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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/39043-8.txt b/39043-8.txt new file mode 100644 index 0000000..7d42859 --- /dev/null +++ b/39043-8.txt @@ -0,0 +1,3024 @@ +The Project Gutenberg EBook of Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Die Kakomonade + Ein Nachlaß vom Doktor Panglos, als ein Supplement des Kandide + +Author: Simon Nicolas Henri Linguet + +Release Date: March 6, 2012 [EBook #39043] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KAKOMONADE *** + + + + +Produced by Jens Sadowski + + + + + +Die +Kakomonade, + +ein Nachlaß +vom Doktor Panglos, + +als ein Supplement + +des Kandide, + +von + +Linguet. + +Nach der zweiten vermehrten Ausgabe übersetzt. + +Berlin, 1786. + + + + + + + + + + +Buchhändlernachricht. + + +Es leben zwo berüchtigte Schwestern in der Welt, welche mit voller Gewalt +auf derselben regieren. Man ist gesinnet, von der Einen derselben die +Geschichte ihres Lebenslaufes hier vorzulegen. Dem Leser wirds gar nicht +schwer fallen, zu errathen, wer die sei, von der man spricht, sobald er +weis -- was wir ihm eben sagen -- daß man jene, von der die Rede nicht ist, +nach unserer französischen Mundart gemeinhin die petite vérole nenne[*]. + +Diese nun hat sich vor undenklicher Zeit in Europen ausgebreitet; der +andern aber gelang es nur erst um viele Jahrhunderte später, in diesem +Welttheile festen Fuß zu fassen; indessen mag man sie für +Zwillingsschwestern ansehen, und ihr Alter beinah so weit hinaussetzen, als +das Alter der Welt. Es ist wahrscheinlich, daß sie bei ihrer Geburt zu +einer Zeit mit Noe sich in das Universum theilten. Die Eine nahm die linke, +die Andere die rechte Seite desselben in ihren Besitz. Sie zogen mit den +Söhnen dieses Patriarchen herum, und schlugen in Wüsten, denen es an +nichts, als an Bewohnern fehlte, ihren Wohnsitz auf. + +[Fußnote *: Wörtlich geteutscht die kleine Pocke; Die große Verole, ihre +Schwester, von der sichs hier eigentlich handelt, ist ein Frauenzimmer von +solcher Artigkeit, daß sie sich immer balsamt, und parfümt; und von solcher +Ehrwürdigkeit, daß sie auch den ausgelassensten Lüstling, sobald er sie +kennen lernt, voll Ehrfurcht zurückhält, sich an sie zu wagen. Anmerk. des +Uibersetzers.] + +Die Kleine nahm das größte Stück für sich: Das ganze feste Land des +Alterthums ward ihr Reich; Afrika, Asien, und Europa fielen unter ihre +Bothmässigkeit. Ihre vornehmste Beschäfftigung war, die Menschengestalten, +die sich da befanden, zu verderben; aber vorzüglich übte sie sich in ewigen +Kriegen gegen die Schönheit. + +Die Andere trieb Anfangs ihren Ehrgeiz nicht so weit: sie begnügte sich, +den Zepter über Amerika zu führen: Da pflegte sie des Umgangs mit den +Schlangen, und allem kriechenden Ungeziefer, welche diesen schönen Theil +der Welt verheeren: allein der Theil, auf welchen sie ihre Gewalt +ausbrechen ließ, war nicht das Gesicht; sondern sie griff unmittelbar das +an, was die Schönheit nützlich, oder schätzbar macht. + +So lebten sie über fünf tausend Jahre, einsam, jede in ihrem Aufenthalte. +Nur erst im fünfzehnten Jahrhunderte kam sie die Lust an, sich zu besuchen, +da sie zu ihrer Reise die spanischen Flotten sehr gemächlich fanden. Sie +mußten keine Ursache gefunden haben, es sich gereuen zu lassen: von dieser +Zeit an scheinen sie den Entschluß gefaßt zu haben, sich nimmer wieder zu +verlassen. Sie verglichen sich, ihre Schätze gemeinschaftlich anzulegen. +Ohne Unterschied, und ohne Eifersucht herrschen sie nun beide zusammen über +die vier Theile dieser unteren Welt, wo, wie es ein Haufen erlauchter +Philosophen beweist, alles gut ist. Der Vergleich dieser beiden Schwestern +hat die Masse des allgemeinen Guten um ein Ansehnliches vermehrt; ob man +gleich gestehen muß, daß einige einzelne Uibel daraus erwuchsen. + +Diese zu mildern, ja zum Theile gar zu unterdrücken, scheint die Absicht +gewesen zu sein, welche sich der Verfasser dieses Werkes durch dasselbe zu +erreichen bestrebet hat. Wir glaubten wahrzunehmen, daß er hierzu eben so +sichre, als leichte Mittel an die Hand gab; und man wird sich von der Sache +sogleich gute Begriffe machen, sobald man wissen wird, der Verfasser sei +der Herr Doktor Panglos, Feldprediger des Freiherrn von +Donnerstrunkshausen, und Hofmeister des Kandide. + +Seine Abentheuer sind Jedermann bekannt, aber Niemand weis Etwas von seinen +Schriften. Man weis, daß er eben sowohl, als sein Zögling, auf den Befehl +der heiligen Hermandad den Staupbesen bekam, und, was noch mehr ist, +gehangen wurde. Seine Unglücksfälle sind, Dank sei es der Feder des +berühmten Herrn Ralph, seines Mitbruders in der Metaphysik, zum Besitze der +Unsterblichkeit gelangt; hingegen zweifelte man nicht, daß es ihm nicht am +Kützel, oder an der Zeit gefehlet habe[*], ein Autor zu werden; dennoch ist +dieß eine unläugbare Wahrheit; und hier theilen wir eine seiner Arbeiten +mit, die uns würdig genug schien, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich +zu heften. + +[Fußnote *: Eine seltsame, dunkle Verkettung der Gedanken! -- Ich müßte zu +weitläuftig werden, und behalte mir vor, diese, und die nachfolgenden +Anmerkungen am Ende des Werkchens auszuführen. Anm. des Uibersetzers.] + +Es hält schwer, ihren Zeitpunkt genau zu bestimmen; unterdessen ist es doch +ziemlich wahrscheinlich, daß sie der Doktor damal verfaßte, als er sich bei +dem Wiedertäufer Jakob aufhielt[*]. ohne Zweifel wars diese heilsame +Einsamkeit, wo Herr Panglos sichs zum Geschäfte, machte, über die Ursache +nachzudenken, von der er da die Wirkungen empfand. Voll von seinem +Gegenstande, machte er sich das Vergnügen, die treffenden Bemerkungen, die +ihm sein Zustand darboth, zu Papier zu setzen. Er kam dabei, wie man weis, +um ein Aug, und um ein Ohr. Doch rettete er sein Manuskript, und dieses +kostbare Stück Werk kam in der Folge unter allen dem Stürmen, die das Leben +dieses großen Philosophen verfolgten, mit heiler Haut davon. + +[Fußnote *: Sieh den Kandide, oder die beste Welt, 4. Kapitel.] + +Diese Stürme waren mit der Epoche, womit Herr Ralph seine Geschichte +beschließt, nicht, wie man etwa denken konnte, vorüber. Die mühsame +Vereinigung, welche die Noth unter allen Gefährten Kandidens veranlaßt +hatte, war von kurzer Dauer. Die kluge Alte war das Band der Gesellschaft: +sie starb, und das Gebäude, zu dem sie so viel beigetragen hatte, zerfiel +mit ihrem Tode. + +Kunegunde, ihres guten Rathes beraubt, begieng eine Thorheit auf die andre. +Die letzte davon war, daß sie bei Barzellona mit einem Korsaren auf dem +mittelländischen Meere kreuzen schiffte. Bald darauf machte sich auch +Kandide, bloß von Martinen begleitet, unsichtbar, ohne Zweifel nicht so +viel, um seiner theuern Hälfte wieder habhaft, als um des Verdrusses, daß +er sie geheurathet hatte, los zu werden. + +Der Bruder Giroflee gieng einige Zeit vorher unter die Janitscharen. +Panglos reiste mit Paquetten ab, um, falls er ihn treffen konnte, seinem +Zöglinge Trost einzusprechen. Die kleine Mayerei blieb das Eigenthum des +einzigen Kakambo, der zufolge des Kaim Akan von Konstantinopel, nachher +Oberrichter geworden ist, aber trotz dieser Würde, sich so gut, als seine +Herrschaften, neuen Unglücksfällen ausgesetzt fand. + +Der Doktor, und seine Gefährtinn bestanden ein klein griechisch +Kaufmannsschiff, um darauf nach Smirna zu fahren, wo sie sich Rechnung +machten, einige Schiffe zu finden, um nach Europa zu kommen, in der +Hoffnung, daß Kandide diese Strasse eingeschlagen hätte. Unglücklicherweise +hatte an der Küste von Mar di Marmora Paquette wieder Lebhaftigkeit, und +Farbe gewonnen. Der Patron würdigte sie seiner Aufmerksamkeit. Dieser +eifrige Muselmann fand sie weiß, wie eine Lilie, und frisch wie eine Rose, +und sah sie für eine Zirkassierinn an, die aus irgend einem Serrail +entwischet wäre. Er trug Bedenken, so viele Reize den Unbeschnittenen +zuzuführen. Statt also, sie zu Smirna ans Land zu setzen, führte er sie in +Aegypten, wo er sie um tausend Zekine an den Bascha von Kairo verkaufte. + +Mittels einer sehr sinnreichen, und der Schule eines Leibnitz ganz würdigen +Verkleidung fand Panglos den Weg, sie zu entführen. Sie durchstrichen +hierauf ganz Asien. Die Kette ihrer Begebenheiten zog sie bis nach China, +wo sie Kunegundens Bruder, Herrn Baron von Donnerstrunkshausen wieder +fanden. Der war noch immer der alte Starrkopf, der alte Jesuite. Er gab +sich hier, wie man im Verfolge dieses Werkes sehn wird, mit dem Gewerbe +nützlicher Künste ab. Endlich trafen sie nach einer Menge neuer Märsche, +und mehr, oder minder trauriger Trennungen zu Paris wieder zusammen. +Paquette gab sich hier einen indianischen Namen. Durch diesen Kniff, und +durch die Neugierde, die sie gegen sich erregte, machte sie in kurzer Zeit +ihr Glück, trotz dem, daß ihre Reisen sie etwas gebräunet hatten. + +In ihrem Glücke verlor sie Panglosen nicht aus dem Gedächtnisse. Sie gab +ihm bis zu seinem Tode, der sich den 11ten Dezember des vorigen Jahres +ereignete, seinen Unterhalt. Er hatte ziemlich schnell das Französische +begriffen, und das Werk, das wir hier herausgeben, selbst in diese Sprache +übersetzt. Er hat es, wie man sehen wird, seiner Wohlthäterinn zugeeignet, +und diese hat uns das Mannuskript davon mitgetheilt. + +Man fand unter seinen Papieren viele andere Bemerkungen, in sehr guter +Ordnung. Sie enthalten alle seine Reisen von der ersten von Konstantinopel +aus angefangen. + +Fräulein Paquette übernahm selbst die Sorge, sie durch sichre Hände an +Herrn Ralph gelangen zu lassen; und wir wissen ganz zuverläßlich, daß +dieser Gelehrte des Vorhabens ist daraus einen Zweiten Theil zur besten +Welt zu verfassen, dessen Ausgabe nicht lange ausbleiben wird. Hierbei +bedienen wir uns mit Vergnügen der Gelegenheit, das Publikum aus einem +Irrthume zu ziehn. Man hat bei einigen nachgedruckten Ausgaben der besten +Welt auf den Titel gesetzt, daß Herr Ralph gestorben wäre. Ja man führte +sogar den Ort und das Jahr dieses Vorfalls an, der, wie man sagt, sich zu +Minden im Jahre Christi 1759. ergeben hat. + +Ohne Zweifel kömmt dieses Gerücht von des Herrn Doktors Feinden her. Sie +gaben vor, er hätte sein Leben auf einem Schlachtfelde geendigt, gewiß nur, +um verstehen zu geben, daß er vor Furcht gestorben. Diese Nachricht ist +falsch. Der unsterbliche Herr Ralph befindet sich, zum Verdrusse seiner +Neider, noch bei den besten Kräften. Die Herausgabe des zweiten Theils +seines Werkes wird davon eine Probe seyn. Um ihn erscheinen zu lassen, +erwartet er nur noch die Landkarten, womit er ihn versehen will; eine +Vorsicht, deren Außerachtlassung beim ersten Theile er sehr bedauert. + +Vom Verdienste des Doktor Panglos, als Schriftstellers, wird das Publikum +das Urtheil sprechen. Wir zweifeln nicht, daß man dieses Werk seines Ruhmes +würdig finden werde. Was uns Anfangs befremdete, war nur der Gegenstand +desselben. Herr Ralph nannte das Kind, das sein Held aus seinen Versuchen +in der Experimentalphisik erhielt, ohne Umschnitte beim rechten Namen. +Allein selbst dieser soll, nachdem er es im Französischen zu einer +vollständigen, Kenntniß gebracht, und die Doppelsinnigkeiten, und die +falsche Delikatesse dieser Sprache näher eingesehen hatte, es, wie man uns +versicherte, nie gewagt haben, sich die Freiheit seines Geschichtschreibers +zu erlauben. Er suchte Wendungen, und gab seinem Buche den ehrbaren Namen, +den wir ihm hier beibehalten haben. + +Man kann sich einbilden, daß diese Herabstimmung, ihm vieles kostete. Wir +haben in seinen Schriften davon Proben gefunden. Er hatte sogar gegen diese +sogenannte Delikatesse eine Abhandlung angefangen, wobei wir sehr bedauern, +daß er sie nicht zu Ende bringen konnte. Der Herr Doktor machte sich +darinnen mit einem seiner würdigen Nachdrucke gegen diese lächerliche +Wohlanständigkeit auf, welche die Artigkeit mehr in den Worten, als in den +Dingen sucht, und sich über Ausdrücke, aber nicht über die Begriffe +entrüstet. Er legte lebhaft seine Befremdung an den Tag, daß rechtschaffne +Leute in Europa sich nicht getrauen, eine Ursache, von der sie alle Tage +die Wirkung zu befahren haben, bei ihrem Namen zu nennen. Er sprach über +diesen Gegenstand als ein erfahrungsvoller Philosoph, und als ein +vollkommener Leibnizianer. + +Unterdessen wollen wir zur Rechtfertigung der Franzosen, bemerken, daß sie +nicht die Einzigen sind, die sich auf diese unvernünftige +Gewissenhaftigkeit etwas zu Gute thun können. Die Italiäner haben beinahe +die nämliche Schwachheit: sie nennen die größere Schwester der kleineren +Pocke mal Francese, obgleich sie unstreitig weder an der Seine, noch an der +Rhone bürtig ist. Wahr ists, sie besucht diese Flüsse öfters, und unterhält +sich vorzüglich mit den Nymphen, die diese Gestade verschönern; aber doch +ist sie da nicht geboren, und die wälsche Paraphrase ist weder richtig an +sich selbst, noch artig im Bezuge auf die benachbarten Völker. + +Die Spanier sollten mit dem Namen und der Sache besser bekannt seyn; +indessen weichen sie dem Begriffe davon so viel möglich aus. Sie bezeichnen +sie mit dem feinen Ausdrucke purgacion. Wenn man daher jenseits der +Pyrenäen spricht: el señor marqués, el señor conde, el señor duque tiene +las purgaciones, so will dieß nicht sagen, daß diese Herrn Arzneien +eingenommen, sondern daß sie ihrer sehr nöthig haben. Diese kleine +Untreuheit ist doch verzeihlicher, als jene, deren man sich im Lande des +Vesuvs bedient. + +Uibrigens ist diese abgeschmackte Kleingeistigkeit nicht bei allen Völkern +die Folge eines vagen Vorurtheils, wovon man nie versuchet hätte, einen +Grund anzugeben. Große Schriftsteller haben sich bemühet, sie zu heben, und +sogar zu rechtfertigen. Unter andern kann man hierüber den berühmten Herrn +Abbé Desfontaines in seinem ein und sechzigsten Briefe seiner Beobachtungen +über die Schriften unsrer Zeit anführen. + +Der Herr Abbé untersucht sehr sorgfältig, und mit all dem kritischen +Geiste, den er besaß, worinn die sogenannte Keuschheit unsrer heut zu +tägigen Sprachen ihren Grund habe. »Das Christenthum, und die Moral der +Europäer,« sagt er, »machen sie so gewissenhaft in ihren Worten, da im +Gegentheile das Griechische und Latein, welches von heidnischen Völkern +gesprochen wurde, weit freier ist.« + +Wir bitten den Herrn Abbé um Vergebung; allein wir sind nicht seiner +Meinung; und was noch mehr ist, wir haben so gar sehr gute Gründe, es nicht +zu seyn. + +Der erste ist das Ansehn des Herrn Panglos, der sich ganz öffentlich für +die entgegengesetzte Meinung erklärt, wie man in der Sammlung seiner Werke +sehn wird, wenn man anders jemal das Fragment, von dem wir sprachen, +darinnen mit heraus giebt. Der zweite Grund ist der, daß die Moral der +Heiden nicht lockerer war, als die unsrige. Die wahren Begriffe von +Schande, und Ehre findet man eben sowohl in ihren guten Schriften, als in +unsern Kasuisten entwickelt. Uiberdieß haben die Moral und Religion nur auf +unsre Handlungen Einfluß. Es ist ausgemacht, daß die Sprache nicht ihr +Gegenstand ist, oder daß sie wenigstens sehr wenig darauf achten. Gott +selbst hat, wie bekannt, sich gewürdigt, die hebräische Sprache anzunehmen; +und dennoch ist diese unter allen Sprachen die unfläthigste, will sagen, +die einfacheste in ihren Begriffen, und die nachdrücklichste in ihren +Ausdrücken. + +Der Journalist denkt nicht, daß die Väter der beiden Kirchen Eingebungen +vom heiligen Geiste hatten, und wenigstens eben so gut, als wir, in der +christlichen Moral unterrichtet wurden. Indessen erlaubten sie sich doch, +Zergliederungen zu machen, denen das Geschraubte unserer Sprache bei einer +Uibersetzung den Schein einer Unlauterkeit giebt, da sie doch an sich +selbst nichts mehr, als natürlich, sind. Die Tugend zeigt sich in ihren +Schriften manchmal mit einer Rüstung, wovor in den unsrigen das Laster +erröthen würde. Sollten sich die Bürger in Paris, die sich in Kupfer +stechen lassen, darum getrauen, zu glauben, über diese großen Männer +erhaben zu sein? + +Sehen wir uns ja vor, die scheinbare Grobheit der Alten, und selbst der +Heiden, zu verachten. Wir haben einen heiligern Gottesdienst; aber unsre +Sitten sind darum nicht reiner. Lassen wir uns ja nicht den dummen Stolz +einkommen, zu glauben, daß es die Erhabenheit unserer Glaubenslehren sei, +die der Freiheit unserer Gespräche einen Zaum anlegt. Man müßte erstaunen, +wenn die Moral Stärke genug hätte, die Sprache zu reinigen, und dennoch +nichts über die Sitten vermöchte; daß es der Religion gelungen habe, den +wahren Namen der Heldinn des Herrn Panglos zu verbannen, daß sie aber ihrem +Laufe kein Hinderniß setzen konnte. + +Weit gefehlt, daß die Sittsamkeit der kauderwälschen Europäer die Frucht +einer ächten Sittsamkeit wäre, so ist sie vielmehr der Beweis einer tiefen +Verderbtheit. Man schont der Ohren, weil man sonst nichts mehr zu schonen +übrig hat. Die heiligen Väter, welche die Gottheit, deren Geschichte wir +bekannt machen, nicht zu fürchten gehabt hätten, würden sich erlaubet +haben, von ihr ohne Umschweife, und ohne Bedenklichkeiten zu sprechen. +Unsre Leute von Welt, die fast unaufhörlich unter ihrem Zepter stehn, +zittern, wenn sie nur ihren Namen hören; So, wie die Einwohner von Siam es +nicht wagen, den Namen des Despoten über die Zunge zu lassen, der sie mit +der unbeschränktesten Gewalt beherrschet. + +Doch muß man, wenn man für sie schreibt, auf diese alberne Delikatesse +Rücksicht nehmen. Man muß einen Gegenstand, vor dessen nackten Anblicke sie +sich scheuen, mit einem durchsichtigen Schleier überdecken. Man muß sich +zufrieden geben, die furchtbare Macht, deren Thaten man lesen wird, unter +einem allegorischen Namen aufzuführen. Diese Nothwendigkeit wars, die den +Herrn Doktor veranlaßte, den geheimnißreichen Ausdruck: Kakomonade zu +ersinnen. + +Man erkennt daran den Eifer des Lehrmeisters Kandidens für die Lehre des +größten Metaphysikers von Deutschland. Das blosse Wort Monade, erinnert uns +auf den Ruhm seines Erfinders zurück, und, wenn der selige Liebhaber von +Fräulein Paquette auf den Gedanken fiel, es mit dem Beiworte Kako, das, wie +man sieht, von dem Griechischen kakos herkömmt, und soviel, als böse, +unbequem heißt, zu verbinden; so ist dieß ein Merkmaal von dem Scharfsinne +seines Geistes, und von der Richtigkeit seiner Urtheilskraft. In der That +ist auch von allen Leibnitzischen Monaden keine lästiger, als diese, und +das Beiwort ist also mit ganz vorzüglicher Richtigkeit ausgewählt. + +NB. NB. Bei dieser zweiten Ausgabe hat man dem Werke einen Brief +beigerückt, der sich auch unter den Schriften des Herrn Doktors vorgefunden +hat, und über den nämlichen Gegenstand lautet. Er ist ebenfalls von eben +den Absichten der Menschlichkeit, und Wohlthätigkeit ganz voll, und wir +glaubten daher, ihn dem Publikum nicht vorenthalten zu dürfen. + + + + +Die Kakomonade. + + + + + +Schreiben an Fräulein Therese Julie Klementine Paquette. + + +Sie zwingen mich also, Fräulein, und ich soll Sie durchaus +verunsterblichen? Sie wollen, meine Erkenntlichkeit soll Ihren Namen auf +die Nachwelt übertragen? In einem dicken philosophischen Buche, gedruckt in +unsern Tagen, haben Sie gelesen, daß die Phrynen, und die Aspasien ganz +leicht die Sokraten, und Platone aufwogen; und mit Rechte hat Ihnen dieser +artige Ausspruch Muth eingeflößt. + +Wahrscheinlich war Aspasia nicht so schön, als Sie, und Phryne hatte nicht +die Geschicklichkeit, die Grazie. Sie kehren die Köpfe zu Paris, wie jene +zu Athen oder Theben, um; und also haben Sie Recht, sich für eine Erbinn +dieser berühmten Schönen zu halten. Und sie verlangen den Besitz ihres +Ruhmes, wie ihrer Talente; ihres Rufes, wie ihrer glücklichen Unternehmung +für sich. + +Die Eine derselben gab, wie man weis, den Philosophen ihres Zeitalters +Unterricht in der Beredtsamkeit. Sie lehrte sie die Kunst, mit Sanftheit +den Geist der Menschen zu regieren. Der berühmte Lehrmeister des Alcibiades +studirte unter ihr, und er schämte sich nicht zu gestehn, wie viel Dank er +ihr wisse. Sie wars, von welcher Sokrates die erhabenen Lehren empfieng, +die er in der Folge mit so vieler Sorgfalt seinem jungen Schüler einprägte. + +Die Andere verlangte von ihren Liebhabern, daß sie, wenn sie zu ihr kämen, +ihr einen harten Stein behändigten. Der war das Zeichen, auf welches ihre +Thüre sich öffnete. Auch verwahrte sie, sagt man, sehr sorgfältig die +Modelle davon. Aus dieser wunderbaren Sammlung ließ sie, zum Zeitvertreibe +in ihrem Alter, eine sehr hohe Pyramide bauen, und die Reisenden haben +dieses Denkmaal mit Rechte unter die sieben Weltwunder gezählet. + +Sie, mein Fräulein, Sie gebrauchen sich keiner Worte, um die Kunst zu +lehren, die Herzen zu besiegen. Wenn Sie diesen großen Unterricht +ertheilen, so ertheilen Sie ihn Ihren Gespielinnen, so ertheilen Sie ihn +durch Ihr Beispiel. Sie fordern von denen, die es nach Ihrer Huld verlangt, +eben keinen Stein ab; nicht als ob Sie vielleicht weniger, als eine andere, +auf Pyramiden achteten, oder als ob Sie weniger Geschick besässen, eine zu +errichten; nein, sondern das Klima in Frankreich ist von jenem in +Griechenland verschieden. + +Attika, und Beotien waren dürre und unfruchtbare Länder, die Steine wuchsen +da im Uiberflusse. Ein artig Frauenzimmer durfte nur die Hand ausstrecken, +um welche zu finden. Der Marmor dehnte sich, um so zu sagen, demselben von +selbst entgegen. + +Sie leben in einem glücklicheren Erdstriche, und dennoch haben Sie eben +diese Vortheile nicht. In Paris, und in dessen Umkreise nehmen die Steine +mit jedem Tage ab. Die Menge, welche man in den Palästen dieser Hauptstadt +täglich verbraucht, macht die ganze Art dieser Naturprodukte zu nichte. +Brächte man ihrer nicht von Zeit zu Zeit aus dem Schatze der Provinzen +einige dahin, so ist zu vermuthen, daß sich diese Stadt derselben bald ganz +beraubt sehen würde. + +Sie, mein Fräulein, halten