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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-14 19:56:19 -0700 |
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Langkau and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net. + + + + + + + +--------------------------------------------------------------+ + | | + | Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Textauszeichnungen | + | wurden folgendermaßen gekennzeichnet: | + | | + | Sperrung: #gesperrter Text# | + | Antiquaschrift: _Antiquatext_ | + | | + +--------------------------------------------------------------+ + + + + + Der Widerspenstigen Zähmung + + von Karl Ettlinger + + (Karlchen) + + 1919 + + Georg Müller Verlag München + + + + +Ich will es lieber gleich sagen, da es sich ja doch im Laufe der +Geschichte herausstellt: Frau Borges war ein Drache. Keiner von den +Drachen, die einen Goldschatz oder eine Jungfrau bewachen und die +dadurch immerhin noch etwas Sympathisches haben, -- nein, sie war ein +Drache ohne jede höhere Mission, ein Drache, dessen einziger Lebenszweck +darin bestand, ihrem Gatten das Dasein zu versauern. + +Ihr habt gewiß schon den Drachen Fafner auf der Bühne gesehen? O was ist +das für ein gemütlicher Drache! Er bewegt sich ein bissel auf der +Drehscheibe, schlägt ein bißchen mit dem Schwanz um sich und speit ein +bißchen Feuer. Er kann an Frau Borges nicht tippen. Die fährt herum wie +auf hundert Drehscheiben, schlägt um sich wie mit hundert Schwänzen, und +mit ihrer Zunge versengt sie mehr gute Rufe als der Dilettant Fafner +Gräser und Kräuter. + +Obendrein wird der Fafner, gottlob, von Siegfried #erschlagen#. Er +stirbt bekanntlich an den Stabreimen, mit denen Siegfried ihn +mißhandelt, und von denen der berühmteste lautet: »Eine zierliche Fresse +zeigst Du mir da!« + +Das hätte einmal Herr Borges zu #seinem# Drachen sagen sollen! So viel +Drachenschwänze gibt es gar nicht! Und Herr Borges war überdies alles +andere eher als ein Siegfried. Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, im +Walde wilde Bären zu fangen (was ihm im Offenbacher Stadtwald auch +schwerlich gelungen wäre), er schlug keine Ambosse entzwei, schmiedete +kein Notung, und das Fürchten brauchte ihm nicht erst von einer +Brünhilde gelehrt zu werden. Das Einzige, was Adolf aus dem Geschlechte +Borges mit Siegfried aus dem Geschlechte Wälsungen gemein hatte, waren +die treuherzigen blauen Augen. + +Er sah mit diesen Augen so kindlich unschuldig in die Welt, daß sich +jede Mücke sagte: »Der kann Dir nichts zu leid tun!«, und sich auf seine +Nase setzte. + +Er war einer von den Gerechten, die viel zu leiden haben, denn ein gutes +Herz ist wie ein rosiger Apfel, der in stiller Pracht am Baume hängt, -- +und nach dem deshalb alle bösen Buben mit Steinen werfen. + +Die Statistik, die der Erzengel Gabriel im Auftrag des lieben Gottes +führt, hat nachgewiesen, daß es auf Erden bedeutend mehr #böse# Buben +gibt als gute. Und ich kann deshalb meinen Mitmenschen nur den +wohlgemeinten Rat geben: »Wenn Du ein gutes Herz hast, so halte es +geheim wie einen Leberfleck, denn sonst prasselt es von allen Seiten +Steine auf Dich!« + +Auf das Heiligsein steht noch immer die Todesstrafe, und die Gutherzigen +werden noch immer mit Pfeilen beschossen wie Sebastian, gesteinigt wie +Stephanus oder geröstet wie Laurentius. + +Das hatte auch Adolf Borges in den fünfzig Jahren seines Lebens +reichlich erfahren müssen. Fast dreißig Jahre war er Ausgeher in dem +großen Konfektionsgeschäft von Feldmann und Schröder in der +Schloßstraße. Er hatte das Wachsen des Hauses miterlebt, -- die Firma +war emporgeblüht, und er selbst war dabei verwelkt. + +Nur seine treuherzigen blauen Augen blühten noch immer aus seinem welken +Gesichtchen hervor wie zwei große Glockenblumen, beschattet von dem +Gesträuch der Kommis und den mächtigen beiden Stämmen der +Geschäftsinhaber. + +Adolf erinnerte sich noch genau, wie das alte Haus umgebaut worden war, +um Raum zu schaffen für die zwei großen Schaufenster. Damals waren die +alten Holzpuppen, die bisher als Modellständer gedient hatten, durch +pausbäckige Wachsfiguren ersetzt worden. Die Holzpuppen hatte er auf den +Speicher tragen müssen, und er fühlte dabei eine wehmütige +Verwandtschaft mit diesen leblosen Dingern. + +»Was bistde #mehr# wie so e Holzbubb?« sagte er zu sich. »Genau so, wie +ich jedz Euch enufftrag uff de Speicher, so wern se aach #mich# eines +Dags enaustrage uff de große Menschespeicher, unn es werd kaa Hahn nach +merr krähe unn kaa Hund nach merr belle! Unn an mei Schdell werd aach so +ebbes Neues, Pausbäckiges komme, unn die Welt dreht sich weider unn werd +regiert von der ahle Drehkrankheit, unn wann emal erjend e ahler +Geschäftsfreund frägt: >Herr Feldmann, hawwe Se net emal so en klaane +Ausläufer gehabbt, de Adolf?<, werd der Herr Feldmann antworte: >De +Adolf Borges? Der is schonn längst dod! No, es is net besonnersch viel +an em verlore!<« + +Und er erinnerte sich daran, wie die Petroleumlampen waren durch +Gaslüster ersetzt worden, und später die Gaslüster durch große +Bogenlampen. + +Immer heller war es um ihn geworden, immer herrlicher und größer, und er +selber kam sich immer kleiner vor. + +Er erinnerte sich auch der vielen Angestellten, die im Laufe der Jahre +in das Geschäft eingetreten und wieder ausgetreten waren, teils +freiwillig, teils unfreiwillig. + +Da war der Herr Bernheim gewesen, der ihm immer nachmittags eines von +seinen Butterbrötern zur Vesper geschenkt hatte: »Adolf, hastde Hunger? +Komm her unn freß!« Und er hatte ihm eines Tags zur großen Heiterkeit +des ganzen Personals erwidert: »Herr Bernheim, ich dank Ihne aach schee! +Basse Se uff: wann Se emal in de Himmel komme, dann steht der Petrus +drowwe unn hat de Mond als Pannekuche in der rechte Hand unn säggt: +>Bernheim, du warst e guder Mensch, -- komm her unn freß!« + +Und er hatte nicht verstanden, was es da zu lachen gab. + +Da war ferner der Herr Meier gewesen, dem er jeden Abend beim +Geschäftsschluß den Rock hatte ausbürsten und die Stiefel blankreiben +müssen; denn der Herr Meier hielt sich für sehr schön und lächelte auf +der Straße den Mädchen zu, und wenn ihn ein Kollege fragte: »Herr Meier, +wo waren Sie gestern abend?«, dann grinste er, daß die abstehenden Ohren +wackelten, und flüsterte: »Geschäftsgeheimnis! Aber schön war's!« + +Des Herrn Meier Spezialität war das Bedienen der jungen Mütter gewesen, +die ihren Buben Schulanzüge kauften; auf die stürzte er zu und +schwänzelte um sie herum und gebrauchte fünfzehnmal in einem Satz die +Anrede »Gnädige Frau« und schwatzte ihnen die ältesten Anzüge auf. Und +wenn sie wieder aus dem Geschäft draußen waren, sagte er stolz: »Adolf, +haben Sie den Blick gesehen? Den Blick? Adolf, ich sag' Ihnen, wenn ich +#wollt#', -- aber ich will net!« + +Und der alte Adolf Borges dachte sich, indem er den verkauften +Ladenhüter einwickelte: »Merr sollt em aach als emal de #Schnawwel# mit +erer Berscht abreiwe! Awwer mit erer #Drahtberscht#!« + +Man sieht aus diesen Randglossen, daß Adolf Borges keineswegs ein +Dummkopf war. O nein, er war ein kluges Männlein, aber seine Klugheit +war schüchtern wie ein Tanzstundenjüngling; sie getraute sich nicht, die +schöne Dame Lebensfreude zu engagieren, aus lauter Angst, ihr auf den +Fuß zu treten, und so kam es, daß die schöne Dame Lebensfreude auch ihn +nie engagierte, wenn die guten Feen gerade Damenwahl hatten. + +Adolf Borges brachte es zu nichts auf der Welt und blieb Ausläufer bei +Feldmann & Schröder in der Schloßstraße zu Offenbach am Main. Er +schnürte Pakete und besorgte Gänge, er staubte die Pulte ab und reinigte +die Tintenfässer. Und jedesmal, wenn er dem ekligen Kassierer das +Tintenfaß auffüllte, machte er drei Kreuze darüber und bei jedem Kreuz +murmelte er: »Hunnert Rechefehler solle drin sei, in dere schwarz +Brieh!« + +Denn ein ganz kleines bißchen boshaft konnte er auch sein, -- trotz +seiner Glockenblumenaugen. + +Eigentlich war es wunderlich, daß er, der Gatte Katharinas, nicht #mehr# +Bosheit besaß. Ein besseres Vorbild konnte es doch unmöglich geben. Oh, +wie ungerecht ist das Schicksal! Katharina, -- das wäre so die richtige +Gattin für einen Franz Moor gewesen! Auch Richard der Dritte hätte sie +getrost freien können, stammte sie doch aus dem uralten Adelsgeschlecht +der Xantippen. Und nun mußte gerade der arme, kleine Adolf an sie +geraten! + +Wahrlich, das Schicksal ist der gemeingefährlichste Geisteskranke, der +unentmündigt herumläuft, und schon längst gehörte es unter Kuratel +gestellt. Wäre das Schicksal nicht rettungslos blind, niemals hätte es +die Glockenblumen in Adolfs Augen und die Disteln in Katharinas Augen +kreuzen können. + +Katharina, -- ich habe sie bereits mit Fafner verglichen. Aber wirft +Fafner mit Suppentellern? Steht er mit dem Kehrbesen oder dem Schürhaken +hinter der Türe, wenn Alberich abends nach Hause kommt? Schreit Fafner +den Siegfried an: »Du hast iwwerhaapt nix zu sage!!« Öffnete Fafner +Briefe, die ihn nichts angingen? Sang er ewig die Litanei: »O Gott, o +Gott, wie konnt ich nor so dumm sei', Dich zu heierate!! Prinze unn +Korferschte hätt' ich hawwe könne!! Unn so en Schlappschwanz muß ich +nemme! O Gott, ich unglicklich Fraa!« + +Man sehe in der Partitur nach, Siegfried, 2. Akt, ob Fafner so etwas +singt. Nein, er tut es nicht. In der Urzeit waren die Drachen offenbar +noch harmloseren Gemüts, und wenn der Drache, den der heilige Georg +erlegte, nicht #mehr# Ähnlichkeit mit Katharina hatte als Fafner, dann +sollte man wirklich nicht so viel Aufhebens von der ganzen Affäre +machen. + +Der alte Plato weiß in seinem »Gastmahl« zu berichten, daß Mann und Weib +ursprünglich ein einziges zusammengewachsenes Wesen gewesen seien, das +durch irgendeine Macht halbiert wurde, und daß sich die beiden Hälften +nun ewig in Sehnsucht wieder zu vereinigen suchen. Beruht diese Fabel +auf Wahrheit, dann wollen wir Gott danken, daß die andere Hälfte +Katharinas offenbar verloren gegangen ist! + +Nun, da sie mit Adolf Borges zusammengewachsen war, glich diese Ehe +einem jener lustigen Tierbilder, auf denen übermütige Zeichner einen +Elefanten mit Entenfüßen ausstatten oder einem Storch einen Nashornkopf +aufsetzen. + +Es gibt Ehen, die gleichen einem geruhigen Biedermeierpostwagen; hübsch +langsam gleiten sie dahin, lassen sich Zeit, alle Schönheiten ringsum zu +bewundern, auf dem Bock sitzt der Ehemann neben der Gattin und bläst +Trara, und die ganze Postkutsche ist voll Kinderchen. + +Er bläst nicht immer ganz harmonisch, der Herr Ehemann, manchmal giekst +das Posthorn schauerlich, -- macht nichts, die verzückte Gattin +behauptet dennoch: »Männe, so wie Du bläst keiner!« + +Andere, »modernere« Ehen gleichen einem _D_-Zug; der Ehemann steht als +abgehetzter, unermüdlicher Führer auf der Lokomotive, hat keine Muse, +sich die Schönheit ringsum zu betrachten, denn die Räder rattern +unaufhörlich den einförmigen Rhythmus »Pflicht -- Pflicht -- Pflicht!« +In einem Abteil erster Klasse sitzt derweil die Gattin, raucht eine +Zigarette nach der andern, betrachtet sich zwischendurch in einem +Handspiegelchen und seufzt: »Gott, ist die Fahrt langweilig!« Und der +abgehetzte Lokomotivführer kann mitunter von Glück sagen, wenn er den +ehelichen _D_-Zug glücklich an die irdische Endstation gebracht hat, +ohne daß unterwegs irgendein eleganter Herr in das Abteil erster Klasse +eingestiegen ist, um die Fahrt unterhaltsamer zu machen. + +Andere Ehen wiederum ließen sich mit einer elektrischen Straßenbahn +vergleichen, in der man vor lauter Klingeln und Hasten sein eigenes Wort +nicht versteht, und wo Wagenführer und Schaffnerin nach schwerer +Tagesarbeit nur den einen Wunsch haben: sich einigermaßen gut satt zu +essen und gesund auszuschlafen. + +So lassen sich die verschieden gearteten Ehen mit den verschieden +gearteten Fahrzeugen vergleichen, und wer Lust hat, mag die Bilderreihe +zu Tode hetzen. + +Adolfs Ehe glich einem Schubkarren. Im Schweiße seines Angesichtes +drückte er ihn seine steinige, staubige Lebensstraße, und oben auf dem +Schubkarren saß Frau Katharina, eine derbe Peitsche in der Hand, und +wenn der arme Adolf einmal eine Schnaufpause machen wollte, pfiff ihm +die Geißel um die Ohren, und er hörte eine kreischende Stimme: »Prinze +unn Korferschte hätt' ich heierate könne! O Gott, ich unglicklich +Fraa!!« + +Das war eine der zahlreichen Übertreibungen, derer sich Katharina in den +durchaus einseitigen Aussprachen mit ihrem Ehemann zu bedienen pflegte. +Selbst dem entthrontesten Prinzen wäre es niemals eingefallen, um die +Hand der Drechslermeisterstochter Katharina Bindegerst anzuhalten. + +Aber wir wollen gerecht sein und ihr diese Übertreibung nicht zu dick +ankreiden. Übertreiben ist seit der Urzeit ein Reservatrecht der Frauen, +der holden wie der unholden. Als Eva gerade eine Minute lang erschaffen +war, und Adam aus seinem verhängnisvollen Schlafe erwachte, war Evas +erstes irdisches Wort: »Nun warte ich schon eine #Ewigkeit#!« + +Und als sich Adam nun erhob, um das Naturwunder näher zu begucken, und +als er es vorsichtig betastete, da fuhr Eva auf: »Habe ich Dir nicht +#schon hundertmal# gesagt, Du sollst mich nicht anrühren?!« + +Damals bekam Adam einen Heidenschreck. + +Und dieser Schreck hat sich vererbt von Generation zu Generation. Jeder +junge Ehemann kriegt ihn von Neuem, an jenem Tage, an dem seine Gattin +zum ersten Male mit ihm zankt, ohne daß er weiß, warum. + +Und jeder Ehemann benimmt sich alsdann genau so paradiesisch töricht und +nachgiebig wie unser Urahn Adam und heftet somit selbst den letzten +Stich an dem Riesenpantoffel, von dem in der Schöpfungsgeschichte nichts +steht, und der sich gleichfalls von Generation zu Generation vererbt, -- +und zwar in der #weiblichen# Linie. + +Adolf Borges machte es um kein Haar besser. Er war ja schon von Natur +stets gar schüchtern gegen das weibliche Geschlecht gewesen. + +»E Fraa is sicher was Scheenes,« sagte er sich als junger Mann, »awwer +ich will's gar net so schee hawwe! Die Fraue sin wie Heckeröscher, +wunnerliebliche Blümercher, die sich um de Mann ranke unn en schmicke +unn verscheenern, -- awwer ich habb kaa Talent zum Blummestänner! Wann +sich so e Heckerösche um mich rankt, dann komme doch bloß die Wespe unn +die Biene unn die Hummele unn steche mich, -- naa, ich bleib liewer +leddig!« + +Man hat das weibliche Geschlecht nicht mit Unrecht die Sonne dieses +Daseins genannt. Aber Adolf Borges hatte von jung auf eine +unüberwindliche Angst vor dem Sonnenstich. Wenn er nur von ferne so eine +liebliche Sonne aufgehen sah, spannte er sogleich abwehrend seinen aus +Sophismen gewobenen Sonnenschirm auf. + +»Gehstde mit danze, Adolf?« frugen ihn Sonntags seine Bekannten und +Kollegen. + +»Ich hipp net, ich bin kaa Laubfrosch!« erwiderte Adolf, denn jeder +Tanzboden dünkte ihn mehr oder weniger ein Blocksberg. + +Seine Freunde fuhren gröberes Geschütz auf. + +»Adolf, die dick' Anna, die Köchin von Schmidts in der Krummgaß, hat +sich nach Derr erkunnigt! Ob De net nächste Sonndag nach der Goedheeruh +kämst? Se hätt Derr was zu sage! -- No??« + +»En scheene Gruß an die dick Anna, unn ich wär net neugierig! Unn se +soll merr mit ihrer Goedheeruh mei Borgesruh lasse!« sagte er und blieb +des Sonntags zu Hause. + +Oder er bummelte allein im Stadtwald und am Mainufer umher, sah die +schweren Mainkähne und Flöße ziehen, sah die leichten Amseln schwirren +und die drolligen Eidechsen huschen. Und empfing dabei mancherlei +Schönes, was der liebe Gott nur an einsame Spaziergänger zu verschenken +pflegt. + +Einmal fand er ein Vogelnest mit vier Eierchen. + +Nachdenklich stand er davor, wiegte den Kopf und sann: »Vier Kinner uff +aamol, -- naa, ich bleib leddig!« + +Ein andermal setzte er sich im Walde ermüdet nieder, legte den Kopf auf +einen kleinen Hügel, der sich alsbald als Ameisenhaufen entpuppte. + +»So is des ganze Lewe!« sprach er und erhob sich betrübt. »E +Ameisehaufe! Unn da soll merr seine Eltern noch dankbar sei', daß se ein +in so was eneisetze!« + +Und er griff sich melancholisch in den Kragen, um die hurtigen Tierchen, +die seinen Hals als Tanzplatz benutzten, zu entfernen. + +Selten leistete er sich den Genuß, des Abends in einer Kneipe zu einem +Glas Bier oder einem Schoppen Äpfelwein einzukehren. Friedlich +schichtete er daheim in der Waschtischschublade die kleinen Ersparnisse +aus seinem bescheidenen Lohn und aus den Trinkgeldern, die er hie und da +bei Besorgungen erhielt, zu einem Berg. Es war kein Himalaja, es war +gleichfalls nur ein Ameisenhäufchen, aber er hoffte, ihn mit der Zeit zu +einem kleinen Hügel anschwellen zu sehen, von dem aus er in den Zeiten +des Alters und der Gebrechlichkeit die Welt mit genügsamem Lächeln zu +betrachten gedachte. + +Und das wäre ihm vielleicht auch gelungen, hätte das Schicksal nicht mit +ihm einen grausamen Scherz vorgehabt und ihn als Untermieter in die +Wohnung des Drechslermeisters Bindegerst geführt. + +Er war damals zweiundvierzig Jahre alt, und sein Herz zählte somit +bereits zu jenen Zielscheiben, denen gegenüber es sich der kleine Gott +Cupido erst dreimal überlegt, ehe er noch einen Pfeil daran wagt. +Entschließt er sich aber dann doch dazu, so nimmt er keinen von den +kleinen goldenen Pfeilen, die so süß schmerzen, sondern er schnitzt sich +einen großen, plumpen Kloben zurecht, mit scharfen Widerhaken, und +versieht dieses vermaledeite Geschoß, damit es auch recht zielsicher +schwirre, noch eigens mit einem Propeller aus riesigen Eselsohren. + +An jenem ersten März, als Adolf Borges mit seinem Handköfferchen die +Stiege emporschlenderte, um bei dem Drechslermeister das vermietbare +Dachzimmerchen zu besichtigen, spielte gerade ein Orgelmann im Hof den +populären Rheinländer: + + »Katharinchen mit dem Selleriekopp, + _Allez_ hopphopphopp! _Allez_ hopphopphopp!« + +Diesen Drehorgler hatte der hohe Schutzgeist der Junggesellen eigens in +den Hof gestellt, um Adolf eine letzte Warnung zukommen zu lassen. + +Da aber Adolf niemals einen Tanzboden besucht hatte und daher diesen +Rheinländer nicht kannte, und da er andrerseits nicht wissen konnte, daß +der Drechslermeister eine Tochter Katharina besaß, fruchtete die Warnung +leider nichts. + +»Gu'n Nachmiddag!« empfing ihn der alte Bindegerst freundlich. »Neun +Mark dhät des Zimmerche koste! Mit Kaffee zeh' fuffzig! Es is e ruhig +Zimmerche! Nor dhun als bei Nacht die Katze so kreische! No, da misse Se +halt mit'm Bandoffel danach schmeiße! Des könne se net verdrage! -- Was +hawwe Se dann for en Beruf?« + +»Ausläufer bei Feldmann & Schröder in der Schloßstraß!« + +»E foi Haus!« bekräftigte Vater Bindegerst. »E erstklassig Firma! Ich +bin aach schonn emal bei're ereigefalle mit eme Aaazug! Wie lang sin Se +dann schonn bei dene Leut?« + +»Zweiunzwanzig Jahr!« seufzte Adolf. + +»Des is e Embfehlung!« schmunzelte Bindegerst. »Des is e Embfehlung, +wann's e Aagestellter so lang mit'm Brinzibal aushält! -- Sin Sie +eigentlich e Offebächer odder e Frankforder?« + +»E Frankforder wär' ich!« + +»Ich aach! Unn da sin Se nach Offebach ausgewannert?« + +»Ja, ich bin ausgewannert. Amerika war merr zu weit, da bin ich nach +Offebach.« + +»Ich aach. No, steihe merr emal enuff in des Zimmerche! Se misse Ihne am +Stiegegelänner festhalte, die Trepp is e bissi wackelig!« + +Adolf sah sich das Zimmer an und behielt es. Er war ja so bescheiden in +seinen Ansprüchen, die Gabe des Widerspruchs war ihm versagt, und wenn +der letzte Teil der Treppe sogar #völlig# gefehlt hätte, und Herr +Bindegerst hätte gesagt: »Se misse, um in Ihr Zimmerche zu komme, +jedesmal en Rieseaufschwung mache!«, er hätte auch in diesem Falle nicht +die Energie gefunden, nein zu sagen. + +Und überhaupt war es Adolf ziemlich gleichgültig, wie er wohnte. »Was +kimmt's dadruff aa?« sagte er sich. »Ich habb schonn Säu geguckt, die +hawwe in Ställ gewohnt mit Borzellankachele, -- no, am Schluß sin se +#doch# geschlacht' worn! Unn wann der Herr Feldmann unn der dick Herr +Schröder ihr Haus noch e dutzendmal umbaue lasse unn dhun so viel +Bogelampe enei wie in de Frankforder Haaptbahnhof, deshalb bleiwe se +#doch# zwaa Rindviecher!« + +Und er fühlte sich zunächst ganz wohl im neuen Heim. Wenn auch das +Zimmerchen nichts enthielt als ein einigermaßen erträgliches Bett, einen +morschen Spiegelschrank, in dem ein falscher Schlüssel steckte, eine arg +baufällige Waschkommode -- (»Se kriehe evenduell emal e annerne«, hatte +Herr Bindegerst gegen seine eigene Überzeugung behauptet) -- einen +durchgesessenen Stuhl und einen Tisch, der, sobald man sich auf ihn +stützte, von selbst Rheinländer zu tanzen anfing, es war doch so +lauschig still des Abends da droben, und wenn man den Kopf zum +Dachfenster hinausstreckte, sah man unten die Menschen wie kleine Käfer +umherkrabbeln. + +Und das erschien Adolf sehr possierlich. + +»Wie klaa misse se erscht dem liewe Gott vom Himmel aus vorkomme!« +meinte er. »Da kann er freilich kaan Brinzibal vom Ausläufer +unnerscheide, unn kaan Rothschild von eme Schnorrer! Ich glaab werklich, +es is gar net so schwer, die Mensche gerecht zu beorteile, -- merr muß +nor weit genuch eweck sei!« + +Und des Nachts schien der Mond in das Zimmerchen, der so viel +demokratischer ist als die Sonne. Denn, wenn dich die Sonne ansieht, so +mußt du ehrfurchtsvoll, geblendet die Augen schließen; den Mond aber +kannst du ohne Zwinkern fröhlich und freundlich begrüßen wie +deinesgleichen. + +Man hat nur noch kein genügend großes Fernrohr gebaut, sonst könnte man +deutlich sehen, wie der Mann im Mond jeden Gruß erwidert; jedesmal +unterbricht er die Arbeit des Holzhackens und zieht seine Mütze, denn er +hackt ja das Holz nicht für eigene Rechnung, und deshalb eilt es ihm +nicht so. + +Freilich, wie die Sonne ihren Sonnenstich austeilt, so gibt es auch den +Mondstich. Aber den kriegen nur die lyrischen Dichter. Und dann hält +sich der Mann im Mond mit beiden Händen die Ohren zu. + +In solchen mondhellen Nächten erhuben auch die von Vater Bindegerst +bereits angekündigten Katzen ihre Stimmen. Ganze Sinfonie-Konzerte +führten sie auf. Adolf hätte ein ganzes Schuhwarenlager nach ihnen +werfen können, es hätte sie nicht gestört. Im Gegenteil: kam ein +Pantoffel geflogen, so faßten sie das als Beifallsbezeugung, als eine +Art ledernen Lorbeerkranz auf und gaben noch ein mindestens fünfteiliges +Tongemälde zu. + +»Herr Bindegerst, des soll der Deiwel aushalte, des Katzekonzert!« +beklagte sich Adolf einmal, als er die ganze Nacht kein Auge hatte +schließen können. »Was hawwe die Viecher dann bloß?« + +»Die Lieb'!« erklärte der Drechslermeister als weltweiser Mann. »Glaawe +Se, die Mensche gewwe #scheenere# Tön' von sich, wann se verlibbt sin? +Die Lieb is halt so musikalisch!« + +Adolf, der ja die Liebe nicht aus eigener Erfahrung kennen gelernt +hatte, gab sich mit dieser Erklärung zufrieden. + +Aber schon wurden die Saiten gestimmt, um auch ihn musikalisch zu +machen. Und das Instrument, nach dem er tanzen lernen sollte, hieß +Katharina. + +Allmorgendlich um halb sieben Uhr brachte sie ihm den Kaffee hinauf. Sie +stand zu diesem Zweck schon um sechs Uhr auf, wusch sich, indem sie mit +dem feuchten Waschlappen ein paarmal das spitze Vorgebirge ihrer Nase +umsegelte, kämmte ihr Haar, wobei man nicht an die Loreley zu denken +braucht, und legte es sich in Strähnen um den Hinterkopf. + +Dann schlüpften ihre dürren Glieder in einen oft geflickten Unterrock, +ihre behenden knochigen Arme fuhren heftig in eine Flanellbluse wie der +Teufel in die Sauherde, der Oberrock wurde über das Haupt gestülpt, und +dann begann der Bauchtanz, den die Frauen aufführen müssen, bis endlich +sämtliche Rückenknöpfe geschlossen sind. Zuletzt schlupfte sie in die +Strümpfe und in die Schlappen. + +Begehrenswert war Katharina nicht; das fanden alle, die sie kannten, mit +einer einzigen Ausnahme. Und die hieß Katharina Bindegerst. Lichtenberg +hat unrecht, wenn er behauptet: wenn ein Affe in den Spiegel sieht, kann +kein Apostel herausschauen. Man frage nur den Affen! + +»Gu'n Morsche, Herr Borges!« lächelte Katharina so zauberhaft, als es +ihr möglich war. + +»Gu'n Gugurruru-Morsche, Fräulein Binde-schtscht-ssgstgerst!« entgegnete +Adolf, der gerade beim Gurgeln und Zähneputzen war. + +»Ach Gott, Ihne fehlt ja hinne 'n Knopp!« schrie Katharina auf. + +Das hatte Adolf noch nicht bemerkt. Und er hatte es nicht bemerken +#können#, da in Wirklichkeit an seiner Hose nicht der geringste Knopf +fehlte. Aber darauf kam es der Offenbächer Circe auch gar nicht an; +schon hatte sie Nadel und Faden gezückt und markierte auf Adolfs +Kehrseite das Annähen eines Knopfes. + +Und obwohl er in dieser Situation unmöglich ihr Gesicht sehen konnte, +lächelte sie dabei unausgesetzt verführerisch. + +Ob sie ihn liebte? -- Nein. Sie war überhaupt keiner Liebe fähig. + +Daß ein altes Holz Blüten treibt, das kommt nur im »Tannhäuser« vor, und +auch da ganz am Schluß des letzten Aktes, so daß man nicht nachprüfen +kann, wie lange die Blüte vorhält. + +Wohl hatte auch Katharina, wie alle Mädchen, eine Zeit gehabt, in der +sie von jener naturwidrigen Art Ehe träumte, die zu neunzig Prozent aus +Liebkosungen besteht, und in der man von Küssen und Anschmachten satt +wird. Aber längst hatte die Flut der Jahre dieses glückhafte Schifflein +verschlungen. + +Nun war sie praktisch geworden, praktisch wie ein Sklavenhändler, und +sah im Manne nur eine Versorgungsanstalt. Eine Rentenversicherung, der +keine Kontrolle erlaubt ist und die obendrein bei der Auszahlung jedes +Betrages einen Kniefall zu machen hat. + +Ein pensionsberechtigter Zwerg Nase wäre ihr als Gatte sympathischer +gewesen als der Apoll von Belvedere, von dem es ungewiß ist, ob er eine +Frau ernähren konnte. + +Ach, die so nüchternen, trockenen Eheparagraphen des Bürgerlichen +Gesetzbuches erscheinen wie ein Hohelied auf die Liebe, verglichen mit +den Eheanschauungen eines Mädchens, das erst einmal angefangen hat, +»praktisch« zu denken! + +»Danke schee!