non plus ultra# der Kunst seyn soll; so zwar da es
+den ppstlichen Musikern unter der Strafe der Exkommunikation verbothen
+ward, eine Kopie davon zu machen.
+
+Die gab dem jungen Mozart den Gedanken ein, bei der Anhrung desselben
+recht aufmerksam zu seyn, und es dann zu Hause aus dem Gedchtnisse
+aufzuschreiben. Es gelang ihm ber alle Erwartung; er nahm den Aufsatz
+am Charfreytage zur Wiederholung desselben mit, um im Stande zu seyn
+Verbesserungen zu machen, und das Mangelhafte zu ergnzen.
+
+Bald verbreitete sich der Ruf davon in Rom, und erregte allgemeines
+Aufsehen und Erstaunen; besonders, da es Mozart in einer Akademie
+auffhrte, wobey der Kastrat Christophori zugegen war, welcher es in der
+Kapelle gesungen hatte, und durch sein Erstaunen Mozarts Triumph
+vollkommen machte.
+
+Wer es einsieht, welchen Aufwand von Kunst eine so vielstimmige,
+kritische Choralmusik erfodert, der wird mit Recht durch diese
+Begebenheit in Erstaunen gesetzt. Welch ein Ohr, Gedchtni, Tongefhl --
+welche Kenntni des Satzes war das, die vermgend war, ein solches Werk
+sogleich zu fassen und so vollkommen zu behalten? Die zu knnen, mute
+ein hheres Ma von Krften vorhanden seyn, als man gewhnlich
+anzutreffen pflegt.
+
+In Neapel, wohin er sich aus Rom begab, fand Mozart nicht weniger
+Bewunderer, als in den andern Stdten Italiens; denn jeder unbefangene
+Zuhrer mute seinem Genie huldigen. Mozart ri spter als Mann mit der
+Allgewalt seiner Kunst jedes gefhlvolle Herz hin: was mute den
+Zuhrern in Italien geschehen, die einen Knaben sahen und den
+vollendetesten Knstler hrten? -- Sie hielten ihn fr einen Zauberer:
+der war nun Mozart freylich: aber die magische Kraft lag nicht in seinem
+Ringe, wie man in Neapel whnte; denn als er ihn auf Verlangen der
+Zuhrer weglegte, war sein Spiel nicht weniger bezaubernd, als zu vor.
+Man denke sich nun das Erstaunen und die Bewunderung der lebhaften
+Italiener? Von Neapel kehrte Mozart, mit einem Rufe, der nur _selten_
+einem Knstler vorangeht, nach Rom zurck. Der Papst durch alle die
+Wunder der Kunst aufmerksam gemacht, wollte den jungen Kapellmeister
+sehen. Er ward ihm vorgestellt, und erhielt das Kreuz und Breve als
+Ritter #militiae auratae#.
+
+Auf seiner Rckreise von Rom nach Mayland, hielt er sich wieder eine
+kurze Zeit zu Bologna auf, wo er mit einstimmiger Wahl als Mitglied und
+Maestro der philharmonischen Akademie aufgenommen wurde. Zur Prfung
+bekam er eine vierstimmige Fuge im Kirchenstil auszuarbeiten; man schlo
+ihn deshalb in ein Zimmer ganz allein ein. Er war damit in einer halben
+Stunde fertig und erhielt das Diplom.
+
+In allen diesen Stdten wurden ihm Opern-Akkorde fr den nchsten
+Fasching angetragen; da er aber bereits fr Mailand versprochen war, so
+mute er sie alle ausschlagen. Daher eilte er dahin zu kommen. Seine
+Oper unter dem Titel: #Mitridate# kam noch zu Ende des Jahres 1770, den
+26. Dezember auf die Scene; sie erhielt allgemeinen Beyfall und ward
+zwanzigmal nacheinander aufgefhrt. Eben darum wurde mit ihm alsogleich
+schriftlichen Akkord auf die #Opera seria# fr den Karneval von 1773
+eingegangen. Sie hie, #Lucio Sulla# und erhielt einen noch grern
+Beyfall als #Mitridate#, denn sie wurde 26mal ohne Unterbrechen
+aufgefhrt.
+
+Auf seiner Rckreise aus Italien im J.1771, besuchte er noch Venedig
+und Verona; hier berreichte man ihm auch das Diplom als Mitglied der
+philharmonischen Gesellschaft.[2] So kam er nach einem Aufenthalte von
+mehr als 15Monaten in Italien, nach Salzburg zurck. Die Ausbeute
+dieser langen Reise war ein Schatz neuer Kenntnisse und Ideen, ein
+geluterter Geschmack und die Bewunderung einer Nation, die von der
+Natur selbst zur Richterin in der Tonkunst berufen zu seyn schien.
+
+ [Funote 2: Anmerkung. Alle diese Diplome, so wie das Kreuz des
+ ppstl. Ordens, bewahret die Wittwe zum Andenken.]
+
+Bey seiner Ankunft in Salzburg fand Mozart einen Brief von dem Grafen
+_Firmian_ aus Mayland, worinn ihm dieser im Namen der Kaiserin _Maria
+Theresia_ den Auftrag machte, die groe theatralische Serenate zur
+Vermhlung des Erzherzogs _Ferdinand_ zu schreiben.[3] Zu diesem Feste
+schrieb _Hasse_, der lteste unter den Kapellmeistern die Opera, und
+Mozart, der jngste unter ihnen, die Serenate; die Kaiserin schien das
+so mit Absicht angeordnet zu haben! Diese Serenate hie: #Ascanio in
+Alba#; whrend der Feyerlichkeit ward immer mit der Oper und der
+Serenate abgewechselt. Bey der Wahl des neuen Erzbischofs von Salzburg,
+1772, schrieb Mozart auch eine theatralische Serenate, betitelt: #Lo
+sogno di Scipione.#
+
+ [Funote 3: Serenaten waren eine Gattung Kantaten, denen zum
+ Grunde ein dramatisches Sujet gelegt war; sie hatten also
+ Aehnlichkeiten mit den Oratorien.]
+
+Einige Reisen die Mozart im Jahre 1773 und 1774 nach Wien und Mnchen
+machte, gaben die Gelegenheit zu mehreren Meisterwerken der Tonkunst;
+hieher gehrt die komische Oper: #La finta Giardiniera#, und mehrere
+Messen fr die Mnchner Hofkapelle.
+
+Im Jahre 1775 schrieb Mozart in Salzburg die Serenate #il re pastore#,
+welche auerordentlich gefiel, und unter diejenigen ltern Werke Mozarts
+gehrt, die auch jetzt noch ihren groen Werth haben; denn er hatte
+darinn schon den hohen Geist ahnden lassen, der in seinen sptern
+Kunstwerken herrscht. Dahin gehrt das Oratorium der bssende David,
+welches unter die besten Werke dieser Art gehrt, und auch jetzt noch
+von Kennern bewundert wird.
+
+
+
+
+ II.
+
+ Mozart als Mann.
+
+
+Diesen Zeitpunkt, das heit, sein 20stes Lebensjahr knnen wir fr die
+Epoche seiner Vollendung als Meister annehmen; denn von nun an zeigte er
+sich immer als ein solcher im glnzendesten Lichte, und mit einer
+entscheidenden Ueberlegenheit des Geschmackes und Genies; alle seine
+Werke, die er seit dem geliefert hat, sind klassisch und erwarben ihm
+die Krone der Unsterblichkeit. Wir fahren in der Erzhlung seiner
+Lebensbegebenheiten fort, und werden die vorzglichsten seiner Werke,
+aus dieser Lebensperiode, in einem besondern Abschnitte rezensiren.
+
+Mozarts Ruhm war nun gegrndet. Jede groe Stadt, die er zu dem
+Schauplatze seiner Talente gemacht htte, wrde ihn mit Freude
+aufgenommen, und seine Werke mit Entzcken angehrt haben. Zu einer
+solchen Erwartung berechtigte ihn im hohen Mae die groe Wirkung, die
+sein zweifaches gleich groes Talent, des Klavierspielers und
+Kompositors jedesmal und berall auf das Publikum gemacht hatte.
+
+Unter diesen Stdten war wohl _Paris_ der angemessenste Platz fr das
+Genie Mozarts; um so mehr, da seine Kunst dort ein schon begeistertes
+Publikum gefunden htte. Aber er hatte keinen Geschmack an der
+franzsischen Musik; ber die war sein gerader Charakter zu Intriguen
+und Kabalen nicht gemacht, die auf diesem groen Tummelplatze
+menschlicher Leidenschaften auch die Knste mit ihren Schlangenwindungen
+umstrickten. Er kam also von der letzten Reise, die er im Jahre 1777 mit
+seiner Mutter nach Paris zu dem Endzwecke gemacht hatte, bald wieder,
+aber allein zurck; denn sie starb dort.[4] Auch die mag seinem
+gefhlvollen Herzen den Aufenthalt in Paris verleidet haben. Zu Ende
+des Jahres 1778 war er schon wieder in Salzburg.
+
+ [Funote 4: Anmerkung: Diese Reise nach Paris gab der Welt die
+ groe Sinfonie in #D.# die deshalb und ihres raschen Feuers
+ wegen, die franzsische heit.]
+
+Der Bayerische Hof, der schon so oft Zeuge seines Knstlertalentes war,
+und insbesondere der damalige Churfrst, der groe Schtzer aller
+schnen Knste, liebte Mozarts Musik im hohen Grade. Er bekam daher den
+Auftrag fr den Fasching vom 1781 in Mnchen eine #Opera seria# zu
+schreiben.
+
+Da schuf Mozart das erhabene Werk, die Oper #Idomeneo#; worinn eine
+Gedankenflle, eine Wrme der Empfindung herrscht, die sich nur von der
+Jugendkraft eines genialischen Tonknstlers wie Mozart erwarten lie.
+Diesen Aufenthalt in Mnchen rechnete Mozart unter die angenehmsten Tage
+seines Lebens und verga nie auf die gefllige Freundschaft, die er da
+von so vielen Mnnern vom Verdienst geno.
+
+Aus Mnchen ward er durch einen Auftrag seines Erzbischofs nach Wien
+berufen: und von dieser Zeit an, das heit von seinem 25sten Jahre,
+lebte er in dieser Kaiserstadt, die eben so sehr durch den entschiedenen
+Hang des Publikums zur Musik, als auch durch die Menge vortrefflicher
+Tonknstler, fr Mozarts Geist wichtig seyn mute.
+
+Von hier aus verbreiteten sich seine erstaunenswrdigen Kompositionen
+zunchst nach Bhmen, dann in das brige Deutschland, und gaben dem
+Geschmacke in der Musik einen groen Schwung, eine neue Richtung, die
+aber seine zeitherigen Nachahmer verzerren und verderben.
+
+Sein Spiel auf dem Pianoforte fand zuerst Bewunderer und Liebhaber; denn
+obschon Wien mehrere groe Meister dieses Instrumentes, des Lieblinges
+des Publikums zhlte, so kam doch keiner unserm Mozart gleich. Eine
+bewundernswrdige Geschwindigkeit, die man besonders in Rcksicht der
+linken Hand oder des Basses einzig nennen konnte, Feinheit und
+Delikatesse, der schnste, redendeste Ausdruck und ein Gefhl, das
+unwiderstehlich zum Herzen drang, sind die Vorzge seines Spieles
+gewesen, die gepaart mit seiner Gedankenflle, mit der tiefen Kenntni
+der Komposition natrlich jeden Hrer hinreien, und Mozarten zu dem
+grten Klavierspieler seiner Zeit erheben muten.
+
+Seine Klavierkompositionen aller Art, Sonaten, Variationen, Konzerte,
+wurden bald allgemein bekannt und beliebt. Man ward bey jedem neu
+erschienenen Werke berrascht durch die Neuheit des Stiles, und der
+Gedanken -- man staunte ber die Hhe, zu der sich die Musik durch seine
+Werke so schnell empor schwang!
+
+In Wien fand Mozart einen Tonknstler, dessen Genie dem seinigen am
+hnlichsten war; ich meine den berhmten Schpfer der Alzeste und
+Iphigenie, _Ritter von Gluck_, einen Bhmen von Geburt. Der Umgang mit
+ihm und das unablssige Studium seiner erhabenen Werke gab Mozarten viel
+Nahrung, und hatte Einflu auf seine Opernkompositionen. Auch wurde
+Mozart bald der innigste Verehrer des groen, unvergleichlichen _Joseph
+Haydn_, der schon damals der Stolz der Tonkunst war, und nun, nachdem
+Mozart nicht mehr ist, unser einzige Liebling, unsere Wonne bleibt.
+Mozart nannte ihn oft seinen Lehrer.
+
+Bald nachdem Mozart seinen Aufenthalt in Wien aufgeschlagen hatte, fate
+der unvergeliche Kaiser _Joseph_II. den Gedanken, der eines deutschen
+Kaisers so wrdig war, den Geschmack an italienischen Opern durch die
+Untersttzung deutscher Singspiele und Snger zu verdrngen, und fr das
+Vaterlndische mehr zu stimmen. Er versammelte daher die besten Snger
+und Sngerinnen, und lie von Mozart eine deutsche Oper setzen. Fr
+diese Virtuosen schrieb Mozart das allgemein bekannte, allgemein
+beliebte Singspiel, die _Entfhrung aus dem Serail_ in dem Jahre 1782.
+
+Sie machte allgemeines Aufsehen; und die schlauen Italiener sahen bald
+ein, da ein solcher Kopf fr ihr welsches Geklingel bald gefhrlich
+werden drfte. Der Neid erwachte nun mit der ganzen Schrfe des
+italienischen Giftes! Der Monarch der im Grunde von der _neuen
+tiefeindringenden_ Musik entzckt war, sagte doch zu Mozart: Gewaltig
+viel Noten lieber Mozart!
+
+Gerade so viel, Eure Majestt, als nthig ist, versetzte dieser mit
+jenem edlen Stolze, und der Freymthigkeit, die groen Geistern so gut
+anstehet. Er sah es ein, da die nicht eigenes Urtheil, sondern
+nachgesagt war.
+
+Ich darf hier nicht verschweigen, da Mozart zu der Zeit, als er diese
+Oper schrieb, _Konstanza Weber_, seine nachmahlige Gemahlin, die
+Schwester der berhmten Sngerin _Lang_, liebte und eben Brutigam war.
+Den Einflu, den diese Seelenstimmung auf die Komposition dieser Oper
+haben mute, wird jedermann erkennen, der sie gehrt hat; denn wer wei
+es nicht, wie voll ser Gefhle, voll schmachtender Liebe sie ist?
+
+Ich kann den Beyfall und die Sensation, die sie in Wien erregte, nicht
+aus eigener Erfahrung beschreiben -- aber ich bin Zeuge des Enthusiasmus
+gewesen, den sie bey ihrer Auffhrung in Prag in Kennern und
+Nichtkennern verursachte! Es war, als wenn das, was man hier bisher
+gehrt und gekannt hatte, keine Musik gewesen wre! Alles war
+hingerissen -- alles staunte ber die neuen Harmonien, ber die
+originellen, bisher ungehrten Stze der Blasinstrumente. Nun fingen die
+Bhmen an seine Kompositionen zu suchen; und in eben dem Jahre hrte man
+schon in allen bessern musikalischen Akademien, Mozarts Klavierstcke
+und Sinfonien. Von nun an war die Vorliebe der Bhmen fr seine Werke
+entschieden! Die grten Kenner und Knstler unserer Vaterstadt, waren
+auch Mozarts grte Bewunderer, die feurigsten Verkndiger seines
+Ruhmes.[5]
+
+ [Funote 5: Vorzglich der verehrte Herr _Duscheck, Kucharz,
+ Praupner, Johann Kozeluch, (nicht Leopold der in Wien lebt,) die
+ beyden Loschek, Maschek, Caj. Vogel, Wenzel, Weber, Rsler,
+ Witassek, Tomaschek_ u.a.m.]
+
+Mozart lebte bisher, ungeachtet seines groen Ruhmes ohne _Anstellung_,
+also ohne bestimmte Einknfte. Klavier-Unterricht, und abonnirte
+Konzerte fr einen geschlossenen Cirkel des hohen Adels waren noch die
+ausgiebigsten Quellen seiner Einknfte, wobey sich in einer Stadt, wie
+Wien, sicher nichts ersparen lie.
+
+In dieser Periode schrieb er die schnsten Sachen fr das Klavier:
+Sonaten mit und ohne Begleitung, Konzerte, die nun in jedermanns Hnden
+sind.
+
+Im Jahre 1785 gab er 6 meisterhafte Violin-Quartetten im Stich heraus,
+mit einer Dedikation an seinen Freund den Kapellmeister _Joseph Haydn_,
+die ein schner Abdruck seiner Hochachtung fr diesen groen Mann ist;
+und so wie dieselbe den Ruhm _Haydns_, durch die Huldigungen eines
+Knstlers wie Mozart, vermehrt: eben so sehr gereicht sie diesem zur
+Ehre, und macht uns das Herz eines Mannes liebenswrdig, dessen Talent
+Bewunderung heischt.
+
+Gewi, Mozart htte mit keinem Werke einen _Joseph Haydn_ besser ehren
+knnen, als mit diesen Quartetten, die ein Schatz der schnsten
+Gedanken, und das Muster und eine Schule der Komposition sind. In den
+Augen des Kenners ist dies Werk eben so viel werth, als jede
+Opernkomposition Mozarts. Alles darinn ist durchgedacht, und vollendet!
+-- Man sieht es diesen Quartetten an, da er sich die Mhe gab _Haydns_
+Beyfall zu verdienen.
+
+Eben zu der Zeit machte das franzsische Lustspiel von Beaumarchais,
+_Figaro_ sein Glck und kam auf alle Theater. Mozart ward vom Kaiser
+_Joseph_ dazu bestimmt, diesem Lustspiele, nachdem es in ein Singspiel
+umgegossen ward, auch auf dem italienischen Operntheater durch seine
+Musik Celebritt zu verschaffen. Es wurde in Wien von der italienischen
+Opern-Gesellschaft aufgefhrt. Wenn es wahr ist, was man allgemein als
+wahr erzhlt, und was sich bei so vielen glaubwrdigen Zeugen freylich
+nicht in Zweifel ziehen lt, da die Snger, aus Ha, Neid und
+niedriger Kabale bey der ersten Vorstellung durch vorsetzliche Fehler
+sich alle Mhe gegeben haben die Oper zu strzen: so kann der Leser
+daraus schlieen, wie sehr diese Faktion die Ueberlegenheit des Genies
+in Mozart frchtete, und wie wahr es sey, was ich kurz vorher bey
+Gelegenheit der _Entfhrung aus dem Serail_ bemerkt habe. Dieser feige
+Bund verdienstloser Menschen blieb bis an das frhe Ende des
+unsterblichen Knstlers in voller Thtigkeit ihn zu hassen, zu
+verlumden, und seine Kunst herabzusetzen. Welchen Kampf hatte Mozarts
+Geist zu bestehen, bis er vollkommen triumphirte?
+
+Man erzhlt, da die Snger durch eine ernste Warnung des seligen
+Monarchen zu ihrer Pflicht gewiesen werden muten, da Mozart voll
+Bestrzung zwischen dem 2ten Akte zu Ihm in die Loge kam und Ihn darauf
+aufmerksam machte.
+
+So wie jedes seiner Werke in Bhmen nach seinem wahren Werthe erkannt
+und geschtzt wurde: so geschah es auch mit dieser Oper. Sie wurde im
+Jahre 1786 von der Bondinischen Gesellschaft in Prag auf das Theater
+gebracht und gleich bey der ersten Vorstellung mit einem Beyfall
+aufgenommen, der nur mit demjenigen, welchen die Zauberflte nachher
+erhielt, verglichen werden kann. Es ist die strengste Wahrheit, wenn ich
+sage, da diese Oper fast ohne Unterbrechen diesen ganzen Winter
+gespielt ward, und da sie den traurigen Umstnden des Unternehmers
+vollkommen aufgeholfen hatte. Der Enthusiasmus, den sie bei dem Publikum
+erregte, war bisher ohne Beyspiel; man konnte sich nicht genug daran
+satt hren. Sie wurde bald von einem unserer besten Meister, Herrn
+Kucharz in einen guten Klavier-Auszug gebracht, in blasende Parthieen,
+ins Quintett fr Kammermusik, in teutsche Tnze verwandelt: kurz Figaros
+Gesnge wiederhallten auf den Gssen, in Grten, ja selbst der Harfenist
+auf der Bierbank mute sein #non piu andrai# tnen lassen, wenn er
+gehrt werden wollte. Diese Erscheinung hat freylich grtentheils in
+der Vortrefflichkeit des Werkes ihren Grund; aber nur ein Publikum,
+welches so viel Sinn fr das wahre Schne in der Tonkunst und so viel
+grndliche Kenner unter sich besitzt, konnte den Werth einer solchen
+Kunst auf der Stelle empfinden; dazu gehrt auch das unvergleiche
+Orchester der damaligen Oper, welches die Ideen Mozarts so genau und
+fleiig auszufhren verstand. Denn auf diese verdienten Mnner, die zwar
+grtentheils keine Konzertisten, aber desto grndlichere Kenner und
+Orchestersubjekte waren, machte die neue Harmonie und der feurige Gang
+des Gesanges den ersten und tiefsten Eindruck! Der nunmehr verstorbene
+rhmlich bekannte Orchester-Direktor _Strobach_ versicherte oft, da er
+sammt seinem Personale bey der jedesmaligen Vorstellung so sehr ins
+Feuer gerathe, da er trotz der mhsamen Arbeit mit Vergngen von vorne
+wieder anfangen wrde.
+
+Die Bewunderung fr den Verfasser dieser Musik gieng so weit, da einer
+unserer edelsten Kavaliere und Kenner der Musik, _Graf Johann Joseph
+Thun_, der selbst eine vortreffliche Kapelle unterhielt, ihn nach Prag
+zu kommen einlud, und ihm Wohnung, Kost und alle Bequemlichkeiten in
+seinem Hause anboth. Mozart war zu sehr ber die Wirkung erfreut, die
+seine Musik auf die Bhmen machte -- zu begierig eine Nation von einem
+solchen Musikgefhle kennen zu lernen, als da er die Gelegenheit nicht
+mit Freuden ergriffen htte. Er kam im Februar 1787 nach Prag: am Tage
+seiner Ankunft wurde Figaro gegeben, und Mozart erschien darinn.
+Alsogleich verbreitete sich der Ruf von seiner Anwesenheit im Parterre,
+und so wie die Sinfonie zu Ende gieng, klatschte ihm das ganze Publikum
+Beyfall und Bewillkommen zu.
+
+Er lie sich dann auf allgemeines Verlangen in einer groen
+musikalischen Akademie im Operntheater auf dem Pianoforte hren. Nie sah
+man noch das Theater so voll Menschen, als bey dieser Gelegenheit; nie
+ein strkeres, einstimmiges Entzcken, als sein gttliches Spiel
+erweckte. Wir wuten in der That nicht, was wir mehr bewundern sollten,
+ob die _auerordentliche_ Komposition, oder das _auerordentliche_
+Spiel; beydes zusammen bewirkte einen Totaleindruck auf unsere Seelen,
+welcher einer sen Bezauberung glich! Aber dieser Zustand lsete sich
+dann, als Mozart zu Ende der Akademie allein auf dem Pianoforte mehr als
+eine halbe Stunde phantasirte und unser Entzcken auf den hchsten Grad
+gespannt hatte, in laute berstrmende Beyfallsuerung auf. Und in der
+That bertraf dieses Phantasiren alles, was man sich vom Klavierspiele
+vorstellen konnte, da der hchste Grad der Kompositionskunst mit der
+vollkommensten Fertigkeit im Spiele vereinigt ward. Gewi, so wie diese
+Akademie fr die Prager die einzige ihrer Art war, so zhlte Mozart
+diesen Tag zu den schnsten seines Lebens.
+
+Die Sinfonien, die er fr diese Gelegenheit setzte, sind wahre
+Meisterstcke des Instrumentalsatzes, voll berraschender Uebergnge und
+haben einen raschen, feurigen Gang, so, da sie alsogleich die Seele zur
+Erwartung irgend etwas Erhabenen stimmen. Die gilt besonders von der
+groen Sinfonie in #Ddur# und #Es#, die noch immer ein Lieblingsstck
+des Prager Publikums sind, obschon sie wohl hundertmal gehrt waren.
+
+Der Opernunternehmer Bondini schlo zugleich mit Mozart den Akkord zu
+einer neuen Oper fr die Prager Bhne auf den nchsten Winter, welche
+dieser gerne bernahm, weil er erfahren hatte, wie gut die Bhmen seine
+Musik zu schtzen und auszufhren verstanden. Die uerte er oft gegen
+seine Prager Freunde: er war berhaupt gern in Prag, wo ihn ein
+gefhlvolles Publikum, und wahre Freunde so zu sagen auf den Hnden
+trugen. -- Dem Opernorchester dankte er in einem Briefe an den damaligen
+Direktor Herrn Strobach sehr verbindlich, und schrieb seiner geschickten
+Ausfhrung den grten Theil des Beyfalls zu, den seine Musik in Prag
+erhalten hatte.[6] Dieser Zug seines Herzens, so unbedeutend er scheint,
+ist sehr schn; er giebt einen Beweis, da _Stolz_, _Eigendnkel_ oder
+_Undankbarkeit_ seine Fehler nicht waren, wie man es so hufig an viel
+geringern Virtuosen wahrnimmt.
+
+ [Funote 6: Der Verfasser las den Brief im Original, und fand
+ ihn sehr gut geschrieben.]
+
+In dem nemlichen Jahre 1787 gegen den Winter kam Mozart vermg seines
+Akkords wieder nach Prag, und vollendete da die Krone aller seiner
+Meisterwerke, die Oper: #Il dissoluto punito#, oder #Don Giovanni#.
+
+Die Bhmen sind stolz darauf, da er durch eine so erhabene und aus der
+Tiefe seines Genies geschpfte Musik ihren guten Geschmack erkannte und
+ehrte. _Don Juan ist fr Prag geschrieben_ -- mehr braucht man nicht zu
+sagen, um zu beweisen, welchen hohen Begriff Mozart von dem
+musikalischen Sinne der Bhmen hatte. Es gelang ihm auch vollkommen
+diesen Sinn zu treffen und zu rhren; denn keine Oper hat sich hier in
+einem gleichen Wohlgefallen so lange auf dem Theater erhalten, als _Don
+Juan_. Es sind nunmehr 21Jahre, seit sie gegeben wird, und noch immer
+hrt man sie mit Vergngen, noch immer lockt sie zahlreiche Versammlung
+in das Parterre. Kurz _Don Juan_ ist die Lieblingsoper des bessern
+Publikum in Prag. Als Mozart bey der ersten Vorstellung derselben an dem
+Klavier im Orchester erschien, empfing ihn das ganze bis zum Erdrcken
+volle Theater mit einem allgemeinen Beyfallklatschen. Ueberhaupt bekam
+Mozart in Prag bey jeder Gelegenheit groe und unzweydeutige Beweise der
+Hochachtung und Bewunderung, welche gewi ehrenvoll waren, weil nicht
+Vorurtheil oder Mode, sondern reines Gefhl seiner Kunst daran Theil
+hatte. Man liebte und bewunderte seine schnen Werke; wie konnte man
+gegen die Person ihres groen Schpfers gleichgltig bleiben?
+
+In dem Jahre 1789 im Monat December schrieb Mozart das italienische
+komische Singspiel, #Cosi fan tutte#, oder _die Schule der Liebenden_;
+man wundert sich allgemein, wie der groe Geist sich herablassen konnte,
+an ein so elendes Machwerk von Text seine himmlisch sen Melodien zu
+verschwenden. Es stand nicht in seiner Gewalt, den Auftrag abzulehnen,
+und der Text ward ihm ausdrcklich aufgetragen. -- In diese Periode fllt
+auch seine Reise ber Leipzig und Dresden nach Berlin.[7] Der groe Ruf
+seines Namens gieng ihm voran, und man fand sich nirgends in der
+Erwartung getuscht, die er berall erregt hatte. Der damalige Knig von
+Preuen, ein freygebiger Kenner und Freund der Tonkunst, ward ganz fr
+ihn eingenommen; und gab ihm ausgezeichnete Beweise seiner Achtung. Wie
+wahrhaft und daurend dieselbe gewesen sey, beweiset die knigliche
+Gromuth, mit welcher dieser Monarch spter die Wittwe Mozart in Berlin
+aufnahm und untersttzte.
+
+ [Funote 7: Er unternahm sie im Frhjahr des Jahrs 1789.]
+
+Mozart war bis jetzo ohne Anstellung, ohne sichere Einknfte. So bekannt
+auch sein Talent war, so sehr man seine Kompositionen suchte: so wenig
+dachte man daran ihn zu belohnen, und zu untersttzen. Er hatte zwar oft
+betrchtliche Einnahmen gemacht; aber bei der Unsicherheit und Unordnung
+der Einknfte, bei den hufigen Kindbetten, den langwierigen Krankheiten
+seiner Gattin, in einer Stadt wie Wien, mute Mozart doch im
+eigentlichen Verstande darben. Er beschlo daher die _Stadt_ zu
+verlassen, wo sich keine Stelle fr einen Kopf wie _Mozart_ fand. Sein
+Plan war nach England zu gehen, wo er ein besseres Schicksal um so mehr
+erwarten konnte, als ihm oft von da Einladungen und lockende Antrge
+gemacht wurden.
+
+Alles war zur Abreise fertig, als ihm _Kaiser Joseph_ den Titel eines
+kaiserlichen Kammerkomponisten mit einem Jahrgehalt von 800Gulden und
+der Zusicherung ertheilte, da auf ihn in der Zukunft Bedacht genommen
+werden wrde. Mozart mochte nicht trotzen; er nahm es willig an, und
+blieb. Das Anstellungsdekret ist am 7. Dec. 1787 ausgestellt.
+
+Ich berlasse es jedem Leser darber Beobachtungen anzustellen, um die
+Ursachen der langen Vernachlssigung eines so groen Knstlers
+auszuforschen. An ihm lag die Schuld gewi nicht; man mte denn seinen
+geraden und offenen zum Bcken und Kriechen untauglichen Charakter als
+Schuld annehmen.
+
+So viele Feinde und Neider auch jeden seiner Vorzge durch Herabsetzung
+und Verlumdung zu verdunkeln bemht waren: so vollkommen war dennoch
+der Triumph seiner Kunst bey unbefangenen, von dem Roste der Mode
+unverletzten Seelen. Alle wahren Kenner der Tonkunst huldigten seinem
+Genie. Ich will davon ein Beyspiel anfhren.
+
+Der als Staatsmann und Gelehrter gleich verehrungswrdige _Baron von
+Switten_, ein wahrer Kenner der Tonkunst, voll Gefhl fr den ernsten
+Gesang des erhabenen _Hndels_, lie oft die Werke dieses berhmten
+Tonknstlers, die fr den tndelnden Modegeschmack unserer Tage eine zu
+einfache Kost sind, in Privatkonzerten auffhren. Er bediente sich dazu
+der Talente unsers Mozarts, der die groen Ideen _Hndels_ mit der Wrme
+seiner Empfindung zu beleben und durch den Zauber seines
+Instrumentalsatzes fr unser Zeitalter genbar zu machen verstand.[8]
+Baron von _Switten_ korrespondirte oft ber die Angelegenheit mit
+Mozart, und schrieb ihm einst unter andern:
+
+ Den 21sten Mrz 1789.
+
+ Ihr Gedanke, den Text der kalten Arie in ein #Recitativ# zu
+ bringen ist trefflich, und in der Ungewiheit ob Sie wohl die
+ Worte zurckbehalten haben, schickte ich sie Ihnen hier
+ abgeschrieben. Wer _Hndel_ so feyerlich und so geschmackvoll
+ kleiden kann, da er einerseits auch dem Modegecken gefllt, und
+ andererseits doch immer in seiner Erhabenheit sich zeiget, der
+ hat seinen Werth gefhlt, der hat ihn verstanden, der ist zu der
+ Quelle seines Ausdruckes gelanget und kann und wird sicher
+ daraus schpfen. So sehe ich dasjenige an, was Sie leisteten,
+ und nun brauche ich von keinem Zutrauen mehr zu sprechen,
+ sondern nur von dem Wunsche das Rezitativ bald zu erhalten.
+
+ _Switten_.
+
+ [Funote 8: Mozart bearbeitete fr ihn _Hndels Acis und
+ Galathea, Messias, Cecilia, und das Fest des Alexanders_ in den
+ Jahren 1788, 89, 90.]
+
+Der Trkenkrieg und der dadurch veranlate Tod des _edelsten Monarchen_,
+des unvergelichen _Josephs_, raubte auch Mozarten eine groe Sttze
+seiner Hoffnungen; er blieb Kapellmeister mit 800Fl. und ohne
+Wirkungskreis!
+
+Aber auch sein Ende rckte nun heran; er sollte den groen _Monarchen_
+nicht lange berleben. Das Jahr 1791, furchtbar reich an groen Todten,
+ward bestimmt auch den Stolz der Tonkunst zu entreien. Mozart hatte
+jedoch zuvor der Nachwelt mit vollen Hnden aus dem Reichthume seines
+Geistes ausgespendet. Daher ist dieses Jahr eben so merkwrdig durch die
+Schpfung seiner schnsten Werke, als es uns durch seinen unerwarteten
+Tod schmerzhaft geworden ist. In demselben, ja gewissermaen nahe an dem
+Ziele seines Lebens schuf er die Musik zu der _Zauberflte_, zu der
+ernsthaften Oper, #La Clemenza di Tito#, und das furchtbar erhabene
+#Requiem# (Seelenmesse) welches er nicht einmal mehr vollenden konnte.
+So gewi es ist, da diese drey Werke allein ihm den ersten Platz unter
+den Tonknstlern seines Zeitalters und unsterblichen Ruhm versichert
+htten, so sehr vermehren sie die Sehnsucht nach dem Entrissenen, durch
+den Gedanken, der sich dem gefhlvollen Zuhrer unter dem Genusse seiner
+Werke unwiderstehlich aufdringt: _Ach! wie viel wrde der Mann noch
+geleistet, welche Harmonien geschaffen haben_?
+
+Die Zauberflte setzte er fr das Theater des bekannten _Schikaneders_,
+der sein alter Bekannter war. Die Musik zu der Oper #La Clemenza di
+Tito# war von den bhmischen Stnden zu der Krnung des Kaisers
+_Leopold_ bestellt. Diese letzte begann er in seinem Reisewagen auf dem
+Wege von Wien, und vollendete sie in dem kurzen Zeitraume von 18 Tagen
+in Prag.
+
+_Die Geschichte seines_ letzten Werkes, der erwhnten _Seelenmesse_, ist
+eben so geheimnivoll als merkwrdig.
+
+Kurz vor der Krnungszeit des Kaisers _Leopold_, bevor noch _Mozart_ den
+Auftrag erhielt nach Prag zu reisen, wurde ihm ein Brief _ohne
+Unterschrift_ von einem _unbekannten Bothen_ bergeben, der nebst
+mehreren schmeichelhaften Aeuerungen die Anfrage enthielt, ob Mozart
+eine Seelenmesse zu schreiben bernehmen wollte? um welchen Preis und
+binnen welcher Zeit er sie liefern knnte?
+
+Mozart der ohne Mitwissen seiner Gattin nicht den geringsten Schritt zu
+thun pflegte, erzhlte ihr den sonderbaren Auftrag, und uerte zugleich
+sein Verlangen sich in dieser Gattung auch einmal zu versuchen, um so
+mehr, da der hhere pathetische Stil der Kirchenmusik immer sehr nach
+seinem Genie war. Sie rieth ihm den Auftrag anzunehmen. Er schrieb also
+dem unbekannten Besteller zurck, er wrde das Requiem fr eine gewisse
+Belohnung verfertigen; die Zeit der Vollendung knne er nicht genau
+bestimmen; er wnsche jedoch den Ort zu wissen, wohin er das Werk, wenn
+es fertig seyn wrde, zu bergeben habe. In kurzer Zeit erschien
+derselbe Bothe wieder, brachte nicht nur die bedungene Belohnung mit,
+sondern noch das Versprechen, da er in dem Preise so billig gewesen sey,
+bey der Absendung des Werkes eine betrchtliche Zugabe zu erhalten. Er
+sollte brigens nach der Stimmung und Laune seines Geistes schreiben,
+sich aber gar keine Mhe geben, den Besteller zu erfahren, indem es
+gewi vergeblich seyn wrde.
+
+Mittlerweile bekam Mozart den ehrenvollen und vortheilhaften Antrag fr
+die Prager Krnung des Kaisers _Leopold_ die Oper Titus zu schreiben.
+Nach Prag zu gehen, fr seine lieben Bhmen zu schreiben, hatte fr ihn
+zu viel Reiz, als da er es htte ausschlagen knnen!
+
+Eben als Mozart mit seiner Frau in den Reisewagen stieg, stand der Bothe
+wie ein Geist da, zupfte die Frau an dem Rocke, und fragte: Wie wird es
+nun mit dem Requiem aussehen?--
+
+Mozart entschuldigte sich mit der Nothwendigkeit der Reise und der
+Unmglichkeit seinem unbekannten Herrn davon Nachricht geben zu knnen:
+brigens wrde es seine erste Arbeit bey der Zurckkunft seyn, und es
+kme nur auf den Unbekannten an, ob er so lange warten wolle. Damit war
+der Bothe gnzlich befriedigt.
+
+Schon in Prag krnkelte und medizinirte Mozart unaufhrlich; seine Farbe
+war bla und die Miene traurig, obschon sich sein munterer Humor in der
+Gesellschaft seiner Freunde doch oft noch in frhlichen Scherz ergo.
+Bey seinem Abschiede von dem Zirkel seiner Freunde ward er so wehmthig,
+da er Thrnen vergo. Ein ahnendes Gefhl seines nahen Lebensende
+schien die schwermthige Stimmung hervorgebracht zu haben -- denn schon
+damals trug er den Keim der Krankheit, die ihn bald hinraffte, in sich.
+
+Bey seiner Zurckkunft nach Wien nahm er sogleich seine Seelenmesse vor,
+und arbeitete mit viel Anstrengung und einem lebhaften Interesse daran:
+aber seine Unplichkeit nahm sichtbar zu, und stimmte ihn zur dstern
+Schwermuth. Seine Gattin nahm es mit Betrbni wahr. Als sie eines Tages
+mit ihm in den Prater fuhr, um ihm Zerstreuung und Aufmunterung zu
+verschaffen, und sie da beyde einsam saen, fing Mozart an vom Tode zu
+sprechen, und behauptete, da er das Requiem fr sich setze. Thrnen
+standen dem empfindsamen Manne in den Augen. Ich fhle mich zu sehr,
+sagte er weiter, mit mir dauert es nicht mehr lange: gewi, man hat mir
+Gift gegeben! Ich kann mich von diesem Gedanken nicht los winden.--
+
+Zentnerschwer fiel diese Rede auf das Herz seiner Gattin; sie war kaum
+im Stande ihn zu trsten, und das Grundlose seiner schwermthigen
+Vorstellungen zu beweisen. Da sie der Meynung war, da wohl eine
+Krankheit im Anzuge wre, und das Requiem seine empfindlichen Nerven zu
+sehr angreife, so rufte sie den Arzt, und nahm die Partitur der
+Komposition weg.
+
+Wirklich besserte sich sein Zustand etwas, und er war whrend desselben
+fhig eine kleine Kantate, die von einer Gesellschaft fr ein Fest
+bestellt wurde, zu verfertigen. Die gute Ausfhrung derselben und der
+groe Beyfall, mit dem sie aufgenommen ward, gab seinem Geiste neue
+Schnellkraft. Er wurde nun etwas munterer und verlangte wiederholt sein
+Requiem fortzusetzen und zu vollenden. Seine Frau fand nun keinen
+Anstand ihm seine Noten wieder zu geben.
+
+Doch kurz war dieser hoffnungsvolle Zustand; in wenig Tagen verfiel er
+in seine Melancholie, ward immer matter und schwcher, bis er endlich
+ganz auf das Krankenlager hinsank, von dem er ach! nimmer aufstand.
+
+Am Tage seines Todes lie er sich die Partitur an sein Bette bringen.
+Hab ich es nicht vorgesagt, da ich die Requiem fr mich schreibe? so
+sprach er, und sah noch einmal das Ganze mit nassen Augen aufmerksam
+durch. Es war der letzte schmerzvolle Blick des Abschiedes von seiner
+geliebten Kunst -- eine Ahndung seiner Unsterblichkeit!
+
+Gleich nach seinem Tode meldete sich der Bothe, verlangte das Werk, so
+wie es unvollendet war, und erhielt es. Von dem Augenblicke an sah ihn
+die Wittwe nie mehr, und erfuhr nicht das mindeste, weder von der
+Seelenmesse, noch von dem Besteller. Jeder Leser kann sich vorstellen,
+da man sich alle Mhe gab den rthselhaften Bothen auszuforschen, aber
+alle Mittel und Versuche waren fruchtlos.[9]
+
+ [Funote 9: Der Verfasser erzhlt die Begebenheit, wie er sie
+ oftmals aus dem Munde der Wittwe gehrt hatte, und berlt es
+ jedem Leser Betrachtungen darber anzustellen. Er sah eines der
+ Billette, die der unbekannte Besteller an Mozart schrieb. Man
+ kann daraus nichts Besonders abnehmen. Es ist sehr kurz, Mozart
+ wird darinn ersucht das Requiem zu senden, und eine Summe zu
+ bestimmen, um welche er jhrlich eine gewisse Anzahl Quartetten
+ machen knnte. Warum hat der unbekannte Verehrer der Talente
+ Mozarts, (so nannte er sich,) fr gut gefunden verborgen zu
+ bleiben? Was ist mit dem Requiem geschehen? Man erfuhr nie, da
+ es damals irgendwo aufgefhrt worden sey. Mozarts Freunden wrde
+ es ein groes Vergngen machen, einigen Aufschlu ber die Sache
+ zu erhalten. Denn man kann keine gegrndete Ursache denken, die
+ eine solche geheimnivolle Verborgenheit nothwendig machte.]
+
+Mozart blieb whrend seiner Krankheit bey vollkommenem Bewutseyn bis
+an sein Ende, und starb zwar gelassen, aber doch sehr ungern. Jedermann
+wird die begreiflich finden, wenn er bedenkt, da Mozart kurz zuvor das
+Anstellungsdekret als Kapellmeister in der St.Stephanskirche mit allen
+Emolumenten, die von Alters her damit verbunden waren, bekam, und nun
+erst die frohe Aussicht hatte, bei hinlnglichen Einknften ruhig, ohne
+Nahrungssorgen leben zu knnen. Auch erhielt er fast zu gleicher Zeit
+aus _Ungarn_ und _Amsterdam_ ansehnliche Bestellungen und Akkorde auf
+periodische Lieferungen gewisser Kompositionen.
+
+Dieses sonderbare Zusammentreffen so glcklicher Vorbothen eines
+bessern Schicksales -- seine gegenwrtigen traurigen Vermgensumstnde --
+der Anblick einer trostlosen Gattin -- der Gedanke an zwey unmndige
+Kinder: alles dieses war nicht gemacht, einen bewunderten Knstler, der
+nie Stoiker gewesen ist, in seinem 35ten Jahre die Bitterkeit des Todes
+zu versen. Eben _jetzt_, so klagte er oft in seiner Krankheit, soll
+ich fort, da ich ruhig leben wrde! _Jetzt_ meine Kunst verlassen, da
+ich nicht mehr als Sklave der Mode, nicht mehr von Spekulanten
+gefesselt, den Regungen meiner Empfindung folgen, frey und unabhngig
+schreiben knnte, was mein Herz mir eingiebt! Ich soll fort von meiner
+Familie, von meinen armen Kindern, in dem Augenblicke, da ich im Stande
+geworden wre, fr ihr Wohl besser zu sorgen! Sein Tod erfolgte in der
+Nacht am 5ten Dezember 1791. Die Aerzte waren in der Bestimmung seiner
+Krankheit nicht einig. Man kann sagen, um Mozart floen unzhlbare
+Thrnen; nicht in Wien allein, vielleicht mehr noch in Prag, wo man ihn
+liebte und bewunderte. Jeder Kenner, jeder Freund der Tonkunst hielt
+seinen Verlust fr unersetzlich; und wahrlich, bis jetzt hat man nicht
+Ursache diese trostlose Meynung zurck zu nehmen! Es schien unglaublich,
+da ein Mann, der so unsterbliche Werke geliefert, der unsern Herzen so
+reine Entzckungen geschaffen hat, nicht mehr seyn sollte!
+
+In Wien feyerte man sein Andenken mit Wrde; aber Prag zeichnete sich
+auch hierinn durch die wrmste Theilnahme aus; die Trauer um unsern
+Liebling war allgemein und ungeheuchelt. Zuerst veranstaltete der
+wrdige Musik Direktor _Joseph Strobach,_ ein Freund des
+Verstorbenen,[10] in seiner Pfarrkirche bey St. Niklas den 14ten
+Dezember d.n.J. ein feyerliches Seelenamt fr Mozart. Nie gab es ein
+so rhrendes und erhabenes Trauerbegngni. Ein Chor von 120Personen
+aus den besten Knstlern Prags ausgewhlt, die alle mit wehmthigen
+Eifer sich dazu angebothen hatten, unter der Direktion des braven
+_Strobachs_ fhrte das meisterhafte Requiem unsers berhmten Landsmannes
+Rosetti mit einem so schwermuthsvollen Ausdrucke auf, da es nothwendig
+auf das versammelte Volk den tiefsten Eindruck machen mute. Mehr als
+3000Menschen, vom Adel und Brgerstande, (so viel nemlich diese groe
+Kirche fate,) waren da beysammen -- alle gerhrt, alle voll Wehmuth
+ber den frhen Tod des entrissenen Knstlers!
+
+ [Funote 10: Dieser als Knstler und Mensch gleich
+ verehrungswrdige Mann ist im Jahr 1798 im Dezember gestorben.]
+
+Etwas spter, den 28ten Dezember 1791 unternahm eine Gesellschaft wahrer
+Verehrer des Verstorbenen, zur Untersttzung der hinterlassenen Waisen
+und Wittwe ein ffentliches Konzert in dem Nationaltheater; man fhrte
+einige der besten, weniger bekannten Kompositionen Mozarts auf. Eine so
+edle Todtenfeier untersttzte das Prager Publikum aus allen Krften, um
+so mehr, da es die Gelegenheit fand den Tribut seiner Hochachtung dem
+_Genie_ Mozarts in der gromthigen Untersttzung der hilflosen Waisen
+zu zollen. Das Theater war voll, und die Einnahme betrchtlich. Wie
+glcklich ist ein Knstler, dessen Talent solche Freunde erwirbt!
+
+In Wien wurde die Wittwe auf eine eben so gromthige Art untersttzt. --
+Mozart hinterlie seiner Familie nichts als den Ruhm seines Namens. Alle
+Hilfsmittel ihrer Erhaltung beruhten auf der Gromuth eines dankbaren
+Publikums, dem Mozart so viele Stunden des reinsten Vergngens, der
+edelsten Unterhaltung durch sein unerschpfliches Talent geschaffen
+hatte. Und wahrlich, man kann sagen, da dieses seine Schuld redlich
+abzutragen suchte. Die Wittwe lie in einem ffentlichen Konzert zu
+ihrem Besten die merkwrdige _Seelenmesse_ auffhren. Der groe Ruf
+dieses Meisterstckes und der Wunsch, die Waisen zu untersttzen, zog
+ein zahlreiches Publikum hin, und man mu es den edlen Freunden der
+Kunst in Wien zum Ruhme nachsagen, da dieselben auch nach 17Jahren
+noch gegen den Mozartischen Namen nicht gleichgltig geworden sind. In
+allen musikalischen Akademien, die der Wittwe zu ihrem Besten
+zugestanden werden, ist das Haus voll, und die Einnahme gut.