sich weislich an die allgemeinen, und +unausweichlichen Gesetze der Natur. Wie viele Andre sind eigensinnig genug, +hartnäckig gegen ihre Schwäche zu kämpfen! Sie haben keine andere Sorge, +als wie Sie sich für dieselbe entschädigen können. Gerne lassen Sie den +Männern den Stein nach, wenn Sie Ihnen diesen nur mit recht viel Gold +ersetzen. + +Auch wissen Sie sich hierbey so zu nehmen, daß Sie nie was verlieren. Man +weis, welche Kunst Sie gebrauchen, die Opfer, die man Ihnen macht, +miteinander zu vereinbaren. Niemanden ists unbekannt, mit welcher Einsicht +Sie die verschiedenen Gattungen derselben zusammen auswählen. Sie ahmen +jenen geschickten Wirthen nach, die aus mehrern mittelmäßigen Weinen ein +vortrefliches Getränke bereiten. + +Sie mäßigen die Schwachheit eines Parisers durch den Trotz eines +Provenzalen, und die Schaalheit eines Einwohners von Marais durch den Saft +eines Burgunders. Sie verbinden den brausenden Schaum des Champagners mit +Amerika's Wärme, und die Dumpfheit des Deutschen mit der Feinheit des +Italiäners. Da Sie so die Fehler jeder Nazion durch die Zumischung der +entgegengesetzten Tugenden verbessern, da Sie die Ungeschmacktheit der +Einen durch das Beißende der Andern lindern, so sind Sie so glücklich, sich +eine Reihe höchst angenehmer Lebenstage, und eine ununterbrochene Fortdauer +von Vergnügungen zu verschaffen. + +Ihre Bescheidenheit will der Nachwelt die Denkmaale Ihrer Triumphe gerne +schenken; jedoch, müßte man die Anzahl all derer, die Sie ihr noch hätten +hinterlassen können in die Rechnung bringen; so glaube ich, alle Phrynen +des Alterthtums würden sich nicht beygehen lassen, Ihnen das Geringste +streitig zu machen; so viele Gründe also berechtigen Sie, sich über die +alten und neuen Sokraten erhaben zu glauben! + +Indessen muß man gestehen, dieser so große Ruhm wird von einigen Ungemachen +etwas aufgewogen, und verliert von seinem Glanze. Mit Vergnügen sehen Sie +die Ankunft der Schätze, die der Geiz den Bergen der neuen Welt entwühlt, +und welche die Thorheit auf den Sopha's von Europa zerstreuet, bey sich. +Eine Danae, öffnen Sie den Schooß diesem kostbaren Regen, dessen Werth und +Nutzen Ihnen so wohlbekannt ist. + +Unglücklicherweise macht er öfters in der alten Welt gewisse +Vollkommenheiten aufzusprossen, welche die Natur bloß für die neue +bestimmet hatte. Die kostbare Pflanze derselben brachte uns 1493. der +Genueser Christoph Kolombo mit dem Gold aus San Domingo, und, wie wir wohl +wissen, seit dieser Zeit haben sie sich mit einer verwundernswürdigen +Fruchtbarkeit ausgebreitet. + +Die jüngere von zwoen Schwestern, die beynahe einerley Namen führen, +scheint es am weitesten gebracht zu haben. Seit fast zweyhundert Jahren +arbeitet sie ohne Unterlaß an der Ausbreitung ihres Reiches; und daß ihr +alle Unternehmungen glückten, hat sie vorzüglich ihrer verschwenderischen +Freygebigkeit zu danken. Gleich den staatsklugen Eroberern gewann sie eine +Menge Landes, weil sie mit ihren Geschenken nicht haushälterisch war. + +Nicht, als ob man im Grunde so erpicht darauf wäre. Wenige Personen sind +aufgelegt, sie freywillig sich zu wünschen; allein sie verbindet, wenn sie +sie anbeut, damit einen so verführerischen Reiz, daß die mißtrauischsten +Herzen manchmal genug zu thun haben, sich dagegen zu verwahren. Man +empfängt sie, ohne es fast nur gewahr zu werden; und was dabei das +verdrießlichste ist, wenn man sich damit beschwert fühlt, so ist man nicht +immer im Stande, sie sich vom Halse zu schaffen. + +Man bringt sie nicht einmal los, wenn man ihren Kreislauf befördert. Sie +haben die Eigenschaft, sich zu vervielfältigen, ohne die Quelle, aus der +sie entsprungen sind, zu schwächen; gerade, wie eine brennende Wachsterze +tausend andere anzuzünden dienen kann, ohne im mindesten von ihrem Licht, +und dem Feuer, das sie verzehrt, zu verlieren. + +Gewiß, mein Fräulein, ein schreckliches Mißgeschick! Sie wünschten wohl, +man möchte ihm abhelfen können. Auch ich wünsch es von ganzem Herzen. +Suchen wir miteinander die Mittel auf. Die Ehre davon will ich Ihnen gerne +lassen. + +Die griechischen Lustmädchen zeichneten sich, die Eine durch den Zauber +ihres Verstandes, die andre durch die Anmuth ihres Tanzes, und diese durch +ihre Schönheit aus. Was Sie betrift, so wünsche ich, daß Sie Ihren Namen +durch der Menschheit geleistete Dienste verewigen. Ihre Gefälligkeit gegen +sie, kennt man bereits zur Gnüge. Man wird sich nicht befremden, daß Sie, +zum Tempel des Ruhmes zu kommen, diesen Weg gewählet haben. + +Wie viel man nicht von dieser Menschheit redet! Unsre philosophischen Tage +geben ihr ein so herrliches Licht! Sie sehen sie von Stockholm bis +Lissabon, von den Gränzen des Mogol bis London sich mit so großem Glanz +entwickeln. Es sind nur eben sieben volle Jahre, während deren wir uns mit +aller nur möglichen Artigkeit, und Leutseligleit herumgeschlagen haben; und +alle Menschen, welche diese ganze Zeit hindurch in den Land- und +Seegefechten verstümmelt, erschossen, gebraten, oder zermalmet worden, +beliefen sich doch nicht höher, als auf eine Million. + +Die Krankheiten, Mühseligheiten, und Siechenhäuser nahmen ihrer nicht mehr, +als zwo Millionen weg. Von Berlin an der Spree bis Villa-Veilha, an den +Gestaden des Tagus, rechnet man nicht ganz zwanzig tausend Quadratmeilen, +die in jedem Betrachte mit fünfzehn oder zwanzig Millionen zweifüssiger +federloser Geschöpfe verwüstet, und von Helden in Jammer oder Verzweiflung +gebracht worden sind. + +Unsre Untersuchungen hätten in keiner Zeit erscheinen können, wo die +Menschheit größere Fortschritte gemacht hätte. Unmöglich hätte man dazu +günstigere Umstände wählen können. Eilen wir also, sie ans Tageslicht zu +bringen; warten wir nicht, bis wieder die Barbarei zurückkehrt. Wollen wir +von ihren Rasereien gegen das Menschengeschlecht aus dem Zustande +urtheilen, in dem es sich in einem erleuchteten, und philosophischen +Jahrhunderte befindet, so würden wir Gefahr laufen, auf der Erde keine +Menschen mehr zu finden, die uns anhören könnten. + +Vergeben Sie mir, Fräulein, wenn ich in der Folge dieses Werkes mich nicht +mehr an Sie verwende. Sie sind es, denen ich es zueigne; aber die +Menschheit ists, der sich es heilige. Ich hab es mit dem Unterrichte der +Völker, mit der Heilung der Menschen von ihren Irrthümern zu thun. Es kömmt +darauf an, den Dienst der Venus zu reinigen, die gefährliche Luft, die ihre +Tempel erfüllt, zu zerstreuen, und sogar ihre Altäre zu säubern. + +In der Behandlung der zur Erreichung dieses Zweckes nöthigen Sühnopfer, +werde ich nicht mehr von Ihnen reden; aber denken an Sie werd' ich +unaufhörlich. Ich werde dem Anscheine nach Ihre Reize aus dem Gesichte +verlieren; aber mein Gegenstand wird mich immer zur Gnüge auf dieselben +zurückführen. + +Ich will mit aller Bedachtsamkeit untersuchen, welche Mittel uns zum Ziele +führen könnten, die Macht des Feindes, über den wir uns beklagen, zu +stürzen. Es wird nicht übel gethan seyn, zuvor ein paar Worte von seiner +Natur und Geburt zu sagen. Ich werde bis auf seinen Ursprung zurückgehn, +und einen Auszug seiner Geschichte geben müssen. Die Medaillen dieser +Begebenheit bestehen noch; aber die Epoche derselben scheint in Dunkel +gehüllt. Es wäre sehr nützlich, sehr rühmlich, wenn es uns, sie +festzusetzen, gelänge. + +Uibrigens wird sie weder Befremden, noch Furcht befallen bei dem Namen +Kakomonade, dessen ich mich bedient habe, um diese grausame Feindinn +umzukleiden, sie, die ich mich nicht getrauet hätte, anders zu nennen. Wahr +ist es, dieses Wort ist ganz griechisch; allein die Sache, die es +bezeichnet, ist ganz französisch, und also unseren Damen so wenig +unverständlich, daß sie viel mehr ein wichtiges Ingredienz guter +Gesellschaften ist. Uiber dieß sind Sie auch mit Leibnitzens Sprache +bekannt. Ich habe Sie gelehrt, was in dem Verstande dieses +unvergleichlichen Mannes eine Monade sey. Von Ihnen Ihrerseits habe ich +gelernt, diesen Namen durch das Beiwort Kako zu verlängern, das ich ohne +Sie nie erfunden hätte. Sie werden mich also ohne Schwierigkeit verstehn, +und ich gehe ohne Besorgniß zur Sache. + + + + +Erstes Kapitel. + + + +Von der Natur der Kakomonade. + +Was ist die Kakomonade? Wo kömmt die Kakomonade her? Zwo große, und +erhabene Fragen! Lange schon haben trefliche Gelehrte die Tiefsinnigkeit, +und den Nutzen derselben gefühlet. Sie haben sich bestrebet, sie +aufzulösen. Vielleicht krönte ihre Bemühungen noch kein sehr glänzender +Erfolg; allein wenigstens führten sie doch uns auf diese Strasse. Nur an +uns liegt es nun, auf ihren Pfaden in dem Lande, das sie durchliefen, +fortzuwandeln, und, wenn wir können, darinnen weiter zu gehen, als sie. + +Erste Beobachtungen haben sie gelehrt, daß die Kakomonade ein Gift[*] sey. +Uiber den Sinn dieses Wortes in dieser Anwendung ist man nicht ganz einig. +Allein, wo man keine deutlichen Begriffe haben kann, da ists bei allen +Arten Wissenschaften viel, daß man sich einen Ausdruck auffinde, der nichts +sagt. Man hat weit weniger Mühe, ihn auf alle möglichen Sisteme passend zu +machen, und daher ist die Kakomonade ein Gift. + +[Fußnote *: (Anmerkung der Verleger). Im Manuskripte steht ein kräftigerer +Ausdruck. Sicher ist er jener, der unter den Meistern dieser Kunst wirklich +gebraucht wird. Wir sehen ihn hier verhüllet, und so bei, daß man ihn nach +der zerstreuten Ordnung seiner Bestandtheile auch verkennen kann, wenn man +will. V. I. R. V. S. Wer seine Augen nicht darauf wenden will, hat die +Freiheit, ihn zu übergehen: wer ihn hingegen ohne Schaudern besichtigt, +kann ihn durchaus an die Stelle des Giftes setzen.] + +Noch mehr: dieses Gift ist phlogistisch, korrosiv, gerinnend, und fix[*]. +Phlogistisch, denn es verursacht Entzündungen. Als korrosiv greift es die +Haut an, frißt sie auf, und trennt ihren Zusammenhang. Als gerinnend, +stillt es den Lauf der Feuchtigkeiten, welche die Natur zu freiem Umlaufe +bestimmet hatte. Endlich, weil es fix ist, läßt, es sich so schwer +vertreiben. Und dieß ist die ganze Theorie von der Kakomonade, von einem +ihrer besten Historiker entwickelt. Sie ist, wie man sieht, deutlich, +bündig, und faßlich. + +Die Quacksalber mischten sich manche mal ins Spiel, und gaben eine andre +an. So erschien Anno 1727 ein sehr berühmter zu Paris. Dieser behauptete, +alle menschlichen Schwachheiten, und die, mit denen wirs zu thun haben, wie +alle andere, würden durch kleine Thierchen erzeugt, die sich ins Blut +eindrängen. Seinem Sisteme zufolge war das, was wir Arzneimittel nennen, +ein Kompositum von andern kleinen Thierchen, als unversöhnlichen Feinden +der ersten. Diese jagten ihre Gegner tapfer fort. + +[Fußnote *: Sieh die gelehrte Abhandlung des Herrn A * * de morbis +veneris.] + +So war der Körper eines Kranken ein Schlachtfeld, wo Wunder der Tapferkeit +geschahen. Das Fieber führte darauf seine leichten Geschwader an; die +Kakomonade ihre gerinnende Infanterie. Bald sah man die Fakultät +heranrücken in schwerer Rüstung, mit Bataillonen von Quecksilber, und +Chinarinde. Sie ließ die verschiedenen Korps dieser fürchterlichen Miliz +allmälig aufmarschiren. Man schlug sich lange mit Lebhaftigkeit herum, bis +die Thierchen der Chinarinde über die des Fiebers die Oberhand erhielten, +oder bis die korrosiven Würmchen durch die metallischen Insekten vertrieben +wurden, wenn anders nicht, welches zum öftersten geschah, sich das +Schlachtfeld selbst, unter dem Drucke von so heftigen Gewaltthätigkeiten +erliegend, in die Erde versenkte, welche Uiberwinder und Uiberwundene sammt +ihnen verschlang. + +Hatte diese Idee keine Wahrheit zum Grunde, so war sie wenigstens +unterhaltlich. Aber die Steifheit der regierenden Doktoren hat sie +verbannt. Entrüstet, daß sie sich durch sie dahin gebracht sahen, nichts +weiter, als die Obersten über ein Regiment Sensblätter und Rhabarbar zu +sein, machten sie allen diesen kleinen Armeen, die man ihnen anzuführen +gab, den Garaus. Sie wollten lieber die Oberhäupter einiger blinden +Körperchen bleiben, als zahlreiche und beseelte Legionen kommandiren. Sie +wollten die Harmonie in den Feuchtigkeiten dem Zufalle lieber mit ganz +materiellen Werkzeugen, als nach einer guten Ordnung, unter einer Bedeckung +von thätigen, wohldisziplinirten Truppen einräumen. Heißt das nicht, wie +man ihnen vorwirft, die Unthätigkeit der Bewegung, den Tod dem Leben +vorziehen? + +Man kann dieses System nicht genug bedauern: es hätte Gelegenheit zu den +unterhaltendsten Hypothesen gegeben. Die Metaphysik, die Physik, die +Philosophie und Arzneykunde haben ungereimtere, aber keine angenehmere +aufzuweisen. Indessen muß man sich über dessen Verlust eben wohl trösten, +und sich mit einer Menge grosser Männer daran halten, nämlich, daß die +Kakamonade ein korrosives, gerinnendes, phlogistisches, und fixes Gift sey. + + + + +Zweites Kapitel. + + + +Vom Ursprunge der Kakomonade. + +Vom Ursprunge der Kakomonade sind wir nicht sowohl unterrichtet, wie von +ihrer Natur: die Wirkung kennen wir besser, als die Ursache. So viel ist +gewiß, daß jene heut zu Tage nur das Resultat der Vergemeinschaftung mit +einer unbehutsamen, oder unglücklichen Person ist. Den Keim davon bringen +wir nicht schon bey unserer Geburt mit. Die Natur gab uns nur bloß das +Vermögen, ihn anzunehmen. + +Dennoch muß sie sich einstens in dem ersten Menschen, der sich davon +ergriffen fühlte, von selbst hervorgebracht haben. Daß Gott, da er den Adam +schuf, ihn nicht aus seiner Hand damit ausstattete, ist wohl außer Zweifel. +Das höchste Wesen bildete ihn zur Zeugung, und gab ihm somit so gesunde, so +vollkommene Organe, als es seine Bettgenoßinn nur wünschen konnte. + +Trug sich dießfalls hierinn eine Veränderung zu, so ists wahrscheinlich ein +unglückliches Individuum von seiner Nachkommenschaft, das die Erstlinge +derselben bekommen haben wird. Aber was kann von dieser sonderbaren +Entwicklung die Ursache gewesen seyn? Die Luft? die Nahrungsmittel? oder +der Mißbrauch des Vergnügens? + +Das Klima derjenigen Länder, die man für das Vaterland der Kakomonade +ansieht, ist nicht ungesünder, als das in den Gegenden, wo sie sich nur +durch den Vorschub der Menschen eingeschlichen hat. Ihre Produkte, weit +gefehlt, daß sie gefährlich wären, so sind sie für uns vielmehr sichere +Hilfsmittel gegen manche Krankheit; und die Ausgelassenheit ist nur eine +Tochter der Prasserei und des Reichthums. Nun wußte man von diesen beiden +Geißeln unseres Geschlechtes gewiß nichts in jenem Lande, wo wir unsere +Geißel holten, welche in dem unsrigen oft auf sie folgt, und sie bestrafet. + +Dennoch sind diese drei Ursachen, die einzigen, welche auf ihre Entstehung +Einfluß gehabt haben können. Jede derselben fand warme Vertheidiger. Einige +sagten, die Luft allein sei genug gewesen, in der Insel Hispaniola das Gift +hervorzubringen, das heut zu Tage in allen andern Ländern die Zeugungen +angreift; allein es ist einleuchtend, daß sie sich geirret haben. + +Seit zweyhundert Jahren, und darüber, giebt die Erfahrung den Beweis, daß +man zu San Domingo diese Frucht nicht anders ärnte, und säe, als wie in +Frankreich. Sie wächst dort, wie hier, im Schooße des Vergnügens. Man +behält da ein freyes, reines Blut, so lange man sich begnügt, frische Luft +zu schöpfen. Hätte diese ja was Pestisches an sich, so würde sie es seit +der Eroberung den Europäern eben sowohl, als den Eingebohrnen des Landes +haben zu fühlen gegeben. Dieß findet sich nicht, und also ist dieses Sistem +nicht anzunehmen. + +Andere behaupteten, diese Eigenschaft wäre ausschließlich den +Menschenfressern vermöge ihrer Nahrungsmittel gegeben, gleich als ob das +menschliche Fleisch schon von selbst ein Gift wäre. Die Völker, welch +dergleichen minder höfliche Feyerlichkeiten halten, sind viel seltener, als +man sichs einbildet. Uiberdies muß ihnen ihre Lebensart viele Stärke, und +hiemit Gesundheit geben. Daher es denn sehr ungereimt ist, zu denken, daß +ihr Fleisch, wenn es durch den Magen ihrer Feinde wandert, da die Kraft, +sie zu vergiften, annehmen könne. + +Zwar wäre dieses eine ziemlich erlaubte Rache; allein, wenn man am +Bratspieße steckt, pflegt man sich nicht mehr zu rächen. Sollte der +Hinterschlägel eines Karaiben den ehrlichen Leuten, die sich einander damit +beschenkten, Nachwehen haben erregen können, so müßten nur die ihm +benachbarten Theile sich nicht in gutem Stand befunden haben; ein Umstand, +der, wie man sieht, die Schwierigkeit nicht aufhebt. + +Ein geschickter Arzt hat in einem dicken Buche über diesen Gegenstand das +dritte Sistem ergriffen. Seiner Meinung nach ist es das Uebermaaß der +Vergnügungen in warmen Ländern, und die wenige Wahl in den zu derer Genuße +geeigneten Augenblicken, welche die Kakomonade auf der Welt eingeführet +haben. Er erzählt über diese Materie sehr sonderbare Geschichten. + +»Die Weibsleute im Königreiche Melinda,« sagt er nach Tavernier, »sind +einmal im Monate so gefährlich, daß, wenn ein Europäer das Unglück hat, +sich an einem Platze aufzuhalten, wo eines derselben in dieser fatalen Zeit +gepisset hat, er davon das Fieber, Kopfschmerzen, und manchmal die Pest +bekommt.« Ich gestehe, da ich die Stelle las, wünschte ich von +Herzensgrunde, es möchte sich nie ein melindisches Frauengimmer beigehen +lassen, sich unter meinem Fenster aufzuhalten. + +Zum Glücke gesteht H. A., da er diesen Zug anführt, selbst ein, daß er auf +unsre Klima nicht passet; dennoch beharret er nichts destoweniger auf der +Meinung, daß zwischen dem Ursprunge der Kakomonade, und zwischen dem +pestischen Einflusse dieser gebräunten zanguebarischen Schönheiten ein sehr +genaues Verhältniß Statt haben müße. Er besteht hartnäckig auf der +Behauptung, daß dieser der zureichende Grund des andern war. Man kann auch +in seinem Werke selbst sehen, mit welcher Stärke und Bündigkeit er darüber +räsonnirt. + +Nur ist es wunderbar, daß man durch das Gebäude ähnlicher Sisteme dahin +kommt, die Kakomonade zu verbannen; wie wenn die barbarischen Worte, mit +denen man sie erklärt, helle, und unbestreitbare Wahrheiten bedeuteten. + +Just so berechnet man die Finsternißen, indem man die Planeten als kleine +Theilchen betrachtet, welche die Sonne ausschneuzte, da zur Zeit der +Schöpfung ein grosser Komet an derselben sich rieb. So benützt man den +Kompaß durch die Erklärung der Abweichungen seiner Nadel, die an einem Ende +mit dem Magnete bestrichen ist. So ermüdet man nicht, in dem Magen einen +guten Saft hervor zu bringen, unter beständigem Streite, ob er durch +Auflösung, oder Gährung, oder Vertreibung entstehe. + +Man muß es gestehen, wir haben leicht machen. Die Fortschritte des +menschlichen Geistes in jeder Art stecken sich selber ihre Gränzen aus: +eine Wahrheit, über die sich nicht streiten läßt. Allein so einleuchtend +sie ist, so muß mans nicht bey ihrer Erwägung bewenden lassen; man muß +nicht unterlassen, in den Kalender zu sehn, wenn man den Sonnenstand wissen +will, und auf den Kompaß, wenn man die Küsten aus dem Gesichte verlohren +hat. Man muß nicht anstehn, seinen Magen zu füllen, wenn man hungerig ist, +und sich an die Zubereitung des Quecksilbers zu wenden, wenn man einer +Aehnlichkeit zwischen unserm Klima, und jenem von Amerika gewahr wird. + + + + +Drittes Kapitel. + + + +Ob wir das Recht haben, bei der Betrachtung der Uebel, die uns die +Kakomonade verursacht, uns über die Natur zu beklagen. + +Wenn ja irgend etwas dem Anscheine nach den Menschen das Recht geben kann, +über die Natur zu murren, so ist es gewiß diese Geißel, mit welcher sie sie +schlägt. Sie hat sie mit Vergnügungen vereinbart, von denen sie die +Fortdauer ihres Geschlechtes abhängen läßt. An die Seite der größten aller +Reizungen hat sie die größte aller Gefahren gestellet. So setzte sie uns +auf den Zweiweg, entweder ihre Absichten nicht zu erfüllen, oder dafür, daß +wir sie erfüllten, immer in der Furcht zu sein, bestrafet zu werden. + +Bei den andern Empfindnissen hat sie die Strafe wenigstens nur mit dem +Uibermaaße verbunden. Der Wein macht kein Kopfweh, außer man trinket +zuviel. Der Magen leidet nicht, so lange man mäßig ißt. Das Auge wird nicht +verwundet, außer es heftet den Blick an zu schimmernde Gegenstände. + +Aber das nothwendigste, das schätzbarste Sinnglied, das Sinnglied, welches +dem Menschen eines der Gerechtsame der Gottheit mittheilt, dieß ist eben +dasjenige, dessen auch mäßiger Gebrauch die größte Reue, und das +empfindlichste Nachweh, verursachen kann. Nur einen Augenblick braucht es, +um das ordentlichste Leben zu vergiften. + +Das höchste Wesen, sagen die Dichter, hat das Gute und Böse in zwoen Tonnen +bei sich. Aus diesen schöpft es mit vollen Händen, so wie ihm die Laune +kömmt, die Geschenke, die es unter unser kleines Ameisenhäufchen austheilt. +Die Kakomonade war unstreitig mit von den Hefen in der Tonne des Bösen; und +an dem Tage, wo wir sie erhielten, leerte Jupiter das eine seiner Fässer +aus. + +Dennoch müssen wir, bevor wir gegen die Natur Klage stellen, und sie +ungerecht nennen, einen Blick auf die Geschichte werfen. Hätte diese +zärtliche Mutter die Absicht gehabt, uns die Geißel, über die wir seufzen, +zu ersparen; hätte sie sich bestrebt, sie in einem kleinen Winkel eines +unbekannten Landes zu verbergen; hätte sie zwischen uns, und dieses +traurige Land fünfzehnhundert Meilen stürmische Meere geworfen; hätte sie +sich Mühe gegeben, uns alle erdenklichen Mittel, dahin zu kommen, zu +entziehn; so wären wir ihr für so weise, so liebvolle Vorsichten unsre +Dankbarkeit schuldig. + +Hätte in der Folge bloß unser unruhiger Geist diese Vorsichten vereitelt; +wären wir mitten durch fast unüberwindliche Hindernisse zu dem bittern +Becher, der das Gift, wovon sie uns abhielt, in sich schloß, eingedrungen; +wäre es wahr, daß, wir geeilet hätten, darinnen unsere Lippen zu netzen, +ungeachtet aller der schrecklichen Gegenstände, die uns davon hätten +entfernen sollen; so würde ganz