« sagte Adolf Borges, als Katharina mit dem Festnähen des +ohnehin bereits festgenähten Knopfes fertig war. + +»Haww ich Ihne aach net gestoche?« flötete Katharina und warf ihm einen +Blick zu, bei dessen Empfang der früher erwähnte Herr Meier stolz +gefragt hätte: »Adolf, haben Sie den Blick gesehen? Den Blick? Ich sag +Ihnen, Adolf, wenn ich #wollt#' -- aber ich will net!« + +Adolf war kein Meier. Er bemerkte den Blick überhaupt nicht. + +Noch stimmten die Saiten, nach deren Klang er das Tanzen lernen sollte, +nicht genau, aber nur noch um kleine Schwankungen waren die Quinten +unrein, und schon probierte Katharina leise, pizzikato, ob sie das Spiel +wohl beginnen könne. + +Sie hatte das Tablett mit dem Kaffee auf den Tisch gestellt, doch nun +fand sie, daß es nicht gut stünde. Während ihr Dachzimmerherr den +Schlips umband und die Jacke anzog, rückte sie an dem Tablett herum und +stellte die inzwischen kalt gewordene Tasse Kaffee und das +Butterbrötchen recht handlich hin. + +Dabei schwänzelte sie geziert um den Tisch und ließ durch ein paar +kokette Drehungen ihren gewitterfarbenen Rock ein wenig blähen, so daß +der Regenbogen ihres oftgeflickten Unterrocks sichtbar ward. + +Aber auch an dieser Naturerscheinung ging Adolf achtlos vorüber. + +Da ließ sie ihn denn allein, stieg die Treppe hinunter und seufzte: +»Merr hat's net leicht!« + +Adolf schlürfte den kalten Kaffee, griff, noch mit beiden Backen kauend, +nach seiner Mütze, machte sich auf den Weg zu Herrn Feldmann, um die +Geschäftsschlüssel zu holen, begab sich in die Schloßstraße, öffnete, +zog die Rolläden hoch und begann die eintönige Arbeit des Aufwischens +und Abstaubens. + +Und seufzte: »Der liewe Gott hätt' aach gescheider die Welt in #aam# Dag +erschaffe unn dann #sechs# Däg geruht, schdatt umgekehrt! Dann hätte +merr sechs Sonndäg in der Woch!« + +Er war noch mitten in den Aufräumungsarbeiten, da kamen schon die +ersten, pünktlichsten Angestellten, und der Briefträger kam und gab die +Post ab, und die Kommis suchten schnell die Privatbriefe und jene Briefe +heraus, die wegen falscher Adresse zurückgekommen waren, und zuletzt kam +der Herr Feldmann, und kaum war er da, da fing er auch schon an zu +schimpfen und einem Kommis zu versichern: »Zum Schlafe haww ich Se net +angaschiert! Schlafe kann ich selwer for mei Geld!« + +Und das ganze Personal dachte: »Dhät er's nor!« + +Und ganz zuletzt kamen die Herren Lehrlinge und behaupteten, ihre Uhren +gingen nach. + +Und Adolf Borges spielte das einförmige Rondo seiner Tagesarbeit, ein +gar langweiliges Rondo, in dem die beiden Themen »Pakete schnüren« und +»Gänge besorgen« ewig wiederkehrten; nur die Begleitstimmen zu diesen +beiden Melodien boten ein wenig Abwechslung, denn wenn er beim +Paketschnüren war, schrie der nervöse Herr Feldmann: »E halb Jahrhunnert +sin Se jetz bei merr unn hawwe's immer noch net gelernt!«, und wenn er +von einem Besorgungsgang zurückkam, spöttelte der gemütlicher +veranlagte, dicke Herr Schröder: »Es is nor liewenswerdig von Ihne, daß +Se iwwerhaapts noch zurickkomme! An Ihrer Stell wär' ich iwwer Nacht +gebliwwe!« + +Und Adolf dachte sich: »Grad wie nachts die Katze kreische se! Schad, +daß merr kaan Bandoffel nach 'ne werfe derf!« + +-- Ich muß noch einmal auf den Drachen Fafner zu sprechen kommen. Der +Leser wird bereits bemerkt haben, daß ich eine Schwäche für dieses Vieh +besitze. In der Tat, ich habe ihn in mein Herz geschlossen und ich +bedaure nur, daß man ihn nicht herausklatschen darf wie eine +italienische Opernprimadonna, auf daß er _da capo_ singe. Er ist der +bestdisziplinierte Drache, den ich kenne. Geduldig liegt er in seiner +Höhle und wartet auf sein Opfer. Wer ihn nicht aufsucht, den frißt er +nicht. + +Ganz anders Katharina. Sie hatte sich ihr Opfer ausgesucht, aus der +reichhaltigen männlichen Speisekarte hatte sie gerade das Gericht Adolf +Borges gewählt, sie hatte ihn sich bei dem Oberkellner Zukunft bestellt, +und sie bestand mit aller Hartnäckigkeit darauf, ihn vorgesetzt zu +bekommen. + +Eines Abends klopfte es plötzlich an die Türe des Dachzimmerchens. + +»Erei'!« rief Adolf verwundert. + +Und herein trat Katharina und sprach mit einem Lächeln, das sie für sehr +liebreich hielt: »Der Vadder läßt Ihne sage, ob Se net uff e Gläsi Bier +bei en erunnerkomme dhäte?« + +Sie hatte eine frischgewaschene weiße Bluse angezogen, die sie mit +Parfüm von dem Friseur gegenüber besprengt hatte. Es war das erste mal +in ihrem Leben, daß sie Parfüm gekauft hatte, und der Figaro von +nebenan, der blondgelockte Herr Hippenstiel, der wie alle seine +Fachgenossen ein Schlaukopf war, hatte gleich etwas geahnt und diskret +gefragt: »Derf merr graduliere?« + +Worauf Katharina feuerrot wurde und hauchte: »Sie könne aan werklich in +Verlegeheit bringe, Herr Hippestiel!« + +Zwei Tropfen solle sie nehmen, das genüge vollauf, hatte Herr +Hippenstiel sie belehrt. Aber Katharina machte es wie die Patientinnen, +denen der Arzt fünf Tropfen einer Medizin verordnet hat, und die sich +sagen: »Wenn schon fünf Tropfen gut tun, wie müssen da erst zehn Tropfen +helfen!« + +Sie hatte sich gleich das halbe Fläschchen der öligen Flüssigkeit auf +die Bluse geschüttet und sie fand, daß sie nun sehr gut roch. + +Auch Adolf fand das, denn er sagte: »Fräulein Bindegerst, Se rieche wie +e Gewächshaus!« + +Eigentlich hatte er wenig Lust, der Biereinladung Folge zu leisten. +Allein seine Schüchternheit sagte ihm, es sei doch zu unhöflich, +abzulehnen, und so meinte er: »Ich mach merr zwar Awends nix aus Bier, +aber no, ich wer' net gleich draa sterwe!« + +Und Katharina flüsterte holdselig: »Sie sin iwwerhaapts so solid, Herr +Borges! So'n solide Mann haww ich noch kaan kenne gelernt! Ach, Herr +Borges!« + +Und dabei seufzte sie so tief, daß das ganze Gewächshaus sich zu heben +und senken anfing. + +-- »Des is recht, Herr Borges, daß Se uff'n Schluck Lagerbier komme!« +begrüßte Vater Bindegerst ihn und lud ihn zum Sitzen ein. »Ich habb +merrsch schonn oft gedenkt: was dhut der Mensch eigentlich so allaans da +drowwe in sei'm Leuchttorm? Es is net gut, daß der Mensch allaans sei, +haaßt's in der Biwel. Ich habb lang net mehr drin gelese, ich les liewer +Detektivgeschichte, awwer es is e wahr Wort. Wisse Se, wenn ich kaa +Gesellschaft habb, dann komm ich ins Denke, unn wannn ich erscht emal +ins Denke komm, dann kimmt nix Gescheides dabei eraus! No, Prost, Herr +Borges!« + +Adolf hob seinen Krug und stieß mit dem Drechslermeister an. Katharina +hatte ihm das Bier eingeschenkt, in den schönsten Krug des kleinen +Haushalts. Es war ein recht schmucker Krug, die selige Frau Bindegerst +hatte ihn vor vielen Jahren ihrem Eheherrn geschenkt, erstens weil er +Geburtstag gehabt hatte, und zweitens weil gerade in dem +Porzellangeschäft Ausverkauf gewesen war. Eine alte Ritterburg war auf +den Krug gemalt, an deren Portal ein Ritter Trompete blies. Man hätte +ihn unbedingt für den Trompeter von Säckingen halten müssen, hätte nicht +in goldenen Buchstaben darunter gestanden: Stolzenfels am Rhein. + +Auch Katharina stieß mit an, und sie hauchte dabei: »Prost!« + +Es klang wie das Piepsen eines Kanarienvogels, denn sie war, wie alle +Frauen, eine Verwandlungskünstlerin. Noch hatte sie auf das Grammophon +ihres Antlitzes die schmachtende Platte »O könnt ich noch einmal so +lieben« aufgelegt, -- aber die Radauplatte »Tararabumdieh!« lag schon +bereit. + +Vater Bindegerst saß auf dem Sofa, ihm gegenüber saß Adolf auf einem +Stuhl, und auf dem Nachbarstuhl blühte das Gewächshaus Katharina. +Zunächst war noch ein halber Meter Distanz zwischen ihnen, aber der +Zwischenraum verringerte sich im Laufe des Abends, obwohl Adolf kein +Millimeterchen von seinem Platz rückte. + +Zunächst schickte sie ihre linke Fußspitze als Patrouille aus. Die +Fußspitze sondierte das Gelände, fand es »vom Feinde frei«, und rückte +vorsichtig weiter vor, bis sie ihr Ziel, die Borgessche Fußspitze, +erreicht hatte. + +»Entschuldige Se, Fraulein Katherina!« sagte Adolf und zog seinen Fuß +zurück. + +Katharina errötete, aber innerlich hatte sie sich vorgenommen: »Wenn ich +ihm erst die kleine Zehe reiche, muß er das ganze Bein nehmen!« + +»Des ganze menschliche Lewe is e Gemeinheit!« philosophierte Vater +Bindegerst, der ins Denken zu kommen schien, denn er redete viel Unsinn. +Und er fing an zu politisieren und auseinanderzusetzen, wie ungerecht es +auf der Welt im allgemeinen, und in Offenbach im besonderen zuginge. Es +war eine lange Rede, die er hielt, es ging ihm weder der Atem noch das +Lagerbier aus, und er schloß mit der überzeugenden Wendung: »Unnn woher +kimmt des alls? -- Weil des ganze Lewe e Gemeinheit is!« + +»Entschuldige Se, Fräulein Katherina!« sagte Adolf und zog sein Knie +zurück, denn Katharina war mit ihrem Knie an das seine gekommen. Nachdem +die Patrouille Fußspitze zum Truppenteil zurückgekehrt war, hatte +Katharina nämlich beschlossen, eine stärkere Patrouille auszuschicken. +Auch diese Patrouille wurde zurückgezogen, und die ganze Kompagnie +begann nun zu manövrieren, indem sie mit ihrem Stuhl zu rutschen anfing. + +Vater Bindegerst trug die Hauptkosten der Unterhaltung. Diese Kosten +trägt man ja gerne, denn sie sind billig. Es fiel ihm durchaus nicht +auf, daß sein Gast nur hie und da eine kurze verlegene Zwischenbemerkung +machte, denn der Drechslermeister gab sich die meisten Antworten selbst +und fand daher diese Antworten sehr treffend. + +Sein Zimmerherr ward ihm von Viertelstunde zu Viertelstunde +sympathischer, er beschloß, ihn öfters einzuladen. Gibt es doch für +geschwätzige Menschen nichts Angenehmeres als ein Zwiegespräch, bei dem +nur einer redet. + +Er erzählte nun von seinem Geschäft und lobte dabei, wie landesüblich, +die gute, alte Zeit. + +»Ja, frieher«, sagte er, »frieher, da war des Geschäftslewe noch reell! +Hier die Waar, hier's Geld! Awwer heut! Heut sollstde Kredit gewwe, bis +De schwarz werst, heut nemme Derr die Leut de halwe Lade mit unn sage: +Schicke Se merr die Rechnung! Unn wannsde se mahnst, sin se net dahaam! +Merkwerdig: wannsde ihne die Waar' schickst, da sin se all dahaam, awwer +wannsde Dei Geld hawwe willst, dann mache se grad en Besuch odder se sin +in die Sommerfrisch odder se hawwe'n Trauerfall unn die ganz Familie +erbt ebbes, -- bloß Du kriehst nix!« + +»Entschuldige Se, Fräulein Katherina!« sagte Adolf, denn sie lehnte +ihren Arm an den seinen. + +Sie saß jetzt ganz dicht neben ihm, und ihm war, als säße er mitten in +einem Gewächshaus. Es war recht schwül in dem Gewächshaus, die Luft fing +an, ihn leise zu benebeln. + +Er zog seinen Arm nicht zurück; es tat ihm wohl, sich von den Zweigen +dieses Gewächshauses fast unmerklich streicheln zu lassen. + +Das war so sanft und weich, daß er gar nicht merkte, daß hier Disteln +statt Rosen wuchsen. + +Er hob jetzt seine Augen und besah sich die Botanik näher, und das +Pflanzenreich gefiel ihm nicht so übel. Machte doch die falsche +Katharina ihre schönsten Vergißmeinnichtaugen und zog ihr süßestes +Lilienmäulchen, so daß man wirklich nicht mehr sehen konnte, #was# für +eine Pflanze sie in Wirklichkeit war. Er fühlte sich im Palmengarten und +merkte nicht, daß er im Zoologischen war. + +»Kättche, hol de Quetschekuche von heut Middag!« befahl der Vater. »Der +Herr Borges werd Abbeditt hawwe!« + +Ach nein, der Herr Borges hatte jetzt gar keinen Appetit. Der Magen +erschien ihm jetzt als der prosaischste Körperteil, den Gott geschaffen +hat. Er hatte ein ganz unbestimmbares Gefühl, so ein Mittelding zwischen +Lachen und Weinen, Wonne und Schmerz, und wenn ihn jetzt ein Kassenarzt +gefragt hätte: »Herr Borges, wo tut's Ihnen weh?« -- er hätte es beim +besten Willen nicht sagen können. + +Er empfand nur, als Katharina hinausgegangen war, um den +Zwetschenkuchenrest zu holen, plötzlich eine tiefe Leere neben sich, und +es kam ihm so vor, als sei die Temperatur im Zimmer plötzlich um zehn +Grad gesunken. + +So ungefähr war ihm zu Mute wie damals, als er den Kopf in den +Ameisenhaufen gelegt hatte. Die Ameisen kribbelten und bissen, aber als +Katharina wieder ins Zimmer trat, da verwandelten sich die Ameisen in +lauter kleine, goldige Leuchtkäferchen und huschten im Zimmer umher und +schwirrten ihm um die Nase, und es ward so hell, daß er fast ausgerufen +hätte: »Gott, was e Pracht! Die Sonn is uffgange!« + +»E guter Quetschekuche is des, Herr Borges!« versicherte der Gastgeber. +»Da könne Se weit laafe, bis Se so aan finne! Des Rezept schdammt noch +von maaner selig Fraa! Unn von der hat's Kättche die Kochkunst geerbt. +Koche kann des Mädche wie e junger Gott! Die macht Ihne aus Dreck de +scheenste Pudding! No, fresse Se, -- unn Se wern merr Recht gewwe!« + +Ein gewöhnlicher Sterblicher hätte bei diesen Worten beide Ohren +gespitzt. Denn die Liebe des Mannes geht durch den Magen, und ich bin +überzeugt, Zeus wäre der solideste Ehemann gewesen, hätte ihm Hera nicht +immer Nektar und Ambrosia vorgesetzt. + +Aber Adolf Borges war kein gewöhnlicher Sterblicher. Dieser kleine +Konfektionsgeschäftsauslaufer war ein Gefühlsmensch, und diese +Menschengattung ist unter den Sterblichen in der verschwindenden +Minderheit. Wenn sie einen hohlen Zahn haben, ja, dann sind sie alle +Gefühlsmenschen, aber viel weiter reicht ihr Gefühl nicht. + +Der Kauf des Parfüms lohnte sich für Katharina. Der Schwerenöter +Hippenstiel hatte sie nicht betrogen. Adolf atmete den süßen Duft mit +unbewußtem Wohlbehagen und hätte es unter keinen Umständen geglaubt, daß +er selbst für zwei Mark fünfzig hätte ganz genau so gut riechen können. + +Ach, die Liebe verleiht dem Menschen Schwingen, die ihn emportragen über +alles Alltagsungemach, die Erde entschwindet dem Blick, der König +vergißt seinen Palast, der Bettler seine Hütte, der Feinschmecker seinen +Quetschekuche; im reinen Äther schwimmt er und atmet die wonnigen Düfte, +die es bei keinem Hippenstiel zu kaufen gibt. + +Schon fühlte Adolf die Flügel auf seinem Rücken knospen. Er spürte das +Bedürfnis, sich den Buckel zu kratzen, aber »des schickt sich doch net!« + +»Fresse Se, Herr Borges!« ermunterte Meister Bindegerst. + +Und auch Katharina lud ein: »Fresse Se, Herr Borges, -- odder derf ich +#Herr Adolf# zu Ihne sage?« + +Und um jede Antwort abzuschneiden, schob sie ihm ein großes Stück Kuchen +in den Mund. Und hätten statt der süßen blauen Zwetschen dicke +Rhizinuspillen auf dem Hefenteig gelegen, Adolf hätte dennoch die Gabe +mit allen Zeichen des Entzückens geschluckt. + +In dieser Nacht schlief der arme Adolf sehr unruhig. + +Er träumte von einem Gewächshaus, darin dufteten die herrlichsten Blüten +und zwitscherten die wunderlichsten Vögel. Adler sangen wie +Nachtigallen, und auf einem Rosenzweig schaukelte sich eine Gans und +flötete kwiwitt, kwiwitt. Und mitten in dem Gewächshaus wuchs ein großer +Baum, das war der Quetschekuchebaum, und wie im Aschenbrödel ließ dieser +Baum mit sich reden, und Herr Bindegerst stand davor und sang: + + »Bäumche, rüttel Dich unn schüttel Dich, + Werf Quetschekuche iwwer mich!« + +Und es erschien ihm der Trompeter aus Stolzenfels am Rhein, mit einer +Pfauenfeder am Hut und frischgeputzten Stulpenstiefeln, und blies auf +seinem Horn ein herzerweichendes Solo, bis sich das Burgfenster öffnete +und Katharina heraussah und mit einem Putzlumpen winkte und fragte: +»Herr Trompeter, derf ich zu Ihne #Herr Adolf# sage?« + +Da blies der Trompeter ein so begeistertes Fortissimo, daß Adolf +erschrocken aus dem Bett hochfuhr. Er hörte noch im Wachwerden das +schmelzende Lied, -- nur war es kein Trompetensolo, sondern es waren die +verfluchten »Katzeviecher«, die gerade wieder einmal Sinfoniekonzert +hatten. + +Der Mann im Mond aber schüttelte den Kopf und meinte: »Schon wieder +einer! Immer das Gleiche! Hoffentlich kommt mir keine Mondfinsternis +dazwischen, damit ich sehn kann, wie die Geschichte ausgeht!« + +Und nun begann für Adolf jener Lebensabschnitt, den Schiller als der +ersten Liebe goldene Zeit bezeichnet, wobei er freilich schwerlich an +einen Zweiundvierzigjährigen Offenbacher Ausläufer gedacht haben wird. +Adolfs welkes Herz erblühte, und er geriet somit in jenen seltsamen +Zustand, dem gegenüber selbst die erfahrensten Ärzte ratlos sind, und +den nur die großen #Menschheitsärzte# beschreiben können: nämlich die +Dichter. + +Die Liebe ist jener märchenhafte Fortunatussäckel, aus dem man unendlich +schöpfen kann, ohne ihn je zu leeren. In einer Märchenwelt taumelt der +Verliebte, und in dieser Märchenwelt war Adolf Borges der verwunschene +Prinz, den eine böse Hexe dazu verdammt hatte, unter Mißachtung seiner +hohen Abkunft bei Feldmann & Schröder Pulte abzustauben und Pakete zu +schnüren. + +Woher sollten es die Herren Feldmann und Schröder wissen, daß sie einen +leibhaftigen Prinzen beschäftigten? + +»Adolf, Se sin e Kamel!« sagte Herr Feldmann. Und Adolf dachte sich: +»Wann des Kamel nor #glicklich# is!« + +»Adolf, Se sin e Rindviech!« versicherte der dicke Herr Schröder. Und +Adolf lächelte: »O selig, o selig, ein Rindviech zu sein!« + +Wie alle Verliebten fing auch er an, kindisch zu werden und selige +Närrischkeiten zu treiben, und so erwischten ihn die Putzfrauen der +Firma eines Morgens dabei, wie er vor einer Modellfigur auf den Knieen +lag und indem er sie mit dem Federbesen abstaubte, verzückt flüsterte: +»Bistde kitzlich, mei Zuckerschnutche? Ach, Kättche, was bistde for e +sieß Oos!« + +Und weil die Putzfrauen ebensowenig wie die Chefs wußten, daß sie es mit +einem verzauberten Prinzen zu tun hatten, hielten sie sich die Bäuche +vor Lachen, und -- klatsch -- hatte Adolf einen nassen Putzlumpen auf +dem Buckel. + +Abends, nach acht Uhr, aber, wenn er von der Post zurückgekommen war und +die Rolläden herabgelassen hatte, wich der schlimme Zauber von ihm, er +war nicht mehr das »scheppe Adolfche«, wie ihn der eklige Kassierer +nannte, sondern Prinz Adolf der Liebeglühende von Träumershausen, und +Seine Durchlaucht geruhten nach dero Märchenschloß zu wandeln, +welchselbiges dicht unter dem Dach lag. + +Der alte wackelige Stuhl war der Thronsessel, der Schrank mit dem +kaputenen Schlüssel, die Schatzkammer, in der als funkelndes Geschmeide +seine Sonntagshose hing. Und vom Dachfenster aus hatte der Prinz die +herrlichste Aussicht auf sein Reich; da wimmelten seine Untertanen, und +jeden, den er mit einem Liebchen am Arme spazieren sah, ernannte er zu +seinem Pagen. + +Hörte er aber jemanden das schöne Lied »Du bist verrückt, mein Kind« +singen, so sagte er mit gutmütiger Selbstironie: »Des is mei +Nationalhymne!« + +Oh, S. Durchlaucht Prinz Adolf hatten einen großen Hofstaat! Der +Kassierer, der ihm allmonatlich seinen Gehalt auszahlte, war sein +Finanzminister, der Herr Schröder war sein Zeremonienmeister, der +Schutzmann unten an der Ecke seine Leibgarde, der Lehrling sein Hofnarr +und die Aufwaschweiber seine Hofdamen. + +Ein Stockwerk unter ihm aber, da war das Allerköstlichste: da residierte +Prinzessin Katharina, die Märchenfee, die er zu erlösen hatte. Es ist im +Märchenreich üblich, daß ein Prinz, ehe er die Hand der Holdseligsten +erringt, erst einige Drachen ins bessere Jenseits befördert, -- in +#diesem# Märchen begab es sich leider, daß der kurzsichtige Held nicht +die Prinzessin, sondern den Drachen selbst freite. + +Oft des Abends sahen nun die Mainnixen den kleinen Adolf mit Katharina +am Ufer auf und ab wandeln, sie kicherten zwischen den großen Kähnen +hervor und zählten die Küsse nach. Es gingen dort viele verliebte +Pärchen spazieren, aber auf unser Duo hatten es die Nixenfrechdächse +ganz besonders abgesehen. Denn in der Maingegend haben auch die +Elementargeister Sinn für Humor. Und wie oft wisperten sich im +Offenbacher Stadtwald die Sträucher und Büsche verschmitzte +Randbemerkungen zu, bis eine uralte Tanne sie zurechtwies: »Still, klaa +Gezäppel! Is ja doch bloß der griene Neid von Euch!« Denn in der +Offenbacher Gegend sprechen auch die Vegetabilien Dialekt. + +Katharina war bei diesen Abendwanderungen viel zu folgsam, schweigsam +und nachgiebig, als daß diese Tugenden hätten echt sein können. Wenn der +kleine Adolf zu schwärmen anfing: »Kättche, lieb Kättche, guck nor de +Mond! Is es net, als ob er extra als Latern hiegehenkt war, damit ich +Dei sieß Schnutt besser find?« dann entgegnete sie zärtlich: »Ach ja, +Adolfche, der Mond!!« Und dachte sich heimlich: »Also mondsüchtig is er +#aach#! No wart nor, ich wer' Derr die Posse schonn ausdreiwe!« + +Und wenn er im dunklen Stadtwald fantasierte: »Kättche, wann jedz e +Räuwer kam, verteidige dhät ich Dich bis zum letzte Blutsdroppe!«, dann +schmiegte sie sich dicht an ihn und hauchte: »Ich waaß es, Adolf!« + +Und dachte bei sich: »Ich möcht net gucke, wiesde laafe dhätst!« + +Von diesen Gedanken Katharinas ahnte der harmlose Verliebte nichts. Wohl +war er in seiner Liebe ein Prinz, ja sogar ein König, -- aber nur ein +König auf dem Schachbrett, und Katharina war die Königin, die ihn matt +setzen sollte. Die Küsse, mit denen sie die seinen erwiderte, waren +zäher Leim, und an diesem Leim blieb das harmlose Vögelchen Borges +hängen. + +Vater Bindegerst sah die Entwicklung der Dinge mit stillem Vergnügen. +Adolf war ihm lieb und wert, aber noch lieber war ihm der Gedanke, seine +zänkische, bösartige Tochter auf gute Art los zu werden. Er, der seit +dem Tode seiner Frau unter #Katharinas# derbem Pantoffel stand, träumte +in Gedanken von einer neuen Junggesellenzeit, in der er viel Versäumtes +nachzuholen gedachte. + +Er redete Adolf nicht zu, aber er warnte ihn auch nicht, zumal ihm die +Erfahrung hinreichend bewiesen hatte, daß man leichter einem Nilpferd +das Ballettanzen beibringt, als einem Verliebten die Wahrheit über seine +Angebetete. + +Es bestand zwischen Vater und Tochter ein stillschweigendes +Übereinkommen, dieser Angelegenheit ungehemmten Lauf zu lassen. Drohte, +wie so oft, ein lärmender Streit zwischen Vater und Tochter +auszubrechen, und fing Katharina nach ihrer Gewohnheit in den höchsten +Fisteltönen zu keifen und zu schreien an, dann hob Papa Bindegerst nur +mahnend seinen Finger und deutete nach oben und flüsterte: »Pst! #Er# +könnt's hörn!« und sofort ging Katharina zum zartesten Pianissimo über. + +Wobei ihr Talent anerkannt werden muß, auch im leisesten Tonfall die +haarsträubendsten Bosheiten und Beschimpfungen von sich zu geben. + +Und so kam denn der große Tag, an dem Adolf in aller Form um seiner +Erwählten Hand anhielt. + +Er warf sich zu diesem Zweck in den schwarzen Sonntagsanzug, ergriff den +Zylinder, und es ging ihm einen Augenblick durch den Kopf: »Es is doch +merkwerdig, daß der Mensch zor Brautschau genau deselwe Aazug aazieht, +wie wann er zor'rer Beerdigung geht!« + +Und setzte tiefsinnig hinzu: »Besonnersch, wann er nor aan Aazug hat!« + +Auch Vater Bindegerst hatte sich in sein Feiertagsgewand gehüllt, und +Katharina prangte wieder in ihrer weißen Bluse. + +Die Bluse war nicht mehr ganz so blütenweiß wie damals, als sie den +ersten Angriff unternommen hatte: in der Taillengegend zeigte sie +deutliche Fingerabdrücke von Adolfs Händen. + +Und nun saßen sich die beiden Männer gegenüber, während Katharina im +Nebenzimmer auf des Vaters Ruf wartete, wie die Kinder bei der +Weihnachtsbescherung auf das Klingelzeichen, und Adolf drehte verlegen +seinen Zylinder in der Hand und wußte nicht, wie beginnen. + +Und dachte: »Genau so sitzt der liewe Gott uff seim Thronsessel unn dhut +die Erd' zwische seine Händ drehe, unn iwwerall, wo er se mit seine +Fingerspitze beriehrt, werd's Friehling unn die Blumme sprosse! Unn +manchmal werft er die Erd' wie e Gummiball in die Luft unn fängt se +widder uff, unn wann er se emal falle läßt, dann krieht die ganz +Erdeherrlichkeit die Kränk, unn all die Häuser borzele zusamme, unn dene +Herrn Feldmann unn Schröder ihr Geschäftshaus aach, unn der dick Herr +Schröder werd in de Trimmer erumfuhrwerke unn werd kreische: »Adolf, was +schdehn Se da unn halte Maulaffe feil? Nemme Se die Schipp unn de Besem +unn kehrn Se de Dreck eweck!« + +Und endlich hatte Adolf den Zylinder genug in der Hand gedreht, er +raffte sich auf und stotterte: »Herr Bindegerst, ich waaß net, ob Se +vielleicht bemerkt hawwe....« + +Und Vater Bindegerst unterbrach würdevoll: »Jawohl, Herr Borges, ich +#habb# bemerkt!« + +Da wurde es ihm schon bedeutend leichter ums Herz, und er fuhr fort: »Se +hawwe neemlich e Dochter, Herr Bindegerst....« + +»Jawohl, ich #habb# e Dochter!« bestätigte Herr Bindegerst. + +»Unn Ihne Ihr Dochter ... se is nämlich so e gut Mädche, unn so e +Engelche....