+
+Aber die Gromuth des sel. Kaisers _Leopold_, dieses
+menschenfreundlichen, fr die Wissenschaften und Knste so frh
+entrissenen Monarchen, bertraf alles, was bisher der Wittwe zum Besten
+geschah.
+
+Mozarts Feinde und Verlumder wurden besonders gegen sein Ende, und nach
+seinem Tode so boshaft, so laut, da bis zu dem Ohre des Monarchen
+manche nachtheilige Sage von Mozart gedrungen war. Diese Ausstreuungen
+und Lgen waren so unverschmt, so emprend, da der Monarch, von
+Niemanden des Gegentheiles belehrt, sehr entrstet war. Nebst einer
+schndlichen Erdichtung und Vergrerung von Ausschweifungen, denen
+Mozart, wie sie sagten, ergeben gewesen sey, behauptete man, da er
+nicht weniger als 30,000Gulden Schulden hinterlassen habe -- eine Summe,
+ber die der Monarch erschrack!
+
+Die Wittwe war eben gesonnen den Monarchen um Pension zu bitten. Eine
+edeldenkende Freundin und vortreffliche Schlerin Mozarts unterrichtete
+sie von den Verlumdungen ihres Mannes bey Hofe, und gab ihr den Rath
+den gtigen Monarchen bey der Audienz eines Bessern zu belehren.
+
+Die Wittwe hatte bald Gelegenheit ihren Rath auszufhren.
+
+=Euer Majestt=, sagte sie mit edlem Eifer bey der Audienz, jeder
+Mensch hat Feinde; aber heftiger und anhaltender ist noch niemand von
+den seinigen verfolgt und verlumdet worden, als mein Mann, blos weil er
+ein so groes Talent war! Man hat es gewagt =Euer Majestt= viel
+Unwahres ber ihn zu sagen: man hat seine hinterlassene Schulden
+_zehnfach_ vergrert. Ich stehe mit meinem Leben dafr, da ich mit
+einer Summe von ungefhr 3000Gulden alles bezahlen knnte, was er
+schuldig ist. Und diese Schuld ist nicht muthwillig gemacht worden. Wir
+hatten keine sichern Einknfte; hufige Kindbetten, eine schwere und
+kostbare Krankheit von anderthalb Jahren, die ich auszustehen hatte,
+werden bey dem menschenfreundlichen Herzen _meines Monarchen_ zur
+Entschuldigung dienen.
+
+Wenn es so ist, sagte der Monarch, da ist wohl noch Rath zu schaffen.
+Geben sie ein Konzert von seinen hinterlassenen Werken, und ich will es
+untersttzen.
+
+Er nahm ihr die Bittschrift gndig ab; und in kurzer Zeit ward ihr eine
+Pension von 260fl. angewiesen, die zwar an sich gering ist, aber da
+Mozart erst 3Jahre angestellt, folglich die Wittwe noch nicht
+pensionsfhig war, so bleibt es immer eine Gnade. Die Akademie ward
+unternommen, und der _unsterbliche Monarch_ erfllte so gromthig sein
+Versprechen, da die Wittwe dadurch in den Stand gesetzt wurde, die
+Schulden ihres Mannes zu tilgen.
+
+Aus dieser Begebenheit kann man schlieen, wie viel an den boshaften
+Erzhlungen von der Unordnung seiner Haushaltung, seiner Verschwendung
+und dergleichen Anschwrzungen Wahres seyn mag. Da man so wenig seiner
+Gre als Knstler beyzukommen im Stande war, so suchte der grmliche
+Neid seinen moralischen Charakter zu verstellen! Eine sehr leichte und
+gewhnliche Taktik kleiner Seelen, denen jedes Verdienst, jede Gre
+unausstehlich ist: um so mehr, wenn sie ihrem kleinen Gewerbe zu schaden
+droht! Es ist nur Gerechtigkeit, die dem Verdienste gebhrt, wenn man
+sich Mhe giebt _solche fremde_ Flecken aus dem Gemhlde wrdiger
+Menschen zu verwischen.
+
+Wenn gegen Mozart diejenige Billigkeit ausgebt wird, die jeder an sich
+selbst zu erfahren wnschen mu, so wird er deshalb noch nicht als
+Muster der Oekonomie und Sparsamkeit angepriesen. Es ist wahr; er htte
+den Werth des Geldes besser schtzen sollen: aber darf ein groer Geist
+keine Schwchen, keine Fehler haben? Mchten doch die, ber ihn so
+streng urtheilen, auf ihr Herz greifen und sich fragen:------
+
+ #Quid tu?
+ nullane habes vitia?#
+
+Und sind sie in irgend einem Fache _Mozarte_? -- Die Endschuldigung der
+Schulden, die er hinterlie, vernahmen wir eben aus dem Munde seiner
+Wittwe; und gewi, sie ist nicht ungegrndet.
+
+Mozart hinterlie von mehreren Kindern nur zwey Shne, wovon der jngere
+etwa 4Monathe alt war, als der Vater starb. Er heit Wolfgang wie sein
+Vater, ist gegenwrtig 17Jahre alt, und durch die ersten Produkte
+seines musikalischen Talentes dem Publikum schon vortheilhaft bekannt.
+Sein Klavierspiel zeichnet sich durch feinen Ausdruck und Prcision aus.
+Und so wre denn zum Theil die scherzhafte Vorhersagung seines Vaters
+erfllt, da _die Kind ein Mozart werden wrde_, weil es einst weinend
+in den Ton stimmte, aus dem der Vater eben auf dem Fortepiano spielte.
+Offenbar lebt der Geist seines Vaters in ihm: aber dem Sohne fehlt eine
+so bildende Vaterhand, wie diejenige war, die das Genie des Vaters so
+trefflich leitete und entwickelte.
+
+Mge der hoffnungsvolle Sohn in dem Bestreben nach Vollkommenheit nicht
+ermden, und so wie er der Erbe des vterlichen Talentes ist, auch
+seinen rastlosen Flei in dem Studium groer Meister geerbt haben! Nur
+dadurch geht der Weg zum wahren Ruhme! Der ltere Sohn Karl ist
+gegenwrtig in Mayland und macht ebenfalls groe Fortschritte in der
+Tonkunst.
+
+In Bhmen war Mozarts Kunstvollkommenheit noch bey seinem Leben
+allgemein anerkannt und nach Werth geschtzt: aber er lebte zu kurz, um
+die wahre Blthezeit seines Ruhmes zu sehen. Selbst in Wien seinem
+Wohnorte waren es nur Kenner, die seinem Genie Gerechtigkeit widerfahren
+lieen. Der Zauberflte, wovon Mozart die ersten Vorstellungen und
+folglich auch den auerordentlichen Beyfall noch erlebte, war es
+vorbehalten seine Gre dem Auslande zu verknden. Durch die
+Meisterwerk begeistert suchte man seine brigen Werke auf, studierte sie
+und empfand ihre Schnheit, und so ward der Name _Mozart_ bald in der
+ganzen gebildeten Welt gefeyert, seine Gesnge die Lust jegliches Ohres!
+
+Die erfuhr seine Wittwe auf ihrer Reise durch Deutschland, die sie im
+J.1796 unternommen hatte. Ueberall sah sie zu ihrer innigsten Wonne,
+wie gern die Teutschen wahres Verdienst erkennen und ehren, und wie tief
+Mozarts Gesnge auf ihre Herzen gewirket haben.
+
+Bey ihrem Aufenthalte zu Berlin im Febr. 1796 gab der _hchstselige
+Wilhelm_II., dieser vortreffliche Freund der Tonkunst, und der ganze
+knigl. Hof ausgezeichnete Beweise seiner Liebe und Achtung fr das
+Genie Mozarts. Durch ein gndiges Handbillet ward ihr blos aus Rcksicht
+auf die Talente ihres Mannes das knigl. Theater und die Kapelle zum
+Gebrauche fr ihr Konzert berlassen; und ihre Unternehmung wurde nicht
+nur von dem Monarchen, sondern auch von dem ganzen Publikum auf das
+gromthigste untersttzt. Ueber alle Beschreibung gro und rhrend war
+die Wirkung, welche die Auffhrung der Singstcke aus der Oper: #La
+Clemenza di Tito# bey dem Konzerte auf den Knig, und das so
+ungewhnlich zahlreich versammelte Publikum machte. Alles war gleich
+begeistert, die groen Snger, das vortreffliche Orchester und die
+Zuhrer. Der Geist des verewigten Knstlers, (so drckt sich ein
+Berliner Wochenblatt aus, worinn die Akademie sehr interessant
+beschrieben wurde) schien ber der Versammlung zu schweben, als zum
+Anfange die Sinfonie aus der Zauberflte von dem Orchester so
+meisterhaft vorgetragen, eine feyerliche, einweihende Stille
+hervorbrachte. Das Handbillet worinn der Knig von Preuen einen so
+rhmlichen Beweis seines guten Geschmackes und der Achtung fr teutsches
+Talent gegeben, lautet wrtlich so:
+
+ Sr. Knigliche Majestt von Preuen etc. etc. machen sich ein
+ wahres Vergngen, durch die Gewhrung des Wunsches der Wittwe
+ Mozart zu beweisen, wie sehr Sie das Talent ihres verstorbenen
+ Mannes geschtzt und die ungnstigen Umstnde bedauert haben,
+ welche ihm die Frchte seiner Werke einzuerndten verhinderten.
+ Allerhchst dieselben bewilligen der Wittwe Mozart zur
+ Ausfhrung dessen letzter Komposition, #La Clemenza di Tito# das
+ groe Opernhaus, so wie Dero eigenes Orchester, haben auch
+ dieserhalb die nthigen Befehle an den Kammerherrn Freyherrn von
+ der _Reck_ erlassen, an welchen sich selbige nunmehr zu wenden
+ hat, und wegen des hiezu zu bestimmenden Tages und wegen des
+ brigen Details mit ihm sich gehrig zu besprechen. Berlin den
+ 14ten Februar 1796.
+
+ Fr. Wilhelm.
+
+Selbst der Italiener seit Jahrhunderten im unbestrittenem Besitze des
+Meisterrechtes der Tonkunst berwand seinen Nationalstolz, und erkennt
+nun Mozarts Ueberlegenheit in der Musik an. Seine Opern werden in Rom,
+Mayland und andern Stdten mit Beyfall gegeben; die Klaviersachen von
+jedermann gespielt; Meister studiren seine Partituren.
+
+Noch frher hat Frankreich seiner Kunst gehuldiget. Der Beyfall den die
+Mysterien der Isis (Zauberflte) in Paris erhielten ist ein Beweis
+davon. Don Juan machte kein so groes Glck; aber die war, wie alle
+Nachrichten einstimmig aussagten, die Folge der schlechten Darstellung
+des Stckes. Denn der hohe Werth der Musik selbst wurde vollkommen
+anerkannt. Seine Sinfonien, Klavierkonzerte, Quartetten werden allgemein
+bewundert, hufig gespielt, und im Stich und Druck ohne Aufhren neu
+aufgelegt.
+
+England, welches deutsches Tonknstlerverdienst von jeher schtzte und
+lohnte, kennt und bewundert auch Mozarts allgewaltigen Geist. Die
+Seelenmesse ward in London fter mit dem grten Beyfalle aufgefhrt;
+der Absatz seiner Werke, die bey Breitkopf und Hrtel herausgekommen,
+ist nach England eben so stark, als in Deutschland und Frankreich.
+
+Wo giebt es berhaupt Kenner und Liebhaber der sesten der Knste, wo
+nicht Mozarts Tne tnten und jedes Ohr entzckten? Selbst in den
+entferntesten Welttheilen, wohin kaum der Name der berhmtesten Europer
+dringt, wiederhallen seine Harmonien. In den philippinischen Inseln,
+(schreibt unser Landsmann, der bekannte Botaniker Hnke) werden seine
+Werke mit Entzcken gehrt.
+
+
+
+
+ III.
+
+ Mozart als Knstler und Mensch.
+
+
+Die Krperbildung dieses auerordentlichen Menschen hatte nichts
+Auszeichnendes; er war klein, sein Angesicht angenehm, aber, wenn man
+das groe, feurige Auge ausnimmt, kndigte es die Gre seines Genies
+auf den ersten Anblick nicht an.
+
+Der Blick schien unstet und zerstreut, auer wenn er bey dem Klavier
+sa; da nderte sich sein ganzes Antlitz! Ernst und versammelt ruhte
+dann sein Auge; auf jeder Muskelbewegung drckte sich die Empfindung
+aus, welche er durch sein Spiel vortrug und in dem Zuhrer so mchtig
+wieder zu erwecken vermochte.
+
+Er hatte kleine schne Hnde; bey dem Klavierspielen wute er sie so
+sanft und natrlich an der Klaviatur zu bewegen, da sich das Auge
+daran nicht minder, als das Ohr an den Tnen ergtzen mute. Auch darinn
+zeichnete sich also Mozart vor den tummelnden Kraftgenies unserer Tage
+aus!
+
+Der kleine Wuchs seines Krpers kam von seiner frhen Geistesanstrengung
+her, und von dem Mangel an freyer Bewegung in der Zeit seiner Kindheit.
+Er war zwar von schnen Eltern erzeugt, und selbst ein schnes Kind
+gewesen; aber von dem 6ten Lebensjahre an war er an eine sitzende
+Lebensweise gebunden; um diese Zeit fing er schon an zu schreiben! Und
+wie viel hat der Mann nicht in seinem Leben geschrieben? Da Mozart
+bekanntermaen in der Nacht am liebsten spielte und komponirte und die
+Arbeit oft dringend war: so kann sich jeder vorstellen, wie sehr ein so
+fein organisirter Krper darunter leiden mute! Sein frher Tod, (_wenn
+er ja nicht auch knstlich befrdert war_), mu diesen Ursachen
+hauptschlich zugeschrieben werden.
+
+_Aber in dem unansehnlichen Krper wohnte ein Genius der Kunst_, wie ihn
+nur wenigen Lieblingen die Natur verlieh!
+
+Die Gre und der Umfang seines Genies lt sich nur nach dem so frhen,
+so beyspiellos schnellen Gange seiner Entwickelung, und nach der hohen
+Stufe der Vollkommenheit abmessen, auf die er in seiner Kunst gestiegen
+war. Kein Tonknstler vor ihm hatte das weite Gebiet seiner Kunst so
+ganz umfat, und in jedem Zweige derselben so vollendete Produkte
+geschaffen, als Mozart. Von der Schpfung einer Oper an, bis zu dem
+einfachen Liede, von der kritischen Erhabenheit einer Sinfonie, bis zu
+dem leichten Tanzstckchen herab; im Ernsten und Komischen tragen seine
+Werke berall den Stempel der reichsten Phantasie, der eindringendsten
+Empfindung, des feinsten Geschmackes. Sie haben eine Neuheit und
+Originalitt, die eine getreue Beurkundung seines Genies ist. Selbst
+dasjenige, welches man ihm als _Fehler_ vorwirft, zeuget von der Kraft
+seines _freyen_, eine _neue Bahn_ gehenden Geistes. Dazu denke man noch
+die _Vollkommenheit_, die er zugleich im Klavierspielen erreicht hatte!
+
+Alle diese so seltenen, so mannigfaltigen und so innig verwebten Vorzge
+bestimmen den Rang, der _ihm unter den Genien_ der Knste gebhrt. _Er
+war unstreitig einer der groen, schpferischen Geister, die in ihrer
+Kunst Epoche machen, weil sie dieselbe vervollkommnen, oder doch ihren
+Nachfolgern neue Ansichten und Pfade erffnen; nach deren Erscheinung
+aber die Kunst gewhnlich still stehet, oder rckwrts geht._
+
+Unter den schnen Knsten ist keine so sehr Sklavin der Mode und des
+Zeitgeschmackes, als die Musik. Da sie bey uns blos dem Vergngen dient,
+blos Sache des _Einzelnen_ bleibt, keinen Vereinigungspunkt, keine
+Anstalt hat, wodurch der Geschmack des Publikums die gehrige Richtung
+bekme; da ferner ihre Theorie noch zu wenig bestimmt und entwickelt
+ist, um selbst den Knstlern eine Grnze zu zeigen oder ein Ideal
+vorzustellen: so mu sie immer zwischen der Laune der Mode, dem
+Eigensinne eines verderbten Geschmackes und zwischen den aufgestellten
+Mustern groer Knstler unstet hin und her schwanken, und erhlt nie
+einen sichern Gang zur Vollkommenheit. Ueberdie sind ihre Zeichen und
+Formen zu unbestimmt, und das _Ohr_, durch welches sie auf den Geist
+wirket, ist ein viel zu untreuer Bothe, seine Sensationen sind zu
+dunkel, als da man so deutlich bestimmen knnte, welches darinn das
+wahre Schne sey. _Was dem groen Haufen gefllt_ -- heit _schn_! Das
+Neue hat einen starken Reiz; daher ist es seines Sieges ber das bessere
+Alte gewi; und darum gilt alte Musik und alte Mode einerley. Denn die
+wenigsten Menschen haben Geschmack und Kenntni genug, um chte
+Schnheit, vom Flitter zu unterscheiden. Wenn grere Geister durch ihre
+Meisterwerke mehr als eine augenblickliche Rhrung hervorbringen, so
+summen doch der Leyermnner der zwey _Schwestern von Prag_, des _Tyroler
+Wastels_, und dergl. schnen Schelchen, so lange dem Publikum um die
+Ohren, bis der Nachhall schnerer Tne verschwindet! Dann kennt man die
+Namen groer Meister nur noch aus Bchern; ihre himmlischen Harmonien
+sind lngst verhallt! Das ist gewhnlich das traurige Schicksal der
+Musik! Wie viel Kraft, wie viel klassischen Gehalt mu also in den
+Werken Mozarts liegen, wenn ihre Wirkung von dieser Erscheinung eine
+Ausnahme machet? Ihre Schnheit empfindet man gewhnlich dann erst recht
+lebhaft, wenn man sie fters gehrt, oder recht scharf geprfet hat.
+Oder haben uns wohl _Figaro_, _Don Juan_, _Titus_, whrend ihrer
+vieljhrigen Vorstellung noch jemals Langeweile gemacht? Hrt man seine
+_Klavierkonzerte_, _Sonaten_, _Lieder_ das dreyigstemal nicht lieber
+noch, als das erstemal? Wer hat die tiefgedachten Schnheiten seiner
+Violin-Quartetten und Quintetten nach der hufigsten Wiederholung
+erschpft? Dieses ist der wahre Probirstein des klassischen Werthes! Die
+Meisterstcke der Rmer und Griechen gefallen bey fortgesetzter Lektre
+und je reifer der Geschmack wird, immer mehr und mehr -- das nemliche
+widerfhrt dem Kenner und Nichtkenner bey der Anhrung Mozartischer
+Musik, besonders der dramatischen Werke. So ging es uns bey der ersten
+Vorstellung des _Don Juan_ und insbesondere des Titus.
+
+Ja eben itzt, nachdem die meisten Schpfungen seiner Kunst 20 bis 30
+Jahre alt sind, gefallen sie am meisten! Wie gern hrt man nach dem
+Wirrwarr neuester Kompositeurs die stillerhabenen, klaren, so einfachen
+Gesnge unsers Lieblinges! Wie wohl thun sie unserm Gefhle -- es ist als
+wenn man aus einem chaotischen Gewirre, aus dichter Finsterni ins Licht
+und eine heitere Ordnung versetzt wrde.
+
+Nebst den oben angefhrten Eigenheiten und Vorzgen des mozartischen
+Kunsttalentes, beobachtete an ihm der aufmerksame Schtzer seiner Werke
+einen gewissen _feinen Sinn_, den Charakter jeder Person, Lage und
+Empfindung aufs genaueste zu treffen;
+
+ #reddere convenientia cuique#.
+
+Diese Eigenschaft war sein wahrer Beruf zum dramatischen Komponisten,
+und ist zugleich der Erklrungsgrund des Zaubers und der groen Wirkung
+seiner Werke. Daher hat jede seiner Kompositionen einen bestimmten,
+eigenthmlichen Charakter, eine Individualitt, die selbst in der Wahl
+der Tonart sich ankndigt. Kenner seiner Werke bedrfen keiner
+besondern Beyspiele, da alle Opern von seiner Komposition diese
+Eigenschaft im hohen Grade an sich haben; aber das schnste Muster davon
+ist #La Clemenza di Tito#. -- Wie ganz anders bey den gewhnlichen
+Kompositionen? Es sind grtentheils Gesnge von so unbestimmtem
+Charakter, da sie eben so gut zu einer Messe, als #Opera buffa# taugen.
+
+Eine andere auszeichnende Eigenheit seiner Werke ist die _Verbindung der
+hchsten Kompositionskunst mit Lieblichkeit und Anmuth_. Diese
+Vereinigung ist eine Aufgabe blos fr Knstler von mozartischem Genie.
+Den Beweis davon giebt die Erfahrung. Wie selten trift man auf
+Kompositionen, die den beyden Forderungen Genge leisteten? Entweder
+sind es blos kontrapunktische Kunststcke, die wohl allen Regeln des
+Satzes zusagen mgen; aber Wrme, Anmuth und Lieblichkeit, diese wahren
+Zaubermittel der Rhrung, wute ihnen ihr Meister nicht anzuziffern:
+oder es sind geistlose, fade Liedeleyen, ohne Sinn und Zusammenhang,
+kaum im Stande dem Ohre mit ihrem bersen Geklingel einen
+vorbergehenden Kitzel zu verursachen.
+
+Wie ganz anders ist es beym Mozart? Wie schmilzt in seinen Werken das,
+was man Kunst des Satzes nennt, mit Anmuth, Lieblichkeit und Wohllaut
+so schn zusammen, da das eine wegen des andern da zu seyn scheint --
+und beydes zur Hervorbringung des hchsten Effektes gleich wirksam ist!
+Und doch, wie mig und besonnen war er in dem Gebrauche der Sigkeiten
+und Gewrze? Er kannte die hohe Forderung der Kunst und der Natur. Er
+schrieb was sein Genius ihm eingab, was sein richtiger Geschmack wahr
+fand, unbekmmert ob es nach dem Geschmacke des Parterres seyn wrde
+oder nicht; und _so bildete er sich selber das Publikum_, berzeugt, da
+wahre Schnheit, wie die Wahrheit, endlich doch erkannt wird und
+gefllt. Die thaten immer groe Knstler, welche die Kraft hatten einen
+eigenen Weg zu gehen, und der Mode nicht zu frhnen.
+
+Der Punkt dieser schnen Vereinigung der Grndlichkeit des Satzes mit
+Anmuth und Lieblichkeit ist gewi die treffliche und vor seiner Zeit
+_unbekannte Art die Blasinstrumente zu brauchen und wirken zu lassen_.
+Hierinn glnzt sein erfinderisches _Genie_ ohne Beyspiel und
+Nebenbuhler.
+
+Er ma mit dem feinsten Sinne die Natur und den Umfang der Instrumente
+ab, zeichnete ihnen neue Bahnen vor, und gab jedem derselben die
+vortheilhafteste Rolle, um die kraftvolle Masse von Harmonie
+hervorzubringen, welche die Bewunderung aller Kenner erzwingt und das
+Muster und Studium der guten Kpfe bleiben wird. Wie ganz anders sehen
+hierinn die Kompositionen selbst groer Meister nach Mozarts Periode,
+als vor derselben aus? Wie unendlich viel haben sie gewonnen durch die
+Anwendung seiner Art, die Blasinstrumente zu setzen? Selbst des groen
+Haidns Werke bestttigen diese Behauptung. Man vergleiche die ltern
+Sinfonien von ihm, mit den neuern? Die Schpfung schrieb Haidn erst nach
+Mozarts Epoche.
+
+Wie leise schmiegen sich die Tne der Blasinstrumente dem Hauptgesange
+an? wie khn wetteifern sie bald wieder mit der Singstimme? Welche feine
+Wendungen? Welche Mannichfaltigkeit und Abwechslung berall? Bald
+wieder, wo es der Gegenstand oder Affekt erfordert, wie abstehend der
+Kontrast? Wie gewaltig das Aufbrausen der Leidenschaft? Selbst in
+Stcken ohne Singstimmen lehrte Mozart seine Instrumente einen Gesang,
+der so vernehmlich zu dem Gefhle spricht, da der Zuhrer nur wenig die
+Abwesenheit der Singstimme wahrnehmen kann. Man hre seine Andantes oder
+Romanzen, in den Klavierkonzerten und Quartetten!
+
+Bey dem hufigen Gebrauche der Blasinstrumente, wie vollkommen wute
+doch Mozart alle Ueberladung zu vermeiden? wie richtig den Ort und den
+Zeitpunkt zu treffen, wo sie Effekt machen? Nie ist ein Instrument
+verschwendet oder mibraucht, und daher berflssig. Aber nur _er_
+verstand die Oekonomie mit dem geringsten Aufwande, oft durch einen
+einzigen Zug eines Instruments, durch einen _Akkord_, einen
+Trompetensto, einen Paukenwirbel die grte Wirkung hervorzuzaubern!
+Wie tief sind viele seiner Nachahmer hierinnen unter ihm?
+
+So gro, so neu immer Mozart in der Instrumentalpartie seyn mag, so
+entfaltet sich doch sein mchtiges Genie noch _reizender in dem Satze
+des Gesanges fr menschliche Stimmen_. Hierinn erwarb er sich ein
+zweifaches, gleich groes Verdienst. Mit richtigem Geschmacke fhrte er
+ihn zu seiner anspruchslosen Mutter, der Natur und Empfindung zurck. Er
+wagte es den italienischen Sngern zu trotzen,[11] alle unntzen
+charakterlosen Gurgeleyen, Schnrkel und Passagen zu verbannen! Daher
+ist sein Gesang berall _einfach, natrlich, kraftvoll, ein reiner
+Ausdruck der Empfindung und der Individualitt_ der Person und ihrer
+Lage. Der Sinn des Textes ist immer so richtig und genau getroffen, da
+man ausrufen mu: Wahrlich die Musik spricht! Aber Mozart scheint sich
+selbst zu bertreffen, wenn er den Gesang fr mehrere Stimmen dichtet,
+_in Terzetten, Quartetten, Quintetten_ d.h. in vielstimmigen Stcken;
+vorzglich in seinen unbertrefflichen, wahrlich _einzigen Operfinalen_.
+Welcher Reichthum? welche Mannigfaltigkeit in Wendungen und
+Vernderungen? Wie schlingt sich da eine Stimme um die andere? wie schn
+vereinigen sie sich alle ein reizendes Ganze zu bilden, eine neue
+Harmonie hervorzubringen? Und doch sagt jede nur ihre eigene oft
+entgegengesetzte Empfindung! _Hier ist die grte Mannigfaltigkeit und
+die strengste Einheit vereinigt._ Man findet wohl _schne_ Arien auch
+bey andern Meistern: aber niemand wird in _vielstimmigen Sachen_
+Mozarten die Palme entreien.
+
+ [Funote 11: Auch die ist eine Ursache der Abneigung der
+ welschen Snger gegen seine Werke; eine noch strkere ist die
+ Mhe, die es ihrer Unwissenheit kostete seine Gesnge
+ einzustudiren. Mozart hat zwar bisweilen von diesem Grundsatze
+ eine Ausnahme gemacht. Aber war er denn in bestellten Sachen
+ immer frey? Mute er nicht gegen Snger gefllig seyn, wenn er
+ wnschte, da sie ihm die Sachen nicht verderben? Darum mte
+ man immer die Snger kennen, fr die er schrieb, wenn man ein
+ richtiges Urtheil ber seine dramatischen Werke fllen wollte.]
+
+Doch wer mag sie alle entwickeln, die unzhligen Vorzge, die
+unerschpflichen Schnheiten seiner Kunst? Wer mag mit Worten das _Neue,
+Originelle, Hinreiende, Erhabene, Volltnende seiner_ Musik
+beschreiben? Seine Musik verfehlt nie ihre Wirkung, wenn sie nur
+pnktlich und mit Feuer vorgetragen wird. Freylich ist es nicht leicht
+seinem Geiste nachzufliegen; und da bey ihm jede Note mathematisch genau
+zu der Harmonie berechnet ist: so giebt es auch kein so arges Migetn,
+als wenn rohe Hnde unwissender Bierfiedler sich an seine Heiligthmer
+wagen.
+
+Die berhmtesten Tonknstler erkannten die Gre seines Genies, und
+bewunderten seine Werke. _Joseph Haydn_, dieser Liebling der Grazien,
+der in seinem Alter noch das Gefhl eines Jnglinges zeigte, ist gewi
+vor allen _ein befugter und berufener Richter_.
+
+Sein Urtheil ist unpartheyisch, weil er als ein redlicher Mann bekannt
+ist, und Mozarts aufblhender Ruhm dem seinigen im Wege stand. Schon im
+Jahre 1785 da Mozarts Vater noch lebte, sagte J. Hayden bey einer
+Zusammenkunft in Wien zu ihm: _Ich sage Ihnen vor Gott und als ein
+ehrlicher Mann, da ich ihren Sohn fr den grten Komponisten
+anerkenne, von dem ich nur immer gehrt habe; er hat Geschmack und
+besitzt die grndlichste Kenntni in der Kunst der Komposition._
+
+Im Jahre 1787 im Dezember schrieb eben dieser groe Mann an einen
+_Freund in Prag_, der mit ihm seit langer Zeit in Briefwechsel stand,
+und ein Singspiel von seiner Komposition fr Prag verlangte, folgenden
+merkwrdigen Brief:
+
+ Sie verlangen eine #Opera buffa# von mir; recht herzlich gern,
+ wenn Sie Lust haben von meiner Singkomposition etwas fr sich
+ allein zu besitzen. Aber um sie auf dem Theater zu Prag
+ aufzufhren, kann ich Ihnen diefalls nicht dienen, weil alle
+ meine Opern zu viel auf unser Personale (_zu Esterhaz in
+ Ungarn_) gebunden sind, und auerdem nie die Wirkung
+ hervorbringen wrden, die ich nach der Lokalitt berechnet habe.
+ Ganz was anders wr es, wenn ich das unschtzbare Glck htte
+ ein ganz neues Buch fr das dasige Theater zu komponiren. Aber
+ auch da htte ich noch viel zu wagen, in dem der _groe_ Mozart
+ schwerlich jemanden andern zur Seite haben kann.
+
+ Denn, knnt ich jedem Musikfreunde besonders aber den Groen
+ die unnachahmlichen Arbeiten Mozarts _so tief und mit einem
+ solchen musikalischen Verstande, mit einer so groen Empfindung
+ in die Seele prgen, als ich sie begreife und empfinde_: so
+ wrden die Nationen wetteifern ein solches Kleinod in ihren
+ Ringmauern zu besitzen. Prag soll den theuern Mann fest halten --
+ aber auch belohnen; denn ohne dieses ist die Geschichte groer
+ _Genies traurig_, und giebt der Nachwelt wenig Aufmunterung zum
+ fernern Bestreben; wewegen leider! so viel hoffnungsvolle
+ Geister darnieder liegen. Mich zrnet es, da dieser _einzige
+ Mozart_ noch nicht bey einem kaiserlichen oder kniglichen Hofe
+ engagirt ist. Verzeihen Sie, wenn ich aus dem Geleise komme: ich
+ habe den Mann zu lieb.
+
+ Ich bin etc.
+ Joseph Hayden.
+
+ N.S. An das Prager Orchester und die dasige Virtuosen mein
+ ergebenstes Kompliment.[12]
+
+ [Funote 12: Ich habe dieses schtzbare Denkmal einer edlen
+ Seele der gtigen Mittheilung des _Herrn Roth_
+ Proviantoberverwalter zu Prag (an den der Brief geschrieben war)
+ zu danken. Da er fr den Geist und das Herz seines Verfassers
+ nicht minder ruhmvoll ist, als fr Mozart: so lie ich ihn hier
+ _wrtlich nach dem Originale abdrucken_.]
+
+Wenn ein _Haydn_ so urtheilt, so begeistert spricht -- ein Haydn, der
+allein unter allen Tonknstlern ber seinen Verlust zu trsten im Stande
+wre, was will dann das Gekreische einiger kleinen Geister sagen, die an
+Mozarts Ruhme zu Rittern werden wollten?
+
+Der churschsische Kapellmeister H. Naumann bezeugte bey seinem
+Aufenthalte zu Prag auf eine schne Art seine Hochachtung und
+Bewunderung fr Mozarts Talente und Werke in einer rhrenden Anrede an
+seinen Sohn, als ihm derselbe von seiner Freundin Duschek vorgestellt
+wurde. Wer die redliche anspruchslose Denkungsart dieses berhmten
+Meisters kannte, wird an der Wahrheit seiner Gesinnungen gewi nicht
+zweifeln.[13]
+
+ [Funote 13: Der Verfasser hatte das Vergngen Augenzeuge der
+ schnen Scene zu seyn.]
+
+Wie sehr ihn _Gluck_ geschtzt habe, ist schon erwhnt worden.
+
+Cherubini, dessen Geist dem Mozartischen am nchsten verwandt scheint,
+ist sein grter Bewunderer, und hat seine Werke zum Gegenstande seines
+bestndigen Studium gemacht. Alle Neuern, wenn sie es auch nicht
+gestehen wollen, haben von Mozart gelernt, oder ahmen ihn nach!
+
+Ein noch lebender, nicht unberhmter Tonsetzer in Wien sagte zu einem
+andern bey Mozarts Tode, mit vieler Wahrheit und Aufrichtigkeit: Es ist
+zwar Schade um ein so groes Genie; aber wohl uns, da er todt ist.
+Denn, wrde er lnger gelebt haben, wahrlich! die Welt htte uns kein
+Stck Brod mehr fr unsere Kompositionen gegeben.
+
+Die zahlreiche Klasse grndlicher Tonknstler in Prag verdient mit Recht
+unter den Richtern ber Mozarts hohen Werth einen ansehnlichen Platz.
+Die meisten von ihnen sprechen mit einer Achtung von Mozarts Werken, die
+ein rhmlicher Beweis ihrer Kenntnisse, und der Unbefangenheit ihres
+Herzens ist. -- Einige, (lange noch nicht alle) sind in einer
+vorhergehenden Anmerkung genannt worden. Der brave Duschek mit seiner
+Gattin, die als Knstlerin und gebildete Frau im gleichen Mae auf
+Achtung und Beyfall Anspruch machen kann, waren Freunde und Bewunderer
+Mozarts. Wie viele treffliche Knstler, auf die _Bhmen_ stolz ist -- wie
+viele grndliche und geschmackvolle Dilletanten vom Adel und dem
+Brgerstande, die in jedem andern Lande fr Virtuosen gelten wrden,
+mte ich nennen, wenn ich alle Freunde und Verehrer seiner Werke und
+Talente in Bhmen herzhlen wollte?
+
+Doch um Mozart als Tonknstler ganz kennen zu lernen, ist es nthig ihn
+bey seinem Schreibpulte, wenn er die unsterblichen Werke dichtete, zu
+beobachten!
+
+Mozart schrieb alles mit einer Leichtigkeit und Geschwindigkeit, die
+wohl beym ersten Anblick Flchtigkeit oder Eile scheinen konnte; auch
+kam er nie whrend des Schreibens zum Klavier. Seine Imagination stellte
+ihm das ganze Werk, wenn es empfangen war, deutlich und lebhaft dar. Die
+groe Kenntni des Satzes erleichterte ihm den Ueberblick der gesammten
+Harmonie. Selten trift man in seinen Konzeptpartituren ausgebesserte
+oder berstrichene Stellen an. Daraus folgt nicht, da er seine Arbeiten
+nur hingeworfen habe. In seinem Kopfe lag das Werk immer schon
+vollendet, ehe er sich zum Schreibpulte setzte. Wenn er den Text zu
+einer Singkomposition bekam, so ging er lange Zeit damit herum, dachte
+sich ganz hinein, und erregte die Thtigkeit seiner Phantasie. Bey dem
+Klavier arbeitete er dann die Gedanken vollstndig aus; und nun erst
+setzte er sich zum Schreiben hin. Daher war ihm das Schreiben eine
+leichte Arbeit, wobey er oft scherzte und tndelte. Es ist schon oben
+gesagt worden, da er auch in seinen Mannsjahren halbe Nchte bey dem
+Klavier zubrachte, die waren eigentlich die _Schpferstunden_ seiner
+himmlischen Gesnge! Bey der schweigenden Ruhe der Nacht, wo kein
+Gegenstand die Sinne fesselt, entglhete seine Einbildungskraft zu der
+regesten Thtigkeit, und entfaltete den ganzen Reichthum der Tne,
+welchen die Natur in seinen Geist gelegt hatte. Hier war _Mozart ganz_
+Empfindung und Wohllaut -- hier floen von seinen Fingern die
+wunderbarsten Harmonien! _Wer Mozart in solchen Stunden hrte, der nur
+kannte die Tiefe, den ganzen Umfang seines musikalischen Genies: frey
+und unabhngig von jeder Rcksicht durfte da sein Geist mit khnen Fluge
+sich in die hchsten Regionen der Kunst schwingen._ In solchen Stunden
+der dichterischen Laune schuf sich Mozart unerschpflichen Vorrath;
+daraus ordnete und bildete er dann mit leichter Hand seine unsterblichen
+Werke.
+
+Uebrigens wird jeder einsehen, da eine reiche Ader der Gedanken dazu
+erfodert war. Ohne diese wrde alle seine Kunst unfruchtbar geblieben
+seyn. Es giebt zwar Komponisten, die durch hartnckigen Flei einige
+Gedanken erzwingen: aber wie bald versiegt ihre Quelle? Dann hrt man
+sie nur wiederholen: ihre sptern Werke sind gewhnlich nur die
+Musterkarte der frhern.
+
+Diese Leichtigkeit, mit der Mozart schrieb, hat er, wie wir gesehen
+haben, schon als Knabe gezeigt; ein Beweis, da sie ein Werk des Genies
+war. Aber wie oft berraschte er damit in seinen letzten Jahren selbst
+diejenigen, die mit seinen Talenten vertraut waren? Die genievolle
+Eingangssinfonie zum _Don Juan_ ist ein merkwrdiges Beyspiel davon.
+Mozart schrieb diese Oper im Oktober 1787 zu Prag; sie war nun schon
+vollendet, einstudirt, und sollte bermorgen aufgefhrt werden, nur die
+Ouverture fehlte noch.
+
+Die ngstliche Besorgni seiner Freunde, die mit jeder Stunde zunahm,
+schien ihn zu unterhalten; je mehr sie verlegen waren, desto
+leichtsinniger stellte sich Mozart. Endlich am Abende vor dem Tage der
+ersten Vorstellung, nachdem er sich satt gescherzt hatte, gieng er gegen
+Mitternacht auf sein Zimmer, fing an zu schreiben, und vollendete _in
+einigen Stunden das bewundernswrdige Meisterstck_, welches die Kenner
+nur der himmlischen Sinfonie der Zauberflte nachsetzen. Die Kopisten
+wurden nur mit Mhe bis zur Vorstellung fertig, und das Opernorchester,
+dessen Geschicklichkeit Mozart schon kannte, fhrte sie #prima vista#
+vortrefflich auf.[14]
+
+ [Funote 14: Die Begebenheit ist in Prag allgemein bekannt.]
+
+Die Musik zur Zauberflte war schon im Julius 1791 fertig. In der Mitte
+des _Augustus_ gieng Mozart nach Prag, schrieb da innerhalb 18Tagen #La
+Clemenza di Tito#, welche am 5ten September aufs Theater kam. In der
+Mitte dieses Monaths reisete er nach Wien zurck, und schrieb ein paar
+Tage vor der Vorstellung der Zauberflte, die am 30. September geschah,
+die beste aller Ouverturen und den _Priestermarsch_ zum Anfang des 2ten
+Aktes.
+
+Solche Beyspiele knnten hufig angefhrt werden. Sein auerordentliches
+Gedchtni zeigte sich auch schon in der Jugend; das aufgefate
+_Miserere_ in Rom giebt einen vollen Beweis davon. Er behielt es
+ungeschwcht bis an sein Ende.
+
+Da man seine Kompositionen unglaublich suchte: so war er nie sicher, da
+ihm nicht ein neues Werk selbst whrend des Kopirens abgestohlen werde.
+Er schrieb daher bey seinen Klavier-Konzerten gewhnlich nur eine Zeile
+fr eine Hand auf, und spielte das brige aus dem Gedchtnisse. So hat
+er einst ein Klavierkonzert, welches er schon seit geraumer Zeit nicht
+in Hnden gehabt hatte, in einer musik. Akademie aus dem Gedchtnisse
+gespielt, indem er die Prinzipalstimme in der Eile zu Hause verga.
+
+Aber wie ist Mozart ein so _groer_, ja ich mchte sagen, _einziger_
+Mann in seiner Kunst geworden? Hat er alles der Natur, oder seinem
+Studium, seiner Ausbildung zu danken? Einige teutschen Schriftsteller
+sprechen von einer _instinktartigen Beschaffenheit seines Geistes_,
+welche ihn unwillkhrlich zur Hervorbringung seiner Meisterwerke
+getrieben habe. Aber diese Herrn kennen sicher Mozarten gar nicht, und
+scheinen die Leichtigkeit, mit welcher er, wenn die Idee des Werkes
+einmal gebildet war, schrieb, fr die instinktartige Wirkung seines
+Talentes zu halten. Freylich haben die Aeuerungen des Genies, in
+wiefern es angeboren ist, etwas instinktartiges: aber nur Bildung und
+Uebung -- Studium giebt ihm Reife und Vollendung. Mozart hatte von der
+Natur ein Genie empfangen wie Shakespeare, aber er bertraf diesen an
+Geschmack und Korrektheit. Er produzirte mit Verstand und Wahl. Diese so
+seltene Vereinigung eines feinen Geschmackes und der richtigsten
+Beurtheilung mit den grten Naturanlagen, die Mozarten unter den
+Meistern seiner Kunst den ersten Rang giebt, war grtentheils sein
+Werk -- das Werk seines Eifers, seines Fleies; das Werk des tiefen und
+grndlichen Studiums der Kunst.
+
+Aus der Geschichte seiner Jugend haben wir gesehen, wie sorgfltig er
+jede Gelegenheit bentzte, um zu lernen; wie weise und streng ihn sein
+Vater dazu leitete; wie tief er in die Geheimnisse der Kunst so frh
+schon eingedrungen war. Aber wir wollen ihn selbst darber hren.
+
+Einst -- (es war nach den ersten Proben seines Don Juan) -- gieng Mozart
+mit dem damaligen Orchesterdirektor und Kapellmeister Herr Kucharz[15]
+spazieren. Unter andern vertraulichen Gesprchen kam die Rede auf Don
+Juan. Mozart sagte: Was halten sie von der Musik zum Don Juan? Wird sie
+so gefallen, wie Figaro? Sie ist von einer andern Gattung!
+
+ [Funote 15: Anmerkung. Ein trefflicher Schler Seegerts, und
+ biederer Mann. Diese Anekdote habe ich aus seinem Munde.]
+
+_Kuch_. Wie knnen Sie daran zweifeln? Die Musik ist schn, originell,
+tief gedacht. Was von Mozart kommt wird den Bhmen gewi gefallen.
+
+_Moz_. Ihre Versicherung beruhigt mich, sie kommt von einem Kenner. Aber
+ich habe mir Mhe und Arbeit nicht verdren lassen, fr Prag etwas
+vorzgliches zu leisten. Ueberhaupt irrt man, wenn man denkt, da mir
+meine Kunst so leicht geworden ist. Ich versichere Sie, lieber Freund!
+niemand hat so viel Mhe auf das Studium der Komposition verwendet als
+ich. _Es giebt nicht leicht einen berhmten Meister in der Musik, den
+ich nicht fleiig, oft mehrmal durchstudirt htte._
+
+Und in der That, man sah die Werke groer Tonknstler, auch da noch, als
+er bereits klassische Vollkommenheit erreicht hatte, auf seinem Pulte.
+
+Sein gewandter Geist wute sich den Charakter eines jeden so anzueignen,
+da er sie oft zum Scherze im Satze und Stile bis zum Tuschen
+nachahmte.
+
+Sein Gehr war so fein, fate die Verschiedenheit der Tne so gewi und
+richtig auf, da er den geringsten Fehler oder Miton selbst bey dem
+strksten Orchester bemerkte, und dasjenige Subjekt oder Instrument,
+welches ihn begieng genau anzugeben wute. Nichts brachte ihn so sehr
+auf, als Unruhe, Getse oder Geschwtz bey der Musik. Da gerieth der so
+sanfte, muntere Mann in den grten Unwillen, und uerte ihn sehr
+lebhaft. Es ist bekannt, da er einst mitten im Spiele unwillig von dem
+Klavier aufstand, und die unaufmerksamen Zuhrer verlie. Dieses hat
+man ihm vielfltig bel genommen; aber gewi mit Unrecht. Alles, was er
+vortrug, empfand er selbst auf das strkste -- sein ganzes Wesen war dann
+Gefhl und Aufmerksamkeit: wie konnte ihn also kalte Fhllosigkeit,
+Unaufmerksamkeit: oder gar ein strendes Geschwtze in der Laune und
+Fassung erhalten? Als begeisterter Knstler verga er da auf alle andere
+Rcksichten.
+
+Wie reizbar lebhaft sein Kunstsinn gewesen sey, kann man aus dem
+schlieen, da er bey der Auffhrung einer guten Musik bis zu Thrnen
+gerhrt wurde: vorzglich wenn er etwas von den beyden groen _Haydn_
+hrte. Aber nicht allein Musik, jeder andere rhrende Gegenstand ergriff
+sein ganzes Gefhl und erschtterte ihn. Seine Einbildungskraft war
+immer thtig, immer mit Musik beschftigt; daher schien er oft zerstreut
+und gedankenlos.
+
+_So gro war Mozart als Knstler!_ Den Forscher der menschlichen
+Natur wird es nicht befremden, wenn er sieht, da dieser als Knstler
+so seltene Mensch, nicht auch in den brigen Verhltnissen des
+Lebens ein _groer Mann_ war. Die Tonkunst machte die Haupt- und
+Lieblingsbeschftigung seines ganzen Lebens aus -- um diese bewegte sich
+sein ganzes Gedanken- und Empfindungsspiel; alle Bildung seiner Krfte,
+die das Genie des Knstlers ausmachen, ging von da aus und bezog sich
+darauf. Ist es ein Wunder, wenn er den brigen Dingen um sich weniger
+Aufmerksamkeit widmete? Er war Knstler, war es ganz und in einer
+bewundernswrdigen Gre: das ist genug! Wer mag inde die Grnzlinien
+seiner Geistkrfte so genau ziehen, um behaupten zu knnen, Mozart habe
+auer seiner Kunst zu nichts sonst Anlage oder Fhigkeit gehabt? Man
+setzt freylich das Wesen des Knstler-Genies in eine berwiegende Strke
+der untern oder sthetischen Krfte der Seele, aber man wei auch, da
+die Knste besonders die Musik hufig einen scharfen Ueberblick,
+Beurtheilung und Einsicht in die Lage der Dinge erfodern; welches bey
+Mozart um so gewisser vorauszusetzen ist, da er kein gemeiner
+mechanischer Virtuos eines Instrumentes war, sondern das ganze weite
+Gebieth der Tonkunst mit seltner Kraft und Geschicklichkeit umfate.