gewiß von unserer Seite die Natur keinen +Vorwurf verdienen. + +Wir allein würden strafbar seyn, daß wir ihre Verordnungen verletzt hätten. +Wir würden billig gestrafet werden, daß wir ein Geheimniß entdecket hätten, +welches ihre Nachsicht uns verbergen wollte. Dieß nun wird uns die +Geschichte lehren. Da werden wir vielleicht die Rechtfertigung der +Vorsehung erblicken. + +Die Erzählung der Begebenheiten der Vorzeit wird uns zeigen, wie sehr sie +für uns ob der Unglücksfälle besorgt war, die uns nun drücken. Wir werden +gezwungen seyn, einzugestehn, daß, um uns so unglücklich zu machen, als wir +es sind, wir sie in ihrem letzten Wehrplatze dazu nöthigen mußten. Wir +werden bekennen, daß ihre Sorgfalt hinlänglich gewesen wäre, um unsere Ruhe +zu gründen, wenn nicht unsre Vermessenheit in jeder Art weiter gienge, als +ihre Güte. + + + + +Viertes Kapitel. + + + +Ob die Alten die Kakomonade kannten? + +Man hat sich gewaltig ermüdet, die eigentliche Epoche dieser Begebenheit +aufzufinden. Die Kakomonade hat in mehr als einem Verstande die Geduld, und +den Scharfsinn der Kommentatoren auf die Probe gesetzt. Einige davon eignen +die Ehre, sie auf uns gebracht zu haben, den Griechen und Römern zu. Sie +sehen sie in geraden Linien aus Asien in Europa, von Athen nach Rom, aus +Wälschland in Frankreich übergehn. + +Sie legen ihr verschiedene Masken bei, derer sie sich nach und nach bedient +habe, bis sie auf diejenige kam, in der sie bei unsern Tagen erscheint. +Ihrem Sisteme zufolge mußte sie sich bei dieser wohl befunden haben; denn +sie trägt sie schon in die dreihundert Jahre, ohne daß sie zu abgenützt +schiene. Doch, man muß gestehn, daß diese Meinung nicht zuzugeben sey. Man +sieht offenbar, daß die Alten, glücklicher und weiser, als wir, oder +wenigstens den Absichten der Natur getreuer, nie die Strafe empfanden, die +wir erdulden. + +Homer ist genau, sogar bis zu Kleinigkeiten. Er brachte in sein Gedicht +alles, was er von der Medizin, Anatomie, Geographie, und Physik wußte. Er +berichtet uns, daß man zu seiner Zeit ein Leckergetränk aus in Wein +geriebenem Käse machte. Er spricht oft von der Venus. Er erzählt, wie sie +Diomedes mit einer Lanze tief verwundete. Hätte er an dieser Göttinn das +Geheimniß gekannt, das sie seit dem in Amerika besaß; ohne Zweifel hätte er +sie davon Gebrauch machen lassen, um sich an dem Helden zu rächen. Er hätte +den Gott Merkur mit seinen goldgeflügelten Füssen aufgeführt, wie er sie +mit der Heilung beschäftigte. + +Diese Allegorie würde nicht die unsinnreicheste seines Gedichtes gewesen +seyn. Sie wäre uns soviel richtiger gewesen, da Merkur wirklich von der +Gegenpartei der Venus war. Kann man wohl glauben, daß dieser göttliche +Dichter die Gelegenheit versäumet hätte, sie an den Ufern des Simois +Angesichte der Griechen und Trojaner sich schlagen zu lassen? Wäre das +nicht eben der Fall gewesen, wo er hätte vorstellen können, wie die Erde +und das Meer in der Erwartung des Erfolges erschüttert wären, und die ganze +Natur bei dem Anblicke eines Kampfes sich theilte, der ihr Schicksal +entscheiden sollte? + +Wie Schade doch, daß nicht Homer selbst in Person über diese Materie auf +einer der zykladischen Inseln Erfahrungen machen konnte? Er hätte seine +beiden Gedichte damit bereichert. Madame Dacier wäre uns erschöpflich +gewesen, in ihren Noten über diesen interessanten Gegenstand. Eine derlei +Erdichtung, in die Iliade verwebt, wäre für die Kommentatoren der vorigen +und künftigen Jahrhunderte eine ewige Quelle von Zusätzen, Anmerkungen, und +lehrreichen Gezänken geworden. + +Es ist offenbar, daß es Homer angebracht haben würde, wenn er es gekonnt +hätte. Hätten die Götter oder die Menschen zu seiner Zeit die Kakomonade +gekannt, so würde er davon gesprochen haben. Sein Stillschweigen ist ein +unstreitiger Beweis, daß bei der Belagerung Trojens, und lange Zeit +darnach, Venus noch unschuldig war: sie ließ sich selbst verwunden, ohne +wieder zu verwunden. + +In den spätern Jahrhunderten lebten Hyppokrates, und nach ihm Galen in eben +der Unwissenheit. Das Quecksilber schien ihnen nur in Rücksicht seiner +Schwere, und seiner Flüssigkeit ihrer Aufmerksamkeit würdig. Die Helden, +derer Gesundheit sie zu regieren hatten, waren nicht vernünftiger, als die +unsern. Sie waren eben so lustig, eben so prächtig. Man hat uns das Detail +ihrer Thaten in jeder Art aufbewahret. Wir wissen, wie sie ihre +Liebesromane spielten, und wie sie ihre eisernen Lanzen schwangen. Aber wir +sehen nicht, daß sie das andre Metall gebrauchten, zu welchem unsere +Krieger so oft ihre Zuflucht nehmen. + +Cäsar war ohne Widerspruch ein großer Mann. Man nannte ihn den Ehemann +aller Weiber, und das Eheweib aller Männer. Wären diese vorübergehenden +Beilager damal einem Ungefähr unterworfen gewesen; kann man wohl glauben, +daß man, nachdem er derselben so viele gefeyert hatte, gefunden haben +würde, daß er damit nichts anders, als nur die fallende Sucht, gewonnen +habe? + +Vom August sagt man wohl, daß er sich oft vor dem Feuer frottiren ließ; +dieses könnte verdächtig scheinen. Aber es war ein Striegel, womit man ihn +frottirte; und der ists nun nicht mehr. Er fand, wie Suetonius sagt, kein +anders Mittel, um seine Gesundheit zu erhalten, und seine Haut zu jücken. + +Weder Tibor, noch Kaligula, noch Nero, noch alle jene Wunder der Geilheit, +denen die Beherrscherinn der Nazionen so lange unterworfen war, haben sich +je des Quecksilbers gebraucht. Man sieht keinen, griechischen, oder +römischen Dichter, seine Kraft besingen. Sogar diejenigen, die sich durch +ihre Ausschweifungen verewiget haben, nennen keine Strafe, die mit ihren +Unmäßigkeiten verbunden gewesen wären. + +Ovid, in seiner Kunst zu lieben, zeigt alles an, was man von der Seite +einer Buhlinn zu fürchten haben kann, er spricht von den Gefahren, die mit +dem Umgange mit einer herumstreifenden Schönen verknüpfet sind. Ohne +Zweifel war hier der Augenblick, der Kakomonade, wenn sie auf ihn gekommen +war, eine Stelle einzuräumen. Indessen sagt er kein Wort davon. + +Horaz entrüstet sich über einen Knoblauch, der ihn in die Zunge gebissen. +Hätt' er wohl vergessen, in einer schönen Schreibart eine Verwünschung auf +das Quecksilber zu machen, wenn er davon gejückt worden wäre? Voll +Nervigkeit, und ohne Umschweife sagt er einem alten Mütterchen Grobheiten, +die sich die französische Politesse nicht einmal zu Sinne kommen lassen +kann; hätte er ihr nicht die Kakomonade angewünscht, wenn sie zu seiner +Zeit bei guten Gesellschaften im Gebrauch gewesen wäre? + +Eben das kann man von den Tibullen, den Katullen, den Gallussen sagen, +welche die schädlichen Orte besangen, und besuchten, und also ohne Zweifel +die Gefahren derselben, wenn sich deren gefunden hätten, beweinet haben +würden. Sie theilten in sanfter Ruhe sich in die Gunstbezeugungen ihrer +Mätressen mit dem Publikum; und klagten sie zuweilen über ihre +Unbeständigkeit, so kam es nicht daher, weil sie für sie unangenehme Folgen +gehabt hat. + +Es ist daher klar, daß die Korinnen, die Lesbien, die Lykorissen, sonst +weit unter den, * * * und den * * *, diesen dennoch in einem Punkte +überlegen waren. Es bedurfte vielleicht nicht größerer Mühe, um sie sich zu +unterwerfen; aber gewiß weniger, um sie zu vergessen. Wenn man sich an ihre +Gunstbezeugungen erinnerte, so dachte man nur an das Vergnügen, sie +genossen zu haben. Man suchte keine Spezifika auf, um leichter das +Gedächtniß zu verlieren, und man sah keine heilreichen Geschöpfe mit ihren +Rezepten die Mauern Roms tapeziren. + + + + +Fünftes Kapitel. + + + +Ob Job mit der Kakomonade in einem persönlichen Verhältnisse stand? + +Da man dieser Heldinn die Ehre nicht zueignen konnte, mit den Helden der +weltlichen Geschichte zu thun gehabt zu haben, so gab man sich Mühe, sie +dadurch zu entschädigen, daß man sie unter die Helden der heiligen +Geschichte aufnahm. Ein erlauchter Benediktiner verfaßte ihr einen sehr +ehrwürdigen Stammbaum. Er schreibt ihr eine sehr nahe Verbindung mit dem +berühmten Job zu, und läßt in gerader Linie sie von demselben absteigen. + +Ohne Zweifel würde man nicht erwartet haben, diesen Zug seiner Erudizion in +einem Kommentar über die Bibel zu finden. Indeß, da der Jünger des heiligen +Benedikt so eine Materie in einem ganz zur Erbauung bestimmten Buche ohne +Skrupel behandeln konnte; muß man mirs erlauben, in dem meinigen seine +Schlüsse auseinander zu setzen. Wenn so ein Gegenstand unter seiner Feder, +und an der Stelle, wohin er ihn setzte, kein Skandal verursachet hat, muß +man sich nicht befremden, ihn hier zu erblicken, wo er sich viel +natürlicher findet. + +Der gelehrte Bruder Dom Calmet also, setzte in die Reihe der Ahnen der +Kakomonade den tugendhaften Job, der sie seiner Seits von seiner Frau +hatte, und die sie ohne Zweifel vom Teufel bekommen haben mochte. Aber +wahrhaftig, es wäre wirklich genug für einen so heiligen Mann, daß er eine +so böse Frau gehabt hat; wozu die Vermuthung, daß er über die Verhöhnungen +von ihr auch noch ein ander Ding empfieng? + +Es ist wahr, er saß auf einem Misthaufen, und fühlte sich seine Säfte nicht +recht in Ordnung. Er sagt selbst, sein Fleisch wäre mit Geschwären bedeckt, +seine Haut wäre ganz ausgedörret, sein Blut wäre geronnen wie Käse; welches +nach Hrn. A. -- -- -- -- mit den drei Hauptsimptomen übereinkömmt, von +welchen er uns seine Beschreibung gemacht hat. + +Wahr ist auch, daß, um den Job zu trösten, drei von seinen Freunden sieben +Tage und sieben Nächte lang, ohne nur ein Wort zu sprechen, bei ihm +blieben. + +Wahr ist ferner, daß nach diesem langen Stillschweigen Eliphaz, einer von +ihnen durch Seitenwendungen seinen lieben Freund beschuldigt, er habe sich +der Ungerechtigkeit ergeben, und den Schmerzen gesäet, dessen Frucht er nun +ärnte. Er wirft ihm in figürlichen Ausdrücken vor, er habe Häuser von Koth +geliebt, derer Grundfesten nichts taugten, und habe da etwas sehr dem +Aussatz ähnliches erbeutet. + +Unterdessen erweist dies alles noch nicht, daß der Teufel vor vier tausend +Jahren nach Amerika reiste, sich da ein Körnchen von der Kakomonade zu +holen, um damit einen armen Tropf van Kaldäer zu inokuliren. Man sieht +wohl, daß die Krankheit desselben korrosiv, phlogistisch und koagulirend +war; aber es ist ja doch nicht ausgemacht, daß diese drei Eigenschaften +ausschließlich nur mit einer einzigen Art Mißbehagens verknüpft sind. + +Würde wohl der Geschichtschreiber Jobs vergessen haben, vom Gifte zu +sprechen, wenn ers damit zu thun gehabt hätte? Würde er nicht den +Standpunkt der Krankheit angezeigt haben? Er berichtet uns, daß der +Leidende seine Wunden mit Scherben trocknete. Ich berufe mich auf alle, +welche zu unsern Zeiten ihre eigene Erfahrung in derlei Fällen aufgekläret +hat, ob sie sich je beygehen ließen, so eine Scharpie zu brauchen. + +Ueber dieß scheint es nicht, daß sich Job der Bestrafung, von der die Rede +ist, ausgesetzt habe. Seine innigsten Freunde, nachdem sie ihm allerley +Unbilden gesagt, und ihren stummen Trost gegeben hatten, gestehen ein, daß +er mit unverheuratheten Frauenzimmern wenig zu schaffen hatte: Viduas +dimisisti vacuas; woraus erhellet, daß er ein behutsamer Mann war. + +Er selbst ruft auf: wo ist die Zeit, da ich meine Füße wusch? wo ich über +mein Haupt meine Leuchte setzte? wo die Jugend, wenn sie mich sah, vor +Schaam sich verbarg? Wo die Greise vor Verwunderung stehen blieben? Hat +sich da mein Herz um ein Weib betrogen; habe ich getrachtet, mich in eine +Thüre zu schleichen, die meinem Freunde gehörte; so möge meine Gattinn die +-- -- -- eines andern werden; mögen alle meine Nachbarn -- -- -- -- ! -- +Wahrlich! das ist gar nicht die Sprache eines Ausschweiflings, der verdient +hätte, an den Schätzen von Amerika Theil zu haben. + +Was den Kommentator hintergangen haben kann, mag dieses seyn, daß dieses +Muster der Geduld bekennt, daß die Fäulniß sein Vater, und die Würmer seine +Mutter, und seine Schwester seyn. Der gelehrte Benediktiner glaubte +vermuthlich, die Kakomonade konnte in so einer Familie wohl an ihrem Platze +stehn. Allein das ist nur eine Wahrscheinlichkeit; und sie ist nicht +wichtig genug, uns zu bestimmen, daß wir denken sollten, Job habe sich +jemal in dem Falle befunden, der Flüßigkeiten des Barometers zu bedürfen. + + + + +Sechstes Kapitel. + + + +Ob der Aussatz mit der Kakomonade einerlei Ding gewesen? + +Leute, welche in der Geschichte der Kreuzzüge sehr bewandert sind, weil sie +sahen, mit welcher Hitze diese ungestümmen Krieger auf dem Schutte von +Jerusalem die Töchter der Sarazenen geschändet haben, und über dieß +ungehalten über den Anblick, daß das Reich der Kakomonade so beschränkt +seyn sollte, kamen auf den Gedanken, ihr zum Wohnplatze Palestinen +anzuweisen. Sie wollten sie mit dem Aussatze vermengen, der, wie man weis, +der ganze Nutzen war, den man aus den auferbäulichen, aber grausamen +Feldzügen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts davon trug. + +Der Aussatz war eine kleine Unpäßlichkeit, die sich über die Haut +verbreitete. Er veränderte ihre Farbe, ohne doch Narben nachzulassen. Er +übersäete die Außenseite des Leibes mit grossen Blasen, die in der That so +weiß waren, wie der schönste Alabaster, die aber nur ein heftiges Jücken, +und eine starke Begierde verursachten sich zu kratzen. + +Er war weder unter den Griechen, noch unter den Römern, weder bei den +Galliern, noch Deutschen, weder bei den Asiaten, Persern, Siriern &c. +bekannt; sondern er scheint eine ausschließlich eigene Krankheit in +Palestina gewesen zu seyn. Die Einwohner dieses Landes allein sind es, +welche die Natur selbst mit diesem Vorzuge ausgestattet hatte, wobei sie +ihnen zugleich das Vermögen ließ, ihn den vorwitzigen Proseliten, so, wie +die Beschneidung, mitzutheilen. + +Die Juden hatten schon die Gewohnheit, unter beständigem Kratzen, in die +verschiedenen Gegenden der Welt herum handeln zu gehen; allein sie scheinen +nichts außer ihren Waaren unterlassen zu haben. Sie waren schon damal eben +so säuisch, eben solche Wucherer, eben so verachtet, wie sie es heutiges +Tages sind. Sie waren die einzigen, denen die Religion aus der Reinlichkeit +eine Pflicht machte. Sie waren die einzigen, die sie vernachläßigten; und +nur bey ihnen allein auch fand man Menschen, welche mit weissen Flecken, +die den Kützel reizten, überdecket waren. + +Entgegengesetzte Sitten sicherten die Fremden vor den Folgen, welche ein +ordentlicher Umgang mit dieser Nation haben könnte; Die Römer verbrannten +den Tempel, erwürgten die Priester, schleiften Jerusalem, und hatten +dennoch keinen Theil an diesem Jucken: der häufige Gebrauch des Bades, und +die Reinlichkeit, auf welche sie grosse Stücken hielten, verwahrte sie +davor. + +Sie giengen nach Europa damal über, als unsere Vorfahren sich im Jordan zu +waschen giengen. Sie giengen bei dem Oelberge sich die Brust zu schlagen. +Sie blieben kurze Zeit, aber doch lange genug, um so gut, als die Kinder +Israel, sich kratzen zu lernen. Sie kamen nach Frankreich zurück ganz +bedeckt mit Palmen und Aussatz. + +Da sie viel schwitzten, sich selten badeten, und ihre Oekonomie ihnen nicht +erlaubte, öfters ihre grobtüchenen Kleider zu waschen, so übermachten sie +auf lange Zeit ihrer Nachkommenschaft die Gewohnheit, einen milchfärbigen +Grind an der Haut zu tragen, und ihn fein manierlich mit den Fingerspitzen +zu kratzen. Dieß war damal der Wohlstand der Leute von feinerer Welt, wie +heut zu Tage einen Taback zu präsentiren, oder mit den Stockquästchen zu +spielen. + +Der allgemein gewordene Gebrauch der Leinwand machte, daß diese kostbare +Gewohnheit verschwand. Sie erneuert sich nur noch an gewissen +vorübergehenden Ungemächlichkeiten, wie zum Beispiel in der P -- -- -- der +grössern Gattung. Man könnte sie sehr billig für einen Abkömmling, oder +wenigstens für eine sehr nahe Verwandte des Aussatzes halten. Und hiermit +ists alles, was uns die Geschichte von dieser Krankheit, welche die +Kreuzzüge in Europa so empor gebracht haben, berichtet. + +Nach den Merkmalen, die sie karakterisiren, kann man sie durchaus mit der +Kakomonade nicht vermengen. Die weissen Flecken, das Jucken begleiten diese +nicht; und es scheint auch nicht, daß sie sie je begleitet haben. Wenn +diese einiges Jucken verursacht, so ists innerlich, und ein wenig an den +Lenden; zeigt sie sich von außen, und nimmt eine Farbe an, so weiß man zur +Genüge, daß es nicht die ihrer Wesenheit nach der Jungferschaft geheiligte +Weiße ist. + +Weiter, so griff der Aussatz nicht die Erzeugung an. Wenn er ihr nicht +günstig war, so ist wenigstens gewiß, daß er ihr keinen Schaden that. Es +scheint sogar, daß er die Zeugungsorgane stärkte. Es gab in dieser Zeit +Frauen, die es nach jenen der Aussätzigen lüsterte, und man sah sich das +Sprichwort bewähren, das Sprichwort: Unglück ist doch zu etwas gut. + +Man liest in einem gereimten Gedichte des zwölften Jahrhunderts diese zween +Verse: + + Felix, atque ortu vere dicenda beato, + Vivere quæ potuit leproso juncta marito. + +Indessen das Gesetz verordnete, diese armen Leute aus ihrem Hause zu jagen, +bestrebte sich so die Natur, ihnen die Mittel zu bieten, wie sie da mit +Ehren bleiben konnten. Dieß ist nicht das einzigemal, wo die Gesetze und +die Natur sich mit einander im Widerspruche fanden. + +Ein sehr berühmter Arzt hat durch einen schönen Schluß erwiesen, daß von +dem Aussatze diese Wirkung nothwendig erfolgen müsse. Die Kakomonade hat +diesen Vortheil bei weitem nicht. Man kann also schließen, daß sie +miteinander nichts gemein haben. + +Die einzige Aehnlichkeit, die ich an ihnen sehe, ist, daß sie alle beide +nach eben so ungerechten, als blutigen Feldzügen in Europa überpflanzet +worden sind. Die Kreuzzüge, und die Verheerung der Insel Hispaniola sind +die Epochen der zwoen größten Plagen, mit denen das Menschengeschlecht seit +der Erbsünde her in Europa heimgesucht worden ist. Es scheint, ob hätte die +Natur den Ländern, die wir usurpiren wollten, vorsetzlich um uns zu strafen +etwas mitgetheilet, womit sie das Blut ihrer unbarmherzigen Eroberer +anpesten sollten. + +Dennoch wird uns dieß Beispiel nicht bessern. Man spricht von unentdeckten +Ländern, von neuen noch unbekannten Welten an der Süderseite. Der Geiz ist +auf dieses ihm so schmeichelhafte Gerücht schon aufgewacht. Man hat sich +gewagt, sie zu suchen. Die Nebel, und vielleicht das Mitleid der Vorsicht +haben uns ihnen bisher entzogen. Man darf alles welten; wenn wir sie je +entdecken, so führen wir dort unsere Habsucht, und unsere Grausamkeit ein, +und sie beschenken uns zur Wiedervergeltung mit einer dritten Plage, womit +wir sehr sorgfältiglich unser Klima zu bereichern suchen werden. + +Dem sei, wie ihm wolle; aus dem Vorhergehenden sieht man übrigens, daß die +Kakomonade in Rücksicht unser kein gar grosses Alterthum hat. Wie sehr man +sich auch bestrebt, die Ehre ihrer Geburt den frühern Jahrhunderten +zuzueignen; so setzen sich Vernunft und Wahrheit dagegen. Alle +Vernünfteleien, und alle Erzählungen in dieser Hinsicht sind falsch. Keine +ist gegründet, außer derjenigen, welche die Rückkunft des Christophorus +Kolumbus in Europa als den Zeitpunkt angiebt, in welchem die Vergnügungen +der Liebe da gefährlich zu werden begannen. + + + + +Siebentes Kapitel. + + + +Ob gewisse Vorschriften, die eine große Königinn einem ordentlichen +Hause gab, die vorstehende Behauptung über die Epoche der Kakomonade +umstossen können? + +Bei der Unternehmung dieses wahrheitvollen Werkes machte ich mir die +genaueste Aufrichtigkeit zum Gesetze. Daher muß ich selbst jene Dinge +anführen, die meinem Sisteme entgegen zu stehen scheinen. Nun scheint dieß +durch gewisse Vorschriften erschüttert, die um das Ende des vierzehnten +Jahrhunderts von einer großen tugendvollen Königinn einem erbaulichen Hause +gegeben worden sind. Ich hielt für gut, sie vollständig anzuführen, damit +jene, die etwa versucht werden möchten, sie zu lesen, sich desto besser +unterrichten könnten. + + +Vorschriften, welche die Königinn Johanna die Erste, Königinn beider +Sizilien, und Gräfinn von Provence einem Mädchenkloster zu Avignon gegeben +hat. + + +1. + +Im Jahre tausend dreihundert sieben und vierzig hat unsere gute Königinn +Johanna erlaubet, in Avignon ein B -- -- -- zu erbauen. Sie will nicht, daß +alle galanten Weibsleute sich in der Stadt ausbreiten; sondern sie +befiehlt, sich in dem Hause verschlossen in halten, und, um kennbar zu +seyn, auf der linken Achsel ein rothes Nestel zu tragen. + + +2. + +Item: Wenn einem Mädchen eine Schwachheit zustieß, und sie sich mehrere +erlauben will, so soll der erste Gerichtsdiener sie, unter dem Arme bei dem +Schlage der Trommel mit dem rothen Nestel auf der Achsel, durch die Stadt +führen, und sie zu den übrigen in das Haus einquartiren; Er soll ihr +verbieten, sich außer dem Hause in der Stadt sehen zu lassen, unter der +Strafe, daß sie das erstemal heimlich gepeitscht, das zweitemal öffentlich +gepeitscht, und auf den Schub gegeben werden würde. + + +3. + +Unsere gute Königinn befiehlt, das Haus soll in der Gasse der gebrochenen +Brücke, nahe am Kloster der Augustinerbrüder bis zum steinernen Thore +erbauet werden, und an der nämlichen Seite eine Thüre haben, wo Jedermann +hindurchgehen, die man aber doch mit einem Schlüssel versperren, könne, +damit die Jugend die Mädchen nicht zu besuchen vermöge, außer mit der +Erlaubniß der Äbtissinn, oder Vorsteherinn, die alle Jahre durch die +Bürgermeister ernennt werden soll. Sie soll die Jugend ermahnen, kein +Aufsehens zu machen, und die Mädchen nicht zu kränken. Sonst würde sie, bei +der mindesten Klage, die sich gegen sie erheben würde, mit dem Schritte aus +dem Haufe, durch den Gerichtsdiener in Verhaft geführet werden. + + +4. + +Die Königinn will, daß alle Sonnabende die Superiorinn, und ein von den +Bürgermeistern abgeschickter Barbier alle Mädchen, die sich in dem B -- -- +-- befinden