« + +»Jawohl, se #is# e Engelche!« bekräftigte Herr Bindegerst. Und dachte: +Wen die Götter verderwe wolle, den strafe se mit Blindheit. + +»Unn Ihne Ihr Fräulein Dochter unn ich ... indem ich'r nämlich in der +ledzte Zeit nahgetrete bin...« + +»Oho!« sagte Vater Bindegerst. »Was muß ich heern? #Wie# nah sin Se err +getrete?« + +Da kam die Weihe des Augenblicks über den kleinen Schwärmer Adolf und er +rief: »So nah, daß ich ihr Herz deutlich habb schlage heern, unn des +goldig Herzche hat als gebumbert: »Adolfche! Mei Adolfche!« hat's +gebumbert, unn #mei# Herz hat #mit#gebumbert: »Kättche, mei +Silwerkättche«, unn wege dere Bumberei bin ich heut da, unn sag Ihne: +Lasse Se dere Bumberei de kerchliche Sege gewwe! Ich bin kaa Milljonär, +ich kann Ihne Ihrer Dochter kaa Audomobil kaafe, awwer Trambahn fahrn +lasse kann ich se, unn satt zu esse werd se hawwe, unn gucke Se sich +emal mei Händ aa: uff dene Händ wer' ich se drage. Es sin solide, +kräftige Händ, unn Ihne Ihr Dochter werd gut druff sitze! Herr +Bindegerst, Se könne zwaa Mensche glicklich mache, -- sage Se »Ja!« + +Vater Bindegerst war ganz paff über die Beredsamkeit seines +Schwiegersohnes und er dachte sich: »Des werstde Derr aach noch +abgewöhne!« laut aber sagte er: »Se wisse net, was Se verlange! Awwer, +wann's Kättche nix dagege hat, mein Sege hawwe Se! Nor aans sag ich +Ihne: Se misse aus'm Haus ziehe! Ich kann kaa jung Liewespärche um mich +braache!« + +Und er rief: »Kättche, komm emal erei! Der Herr Borges is da unn muß so +needig emal heierate!« + +Und wenige Sekunden später lag Katharina in seinen Armen und Adolf +glaubte, die ganze Welt erobert zu haben. + +Drunten im Hof aber spielte wieder der Orgelmann: + + »Katharinchen mit dem Selleriekopp, + _Allez_ hopphopphopp! _Allez_ hopphopphopp!« + +In dieser Nacht gab es in dem Hause in drei verschiedenen Zimmern drei +glückliche Menschen: + +In seiner Dachkammer saß Adolf und jauchzte: »Ich habb se! Ich habb se! +Unn wann der Herr Feldmann hunnertmal Recht hätt unn ich wär e Kamel, so +gescheit war ich doch, daß ich merr des scheenste Kamelweibche geholt +habb, was es iwwerhaapts uff dere Welt gibbt!« + +Und in ihrem Bett lag Katharina und schmunzelte mit funkelnden Augen: +»Ich habb'n! Fest haww ich'n! No, wart nor!« + +Und vor dem Krug mit dem Trompeter von Stolzenfels am Rhein saß der alte +Bindegerst und rieb sich die Hände und lachte in sich hinein: »Se hawwe +sich! Ich bin se los!« + +Und nach einer Weile: »Ich hätt's net glaabt, daß se noch aan krieht!« + +Und wieder nach einer Weile: »Arm Adolfche! Du werst Aage mache!« .... + +Acht Tage später trat Adolf vor Herrn Schröder, an den sich die +Angestellten mit ihren Bitten lieber wandten als an Herrn Feldmann, und +sagte: »Herr Schröder, ich dhät um acht Däg Urlaub bitte, ich möcht uff +die Hochzeitsreis'!« + +Und der dicke Herr Schröder sah ihn erschrocken an: »Sin Se meschugge?« + +Aber als er Adolfs glückstrahlende Augen sah, dämpfte er die Stimme und +meinte väterlich: »Es is zwar net schee von Ihne, daß Se grad #mitte in +der Saison# ans Heierate denke, awwer, no, wern Se glicklich! Se könne +aach #zeh#' Dag bleiwe! Unn was des Hochzeitsgeschenk betrifft, -- ich +wer' mit meim Kompanjon redde!« + +Und im ganzen Geschäft steckten sie die Köpfe zusammen, und die +männlichen Angestellten sagten: »Merr wolle zusammelege unn em 'n Wecker +kaafe, sonst schlaft er in der Hochzeitsnacht ei'!« + +Und die Damen sagten: »Wie muß die ausgucke, die #den# genomme hat!« + +Denn der Mensch ist ein edles Wesen und freut sich darüber, wenn sein +Nächster glücklich ist. + +Und dann kam die Trauung und eines Montags Morgen geleitete Vater +Bindegerst das frischgebackene Ehepaar zum Bahnhof, um es zwecks +Hochzeitsreise der Eisenbahn anzuvertrauen. + +Der schöne Odenwald war das Reiseziel, und der glückliche Adolf stand in +Gedanken bereits auf dem Gipfel des Melibokus und zeigte seiner zarten +Gattin die Welt und sagte: »Guck, Kättche, des alles geheert uns! Wann's +aach net unser Eigedum is, merr hawwe doch e Hypothek druff, e +Herzenshypothek! Unn die Wälder misse uns ihrn Duft unn ihr Anemone als +Hypothekezinse gewwe, unn die Quelle ihr Rausche unn ihrn silwerige +Glanz, unn die Vögelcher ihrn Gesang. Guck, lieb Kättche, des Alles, was +de guckst, haww ich Derr mit in die Eh' gebracht! Die Nadur, die is e +groß' Sparkass', viel greeßer wie die Offebächer Städtisch' Sparkass', +unn noch dausendmal sicherer. Und wann merr emal in Not komme dhäte, in +#Seelennot# maan ich, dann gehn merr eifach enaus in die Nadur unn hewe +in dere Sparkass' en Poste Erquickung unn Trost ab, -- unn wann merr +aach noch so viel abhewe, #des# Guthawe nemmt kaa End!« + +Solche Träumereien pflegten dem kleinen Adolf schon von Kindsbeinen an +nicht gut zu bekommen, und auch diesmal führten sie einen unerwünschten +Zwischenfall herbei. Er stolperte nämlich beim Besteigen des Kupees, und +das Köfferchen polterte auf den Bahnsteig zurück. + +»Kannstde net achtbasse, dappischer Olwel?!« fuhr ihn Katharina heftig +an. »Net emal e Handtasch' kann der dumm Mensch drage!« + +Tieferschrocken sah Adolf sie an. Und blickte in zwei Katzenaugen, die +höhnisch und unheilkündend funkelten. + +Da senkte er den Kopf. + +Der alte Bindegerst aber dachte: »Es geht schonn los! Se fängt schonn +aa! -- No, viel Vergniege!!« + +Während Adolf das Köfferchen, das aufgegangen und seinen Inhalt auf den +Bahnsteig verstreut hatte, zusammenraffte, machte sich Katharina im +Innern des Abteils zu schaffen. Sie nahm den Herrenhut, mit dem der eine +Ecksitz belegt war, und warf ihn mit energischer Geste ins Gepäcknetz. +Dann setzte sie sich selbst auf den Platz. + +Und als kurz vor der Abfahrt des Zuges ein älterer Herr einstieg und +verwundert bemerkte: »Diesen Platz hatte ich mit meinem Hut belegt!«, +erhielt er mit bösartiger Betonung die Antwort: »Dann hätte Se Ihrn +Deckel uff den Blatz, unn net da owwe hie lege solle!« + +Adolf hielt es für seine Pflicht, seiner Frau beizuspringen, und +betonte, der Platz sei allerdings unbelegt gewesen. Es war ihm nicht +wohl bei dieser Lüge. + +Aber Katharina hatte keinen Sinn für solche ritterliche Beihilfe. »Halt +Dei Maul!« herrschte sie ihn gereizt an. »Ich wer' mit dem Herrche da +schonn allaans fertich! Da bin ich schonn mit ganz annern Leut fertich +worn!« + +Der Herr lächelte und schwieg. + +Und auch Adolf schwieg. Aber er lächelte nicht dabei. In seinen +Kinderaugen standen zwei große Tränen. + +Und dann pfiff die Lokomotive, und der Zug fuhr ab. + +Vater Bindegerst winkte noch einmal kurz mit der Hand, dann drehte er +sich um und ging heim. Das Gewissen schlug ihm, er verfiel in +Selbstvorwürfe und indem er die Bahnsteigkarte abgab, murmelte er, zum +Erstaunen des Schaffners: »Ich hätt's #doch# net dhun solle!« + +Katharina schmiegte sich trotzig in den Eckplatz, starrte die Decke an +und schmollte. Denn dies ist die Universalwaffe aller Frauen, die im +Unrecht sind. + +Mit diesem Zug fuhr Adolf Borges direkt in die Hölle. + + + + +Vater Bindegerst saß einsam in seiner Werkstatt und drechselte an einem +Spazierstock. Es sollte ein kleines Kunstwerk werden: den Griff bildete +ein Affenkopf mit fletschenden Zähnen, und gerade war Meister Bindegerst +dabei, in diesen Kopf die braungelben Glasaugen einzusetzen. + +Unser Meister fühlte sich mehr als Künstler denn als Zoologe, und so ist +es begreiflich, daß man den Affenkopf auch recht gut für einen +Kaninchenschädel oder eine Bulldogge halten konnte; ja, der +geschmackvolle Käufer dieses Spazierstockes äußerte sogar, als er ihn +erstand: »Schad, daß der Rehbock kaa Geweih hat!« + +Vier Tage schon war Bindegerst nun Junggeselle. Das junge Paar hatte +noch nichts von sich hören lassen, und er war darüber keineswegs +erstaunt. Kannte er doch sein holdes Töchterlein viel zu gut, als daß er +hätte befürchten können, sie werde die Verschwendung einer +Ansichtspostkarte an ihn dulden. + +Katharina war geizig. Noch viel geiziger, als es die Natur bei der +Verteilung weiblicher Reize gegen sie gewesen war. + +Der liebe Gott und der Teufel sind scharfe Konkurrenten, und hat der +liebe Gott den Adam nach seinem Ebenbilde geschaffen, so ließ es sich +der Teufel nicht nehmen, manche Eva nach dem seinigen zu bilden. In der +Person Katharinas war ihm ein Prachtexemplar gelungen, und alle in der +Hölle schmorenden Kunstkritiker (und das waren nicht wenige) stimmten +darin überein, er habe zu Katharina seine eigene Großmutter als Modell +genommen. + +Bindegerst nutzte die Abwesenheit seiner Tochter nach Kräften aus. Er +ließ an dem Glaslüster seiner Werkstatt sämtliche Flammen brennen, denn +nun war ja niemand da, der sie ihm bis auf eine vor der Nase +ausschraubte und dabei keifte: »Du findst wohl Dei Geld uff der Gass'? +Odder bistde vielleicht an dere Gasgesellschaft #bedeiligt#?! Ei, ich +dhät merr an Deiner Stell noch e Petroliumlamp uff de #Hinnern# binde, +daß die Illumination fertich is!« + +Gott sei Dank, jetzt war niemand da, der so etwas sagte. + +Und er konnte jetzt auch, wie Hans Sachs in den »Meistersingern«, zu +seiner Arbeit sein Lieblingslied singen, ohne daß sich plötzlich ein +bissiger Kopf in der Türe zeigte und ihn anschrie: »Hör uff mit dem +Gegröhl! Sonst laaft die Milch zusamme!« + +Und Meister Bindegerst sang doch so schön! Nur konnte man bei seinem +Lied, wie bei dem Affenkopf des Spazierstocks, nicht recht +unterscheiden, was es eigentlich vorstellen sollte! Dafür aber sang er +stets fortissimo. Denn was ein richtiger Musiker ist, der ist nicht +zimperlich. + +Vor allem aber konnte sich der unbeaufsichtigte Herr Papa jetzt einmal +gründlich seiner heimlichen Geliebten widmen. + +Ja, Vater Bindegerst hatte eine stille Liebe. Nicht etwa, wie schlechte +Menschen vermuten werden, ein weibliches Wesen, -- o nein, seine +Geliebte war keines der Geschöpfe, die unsere Liebe so oft mit Undank +lohnen, die einen Herkules an den Spinnrocken demütigen, einem Simson +die Haare schneiden und als Honorar für ein bißchen Schleiertanz einen +Heiligenkopf fordern, nein, seine Geliebte war jenes Wesen, das noch +keinen Anbeter unerhört gelassen hat und dem dennoch jeder Liebhaber +dauernd treu bleibt: seine Geliebte war der Alkohol. + +Was für eine musterhafte Geliebte ist doch der Schnaps! Sie beansprucht +keine neuen Röckchen, Blusen und Spitzenhemdchen, sie ist jahrein, +jahraus mit dem schlichten Gewande einer alten Glasflasche zufrieden. +Sie beansprucht nicht, ins Theater, Kino und Kabarett geführt zu werden, +sie begnügt sich mit dem dunklen Plätzchen unter einer Drechslerbank. +Sie sucht sich keine modernen Hüte aus und läßt dir die +schreckenerregende Rechnung schicken, nein, sie trägt im Frühling, +Sommer, Herbst und Winter denselben abgebrochenen Korkstopfen. + +Und überkommt dich die Stunde der Zärtlichkeit und du kneifst sie zur +Einleitung in die Wangen, so murrt sie niemals: »Laß mich! Ich bin jetzt +nicht aufgelegt!«, sondern sie lächelt dich, verführerisch wie immer, +an: »Trinke merr noch e Tröppche!« + +Herr Drechslermeister Bindegerst war nicht der Joseph, einer solchen +Verführungskunst zu widerstehen. Alle Viertelstunde hörte er es unter +der Drechslerbank hervorkichern, und galant und ritterlich faßte er +alsdann die Geliebte um die glatte Taille, hob sie ans Tageslicht oder +ans Gaslicht, drückte auf ihren Hals seine trockenen Lippen, wischte +sich nach einem langen, langen Kuß mit dem Handrücken den Schnabel und +stellte fest: »Es schmeckt scheußlich, awwer 's is nahrhaft! Der Mensch +is e Maschin unn muß von Zeit zu Zeit geölt wern! No, öle merr noch e +Tröppche!« ... + +Seine Hoffnung, das neue Ehepaar dauernd ausquartieren zu können und +Alleinherrscher im Hause zu werden, hatte sich freilich nicht erfüllt. +Wohl hatte Adolf, der Nachgiebige, dem Vorschlag beigestimmt, aber +Katharina hatte höhnisch erklärt: »Nix do! Die Wohnung nemme #mir#! Unn +du ziehst enuff ins Dachstibbche!« + +Und mit gewohnter Tatkraft hatte sie sogleich mit dem Umräumen begonnen. +Sie brauchte dazu keinen Dienstmann, ihre robusten Arme bewältigten die +schwersten Kisten und Kästen mühelos. + +Adolfs Habseligkeiten wanderten treppabwärts in die kleine +Dreizimmerwohnung, und des Vaters kleine Schätze stiegen hinauf in den +Giebel. + +Bei dieser günstigen Gelegenheit unterzog sie das Eigentum ihres Papas +einer gründlichen Musterung, und sie machte dabei allerhand +überraschende Entdeckungen. Nicht nur stieß sie zu ihrer Wut in einer +Westentasche auf zwei Kinobillets, die für den gleichen Tag gültig waren +und auf zwei nebeneinander gelegene Plätze lauteten, sondern sie fand +auch die kleine Bibliothek, die sich der verschwenderische »alte Esel« +zugelegt hatte. + +Um ihn nicht in falschen Verdacht zu bringen, sei festgestellt, daß +diese Bücherei nur aus drei Werken bestand, nämlich: »Der bayrische +Hiasl«, »Das Geschlechtsleben des Menschen« und »Was muß der Jüngling +vor der Ehe wissen?« + +Und noch etwas anderes fand sie: einen Mahnbrief der Firma, die ihm das +Holz für seine Drechslerarbeiten lieferte. Wann sie endlich ihr Geld +bekommen werde, frug sie an und drohte in unerquicklichen Wendungen mit +einer Klage. + +Im ersten Augenblick dachte Katharina, die niemals sprachlose, daran, +ihrem Vater eine Szene zu machen, eine jener Szenen, die sich bei ihr zu +einem fünfaktigen Monolog auszuwachsen pflegten und beim geringsten +Widerspruch sogar zu einer Trilogie anschwollen. + +Aber sie befürchtete eine Trübung ihres Brautstandes, denn die weibliche +Zungenfertigkeit ist etwas, was der Jüngling #nicht# vor der Ehe zu +wissen braucht. + +Sie begnügte sich daher damit, in großen Bleistiftzügen unter den Brief +zu schreiben: »Gelesen. Katharina.« + +Dann legte sie ihn wieder in die Schublade, in der sie ihn gefunden +hatte. Das genügte. Nun würde der Vater schon merken, daß sie eine neue +Waffe gegen ihn besaß, und sein Verhalten danach einrichten. + +Hierin täuschte sie sich allerdings. Der alte Sünder empfand keineswegs +das Bedürfnis, den Mahnbrief wiederholt zu lesen, und ließ ihn ruhig in +der Schublade schlummern, bis ihn die Mäuse fraßen. + +So war es gekommen, daß Vater Bindegerst sein eigener Zimmerherr wurde. +Er hatte damals, als er Adolf die Dachhöhle anpries, viel Gutes von der +Behausung da droben zu erzählen gewußt und sie »e schee Zimmerche« +genannt, -- nun, da er selbst darin wohnen mußte, fand er, daß sie ein +Saustall ersten Ranges sei. + +Ihm mangelte die edle Selbstbescheidung seines Schwiegersohnes, er +verspürte nicht die geringste Lust, seinen Kopf zum Dachfenster +hinauszustrecken und an den Anblick der kleinen Menschlein da unten +philosophierende, lächelnde Betrachtungen zu knüpfen. Er benutzte das +Fenster lediglich dazu, manchmal höchst unbekümmert hinauszuspucken. Für +den Mondschein hatte er gar nichts übrig, und den musikalischen Katzen +konnte ein so hervorragender Sänger wie er, schon aus künstlerischem +Grundsatz nicht wohlgesinnt sein. + +»Wann nor der Blitz die ganz Bud' zusammehaage wollt'!« dachte er, wenn +er in dem wackeligen Bett lag. »Nächstens quardiert mich mei +liewenswerdig Dochter noch in eme #Luftballon# ei'! Odder se zieht merr +e Schnor dorch die Nos unn läßt mich als Drache steie! Die Kränk soll se +kriehe! Awwer gleich!!« + +Nun, Gott sei Dank, jetzt hatte er vorerst seine Ruhe vor dem +vermaledeiten Familienglück! + +Gerade hatte Bindegerst in seiner festlich beleuchteten Werkstatt wieder +traute Zwiesprache mit seiner heimlichen Geliebten gehalten und wischte +sich den Schnabel ab, um seiner schnapsologischen Ernährungstheorie +Ausdruck zu geben, als es leise an die Türe klopfte. + +»Erei, wer drauße is!« rief er. + +Und herein schlich die klägliche Gestalt seines Schwiegersohns. + +Quer über der Stirne prangte eine breite Kratzwunde und sein rechtes +Auge war merkwürdig verschwollen. + +Mit gesenktem Kopf blieb er in der Türe stehen. + +Erstaunt sah Bindegerst von seiner Arbeit auf und gab heimlich mit dem +Fuß seiner stillen Liebe einen Tritt, damit sie tiefer unter die +Drechslerbank schlupfe. + +»Ich bin widder da!« seufzte Adolf tonlos. + +»Ich guck's!« bestätigte der Alte, und ein boshaftes Lächeln spielte um +seine Mundwinkel. Er bedurfte keiner Erläuterung, er erriet alles. Nicht +ohne Spott frug er: »Unn wo is dann 's Kättche?« + +Hilflos zuckte Adolf die Achseln. + +Ein Engel ging durchs Zimmer, -- eine in dieser Behausung höchst +ungewohnte Erscheinung. Bindegerst wartete, ob sein Schwiegersohn nicht +anfangen würde, die Geschichte seiner unterbrochenen Hochzeitsreise zu +erzählen. + +Aber Adolf schien völlig geistesabwesend. Er empfand nicht einmal das +Beschämende seiner tragikomischen Lage; nur traurig war ihm zu Mute, +traurig wie einem Kind, dem ein böser Hund die Lieblingspuppe entrissen +hat und in Fetzen beißt. + +Beinahe leid tat er seinem Schwiegervater. + +»No, komm nor her!« sagte Bindegerst schließlich. »Vor #mir# braachstde +kaa Angst zu hawwe: ich kratz net! Unn scheniern braachstde Dich #aach# +net: die Handschrift is aach schonn uff #mei'm# Kopp zu lese gewese! +Wann aach net mit so große Aafangsbuchstawe! -- Wie is'n des komme?« + +Adolf machte eine müde, abwehrende Handbewegung. + +Er wollte nicht darüber sprechen. Er hätte auch gar nicht so genau sagen +können, wie sich die Unglücksszene entwickelt hatte. Mit einem ganz +unbedeutenden Wortwechsel war es angegangen, er hatte die +Unvorsichtigkeit besessen, in einer nebensächlichen Angelegenheit +anderer Ansicht zu sein als das ihm angetraute Turteltäubchen, und +plötzlich sah er sich einer tobenden Furie gegenüber und hörte zum +ersten Mal den Aufschrei: »Prinze unn Korferschte hätt' ich heierate +könne, unn Dich Schlappschwanz muß ich nemme!!« Und ehe er noch dazu +kam, einzulenken, die grundlos Erregte zu beruhigen, und alles, was er +gar nicht gesagt hatte, zurückzunehmen und um Verzeihung zu bitten, +spürte er schon zehn Fingernägel im Gesicht. + +Als er die Augen, seine erschrockenen blauen Kinderaugen, wieder +öffnete, war Katharina verschwunden. + +Da war er traurig zum Bahnhof gewankt und hatte sich eine Fahrkarte nach +Offenbach gelöst. + +Mit dem Wirt hatte er nicht erst abzurechnen brauchen, denn die Kasse +führte Katharina. + +Während der ganzen Eisenbahnfahrt hatte er zum Fenster hinausgestarrt, +aber er hatte nichts gesehen von den Dörfern, Städten, Wiesen, Wäldern +und Bergen, die vorbeihuschten. + +Wie ein Fiebernder das Buch, das aufgeschlagen auf seiner Bettdecke +liegt, liest, ohne daß die gedruckten Buchstaben sich seinem wirren +Geiste zu Worten und Sätzen verbinden, so starrte er in das +weitaufgeschlagene Bilderbuch der Natur und ward sich keines Schauens +bewußt. + +Ein Riesenspielzeug war die weite Landschaft, aufgestellt von der +täppischen Hand eines Gigantenjungen, und ein hämischer Kobold blies nun +das schöne Spielzeug mit dicken Backen um, so daß es in tollem Wirbel an +dem Eisenbahnzug vorbeisauste. + +Ein Traumwandler, ging Adolf durch die Straßen Offenbachs, instinktiv +den Weg nach Hause findend, und nur einmal, in der Nähe der +Schloßstraße, war er zu dem erschreckten Gedanken erwacht: »Wann Dich +nor niemand aus'm Geschäft guckt! Was dhäte die sonst denke!« + +Und schnell war er in eine Seitengasse eingebogen. + +Und nun stand er in seiner Wohnung, die ihm mit einem Mal so fremd +vorkam, und wurde von einer unbeschreiblichen Sehnsucht zerrissen, sich +an eine mitfühlende Brust zu werfen, um sich den Schmerz von der Seele +zu weinen. + +Aber der alte Bindegerst mit seiner heimlichen Geliebten war dazu nicht +die geeignete Persönlichkeit. Das empfand der arme Adolf nur allzu +deutlich. Und so harrte er in der Türe, mit den Tränen kämpfend, und ihm +war, eine eherne Faust würge ihm die Gurgel. + +»Mach wenigstens die Dhür zu!« forderte ihn Bindegerst auf und wandte +sich wieder seiner Arbeit zu. »Zugluft is net gut for so'n +Schwerverwundete!« + +Mechanisch gehorchte Adolf Borges und trat neben ihn an die +Drechslerbank, stumpf seinem Beginnen zuschauend. + +Vater Bindegerst war mit dem Einsetzen der Glasaugen fertig, er gab +jetzt seinem Meisterwerk den letzten Glanz, indem er den Affenkopf mit +Sandpapier abrieb. Er ließ sich Zeit dazu, und als er die Arbeit für +vollendet hielt, hob er stolz den Spazierstock seinem Schwiegersohn +unter die Nase und frug selbstbewußt: »No, for was for e Viech hältstde +des?« + +Dabei fiel sein Blick in Adolfs Augen und entrüstet fuhr er fort: +»Bistde iwwergeschnappt? Ich glaab gar, Du willst flenne? Bistde e +Mannsbild odder bistde e Schulbub, dem der Vadder 's Loch versohlt hat? +Waastde, was #ich# an deiner Stell dhät?« + +Adolf wußte es nicht. + +Und deshalb belehrte ihn der alte Bindegerst, der sich dank der +Abwesenheit seiner Tochter und durch den eingehenden Umgang mit seiner +stillen Geliebten in sehr heldenhafter Stimmung befand, weiter: »Soll +ich Derrsch sage? -- Baß emal uff!« + +Und er ließ den Spazierstock mit dem +Affen-Kaninchen-Bulldoggen-Rehbockkopf sausend durch die Luft pfeifen. + +»Verschdehstde 's? Bedappelstde 's? #So# mußtde 's mache! Mobilisier +Dich, Adolf! Des is die aanzig vernimftig Nadurheilmethod! Haag se, daß +die Lappe fliehe! Mein Sege hastde derrzu! Gebb'r die Prichel zurück, +net mit fimf Prozent, net mit zeh Prozent, sonnern verdreifach'r des +Kapital! Verklopp se, bis ihr Buckel schillert wie e Regeboge! Sonst +kriehstde Dei Lebtag in Deiner Eh' kaan Sonneschei!« + +Und er begann eine Schimpfrede auf seine Tochter, eine Racherede, wie +sie selbst der selige Cato senior in seinen besten Stunden nicht gegen +Karthago zusammengebracht hat, er ließ kein gutes Haar an Katharina, +nicht einmal ihren Quetschekuche ließ er mehr gelten, und er schloß +seine Predigt mit der, durch einen Faustschlag auf die Drechslerbank +unterstrichenen Pointe: »Hättstde liewer dem Deiwel sei Großmudder +geheierat' statt dem Satansweib! Ihr ganz Mudder is se! Die war grad so +aane! Gott, was ich mit der Fraa ausgestanne habb! No, der Deiwel habb +se selig!« + +Adolf Borges verstand von diesem ganzen Vortrag kein Wort. + +Seine feuchten Kinderaugen starrten unverwandt auf den Fußboden, als +erwarte er, daß jeden Augenblick aus einer Ritze des Fußbodens ein Zwerg +hervorschlüpfen müsse, ein weißbärtiger, greiser Märchenzwerg mit einem +goldenen Krönlein auf dem Kopf, um zu sprechen: »Adolf, das alles ist +gar nicht Wirklichkeit! Hokuspokus tickeltackel, geh hinauf ins +Schlafzimmer, dort wirst Du Dein liebes Weibchen im Bett finden, die +schon lange auf Dich wartet, um Dich abzuküssen!« + +Aber kein Zwerglein kam hervorgekrochen, und als Adolf endlich in das +Schlafzimmer ging, da war es leer, und ach, so still. + +Ein einziges Mal regte sich etwas, aber das war nicht im Schlafzimmer, +sondern ein Stockwerk tiefer: Vater Bindegerst hatte im Schwips seine +Schnapsflasche fallen lassen und war gegen die Drechslerbank getaumelt. + +Am nächsten Vormittag traf Katharina ein. + +Sie tat, als sei gar nichts vorgefallen, stellte das Handköfferchen auf +den Vorplatzschrank, legte Hut und Mantel ab, schlüpfte in einen alten +Rock und begann in der Küche zu wirtschaften. + +Adolf war schon frühzeitig aufgestanden, er saß zerknirscht im +Wohnzimmer, nachdenkend darüber, mit welchem Kitt er seine in die Brüche +gegangene Ehe wieder zusammenheften könne. + +»Ach Gott«, sagte er sich bekümmert, »was hilft des jedz alls? Unn wann +ich se mit der zähste Zärtlichkeit zusammebabb, so hat #doch# en Sprung +unn bleibt invalid! Ich habb merr die Eh' vorgestellt wie en +wunnerscheene Borzellandeller, von dem ich mit meim Kättche nix wie +lauder Sießigkeite fresse wollt', -- unnn jedz is der Deller kapores, +unn e Eck is abgestumbt, unn merr derf'n vor fremde Leut gar net mehr +gucke lasse! Unn die Sießigkeite, -- ach, ich glaab als, 's werd nix wie +Handkäs, unn Handkäs eß ich gar net gern...« + +Plötzlich war es ihm, als höre er in der Küche Jemanden hantieren. Ein +freudiger Schreck elektrisierte ihn, er sprang auf und eilte hinaus. + +Da stand Katharina am Herd und rührte einen brodelnden Kochtopf. + +»Kättche!« frohlockte er, glückselig, sie wieder zu sehen, »mei lieb +Kättche, wannstde wißt, was ich for Angst um Dich gehabbt habb! Bistde +dann gut gefahrn? Willstde Dich net e bissi umlege? Du werst mied sei'!« + +Aber Katharina würdigte ihren Gatten keiner Antwort. Mit einem +verächtlichen Seitenblick auf ihn rührte sie weiter den Kochtopf. + +»Willstde merr net wenigstens Gu'n Morsche sage?« bat Adolf. + +»Gu'n Morsche, Hansworscht!« sagte Katharina. Aber nicht scherzhaft, +sondern bissig und gehässig, in einem Tonfall, der keine Fortsetzung des +Gesprächs zuließ. + +Da schlich Adolf geknickt wieder ins Wohnzimmer. + +»Was habb ich'r nor gedhaa?« jammerte er vor sich hin. »Ich habb'r doch +kaa aanzig bees Wörtche gewwe! -- No ja, ich bin kaa Kavalier, ich kann +kaa so scheene Sprüch mache wie die nowle Leut, ich kann kaa Affedänz +uffiehrn unn erumhippe wie die Judde ums goldene Kalb, -- awwer des hat +se doch #vorher# gewißt! + +Unn daß ich se lieb habb, des #muß# se doch spiern! Ich habb's doch +#aach# gespiert, wie se merr uff de Kopp gehaage hat! + +Unn die Lieb is doch, waaß Gott, e dausendmal stärker Instrument als wie +e Faust! Unn ich maan als, so e werklich Lieb als wie die meinigt, die +#muß# se doch merke! + +Wann merr in so e Menscheherz ereiruft: »Ich lieb Dich!