+
+Wie schn und beneidenswerth ist brigens der Wirkungskreis eines
+Tonknstlers? Mit seinen sen Harmonien entzckt er tausend gefhlvolle
+Seelen; er schafft ihnen die reinste Wonne; er erhebt, besnftiget,
+trstet! Auch dann wenn er nicht mehr ist, lebt er dennoch in seinen
+widerholenden Gesngen -- Tausende segnen und bewundern ihn.
+
+_Mozart_ hatte schon in seiner Jugend zu allen Kenntnissen, die man ihm
+beyzubringen fr nthig fand, eine groe Anlage gezeigt, in allen
+schnelle Fortschritte gemacht; von der Arithmetik ist Erwhnung
+geschehen. Auch in seinen sptern Jahren liebte er diese Kenntni sehr
+und war wirklich ein ungemein geschickter Rechenmeister. Eben so gro
+war sein Talent zur Sprachwissenschaft; er verstand _Franzsisch_,
+_Englisch_, _Italienisch_ und _Teutsch_. Die lateinische Sprache lernte
+er in sptern Jahren, und zwar nur so weit, als es zur Verstndni des
+Kirchentextes, den er allenfalls in Musik zu setzen htte, erfordert
+war. In allen brigen Sprachen hat er die guten Schriftsteller gelesen
+und verstanden. Er machte oft selbst Verse; meistens aber nur bey
+scherzhaften Gelegenheiten.[16] In den brigen Fchern hatte Mozart
+wenigstens so viel historische Kenntni, als fr einen Mann von Bildung
+nthig war.
+
+ [Funote 16: Die war unter andern der Fall bey dem Tode eines
+ geliebten Staares, den er in seinem gemietheten Garten ein
+ ordentliches Grabmahl errichtet, und mit einer Inschrift
+ versehen hatte. Thiere und insbesondere Vgel liebte er sehr.]
+
+Zu bedauern ist es, da er nicht ber seine Kunst schrieb! Aus einem
+Briefe, welchen er an F.v. Trattner, eine seiner Schlerinnen ber den
+_Vortrag_ der fr sie gesetzten Klavierphantasie geschrieben hatte,
+konnte man sehen, da er nicht nur die Prax, sondern auch die Theorie
+seiner Kunst vollkommen verstand. Der Brief ist, leider! nicht zu finden
+gewesen.
+
+In einem Heft einer musikalischen Zeitschrift von Berlin vor einigen
+Jahren wurde von Mozart behauptet, er habe eigentlich keine _hhere
+Bildung_ gehabt. Es ist schwer zu errathen, was der Verfasser mit den
+Worten hhere Bildung gemeint habe. Mozart hatte die Welt gesehen, er
+kannte die Schriftsteller der gebildetesten Nationen, zeigte berall
+einen offenen und freymthigen Geist: was fehlte ihm also zur hhern
+Kultur? Mu man in Gttingen oder Jena studirt haben, um hhere Bildung
+zu erlangen? Oder besteht die hhere Bildung darinn, da man wei, was
+teutsche Schriftsteller sagen? da man von allen zu schwatzen verstehet?
+
+Der _moralische Charakter Mozarts_ war _bieder_ und _liebenswrdig_.
+Unbefangene _Herzensgte_ und eine _seltene Empfindlichkeit fr alle
+Eindrcke_ des _Wohlwollens und der Freundschaft_ waren seine Grundzge.
+Er berlie sich diesen liebenswrdigen Regungen ganz, und wurde daher
+mehrmal das Opfer seines gutmthigen Zutrauens. Oft beherbergte und
+pflegte er seine rgsten Feinde und Verderber bey sich.
+
+Er hatte zwar oft mit einem schnellen Blicke auch versteckte Charaktere
+aus dem Innersten ausgeholt: aber im Ganzen genommen, hatte er zu viel
+Gutmthigkeit um Menschenkenntni zu erlangen. Selbst die Art seiner
+_Erziehung_, die _unstte Lebensart auf Reisen_, wo er nur fr seine
+Kunst lebte, machte eine wahre Kenntni des menschlichen Herzen
+unmglich. Diesem Mangel mu man manche Unklugheit seines Lebens zu
+schreiben.
+
+Uebrigens hatte Mozart fr die Freuden der Geselligkeit und Freundschaft
+einen offenen Sinn. Unter guten Freunden war er vertraulich wie ein
+Kind, voll _munterer_ Laune; diese ergo sich dann meistentheils in den
+drolligsten _Einfllen_. Mit Vergngen denken seine Freunde in Prag an
+die schnen Stunden, die sie in seiner Gesellschaft verlebten; sie
+knnen sein gutes argloses Herz nie genug rhmen; man verga in seiner
+Gesellschaft ganz, da man _Mozart_ den bewunderten Knstler vor sich
+habe.
+
+Nie verrieth er einen gewissen _Kunst-Pedantismus_, der an manchen
+Jngern Apollos so widerlich ist. Er sprach selten und wenig von seiner
+Kunst, und immer mit einer liebenswrdigen Bescheidenheit. Hochschtzung
+des wahren Verdienstes und Achtung fr die Person leiteten seine
+Urtheile in Kunstsachen. Es war gewi rhrend, wenn er von den _beyden
+Haydn_, oder andern groen Meistern sprach: man glaubte nicht dem
+allgewaltigen Mozart, sondern einen ihrer begeisterten Schler zu hren.
+
+Ich kann hier eine Anekdote nicht bergehen, die eben so sehr seinen
+geraden Sinn, und den Unwillen gegen lieblose Tadelsucht, als seine
+groe Achtung fr Joseph _Haydn_ beweiset. Sie sey zugleich ein Beyspiel
+seiner guten Einflle.
+
+In einer Privatgesellschaft wurde einst ein neues Werk von Joseph Haydn
+gemacht. Nebst Mozart waren mehrere Tonknstler gegenwrtig, unter
+andern L.K..., der noch nie jemanden gelobt hatte, als sich selbst. Er
+stellte sich zum Mozart und tadelte bald dieses bald jenes. Mit Geduld
+hrte ihn dieser eine Zeit an; als es ihm aber zu lang dauerte, und der
+Tadler endlich wieder bey einer Stelle mit Selbstgengsamkeit ausrief:
+Das htt' ich nicht gethan -- erwiederte Mozart: Ich auch nicht; wissen
+Sie aber warum? Weil _wir es beyde_ nicht so gut getroffen htten! --
+Durch diesen Einfall machte er sich einen unvershnlichen Feind mehr.
+
+Mit einer solchen Bescheidenheit verband Mozart dennoch ein edles
+_Bewutseyn_ seiner Knstlerwrde. Wie wre es auch mglich gewesen
+nicht zu wissen, wie _gro_ er sey? Aber er jagte nie nach dem Beyfalle
+der Menge; selbst als Kind rhrte ihn nur das Lob des Kenners. Daher war
+ihm alles gleichgltig, was blos aus Neugierde ihn anzugaffen gekommen
+war. Oft ging dieses Betragen vielleicht zu weit. Er war daher bisweilen
+auch in der Gegenwart groer Herrn vom hchsten Range zum Spielen nicht
+zu bewegen; oder er spielte nichts als Tndeleyen, wenn er merkte, da
+sie keine Kenner oder wahre Liebhaber sind. Aber Mozart war der
+geflligste Mann von der Welt, wenn er sah, da man Sinn fr seine Kunst
+besitze; er spielte Stunden lang dem geringsten, oft unbekannten
+Menschen. Mit aufmunternder Achtsamkeit hrte er die Versuche junger
+Knstler an, und weckte durch eine liebevolle Beyfallsuerung das
+schlummernde Selbstbewutseyn.
+
+Unser beste Klavierspieler und beliebter Tonsetzer Joh. Witassek dankt
+ihm diese Erweckung seines Talentes. Die wenigen Stunden die er bey
+Mozart zubrachte, schtzt er nach eigenem Gestndnisse fr einen groen
+Zuwachs zu seiner Ausbildung.
+
+Menschenfreundlich und uneigenntzig war _Mozart_ im hohen Grade. Darum
+sammelte er kein Vermgen. Ganz im Reiche der Tne lebend, schtzte er
+den Werth des Geldes und der brigen Dinge zu wenig. Daher arbeitete er
+viel umsonst, aus Geflligkeit oder Wohlthtigkeit. Jeder reisende
+Virtuos war gewi, wenn er sich ihm durch Talent oder moralischen
+Charakter zu empfehlen wute, eine Komposition fr sich zu erhalten. So
+entstanden die Konzerte fr die brigen Instrumente, so eine Menge
+einzelner Singkompositionen, unter andern die majesttischen Chre zu
+dem Schauspiele, Knig Tamos, die den erhabensten Werken Hndels und
+Glucks an die Seite gesetzt werden.
+
+Aber selbst die Bezahlung, die er fr seine Arbeiten bekam, war meistens
+mittelmig. Der Theaterunternehmer Guardasoni zahlte ihm fr Don Juan
+nur hundert Dukaten.
+
+_Verstellung und Schmeicheley_ war seinem arglosen Herzen gleich fremd;
+jeder Zwang, den er seinem Geiste anthun mute, _unausstehlich_.
+Freymthig und offen in seinen Aeuerungen und Antworten, beleidigte er
+nicht selten die Empfindlichkeit der Eigenliebe, und zog sich dadurch
+manchen Feind zu.
+
+Seine hohe Kunst und der liebenswrdige Charakter verschafften ihm
+Freunde, die ihn von ganzer Seele liebten und fr sein Wohl eifrig
+besorgt waren. Es wrde das Zartgefhl dieser edlen Menschen beleidigen,
+wenn sie hier namentlich angefhrt wrden; wie wre es auch mglich alle
+zu kennen und zu nennen? Indem mir also diese Betrachtung verbiethet von
+der gromthigen Freundschaft eines B.v.S**, und des Kaufmannes B** in
+Wien zu reden: so sey es wenigstens erlaubt hier der ausgezeichneten
+Wohlthtigkeit eines Wiener Brgers gegen Mozart zu erwhnen. Dieser
+brave Mann, ein Flecksieder vom Gewerbe, ohne Mozart persnlich zu
+kennen, blos von Bewunderung fr seine Kunst hingerissen, verschaffte
+seiner kranken Gemahlin, (die nach der Verordnung der Aerzte wegen einer
+Lhmung am Fue Bder vom gekochten Magengekre brauchen mute), die
+Gelegenheit in seinem eigenen Hause durch geraume Zeit die Kur mit
+vieler Bequemlichkeit brauchen zu knnen. Er lieferte ihr nicht nur die
+Flecke unentgeltlich und ersparte dadurch Mozarten eine Auslage von
+mehreren hundert Gulden, sondern verlangte auch fr Logis und Kost gar
+nichts. Aehnliche Beyspiele eines solchen Enthusiasmus fr die hohe
+Kunst Mozarts sind sehr hufig.
+
+Aber Mozart hatte auch Feinde, zahlreiche, unvershnliche Feinde. Wie
+htten ihm auch diese mangeln knnen, da er ein so _groer Knstler_ und
+_ein so gerader Mann war_? Und diese waren die unlautere Quelle, aus
+welcher so viele hliche _Erzhlungen_ von seinem _Leichtsinne, seinen
+Ausschweifungen_ gefloen sind. Mozart war Mensch, folglich Fehlern
+unterworfen wie alle Menschen. Die nemlichen Eigenschaften und Krfte,
+die das Wesen seiner groen Talente ausmachten, waren zugleich Reiz und
+Anla zu manchen Fehltritte: brachten Neigungen hervor, die freylich bey
+Alltagsmenschen nicht angetroffen werden. Seine Erziehung und Lebensart
+bis zu dem Zeitpunkte, da er sich in Wien niederlie, war auch nicht
+gemacht ihm Menschenkenntni und Welterfahrung zu verschaffen. Denke man
+sich einen so zart organisirten Jngling -- einen Tonknstler von seiner
+Empfindung in einer Stadt, wie Wien, sich selbst berlassen? Braucht es
+mehr um zur Nachsicht gegen seine Fehler gestimmt zu werden? Man mu
+aber gegen diese Erzhlungen berhaupt mitrauisch seyn, da gewi der
+grte Theil baare Unwahrheiten, und nichts als Schmhungen des
+scheelschtigen Neides sind. Wir haben die in Rcksicht seiner
+hinterlassenen Schulden schon bemerkt. Niemand wird es unbegreiflich
+finden, warum die Welt diesen Ausstreuungen so leicht Glauben beymit,
+wenn er sich erinnert, da man gewhnlich mit einem Tonknstler den
+Begriff eines Verschwenders oder Wstlings verbindet. Aber zahlreiche
+Beyspiele achtungswrdiger Knstler haben bewiesen, wie sehr dieses
+Vorurtheil einzuschrnken sey.
+
+In seiner Ehe mit _Konstanza Weber_ lebte Mozart vergngt. Er fand an
+ihr ein gutes, liebevolles Weib, die sich an seine Gemthsart
+vortrefflich anzuschmiegen wute, und dadurch sein ganzes Zutrauen und
+eine Gewalt ber ihn gewann, welche sie nur dazu anwendete, ihn oft von
+Uebereilungen abzuhalten. Er liebte sie wahrhaft, vertraute ihr alles,
+selbst seine kleinen Snden -- und sie vergalt es ihm mit Zrtlichkeit
+und treuer Sorgfalt. Wien war Zeuge dieser Behandlung, und die Wittwe
+denkt nie ohne Rhrung an die Tage ihrer Ehe.[17]
+
+ [Funote 17: Die achtungswrdige Frau betrgt sich in ihrem
+ Wittwenstande sehr klug, und sorgt fr ihre 2Shne mtterlich.
+ Sie lebt in Wien von ihrer Pension und dem kleinen Erwerbe aus
+ dem Nachlasse ihres Mannes.]
+
+Seine liebste Unterhaltung war _Musik_; wenn ihm seine Gemahlinn eine
+recht angenehme Ueberraschung an einem Familienfeste machen wollte, so
+veranstaltete sie in Geheim die Auffhrung einer neuen Kirchen-Komposition
+von Michael oder Joseph Haydn.
+
+Das Billardspiel liebte er leidenschaftlich, vermuthlich weil es mit
+Bewegung des Krpers verbunden ist; er hatte ein eignes zu Hause, bey
+dem er sich tglich mit seiner Frau unterhielt. Die Schnheit der Natur
+im Sommer war fr sein tieffhlendes Herz ein entzckender Genu; er
+verschaffte sich ihn, wenn er konnte, und miethete daher fast alle Jahre
+Grtchen in der Vorstadt, wo er den Sommer zuzubringen pflegte.
+
+Erstaunend ist die Arbeitsamkeit seiner letzten Lebensjahre.
+
+Aus dem vollstndigen Verzeichnisse seiner Kompositionen seit dem Jahre
+1784 bis zu seinem Tode, in welches er mit eigener Hand das Thema eines
+jeden Stckes und den Tag der Vollendung eintrug, sieht man wie viel er
+oft in einem Monathe gearbeitet hatte?[18] Nur die Gre und
+Fruchtbarkeit seines Genies macht die Mglichkeit so vielfacher Arbeit
+begreiflich. So schrieb er innerhalb der 4 letzten Monathe seines
+Lebens, wo er schon krnkelte, und Reisen machte:
+
+ [Funote 18: Der Verfasser hatte es bey der Ausarbeitung dieser
+ Biographie im Originale vor sich.]
+
+1) Eine Klavierkantate: Die ihr des unermelichen Weltalls Schpfer
+ehrt.
+
+2) Die Zauberflte.
+
+3) #La Clemenza di Tito.#
+
+4) Ein Klarinett-Konzert fr H. Stadler.
+
+5) Eine Kantate fr ein ganzes Chor.
+
+6) Das Requiem.
+
+Eine ungeheure Anstrengung, die seine Krfte erschpfen mute!
+
+So wurde _Mozart ein Wunder seiner Kunst_, der _Liebling_ seines
+Zeitalters! Sein kurzes, aber glnzendes Knstlerleben macht in der
+Geschichte der Tonkunst eine neue Epoche.
+
+Der groe, feurige Geist, der in seinen Werken waltet und der volle
+Strom der Empfindung reien jedes gefhlvolle Herz mit unwiderstehlicher
+Gewalt hin. Der se Zauber seiner Harmonien entzckt das Ohr; die Flle
+der Gedanken, das Neue in ihrer Ausfhrung machen das Gefallen seiner
+Musik dauerhaft. Wer einmal an _Mozart_ Geschmack gefunden hat, der wird
+durch andere Musik schwer zu befriedigen seyn. Und _alle_ diese
+Vollkommenheiten hat er _in einem Alter_ erreicht, das fr gewhnliche
+Knstler kaum der Zeitpunkt _der ersten Ausbildung_ ist! Da er starb,
+hatte sein Ruhm bereits eine Gre, wie sie nur selten auch der
+glcklichste Knstler hoffen darf -- und wie kurz war sein Leben? Er
+hatte noch nicht das 35te Jahr vollendet, als er starb! Was wrde sein
+unerschpflicher Geist der Welt noch geliefert haben?----
+
+Wr er nach England gegangen -- sein Ruhm wrde neben _Hndels_
+unsterblichem Namen glnzen: in Teutschland rang sein Geist oft mit
+Mangel; seinen _Grabeshgel zeichnet nicht einmal eine schlechte
+Inschrift aus_!--
+
+Auf seinen Tod erschienen mehrere Trauer-Kantaten; darunter zeichnen
+sich zwey aus, vom Herrn _Wessely_ und _Karl Kannabich_ dem jngern aus
+Mnchen.
+
+Einfach und edel war das Fest, welches die Hrer der Rechte zu Prag in
+ihrer musikalischen Akademie, bey der Anwesenheit der Wittwe im Jahre
+1794 Mozarts Andenken weiheten; es wurde durch ein Gedicht
+verherrlichet, welches den Profess. Meinert zum Verfasser hat. Ein Paar
+Stanzen daraus verdienen hier allerdings einen Platz.
+
+ Ach! er ward uns frh entrckt,
+ Der die Saiten der Empfindung,
+ Wie ihr Schpfer kannt' und griff;
+ In harmonische Verbindung
+ Ihre khnsten Tne rief:
+ Jetzt ein Gott in seines Zornes
+ Donner rauschend niederfuhr,
+ Itzo lispelnd wie des Wiesenbornes
+ Welle flo in stiller Flur.
+
+ Ach! schon grnt des Edlen Hgel:
+ Aber ganz birgt er ihn nicht.
+ Eines, das durch Grber Riegel,
+ Ewig jung und gttlich bricht,
+ _Eines_ lebt -- der hohe reine
+ Geistesabdruck ist die _Eine_,
+ Das zur Ewigkeit entblht,
+ Norne! deinem Dolch entflieht.
+
+ Fhlt ihr in der Saiten Beben,
+ Im begeisternden Gesang,
+ In des Herzens Sturm und Drang
+ Fhlt ihr des Entschlaf'nen Leben?
+ Horch! es tnen Engelharmonien,--
+ Das ist Mozart! Seht ihr ihn
+ Lichtbekrnzt? Mit Feentritte
+ Wallt sein Geist in eurer Mitte.
+
+
+
+
+ IV.
+
+ Nachricht von Mozarts Werken.
+
+
+Es ist fast kein Zweig der Tonkunst, in welchem Mozart nicht mit
+entschiedenem Glcke seine Krfte versucht htte.
+
+_Dramatische Musik_, und die _Klavierkompositionen_ haben ihm am meisten
+Ruhm erworben. Wenn man seine Werke besonders die theatralischen nach
+der Zeitfolge ihrer Entstehung betrachtet, so merkt man deutlich den
+Gang seines zur Vollkommenheit schreitenden Geistes. In den frhern,
+z.B. in der Oper Idomeneo und der _Entfhrung aus dem Serail_, auch
+noch zum Theil im _Figaro_ strmt das ganze Feuer einer jugendlichen
+Phantasie und eine Flle ppiger Empfindung ohne Grnzen. Es ist mehr
+Wrme, als Licht darinn -- die Massen des Gesanges und der Harmonie sind
+nicht so bestimmt, wie in den sptern Werken, in welchen dieser Strom
+der Empfindung immer sanfter sich in sein Bett zurckzieht, alles
+leichter, einfacher und korrekter wird. Nirgends ist diese Reife des
+Geschmackes sichtbarer, als in der #Clemenza di Tito#, und dem Requiem.
+Daraus lt es sich schlieen, was man noch von Mozart zu erwarten
+berechtiget war?
+
+Einige _Kunstrichter_ haben mit sinnreicher Feinheit zwar die
+Vortrefflichkeit seiner Instrumentation, d.i. den mehr mechanischen
+Theil der Kunst anerkannt, aber das, was blos Sache des Genies ist, die
+Singparthie getadelt, -- sie haben behauptet, Mozart sey hierinn nicht so
+gro, als in der Instrumentalparthie. Die Grnzen dieser Schilderung
+erlauben es nicht, die Grundlosigkeit davon zu zeigen, oder die Werke
+Mozarts von dieser Ansicht zu betrachten. Die Tadler mgen indessen nur
+beherzigen, da gerade diese Seite seiner Werke von grndlichen und
+berufenen Richtern immer am meisten bewundert worden ist. Was konnte
+denn in seinen Opern und den brigen Singkompositionen so sehr gefallen,
+wenn es _der Gesang_ nicht war? Das Volk versteht wenig von der
+Schnheit des Instrumentalsatzes; gerade dieser Theil seiner Werke, der
+groe Geschicklichkeit der Subjekte erfodert, wird gewhnlich schlecht
+aufgefhrt -- und doch brachten die meisten seiner Singkompositionen so
+viel Wirkung, so viel Enthusiasmus hervor? die konnte nur der
+_einfache, schne, rhythmische Gesang bewirken_. Warum singt man seine
+Melodien so gern nach? Warum sind so viele davon Volksgesnge geworden?
+Wie wahr, wie lebhaft wei Mozart den Sinn der Worte des Dichters
+auszudrcken? Dringt sein Gesang nicht berall dem Zuhrer ans Herz?
+Wenn die der hchste _Zweck_ der Tonkunst ist, wer hat ihn vollkommener
+_erreicht als Mozart_?
+
+Man knnte zahlreiche Beyspiele anfhren, wo Mozart mit einem feinen
+sthetischen Sinne selbst die Worte und Ideen des Dichters durch schne
+Wendungen der Melodie erhoben und verbessert hat. Sein Gesang haucht den
+Worten meistentheils erst Wrme und Leben ein; fast immer liegt darinn
+noch mehr Sinn und Empfindung, als in den Worten. Daher haben selbst
+elende Poesien blos durch seine Komposition gefallen. Die Zauberflte
+und #Cosi fan tutte# sey Beweis.
+
+Die Gestalt, in welcher die alte #Opera seria# von Metastasio #La
+Clemenza di Tito# bey seiner Musik erscheint, ist das Werk seines
+richtigen Urtheiles und Geschmackes. Und ein solcher Kompositeur, der
+den Geist des Textes, das eigene der Situation so fate und verstand --
+ihn oft verbesserte noch fter erhob, soll keine hhere Bildung gehabt
+haben?
+
+Aber Mozarts Werke sind so _schwer_, so _kritisch_, _voll Kunst_ und so
+_wenig_ fr das Gehr.
+
+Auf gleiche Art klagen oft Schulknaben ber die Dunkelheiten und
+Schwierigkeiten des Horaz. Man mu darber lcheln! Wen trifft hier der
+Vorwurf? Schrieb Mozart blo fr Schler? oder ist dasjenige, was er fr
+sie schrieb, nicht leicht und verstndlich? Das Schwere in seinen Werken
+ist nicht _Absicht_, ist _nur Folge_ der Gre und Originalitt seines
+Genies. Die hat Mozart mit allen groen Knstlern gemein. _Populr_
+durften alle seine Werke nicht seyn; wo Popularitt nthig war, da hat
+er sie vollkommen erreicht. Findet in seinen Singspielen nicht der
+Kenner und der bloe Liebhaber Gerchte fr seinen Gaum? Auch die
+_erhabensten Sachen_ von seiner Hand, wo er sich in der ganzen Strke
+seiner Kunst des Kontrapunktes zeigt, haben so viel Schnheit an sich,
+da sie auch uneingeweihten Ohren gefallen, wenn sie _nur richtig_, und
+_geschmackvoll vorgetragen werden_. Aber hier liegt _der Knoten_ -- das
+ist grtentheils der Grund solcher Klagen. Ueberdie erheischt seine
+Musik ein reines Gefhl, ein unverdorbenes Ohr: _wer dieses nicht
+mitbringt, fr den hat Mozart nicht geschrieben._[19]
+
+ [Funote 19: Anmerkung. Diese Bemerkungen der ersten Ausgabe,
+ sind jetzt beynahe unnthig, da Mozart gegen seine Nachahmer,
+ die Falichkeit und Popularitt selbst ist!]
+
+Der Tadel einer Klasse von Menschen, denen seine Musik nicht gefllt,
+entscheidet nichts gegen ihre Vortrefflichkeit; so wie Rafaels Ruhm
+nicht geschmhlert wird, wenn dem ehrlichen Schneiderjungen ein buntes
+Allerley von einem Schmierer besser ins Auge fllt, als Rafaels
+Meisterstcke. Oder gab es nie Ohren, welchen die rauhe Pfeife des
+Waldgottes entzckender schien, als die himmlischen Tne Apollos? -- Wem
+_Mozarts Musik_ nicht genug frs Gehr zu seyn scheint, der drfte wohl
+den Fehler eigentlich in seinen Ohren suchen. Was werden so delikate
+Ohren zu der Musik der neuern Tonsetzer sagen?
+
+Mit seinen Werken wird nun von den _Uebersetzern und Musikhndlern_ ein
+wahrer Unfug getrieben, wobey das Publikum oft angefhrt, und der Name
+des groen Meisters grtentheils geschndet wird. Man hngt ihn erstens
+als Anempfehlungsschild so manchem Machwerk vor, das seines Geistes ganz
+unwrdig ist; noch hufiger ist der Fall, da unbefugte Uebersetzer aus
+seinen grern Werken _Klaviersachen_ zusammenstoppeln, die dann als
+Originalwerke verkauft werden, und nothwendig schlechter seyn mssen,
+als seine brigen Klavierkompositionen.
+
+Eben so nachtheilig fr seinen Ruhm ist es, da man so hufig aus
+Mangel an neuern Werken von seiner Meisterhand, ltere Kompositionen,
+zum Theil aus seiner frhen Jugend herausgiebt, ohne diesen Umstand dem
+Publikum zu sagen. Solche Werke sind grtentheils seinen sptern ganz
+unhnlich, und knnen den Stempel der Vollkommenheit an sich nicht
+haben.
+
+Seine Werke knnen zur bessern Uebersicht in 11 verschiedene Klassen
+eingetheilt werden. Zur ersten rechnen wir die _dramatischen_. Mozart
+schrieb 9 italienische Opern, -- und 3 teutsche.
+
+#La finta semplice, opera buffa# fr Kaiser Joseph 1768
+
+#Mitridate, opera seria# fr Mayland; im Jahr 1770
+
+#Sulla,# -- -- -- -- 1772
+
+#Giardiniera, opera buffa# fr Kaiser Joseph im Jahr 1774
+
+#Idomeneo, opera seria# fr Mnchen im J. 1780
+
+#Figaro, opera buffa# fr Wien im J. 1786
+
+#Don Giovanni, opera buffa# fr Prag 1787
+
+#Cosi fan tutte, opera buffa# fr Wien 1790
+
+#La Clemenza di Tito, opera seria# fr Prag 1791
+
+
+_Teutsche Singspiele:_
+
+Die Entfhrung aus dem Serail fr Wien 1782
+
+Der Schauspieldirektor ein kleines Singspiel fr den Kaiser Joseph nach
+Schnbrunn im Jahre 1786
+
+Die Zauberflte fr das Theater Schikaneders 1791
+
+_Idomeneo_ ist eines seiner grten, und gedankenreichesten Werke; der
+Stil ist durchgehends pathetisch und athmet heroische Erhabenheit. Da er
+diese Opera fr groe Snger und fr eines der besten Orchester von
+Europa schrieb, so fhlte sein Geist keinen Zwang, und entfaltete sich
+darinn am ppigsten. Aber Idomeneo mu besser aufgefhrt werden, als es
+zu Prag vor einigen Jahren in Sommer geschah, wo ihn der
+Opern-Unternehmer im eigentlichen Verstande prostituirte. Es war ein
+drolligter Gedanke eine der grten Opern ohne Sngerinnen und Orchester
+aufzufhren. Denn beydes fehlte, und ward durch Substituten ersetzt.
+Auch hte man sich diese Opera, so wie jede von Mozart nach
+mittelmigen Klavierbersetzungen zu beurtheilen!
+
+_Figaro_ wird von Musik-Kennern am meisten geschtzt; wahr ist es, da
+Mozart bey ihrer Ausarbeitung am fleiigsten studirt habe. An
+Gedanken-Reichthum gleicht sie dem Idomeneo, an Originalitt weicht sie
+keiner andern.
+
+_Don Juan_ ist anerkannt das grte Meisterstck seines Genies -- die
+hchste Kunst mit der grten Anmuth ist darinn in lieblicher Eintracht
+gepaart. Die Rolle des Leporello ist das erste Meisterstck des
+Komischen -- das Muster fr alle Opernkomponisten.
+
+#Cosi fan tutte# oder die Schule der Liebenden ist die _lieblichste_ und
+scherzhafteste Musik voll Charakter und Ausdruck.
+
+Die Finalien sind unbertrefflich. Wenn man den schlechten Text dieser
+Oper betrachtet, so mu man ber die Fruchtbarkeit seines dichterischen
+Genies erstaunen, das fhig war ein so trockenes, einfltiges Sujet zu
+beleben und solche Schnheiten hervor zu bringen. Es ist schon bemerkt
+worden, da er in der Wahl des Buches nicht frey war.
+
+#La Clemenza di Tito# wird in sthetischer Hinsicht, als schnes
+Kunstwerk, fr die vollendeteste Arbeit Mozarts gehalten. Mit einem
+feinem Sinne fate Mozart die Einfachheit, die stille Erhabenheit des
+Charakters des Titus, und der ganzen Handlung auf, und bertrug sie ganz
+in seine Komposition. Jeder Theil, selbst die gemigte
+Instrumentalparthie trgt dieses Geprge an sich, und vereinigt sich zu
+der schnsten Einheit des Ganzen. Da sie fr ein Krnungsfest, und fr
+zwey ganz eigends dazu angenommene Snger aus Italien geschrieben war,
+so mute er nothwendig brillante Arien fr diese zwey Rollen schreiben.
+Aber welche Arien sind das? Wie hoch stehen sie ber dem gewhnlichen
+Tro der Bravour-Gesnge?
+
+Die brigen Stcke verrathen berall den groen Geist aus dem sie
+gefloen. Die letzte Scene oder das Finale des 1ten Aktes ist gewi die
+gelungenste Arbeit Mozarts, ja wohl aller dramatischen Tonsetzungen;
+_Ausdruck_, _Charakter_, _Empfindung_, wetteifern darinn den grten
+Effekt hervorzubringen. Der Gesang, die Instrumentation, die Abwechslung
+der Tne, der Wiederhall der fernen Chre -- bewirkten bey jeder
+Auffhrung eine Rhrung und Tuschung, die bey Opern eine so seltene
+Erscheinung ist. Unter allen Chren, die ich gehrt habe, ist keiner so
+flieend, so erhaben und ausdrucksvoll, als der Schluchor im 2ten Akte;
+unter allen Arien, keine so lieblich, so voll ser Schwermuth, so reich
+an musikalischen Schnheiten, als das vollkommene Rondo in #F#, mit dem
+oblig: Baethorne, #Non piu di fiori# im 2ten Akte. Die wenigen
+instrumentirten Rezitative sind von Mozart, die brigen alle -- was sehr
+zu bedauern ist, -- von einer Schlerhand.
+
+Die Oper, die jetzt noch immer mit Entzcken gehrt wird, gefiel das
+erstemal bey der Krnung nicht so sehr, als sie es verdiente. Ein
+Publikum, das vom Tanz, von Bllen und Vergngungen trunken war, in dem
+Gerusche eines Krnungsfestes, konnte freylich an den einfachen
+Schnheiten Mozartscher Kunst wenig Geschmack finden.
+
+_Unter den teutschen Singspielen_ zeichnet sich die Entfhrung aus dem
+Serail an Empfindung und Schnheit des Gesanges aus. Man sieht es ihr
+an, da sie bald nach Idomeneo gedichtet ward.
+
+Das kleine Singspiel, der _Schauspieldirektor_ ist blos ein
+Gelegenheitsstck fr den kaiserl. Hof in Schnbrunn. Was soll ich von
+der _Zauberflte_ sagen? Wer kennt sie in Teutschland nicht? Giebt es
+ein Theater, wo sie nicht aufgefhrt ward? Sie ist unser Nationalstck.
+Der Beyfall den sie berall -- berall erhielt, von dem Hoftheater an,
+bis zu der wandernden Bhne des kleinen Marktfleckens, ist bisher ohne
+Beyspiel. In Wien wurde sie nur im 1ten Jahre ihrer Erscheinung mehr als
+_hundertmal_ aufgefhrt.
+
+_Die 2te Klasse_ seiner Werke begreift die Kompositionen frs Klavier.
+Darunter glnzen am meisten die Klavierkonzerte, worinn Mozart ohne
+Nebenbuhler den ersten Rang behauptet. Hier, so wie in vielen andern
+Fchern war er Erfinder einer neuen Gattung. Diese Werke enthalten
+einen unerschpflichen Reichthum an den treflichsten Gedanken, die
+glnzendeste Instrumentation, und erschpfen fast alle Tiefen des
+Kontrapunktes.
+
+Die Sonaten aller Art _mit und ohne_ Begleitung sind in jedermanns
+Hnden. Unter denselben sind die Trio am originellsten geschrieben. Das
+berhmte Quintett frs Klavier mit Begleitung einer Oboe, einer
+Klarinette, eines Waldhornes und Fagottes halten Kenner fr sein
+Meisterstck in Rcksicht der Instrumentation; geschrieben im J.1784
+_den 30ten Mrz_. Die vielen _Variazionen_ zeichnen sich durch
+Reichthum, Manigfaltigkeit und Neuheit vor allen hnlichen Werken aus.
+Die letzten, die er setzte, sind die, ber das Lied: _Ein Weib ist das
+herrlichste Ding_; den 15ten Mrz 1791 komponirt. Diese Klasse seiner
+Werke ist die zahlreichste.
+
+_Die 3te Klasse_ begreift die Sinfonien; die schnsten davon, die er in
+den Jahren 1786 bis 1788 schrieb, sind folgende 4: in #D#, #Eb#, #G mol#
+und #C# mit der Fuge im letzten Stcke. Alle knnen den schnsten von
+_Hayden_ an die Seite gesetzt werden; er entfaltete darinn seine Kunst
+der Komposition im hchsten Grade. Die Opernsinfonien sind bekannt und
+bewundert genug.
+
+_Zur 4ten Klasse_ gehren Gelegenheits-Kantaten mit vollstimmiger
+Begleitung. In dem Verzeichnisse sind 3 aufgemerkt.
+
+_In die 5te Klasse_ knnen die einzelnen Scenen und Arien gerechnet
+werden, die er fr musikalische Akademien oder fr besondere Snger
+schrieb. In dem Verzeichnisse sind 22 solche enthalten, fr allerley
+Stimmen.
+
+_6te Klasse:_ teutsche Lieder mit Klavierbegleitung allein; in dem
+Verzeichnisse sind 20 Stcke aufgezeichnet, worunter _die_ so bekannte
+_Abendempfindung_, _das Veilchen_ und an _Chloe_, so voll Einfachheit,
+Ausdruck und Empfindung, _kurz so schn_ sind, da man sagen kann,
+Mozart htte blos mit diesem sich unsterblichen Ruhm erworben. Daraus
+vorzglich mgen seine Tadler sehen, ob er nicht _gro_ in der
+Singkomposition war? Ob er den Worten Leben zu geben, auch ohne das
+Rauschen der Instrumente nicht verstand?
+
+_7te Klasse:_ Konzerte fr verschiedene Instrumente schrieb er am
+seltensten.
+
+In dem Verzeichnisse sind nur folgende angemerkt: 1) Ein Andante zu
+einem Violinkonzert; 2) Ein Konzert fr das Waldhorn. 3) _Fr die
+Harmonika_; 4) fr die Klarinette.
+
+_8te Klasse:_ Violinquartetten und Quintetten. Unter den Quartetten sind
+die 6, die er Joseph Haydn dedizirte, klassisch. Spter im Jahre 1789
+im Junius schrieb er 3 konzertante Quartetten fr den verstorbenen Knig
+von Preuen; nebst diesen ist noch ein einzelnes Quartett aus #D# im
+Jahr 1786 geschrieben, und _eine einzelne Fuge_.
+
+_Originalquintetten_ sind in dem Verzeichnisse nur 4 aufgezeichnet; aus
+#C#, #G mol#, #D dur# und #Eb#. Er schrieb bey seinem Aufenthalte in
+Mnchen 1782 einige Nachtmusiken # quadro# mit Begleitung 2er
+Waldhrner, die man fglich als Violinkonzerte betrachten kann -- alle
+diese Sachen sind voll Gedanken und Schnheiten. Ein konzertantes
+Divertimento fr 3 Stimmen, die Violin, Bratsche und das Violoncello ist
+vorzglich schn und voll hoher Kunst. Die 2 Duetten fr die Violin und
+Bratsche sind bekannt und beliebt genug.
+
+_9te Klasse:_ Parthien fr blasende Instrumente zu Tafel- und
+Nachtmusiken. Hier in Prag sind mehrere bekannt. Ihre Schnheiten sind
+bezaubernd, und reien auch das gefhlloseste Herz hin. Es existirt auch
+eine Nachtmusik aus 13 blasenden Instrumenten von seiner Arbeit.
+
+_10te Klasse: Tanzstcke._ Mozart schrieb mehrere Parthien, Menuetten
+und teutsche Tnze fr den Kaiserl. Redouten Saal zu Wien. Wie sehr
+diese Sachen von seiner Arbeit gesucht wurden, sieht man aus dem
+Verzeichnisse, wo jeden Karneval eine Menge Menuetten, Teutsche, Walzer
+und Kontratnze angemerkt sind.
+
+_11te Klasse: Kirchenmusik_, war das Lieblingsfach Mozarts. Aber er
+konnte sich demselben _am wenigsten_ widmen. Die Messen, die von ihm
+brig sind, wurden bey verschiedenen Gelegenheiten und Einladungen
+verfertigt. Alle, die wir hier in Prag gehrt haben, tragen den Stempel
+seines Genies. In dem Verzeichnisse ist keine einzige Messe angezeigt --
+ein Beweis, da alle, die wir haben, in frhere Zeiten seines Lebens zu
+setzen sind. Nur ein Graduale auf den Text: #ave verum corpus# hat er im
+Junius 1791 verfertiget.
+
+Mozart wrde in diesem Fache der Kunst seine ganze Strke erst gezeigt
+haben, wenn er die Stelle bey St. Stephan wirklich angetreten htte; er
+freute sich auch sehr darauf. Wie sehr sein Genie fr den hohen Stil des
+ernsten Kirchengesanges gemacht war, beweiset seine letzte Arbeit, die
+_Seelenmesse_, die gewi _alles_ bertrifft, was in diesem Fache bisher
+ist geleistet worden, und nicht so bald bertroffen werden wird.
+
+Nebst diesen Gattungen seiner Werke hinterlie er 10 #Canoni# blos fr
+Singstimmen; und zwar 8 vierstimmige, und 2 dreystimmige, sowohl
+komische, als ernsthafte. Sie sind nicht nur Meisterstcke in der Kunst
+sondern auch sehr unterhaltend.
+
+Zum Schlusse setzen wir noch eine Anekdote her, die mehr als eine
+Lobrede sagt. Ein alter italienischer Impressarius einer
+Operngesellschaft in Teutschland, der es an seiner Kasse zu fhlen
+schien, da seit Mozart keine andern Opern, am wenigsten die von
+welschen Authoren gefallen wollen, pflegte immer, so oft er in seiner
+Opernregistratur auf eine Oper von Mozart kam, mit einem Seufzer
+auszurufen: _Der ist mein Unglck!_
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription: Dieses elektronische Buch wurde auf
+Grundlage der 1808 erschienenen zweiten Auflage erstellt. Kleinere
+Unregelmigkeiten in der Schreibweise wurden beibehalten. Die
+nachfolgende Tabelle enthlt eine Auflistung aller gegenber dem
+Originaltext vorgenommenen Korrekturen.
+
+Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. Textauszeichnungen
+wurden folgendermaen ersetzt:
+
+Sperrung: _gesperrter Text_
+Grodruck: =gro gedruckter Text=
+Antiquaschrift: #Antiquatext#
+
+Die Fraktur-Ligatur fr etc. wurde durch etc. ersetzt.
+
+
+Transcriber's Note: This ebook has been prepared from the second edition
+published in 1808. Minor spelling inconsistencies have been maintained.
+The table below lists all corrections applied to the original text.
+
+The original book is printed in Fraktur font. Marked-up text has been
+replaced by:
+
+Spaced-out: _spaced out text_
+Bigger font: =bigger font=
+Antiqua: #text in Antiqua font#
+
+The ligature for "etc." has been replaced by etc.
+
+
+p. 004: und deu Thatsacheu -> und den Thatsachen
+p. 006: Es ist noch uicht fertig -> nicht
+p. 009: [added period] Tanzstcke u. d. gl -> u. d. gl.
+p. 011: ihn nicht weier stren -> weiter
+p. 013: [added comma] in einer Sache, wo das
+p. 013: auserordentlich groen Talent -> auerordentlich
+p. 015: zweyten Tochter der Knigs -> des
+p. 016: den 10 April 1764 -> 10. April
+p. 017: konnte man ihm kaum vom Spielen -> ihn
+p. 020: mit den man ihn aufnahm -> dem
+p. 021: zu schatzen verstehen -> schtzen
+p. 024: den vollendesten Knstler hrten -> vollendetesten
+p. 025: Der Pabst durch alle die Wunder -> Papst
+p. 025: [deleted period] den Karneval von 1773. eingegangen
+p. 031: Mnchen eine Oper seria zu schreiben -> Opera
+p. 033: der schon damal der Stolz -> damals
+p. 036: [deleted comma] Man sieht, es diesen Quartetten an
+p. 041: obschon sie wohl hundermal gehrt waren -> hundertmal
+p. 042: empfing ihm das ganze -> ihn
+p. 043: Der groe Rnf seines Namens -> Ruf
+p. 044: oft von da Einladuugen -> Einladungen
+p. 045: vom dem Roste der Mode -> von
+p. 048: eben so geheimnivoll als merkmrdig -> merkwrdig
+p. 048: sich in dieser Gattuug -> Gattung
+p. 053: der Unbekannte Verehrer -> unbekannte
+p. 054: [added comma] und wahrlich, bis jetzt
+p. 055: ein feyrrliches Seelenamt -> feyerliches
+p. 057: das Haus voll, nnd die Einnahme gut -> und
+p. 057: [deleted comma] nicht weniger, als 30,000Gulden
+p. 057: [added comma] eine Summe, ber die
+p. 060: ber ihn so streng urtheien -> urtheilen
+p. 062: so drckt sich ein Berliner Wochenblatt, worinn -> aus, worin
+p. 068: [added comma] zu dem einfachen Liede, von der
+p. 070: die Meisterstcke der Rmer und Griechen -> Die
+p. 072: [deleted comma] 20, bis 30 Jahre alt
+p. 072: bey dem gewhnlichen Kompositionen -> den
+p. 072: von so unbestimmten Charakter -> unbestimmtem
+p. 072: [added comma] Anmuth und Lieblichkeit, diese wahren Zaubermittel
+p. 082: [added comma] damit herum, dachte sich
+p. 085: die am 30 September geschah -> 30. September
+p. 092: Schriftsteller der gebildesten Nationen -> gebildetesten
+p. 093: Unter guten Freuden -> Freunden
+p. 096: nach eigenem Gestnduisse -> Gestndnisse
+p. 096: Menschrnfreundlich und uneigenntzig -> Menschenfreundlich
+p. 096: den Werh des Geldes -> Werth
+p. 096: nnd zog sich dadurch -> und
+p. 100: [deleted period] seit dem Jahre 1784. bis -> 1784 bis
+p. 101: Eine Klavierkantatate -> Klavierkantate
+p. 101: das Neue in ihrer Ausfhruug -> Ausfhrung
+p. 102: verdienen hier allerdings einen Plaz -> Platz
+p. 102: Wie ihr Schpfer kannt' und grif -> griff
+p. 107: wo Popularitt uthig war -> nthig
+p. 111: in leiblicher Eintracht gepaart -> lieblicher
+p. 116: auch das geflloseste Herz -> gefhlloseste
+p. 116: [added comma] mehrere Parthien, Menuetten und teutsche Tnze
+p. 117: sieht mau aus dem -> man
+p. 117: 11te Klase: Kirchenmusik -> Klasse
+p. 118: sondern auch sehr unhaltend -> unterhaltend
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Lebensbeschreibung des k. k.
+Kapellmeisters Wolfgang Amadeus Mozart, by Franz Xaver Niemetschek
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBENSBESCHREIBUNG ***
+
+***** This file should be named 29474-8.txt or 29474-8.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ http://www.gutenberg.org/2/9/4/7/29474/
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Markus Brenner and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
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+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
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+Foundation as set forth in Section 3 below.
+
+1.F.
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+effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
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+of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
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+LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
+PROVIDED IN PARAGRAPH F3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
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+LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
+INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
+DAMAGE.
+
+1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
+defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
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+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
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+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
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+1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
+providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
+with this agreement, and any volunteers associated with the production,
+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
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+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ http://www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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+<pre>
+
+The Project Gutenberg EBook of Lebensbeschreibung des k. k. Kapellmeisters
+Wolfgang Amadeus Mozart, by Franz Xaver Niemetschek
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Lebensbeschreibung des k. k. Kapellmeisters Wolfgang Amadeus Mozart
+
+Author: Franz Xaver Niemetschek
+
+Release Date: July 21, 2009 [EBook #29474]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBENSBESCHREIBUNG ***
+
+
+
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Markus Brenner and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+</pre>
+
+
+
+
+<h1>Lebensbeschreibung<br />
+<span style="font-size: small">des</span><br />
+<span style="font-size: medium">K. K. Kapellmeisters</span><br />
+<span style="font-size: x-large; letter-spacing: 0ex; padding-left: 0ex">Wolfgang Amadeus Mozart,</span><br />
+<span style="font-size: small">aus</span><br />
+<span style="font-size: large">Originalquellen,</span></h1>
+
+
+<p class="writtenby">von</p>
+
+<p class="author">Franz Xav. N&#283;metschek,<br />
+<span class="smaller">Professor an der Universit&auml;t zu Prag.</span></p>
+
+<p class="auflage">Zweite vermehrte Auflage.</p>
+
+<p class="publisher"><em class="gesperrt">Prag</em> 1808,<br />
+<em class="gesperrt">in der Herrlischen Buchhandlung.</em></p>
+
+<!--
+<p>[Blank Page]</p>
+-->
+
+
+
+
+<p class="newsection"><span class="pagenum"><a name="Page_1" id="Page_1">[1]</a></span>
+<span class="dropcap">D</span>ie Nachwelt hat &uuml;ber den Rang bereits entschieden,
+der <em class="gesperrt">Mozarten</em> als K&uuml;nstler geb&uuml;hrt.