werden, visitiren soll; und findet sich eine darunter, für +welche dieß Metier verdrüßliche Folgen gehabt hat; so soll diese von den +andern abgesondert, sie soll in einem abgelegenen Orte eingewohnt werden, +damit Niemand zu ihr könne, und man bei der Jugend gewisse Zufälle verhüte. + + +5. + +Item: So sich ein Mädchen fände, das schwanger würde, da soll die +Vorsteherinn wachen, daß sie ihre Frucht nicht abtreibe; auch soll sie die +Bürgermeister davon berichten, damit sie das Kind versorgen. + + +6. + +Item: Die Vorsteherinn soll am Charfreitag, und Charsamstag, wie auch an +dem glorreichen heiligen Ostertag Niemanden den Eintritt in das Haus +gestatten, bei Strafe der Kassazion, und öffentlichen Stäupung. + + +7. + +Item: Die Königinn will, daß die Mädchen alle unter einander ohne +Zänkereien und ohne Eifersucht leben; daß sie sich nichts entwenden, und +sich nicht raufen, sondern sich wie Schwestern lieben sollen. So eine Klage +entsteht, so hat die Vorsteherinn sie unter sich zu vergleichen, und sie +sollen schuldig seyn, auf ihren Ausspruch sich zu beruhigen. + + +8. + +Item: So ein Mädchen einen Diebstahl begangen hat, da soll die Vorsteherinn +sie das Gestohlene in Güte zurückgeben heißen. Sollte sich die Diebinn der +Zurückgabe weigern, so wird sie das erstemal von einem Gerichtsdiener auf +einem Zimmer, im Rückfalle aber durch den Scharfrichter in der ganzen Stadt +gestäupet werden. + + +9. + +Item: Die Vorsteherinn soll keinen Juden annehmen. Im Falle sich einer +fände, der sich durch List hineinstähle, und mit einem der Mädchen bekannt +wäre, der soll eingezogen, und dann öffentlich durch die Stadt gepeitschet +werden. + + * * * + +Wenn man den letzten Artikel liest, so kann man nicht genug die Delikatesse +des Sammlers der Gesetze bewundern. Er wollte die ungläubigen Juden eines +Hilfsmittels berauben, welches für die gläubigen Christen bereitet war. +Vielleicht wollte er diese verirrten Unglücklichen wie wilde Thiere +behandeln, die man mit Hunger und Durst bändiget. Das wäre ein seltsamer +Weg, sie in den Schooß der Kirche zu führen. Doch, man weis es ja; es gab +Jahrhunderte, wo man allerhand Wege einschlug, um das Herz des Menschen zu +unterjochen. + +Wie Johanna diese so nützliche Einrichtung machte, mochte sie beiläufig +drei und zwanzig Jahre haben. Vielleicht wird man schwer glauben wollen, +daß eine Prinzessinn von diesem Alter darauf bedacht gewesen sey, sich zur +Gesetzgeberinn einer derlei Stiftung zu machen. Aber, wenn man dabei +bedenkt, daß diese schöne Königinn damal schon einen Ehemann, der ihr +mißfiel, aufhängen ließ; daß sie dreien anderen, derer sie nach und nach +müde ward, das nämliche Schicksal bestimmte; daß sie in der großen, Kunst, +sich so von eckelhaften Männern zu befreien, keine ihres Gleichen hatte, +als die Königinn Maria Stuard, deren Tod den Umstehenden Thränen erzwang, +und die ganze Christenheit auferbaute: -- so wird man weniger erstaunen, +daß sich Johanna so frühzeitig mit den Vergnügungen ihrer Unterthanen +beschäfftigt habe. + +Uibrigens waren die Gesetze, denen sie die Werkzeuge derselben unterwarf, +sehr weise; und es wäre zu wünschen, daß man sie überall annähme, und daß +unter andern die Visitation nicht vergessen würde. Denn die menschliche +Schwachheit scheint einmal doch von den Fürsten einige Nachsicht, besonders +aber ihre Aufmerksamkeit auf die Erleichterung, die man ihr bereitet, zu +erheischen. Und sie sind auch im Gewissen verbunden, sorgfältig zu wachen, +um bei der Jugend gewisse Zufälle zu verhüten. + +Diese Untersuchung scheint dem, was ich bisher gesagt, zu widersprechen, +und die Epoche der Kakomonade früher anzusetzen. Wenn man schon seit dem +vierzehnten Jahrhunderte mit den öffentlichen Lustmädchen sich in Acht +nehmen mußte, so folgt daraus, daß auch ihre Waare schon eine koagulirende +oder korrosive Wirkung an sich hatte. Und so könnte man vermuthen, daß sie +schon seit jener Zeit der Unbequemlichkeit unterworfen waren, die hier der +Gegenstand unsrer tiefsinnigsten Untersuchungen sind. + +Unterdessen sieht man, wenn man es recht erwägt, daß aus diesem Zuge der +Geschichte sich gegen meine Grundsätze kein Widerspruch ergiebt. Bürge +dafür ist mir der hochgelehrte Arzt, der mir einen Theil der seltsamen +Bemerkungen an die Hand gab, mit denen mein Buch bereichert ist. Er +beweiset bis zur Evidenz, daß der vierte Artikel der Königinn Johanna jene, +die mit mir gleich denken, nicht aus der Fassung bringen darf. Vor dem +fünfzehnten Jahrhundert konnten die Gegenstände der Zärtlichkeit dieser +schönen Königinn andern Ungemachen ausgesetzt seyn, als diejenigen sind, +die durch eine unbekannte Ursache auf San Domingo hervorgebracht wurden. + +Man weis zur Gnüge, daß auch noch in unsern Tagen die Kakomonade nicht die +einzige gefährliche Macht ist, welche an solchen Orten, wie jene waren, die +die Gräfinn von Avignon in ihren Schutz nahm, herrschet. Nichts also kann +die Feste meiner Grundsätze erschüttern. Es ist evident, daß bis zum Ende +des fünfzehnten Jahrhunderts die Vergnügungen wenig ansteckend waren. Man +konnte sich ihnen noch ohne viele Furcht überlassen, als ein Italiäner es +für gut fand, die Kakomonade Europen, und durch Europen der ganzen Welt +mitzutheilen. + + + + +Achtes Kapitel. + + + +Einführung der Kakomonade in Europa, und in Frankreich. + +Dreihundert Jahre sind es, daß uns ein Genueser das Glück verschaffte, +Amerika zu kennen. Man ist nicht im Stande, sich genug bei den Vortheilen +aufzuhalten, die uns daraus zugeflossen sind. Diese Entdeckung brachte uns +das Vergnügen zu Wege, auf unsern Kleidern Tressen zu tragen, und um das +Dreifache mehr für das Brod -- zu bezahlen. Seit diesem glücklichen +Augenblicke ists, daß unsre Frauenzimmer Papageien, und unsre Matrosen den +Scharbock haben. Seit dieser Zeit fand man sich in Europa in den Stand +gesetzt, Jahr für Jahr nach allen Regeln zweimal hundert tausend Menschen +zu erwürgen, anstatt, daß zuvor die durch das Kriegs- und Völkerrecht +gesetzgekräftigten Massakres sich höchstens auf beiläufig sechzig tausend +beliefen. + +Das erste Schiff, welches so, mit den Produkten der neuen Welt befrachtet, +in Spanien anlandete, erregte da ein allgemeines Erstaunen. Man ward nicht +müde, die Helden zu bewundern, welche so weit her, und mitten durch so +große Gefahren, neue Quellen für die Glückseligkeit des +Menschengeschlechtes geholet hatten. Man ward entzückt, da man die Frucht +ihrer Arbeiten erblickte. + +Auf dem Verdecke, und an den für das Auge angenehmsten Orten nahm man kurze +Gewänder von rothen Federn wahr, die mit dem Blute der Indianer gemalet +waren; Ohrringe, an denen die Spitzen der Ohren hiengen, von denen man sie +abgerissen hatte; Ringe, die man sammt den Fingern ihrer vormaligen +Besitzer mit übergeführet hatte; goldne Nasenringe sammt den Nasen, die +lange Zeit damit sich gebrüstet hatten. + +Die Argonauten des sechszehnten Jahrhunderts pochten mehr auf Muth, als auf +Geduld, um sich desto geschwinder den Schmuck der Karaiben zuzueignen, +raubten sie mit einem den Schmuck, und den Theil des Körpers, an dem er +befestiget war, ab. Alles, was die Ehre hatte, mit Golde bedeckt zu seyn, +blieb sammt seiner Zierde unter den Händen der Sieger. Dieß geschah, um die +Zeit zu ersparen, mit welcher die Eroberer aller Jahrhunderte gewaltig +geizten. Diese Oekonomie both eine überflüssige Ladung für ein Schiff, das +nach Spanien kam, um da die Beute aus einem andern Welttheile auszukramen. + +Während dieses Schauspiel alle Augen auf sich zog, ward man der Kakomonade, +die hinter so vielen kostbaren Gepäcken verborgen lag, nicht gewahr. Sie +machte sich fertig, festen Fuß zu fassen, und wählte sich schon ihre +Wohnungen mitten unter dem Haufen, der sie umgab. Sie hatte sich bald +ausgeschifft, und folgte dem Christoph und Martin Kolumbus bis nach Hofe, +wo eine tugendhafte Königinn, Namens Isabelle, den Thron besaß, von dem sie +so eben ihren Bruder herabgestossen hatte. + +Diese weise Prinzessinn mit ihrem Gemahle, dem aufrichtigen, großmüthigen +Ferdinand dem Katholischen, hatte dem Könige von Neapel, ihrem Blutsfreunde +geschworen, ihn zu beschützen. In der Folge fanden sie, daß es edler, +anständiger, und gerechter wäre, ihn auszuplündern. Sie ließen also zu +Barzellona zu diesem Felszuge ihre Trouppen die Schiffe besteigen. + +Die Trouppen giengen unter Seegel mit einer ganz neuen Gattung von +Provisionen. Einen Hauptartikel davon machte die Kakomonade, ob sie gleich +in die Verzeichnisse der Proviantmeister nicht eingetragen war. Sie reiste +zu gleicher Zeit mit der Armee. In Italien, dessen Landesgebräuche ihr +nicht günstig waren, machte sie Anfangs schlechte Progressen. Aber zu ihrem +Glücke hatte sich Karl der Achte in den Kopf gesetzt, den heiligen Vater +Alexander den Sechsten zu Rom zu besuchen. + +Jedermann weis, wie unnütz, und prächtig dieser Feldzug war. Die +französischen Ritter entwickelten da den wunderbarsten und fruchtlosesten +Heldenmuth. Reißenden Fluges brachten sie Mailand, Florenz, Rom, Neapel, +und die Kakomonade an sich; aber von allen Eroberungen, war diese letzte, +die sie am liebsten aufgegeben hätten, die einzige, die ihnen blieb. Bei +ihrer Heimkehr, überpflanzten sie sie in ihr Vaterland, wo die französische +Galanterie sie mit allen Ehren empfieng; und dieß war beinah der einzige +Nutzen, der unsern Verfahren aus einem so herrlichen Feldzuge zufloß. + + + + +Neuntes Kapitel. + + + +Verschiedene Reisen der Kakomonade. + +Indessen die alte Bewohnerinn von Amerika sich so unter dem Gefolge einer +Menge wackerer Krieger den Eingang in Frankreich öfnete; entwischte sie von +Zeit zu Zeit, um auch in den übrigen Theilen der Erde Kolonien anzulegen. +Sie schwamm die Rhone hinunter um in der Themse zu ankern. Sie maß die +Pireneen zurück, um queer durch Spanien in Portugal zu eilen. Sie schifte +sich zu Lisabon ein, um von Goa Besitz zu nehmen, den sie gemeinschaftlich +mit der heiligen Inquisition noch behauptet. + +Von Kadix reiste sie nach Fez in Mauritanien mit einigen Juden oder +Mahometanern, welche der religiose Ferdinand, der Katholische in seinem +Reiche nicht dulden wollte. Sie drang mitten durch die Sandberge von Afrika +bis zur Zone torrida ein. Sie wagte sich ohne Furcht unter jene +schrecklichen Weiber der melindischen Küste. Sie breitete sich aus von dem +Ursprunge des Senegal an bis zur Kafferei, und von Monomotapa bis an die +Mündung des Nil. Sie wurzelte überall mit den Jesuiten, die dem ungeachtet +nicht ihre eifrigsten Missionarien waren. Unermüdet, wie sie, aber in einer +andern Art, faßte sie geschwinder als sie in den beträchtlichsten +Wechselstuben Fuß. Sie hinterließ einsichtige Faktoren, die sichs angelegen +hielten, die Anzahl ihrer lockeren Gesellen zu vermehren. + +Mit mehr Bequemlichkeit begab sie sich durch Marseille nach Syrien und +Aegypten. Sie durchsuchte die morgenländischen Handelsplätze. Die eisernen +Gitter am Serail machten sie knirschen vor Zorn. Röthe überzog ihr das +Gesicht bei dem Anblicke von einem Haufen Menschengestalten, die, nicht nur +unfähig sie mitzutheilen, sie nicht einmal anzunehmen im Stande waren. +Unterdessen fand sie doch mittels der miethbaren Zirkassierinnen, die hier +nicht seltner, als anderswo sind, und mit denen das Gesetz Mahomets den +Umgang den Unbeschnittenen eben sowohl als den Gläubigen gestattet, einen +Eingang bis zu den stolzen Muselmännern von der Sekte Omars. + +Liebreich übersetzten sie diese zu den Ketzern von der Sekte des Aly, +welche sie führten zu den Unterthanen des Mogul, die da anbeten den Brama +und den Visthnu, welche sich Mühe gaben, sie mit Binsen zu versehen, um sie +nach Makao und Nangazoni zu den Theologen des Fo und des Kaka zu +übersetzen. + +Auf ihrem Wege stieß sie an die Küste von Malabar. Sie nahm in den +Philippinen und Moluken unter dem Schatten der Ananas und Kokusbäume +Erfrischungen zu sich. Sie nährte sich da von Mußkatnißen, und Zimmet. +Nachdem sie so die Ende der Welt durchwandert hatte, betrachtete sie mit +Bewunderung den weiten Bezirk ihrer Macht. + +Es giebt, sagte sie mit Entzücken, rothe und erzfärbige, milch- und +pomeranzenfärbige, aschgraue und kohlschwarze Menschen, und all das gehört +mein. + +Man findet ihrer, die mit dem Safte von Trauben, von Aepfeln oder von +Gerste, der durch die Gährung sauerte, sich berauschen; andere, die mit +eben diesem Safte, den sie durch das Feuer distilliren, sich leckerhaft +vergiften; andere die einen braunen, und ungesunden Staub in die Nase +stopfen; andere, die mit Baumblättern Kalk fressen; andere, die ihre +Nachbarn stäupen, oder erwürgen lassen; und all das gehört mein. + +Man sieht Weibsleute, die sich kaleinirtes Bley über das Gesicht schmieren; +andre, die sich die Wangen, oder Arme mit Indigo, färben; andere, die ihren +Hals zeigen; andere, die nichts, als allein ihren Hintern bloß tragen; +andere, die sich parfümiren, und frisiren, um Liebhaber an sich zu locken; +andere, die dieselben, wenn sie sich zu gewissen Zeiten bei ihnen +aufhalten, mit der Pest beschenken; und all das gehört mein. + +O tapfrer und berühmter Christoph Kolumbus! o ihr meine getreuen, und +vielgeliebten Kastilianer! ewiger Segen sey mit euch, die ihr mein +Geschlecht, wie den Sand am Meere, und meine Nachkommenschaft wie die +Sterne am Himmel vermehret habt. Mögen die Schätze, des Potosi für euch so +unerschöpflich werden, wie die meinigen! möchtet ihr unaufhörlich eben so +die Stützen meines Reiches seyn können, wie ihr die ersten Verbreiter +desselben waret! + +Nachdem sie sich so von ihrer Dankbarkeit, und von ihren Eroberungen +Rechenschaft gegeben hatte, begab sich die Kakomonade auf den Weg, um neue +zu machen, oder um die alten fester zu gründen; Das Fuhrwerk, dessen sie +sich bediente, war sanft. Kein Wunder, daß sie nach so langwierigen, und so +schnellen Reisen dennoch im Stande war, nach Frankreich zurückzukommen, das +sie zum Mittelpunkte ihres Reiches bestimmet zu haben schien. + +Man muß nicht vergessen, daß sie bey jeder ihrer Wanderschaften die +Kleidungsart, und den Namen der Nation annahm, von welcher sie abreisete. +In Frankreich war sie eine Neapolitanerinn, zu Neapel und Madrid eine +Französin, zu Lisabon eine Kastilianerinn, zu Nangazaqui eine Portugiesinn, +zu Ispahan eine Türkinn, und zu Konstantinopel[*] wieder eine Französinn. +Vielleicht giebt es nichts so schönes, als der Anblick ist, wie sie über +Gebirge und Meere setzte, sich vom Adamspik auf die Spitzen des Imaus +schwang, und von den Ufern von Kalifornien nach Madagaskar flog. Wir +glaubten, daß dieses Schauspiel wenigstens sein Kapitel verdiente. + +[Fußnote *: (Anmerkung der Verleger.) Wir dürfen nicht bergen, daß dieses +Vorgehen des Doktors ziemlich offenbar demjenigen widerspricht, das ihm +sein Geschichtschreiber im 4. Kap. des Optimism in den Mund legt. Dieser +läßt Herrn Pangloß mit den eignen Worten sagen, daß die Türken, die +Indianer, die Chineser, die Perser, die Samiten die F -- -- noch nicht +kennen; sondern daß es nur lediglich einen zureichenden Grund gebe, vermög +welchen sie sie in einigen Jahrhunderten kennen würden. Das ist eine +triftige Autorität. Indessen glaubten wir doch nicht, daß sie der unsers +Manuscripts vorzuziehen wäre. Gott behüte, daß wir Herrn Ralph eines +Irrthums oder einer Untreue beschuldigen wollten; aber die Memoires, nach +denen er gearbeitet hat, konnten nicht genau seyn; und über dieß hatte auch +sein Held zu der Zeit, wo er ihn sprechen läßt, noch nicht alle jene +Einsichten erlangt, welche ihm neue Reisen in der Folgezeit erworben +haben.] + + + + +Zehntes Kapitel. + + + +Von dem Ursprunge der Perücken. + +Wir sahen die Kakomonade durch eine schöne Pforte in Frankreich eingehn. +Sie säumte nicht, der ganzen Nation Beweise ihrer Dankbarkeit zu geben. Sie +breitete sich daselbst bis zum Uebermaaß aus. Wenn man den Geschichtbüchern +der damaligen Zeit Glauben beimessen will, so nahm sie F -- -- E -- -- -- +sich zur Seite auf den Thron. Es kostete ihn nur fünfhundert Thaler, sein +Zäpflein, und die Haare. Doch fand er bald Ersatz für sein Leisereden, und +um sich das Haupt wohl zu bedecken. + +Die erfinderischen Köpfe, womit Frankreich von jeher angefüllt war, litten +es nicht lange, daß ihr König so weit gebracht seyn sollte, keine andere +Koeffüre, außer einer Schafmütze zu haben. Sie machten bald eine weit +edlere, deren Stof vom Menschen selbst genommen war. Geschickte Hände +verfertigten jene sinnreichen Zöpfe, welche dem Werke der Natur nachahmend +die schmucklose Glatze einer Hirnschaale mit einem Walde von Haaren +besetzen, die sie selber nicht hervorgebracht hat. + +Es hat Jemand gesagt, wenn ein König einäugig wäre, so könnte unter den +Hofleuten leicht die Mode aufkommen, nur ein Aug zu tragen. Das Beispiel F +-- E -- war nicht so schwer, nachzuahmen. Er hatte das Vergnügen, seine +Unterthanen in die Wette ihm folgen zu sehn. Wenige Zeit darauf sah man von +der Rhone an bis zur Maas keine andern, als falsche Haare, und vernahm +keine anderen, als erstickte Stimmen. + +Seit dem hatten wir Könige, welche ihr Zäpflein nicht verloren, und derer +Stimmen sich wieder eingefunden haben; dennoch sind die Perücken ungeachtet +aller Verfolgung der Geistlichkeit geblieben. Diese hoch- und +wohlehrwürdigen Glieder der Kirche schienen lange Zeit über die +Unanständigkeit, welche sie hervorgebracht hat, entrüstet. Sie untersagten +allen ihren Dienern den Gebrauch derselben, und es ist noch nicht lange, +daß ein kahlköpfiger Priester nur mit vieler Mühe von seinem Erzbischofe +die Erlaubniß erhielt, sich dieses Hilfsmittels, das erfahrnern Personen +noch verdächtig scheinen kann, unschuldig zu gebrauchen. + +Die Noth hat in der Folge die Laien nachsichtiger gemacht; allein die +Mönche haben den nicht gar ehrsamen Ursprung der Perücken nicht vergessen. +Sie sind noch itzt aus allen Klöstern verbannt, oder wenigstens doch aus +jenen, die da einen großen Geruch von Regelmässigkeit von sich geben +wollen. + +Die Karmeliter, die sich wegen ihres Standes, und aus freier Willkühr der +Keuschheit weihn, duldeten unter sich nicht einen Haarschmuck, der seinen +Ursprung nicht ihr zu danken hat. Die Kapuziner, zufrieden, natürliche +Haare in ihrem Gesichte zu tragen, achteten nicht darauf, sich erborgte auf +den Kopf zu pflanzen. Die andern Mendikanten, der Mässigkeit, und ihrer +Regel getreu, wie die Franziskaner, oder der Nettigkeit ergeben, wie die +Baarfüsser &c. wollten ein Gut nicht haben, von dem der große heilige Franz +nie etwas gewußt hat. + +Vielleicht fürchteten sie, der Gebrauch desselben möchte den Verdacht +erregen, als hätten sie ebenfalls Wundmaalen von einer andern Art, als jene +ihres verehrungswürdigen Patriarchen waren. Vielleicht auch schreckte sie +der Gebrauch des Kammes ab, dessen ein geschorener Kopf entübriget ist. +Wenigstens ist gewiß, daß sie ohne alle Unruhe kunstverständige Barbierer +bei den Bäurinnen in den Dörfern die Schur vornehmen sehn; und wenn sie +diese allein, oder abseits antreffen, so sind es niemal Haare, was sie sich +von ihnen erbitten wollen. + +Indessen war diese ausgemachte Verachtung dennoch ihrem Gegenstande nicht +schädlich. Die Perücken, durch ein königliches Bedürfniß veranlaßt, +scheinen dadurch in den Augen der europäischen Nazionen nur veredelt worden +zu seyn. Lange Zeit maß man ihr Volumen nach der Würde, oder Fähigkeit des +Gegenstandes ab, welcher sich damit schmücken sollte. Vorzüglich bei Hofe +schätzte man diese Art, den Werth der Menschen zu bestimmen, hoch. Man +konnte versichert seyn, daß eine Masse Haare von drei Schuhen in das +Gevierte ein erhabneres Verdienst ankündigte, als dasjenige war, das nur +eine Masse von zween Schuhen bestimmte. + +Diese Zeit war die Zeit unsrer Herrlichkeit. Es scheint, als wäre die Ehre +unsrer gegenwärtigen Reiche, gleich der Stärke Samsons, mit +geheimnißreichen Zöpfen verbunden gewesen, vor denen das Schwert Ehrfurcht +haben sollte. Wir haben gestattet, daß die unheilige Scheere der Philistäer +sie berührte. Die Mode, als eine zweite Dalila, legte ihre Hand an die +erhabenen Hüllen, welche den Augen des gemeinen Mannes die Weisheit, und +den Tiefsinn der Bemerkungen unsrer Väter entzogen. + +Man weis auch, was daraus entstanden ist. Nach dieser fatalen Operazion +wachten unsre itzigen Völker auf ohne Stärke, und ohne Herzhaftigkeit. Seit +dem die kleinen Perücken auf den Köpfen sitzen, brachten sie denselben nur +kleine Einsichten hervor. Die leichten Haaraufsätze ließen die Substanz +evaporiren, welche zuvor die weiten Hauptdecken da nährten. Von der Zeit an +haben sich unsre Gehirnchen volatilisirt, so wie sich bei ungeschickten +Distillirern die Geister flüssiger Körper zerstreuen, wenn der Helm und die +Distillirflasche nicht recht wohl verpichet sind. + +Das Gebieth der Perücken hat sich also vermindert; aber die Macht ihrer +Mutter hat es sich nicht. Mit jedem Tage sieht man noch ihre Fortschritte +sich vermehren. + + Der Arme dessen Hütte Stroh und Rohr bedeckt, + Erkennet ihre Macht; + + Sie wird vom Krieger, nicht vom Thor der Burg verschreckt, + Wo der des Königs wacht. + +Aus dem Vorhergesagten sieht man, daß die Kakomonade ein gemeinschaftlicher +Feind ist, wider den man sich zu vereinigen hat. Sie macht sich gleich +feindlich an den Szepter, und an den Hirtenstab. Der Szepter und der +Hirtenstab also müssen gleich eifrig zusammen stehn, sie aus dem Felde zu +schlagen. Zu diesem Endzwecke hat man schon verschiedene Mittel versucht, +aber alle wenig wirksam, alle unzureichend. + + + + +Eilftes Kapitel. + + + +Hilfsmittel, derer man sich gegen die Anfälle der Kakomonade bedient. +Warum nicht die Aerzte den Kampf mit ihr wagen? + +Die Geschichte erzählt, daß bei der ersten Schlacht zwischen den Römern und +Griechen, diese, da sie die Sieger blieben, sich zur Unterhaltung mit der +Untersuchung der Wunden beschäftigten, welche ihre Kriegsgenossen, die