«, dann kann doch +des Echo net zurickrufe: »Steih merr de Buckel enuff!« Des wär doch gege +die ganz Nadurgeschicht! + +Awwer vielleicht habb ich se #doch# beleidigt, unn waaß es gar net? +Vielleicht is merr doch erjend so e Wörtche erausgerutscht, was ich +besser erunnergeschluckt hätt, unn was err weh gedhaa hat? Der Mensch +babbelt ja soviel dumm Zeug, unn aach der Keenig Salomo hat gewiß in +seim Lewe 'n ganze Haufe Stuß geredt, -- es steht bloß net in der Biwel +drin. Awwer was kann ich'r bloß Verkehrtes gesacht hawwe?« + +Er sann und sann und kam zu keinem Ergebnis. Er trat vor den Spiegel und +betrachtete wehmütig seine Kratzwunde an der Stirn und das verschwollene +Auge und flüsterte: »Schee guck ich aus! Wunnerschee! Wann des so +weitergeht, laß ich mich bei meiner silwerne Hochzeit in Spiritus +setze!« + +Und da Katharina nicht zu ihm hereinkam, tappte er die Treppe hinunter +in die Werkstatt seines Schwiegervaters und meldete: »Gu'n Morsche, +Vadder! Unn se wär' widder da!« + +»E Erdbewe wär merr liewer!« sagte Bindegerst. + +Aber Adolf wunderte sich schon nicht mehr über diese liebenswürdige +väterliche Äußerung. Er hockte sich auf einen Schemel, stützte den Kopf +in die Hände und frug erschöpft: »Is se immer so?« + +»Immer!« bestätigte der Alte. »Immer! Nor manchmal net! Manchmal is se +noch schlimmer. Bis jedz hastde se nor Schottisch danze sehe, awwer baß +emal uff, wann se erscht Galopp danzt! Da kannstde Dei blau Wunner +erlewe! Des Rezept zu dem Danz hat se von ihrer selig Mudder geerbt, +grad wie des Rezept zum Quetschekuche! Ich sag Derrsch, Adolf, des Lewe +is e Gemeinheit! E groß Gemeinheit! Zeit wärsch, daß e neue Sintflut +komme dhät, awwer #ohne# Arche Noah! Vier Woche sollt's nix als wie +Schnaps regne, daß merr all drin versaufe, -- des wär wenigstens e +scheener Dod!« + +Es entstand eine Pause, die Bindegerst dazu benutzte, seiner stillen +Geliebten zuzusprechen. Er genierte sich jetzt gar nicht mehr vor seinem +Schwiegersohn. + +»Warum hastde merr dann des net frieher gesacht?« stöhnte Adolf. + +Bindegerst lachte dröhnend. »Warum ich Derr des net frieher gesacht +habb? -- Guck Derr emal den ahle Schrank in der Eck aa! Des Schloß is +kabutt, unn in der Rickwand is e Mordsriß, ich habb'n bloß e bissi +zugebabbt. Wann jedz e Kundschaft käm unn wollt den Bawel kaafe, +maanstde, ich wer' sage: »Lasse Se die Finger dervoo! Der Schrank is de +Transbort net wert!« Maanstde, ich bin so meschugge? Naa, mei Liewer! +Aapreise wer' ich'm de Schrank unn hunnert Jahr Garandie geww ich'm, dem +Olwel! Unn so mach ich's mit #alle# Möwel, -- aach mit de lewennige! +Braach ich mit #fremde# Aage zu gucke? Ich guck mit meine eigne nix!« + +Da fühlte Adolf Borges, daß er auch von seinem Schwiegervater verlassen +war. + +Das Herz krampfte sich ihm zusammen und er hatte ein bitteres Wort auf +der Zunge. + +Aber noch ehe er es aussprechen konnte, kreischte eine Stimme von oben: +»Macht, daß'r enuffkimmt! Der Kaffee is fertich!« + +Es war Katharina, deren Ahnungsvermögen ihr gesagt hatte, daß sie es +nicht zu einem Bündnis der beiden Männer kommen lassen dürfe, und daß es +unklug sei, sie zu lange allein beisammen zu lassen. + +Ein schweigsames Frühstück war es. Keines wollte ein Wort sprechen. Nur +der alte Bindegerst bemerkte einmal zwischen zwei Schlucken Kaffee: »Im +Odewald soll's frieher Hexe gewwe hawwe!« + +Da warf ihm Katharina einen bitterbösen Blick zu. Erst kaute sie den +Bissen fertig, den sie im Mund hatte, dann erwiderte sie: »Unn in +Offebach, da gibbts sogar heut noch Rindviecher!« + +Jede dieser Bosheiten Katharinas, auch wenn sie nicht gegen ihn selbst +gerichtet war, verwundete Adolf wie ein Schlangenbiß. Er konnte es +begreifen, daß ein Mensch in plötzlicher Erregung sich vergaß, schrie +und tobte, wie das zuweilen der dicke Herr Schröder tat, wenn er seinen +nervösen Tag hatte, aber unfaßbar war ihm diese sich ewig +gleichbleibende, kaltblütige Bosheit. + +Wie konnte ein Mensch so bis zum Rande vollgeladen sein mit Tücke und +Streitsucht? Und gar ein weibliches Wesen? + +Die wenigen Frauen, die er, der Frauenfremde, bisher hatte beobachten +können, waren alle ganz anders gewesen. + +Da waren die Geschäftsfräuleins, kleine Kücken, die sorglos-heiter +herumpiepsten und in dem großen Hof des Lebens nach Liebschaften +pickten; da waren die Gattinnen seiner Chefs, solide gutgenudelte +Hennen, die würdevoll gackerten und herablassend mit dem Kopf zu nicken +verstanden; da waren die Damen der Kundschaft, Federvieh von allen +Sorten, jeden Alters und jeder Rasse, -- aber so ein giftgeschwollener +Truthahn wie Katharina war ihm noch nie unter die Augen gekommen. + +Als das Frühstück abgeräumt war und er wieder allein im Zimmer saß, +grübelte er von neuem über sein Schicksal nach. Und mit der kindlichen +Gutmütigkeit, die ihn für jede menschliche Schlechtigkeit eine +Entschuldigung suchen ließ, redete er sich ein: »Vielleicht kann se gar +nix dafor, daß se so is? Ihr Mudder soll ja e bees Reibeise' gewese +sei', unn iwwer ihrn Vadder geht merr aach allmählich e Petroliumlamp +uff! Wie hätt des arm Mädche da annerschter wern könne? In eme +Eisschrank kann kaa Veilche gedeihe. Wer waaß, wie se mei Kättche mit +Schmiß unn Schenne uffgezoge hawwe! Unn jetz hält se die ganz Welt for e +Generalversammlung von Verbrecher und Bösewichter. Ich muß recht lieb zu +err sei unn recht gut, dann werd se sich gewiß ännern. Geduld muß ich +hawwe, daß se Vertraue zu merr krieht! Unn wann se erscht merkt, ich +maan's werklich gut mit err, ich will se net ausnitze, dann werd +zuerscht e Wandlung mit ihrm #Herzche# vor sich gehe, unn dann, so Gott +will, aach e Wandlung mit ihr'm #Schnawwel#!« + +Und er begann sogleich, einen Versuch auf diesem Wege zu machen; leise +schlich er in die Küche hinaus, trippelte auf den Zehenspitzen von +hinten an Katharina heran und drückte blitzschnell einen Kuß auf ihren +Nacken. + +Ein heftiger Ellbogenstoß in die Magengegend war die Antwort. »Du bist +wohl net bei Trost? Was soll dann des haaße? Scher dich zum Deiwel, +Faulenzer!« + +Dieses Wort verletzte Adolf Borges tief. Faulenzer hatte ihn noch +niemand genannt. Daß ihn Herr Feldmann und der eklige Kassierer mit +allerhand Kosenamen aus Brehms Tierleben belegten, war er gewohnt, aber +Faulheit, -- nein, dieses Laster hatte ihm noch niemand vorgeworfen. + +Hatte er nicht sein Leben lang geschafft wie ein Packesel? Und jetzt +sagte seine eigene Frau ... + +»Ja, glotz mich nor aa!« schrie Katharina. »Du hast mich wohl noch net +richtich beguckt? Soll ich Derr e Fodografie schenke? -- Jawohl, e +Fauldier bistde! Was gehstde net in Dei Geschäft?« + +»Awwer Kättche«, verteidigte sich Adolf, »awwer Kättche, ich habb doch +noch fimf Däg Urlaub! Was solle se dann von merr denke, wann ich mitte +in meiner Hochzeitsreis zurickkomm!« + +»Die wern schonn sowieso wisse, was se von Derr zu denke hawwe! Bildste +Derr vielleicht ei', ich will Dich die fimf Däg hier erumlungern hawwe? +Zum Nixdhun haww ich Dich net geheierat!« + +Und plötzlich im Ton umschlagend fing sie an zu jammern: »O Gott, ich +unglicklich Fraa! Prinze unn Korferschte hätt ich hawwe könne, unn so en +Schlappschwanz, so'n draurige, muß ich nemme!« + +Adolf wartete nicht, bis der Ton zum zweiten Mal umschlug und wieder die +keifende Roheit zum Vorschein kam. Er ging hinaus, setzte seine Mütze +auf und lief ins Geschäft. + +Und als er vor dem Geschäftshaus stand und in die großen Schaufenster +blickte, in denen die Modellpuppen standen, die er so oft abgestaubt +hatte, da war ihm, als sei dieses Haus seine eigentliche Heimat, als sei +#hier# seine Familie, und sein Heim bei Katharina sei nur eine +Schlafstätte, in der er aus Mitleid geduldet wurde. + +Er ward beinahe gutgelaunt, als er vor den erstaunten Herrn Schröder +hintrat, um sich zurück zu melden. Er freute sich auf die erlösende +Arbeit. + +Und es ging ihm durch den Kopf: »Die Arweit is doch des wahre Baradies! +Unn die ganz Geschicht mit dem Ebbelbaam, die glaaw ich iwwerhaapts net! +Die Sach werd ganz annerschter gewese sei'. Der Adam-selig hat sich +aafach #gelangweilt# in dem baradiesische Palmegarte unn hat zum liewe +Gott gesacht: »Mensch«, hat'r zum liewe Gott gesacht, »Mensch, ich komm +um vor Langweil! Schmeiß mich enaus aus dem Garte, odder ich vertrampel +Derr 's Gras!« Unn weil der liewe Gott e gescheider Mann is, hat er +erwiddert: »Adamche, ich will Derr e Uniwersalmedizin erfinne gege die +Langweil unn gege jeddes Unbehage unn jedde Unzufriddenheit!« Unn er hat +die #Arweit# erfunne. Unn da war die Schöpfung erscht richtich fertich!« + +»No??« sagte Herr Schröder. »No, schonn widder zurick? Was is dann?« + +»Ach, wisse Se«, meinte Adolf verlegen, »es war so schleecht Wetter, da +bin ich liewer widder haam!« + +»Hm!« machte Herr Schröder bedenklich. »Hm ... ich habb immer gemaant, +bei Regewetter liebt sich's am scheenste!« + +Aber weil der dicke Herr Schröder mit Recht fand, Adolfs +Privatangelegenheiten gingen ihn eigentlich nichts an, forschte er nicht +weiter. + +Weniger zartfühlend waren die Angestellten der Firma. Sie kicherten, als +sie das »scheppe Adolfche« wieder auftauchen sahen, sie machten Witze, +daß die Damen rot wurden, und der erste Reisende stichelte, mit einer +Anspielung auf Adolfs Stirnwunde: »Merr sollt dem Odewald widder emal +die Fingernägel schneide! Maane Se net aach?« + +Der eklige Kassierer aber grinste: »E schee Aussicht misse Se gehabbt +hawwe vom Melibokus! Ihr Aag is #jedz# noch ganz geschwolle!« + +An diesen schmerzhaften Stichelreden beteiligte sich nur ein einziges +Mitglied der Firma nicht, der zweite Buchhalter Heinrich Baldrian. Das +war überhaupt ein eigentümliches Männlein, eines von den +Menschenkindern, denen das Leben so ziemlich alles schuldig geblieben +ist, und die dennoch mit einer Miene herumlaufen, als seien sie selbst +jedermann etwas schuldig. Dieses alte Buchhalterchen war ein +unglückseliges Geschöpf, ein Kunstenthusiast, dessen Talent zu seinem +großen Schmerz nicht ausreichte, selbstschöpferisch zu sein. Er hatte in +seinen jungen Jahren dicke Hefte voll Gedichte geschrieben, ja sogar +Dramen verfaßt, und hatte wohl auch eine Zeitlang, ermuntert durch den +Beifall kritikloser Freunde, an sich geglaubt wie der Schneider von Ulm +an seine Flügel. + +Bis ihm mit zunehmendem Alter die Erkenntnis dämmerte, daß er in den +Gärten der Poesie auf geliehenen Stelzen herumstolperte. Da hatte er +seine sämtlichen Werke verbrannt. Aber seine große Sehnsucht hatte er +nicht mitverbrennen können. + +Heinrich Baldrian war ein einsamer Mensch geworden; stolz und +unglücklich zugleich in seiner Einsamkeit. Das Wissen, das er sich durch +fieberhaftes Lesen angeeignet hatte, die stille Würde, die die +Beschäftigung mit ewiger Kunst dem Jünger verleiht, ließen ihn die +Beteiligung an den billigen Späßen der übrigen Angestellten verschmähen; +Adolf Borges war einer der wenigen Menschen, in denen er verwandte +Anlagen zu ahnen glaubte. Von dem aber trennte ihn die tiefe Kluft des +Bildungsunterschiedes. Er mußte sich damit begnügen, dem »scheppe +Adolfche« stets ein freundliches Benehmen zu zeigen und im +unvermeidlichen geschäftlichen Umgang ihm jene kleinen Höflichkeiten des +Herzens zu beweisen, die so wohl tun. + +Adolf kümmerte sich nicht um die Spötteleien, die ihn empfingen. Mit +einer wahren Wollust stürzte er sich in seine Arbeit. Noch nie war ihm +das Paketschnüren so köstlich erschienen. + +Ihm war zumute wie einem verlaufenen Hund, der wieder heimgefunden hat. + +Und als er bei der Arbeit in einem der hohen Wandspiegel zufällig seine +Kratzwunde erblickte, lächelte er vor sich hin: »Guck emal: e Kron haww +ich aach! Mit zwaa Zinke! Der aa Zinke is schonn fast verheilt! Wie +weit's der Mensch doch bringe kann!« + +Und als ihn Herr Feldmann zum ersten Male wieder ein Kamel nannte, da +war ihm wie einem aus der Fremde Heimgekehrten, der zum ersten Mal die +Muttersprache wieder hört. + +»Alles uff der Welt is Gewohnheit!« sagte er sich. »Unn ich wer' mich +schonn aach am Kättche sei Grobheite geweehne! Ich habb mich ja aach an +des Gekrisch von dene Katze geweehnt! Unn wer waaß: vielleicht is es +beim Kättche gradso wie bei de Katze, unn se kreischt bloß #aus Lieb# +so? -- Gewohnheit is alles, unn ich bin iwwerzeigt: wann der Mensch mit +Zahnweh uff die Welt käm', dhät 'r se gar net spiern, sonnern er käm' +sich krank vor, wann er emal #kaa# Zahnweh hätt'!« + +Einige Tage später erlebte Adolf Borges eine neue eheliche Überraschung. + +Als er abends aus dem Geschäft heimkam, empfing ihn Katharina mit der +kurzen, aber vielsagenden Frage: »No??« + +»Was is, lieb Kättche?« fragte Adolf. + +»Wannsde noch emal »Lieb Kättche« sagst, haag ich Derr 'n Kochlöffel uff +die Schnut!« gab Katharina diese Zärtlichkeit zurück. »Des dumm Gebabbel +mecht mich ganz nervös! Nächsdens kimmstde noch mit Glacehandschuh unn +Frack in die Kich! Des misse ja schee iwwerspannte Weiwer gewese sei', +mit dene Du Dich frieher erumgedriwwe hast!« + +»Awwer Kättche, ich schwör Derrsch: Du bist des erscht weiblich Wese, +des wo -- + +»Halt's Maul! Heut is doch Gehaltsdag gewese? Wo is 's Geld?« + +»Awwer Kättche, --« + +»Gebb's Geld eraus! Maanstde vielleicht, ich kann von der #Luft# +wertschafte? Mach kaa lange Umschdänd, des kann ich net verdrage!« + +Adolf sah ein, daß sie nicht von der Luft wirtschaften könne. +Widerspruchslos zog er seine Geldbörse hervor und zählte den Inhalt auf +den Tisch. + +»Is des alles?« + +»Ja! Mehr haww ich net!« + +»For so en schäwige Gehalt dhät ich dene was peife! S' is zum +Haar-Ausroppe! Prinze unn Korferschte hätt' ich heierate könne! -- Da +sin fimf Mark, des muß lange! Merk Derrsch!« + +So ähnlich muß es den Kaufleuten im 16. Jahrhundert zu Mute gewesen +sein, wenn Herr Götz von Berlichingen oder ein anderer Raubritter sie +auf der Landstraße ausplünderte. + +Aber lange hielt die Bitterkeit bei Adolf Borges nicht an. Er war ja +eine der harmlosen Seelen, die sogar zu einem Raubritter gesagt hätten: +»Von Ihr'm Standpunkt hawwe Se recht! Entschuldige Se nor, daß ich net +mehr bei merr habb! Könnte Se merr vielleicht sage, Herr Raubridder, wie +ich am schnellste widder haamkomm?« + +»Des Kättche hat vielleicht ganz recht«, dachte er. »Sparsamkeit is e +Dugend. Vielleicht is des Geld bei ihr besser uffgehowwe wie bei mir. Es +is ja aach als Mann mei Plicht unn Schuldigkeit, daß ich se ernähr. +Dadafor soll ich aach ihr Herr sei'!« + +Aber unbehaglich war es doch, nicht mehr frei über seine Einnahmen +verfügen zu können und über jeden Pfennig Rechenschaft ablegen zu +müssen. Fünf Mark, -- das reichte ja kaum, das Fläschchen Bier zum +Frühstück und zur Vesper zu bezahlen. Fünf Mark, damit konnte er doch +unmöglich seine kleinen Ausgaben bestreiten. Wie würde das werden, wenn +er einmal eine neue Mütze brauchte oder einen neuen Hosenträger? Sollte +er dann Katharina um Geld bitten? Um das Geld, das er selbst verdient +hatte? + +Er nahm sich vor, nur einen Teil der Trinkgelder, die er hie und da +bekam, an Katharina abzuliefern und den Rest für sich zu behalten. Die +ganzen Beträge seinem kleinen Geheimfond einzuverleiben, hätte ihm sein +Gewissen nie erlaubt. Wie eine Unterschlagung wäre ihm das erschienen. + +Und dann hatte er ja auf der Sparkasse noch etwas über viertausend Mark +stehen. Katharina wußte wohl darum, aber es wurde nie davon gesprochen, +so wenig, wie je von einer Mitgift die Rede gewesen war. + +Und doch kam im dritten Jahre seiner Schmerzensehe die Rede auf diese +Ersparnisse: der alte Bindegerst war es, der sich plötzlich lebhaft für +das Sparkassenguthaben Adolfs interessierte. + +Ihm bekam die Ehe seines Schwiegersohnes ausgezeichnet. Einen besseren +Blitzableiter für die häuslichen Gewitter hatte er sich gar nicht +wünschen können. Mit einer gewissen inneren Befriedigung sah er mit an, +wie sich alle die Donnerwetter und Hagelschläge, denen bisher er selbst +preisgegeben gewesen war, auf Adolfs Haupt entluden, während er im +Trockenen saß. Er machte sich sogar das Vergnügen, heimlich ein bißchen +zu hetzen, indem er einerseits Katharinas Ansprüche aufstachelte, +andrerseits seinem Schwiegersohn soufflierte: »Laß Derr nix gefalle! +Mach en Stormaagriff! Soll ich merr e Trombet' kaafe unn zor Attack +blose? Mensch, du blamierst unser ganz Geschlecht!« + +Da Katharina nicht viel Zeit und Lust fand, sich um den Alten zu +kümmern, wurde er geradezu übermütig. Eines Tages heftete er an die +Treppentüre seiner Werkstatt ein Plakat: »Weibern ist der Eintritt +strengstens verboten!« + +Und amüsierte sich königlich, als Katharina diesen, auf sie gemünzten +Zettel wütend in tausend Fetzen riß. + +Aber wenn er der Knechtschaft seiner Tochter entronnen war, so war er +dafür um so schimpflicher unter eine andere Tyrannei geraten: unter die +Knute seiner stillen Geliebten. Er trank nicht mehr, er soff. + +Er feierte an seiner Drechslerbank und oben im Dachstübchen stille +Gelage, trank dem Mann im Monde und den Katzen zu und hielt mit sich +selbst Volksversammlungen ab, in denen er das Thema: »Das Leben ist eine +Gemeinheit!« von allen Seiten beleuchtete. + +Überkam ihn der Weltschmerz, so sang er mit den Katzen Duette, die erst +ein Ende nahmen, wenn zwei Fäuste an die Türe donnerten und die +bissigste Katze des Hauses schrie: »Willstde Dei Maul halte, ahl +Volleul! Schämstde Dich net vor der Nachbarschaft?« + +Dann versicherte Bindegerst, die Nachbarschaft könne ihn sonst etwas. +Aber er stellte seinen Meistersang ein. + +»Ich glaab, Du riechst nach Schnaps?« sagte einmal Adolf seinem +Schwiegervater. + +»Hastde gedenkt, ich wer' nach Veilcher rieche?« erwiderte Bindegerst. +»Wann Derr mei Duft net baßt, hättstde halt in e Bodanisierbüchs +heierate solle, statt in unser Familje! Steck Dei Nos net in mein +Privatgeruch, des bitt ich merr aus!« + +Und Adolf hatte, wie immer, geschwiegen. + +Bindegersts Hände waren jetzt öfters #unter# als #über# der +Drechslerbank. Und die Affenköpfe seiner Spazierstöcke nahmen immer +seltsamere Formen an. Die Glasaugen saßen jetzt mitunter an Stellen, an +denen ein Naturforscher weit eher die Ohren vermutet hätte, und sein +letztes Meisterwerk besaß sogar wie weiland Polyphem nur ein einziges +Auge mitten auf der Stirn. + +Für solche Mißgeburten von Spazierstöcken fanden sich begreiflicherweise +wenig Käufer, und dies war der Grund, weshalb sich Bindegerst plötzlich +für Adolfs Sparkassenbuch zu interessieren begann. + +Schon beim Abendessen hatte Bindegerst mit Adolf zu fußeln angefangen. +Nicht zärtlich und kosend, sondern mit Offenbächer Derbheit. Er trat ihm +wider das Schienbein, daß sein Schwiegersohn sämtliche Engel im Himmel +und sämtliche Teufel in der Hölle gleichzeitig _fortissimo_ singen hörte. + +Und als Katharina einen Augenblick hinausgegangen war, um eine neue +Schüssel Kartoffeln zu holen, flüsterte er geschwind: »Adolf, komm +nachher emal enuff in die Dachstubb, ich habb mit Derr zu redde!« + +Währen Katharina das Geschirr abspülte, schlich Adolf hinauf. + +»Was is dann, Vadder?« + +»Hock dich emal uffs Bett! Da sitzstde weich unn fällst net so leicht +um!« + +Es wurde Adolf unbehaglich. Was konnte sein Schwiegervater von ihm +wollen? Bindegerst machte ein so feierliches Gesicht. Sicherlich hatte +er keine erfreuliche Mitteilung in Bereitschaft. + +»Wannstde Dich vielleicht erst emal stärke willst?« frug der Alte und +hielt ihm die Schnapsflasche hin. + +»Ich sauf kaan Schnaps, Vadder!« + +»Weilsde net waaßt, was gut is! Schnaps is gut for die Cholera, secht e +ahl Sprichwort. Ich will net draa schuld sei', wann e neu Epidemie +ausbricht!« + +Er hob die Flasche und labte sich. Wischte sich den Mund und zog aus der +rechten Hosentasche ein zerknittertes Papier. + +»Hockstde gut? -- Dann les emal!« + +Adolf entfaltete den Wisch, strich ihn glatt und las. + +Es war eine gerichtliche Vorladung. Gast & Co. gegen Konrad Bindegerst +wegen Forderung. + +»E Gemeinheit!« erwiderte Bindegerst Adolfs fragenden Blick. »Des ganz +menschlich Lewe is e Gemeinheit! Wege lumbige dreidausendfimfhunnert +Mark verklagt aan die Lumbegesellschaft! Da gibbts Barone, die hawwe e +Milljon Schulde unn kaa Mensch verklagt se! Awwer der Middelstand, der +muß ja immer draa glaawe! Uff uns solide Berjersleut, da reit' ja der +Staat erum wie e dressierter Aff uff'me Kamel!« + +Und er hielt eine lange Entrüstungsrede über die unerhörten Zustände, +die nach seiner Ansicht in Mitteleuropa, und zwar #nur# in Mitteleuropa +herrschten. + +»Ja, Vadder, bistde dann des viele Geld #schuldig#?« + +»#Nadierlich# bin ich's schuldig! Maanstde, die verklage mich aus Jux? +Merr hawwe doch kaa Fastnacht! Freilich bin ich's ihne schuldig, dere +Saubagasch! For Holzlieferunge!« + +»Dann mußtde's aach zahle!« entschied Adolf. + +Bindegerst beguckte ihn spöttisch. »Merr könnt glaawe, Du hättst +studiert! Du reddst wie e Amtsrichter! Awwer zahl emal, wannsde kaa Geld +hast! Kann ich hexe? Hokuspokus, da is e Milljard? Kann ich merr +Goldsticker aus der Nos ziehe, odder Dausendmarkschei aus 'me ahle +Zylinner? -- Ich habb 'n Dalles, den könnt merr for Geld gucke lasse! +Pleite bin ich! Unn da verklagt mich die Saubande uff so en Haufe Geld! +Kaum zwaa Jahr bin ich'r des bissi Geld schuldig, kaum siwwe Mal hawwe +se mich gemahnt, unn gleich wern se so ricksichtslos!« + +Adolf dachte nach. Das war ja eine schöne Überraschung. Er hatte seinen +Schwiegervater nie reich geschätzt, er hatte nie auf eine Erbschaft +spekuliert, aber er hatte es als Selbstverständlichkeit betrachtet, daß +die Drechslerei gut ging und ihren Mann ernährte. Nie hatte er +wahrgenommen, daß seinen Schwiegervater Schulden bedrückten, -- und nun +plötzlich diese Eröffnung. + +»Ja, wie is dann des nor meeglich?« stotterte er. + +»Bei Gott is kaa Ding unmeeglich!« gab Bindegerst mit Würde zurück. +»Schuldemache is e ganz aafach Sach: du braachst bloß nix zu bezähle! +Des annner kimmt dann ganz von selwer!« + +Es entstand eine Pause. + +Der Alte beobachtete seinen Schwiegersohn mit verschmitzten, lauernden +Augen. »Wart nor,« dachte er, »wart nor, ich krieh Dich schonn draa!« + +»Waaß es des Kättche?« frug Adolf nach einer Weile. + +»Kaan Dunst! Dhät se sonst so ruhig des Gescherr spüle? En Schlagaafall +dhät se kriehe, -- des haaßt: #sie# krieht de Aafall, unn #mir# kriehe +die Schläg! Nix waaß se, unn se #derf# aach nix wisse!« + +»Naa, se derf nix wisse!« echote Adolf. Er hatte es sich zur Pflicht +gemacht, alle Unannehmlichkeiten, alle Aufregungen von Käthchen +fernzuhalten. + +Bindegerst schmunzelte. Das Gespräch nahm ganz die Wendung, die er ihm +zu geben beabsichtigt hatte. + +Oh, er war ein Schlaufuchs, und Adolf ein gutmütiger Narr! + +Er nahm ein bekümmertes Gesicht an und klagte: »Awwer se werd's halt +#doch# erfahrn! Wann erscht der Gerichtsvollzieher kimmt unn fängt aa, +unser Möwel als Briefmarke-Album zu benitze, dann merkt se's!« + +Er seufzte und beobachtete listig die Wirkung seiner Worte. + +»Wann se nor net krank werd von dem Schrecke!« fügte er hinzu. + +»Se #derf# nix erfahrn!« sagte Adolf geknickt. »Unner kaane Umständ derf +se ebbes erfahrn!« + +»Ja, des sag ich ja aach! Awwer wie soll ich's verhinnern, Herr +Rechtsgelehrter? -- Guck, Adolf, ich steh ja gar net so schlecht, -- mei +Geschäft is unner Brieder immer noch en Batze wert, -- no, unn mei Häusi +hat aach noch sein Wert, wann merr die Hipotheke abzieht, -- ich bräucht +halt nor en Mensch, der merr uff die Sicherheit hie so momendan +vierdausend Mark bumbe dhät!« + +Er machte wieder eine Effektpause. + +Ganz dicht stand er nun vor seinem Schwiegersohn und sah ihm scharf in +die Augen, während er sagte: »Dhätst #Du# merr kaan wisse, der wo merr +so vierdausend Emmcher leihe könnt?« + +Adolf erhob sich vom Bett und begann im Zimmer auf und ab zu wandeln. + +Viertausend Mark, dachte er. So viel hatte er gerade auf der +Sparkasse... Und schließlich war es doch sein Schwiegervater... Den +konnte er doch nicht in der Patsche sitzen lassen... Und das Entsetzen, +das er Katharina ersparte... Wenn der Gerichtsvollzieher ins Haus +käme!... Und eine Sicherheit bot ja das Geschäft schließlich auch... + +Er dachte in diesem Augenblick nicht daran, wie mühsam er seine +Ersparnisse gemacht hatte, wieviel Jahre seines armen Lebens er dafür +gefrohnt hatte, wie er sich jedes Vergnügen versagt hatte, um nur +pünktlich den programmäßigen kleinen Betrag am Sparkassenschalter +abliefern zu können. + +Er dachte nicht daran, daß er auch jetzt noch sich nicht die kleinste +Extraausgabe leistete, während Bindegerst in schnapsfröhlichem +Faulenzertum dahindöste. + +Er sah nur, daß er hier helfen konnte, und je mehr er darüber +nachdachte, desto klarer erschien es ihm eine ganz einfache Pflicht, dem +Alten seine Ersparnisse anzubieten. + +Bindegerst ließ ihm Zeit. Er sagte sich, daß er jetzt die Gedankengänge +Adolfs nicht stören durfte. + +»Da laaft er hie unn her,« kicherte er in sich hinein, »unn bildt sich +ei', er dhät sich de Fall iwwerlege! Dabei laaft er nor in dem Käfig +erum, den ich 'm mit meim Gebabbel gebaut habb! Unn was'r sich in seim +dumme Kopp zusammereimt, des is all grad so, als ob #ich#'s em in die +Fedder diktiert hätt! Adolf, was bistde e Olwel!