+Einzig, un&uuml;bertroffen steht er, ein Raphael seiner
+Kunst, unter den glorreichen Genien <em class="gesperrt">H&auml;ndel</em>,
+<em class="gesperrt">Cimarosa</em>, <em class="gesperrt">Gluck</em>, <em class="gesperrt">Hayden</em>, oben
+an; sein Ruhm erf&uuml;llt die ganze gebildete
+Welt.</p>
+
+<p>Aber <em class="gesperrt">Mozart</em> als Mensch ist nicht minder
+interessant: die fr&uuml;he Entwicklung und die schnelle
+Reife seines wunderbaren Genies biethet dem
+Forscher der menschlichen Natur lehrreichen Stoff
+zum Nachdenken dar. In beider Hinsicht darf
+sich diese biographische Skizze versprechen der
+Aufmerksamkeit des Publikums nicht unwerth
+zu seyn.</p>
+
+
+
+<h2><span class="pagenum"><a name="Page_2" id="Page_2">[2]</a></span><a name="I" id="I"></a>I.<br />
+<span class="caption">Die Jugend Mozarts.</span></h2>
+
+
+<p class="newsection"><span class="dropcap">D</span>er Vater dieses au&szlig;erordentlichen Genies,
+Leopold Mozart, war der Sohn eines Buchbinders
+zu Augsburg; er studirte zu Salzburg, und
+kam im Jahre 1743 als Hofmusikus in die
+f&uuml;rstl. Kapelle. Sein Talent verbunden mit einem
+rechtschaffenen Charakter verschaffte ihm
+1762 die Stelle des zweiten Kapellmeisters. Er
+war mit Anna Bertlinn verheurathet; beyde
+waren von einer so vortheilhaften K&ouml;rpergestalt,
+da&szlig; man sie zu ihrer Zeit f&uuml;r das sch&ouml;nste Ehepaar
+in Salzburg hielt.</p>
+
+<p>Leopold Mozart besch&auml;ftigte sich mit dem
+Hofdienste, die &uuml;brigen Stunden wendete er auf
+Komposition und Violinunterweisung. Welch
+ein vorz&uuml;glicher Kenner dieses Instruments er gewesen
+sey, beweiset die allgemein bekannte <em class="gesperrt">Violinschule</em>,
+<span class="pagenum"><a name="Page_3" id="Page_3">[3]</a></span>die er 1766 herausgab, und die im
+Jahre 1770, und zu unserer Zeit das drittemal
+in Wien aufgelegt wurde.</p>
+
+<p>Er zeugte 7 Kinder; aber nur 2 blieben am
+Leben; ein M&auml;dchen und ein Knabe. Der
+Sohn der im Jahr 1756 am 27sten J&auml;nner gebohren
+ward, hie&szlig; Wolfgang Gottlieb, oder
+<em class="gesperrt">Amadeus</em>; die Schwester, die &auml;lter war,
+Maria Anna.</p>
+
+<p>Da der Vater bald an den beyden Kindern
+ein vorz&uuml;gliches Talent zur Musik bemerkte, so
+gab er alle Lektionen und ausw&auml;rtige Gesch&auml;fte
+au&szlig;er seinem Dienste auf, und widmete sich ausschlie&szlig;lich
+der musikalischen Erziehung dieses
+Kinderpaares.</p>
+
+<p>Dieser vortrefflichen Leitung mu&szlig; der ungew&ouml;hnlich
+hohe Grad der Vollkommenheit, zu
+dem Mozarts Genie sich so bald empor schwang,
+zugeschrieben werden. Die Natur vermag freylich
+viel &#8211; aber verwahrlost, oder zu einer andern
+Richtung gezwungen, verliert sie vieles von
+ihrer urspr&uuml;nglichen Kraft. Auf die ersten
+Ideenreihen und Eindr&uuml;cke kommt es bekannterma&szlig;en
+bey der Erziehung der Kinder am meisten
+an; denke man sich nun ein so gro&szlig;es nat&uuml;rliches
+Talent, als Mozart besa&szlig;, in so g&uuml;nstigen
+Umst&auml;nden, so wird man bald von dem Erstaunen,
+in welches uns das Unbegreifliche seiner
+Aeu&szlig;erungen und Begebenheiten versetzt, zur&uuml;ck
+<span class="pagenum"><a name="Page_4" id="Page_4">[4]</a></span>kommen, und den Thatsachen, die ich zu erz&auml;hlen
+im Begriffe bin, gern Glauben beimessen.
+Die ersten Eindr&uuml;cke, die sein Ohr auffa&szlig;te,
+waren Harmonien und Gesang; Musik waren
+die ersten Worte und Ideen, die er begriff! So
+mu&szlig;te der himmlische Funke, den die Gottheit
+in den Busen dieses den T&ouml;nen geweihten Knaben
+gelegt hatte, sehr fr&uuml;h aufwachen und in
+helle Flammen schlagen. Die gr&uuml;ndlichen Kenntnisse
+seines sorgsamen Vaters kamen &uuml;berall dem
+aufwachenden Genie entgegen; so wuchs er auf,
+so reifte er schneller, als die blo&szlig;e Natur zu reifen
+vermag.</p>
+
+<p>Mozart war eben 3 Jahr alt, als seine 7&nbsp;j&auml;hrige
+Schwester den ersten Unterricht auf dem
+Klaviere bekam; und hier &auml;u&szlig;erte sich zuerst das
+Genie des Knaben. Er setzte sich oft freywillig
+zu dem Klavier und besch&auml;ftigte sich stundenlang
+mit der Zusammenstimmung der <em class="gesperrt">Terzen</em>, die
+er dann, wenn er sie fand, anschlug, und in
+lebhafte Freude ausbrach. Nun fing also der
+Vater an ihm leichte St&uuml;cke spielend beyzubringen;
+und er fand zu seinem freudevollen Erstaunen,
+da&szlig; der Sch&uuml;ler alle menschliche Erwartung
+&uuml;bertraf; er lernte gew&ouml;hnlich in einer
+Stunde ein Menuet, oder ein Liedchen, und
+trug es dann mit dem angemessenen Ausdrucke
+vor.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_5" id="Page_5">[5]</a></span>Jeder Leser wird es wahrscheinlich finden,
+wenn ich sage, da&szlig; der kleine Mozart, das lebhafteste
+Temperament, und ein sehr z&auml;rtliches
+Gef&uuml;hl hatte. Seinen kindischen Spielen ergab
+er sich mit einer Innigkeit, die ihn auf alles &uuml;brige
+vergessen lie&szlig;, und Liebe f&uuml;r alle Personen
+die um ihn waren, oder sich mit ihm abgaben
+war sein herrschender Hang; er fragte jeden,
+der mit ihm umgieng, ob er ihn lieb habe, und
+vergo&szlig; gleich Z&auml;hren, wenn man es scherzweise
+verneinte.</p>
+
+<p>Ueberhaupt ergab sich Mozart schon als Kind
+und Knabe allen Dingen und Personen, an denen
+sein Geist Interesse fand, mit der ganzen
+warmen und lebhaften Innigkeit, deren ein so
+zartorganisirter Mensch f&auml;hig ist. Dieser Zug
+blieb stets auch an dem Manne das unterscheidende
+Merkmal &#8211; und war oft sein Ungl&uuml;ck.</p>
+
+<p>Im 6ten Jahre kam er schon in der Musik
+so weit, da&szlig; er selbst kleine St&uuml;cke auf dem Klavier
+komponirte, die dann sein Vater in Noten
+setzen mu&szlig;te. Von diesem Zeitpunkte an empfand
+er nichts so lebhaft, als T&ouml;ne, und jede
+andere Spielerey, die sonst Kinder freut, war
+ihm gleichgiltig, sobald nicht Musik dabey war.</p>
+
+<p>Die t&auml;glichen Fortschritte die er darinn
+machte, setzten oft den Vater, der doch best&auml;ndig
+um ihn war, und jeden Schritt beobachtete,
+in das &uuml;berraschendeste Erstaunen; denn es waren
+<span class="pagenum"><a name="Page_6" id="Page_6">[6]</a></span>nicht Fortschritte eines gew&ouml;hnlichen geschickten
+Lehrlings, sondern Riesenschritte eines Genies,
+dessen Gr&ouml;&szlig;e selbst sein Vater und Erzieher
+nicht ahnden konnte, weil seine Entwickelung
+und Aeu&szlig;erung auch den gr&ouml;&szlig;ten Erwartungen
+zuvor kam. Folgende Begebenheit, die
+auch Schlichtegroll in seinem Nekrolog erz&auml;hlt,
+und die mir von mehreren Personen best&auml;ttiget
+wurde, mag zum Beweise dienen.</p>
+
+<p>Als Wolfgang ungef&auml;hr im 6ten Jahre seines
+Alters war, kam einst sein Vater, aus der
+Kapelle mit einem Freunde nach Hause zur&uuml;ck;
+sie trafen den kleinen Tonk&uuml;nstler mit der Feder
+in der Hand besch&auml;ftiget an. Der Vater fragte
+ihn was er denn mache.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Wolfg.</em> Ein Conzert f&uuml;rs Klavier.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Vat.</em> La&szlig; sehen; das wird wohl was
+Sauberes seyn.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Wolfg.</em> Es ist noch nicht fertig.</p>
+
+<p>Nun nahm es der Vater in die Hand, und
+fand ein Geschmiere von Noten und ausgewischten
+Tintenflecken; denn der kleine Komponist
+wu&szlig;te mit der Feder noch nicht recht umzugehen;
+er tauchte sie zu tief in der Tinte ein und machte
+dann freylich immer Flecke auf das Papier,
+die er mit der Hand auswischte, und so weiter
+darauf fortschrieb. Als aber der Vater etwas
+aufmerksamer die Komposition betrachtete, blieb
+sein Blick vom angenehmen Erstaunen und einer
+<span class="pagenum"><a name="Page_7" id="Page_7">[7]</a></span>unbeschreiblichen R&uuml;hrung darauf gefesselt, und
+helle Thr&auml;nen der Freude traten in seine Augen.</p>
+
+<p>Sehen Sie Freund! sprach er dann l&auml;chelnd,
+wie alles richtig und nach den Regeln gesetzt ist;
+nur kann man es nicht brauchen, weil es so
+schwer ist, da&szlig; es sich nicht spielen l&auml;&szlig;t.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Wolfg</em>. Daf&uuml;r ist es auch ein Konzert;
+man mu&szlig; so lange exerzieren, bis man es heraus
+bringt. Sehen Sie, so mu&szlig; es gehen.</p>
+
+<p>Hier fieng er es an zu spielen, konnte aber
+auch selbst kaum so viel vorbringen, als man erkennen
+konnte, was seine Gedanken gewesen
+sind. Denn er hatte die Meynung, ein Conzert
+spielen, und Mirakel wirken sey alles eins.</p>
+
+<p>Zu dieser Zeit hatte es der Knabe schon so
+weit in der Musik gebracht, da&szlig; der Vater ohne
+Bedenken auch das Ausland zum Zeugen der
+au&szlig;erordentlichen Talente seines Sohnes machen
+konnte.</p>
+
+<p>Die erste Reise, die er mit ihm und seiner
+Schwester unternahm, war nach M&uuml;nchen, im
+Jahre 1762. Hier spielte Wolfgang vor dem
+Churf&uuml;rsten ein Conzert, und erndete sammt seiner
+Schwester die gr&ouml;&szlig;te Bewunderung ein.</p>
+
+<p>Die zweyte Reise geschah im Herbste des
+nemlichen Jahres, also auch im 6ten Jahre seines
+Alters nach Wien, wo die beyden kleinen
+Virtuosen dem kaiserlichen Hof vorgestellet
+wurden.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_8" id="Page_8">[8]</a></span>Eine verehrungsw&uuml;rdige Dame, die damals
+am Hofe war, versicherte mich, da&szlig; beyde Kinder
+ein allgemeines Erstaunen erregt haben; man
+konnte kaum seinen Augen und Ohren trauen,
+wenn sie sich produzirten. Vorz&uuml;glich hat der
+verewigte Sch&auml;tzer der K&uuml;nste, Kaiser Franz&nbsp;I.
+an dem kleinen Hexenmeister, (wie er ihn scherzweise
+nannte,) viel Wohlgefallen gefunden.
+Er unterhielt sich vielmal mit ihm. Alle Anekdoten
+die Herr Schlichtegroll bey dieser Gelegenheit
+erz&auml;hlet, sind mir als wahr best&auml;ttiget
+worden.</p>
+
+<p>Der Kaiser hat unter andern mit ihm gescherzt,
+es seye wohl keine so au&szlig;erordentliche
+Kunst zu spielen; wenn man auf die Klaviatur
+schauen kann, aber bey verdeckter Klaviatur &#8211;
+das w&auml;re etwas? Mozart war damit nicht in
+Verlegenheit gesetzt: er l&auml;&szlig;t sich die Klaviatur
+bedecken und spielt eben so gut, wie vorher.</p>
+
+<p>Auch die&szlig; sey noch nichts besonderes, versetzte
+der Kaiser, wenn man mit allen Fingern
+spielt; aber mit einem einzigen zu spielen, das
+w&auml;r erst Kunst.</p>
+
+<p>Auch diese Zumuthung machte den Knaben
+nichts weniger als verlegen &#8211; er versuchte es
+mit Entschlossenheit auf der Stelle, und spielte
+zur Verwunderung mehrere St&uuml;cke auf diese Art
+mit Nettigkeit aus. Schon damals &auml;u&szlig;erte er
+einen Charakterzug, der ihm stets eigen geblieben
+<span class="pagenum"><a name="Page_9" id="Page_9">[9]</a></span>ist; nemlich die Verachtung alles <em class="gesperrt">Lobes</em>
+der Gro&szlig;en, und eine gewisse Abneigung vor
+Ihnen, wenn sie nicht Kenner zugleich waren,
+zu spielen. Mu&szlig;te er es dennoch, so spielte er
+nichts als T&auml;ndeleyen, Tanzst&uuml;cke u.&nbsp;d.&nbsp;gl. unbedeutende
+Sachen. Aber, wenn Kenner zugegen
+waren, so war er ganz Feuer und Aufmerksamkeit.</p>
+
+<p>Diese Eigenheit behielt er bis zu seinem Tode,
+wie wir es bey seinem dreymaligen Aufenthalt
+in Prag sehr oft erfahren haben.</p>
+
+<p>So geschah es auch damals bey dem Kaiser
+Franz. Als er sich zum Klavier setzte um ein
+Konzert zu spielen, und der Kaiser bey ihm
+stand, sagte Mozart: &raquo;Ist Herr Wagenseil nicht
+hier? der versteht es.&laquo; Wagenseil kam, und
+der kleine Virtuose sagte: &raquo;Ich spiele ein Conzert
+von Ihnen, Sie m&uuml;ssen mir umwenden.&laquo;</p>
+
+<p>Auch folgende Anekdote kann vielleicht zu
+seiner Schilderung beitragen.</p>
+
+<p>Unter allen Erzherzoginnen nahm ihn Antoinette,
+die nachmalige K&ouml;niginn von Frankreich
+am meisten ein, und er hatte eine besondere
+Z&auml;rtlichkeit f&uuml;r sie. Als er einst in den Zimmern
+der h&ouml;chstseligen Kaiserinn Maria Theresia
+war, und von den kleinen Prinzen und Prinzessinnen
+herum gef&uuml;hrt wurde, hatte er das Ungl&uuml;ck,
+des Gehens am gegl&auml;tteten Fu&szlig;boden ungewohnt,
+zu fallen. Niemand war gesch&auml;ftiger
+<span class="pagenum"><a name="Page_10" id="Page_10">[10]</a></span>ihm beyzuspringen und aufzuhelfen, als die kleine
+Erzherzoginn Antoinette; die&szlig; r&uuml;hrte sein
+kleines Herz so sehr, da&szlig; er gerade zu der Monarchin
+eilte, und mit viel Begeisterung die G&uuml;te
+des Herzens dieser Prinzessinn erhob. Wer
+h&auml;tte einem solchen Kinde nicht gut werden
+sollen?</p>
+
+<p>Die beyspiellose Fertigkeit, mit welcher er
+das Klavier behandelte, und der hohe Grad der
+Kenntni&szlig; der Kunst, die er in einem Alter erreichte,
+wo Kinder sonst noch kaum einen Kunsttrieb
+&auml;u&szlig;ern, war bewundernsw&uuml;rdig genug; ja
+es lie&szlig; sich wohl kaum etwas Gr&ouml;&szlig;ers erwarten.
+Aber der wunderbare Geist der T&ouml;ne, der in
+ihn von dem Sch&ouml;pfer gelegt ward, schritt alle
+gew&ouml;hnliche Schranken &uuml;ber, und ging, da er
+einmal erwacht war, allem Unterrichte voran.
+Was man ihn lehren wollte, das war seinem
+Geiste schon wie bekannt, und er schien sich nur
+daran zu besinnen!</p>
+
+<p>Der Unterricht diente ihm also nur als Reizmittel,
+und zur Berichtigung des Geschmackes.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Mozart</em> spielte bisher kein anderes Instrument
+als das Klavier; aber er konnte auch schon
+geigen, bevor es sein Vater wahrnahm, oder
+ihm irgend eine Anweisung auf der Violine gegeben
+hatte. Ich will den Vorfall, der dieses
+offenbarte mit den Worten des Nekrologes erz&auml;hlen.
+&#8211; &raquo;Mozart hatte aus Wien eine kleine
+<span class="pagenum"><a name="Page_11" id="Page_11">[11]</a></span>Geige mitgebracht, die er dort geschenkt bekommen
+hatte. Kurz als die Familie wieder nach
+Salzburg zur&uuml;ck gekehrt war, kam <em class="gesperrt">Wenzl</em>
+ein geschickter Geiger und Anf&auml;nger in der
+Komposition zu dem Vater Mozart, und bath
+sich dessen Erinnerungen &uuml;ber 6 Trios aus, die
+er w&auml;hrend der Abwesenheit der Mozartischen
+Familie gesetzt hatte.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<em class="gesperrt">Schachtner</em>, ein noch lebender Hoftrompeter
+in Salzburg, den der kleine Mozart besonders
+liebte, war eben gegenw&auml;rtig. Der
+Vater,&laquo; so erz&auml;hlte dieser glaubw&uuml;rdige Augenzeuge,
+&raquo;spielte mit der Viola den Ba&szlig;,
+Wenzl die erste Violin, und ich sollte die zweyte
+spielen. Der kleine Wolfgang bath, da&szlig;
+er doch die zweyte Violin spielen d&uuml;rfte. Aber
+der Vater verwie&szlig; ihm seine kindische Bitte,
+weil er noch keine ordentliche Anweisung auf
+der Violin gehabt h&auml;tte und daher unm&ouml;glich
+etwas Gutes herausbringen k&ouml;nnte. Der Kleine
+erwiederte, da&szlig;, um die 2te Violin zu spielen
+man es ja wohl nicht erst gelernet zu haben
+brauche; aber der Vater hie&szlig; ihn halb in Unwillen
+davon gehen und ihn nicht weiter st&ouml;ren.
+Der Kleine fing an bitterlich zu weinen,
+und lief mit seiner kleinen Geige davon. Ich
+bath, man m&ouml;chte ihn doch mit mir spielen
+lassen; endlich willigte der Vater ein, und
+sagte zu ihm: Nun so geige nur mit Herrn
+<span class="pagenum"><a name="Page_12" id="Page_12">[12]</a></span>Schachtner, jedoch so stille, da&szlig; man dich nicht
+h&ouml;re, sonst mu&szlig;t du gleich fort. Wir spielten
+und der kleine Mozart geigte mit mir, doch bald
+bemerkte ich, da&szlig; ich da ganz &uuml;berfl&uuml;ssig sey.
+Ich legte meine Geige weg und sah den Vater
+an, dem bey dieser Scene Thr&auml;nen der ger&uuml;hrten
+Z&auml;rtlichkeit aus dem v&auml;terlichen Auge &uuml;ber
+die Wangen rollten. So spielte Wolfgang alle
+6 Trios durch. Nach deren Endigung wurde
+er durch unsern Beyfall so k&uuml;hn, da&szlig; er behauptete,
+auch die erste Violin spielen zu k&ouml;nnen.
+Wir machten zum Scherz einen Versuch,
+und mu&szlig;ten herzlich lachen, als er auch diese,
+wiewohl mit lauter unrechten und unregelm&auml;&szlig;igen
+Applikaturen, doch aber so spielte, da&szlig; er
+nie v&ouml;llig stecken blieb.&laquo;</p>
+
+<p>Mit welcher bewundernsw&uuml;rdigen Genauigkeit
+sein Ohr auch den feinsten Unterschied der
+T&ouml;ne ma&szlig;, wie unglaublich sicher sein Ged&auml;chtni&szlig;
+T&ouml;ne behielt, beweiset folgender Vorfall,
+der sich fast um gleiche Zeit ereignete.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Schachtner</em>, der erw&auml;hnte Freund des
+Mozartschen Hauses, und der Liebling des kleinen
+Wolfgangs, besa&szlig; eine Violin, die dieser
+ihres sanften Tones wegen vorz&uuml;glich liebte, und
+die Buttergeige nannte. Er spielte eines Tages
+darauf. In einigen Tagen kam Schachtner wieder,
+und traf den Wolfgang auf seiner eigenen
+kleinen Geige phantasirend an.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_13" id="Page_13">[13]</a></span>&raquo;Was macht ihre Buttergeige?&laquo; sagte Wolfgang
+und fuhr in seiner Phantasie fort. Nach
+einer kleinen Pause, wo er sich auf etwas zu
+besinnen schien, sagte er weiter:</p>
+
+<p>Wenn sie aber nur ihre Geige immer in
+gleicher Stimmung lie&szlig;en; sie war das letztemal,
+als ich auf ihr spielte, um einen Viertelton
+tiefer, als meine da. Man l&auml;chelte &uuml;ber diese
+dreiste Behauptung in einer Sache, wo das ge&uuml;bteste
+K&uuml;nstlerohr kaum einen Unterschied zu bemerken
+im Stande ist.</p>
+
+<p>Der Vater aber, der schon oft durch &auml;hnliche
+Aeu&szlig;erungen des gro&szlig;en Tongef&uuml;hls seines
+Sohnes &uuml;berrascht wurde, h&auml;lt es der M&uuml;he
+werth die Angabe zu pr&uuml;fen. Die Geige wird
+gebracht, und zum allgemeinen Erstaunen traf
+die Angabe mathematisch richtig ein.</p>
+
+<p>Bey allen diesen Fertigkeiten, bey diesem au&szlig;erordentlich
+gro&szlig;en Talent, besa&szlig; der kleine
+Mozart einen Flei&szlig;, der f&uuml;r seinen zarten K&ouml;rperbau
+vielleicht zu gro&szlig; war. Man mu&szlig;te ihn
+Abends vom Klavier wegrufen, oft mit Ernst
+wegjagen, sonst h&auml;tte ihn die aufgehende Sonne
+vielleicht noch bey demselben angetroffen.</p>
+
+<p>Diese Vergessenheit seiner selbst, wenn er sich
+mit Musik besch&auml;ftigte, blieb ihm bis an sein
+Ende eigen; er sa&szlig; t&auml;glich am Fortepiano bis
+in die sp&auml;te Nacht. Ein sicheres Kennzeichen
+des Genies, welches seinen Gegenstand immer
+<span class="pagenum"><a name="Page_14" id="Page_14">[14]</a></span>mit der ganzen Kraft der Seele umfa&szlig;te, und
+seiner selbst verga&szlig;.</p>
+
+<p>Man darf jedoch nicht glauben, da&szlig; er nicht
+auch zu andern Sachen f&auml;hig war; alles was er
+lernte, begriff er leicht, und ergab sich dem Gegenstande
+mit einem Eifer und Feuer, dessen
+Grund in seiner empfindsamen Organisation
+lag. So bemahlte er St&uuml;hle, Tische und den
+Fu&szlig;boden mit Ziffern, als er rechnen lernte,
+und dachte und redete von nichts andern, als
+von arithmetischen Aufgaben; er ward nach der
+Zeit einer der ge&uuml;btesten Rechenmeister.</p>
+
+<p>Dabey war er so gehorsam und nachgiebig
+gegen seine Eltern, da&szlig; man nie sinnlicher
+Strafen bedurfte, und da&szlig; er selbst keine E&szlig;waare
+ohne Erlaubni&szlig; des Vaters annahm
+oder verzehrte.</p>
+
+<p>Sobald sein gro&szlig;es Talent etwas bekannt
+wurde, so mu&szlig;te er oft ganze Tage sich vor
+Fremden h&ouml;ren lassen: und doch zeigte er nie
+Unwillen, wenn ihn der Befehl seines Vaters
+wieder an das Klavier gehen hie&szlig;. Gegen seine
+Gespielen war er immer voll Freundlichkeit und
+Wohlwollen, und hieng an ihnen mit der ganzen
+gro&szlig;en Z&auml;rtlichkeit seines Herzen; selbst in
+kindischen Unterhaltungen zeigte sich sein Geist
+der Musik, von der immer etwas mit dabey
+seyn mu&szlig;te.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_15" id="Page_15">[15]</a></span>Im siebenten Jahre seines Alters, das ist,
+im Jahr 1763 machte Mozart mit seinen beyden
+Kindern die erste gr&ouml;&szlig;ere musikalische Reise
+in Deutschland. Durch diese wurde der Ruhm
+des jungen Meisters allgemein verbreitet. Er
+zeigte seine Talente und Fertigkeiten vorz&uuml;glich in
+<em class="gesperrt">M&uuml;nchen</em>, wo er auch ein Violin-Konzert
+vor dem Churf&uuml;rsten spielte und dazu aus dem
+Kopfe pr&auml;ambulirte; dann in <em class="gesperrt">Augsburg</em>,
+<em class="gesperrt">Manheim</em>, <em class="gesperrt">Mainz</em>, <em class="gesperrt">Frankfurt</em>, <em class="gesperrt">Koblenz</em>,
+<em class="gesperrt">K&ouml;lln</em>, <em class="gesperrt">Achen</em> und <em class="gesperrt">Br&uuml;ssel</em>.</p>
+
+<p>Von da giengen sie im November nach Frankreich,
+wo sich die Familie 21&nbsp;Wochen aufhielt.
+Zu Versailles lie&szlig; sich der kleine 8&nbsp;j&auml;hrige Mozart
+in der k&ouml;nigl. Kapelle vor dem K&ouml;nige und
+dem ganzen Hofe auf der Orgel h&ouml;ren. Man
+sch&auml;tzte zu dieser Zeit sein Orgelspiel noch h&ouml;her
+als das Klavierspiel.</p>
+
+<p>In Paris gaben sie zwei Akademien f&uuml;rs
+Publikum, wovon die Folge war, da&szlig; alsogleich
+der Vater sammt den beyden Kindern in
+Kupfer gestochen erschienen, und da&szlig; man allgemein
+in Bewunderung und Lobeserhebung derselben
+wetteiferte. Hier gab auch Wolfgang Mozart
+seine ersten Kompositionen in Stich heraus.
+Das erste Werk dedicirte er der Madame Viktoire,
+der zweyten Tochter des K&ouml;nigs, das andere
+der Gr&auml;finn Tesse. Es sind Sonaten f&uuml;r
+das Klavier.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_16" id="Page_16">[16]</a></span>Von Paris ging die Familie den 10. April
+1764 nach England. Noch in demselben Monate
+lie&szlig;en sich die Kinder vor der k&ouml;niglichen
+Familie h&ouml;ren; so auch im folgenden, wobei zugleich
+Mozart auf der Orgel des K&ouml;nigs spielen
+mu&szlig;te. Darauf gaben sie ein gro&szlig;es Konzert
+f&uuml;r das Publikum zu ihrem Besten; ein anderes
+zum Nutzen des Hospitals der W&ouml;chnerinnen:
+in beyden waren alle Sinfonien von der Komposition
+des Sohnes. Dann spielten sie noch
+einmal vor dem K&ouml;nig und dem vornehmsten
+Adel.</p>
+
+<p>Der ungew&ouml;hnliche Beyfall und die Bewunderung,
+zu welcher solche Wundertalente das
+Publikum &uuml;berall hingerissen haben, waren f&uuml;r
+den jungen Mozart Antrieb und Reiz sich immer
+vollkommener zu machen. Er sang auch mit der
+gr&ouml;&szlig;ten Empfindung Arien &#8211; und es war gewi&szlig;
+ein r&uuml;hrendes Schauspiel dieses kleine Virtuosenpaar
+auf 2&nbsp;Klavieren konzertieren, oder
+im Gesange wetteifern zu h&ouml;ren! der Sohn war
+schon so weit in der Kunst gekommen, da&szlig; er
+die schwersten St&uuml;cke von den gr&ouml;&szlig;ten Meistern
+vom Blatte wegspielen konnte; in Paris und
+London legte man ihm Sachen vom <em class="gesperrt">H&auml;ndel</em>
+und <em class="gesperrt">Bach</em> vor, die er mit Akkuratesse und dem
+angemessenen Vortrage zur Verwunderung jedes
+Kenners vom Blatt wegspielte.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_17" id="Page_17">[17]</a></span>Als er bei dem K&ouml;nige von England spielte,
+legte man ihm unter andern einen <em class="gesperrt">blo&szlig;en
+Ba&szlig;</em> vor, wozu er auf der Stelle eine vortreffliche
+Melodie erfand und zugleich vortrug.</p>
+
+<p>W&auml;hrend dieses Aufenthalts in England
+schrieb er 6&nbsp;Klavier-Sonaten, die er in London
+stechen lie&szlig; und der K&ouml;nigin dedizirte.</p>
+
+<p>Den Sommer des Jahrs 1765 brachte
+die Familie in <em class="gesperrt">Flandern</em>, <em class="gesperrt">Brabant</em> und
+<em class="gesperrt">Holland</em> zu. W&auml;hrend einer gef&auml;hrlichen
+Krankheit, (<em class="gesperrt">Blattern waren es</em>), welche
+die beyden Kinder einige Monathe lang auf das
+Krankenbette fesselte, fing Wolfgang andere 6&nbsp;Klavier-Sonaten
+an; und als er sie nach der
+Krankheit vollendet hatte, lie&szlig; er sie stechen,
+und dedizirte sie der Prinzessin von Nassau-Weilburg.
+In dieser Krankheit zeigte sich die immer
+rege Th&auml;tigkeit seines harmonischen Geistes sehr
+auffallend: denn da er das Bette nicht verlassen
+durfte, so mu&szlig;te man ihm ein Brett &uuml;ber das Lager
+richten, auf welchem er schreiben konnte;
+und selbst als seine kleinen Finger noch voll Pocken
+waren, konnte man ihn kaum vom Spielen und
+Schreiben abhalten. Diese Anekdote ist aus dem
+Munde eines sehr glaubw&uuml;rdigen Zeugen.</p>
+
+<p>Zu dem Installationsfeste des Prinzen von
+Oranien, im Anfange des Jahrs 1766, setzte
+der junge Mozart einige Sinfonien, Variationen
+und Arien.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_18" id="Page_18">[18]</a></span>Nachdem er einigemal bey dem Erbstatthalter
+gespielt hatte, gieng die Familie wieder nach
+Frankreich, blieb einige Zeit in <em class="gesperrt">Paris</em>, und
+reiste &uuml;ber <em class="gesperrt">Lyon</em> und die <em class="gesperrt">Schweiz</em> nach
+<em class="gesperrt">Schwaben</em>, wo sie einige Zeit in Donaueschingen
+bey dem F&uuml;rsten von F&uuml;rstenberg verweilten,
+und dann zu Ende des Jahrs 1766
+nach einer Abwesenheit von 3&nbsp;Jahren wieder in
+Salzburg eintrafen.</p>
+
+<p>Hier blieb nun die Mozartische Familie mehr
+als ein Jahr in Ruhe. Diesen Zeitraum der
+Musse wendete der junge K&uuml;nstler auf das h&ouml;here
+Studium der Komposition, deren gr&ouml;&szlig;te Tiefen
+er nun bald ergr&uuml;ndet hatte. <em class="gesperrt">Emmanuel
+Bach</em>, <em class="gesperrt">Hasse</em> und <em class="gesperrt">H&auml;ndel</em> waren seine
+M&auml;nner &#8211; ihre Werke sein unabl&auml;ssiges Studium!
+Er vernachl&auml;ssigte auch nicht die alten italienischen
+Meister, deren Vorz&uuml;ge in R&uuml;cksicht der
+Melodie und der Gr&uuml;ndlichkeit des Satzes so auffallend
+gegen die heutigen Italiener abstechen.
+So schritt er immer n&auml;her zu der Stufe der Vollkommenheit,
+auf der ihn bald darauf die Welt
+als eine seltene Erscheinung erblickte.</p>
+
+<p>Im folgenden Jahre 1768 gieng Mozart
+nach Wien und spielte vor dem Kaiser <em class="gesperrt">Joseph</em>,
+der dem 12&nbsp;j&auml;hrigen Knaben den Auftrag gab,
+eine <em class="antiqua">Opera buffa</em> zu schreiben. Sie hie&szlig; <em class="antiqua">La
+finta semplice</em>, und erhielt den Beyfall des
+<span class="pagenum"><a name="Page_19" id="Page_19">[19]</a></span>Kapellmeisters Hasse und Metastasios, wurde
+aber nicht aufgef&uuml;hrt.</p>
+
+<p>Bey diesem Aufenthalte zu Wien war er oft
+bey dem Dichter Metastasio, der ihn sehr liebte,
+bey dem Kapellmeister Hasse und dem F&uuml;rsten
+Kaunitz; hier gab man ihm oft die erste beste
+italienische Arie, zu welcher Wolfgang auf der
+Stelle in Gegenwart aller Anwesenden die
+Musik mit allen Instrumenten setzte. Dieses
+Faktum best&auml;ttigen mehrere noch lebende verehrungsw&uuml;rdige
+Zeugen, aus deren Mund ich die
+Anekdote geh&ouml;rt habe.</p>
+
+<p>Zu der Einweihung der Kirche des Waisenhauses,
+welche zu dieser Zeit gefeyert wurde,
+komponirte der zw&ouml;lfj&auml;hrige Meister Mozart die
+Kirchenmusik, und dirigirte ihre Auff&uuml;hrung in
+Gegenwart des ganzen kaiserlichen Hofes.</p>
+
+<p>Das Jahr 1769 brachte er mit seinem
+Vater in Salzburg zu, theils in vollkommener
+Erlernung der italienischen Sprache, theils in
+der Fortsetzung des h&ouml;hern Studium seiner Kunst.
+In demselben Jahre wurde er zum Konzertmeister
+bey dem Salzburgischen Hofe ernannt.</p>
+
+<p>Mozart hatte nun die ansehnlichsten L&auml;nder
+Europens gesehen; der Ruhm seines gro&szlig;en,
+fr&uuml;h gereiften K&uuml;nstlertalents bl&uuml;hte bereits von
+den Ufern der Donau bis zur Seine und der
+Themse hin; aber er war noch nicht in dem
+Vaterlande der Musik gewesen. Italiens Beyfall
+<span class="pagenum"><a name="Page_20" id="Page_20">[20]</a></span>und Bewunderung mu&szlig;te erst der Urkunde
+seines Ruhmes das Siegel aufdr&uuml;cken. Auch
+war es seinem nach Vollkommenheit strebenden
+Geiste daran gelegen, die Bl&uuml;the der Tonkunst
+&#8211; den Gesang in seinem nat&uuml;rlichen Boden
+zu beobachten, und die vielen gro&szlig;en M&auml;nner,
+die damals noch Italiens Ruhm in der Musik
+st&uuml;tzten, zu kennen &#8211; und von ihnen zu lernen.</p>
+
+<p>Im Dezember des n&auml;mlichen Jahres verlie&szlig;
+also Mozart blos in Begleitung seines Vaters,
+Salzburg. Sein erster Aufenthalt war
+Inspruck, wo er in einer Akademie bey dem
+Grafen K&uuml;nigl ein Konzert <em class="antiqua">primi vista</em> mit
+vieler Leichtigkeit spielte. Von da giengen sie
+nach Mailand.</p>
+
+<p>Hatte in Frankreich und England sein gro&szlig;es
+Genie und die seltenen Kunst-Fertigkeiten
+Bewunderung erregt, so war es in Italien
+feuriger Enthusiasmus, mit dem man ihn aufnahm
+und erhob! Selbst der m&auml;chtige Nationalstolz,
+und das Vorurtheil des Ultramontanismus
+wich besiegt von den gl&auml;nzenden Talenten des 12&nbsp;j&auml;hrigen
+Knaben; er schien eine Erscheinung vom
+Himmel, ein h&ouml;herer Genius der Tonkunst zu
+seyn!</p>
+
+<p>So gro&szlig; war die Ueberlegenheit seines Genies,
+da&szlig; ihm zu Mailand nach einigen &ouml;ffentlichen
+Proben seiner Kunst, gleich die <em class="antiqua">Scrittura</em>
+zu der <em class="antiqua">Opera seria</em> f&uuml;r den k&uuml;nftigen Karneval
+<span class="pagenum"><a name="Page_21" id="Page_21">[21]</a></span>1771 gegeben ward. Von da reisete er schon
+im M&auml;rz 1770 nach Bologna &#8211; eine Stadt
+die nebst Neapel den gr&ouml;&szlig;ten Ruhm der Musik
+hatte.</p>
+
+<p>Hier fand der junge K&uuml;nstler einen enthusiastischen
+Bewunderer an dem ber&uuml;hmten Kapellmeister
+Pater <em class="gesperrt">Martini</em>,<a name="FNanchor_1_1" id="FNanchor_1_1"></a><a href="#Footnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a> dem gr&ouml;&szlig;ten
+Kontrapunktisten und einem ber&uuml;hmten Schriftsteller
+in der Musik. K&uuml;nstler von wahrem Verdienst
+ehren einander &uuml;berall! Auch haben es die
+Italiener nicht nur an Mozart, sondern auch
+an unserm Landsmann Misliweczek bewiesen,
+da&szlig; sie gro&szlig;e Talente, wenn sie auch au&szlig;er Italien
+entsprossen sind, zu sch&auml;tzen verstehen. Wie
+gro&szlig; war die Achtung, in der dieser ber&uuml;hmte
+B&ouml;hme in Neapel und Rom stand?</p>
+
+<p>Abbate <em class="gesperrt">Martini</em> war nebst den andern
+Kapellmeistern au&szlig;er sich vor Bewunderung, als
+der junge Mozart &uuml;ber jedes Fugenthema, das
+ihm Martini hinschrieb, die geh&ouml;rige Eintheilung
+und Disposition nach der ganzen Strenge
+der Kunst angab, und die Fuge augenblicklich
+auf dem Klavier ausf&uuml;hrte.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_22" id="Page_22">[22]</a></span>Zu Florenz fand man bey seiner Gegenwart
+alles, was der Ruf von seinen Talenten
+sagte, zu gering, als Mozart bey dem <em class="antiqua">Marchese
+Ligneville</em> ebenfalls einem gro&szlig;en Kontrapunktisten,
+jedes angegebene Thema auf der Stelle
+vortrefflich ausf&uuml;hrte &#8211; jede vorgelegte Fuge,
+mit einer Leichtigkeit vom Blatte wegspielte, als
+h&auml;tte er sie selbst komponirt. Und wie wahr es
+ist, da&szlig; treffliche Geister einander verstehen und
+ihre Verwandschaft bald anerkennen, zeuget die
+Bekanntschaft, die Mozart hier in Florenz mit
+einem jungen Engl&auml;nder <em class="gesperrt">Thomas Linley</em>,
+einem Knaben von 14&nbsp;Jahren gemacht hatte.
+Er war der Sch&uuml;ler des ber&uuml;hmten Violonisten
+Nardini, schon selbst Virtuose und Meister
+seines Instrumentes. Sie wurden bald innige
+vertraute Freunde; ihre Freundschaft aber war
+nicht Knaben Anh&auml;nglichkeit, sondern die Z&auml;rtlichkeit
+zweyer tieff&uuml;hlenden, &uuml;bereinstimmenden
+Seelen! sie achteten sich als K&uuml;nstler, und
+f&uuml;hrten sich auf wie M&auml;nner! Wie bitter war
+ihnen der Tag ihrer Trennung? Linley brachte
+Mozarten am Tage der Abreise noch ein Gedicht,
+das er von der Dichterin <em class="gesperrt">Corilla</em> auf
+ihn hatte verfertigen lassen, schied unter vielen
+Umarmungen und Thr&auml;nen von ihm, und begleitete
+seinen Wagen unter best&auml;ndigen Aeu&szlig;erungen
+der z&auml;rtlichsten Betr&uuml;bni&szlig; bis vor die
+Stadt.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_23" id="Page_23">[23]</a></span>Von Florenz reisete Vater und Sohn nach
+Rom; sie kamen eben in der Charwoche an.
+Hier hatte nun Mozart Gelegenheit genug die
+vielen Meisterst&uuml;cke der erhabensten Kirchenmusik
+zu h&ouml;ren, die in dieser heiligen Zeit bey der ernsten
+Feyer der Welterl&ouml;sung aufgef&uuml;hrt werden.
+Den ersten Rang darunter verdiente das ber&uuml;hmte
+<em class="gesperrt">Miserere</em>, welches Mittwochs und Freytags
+diese Woche in der sixtinischen Kapelle blos von
+Vokalstimmen gesungen wird, und das in dem
+<em class="gesperrt">erhabenen, feyerlichen</em> Kirchengesange
+das <em class="antiqua">non plus ultra</em> der Kunst seyn soll; so zwar
+da&szlig; es den p&auml;pstlichen Musikern unter der Strafe
+der Exkommunikation verbothen ward, eine
+Kopie davon zu machen.</p>
+
+<p>Die&szlig; gab dem jungen Mozart den Gedanken
+ein, bei der Anh&ouml;rung desselben recht aufmerksam
+zu seyn, und es dann zu Hause aus dem Ged&auml;chtnisse
+aufzuschreiben. Es gelang ihm &uuml;ber
+alle Erwartung; er nahm den Aufsatz am Charfreytage
+zur Wiederholung desselben mit, um im
+Stande zu seyn Verbesserungen zu machen, und
+das Mangelhafte zu erg&auml;nzen.</p>
+
+<p>Bald verbreitete sich der Ruf davon in Rom,
+und erregte allgemeines Aufsehen und Erstaunen;
+besonders, da es Mozart in einer Akademie auff&uuml;hrte,
+wobey der Kastrat Christophori zugegen
+war, welcher es in der Kapelle gesungen hatte,
+<span class="pagenum"><a name="Page_24" id="Page_24">[24]</a></span>und durch sein Erstaunen Mozarts Triumph vollkommen
+machte.</p>
+
+<p>Wer es einsieht, welchen Aufwand von Kunst
+eine so vielstimmige, kritische Choralmusik erfodert,
+der wird mit Recht durch diese Begebenheit
+in Erstaunen gesetzt. Welch ein Ohr, Ged&auml;chtni&szlig;,
+Tongef&uuml;hl &#8211; welche Kenntni&szlig; des Satzes
+war das, die verm&ouml;gend war, ein solches Werk
+sogleich zu fassen und so vollkommen zu behalten?
+Die&szlig; zu k&ouml;nnen, mu&szlig;te ein h&ouml;heres Ma&szlig; von
+Kr&auml;ften vorhanden seyn, als man gew&ouml;hnlich
+anzutreffen pflegt.</p>
+
+<p>In Neapel, wohin er sich aus Rom begab,
+fand Mozart nicht weniger Bewunderer,
+als in den andern St&auml;dten Italiens; denn jeder
+unbefangene Zuh&ouml;rer mu&szlig;te seinem Genie huldigen.
+Mozart ri&szlig; sp&auml;ter als Mann mit der Allgewalt
+seiner Kunst jedes gef&uuml;hlvolle Herz hin:
+was mu&szlig;te den Zuh&ouml;rern in Italien geschehen,
+die einen Knaben sahen und den vollendetesten
+K&uuml;nstler h&ouml;rten? &#8211; Sie hielten ihn f&uuml;r einen
+Zauberer: der war nun Mozart freylich: aber
+die magische Kraft lag nicht in seinem Ringe,
+wie man in Neapel w&auml;hnte; denn als er ihn auf
+Verlangen der Zuh&ouml;rer weglegte, war sein Spiel
+nicht weniger bezaubernd, als zu vor. Man
+denke sich nun das Erstaunen und die Bewunderung
+der lebhaften Italiener? Von Neapel kehrte
+<span class="pagenum"><a name="Page_25" id="Page_25">[25]</a></span>Mozart, mit einem Rufe, der nur <em class="gesperrt">selten</em>
+einem K&uuml;nstler vorangeht, nach Rom zur&uuml;ck.
+Der Papst durch alle die Wunder der
+Kunst aufmerksam gemacht, wollte den jungen
+Kapellmeister sehen. Er ward ihm vorgestellt,
+und erhielt das Kreuz und Breve als Ritter <em class="antiqua">militiae
+auratae</em>.</p>
+
+<p>Auf seiner R&uuml;ckreise von Rom nach Mayland,
+hielt er sich wieder eine kurze Zeit zu Bologna
+auf, wo er mit einstimmiger Wahl als
+Mitglied und Maestro der philharmonischen Akademie
+aufgenommen wurde. Zur Pr&uuml;fung bekam
+er eine vierstimmige Fuge im Kirchenstil auszuarbeiten;
+man schlo&szlig; ihn deshalb in ein Zimmer
+ganz allein ein. Er war damit in einer halben
+Stunde fertig und erhielt das Diplom.</p>
+
+<p>In allen diesen St&auml;dten wurden ihm
+Opern-Akkorde f&uuml;r den n&auml;chsten Fasching angetragen;
+da er aber bereits f&uuml;r Mailand versprochen
+war, so mu&szlig;te er sie alle ausschlagen. Daher
+eilte er dahin zu kommen. Seine Oper unter
+dem Titel: <em class="antiqua">Mitridate</em> kam noch zu Ende des
+Jahres 1770, den 26. Dezember auf die Scene;
+sie erhielt allgemeinen Beyfall und ward zwanzigmal
+nacheinander aufgef&uuml;hrt. Eben darum
+wurde mit ihm alsogleich schriftlichen Akkord auf
+die <em class="antiqua">Opera seria</em> f&uuml;r den Karneval von 1773
+eingegangen. Sie hie&szlig;, <em class="antiqua">Lucio Sulla</em> und erhielt
+<span class="pagenum"><a name="Page_26" id="Page_26">[26]</a></span>einen noch gr&ouml;&szlig;ern Beyfall als <em class="antiqua">Mitridate</em>,
+denn sie wurde 26mal ohne Unterbrechen aufgef&uuml;hrt.</p>
+
+<p>Auf seiner R&uuml;ckreise aus Italien im J.&nbsp;1771,
+besuchte er noch Venedig und Verona; hier
+&uuml;berreichte man ihm auch das Diplom als Mitglied
+der philharmonischen Gesellschaft.<a name="FNanchor_2_2" id="FNanchor_2_2"></a><a href="#Footnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a> So
+kam er nach einem Aufenthalte von mehr als 15&nbsp;Monaten
+in Italien, nach Salzburg zur&uuml;ck.