im +Gemenge umgekommen waren, empfangen hatten. Sie entdeckten gespaltene +Köpfe, abgehauene Arme, und an Brust, und Rücken durchschossene Körper. Die +Geschichte setzt hinzu, daß so, wie ihre Waffen sie nur etwas aufritzten, +sie den Gedanken nicht aushalten konnten, sich mit Leuten zu schlagen, die +solche Hiebe austheilten. Der bloße Anblick eines italiänischen Säbels +machte in der Folge sie zittern; und dieser Schrecken, trug nicht wenig +bei, ganz Griechenland der Macht der Römer unterwürfig zu machen. + +Man kann sagen, daß es bei der Ankunft unsrer Reisenden das nämliche +Bewandniß hatte. Die Doktoren hatten sich mit den Bürgerinnen unsrer +Himmelsstriche vertraut. Sie kurirten ohne Anstand die Unverdaulichkeiten, +die Fieber, und andere Krankheiten, welche durch unsere Wehen ihre +Glücksgüter befestigten. Aber das Vertrauen auf ihre Kunst fiel bei dem +Anblicke eines Gesichtes, wovon Hyppokrates keine Züge anatomirt hatte. Bei +der Herannäherung dieses furchtbaren und unbekannten Feindes sah man sie +die Flucht ergreifen. + +Es ist wahr; ihre Gegenwart kündigte sich durch etwas schreckliche Zeichen +an. Man ließ seine Nase im Schnupftuche zurück. Man spuckte seine Zunge +aus, und die Drüsen, die sie stärken. Wenn man einen Stein werfen wollte, +so erstaunte man, daß man seinen Arm hinweggeschleudert habe. Man fand sich +ganz in den Zustand der Wächter des Serails versetzt, denen die Vorsicht +der Türken das Vermögen nimmt, auch nur den Schatten eines Verdachts +erregen zu können. Man sah eine so schreckliche neue Erscheinung als die +stärkste Waffe des Todes an. Man überredete sich, das Menschengeschlecht +sei durch diese neue Art, mit der es angegriffen wurde, seinem Untergange +nahe gebracht. + +Um das Maaß der Furcht vollzufüllen, bildete man sich ein, sie wäre so +ansteckend als die Pest. Man wußte nicht, daß es nur eine Art gäbe, sich +ihr auszusetzen, und daß man immer die Freiheit hätte, sich davor zu +verwahren. Das Mißtrauen war in die ganze Gesellschaft verbreitet. Jeder +zitterte für seine Person. Unbarmherzig entfernte man sich von den +Unglücklichen, die damit geschlagen schienen. Gleichzeitige Schriftsteller +gestehen, daß viele davon, welche man aus allgemeiner Furcht verlassen +hatte, in der Tiefe der Wälder zu Grunde giengen. + +In dieser allgemeinen Beklommenheit verlor die Fakultät ihren Kopf, +Eskulap, aus seiner Fassung gebracht, hörte auf, Orakelsprüche zu geben. +Das war keiner jener Augenblicke mehr, wo mit lauem Wasser, und einem +Strome von Beredtsamkeit ein Doktor aus der Kraft der Natur sich seine Ehre +machen konnte. Hier blieb sie in der Unthätigkeit; sie wurde auf der Stelle +überwältigt. Mit großem Geschrei rief sie die Kunst zu Hilfe, und die +betroffene, gedemüthigte Kunst konnte nur ihr unnützes Mitleid an sie +verschwendet. Es fiel ihr gar nicht ein, eine Gegnerinn zu verfolgen, die +sie sich nicht einmal zu besichtigen wagte. + +Unterdessen wurde mit der Zeit durch die Gewohnheit ans Schauspiel sein +Eindruck vermindert. Leute ohne Namen, Scharlatane, frecher, oder +gewinnsüchtiger, als die Doktoren, fanden sich zu einem Kampfe ein, dessen +Sieg sie treflich bereichern müßte. Für den Erfolg konnten sie nicht +stehen, aber wenigstens brachten sie doch die Hofnung aufs Geld. + +Man machte Versuche; man wagte Eintrichterungen von Säften; man erholte +sich bei chymischen Zubereitungen Raths; man zog China und Amerika zur +Steuer; man bannte den Hyppokrates ins Leben; dennoch erhielt man keine +Kenntnisse, und zankte sich schon mit vieler Hitze über die Mittel, sich +dieselben zu verschaffen. + +Endlich kam bei dieser Gelegenheit, wie bei allen andern, das Ungefähr der +Wissenschaft zu Hilfe. Man hatte eine flüßige Materie unter den Händen, +weiß wie Silber, und schwerer, als es; aber bekannt, durch ihre +Eigenschaft, sich an die andern Metalle anzuhängen, und selbst unter die +Metalle gerechnet, ohne daß man viel wußte, warum. Niemand konnte sich +einfallen lassen, daß dieß mit Fette abgetrieben, und auf die Haut gelegt, +oder mit andern Ingredienzien, die seine Wirksamkeit mäßigen konnten, +vermischt, und zu trinken gegeben, den glücklichen Erfolg haben sollte, +diese Fremdlinginn, deren Aufenthalt ihren Gastfreunden so verderblich war, +zur Flucht zu zwingen. + +Wirklich behauptet man, daß manche sehr erfahrne Araber in einigen +Umständen sich dessen schon bedienet haben. Sie brauchen es, sagt man, um +die Läuse zu tödten, um die Zittermaale zu vertreiben, um das Jücken, und +andre Krankheiten der Haut zu stillen. Aber in Europa wußte man von ihrer +Methode nichts. Und hätten auch Avicenna, oder Serapion davon geredet, so +wars darum unsern Vorfahren um nichts leichter zu errathen, daß das, was +gegen die Läuse gut war, es auch gegen die Kakomonade sey. Was man übrigens +Gewisses weis, ist, daß die Entdeckung davon gemacht wurde, daß man sie +annahm, und daß sie von glücklichem Erfolge war. + +Der Ruf davon säumte nicht, sich zu verbreiten. Von allen Seiten nützte man +es. Das Sonderbare dabei war, daß sich die Fakultät mit all ihrer Macht +dagegen setzte. Es war nicht ihr Wille, daß man ein Hilfsmittel suchte. Sie +schien nach ihrer Gewohnheit nur dazu mit Muthe gewaffnet, um das Gefundene +zu bekämpfen. Ganz Europa erscholl von den Deklamazionen gegen dieses +nützliche Fluidum, das sie bloß in die Barometres verbannet wissen wollte. +Es stand nicht bei ihr, daß sich nicht die Obrigkeit ins Mittel legte, um +den Gebrauch davon zu verbieten. + +So sah man die Brechmittel heftig von den Vorfahren derjenigen verschrien, +die sie heut zu Tage verordnen. So donnerte man mit der größten Entrüstung +wider die Chinarinde, wider die Ipekakuana &c. auf eben jenen Lehrstühlen, +wo man itzt ihre Heilkräfte mit Enthusiasmus zergliedert. So fand in unsern +Tagen unter Leuten, die für weise gelten, die Inokulazion unversöhnliche +Feinde. Zu Doktoren angenommene Aerzte haben eine Schrift unterzeichnet, wo +man sagt, man sollte die Fremden auf ihre eigene Gefahr die Probe damit +machen lassen. Schwerlich vielleicht würde man treffendere Beispiele von +Inkonsequenzen anführen können, zu denen Leidenschaft und Stützköpfigkeit +sogar unterrichtete Leute bringen können. Die Mode und Meinung sind in +allen Dingen die Königinnen der Welt; aber das Quecksilber hatte durch +seine Nützlichkeit gewiß nicht verdient, ihrer Kaprize unterworfen zu +werden. + +Man bestritt es nicht lange. Bald darauf, nachdem man versucht hatte, ihm +den Stab zu brechen, sah man sich genötiget, es zu gebrauchen. Die +Fakultät, von dessen Beistand versichert, wollte sich nun wieder den +Unglücklichen nahen, an denen sie auf gewisse Art zur Verrätherinn geworden +war. Aber der Platz war erobert. Eine Nebenbuhlerinn, von ihr lange Zeit +verachtet, hatte sich des Augenblicks ihres Schreckens bemächtigt. + +Da die Zeichen des Unglücks, dem man abhelfen sollte, sich von Aussen +zeigten, und die herrschende Fakultät sie zu fürchten schien, so hatte eine +andre, minder furchtsame, und thätigere Fakultät sie sich zugeeignet. Diese +war die Erste, die mit einiger Methode den Gebrauch des flüssigen Silbers +wagte, das, in den Händen der Empiriker, vielleicht eben so viel böse, als +gute Wirkungen machte. Sie bemeisterte sich des Zutrauens des Publikums; +und als die andern, von ihrem Schrecken zurückgekommen, einen Posten, mit +dem sie schalten zu können glaubten, wieder einnehmen wollten, waren ihre +Bemühungen darum vergeblich. + +Eine Miene, reicher als die von Peru, öffnete sich hier. Die Usurpatoren +behielten bis auf den heutigen Tag das Recht, beinah allein daran zu +arbeiten. Die herrschenden Doktoren sehen sich mit Verdruß von der Quelle +so vieler Reichthümer ausgeschlossen. Oft versuchen sies, sich dazu hinein +zu stehlen; aber man gestattet ihnen nicht, die kostbare Komposizion zu +verfertigen; welche die Fremde ihres Thrones beraubt, und das Geld der +Kranken an sich zieht. Man erlaubt ihnen bloß nur, über die Theorie zu +räsoniren, die nichts einbringt; nur am Einfahrt der Mine läßt man sie +landen. Man gestattet ihnen, die Arbeiten, wenn sie es können, aufzuklären; +aber das Graben darinnen, das allein nur Gewinnst trägt, ist ihnen gänzlich +untersagt. + + +Nachricht der Verleger zum folgenden Kapitel. + +Wir ersuchen delikate Augen vorläufig, das ganze folgende Kapitel zu +überschlagen, obgleich es das lehrreichste im ganzen Werke ist. Ungeachtet +der Begierde, die Herr Panglos hatte, die Sache auf eine ehrbare Art zu +verschleyern, so ist es ihm vermuthlich nicht möglich gewesen, sie in +diesem Dialoge zu mildern, wo er uns das Gespräch der redenden Personen +anführt. Er würde gegen die Wahrscheinlichkeit und Wahrheit verstossen +haben, wenn er an ihren Ausdrücken etwas geändert hätte. Dennoch muß man +darum nicht glauben, daß sie empörend seyn. Sie haben nur die in einer +ähnlichen Materie unvermeidliche Energie. Sies sind mit all der +Behutsamkeit behandelt, welche man von den zween erlauchten Männern, die +auf dem Schauplatz erscheinen, erwarten kann. + + + + +Zwölftes Kapitel. + + + +Dialog zwischen einem Mandarin, und dem Herrn Baron von +Donnerstrunkshausen, über den Gebrauch des Quecksilbers in dem Falle, von +dem die Rede ist. + +Das Metal, von dem so eben die Rede war, ist unstreitig der einzige Damm, +den man den Einbrüchen der Kakomonade mit Nutzen entgegen setzen kann. Es +begnügt sich sogar nicht damit, daß es ihre weitern Umsichgriffe hemmt, +sondern es dringt bis zu ihrer Quelle ein. Es greift sie an, drängt, und +entwurzelt sie. Deßwegen ist es auch bei weitem dem Golde vorzuziehn, das +nicht allein die Krankheiten nicht heilt, sondern im Gegentheile die +Leichtigkeit vermehret, sie alle an sich zu bringen. + +Wenn man die Augen auf den folgenden kurzen Dialog wirft, wird man einen +Begriff sowohl von seiner Wirksamkeit, als von den verschiedenen Arten, es +zu zubereiten, und von ihren Folgen haben. Zween Männer führen das +Gespräch. Der Eine davon ist eine von den litterarischen +Magistratspersonen, die man in China Kolaos nennt, und die sich die +Europäer, ohne davon den zureichenden Grund zu wissen, beifallen ließen, +Mandarine zu nennen. Der zweite ist der Sohn meines nochgeehrten Herrn, des +Herrn Baron von Donnerstrunkshausen. Ich hatte das Vergnügen, ihn zu Peking +wieder anzutreffen, im Jahre unser Heils 1761. Er fieng da an zu Würden zu +steigen. Er hatte mit einem Mandarin vom dritten Range folgende Unterredung +gepflogen, und die Güte, sie mir mitzutheilen. + +Der Mandarin. -- Guten Tag, Eure Hochwürden. Ich ließ mich in meiner +lakirten, unausgezierten Sänfte hieherbringen. Ich habe nur bloß dreißig +Reuter bei mir, und achtzehn Tambours. Haben Sie mich entschuldigt darüber, +ich wünschte Sie inkognito zu sehen. + +Der Baron. Wären wir wohl so glücklich, Eurer Excellenz dienen zu können? + +Mandarin. Ja, Sie können mir einen großen Gefallen thun. + +Baron. Wollten Dieselben in der pneumatischen Maschine eine Katze den Geist +aufgeben, oder mit der elektrischen Nadel den Donner ableiten sehn? + +Mandarin. Nein, das führte mich nicht her. + +Baron. Wollten Dieselben einiger Ballen roher Seide, einiges alten +Porzellan los werden, und sie nach Europa schicken? Es ist hohe Zeit, Eure +Excellenz; ich möchte es rathen. Sie werden bald im Preise fallen, seit dem +erfahrne Chimisten dieses Geheimniß entdecket haben. + +Mandarin. Das kümmert mich gar nicht. + +Baron. Wollten Sie etwa zur Beichte gehn, und auf die Fürbitte des heiligen +Ignazius von Lojola, des seligen Franziskus Regis, des großen heiligen +Franziskus von Gonzaga, der sich eine feuchte Leinwand auf die Brust legte, +damit ihm von der Liebe Gottes sein Herz nicht in Flammen gerieth, +Verzeihung Ihrer Sünden erhalten? + +Mandarin. Ei mein! Von all dem will ich nichts. Sie sollen mich bloß nur +lehren, was für eines Geheimnisses Sie in den andern Ländern sich bedienen, +wenn Sie die -- -- -- -- haben. + +Baron. Ach! ach! Eure Excellenz -- Wir! -- Die? -- -- -- Pfuy doch! -- + +Mandarin. Meiner Treue, Eure Hochwürden, ich habe sie, ich, -- wie ich mit +Ihnen rede. Nichts desto weniger habe ich alle meine Prüfungen mit Ehren +bestanden. Ich ward bei dem grossen Konkurse im ersten Jahre der Regierung +Fontchins aufgenommen. Ich führe den Pinsel so gut als Einer im +Kaiserthume: der Schönheit meiner Schrift bin ich meine Stelle schuldig, +und doch habe ich die -- -- -- -- Warum sollten nicht auch sie sie zuweilen +haben? + +Baron. Aber Eure Excellenz vergessen, was für ein Kleid ich zu tragen die +Ehre habe. Man hat uns wohl in einigen Orten vorgeworfen, daß wir dem +Menschen viele Uibel zufügen; aber eines zu vertrauten Umganges mit den +Frauenzimmern hat man uns nie geziehen. + +Mandarin. Bei, meiner Seele! desto besser für sie! Daß ich nicht auch immer +so klug war! So fände ich mich nicht in der Verlegenheit, die mir itzt die +Ehre Ihrer Gegenwart verschaffet. Auf dem letzten Schiffe, das Ihnen +Purpurtücher, Rosenkränze, Uhren, und Orgeln brachte, fand sich ein sehr +schönes Frauenzimmer. Haben Sie nicht von ihr reden gehört? + +Baron. Kein Wort. Wir kümmern uns um so Neuigkeiten nicht. Es maskirt sich +der Teufel, Eure Excellenz, in dergleichen Gesichter. + +Mandarin. Mag seyn, aber da ist er trefflich verkappt. In dem Augenblicke +der Ausschiffung befand ich mich eben am Borde. Ich sah dieses Frauenzimmer +aus der Chalouppe steigen. Sie hatte so ein schön Stümpfnäschen! Ihre +Augenlieder schloß sie mit so viel Anmuth! Ihr Mund war so schön gespalten, +zog sich so angenehm durchschnitten von einem Ohre zum andern! Und einen +Fuß, einen Fuß, Eure Hochwürden! -- Mein Daumen hätte ihren ganzen +Pantoffel ausgefüllt. Ich zweifle, ob man vom Flusse der Unmöglichkeit an, +bis zum Flusse der Vergessenheit, je etwas schöners gesehen habe. + +Baron. Dennoch geht der Raum zwischen diesen beiden Flüssen ziemlich in die +Länge. + +Mandarin. Macht nichts. Wie ich diesen kleinen Fuß sah, bewunderte ich die +Oekonomie der Natur. Welche Wonnen, sagte ich bei mir selbst, wenn an allen +Theilen die Verhältnisse genau beobachtet sind! + +Ich wurde bald gewahr, daß die Natur dem Falle unterworfen sey, sich zu +vergessen, und ich wollte wünschen, ich hätte außer über diesen Punkt, +keine Erfahrung gemacht. Die schöne Fremde wurde von einem Bootsknechte +gehohnneckt. So bald sie wußte, ich sey der Gouverneur, bath sie mich um +Rache. Ich schlug ihr Bedingnisse vor; sie nahm sie an. Ich ließ den +Bootsknecht abstrafen. Ich hielt mich für den glücklichsten Menschen. Der +arme Teufel hatte die P -- -- --, und ich, geistlicher Vater, ich bekam +noch viel was ärgers. + +Baron. Gott straft Eure Excellenz. Er will nicht, daß man sich gegen das +Weibsvolk zu gefällig erzeige. Er hat gesagt: Non moechaberis, und Sie +leiden billig -- -- + +Mandarin. Ich weis nicht, geistlicher Herr, ob es Gott ist, der mich krank +gemacht hat; aber das seh ich wohl, daß Menschen mich gesund machen müssen. +Unsere Aerzte wollen mich nicht annehmen; man sagt, Sie seyn sehr +geschickt; Sind Sie es bis auf den Grad, daß Sie mir ein Mittel hierinn +verrathen können? Ich nehme Ihnen sechs und dreißig Dutzend Rosenkränze ab, +und gebe Ihnen hundert Pfunde Thee Peko, der noch nicht gesotten worden +seyn soll. + +Baron. Gut, wollen sehn. Ob wir gleich den Krankheiten wenig unterworfen +sind, so haben wir doch immer allerhand Mittel bei uns, so, wie eine Menge +anderer Dinge, die wir für uns nicht brauchen, sondern nur andern zukommen +lassen. Hier kommts nur darauf an, daß wir eine Heilungsart wählen. + +Mandarin. Mir scheint aber, es wäre die bekannteste, und beste anzunehmen. + +Baron. Das ist bald gesagt; aber halten Sie die Wahl für eben so leicht! +Von allen Arten, die ich kenne, ist keine einzige, die nicht durch große +Namen, durch starke Beispiele, und durch schöne Schlüsse unterstützt, und +bestritten wäre. + +Mandarin. Die Namen, und Schlüsse sind nichts. Man muß sich nur an die +Beispiele halten. + +Baron. Ja in China. Aber es giebt Länder, wo man ganz anders denkt. Wenn +etwas nur halbwegs nützlich scheint, so fragt man sogleich, von wenn das +herrühre. Daraus zieht man denn in der Folge durch eine Kette von Schlüssen +den Beweis, daß es böse sey; Und giebt man dessen Güte zu, so geschieht es +immer so spät, als möglich. -- Nun, nach welcher Art wollen Sie sich +behandeln lassen? Durch Frikzionen? + +Mandarin. Was verstehn Sie dadurch? + +Baron. Ich nehme ein wenig von jener Salbe, die man das Neapolitanum nennt. +Sie besteht aus Fette, und Merkurius. Damit reibe ich Ihnen alle Tage einen +gewissen Theil des Leibes. Nach vierzig Tagen werden sie sich mit einer +ölichten Rinde überzogen finden, von der Ferse an bis über die Achsel, und +vom Schulterbeine bis an die Fingerspitzen. Sie werden fett, stinkend, sich +selbst unerträglich seyn. + +Mandarin. Aber doch endlich genesen? + +Baron. Man darf es hoffen. + +Mandarin. Ist keine Inkonvenienz dabei zu fürchten? + +Baron. Sie vergeben. Ihr Kopf wird ungeheuer anschwellen; ihre Zähne werden +locker werden, und vielleicht ausfallen. Ihr Zahnfleisch und die Gurgel +werden voll Geschwäre seyn. Sie werden eine schreckliche Menge Speichel von +sich geben. Sie können dabei um ein Aug, um einen Arm, um ein Bein, oder um +das Zäpflein[*] kommen, wie der höchstheilige König F -- -- E -- -- +glorreichen Andenkens, und viele andere, die, bei weniger Ruhm, kein +besseres Glück genossen. + +Mandarin. Lieber Pater! Ich bedanke mich für die Frikzionen. + +[Fußnote *: Lettres de Gul Patin. let. 133.] + +Baron. Man könnte sie mäßigen, und sie ihnen nur verlöschend beibringen. +Man müßte Sie immer frottiren, aber sparsamer. Sie müßten mir manchmal +Milch nehmen, um die Wirkung des Merkurs, wenn sie zu stark wäre, +aufzuhalten. Sie werden weniger, spucken, weniger geschwellen, weniger +stinken. Dieß ist bequemer. + +Mandarin. In eine Gefahr dabei? + +Baron. Die größte wäre, daß Sie nicht gesund würden. + +Mandarin. Oh! oh! + +Baron. Ohne Widerspruch. Je sanfter die Arztnei seyn wird, desto weniger +wird sie wirken. Die wohlthätigen Kügelchen werden in die vom Gifte +schwangern Theile nicht so tief eindringen können. Dieses darf nur ein +wenig überflüssig seyn, so wird genug davon zurücke bleiben, um Sie bald +noch ärger zuzurichten, als Sie es sind. Fünf oder sechs Jahre nach einigen +leichten Tagen werden Sie sich neuerdings krank befinden, wie ein sehr +geschickter Professor der Beredtsamkeit an der Universität zu Paris sich +irgendwo ausdrückt. + +Mandarin. Das ist traurig! Ach, mein Freund! wer hätte dieß bei dem +Anblicke eines so kleinen Fusses gesagt? + +Baron. Reden Sie von ihm nichts Böses: nicht er wars, der Sie verwundet +hat. -- Uibrigens verzweifeln sie nicht. Sie könnten auch versuchen, sich +zu räuchern. + +Mandarin. Wie geschieht dieß? + +Baron. Sie müßten sich ganz nackt in eine Schachtel von Tannenholz setzen, +die wohl verschlossen würde, und wo Ihnen nur der Kopf heraus stünde. Unter +das Gesäß würde Ihnen eine Glutpfanne mit lebendigen Kohlen und Merkurius +darauf gesetzt. Diese durch das Feuer volatilisirte, und durch die +Maschine, und einen sie überdeckenden großen Mantel rund um Sie +zurückgehaltene Flüssigkeit würde Ihnen nach und nach in die Poros +eindringen. Sie würden sehr schwitzen, und vielleicht würden Sie sich +endlich geheilet finden. Man weis Leute, denen diese Methode zu Statten +kam. + +Mandarin. Mir behagt sie nicht. -- -- Aber es ist doch sonderbar: Sie sind +so ein geschickter Mann, und alle Ihre Geheimnisse laufen darauf hinaus, +Einem den Kopf geschwollen zu machen, oder nur eine ungewisse Genesung zu +verschaffen, oder eine Glutpfanne unter den Arsch zu setzen. + +Baron. Halten Sie, ich bin noch nicht fertig. Man könnte Ihnen Panaces, und +verschiedene Mineralien brauchen; man könnte Ihnen einen aufgelösten +Merkur, oder Gold- und Silbertinkturen geben. Dieß alles habe ich nicht: +aber unser Bruder Apotheker wird Ihnen die Sache machen, wenn Sie wollen. + +Mandarin. Ei zum Plunder lassen Sie das, was man thun könnte, bei Seite, +und sagen Sie mir, was ich thun soll. + +Baron. Wollen Sie sich mir vertrauen? Sie sehen dieses kleine rothe +Schächtelchen; an Ihrer Stelle würde ich mich an dieses halten. + +Mandarin. Es sind eine Menge graue Kügelchen darinnen. Wie heißen Sie die? + +Baron. In Europa nennt man sie Kaiserpillen. Herr Kaiser ist ein deutscher +Praktikus, und mein Landsmann, der eine ganz neue Komposition gegen die +Krankheit, über die Sie sich beklagen, erfunden hat. Glauben Sie mir, und +brauchen Sie sein Rezept. Ich will Ihnen dazu die Anleitung geben, und Sie +werden sicher genesen. + +Mandarin. Sind Sie dessen auch gewiß? + +Baron. So gewiß, daß ich die hundert Pfunde Thee nur erst nach Ihrer +Herstellung verlange. + +Mandarin. Ich verlasse mich auf Ihr Wort. Ich will mich an die rothen +Schächtelchen halten. Wohlan, ich will meine Kur auf der Stelle anfangen. +Sie haben von meiner Erkenntlichkeit Alles zu erwarten. + + + + +Dreizehntes Kapitel. + + + +Erstaunliche Progressen der Kakomonade. Mittel, sich ihrer zu +entledigen. + +Man hat hier oben gesehen, daß die Gesellen Seiner Hochwürden des Herrn +Baron von Donnerstrunkshausen, das Geheimniß und den Namen des Herrn Kaiser +mit dem Blitzpulver, den Agnus Dei, und den Bataverthränen bis in China +brachten. Man hörte ihn in wenig Worten diesen so berufenen Pillen ihre +Lobrede halten, und seinem Proseliten ihren Gebrauch anempfehlen. Dieß +scheint ein Bißchen demjenigen zu widersprechen, was wir im zehnten Kapitel +sagten. Da findet man, daß alle ersonnenen Hilfsmittel sehr wenig ergiebig, +und unzureichend seyn. + +Allein wir sprachen von ihrer Unzureichlichkeit in Rücksicht des +Menschengeschlechts im Allgemeinen, in Rücksicht der Totalität der Zufälle, +die sie im Allgemeinen, und nicht im Bezuge auf jedes einzle Individuum, zu +fürchten haben. Gewiß ists, daß man so