« + +Ach ja, Adolf #war# ein Olwel. Denn alle guten Menschen sind Olwel. Ein +gutes Herz ist eine klare, reine Quelle, -- aber aus einer Quelle +trinken nicht nur die fröhlichen Wanderer, nicht nur die lieben +Singvöglein, sondern auch die raublüsternen Marder sättigen sich darin, +und jedes vorbeitrampelnde Schwein steckt seinen Rüssel hinein. Es ist +nicht wahr, daß man durch Schaden klug wird. Durch Schaden wird man +höchstens #schlecht#. Und es gibt so gutmütige »Olwels«, daß sie durch +Schaden immer dummer statt klüger werden, weil sie nie auf Dank +gerechnet haben, sondern in dem Bewußtsein, etwas Gutes zu tun, eine +Belohnung empfinden, die kein Schaden mindern kann. + +Und so ein Olwel war auch Adolf Borges. + +»Ich waaß aan', der wo Derr des Geld bumbe kann!« sagte er und freute +sich seines Entschlusses. »Adolf Borges haaßt er, unn morje gehn merr +zusamme uff die Sparkaß!« + +»Awwer naa!« sagte Bindegerst. »Des kann ich doch net verlange! Des kann +ich gar net aanemme!« + +»Warum dann net?« sagte Adolf und war beinahe beleidigt. »Es bleibt doch +in der Familje! Erbt halt emal der Vadder vom Sohn, statt umgekehrt!« + +»Awwer des mußtde merr wenigstens zugewwe: ich habb Dich net drum +#gebete#«, sagte Bindegerst. + +»#Nadierlich# hastde mich net drum gebete!« lächelte Adolf herzlich. +»Ich dhu's aus merr selwer! Unn ich dhu's gern!« + +Und der alte Bindegerst dachte: »Der is noch viel dümmer, wie ich +geglaabt habb! Schad, daß er net #achtdausend# hat!« + +Er streckte ihm die Hand hin: »Adolf, des vergeß ich Derr net! Adolf, +wannsde emal en Mensch braachst, der for Dich dorchs Feuer geht, dann +braachstde merr nor zu telefoniere!« + +Und Adolf war ganz gerührt. + +»Jedz muß ich awwer widder erunner bei's Kättche!« + +»Unn gell, Dei Fraa braacht nix davoo zu wisse!« + +»Naa, se erfeehrt nix! -- Wann se mich awwer freegt, was merr so lang da +owwe gebabbelt hawwe?« + +»Dann sagstde eifach ... dann sagstde halt ... ach was, es werd Derr +schonn e Ausredd eifalle! Du bist ja verheierat'!« + +Adolf bedurfte keiner Ausrede. Als er herunterkam, lag Katharina schon +schlafend im Bett. Sie sah in ihrer knochigen Dürre, mit dem +unfrisierten Haar, mit dem schnarchend halbgeöffneten Mund und den +gelbbraunen Zähnen abstoßend häßlich aus. Aber Adolf betrachtete sie mit +gerührter Zärtlichkeit. + +»Wie e Engelche leiht se da!« murmelte er. »So friedlich! Vielleicht +fliegt se jedz grad im Draum im Himmel erum odder se bäckt for die +Heilige Quetschekuche! Se is doch e gudes Weib. Heut hat se mich nor +zwaamal en Saukerl genennt. Se bessert sich schonn. Langsam, awwer +sicher.« + +Und er zog sich behutsam aus, um sie nicht zu wecken, und schlief in dem +Bewußtsein einer guten Tat zufrieden ein. + +Das Engelchen Katharina aber entwickelte sich immer offenkundiger zum +Fafner. Sie hätte auf jedem Drachenwettbewerb den ersten Preis +ergattert. + +Ich mag es meiner Schreibmaschine gar nicht zumuten, all die Schikanen, +die Katharina ersann, aufzuzeichnen. Es genügt zu sagen: gegen sie war +Edison als Erfinder ein Waisenknabe. + +An einem Samstag Mittag wandte sich Heinrich Baldrian, der Buchhalter, +an Adolf mit der Frage: »Adolf, wollen Se morgen ins Theater?« + +»Wieso, Herr Baldrian?« + +»Weil ich zwei Billette hab. Aber es is mir was dazwischen gekommen. +Vielleicht gehn Sie mit Ihrer Frau hin?« + +»Ei, mit Vergniege! Ich dank Ihne aach schee, Herr Baldrian!« + +»Bitte, bitte!« + +-- Auf dem Nachhauseweg malte sich Adolf aus, wie Käthchen sich freuen +werde. + +»Vielleicht geht se mit'm Vadder 'rei?« dachte er. »Ich dhät's zwar gern +selwer gucke, awwer dem ahle Bindegerst mecht's sicher noch viel mehr +Spaß wie mir! -- Dheader, -- Gott, wie lang bin ich in kaam Dheader mehr +gewese! Ich kann doch'm Kättche werklich gar nix biete! Annern Madamme, +die hocke jed' Woch e baar Mal im Dheader unn kenne die Sänger unn +Schauspieler schonn von weitem an der Nos. Ja, 's is doch was Scheenes +um die Bildung! -- Ich freu mich uff'm Kättche sei Gesicht!« + +Aber diese Freude war verfrüht. + +»Ich geh in kaa Dheader!« fauchte Katharina. »Ich habb dahaam Dheader +genuch! Mich indressiert der Stuß net!« + +So benutzten denn Adolf und Bindegerst die Karten. + +Bindegerst machte sich hochfein. Er schien sich den König David zum +Vorbild genommen zu haben, von dem zweimal geschrieben steht »und sie +salbten ihm das Haupt«, er ließ sich von Herrn Hippenstiel eine geradezu +feudale Frisur zurechtkleben, zog den schwarzen Gehrock an und tanzte +reichlich eine halbe Stunde vor dem Spiegel, ehe er mit sich zufrieden +war. + +»Der Widerspenstigen Zähmung« wurde gegeben. + +»Des muß in Amerika spiele,« sagte Bindegerst beim Lesen des +Theaterzettels. »Nor in Amerika hawwe die Leut so verrickte Name'! +Vincentio, Lucentio, Petruchio, -- so haaßt in ganz Offebach kaa +Mensch!« + +Plötzlich fing er an zu lachen. »Da, les emal: Katharina, die +Widerspenstige, Baptistas Tochter. Gut, daß merr's Kättche dahaam +gelasse hawwe! Die hätt sich am End' noch bedroffe gefiehlt! -- Du, ich +bin neugierig, ob die mit #unserm# Kättche konkurriern kann?« + +Auch Adolf mußte lächeln. + +»Adolf, des is sicher e lehrreich Stick! Adolf, da haaßt's die Ohrn +spitze! Des hat sicher e #Verheierater# geschriwwe!« + +Sie hatten zwei gute Plätze im ersten Rang, inmitten vornehmer Leute. +Bindegerst fühlte sich infolgedessen als Aristokrat, dem kleinen Adolf +aber war in dieser noblen Umgebung nicht sonderlich wohl. Er hätte +lieber auf der Galerie gesessen, unter seinesgleichen. + +»Ich komm merr vor, wie e Köchin, die ihrer Gnädige ihr Schleppekleid +aagezoge hat. Da schwebt se drin erum unn dänzelt wie e Wackelpudding, +awwer wann se de Schnawwel uffmecht, schmeckt's wie Kardoffelschale.« + +Doch bald ließ ihn das Stück das Publikum vergessen. + +Das Käthchen auf der Bühne war ein schlimmes Frauenzimmer, das sah er +gleich. Aber ihr Vater war wenigstens so ehrlich, es den Freiern im +voraus zu sagen. Der pries seine böse Tochter nicht als +Quetschenkuchenvirtuosin an, wie Bindegerst. Er warnte Heiratslustige. +Und dennoch hielt Petruchio um ihre Hand an. + +Herrgott, gibt's mutige Menschen! + +Eines freute Adolf: es wuchsen also auch in den vornehmen, reichen +Kreisen weibliche Teufel! Nicht nur unter den Proletariern. Das +Schicksal ist doch nicht so ungerecht, wie man ihm nachsagt. Die höhere +Töchterbildung tut's also doch nicht! + +Er schmunzelte. + +Bindegerst stieß ihn wiederholt mit dem Ellbogen an. Jedes Mal, wenn die +Bühnen-Katharina eine bösartige Antwort gab, oder von ihrer Störrigkeit +die Rede war, versetzte er dem Schwiegersohn einen Rippenstoß und +flüsterte: »Wie dahaam!« + +Am lieblichsten zeigte sich Katharina im zweiten Akt. Gleich in der +ersten Szene prügelte sie, ohne Ursache, ihre sanfte Schwester Bianka. + +»Wie dahaam!« zischelte Bindegerst und schlug sich vor Freude aufs Knie. + +Drei Minuten später haute sie dem Musiklehrer die Laute am Kopf entzwei. + +»Die is großartig!« jauchzte Bindegerst. »Ganz wie +dahaam! So e Kanallje!« + +»Psssst!« machten die Umsitzenden. + +Adolf kümmerte sich wenig um Katharinas Böswilligkeiten, ihn +interessierte weit mehr Petruchios Stellungnahme. Mit beifälligem +Kopfnicken vernahm er dessen Rezept: + + »Schmält sie, so sag' ich ihr ins Angesicht, + Sie singe lieblich, gleich der Nachtigall. + Blickt sie mit Wut, sag' ich, sie schaut so klar + Wie Morgenrosen, frisch vom Tau gewaschen.« + +Ja, das war auch seine Ansicht: nur mit Güte ist etwas zu erreichen. So +wollte auch er es halten. + +Aber -- o weh! -- schon beim nächsten Zusammentreffen erntete Petruchio +eine Backpfeife, die aus dem Vorrat des #Offenbacher# Käthchens hätte +stammen können. + +»Ganz wie dahaam!« jubelte der Drechslermeister. »In des Stick muß 's +Kättche erei! Unn wann's hunnert Dhaler kost'!« + +Trotz der Ohrfeige erklärte Petruchio die Widerspenstige für seine +Verlobte. + +Im dritten Akt aber begann er die Pferdekur. + +Bindegerst geriet außer sich vor Entzücken, als Petruchio absichtlich zu +spät und zerlumpt zur Trauung erschien, in der Kirche wie ein Roßknecht +fluchte, dem Priester auf die Frage, ob er Katharina heiraten wollte, +mit einem gebrüllten »Zum Donnerwetter, ja!« antwortete, dem Küster den +Weinbecher ins Gesicht warf, seine Braut in der Kirche laut abschmatzte, +kurz die Widerspenstige auf jede erdenkliche Weise demütigte. + +»So mußtde's mache!« rief der Drechslermeister. »Des is mei Mann! Der +krieht se klaa! Baß uff, er krieht se klaa, des Oos!« + +Die Logenbesucher begannen, sich über den Begeisterten zu belustigen. +Aber Bindegerst ließ sich nicht stören. + +»Des mißt' merr bei jedder Hochzeit gewwe, des Stick!« schwärmte er in +der Pause. »Des is mehr wert wie die scheenst Preddigt! Des is aus'm +Lewe gegriffe! Wannn's aach in Amerika spielt!« + +Er zog im Foyer die Schnapsflasche aus dem Gehrock und labte sich. + +»Nemm Derr e Beispiel«, hetzte er. »Adolf, mach's wie der Amerikaner! +Ich garandier Derr for de Erfolg! Ich habb Derrsch schonn emal gesacht: +haag se, daß die Lappe fliehe!« + +Und als im vierten Akte Petruchio sein Käthchen durch Hunger und +Grobheit vollends zähmte, als sie in ihm ihren Meister erkannte, sich +aufs Bitten verlegte und zuletzt so mäuschenklein ward, daß sie auf +Petruchios Befehl die Sonne für den Mond, einen Mann für ein Weib +erklärte, da kannte Bindegersts Wonne keine Grenzen mehr. + +»Adolf, wannsde kaa Hansworscht bist, mechstde's gradso! Adolf, ich guck +Dich net mehr aa, wannsde's net gradso mechst!« + +Adolf war durch das Theaterstück nachdenklich gestimmt worden. + +Hatte Petruchio Recht? Mußte der Dichter mit dem seltsamen Namen die +Frauen nicht besser kennen als er? + +Sollte er dem Rat Bindegersts, der unablässig auf dem Heimweg in ihn +hineinredete, folgen? + +Ja, er wollte es versuchen. + +Auch wenn es bitter weh tat. + +Er beschloß, Petruchios Vorbild nachzuahmen. + +An einer Straßenecke verabschiedete sich sein Schwiegervater. + +»Ich geh noch e Schöppche drinke! Unn morje frieh geht die Dressur los! +Adolf, sei e Mann!« + +Er verschwand in einer Seitengasse, die sich nicht des besten Rufes +erfreute. + +... Adolf Borges schloß in dieser Nacht kein Auge. + +Grob sein sollte er, wie ein Wüterich auftreten, -- wie schwer das sein +mußte! + +Schreien sollte er, -- er, der Sanftmütige. + +Und gar schlagen. + +Ach Gott! Ach Gott! + +Am liebsten wäre er mitten in der Nacht zu dem Schauspieler gelaufen und +hätte sich Unterricht geben lassen. + +Wie würde Käthchen erschrecken! Von dieser Seite kannte sie ihn doch gar +nicht! + +Weinen würde sie, gerade wie die Widerspenstige in dem Theaterstück, -- +und er konnte doch Niemanden weinen sehen! + +Oh, welch furchtbare Aufgabe! + +Aber es mußte sein. Er konnte sich doch nicht vor Bindegerst lächerlich +machen und seinen Vorsatz wieder aufgeben? Und vielleicht half die +bittere Medizin tatsächlich? + +Am nächsten Morgen erschien Bindegerst ungewohnt pünktlich zum Kaffee. +Während Katharina das braune Getränk aus der Küche holte, zwinkerte er +dem Schwiegersohn vielsagend zu. + +»Sei stark!« bedeutete dieser Blick. »Adolf, jetzt gilt's!« + +Und Adolf bemühte sich, stark zu sein. + +Kaum hatte er einen Schluck getrunken, so setzte er die Tasse energisch +ab und behauptete: »Des soll Kaffee sei'? E Gesöff is des!« + +Bindegerst sekundierte: »E Drecksbrieh' is es, awwer kaa Kaffee!« + +Katharina war erstaunt. + +»Sieh mal an!« dachte sie. + +Und laut sagte sie: »Ei, laßt' s doch stehn, wann's Euch net schmeckt! +Mir is des schnubbe!« + +»Awwer #mir# is es net schnubbe!« begehrte Adolf auf und wunderte sich +über sich selbst. »Ich verlang 'n #ordentliche# Kaffee!« + +»Unn ich verlang aach en ornliche Kaffee!« echote Bindegerst. »Zum +Donnerwedder noch emal!« + +Käthchens Erstaunen wuchs. + +»Ihr seid wohl verrickt, Ihr Zwaa? Ihr seid scheint's im Dheater +iwwergeschnappt?« + +»Mir sin noch lang net so meschugge wie Du!« trumpfte Adolf, der +allmählich in Schwung kam. + +»Noch lang net!« bestätigte Bindegerst. + +»Unn so e Gesöff kimmt merr net mehr uff'n Disch!« erklärte Adolf. + +Und wie er es bei Petruchio gesehen hatte, packte er die Tasse und +feuerte sie in die Zimmerecke, daß die Scherben flogen. + +Er hatte erwartet, daß Käthchen nun in Tränen ausbrechen, daß sie um das +schöbe Geschirr jammern werde. + +Aber es kam ganz, ganz anders. + +»Da is noch #mehr# Platz!« sagte Katharina seelenruhig und schmiß +Kaffeekanne, Milchkanne, Zuckerdose und ihre eigene Tasse gegen die +Wand. + +Dann ging sie hinaus, kam mit einem Arm voll Tellern wieder. »So, des +könne merr zum Iwwrige lege!« Und knax, holterdipolter, prasselten die +Teller auf den Boden. + +Dann kamen die Gläser an die Reihe. + +Und zuletzt hauchte der Ritter von Stolzenfels am Rhein sein Dasein aus. + +»Seid'r jedz zufride?« frug Katharina. + +Adolf und Bindegerst sahen sich an. + +»Ich wer' an mei Arweit gehe!« sagte Bindegerst kleinlaut. + +»Unn ich muß ins Geschäft!« fügte Adolf hinzu. + +»Unn mir könnt'r de Buckel erunnerrutsche!« schloß Katharina das +Frühstück. + +Mittags wartete Adolf vergebens aufs Essen. + +Halb zwei Uhr war es schon geworden, um zwei mußte er im Geschäft sein, +und noch immer hatte Käthchen nicht angerichtet. + +Er schlich in die Küche. »Kriehe merr dann heut nix zu esse?« + +»Wodruff? Hastde Deller mitgebracht? Ich habb kaa, die sin all' kabutt.« + +Adolf kratzte sich hinter'm Ohr. + +»Da haww ich ganz draa vergesse,« stotterte er. »Heut Awend bring ich +welche mit!« + +»Awwer vorher fegstde die Scherwe uff!« befahl Katharina. + +Sie band ihm die Küchenschürze um, drückte ihm Besen und Schaufel in die +Hand. + +»Marsch, erei, unn uffgekehrt!« + +Und der kleine Adolf kehrte demütig die Scherben zusammen. + +Bindegerst sah ihm zu und sprach: »Adolf, Du hast Dei Sach' gut gemacht, +awwer gege #höchere Mächte# kann der Mensch nix mache!« + +»Sei widder gut, Kättche!« bat Adolf abends. »Ich waaß selwer net, was +ich heut morje gehabbt habb. Gebb merr en Kuß!« + +Aber Käthchen drehte ihm den Rücken. »Merr sin noch lang net fertich +miteinanner, mei Liewer! Ich guck, daß Samftmut bei Dir nix nitzt, -- +gut, ich kann aach annerschter sei'!« + +Und sie war fortan so annerschter, daß Adolf auf die Frage des Herrn +Baldrian, wie ihm das Stück gefallen habe, antwortete: »Gespielt hawwe +se's ganz schee, -- awwer des Stick daugt nix! Ganz unwahrscheinlich, +Herr Baldrian! E echt amerikanischer Schwindel!« + + + + +Gar viele Liebespärchen, solche mit und solche ohne standesamtliche +Ambitionen, hatte der Mann im Mond beobachtet, seit er den scheppen +Adolf hatte in die Falle gehen sehen, in der ein so magerer Köder hing. +Nun hatte er ihn längst aus den Augen verloren. An einem Winterabend +aber, als die Luft klar war wie geschliffenes Glas, fielen die Blicke +des himmlischen Holzarbeiters wieder einmal in das Dachfensterchen und +blieben erstaunt an dem Bilde haften, das sich bot: + +Vater Bindegerst hatte das Ohr an die Türe gelegt und lauschte grinsend +dem Lärm, der aus dem unteren Stockwerk scholl. + +»Se kloppt em de Aazug, ohne daß er'n ausgezoge hat!« schmunzelte er. +»Jeder Schlag en Treffer! Ich kann de Adolf net verstehe! So e Eh' hätt +ich schonn hunnertmal gekinnigt. Awwer so is des Lewe: e Gemeinheit von +hinne bis vorne! Von owwe bis unne. -- Ui, schonn widder! Adolf, Adolf, +ich ließ merr de Buckel vernickele an Deiner Stell!...« + +Er zog den Kopf schnell zurück, denn er hatte unten die Türe gehen +hören, setzte sich an den Tisch und zündete behaglich eine Pfeife an. + +Schlürfende Schritte kamen die Treppe herauf. Adolf trat ein. + +»Hat se widder ihrn elektrische Dag?« erkundigte sich Bindegerst und +schnitt ein teilnehmendes Gesicht. + +Adolf ließ sich aufs Bett fallen. + +»Ich halt's net mehr aus, Vadder!« stöhnte er. »Kaa friddlich Minut haww +ich mehr!« + +»Der Sultan hält's mit vierhunnert Weiwer aus,« sprach sein +Schwiegervater großartig, »unn Du willst net emal die aa aushalte?? -- +Mach Derr nix draus, Adolf, du waaßt doch, wie se is!« + +Aber diesmal war Adolfs Seele zu tief verwundet, als daß sich der +Schmerz hätte durch solch schwache Narkotika besänftigen lassen. + +»Ich wollt', ich wär dod!« sagte er. »Vier Schuh unner der Erd', -- ich +glaab, da is's Lewe am scheenste! Da is so still, die Werm unn die +Maulwerf sin kaa bissi nervös, unn was vier Schuh #iwwer# merr bassiert, +davoo heer unn seh ich nix mehr... Bloß die Sterncher, die leuchte dorch +die Erd' dorch, unn dorch de Sargdeckel, unn ich guck se trotz meine +geschlossene Aage, unn ihr Schei' mecht merr warm wie die best +Zentralheizung. An en Dodedanz, nachts von zwelf bis um aans, waaßtde +Vadder, dadraa glaaw ich net. Die Hopserei dhät mich aach nix nitze. Ich +kann ja gar net danze. Awwer daß alsemal so e Zwerg, so e Gnom kimmt, +glaaw ich, unn hebt de Sargdeckel uff unn guckt neugierig erei, -- awwer +ich stell mich, als ob ich nix merke dhät, dann ich habb kaa Lust zu +babbele. Ich habb im Lewe genuch dumm Zeug geheert. -- Gell, Vadder, Du +dhust merrsch verspreche, daß De merr Watt in die Ohrn stobbst, wann ich +dod bin?« + +Bindegerst sah ihn erstaunt an. + +Was sein Schwiegersohn für komische Gedankenspaziergänge unternahm! Er +selbst hatte ja auch manchmal Halluzinationen, nämlich wenn er seiner +Geliebten zu eifrig zugesprochen hatte, aber so verrücktes Zeug kam ihm +nicht in den Sinn. Ihm erschien höchstens ein Riese und trommelte ihm +mit einer Keule auf den Schädel, und wenn er sich dann aufrichtete, sah +er, daß er im Suff mit dem Kopf wider die Drechslerbank geschlagen war, +und so lösten seine Visionen sich stets natürlich und logisch. + +Aber was sein Schwiegersohn in der letzten Zeit mitunter phantasierte, +das grenzte ja an helle Verrücktheit. + +»Es schlägt sich bei em uffs Gehirn!« dachte er und beschloß, dem +Gespräch wieder eine reale Wendung zu geben. »Was war dann los? Was hat +se dann gehabbt?« + +»Was se jedz #immer# hat! Se hat doch jedz die fix Idee: ich mißt mehr +verdiene! Da leiht se merr derrmit in de Ohrn, des is ihr +Leibtrompetestick, wo se merr von frieh bis in die Nacht enei vorbläst! +Des geht wie e Uhrwerk -- + +»Unn wannsde widdersprichst, dann fängt die Uhr aa zu #schlage#!« +ergänzte Bindegerst. + +Adolf wischte sich mit der Hand über die Augen. »Wann ich nor wisse +dhät, ob se mich iwwerhaapts noch lieb hat? Guckstde, Vadder, des frißt +an merr unn läßt merr kaa Ruh! Ich dhät merr ja gern alles gefalle +lasse, -- was zwische meine vier Wänd vorgeht, des guckt ja Niemand --. +Maantswege kratzt se merr die Aage aus, awwer #aus Lieb# muß se kratze! +Ach Vadder, manchmal, da is merrsch grad, als ob se mich #hasse# dhät, +als ob se mich net ausstehn könnt, als ob ich'r zuwidder wär wie +Rizinusöl, unn des mecht mich noch ganz krank!« + +Er schwieg verzweifelt. Der Alte legte die Pfeife weg, nahm die Flasche +unter dem Tisch hervor und stärkte sich durch einen langen Schluck zu +der Beruhigungsrede, die er jetzt angemessen hielt. + +»Du nemmst's zu schwer!« tröstete er. »Iwwer die Weiwer soll merr +iwwerhaapts net so viel nachdenke! Wie se sin, so sin se, -- ich habb se +net geschaffe, ich wasch mei Pote in Unschuld. Unn's Kättche, no, wo se +doch jedz in dem Zustand is ...« + +»Was for e Zustand?« frug Adolf Borges mißtrauisch. + +Bindegerst feixte verschmitzt. »Awwer verstell Dich doch net, Adolf! Des +mußtde doch längst gemerkt hawwe!« + +»Ich habb nix gemerkt.« + +»#Des# hastde net gemerkt? Ei, in #annerne# Zuständ is se doch ...« + +Adolf war erregt aufgesprungen und ergriff seines Schwiegervaters Hand. +»Was hastde da gesacht?!« + +»No, bring mich nor net um!! Ich kann doch nix dafor! An mir braachstde +doch Dein Ärjer net auszulasse!« + +»Ärjer?? Ärjer, Du Rindvieh?« jubelte Adolf und lachte vor Glück. »Is es +sicher? Hastde Dich aach net verguckt? Vadder, wann's nor wahr is!!« + +»No, heer emal, ich bin doch net farweblind! Se geht doch schonn uff wie +Hefeteig! -- Unn des merkt der Schlemihl gar net!« + +»In annerne Zuständ!« jauchzte Adolf und fing an, in der Stube +herumzutanzen. + +Er war, nach seinem eigenen Geständnis, in der Kunst Terpsichores ein +vollkommener Nichtskönner und doch: selbst die Schwestern Wiesenthal und +die Clotilde Derp haben niemals die Freude so überwältigend getanzt wie +in diesem Augenblick das scheppe Adolfchen. + +»In annerne Zuständ!! Was e Glick, was e Glick! In annerne Zuständ! +Vadder, ich wer' meschugge! Ich muß Derr en Kuß gewwe! Odder naa, -- ich +muß doch erscht emal nachgucke, ob's aach werklich so is! In annerne +Zuständ!!« + +Und er tanzte zur Türe hinaus. + +Kopfschüttelnd sah Bindegerst ihm nach. »Jetz wer' ich bald e Gummizell +reserwiern lasse misse!« dachte er. »Hastde schonn so ebbes erlebt! Ich +glaab, der schreit noch Hurrah, wann's #Drilling# wern!« + +Adolf Borges sprang die Treppe hinunter, mit jedem Sprung drei Stufen, +mit den Händen gestikulierend und immer wieder jauchzend: »In annerne +Zuständ! In annerne Zuständ!« + +Als er aber vor der Schlafzimmertüre stand und gerade die Klinke +herunterdrücken wollte, da fiel ihm ein, daß sein Käthchen jetzt nicht +in der Laune war, Begeisterungsausbrüche in Empfang zu nehmen, er wandte +sich zum Kleiderständer, nahm Hut und Mantel und lief davon. + +Der Mann im Mond konnte ihn nun nicht mehr beobachten, denn die Erde +hatte den dichten Schleier eines Schneegestöbers vor ihr Antlitz +gezogen. Die dicken Flocken flatterten Adolf ins Gesicht, schmolzen auf +Nase und Wangen, besäten seinen Mantel mit Sternchen, als wollte der +Himmel den kleinen Mann mit unzähligen weißen Orden auszeichnen für das +Verdienst der Vaterschaft. + +Wie alle Leute, die nicht wissen, wohin sie eigentlich wollen, hatte +Adolf es sehr eilig. Er stürmte durch die Straßen, als gelte es, eine +Wette zu gewinnen, bis er sich auf der Landstraße nach Frankfurt fand. +Da mäßigte er das Tempo und ergab sich, langsameren Schrittes, seinen +stillen Betrachtungen. + +»Wie schee is doch die Nadur eigericht': merr denkt an nix beeses, unn +uff aamal is e Kind da! Grad als ob's von selwer komme dhät, so wie die +Blumme unn die Bäum! Es gibbt Leut, die lasse sich die deuerste Beete in +ihr Gärte eneiplanze unn lasse de Gärtner dadraa erumkorkse, Gott waaß +wie lang! Awwer se könne sich uff de Kopp stelle: so e schee +Zusammestellung, wie se drauße uff de Wiese ganz von selwer werd, bringe +se net eraus. Unn wie mit de Blumme, werd's aach mit de Kinner sei'. Die +so unverhofft komme, ohne daß merr sich vorher die Bää drum ausreißt, +des wern die beste! -- Naa, ich mach merr gar kaa Gedanke drum, ob's +blond odder schwarz werd, ob's helle oder dunkle Aage hat, ob's e Bub is +odder e Mädche. Der Storch is doch kaa Gemiesfraa, daß merr mit'm +#hannelt#! Awwer blond wär merr schonn am liebste, unn wisse dhät ich +halt gern, ob's helle Aage hat, -- ach so, ich wollt merr ja kaa Gedanke +driwwer mache!« + +Er lächelte in sich hinein und blieb unwillkürlich stehen. Er hörte das +feine, silberige Geräusch der fallenden Flocken und dachte: »Der liewe +Gott streichelt die Erd'. Unn er hat waaße Glacehandschuh derrzu +aagezoge. Unn er fährt mit der Hand iwwer die Schneedeck, wie e Mudder +iwwer des Wiegedeckche von ihrem Kindche, unn summt »Schlaf, Erdche, +schlaf! ...« + +Wieder lächelte er. + +»Ich möcht nor wisse, was ich heut habb, daß ich heut immer an #Kinner# +denk! -- Ach so, ich soll ja selwer aans kriehe! Ich krieh ja Kinner!« + +Und er rief gegen den Sachsenhäuser Berg: »Heerstde's, ahler Berg, ich +krieh Kinner! Ei, Du Spinat unn gehle Riewe unn Quetschebäum unn was +sonst da drowwe wachse dhut: Kinner kriehe merr! So dhut doch lache, Ihr +verrickte Planze, schlagt doch Borzelbäum: Kinner gibbt's!« + +Und er fing laut an zu lachen und schnappte im Übermut mit dem Mund nach +den Schneeflocken wie ein Fisch nach einem Brotbrocken. + +Und die Telegraphendrähte summten: »Annerne Zuständ«, »Annerne Zuständ«, +als würde dieses Ereignis in der ganzen Welt herumdepeschiert. + +Eine Kirchturmuhr im nahen Oberrad schlug die zehnte Stunde. Der dumpfe +Klang weckte Adolf Borges aus seinen fröhlichen Träumereien. + +»Wann ich so weider laaf, bin ich morje frieh in Afrika!« sagte er sich +und machte kehrt. + +Mit dem Erwachen aus seiner Seligkeit kam ihm auch die nächtliche Kälte +zum Bewußtsein. Er fühlte, daß er nasse Füße hatte, und er rieb sich die +roten Ohren. Eine Weile trabte er nun still und gesittet auf der +Landstraße dahin, gewissermaßen schon umstrahlt von Vaterwürde. + +Dann kam die Freude wieder zum Ausbruch. Er bückte sich, knetete +Schneeballen und eröffnete ein Bombardement auf Telegraphenpfosten und +Bäume. + +»Wann ich treff,« sagte er sich beim ersten Schneeballwurf, »dann werd's +e Bub! Geht's danewe, werd's e Mädche!