+Die Ausbeute dieser langen Reise war ein
+Schatz neuer Kenntnisse und Ideen, ein gel&auml;uterter
+Geschmack und die Bewunderung einer
+Nation, die von der Natur selbst zur Richterin
+in der Tonkunst berufen zu seyn schien.</p>
+
+<p>Bey seiner Ankunft in Salzburg fand Mozart
+einen Brief von dem Grafen <em class="gesperrt">Firmian</em>
+aus Mayland, worinn ihm dieser im Namen
+der Kaiserin <em class="gesperrt">Maria Theresia</em> den Auftrag
+machte, die gro&szlig;e theatralische Serenate zur
+Verm&auml;hlung des Erzherzogs <em class="gesperrt">Ferdinand</em> zu
+<span class="pagenum"><a name="Page_27" id="Page_27">[27]</a></span>schreiben.<a name="FNanchor_3_3" id="FNanchor_3_3"></a><a href="#Footnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a> Zu diesem Feste schrieb <em class="gesperrt">Hasse</em>,
+der &auml;lteste unter den Kapellmeistern die Opera,
+und Mozart, der j&uuml;ngste unter ihnen, die Serenate;
+die Kaiserin schien das so mit Absicht
+angeordnet zu haben! Diese Serenate hie&szlig;:
+<em class="antiqua">Ascanio in Alba</em>; w&auml;hrend der Feyerlichkeit
+ward immer mit der Oper und der Serenate
+abgewechselt. Bey der Wahl des neuen Erzbischofs
+von Salzburg, 1772, schrieb Mozart
+auch eine theatralische Serenate, betitelt: <em class="antiqua">Lo
+sogno di Scipione.</em></p>
+
+<p>Einige Reisen die Mozart im Jahre 1773
+und 1774 nach Wien und M&uuml;nchen machte,
+gaben die Gelegenheit zu mehreren Meisterwerken
+der Tonkunst; hieher geh&ouml;rt die komische
+Oper: <em class="antiqua">La finta Giardiniera</em>, und mehrere
+Messen f&uuml;r die M&uuml;nchner Hofkapelle.</p>
+
+<p>Im Jahre 1775 schrieb Mozart in Salzburg
+die Serenate <em class="antiqua">il re pastore</em>, welche au&szlig;erordentlich
+gefiel, und unter diejenigen &auml;ltern
+Werke Mozarts geh&ouml;rt, die auch jetzt noch ihren
+<span class="pagenum"><a name="Page_28" id="Page_28">[28]</a></span>gro&szlig;en Werth haben; denn er hatte darinn
+schon den hohen Geist ahnden lassen, der
+in seinen sp&auml;tern Kunstwerken herrscht. Dahin
+geh&ouml;rt das Oratorium der b&uuml;ssende David,
+welches unter die besten Werke dieser Art geh&ouml;rt,
+und auch jetzt noch von Kennern bewundert
+wird.</p>
+
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_1_1" id="Footnote_1_1"></a><a href="#FNanchor_1_1"><span class="label">[1]</span></a> Anmerkung: Ohne meine Erinnerung werden
+die Leser einsehen, da&szlig; dieser Martini mit dem
+Opernkomponisten Martini, dem Verfasser der
+<em class="antiqua">Cosa rara</em>, nicht zu verwechseln sey.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_2_2" id="Footnote_2_2"></a><a href="#FNanchor_2_2"><span class="label">[2]</span></a> Anmerkung. Alle diese Diplome, so wie das
+Kreuz des p&auml;pstl. Ordens, bewahret die Wittwe
+zum Andenken.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_3_3" id="Footnote_3_3"></a><a href="#FNanchor_3_3"><span class="label">[3]</span></a> Serenaten waren eine Gattung Kantaten, denen
+zum Grunde ein dramatisches Sujet gelegt
+war; sie hatten also Aehnlichkeiten mit den
+Oratorien.</p></div>
+</div>
+
+
+
+
+<h2><span class="pagenum"><a name="Page_29" id="Page_29">[29]</a></span><a name="II" id="II"></a>II.<br />
+<span class="caption">Mozart als Mann.</span></h2>
+
+
+<p class="newsection"><span class="dropcap">D</span>iesen Zeitpunkt, das hei&szlig;t, sein 20stes Lebensjahr
+k&ouml;nnen wir f&uuml;r die Epoche seiner
+Vollendung als Meister annehmen; denn von
+nun an zeigte er sich immer als ein solcher im
+gl&auml;nzendesten Lichte, und mit einer entscheidenden
+Ueberlegenheit des Geschmackes und Genies;
+alle seine Werke, die er seit dem geliefert hat,
+sind klassisch und erwarben ihm die Krone der
+Unsterblichkeit. Wir fahren in der Erz&auml;hlung
+seiner Lebensbegebenheiten fort, und werden die
+vorz&uuml;glichsten seiner Werke, aus dieser Lebensperiode,
+in einem besondern Abschnitte rezensiren.</p>
+
+<p>Mozarts Ruhm war nun gegr&uuml;ndet. Jede
+gro&szlig;e Stadt, die er zu dem Schauplatze seiner
+<span class="pagenum"><a name="Page_30" id="Page_30">[30]</a></span>Talente gemacht h&auml;tte, w&uuml;rde ihn mit Freude
+aufgenommen, und seine Werke mit Entz&uuml;cken
+angeh&ouml;rt haben. Zu einer solchen Erwartung
+berechtigte ihn im hohen Ma&szlig;e die gro&szlig;e Wirkung,
+die sein zweifaches gleich gro&szlig;es Talent,
+des Klavierspielers und Kompositors jedesmal
+und &uuml;berall auf das Publikum gemacht hatte.</p>
+
+<p>Unter diesen St&auml;dten war wohl <em class="gesperrt">Paris</em>
+der angemessenste Platz f&uuml;r das Genie Mozarts;
+um so mehr, da seine Kunst dort ein schon
+begeistertes Publikum gefunden h&auml;tte. Aber er
+hatte keinen Geschmack an der franz&ouml;sischen Musik;
+&uuml;ber die&szlig; war sein gerader Charakter zu Intriguen
+und Kabalen nicht gemacht, die auf diesem
+gro&szlig;en Tummelplatze menschlicher Leidenschaften
+auch die K&uuml;nste mit ihren Schlangenwindungen
+umstrickten. Er kam also von der
+letzten Reise, die er im Jahre 1777 mit seiner
+Mutter nach Paris zu dem Endzwecke gemacht
+hatte, bald wieder, aber allein zur&uuml;ck; denn sie
+starb dort.<a name="FNanchor_4_4" id="FNanchor_4_4"></a><a href="#Footnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a> Auch die&szlig; mag seinem gef&uuml;hlvollen
+Herzen den Aufenthalt in Paris verleidet
+<span class="pagenum"><a name="Page_31" id="Page_31">[31]</a></span>haben. Zu Ende des Jahres 1778 war er schon
+wieder in Salzburg.</p>
+
+<p>Der Bayerische Hof, der schon so oft
+Zeuge seines K&uuml;nstlertalentes war, und insbesondere
+der damalige Churf&uuml;rst, der gro&szlig;e Sch&auml;tzer
+aller sch&ouml;nen K&uuml;nste, liebte Mozarts Musik
+im hohen Grade. Er bekam daher den Auftrag
+f&uuml;r den Fasching vom 1781 in M&uuml;nchen eine
+<em class="antiqua">Opera seria</em> zu schreiben.</p>
+
+<p>Da schuf Mozart das erhabene Werk, die Oper
+<em class="antiqua">Idomeneo</em>; worinn eine Gedankenf&uuml;lle, eine W&auml;rme
+der Empfindung herrscht, die sich nur von der
+Jugendkraft eines genialischen Tonk&uuml;nstlers wie
+Mozart erwarten lie&szlig;. Diesen Aufenthalt in
+M&uuml;nchen rechnete Mozart unter die angenehmsten
+Tage seines Lebens und verga&szlig; nie auf die
+gef&auml;llige Freundschaft, die er da von so vielen
+M&auml;nnern vom Verdienst geno&szlig;.</p>
+
+<p>Aus M&uuml;nchen ward er durch einen Auftrag seines
+Erzbischofs nach Wien berufen: und von dieser
+Zeit an, das hei&szlig;t von seinem 25sten Jahre,
+lebte er in dieser Kaiserstadt, die eben so sehr
+durch den entschiedenen Hang des Publikums
+zur Musik, als auch durch die Menge vortrefflicher
+Tonk&uuml;nstler, f&uuml;r Mozarts Geist wichtig seyn mu&szlig;te.</p>
+
+<p>Von hier aus verbreiteten sich seine erstaunensw&uuml;rdigen
+Kompositionen zun&auml;chst nach B&ouml;hmen,
+dann in das &uuml;brige Deutschland, und
+gaben dem Geschmacke in der Musik einen gro&szlig;en
+<span class="pagenum"><a name="Page_32" id="Page_32">[32]</a></span>Schwung, eine neue Richtung, die aber
+seine zeitherigen Nachahmer verzerren und verderben.</p>
+
+<p>Sein Spiel auf dem Pianoforte fand zuerst
+Bewunderer und Liebhaber; denn obschon
+Wien mehrere gro&szlig;e Meister dieses Instrumentes,
+des Lieblinges des Publikums z&auml;hlte, so
+kam doch keiner unserm Mozart gleich. Eine bewundernsw&uuml;rdige
+Geschwindigkeit, die man besonders
+in R&uuml;cksicht der linken Hand oder des
+Basses einzig nennen konnte, Feinheit und Delikatesse,
+der sch&ouml;nste, redendeste Ausdruck und
+ein Gef&uuml;hl, das unwiderstehlich zum Herzen
+drang, sind die Vorz&uuml;ge seines Spieles gewesen,
+die gepaart mit seiner Gedankenf&uuml;lle, mit der
+tiefen Kenntni&szlig; der Komposition nat&uuml;rlich jeden
+H&ouml;rer hinrei&szlig;en, und Mozarten zu dem gr&ouml;&szlig;ten
+Klavierspieler seiner Zeit erheben mu&szlig;ten.</p>
+
+<p>Seine Klavierkompositionen aller Art, Sonaten,
+Variationen, Konzerte, wurden bald
+allgemein bekannt und beliebt. Man ward
+bey jedem neu erschienenen Werke &uuml;berrascht durch
+die Neuheit des Stiles, und der Gedanken &#8211;
+man staunte &uuml;ber die H&ouml;he, zu der sich die
+Musik durch seine Werke so schnell empor
+schwang!</p>
+
+<p>In Wien fand Mozart einen Tonk&uuml;nstler,
+dessen Genie dem seinigen am &auml;hnlichsten war;
+ich meine den ber&uuml;hmten Sch&ouml;pfer der Alzeste
+<span class="pagenum"><a name="Page_33" id="Page_33">[33]</a></span>und Iphigenie, <em class="gesperrt">Ritter von Gluck</em>, einen
+B&ouml;hmen von Geburt. Der Umgang mit ihm
+und das unabl&auml;ssige Studium seiner erhabenen
+Werke gab Mozarten viel Nahrung, und hatte
+Einflu&szlig; auf seine Opernkompositionen. Auch
+wurde Mozart bald der innigste Verehrer des gro&szlig;en,
+unvergleichlichen <em class="gesperrt">Joseph Haydn</em>,
+der schon damals der Stolz der Tonkunst war,
+und nun, nachdem Mozart nicht mehr ist, unser
+einzige Liebling, unsere Wonne bleibt. Mozart
+nannte ihn oft seinen Lehrer.</p>
+
+<p>Bald nachdem Mozart seinen Aufenthalt
+in Wien aufgeschlagen hatte, fa&szlig;te der unverge&szlig;liche
+Kaiser <em class="gesperrt">Joseph</em>&nbsp;II. den Gedanken, der
+eines deutschen Kaisers so w&uuml;rdig war, den Geschmack
+an italienischen Opern durch die Unterst&uuml;tzung
+deutscher Singspiele und S&auml;nger zu verdr&auml;ngen,
+und f&uuml;r das Vaterl&auml;ndische mehr zu
+stimmen. Er versammelte daher die besten S&auml;nger
+und S&auml;ngerinnen, und lie&szlig; von Mozart eine
+deutsche Oper setzen. F&uuml;r diese Virtuosen schrieb
+Mozart das allgemein bekannte, allgemein beliebte
+Singspiel, die <em class="gesperrt">Entf&uuml;hrung aus dem
+Serail</em> in dem Jahre 1782.</p>
+
+<p>Sie machte allgemeines Aufsehen; und die
+schlauen Italiener sahen bald ein, da&szlig; ein solcher
+Kopf f&uuml;r ihr welsches Geklingel bald gef&auml;hrlich
+werden d&uuml;rfte. Der Neid erwachte nun
+mit der ganzen Sch&auml;rfe des italienischen Giftes!
+<span class="pagenum"><a name="Page_34" id="Page_34">[34]</a></span>Der Monarch der im Grunde von der <em class="gesperrt">neuen
+tiefeindringenden</em> Musik entz&uuml;ckt war,
+sagte doch zu Mozart: &raquo;Gewaltig viel Noten
+lieber Mozart!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gerade so viel, Eure Majest&auml;t, als n&ouml;thig
+ist,&laquo; versetzte dieser mit jenem edlen Stolze,
+und der Freym&uuml;thigkeit, die gro&szlig;en Geistern so
+gut anstehet. Er sah es ein, da&szlig; die&szlig; nicht eigenes
+Urtheil, sondern nachgesagt war.</p>
+
+<p>Ich darf hier nicht verschweigen, da&szlig; Mozart
+zu der Zeit, als er diese Oper schrieb,
+<em class="gesperrt">Konstanza Weber</em>, seine nachmahlige Gemahlin,
+die Schwester der ber&uuml;hmten S&auml;ngerin
+<em class="gesperrt">Lang</em>, liebte und eben Br&auml;utigam war.
+Den Einflu&szlig;, den diese Seelenstimmung auf
+die Komposition dieser Oper haben mu&szlig;te, wird
+jedermann erkennen, der sie geh&ouml;rt hat; denn
+wer wei&szlig; es nicht, wie voll s&uuml;&szlig;er Gef&uuml;hle, voll
+schmachtender Liebe sie ist?</p>
+
+<p>Ich kann den Beyfall und die Sensation,
+die sie in Wien erregte, nicht aus eigener Erfahrung
+beschreiben &#8211; aber ich bin Zeuge des Enthusiasmus
+gewesen, den sie bey ihrer Auff&uuml;hrung
+in Prag in Kennern und Nichtkennern
+verursachte! Es war, als wenn das, was man
+hier bisher geh&ouml;rt und gekannt hatte, keine Musik
+<span class="pagenum"><a name="Page_35" id="Page_35">[35]</a></span>gewesen w&auml;re! Alles war hingerissen &#8211;
+alles staunte &uuml;ber die neuen Harmonien, &uuml;ber die
+originellen, bisher ungeh&ouml;rten S&auml;tze der Blasinstrumente.
+Nun fingen die B&ouml;hmen an seine Kompositionen
+zu suchen; und in eben dem Jahre h&ouml;rte man
+schon in allen bessern musikalischen Akademien,
+Mozarts Klavierst&uuml;cke und Sinfonien. Von
+nun an war die Vorliebe der B&ouml;hmen f&uuml;r seine
+Werke entschieden! Die gr&ouml;&szlig;ten Kenner und
+K&uuml;nstler unserer Vaterstadt, waren auch Mozarts
+gr&ouml;&szlig;te Bewunderer, die feurigsten Verk&uuml;ndiger
+seines Ruhmes.<a name="FNanchor_5_5" id="FNanchor_5_5"></a><a href="#Footnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a></p>
+
+<p>Mozart lebte bisher, ungeachtet seines gro&szlig;en
+Ruhmes ohne <em class="gesperrt">Anstellung</em>, also ohne bestimmte
+Eink&uuml;nfte. Klavier-Unterricht, und
+abonnirte Konzerte f&uuml;r einen geschlossenen Cirkel
+des hohen Adels waren noch die ausgiebigsten
+Quellen seiner Eink&uuml;nfte, wobey sich in einer
+Stadt, wie Wien, sicher nichts ersparen lie&szlig;.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_36" id="Page_36">[36]</a></span>In dieser Periode schrieb er die sch&ouml;nsten
+Sachen f&uuml;r das Klavier: Sonaten mit und ohne
+Begleitung, Konzerte, die nun in jedermanns
+H&auml;nden sind.</p>
+
+<p>Im Jahre 1785 gab er 6 meisterhafte Violin-Quartetten
+im Stich heraus, mit einer Dedikation
+an seinen Freund den Kapellmeister <em class="gesperrt">Joseph
+Haydn</em>, die ein sch&ouml;ner Abdruck seiner Hochachtung
+f&uuml;r diesen gro&szlig;en Mann ist; und so wie
+dieselbe den Ruhm <em class="gesperrt">Haydns</em>, durch die Huldigungen
+eines K&uuml;nstlers wie Mozart, vermehrt:
+eben so sehr gereicht sie diesem zur Ehre, und
+macht uns das Herz eines Mannes liebensw&uuml;rdig,
+dessen Talent Bewunderung heischt.</p>
+
+<p>Gewi&szlig;, Mozart h&auml;tte mit keinem Werke einen
+<em class="gesperrt">Joseph Haydn</em> besser ehren k&ouml;nnen,
+als mit diesen Quartetten, die ein Schatz der
+sch&ouml;nsten Gedanken, und das Muster und eine
+Schule der Komposition sind. In den Augen
+des Kenners ist dies Werk eben so viel werth, als
+jede Opernkomposition Mozarts. Alles darinn
+ist durchgedacht, und vollendet! &#8211; Man sieht
+es diesen Quartetten an, da&szlig; er sich die M&uuml;he
+gab <em class="gesperrt">Haydns</em> Beyfall zu verdienen.</p>
+
+<p>Eben zu der Zeit machte das franz&ouml;sische
+Lustspiel von Beaumarchais, <em class="gesperrt">Figaro</em> sein
+Gl&uuml;ck und kam auf alle Theater. Mozart
+ward vom Kaiser <em class="gesperrt">Joseph</em> dazu bestimmt, diesem
+Lustspiele, nachdem es in ein Singspiel umgegossen
+<span class="pagenum"><a name="Page_37" id="Page_37">[37]</a></span>ward, auch auf dem italienischen Operntheater
+durch seine Musik Celebrit&auml;t zu verschaffen.
+Es wurde in Wien von der italienischen Opern-Gesellschaft
+aufgef&uuml;hrt. Wenn es wahr ist, was
+man allgemein als wahr erz&auml;hlt, und was sich
+bei so vielen glaubw&uuml;rdigen Zeugen freylich nicht
+in Zweifel ziehen l&auml;&szlig;t, da&szlig; die S&auml;nger, aus
+Ha&szlig;, Neid und niedriger Kabale bey der ersten
+Vorstellung durch vorsetzliche Fehler sich alle
+M&uuml;he gegeben haben die Oper zu st&uuml;rzen: so
+kann der Leser daraus schlie&szlig;en, wie sehr diese
+Faktion die Ueberlegenheit des Genies in Mozart
+f&uuml;rchtete, und wie wahr es sey, was ich kurz
+vorher bey Gelegenheit der <em class="gesperrt">Entf&uuml;hrung aus
+dem Serail</em> bemerkt habe. Dieser feige
+Bund verdienstloser Menschen blieb bis an das
+fr&uuml;he Ende des unsterblichen K&uuml;nstlers in voller
+Th&auml;tigkeit ihn zu hassen, zu verl&auml;umden, und
+seine Kunst herabzusetzen. Welchen Kampf hatte
+Mozarts Geist zu bestehen, bis er vollkommen
+triumphirte?</p>
+
+<p>Man erz&auml;hlt, da&szlig; die S&auml;nger durch eine
+ernste Warnung des seligen Monarchen zu ihrer
+Pflicht gewiesen werden mu&szlig;ten, da Mozart voll
+Best&uuml;rzung zwischen dem 2ten Akte zu Ihm in
+die Loge kam und Ihn darauf aufmerksam
+machte.</p>
+
+<p>So wie jedes seiner Werke in B&ouml;hmen nach
+seinem wahren Werthe erkannt und gesch&auml;tzt
+<span class="pagenum"><a name="Page_38" id="Page_38">[38]</a></span>wurde: so geschah es auch mit dieser Oper.
+Sie wurde im Jahre 1786 von der Bondinischen
+Gesellschaft in Prag auf das Theater
+gebracht und gleich bey der ersten Vorstellung
+mit einem Beyfall aufgenommen, der nur mit
+demjenigen, welchen die Zauberfl&ouml;te nachher erhielt,
+verglichen werden kann. Es ist die strengste
+Wahrheit, wenn ich sage, da&szlig; diese Oper
+fast ohne Unterbrechen diesen ganzen Winter gespielt
+ward, und da&szlig; sie den traurigen Umst&auml;nden
+des Unternehmers vollkommen aufgeholfen
+hatte. Der Enthusiasmus, den sie bei dem Publikum
+erregte, war bisher ohne Beyspiel; man
+konnte sich nicht genug daran satt h&ouml;ren. Sie
+wurde bald von einem unserer besten Meister,
+Herrn Kucharz in einen guten Klavier-Auszug
+gebracht, in blasende Parthieen, ins Quintett
+f&uuml;r Kammermusik, in teutsche T&auml;nze verwandelt:
+kurz Figaros Ges&auml;nge wiederhallten auf den G&auml;ssen,
+in G&auml;rten, ja selbst der Harfenist auf der
+Bierbank mu&szlig;te sein <em class="antiqua">non piu andrai</em> t&ouml;nen lassen,
+wenn er geh&ouml;rt werden wollte. Diese Erscheinung
+hat freylich gr&ouml;&szlig;tentheils in der Vortrefflichkeit
+des Werkes ihren Grund; aber nur ein
+Publikum, welches so viel Sinn f&uuml;r das wahre
+Sch&ouml;ne in der Tonkunst und so viel gr&uuml;ndliche
+Kenner unter sich besitzt, konnte den Werth einer
+solchen Kunst auf der Stelle empfinden; dazu geh&ouml;rt
+auch das unvergleiche Orchester der damaligen
+<span class="pagenum"><a name="Page_39" id="Page_39">[39]</a></span>Oper, welches die Ideen Mozarts so genau
+und flei&szlig;ig auszuf&uuml;hren verstand. Denn auf
+diese verdienten M&auml;nner, die zwar gr&ouml;&szlig;tentheils
+keine Konzertisten, aber desto gr&uuml;ndlichere Kenner
+und Orchestersubjekte waren, machte die
+neue Harmonie und der feurige Gang des Gesanges
+den ersten und tiefsten Eindruck! Der
+nunmehr verstorbene r&uuml;hmlich bekannte Orchester-Direktor
+<em class="gesperrt">Strobach</em> versicherte oft, da&szlig; er
+sammt seinem Personale bey der jedesmaligen
+Vorstellung so sehr ins Feuer gerathe, da&szlig; er
+trotz der m&uuml;hsamen Arbeit mit Vergn&uuml;gen von
+vorne wieder anfangen w&uuml;rde.</p>
+
+<p>Die Bewunderung f&uuml;r den Verfasser dieser
+Musik gieng so weit, da&szlig; einer unserer edelsten
+Kavaliere und Kenner der Musik, <em class="gesperrt">Graf Johann
+Joseph Thun</em>, der selbst eine vortreffliche
+Kapelle unterhielt, ihn nach Prag zu kommen
+einlud, und ihm Wohnung, Kost und alle
+Bequemlichkeiten in seinem Hause anboth. Mozart
+war zu sehr &uuml;ber die Wirkung erfreut, die
+seine Musik auf die B&ouml;hmen machte &#8211; zu begierig
+eine Nation von einem solchen Musikgef&uuml;hle
+kennen zu lernen, als da&szlig; er die Gelegenheit
+nicht mit Freuden ergriffen h&auml;tte. Er kam
+im Februar 1787 nach Prag: am Tage seiner
+Ankunft wurde Figaro gegeben, und Mozart erschien
+darinn. Alsogleich verbreitete sich der
+Ruf von seiner Anwesenheit im Parterre, und
+<span class="pagenum"><a name="Page_40" id="Page_40">[40]</a></span>so wie die Sinfonie zu Ende gieng, klatschte
+ihm das ganze Publikum Beyfall und Bewillkommen
+zu.</p>
+
+<p>Er lie&szlig; sich dann auf allgemeines Verlangen
+in einer gro&szlig;en musikalischen Akademie im Operntheater
+auf dem Pianoforte h&ouml;ren. Nie sah man
+noch das Theater so voll Menschen, als bey
+dieser Gelegenheit; nie ein st&auml;rkeres, einstimmiges
+Entz&uuml;cken, als sein g&ouml;ttliches Spiel erweckte.
+Wir wu&szlig;ten in der That nicht, was wir mehr
+bewundern sollten, ob die <em class="gesperrt">au&szlig;erordentliche</em>
+Komposition, oder das <em class="gesperrt">au&szlig;erordentliche</em>
+Spiel; beydes zusammen bewirkte einen Totaleindruck
+auf unsere Seelen, welcher einer s&uuml;&szlig;en
+Bezauberung glich! Aber dieser Zustand l&ouml;sete
+sich dann, als Mozart zu Ende der Akademie
+allein auf dem Pianoforte mehr als eine halbe
+Stunde phantasirte und unser Entz&uuml;cken auf den
+h&ouml;chsten Grad gespannt hatte, in laute &uuml;berstr&ouml;mende
+Beyfalls&auml;u&szlig;erung auf. Und in der That
+&uuml;bertraf dieses Phantasiren alles, was man sich
+vom Klavierspiele vorstellen konnte, da der h&ouml;chste
+Grad der Kompositionskunst mit der vollkommensten
+Fertigkeit im Spiele vereinigt ward.
+Gewi&szlig;, so wie diese Akademie f&uuml;r die Prager
+die einzige ihrer Art war, so z&auml;hlte Mozart diesen
+Tag zu den sch&ouml;nsten seines Lebens.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_41" id="Page_41">[41]</a></span>Die Sinfonien, die er f&uuml;r diese Gelegenheit
+setzte, sind wahre Meisterst&uuml;cke des Instrumentalsatzes,
+voll &uuml;berraschender Ueberg&auml;nge und haben
+einen raschen, feurigen Gang, so, da&szlig; sie
+alsogleich die Seele zur Erwartung irgend etwas
+Erhabenen stimmen. Die&szlig; gilt besonders von
+der gro&szlig;en Sinfonie in <em class="antiqua">D&nbsp;dur</em> und <em class="antiqua">Es</em>, die noch
+immer ein Lieblingsst&uuml;ck des Prager Publikums
+sind, obschon sie wohl hundertmal geh&ouml;rt waren.</p>
+
+<p>Der Opernunternehmer Bondini schlo&szlig; zugleich
+mit Mozart den Akkord zu einer neuen
+Oper f&uuml;r die Prager B&uuml;hne auf den n&auml;chsten
+Winter, welche dieser gerne &uuml;bernahm, weil er
+erfahren hatte, wie gut die B&ouml;hmen seine Musik
+zu sch&auml;tzen und auszuf&uuml;hren verstanden. Die&szlig;
+&auml;u&szlig;erte er oft gegen seine Prager Freunde: er
+war &uuml;berhaupt gern in Prag, wo ihn ein gef&uuml;hlvolles
+Publikum, und wahre Freunde so zu
+sagen auf den H&auml;nden trugen. &#8211; Dem Opernorchester
+dankte er in einem Briefe an den damaligen
+Direktor Herrn Strobach sehr verbindlich,
+und schrieb seiner geschickten Ausf&uuml;hrung den
+gr&ouml;&szlig;ten Theil des Beyfalls zu, den seine Musik
+in Prag erhalten hatte.<a name="FNanchor_6_6" id="FNanchor_6_6"></a><a href="#Footnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a> Dieser Zug seines
+Herzens, so unbedeutend er scheint, ist sehr
+<span class="pagenum"><a name="Page_42" id="Page_42">[42]</a></span>sch&ouml;n; er giebt einen Beweis, da&szlig; <em class="gesperrt">Stolz</em>,
+<em class="gesperrt">Eigend&uuml;nkel</em> oder <em class="gesperrt">Undankbarkeit</em> seine
+Fehler nicht waren, wie man es so h&auml;ufig an
+viel geringern Virtuosen wahrnimmt.</p>
+
+<p>In dem nemlichen Jahre 1787 gegen den
+Winter kam Mozart verm&ouml;g seines Akkords wieder
+nach Prag, und vollendete da die Krone aller
+seiner Meisterwerke, die Oper: <em class="antiqua">Il dissoluto
+punito</em>, oder <em class="antiqua">Don Giovanni</em>.</p>
+
+<p>Die B&ouml;hmen sind stolz darauf, da&szlig; er
+durch eine so erhabene und aus der Tiefe seines
+Genies gesch&ouml;pfte Musik ihren guten Geschmack
+erkannte und ehrte. &raquo;<em class="gesperrt">Don Juan ist f&uuml;r
+Prag geschrieben</em>&laquo; &#8211; mehr braucht man
+nicht zu sagen, um zu beweisen, welchen hohen
+Begriff Mozart von dem musikalischen Sinne
+der B&ouml;hmen hatte. Es gelang ihm auch vollkommen
+diesen Sinn zu treffen und zu r&uuml;hren;
+denn keine Oper hat sich hier in einem gleichen
+Wohlgefallen so lange auf dem Theater erhalten,
+als <em class="gesperrt">Don Juan</em>. Es sind nunmehr 21&nbsp;Jahre,
+seit sie gegeben wird, und noch immer
+h&ouml;rt man sie mit Vergn&uuml;gen, noch immer
+lockt sie zahlreiche Versammlung in das Parterre.
+Kurz <em class="gesperrt">Don Juan</em> ist die Lieblingsoper des bessern
+Publikum in Prag. Als Mozart bey der
+ersten Vorstellung derselben an dem Klavier im
+Orchester erschien, empfing ihn das ganze bis
+zum Erdr&uuml;cken volle Theater mit einem allgemeinen
+<span class="pagenum"><a name="Page_43" id="Page_43">[43]</a></span>Beyfallklatschen. Ueberhaupt bekam Mozart
+in Prag bey jeder Gelegenheit gro&szlig;e und
+unzweydeutige Beweise der Hochachtung und
+Bewunderung, welche gewi&szlig; ehrenvoll waren,
+weil nicht Vorurtheil oder Mode, sondern reines
+Gef&uuml;hl seiner Kunst daran Theil hatte. Man
+liebte und bewunderte seine sch&ouml;nen Werke; wie
+konnte man gegen die Person ihres gro&szlig;en Sch&ouml;pfers
+gleichg&uuml;ltig bleiben?</p>
+
+<p>In dem Jahre 1789 im Monat December
+schrieb Mozart das italienische komische
+Singspiel, <em class="antiqua">Cosi fan tutte</em>, oder <em class="gesperrt">die Schule
+der Liebenden</em>; man wundert sich allgemein,
+wie der gro&szlig;e Geist sich herablassen konnte,
+an ein so elendes Machwerk von Text seine
+himmlisch s&uuml;&szlig;en Melodien zu verschwenden. Es
+stand nicht in seiner Gewalt, den Auftrag abzulehnen,
+und der Text ward ihm ausdr&uuml;cklich
+aufgetragen. &#8211; In diese Periode f&auml;llt auch
+seine Reise &uuml;ber Leipzig und Dresden nach Berlin.<a name="FNanchor_7_7" id="FNanchor_7_7"></a><a href="#Footnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a>
+Der gro&szlig;e Ruf seines Namens gieng
+ihm voran, und man fand sich nirgends in der
+Erwartung get&auml;uscht, die er &uuml;berall erregt hatte.
+Der damalige K&ouml;nig von Preu&szlig;en, ein freygebiger
+Kenner und Freund der Tonkunst, ward
+ganz f&uuml;r ihn eingenommen; und gab ihm ausgezeichnete
+<span class="pagenum"><a name="Page_44" id="Page_44">[44]</a></span>Beweise seiner Achtung. Wie wahrhaft
+und daurend dieselbe gewesen sey, beweiset
+die k&ouml;nigliche Gro&szlig;muth, mit welcher dieser
+Monarch sp&auml;ter die Wittwe Mozart in Berlin
+aufnahm und unterst&uuml;tzte.</p>
+
+<p>Mozart war bis jetzo ohne Anstellung,
+ohne sichere Eink&uuml;nfte. So bekannt auch
+sein Talent war, so sehr man seine Kompositionen
+suchte: so wenig dachte man daran
+ihn zu belohnen, und zu unterst&uuml;tzen.
+Er hatte zwar oft betr&auml;chtliche Einnahmen gemacht;
+aber bei der Unsicherheit und Unordnung
+der Eink&uuml;nfte, bei den h&auml;ufigen Kindbetten, den
+langwierigen Krankheiten seiner Gattin, in einer
+Stadt wie Wien, mu&szlig;te Mozart doch im eigentlichen
+Verstande darben. Er beschlo&szlig; daher die
+<em class="gesperrt">Stadt</em> zu verlassen, wo sich keine Stelle f&uuml;r
+einen Kopf wie <em class="gesperrt">Mozart</em> fand. Sein Plan
+war nach England zu gehen, wo er ein besseres
+Schicksal um so mehr erwarten konnte, als ihm
+oft von da Einladungen und lockende Antr&auml;ge
+gemacht wurden.</p>
+
+<p>Alles war zur Abreise fertig, als ihm <em class="gesperrt">Kaiser
+Joseph</em> den Titel eines kaiserlichen Kammerkomponisten
+mit einem Jahrgehalt von 800&nbsp;Gulden
+und der Zusicherung ertheilte, da&szlig; auf
+ihn in der Zukunft Bedacht genommen werden
+w&uuml;rde. Mozart mochte nicht trotzen; er nahm
+<span class="pagenum"><a name="Page_45" id="Page_45">[45]</a></span>es willig an, und blieb. Das Anstellungsdekret
+ist am 7. Dec. 1787 ausgestellt.</p>
+
+<p>Ich &uuml;berlasse es jedem Leser dar&uuml;ber Beobachtungen
+anzustellen, um die Ursachen der langen
+Vernachl&auml;ssigung eines so gro&szlig;en K&uuml;nstlers
+auszuforschen. An ihm lag die Schuld gewi&szlig;
+nicht; man m&uuml;&szlig;te denn seinen geraden und offenen
+zum B&uuml;cken und Kriechen untauglichen Charakter
+als Schuld annehmen.</p>
+
+<p>So viele Feinde und Neider auch jeden
+seiner Vorz&uuml;ge durch Herabsetzung und Verl&auml;umdung
+zu verdunkeln bem&uuml;ht waren: so vollkommen
+war dennoch der Triumph seiner Kunst bey
+unbefangenen, von dem Roste der Mode unverletzten
+Seelen. Alle wahren Kenner der Tonkunst
+huldigten seinem Genie. Ich will davon
+ein Beyspiel anf&uuml;hren.</p>
+
+<p>Der als Staatsmann und Gelehrter gleich
+verehrungsw&uuml;rdige <em class="gesperrt">Baron von Switten</em>,
+ein wahrer Kenner der Tonkunst, voll Gef&uuml;hl
+f&uuml;r den ernsten Gesang des erhabenen <em class="gesperrt">H&auml;ndels</em>,
+lie&szlig; oft die Werke dieses ber&uuml;hmten Tonk&uuml;nstlers,
+die f&uuml;r den t&auml;ndelnden Modegeschmack unserer
+Tage eine zu einfache Kost sind, in Privatkonzerten
+auff&uuml;hren. Er bediente sich dazu der
+Talente unsers Mozarts, der die gro&szlig;en Ideen
+<em class="gesperrt">H&auml;ndels</em> mit der W&auml;rme seiner Empfindung
+zu beleben und durch den Zauber seines Instrumentalsatzes
+f&uuml;r unser Zeitalter gen&uuml;&szlig;bar zu machen
+<span class="pagenum"><a name="Page_46" id="Page_46">[46]</a></span>verstand.<a name="FNanchor_8_8" id="FNanchor_8_8"></a><a href="#Footnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a> Baron von <em class="gesperrt">Switten</em> korrespondirte
+oft &uuml;ber die Angelegenheit mit Mozart,
+und schrieb ihm einst unter andern:</p>
+
+<div class="blockquote">
+<p class="letterhead">Den 21sten M&auml;rz 1789.</p>
+
+<p>&raquo;Ihr Gedanke, den Text der kalten Arie
+in ein <em class="antiqua">Recitativ</em> zu bringen ist trefflich, und in
+der Ungewi&szlig;heit ob Sie wohl die Worte zur&uuml;ckbehalten
+haben, schickte ich sie Ihnen hier
+abgeschrieben. Wer <em class="gesperrt">H&auml;ndel</em> so feyerlich
+und so geschmackvoll kleiden kann, da&szlig; er einerseits
+auch dem Modegecken gef&auml;llt, und andererseits
+doch immer in seiner Erhabenheit sich
+zeiget, der hat seinen Werth gef&uuml;hlt, der hat
+ihn verstanden, der ist zu der Quelle seines
+Ausdruckes gelanget und kann und wird sicher
+daraus sch&ouml;pfen. So sehe ich dasjenige an,
+was Sie leisteten, und nun brauche ich von
+keinem Zutrauen mehr zu sprechen, sondern
+nur von dem Wunsche das Rezitativ bald zu
+erhalten.&laquo;</p>
+
+<p class="signature"><em class="gesperrt">Switten</em>.</p>
+</div>
+
+<p>Der T&uuml;rkenkrieg und der dadurch veranla&szlig;te
+Tod des <em class="gesperrt">edelsten Monarchen</em>, des unverge&szlig;lichen
+<span class="pagenum"><a name="Page_47" id="Page_47">[47]</a></span><em class="gesperrt">Josephs</em>, raubte auch Mozarten
+eine gro&szlig;e St&uuml;tze seiner Hoffnungen; er blieb
+Kapellmeister mit 800&nbsp;Fl. und ohne Wirkungskreis!</p>
+
+<p>Aber auch sein Ende r&uuml;ckte nun heran; er
+sollte den gro&szlig;en <em class="gesperrt">Monarchen</em> nicht lange
+&uuml;berleben. Das Jahr 1791, furchtbar reich
+an gro&szlig;en Todten, ward bestimmt auch den
+Stolz der Tonkunst zu entrei&szlig;en. Mozart hatte
+jedoch zuvor der Nachwelt mit vollen H&auml;nden
+aus dem Reichthume seines Geistes ausgespendet.
+Daher ist dieses Jahr eben so merkw&uuml;rdig durch
+die Sch&ouml;pfung seiner sch&ouml;nsten Werke, als es
+uns durch seinen unerwarteten Tod schmerzhaft
+geworden ist. In demselben, ja gewisserma&szlig;en
+nahe an dem Ziele seines Lebens schuf er die
+Musik zu der <em class="gesperrt">Zauberfl&ouml;te</em>, zu der ernsthaften
+Oper, <em class="antiqua">La Clemenza di Tito</em>, und das
+furchtbar erhabene <em class="antiqua">Requiem</em> (Seelenmesse) welches
+er nicht einmal mehr vollenden konnte.
+So gewi&szlig; es ist, da&szlig; diese drey Werke allein
+ihm den ersten Platz unter den Tonk&uuml;nstlern seines
+Zeitalters und unsterblichen Ruhm versichert
+h&auml;tten, so sehr vermehren sie die Sehnsucht nach
+dem Entrissenen, durch den Gedanken, der sich
+dem gef&uuml;hlvollen Zuh&ouml;rer unter dem Genusse
+seiner Werke unwiderstehlich aufdringt: &raquo;<em class="gesperrt">Ach!
+wie viel w&uuml;rde der Mann noch geleistet,
+<span class="pagenum"><a name="Page_48" id="Page_48">[48]</a></span>welche Harmonien geschaffen
+haben</em>?&laquo;</p>
+
+<p>Die Zauberfl&ouml;te setzte er f&uuml;r das Theater des
+bekannten <em class="gesperrt">Schikaneders</em>, der sein alter Bekannter
+war. Die Musik zu der Oper <em class="antiqua">La Clemenza
+di Tito</em> war von den b&ouml;hmischen St&auml;nden
+zu der Kr&ouml;nung des Kaisers <em class="gesperrt">Leopold</em> bestellt.
+Diese letzte begann er in seinem Reisewagen
+auf dem Wege von Wien, und vollendete
+sie in dem kurzen Zeitraume von 18 Tagen in
+Prag.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Die Geschichte seines</em> letzten Werkes,
+der erw&auml;hnten <em class="gesperrt">Seelenmesse</em>, ist eben so geheimni&szlig;voll
+als merkw&uuml;rdig.</p>
+
+<p>Kurz vor der Kr&ouml;nungszeit des Kaisers <em class="gesperrt">Leopold</em>,
+bevor noch <em class="gesperrt">Mozart</em> den Auftrag erhielt
+nach Prag zu reisen, wurde ihm ein Brief
+<em class="gesperrt">ohne Unterschrift</em> von einem <em class="gesperrt">unbekannten
+Bothen</em> &uuml;bergeben, der nebst mehreren
+schmeichelhaften Aeu&szlig;erungen die Anfrage
+enthielt, ob Mozart eine Seelenmesse zu schreiben
+&uuml;bernehmen wollte? um welchen Preis und
+binnen welcher Zeit er sie liefern k&ouml;nnte?</p>
+
+<p>Mozart der ohne Mitwissen seiner Gattin
+nicht den geringsten Schritt zu thun pflegte,
+erz&auml;hlte ihr den sonderbaren Auftrag, und &auml;u&szlig;erte
+zugleich sein Verlangen sich in dieser Gattung
+auch einmal zu versuchen, um so mehr,
+da der h&ouml;here pathetische Stil der Kirchenmusik
+<span class="pagenum"><a name="Page_49" id="Page_49">[49]</a></span>immer sehr nach seinem Genie war. Sie rieth
+ihm den Auftrag anzunehmen. Er schrieb also
+dem unbekannten Besteller zur&uuml;ck, er w&uuml;rde das
+Requiem f&uuml;r eine gewisse Belohnung verfertigen;
+die Zeit der Vollendung k&ouml;nne er nicht genau
+bestimmen; er w&uuml;nsche jedoch den Ort zu
+wissen, wohin er das Werk, wenn es fertig
+seyn w&uuml;rde, zu &uuml;bergeben habe. In kurzer Zeit
+erschien derselbe Bothe wieder, brachte nicht nur
+die bedungene Belohnung mit, sondern noch das
+Versprechen, da er in dem Preise so billig gewesen
+sey, bey der Absendung des Werkes eine
+betr&auml;chtliche Zugabe zu erhalten. Er sollte &uuml;brigens
+nach der Stimmung und Laune seines
+Geistes schreiben, sich aber gar keine M&uuml;he geben,
+den Besteller zu erfahren, indem es gewi&szlig;
+vergeblich seyn w&uuml;rde.</p>
+
+<p>Mittlerweile bekam Mozart den ehrenvollen
+und vortheilhaften Antrag f&uuml;r die Prager Kr&ouml;nung
+des Kaisers <em class="gesperrt">Leopold</em> die Oper Titus zu
+schreiben. Nach Prag zu gehen, f&uuml;r seine lieben
+B&ouml;hmen zu schreiben, hatte f&uuml;r ihn zu viel
+Reiz, als da&szlig; er es h&auml;tte ausschlagen k&ouml;nnen!</p>
+
+<p>Eben als Mozart mit seiner Frau in den
+Reisewagen stieg, stand der Bothe wie ein
+Geist da, zupfte die Frau an dem Rocke, und
+fragte: &raquo;Wie wird es nun mit dem Requiem
+aussehen?&nbsp;&#8211;&laquo;</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_50" id="Page_50">[50]</a></span>Mozart entschuldigte sich mit der Nothwendigkeit
+der Reise und der Unm&ouml;glichkeit seinem
+unbekannten Herrn davon Nachricht geben zu
+k&ouml;nnen: &uuml;brigens w&uuml;rde es seine erste Arbeit bey
+der Zur&uuml;ckkunft seyn, und es k&auml;me nur auf den
+Unbekannten an, ob er so lange warten wolle.
+Damit war der Bothe g&auml;nzlich befriedigt.</p>
+
+<p>Schon in Prag kr&auml;nkelte und medizinirte
+Mozart unaufh&ouml;rlich; seine Farbe war bla&szlig;
+und die Miene traurig, obschon sich sein munterer
+Humor in der Gesellschaft seiner Freunde
+doch oft noch in fr&ouml;hlichen Scherz ergo&szlig;.
+Bey seinem Abschiede von dem Zirkel seiner
+Freunde ward er so wehm&uuml;thig, da&szlig; er Thr&auml;nen
+vergo&szlig;. Ein ahnendes Gef&uuml;hl seines nahen
+Lebensende schien die schwerm&uuml;thige Stimmung
+hervorgebracht zu haben &#8211; denn schon damals
+trug er den Keim der Krankheit, die ihn bald
+hinraffte, in sich.</p>
+
+<p>Bey seiner Zur&uuml;ckkunft nach Wien nahm
+er sogleich seine Seelenmesse vor, und arbeitete
+mit viel Anstrengung und einem lebhaften Interesse
+daran: aber seine Unp&auml;&szlig;lichkeit nahm
+sichtbar zu, und stimmte ihn zur d&uuml;stern Schwermuth.
+Seine Gattin nahm es mit Betr&uuml;bni&szlig;
+wahr. Als sie eines Tages mit ihm in den
+Prater fuhr, um ihm Zerstreuung und Aufmunterung
+zu verschaffen, und sie da beyde einsam
+sa&szlig;en, fing Mozart an vom Tode zu sprechen,
+<span class="pagenum"><a name="Page_51" id="Page_51">[51]</a></span>und behauptete, da&szlig; er das Requiem f&uuml;r
+sich setze. Thr&auml;nen standen dem empfindsamen
+Manne in den Augen. &raquo;Ich f&uuml;hle mich zu
+sehr, sagte er weiter, mit mir dauert es nicht
+mehr lange: gewi&szlig;, man hat mir Gift gegeben!
+Ich kann mich von diesem Gedanken nicht los
+winden.&nbsp;&#8211;&laquo;</p>
+
+<p>Zentnerschwer fiel diese Rede auf das Herz
+seiner Gattin; sie war kaum im Stande ihn
+zu tr&ouml;sten, und das Grundlose seiner schwerm&uuml;thigen
+Vorstellungen zu beweisen. Da sie der
+Meynung war, da&szlig; wohl eine Krankheit im
+Anzuge w&auml;re, und das Requiem seine empfindlichen
+Nerven zu sehr angreife, so rufte sie den
+Arzt, und nahm die Partitur der Komposition
+weg.</p>
+
+<p>Wirklich besserte sich sein Zustand etwas,
+und er war w&auml;hrend desselben f&auml;hig eine kleine
+Kantate, die von einer Gesellschaft f&uuml;r ein
+Fest bestellt wurde, zu verfertigen. Die gute
+Ausf&uuml;hrung derselben und der gro&szlig;e Beyfall,
+mit dem sie aufgenommen ward, gab seinem
+Geiste neue Schnellkraft. Er wurde nun etwas
+munterer und verlangte wiederholt sein Requiem
+fortzusetzen und zu vollenden. Seine
+Frau fand nun keinen Anstand ihm seine Noten
+wieder zu geben.</p>
+
+<p>Doch kurz war dieser hoffnungsvolle Zustand;
+in wenig Tagen verfiel er in seine Melancholie,
+<span class="pagenum"><a name="Page_52" id="Page_52">[52]</a></span>ward immer matter und schw&auml;cher,
+bis er endlich ganz auf das Krankenlager hinsank,
+von dem er ach! nimmer aufstand.</p>
+
+<p>Am Tage seines Todes lie&szlig; er sich die Partitur
+an sein Bette bringen. &raquo;Hab ich es nicht
+vorgesagt, da&szlig; ich die&szlig; Requiem f&uuml;r mich schreibe?&laquo;
+so sprach er, und sah noch einmal das
+Ganze mit nassen Augen aufmerksam durch.