glücklich war, die Partikuliers +wieder herzustellen. Man wäscht sie von dem Unrath, den sie unvorsichtig an +sich gezogen haben, ab; man nimmt ihnen, was sie bekamen; man giebt ihnen +wieder, was sie verloren, sogar die Unschuld beinah, die, gleich der +Gelegenheit, nur von vorne behaaret ist, und die man, wenn man sie einmal +entwischen ließ, nicht mehr erhaschet. + +Aber das menschliche Geschlecht wird darum nicht weniger angegriffen. Die +Kakomonade, der Hyder in der Fabel gleich, verlor kaum einen Kopf, als sie +dafür schon andre zehn erhält. Unterdessen, als hundert Kranke sich +bemühen, ihrer los zu werden, so suchen sie tausend begierig auf, so, daß, +trotz den Fluthen von Quecksilber, mit denen man Europa überschwemmt, die +Nothwendigkeit seines Gebrauchs mit jedem Tage dringender, und +empfindlicher wird. Man wird nie so glücklich seyn, sich davon zu befreien, +außer das Ungeheuer, das uns das Eingeweid auffrißt, wird mit Einem +Streiche zermalmet. Sie ist, wie wir sagten, eine Hyder, die sich eben +durch ihren Verlust vervielfältigt. Um sie auszurotten, muß man mit +einemmale alle ihre Köpfe abhauen. Um sie zu hindern, nachzuwachsen, muß +man auf der Stelle Schwert und Feuer dagegen brauchen. + +Die Regierungen werden, so bald sie das Herz haben werden, es zu wollen, +Herkulesse werden, im Stande, diese heroische, und heilsame Operation +auszuführen. Hierzu wird es von ihrer Seite nur darauf ankommen, +Vorsichten, die man für diesen Gegenstand schon lange getroffen hat, und +die durch die Einstimmigkeit der alten Völker in viel minder wichtigen +Gelegenheiten autorisirt worden sind, wieder zu erneuern und vorzüglich auf +ihre Ausführung zu wachen. + +Die Aussätzigen bei den Juden waren aus dem Umkreise der Städte verbannt. +Todesgefahr drohete denjenigen, die es wagten, sich hinein zu begeben. Man +nahm ihnen die Verwaltung der Geschäfte ab. Man sonderte sie von der +menschlichen Gesellschaft aus; und ob es gleich ein Vorzug ihres Staates +war, das Band der Ehe, wie mans gesehen hat, fester zu knüpfen, so foderte +man doch, daß sie ihre Gaben, und ihr Jücken weiter tragen sollen. + +Diese weise Politik ward in der Folge in allen Ländern, denen ihre +Erhaltung nahe gieng, nachgeahmet. Selbst in Frankreich gebrauchte man sich +ihrer Anfangs gegen den Aussatz, als es diesem gefiel, von den Gestaden des +todten an die des mittelländischen Meeres zu übersiedeln, und er sich vom +Jordan an die Seine begeben hatte. Man dachte ihrer auch in der Folge bei +der ersten Ausschiffung seiner Nebenbuhlerinn aus Amerika. Die +unermüdlichen Obrigkeiten, welche für die Ruhe, und Sicherheit der Bewohner +von Paris Sorge tragen, ließen gegen dieses Erzeugniß von St. Domingo die +strengsten Verordnungen ergehn. Sie verbothen die Uibermachung desselben in +das Innere der Stadt, und suchten die schleunige Ausfuhr damit zu +erleichtern. Vor dem Jahre 1498. findet man Polizeiverordnungen, die diesen +Gegenstand zum Ziele haben. + +Sie gebieten allen Personen, welche eines Verständnisses mit der Prinzessin +von Amerika verdächtig sind, jedermann, wer es immer sey, der sich durch +ihre Listen überraschen ließ, binnen vier und zwanzig Stunden Paris zu +verlassen bei Strafe des Strangs. Man berichtet, daß sich bei dem Thore, +bei welchen ihnen geboten wäre, hinauszugehn, Austheiler finden werden mit +dem Auftrage, Jedermann vier Pariser Sols zu reichen, um sie wegen der +Reisekosten zu entschädigen. Selbst die Reichen, und die Eingebornen des +Lands werden von den Strassen ausgeschlossen unter der Strafe, wenn sie +betreten würden, in den Fluß geworfen zu werden[*]. Man sperrt sie, wenn +sie Häuser haben, darinnen, und wenn sie keine Häuser haben, in +öffentlichen, zu diesem Gebrauche bestimmten Gebäuden ein. Man übernimmt +die Last, sie mit Lebensmitteln, und mit allem Beistande zu versehen, den +ihr Zustand fordert, bis sie das Joch der Feindinn abgeschworen haben, und +sich in einem Stande befinden, in der Gesellschaft auftreten zu können, +ohne zu erröthen, oder ihr Unruhe zu machen. + +[Fußnote *: Sieh die registres du Parlement & du Chatelet.] + +Das sind die Verordnungen, die man, doch mit einigen Modifikazionen, wieder +in den Schwang zu bringen eilen muß. Es ist sehr wohl gethan, daß man alle +jene, die, nach einer bestimmten, zu den Reinigungen einberaumten +Zeitfrist, mit Unreinigkeit zu erscheinen wagen werden, mit dem Strange +bestraft. Aber genug wär es nicht, wenn man ihnen vier Parisersols zu ihrer +Reise geben wollte. Alles, was man damit gewinnen würde, wäre, daß sie die +Kakomonade Jeder in seinem Lande zu pflanzen abgeschickt würden. Sie würde +sich da vervielfältigen, wenn das Land ihrer Verbreitung nur ein wenig +günstig wäre. Die Früchte davon würde man sehr bald in einem Schwalle gegen +die Hauptstadt zurückfließen sehn. + +Es ist also nicht damit gethan, daß man die Unterthanen der Fremden +ausjagt. Man thut viel sicherer, und viel vernünftiger, wenn man sie dieser +lästigen Unterthänigkeit entreißt. Man muß ihnen Freistätten eröffnen, wo +sie sich ohne Zwang in Freiheit sehen können, und wo die Leichtigkeit, ihre +Bande zu zerbrechen, in ihnen hierzu das Verlangen erwecket. Man muß in +jeder Stadt, oder in, jedem Flecken, einen beträchtlichen Ort, ein Haus +errichten, wo jeder Büsser, er sey wer er wolle, aufgenommen, und zur Busse +zugelassen werden könne. Man muß da die Freiheit haben, zu zahlen, oder +nicht zu zahlen, bekannt, oder unbekannt zu bleiben. Man muß den Eintritt +darein allen Leuten, von allen Altern und Ständen, sogar in Masken, wenn +sich solche darstellen, gestatten. Da es im Wesentlichen nicht das Gesicht +ist, das der Hilfe bedarf, so erhellet, daß die Krankenwärter, um denen, +die ihren Beistand suchen, zu helfen, ihre Gesichter nicht zu kennen +brauchen. + + + + +Vierzehntes Kapitel. + + + +Antwort auf einige Einwürfe, die man gegen die Mittel, die Kakomonade +zu unterdrücken, machen könnte. + +Ohne Zweifel wird man gegen diese Einrichtung Lärmen erheben. Man wird +sagen, zu einer Zeit, wo der Staat kein Gold hat, um seine Bedürfnisse zu +bestreiten, könnte er für diese seine Glieder unmöglich so das Quecksilber +verschwenden. Die so reden möchten, wären wohl ziemlich grausame Politiker, +oder Räsonneurs, die von der ächten Oekonomie ziemlich schlecht +unterrichtet wären. + +Wenn zu Marseille die Pest wäre, würde wohl die Dürftigkeit des Staats +hindern, Trouppen marschiren zu lassen? Würde man kein Geld finden, das man +dahin senden könnte, entweder der Stadt zu Hilfe zu kommen, oder die +Gemeinschaft mit ihr abzuschneiden? Nun ist die Kakomonade aber wirklich +noch viel schlimmer, als die Pest. + +Diese greift nur das gegenwärtige Geschlecht an; jene vernichtet, oder +entächtet wenigstens fast immer sich auch die zukünftigen Geschlechter. Die +Eine nimmt einen schrecklichen Anfang; die Klugheit kann sich davor +verwahren; man hat gewisse Vorsichten, um sie abzuhalten. Die andere ist +immer vom Vergnügen begleitet; sie macht ihren Anfang mit der Verblendung +der Klugheit, und ihr Ende mit ihrem Untergange. Sie hat also viel mehr +Leichtigkeit, sich auszubreiten. Sie zieht viel traurigere Folgen nach +sich. Sie heischt daher von den Regierungen eine viel größere Sorgfalt. + +Diese Sorgfalt würde eben nicht so kostspielig seyn, als man sich +einbildet. Erstlich hat man die Aussätzigenhäuser der Alten, von denen man +die Stiftungen, und das Bauwerk zu diesem nützlichen Gegenstande annehmen +könnte. Dieß hieße den Sinn der Stifter befolgen. Die Kakomonade hat die +Stelle des Aussatzes angenommen. Sie muß die Früchte dieses reichen +Nachlasses beziehen. Man kann ihr ihre Ansprüche nicht streitig machen. + +Uiberdieß, wer zweifelt, daß bei dem ersten Gerüchte von diesem Vorschlage +nicht das allgemeine Mitleid erwachen werde? Wie viele Fürsten der Kirche, +wie viele wachsame Hirten, würden sich mit einem uneigennützigen Eifer +bestreben, eine Zufluchtsstätte gegen Uibel zu schaffen, worunter sie +leiden, sobald ihre Schäflein davon angegriffen sind? Wie viele andächtige +Schwestern würden nicht ihrem Beispiele folgen! Mit welcher Beredtsamkeit +würden nicht die Direktoren die Nothwendigkeit predigen, Einrichtungen zu +vervielfältigen, die bestimmet sind, Schwachheiten zu verbergen, oder die +Kraft wieder in den Stand zu setzen, ohne Gefahr ihres Gleichen +hervorzubringen! Gewiß ists, diese Zufluchtsörter würden in kurzer Zeit, so +wie die volkreichsten, auch die begütertsten Häuser im ganzen Königreiche +seyn. Sie würden bald der bequemste Stappelort seyn, um das Joch der +Kakomonade abzulegen, so wie L -- -- -- bisher der sicherste gewesen ist, +sich dasselbe aufzubürden. + +Die Leichtigkeit des ersten Verfahrens würde die Weigerung, sich dahin zu +verstehen zum Verbrechen machen. Die Gerechtigkeit würde nur nach aller +Billigkeit handeln, wenn sie gegen jene, die davon überwiesen wären, die +Todesstrafe verhängte. Unterdessen giebt es zarte Herzen, bei denen die +Sanftmuth in Schwachheit übergeht. Sie werden sich über diese strenge +Verordnung entrüsten, sie werden zwischen der Strafe und dem Verbrechen +kein Verhältniß sehen. + +Es ist so süß, so natürlich, werden sie sagen, die Gefahren zu wagen, derer +Folge sie ist. Sollt es gerecht seyn, den Irrthum eines Augenblicks mit +einer so schmählichen Züchtigung zu ahnden? Sollte man sich entschließen +können, gegen ein vernünftiges Wesen den Tod zu verhängen, weil es seines +Lebens nicht ordentlich genoß? Was man ihnen antworten könnte, ist dieses. + +Ich gebe Ihnen zu, meine Herrn! mein Rath mag strenge scheinen. Aber +untersuchen Sie, was unter Ihren Augen vorgeht. Wer sind jene Armseligen, +die sie dort mit den rothen Kappen auf den Galeeren sehn? Wer sind jene, +derer Hinrichtung so viel Volks auf den freyen Platz spornt? Unter ihnen +befinden sich Leute, die Schwärzer, Betrüger waren. Das Gesetz waffnet sich +mit einer unbeugsamen Schärfe, und verurtheilt sie ohne Barmherzigkeit! + +Nun ich bitte Sie, giebt es wohl eine schrecklichere Schwärzerei, als die +Kakomonade? Kann man die Einführung ihrer Geschenke mit der Einführung +eines Holländertobaks oder Spaniols in Vergleichung ziehen? Die Kutzenelle, +so roth sie ist, kann sie die Vergleichung mit gewissen Purpurknöpfchen +ertragen, welche die Ehrbarkeit nicht nennen läßt. + +Wenn Sie ohne Anstand arme Leute, die Ihnen für wohlfeilen Preis weis nicht +welch braunen, gelben, oder feuerfarbenen Staub brachten, rudern lassen, +hängen und rädern; was sind Sie wohl denen schuldig, welche sich +erdreusten, die Quelle der Vergnügungen zu vergiften? Was werden Sie jenen +Frevlern nicht anthun, die es wagen, in das Heiligthum der Wohllust +Betrübnis, und Thränen in die Wohnung der Freude zu bringen? + +Die aufgeklärte Menschheit gebietet ohne Zweifel ihre Bestrafung zum Wohle +der leidenden Menschheit. Man muß alle ohne zu schwanken eine bestimmte +Zeit festsetzen, nach welcher Niemand mehr angenommen werde, der sich +angiebt, mit einem Ungemache behaftet zu seyn, wovon er sich wird haben +entledigen können. Man muß die Kakomonade wie eine ausländische Waare +ansehen, und die, bei denen sie gefunden wird, ohne Barmherzigkeit +konfisziren. + + + + +Fünfzehntes Kapitel. + + + +Nöthige Vorsichten gegen die Wiederkunft der Kakomonade, und Schluß +des Werks. + +Aber auch damit wär es nicht gethan, daß man die verdächtigen Wirkungen +hemmte. Man müßte auch Vorkehrungen treffen, ihren Eingang zu verhindern. +Man müßte Amtsstuben, Gerichtsdiener, und Wächter haben, die über Paquette, +wo diese traurige Gattung Kontrebandwaaren sich verbergen läßt, zu wachen +hätten; und für dieß habe ich gesorgt. + +Der durch seine große Nase berufene Kaiser Heliogabal oder Elagabal, sagt +man, habe einen Frauenzimmersenat errichtet. Diese erlauchte Gesellschaft +hatte über alle weiblichen Angelegenheiten zu richten. Vor ihr brachte man +all die kleinen Zänkereien, die häuslichen Klätschereien, die +Uiberwerfungen der Verliebten an. Sie gab auch den Ausschlag über die +Moden, den Haarputz, und den Anzug von allen Arten. Diese Politik, wünschte +ich, sollte man in Paris, in ganz Frankreich, ja sogar in ganz Europa +nachahmen können. + +Uiberall hat man da einen Haufen Wachen aufgestellt, um für die Vortheile +der Pächter die Aufsicht zu tragen. Man erblicket Ketten von Aufsehern, die +sich von allen Seiten die Hände reichen, am die Betrüger hindann zu halten, +und ihre Schlauigkeit zu überlisten. Es besteht das innigste Band unter den +Rotten, welche die Grenzen und die reichen Gesellschaften beschützen, die +im Mittelpunkte die Früchte ihrer Sorgen ärnten. Könnte man diese Polizei +nicht auch bei der Einrichtung, von der hier die Rede ist, sich zum Muster +nehmen? + +Man bildete in den Hauptstädten Büreaux von einer Anzahl unterrichteter +Mädchen, die im * * * sich Erfahrungen gesammelt hätten. Sie wären weder +die drei Grazien, noch die neun Musen. So könnte man sie aus vierzig, wie +die Academie Française, oder aus sechzig, wie die allgemeine Pachtung, +zusammensetzen. Den Eintritt dazu hätten nur die besten Erfahrungen. Die +Geübtesten in den Geschäften des Magazins, die Vertrautesten mit den +Kennzeichen des Betrugs, und also die bei allem Scharfsinne der +Schleichhändler Geschicktesten, sie zu entdecken. + +Nach Art dieses Hauptamts bildete man sonderheitliche in den Städten der +Provinz, und auf allen Strassen; welches zwischen dem Haupte und den +Gliedern eine eben so nützliche als lehrreiche Korrespondenz unterhalten +würde. Diese fruchtbaren Versammlungen hielten alle Tage des Morgens und +Abends ihre Sitzungen. Jeder Fremde, der an der Gränze ankommt, wäre +gehalten, da seinen Ausweis zu machen. + +Hier würde er ohne Schonung untersuchet. Man würde ihm nach seinem +Zustande, einen Geleitsbrief ausfertigen, oder die verbotene Waare unter +Siegel verzeichnen, damit man nicht eher davon Gebrauch machen könne, bis +sie im Rekonwaleszentenhause, wohin sie abgegeben würde, ausgeräuchert +wäre. + +Von dieser Zeremonie wäre das schöne Geschlecht nicht ausgenommen. Anfangs +würde sie lästig scheinen; man würde sich aber bald daran gewöhnen. Hat man +sich doch gewöhnt, vor jedem Thore grobe, und manchmal treulose Hände ins +Felleisen spazieren, alles darinn umkehren, und was da verschlossen war, +oft unwiederbringlich verderben zu sehn. Es würde nicht lange brauchen, um +sich zu gewöhnen, linke Hände zu fühlen, die eine lange Uibung abgerichtet +hätte, noch dazu ihre Berührungen angenehm zu machen. + +Es ist anzumerken, daß man durch eine solche Zusammensetzung eines Amtes +von aufgeklärten, und dafür bekannten Frauenzimmern den Ungemächlichkeiten +vorbeugen würde, die aus jeder andern Administrazion entstünden. Kein +Frauenzimmer dürfte sich schämen, der Untersuchung von Personen ihres +Geschlechts zu unterliegen; und man würde keine Mannsperson finden, die +sich weigern möchte, sich vor den Augen eines von seiner Erfahrung so +berufenen Tribunals zu produziren. Es fände sich also ganz keine +Schwierigkeit. Die Schamhaftigkeit, und Gesundheit der beyden Geschlechte +wäre dadurch in Sicherheit vor den Anstössigkeiten, die das eine kühn, oder +das andere schüchtern machen könnten. + +Das ist also der Entwurf meines Projektes. Ich unterziehe es den Einsichten +der Politiker, die in unserm philosophischen Jahrhunderte so zahlreich +geworden sind. Ich kann versichern, daß ich einzig das allgemeine Beste und +das Wohl der ganzen Welt, die mein Vaterland geworden ist, zum Augenmerke +hatte. Ich wünsche, daß er unter die Hände von Leuten komme, die an der +gehörigen Stelle sitzen; wünsche, daß ihr persönliches Interesse sie +bestimme, sich seiner anzunehmen, und dem allgemeinen Frommen Hand zu +bieten. + +Was Sie betrifft, mein Fräulein, wenn man ihn je annimmt, so wird man nie +vergessen, daß es Ihr Namen war, unter welchem er zum erstenmal erschien. +Ganz Paris wird Sie laut zur Annahme einer Stelle auffodern, deren Ihre +Bemühungen sie schon so würdig machten. Mit einer unnennbaren Freude werde +ich an der Spitze des erlauchten Senats, wovon ich den Plan entwarf, Sie +glänzen sehn. Sie werden die Aufseherinn von den Waffen Zylherens, und die +Wegweiserinn des Amors werden. Sie werden die Jugend lehren, ohne Gefahr +auf dem stürmischen Ozean der Vergnügungen zu segeln, indem Sie ihr mit der +Geschicklichkeit, die ihnen die Erfahrung giebt, das Steuerruder lenken. +Sie werden ihr zeigen den Klippen auszuweichen, die Ihres Gleichen, wie ein +großer Mann sagt, oft durch ihre Schiffbrüche bezeichnet haben. + + + + +Ein Brief als ein Supplement zu diesem Werke. + + + An M. L. A * * *. + + +Uiber die Ursachen, die zu der schrecklichen Vermehrung der Kakomonade +beitragen. + +Bisher, lieber Freund, hab ich nur gescherzet. Lachend schrieb ich die +Geschichte von einer der größten Geißeln des menschlichen Geschlechtes. Es +ist sehr seltsam, daß die Gewohnheit es nur den Aerzten erlaubt, davon +ernsthaft zu reden, und daß, in der feineren Welt, die üble Laune nicht die +Wirkung einer Ursache sein kann, die doch so sehr dazu gemacht ist, sie +hervor zubringen. + +Sehr zuverlässig ist dieß die Folge jenes seltsamen Durcheinanders, den man +in unsern Sitten und Gewohnheiten wahrnimmt. Sobald Jemanden das Fieber +befällt, sobald er schlecht geschlafen hat, oder einen Abend nicht mit der +gewöhnlichen Leichtigkeit ausspuckt; gleich sind mit dem nächsten Morgen +die Bedienten von allen vier Winden in Bewegung; sein Thürepocher kommt +nimmer zur Ruhe, und sein Portier hat nicht Worte genug, für all die +höflichen Bothen, die aus ganz Paris ihn zu fragen kommen, wie der Herr +diese Nacht sich befunden habe. + +Ward nun aber der nämliche Mensch das Spiel einer jungen Spitzbübinn, -- +und ach! wie viel giebt es ihrer! -- Bleiben ihm nagende Erinnerungen eines +zärtlichen Rendezvous; sieht er sich bei dem Abschiede aus den Armen der +Venus gezwungen, einen Gott um Hilfe zu flehen, der bei den Alten die +Gnaden der Göttinn austheilte, der aber bei uns zu nichts weiter dient, als +sie uns aus dem Gedächtnisse zu bringen; da sieht man ihn ohne alle Unruhe +erbleichen, abzehren, und versiechen. Er muß die Sorgfalt, die er für seine +Gesundheit trägt, verbergen, gerade als ob es eine böse Handlung wäre; und +wenn irgend ein besonderer Freund ihn von Zeit zu Zeit befragt, so +geschieht dieß immer mit einem spöttischen Mitleid, das ihn noch mehr +demüthigt, als selbst sein Zustand. + +Ja, wird man sagen, das ist eine Frucht der Ausgelassenheit. Die Schande +ist ein heilsamer Wermuth, den die Wohlanständigkeit in dieselbe gießt, um +sie den Unvorsichtigen, die versucht werden, sie zu pflücken, zu verleiden. +Dieser scheinbare Widerspruch ist ein Zug der Weisheit. Man hat große +Ursache, Krankheiten, die eine unzertrennliche Folge der Schwachheiten der +Natur sind, zu bemitleiden; aber auch nur Verachtung gegen diejenigen +blicken zu lassen, die einen Mißbrauch ihrer Gutthaten verkünden. + +Ach! lassen Sie uns, mein lieber Freund, diesem Gegenstande nicht ins Innre +dringen. Diese Frucht ist eine Geburt der Ausgelassenheit, ich wills +glauben, aber sie muß dem Hundszahne gleichen, und überall ohne Unterschied +wachsen, wie dieses Kraut, in einem bösen Erdreich sowohl, als in einem +guten. Man ärntet sie an so vielen Orten, die das Wappen der Tugend führen, +daß man wahrhaftig auf nichts schwören darf; und vorzüglich an derlei +Plätzen sind die Schilde betrügerisch. La Fontaine sagte: + + Unterm Jungfern-Unterröckchen kann + Eben so viel Schönheit wohnen, + Als so mancher gute Ehemann + Findet unterm Hemde bei Madonnen. + +Aber gestehn Sie es nur ein, daß es, wenigstens in unsern Tagen, nicht die +Schönheit allein ist, die da allenthalben so gleich ausgetheilt wohnt; und +daß die Ungemächlichkeiten, die sie furchtbar machen, mit nicht weniger +Gleichheit ausgetheilet sind. + +Doch, das befremdet mich nicht, sondern, worüber ich mich wundere, was ich +nicht begreife, ist die Sicherheit, mit welcher wir mitten unter so vielen +Gefahren leben. Offenbar sehn wir die Kakomonade mit den nämlichen Augen +an, wie die angesteckten Dünste zu Paris, die man daüberall einathmet, und +an die man sich, trotz ihrer Anpestung, gewöhnet: allein zwischen ihnen +beiden herrscht ein himmelweiter Unterschied. + +Wenigstens trägt die Polizei doch einige Sorge, um das letztere zu mindern: +Man kehrt die Gassen: man schafft den Mist weg; die Arbeit eines Tages +macht das verschwinden, was die Verzehrung eines Tages von Unreinigkeiten +hinterlassen hat. Aber ists mit dem andern Gegenstande auch so? Leider! +nein. In Rücksicht desselben trägt man entweder gar keine Sorge, oder die, +die man dafür hat, ist so schwach, daß sie, anstatt dem Uibel abzuhelfen, +nicht einmal im Stande ist, seinen weitern Umsichgriffen Einhalt zu thun. + +Unterdessen ist es hohe Zeit, daß die Regierungen aus der Lethargie, worinn +sie über diesen Artikel zu liegen scheinen, erwachen. Mit welcher Ruhe sehn +sie nicht das Uibel sich reißend um sie her verbreiten! Die Bevölkerung, +von dieser Pest bis auf die Wurzeln angegriffen, verwelkt und vertrocknet. +Man kann es merken, wie das menschliche Geschlecht an Anzahl und Stärke +abnimmt, Uiberall findet man unzählige Menschen, mit denen es soweit kam, +daß sie die traurigen Gedenkzeichen von den Graden ihrer Prüfung, die sie +seit ihrer Kindheit gleich den Metallen durchwandelten, welche die Chemie, +so bald sie aus dem Schmelztigel kommen, durch gewaltsame Operazionen +entnaturt, ihr ganzes Leben hindurch behalten. + +So lange die Krankheit nur in den Städten herumgieng, war diese +Nachlässigkeit noch einiger Maaßen zu entschuldigen. Aufgeklärte Politiker +konnten weniger davor erschrecken, so lange sie nur müssigen +Güterbesitzern, oder unarbeitsamen Bürgern drohte. Vieleicht dürfte man +sich noch itzt nicht sehr entrüsten, wenn sie sich inner die Mauern der +Städte beschränkte, wenn sie sich