« + +Und beim zweiten Wurf probte er aus, ob die Haare blond oder schwarz, +beim dritten, ob die Äuglein hell oder dunkel werden würden. + +Einen blonden Buben mit blauen Augen verhieß ihm dieses Orakel, und er +war damit sehr zufrieden. + +Schneebedeckt und durchnäßt kam er nach Hause. Er schüttelte Mantel und +Hut vor der Haustüre aus und trampelte sich den Schnee von den Stiefeln, +um nicht Käthchens Zorn zu erregen. + +Recht zärtlich wollte er seine Frau begrüßen und sie gleich befragen, ob +Vater Bindegersts Behauptung denn auch wirklich wahr sei? + +Aber dazu kam er gar nicht, denn sobald er das Schlafzimmer betreten +hatte, schrie ihn Katharina erbost an, wo er jetzt herkäme, und was das +für eine neue Mode sei, mitten in der Nacht heimlich aus dem Haus zu +laufen? + +Einen ganz fürchterlichen Krach machte sie, wahrend dessen sich Adolf +bekümmert auszog und niedergeschmettert ins Bett kroch. Katharina drehte +ihm den Rücken zu, blies das Licht aus und schlief ein, ohne seinen +zaghaften Gute-Nacht-Wunsch zu erwidern. + +Ein gehöriger Schnupfen war das erste väterliche Opfer Adolfs. + +Am nächsten Morgen beim Kaffee hielt er's nicht mehr aus, er mußte +Gewißheit haben. Er hatte seine Frau genau beim Ankleiden beobachtet, +aber er, der Unerfahrene, hatte sich kein Urteil bilden können. So +blickte er denn, als sie am Frühstückstisch saßen, sein Weibchen recht +innig an, beugte sich zu ihr hinüber und wisperte lächelnd: »Is es so +weit, lieb Kättche?« + +»Mit was?« schrillte es grob zurück. »Kannstde Dich net so ausdricke, +daß Dich e vernimftiger Mensch versteht?!« + +»Ich maan, lieb Kättche, ... es kimmt merr so vor, als ob ... als wie +wann ebbes Klaanes unnerwegs wär!« + +»Unn was weider?« + +»Also is es so?« strahlte Adolf. »Is es so?« + +Da stand Katharina ärgerlich auf. »Ich habb Derrsch doch schonn gesacht! +Frag net so dumm! Was is'n weider dabei!« + +Und sie ging in die Küche und schien sehr zornig zu sein. + +Im ersten Augenblick war Adolf verblüfft. Dann sagte er sich: »Es kimmt +von ihr'm Zustand. Ich wär wahrscheinlich aach net annerschter, wann ich +so weit wär!« + +Und dies mußte er sich fortan oft sagen. Denn Katharina ward immer +unleidlicher und reizbarer. Kein Tag verging ohne Lärmszene. Aber Adolf +beklagte sich nicht mehr bei seinem Schwiegervater, er ertrug die +geistigen und körperlichen Mißhandlungen mit noch geduldigerer Sanftmut +als je. Jede Launenhaftigkeit Katharinas war ihm nur ein neuer Beweis +des Glückes, das er zu erwarten hatte. Denn jetzt wußte er den Zustand +seiner Frau und dessen Begleiterscheinungen sachverständiger zu +beurteilen: hatte ihm doch Bindegerst aus seiner dreibändigen Bücherei +»Das Geschlechtsleben des Menschen« zu lesen gegeben. + +Daraus erfuhr Adolf mancherlei, was ihm bisher unbekannt gewesen. Die +wichtigsten Stellen fielen ihm leicht ins Auge, denn die hatte +Bindegerst mit Bleistift angestrichen. Und auch einige Randbemerkungen +von Bindegersts Hand fanden sich in dem Buch, die bewiesen, daß der Alte +in Bezug auf das Geschlechtsleben des Menschen höchst menschlich dachte. + +Bindegerst ließ für einige Zeit das Schnitzen von Affenköpfen sein, er +zimmerte ein Kinderbettchen. Den Ausmaßen nach schien es für ein +Riesenkind bestimmt zu sein. + +Es wurde Adolfs Lieblingsbeschäftigung, dem Schwiegervater beim Bau +dieser kleinen Arche Noah zuzuschauen, und schon sah er im Geiste seinen +Stammhalter in dem Bretterkasten zappeln. Er gewöhnte sich an, schon +jetzt den alten Bindegerst mit »Großvadder« anzureden, und dieser zeigte +sich seinerseits durch die Anrede »Herr Babba« erkenntlich. + +»Großvadder, maanstde net, merr könnt bei dem Bettche noch so vier +Engelsköppcher an die Ecke mache?« + +»Unn vielleicht aach noch e Oferohr in die Mitt, Herr Babba?« spöttelte +der Meister. Ihn belustigten Adolfs ewige Anregungen zu Verschönerungen +des Bettes, und er gefiel sich deshalb darin, ihm die unmöglichsten +Verzierungen vorzuschlagen. + +»Ich maan als, Herr Babba, merr sollt an dem Bettche en Kleiderhake mit +eme Zylinnerhut aabringe! Daß der Bub aach grieße kann, wann der Dokter +zum Impfe kimmt!« + +»Maanstde net, Herr Babba, merr sollt en Aschebecher draamache? Odder +werd's e Nichtraacher?« + +Katharina rümpfte verächtlich die Nase, wenn sie Brocken solcher +Gespräche aufschnappte. Sie schien sich nicht im mindesten auf das Kind +zu freuen, sie nahm ihre Schwangerschaft wie eine etwas lästige +Selbstverständlichkeit hin, über die Worte zu verlieren nicht lohnt. + +Manchmal mußte sie sich, wenn sie das Essen auftrug, plötzlich mit +leisem Stöhnen setzen. Neigte sich dann Adolf besorgt über sie, so +knurrte sie böse: »Laß mich! Ich kann des dumm Gedhu net verdrage!« + +»Kättche, merr wolle in der Kich' esse, dann braachstde des Esse net +ereizudrage!« + +»Unsinn! Ich bin net krank!« + +»Kättche, willstde dich net e bissi umlege?« + +»Mei Ruh will ich hawwe! Ich bin net so zimberlich unn faul wie gewisse +annern Leut!« + +Fühlte sie Adolfs zärtliche Blicke auf sich ruhen, so drehte sie ihm in +spöttischer Verachtung den Rücken. Und einmal sagte sie wütend: »Jedz +haww ich genuch von dem alwerne Erum-Gescherwenzel! Des is des erste unn +letzte Kind, was ich krieh! Dadafor wer' ich schonn sorje!« + +Adolf hatte eine Heidenangst vor der Entbindung. Immer wieder las er +»Das Geschlechtsleben des Menschen«, er erkundigte sich eingehend bei +Bindegerst, wie es denn seinerzeit zugegangen sei, als Katharina auf die +Welt kam. + +Aber der konnte ihm nur die Auskunft geben: »Ich waaß es net, ich bin +solang spaziere gange!« + +Am fünften Mai wurde Adolf vormittags gegen zehn Uhr in das Privatkontor +seiner Chefs gerufen. + +»Adolf,« sagte der dicke Herr Schröder, »es hat nach Ihne delefoniert, +Se solle aageblicklich haamkomme!« + +Da wußte Adolf gleich, was los war. + +»Herr Schröder,« stammelte er erregt, »Herr Schröder, merr kriehe +Kinner!« + +»#Merr#??« meinte Herr Schröder. »Merr? -- Net, daß ich wißt'!« + +Adolf Borges stürmte davon. Er rannte unterwegs eine alte Dame um, aber +er hatte keine Zeit, sie um Entschuldigung zu bitten, sondern er fauchte +nur im Weitersausen: »Ahl Schachtel, kannstde net Blatz mache!« + +Als er zu Hause ankam, war schon alles vorbei. Katharina lag erschöpft +und bleich im Bett, mit zusammengekniffenen Lippen. Er stürzte auf sie +zu, sie zu umarmen und zu küssen, aber sie runzelte die Stirn und zog +den Kopf zurück. + +Großvater Bindegerst saß am Bett und sagte: »Ich gradulier! Gut is +gange! Awwer 's nächste Mal geh' ich widder spaziere!« + +Adolf suchte das Kind. In dem kunstvoll gezimmerten Bettchen lag ein +kleines Etwas, das einem gelblichen Affen nicht unähnlich sah. Er wollte +es an sich reißen, da sagte eine fremde, dicke Frau: »Nix da! Se hawwe +jedz hier gar nix zu suche! Se könne sich den Bub später noch genuch +betrachte!« + +»Den Bub?« jubelte Adolf. »E Bub is es! Kättche, was e Glick!« + +Er wollte wieder zu Katharinas Bett eilen, niederknien, sie küssen; er +stieß dabei eine kleine Badewanne um, die am Boden stand, und +verursachte eine Überschwemmung. + +»Rindviech!« hauchte Katharina. + +Die fremde Frau, die sich offenbar hier als Herrscherin fühlte, packte +ihn am Ärmel und befahl: »Jedz mache Se awwer, daß Se 'nauskomme! Merr +braache jedz Ruh!« + +Da stieg er hinauf in das Dachzimmerchen, über die Stufen stolpernd, vor +deren Unzuverlässigkeit ihn Bindegerst schon beim Mieten des Zimmers +gewarnt harte. Er hatte sich die Nase gehörig aufgeschlagen, aber er +spürte keinen Schmerz. + +Er streckte den Kopf zum Dachfensterchen hinaus und brüllte: »Ich habb +'n Sohn! 'n Sohn haww ich!« + +Aber die Stadt Offenbach nahm keine Notiz von diesem großen Ereignis. + +Und plötzlich kniete er vor dem Schrank mit dem kaputenen Schlüssel +nieder, betete ein Gebet, über dessen Verwirrtheit alle Engel im Himmel +hellauf lachten, schüttete die ganze Frömmigkeit, die in seinem +harmlosen Herzen schlummerte, aus. + +»Ich dank Derr schee, liewer Gott, daß es so gut +voriwwergange is! Ich wer' mich schonn revanschiern! Ich will so e guder +Mensch sei', wie's iwwerhaapt noch kaan gewwe hat! Du werst's schonn +gucke! Unn laß merr nor des Kättche unn de Bub gesund bleiwe, laß liewer +#mich# die Cholera kriehe! Was e scheener Bub, liewer Gott! Unn #ich# +bin der Vadder! Gell, da guckstde? Laß en nor was Gescheides wern, +liewer Gott, es braacht ja net gleich Brofesser zu sei', awwer so recht +e aastänniger Mensch! Unn Geld soll er aach verdiene, denn ohne Moses +unn die Prophete, da schweige alle Fleete! Unn sei net bees, liewer +Gott, daß ich so 'n Stuß zusammebet', awwer ich bin ja ganz meschugge +vor Freud! Amen.« + +Im Geschäft wurde die Nachricht vom Familienzuwachs des scheppen +Adolfchens mit großer Heiterkeit aufgenommen. Und wieder machten die +männlichen Angestellten solche Witze, daß die Damen rot wurden. Aber das +wurden sie gern. + +Und der eklige Kassierer sagte: »Bloß #aans#? No, gewwe Se de Mut net +uff, des nächste Mal wern's schonn Zwilling wern! Ibung mecht de +Meister.« + +Und der gute Herr Heinrich Baldrian drückte ihm die Hand und sprach in +seiner besonnenen Art: »Ich gratuliere Ihnen. Aber es ist eine große +Verantwortung, so ein Menschenkind in diese miserable Welt zu setzen. +Ich sag's Ihnen offen: #ich# hätte nicht das Gewissen dazu.« + +Und der Herr Schröder sagte: »E Bub? Mei' Hochachtung! Dichtige Leut +hawwe merr im Geschäft! No, Se wern jetz allerlei Ausgawe hawwe, -- vom +nächste Erschte ab kriehe Se fuffzeh Mark mehr!« + +Und bald ging Alles wieder seinen gewohnten Gang. + +Katharina war schon nach wenigen Tagen wieder aufgestanden. Ihr Wesen +blieb zänkisch und bösartig, ihre Streitsucht nahm eher zu als ab. Sie +bewies dem Kinde keine Zärtlichkeit, sie betrachtete seine Anwesenheit +einfach als eine Vermehrung ihres Arbeitspensums, das sie mit mürrischer +Selbstverständlichkeit erledigte. Sie vernachlässigte das kleine +Gustavchen ebensowenig wie sie je ihren Haushalt vernachlässigt hatte, +sie erfüllte ihre Pflicht, -- aber wer auf dieser Welt nur seine +#Pflicht# tut, tut zu wenig. + +Pflicht ist ein häßliches Wort, ein Wort des Zwanges, und erst wenn +dieser Begriff aus dem Denkvermögen der Menschen geschwunden sein wird +und #dennoch# jedermann »seine Pflicht tut«, werden wir uns rühmen +dürfen, Kultur zu besitzen. + +Adolf empfand tiefschmerzlich die Lieblosigkeit der Mutter. Für alle +seine glücklich-neckenden Fragen, ob der Kleine ihm oder ihr ähnlicher +sähe, ob er diesen und jenen Zug von den Borges oder von den Bindegersts +geerbt habe, hatte sie nur ein frostiges Achselzucken. Er aber war +hemmungslos vernarrt in den Säugling, der nur das Mäulchen zu einem +Lachen zu verziehen brauchte, um seinen Vater in einen Taumel des +Entzückens zu versetzen. + +Täglich entdeckte er neue Eigenschaften an ihm, ausnahmslos Tugenden und +Anzeichen ungewöhnlicher Gescheitheit, über die er zu seinem Kummer nur +mit dem #Großvater# plaudern konnte, denn Katharina hatte sich ein für +allemal dieses »dumme Geschwätz« verbeten. + +Den Großvater aber konnte der kleine Gustav nicht leiden. Näherte er +sich nur dem Bettchen, so fing er an zu schreien, als stünde die +schlimmste Mißhandlung bevor. Weder Adolf noch Bindegerst konnten sich +dieses seltsame Verhalten erklären, und doch war die Lösung des Rätsels +so naheliegend: das Büblein konnte einfach den Schnapsgeruch des Alten +nicht ertragen. + +Schrie der Kleine des Nachts, so geriet Adolf in die höchste Aufregung. +Er verstand nicht, daß Katharina das Plärren Gustavchens kaum beachtete, +und er zweifelte in solchen Augenblicken ernstlich daran, daß Katharina +überhaupt Gefühl besäße. + +»Heerstde's net?« bat er eines Nachts. »Mach doch 's Licht aa unn gebb +'m die Brust!« + +»Gebb Du se'm!« brummte Käthchen. + +Die Strenge der Mutter trug übrigens gute Früchte, der kleine Schreihals +gewöhnte sich bald das nächtliche Konzertieren ab. + +Auch im Geschäft erzählte Adolf von seinem Wunderkind. Er sah nicht die +ironischen Blicke, die die Angestellten bei seinen begeisterten +Schilderungen austauschten, er hörte aus den scheinbar teilnehmenden +Fragen nach Einzelheiten nicht den losen Spott heraus. Er hielt es für +aufrichtiges Interesse, wenn sie ihn ausforschten, wieviel das +Gustavchen an Gewicht zugenommen habe, wieviel es getrunken habe, und +wie es mit seinem Stuhlgang stünde. + +Mitten in seiner Arbeit überfielen ihn Zärtlichkeitsanfälle, heftigere +noch als damals in seiner Bräutigamszeit. Hatten ihn damals die +Putzfrauen dabei erwischt, wie er vor einer Modellfigur niederkniete, so +erwischte ihn jetzt der eklige Kassierer dabei, wie er ein +frischgeschnürtes Paket gleich einem Wickelkinde in den Armen wiegte und +so tat, als kitzle er's unter dem Kinn: »Du-du-du, -- wie lacht das +tleine Dustavchen?« + +Das war dem Gestrengen doch zu bunt, er ging zu Herrn Schröder, sich zu +beschweren. »Herr Schröder, des geht net mehr so weider mit'm Adolf! Der +werd ja ganz verrickt!« + +Aber der dicke Herr Schröder gab Denunziationen grundsätzlich kein +Gehör. »Werd er for #Ihr# Geld meschugge, odder for #meins#? -- No +also!« fertigte er den Angeber ab. + +Da Adolf sich in seinen Gedanken unausgesetzt mit seinem Kinde +beschäftigte und im Geiste mit ihm die lieblichsten Gespräche führte, +passierte es ihm, daß er, als ihn Herr Feldmann rief, antwortete: +»Tleich tomm ich, Herr Feldmann! Tleich!« + +Da wollte der Chef ernstlich böse werden, aber sein dicker Teilhaber +besänftigte ihn: »Lass'n, Hermann! Merr muß Geduld mit'm hawwe: er hat +noch e bissi 's Wochebettfiewer!« + +Adolf erhoffte von dem Kinde eine glücklichere Gestaltung seines +Ehelebens, er glaubte fest, dieses Kinderherz müsse der paradiesische +Boden sein, auf dem sich die Eltern nach so langem Mißverstehen finden +müßten. + +Ach, und gerade durch das Kind erhielt ihr Zusammenleben den tiefsten, +unheilbaren Riß. + +Ungefähr ein halbes Jahr war Gustavchen alt, als Katharina Sonntags, +nach dem Mittagessen, anordnete: »Vadder, geh enuff, Dei +Middagsschläfche mache, ich habb mit'm Adolf zu redde!« + +Es wurde Adolf unbehaglich bei dieser Ankündigung. Was konnte ihm seine +Frau in Abwesenheit des Großvaters zu sagen haben? + +»Heer' emal,« sagte Katharina, als sie allein waren, »'s werd Zeit, daß +merr uns emal iwwer's Gustavche klar wern!« + +Gott sei Dank: um das Gustavchen handelte es sich also! Nun, er würde +sich gewiß gegen nichts sträuben, was dem Kinde von Nutzen sein konnte. + +Katharina trat dicht vor ihn und frug betont: »Du hast doch vierdausend +Mark uff der Sparkass?« + +»Ja, Kättche!« antwortete Adolf unsicher und verlegen. »Was is damit?« + +»Ich habb mich bisher nie drum gekimmert, awwer des Geld muß uff'm +Gustav sein Name geschriwwe wern! Merr sin all nor Mensche unn merr kann +net wisse, was bassiert. -- Bistde eiverstanne?« + +Adolf wußte nicht mehr, was er antworten sollte. Das Geld, ach, das +hatte er ja gar nicht mehr. Damit hatte ja Bindegerst seinen +Holzlieferanten bezahlt. + +Aber nun mußte das Geld unter allen Umständen wieder herbeigeschafft +werden. Es #mußte#. Noch heute würde er mit Bindegerst reden ... + +»Ich habb gefragt, obsde eiverstanne bist?« + +»Nadierlich bin ich's, Kättche.« + +Sein Blick irrte ratlos im Zimmer umher, er konnte Katharina nicht in +die Augen sehen. Ein schrecklicher Gedanke durchrieselte ihn: wenn +Bindegerst das Geld nicht mehr beschaffen konnte? Der Großvater hatte +zwar versprochen gehabt, ihm Haus und Geschäft zu verschreiben, aber +Adolf war viel zu anständig gewesen, ihn jemals an diese Verschreibung +zu mahnen. + +»Also dann gebb merr des Buch!« + +Adolf Borges wurde kreidebleich. Nun half nichts mehr, jetzt galt es +Rede stehen. + +»Kättche, des is ... des is so e Sach!« stammelte er und zitterte am +ganzen Körper. »Des Buch ... des haww ich nämlich ... des haww ich +nämlich net mehr.« + +»Wa--as?!« + +»Des Buch, des haww ich nämlich ... 'm Großvadder gewwe ... weil er doch +Schulde gehabbt hat ... unn da ...« + +Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er starrte mit großen, +ängstlichen Augen sein Weib an. + +Katharina stand einen Augenblick mit offenem Mund da. Dann brach sie +los: + +»Du Lump! Du Schuft! Dadafor haww ich mich abgerackert wie e Dier! +Dadafor haww ich jeden Fennich zusammegekratzt unn merr nix, nix, nix +gegönnt! Du Schwein, Du! Kinner in die Welt setze unn net sorje dafor! +Des baßt Derr! Aas!« + +»Awwer Kättche ... 's is doch Dei Vadder ... ich konnt doch den ahle +Mann unmeeglich sitze lasse ...« + +»Den Säufer? Des Schwein, des verdammte? Des sich bei uns dorchfrißt unn +kaan Fennich dafor bezählt?« Sie lachte schrill auf. »Zu #mir# hätt' er +komme solle! Ich hätt'm was annerscht gebumbt! Unn Du Rindviech gibbst +unser schee Geld her! Unn frägst mich net! Saukerl! ...« + +Sie schlug die Hände vors Gesicht und heulte. In langgezogenen, +kreischenden Tönen. + +Schuldbewußt stand Adolf neben ihr. + +Ja, sie hatte recht, er hatte seinen Sohn um das Geld gebracht. Aber +damals, als er sich von Bindegerst beschwatzen ließ, #hatte# er ja noch +gar keinen Sohn! Freilich, er hätte dennoch an die Möglichkeit denken +sollen ... + +Katharinas hysterisches Weinen ließ ihm das Herzblut gerinnen. Wie +gerne, ach wie gerne hätte er sie durch Liebkosungen beruhigt, hätte er +ihr Haar gestreichelt! Aber er traute sich nicht, sie zu berühren. Er +wollte ja seinen Leichtsinn wieder gut machen, er wollte den Verlust +nach und nach wieder ersetzen: keinen Tropfen Bier würde er sich mehr +gönnen, keinen Pfennig Trinkgeld mehr für sich behalten. Und nichts, +nichts mehr tun, ohne seine Frau zu befragen. + +»Flenn doch net, Kättche! Des dhut merr ja so weh! ... Guck, lieb +Kättche, der Großvadder hat merr ja des Haus dafor verschriwwe, unn's +Geschäft ...« + +Da schüttelte sie die Wut von neuem. »Des Haus? Des Geschäft? Wo kaan +rote Batze wert sin? Wo kaa Backstei' mehr davoo ihm geheert? Du +dreckiger Hund, Du Vieh ...!« + +Sie wußte nicht mehr, was sie schrie. Sie riß das Kind aus dem Bettchen, +hob es hoch, rüttelte es wild in der Luft: »Da, guck Derr Dein Vadder +aa! Guck Derr'n aa! Dei Geld hat'r zum Fenster nausgeschmisse, der Lump! +Hätt er Dich doch gleich hinnerher geschmisse! Des wär des Gescheitste!« + +Das Kind brüllte unter den krallenden Griffen Katharinas jämmerlich. Mit +einer instinktiven Angstgebärde entriß Adolf es ihr, wollte es zurück +legen ins Bettchen, aber Katharina stürzte auf ihn zu, schlug sinnlos +auf ihn ein, -- und er ließ den Hagel von Faustschlägen stumpf über sich +ergehen, das kreischende Kind dicht an sich pressend, um es vor den +wahllos niederprasselnden Hieben zu schützen. + +Schließlich hörte er die Türe knallend zuschlagen, er hob verstört den +Kopf, -- er war allein. + +Da küßte er das Gustavchen, legte es ins Bettchen, blieb bei ihm sitzen. + +»Sei still, Gustavche,« flüsterte er, »danz brav sei', Dustavche! Danz +brav is'm Babba sei Liebling!« + +Und mitten in diesen zärtlichen Einlullungsversuchen legte er plötzlich +sein Haupt auf den Rand des Kinderbettes und weinte lange. + +Als das Kind endlich schlief, stieg Adolf hinauf in das Dachzimmer, das +seine Zufluchtsstätte in allen Leiden geworden zu sein schien, und +sprach zu seinem Schwiegervater: »Nemm Dei Sach, Großvadder, unn zieh +erunner! Von heut ab wohn #ich# widder hier owwe!« + +Und da Bindegerst ihn fragend ansah, fügte er hinzu: »Ich will nix +weider driwwer redde, awwer 's is besser so!« + +Und Bindegerst fügte sich. Aber er dachte in seinem Innern: »Des is der +Aafang vom End'!« + +Von dem Sparkassenbuch wurde nicht mehr gesprochen. Katharina fand sich +mit dem Verlust als einer gegebenen Tatsache kurz und energisch ab. + +Aber sie wußte sich zu rächen. Sie legte sich eine neue, kränkende +Redensart bei, sie gewöhnte sich neben der Behauptung, sie habe »Prinze +unn Korferschte heierate« können, den höhnischen Ausruf an: »Merr +könne's uns ja leiste! Merr hawwe ja's Geld zum Nauswerfe!« + +Hatte sie früher jede Münze dreimal in der Hand gedreht, ehe sie sich +zum Ausgeben entschloß, so schien sie jetzt das Sparen für die größte +Torheit zu halten. Sie kaufte sich allerhand nichtigen Tand, holte sich +bei dem blondgelockten Herrn Hippenstiel Parfüms und Haarpfeiler, fuhr +bei ihren Wirtschaftsbesorgungen die kleinsten Strecken mit der +Elektrischen und rieb alle diese kleinen Verschwendereien Adolf mit dem +Hinweis unter die Nase: »Merr hawwe's ja! Leut wie mir!« + +Jeden Sonntag, nach dem Mittagessen, begann sie zu sticheln: »Fahr doch +e bissi in die Umgegend, Adolf! Ich bin froh, wann ich Dich net guck. +Unn die Koste spiele doch kaa Roll bei uns! Merr hawwe's doch! Leut, +die's Geld gleich dausendmarkweis verschenke!« + +Adolf ertrug alle diese Niederträchtigkeiten widerspruchslos. Nur +manchmal seufzte er tief, strich sich mit der Hand durch die Haare und +starrte vor sich hin, aber keine Klage kam über seine Lippen. + +Noch immer gab er den Versuch nicht auf, seine Frau durch +unerschütterliche Geduld zu zähmen. Nicht aus Trotz war er in das +Dachzimmerchen gezogen, sondern weil er zu der schmerzlichen Einsicht +gelangt war, daß sein Anblick auf Katharina aufreizend wirkte. + +»Wann se mich weniger guckt,« sagte er sich, »wern sich ihr Nerve +beruhige! Es leiht ja bloß an de Nerve, -- 's Herz is net schlecht. +#Sie# kann ja doch schließlich nix dafor, daß ich zu arm bin, um se in e +Nervebad zu schicke, wie's die reiche Leut mit ihre beese Weiwer mache. +Unn älder werd se ja aach mit der Zeit, unn des Alter, des is die best +Massag' for nerwöse Leut. Mit'm erschte Schnorrbarthäärche werd der +Jingling meschugge, unn mit'm erschte #graue# Häärche wern die Weiwer +vernimftig. Wann merr älder werd, da kimmt aam so vieles ganz wurscht +vor, wo merr sich frieher driwwer uffgeregt hat, merr werd viel stiller +unn verdräglicher, es is, als ob uff'm Weg zum Dod unnerwegs uff beide +Seite Ruhebänkcher uffgestellt wär'n: »Da, ruh Dich e bissi ab unn +geweehn' Dich langsam an de ewige Dauerschlaf!« + +Tückischer als die neue Redensart war das zweite Mittel Katharinas, ihre +Rache zu kühlen: sie hielt geflissentlich das Kind von seinem Vater +fern. Sie tat so, als habe er überhaupt keinen Anspruch auf das Kind, +sie erstattete ihm nie Bericht, was das Kind während seiner Abwesenheit +getan hatte, sie lobte es nicht und tadelte es nicht. + +Selbst die Ankunft des ersten Zähnchens, die doch in allen Familien als +festliches Ereignis betrachtet wird, überging sie mit Stillschweigen. + +Hatte Adolf den Jungen auf dem Schoß, sich an ihm zu erfreuen, so fand +sie nach wenigen Minuten einen Vorwand, ihm das Kind wegzunehmen. + +Aber ihre Taktik, das Kind systematisch dem Vater zu entfremden, blieb +erfolglos. Kinder sind Menschenkenner. Das kleine Gustavchen zeigte eine +unverkennbare, unbeirrbare Vorliebe für seinen Papa. Sobald er das +Zimmer betrat, fing es an zu lachen, streckte die Ärmchen nach ihm aus, +wollte getätschelt sein. Ja, der kleine Wurm wußte ganz genau die Zeit, +wann Adolf mittags und abends aus dem Geschäft kam, und fing schon eine +Weile zuvor an, unruhig zu werden und mit Gesten nach seinem Vater zu +verlangen. + +Dann warf Katharina dem Kind einen bitterbösen Blick zu. + +Adolf kam nur noch zu den Mahlzeiten herunter ins gemeinsame Wohnzimmer. +Den größten Teil seiner freien Zeit verbrachte er in dem Dachstübchen, +und es war, als sei er wieder wie ehemals der »möblierte Herr« und nicht +der Gatte, der Ernährer der Familie. + +Nun saß er wieder manche Stunde am Dachfensterchen und erneuerte die +Beziehungen zum Mann im Mond. Er sah wieder von seiner hohen Warte herab +die Menschlein wie kleine Käfer in den Straßen krabbeln, aber er +ernannte sie nicht mehr zu Pagen seines Märchenhofstaates. Manchmal +überwältigte ihn schmerzende Bitterkeit, und er dachte: »Ich wollt, ich +hätt e groß Insektepulverspritz, so groß wie e Kanon, damit ich euch +Käwwer da drunne beweise könnt, was ich for e Menschefreund bin!« + +Das Schneeball-Orakel hatte richtig prophezeit: Gustav wuchs heran zu +einem blonden Büblein, seine blauen Augen wurden denen des Vaters immer +ähnlicher. Er lernte laufen und drollig plappern. Einer der ersten Sätze +seines Sprachschatzes war die selbstgebildete Beschwerde: »Mama bees!« + +Nur allzu deutlich zeigte es sich, daß das Kind seine Mutter fürchtete; +es beobachtete beim Spielen jede Bewegung Katharinas, als erwarte es +jeden Augenblick Schelte oder Schläge. + +Für Adolf Borges wurde das Kind eine Art Fetisch. Er trieb eine +abgöttische Verehrung mit ihm, einen Gottesdienst, dessen Zeremoniell in +der Hauptsache darin bestand, auf allen Vieren vor ihm herumzurutschen +und dabei zu krähen, zu bellen, zu miauen. + +»Mach nor Dei Hose kabutt!« geiferte Katharina. »Mach se nor hie! Merr +könne's uns ja leiste! Merr hawwe's ja!« + +Bei seinen Geschäftsgängen machte Adolf, wenn es irgend möglich war, +einen kleinen Umweg, um schnell einen Augenblick in die Wohnung +hinaufspringen und sein Kind sehen zu können. Das trug ihm dann zwei +Rüffel ein, einen von Katharina und einen von Herrn Feldmann, -- aber +was lag daran? + +Er gewöhnte sich allerlei Fertigkeiten an, dem Kleinen damit eine Freude +zu bereiten: er lernte aus Zeitungspapier Schiffe und Helme bauen, aus +Lappen, die er sich im Geschäft von den Flickmamsells schenken ließ, mit +der Schere Tiere und Menschen schnitzeln, aus Holzstückchen Bausteine +zimmern. + +Mit gespannten Augen und glühenden Bäckchen sah Gustav ihm zu, +neugierig, was es werde, und lispelte, mit der Zunge leise anstoßend: +»Was machß'n Du da?