+Es war der letzte schmerzvolle Blick des Abschiedes
+von seiner geliebten Kunst &#8211; eine Ahndung
+seiner Unsterblichkeit!</p>
+
+<p>Gleich nach seinem Tode meldete sich der
+Bothe, verlangte das Werk, so wie es unvollendet
+war, und erhielt es. Von dem Augenblicke
+an sah ihn die Wittwe nie mehr, und erfuhr
+nicht das mindeste, weder von der Seelenmesse,
+noch von dem Besteller. Jeder Leser
+kann sich vorstellen, da&szlig; man sich alle M&uuml;he
+gab den r&auml;thselhaften Bothen auszuforschen,
+aber alle Mittel und Versuche waren fruchtlos.<a name="FNanchor_9_9" id="FNanchor_9_9"></a><a href="#Footnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a></p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_53" id="Page_53">[53]</a></span>Mozart blieb w&auml;hrend seiner Krankheit bey
+vollkommenem Bewu&szlig;tseyn bis an sein Ende,
+und starb zwar gelassen, aber doch sehr ungern.
+Jedermann wird die&szlig; begreiflich finden, wenn
+er bedenkt, da&szlig; Mozart kurz zuvor das Anstellungsdekret
+als Kapellmeister in der St.&nbsp;Stephanskirche
+mit allen Emolumenten, die von
+Alters her damit verbunden waren, bekam, und
+nun erst die frohe Aussicht hatte, bei hinl&auml;nglichen
+Eink&uuml;nften ruhig, ohne Nahrungssorgen
+leben zu k&ouml;nnen. Auch erhielt er fast zu gleicher
+Zeit aus <em class="gesperrt">Ungarn</em> und <em class="gesperrt">Amsterdam</em> ansehnliche
+Bestellungen und Akkorde auf periodische
+Lieferungen gewisser Kompositionen.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_54" id="Page_54">[54]</a></span>Dieses sonderbare Zusammentreffen so gl&uuml;cklicher
+Vorbothen eines bessern Schicksales &#8211;
+seine gegenw&auml;rtigen traurigen Verm&ouml;gensumst&auml;nde
+&#8211; der Anblick einer trostlosen Gattin &#8211;
+der Gedanke an zwey unm&uuml;ndige Kinder: alles
+dieses war nicht gemacht, einen bewunderten
+K&uuml;nstler, der nie Stoiker gewesen ist, in seinem
+35ten Jahre die Bitterkeit des Todes zu vers&uuml;&szlig;en.
+&raquo;Eben <em class="gesperrt">jetzt</em>, so klagte er oft in seiner
+Krankheit, soll ich fort, da ich ruhig leben
+w&uuml;rde! <em class="gesperrt">Jetzt</em> meine Kunst verlassen, da ich
+nicht mehr als Sklave der Mode, nicht mehr
+von Spekulanten gefesselt, den Regungen meiner
+Empfindung folgen, frey und unabh&auml;ngig
+schreiben k&ouml;nnte, was mein Herz mir eingiebt!
+Ich soll fort von meiner Familie, von meinen
+armen Kindern, in dem Augenblicke, da ich
+im Stande geworden w&auml;re, f&uuml;r ihr Wohl besser
+zu sorgen!&laquo; Sein Tod erfolgte in der Nacht
+am 5ten Dezember 1791. Die Aerzte waren
+in der Bestimmung seiner Krankheit nicht einig.
+Man kann sagen, um Mozart flo&szlig;en unz&auml;hlbare
+Thr&auml;nen; nicht in Wien allein, vielleicht
+mehr noch in Prag, wo man ihn liebte und
+bewunderte. Jeder Kenner, jeder Freund der
+Tonkunst hielt seinen Verlust f&uuml;r unersetzlich;
+und wahrlich, bis jetzt hat man nicht Ursache
+diese trostlose Meynung zur&uuml;ck zu nehmen! Es
+schien unglaublich, da&szlig; ein Mann, der so unsterbliche
+<span class="pagenum"><a name="Page_55" id="Page_55">[55]</a></span>Werke geliefert, der unsern Herzen so
+reine Entz&uuml;ckungen geschaffen hat, nicht mehr
+seyn sollte!</p>
+
+<p>In Wien feyerte man sein Andenken mit
+W&uuml;rde; aber Prag zeichnete sich auch hierinn
+durch die w&auml;rmste Theilnahme aus; die Trauer
+um unsern Liebling war allgemein und ungeheuchelt.
+Zuerst veranstaltete der w&uuml;rdige Musik
+Direktor <em class="gesperrt">Joseph Strobach,</em> ein Freund
+des Verstorbenen,<a name="FNanchor_10_10" id="FNanchor_10_10"></a><a href="#Footnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a> in seiner Pfarrkirche bey
+St. Niklas den 14ten Dezember d.&nbsp;n.&nbsp;J. ein
+feyerliches Seelenamt f&uuml;r Mozart. Nie gab es
+ein so r&uuml;hrendes und erhabenes Trauerbeg&auml;ngni&szlig;.
+Ein Chor von 120&nbsp;Personen aus den
+besten K&uuml;nstlern Prags ausgew&auml;hlt, die alle mit
+wehm&uuml;thigen Eifer sich dazu angebothen hatten,
+unter der Direktion des braven <em class="gesperrt">Strobachs</em>
+f&uuml;hrte das meisterhafte Requiem unsers ber&uuml;hmten
+Landsmannes Rosetti mit einem so schwermuthsvollen
+Ausdrucke auf, da&szlig; es nothwendig
+auf das versammelte Volk den tiefsten Eindruck
+machen mu&szlig;te. Mehr als 3000&nbsp;Menschen,
+vom Adel und B&uuml;rgerstande, (so viel nemlich
+diese gro&szlig;e Kirche fa&szlig;te,) waren da beysammen
+<span class="pagenum"><a name="Page_56" id="Page_56">[56]</a></span>&#8211; alle ger&uuml;hrt, alle voll Wehmuth &uuml;ber den
+fr&uuml;hen Tod des entrissenen K&uuml;nstlers!</p>
+
+<p>Etwas sp&auml;ter, den 28ten Dezember 1791
+unternahm eine Gesellschaft wahrer Verehrer des
+Verstorbenen, zur Unterst&uuml;tzung der hinterlassenen
+Waisen und Wittwe ein &ouml;ffentliches Konzert
+in dem Nationaltheater; man f&uuml;hrte einige der
+besten, weniger bekannten Kompositionen Mozarts
+auf. Eine so edle Todtenfeier unterst&uuml;tzte
+das Prager Publikum aus allen Kr&auml;ften, um
+so mehr, da es die Gelegenheit fand den Tribut
+seiner Hochachtung dem <em class="gesperrt">Genie</em> Mozarts in der
+gro&szlig;m&uuml;thigen Unterst&uuml;tzung der hilflosen Waisen
+zu zollen. Das Theater war voll, und die
+Einnahme betr&auml;chtlich. Wie gl&uuml;cklich ist ein
+K&uuml;nstler, dessen Talent solche Freunde erwirbt!</p>
+
+<p>In Wien wurde die Wittwe auf eine eben
+so gro&szlig;m&uuml;thige Art unterst&uuml;tzt. &#8211; Mozart hinterlie&szlig;
+seiner Familie nichts als den Ruhm seines
+Namens. Alle Hilfsmittel ihrer Erhaltung
+beruhten auf der Gro&szlig;muth eines dankbaren
+Publikums, dem Mozart so viele Stunden des
+reinsten Vergn&uuml;gens, der edelsten Unterhaltung
+durch sein unersch&ouml;pfliches Talent geschaffen hatte.
+Und wahrlich, man kann sagen, da&szlig; dieses
+seine Schuld redlich abzutragen suchte. Die
+Wittwe lie&szlig; in einem &ouml;ffentlichen Konzert zu ihrem
+Besten die merkw&uuml;rdige <em class="gesperrt">Seelenmesse</em>
+auff&uuml;hren. Der gro&szlig;e Ruf dieses Meisterst&uuml;ckes
+<span class="pagenum"><a name="Page_57" id="Page_57">[57]</a></span>und der Wunsch, die Waisen zu unterst&uuml;tzen,
+zog ein zahlreiches Publikum hin, und man
+mu&szlig; es den edlen Freunden der Kunst in Wien
+zum Ruhme nachsagen, da&szlig; dieselben auch nach
+17&nbsp;Jahren noch gegen den Mozartischen Namen
+nicht gleichg&uuml;ltig geworden sind. In allen musikalischen
+Akademien, die der Wittwe zu ihrem
+Besten zugestanden werden, ist das Haus voll,
+und die Einnahme gut.</p>
+
+<p>Aber die Gro&szlig;muth des sel. Kaisers <em class="gesperrt">Leopold</em>,
+dieses menschenfreundlichen, f&uuml;r die
+Wissenschaften und K&uuml;nste so fr&uuml;h entrissenen
+Monarchen, &uuml;bertraf alles, was bisher der
+Wittwe zum Besten geschah.</p>
+
+<p>Mozarts Feinde und Verl&auml;umder wurden
+besonders gegen sein Ende, und nach seinem
+Tode so boshaft, so laut, da&szlig; bis zu dem Ohre
+des Monarchen manche nachtheilige Sage von
+Mozart gedrungen war. Diese Ausstreuungen
+und L&uuml;gen waren so unversch&auml;mt, so emp&ouml;rend,
+da&szlig; der Monarch, von Niemanden des Gegentheiles
+belehrt, sehr entr&uuml;stet war. Nebst einer
+sch&auml;ndlichen Erdichtung und Vergr&ouml;&szlig;erung von
+Ausschweifungen, denen Mozart, wie sie sagten,
+ergeben gewesen sey, behauptete man, da&szlig; er
+nicht weniger als 30,000&nbsp;Gulden Schulden hinterlassen
+habe &#8211; eine Summe, &uuml;ber die der
+Monarch erschrack!</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_58" id="Page_58">[58]</a></span>Die Wittwe war eben gesonnen den Monarchen
+um Pension zu bitten. Eine edeldenkende
+Freundin und vortreffliche Sch&uuml;lerin Mozarts
+unterrichtete sie von den Verl&auml;umdungen ihres
+Mannes bey Hofe, und gab ihr den Rath den
+g&uuml;tigen Monarchen bey der Audienz eines Bessern
+zu belehren.</p>
+
+<p>Die Wittwe hatte bald Gelegenheit ihren
+Rath auszuf&uuml;hren.</p>
+
+<p>&raquo;<em class="bigfont">Euer Majest&auml;t</em>,&laquo; sagte sie mit edlem
+Eifer bey der Audienz, &raquo;jeder Mensch hat Feinde;
+aber heftiger und anhaltender ist noch niemand
+von den seinigen verfolgt und verl&auml;umdet
+worden, als mein Mann, blos weil er ein so
+gro&szlig;es Talent war! Man hat es gewagt <em class="bigfont">Euer
+Majest&auml;t</em> viel Unwahres &uuml;ber ihn zu sagen:
+man hat seine hinterlassene Schulden <em class="gesperrt">zehnfach</em>
+vergr&ouml;&szlig;ert. Ich stehe mit meinem Leben
+daf&uuml;r, da&szlig; ich mit einer Summe von ungef&auml;hr
+3000&nbsp;Gulden alles bezahlen k&ouml;nnte, was er
+schuldig ist. Und diese Schuld ist nicht muthwillig
+gemacht worden. Wir hatten keine sichern
+Eink&uuml;nfte; h&auml;ufige Kindbetten, eine schwere
+und kostbare Krankheit von anderthalb Jahren,
+die ich auszustehen hatte, werden bey dem menschenfreundlichen
+Herzen <em class="gesperrt">meines Monarchen</em>
+zur Entschuldigung dienen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn es so ist,&laquo; sagte der Monarch, &raquo;da
+ist wohl noch Rath zu schaffen. Geben sie ein
+<span class="pagenum"><a name="Page_59" id="Page_59">[59]</a></span>Konzert von seinen hinterlassenen Werken, und
+ich will es unterst&uuml;tzen.&laquo;</p>
+
+<p>Er nahm ihr die Bittschrift gn&auml;dig ab; und
+in kurzer Zeit ward ihr eine Pension von 260&nbsp;fl.
+angewiesen, die zwar an sich gering ist, aber da
+Mozart erst 3&nbsp;Jahre angestellt, folglich die Wittwe
+noch nicht pensionsf&auml;hig war, so bleibt es
+immer eine Gnade. Die Akademie ward unternommen,
+und der <em class="gesperrt">unsterbliche Monarch</em>
+erf&uuml;llte so gro&szlig;m&uuml;thig sein Versprechen, da&szlig; die
+Wittwe dadurch in den Stand gesetzt wurde, die
+Schulden ihres Mannes zu tilgen.</p>
+
+<p>Aus dieser Begebenheit kann man schlie&szlig;en,
+wie viel an den boshaften Erz&auml;hlungen von der
+Unordnung seiner Haushaltung, seiner Verschwendung
+und dergleichen Anschw&auml;rzungen
+Wahres seyn mag. Da man so wenig seiner
+Gr&ouml;&szlig;e als K&uuml;nstler beyzukommen im Stande
+war, so suchte der gr&auml;mliche Neid seinen moralischen
+Charakter zu verstellen! Eine sehr leichte
+und gew&ouml;hnliche Taktik kleiner Seelen, denen
+jedes Verdienst, jede Gr&ouml;&szlig;e unausstehlich ist:
+um so mehr, wenn sie ihrem kleinen Gewerbe
+zu schaden droht! Es ist nur Gerechtigkeit, die
+dem Verdienste geb&uuml;hrt, wenn man sich M&uuml;he
+giebt <em class="gesperrt">solche fremde</em> Flecken aus dem Gem&auml;hlde
+w&uuml;rdiger Menschen zu verwischen.</p>
+
+<p>Wenn gegen Mozart diejenige Billigkeit ausge&uuml;bt
+wird, die jeder an sich selbst zu erfahren
+<span class="pagenum"><a name="Page_60" id="Page_60">[60]</a></span>w&uuml;nschen mu&szlig;, so wird er deshalb noch nicht
+als Muster der Oekonomie und Sparsamkeit angepriesen.
+Es ist wahr; er h&auml;tte den Werth
+des Geldes besser sch&auml;tzen sollen: aber darf ein
+gro&szlig;er Geist keine Schw&auml;chen, keine Fehler haben?
+M&ouml;chten doch die, &uuml;ber ihn so streng urtheilen,
+auf ihr Herz greifen und sich fragen:&nbsp;&#8211;&nbsp;&#8211;&nbsp;&#8211;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0"><em class="antiqua">Quid tu?</em><br /></span>
+<span class="i0"><em class="antiqua">nullane habes vitia?</em></span>
+</div></div>
+
+<p>Und sind sie in irgend einem Fache <em class="gesperrt">Mozarte</em>?
+&#8211; Die Endschuldigung der Schulden, die
+er hinterlie&szlig;, vernahmen wir eben aus dem
+Munde seiner Wittwe; und gewi&szlig;, sie ist nicht
+ungegr&uuml;ndet.</p>
+
+<p>Mozart hinterlie&szlig; von mehreren Kindern nur
+zwey S&ouml;hne, wovon der j&uuml;ngere etwa 4&nbsp;Monathe
+alt war, als der Vater starb. Er hei&szlig;t
+Wolfgang wie sein Vater, ist gegenw&auml;rtig 17&nbsp;Jahre
+alt, und durch die ersten Produkte seines
+musikalischen Talentes dem Publikum schon vortheilhaft
+bekannt. Sein Klavierspiel zeichnet
+sich durch feinen Ausdruck und Pr&auml;cision aus.
+Und so w&auml;re denn zum Theil die scherzhafte Vorhersagung
+seines Vaters erf&uuml;llt, da&szlig; <em class="gesperrt">die&szlig;
+Kind ein Mozart werden w&uuml;rde</em>,
+weil es einst weinend in den Ton stimmte, aus
+dem der Vater eben auf dem Fortepiano spielte.
+Offenbar lebt der Geist seines Vaters in ihm:
+aber dem Sohne fehlt eine so bildende Vaterhand,
+<span class="pagenum"><a name="Page_61" id="Page_61">[61]</a></span>wie diejenige war, die das Genie des Vaters
+so trefflich leitete und entwickelte.</p>
+
+<p>M&ouml;ge der hoffnungsvolle Sohn in dem Bestreben
+nach Vollkommenheit nicht erm&uuml;den, und
+so wie er der Erbe des v&auml;terlichen Talentes ist,
+auch seinen rastlosen Flei&szlig; in dem Studium gro&szlig;er
+Meister geerbt haben! Nur dadurch geht der
+Weg zum wahren Ruhme! Der &auml;ltere Sohn
+Karl ist gegenw&auml;rtig in Mayland und macht
+ebenfalls gro&szlig;e Fortschritte in der Tonkunst.</p>
+
+<p>In B&ouml;hmen war Mozarts Kunstvollkommenheit
+noch bey seinem Leben allgemein anerkannt
+und nach Werth gesch&auml;tzt: aber er lebte zu kurz,
+um die wahre Bl&uuml;thezeit seines Ruhmes zu sehen.
+Selbst in Wien seinem Wohnorte waren
+es nur Kenner, die seinem Genie Gerechtigkeit
+widerfahren lie&szlig;en. Der Zauberfl&ouml;te, wovon
+Mozart die ersten Vorstellungen und folglich auch
+den au&szlig;erordentlichen Beyfall noch erlebte, war
+es vorbehalten seine Gr&ouml;&szlig;e dem Auslande zu verk&uuml;nden.
+Durch die&szlig; Meisterwerk begeistert suchte
+man seine &uuml;brigen Werke auf, studierte sie
+und empfand ihre Sch&ouml;nheit, und so ward der
+Name <em class="gesperrt">Mozart</em> bald in der ganzen gebildeten
+Welt gefeyert, seine Ges&auml;nge die Lust jegliches
+Ohres!</p>
+
+<p>Die&szlig; erfuhr seine Wittwe auf ihrer Reise
+durch Deutschland, die sie im J.&nbsp;1796 unternommen
+hatte. Ueberall sah sie zu ihrer innigsten
+<span class="pagenum"><a name="Page_62" id="Page_62">[62]</a></span>Wonne, wie gern die Teutschen wahres
+Verdienst erkennen und ehren, und wie tief Mozarts
+Ges&auml;nge auf ihre Herzen gewirket haben.</p>
+
+<p>Bey ihrem Aufenthalte zu Berlin im Febr.
+1796 gab der <em class="gesperrt">h&ouml;chstselige Wilhelm</em>&nbsp;II.,
+dieser vortreffliche Freund der Tonkunst, und der
+ganze k&ouml;nigl. Hof ausgezeichnete Beweise seiner
+Liebe und Achtung f&uuml;r das Genie Mozarts.
+Durch ein gn&auml;diges Handbillet ward ihr blos aus
+R&uuml;cksicht auf die Talente ihres Mannes das k&ouml;nigl.
+Theater und die Kapelle zum Gebrauche
+f&uuml;r ihr Konzert &uuml;berlassen; und ihre Unternehmung
+wurde nicht nur von dem Monarchen,
+sondern auch von dem ganzen Publikum auf
+das gro&szlig;m&uuml;thigste unterst&uuml;tzt. Ueber alle Beschreibung
+gro&szlig; und r&uuml;hrend war die Wirkung,
+welche die Auff&uuml;hrung der Singst&uuml;cke aus der
+Oper: <em class="antiqua">La Clemenza di Tito</em> bey dem Konzerte
+auf den K&ouml;nig, und das so ungew&ouml;hnlich
+zahlreich versammelte Publikum machte. Alles
+war gleich begeistert, die gro&szlig;en S&auml;nger, das
+vortreffliche Orchester und die Zuh&ouml;rer. Der
+Geist des verewigten K&uuml;nstlers, (so dr&uuml;ckt sich
+ein Berliner Wochenblatt aus, worinn die Akademie
+sehr interessant beschrieben wurde) schien &uuml;ber der
+Versammlung zu schweben, als zum Anfange
+die Sinfonie aus der Zauberfl&ouml;te von dem Orchester
+so meisterhaft vorgetragen, eine feyerliche,
+einweihende Stille hervorbrachte. Das Handbillet
+<span class="pagenum"><a name="Page_63" id="Page_63">[63]</a></span>worinn der K&ouml;nig von Preu&szlig;en einen so
+r&uuml;hmlichen Beweis seines guten Geschmackes und
+der Achtung f&uuml;r teutsches Talent gegeben, lautet
+w&ouml;rtlich so:</p>
+
+<div class="blockquote"><p>&raquo;Sr. K&ouml;nigliche Majest&auml;t von Preu&szlig;en etc. etc.
+machen sich ein wahres Vergn&uuml;gen, durch die
+Gew&auml;hrung des Wunsches der Wittwe Mozart
+zu beweisen, wie sehr Sie das Talent ihres verstorbenen
+Mannes gesch&auml;tzt und die ung&uuml;nstigen
+Umst&auml;nde bedauert haben, welche ihm die
+Fr&uuml;chte seiner Werke einzuerndten verhinderten.
+Allerh&ouml;chst dieselben bewilligen der Wittwe Mozart
+zur Ausf&uuml;hrung dessen letzter Komposition,
+<em class="antiqua">La Clemenza di Tito</em> das gro&szlig;e Opernhaus,
+so wie Dero eigenes Orchester, haben auch dieserhalb
+die n&ouml;thigen Befehle an den Kammerherrn
+Freyherrn von der <em class="gesperrt">Reck</em> erlassen, an
+welchen sich selbige nunmehr zu wenden hat,
+und wegen des hiezu zu bestimmenden Tages
+und wegen des &uuml;brigen Details mit ihm sich
+geh&ouml;rig zu besprechen. Berlin den 14ten Februar
+1796.&laquo;</p>
+
+<p class="signature">Fr. Wilhelm.</p>
+</div>
+
+<p>Selbst der Italiener seit Jahrhunderten im
+unbestrittenem Besitze des Meisterrechtes der Tonkunst
+&uuml;berwand seinen Nationalstolz, und erkennt
+nun Mozarts Ueberlegenheit in der Musik
+<span class="pagenum"><a name="Page_64" id="Page_64">[64]</a></span>an. Seine Opern werden in Rom, Mayland
+und andern St&auml;dten mit Beyfall gegeben; die
+Klaviersachen von jedermann gespielt; Meister
+studiren seine Partituren.</p>
+
+<p>Noch fr&uuml;her hat Frankreich seiner Kunst gehuldiget.
+Der Beyfall den die Mysterien der Isis
+(Zauberfl&ouml;te) in Paris erhielten ist ein Beweis
+davon. Don Juan machte kein so gro&szlig;es
+Gl&uuml;ck; aber die&szlig; war, wie alle Nachrichten einstimmig
+aussagten, die Folge der schlechten Darstellung
+des St&uuml;ckes. Denn der hohe Werth der
+Musik selbst wurde vollkommen anerkannt. Seine
+Sinfonien, Klavierkonzerte, Quartetten werden
+allgemein bewundert, h&auml;ufig gespielt, und
+im Stich und Druck ohne Aufh&ouml;ren neu aufgelegt.</p>
+
+<p>England, welches deutsches Tonk&uuml;nstlerverdienst
+von jeher sch&auml;tzte und lohnte, kennt und bewundert
+auch Mozarts allgewaltigen Geist. Die Seelenmesse
+ward in London &ouml;fter mit dem gr&ouml;&szlig;ten
+Beyfalle aufgef&uuml;hrt; der Absatz seiner Werke,
+die bey Breitkopf und H&auml;rtel herausgekommen,
+ist nach England eben so stark, als in Deutschland
+und Frankreich.</p>
+
+<p>Wo giebt es &uuml;berhaupt Kenner und Liebhaber
+der s&uuml;&szlig;esten der K&uuml;nste, wo nicht Mozarts
+T&ouml;ne t&ouml;nten und jedes Ohr entz&uuml;ckten? Selbst
+<span class="pagenum"><a name="Page_65" id="Page_65">[65]</a></span>in den entferntesten Welttheilen, wohin kaum der
+Name der ber&uuml;hmtesten Europ&auml;er dringt, wiederhallen
+seine Harmonien. In den philippinischen
+Inseln, (schreibt unser Landsmann, der
+bekannte Botaniker H&auml;nke) werden seine Werke
+mit Entz&uuml;cken geh&ouml;rt.</p>
+
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_4_4" id="Footnote_4_4"></a><a href="#FNanchor_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Anmerkung: Diese Reise nach Paris gab der
+Welt die gro&szlig;e Sinfonie in <em class="antiqua">D.</em> die deshalb und
+ihres raschen Feuers wegen, die franz&ouml;sische
+hei&szlig;t.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_5_5" id="Footnote_5_5"></a><a href="#FNanchor_5_5"><span class="label">[5]</span></a> Vorz&uuml;glich der verehrte Herr <em class="gesperrt">Duscheck, Kucharz,
+Praupner, Johann Kozeluch,
+(nicht Leopold der in Wien lebt,) die
+beyden Loschek, Maschek, Caj. Vogel,
+Wenzel, Weber, R&ouml;sler, Witassek, Tomaschek</em>
+u.&nbsp;a.&nbsp;m.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_6_6" id="Footnote_6_6"></a><a href="#FNanchor_6_6"><span class="label">[6]</span></a> Der Verfasser las den Brief im Original, und
+fand ihn sehr gut geschrieben.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_7_7" id="Footnote_7_7"></a><a href="#FNanchor_7_7"><span class="label">[7]</span></a> Er unternahm sie im Fr&uuml;hjahr des Jahrs 1789.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_8_8" id="Footnote_8_8"></a><a href="#FNanchor_8_8"><span class="label">[8]</span></a> Mozart bearbeitete f&uuml;r ihn <em class="gesperrt">H&auml;ndels Acis
+und Galathea, Messias, Cecilia, und
+das Fest des Alexanders</em> in den Jahren
+1788, 89, 90.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_9_9" id="Footnote_9_9"></a><a href="#FNanchor_9_9"><span class="label">[9]</span></a> Der Verfasser erz&auml;hlt die Begebenheit, wie er sie
+oftmals aus dem Munde der Wittwe geh&ouml;rt hatte,
+und &uuml;berl&auml;&szlig;t es jedem Leser Betrachtungen dar&uuml;ber
+anzustellen. Er sah eines der Billette, die
+der unbekannte Besteller an Mozart schrieb. Man
+kann daraus nichts Besonders abnehmen. Es ist
+sehr kurz, Mozart wird darinn ersucht das Requiem
+zu senden, und eine Summe zu bestimmen,
+um welche er j&auml;hrlich eine gewisse Anzahl Quartetten
+machen k&ouml;nnte. Warum hat der unbekannte
+Verehrer der Talente Mozarts, (so nannte
+er sich,) f&uuml;r gut gefunden verborgen zu bleiben?
+Was ist mit dem Requiem geschehen?
+Man erfuhr nie, da&szlig; es damals irgendwo aufgef&uuml;hrt
+worden sey. Mozarts Freunden w&uuml;rde es ein
+gro&szlig;es Vergn&uuml;gen machen, einigen Aufschlu&szlig;
+&uuml;ber die Sache zu erhalten. Denn man kann
+keine gegr&uuml;ndete Ursache denken, die eine solche
+geheimni&szlig;volle Verborgenheit nothwendig machte.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_10_10" id="Footnote_10_10"></a><a href="#FNanchor_10_10"><span class="label">[10]</span></a> Dieser als K&uuml;nstler und Mensch gleich verehrungsw&uuml;rdige
+Mann ist im Jahr 1798 im Dezember
+gestorben.</p></div>
+</div>
+
+
+
+
+<h2><span class="pagenum"><a name="Page_66" id="Page_66">[66]</a></span><a name="III" id="III"></a>III.<br />
+<span class="caption">Mozart als K&uuml;nstler und Mensch.</span></h2>
+
+
+<p class="newsection"><span class="dropcap">D</span>ie K&ouml;rperbildung dieses au&szlig;erordentlichen
+Menschen hatte nichts Auszeichnendes; er war
+klein, sein Angesicht angenehm, aber, wenn man
+das gro&szlig;e, feurige Auge ausnimmt, k&uuml;ndigte es
+die Gr&ouml;&szlig;e seines Genies auf den ersten Anblick
+nicht an.</p>
+
+<p>Der Blick schien unstet und zerstreut, au&szlig;er
+wenn er bey dem Klavier sa&szlig;; da &auml;nderte sich
+sein ganzes Antlitz! Ernst und versammelt ruhte
+dann sein Auge; auf jeder Muskelbewegung
+dr&uuml;ckte sich die Empfindung aus, welche er durch
+sein Spiel vortrug und in dem Zuh&ouml;rer so m&auml;chtig
+wieder zu erwecken vermochte.</p>
+
+<p>Er hatte kleine sch&ouml;ne H&auml;nde; bey dem Klavierspielen
+wu&szlig;te er sie so sanft und nat&uuml;rlich an
+<span class="pagenum"><a name="Page_67" id="Page_67">[67]</a></span>der Klaviatur zu bewegen, da&szlig; sich das Auge
+daran nicht minder, als das Ohr an den T&ouml;nen
+erg&ouml;tzen mu&szlig;te. Auch darinn zeichnete sich also
+Mozart vor den tummelnden Kraftgenies unserer
+Tage aus!</p>
+
+<p>Der kleine Wuchs seines K&ouml;rpers kam von seiner
+fr&uuml;hen Geistesanstrengung her, und von dem
+Mangel an freyer Bewegung in der Zeit seiner
+Kindheit. Er war zwar von sch&ouml;nen Eltern erzeugt,
+und selbst ein sch&ouml;nes Kind gewesen; aber
+von dem 6ten Lebensjahre an war er an eine sitzende
+Lebensweise gebunden; um diese Zeit fing er
+schon an zu schreiben! Und wie viel hat der
+Mann nicht in seinem Leben geschrieben? Da
+Mozart bekannterma&szlig;en in der Nacht am liebsten
+spielte und komponirte und die Arbeit oft
+dringend war: so kann sich jeder vorstellen, wie
+sehr ein so fein organisirter K&ouml;rper darunter leiden
+mu&szlig;te! Sein fr&uuml;her Tod, (<em class="gesperrt">wenn er ja
+nicht auch k&uuml;nstlich bef&ouml;rdert war</em>),
+mu&szlig; diesen Ursachen haupts&auml;chlich zugeschrieben
+werden.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Aber in dem unansehnlichen
+K&ouml;rper wohnte ein Genius der Kunst</em>,
+wie ihn nur wenigen Lieblingen die Natur verlieh!</p>
+
+<p>Die Gr&ouml;&szlig;e und der Umfang seines Genies
+l&auml;&szlig;t sich nur nach dem so fr&uuml;hen, so beyspiellos
+schnellen Gange seiner Entwickelung, und nach
+<span class="pagenum"><a name="Page_68" id="Page_68">[68]</a></span>der hohen Stufe der Vollkommenheit abmessen,
+auf die er in seiner Kunst gestiegen war. Kein Tonk&uuml;nstler
+vor ihm hatte das weite Gebiet seiner Kunst
+so ganz umfa&szlig;t, und in jedem Zweige derselben
+so vollendete Produkte geschaffen, als Mozart.
+Von der Sch&ouml;pfung einer Oper an, bis zu dem
+einfachen Liede, von der kritischen Erhabenheit
+einer Sinfonie, bis zu dem leichten Tanzst&uuml;ckchen
+herab; im Ernsten und Komischen tragen
+seine Werke &uuml;berall den Stempel der reichsten
+Phantasie, der eindringendsten Empfindung, des
+feinsten Geschmackes. Sie haben eine Neuheit
+und Originalit&auml;t, die eine getreue Beurkundung
+seines Genies ist. Selbst dasjenige, welches
+man ihm als <em class="gesperrt">Fehler</em> vorwirft, zeuget von der
+Kraft seines <em class="gesperrt">freyen</em>, eine <em class="gesperrt">neue Bahn</em> gehenden
+Geistes. Dazu denke man noch die
+<em class="gesperrt">Vollkommenheit</em>, die er zugleich im Klavierspielen
+erreicht hatte!</p>
+
+<p>Alle diese so seltenen, so mannigfaltigen und
+so innig verwebten Vorz&uuml;ge bestimmen den Rang,
+der <em class="gesperrt">ihm unter den Genien</em> der K&uuml;nste
+geb&uuml;hrt. <em class="gesperrt">Er war unstreitig einer der
+gro&szlig;en, sch&ouml;pferischen Geister, die
+in ihrer Kunst Epoche machen, weil
+sie dieselbe vervollkommnen, oder
+doch ihren Nachfolgern neue Ansichten
+und Pfade er&ouml;ffnen; nach
+deren Erscheinung aber die Kunst
+<span class="pagenum"><a name="Page_69" id="Page_69">[69]</a></span>gew&ouml;hnlich still stehet, oder r&uuml;ckw&auml;rts
+geht.</em></p>
+
+<p>Unter den sch&ouml;nen K&uuml;nsten ist keine so
+sehr Sklavin der Mode und des Zeitgeschmackes,
+als die Musik. Da sie bey uns blos
+dem Vergn&uuml;gen dient, blos Sache des <em class="gesperrt">Einzelnen</em>
+bleibt, keinen Vereinigungspunkt, keine
+Anstalt hat, wodurch der Geschmack des
+Publikums die geh&ouml;rige Richtung bek&auml;me; da
+ferner ihre Theorie noch zu wenig bestimmt
+und entwickelt ist, um selbst den K&uuml;nstlern eine
+Gr&auml;nze zu zeigen oder ein Ideal vorzustellen:
+so mu&szlig; sie immer zwischen der Laune der Mode,
+dem Eigensinne eines verderbten Geschmackes
+und zwischen den aufgestellten Mustern
+gro&szlig;er K&uuml;nstler unstet hin und her schwanken,
+und erh&auml;lt nie einen sichern Gang zur Vollkommenheit.
+Ueberdie&szlig; sind ihre Zeichen und
+Formen zu unbestimmt, und das <em class="gesperrt">Ohr</em>, durch
+welches sie auf den Geist wirket, ist ein viel
+zu untreuer Bothe, seine Sensationen sind zu
+dunkel, als da&szlig; man so deutlich bestimmen
+k&ouml;nnte, welches darinn das wahre Sch&ouml;ne sey.
+<em class="gesperrt">Was dem gro&szlig;en Haufen gef&auml;llt</em> &#8211;
+hei&szlig;t <em class="gesperrt">sch&ouml;n</em>! Das Neue hat einen starken
+Reiz; daher ist es seines Sieges &uuml;ber das bessere
+Alte gewi&szlig;; und darum gilt alte Musik
+und alte Mode einerley. Denn die wenigsten
+Menschen haben Geschmack und Kenntni&szlig; genug,
+<span class="pagenum"><a name="Page_70" id="Page_70">[70]</a></span>um &auml;chte Sch&ouml;nheit, vom Flitter zu unterscheiden.
+Wenn gr&ouml;&szlig;ere Geister durch ihre
+Meisterwerke mehr als eine augenblickliche R&uuml;hrung
+hervorbringen, so summen doch der Leyerm&auml;nner
+der zwey <em class="gesperrt">Schwestern von Prag</em>,
+des <em class="gesperrt">Tyroler Wastels</em>, und dergl. sch&ouml;nen
+S&auml;chelchen, so lange dem Publikum um die
+Ohren, bis der Nachhall sch&ouml;nerer T&ouml;ne verschwindet!
+Dann kennt man die Namen gro&szlig;er
+Meister nur noch aus B&uuml;chern; ihre himmlischen
+Harmonien sind l&auml;ngst verhallt! Das ist
+gew&ouml;hnlich das traurige Schicksal der Musik!
+Wie viel Kraft, wie viel klassischen Gehalt mu&szlig;
+also in den Werken Mozarts liegen, wenn ihre
+Wirkung von dieser Erscheinung eine Ausnahme
+machet? Ihre Sch&ouml;nheit empfindet man gew&ouml;hnlich
+dann erst recht lebhaft, wenn man sie &ouml;fters
+geh&ouml;rt, oder recht scharf gepr&uuml;fet hat. Oder haben
+uns wohl <em class="gesperrt">Figaro</em>, <em class="gesperrt">Don Juan</em>, <em class="gesperrt">Titus</em>,
+w&auml;hrend ihrer vielj&auml;hrigen Vorstellung
+noch jemals Langeweile gemacht? H&ouml;rt man seine
+<em class="gesperrt">Klavierkonzerte</em>, <em class="gesperrt">Sonaten</em>, <em class="gesperrt">Lieder</em>
+das drey&szlig;igstemal nicht lieber noch, als das
+erstemal? Wer hat die tiefgedachten Sch&ouml;nheiten
+seiner Violin-Quartetten und Quintetten nach
+der h&auml;ufigsten Wiederholung ersch&ouml;pft? Dieses
+ist der wahre Probirstein des klassischen Werthes!
+Die Meisterst&uuml;cke der R&ouml;mer und Griechen gefallen
+bey fortgesetzter Lekt&uuml;re und je reifer der Geschmack
+<span class="pagenum"><a name="Page_71" id="Page_71">[71]</a></span>wird, immer mehr und mehr &#8211; das
+nemliche widerf&auml;hrt dem Kenner und Nichtkenner
+bey der Anh&ouml;rung Mozartischer Musik, besonders
+der dramatischen Werke. So ging es uns
+bey der ersten Vorstellung des <em class="gesperrt">Don Juan</em> und
+insbesondere des Titus.</p>
+
+<p>Ja eben itzt, nachdem die meisten Sch&ouml;pfungen
+seiner Kunst 20 bis 30 Jahre alt sind, gefallen sie
+am meisten! Wie gern h&ouml;rt man nach dem Wirrwarr
+neuester Kompositeurs die stillerhabenen,
+klaren, so einfachen Ges&auml;nge unsers Lieblinges!
+Wie wohl thun sie unserm Gef&uuml;hle &#8211; es ist
+als wenn man aus einem chaotischen Gewirre,
+aus dichter Finsterni&szlig; ins Licht und eine heitere
+Ordnung versetzt w&uuml;rde.</p>
+
+<p>Nebst den oben angef&uuml;hrten Eigenheiten und
+Vorz&uuml;gen des mozartischen Kunsttalentes, beobachtete
+an ihm der aufmerksame Sch&auml;tzer seiner
+Werke einen gewissen <em class="gesperrt">feinen Sinn</em>, den Charakter
+jeder Person, Lage und Empfindung aufs
+genaueste zu treffen;</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0"><em class="antiqua">reddere convenientia cuique</em>.</span>
+</div></div>
+
+<p>Diese Eigenschaft war sein wahrer Beruf
+zum dramatischen Komponisten, und ist zugleich
+der Erkl&auml;rungsgrund des Zaubers und der gro&szlig;en
+Wirkung seiner Werke. Daher hat jede seiner
+Kompositionen einen bestimmten, eigenth&uuml;mlichen
+Charakter, eine Individualit&auml;t, die selbst in
+der Wahl der Tonart sich ank&uuml;ndigt. Kenner
+<span class="pagenum"><a name="Page_72" id="Page_72">[72]</a></span>seiner Werke bed&uuml;rfen keiner besondern Beyspiele,
+da alle Opern von seiner Komposition diese Eigenschaft
+im hohen Grade an sich haben; aber
+das sch&ouml;nste Muster davon ist <em class="antiqua">La Clemenza
+di Tito</em>. &#8211; Wie ganz anders bey den gew&ouml;hnlichen
+Kompositionen? Es sind gr&ouml;&szlig;tentheils
+Ges&auml;nge von so unbestimmtem Charakter, da&szlig;
+sie eben so gut zu einer Messe, als <em class="antiqua">Opera buffa</em>
+taugen.</p>
+
+<p>Eine andere auszeichnende Eigenheit seiner
+Werke ist die <em class="gesperrt">Verbindung der h&ouml;chsten
+Kompositionskunst mit Lieblichkeit
+und Anmuth</em>. Diese Vereinigung ist eine
+Aufgabe blos f&uuml;r K&uuml;nstler von mozartischem
+Genie. Den Beweis davon giebt die Erfahrung.
+Wie selten trift man auf Kompositionen,
+die den beyden Forderungen Gen&uuml;ge leisteten?
+Entweder sind es blos kontrapunktische Kunstst&uuml;cke,
+die wohl allen Regeln des Satzes zusagen
+m&ouml;gen; aber W&auml;rme, Anmuth und Lieblichkeit,
+diese wahren Zaubermittel der R&uuml;hrung, wu&szlig;te
+ihnen ihr Meister nicht anzuziffern: oder es
+sind geistlose, fade Liedeleyen, ohne Sinn und
+Zusammenhang, kaum im Stande dem Ohre
+mit ihrem &uuml;bers&uuml;&szlig;en Geklingel einen vor&uuml;bergehenden
+Kitzel zu verursachen.</p>
+
+<p>Wie ganz anders ist es beym Mozart? Wie
+schmilzt in seinen Werken das, was man Kunst
+des Satzes nennt, mit Anmuth, Lieblichkeit und
+<span class="pagenum"><a name="Page_73" id="Page_73">[73]</a></span>Wohllaut so sch&ouml;n zusammen, da&szlig; das eine wegen
+des andern da zu seyn scheint &#8211; und beydes
+zur Hervorbringung des h&ouml;chsten Effektes gleich
+wirksam ist! Und doch, wie m&auml;&szlig;ig und besonnen
+war er in dem Gebrauche der S&uuml;&szlig;igkeiten und
+Gew&uuml;rze? Er kannte die hohe Forderung der
+Kunst und der Natur. Er schrieb was sein
+Genius ihm eingab, was sein richtiger Geschmack
+wahr fand, unbek&uuml;mmert ob es nach
+dem Geschmacke des Parterres seyn w&uuml;rde oder
+nicht; und <em class="gesperrt">so bildete er sich selber das
+Publikum</em>, &uuml;berzeugt, da&szlig; wahre Sch&ouml;nheit,
+wie die Wahrheit, endlich doch erkannt wird
+und gef&auml;llt. Die&szlig; thaten immer gro&szlig;e K&uuml;nstler,
+welche die Kraft hatten einen eigenen Weg
+zu gehen, und der Mode nicht zu fr&ouml;hnen.</p>
+
+<p>Der Punkt dieser sch&ouml;nen Vereinigung der
+Gr&uuml;ndlichkeit des Satzes mit Anmuth und
+Lieblichkeit ist gewi&szlig; die treffliche und vor seiner
+Zeit <em class="gesperrt">unbekannte Art die Blasinstrumente
+zu brauchen und wirken zu
+lassen</em>. Hierinn gl&auml;nzt sein erfinderisches <em class="gesperrt">Genie</em>
+ohne Beyspiel und Nebenbuhler.</p>
+
+<p>Er ma&szlig; mit dem feinsten Sinne die Natur
+und den Umfang der Instrumente ab,
+zeichnete ihnen neue Bahnen vor, und gab jedem
+derselben die vortheilhafteste Rolle, um die
+kraftvolle Masse von Harmonie hervorzubringen,
+welche die Bewunderung aller Kenner erzwingt
+<span class="pagenum"><a name="Page_74" id="Page_74">[74]</a></span>und das Muster und Studium der guten
+K&ouml;pfe bleiben wird. Wie ganz anders sehen
+hierinn die Kompositionen selbst gro&szlig;er Meister
+nach Mozarts Periode, als vor derselben aus?
+Wie unendlich viel haben sie gewonnen durch
+die Anwendung seiner Art, die Blasinstrumente
+zu setzen? Selbst des gro&szlig;en Haidns Werke
+best&auml;ttigen diese Behauptung. Man vergleiche
+die &auml;ltern Sinfonien von ihm, mit den
+neuern? Die Sch&ouml;pfung schrieb Haidn erst
+nach Mozarts Epoche.</p>
+
+<p>Wie leise schmiegen sich die T&ouml;ne der
+Blasinstrumente dem Hauptgesange an? wie
+k&uuml;hn wetteifern sie bald wieder mit der Singstimme?
+Welche feine Wendungen? Welche
+Mannichfaltigkeit und Abwechslung &uuml;berall?
+Bald wieder, wo es der Gegenstand oder Affekt
+erfordert, wie abstehend der Kontrast?
+Wie gewaltig das Aufbrausen der Leidenschaft?
+Selbst in St&uuml;cken ohne Singstimmen lehrte
+Mozart seine Instrumente einen Gesang, der
+so vernehmlich zu dem Gef&uuml;hle spricht, da&szlig;
+der Zuh&ouml;rer nur wenig die Abwesenheit der
+Singstimme wahrnehmen kann. Man h&ouml;re
+seine Andantes oder Romanzen, in den Klavierkonzerten
+und Quartetten!</p>
+
+<p>Bey dem h&auml;ufigen Gebrauche der Blasinstrumente,
+wie vollkommen wu&szlig;te doch Mozart
+alle Ueberladung zu vermeiden? wie richtig den
+<span class="pagenum"><a name="Page_75" id="Page_75">[75]</a></span>Ort und den Zeitpunkt zu treffen, wo sie Effekt
+machen? Nie ist ein Instrument verschwendet
+oder mi&szlig;braucht, und daher &uuml;berfl&uuml;ssig.
+Aber nur <em class="gesperrt">er</em> verstand die Oekonomie mit dem
+geringsten Aufwande, oft durch einen einzigen
+Zug eines Instruments, durch einen <em class="gesperrt">Akkord</em>,
+einen Trompetensto&szlig;, einen Paukenwirbel die
+gr&ouml;&szlig;te Wirkung hervorzuzaubern! Wie tief sind
+viele seiner Nachahmer hierinnen unter ihm?</p>
+
+<p>So gro&szlig;, so neu immer Mozart in der
+Instrumentalpartie seyn mag, so entfaltet sich
+doch sein m&auml;chtiges Genie noch <em class="gesperrt">reizender
+in dem Satze des Gesanges f&uuml;r
+menschliche Stimmen</em>. Hierinn erwarb
+er sich ein zweifaches, gleich gro&szlig;es Verdienst.
+Mit richtigem Geschmacke f&uuml;hrte er ihn zu seiner
+anspruchslosen Mutter, der Natur und
+Empfindung zur&uuml;ck. Er wagte es den italienischen
+S&auml;ngern zu trotzen,<a name="FNanchor_11_11" id="FNanchor_11_11"></a><a href="#Footnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a> alle unn&uuml;tzen charakterlosen
+<span class="pagenum"><a name="Page_76" id="Page_76">[76]</a></span>Gurgeleyen, Schn&ouml;rkel und Passagen
+zu verbannen! Daher ist sein Gesang &uuml;berall
+<em class="gesperrt">einfach, nat&uuml;rlich, kraftvoll, ein reiner
+Ausdruck der Empfindung und
+der Individualit&auml;t</em> der Person und ihrer
+Lage. Der Sinn des Textes ist immer so richtig
+und genau getroffen, da&szlig; man ausrufen mu&szlig;:
+&raquo;Wahrlich die Musik spricht&laquo;! Aber Mozart
+scheint sich selbst zu &uuml;bertreffen, wenn er den
+Gesang f&uuml;r mehrere Stimmen dichtet, <em class="gesperrt">in Terzetten,
+Quartetten, Quintetten</em> d.&nbsp;h.