begnügte, daselbst die Ausschweifungen +einer herabgewürdigten Jugend, oder eines schwärmerischen Alters zu +strafen. Sie griffe dann nur Menschen an, die dieses Namens nicht werth +sind, und dieß wäre für das menschliche Geschlecht ein kleiner Verlust. + +Aber zum Unglücke bindet sie sich hieran nicht; und fällt sehr oft in die +Dörfer hinaus. Da greift sie unsern armen Stamm unter dem Strohdach an, das +doch noch etwas seinen Adel, und seine Kraft erhält. Sie findet keine +Schwierigkeit, sich da niederzulassen. Die Unwissenheit, und vor allen die +Armuth erleichtern die Gefälligkeiten, durch die sie sich fortpflanzt, und +verbannen hiemit die Mittel, die sie unterdrücken könnten. + +Die Zeit ist vorbei, wo man das Land als den Freiort der Unschuld, als die +Zufluchtsstätte schuldloser Ergötzungen ansehn konnte. Mit Rechte lobten +unsre alten Dichter seine Schönheiten, und Annehmlichkeiten; sie rühmten +die Sicherheit der Wälder, die es umgeben; das Grün der Matten, die es +schmücken; die Klarheit der Gewässer, die es befeuchten, die Blüthe der +Nymphen, die es verschönern. Die unsrigen sieht man so was nicht mehr thun. + +Nicht, als ob wir nicht auch noch Wälder, Gewässer, Matten, und Nymphen +hätten: aber bei uns ists keine Diana mehr, die in unsern Wäldern jaget; +keine Venus mehr, die sich in unsern Bächen bespiegelt; keine Flora, die in +ihrem Laufe auf dem Grase ausglitscht. Die Stelle dieser Göttinnen hat die +Kakomonade eingenommen. Alles, was vormals diente, die Vergnügungen, zu +umschleiern, und zu vergrößern, dient nun unter ihren Händen zu nichts +mehr, als nur die Gelegenheiten zur Reue zu vermehren; und wenn noch ein +kühner Faun es wagt, die Schäferinnen ins Gehölze zu verfolgen, so fühlt er +sich bald mit einer ganz andern Wunde geschlagen, als wie sie Amors Pfeile +schlugen. + +Welche Macht könnte doch eine so traurige Metamorphose in Gegenden +verursachen, die von dem Verderbnisse so entfernt sind? Wie kann da jenes +der Schein der Tugend verhüllen, was anderswo nur die Folge der +Ausgelassenheit ist? Wie geht es doch zu, daß oft die Simplizität selber +denen gefährlich wird, die sich schmeicheln, sie zu mißbrauchen? Man kann +hiervon drei sehr dunkle, aber sehr wirksame Ursachen angeben, welche die +Hauptbeweggründe der Verwüstung sind, welche die Kakomonade auf dem Lande +hervorbringt. + +Die erste davon ist jene ungeheure Anzahl Kinder, die mit jedem Tage aus +den großen Städten fortziehn, um sich auf viele Meilen in die Runde, +auszubreiten. Sie begehren da von ihnen gemietheten Nährmüttern jenen +Beistand, den ihnen die Eltern, von denen sie das Leben haben, versagen. +Dieß ist oft ein Glück für sie. Sie würden das Leben, das sie erst +empfiengen, bald verlieren, wenn man sie nicht hurtig aus dem angepesteten +Schoosse entfernte, in welchem sie es schöpften: aber dieses Glück wird +sehr traurig für den mitleidigen Schooß derjenigen, die sich würdigen, sie +zu sich aufzunehmen. + +Für die Milch, die sie daraus saugen, strömen sie das Gift darein, vor dem +sie ihre Unschuld nicht retten konnte. Mit diesem Augenblicke wird die +eheliche Zärtlichkeit ein Netz, worinn der Gatte sehr bald sich fängt. Er +wird zum Zeitvertreibe mit einer Seuche behaftet, die er nicht fürchten +konnte, da sie für ihn mitten in den Armen der Weisheit, und der +Fruchtbarkeit entsproß. Wenn sich die Merkmaale davon sehen lassen, so hält +die Schamhaftigkeit öfters ihre Entdeckung zurück, und fast immer steht die +Dürftigkeit der Abhilfe derselben im Wege. Die Nothwendigkeit einer +mühsamen Arbeit vermehret und verschlimmert die Symptomen derselben. Die +Schwachheit, die die Einen mit sich bringen, macht, daß die Früchte der +andern nicht hinreichen werden. Die Bedürfnisse vervielfältigen sich nach +dem Maaße, nach welchem die Kräfte sich verlieren; endlich, wenn die +armselige Familie eine Zeitlang in Elend und Verzweiflung geschmachtet hat, +erwartet sie in irgend einem Siechenhause ihre Vernichtung. + +Nicht ein Zug ist hier übertrieben, sondern es ist dieß ein sehr wahres, +ein sehr lebhaftes Gemälde von dem, was sich alle Tage um uns herum +zuträgt. Man findet keinen Dorfpriester, keinen Landjunker in den +Provinzen, der nicht die Wahrheit davon erkennte. Dieß ist die Gestalt der +ersten Quelle der Entvölkerung der Dörfer, welche die Krankheit, von der +hier die Rede ist, verursacht. + +Doch, es sind es nicht die Kinder in der Wiege allein, durch die sie sich +da einschleicht. Auch jene parfümirten Puppen, jene fünf und +zwanzigjährigen Greise, welche ein grausames Loos bei Zeiten reich, und zu +müssigen Herren gemacht hat, müssen ihr mittelbar zu ihren Absichten +dienen. Sie führen öfters die Langeweile, die sie aufzehrt, die +Eckelhaftigkeit, die ihnen das Herz abdrückt, auf ihren Landgütern mit sich +spazieren. Aus Furcht, sie möchten in diesem neuen Aufenthalte sich selbst +gelassen sein, sind sie sehr besorgt, all den Prunk, und Firlefanz des +Luxus, der sie in den Städten, aus denen sie sich flüchten, tödtet, mit +sich dahin nachzuschleppen. + +Ein zahlreicher Hofstaat, eine prächtige Equipage ist ihr Geleite bis in +die Mitte der ländlichen Einfalt. Es gefällt ihnen, ihre groben, und +verbordirten Bedienten, die sie schlecht bedienen, mitten unter demüthigen, +und mit Kütteln angethanen Landleuten, die sich nur von ferne sie +anzublicken, getrauen, glänzen zu sehn. Es ist ihnen lieb, in den +Vorzimmern ihrer Lustschlösser mehr unnütze Thunichtse zu zählen, als sie +arbeitsame Unterthanen auf dem Felde haben. + +Dieses lächerliche Großthun, dieser unerträgliche Stolz wäre doch noch ein +leidliches Uibel, wenn es nichts weiter schadete, als die Kleingeistigteit +des Ortsherrn zu nähren. Aber was ihn erst wirklich schrecklich macht, ist +dieß, daß er die Zügellosigkeit der Bedienten begünstigt, und die Folgen +davon ins Unendliche vermehret. Die Kakomonade macht sie zu neuen +Prometheussen, die sie mit ihrer Fackel bewaffnet; auf ihren Befehl ziehn +sie aus, die Bildsäulen, womit das Land erfüllet ist, mit einer +verderblichen Flamme zu beleben, die sie nicht von den Strahlen der Sonne +entwendet haben. + +Die drei Viertheile der Menschen, die sich bei uns zur Dienstbarkeit +verschreiben, sind durch ihren Stand Müssiggänger, und aus Noth Hagestolze. +Eine vollkommene Unabhänglichkeit ist das erste Bedingniß, welches der +Luxus fordert, um sie zu den Würden der Livree zuzulassen, und er macht +diese Forderung nur, um sie sich selbst zum Opfer zu bringen. Er will die +Herrschaft über seine Unterthanen mit Niemandem theilen. Er macht Ansprüche +über Sklaven zu gebieten, die außer ihm keinen Herrn haben sollen. Er meint +sich hierdurch Unruhen zu ersparen. Er bildet sich ein, sich dadurch eines +hurtigern Dienstes, einer genaueren Treue zu versichern. + +Ich weis nicht, ob er es damit wohl macht; was ich gewiß weis, ist, daß +dieser Haufen arbeitloser, einsamer Bedienten, überall, wo er sie nur zu +finden glaubt, Gesellschaften aufsucht. Ihr Temperament treibt sie zu +lebhaften Vergnügungen, und ihr Anzug bringt sie in Gesellschaften, wo +ihnen diese leicht gemacht werden. Von dieser Seite der Wonnen des +Ehestandes beraubt, von der andern zur Ausübung seiner Geschäffte +eingeladen, überlassen sie sich einem Umgange, der ihnen seine Vergnügungen +gewährt, ohne seine Beschwerden zu haben. In diesem schändlichen Mißbrauche +der Kräfte der Natur folgen sie den Absichten, und oft dem Beispiele ihrer +Herren. + +Ihr gegenwärtiges Bedürfnis macht sie taub für die Folgen der Zukunft. Man +weis, was man, von der Gattung Weibsleute, auf die sie sich beschränken +müssen, zu erwarten hat, und in kurzer Seit erlangen sie die Erfahrung +davon. Dadurch werden sie kecker, so, wie ein Mensch, dessen Kleid schon +einmal durchnäßt ist, sich desto weniger gegen den Regen sperret. Die Kraft +ihrer Jugend erhält sie eine Zeitlang. Die Schuldigkeit, vor der Herrschaft +zu erscheinen, oder gar die Mittellosigkeit, wehrt es ihnen, auf ihre +Heilung zu denken. Sie müssen ihrem Herrn überall, wo es seine Kaprize +immer hin will, folgen, und man stellt sich auf seinen Wink, es mag um den +Körper stehn, wie es wolle. So ist indessen der Trupp beschaffen, mit +welchem der Reiche sich brüstet, auf seiner Herrschaft zu erscheinen, wenn +er sich würdigt, sie mit seiner Gegenwart zu beehren. + +Ist er nun einmal auf dem Dorfe, so sind seine Bedienten, in der Kleidung +oft besser bestellt, als er, Leute von Wichtigkeit. Ihre Borden werden nun +ein Ehrenzeichen. Sie behaupten unter diesen Leuten ohne Widerspruch den +vornehmsten Rang, und ziehen alle Augen auf sich. Das Prächtige ihres +Anzugs, ihr Bau, der Vorrang, den sie über die Landleute affektiren, +unterwirft ihnen sehr bald die Mädchen auf dem Lande, die auf alles +aufmerksam sind. + +Und dann wehe der Tugend, die sich mit einem Bißchen Reiz, und Anmuth +waffnet; wehe der Unschuld, welche die Jugend schmücket, und welche die +Grazien dieses Alters vielmehr schwächen, als beschützen! Wie bald ist sie +verführt, und vergiftet! Die ihrer genoß, -- nichts bleibt der +Unglücklichen, außer ein unaustilgbarer Jammer, und schändliche Schmerzen. +Ihr Ende ist -- sie bringt, oft ohne es selbst zu wissen, dem Hymen Blumen +zu, die auf ihrem Erdreiche nicht wachsen sollten, und die die Liebe auf +ewig verbannen, und es ist noch ein Glück; wenn sie der Versuchung nicht +nachgiebt, in die Stadt zu ziehn, um mit den Reizen, die sie zu Grunde +gerichtet haben, ein Gewerbe zu treiben, und die Folgen ihrer Schwachheit +mit dem Publikum zu theilen! + +So arbeiten denn ungeheure Armeen, unter der Uniforme der Sklaverei, daran, +in den Schlund der Hauptstädte das Gift, das darinnen gähret, zurück zu +gießen, und in diesem Geschäfte muß man ihnen noch eine andere Klasse von +Sklaven beigesellen, die an sich selbst edler, obgleich in der Sache selbst +sehr wenig in Betrachtung gezogen sind; jene Automaten muß man ihnen +zugesellen, die mit zu dem Machwerk eines so genannten Regimentes gehören, +und derer Ressorts, wenn sie einmal zugenommen haben, ihnen eine ziemliche +Geschicklichkeit geben, eine gewisse Anzahl Bewegungen zu machen, die unter +dem Namen Exercizien bekannt sind. + +Diese, begabt mit der ausschließenden Befugniß, eine Flinte, oder eine +Bajonette zu führen, haben noch in einem höheren Grade jene, überall die +traurigen Geschenke, von denen wir sprechen, anzunehmen, und mitzutheilen +Durch ihre Mitwirkung dringet sich die Kakomonade in die entlegensten +Provinzen ein. Sie eröffnen ihr einen Weg in Gegenden, wohin selbst das +Gold kaum einen Eingang findet. + +Offenbar sind dieses Laster, die sie gegen das menschliche Geschlecht +begehn; doch läßt es sich schwer entscheiden, ob sie dabei mehr strafbar, +als unglücklich sind. Gewiß ists, daß der Ehestand für den Soldaten sich +nicht schicke. Noch gewisser, daß der Zölibat ihm die Ausschweifung +nothwendig macht. Nicht weniger gewiß ists, daß diese Ausschweifung für +ihn, und für alle Länder, die er durchzieht, die schrecklichsten Folgen +habe. Um sich davon zu überzeugen, darf man nur den Zustand der Plätze, wo +Krieg ist, und ihre Gegenden umher betrachten. + +Täglich schleicht sich da, trotz aller Wachen, die ihn beobachten, ein +verkappter Feind hinein. Er herrscht da mit größerer Macht, als die +Statthalter des Königs. Die Wachsamkeit derselben, ihn hindanzuhalten, ist +unnütz. Er ist sogar mit den Offizieren, die man dahin beordern könnte, +verstanden. Uiber dieß, wie wollte man junge Leute hindern, sich einem +Gelüste zu ergeben, das der Müssigang, aus dem sie sich eine Ehre machen, +bei ihnen genährt hat? Wie wollte man Begierden unterdrücken, die ein, +lange Zeit, bezähmtes Temperament, oder die Gewohnheit der Ausschweifung +wüthig gemacht hat? Weder die Bestrafung so einer Unglücklichen, die sie +anpestet, noch die langwierigen Peinen, womit sie die Schwachheit eines +Augenblicks abbüssen müssen, werden sie je vor dem Rückfalle bewahren. Ein +Soldat glaubt, er sei da, um des Gegenwärtigen zu genießen: seine +Bestimmung ist, den Gefahren Trotz zu bieten, und er rechnet sichs zum +Verdienste an, ihnen in jeder Gestalt zu trotzen. + +Was noch trauriger ist: da sich der Soldat so selbst verderbt, verderbt er +auch andere mit. Er erhält, wie Midas, die Eigenschaft, allem, was er +berührt, die Kraft, die er empfangen hat, mitzutheilen. Und so wird eine +Armee selbst in Feindes Lande dadurch viel verderblicher, als die +schrecklichste Verwüstung des Krieges. Nicht das, was sie daraus fortträgt, +sondern das, was sie darinnen läßt, schlägt ihm eine unheilbare Wunde. + +Wahr ists; sie empfängt dafür bald ihre Strafe. Das Weibervolk dieses +Landes bewaffnen sich ihrerseits gleichfalls mit der Plage, die sie +verletzet hat, wie Montesquieus Präsident vom Despotismus sagt, daß er sich +mit seinen eigenen Ketten bewaffnet, und dadurch desto schreckbarer wird. +Damit, schlagen, sie bei ihrem Durchmarsche die Soldaten, die sich davor +verwahrt, oder davon entlediget haben. Dieser mörderische Kriegslauf +unterhält unter den Truppen eine weit furchtbarere Pest, als die best +eingerichtete Artillerie. + +Auch dieses wissen alle, die die letzten Feldzüge mitgemacht haben. Die +deutschen Bauerndirnen waren, wie die römischen Frauen, die sicherste +Vormauer ihres Vaterlandes geworden. Die Gefälligkeit der kirre gewordenen +Hessinnen war mehr zu fürchten, als das Schwert ihrer vaterländischen +Helden. Eine einzige Westphälerinn brachte mehr Unordnungen aus, und füllte +die Spitäler mehr an, als die Armee von einem ganzen Detachement +Hanovrianer. + + +Lieber Freund, sehen Sie hier wirkliche, offenbare Thatsachen, an denen +sich nicht zweifeln läßt. Sie geschehn vor unsern Augen, und leider! sind +der Zeugen nur zu viele, die die Wirklichkeit davon bestättigen können. +Unter allen den Reformazionsgegenständen, womit man sich in diesem +philosophischen Jahrhunderte beschäftigt, ist vielleicht dieser der +einzige, woran man nicht denkt, da er doch wahrlich der allerwesentlichste +ist. Die übrigen interessiren nur die moralische Glückseligkeit der +Menschen, indeß dieser sich mit ihrer phisischen Existenz befaßt. Die +Mißbräuche bei den Finanzen und in der politischen Verfassung werden ganz +gewiß übertrieben. Die Uibel, die daraus entstehn, lassen sich vielleicht +bezweifeln, oder es könnten wenigstens die Verbesserungen derselben sehr +leicht noch trauriger ausfallen. Allein hier stehts mit der Sache ganz +anders. Das Uibel ist gewiß, die Nothwendigkeit, ihm zu steuern, ist +dringend, und die Anwendung des Heilmittels dagegen wäre ohne Widerrede der +nützlichste Dienst, den man der Menschheit erzeigen könnte. + + + + + + + +End of Project Gutenberg's Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KAKOMONADE *** + +***** This file should be named 39043-8.txt or 39043-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/3/9/0/4/39043/ + +Produced by Jens Sadowski + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. + + +Section 3. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + http://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/39043-8.zip b/39043-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5bac6d5 --- /dev/null +++ b/39043-8.zip diff --git a/39043-h.zip b/39043-h.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b6e8e4d --- /dev/null +++ b/39043-h.zip diff --git a/39043-h/39043-h.htm b/39043-h/39043-h.htm new file mode 100644 index 0000000..7255696 --- /dev/null +++ b/39043-h/39043-h.htm @@ -0,0 +1,5172 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" +"http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml"> +<head> +<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> +<title>Die Kakomonade</title> +<!-- AUTHOR="Simon Nicolas Henri Linguet" --> +<!-- LANGUAGE="de" --> + +<style type='text/css'> +body { margin-left: 15%; margin-right: 15%; } +h1 { text-align: center; margin-top: 5%; margin-bottom: 1%; page-break-before: always; } +h2 { text-align: center; margin-top:0.5em; margin-bottom:0.5em; page-break-before:always; } +h3 { text-align: center; margin-top: 0.5em; margin-bottom: 0.5em; } +p { + margin-left: 0; margin-right: 0; + margin-top: 0; margin-bottom: 0; + text-align: justify; + text-indent: 1em; + } +p.noindent { text-indent: 0; } + +div.poem { + margin-left: 2em; + text-align: left; + text-indent: 0; + margin-top: 0.5em; margin-bottom: 0.5em; +} +p.line { text-align:left; text-indent:-2em; margin-left:2em; } +p.line2 { text-align:left; text-indent:-2em; margin-left:4em; } + +p.address {text-indent: 0; text-align: center; margin-top: 1%; margin-bottom: 1%; } +p.footnote {text-indent: 0; margin-top: 1%; margin-bottom: 1%;} +p.block {text-indent: 0; margin-left: 3em; } +p.block2 {text-indent: 0; margin-left: 6em; } +p.center { text-indent: 0; text-align: center; margin-top: 2%; margin-bottom: 0; } +p.caption { text-indent: 0; text-align: center; margin-top: 0; margin-bottom: 4%; font-size:small; page-break-before: avoid;} +p.contents { text-indent: 0; text-align: center; margin-top: 0%; margin-bottom: 0; } +p.contents2 { text-indent: 0; text-align: center; margin-left: 2em; margin-top: 0; margin-bottom: 0; } + +p.first { text-indent: 0 } +span.firstchar { +float:left;font-size:3em;line-height:0.8;padding-top:1px;padding-bottom:1px;padding-right:2px; +} +span.sperr { letter-spacing:.1em; } +span.large { font-size:large; } +span.small { font-size:small; } +span.smaller { font-size:smaller; } +span.hidden { display: none; } +span.font80 { font-size: 80%; } + +.leftpic { + float: left; + clear: left; + padding-right: 0.3em; +} +.rightpic { + float: right; + clear: right; +} +.centerpic { + text-align: center; + text-indent: 0; + display: block; + margin-left: auto; + margin-right: auto; +} + +a:link { text-decoration: none; color: rgb(10%,30%,60%); } +a:visited { text-decoration: none; color: rgb(10%,30%,60%); } +a:hover { text-decoration: underline; } +a:active { text-decoration: underline; } + +ul { margin-left: 0; padding-left: 0; } +.trnote { + font-family: sans-serif; + font-size: small; + background-color: #ccc; + color: #000; + border: black 1px dotted; + margin: 2em; + padding: 1em; + page-break-before: always; +} +li { text-align: left; margin: 0; text-indent: -3em; margin-left: 3em; } +.trnote ul li { list-style-type: none; } + +</style> +</head> + +<body> + + +<pre> + +The Project Gutenberg EBook of Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Die Kakomonade + Ein Nachlaß vom Doktor Panglos, als ein Supplement des Kandide + +Author: Simon Nicolas Henri Linguet + +Release Date: March 6, 2012 [EBook #39043] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KAKOMONADE *** + + + + +Produced by Jens Sadowski + + + + + +</pre> + +<div class="centerpic" style="margin-bottom: 1%;"> +<img src="images/title.jpg" alt="Titel"/> +</div> +<p> </p> +<p> </p> +<p> </p> + +<div class="trnote" style="page-break-before:always;"> +<p class="center"> +<a href="#Anmerkungen">Anmerkungen zur Transkription</a> finden sich am Ende des Buches. +</p> +</div> + +<p> </p> +<p> </p> +<p> </p> + +<h1 style="page-break-before:always;"> +Die<br /> +Kakomonade<br /> +<br /> +<span style="font-size: smaller"> +ein Nachlaß<br /> +vom Doktor Panglos, +</span> +</h1> + +<p class="center" style="font-size: 110%"> +als ein Supplement<br /> +<br /> +des Kandide,<br /> +<br /> +von<br /> +<br /> +Linguet. +</p> + +<p class="center"> +<span style="border-top: 2px black solid"> +Nach der zweiten vermehrten Ausgabe übersetzt.</span> +</p> + +<p> </p> + +<p class="center"> +<span style="border-top: 2px black solid"> +Berlin, 1786.</span> +</p> +<p> </p> +<!-- page 000<i>i003 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1"> +Buchhändlernachricht.</h2> + +<p class="first"><span class="firstchar">E</span>s leben zwo berüchtigte Schwestern +in der Welt, welche mit voller +Gewalt auf derselben regieren. Man +ist gesinnet, von der Einen derselben +die Geschichte ihres Lebenslaufes hier +vorzulegen. Dem Leser wirds gar +nicht schwer fallen, zu errathen, wer +die sei, von der man spricht, sobald +er weis — was wir ihm eben sagen +— daß man jene, von der die Rede +nicht ist, nach unserer französischen +<!-- page 000</i>i004 --> +Mundart gemeinhin die petite vérole +nenne<a href="#footnote-1" id="fnote-1"><sup>1</sup>)</a>. +</p> + +<p>Diese nun hat sich vor undenklicher +Zeit in Europen ausgebreitet; +der andern aber gelang es nur erst +um viele Jahrhunderte später, in +diesem Welttheile festen Fuß zu fassen; +indessen mag man sie für Zwillingsschwestern +<!-- page 000<i>i005 --> +ansehen, und ihr Alter +beinah so weit hinaussetzen, als +das Alter der Welt. Es ist wahrscheinlich, +daß sie bei ihrer Geburt +zu einer Zeit mit Noe sich in das +Universum theilten. Die Eine nahm +die linke, die Andere die rechte Seite +desselben in ihren Besitz. Sie zogen +mit den Söhnen dieses Patriarchen +herum, und schlugen in Wüsten, denen +es an nichts, als an Bewohnern +fehlte, ihren Wohnsitz auf. +</p> + + +<p>Die Kleine nahm das größte +Stück für sich: Das ganze feste Land +des Alterthums ward ihr Reich; +Afrika, Asien, und Europa fielen +unter ihre Bothmässigkeit. Ihre +vornehmste Beschäfftigung war, die +<!-- page 000</i>i006 --> +Menschengestalten, die sich da befanden, +zu verderben; aber vorzüglich +übte sie sich in ewigen Kriegen gegen +die Schönheit. +</p> + +<p>Die Andere trieb Anfangs ihren +Ehrgeiz nicht so weit: sie begnügte +sich, den Zepter über Amerika zu führen: +Da pflegte sie des Umgangs mit +den Schlangen, und allem kriechenden +Ungeziefer, welche diesen schönen +Theil der Welt verheeren: allein der +Theil, auf welchen sie ihre Gewalt +ausbrechen ließ, war nicht das Gesicht; +sondern sie griff unmittelbar +das an, was die Schönheit nützlich, +oder schätzbar macht. +</p> +<!