« + +Und dieses »Was machß'n Du da??« beseligte Adolf stets von neuem. Dieses +freudige, dankbare, wißbegierige »Was machß'n Du da??« lag ihm Tag und +Nacht wie eine süße Melodie in den Ohren, ward ihm zum geflügelten Wort. + +»Was machß'n Du da??« lispelte er Bindegerst zu, wenn dieser seine +Schnapsflasche an den Mund setzte. Und dann lachten sie Beide Tränen. + +»Was machß'n Du da??« sagte er, wenn der Gasmann kam und den Gasometer +ablas. + +Und wenn des Nachts die Katzen ihre Gesangsproben abhielten, steckte er +den Kopf zum Fenster hinaus und schmunzelte: »Was machß'n Du da, ahl +Katzeviech? Willstde still sei'! Wo dhät'n des hieführn, wann #mir +Mensche# bei der Lieb so e Geschrei mache wollte?!« + +In den ersten Monaten der Ehe hatten Katharina und er an den +Sonntagnachmittagen zuweilen kleine Spaziergänge in den Stadtwald oder +in eine der benachbarten Ortschaften unternommen. Bald aber hatte sie +keinen Gefallen mehr an diesen Ausflügen gefunden. In der Regel saß sie +Sonntag mittags zu Hause und bastelte an irgendeiner Handarbeit, während +Adolf allein in der Stadt und der Umgegend herumbummelte. + +Das Heranwachsen des kleinen Zappelphilipps, der nicht den ganzen Tag +stillsitzen mochte, machte eine Änderung des Sonntagprogramms notwendig. +Bindegerst nahm die Angelegenheit in die Hand, indem er einfach bei +einer günstigen Gelegenheit erklärte: »Adolf, mach's Gustavche fertich! +Die Sonn' scheint, merr wolle e bissi Luft schnappe!« + +Katharina stutzte. Dann sagte sie: »Schert Euch zum Deiwel!« + +Sie hatte offenbar ihren Plan, das Kind dem Vater zu entfremden, als +aussichtslos aufgegeben und begnügte sich damit, Vater und Kind mit +erprobter Technik #einzeln# zu quälen. + +Fortan trippelte Gustavchen Sonntag mittags, rechts und links von +schwieligen Männerhänden geführt, durch die Stadt und ins Freie. Sein +Vater erklärte ihm alle die tausend Wunder und Neuigkeiten, die sich den +Kinderaugen bieten, die Denkmäler, Kirchtürme, Bäume, Blumen, Wiesen, +Quellen, den Main mit seinen Schiffen, den Himmel mit der Sonne, den +Wolken, dem Mond und den Sternen, die elektrische Straßenbahn, die +Eisenbahnen, die Hunde, Katzen, Vögelchen. + +Oh, wie viel gab es zu sehen in der Welt! Welche Schätze offenbarte +allein das Schaufenster des Herrn Hippenstiel! Die zahlreichen +Fläschchen, Kämme, Bürsten, die Bartbindenplakate mit den unmenschlich +schneidigen Männerbildnissen, die Zahnwasserplakate mit den süßen +Grisettenköpfchen, und -- o Wunder! -- da hingen auch Zöpfe, an denen +gar kein Mensch wuchs! + +Adolf, der zu Hause so schweigsam war, redete auf diesen Spaziergängen +zu Bindegersts Erstaunen wie ein Buch. Und gab es nichts mehr zu +erklären, dann erzählte er dem Gustavchen Geschichten, gelesene und +improvisierte, was ihm gerade in den Kopf kam. Was in diesen Geschichten +alles zusammengehext und zusammengezaubert wurde, das war selbst für +eine Märchenwelt zu bunt. + +Wurde Gustav müde, so trug sein Vater ihn auf den Armen, oder die kleine +Karawane setzte sich zum Ausruhen auf eine Bank. + +Während einer solchen Ruhepause sagte Bindegerst einmal plötzlich, indem +er Adolfs Hand ergriff: »Adolf, -- mich drickt ebbes! Des war damals +net schee von merr mit dene vierdausend Mark ... Ich hätt's net dhun +gesollt .... awwer 's Wasser is merr an der Gorjel gestanne ...« + +Ergriffen, gerührt von dieser Selbstanklage schüttelte der überraschte +Adolf wehmütig den Kopf und lächelte versöhnlich: »Laß gut sei', +Großvadder! 's is net mehr zu ännern!« + +»Awwer leid dhut merrsch! No, vielleicht kimmt doch emal e Gelegeheit, +wo ich mich erkenntlich zeige kann! Vielleicht!« + +»Redde merr net driwwer, Großvadder! Ich war Derr nie bees deswege! +Werklich net!« schnitt Adolf das Gespräch ab. + +Aber es war ihm so vorgekommen, als verschwiege ihm sein Schwiegervater +irgend etwas, als sei die Selbstanklage eigentlich die Einleitung zu +einer Selbstentschuldigung wegen irgend eines ganz anderen, ihm noch +unbekannten Unrechts gewesen. + +Und er war auf dem Heimweg sehr nachdenklich und köpfte zerstreut Blumen +und Pilze, so daß ihn Gustav wiederholt fragen mußte: »Babba, -- was +machß'n Du da??« + + * * * * * + +Die nächsten Jahre in Adolfs Leben leierten sich ab wie ein +Drehorgellied. + +Die Jahreszeiten führten die ewigen Kämpfe miteinander auf, alljährlich +feierte der Frühling seine Auferstehung, um von neuem gekreuzigt zu +werden. + +Die alte Tante Klio, die ja auch mit der Zeit moderner geworden ist, +tippte gleichmütig auf ihrer Schreibmaschine Weltgeschichte. Und wie +alle Schreibmaschinendamen tippte auch sie gelegentlich daneben, und +daraus entstand mancherlei Unangenehmes für die Menschheit. So hatte sie +bei der Eintragung von Adolfs Eheschließung den Namen Katharina mit +lauter großen Buchstaben, den Namen Adolf aber mit kleinem +Anfangsbuchstaben getippt, und daher stammte das ganze Unglück der +Borgesschen Ehe. + +Gustav war sechs Jahre alt, in einigen Wochen sollte er in die +Volksschule kommen. + +»Gott sei Dank, daß es endlich e Ruh gibbt im Haus!« sagte Katharina. +»Es is schonn net mehr auszuhalte mit dem miserawele Bub!« + +Da erschien an einem Dienstag vormittag Herr Bindegerst aufgeregt im +Hause Feldmann & Schröder und verlangte nach seinem Schwiegersohn. +»Adolf, komm gleich, der Bub is krank!« + +Adolf Borges ließ das Paket, an dem er herumschnürte, fallen und rannte +zu Herrn Schröder. + +»Ich muß haam, Herr Schröder ... mei Bub, der Gustav ... er is krank, +Herr Schröder.« + +Und dabei liefen ihm schon die Tränen über die Wangen. + +»No, 's werd net gleich so schlimm sei', Adolf!« tröstete der dicke +Chef. »Gehe Se nor! -- Ja, Kinner mache Sorje, ich kann aach e Lied +dervoo singe, ich habb aach so e Kollektion von Stickerer sechse. Mit +Schmerze wern se geborn, mit Schmerze wern se großgezoge, unn mit +Schmerze nemmt merr später de Dank dafor in Empfang! Gehe Se haam! Unn +ich empfehl Ihne de Dokter Grienebaum, des is e dichtiger Arzt unn net +so deuer!« + +Unterwegs erstattete Bindegerst bruchstückweise Bericht. Das Kind hatte +schon in der Nacht gefiebert, und morgens hatte es keinen Kaffee trinken +wollen. »Ich habb Derrsch net gesacht, daß De Dich net uffregst!« Und +dann hatte es gehustet, über Halsweh geklagt, und nun lag es im Fieber +und ächzte und erkannte Niemanden. Und wimmerte beständig in seiner +Bewußtlosigkeit: »Babba, was machß'n Du da??« + +»Laaf doch net so, Adolf! Ich komm ja net mit!« pustete der alte +Bindegerst. + +Ein fremder junger Herr, mit einem koketten Schnurrbärtchen und einem +goldgerahmten Zwicker, stand an Gustavs Bett und fühlte den Puls. Er +öffnete mit sanfter Gewalt den Mund des fiebernden Kindes, sah in den +Hals, zog ihm das Hemd herab, beklopfte Brust und Rücken. + +Katharina saß am Fußende des Bettes und harrte des Ergebnisses der +Untersuchung. Ihr war keine Erregung anzusehen, sachlich wie eine +bezahlte Krankenpflegerin verfolgte sie die Maßnahmen des Arztes. + +Adolf hingegen konnte seine Aufregung nicht zügeln, er trat von einem +Bein aufs andere, seine Augen hingen mit unendlich rührendem, +verzweifeltem Hilfeflehen am Munde des Arztes, die Untersuchung schien +eine Ewigkeit zu dauern. + +Der Doktor deckte den Kranken wieder zu. + +»Es ist ernst,« sagte er. »Zumal das Kind unterernährt ist. Wie alt ist +der Junge?« + +Adolf konnte nicht antworten. Er mußte sich an einen Stuhl klammern, um +Haltung zu bewahren. + +»Sechs Jahr', Herr Dokter!« sagte Katharina mit sicherer Härte. + +»War er schon öfters krank?« + +»Nein, Herr Dokter.« + +»Das Herz ist schwach.« + +Der Blick des Arztes fiel zufällig in den Spiegel über dem Sofa, er +drehte selbstgefällig die Spitzen seines Schnurrbärtchens, rückte den +Kneifer zurecht. Ein lautes Schluchzen veranlaßte ihn, den Kopf zu +wenden. »Na, Herr Borges, man braucht die Hoffnung noch nicht +aufzugeben. Kinder sind manchmal überraschend widerstandsfähig. +Allerdings --« + +Er trat wieder zum Bett, warf noch einen kurzen Blick auf das Kind. + +»Sie scheinen sehr an dem Jungen zu hängen, Herr Borges?« + +Adolf nickte. + +»Es ist wohl Ihr Einziger?« + +Adolf sank an dem Bett auf die Knie, ergriff das herabhängende, +fiebernde Händchen und bedeckte es mit Küssen. + +»Tja,« sagte der Arzt, »tja ...!« + +Er wartete einen Augenblick, sah ungeduldig auf die Taschenuhr. »Ich +würde Ihnen empfehlen, den Kleinen ins Spital bringen zu lassen. Er hat +dort doch eine bessere Pflege. Es ist auch nicht sonderlich gut geheizt +bei Ihnen. -- Ich werde nachher an die Sanitätskolonne telephonieren. +Einstweilen können Sie ihm ja diese Tropfen geben.« + +Er schrieb ein Rezept und gab es Adolf, der es hastig zusammenknitterte, +aufsprang und in die Apotheke lief. + +Dreiviertel Stunden mußte er warten, bis das Rezept ausgeführt war. + +Er saß auf einer Bank an der Wand und sah die Käufer kommen und gehen; +Leute, die harmlose Dinge kauften wie Hustenbonbons, Watte, Lysoform; +vergrämte Mütterchen, die gleich ihm auf Arzneien warten mußten; kokette +Dienstmädchen, die mit dem Provisor poussierten; und alle Menschen kamen +ihm so beneidenswert, so glücklich vor. + +Als er wieder zu Hause eintraf, war das Gustavchen schon abgeholt. + +Er wollte wieder davonlaufen, nach dem Krankenhaus, aber Katharina hielt +ihn gebieterisch zurück. + +»Merr derf'n jedz net besuche! Morje Middag von drei bis vier, -- ich +habb mich erkunnigt.« + +Und der alte Bindegerst sagte: »Des war e netter Mensch, der Dokter. So +mitfiehlend.« + +Die ganze Nacht hindurch studierte Adolf in dem Buch aus Bindegersts +Bibliothek. Es war freilich ausgeschlossen, daß in dem »Geschlechtsleben +des Menschen« irgend ein Aufschluß über Gustavs Krankheit zu finden war, +aber Adolf dachte in seiner Verzweiflung, vielleicht stünde doch irgend +ein Hinweis in dem Buch, der ihn belehre, der ihm Hoffnung geben könne. +Vielleicht konnte er den Ärzten doch irgend etwas sagen, an das sie +gerade nicht dachten. + +Drei Tage später war Gustavchen tot. Der Scharlach hatte ihn +dahingerafft. + +Wie ein Kriegsverwundeter in den meisten Fällen anfangs nur das Gefühl +eines dumpfen Schlages hat, ohne wirklichen Schmerz zu verspüren, bis +dann beim Verbinden, beim Heilungsprozeß die unerträglichen Qualen +einsetzen, so empfand Adolf zunächst nur eine dumpfe Betäubung. Das +Unglück war zu groß, um in seiner ganzen Schwere erfaßt werden zu +können. Er hörte die Worte der Krankenschwester: »Ihr Sohn ist leider +gestern Abend sanft entschlummert«, aber er konnte sich nichts dabei +denken. + +Bis plötzlich der Gedanke: »Du wirst Dein Kind nie, nie wieder sehen!« +die Wunde mit glühendem Eisen ausbrannte. + +Er fand nicht die Kraft, alle jene Gänge und Meldungen zu erledigen, die +in unserem geordneten Staatswesen der Tod eines Familienmitgliedes den +Hinterbliebenen auferlegt. Die, ach so praktische Katharina besorgte +alle diese Dinge mit der Selbstverständlichkeit und nüchternen Klarheit, +die sie in jeder Lebenslage bewies. Sie besorgte den Totenschein, +bestellte den Pfarrer, kaufte den Sarg, die Blumen, nähte an Adolfs +Kleiderärmel den Trauerflor, telephonierte ins Geschäft, ihr Mann könne +die nächsten drei Tage nicht kommen, garnierte einen schwarzen Schleier +auf ihren Hut, schneiderte sich ein Kleid für die Beerdigung. + +Nichts vergaß sie; man hätte meinen können, sie hätte seit Jahren +Bestattungen arrangiert. + +Dann kam der Tag der Beisetzung. + +Die Firma Feldmann & Schröder hatte einen Kranz geschickt, von den +Angestellten waren nur Herr Heinrich Baldrian und eine der Putzfrauen +erschienen, denn der Herbstausverkauf war in vollem Gang. Einige +Nachbarn hatten sich eingefunden, darunter der blondlockige Herr +Hippenstiel in einem frischgebügelten, seidengefütterten Überzieher, +tadellos gebürstetem Zylinder und erstklassigen schwarzen +Glacéhandschuhen. + +Adolf sah nichts, er weinte ununterbrochen, sodaß ihm Katharina während +der Ansprache des Pfarrers einen Stoß mit dem Ellbogen gab: »Was solle +dann die Leut denke!« + +Zuletzt schritten die Menschen an ihm vorbei, drückten ihm die Hand, +murmelten irgend etwas, was er nicht verstand und nicht verstehen +wollte, und dann war er plötzlich wieder zu Hause, im Dachzimmerchen, +und nach einer Weile hörte er Katharina schreien: »Komm erunner, der +Kaffee is aagericht!« + +Sie hatte für ihn kein Wort des Trostes. Sie hatte ihm bei Lebzeiten des +Kindes nie erzählt, was der Junge getrieben hatte, sie sprach auch nach +Gustavs Tode nie mit dem Vater von ihm. Und als Adolf anregte, eine +Photographie Gustavchens vergrößern und einrahmen zu lassen, sagte sie +nur: »Des kann merr ja!« + +Sie sprach kein Wort, als Adolf das Kinderbettchen aus dem Schlafzimmer +hinauftrug in seine Dachbehausung und es neben seinem Bett aufstellte. +Sie ließ ihn ruhig den Matrosenanzug, den Gustav Sonntags getragen +hatte, hinaufnehmen und in dem Schrank mit dem kaputenen Schlüssel +verwahren. + +Und als dann das vergrößerte Bild vom Photographen kam, hatte sie nichts +dagegen einzuwenden, daß Adolf es oben in seinem Zimmerchen aufhängte. +Aber die Rechnung fand sie zu teuer. + +Bindegerst, dem der Verlust Gustavchens sehr nahe ging, ersäufte seinen +Kummer in Schnaps. Er war mitunter sinnlos betrunken und gröhlte dann +allerhand unanständige Lieder, von denen man nicht recht wußte, wo er +sie eigentlich her hatte. In seinen nüchternen Stunden arbeitete er an +einem Grabkreuz für sein Enkelkind. + +Und wie ehemals der Entstehung des Kinderbettes sah Adolf nun dem Werden +des Totenzeichens zu. Aber sie scherzten nicht mehr bei der Arbeit, er +machte keine Verschönerungsvorschläge, er redete auch den alten +Bindegerst nicht mehr mit »Großvadder« an, sondern degradierte ihn zum +»Vadder«. + +Und acht Tage nach der Einschaufelung Gustavchens gingen die beiden +hinaus auf den Kirchhof und richteten das Holzkreuz auf. + +Adolf war seltsam ruhig während dieser traurigen Verrichtung, diesmal +war es der alte Bindegerst, der seine Tränen nicht meistern konnte. Er +jammerte ein über das andere Mal: »Wie merr der Bub fehlt... wie merr +der Bub fehlt!« + +Adolf konnnte das Jammern nicht mehr ertragen, er schlich während der +letzten Spatenstiche davon, ging hinaus in den Stadtwald, in dem der +fröstelnde Herbsttag sein Totenamt hielt. + +Man hat auf Gemälden oft die Pest als einen Dämon dargestellt, vor +dessen Hauch alles Leben dahinsinkt. Solch ein Pestdämon ist auch der +Herbst. In seinen gelben Mantel gehüllt, schreitet er über die Erde, und +unter seinem Geschwür-zerfressenen Fuß sterben die Blumen und Gräser. Er +haucht die Bäume an, und die Zweige verdorren, die Blätter werden +vergiftet und fallen ab. Verwesung folgt seiner Spur. + +Adolf warf sich auf den kalten Boden und stierte in den Himmel. + +Vor langer Zeit, als ihn noch fröhliche Träume umgaukelten, hatte er +inmitten blühenden Sommers hier einmal versehentlich seinen Kopf auf +einen Ameisenhaufen gebettet und hatte, erschrocken auffahrend, an +dieses Mißgeschick mit resigniertem Humor lächelnde Betrachtungen +geknüpft. Diese Episode fiel ihm jetzt, durch eine eigenartige +Gedankenverbindung, ein. Ach, wie hätte es jetzt seinen Gram gekühlt, +den Kopf in einen Ameisenhaufen stecken zu können und den Seelenschmerz +durch körperlichen Schmerz zu betäuben! + +Wie riesige Galgen kamen ihm die entlaubten Bäume vor, die ihre leeren +Äste gleich Querbalken streckten, und er dachte: »Merr sollt sich +uffhenke! Da drowwe sollt merr sich uffhenke, unn der Wind dhät ein +schaukele, ganz samft unn schmerzlos, unn lang sollt's dauern, bis se +ein finne! Unn e Eichhörnche käm' gehippt unn dhät mich aaglotze unn +dhät denke: >So'n große Tannezappe haww ich meiner Lebdag noch kaan +geguckt!< Unn e Vögelche käm', unn dhät sich uff mei Schulter hocke, unn +ließ' sich mitschaukele! Unn wann se mich dann haamgebracht hätte, dann +hätt' der ahl Bindegerst widder e neu Kreuz zu schnitzele, unn des +praktisch Kättche dhät sage: >Jedz kann ich mei Trauerkleider gleich +noch emal benitze unn braach merr kaa neue aazuschaffe<!« + +Seine Gedanken verwirrten sich, und plötzlich tauchte aus der Wirrnis +eine andere Episode seines Lebens auf, und er sah sich im Odenwald +stehen, auf dem Gipfel des Melibokus, wie er dem Käthchen die Welt +zeigte: »Guck, lieb Kättche, die Nadur, die is e groß Sparkass, viel +größer als wie die Offebächer Städtisch Sparkass, unn wann merr emal in +Seelennot komme, dann hewe merr aafach in dere Sparkass en Poste +Erquickung unn Trost ab, -- unn wann merr aach noch so viel abhewe, +#des# Guthawe nemmt kaa End'!« + +Und nun war die Seelennot da, aber die Natur spendete keinen Trost, das +Guthaben war erschöpft, und er fühlte, nie wieder würde ihm diese +Sparkasse Erquickung auszahlen. + +Ja, Bindegerst hatte recht: das Leben ist eine Gemeinheit. Eine so +unbarmherzige Gemeinheit, daß die guten Kerle, wie Adolf Borges, niemals +mit ihm zurecht kommen können. + + + + +»Wann des so weider geht,« sagte Herr Feldmann, »dann misse merr'n halt +entlasse. Der packt uns ja die ganz Waar dorchenanner, babbt die +verkehrte Adresse uff die verkehrte Paketcher, -- es geht net mehr!« + +Der dicke Herr Schröder ließ seinen Teilhaber ausschimpfen, dann +bemerkte er: »Entlasse? 'N Mann, wo so lang im Geschäft is?« + +»Wann'r awwer doch Alles verkehrt mecht?« + +»Wo so lang im Geschäft is?« + +»Wann awwer doch alles Ermahne unn Zuredde nix hilft?« + +»Wo so lang im Geschäft is?« + +»Solle merr'n vielleicht for's Nixdhun unn Verkehrtmache füttern?« +schrie nun Herr Feldmann wütend. + +»Ja, des solle merr!« sprach der dicke Schröder mit Überzeugung. »Weil e +Mensch kaa gespalte Fedder is, die merr wegwerft, wann merr se kabutt +geschriwwe hat. Ich gebb's zu, der Adolf is net mehr, was er war. Seit +sei Bub dod is, scheint 'm Alles worscht zu sei', unn ich habb mich +schonn grie unn blau geärjert iwwer die ewig Leichebittermien'. Dann ich +will #vergniegte# Mensche um mich gucke, mei Lewe is merr selwer mies +genuch! -- Awwer entlasse? Naa, Hermann, des mache merr net. Wer emal +bald dreißig Jahr im Geschäft is, der is bei merr pensionsberechtigt. +Net bei 'ner Pensionsanstalt mit hunnert Paragraphe unn sechshunnert +Klausle, sonnern bei der Pensionsanstalt da drin!« + +Und damit schlug er sich auf den dicken Bauch, ungefähr in die Gegend, +wo sein Herz saß, das zwar ein Fettherz war, aber ein sehr gutes +Fettherz. + +»Mach, was De willst!« brummte Herr Feldmann. + +»Des is e ahl Gewohnheit von merr, daß ich mach, was ich will. Unn se is +merr bis jedz gut bekomme. Also merr wern de Adolf #net# entlasse. Awwer +en zweite Auslaafer wern merr dazu angaschiern, en junge, der em so nach +unn nach die Arweit aus de Finger nemmt. Des werd's Geschäft aach noch +trage könne, ohne daß es pleite werd!« + +So tauchte ein zweiter Ausläufer in der Firma Feldmann & Schröder auf, +und Adolf, der sich zu Hause so überflüssig vorkam, kam sich bald auch +im Geschäft überflüssig vor. + +»Se sollte mich dodschlage unn ausstoppe unn als Modellfigur ins +Schaufenster stelle,« dachte er. »Dann dhät ich all die neue Kleider +trage, viel scheenere Kleider, als wie ich in meim ganze Lewe getrage +habb. Unn ich dhät e recht liewenswerdig Gesicht mache unn dhät als e +bissi mit de Aage zwinkere, daß recht viel Kundschaft ereikäm unn kaafe +dhät, dann der Herr Schröder is immer aastännig zu merr gewese. Nor wann +der eklig Kassierer vorbeikäm, dhät ich die Zung erausstrecke. Unn +vielleicht käm aach als des Kättche voriwwer unn dhät dem Prinz odder +Korferscht, wo se dann geheierat hätt, des Schaufenster zeige: »Guck, +des is mei erschter Mann!« Unn vielleicht dhät se'm aach sage: »Ich +unglicklich Fraa! Auslaafer hätt ich hawwe könne, unn en Korferscht muß +ich kriehe!« + +Er lächelte vor sich hin. Ein Lächeln, in dem viel Mitleid mit sich +selbst lag. + +Sein Eheleben war ein unheilbar Kranker, das sah er nun selbst ein. +Weder mit Gewalt, wie es Petruchio in dem Theaterstück fertig gebracht +hatte, noch mit Güte war eine Widerspenstige wie Katharina zu zähmen. + +»Merr secht, daß aus der ehelich Lieb mit de Jahrn die still +Freundschaft erausschluppt wie e Hinkelche aus'm Ei, -- awwer mei Eh' is +e Windei. Da schluppt kaa Freundschaft eraus unn kaa Kameradschaft, unn +wann ich noch hunnert Jahr druff erumbrüt'! Des Ei, des hat der Deiwel +gelegt.« + +Äußerlich freilich war seine Ehe seit einiger Zeit geruhiger geworden. +Katharina machte ihm kaum mehr Szenen, sie schien es nicht mehr der Mühe +wert zu halten. Sie behandelte ihn jetzt mit einem verächtlichen +Lächeln, sie benahm sich ihm gegenüber etwa wie ein Lehrer, der einen +Schüler endgültig aufgegeben hat. »Wozu sich noch über solch einen +Menschen ärgern? Da ist ja doch Hopfen und Malz verloren.« + +Adolf bekam pünktlich sein Essen, sein Zimmer wurde aufgeräumt, seine +Wäsche wurde gewaschen und geflickt, -- mehr hatte er nicht zu +beanspruchen. + +Um so eifriger beschäftigte sich Katharina nun mit sich selbst. In ihr +war offenbar endlich die weibliche Putzsucht erwacht; sie, die bisher +stets im Aufzug einer Aufwaschfrau im Hause herumgetobt hatte, begann +plötzlich Wert auf proppere Kleidung und eine ordentliche Frisur zu +legen. Sie abonnierte eine billige Modenzeitung, schneiderte sich nette +Blusen, ja sie fing sogar an, ihre Fingernägel zu pflegen. Sie wurde +eine gute Kundin des blondgelockten Herrn Hippenstiel. + +Das Glanzstück ihrer Ausstattung war ein greller, knalligbunter +Sonnenschirm, der jedem Negerhäuptling zur Zier gereicht hätte. In der +Wüste hätte der Sonnenschirm sicherlich sehr dekorativ gewirkt, -- in +Offenbach blieben die Leute stehen, wenn Käthchen das Monstrum +spazierentrug, und dachten: »Da muß e Farwe-Fabrik explodiert sei'!« + +Katharina aber hatte sich von je wenig um die Meinung anderer +Sterblicher gekümmert; sie fand den Schirm wundervoll, und sie machte es +den Kritikern gegenüber wie der Esel in der Fabel, der behauptete, die +Nachtigall beneide ihn um seine schöne Stimme. + +Adolf hatte anfangs die Änderung in Katharinas Kleidung mit freudiger +Hoffnung gesehen. »Se will mich an sich locke!« sagte er sich. »Se will +merr widder gefalle.« + +Und er beschloß, ihr auf halbem Wege entgegen zu kommen, und dachte +schon daran, sein Dachstubenexil aufzugeben. + +Aber der erste Annäherungsversuch wurde mit so unverkennbarem Hohn +aufgenommen, daß er keinen zweiten wagte. Obwohl ihn Bindegerst dazu +ermunterte. + +»Du kannst sage, was De willst, Adolf, des war net gut, daß De da enuff +gezoge bist! E Mann geheert bei sei Fraa! Sonst kimmt se uff dumme +Gedanke! Odder hastde am End' noch die Absicht unn baust Derr e Nest uff +de Schornstei' unn haust da drowwe als Klapperstorch?« + +»Ich wollt, ich #wär# e Klapperstorch!« seufzte Adolf. »Dann könnt ich +jeden Herbst nach Afrika ziehe, unn dhät merr die ahle Piramide aagucke +unn dhät mit de Kamele e bissi polidisiern. Nor Kinner bringe dhät ich +kaa. Dann ich glaab, ich könnt mich net trenne von dem Storchedeich. All +die klaane Buwe unn Mädercher, wie se da erumplätschern in dem Deich unn +uff de Blädder von dene Wasserrose Dambfschiffches fahrn, -- Vadder, muß +des schee sei'!« + +Bindegerst ließ ihn stehen. Auch er hatte Adolf längst aufgegeben. Wenn +er ihn sah, summte er vor sich hin: + + »O Gummizell, o Gummizell, + Wie grien sin Deine Blätter!« + +Im übrigen wich er Adolf aus, wo er irgend konnte. Es war, als habe der +Alte ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen, als fürchte er, das Gespräch +könne auf ein Thema kommen, über das er nicht reden wollte oder durfte. +Der ehedem so geschwätzige Drechslermeister wurde immer stiller, die +Schnapsflasche war seine einzige Ansprache. Sie war von der heimlichen +Geliebten zur offiziellen Kaiserin gestiegen, und Bindegerst hielt es +für seine Pflicht, alle zehn Minuten eine Audienz bei ihr zu erbitten. + +»Vadder, da steht Dei Schnapsflasch uff'm Disch!« mahnte Adolf einmal +erschrocken, als er zum Nachtessen herunterkam. + +Aber Bindegerst erwiderte: »Des is net die mei'! Die geheert'm Kättche!« +Das hatte ihm einen tiefen Stich ins Herz gegeben. Also auch Käthchen +fing an ... + +Aber er hatte nichts gesagt. Er wußte ja, sein Wort galt nichts. +Vielleicht hatte Käthchen ganz recht, und es war tatsächlich das beste, +das Leben, dieses zweifelhafte Geschenk, von dem man nicht wußte, ob es +vom lieben Gott oder vom Teufel stammt, im Halbschlaf, in der Narkose +des Alkohols zu verbringen? Vielleicht haben die Eltern Unrecht, die +ihre Kinder zu eiserner Pflichterfüllung erziehen, und jene +Leichtlebigen sind die besseren Eltern, die die Genußsucht ihrer +Sprößlinge fröhlich und ungehemmt emporschießen lassen? Vielleicht ist +der Fleiß nur eine törichte Angewohnheit, und die Ehrlichkeit nur eine +Feigheit? + +»Ich wer's #aach# emal mit'm Schnaps browiern!« nahm sich Adolf vor. + +Aber er brachte es nicht übers Herz. Ihn ekelte davor. »In meim Alter +lernt merr nix mehr dazu«, sagte er sich resigniert. »Net emal mehr e +Laster! Dreißig Jahr frieher hätt ich 's Saufe aafange solle, dann wär +vielleicht e glicklicher Mensch aus merr worn!