+in vielstimmigen St&uuml;cken; vorz&uuml;glich in seinen
+un&uuml;bertrefflichen, wahrlich <em class="gesperrt">einzigen
+Operfinalen</em>. Welcher Reichthum? welche
+Mannigfaltigkeit in Wendungen und Ver&auml;nderungen?
+Wie schlingt sich da eine Stimme um
+die andere? wie sch&ouml;n vereinigen sie sich alle ein
+reizendes Ganze zu bilden, eine neue Harmonie
+hervorzubringen? Und doch sagt jede nur ihre
+eigene oft entgegengesetzte Empfindung! <em class="gesperrt">Hier
+ist die gr&ouml;&szlig;te Mannigfaltigkeit und
+die strengste Einheit vereinigt.</em> Man
+findet wohl <em class="gesperrt">sch&ouml;ne</em> Arien auch bey andern
+<span class="pagenum"><a name="Page_77" id="Page_77">[77]</a></span>Meistern: aber niemand wird in <em class="gesperrt">vielstimmigen
+Sachen</em> Mozarten die Palme entrei&szlig;en.</p>
+
+<p>Doch wer mag sie alle entwickeln, die unz&auml;hligen
+Vorz&uuml;ge, die unersch&ouml;pflichen Sch&ouml;nheiten
+seiner Kunst? Wer mag mit Worten das
+<em class="gesperrt">Neue, Originelle, Hinrei&szlig;ende, Erhabene,
+Vollt&ouml;nende seiner</em> Musik
+beschreiben? Seine Musik verfehlt nie ihre Wirkung,
+wenn sie nur p&uuml;nktlich und mit Feuer
+vorgetragen wird. Freylich ist es nicht leicht
+seinem Geiste nachzufliegen; und da bey ihm jede
+Note mathematisch genau zu der Harmonie
+berechnet ist: so giebt es auch kein so arges
+Mi&szlig;get&ouml;n, als wenn rohe H&auml;nde unwissender
+Bierfiedler sich an seine Heiligth&uuml;mer wagen.</p>
+
+<p>Die ber&uuml;hmtesten Tonk&uuml;nstler erkannten die
+Gr&ouml;&szlig;e seines Genies, und bewunderten seine
+Werke. <em class="gesperrt">Joseph Haydn</em>, dieser Liebling
+der Grazien, der in seinem Alter noch das
+Gef&uuml;hl eines J&uuml;nglinges zeigte, ist gewi&szlig; vor
+allen <em class="gesperrt">ein befugter und berufener
+Richter</em>.</p>
+
+<p>Sein Urtheil ist unpartheyisch, weil er als
+ein redlicher Mann bekannt ist, und Mozarts
+aufbl&uuml;hender Ruhm dem seinigen im Wege stand.
+Schon im Jahre 1785 da Mozarts Vater noch
+lebte, sagte J. Hayden bey einer Zusammenkunft
+in Wien zu ihm: &raquo;<em class="gesperrt">Ich sage Ihnen
+<span class="pagenum"><a name="Page_78" id="Page_78">[78]</a></span>vor Gott und als ein ehrlicher
+Mann, da&szlig; ich ihren Sohn f&uuml;r den
+gr&ouml;&szlig;ten Komponisten anerkenne,
+von dem ich nur immer geh&ouml;rt habe;
+er hat Geschmack und besitzt
+die gr&uuml;ndlichste Kenntni&szlig; in der
+Kunst der Komposition.</em>&laquo;</p>
+
+<p>Im Jahre 1787 im Dezember schrieb eben
+dieser gro&szlig;e Mann an einen <em class="gesperrt">Freund in
+Prag</em>, der mit ihm seit langer Zeit in Briefwechsel
+stand, und ein Singspiel von seiner Komposition
+f&uuml;r Prag verlangte, folgenden merkw&uuml;rdigen
+Brief:</p>
+
+<div class="blockquote"><p>&raquo;Sie verlangen eine <em class="antiqua">Opera buffa</em> von mir;
+recht herzlich gern, wenn Sie Lust haben von
+meiner Singkomposition etwas f&uuml;r sich allein zu
+besitzen. Aber um sie auf dem Theater zu Prag
+aufzuf&uuml;hren, kann ich Ihnen die&szlig;falls nicht
+dienen, weil alle meine Opern zu viel auf unser
+Personale (<em class="gesperrt">zu Esterhaz in Ungarn</em>)
+gebunden sind, und au&szlig;erdem nie die Wirkung
+hervorbringen w&uuml;rden, die ich nach der Lokalit&auml;t
+berechnet habe. Ganz was anders w&auml;r
+es, wenn ich das unsch&auml;tzbare Gl&uuml;ck h&auml;tte ein
+ganz neues Buch f&uuml;r das dasige Theater zu
+komponiren. Aber auch da h&auml;tte ich noch viel
+zu wagen, in dem der <em class="gesperrt">gro&szlig;e</em> Mozart schwerlich
+jemanden andern zur Seite haben kann.&laquo;</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_79" id="Page_79">[79]</a></span>&raquo;Denn, k&ouml;nnt ich jedem Musikfreunde besonders
+aber den Gro&szlig;en die unnachahmlichen Arbeiten
+Mozarts <em class="gesperrt">so tief und mit einem
+solchen musikalischen Verstande,
+mit einer so gro&szlig;en Empfindung in
+die Seele pr&auml;gen, als ich sie begreife
+und empfinde</em>: so w&uuml;rden die
+Nationen wetteifern ein solches Kleinod in ihren
+Ringmauern zu besitzen. Prag soll den
+theuern Mann fest halten &#8211; aber auch belohnen;
+denn ohne dieses ist die Geschichte gro&szlig;er
+<em class="gesperrt">Genies traurig</em>, und giebt der Nachwelt
+wenig Aufmunterung zum fernern Bestreben;
+we&szlig;wegen leider! so viel hoffnungsvolle Geister
+darnieder liegen. Mich z&uuml;rnet es, da&szlig; dieser
+<em class="gesperrt">einzige Mozart</em> noch nicht bey einem
+kaiserlichen oder k&ouml;niglichen Hofe engagirt ist.
+Verzeihen Sie, wenn ich aus dem Geleise komme:
+ich habe den Mann zu lieb.&laquo;</p>
+
+<p class="sigline1">Ich bin etc.</p>
+<p class="signature">Joseph Hayden.</p>
+
+<p>N.&nbsp;S. An das Prager Orchester und die dasige
+Virtuosen mein ergebenstes Kompliment.<a name="FNanchor_12_12" id="FNanchor_12_12"></a><a href="#Footnote_12_12" class="fnanchor">[12]</a></p>
+</div>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_80" id="Page_80">[80]</a></span>Wenn ein <em class="gesperrt">Haydn</em> so urtheilt, so begeistert
+spricht &#8211; ein Haydn, der allein unter
+allen Tonk&uuml;nstlern &uuml;ber seinen Verlust zu tr&ouml;sten
+im Stande w&auml;re, was will dann das Gekreische
+einiger kleinen Geister sagen, die an Mozarts
+Ruhme zu Rittern werden wollten?</p>
+
+<p>Der churs&auml;chsische Kapellmeister H. Naumann
+bezeugte bey seinem Aufenthalte zu Prag
+auf eine sch&ouml;ne Art seine Hochachtung und Bewunderung
+f&uuml;r Mozarts Talente und Werke in
+einer r&uuml;hrenden Anrede an seinen Sohn, als
+ihm derselbe von seiner Freundin Duschek vorgestellt
+wurde. Wer die redliche anspruchslose
+Denkungsart dieses ber&uuml;hmten Meisters kannte,
+wird an der Wahrheit seiner Gesinnungen gewi&szlig;
+nicht zweifeln.<a name="FNanchor_13_13" id="FNanchor_13_13"></a><a href="#Footnote_13_13" class="fnanchor">[13]</a></p>
+
+<p>Wie sehr ihn <em class="gesperrt">Gluck</em> gesch&auml;tzt habe, ist
+schon erw&auml;hnt worden.</p>
+
+<p>Cherubini, dessen Geist dem Mozartischen am
+n&auml;chsten verwandt scheint, ist sein gr&ouml;&szlig;ter Bewunderer,
+<span class="pagenum"><a name="Page_81" id="Page_81">[81]</a></span>und hat seine Werke zum Gegenstande
+seines best&auml;ndigen Studium gemacht. Alle
+Neuern, wenn sie es auch nicht gestehen wollen,
+haben von Mozart gelernt, oder ahmen ihn
+nach!</p>
+
+<p>Ein noch lebender, nicht unber&uuml;hmter Tonsetzer
+in Wien sagte zu einem andern bey Mozarts
+Tode, mit vieler Wahrheit und Aufrichtigkeit:
+&raquo;Es ist zwar Schade um ein so gro&szlig;es Genie;
+aber wohl uns, da&szlig; er todt ist. Denn,
+w&uuml;rde er l&auml;nger gelebt haben, wahrlich! die
+Welt h&auml;tte uns kein St&uuml;ck Brod mehr f&uuml;r unsere
+Kompositionen gegeben.&laquo;</p>
+
+<p>Die zahlreiche Klasse gr&uuml;ndlicher Tonk&uuml;nstler
+in Prag verdient mit Recht unter den Richtern
+&uuml;ber Mozarts hohen Werth einen ansehnlichen
+Platz. Die meisten von ihnen sprechen mit einer
+Achtung von Mozarts Werken, die ein r&uuml;hmlicher
+Beweis ihrer Kenntnisse, und der Unbefangenheit
+ihres Herzens ist. &#8211; Einige, (lange
+noch nicht alle) sind in einer vorhergehenden
+Anmerkung genannt worden. Der brave Duschek
+mit seiner Gattin, die als K&uuml;nstlerin und
+gebildete Frau im gleichen Ma&szlig;e auf Achtung
+und Beyfall Anspruch machen kann, waren
+Freunde und Bewunderer Mozarts. Wie viele
+treffliche K&uuml;nstler, auf die <em class="gesperrt">B&ouml;hmen</em> stolz ist
+&#8211; wie viele gr&uuml;ndliche und geschmackvolle Dilletanten
+vom Adel und dem B&uuml;rgerstande, die
+<span class="pagenum"><a name="Page_82" id="Page_82">[82]</a></span>in jedem andern Lande f&uuml;r Virtuosen gelten w&uuml;rden,
+m&uuml;&szlig;te ich nennen, wenn ich alle Freunde
+und Verehrer seiner Werke und Talente in B&ouml;hmen
+herz&auml;hlen wollte?</p>
+
+<p>Doch um Mozart als Tonk&uuml;nstler ganz kennen
+zu lernen, ist es n&ouml;thig ihn bey seinem
+Schreibpulte, wenn er die unsterblichen Werke
+dichtete, zu beobachten!</p>
+
+<p>Mozart schrieb alles mit einer Leichtigkeit und
+Geschwindigkeit, die wohl beym ersten Anblick
+Fl&uuml;chtigkeit oder Eile scheinen konnte; auch kam
+er nie w&auml;hrend des Schreibens zum Klavier.
+Seine Imagination stellte ihm das ganze Werk,
+wenn es empfangen war, deutlich und lebhaft
+dar. Die gro&szlig;e Kenntni&szlig; des Satzes erleichterte
+ihm den Ueberblick der gesammten Harmonie.
+Selten trift man in seinen Konzeptpartituren ausgebesserte
+oder &uuml;berstrichene Stellen an. Daraus
+folgt nicht, da&szlig; er seine Arbeiten nur hingeworfen
+habe. In seinem Kopfe lag das Werk immer
+schon vollendet, ehe er sich zum Schreibpulte
+setzte. Wenn er den Text zu einer Singkomposition
+bekam, so ging er lange Zeit damit herum,
+dachte sich ganz hinein, und erregte die Th&auml;tigkeit
+seiner Phantasie. Bey dem Klavier arbeitete
+er dann die Gedanken vollst&auml;ndig aus; und
+nun erst setzte er sich zum Schreiben hin. Daher
+war ihm das Schreiben eine leichte Arbeit,
+wobey er oft scherzte und t&auml;ndelte. Es ist schon
+<span class="pagenum"><a name="Page_83" id="Page_83">[83]</a></span>oben gesagt worden, da&szlig; er auch in seinen Mannsjahren
+halbe N&auml;chte bey dem Klavier zubrachte,
+die&szlig; waren eigentlich die <em class="gesperrt">Sch&ouml;pferstunden</em>
+seiner himmlischen Ges&auml;nge! Bey der schweigenden
+Ruhe der Nacht, wo kein Gegenstand die
+Sinne fesselt, entgl&uuml;hete seine Einbildungskraft
+zu der regesten Th&auml;tigkeit, und entfaltete den
+ganzen Reichthum der T&ouml;ne, welchen die Natur
+in seinen Geist gelegt hatte. Hier war <em class="gesperrt">Mozart
+ganz</em> Empfindung und Wohllaut &#8211; hier
+flo&szlig;en von seinen Fingern die wunderbarsten
+Harmonien! <em class="gesperrt">Wer Mozart in solchen
+Stunden h&ouml;rte, der nur kannte die
+Tiefe, den ganzen Umfang seines
+musikalischen Genies: frey und unabh&auml;ngig
+von jeder R&uuml;cksicht durfte
+da sein Geist mit k&uuml;hnen Fluge sich
+in die h&ouml;chsten Regionen der Kunst
+schwingen.</em> In solchen Stunden der dichterischen
+Laune schuf sich Mozart unersch&ouml;pflichen
+Vorrath; daraus ordnete und bildete er dann
+mit leichter Hand seine unsterblichen Werke.</p>
+
+<p>Uebrigens wird jeder einsehen, da&szlig; eine reiche
+Ader der Gedanken dazu erfodert war.
+Ohne diese w&uuml;rde alle seine Kunst unfruchtbar
+geblieben seyn. Es giebt zwar Komponisten,
+die durch hartn&auml;ckigen Flei&szlig; einige Gedanken
+erzwingen: aber wie bald versiegt ihre Quelle?
+Dann h&ouml;rt man sie nur wiederholen: ihre sp&auml;tern
+<span class="pagenum"><a name="Page_84" id="Page_84">[84]</a></span>Werke sind gew&ouml;hnlich nur die Musterkarte
+der fr&uuml;hern.</p>
+
+<p>Diese Leichtigkeit, mit der Mozart schrieb,
+hat er, wie wir gesehen haben, schon als Knabe
+gezeigt; ein Beweis, da&szlig; sie ein Werk des Genies
+war. Aber wie oft &uuml;berraschte er damit in
+seinen letzten Jahren selbst diejenigen, die mit
+seinen Talenten vertraut waren? Die genievolle
+Eingangssinfonie zum <em class="gesperrt">Don Juan</em> ist ein
+merkw&uuml;rdiges Beyspiel davon. Mozart schrieb
+diese Oper im Oktober 1787 zu Prag; sie war
+nun schon vollendet, einstudirt, und sollte &uuml;bermorgen
+aufgef&uuml;hrt werden, nur die Ouverture
+fehlte noch.</p>
+
+<p>Die &auml;ngstliche Besorgni&szlig; seiner Freunde, die
+mit jeder Stunde zunahm, schien ihn zu unterhalten;
+je mehr sie verlegen waren, desto leichtsinniger
+stellte sich Mozart. Endlich am Abende
+vor dem Tage der ersten Vorstellung, nachdem
+er sich satt gescherzt hatte, gieng er gegen Mitternacht
+auf sein Zimmer, fing an zu schreiben,
+und vollendete <em class="gesperrt">in einigen Stunden das
+bewundernsw&uuml;rdige Meisterst&uuml;ck</em>,
+welches die Kenner nur der himmlischen Sinfonie
+der Zauberfl&ouml;te nachsetzen. Die Kopisten
+wurden nur mit M&uuml;he bis zur Vorstellung fertig,
+und das Opernorchester, dessen Geschicklichkeit
+<span class="pagenum"><a name="Page_85" id="Page_85">[85]</a></span>Mozart schon kannte, f&uuml;hrte sie <em class="antiqua">prima
+vista</em> vortrefflich auf.<a name="FNanchor_14_14" id="FNanchor_14_14"></a><a href="#Footnote_14_14" class="fnanchor">[14]</a></p>
+
+<p>Die Musik zur Zauberfl&ouml;te war schon im
+Julius 1791 fertig. In der Mitte des <em class="gesperrt">Augustus</em>
+gieng Mozart nach Prag, schrieb da innerhalb
+18&nbsp;Tagen <em class="antiqua">La Clemenza di Tito</em>, welche
+am 5ten September aufs Theater kam. In
+der Mitte dieses Monaths reisete er nach Wien
+zur&uuml;ck, und schrieb ein paar Tage vor der Vorstellung
+der Zauberfl&ouml;te, die am 30. September
+geschah, die beste aller Ouverturen und den
+<em class="gesperrt">Priestermarsch</em> zum Anfang des 2ten
+Aktes.</p>
+
+<p>Solche Beyspiele k&ouml;nnten h&auml;ufig angef&uuml;hrt
+werden. Sein au&szlig;erordentliches Ged&auml;chtni&szlig;
+zeigte sich auch schon in der Jugend; das aufgefa&szlig;te
+<em class="gesperrt">Miserere</em> in Rom giebt einen vollen
+Beweis davon. Er behielt es ungeschw&auml;cht bis
+an sein Ende.</p>
+
+<p>Da man seine Kompositionen unglaublich
+suchte: so war er nie sicher, da&szlig; ihm nicht ein
+neues Werk selbst w&auml;hrend des Kopirens abgestohlen
+werde. Er schrieb daher bey seinen Klavier-Konzerten
+gew&ouml;hnlich nur eine Zeile f&uuml;r
+eine Hand auf, und spielte das &uuml;brige aus dem
+<span class="pagenum"><a name="Page_86" id="Page_86">[86]</a></span>Ged&auml;chtnisse. So hat er einst ein Klavierkonzert,
+welches er schon seit geraumer Zeit nicht
+in H&auml;nden gehabt hatte, in einer musik. Akademie
+aus dem Ged&auml;chtnisse gespielt, indem er die Prinzipalstimme
+in der Eile zu Hause verga&szlig;.</p>
+
+<p>Aber wie ist Mozart ein so <em class="gesperrt">gro&szlig;er</em>, ja ich
+m&ouml;chte sagen, <em class="gesperrt">einziger</em> Mann in seiner Kunst
+geworden? Hat er alles der Natur, oder seinem
+Studium, seiner Ausbildung zu danken? Einige
+teutschen Schriftsteller sprechen von einer <em class="gesperrt">instinktartigen
+Beschaffenheit seines
+Geistes</em>, welche ihn unwillk&uuml;hrlich zur Hervorbringung
+seiner Meisterwerke getrieben habe.
+Aber diese Herrn kennen sicher Mozarten gar nicht,
+und scheinen die Leichtigkeit, mit welcher er, wenn
+die Idee des Werkes einmal gebildet war, schrieb,
+f&uuml;r die instinktartige Wirkung seines Talentes
+zu halten. Freylich haben die Aeu&szlig;erungen
+des Genies, in wiefern es angeboren ist, etwas
+instinktartiges: aber nur Bildung und Uebung
+&#8211; Studium giebt ihm Reife und Vollendung.
+Mozart hatte von der Natur ein Genie
+empfangen wie Shakespeare, aber er &uuml;bertraf
+diesen an Geschmack und Korrektheit. Er produzirte
+mit Verstand und Wahl. Diese so seltene
+Vereinigung eines feinen Geschmackes und der
+richtigsten Beurtheilung mit den gr&ouml;&szlig;ten Naturanlagen,
+die Mozarten unter den Meistern seiner
+Kunst den ersten Rang giebt, war gr&ouml;&szlig;tentheils
+<span class="pagenum"><a name="Page_87" id="Page_87">[87]</a></span>sein Werk &#8211; das Werk seines Eifers, seines
+Flei&szlig;es; das Werk des tiefen und gr&uuml;ndlichen
+Studiums der Kunst.</p>
+
+<p>Aus der Geschichte seiner Jugend haben wir
+gesehen, wie sorgf&auml;ltig er jede Gelegenheit ben&uuml;tzte,
+um zu lernen; wie weise und streng ihn
+sein Vater dazu leitete; wie tief er in die Geheimnisse
+der Kunst so fr&uuml;h schon eingedrungen
+war. Aber wir wollen ihn selbst dar&uuml;ber h&ouml;ren.</p>
+
+<p>Einst &#8211; (es war nach den ersten Proben
+seines Don Juan) &#8211; gieng Mozart mit dem
+damaligen Orchesterdirektor und Kapellmeister
+Herr Kucharz<a name="FNanchor_15_15" id="FNanchor_15_15"></a><a href="#Footnote_15_15" class="fnanchor">[15]</a> spazieren. Unter andern vertraulichen
+Gespr&auml;chen kam die Rede auf Don
+Juan. Mozart sagte: &raquo;Was halten sie von der
+Musik zum Don Juan? Wird sie so gefallen,
+wie Figaro? Sie ist von einer andern Gattung!</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Kuch</em>. Wie k&ouml;nnen Sie daran zweifeln?
+Die Musik ist sch&ouml;n, originell, tief gedacht.
+Was von Mozart kommt wird den B&ouml;hmen gewi&szlig;
+gefallen.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Moz</em>. Ihre Versicherung beruhigt mich,
+sie kommt von einem Kenner. Aber ich habe
+<span class="pagenum"><a name="Page_88" id="Page_88">[88]</a></span>mir M&uuml;he und Arbeit nicht verdr&uuml;&szlig;en lassen,
+f&uuml;r Prag etwas vorz&uuml;gliches zu leisten. Ueberhaupt
+irrt man, wenn man denkt, da&szlig; mir meine
+Kunst so leicht geworden ist. Ich versichere
+Sie, lieber Freund! niemand hat so viel M&uuml;he
+auf das Studium der Komposition verwendet als
+ich. <em class="gesperrt">Es giebt nicht leicht einen ber&uuml;hmten
+Meister in der Musik, den
+ich nicht flei&szlig;ig, oft mehrmal durchstudirt
+h&auml;tte.</em>&laquo;</p>
+
+<p>Und in der That, man sah die Werke gro&szlig;er
+Tonk&uuml;nstler, auch da noch, als er bereits
+klassische Vollkommenheit erreicht hatte, auf seinem
+Pulte.</p>
+
+<p>Sein gewandter Geist wu&szlig;te sich den Charakter
+eines jeden so anzueignen, da&szlig; er sie oft
+zum Scherze im Satze und Stile bis zum T&auml;uschen
+nachahmte.</p>
+
+<p>Sein Geh&ouml;r war so fein, fa&szlig;te die Verschiedenheit
+der T&ouml;ne so gewi&szlig; und richtig auf,
+da&szlig; er den geringsten Fehler oder Mi&szlig;ton selbst
+bey dem st&auml;rksten Orchester bemerkte, und dasjenige
+Subjekt oder Instrument, welches ihn begieng
+genau anzugeben wu&szlig;te. Nichts brachte
+ihn so sehr auf, als Unruhe, Get&ouml;se oder Geschw&auml;tz
+bey der Musik. Da gerieth der so sanfte,
+muntere Mann in den gr&ouml;&szlig;ten Unwillen,
+und &auml;u&szlig;erte ihn sehr lebhaft. Es ist bekannt,
+da&szlig; er einst mitten im Spiele unwillig von dem
+<span class="pagenum"><a name="Page_89" id="Page_89">[89]</a></span>Klavier aufstand, und die unaufmerksamen Zuh&ouml;rer
+verlie&szlig;. Dieses hat man ihm vielf&auml;ltig
+&uuml;bel genommen; aber gewi&szlig; mit Unrecht.
+Alles, was er vortrug, empfand er selbst auf das
+st&auml;rkste &#8211; sein ganzes Wesen war dann Gef&uuml;hl
+und Aufmerksamkeit: wie konnte ihn also kalte
+F&uuml;hllosigkeit, Unaufmerksamkeit: oder gar ein
+st&ouml;rendes Geschw&auml;tze in der Laune und Fassung
+erhalten? Als begeisterter K&uuml;nstler verga&szlig; er da
+auf alle andere R&uuml;cksichten.</p>
+
+<p>Wie reizbar lebhaft sein Kunstsinn gewesen
+sey, kann man aus dem schlie&szlig;en, da&szlig; er bey
+der Auff&uuml;hrung einer guten Musik bis zu
+Thr&auml;nen ger&uuml;hrt wurde: vorz&uuml;glich wenn er
+etwas von den beyden gro&szlig;en <em class="gesperrt">Haydn</em> h&ouml;rte.
+Aber nicht allein Musik, jeder andere r&uuml;hrende
+Gegenstand ergriff sein ganzes Gef&uuml;hl und
+ersch&uuml;tterte ihn. Seine Einbildungskraft war
+immer th&auml;tig, immer mit Musik besch&auml;ftigt;
+daher schien er oft zerstreut und gedankenlos.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">So gro&szlig; war Mozart als K&uuml;nstler!</em>
+Den Forscher der menschlichen Natur wird es
+nicht befremden, wenn er sieht, da&szlig; dieser als
+K&uuml;nstler so seltene Mensch, nicht auch in den
+&uuml;brigen Verh&auml;ltnissen des Lebens ein <em class="gesperrt">gro&szlig;er
+Mann</em> war. Die Tonkunst machte die
+Haupt- und Lieblingsbesch&auml;ftigung seines ganzen
+Lebens aus &#8211; um diese bewegte sich sein ganzes
+Gedanken- und Empfindungsspiel; alle Bildung
+<span class="pagenum"><a name="Page_90" id="Page_90">[90]</a></span>seiner Kr&auml;fte, die das Genie des K&uuml;nstlers ausmachen,
+ging von da aus und bezog sich darauf.
+Ist es ein Wunder, wenn er den &uuml;brigen
+Dingen um sich weniger Aufmerksamkeit widmete?
+Er war K&uuml;nstler, war es ganz und in einer
+bewundernsw&uuml;rdigen Gr&ouml;&szlig;e: das ist genug! Wer
+mag inde&szlig; die Gr&auml;nzlinien seiner Geistkr&auml;fte so
+genau ziehen, um behaupten zu k&ouml;nnen, Mozart
+habe au&szlig;er seiner Kunst zu nichts sonst Anlage
+oder F&auml;higkeit gehabt? Man setzt freylich das
+Wesen des K&uuml;nstler-Genies in eine &uuml;berwiegende
+St&auml;rke der untern oder &auml;sthetischen Kr&auml;fte der
+Seele, aber man wei&szlig; auch, da&szlig; die K&uuml;nste
+besonders die Musik h&auml;ufig einen scharfen
+Ueberblick, Beurtheilung und Einsicht in die
+Lage der Dinge erfodern; welches bey Mozart
+um so gewisser vorauszusetzen ist, da er kein
+gemeiner mechanischer Virtuos eines Instrumentes
+war, sondern das ganze weite Gebieth der
+Tonkunst mit seltner Kraft und Geschicklichkeit
+umfa&szlig;te.</p>
+
+<p>Wie sch&ouml;n und beneidenswerth ist &uuml;brigens
+der Wirkungskreis eines Tonk&uuml;nstlers? Mit
+seinen s&uuml;&szlig;en Harmonien entz&uuml;ckt er tausend
+gef&uuml;hlvolle Seelen; er schafft ihnen die reinste
+Wonne; er erhebt, bes&auml;nftiget, tr&ouml;stet! Auch
+dann wenn er nicht mehr ist, lebt er dennoch in
+seinen widerholenden Ges&auml;ngen &#8211; Tausende
+segnen und bewundern ihn.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_91" id="Page_91">[91]</a></span><em class="gesperrt">Mozart</em> hatte schon in seiner Jugend
+zu allen Kenntnissen, die man ihm
+beyzubringen f&uuml;r n&ouml;thig fand, eine gro&szlig;e Anlage
+gezeigt, in allen schnelle Fortschritte gemacht;
+von der Arithmetik ist Erw&auml;hnung geschehen.
+Auch in seinen sp&auml;tern Jahren liebte er diese
+Kenntni&szlig; sehr und war wirklich ein ungemein
+geschickter Rechenmeister. Eben so gro&szlig; war
+sein Talent zur Sprachwissenschaft; er verstand
+<em class="gesperrt">Franz&ouml;sisch</em>, <em class="gesperrt">Englisch</em>, <em class="gesperrt">Italienisch</em>
+und <em class="gesperrt">Teutsch</em>. Die lateinische Sprache lernte
+er in sp&auml;tern Jahren, und zwar nur so weit,
+als es zur Verst&auml;ndni&szlig; des Kirchentextes, den er
+allenfalls in Musik zu setzen h&auml;tte, erfordert
+war. In allen &uuml;brigen Sprachen hat er die
+guten Schriftsteller gelesen und verstanden. Er
+machte oft selbst Verse; meistens aber nur bey
+scherzhaften Gelegenheiten.<a name="FNanchor_16_16" id="FNanchor_16_16"></a><a href="#Footnote_16_16" class="fnanchor">[16]</a> In den &uuml;brigen
+F&auml;chern hatte Mozart wenigstens so viel historische
+Kenntni&szlig;, als f&uuml;r einen Mann von Bildung
+n&ouml;thig war.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_92" id="Page_92">[92]</a></span>Zu bedauern ist es, da&szlig; er nicht &uuml;ber seine
+Kunst schrieb! Aus einem Briefe, welchen
+er an F.&nbsp;v. Trattner, eine seiner Sch&uuml;lerinnen
+&uuml;ber den <em class="gesperrt">Vortrag</em> der f&uuml;r sie gesetzten
+Klavierphantasie geschrieben hatte, konnte man
+sehen, da&szlig; er nicht nur die Prax, sondern auch
+die Theorie seiner Kunst vollkommen verstand.
+Der Brief ist, leider! nicht zu finden gewesen.</p>
+
+<p>In einem Heft einer musikalischen Zeitschrift
+von Berlin vor einigen Jahren wurde von
+Mozart behauptet, er habe eigentlich keine
+<em class="gesperrt">h&ouml;here Bildung</em> gehabt. Es ist schwer zu
+errathen, was der Verfasser mit den Worten
+h&ouml;here Bildung gemeint habe. Mozart hatte die
+Welt gesehen, er kannte die Schriftsteller der
+gebildetesten Nationen, zeigte &uuml;berall einen offenen
+und freym&uuml;thigen Geist: was fehlte ihm also
+zur h&ouml;hern Kultur? Mu&szlig; man in G&ouml;ttingen
+oder Jena studirt haben, um h&ouml;here Bildung zu
+erlangen? Oder besteht die h&ouml;here Bildung
+darinn, da&szlig; man wei&szlig;, was teutsche Schriftsteller
+sagen? da&szlig; man von allen zu schwatzen
+verstehet?</p>
+
+<p>Der <em class="gesperrt">moralische Charakter Mozarts</em>
+war <em class="gesperrt">bieder</em> und <em class="gesperrt">liebensw&uuml;rdig</em>.
+Unbefangene <em class="gesperrt">Herzensg&uuml;te</em> und eine <em class="gesperrt">seltene
+Empfindlichkeit f&uuml;r alle Eindr&uuml;cke</em>
+des <em class="gesperrt">Wohlwollens und der
+Freundschaft</em> waren seine Grundz&uuml;ge. Er
+<span class="pagenum"><a name="Page_93" id="Page_93">[93]</a></span>&uuml;berlie&szlig; sich diesen liebensw&uuml;rdigen Regungen
+ganz, und wurde daher mehrmal das Opfer seines
+gutm&uuml;thigen Zutrauens. Oft beherbergte
+und pflegte er seine &auml;rgsten Feinde und Verderber
+bey sich.</p>
+
+<p>Er hatte zwar oft mit einem schnellen Blicke
+auch versteckte Charaktere aus dem Innersten ausgeholt:
+aber im Ganzen genommen, hatte er
+zu viel Gutm&uuml;thigkeit um Menschenkenntni&szlig; zu
+erlangen. Selbst die Art seiner <em class="gesperrt">Erziehung</em>,
+die <em class="gesperrt">unst&auml;te Lebensart auf Reisen</em>, wo
+er nur f&uuml;r seine Kunst lebte, machte eine wahre
+Kenntni&szlig; des menschlichen Herzen unm&ouml;glich.
+Diesem Mangel mu&szlig; man manche Unklugheit
+seines Lebens zu schreiben.</p>
+
+<p>Uebrigens hatte Mozart f&uuml;r die Freuden der
+Geselligkeit und Freundschaft einen offenen Sinn.
+Unter guten Freunden war er vertraulich wie ein
+Kind, voll <em class="gesperrt">munterer</em> Laune; diese ergo&szlig; sich
+dann meistentheils in den drolligsten <em class="gesperrt">Einf&auml;llen</em>.
+Mit Vergn&uuml;gen denken seine Freunde in
+Prag an die sch&ouml;nen Stunden, die sie in seiner
+Gesellschaft verlebten; sie k&ouml;nnen sein gutes argloses
+Herz nie genug r&uuml;hmen; man verga&szlig; in
+seiner Gesellschaft ganz, da&szlig; man <em class="gesperrt">Mozart</em>
+den bewunderten K&uuml;nstler vor sich habe.</p>
+
+<p>Nie verrieth er einen gewissen <em class="gesperrt">Kunst-Pedantismus</em>,
+der an manchen J&uuml;ngern Apollos
+so widerlich ist. Er sprach selten und wenig
+<span class="pagenum"><a name="Page_94" id="Page_94">[94]</a></span>von seiner Kunst, und immer mit einer liebensw&uuml;rdigen
+Bescheidenheit. Hochsch&auml;tzung des
+wahren Verdienstes und Achtung f&uuml;r die Person
+leiteten seine Urtheile in Kunstsachen. Es war
+gewi&szlig; r&uuml;hrend, wenn er von den <em class="gesperrt">beyden
+Haydn</em>, oder andern gro&szlig;en Meistern sprach:
+man glaubte nicht dem allgewaltigen Mozart,
+sondern einen ihrer begeisterten Sch&uuml;ler zu
+h&ouml;ren.</p>
+
+<p>Ich kann hier eine Anekdote nicht &uuml;bergehen,
+die eben so sehr seinen geraden Sinn, und den
+Unwillen gegen lieblose Tadelsucht, als seine
+gro&szlig;e Achtung f&uuml;r Joseph <em class="gesperrt">Haydn</em> beweiset.
+Sie sey zugleich ein Beyspiel seiner guten
+Einf&auml;lle.</p>
+
+<p>In einer Privatgesellschaft wurde einst ein
+neues Werk von Joseph Haydn gemacht. Nebst
+Mozart waren mehrere Tonk&uuml;nstler gegenw&auml;rtig,
+unter andern L.&nbsp;K..., der noch nie jemanden
+gelobt hatte, als sich selbst. Er stellte sich
+zum Mozart und tadelte bald dieses bald jenes.
+Mit Geduld h&ouml;rte ihn dieser eine Zeit an; als
+es ihm aber zu lang dauerte, und der Tadler
+endlich wieder bey einer Stelle mit Selbstgen&uuml;gsamkeit
+ausrief: &raquo;Das h&auml;tt&#8217; ich nicht gethan&laquo;
+&#8211; erwiederte Mozart: Ich auch nicht; wissen
+Sie aber warum? Weil <em class="gesperrt">wir es beyde</em> nicht
+so gut getroffen h&auml;tten! &#8211; Durch diesen Einfall
+<span class="pagenum"><a name="Page_95" id="Page_95">[95]</a></span>machte er sich einen unvers&ouml;hnlichen Feind
+mehr.</p>
+
+<p>Mit einer solchen Bescheidenheit verband
+Mozart dennoch ein edles <em class="gesperrt">Bewu&szlig;tseyn</em> seiner
+K&uuml;nstlerw&uuml;rde. Wie w&auml;re es auch m&ouml;glich
+gewesen nicht zu wissen, wie <em class="gesperrt">gro&szlig;</em> er sey?
+Aber er jagte nie nach dem Beyfalle der Menge;
+selbst als Kind r&uuml;hrte ihn nur das Lob des Kenners.
+Daher war ihm alles gleichg&uuml;ltig, was
+blos aus Neugierde ihn anzugaffen gekommen
+war. Oft ging dieses Betragen vielleicht zu
+weit. Er war daher bisweilen auch in der Gegenwart
+gro&szlig;er Herrn vom h&ouml;chsten Range zum
+Spielen nicht zu bewegen; oder er spielte nichts
+als T&auml;ndeleyen, wenn er merkte, da&szlig; sie keine
+Kenner oder wahre Liebhaber sind. Aber Mozart
+war der gef&auml;lligste Mann von der Welt,
+wenn er sah, da&szlig; man Sinn f&uuml;r seine Kunst
+besitze; er spielte Stunden lang dem geringsten,
+oft unbekannten Menschen. Mit aufmunternder
+Achtsamkeit h&ouml;rte er die Versuche junger K&uuml;nstler
+an, und weckte durch eine liebevolle Beyfalls&auml;u&szlig;erung
+das schlummernde Selbstbewu&szlig;tseyn.</p>
+
+<p>Unser beste Klavierspieler und beliebter Tonsetzer
+Joh. Witassek dankt ihm diese Erweckung
+seines Talentes. Die wenigen Stunden
+die er bey Mozart zubrachte, sch&auml;tzt er nach eigenem
+<span class="pagenum"><a name="Page_96" id="Page_96">[96]</a></span>Gest&auml;ndnisse f&uuml;r einen gro&szlig;en Zuwachs zu
+seiner Ausbildung.</p>
+
+<p>Menschenfreundlich und uneigenn&uuml;tzig war
+<em class="gesperrt">Mozart</em> im hohen Grade. Darum sammelte
+er kein Verm&ouml;gen. Ganz im Reiche der T&ouml;ne
+lebend, sch&auml;tzte er den Werth des Geldes und der
+&uuml;brigen Dinge zu wenig. Daher arbeitete er
+viel umsonst, aus Gef&auml;lligkeit oder Wohlth&auml;tigkeit.
+Jeder reisende Virtuos war gewi&szlig;, wenn
+er sich ihm durch Talent oder moralischen Charakter
+zu empfehlen wu&szlig;te, eine Komposition
+f&uuml;r sich zu erhalten. So entstanden die Konzerte
+f&uuml;r die &uuml;brigen Instrumente, so eine Menge
+einzelner Singkompositionen, unter andern die
+majest&auml;tischen Ch&ouml;re zu dem Schauspiele, K&ouml;nig
+Tamos, die den erhabensten Werken H&auml;ndels
+und Glucks an die Seite gesetzt werden.</p>
+
+<p>Aber selbst die Bezahlung, die er f&uuml;r seine
+Arbeiten bekam, war meistens mittelm&auml;&szlig;ig.
+Der Theaterunternehmer Guardasoni zahlte ihm
+f&uuml;r Don Juan nur hundert Dukaten.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Verstellung und Schmeicheley</em>
+war seinem arglosen Herzen gleich fremd; jeder
+Zwang, den er seinem Geiste anthun mu&szlig;te,
+<em class="gesperrt">unausstehlich</em>. Freym&uuml;thig und offen in
+seinen Aeu&szlig;erungen und Antworten, beleidigte
+er nicht selten die Empfindlichkeit der Eigenliebe,
+und zog sich dadurch manchen Feind zu.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_97" id="Page_97">[97]</a></span>Seine hohe Kunst und der liebensw&uuml;rdige Charakter
+verschafften ihm Freunde, die ihn von ganzer
+Seele liebten und f&uuml;r sein Wohl eifrig besorgt
+waren. Es w&uuml;rde das Zartgef&uuml;hl dieser
+edlen Menschen beleidigen, wenn sie hier namentlich
+angef&uuml;hrt w&uuml;rden; wie w&auml;re es auch
+m&ouml;glich alle zu kennen und zu nennen? Indem
+mir also diese Betrachtung verbiethet von der
+gro&szlig;m&uuml;thigen Freundschaft eines B.&nbsp;v.&nbsp;S**,
+und des Kaufmannes B** in Wien zu reden:
+so sey es wenigstens erlaubt hier der ausgezeichneten
+Wohlth&auml;tigkeit eines Wiener B&uuml;rgers gegen
+Mozart zu erw&auml;hnen. Dieser brave Mann, ein
+Flecksieder vom Gewerbe, ohne Mozart pers&ouml;nlich
+zu kennen, blos von Bewunderung f&uuml;r seine
+Kunst hingerissen, verschaffte seiner kranken Gemahlin,
+(die nach der Verordnung der Aerzte
+wegen einer L&auml;hmung am Fu&szlig;e B&auml;der vom gekochten
+Magengekr&ouml;&szlig;e brauchen mu&szlig;te), die
+Gelegenheit in seinem eigenen Hause durch geraume
+Zeit die Kur mit vieler Bequemlichkeit
+brauchen zu k&ouml;nnen. Er lieferte ihr nicht nur
+die Flecke unentgeltlich und ersparte dadurch Mozarten
+eine Auslage von mehreren hundert Gulden,
+sondern verlangte auch f&uuml;r Logis und
+Kost gar nichts. Aehnliche Beyspiele eines solchen
+Enthusiasmus f&uuml;r die hohe Kunst Mozarts
+sind sehr h&auml;ufig.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_98" id="Page_98">[98]</a></span>Aber Mozart hatte auch Feinde, zahlreiche,
+unvers&ouml;hnliche Feinde. Wie h&auml;tten ihm auch
+diese mangeln k&ouml;nnen, da er ein so <em class="gesperrt">gro&szlig;er
+K&uuml;nstler</em> und <em class="gesperrt">ein so gerader Mann
+war</em>? Und diese waren die unlautere Quelle, aus
+welcher so viele h&auml;&szlig;liche <em class="gesperrt">Erz&auml;hlungen</em> von seinem
+<em class="gesperrt">Leichtsinne, seinen Ausschweifungen</em>
+geflo&szlig;en sind. Mozart war Mensch,
+folglich Fehlern unterworfen wie alle Menschen.
+Die nemlichen Eigenschaften und Kr&auml;fte, die
+das Wesen seiner gro&szlig;en Talente ausmachten,
+waren zugleich Reiz und Anla&szlig; zu manchen Fehltritte:
+brachten Neigungen hervor, die freylich
+bey Alltagsmenschen nicht angetroffen werden.
+Seine Erziehung und Lebensart bis zu dem Zeitpunkte,
+da er sich in Wien niederlie&szlig;, war auch
+nicht gemacht ihm Menschenkenntni&szlig; und Welterfahrung
+zu verschaffen. Denke man sich einen
+so zart organisirten J&uuml;ngling &#8211; einen Tonk&uuml;nstler
+von seiner Empfindung in einer Stadt,
+wie Wien, sich selbst &uuml;berlassen? Braucht es mehr
+um zur Nachsicht gegen seine Fehler gestimmt zu
+werden? Man mu&szlig; aber gegen diese Erz&auml;hlungen
+&uuml;berhaupt mi&szlig;trauisch seyn, da gewi&szlig; der
+gr&ouml;&szlig;te Theil baare Unwahrheiten, und nichts
+als Schm&auml;hungen des scheels&uuml;chtigen Neides sind.
+Wir haben die&szlig; in R&uuml;cksicht seiner hinterlassenen
+Schulden schon bemerkt. Niemand wird es unbegreiflich
+finden, warum die Welt diesen Ausstreuungen
+<span class="pagenum"><a name="Page_99" id="Page_99">[99]</a></span>so leicht Glauben beymi&szlig;t, wenn er
+sich erinnert, da&szlig; man gew&ouml;hnlich mit einem
+Tonk&uuml;nstler den Begriff eines Verschwenders
+oder W&uuml;stlings verbindet. Aber zahlreiche Beyspiele
+achtungsw&uuml;rdiger K&uuml;nstler haben bewiesen,
+wie sehr dieses Vorurtheil einzuschr&auml;nken sey.</p>
+
+<p>In seiner Ehe mit <em class="gesperrt">Konstanza Weber</em>
+lebte Mozart vergn&uuml;gt. Er fand an ihr ein gutes,
+liebevolles Weib, die sich an seine Gem&uuml;thsart
+vortrefflich anzuschmiegen wu&szlig;te, und
+dadurch sein ganzes Zutrauen und eine Gewalt
+&uuml;ber ihn gewann, welche sie nur dazu anwendete,
+ihn oft von Uebereilungen abzuhalten.
+Er liebte sie wahrhaft, vertraute ihr alles, selbst
+seine kleinen S&uuml;nden &#8211; und sie vergalt es ihm
+mit Z&auml;rtlichkeit und treuer Sorgfalt. Wien
+war Zeuge dieser Behandlung, und die Wittwe
+denkt nie ohne R&uuml;hrung an die Tage ihrer
+Ehe.<a name="FNanchor_17_17" id="FNanchor_17_17"></a><a href="#Footnote_17_17" class="fnanchor">[17]</a></p>
+
+<p>Seine liebste Unterhaltung war <em class="gesperrt">Musik</em>;
+wenn ihm seine Gemahlinn eine recht angenehme
+<span class="pagenum"><a name="Page_100" id="Page_100">[100]</a></span>Ueberraschung an einem Familienfeste machen
+wollte, so veranstaltete sie in Geheim die Auff&uuml;hrung
+einer neuen Kirchen-Komposition von
+Michael oder Joseph Haydn.</p>
+
+<p>Das Billardspiel liebte er leidenschaftlich,
+vermuthlich weil es mit Bewegung des K&ouml;rpers
+verbunden ist; er hatte ein eignes zu Hause, bey
+dem er sich t&auml;glich mit seiner Frau unterhielt.
+Die Sch&ouml;nheit der Natur im Sommer war f&uuml;r
+sein tieff&uuml;hlendes Herz ein entz&uuml;ckender Genu&szlig;;
+er verschaffte sich ihn, wenn er konnte, und
+miethete daher fast alle Jahre G&auml;rtchen in der
+Vorstadt, wo er den Sommer zuzubringen
+pflegte.</p>
+
+<p>Erstaunend ist die Arbeitsamkeit seiner letzten
+Lebensjahre.</p>
+
+<p>Aus dem vollst&auml;ndigen Verzeichnisse seiner
+Kompositionen seit dem Jahre 1784 bis zu seinem
+Tode, in welches er mit eigener Hand das
+Thema eines jeden St&uuml;ckes und den Tag der Vollendung
+eintrug, sieht man wie viel er oft in einem
+Monathe gearbeitet hatte?<a name="FNanchor_18_18" id="FNanchor_18_18"></a><a href="#Footnote_18_18" class="fnanchor">[18]</a> Nur die Gr&ouml;&szlig;e
+und Fruchtbarkeit seines Genies macht die M&ouml;glichkeit
+so vielfacher Arbeit begreiflich. So
+schrieb er innerhalb der 4 letzten Monathe seines
+<span class="pagenum"><a name="Page_101" id="Page_101">[101]</a></span>Lebens, wo er schon kr&auml;nkelte, und Reisen
+machte:</p>
+
+<ul>
+<li>1) Eine Klavierkantate: &raquo;Die ihr des
+unerme&szlig;lichen Weltalls Sch&ouml;pfer ehrt.&laquo;</li>
+
+<li>2) Die Zauberfl&ouml;te.</li>
+
+<li>3) <em class="antiqua">La Clemenza di Tito.</em></li>
+
+<li>4) Ein Klarinett-Konzert f&uuml;r H. Stadler.</li>
+
+<li>5) Eine Kantate f&uuml;r ein ganzes Chor.</li>
+
+<li>6) Das Requiem.</li>
+</ul>
+
+<p>Eine ungeheure Anstrengung, die seine Kr&auml;fte
+ersch&ouml;pfen mu&szlig;te!</p>
+
+<p>So wurde <em class="gesperrt">Mozart ein Wunder seiner
+Kunst</em>, der <em class="gesperrt">Liebling</em> seines Zeitalters!
+Sein kurzes, aber gl&auml;nzendes K&uuml;nstlerleben
+macht in der Geschichte der Tonkunst eine
+neue Epoche.</p>
+
+<p>Der gro&szlig;e, feurige Geist, der in seinen
+Werken waltet und der volle Strom der Empfindung
+rei&szlig;en jedes gef&uuml;hlvolle Herz mit unwiderstehlicher
+Gewalt hin. Der s&uuml;&szlig;e Zauber seiner
+Harmonien entz&uuml;ckt das Ohr; die F&uuml;lle der Gedanken,
+das Neue in ihrer Ausf&uuml;hrung machen
+das Gefallen seiner Musik dauerhaft. Wer einmal
+an <em class="gesperrt">Mozart</em> Geschmack gefunden hat, der
+wird durch andere Musik schwer zu befriedigen
+seyn. Und <em class="gesperrt">alle</em> diese Vollkommenheiten hat er
+<em class="gesperrt">in einem Alter</em> erreicht, das f&uuml;r gew&ouml;hnliche
+K&uuml;nstler kaum der Zeitpunkt <em class="gesperrt">der ersten
+Ausbildung</em> ist! Da er starb, hatte sein
+<span class="pagenum"><a name="Page_102" id="Page_102">[102]</a></span>Ruhm bereits eine Gr&ouml;&szlig;e, wie sie nur selten
+auch der gl&uuml;cklichste K&uuml;nstler hoffen darf &#8211;
+und wie kurz war sein Leben? Er hatte noch
+nicht das 35te Jahr vollendet, als er starb!
+Was w&uuml;rde sein unersch&ouml;pflicher Geist der Welt
+noch geliefert haben?&nbsp;&#8211;&nbsp;&#8211;</p>
+
+<p>W&auml;r er nach England gegangen &#8211; sein
+Ruhm w&uuml;rde neben <em class="gesperrt">H&auml;ndels</em> unsterblichem
+Namen gl&auml;nzen: in Teutschland rang sein Geist
+oft mit Mangel; seinen <em class="gesperrt">Grabesh&uuml;gel
+zeichnet nicht einmal eine schlechte
+Inschrift aus</em>!&nbsp;&#8211;</p>
+
+<p>Auf seinen Tod erschienen mehrere Trauer-Kantaten;
+darunter zeichnen sich zwey aus, vom
+Herrn <em class="gesperrt">Wessely</em> und <em class="gesperrt">Karl Kannabich</em>
+dem j&uuml;ngern aus M&uuml;nchen.</p>
+
+<p>Einfach und edel war das Fest, welches die
+H&ouml;rer der Rechte zu Prag in ihrer musikalischen
+Akademie, bey der Anwesenheit der Wittwe im
+Jahre 1794 Mozarts Andenken weiheten; es
+wurde durch ein Gedicht verherrlichet, welches
+den Profess. Meinert zum Verfasser hat. Ein
+Paar Stanzen daraus verdienen hier allerdings
+einen Platz.</p>
+
+<div class="poem"><div class="stanza">
+<span class="i0">Ach! er ward uns fr&uuml;h entr&uuml;ckt,<br /></span>
+<span class="i0">Der die Saiten der Empfindung,<br /></span>
+<span class="i0">Wie ihr Sch&ouml;pfer kannt&#8217; und griff;<br /></span>
+<span class="i0">In harmonische Verbindung<br /></span>
+<span class="pagenum"><a name="Page_103" id="Page_103">[103]</a></span><span class="i0">Ihre k&uuml;hnsten T&ouml;ne rief:<br /></span>
+<span class="i0">Jetzt ein Gott in seines Zornes<br /></span>
+<span class="i0">Donner rauschend niederfuhr,<br /></span>
+<span class="i0">Itzo lispelnd wie des Wiesenbornes<br /></span>
+<span class="i0">Welle flo&szlig; in stiller Flur.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">Ach! schon gr&uuml;nt des Edlen H&uuml;gel:<br /></span>
+<span class="i0">Aber ganz birgt er ihn nicht.<br /></span>
+<span class="i0">Eines, das durch Gr&auml;ber Riegel,<br /></span>
+<span class="i0">Ewig jung und g&ouml;ttlich bricht,<br /></span>
+<span class="i0"><em class="gesperrt">Eines</em> lebt &#8211; der hohe reine<br /></span>
+<span class="i0">Geistesabdruck ist die&szlig; <em class="gesperrt">Eine</em>,<br /></span>
+<span class="i0">Das zur Ewigkeit entbl&uuml;ht,<br /></span>
+<span class="i0">Norne! deinem Dolch entflieht.<br /></span>
+</div><div class="stanza">
+<span class="i0">F&uuml;hlt ihr in der Saiten Beben,<br /></span>
+<span class="i0">Im begeisternden Gesang,<br /></span>
+<span class="i0">In des Herzens Sturm und Drang<br /></span>
+<span class="i0">F&uuml;hlt ihr des Entschlaf&#8217;nen Leben?<br /></span>
+<span class="i0">Horch! es t&ouml;nen Engelharmonien,&nbsp;&#8211;<br /></span>
+<span class="i0">Das ist Mozart! Seht ihr ihn<br /></span>
+<span class="i0">Lichtbekr&auml;nzt? Mit Feentritte<br /></span>
+<span class="i0">Wallt sein Geist in eurer Mitte.<br /></span>
+</div></div>
+
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_11_11" id="Footnote_11_11"></a><a href="#FNanchor_11_11"><span class="label">[11]</span></a> Auch die&szlig; ist eine Ursache der Abneigung der
+welschen S&auml;nger gegen seine Werke; eine noch
+st&auml;rkere ist die M&uuml;he, die es ihrer Unwissenheit
+kostete seine Ges&auml;nge einzustudiren. Mozart hat
+zwar bisweilen von diesem Grundsatze eine Ausnahme
+gemacht. Aber war er denn in bestellten
+Sachen immer frey? Mu&szlig;te er nicht gegen
+S&auml;nger gef&auml;llig seyn, wenn er w&uuml;nschte, da&szlig; sie
+ihm die Sachen nicht verderben? Darum m&uuml;&szlig;te
+man immer die S&auml;nger kennen, f&uuml;r die er
+schrieb, wenn man ein richtiges Urtheil &uuml;ber seine
+dramatischen Werke f&auml;llen wollte.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_12_12" id="Footnote_12_12"></a><a href="#FNanchor_12_12"><span class="label">[12]</span></a> Ich habe dieses sch&auml;tzbare Denkmal einer edlen
+Seele der g&uuml;tigen Mittheilung des <em class="gesperrt">Herrn Roth</em>
+Proviantoberverwalter zu Prag (an den der Brief
+geschrieben war) zu danken. Da er f&uuml;r den Geist
+und das Herz seines Verfassers nicht minder ruhmvoll
+ist, als f&uuml;r Mozart: so lie&szlig; ich ihn hier
+<em class="gesperrt">w&ouml;rtlich nach dem Originale abdrucken</em>.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_13_13" id="Footnote_13_13"></a><a href="#FNanchor_13_13"><span class="label">[13]</span></a> Der Verfasser hatte das Vergn&uuml;gen Augenzeuge
+der sch&ouml;nen Scene zu seyn.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_14_14" id="Footnote_14_14"></a><a href="#FNanchor_14_14"><span class="label">[14]</span></a> Die Begebenheit ist in Prag allgemein bekannt.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_15_15" id="Footnote_15_15"></a><a href="#FNanchor_15_15"><span class="label">[15]</span></a> Anmerkung. Ein trefflicher Sch&uuml;ler Seegerts,
+und biederer Mann. Diese Anekdote habe ich aus
+seinem Munde.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_16_16" id="Footnote_16_16"></a><a href="#FNanchor_16_16"><span class="label">[16]</span></a> Die&szlig; war unter andern der Fall bey dem Tode
+eines geliebten Staares, den er in seinem gemietheten
+Garten ein ordentliches Grabmahl errichtet,
+und mit einer Inschrift versehen hatte. Thiere
+und insbesondere V&ouml;gel liebte er sehr.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_17_17" id="Footnote_17_17"></a><a href="#FNanchor_17_17"><span class="label">[17]</span></a> Die achtungsw&uuml;rdige Frau betr&auml;gt sich in ihrem
+Wittwenstande sehr klug, und sorgt f&uuml;r ihre 2&nbsp;S&ouml;hne
+m&uuml;tterlich. Sie lebt in Wien von ihrer
+Pension und dem kleinen Erwerbe aus dem Nachlasse
+ihres Mannes.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_18_18" id="Footnote_18_18"></a><a href="#FNanchor_18_18"><span class="label">[18]</span></a> Der Verfasser hatte es bey der Ausarbeitung
+dieser Biographie im Originale vor sich.</p></div>
+</div>
+
+
+
+
+<h2><span class="pagenum"><a name="Page_104" id="Page_104">[104]</a></span><a name="IV" id="IV"></a>IV.<br />
+<span class="caption">Nachricht von Mozarts Werken.</span></h2>
+
+
+<p class="newsection"><span class="dropcap">E</span>s ist fast kein Zweig der Tonkunst, in welchem
+Mozart nicht mit entschiedenem Gl&uuml;cke seine
+Kr&auml;fte versucht h&auml;tte.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Dramatische Musik</em>, und die <em class="gesperrt">Klavierkompositionen</em>
+haben ihm am meisten
+Ruhm erworben. Wenn man seine Werke besonders
+die theatralischen nach der Zeitfolge ihrer
+Entstehung betrachtet, so merkt man deutlich den
+Gang seines zur Vollkommenheit schreitenden
+Geistes. In den fr&uuml;hern, z.&nbsp;B. in der Oper
+Idomeneo und der <em class="gesperrt">Entf&uuml;hrung aus
+dem Serail</em>, auch noch zum Theil im <em class="gesperrt">Figaro</em>
+str&ouml;mt das ganze Feuer einer jugendlichen
+Phantasie und eine F&uuml;lle &uuml;ppiger Empfindung
+ohne Gr&auml;nzen. Es ist mehr W&auml;rme, als Licht
+darinn &#8211; die Massen des Gesanges und der
+Harmonie sind nicht so bestimmt, wie in den
+sp&auml;tern Werken, in welchen dieser Strom der
+Empfindung immer sanfter sich in sein Bett zur&uuml;ckzieht,
+alles leichter, einfacher und korrekter
+<span class="pagenum"><a name="Page_105" id="Page_105">[105]</a></span>wird. Nirgends ist diese Reife des Geschmackes
+sichtbarer, als in der <em class="antiqua">Clemenza di Tito</em>, und
+dem Requiem. Daraus l&auml;&szlig;t es sich schlie&szlig;en,
+was man noch von Mozart zu erwarten berechtiget
+war?</p>
+
+<p>Einige <em class="gesperrt">Kunstrichter</em> haben mit sinnreicher
+Feinheit zwar die Vortrefflichkeit seiner Instrumentation,
+d.&nbsp;i. den mehr mechanischen Theil
+der Kunst anerkannt, aber das, was blos Sache
+des Genies ist, die Singparthie getadelt, &#8211;
+sie haben behauptet, Mozart sey hierinn nicht
+so gro&szlig;, als in der Instrumentalparthie. Die
+Gr&auml;nzen dieser Schilderung erlauben es nicht,
+die Grundlosigkeit davon zu zeigen, oder die
+Werke Mozarts von dieser Ansicht zu betrachten.
+Die Tadler m&ouml;gen indessen nur beherzigen, da&szlig;
+gerade diese Seite seiner Werke von gr&uuml;ndlichen
+und berufenen Richtern immer am meisten bewundert
+worden ist. Was konnte denn in seinen
+Opern und den &uuml;brigen Singkompositionen
+so sehr gefallen, wenn es <em class="gesperrt">der Gesang</em> nicht
+war? Das Volk versteht wenig von der Sch&ouml;nheit
+des Instrumentalsatzes; gerade dieser Theil
+seiner Werke, der gro&szlig;e Geschicklichkeit der Subjekte
+erfodert, wird gew&ouml;hnlich schlecht aufgef&uuml;hrt
+&#8211; und doch brachten die meisten seiner Singkompositionen
+so viel Wirkung, so viel Enthusiasmus
+hervor? die&szlig; konnte nur der <em class="gesperrt">einfache,
+sch&ouml;ne, rhythmische Gesang bewirken</em>.
+<span class="pagenum"><a name="Page_106" id="Page_106">[106]</a></span>Warum singt man seine Melodien
+so gern nach? Warum sind so viele davon Volksges&auml;nge
+geworden? Wie wahr, wie lebhaft
+wei&szlig; Mozart den Sinn der Worte des Dichters
+auszudr&uuml;cken? Dringt sein Gesang nicht &uuml;berall
+dem Zuh&ouml;rer ans Herz? Wenn die&szlig; der h&ouml;chste
+<em class="gesperrt">Zweck</em> der Tonkunst ist, wer hat ihn vollkommener
+<em class="gesperrt">erreicht als Mozart</em>?</p>
+
+<p>Man k&ouml;nnte zahlreiche Beyspiele anf&uuml;hren,
+wo Mozart mit einem feinen &auml;sthetischen Sinne
+selbst die Worte und Ideen des Dichters durch
+sch&ouml;ne Wendungen der Melodie erhoben und verbessert
+hat. Sein Gesang haucht den Worten
+meistentheils erst W&auml;rme und Leben ein; fast immer
+liegt darinn noch mehr Sinn und Empfindung,
+als in den Worten. Daher haben selbst elende Poesien
+blos durch seine Komposition gefallen. Die
+Zauberfl&ouml;te und <em class="antiqua">Cosi fan tutte</em> sey Beweis.</p>
+
+<p>Die Gestalt, in welcher die alte <em class="antiqua">Opera seria</em>
+von Metastasio <em class="antiqua">La Clemenza di Tito</em> bey seiner
+Musik erscheint, ist das Werk seines richtigen
+Urtheiles und Geschmackes. Und ein solcher
+Kompositeur, der den Geist des Textes, das
+eigene der Situation so fa&szlig;te und verstand &#8211;
+ihn oft verbesserte noch &ouml;fter erhob, soll keine
+h&ouml;here Bildung gehabt haben?</p>
+
+<p>&raquo;Aber Mozarts Werke sind so <em class="gesperrt">schwer</em>, so
+<em class="gesperrt">kritisch</em>, <em class="gesperrt">voll Kunst</em> und so <em class="gesperrt">wenig</em> f&uuml;r
+das Geh&ouml;r.&laquo;</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_107" id="Page_107">[107]</a></span>Auf gleiche Art klagen oft Schulknaben &uuml;ber
+die Dunkelheiten und Schwierigkeiten des Horaz.
+Man mu&szlig; dar&uuml;ber l&auml;cheln! Wen trifft
+hier der Vorwurf? Schrieb Mozart blo&szlig; f&uuml;r
+Sch&uuml;ler? oder ist dasjenige, was er f&uuml;r sie
+schrieb, nicht leicht und verst&auml;ndlich? Das
+Schwere in seinen Werken ist nicht <em class="gesperrt">Absicht</em>,
+ist <em class="gesperrt">nur Folge</em> der Gr&ouml;&szlig;e und Originalit&auml;t
+seines Genies. Die&szlig; hat Mozart
+mit allen gro&szlig;en K&uuml;nstlern gemein. <em class="gesperrt">Popul&auml;r</em>
+durften alle seine Werke nicht seyn; wo
+Popularit&auml;t n&ouml;thig war, da hat er sie vollkommen
+erreicht. Findet in seinen Singspielen
+nicht der Kenner und der blo&szlig;e Liebhaber Ger&uuml;chte
+f&uuml;r seinen Gaum? Auch die <em class="gesperrt">erhabensten
+Sachen</em> von seiner Hand, wo er
+sich in der ganzen St&auml;rke seiner Kunst des Kontrapunktes
+zeigt, haben so viel Sch&ouml;nheit an
+sich, da&szlig; sie auch uneingeweihten Ohren gefallen,
+wenn sie <em class="gesperrt">nur richtig</em>, und <em class="gesperrt">geschmackvoll
+vorgetragen werden</em>.
+Aber hier liegt <em class="gesperrt">der Knoten</em> &#8211; das ist gr&ouml;&szlig;tentheils
+der Grund solcher Klagen. Ueberdie&szlig;
+erheischt seine Musik ein reines Gef&uuml;hl, ein unverdorbenes
+Ohr: <em class="gesperrt">wer dieses nicht mitbringt,
+f&uuml;r den hat Mozart nicht geschrieben.</em><a name="FNanchor_19_19" id="FNanchor_19_19"></a><a href="#Footnote_19_19" class="fnanchor">[19]</a></p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_108" id="Page_108">[108]</a></span>Der Tadel einer Klasse von Menschen, denen
+seine Musik nicht gef&auml;llt, entscheidet nichts
+gegen ihre Vortrefflichkeit; so wie Rafaels
+Ruhm nicht geschm&auml;hlert wird, wenn dem ehrlichen
+Schneiderjungen ein buntes Allerley von
+einem Schmierer besser ins Auge f&auml;llt, als
+Rafaels Meisterst&uuml;cke. Oder gab es nie Ohren,
+welchen die rauhe Pfeife des Waldgottes
+entz&uuml;ckender schien, als die himmlischen T&ouml;ne
+Apollos? &#8211; Wem <em class="gesperrt">Mozarts Musik</em>
+nicht genug f&uuml;rs Geh&ouml;r zu seyn scheint, der
+d&uuml;rfte wohl den Fehler eigentlich in seinen Ohren
+suchen. Was werden so delikate Ohren
+zu der Musik der neuern Tonsetzer sagen?</p>
+
+<p>Mit seinen Werken wird nun von den
+<em class="gesperrt">Uebersetzern und Musikh&auml;ndlern</em>
+ein wahrer Unfug getrieben, wobey das Publikum
+oft angef&uuml;hrt, und der Name des gro&szlig;en
+Meisters gr&ouml;&szlig;tentheils gesch&auml;ndet wird. Man
+h&auml;ngt ihn erstens als Anempfehlungsschild so
+manchem Machwerk vor, das seines Geistes
+ganz unw&uuml;rdig ist; noch h&auml;ufiger ist der Fall,
+da&szlig; unbefugte Uebersetzer aus seinen gr&ouml;&szlig;ern
+Werken <em class="gesperrt">Klaviersachen</em> zusammenstoppeln,
+die dann als Originalwerke verkauft werden,
+und nothwendig schlechter seyn m&uuml;ssen, als seine
+&uuml;brigen Klavierkompositionen.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_109" id="Page_109">[109]</a></span>Eben so nachtheilig f&uuml;r seinen Ruhm ist
+es, da&szlig; man so h&auml;ufig aus Mangel an neuern
+Werken von seiner Meisterhand, &auml;ltere Kompositionen,
+zum Theil aus seiner fr&uuml;hen Jugend
+herausgiebt, ohne diesen Umstand dem
+Publikum zu sagen. Solche Werke sind gr&ouml;&szlig;tentheils
+seinen sp&auml;tern ganz un&auml;hnlich, und
+k&ouml;nnen den Stempel der Vollkommenheit an sich
+nicht haben.</p>
+
+<p>Seine Werke k&ouml;nnen zur bessern Uebersicht in
+11 verschiedene Klassen eingetheilt werden. Zur
+ersten rechnen wir die <em class="gesperrt">dramatischen</em>. Mozart
+schrieb 9 italienische Opern, &#8211; und 3 teutsche.</p>
+
+<ul>
+<li><em class="antiqua">La finta semplice, opera buffa</em> f&uuml;r Kaiser
+Joseph 1768</li>
+
+<li><em class="antiqua">Mitridate, opera seria</em> f&uuml;r Mayland; im
+Jahr 1770</li>
+
+<li><em class="antiqua">Sulla,</em> &#8211; &#8211; &#8211; &#8211; 1772</li>
+
+<li><em class="antiqua">Giardiniera, opera buffa</em> f&uuml;r Kaiser Joseph
+im Jahr 1774</li>
+
+<li><em class="antiqua">Idomeneo, opera seria</em> f&uuml;r M&uuml;nchen im J. 1780</li>
+
+<li><em class="antiqua">Figaro, opera buffa</em> f&uuml;r Wien im J. 1786</li>
+
+<li><em class="antiqua">Don Giovanni, opera buffa</em> f&uuml;r Prag 1787</li>
+
+<li><em class="antiqua">Cosi fan tutte, opera buffa</em> f&uuml;r Wien 1790</li>
+
+<li><em class="antiqua">La Clemenza di Tito, opera seria</em> f&uuml;r
+Prag 1791</li>
+</ul>
+
+<h4><em class="gesperrt">Teutsche Singspiele:</em></h4>
+
+<ul>
+<li>Die Entf&uuml;hrung aus dem Serail f&uuml;r Wien 1782</li>
+
+<li>Der Schauspieldirektor ein kleines Singspiel
+<span class="pagenum"><a name="Page_110" id="Page_110">[110]</a></span>f&uuml;r den Kaiser Joseph nach Sch&ouml;nbrunn
+im Jahre 1786</li>
+
+<li>Die Zauberfl&ouml;te f&uuml;r das Theater Schikaneders
+1791</li>
+</ul>
+
+<p><em class="gesperrt">Idomeneo</em> ist eines seiner gr&ouml;&szlig;ten, und
+gedankenreichesten Werke; der Stil ist durchgehends
+pathetisch und athmet heroische Erhabenheit.
+Da er diese Opera f&uuml;r gro&szlig;e S&auml;nger
+und f&uuml;r eines der besten Orchester von Europa
+schrieb, so f&uuml;hlte sein Geist keinen Zwang, und
+entfaltete sich darinn am &uuml;ppigsten. Aber
+Idomeneo mu&szlig; besser aufgef&uuml;hrt werden, als es
+zu Prag vor einigen Jahren in Sommer geschah,
+wo ihn der Opern-Unternehmer im
+eigentlichen Verstande prostituirte. Es war ein
+drolligter Gedanke eine der gr&ouml;&szlig;ten Opern ohne
+S&auml;ngerinnen und Orchester aufzuf&uuml;hren. Denn
+beydes fehlte, und ward durch Substituten
+ersetzt. Auch h&uuml;te man sich diese Opera, so
+wie jede von Mozart nach mittelm&auml;&szlig;igen Klavier&uuml;bersetzungen
+zu beurtheilen!</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Figaro</em> wird von Musik-Kennern am
+meisten gesch&auml;tzt; wahr ist es, da&szlig; Mozart bey
+ihrer Ausarbeitung am flei&szlig;igsten studirt habe.
+An Gedanken-Reichthum gleicht sie dem
+Idomeneo, an Originalit&auml;t weicht sie keiner
+andern.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Don Juan</em> ist anerkannt das gr&ouml;&szlig;te
+Meisterst&uuml;ck seines Genies &#8211; die h&ouml;chste
+<span class="pagenum"><a name="Page_111" id="Page_111">[111]</a></span>Kunst mit der gr&ouml;&szlig;ten Anmuth ist darinn in
+lieblicher Eintracht gepaart. Die Rolle des
+Leporello ist das erste Meisterst&uuml;ck des Komischen
+&#8211; das Muster f&uuml;r alle Opernkomponisten.</p>
+
+<p><em class="antiqua">Cosi fan tutte</em> oder die Schule der Liebenden
+ist die <em class="gesperrt">lieblichste</em> und scherzhafteste Musik
+voll Charakter und Ausdruck.</p>
+
+<p>Die Finalien sind un&uuml;bertrefflich. Wenn
+man den schlechten Text dieser Oper betrachtet,
+so mu&szlig; man &uuml;ber die Fruchtbarkeit seines
+dichterischen Genies erstaunen, das f&auml;hig war
+ein so trockenes, einf&auml;ltiges Sujet zu beleben
+und solche Sch&ouml;nheiten hervor zu bringen. Es
+ist schon bemerkt worden, da&szlig; er in der Wahl
+des Buches nicht frey war.</p>
+
+<p><em class="antiqua">La Clemenza di Tito</em> wird in &auml;sthetischer
+Hinsicht, als sch&ouml;nes Kunstwerk, f&uuml;r die vollendeteste
+Arbeit Mozarts gehalten. Mit einem
+feinem Sinne fa&szlig;te Mozart die Einfachheit, die
+stille Erhabenheit des Charakters des Titus,
+und der ganzen Handlung auf, und &uuml;bertrug
+sie ganz in seine Komposition. Jeder Theil,
+selbst die gem&auml;&szlig;igte Instrumentalparthie tr&auml;gt
+dieses Gepr&auml;ge an sich, und vereinigt sich zu
+der sch&ouml;nsten Einheit des Ganzen. Da sie f&uuml;r
+ein Kr&ouml;nungsfest, und f&uuml;r zwey ganz eigends
+dazu angenommene S&auml;nger aus Italien geschrieben
+war, so mu&szlig;te er nothwendig brillante
+<span class="pagenum"><a name="Page_112" id="Page_112">[112]</a></span>Arien f&uuml;r diese zwey Rollen schreiben. Aber
+welche Arien sind das? Wie hoch stehen sie
+&uuml;ber dem gew&ouml;hnlichen Tro&szlig; der Bravour-Ges&auml;nge?</p>
+
+<p>Die &uuml;brigen St&uuml;cke verrathen &uuml;berall den
+gro&szlig;en Geist aus dem sie geflo&szlig;en. Die letzte
+Scene oder das Finale des 1ten Aktes ist gewi&szlig;
+die gelungenste Arbeit Mozarts, ja wohl
+aller dramatischen Tonsetzungen; <em class="gesperrt">Ausdruck</em>,
+<em class="gesperrt">Charakter</em>, <em class="gesperrt">Empfindung</em>, wetteifern
+darinn den gr&ouml;&szlig;ten Effekt hervorzubringen.
+Der Gesang, die Instrumentation, die Abwechslung
+der T&ouml;ne, der Wiederhall der fernen
+Ch&ouml;re &#8211; bewirkten bey jeder Auff&uuml;hrung
+eine R&uuml;hrung und T&auml;uschung, die bey Opern
+eine so seltene Erscheinung ist. Unter allen
+Ch&ouml;ren, die ich geh&ouml;rt habe, ist keiner so flie&szlig;end,
+so erhaben und ausdrucksvoll, als der
+Schlu&szlig;chor im 2ten Akte; unter allen Arien,
+keine so lieblich, so voll s&uuml;&szlig;er Schwermuth, so
+reich an musikalischen Sch&ouml;nheiten, als das
+vollkommene Rondo in <em class="antiqua">F</em>, mit dem oblig:
+Ba&szlig;ethorne, <em class="antiqua">Non piu di fiori</em> im 2ten Akte.
+Die wenigen instrumentirten Rezitative
+sind von Mozart, die &uuml;brigen alle &#8211; was
+sehr zu bedauern ist, &#8211; von einer Sch&uuml;lerhand.</p>
+
+<p>Die Oper, die jetzt noch immer mit Entz&uuml;cken
+geh&ouml;rt wird, gefiel das erstemal bey der
+<span class="pagenum"><a name="Page_113" id="Page_113">[113]</a></span>Kr&ouml;nung nicht so sehr, als sie es verdiente.
+Ein Publikum, das vom Tanz, von B&auml;llen
+und Vergn&uuml;gungen trunken war, in dem Ger&auml;usche
+eines Kr&ouml;nungsfestes, konnte freylich
+an den einfachen Sch&ouml;nheiten Mozartscher Kunst
+wenig Geschmack finden.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Unter den teutschen Singspielen</em>
+zeichnet sich die Entf&uuml;hrung aus dem Serail
+an Empfindung und Sch&ouml;nheit des Gesanges
+aus. Man sieht es ihr an, da&szlig; sie bald nach
+Idomeneo gedichtet ward.</p>
+
+<p>Das kleine Singspiel, der <em class="gesperrt">Schauspieldirektor</em>
+ist blos ein Gelegenheitsst&uuml;ck f&uuml;r
+den kaiserl. Hof in Sch&ouml;nbrunn. Was soll
+ich von der <em class="gesperrt">Zauberfl&ouml;te</em> sagen? Wer kennt
+sie in Teutschland nicht? Giebt es ein Theater,
+wo sie nicht aufgef&uuml;hrt ward? Sie ist unser Nationalst&uuml;ck.
+Der Beyfall den sie &uuml;berall &#8211;
+&uuml;berall erhielt, von dem Hoftheater an, bis zu
+der wandernden B&uuml;hne des kleinen Marktfleckens,
+ist bisher ohne Beyspiel. In Wien wurde
+sie nur im 1ten Jahre ihrer Erscheinung mehr
+als <em class="gesperrt">hundertmal</em> aufgef&uuml;hrt.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Die 2te Klasse</em> seiner Werke begreift
+die Kompositionen f&uuml;rs Klavier. Darunter
+gl&auml;nzen am meisten die Klavierkonzerte, worinn
+Mozart ohne Nebenbuhler den ersten Rang
+behauptet. Hier, so wie in vielen andern F&auml;chern
+war er Erfinder einer neuen Gattung.
+<span class="pagenum"><a name="Page_114" id="Page_114">[114]</a></span>Diese Werke enthalten einen unersch&ouml;pflichen
+Reichthum an den treflichsten Gedanken, die
+gl&auml;nzendeste Instrumentation, und ersch&ouml;pfen fast
+alle Tiefen des Kontrapunktes.</p>
+
+<p>Die Sonaten aller Art <em class="gesperrt">mit und ohne</em>
+Begleitung sind in jedermanns H&auml;nden. Unter
+denselben sind die Trio am originellsten geschrieben.
+Das ber&uuml;hmte Quintett f&uuml;rs Klavier
+mit Begleitung einer Oboe, einer Klarinette,
+eines Waldhornes und Fagottes halten Kenner
+f&uuml;r sein Meisterst&uuml;ck in R&uuml;cksicht der Instrumentation;
+geschrieben im J.&nbsp;1784 <em class="gesperrt">den</em> 30<em class="gesperrt">ten
+M&auml;rz</em>. Die vielen <em class="gesperrt">Variazionen</em> zeichnen
+sich durch Reichthum, Manigfaltigkeit und
+Neuheit vor allen &auml;hnlichen Werken aus. Die
+letzten, die er setzte, sind die, &uuml;ber das Lied:
+<em class="gesperrt">Ein Weib ist das herrlichste Ding</em>;
+den 15ten M&auml;rz 1791 komponirt. Diese Klasse
+seiner Werke ist die zahlreichste.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Die 3te Klasse</em> begreift die Sinfonien;
+die sch&ouml;nsten davon, die er in den Jahren 1786
+bis 1788 schrieb, sind folgende 4: in <em class="antiqua">D</em>, <em class="antiqua">Eb</em>,
+<em class="antiqua">G mol</em> und <em class="antiqua">C</em> mit der Fuge im letzten St&uuml;cke.
+Alle k&ouml;nnen den sch&ouml;nsten von <em class="gesperrt">Hayden</em> an die
+Seite gesetzt werden; er entfaltete darinn seine
+Kunst der Komposition im h&ouml;chsten Grade. Die
+Opernsinfonien sind bekannt und bewundert genug.</p>
+
+<p><span class="pagenum"><a name="Page_115" id="Page_115">[115]</a></span><em class="gesperrt">Zur 4ten Klasse</em> geh&ouml;ren Gelegenheits-Kantaten
+mit vollstimmiger Begleitung. In
+dem Verzeichnisse sind 3 aufgemerkt.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">In die 5te Klasse</em> k&ouml;nnen die einzelnen
+Scenen und Arien gerechnet werden, die er f&uuml;r
+musikalische Akademien oder f&uuml;r besondere S&auml;nger
+schrieb. In dem Verzeichnisse sind 22 solche
+enthalten, f&uuml;r allerley Stimmen.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">6te Klasse:</em> teutsche Lieder mit Klavierbegleitung
+allein; in dem Verzeichnisse sind 20
+St&uuml;cke aufgezeichnet, worunter <em class="gesperrt">die</em> so bekannte
+<em class="gesperrt">Abendempfindung</em>, <em class="gesperrt">das Veilchen</em>
+und an <em class="gesperrt">Chloe</em>, so voll Einfachheit, Ausdruck
+und Empfindung, <em class="gesperrt">kurz so sch&ouml;n</em> sind, da&szlig;
+man sagen kann, Mozart h&auml;tte blos mit diesem
+sich unsterblichen Ruhm erworben. Daraus vorz&uuml;glich
+m&ouml;gen seine Tadler sehen, ob er nicht
+<em class="gesperrt">gro&szlig;</em> in der Singkomposition war? Ob er
+den Worten Leben zu geben, auch ohne das
+Rauschen der Instrumente nicht verstand?</p>
+
+<p><em class="gesperrt">7te Klasse:</em> Konzerte f&uuml;r verschiedene Instrumente
+schrieb er am seltensten.</p>
+
+<p>In dem Verzeichnisse sind nur folgende angemerkt:
+1) Ein Andante zu einem Violinkonzert;
+2) Ein Konzert f&uuml;r das Waldhorn. 3)
+<em class="gesperrt">F&uuml;r die Harmonika</em>; 4) f&uuml;r die Klarinette.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">8te Klasse:</em> Violinquartetten und Quintetten.
+Unter den Quartetten sind die 6, die er
+Joseph Haydn dedizirte, klassisch. Sp&auml;ter im
+<span class="pagenum"><a name="Page_116" id="Page_116">[116]</a></span>Jahre 1789 im Junius schrieb er 3 konzertante
+Quartetten f&uuml;r den verstorbenen K&ouml;nig von
+Preu&szlig;en; nebst diesen ist noch ein einzelnes
+Quartett aus <em class="antiqua">D</em> im Jahr 1786 geschrieben,
+und <em class="gesperrt">eine einzelne Fuge</em>.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">Originalquintetten</em> sind in dem Verzeichnisse
+nur 4 aufgezeichnet; aus <em class="antiqua">C</em>, <em class="antiqua">G mol</em>,
+<em class="antiqua">D dur</em> und <em class="antiqua">Eb</em>. Er schrieb bey seinem Aufenthalte
+in M&uuml;nchen 1782 einige Nachtmusiken <em class="antiqua">&agrave;
+quadro</em> mit Begleitung 2er Waldh&ouml;rner, die
+man f&uuml;glich als Violinkonzerte betrachten kann &#8211;
+alle diese Sachen sind voll Gedanken und Sch&ouml;nheiten.
+Ein konzertantes Divertimento f&uuml;r 3
+Stimmen, die Violin, Bratsche und das Violoncello
+ist vorz&uuml;glich sch&ouml;n und voll hoher Kunst.
+Die 2 Duetten f&uuml;r die Violin und Bratsche
+sind bekannt und beliebt genug.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">9te Klasse:</em> Parthien f&uuml;r blasende Instrumente
+zu Tafel- und Nachtmusiken. Hier in
+Prag sind mehrere bekannt. Ihre Sch&ouml;nheiten
+sind bezaubernd, und rei&szlig;en auch das gef&uuml;hlloseste
+Herz hin. Es existirt auch eine Nachtmusik aus
+13 blasenden Instrumenten von seiner Arbeit.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">10te Klasse: Tanzst&uuml;cke.</em> Mozart
+schrieb mehrere Parthien, Menuetten und teutsche
+T&auml;nze f&uuml;r den Kaiserl. Redouten Saal zu
+<span class="pagenum"><a name="Page_117" id="Page_117">[117]</a></span>Wien. Wie sehr diese Sachen von seiner Arbeit
+gesucht wurden, sieht man aus dem Verzeichnisse,
+wo jeden Karneval eine Menge Menuetten,
+Teutsche, Walzer und Kontrat&auml;nze angemerkt sind.</p>
+
+<p><em class="gesperrt">11te Klasse: Kirchenmusik</em>, war das
+Lieblingsfach Mozarts. Aber er konnte sich
+demselben <em class="gesperrt">am wenigsten</em> widmen. Die
+Messen, die von ihm &uuml;brig sind, wurden bey
+verschiedenen Gelegenheiten und Einladungen verfertigt.
+Alle, die wir hier in Prag geh&ouml;rt haben,
+tragen den Stempel seines Genies. In dem
+Verzeichnisse ist keine einzige Messe angezeigt &#8211;
+ein Beweis, da&szlig; alle, die wir haben, in fr&uuml;here
+Zeiten seines Lebens zu setzen sind. Nur ein
+Graduale auf den Text: <em class="antiqua">ave verum corpus</em> hat
+er im Junius 1791 verfertiget.</p>
+
+<p>Mozart w&uuml;rde in diesem Fache der Kunst
+seine ganze St&auml;rke erst gezeigt haben, wenn er
+die Stelle bey St. Stephan wirklich angetreten
+h&auml;tte; er freute sich auch sehr darauf. Wie sehr
+sein Genie f&uuml;r den hohen Stil des ernsten Kirchengesanges
+gemacht war, beweiset seine letzte
+Arbeit, die <em class="gesperrt">Seelenmesse</em>, die gewi&szlig; <em class="gesperrt">alles</em>
+&uuml;bertrifft, was in diesem Fache bisher ist geleistet
+worden, und nicht so bald &uuml;bertroffen werden wird.</p>
+
+<p>Nebst diesen Gattungen seiner Werke hinterlie&szlig;
+er 10 <em class="antiqua">Canoni</em> blos f&uuml;r Singstimmen; und
+zwar 8 vierstimmige, und 2 dreystimmige, sowohl
+komische, als ernsthafte. Sie sind nicht nur
+<span class="pagenum"><a name="Page_118" id="Page_118">[118]</a></span>Meisterst&uuml;cke in der Kunst sondern auch sehr unterhaltend.</p>
+
+<p>Zum Schlusse setzen wir noch eine Anekdote
+her, die mehr als eine Lobrede sagt. Ein alter
+italienischer Impressarius einer Operngesellschaft
+in Teutschland, der es an seiner Kasse zu f&uuml;hlen
+schien, da&szlig; seit Mozart keine andern Opern,
+am wenigsten die von welschen Authoren gefallen
+wollen, pflegte immer, so oft er in seiner Opernregistratur
+auf eine Oper von Mozart kam,
+mit einem Seufzer auszurufen: <em class="gesperrt">Der ist mein
+Ungl&uuml;ck!</em></p>
+
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_19_19" id="Footnote_19_19"></a><a href="#FNanchor_19_19"><span class="label">[19]</span></a> Anmerkung. Diese Bemerkungen der ersten Ausgabe,
+sind jetzt beynahe unn&ouml;thig, da Mozart
+gegen seine Nachahmer, die Fa&szlig;lichkeit und Popularit&auml;t
+selbst ist!</p></div>
+</div>
+
+
+
+<div class="note">
+<p><strong>Anmerkungen zur Transkription:</strong> Dieses elektronische Buch wurde auf
+Grundlage der 1808 erschienenen zweiten Auflage erstellt. Kleinere
+Unregelm&auml;&szlig;igkeiten in der Schreibweise wurden beibehalten. Die
+nachfolgende Tabelle enth&auml;lt eine Auflistung aller gegen&uuml;ber dem
+Originaltext vorgenommenen Korrekturen.</p>
+
+<p>Die Fraktur-Ligatur f&uuml;r &raquo;etc.&laquo; wurde durch etc. ersetzt.</p>
+
+
+<p><strong>Transcriber&#8217;s Note:</strong> This ebook has been prepared from the second edition
+published in 1808. Minor spelling inconsistencies have been maintained.
+The table below lists all corrections applied to the original text.</p>
+
+<p>The ligature for &#8220;etc.&#8221; has been replaced by etc.</p>
+
+<ul>
+<li><a href="#Page_4">S. 4</a>: und deu Thatsacheu &rarr; und den Thatsachen</li>
+<li><a href="#Page_6">S. 6</a>: Es ist noch uicht fertig &rarr; nicht</li>
+<li><a href="#Page_9">S. 9</a>: [added period] Tanzst&uuml;cke u. d. gl &rarr; u. d. gl.</li>
+<li><a href="#Page_11">S. 11</a>: ihn nicht weier st&ouml;ren &rarr; weiter</li>
+<li><a href="#Page_13">S. 13</a>: [added comma] in einer Sache, wo das</li>
+<li><a href="#Page_13">S. 13</a>: auserordentlich gro&szlig;en Talent &rarr; au&szlig;erordentlich</li>
+<li><a href="#Page_15">S. 15</a>: zweyten Tochter der K&ouml;nigs &rarr; des</li>
+<li><a href="#Page_16">S. 16</a>: den 10 April 1764 &rarr; 10. April</li>
+<li><a href="#Page_17">S. 17</a>: konnte man ihm kaum vom Spielen &rarr; ihn</li>
+<li><a href="#Page_20">S. 20</a>: mit den man ihn aufnahm &rarr; dem</li>
+<li><a href="#Page_21">S. 21</a>: zu schatzen verstehen &rarr; sch&auml;tzen</li>
+<li><a href="#Page_24">S. 24</a>: den vollendesten K&uuml;nstler h&ouml;rten &rarr; vollendetesten</li>
+<li><a href="#Page_25">S. 25</a>: Der Pabst durch alle die Wunder &rarr; Papst</li>
+<li><a href="#Page_25">S. 25</a>: [deleted period] den Karneval von 1773. eingegangen</li>
+<li><a href="#Page_31">S. 31</a>: M&uuml;nchen eine Oper seria zu schreiben &rarr; Opera</li>
+<li><a href="#Page_33">S. 33</a>: der schon damal der Stolz &rarr; damals</li>
+<li><a href="#Page_36">S. 36</a>: [deleted comma] Man sieht, es diesen Quartetten an</li>
+<li><a href="#Page_41">S. 41</a>: obschon sie wohl hundermal geh&ouml;rt waren &rarr; hundertmal</li>
+<li><a href="#Page_42">S. 42</a>: empfing ihm das ganze &rarr; ihn</li>
+<li><a href="#Page_43">S. 43</a>: Der gro&szlig;e Rnf seines Namens &rarr; Ruf</li>
+<li><a href="#Page_44">S. 44</a>: oft von da Einladuugen &rarr; Einladungen</li>
+<li><a href="#Page_45">S. 45</a>: vom dem Roste der Mode &rarr; von</li>
+<li><a href="#Page_48">S. 48</a>: eben so geheimni&szlig;voll als merkm&uuml;rdig &rarr; merkw&uuml;rdig</li>
+<li><a href="#Page_48">S. 48</a>: sich in dieser Gattuug &rarr; Gattung</li>
+<li><a href="#Page_53">S. 53</a>: der Unbekannte Verehrer &rarr; unbekannte</li>
+<li><a href="#Page_54">S. 54</a>: [added comma] und wahrlich, bis jetzt</li>
+<li><a href="#Page_55">S. 55</a>: ein feyrrliches Seelenamt &rarr; feyerliches</li>
+<li><a href="#Page_57">S. 57</a>: das Haus voll, nnd die Einnahme gut &rarr; und</li>
+<li><a href="#Page_57">S. 57</a>: [deleted comma] nicht weniger, als 30,000&nbsp;Gulden</li>
+<li><a href="#Page_57">S. 57</a>: [added comma] eine Summe, &uuml;ber die</li>
+<li><a href="#Page_60">S. 60</a>: &uuml;ber ihn so streng urtheien &rarr; urtheilen</li>
+<li><a href="#Page_62">S. 62</a>: so dr&uuml;ckt sich ein Berliner Wochenblatt, worinn &rarr; aus, worin</li>
+<li><a href="#Page_68">S. 68</a>: [added comma] zu dem einfachen Liede, von der</li>
+<li><a href="#Page_70">S. 70</a>: die Meisterst&uuml;cke der R&ouml;mer und Griechen &rarr; Die</li>
+<li><a href="#Page_72">S. 72</a>: [deleted comma] 20, bis 30 Jahre alt</li>
+<li><a href="#Page_72">S. 72</a>: bey dem gew&ouml;hnlichen Kompositionen &rarr; den</li>
+<li><a href="#Page_72">S. 72</a>: von so unbestimmten Charakter &rarr; unbestimmtem</li>
+<li><a href="#Page_72">S. 72</a>: [added comma] Anmuth und Lieblichkeit, diese wahren Zaubermittel</li>
+<li><a href="#Page_82">S. 82</a>: [added comma] damit herum, dachte sich</li>
+<li><a href="#Page_85">S. 85</a>: die am 30 September geschah &rarr; 30. September</li>
+<li><a href="#Page_92">S. 92</a>: Schriftsteller der gebildesten Nationen &rarr; gebildetesten</li>
+<li><a href="#Page_93">S. 93</a>: Unter guten Freuden &rarr; Freunden</li>
+<li><a href="#Page_96">S. 96</a>: nach eigenem Gest&auml;nduisse &rarr; Gest&auml;ndnisse</li>
+<li><a href="#Page_96">S. 96</a>: Menschrnfreundlich und uneigenn&uuml;tzig &rarr; Menschenfreundlich</li>
+<li><a href="#Page_96">S. 96</a>: den Werh des Geldes &rarr; Werth</li>
+<li><a href="#Page_96">S. 96</a>: nnd zog sich dadurch &rarr; und</li>
+<li><a href="#Page_100">S. 100</a>: [deleted period] seit dem Jahre 1784. bis &rarr; 1784 bis</li>
+<li><a href="#Page_101">S. 101</a>: Eine Klavierkantatate &rarr; Klavierkantate</li>
+<li><a href="#Page_101">S. 101</a>: das Neue in ihrer Ausf&uuml;hruug &rarr; Ausf&uuml;hrung</li>
+<li><a href="#Page_102">S. 102</a>: verdienen hier allerdings einen Plaz &rarr; Platz</li>
+<li><a href="#Page_102">S. 102</a>: Wie ihr Sch&ouml;pfer kannt&#8217; und grif &rarr; griff</li>
+<li><a href="#Page_107">S. 107</a>: wo Popularit&auml;t u&ouml;thig war &rarr; n&ouml;thig</li>
+<li><a href="#Page_111">S. 111</a>: in leiblicher Eintracht gepaart &rarr; lieblicher</li>
+<li><a href="#Page_116">S. 116</a>: auch das gef&uuml;lloseste Herz &rarr; gef&uuml;hlloseste</li>
+<li><a href="#Page_116">S. 116</a>: [added comma] mehrere Parthien, Menuetten und teutsche T&auml;nze</li>
+<li><a href="#Page_117">S. 117</a>: sieht mau aus dem &rarr; man</li>
+<li><a href="#Page_117">S. 117</a>: 11te Klase: Kirchenmusik &rarr; Klasse</li>
+<li><a href="#Page_118">S. 118</a>: sondern auch sehr unhaltend &rarr; unterhaltend</li>
+</ul>
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Lebensbeschreibung des k. k.
+Kapellmeisters Wolfgang Amadeus Mozart, by Franz Xaver Niemetschek
+
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+forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
+both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
+Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
+Foundation as set forth in Section 3 below.
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+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ http://www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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