« + +Und er sann: »Weshalb dhut's Kättche drinke? Hat se'n Schmerz zu +bedäuwe? Is se unglicklich? Unn #wann# se unglicklich is, wer +annerschter kann draa schuld sei' wie #ich#? -- Awwer ich dhu err doch +nix zu leid? Ich redd err doch in nix erei, ich gebb err doch Alles, was +ich verdien, unn habb noch nie e Abrechnung verlangt? Awwer vielleicht +is des grad der #Fehler#? Vielleicht faßt se des als Gleichgiltigkeit +uff?« + +Er spann diesen Gedankenfaden weiter, und die Frage überfiel ihn: »Lieb +ich se eigentlich noch?« + +Ach, das war eine schmerzliche Frage, -- viel, viel peinigender als die +Frage, die er sich ehemals vorgelegt hatte: »Hat se #mich# eigentlich +noch e bissi lieb?« + +Liebte er Katharina noch? Wenn er sie nicht mehr liebte, dann lastete ja +alle Schuld des Unglücks auf #ihm#, dann war #er# es ja, der die Ehe +entweiht hatte, dann hatte er sie durch ein Gelübde an sich gelockt, das +zu halten er nicht imstande war. + +Und der arme Adolf Borges, dessen ganzes Wesen lichte Güte war, +zermürbte sich in Selbstquälerei: kannst Du überhaupt lieben? So lieben, +daß es nicht nur Dich, sondern auch den Gegenstand Deiner Liebe +beseligt? + +Oder war seine Liebe nur ein süßer Eigennutz? Zuckerzeug der Seele, das +man behaglich lutscht, sich einen Genuß zu verschaffen? + +»Hätt' ich's iwwer 's Herz gebracht, in die Dachstubb zu ziehe, wann ich +se werklich noch lieb hätt'? Hätt' ich des in de erschte Jahrn von +unserer Eh' gekönnt? Da haww ich doch net eischlafe könne, wenn ich se +net newe merr gefiehlt habb!« + +Aber ihm kamen selbst Zweifel, ob dies ein Prüfstein der Zuneigung sei. + +»Merr werd doch älder, unn immer fordissimo singe, des kann kaa Mensch. +Außer'm ahle Bindegerst. Is die Lieb werklich wie e geheizt Zimmer, wo +merr von Zeit zu Zeit nachschürn muß, daß merr net erfriert? Kann merr +die Lieb iwwerhaapts mit'm Thermometer nachmesse?« + +Nein, so konnte er sich nicht über den Zustand seines Herzens klar +werden. Er begann sich auszumalen, wie sein Leben wohl #ohne# Katharina +aussehen würde? + +Und da mußte er sich gestehen: nein, ohne Katharina konnte er sich sein +Dasein nicht mehr vorstellen. Der Gedanke, daß sie vor ihm sterben +könne, daß er sie überleben könne, war unmöglich. Katharinas Tod würde +auch der seine sein. + +Und er jubelte auf: »Ich lieb se noch! Gott sei Dank, ich lieb se! Net +mit erer Lieb, die sich alle fimf Minute abknutsche muß, awwer mit 'rer +Lieb, die wo aach des schlimmst häuslich Gewidder net entworzele kann! +Ich lieb se noch! Unn wer net uffheern, se zu liewe! Grad wie de klaa +Gustav!« + +Er hatte sich von Herrn Schröder eine der ausrangierten Modellpuppen, +die oben auf dem Speicher moderten, schenken lassen, eine jener +Holzpuppen, die ehemals zum Ausstellen von Schulanzügen für Knaben +gedient hatten, bis vornehmere Wachsfiguren ihnen dieses Amt abnahmen. + +Diese Holzpuppe hatte er mit heimgenommen, hatte ihr Gustavchens +Matrosenanzug angezogen. + +Nun stand sie neben seinem Bett, und manchen Abend saß er davor, zupfte +die Joppe zurecht, band ihr den Schlips und führte mit ihr die +seltsamsten Gespräche. + +Oder er rückte seinen Stuhl ganz dicht heran, schnitzelte aus +Zeitungspapier Schiffchen und Helme, und ihm war, als höre er wieder das +süße Stimmchen lispeln: »Was machß'n Du da??« + +Und der Mann im Mond schüttelte den Kopf und murmelte: »Thät' er lieber +Schnaps saufen! Das war' immer noch besser!« + +Im Geschäft machten sie jetzt kaum mehr Witze über ihn, -- denn Witze +macht man nur über Menschen und Dinge, die man innerlich ernst nimmt. +Den kleinen Adolf aber betrachteten die übrigen Angestellten lediglich +noch als Gnadenbrotempfänger. Der neue Ausläufer, ein fixer, +mundgewandter Kerl, hatte fast alle Packarbeit an sich gerissen, und an +Adolf Borges erinnerte man sich eigentlich nur noch am Tage der +Gehaltszahlung. + +Und auch da schien man ihn einmal zu vergessen. Denn der eklige +Kassierer, der jedem Angestellten am Monatsschluß das Gehalt in +verschlossenem Briefumschlag aushändigte, überging ihn. Verdutzt wartete +Adolf, bis es Zeit für ihn war, die Pakete zur Post zu bringen, dann +klopfte er an die angelehnte Türe des Privatkontors. + +»No, Adolf, was is dann?« frug väterlich der dicke Herr Schröder. + +»Ich habb kaan Lohn krieht, Herr Schröder. Ich bin vergesse worn.« + +Herr Schröder sah ihn erstaunt an. »Awwer Adolf,« sagte er vorwurfsvoll, +»Se hawwe'n doch schonn längst! Ihne Ihr Fraa hat'n doch vor acht Dag +perseenlich abgeholt. Unn hat sich aach noch Vorschuß gewwe lasse uff's +nächste Mal! Wisse Se dann des net?« + +»Doch!« stotterte Adolf. »Nadierlich!... Entschuldige Se bloß... mei +Kobb... mei Gedächtnis läßt mich als im Stich...« + +Er lief schnell hinaus. Er fürchtete, man könne ihm seine Bestürzung, +sein Entsetzen ansehen. Die Kunst der Verstellung hatte er nie +beherrscht. + +Als Adolf an diesem Abend das Postgebäude verließ, trat Herr Heinrich +Baldrian, der offenbar auf ihn gewartet hatte, auf ihn zu. + +»Gu'n Abend, Adolf«, redete er ihn an. »Wollen wir nicht 'n Stückchen +zusammengehen?« + +»Wann Se sich net scheniern, mit so'me schäwige arme Deiwel zu laafe«, +erwiderte Adolf bitter. + +»Reden Se kein' Unsinn!« sprach Herr Baldrian. »Wir können aber auch 'n +Glas Bier zusammen trinken, wenn Ihnen das lieber ist?« + +»Naa, Herr Baldrian, des geht net! Ich habb kaa Zeit, ich muß haam bei's +Gustavche!« + +Heinrich Baldrian sah ihn von der Seite an. Was sagte Adolf da? + +Einige Minuten schritten sie schweigend nebeneinander. + +Dann hub Herr Baldrian an: »Adolf, ich hab' heut Abend die kleine Szene +zwischen Herrn Schröder und Ihnen beobachtet, -- hm, wenn Sie vielleicht +etwas Geld brauchen?« + +Unwillkürlich blieb Adolf stehen. Er war leichenblaß geworden. + +»Nun ja,« sagte Herr Baldrian, »ich geb's Ihnen gern. Wirklich. Und kein +Mensch wird's erfahrn. Mein Ehrenwort.« + +Er hatte noch mehr sagen wollen, aber erschrocken hielt er inne. + +Denn Adolf lehnte an einem Laternenpfahl, das Gesicht in den Händen +bergend, und haltloses Weinen schüttelte seinen Körper. + +»Aber Herr Borges, was ist Ihnen denn? Wenn ich das gewußt hätte... Ich +wollt' Ihnen ja nicht weh tun...« + +Da raffte sich Adolf wieder auf, richtete seine nassen, blauen +Kinderaugen stumm auf den Begleiter. Und es war Herrn Baldrian, als +hätte er noch nie in so dankbare, treue Augen geblickt. + +Ganz beschämt fühlte er sich, und wie abwehrend meinte er, in +grenzenloser Verlegenheit: »Aber Adolf, Sie überschätzen das... Das ist +gar kein so großes Opfer für mich!« + +Adolf drückte seine Hand und flüsterte: »Ich waaß, Herr Baldrian, ich +waaß!... Sage Se nix mehr, sage Se nix mehr... Ich waaß schonn!...« + +Und nach einer Weile: »Sin Se froh, Herr Baldrian, daß merr uff der +Gass' sin, unn daß die Laderne so hell brenne, -- sonst dhät ich jedz +vor Ihne nidderkniee... Herr Baldrian, Se wisse ja net, wie dankbar so e +eisamer Mensch sei' kann!« + +Oh doch, das wußte Heinrich Baldrian nur zu gut. Und deshalb sprach er +im Weitergehen: »Adolf, ich bin vielleicht noch viel einsamer gewesen +als Sie! Aber man muß das Leben nicht so wichtig nehmen. Schattenbilder, +sonst nichts. Zur Freude am Leben gelangt man erst, wenn einem das Leben +gleichgültig geworden ist. Der liebe Gott hat den Menschen aus Erde +gemacht, heißt es -- aber an dem Tag muß es beständig geregnet haben, +und so ist der Mensch aus lauter Schmutz entstanden. Schmutz, wohin man +sieht -- vergoldeter Schmutz, versilberter Schmutz oder unbeschönigter, +purer Schmutz. Aber das macht nichts. Das ist sogar ganz lustig, wenn +man erst einmal dahinter gekommen ist. Solang man sein Glück von den +Menschen erhofft, ist man zur Einsamkeit verdammt. Man muß sich jenseits +des Lebens umsehen und seine arme Seele mit den überirdischen Stationen +telephonisch verbinden lassen, mit der Religion, oder der Dichtkunst, +oder der Musik, oder der Philosophie. Und das schönste ist: wenn man so +mitten im besten Telephongespräch ist, dann merkt man auf einmal, daß +das Fräulein in der himmlischen Telephonzentrale wieder einmal +geschlafen hat, und daß man #mit sich selbst# verbunden ist.« + +So redete Herr Heinrich Baldrian wohl eine halbe Stunde lang. + +Aber Adolf Borges schüttelte verneinend den Kopf. »Se maane's gut, ich +spier's, unn es dhut merr wohl, so wohl -- awwer des is All zu hoch for +mich! Ich geheer' scheints zu dem #unbeschönigte# Schmutz. Ich versteh +nix von der Philosophie unn all dem Zeug, unn #wann# ich ebbes dervoo +verstehn dhät, dhät merrsch aach nix nitze! Des verseehnt merr mei +Kättche net, unnn gebbt merr aach mei Gustavche net widder. -- Gu'n +Nacht, Herr Baldrian! Schlafe Se wohl! Grieße Se merr des himmlisch +Delefon, -- awwer ich bin e armer Schlucker unn kann merr kaan +Delefonanschluß leiste!« + +Dies war der letzte Abend in Adolfs Leben, an dem die Nächstenliebe +seinen Weg kreuzte. Und bald dämmerte der Abend, der sein letztes +bißchen Glückshoffnung in Scherben schlug. + +Er saß Katharina gegenüber am Abendtisch und würgte schweigend das +bescheidene Essen herunter. Das war nicht das beseligende Schweigen, das +zwischen zwei Freunden webt, die des groben Werkzeugs der Sprache zur +Sicherung gegenseitiger Hingabe nicht bedürfen, ein verbittertes +Schweigen war es, hinter dem das Mißtrauen lauerte, ein Schweigen, das +die Angst vor bösen Worten diktierte. + +Katharina hatte sich nach ihrer neuen Gewohnheit so durchdringend +parfümiert, daß der süßliche Geruch sogar den scharfen Duft der +marinierten Heringe übertäubte. »Wo nor der Vadder bleibt?« sagte Adolf +schließlich. »Die Quellkartoffle wern ganz kalt.« + +»Dann soll er se #kalt# fresse!« knurrte Katharina. »Ich habb'm schonn +zwaamal gerufe, die Gorjel kann ich merr net aus'm Hals kreische!« + +Adolf aß weiter. Aber als nach einer Viertelstunde Bindegerst noch immer +nicht erschien, stand er auf. »Ich wer' en hole!« + +Er tastete die Treppe hinunter, auf der aus Sparsamkeit kein Licht +brannte. + +Das Geräusch des Holzsägens drang an sein Ohr. + +Er schmunzelte. Was mochte der Alte zu so später Stunde noch für ein +Kunstwerk zusammenzimmern? Welche Arbeit nahm ihn so gefangen, daß er +sogar das wiederholte Zeichen zum Essen überhört hätte? + +Aber plötzlich lief es Adolf eiskalt über den Rücken. Das war kein +Holzsägen ... das war ein langgezogenes Röcheln... + +Er sprang atemlos die Stiege hinab, riß die Türe zur Werkstatt auf. + +Da lag der alte Bindegerst mit geschlossenen Augen neben der +Drechslerbank am Boden. Die Hände griffen mit gekrümmten Fingern nach +dem Hinterkopf, aus dem das Blut sickerte, und mit dem Schnaps der +zerbrochenen Flasche eine schmierige Lache bildete. + +»Vadder, was is Derr?« + +Adolf kniete neben ihm nieder, versuchte den Ächzenden aufzurichten. + +»Vadder«, wimmerte er. »Vadder, so redd doch 'n Ton!« + +Aber der Alte gab keine Antwort. Nur sein Röcheln klang noch schärfer, +und sein Gesicht verzerrte sich in doppeltem Schmerz. + +Adolf stand auf. Instinktiv erkannnte er, was geschehen war. Der Alte +hatte, wie so oft, im Schnapsrausch das Gleichgewicht verloren, war +gegen die Drechslerbank getaumelt und mit dem Hinterkopf in eines der +geschärften, spitzigen Werkzeuge gefallen. + +Wieder kniete er nieder. + +»Vadder, kennstde mich dann net? Ich bin doch der Adolf!« + +Er rüttelte den Bewußtlosen. + +Da schlug Bindegerst die Augen auf. Seine Hände tasteten an Adolfs +Ärmel. Er richtete den Kopf ein wenig empor, sank aber gleich wieder +zurück. + +»Willstde Wasser, Vadder? So sag doch ebbes ... ich fercht mich ja so!« + +Die Lippen des Sterbenden bewegten sich, aber er brachte kein Wort +hervor. + +»Willstde merr was sage, Vadder?« + +Ein kaum sichtbares Kopfnicken. + +Adolf riß ihm die Joppe auf, nestelte mit zitternden Händen den Kragen +ab. Das schien dem Verblutenden wohl zu tun. + +»Adolf ... Adolf ... ich habb Derrsch versproche ... weilsde merr mit +dem Sparkassebuch ...« + +»Awwer Vadder, des is doch jedz ganz egal, des dhut doch nix ...« + +»Adolf ...!« + +»Ja, Vadder?« + +Er beugte sein Ohr dicht zu Bindegersts Mund. Aber die Worte ertranken +in rasselndem Stöhnen. + +Adolf umarmte den zuckenden Leib, küßte die Stirn verzweifelt. + +Noch einmal kehrte das Bewußtsein auf kurze Augenblicke zurück. + +»Adolf ... Du bist ... zu gut for se ...« + +»Nein, Vadder! Nein!« jammerte Adolf. »Sag des net!« + +»... Adolf ... des Kättche unn der Hippestiel ... der Friseer ... schon +iwwer zwaa Jahr ... Adolf!!« + +Er versuchte sich aufzurichten, seine angstvoll geweiteten Augen +starrten in unbekannte Ferne. »...ich wollt Derrsch schon immer ... die +zwaa ... des Kättche unn der Hippestiel... die zwaa...« + +Er ballte die Faust, sein Leib wälzte sich in der Lache, seine Linke +griff in die Scherben der Flasche, zerkrallte sie. Aber er fühlte nichts +mehr. + +Adolf rannte die Treppe hinauf. »Kättche, der Vadder sterbt!« + +Ein gellender Schrei antwortete ihm. + +Dann war er allein. + +Er schloß die Türe zur Treppe. Eisige Ruhe überkam ihn. Noch nie in +seinem Leben hatte er die Dinge so klar gesehen. + +Was geschah hier? Sein Schwiegervater starb. Gut, alle Menschen müssen +sterben. Auch sein Gustavchen hatte sterben müssen. Und war doch so jung +gewesen. + +Aber weshalb hatte Katharina so geschrieen? Das war der Schrei tiefsten +Schmerzes gewesen. Also liebte sie doch einen Menschen, ihren Vater. -- +Ihren Sohn, ihren Gatten hatte sie nie geliebt. Merkwürdig. + +Aber mit dem Vater hatte sie ja unter einer Decke gesteckt. Die Beiden +hatten ja gemeinsames Spiel gespielt, sie hatte ihn betrogen, und der +Alte wußte es -- seit zwei Jahren -- -- + +Plötzlich griff er mit den Händen an den Hinterkopf, so wie es vorhin +Bindegerst getan hatte. + +»Ich will nix wisse!« stöhnte er. »Ich will nix wisse!« + +Er ging wieder hinunter in die Werkstatt. + +Da lag der alte Bindegerst ganz still. Und Käthchen saß auf dem Schemel, +auf dem er einst dem Alten beim Schnitzen der Wiege und dann beim +Zimmern des Grabkreuzes zugeschaut hatte, und weinte, wie er sie noch +nie hatte weinen sehen. + +Es trieb ihn unwillkürlich, sie zu trösten, er hob die Hand, sie zu +streicheln, aber er zog die Hand wieder zurück, als habe er sie +glühendem Eisen genähert. Und ging hinaus. + +Und wieder kam der Zug zum Friedhof, der Pfarrer redete, die Nachbarn +drückten ihm beileidsbezeigend die Hand, und Herr Hippenstiel trug +wieder seinen tadellos gebügelten Zylinder und die erstklassigen +schwarzen Glacéhandschuhe. + +Adolf beobachtete ihn genau. Er lauerte, ob der Friseur und Käthchen +einen Blick wechseln würden. + +Aber Katharina hielt während der ganzen Dauer des Begräbnisses das +Taschentuch vors Gesicht und schluchzte ununterbrochen. + +Und Adolf dachte: »Vielleicht haww ich'n in der Uffregung falsch +verstanne. Vielleicht hat er aach in der Besoffeheit net gewißt, was er +redt. Odder vielleicht hat'r ganz was annerscht sage wolle, unn die +Wörter sin em im Sterwe dorchenanner komme? Könnte ich'n nur aus der +Erd' kratze unn en noch emal frage!« + +Er nahm sich vor, Hippenstiels Laden zu besuchen. Er wollte sich +rasieren lassen und dabei genau auf das Benehmen Hippenstiels und des +Gehilfen achten: irgendwie würden sie sich schon verraten, durch ein +Lächeln, ein Zucken der Mundwinkel, eine unwillkürliche Geste. Oh, ihm +würde nichts entgehen. + +Aber er führte den Plan nicht aus. Ihm fehlte die Tatkraft. Er besaß +nicht den Mut, dem Unglück entschlossen entgegenzutreten. Er wußte +nicht, daß das Unglück eines jener Raubtiere ist, die keinen Angriff +wagen, wenn man ihnen furchtlos ins Auge sieht. + +Statt sich durch rasches Zugreifen Gewißheit zu verschaffen, fing er an +zu grübeln, zu kombinieren, wie es seine Art war. + +Er rief sich jene Szene draußen auf der Waldbank ins Gedächtnis zurück, +als Bindegerst ihn so unvermutet wegen des Sparkassenbuchs um Verzeihung +gebeten hatte: »Vielleicht kimmt doch emal e Gelegenheit, wo ich mich +erkenntlich zeige kann! Vielleicht!« + +Was hatte der Vater damit gemeint? Hatte er Adolf damals schon die Augen +öffnen wollen? War das eine Andeutung gewesen, die er nicht verstanden +hatte? + +Er hatte ja auch im Sterben vom Sparkassenbuch zu lallen begonnen. +Sollte die Enthüllung der versprochene Dank sein? + +Und wie ihm Bindegerst in der letzten Zeit ausgewichen war! Und sein +Vorwurf »des war net gut, daß De da enuffgezoge bist!« Hatte der Alte +deutlicher sein können? Und das Alles hatte er überhört. + +»Ich bin blind«, sagte sich Adolf. »Wie die Kinner, wann se Blindekuh +spiele, laaf ich mit verbunnene Aage erum, unn dapp nach rechts, unn +dapp nach links, unn erwisch nix, sonnern reiß merr nor an de Bäum unn +Hecke die Händ blutig! Ich bin dümmer wie die Bolizei erlaabt, unn grad +uff #dem# Gebiet erlaabt doch die Bolizei mehr wie uff jeddem annern. +Ich bin e Kamel, so groß, daß es in der ganze Wüst' kaan Blatz hätt'. +Wie der Verstand ausgedeilt worn is, muß ich geschlafe hawwe. Awwer ich +glaab als, der Verstand is iwwerhaapts net #ausgedeilt# worn, sonnern +der liewe Gott hat'n unner die Mensche geschmisse, wie die reiche Leut +als Klaageld unner die Buwe schmeiße, unn die Frechste hawwe am meiste +erwischt.« + +Konnte sich der alte Mann nicht überhaupt getäuscht haben? Wenn seine +Anklage sich nur auf leeren Verdacht gründete? Einen Beweis hatte er ja +nicht gegeben. + +Aber war Katharinas verändertes Wesen nicht Beweis genug? Für wen zierte +und schmückte sie sich? Und parfümierte sich, daß es kaum auszuhalten +war? Und behandelte ihn mit offenkundiger Verachtung? Mit der +Verachtung, die dem Manne, der sich betrügen läßt, nur allzu reichlich +gebührt? + +Adolf wußte nicht, was er glauben sollte. Denn er #wollte# nicht +glauben. Ihm war zumute wie einem schuldigen Verbrecher vor der +Urteilsverkündung. Er bebte: gibt es kein Mittel, gar kein Mittel, die +Entscheidung hinauszuzögern? + +Nun wich er Katharina aus, wie ehemals Bindegerst ihm. Er konnte ihr +nicht in die Augen sehen, nicht mit ihr sprechen. Gleichgültiges brachte +er nicht über die Lippen, und den Verdacht, der ihm die Seele +beschwerte, wollte er nicht preisgeben. + +Er kannte aus Romanen und Zeitungsgeschichten die heroische Geste, mit +der sich betrogene Gatten zu rächen pflegen. Aber zu dieser Geste hätte +er sich nie aufraffen können. Denn er verspürte keinen Rachedurst. Nicht +einmal richtig »böse sein« konnte er dem Herrn Hippenstiel, -- nur +traurig war er, trostlos traurig. + +Alle Sterne seines Himmels waren erloschen, tiefschwarze Nacht +umbrodelte ihn. + +»Was haww ich eigentlich von mei'm ganze Lewe gehabbt? E Fußball bin +ich, den wo die Herrn Feldmann unn Schröder vom Geschäft uff die Post, +von der Post haam, unn von dahaam ins Geschäft gekickt hawwe! Unn wie e +Fußball bin ich von alle Mensche nor mit Fußtritte beehrt worn. -- Naa, +daß ich gerecht bleib, e paar aastännige Mensche haww ich #doch# kenne +gelernt: de Herr Bernheim, der merr immer sei Butterbrod zor Vesper +gewwe hat, »Da, Adolf, freß!« unn de Schröder, des gutmiedig +Zwaazentnerferkel, unn de Herr Baldrian, der mich zum himmlische +Delefonfräulein ausbilde wollt'. Des warn gute Mensche, unn wann die +groß Schnaps-Sintflut komme dhät, wo der ahl Bindegerst davoo geschwermt +hat, dann dhät ich de liewe Gott bitte: »Nemm die drei mit in die Arch', +se verdiene's! Die iwwerig Menschheit kannstde ruhig versaufe lasse! +Mich zu allererscht! Ich kann sowieso net schwimme! Wann ich aach e +Fußball bin. + +Unn ich habb doch emal Wunner geglaabt, was ich for e Mordskerl bin. +Damals, wie merr verlobt warn, wie ich mit'm Kättche awends am Mää +spaziern gange bin. Ach, wär' ich doch damals gestolwert unn +ereigeborzelt! Da hätte wenigstens die Fisch was zu lache gehabbt! ...« + +»Adolf,« sagte Katharina am dritten Tag nach Bindegersts Begräbnis, »des +Haus geheert jedz uns!« + +»Ja,« sagte Adolf, »jedz geheert's uns. Merr könne's verkaafe, wannstde +maanst.« + +»Schafskobb!« fuhr ihn Katharina an. »Des guckt Derr widder ganz +ähnlich! Nix werd verkaaft! Awwer unne die Werkstatt unn de Lade wer' +ich vermiete. Verstanne?« + +Und sie führte diese Absicht sogleich aus. Als Adolf einige Tage später +ins Geschäft ging, arbeiteten schon drunten die Handwerker an der +Auffrischung der Räume. + +Und am nächsten Mittag turnte vor dem Schaufenster ein Mann auf einem +Gestell herum und pinselte in großen Buchstaben den Namen einer Firma +auf die Glasscheibe. + +»Gottlieb« stand da. Der Nachnamen war noch nicht geboren. + +Drüben an der Ladentüre stand Herr Hippenstiel und schaute dem +Malkünstler zu. + +»Gu'n Dach, Herr Borges!« rief er hinüber. + +Aber Adolf gab keine Antwort. + +»Wann ich mich nur e bissi verstelle könnt!« murmelte er. »Wann ich nor +so e bissi Katzefreundlichkeit heuchele könnt! Awwer ich bring's net +fertich. So was dummes wie ich werd net zum zweite Mal geborn!« + +Er ging geradewegs ins Geschäft, denn auch das Abholen der +Geschäftsschlüssel in Herrn Feldmanns Wohnung besorgte längst der neue, +junge Ausläufer. + +»Ich glaab, se dhäte's iwwerhaapts net merke, wann ich dahaam bleiwe +dhät! An mich denkt kaa Mensch!« + +Mit dieser Behauptung tat Adolf Borges der Menschheit wieder einmal +Unrecht. Denn gerade an diesem Nachmittag sagte der dicke Herr Schröder +zu seinem Teilhaber: + +»Hermann, nächste Woch' werd's dreißig Jahr, daß der Adolf bei uns is. +Maanstde net, merr sollt da erjend ebbes mache?« + +»Schreib emal an die Kasern, vielleicht halte se e Parad for en ab!« + +»Da werd'r kaan Wert druff lege. Awwer e Geschenk könnt mer'm doch +gewwe. Es braacht ja net gleich e Milljon koste. Unn aach'm Personal +sollt merrsch sage, daß se so e klaa Feier veraastalte. Der Herr +Baldrian könnt die Festredd halte, ich glaab, dem leiht so was! -- Unn +'s war doch aach e Reklam' fors Geschäft, wann's in die Zeidung käm.« + +»Mach, was De willst! Mir is worscht, ich bin kaa' Danzlehrer!« + +Als Adolf Abends nach Hause kam, war der Mann mit dem Malgestell +verschwunden. + +Und Adolf las auf der Glasscheibe: + + Gottlieb Hippenstiel + Coiffeur und Friseur + +Ausführung aller Haararbeiten zu billigsten Preisen. + + * * * * * + +Eine unbändige Wut überkam ihn. + +Also an #ihn# hatte Katharina den Laden vermietet. So weit trieb sie den +Zynismus. + +Er stürmte hinauf, bereit, Katharina zu prügeln, zu mißhandeln. + +Aber schon auf der Treppe wurde er in seinem Entschluß schwankend. Was +nützte es, eine Szene zu machen? Gar keinen Wert hatte es. Es war ja +doch Alles aus. + +Und als er vor der Wohnungstüre stand, hörte er drinnen zwei lachende +Stimmen. + +Da stieg er langsam zur Dachstube. Er schloß das Fenster, denn draußen +regnete es. + +Er nahm das Bild Gustavchens von der Wand, betrachtete es lange, lange. + +Dann drehte er es um, schnitt es aus dem Rahmen, zerriß es in kleine +Fetzen, stopfte sie in den Ofen und verbrannte sie. + +Ganz ruhig und bedächtig tat er das. + +Wie ein sorglicher Familienvater, der seine Angelegenheiten ordnet. + +Dann zog er der Holzfigur den Matrosenanzug aus. Er rollte ihn zusammen, +schnürte ihn mit dem Schlips fest. + +Nahm das Bündel unter den Arm und stieg langsam, auf den Zehenspitzen, +die Treppe hinab. + +An der Wohnungstüre blieb er einen Augenblick stehen. + +Und nun schlich er durch die naßtrüben Straßen, dem Main zu. + +Das Bündelchen mit Gustavs Matrosenanzug hielt er dicht an sich gepreßt. + +»Babba, was machß'n Du da??« frug plötzlich ein Stimmchen. + +»Ich geh ins Wasser, Gustavche! Versaufe dhu ich mich!« + +»Warum dann, Babba?« + +»Da bistde noch zu jung dazu, des verstehstde noch net, mei Liebling.« + +»Awwer 's Wasser is doch so kalt, Babba?« + +»Des spier' ich net mehr, mei Kind. Ich habb kaa Gefiehl mehr. Laß' mich +nor mache!« + +Das Zwiegespräch verstummte. + +Bis nach einer Weile das Stimmchen wieder begann: »Die Mama is bees!« + +»Des mußtde net sage, lieb Gustavche! Die Mama kann nix dafor. Du mußt +Dei Mama lieb hawwe!« + +Der Regen geißelte sein Gesicht. Er eilte, ans Ziel zu kommen. + + * * * * * + +Auf einem der großen Mainkähne saßen schwatzend drei Schiffer, in +dichten Sturmmänteln und Kapuzen. Der Jüngste von ihnen spielte +Ziehharmonika. + +»Hastde nix plumpse heern?« frug der eine. + +»Mir war's aach so! 's werd e Bierflasch ins Wasser gefalle sei'!« + +»Hoffentlich kaa volle!« lachte der Frager. + +Sie wandten sich wieder ihrem unterbrochenen Schwatz zu. + +Und die Ziehharmonika spielte gedehnt: + + »Katharinchen mit dem Selleriekopp, + _Allez_ hopphopphopp, _Allez_ hopphopphopp... « + + + + +=Münchner Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn= + + + + + +End of Project Gutenberg's Der Widerspenstigen Zähmung, by Karl Ettlinger + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG *** + +***** This file should be named 31733-8.txt or 31733-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/3/1/7/3/31733/ + +Produced by Norbert H. Langkau and the Online Distributed +Proofreading Team at https://www.pgdp.net. + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you +do not charge anything for copies of this eBook, complying with the +rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose +such as creation of derivative works, reports, performances and +research. 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Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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