-- page 000<i>i007 --> + +<p>So lebten sie über fünf tausend +Jahre, einsam, jede in ihrem Aufenthalte. +Nur erst im fünfzehnten +Jahrhunderte kam sie die Lust an, +sich zu besuchen, da sie zu ihrer Reise +die spanischen Flotten sehr gemächlich +fanden. Sie mußten keine Ursache +gefunden haben, es sich gereuen +zu lassen: von dieser Zeit an scheinen +sie den Entschluß gefaßt zu haben, +sich nimmer wieder zu verlassen. Sie +verglichen sich, ihre Schätze gemeinschaftlich +anzulegen. Ohne Unterschied, +und ohne Eifersucht herrschen +sie nun beide zusammen über die vier +Theile dieser unteren Welt, wo, wie +es ein Haufen erlauchter Philosophen +beweist, alles gut ist. Der +Vergleich dieser beiden Schwestern +<!-- page 000</i>i008 --> +hat die Masse des allgemeinen Guten +um ein Ansehnliches vermehrt; ob +man gleich gestehen muß, daß einige +einzelne Uibel daraus erwuchsen. +</p> + +<p>Diese zu mildern, ja zum Theile +gar zu unterdrücken, scheint die +Absicht gewesen zu sein, welche sich +der Verfasser dieses Werkes durch +dasselbe zu erreichen bestrebet hat. +Wir glaubten wahrzunehmen, daß +er hierzu eben so sichre, als leichte +Mittel an die Hand gab; und man +wird sich von der Sache sogleich gute +Begriffe machen, sobald man wissen +wird, der Verfasser sei der Herr +Doktor Panglos, Feldprediger des +Freiherrn von Donnerstrunkshausen, +und Hofmeister des Kandide. +</p> +<!-- page 000<i>i009 --> + +<p>Seine Abentheuer sind Jedermann +bekannt, aber Niemand weis +Etwas von seinen Schriften. Man +weis, daß er eben sowohl, als sein +Zögling, auf den Befehl der heiligen +Hermandad den Staupbesen bekam, +und, was noch mehr ist, gehangen +wurde. Seine Unglücksfälle sind, +Dank sei es der Feder des berühmten +Herrn Ralph, seines Mitbruders in +der Metaphysik, zum Besitze der Unsterblichkeit +gelangt; hingegen zweifelte +man nicht, daß es ihm nicht am +Kützel, oder an der Zeit gefehlet habe<a href="#footnote-2" id="fnote-2"><sup>2</sup>)</a>, +ein Autor zu werden; dennoch +<!-- page 000</i>i010 --> +ist dieß eine unläugbare Wahrheit; +und hier theilen wir eine seiner Arbeiten +mit, die uns würdig genug schien, +die Aufmerksamkeit des Publikums +auf sich zu heften. +</p> + + +<p>Es hält schwer, ihren Zeitpunkt +genau zu bestimmen; unterdessen ist +es doch ziemlich wahrscheinlich, daß +sie der Doktor damal verfaßte, als +er sich bei dem Wiedertäufer Jakob +aufhielt<a href="#footnote-3" id="fnote-3"><sup>3</sup>)</a>. ohne Zweifel wars diese +heilsame Einsamkeit, wo Herr +Panglos sichs zum Geschäfte, machte, +<!-- page 000<i>i011 --> +über die Ursache nachzudenken, +von der er da die Wirkungen empfand. +Voll von seinem Gegenstande, +machte er sich das Vergnügen, +die treffenden Bemerkungen, die ihm +sein Zustand darboth, zu Papier zu +setzen. Er kam dabei, wie man weis, +um ein Aug, und um ein Ohr. Doch +rettete er sein Manuskript, und dieses +kostbare Stück Werk kam in der Folge +unter allen dem Stürmen, die das +Leben dieses großen Philosophen verfolgten, +mit heiler Haut davon. +</p> + + +<p>Diese Stürme waren mit der +Epoche, womit Herr Ralph seine +Geschichte beschließt, nicht, wie man +etwa denken konnte, vorüber. Die +mühsame Vereinigung, welche die +<!-- page 000</i>i012 --> +Noth unter allen Gefährten Kandidens +veranlaßt hatte, war von kurzer +Dauer. Die kluge Alte war das +Band der Gesellschaft: sie starb, und +das Gebäude, zu dem sie so viel beigetragen hatte, +zerfiel mit ihrem Tode. +</p> + +<p>Kunegunde, ihres guten Rathes +beraubt, begieng eine Thorheit auf +die andre. Die letzte davon war, daß +sie bei Barzellona mit einem Korsaren +auf dem mittelländischen Meere +kreuzen schiffte. Bald darauf machte +sich auch Kandide, bloß von Martinen +begleitet, unsichtbar, ohne Zweifel +nicht so viel, um seiner theuern +Hälfte wieder habhaft, als um des +Verdrusses, daß er sie geheurathet +hatte, los zu werden. +</p> +<!-- page 000<i>i013 --> + +<p>Der Bruder Giroflee gieng einige +Zeit vorher unter die Janitscharen. +Panglos reiste mit Paquetten +ab, um, falls er ihn treffen konnte, +seinem Zöglinge Trost einzusprechen. +Die kleine Mayerei blieb das Eigenthum +des einzigen Kakambo, der +zufolge des Kaim Akan von Konstantinopel, +nachher Oberrichter geworden +ist, aber trotz dieser Würde, sich +so gut, als seine Herrschaften, neuen +Unglücksfällen ausgesetzt fand. +</p> + +<p>Der Doktor, und seine Gefährtinn +bestanden ein klein griechisch Kaufmannsschiff, +um darauf nach Smirna +zu fahren, wo sie sich Rechnung +machten, einige Schiffe zu finden, um +nach Europa zu kommen, in der Hoffnung, +<!-- page 000</i>i014 --> +daß Kandide diese Strasse +eingeschlagen hätte. Unglücklicherweise +hatte an der Küste von Mar di +Marmora Paquette wieder Lebhaftigkeit, +und Farbe gewonnen. Der +Patron würdigte sie seiner Aufmerksamkeit. +Dieser eifrige Muselmann +fand sie weiß, wie eine Lilie, und +frisch wie eine Rose, und sah sie für +eine Zirkassierinn an, die aus irgend +einem Serrail entwischet wäre. Er +trug Bedenken, so viele Reize den +Unbeschnittenen zuzuführen. Statt +also, sie zu Smirna ans Land zu +setzen, führte er sie in Aegypten, wo +er sie um tausend Zekine an den Bascha +von Kairo verkaufte. +</p> +<!-- page 000<i>i015 --> + +<p>Mittels einer sehr sinnreichen, +und der Schule eines Leibnitz ganz +würdigen Verkleidung fand Panglos +den Weg, sie zu entführen. Sie +durchstrichen hierauf ganz Asien. Die +Kette ihrer Begebenheiten zog sie bis +nach China, wo sie Kunegundens +Bruder, Herrn Baron von Donnerstrunkshausen +wieder fanden. Der +war noch immer der alte Starrkopf, +der alte Jesuite. Er gab sich hier, +wie man im Verfolge dieses Werkes +sehn wird, mit dem Gewerbe nützlicher +Künste ab. Endlich trafen sie +nach einer Menge neuer Märsche, und +mehr, oder minder trauriger Trennungen +zu Paris wieder zusammen. +Paquette gab sich hier einen indianischen +Namen. Durch diesen Kniff, +<!-- page 000</i>i016 --> +und durch die Neugierde, die sie gegen +sich erregte, machte sie in kurzer +Zeit ihr Glück, trotz dem, daß +ihre Reisen sie etwas gebräunet +hatten. +</p> + +<p>In ihrem Glücke verlor sie Panglosen +nicht aus dem Gedächtnisse. +Sie gab ihm bis zu seinem Tode, der +sich den 11ten Dezember des vorigen +Jahres ereignete, seinen Unterhalt. +Er hatte ziemlich schnell das Französische +begriffen, und das Werk, das +wir hier herausgeben, selbst in diese +Sprache übersetzt. Er hat es, wie +man sehen wird, seiner Wohlthäterinn +zugeeignet, und diese hat uns +das Mannuskript davon mitgetheilt. +</p> +<!-- page 000<i>i017 --> + +<p>Man fand unter seinen Papieren +viele andere Bemerkungen, in sehr +guter Ordnung. Sie enthalten alle +seine Reisen von der ersten von Konstantinopel<a id="corr-1"></a> +aus angefangen. +</p> + +<p>Fräulein Paquette übernahm +selbst die Sorge, sie durch sichre Hände +an Herrn Ralph gelangen zu lassen; +und wir wissen ganz zuverläßlich, +daß dieser Gelehrte des Vorhabens +ist daraus einen Zweiten Theil +zur besten Welt zu verfassen, dessen +Ausgabe nicht lange ausbleiben wird. +Hierbei bedienen wir uns mit Vergnügen +der Gelegenheit, das Publikum +aus einem Irrthume zu ziehn. Man +hat bei einigen nachgedruckten Ausgaben +der besten Welt auf den Titel +<!-- page 000</i>i018 --> +gesetzt, daß Herr Ralph gestorben +wäre. Ja man führte sogar den Ort +und das Jahr dieses Vorfalls an, +der, wie man sagt, sich zu Minden +im Jahre Christi 1759. ergeben +hat. +</p> + +<p>Ohne Zweifel kömmt dieses Gerücht +von des Herrn Doktors Feinden +her. Sie gaben vor, er hätte +sein Leben auf einem Schlachtfelde geendigt, +gewiß nur, um verstehen zu +geben, daß er vor Furcht gestorben. +Diese Nachricht ist falsch. Der unsterbliche +Herr Ralph befindet sich, +zum Verdrusse seiner Neider, noch +bei den besten Kräften. Die Herausgabe +des zweiten Theils seines Werkes +wird davon eine Probe seyn. Um +<!-- page 000<i>i019 --> +ihn erscheinen zu lassen, erwartet er +nur noch die Landkarten, womit er +ihn versehen will; eine Vorsicht, deren +Außerachtlassung beim ersten Theile +er sehr bedauert. +</p> + +<p>Vom Verdienste des Doktor Panglos, +als Schriftstellers, wird das +Publikum das Urtheil sprechen. Wir +zweifeln nicht, daß man dieses Werk +seines Ruhmes würdig finden werde. +Was uns Anfangs befremdete, war +nur der Gegenstand desselben. Herr +Ralph nannte das Kind, das sein +Held aus seinen Versuchen in der Experimentalphisik +erhielt, ohne Umschnitte +beim rechten Namen. Allein +selbst dieser soll, nachdem er es im +Französischen zu einer vollständigen, +<!-- page 000</i>i020 --> +Kenntniß gebracht, und die Doppelsinnigkeiten, +und die falsche Delikatesse +dieser Sprache näher eingesehen +hatte, es, wie man uns versicherte, +nie gewagt haben, sich die Freiheit +seines Geschichtschreibers zu erlauben. +Er suchte Wendungen, und +gab seinem Buche den ehrbaren Namen, +den wir ihm hier beibehalten +haben. +</p> + +<p>Man kann sich einbilden, daß +diese Herabstimmung, ihm vieles kostete. +Wir haben in seinen Schriften +davon Proben gefunden. Er hatte +sogar gegen diese sogenannte Delikatesse +eine Abhandlung angefangen, +wobei wir sehr bedauern, daß er sie +nicht zu Ende bringen konnte. Der +<!-- page 000<i>i021 --> +Herr Doktor machte sich darinnen mit +einem seiner würdigen Nachdrucke gegen +diese lächerliche Wohlanständigkeit +auf, welche die Artigkeit mehr in +den Worten, als in den Dingen sucht, +und sich über Ausdrücke, aber nicht +über die Begriffe entrüstet. Er legte +lebhaft seine Befremdung an den +Tag, daß rechtschaffne Leute in Europa +sich nicht getrauen, eine Ursache, +von der sie alle Tage die Wirkung zu +befahren haben, bei ihrem Namen zu +nennen. Er sprach über diesen Gegenstand +als ein erfahrungsvoller +Philosoph, und als ein vollkommener +Leibnizianer. +</p> + +<p>Unterdessen wollen wir zur Rechtfertigung +der Franzosen, bemerken, +<!-- page 000</i>i022 --> +daß sie nicht die Einzigen sind, die sich +auf diese unvernünftige Gewissenhaftigkeit +etwas zu Gute thun können. +Die Italiäner haben beinahe die nämliche +Schwachheit: sie nennen die größere +Schwester der kleineren Pocke +mal Francese, obgleich sie unstreitig +weder an der Seine, noch an der +Rhone bürtig ist. Wahr ists, sie besucht +diese Flüsse öfters, und unterhält +sich vorzüglich mit den Nymphen, +die diese Gestade verschönern; aber +doch ist sie da nicht geboren, und die +wälsche Paraphrase ist weder richtig +an sich selbst, noch artig im Bezuge +auf die benachbarten Völker. +</p> + +<p>Die Spanier sollten mit dem Namen +und der Sache besser bekannt +seyn; indessen weichen sie dem Begriffe +<!-- page 000<i>i023 --> +davon so viel möglich aus. Sie +bezeichnen sie mit dem feinen Ausdrucke +purgacion. Wenn man daher +jenseits der Pyrenäen spricht: el +señor marqués, el señor conde, el +señor duque tiene las purgaciones, +so will dieß nicht sagen, daß +diese Herrn Arzneien eingenommen, +sondern daß sie ihrer sehr nöthig haben. +Diese kleine Untreuheit ist doch +verzeihlicher, als jene, deren man sich +im Lande des Vesuvs bedient. +</p> + +<p>Uibrigens ist diese abgeschmackte +Kleingeistigkeit nicht bei allen Völkern +die Folge eines vagen Vorurtheils, +wovon man nie versuchet hätte, einen +Grund anzugeben. Große Schriftsteller +haben sich bemühet, sie zu heben, +<!-- page 000</i>i024 --> +und sogar zu rechtfertigen. Unter +andern kann man hierüber den berühmten +Herrn Abbé Desfontaines +in seinem ein und sechzigsten Briefe +seiner Beobachtungen über die +Schriften unsrer Zeit anführen. +</p> + +<p>Der Herr Abbé untersucht sehr +sorgfältig, und mit all dem kritischen +Geiste, den er besaß, worinn die sogenannte +Keuschheit unsrer heut zu +tägigen Sprachen ihren Grund habe. +„Das Christenthum, und die +Moral der Europäer,“ sagt er, +„machen sie so gewissenhaft in ihren +Worten, da im Gegentheile das +Griechische und Latein, welches +von heidnischen Völkern gesprochen +wurde, weit freier ist.“ +</p> +<!-- page 000<i>i025 --> + +<p>Wir bitten den Herrn Abbé um +Vergebung; allein wir sind nicht seiner +Meinung; und was noch mehr +ist, wir haben so gar sehr gute Gründe, +es nicht zu seyn. +</p> + +<p>Der erste ist das Ansehn des +Herrn Panglos, der sich ganz öffentlich +für die entgegengesetzte Meinung +erklärt, wie man in der Sammlung +seiner Werke sehn wird, wenn +man anders jemal das Fragment, +von dem wir sprachen, darinnen mit +heraus giebt. Der zweite Grund ist +der, daß die Moral der Heiden nicht +lockerer war, als die unsrige. Die +wahren Begriffe von Schande, und +Ehre findet man eben sowohl in ihren +guten Schriften, als in unsern Kasuisten +<!-- page 000</i>i026 --> +entwickelt. Uiberdieß haben +die Moral und Religion nur auf +unsre Handlungen Einfluß. Es ist +ausgemacht, daß die Sprache nicht +ihr Gegenstand ist, oder daß sie wenigstens +sehr wenig darauf achten. +Gott selbst hat, wie bekannt, sich +gewürdigt, die hebräische Sprache +anzunehmen; und dennoch ist diese +unter allen Sprachen die unfläthigste, +will sagen, die einfacheste in ihren +Begriffen, und die nachdrücklichste +in ihren Ausdrücken. +</p> + +<p>Der Journalist denkt nicht, daß +die Väter der beiden Kirchen Eingebungen +vom heiligen Geiste hatten, +und wenigstens eben so gut, als wir, +in der christlichen Moral unterrichtet +<!-- page 000<i>i027 --> +wurden. Indessen erlaubten sie sich +doch, Zergliederungen zu machen, +denen das Geschraubte unserer Sprache +bei einer Uibersetzung den Schein +einer Unlauterkeit giebt, da sie doch +an sich selbst nichts mehr, als natürlich, +sind. Die Tugend zeigt sich in +ihren Schriften manchmal mit einer +Rüstung, wovor in den unsrigen das +Laster erröthen würde. Sollten sich +die Bürger in Paris, die sich in +Kupfer stechen lassen, darum getrauen, +zu glauben, über diese großen Männer +erhaben zu sein? +</p> + +<p>Sehen wir uns ja vor, die +scheinbare Grobheit der Alten, und +selbst der Heiden, zu verachten. Wir +haben einen heiligern Gottesdienst; +<!-- page 000</i>i028 --> +aber unsre Sitten sind darum nicht +reiner. Lassen wir uns ja nicht den +dummen Stolz einkommen, zu glauben, +daß es die Erhabenheit unserer +Glaubenslehren sei, die der Freiheit +unserer Gespräche einen Zaum anlegt. +Man müßte erstaunen, wenn die Moral +Stärke genug hätte, die Sprache +zu reinigen, und dennoch nichts über +die Sitten vermöchte; daß es der Religion +gelungen habe, den wahren +Namen der Heldinn des Herrn Panglos +zu verbannen, daß sie aber +ihrem Laufe kein Hinderniß setzen +konnte. +</p> + +<p>Weit gefehlt, daß die Sittsamkeit +der kauderwälschen Europäer die +Frucht einer ächten Sittsamkeit wäre, +<!-- page 000<i>i029 --> +so ist sie vielmehr der Beweis einer +tiefen Verderbtheit. Man schont +der Ohren, weil man sonst nichts +mehr zu schonen übrig hat. Die heiligen +Väter, welche die Gottheit, +deren Geschichte wir bekannt machen, +nicht zu fürchten gehabt hätten, würden +sich erlaubet haben, von ihr ohne +Umschweife, und ohne Bedenklichkeiten +zu sprechen. Unsre Leute von +Welt, die fast unaufhörlich unter ihrem +Zepter stehn, zittern, wenn sie +nur ihren Namen hören; So, wie +die Einwohner von Siam es nicht +wagen, den Namen des Despoten +über die Zunge zu lassen, der sie mit +der unbeschränktesten Gewalt beherrschet. +</p> +<!-- page 000</i>i030 --> + +<p>Doch muß man, wenn man für +sie schreibt, auf diese alberne Delikatesse +Rücksicht nehmen. Man muß +einen Gegenstand, vor dessen nackten +Anblicke sie sich scheuen, mit einem +durchsichtigen Schleier überdecken. +Man muß sich zufrieden geben, die +furchtbare Macht, deren Thaten +man lesen wird, unter einem allegorischen +Namen aufzuführen. Diese +Nothwendigkeit wars, die den Herrn +Doktor veranlaßte, den geheimnißreichen +Ausdruck: Kakomonade +zu ersinnen. +</p> + +<p>Man erkennt daran den Eifer +des Lehrmeisters Kandidens für die +Lehre des größten Metaphysikers von +Deutschland. Das blosse Wort Monade, +<!-- page 000<i>i031 --> +erinnert uns auf den Ruhm +seines Erfinders zurück, und, wenn +der selige Liebhaber von Fräulein +Paquette auf den Gedanken fiel, es +mit dem Beiworte Kako, das, wie +man sieht, von dem Griechischen +κακος herkömmt, und soviel, als böse, +unbequem heißt, zu verbinden; so +ist dieß ein Merkmaal von dem Scharfsinne +seines Geistes, und von der +Richtigkeit seiner Urtheilskraft. In +der That ist auch von allen Leibnitzischen +Monaden keine lästiger, als +diese, und das Beiwort ist also mit +ganz vorzüglicher Richtigkeit ausgewählt. +</p> + +<p>NB. NB. Bei dieser zweiten +Ausgabe hat man dem Werke einen +<!-- page 000</i>i032 --> +Brief beigerückt, der sich auch unter +den Schriften des Herrn Doktors +vorgefunden hat, und über den nämlichen +Gegenstand lautet. Er ist ebenfalls +von eben den Absichten der +Menschlichkeit, und Wohlthätigkeit +ganz voll, und wir glaubten daher, +ihn dem Publikum nicht vorenthalten +zu dürfen. +</p> +<!-- page 001 --> + +<h1 class="chapter">Die Kakomonade.</h1> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2" style="page-break-before:avoid"> +Schreiben an Fräulein Therese Julie Klementine Paquette.</h2> + +<p class="first"><span class="firstchar">S</span>ie zwingen mich also, Fräulein, +und ich soll Sie durchaus verunsterblichen? +Sie wollen, meine Erkenntlichkeit +soll Ihren Namen auf die Nachwelt +übertragen? In einem dicken philosophischen +<!-- page 002 --> +Buche, gedruckt in unsern Tagen, haben +Sie gelesen, daß die Phrynen, und die +Aspasien ganz leicht die Sokraten, und +Platone aufwogen; und mit Rechte hat Ihnen +dieser artige Ausspruch Muth eingeflößt. +</p> + +<p>Wahrscheinlich war Aspasia nicht so +schön, als Sie, und Phryne hatte nicht +die Geschicklichkeit, die Grazie. Sie kehren +die Köpfe zu Paris, wie jene zu Athen oder +Theben, um; und also haben Sie Recht, sich +für eine Erbinn dieser berühmten Schönen zu +halten. Und sie verlangen den Besitz ihres +Ruhmes, wie ihrer Talente; ihres Rufes, +wie ihrer glücklichen Unternehmung für sich. +</p> + +<p>Die Eine derselben gab, wie man weis, +den Philosophen ihres Zeitalters Unterricht +in der Beredtsamkeit. Sie lehrte sie die +Kunst, mit Sanftheit den Geist der Menschen +zu regieren. Der berühmte Lehrmeister +<!-- page 003 --> +des Alcibiades studirte unter ihr, und +er schämte sich nicht zu gestehn, wie viel +Dank er ihr wisse. Sie wars, von welcher +Sokrates die erhabenen Lehren empfieng, +die er in der Folge mit so vieler Sorgfalt +seinem jungen Schüler einprägte. +</p> + +<p>Die Andere verlangte von ihren Liebhabern, +daß sie, wenn sie zu ihr kämen, ihr +einen harten Stein behändigten. Der war +das Zeichen, auf welches ihre Thüre sich öffnete. +Auch verwahrte sie, sagt man, sehr +sorgfältig die Modelle davon. Aus dieser +wunderbaren Sammlung ließ sie, zum Zeitvertreibe +in ihrem Alter, eine sehr hohe Pyramide +bauen, und die Reisenden haben dieses +Denkmaal mit Rechte unter die sieben +Weltwunder gezählet. +</p> + +<p>Sie, mein Fräulein, Sie gebrauchen +sich keiner Worte, um die Kunst zu lehren, +die Herzen zu besiegen. Wenn Sie diesen +<!-- page 004 --> +großen Unterricht ertheilen, so ertheilen +Sie ihn Ihren Gespielinnen, so ertheilen +Sie ihn durch Ihr Beispiel. Sie fordern +von denen, die es nach Ihrer Huld verlangt, +eben keinen Stein ab; nicht als ob Sie vielleicht +weniger, als eine andere, auf Pyramiden +achteten, oder als ob Sie weniger +Geschick besässen, eine zu errichten; nein, +sondern das Klima in Frankreich ist von jenem +in Griechenland verschieden. +</p> + +<p>Attika, und Beotien waren dürre und +unfruchtbare Länder, die Steine wuchsen da +im Uiberflusse. Ein artig Frauenzimmer +durfte nur die Hand ausstrecken, um welche +zu finden. Der Marmor dehnte sich, um +so zu sagen, demselben von selbst entgegen. +</p> + +<p>Sie leben in einem glücklicheren Erdstriche, +und dennoch haben Sie eben diese Vortheile +nicht. In Paris, und in dessen Umkreise +nehmen die Steine mit jedem Tage +<!-- page 005 --> +ab. Die Menge, welche man in den Palästen +dieser Hauptstadt täglich verbraucht, +macht die ganze Art dieser Naturprodukte +zu nichte. Brächte man ihrer nicht von Zeit +zu Zeit aus dem Schatze der Provinzen einige +dahin, so ist zu vermuthen, daß sich diese +Stadt derselben bald ganz beraubt sehen +würde. +</p> + +<p>Sie, mein Fräulein, halten sich weislich +an die allgemeinen, und unausweichlichen +Gesetze der Natur. Wie viele Andre +sind eigensinnig genug, hartnäckig gegen ihre +Schwäche zu kämpfen! Sie haben keine andere +Sorge, als wie Sie sich für dieselbe +entschädigen können. Gerne lassen Sie den +Männern den Stein nach, wenn Sie Ihnen +diesen nur mit recht viel Gold ersetzen. +</p> + +<p>Auch wissen Sie sich hierbey so zu nehmen, +daß Sie nie was verlieren. Man weis, +welche Kunst Sie gebrauchen, die Opfer, +<!-- page 006 --> +die man Ihnen macht, miteinander zu vereinbaren. +Niemanden ists unbekannt, mit +welcher Einsicht Sie die verschiedenen Gattungen +derselben zusammen auswählen. Sie +ahmen jenen geschickten Wirthen nach, die +aus mehrern mittelmäßigen Weinen ein vortrefliches +Getränke bereiten. +</p> + +<p>Sie mäßigen die Schwachheit eines +Parisers durch den Trotz eines Provenzalen, +und die Schaalheit eines Einwohners von +Marais durch den Saft eines Burgunders. +Sie verbinden den brausenden Schaum des +Champagners mit Amerika’s Wärme, und +die Dumpfheit des Deutschen mit der Feinheit +des Italiäners. Da Sie so die Fehler +jeder Nazion durch die Zumischung der entgegengesetzten +Tugenden verbessern, da Sie +die Ungeschmacktheit der Einen durch das Beißende +der Andern lindern, so sind Sie so +glücklich, sich eine Reihe höchst angenehmer +Lebenstage, und eine ununterbrochene +<!-- page 007 --> +Fortdauer von Vergnügungen zu verschaffen. +</p> + +<p>Ihre Bescheidenheit will der Nachwelt +die Denkmaale Ihrer Triumphe gerne schenken; +jedoch, müßte man die Anzahl all derer, +die Sie ihr noch hätten hinterlassen können +in die Rechnung bringen; so glaube ich, alle +Phrynen des Alterthtums würden sich nicht +beygehen lassen, Ihnen das Geringste streitig +zu machen; so viele Gründe also berechtigen +Sie, sich über die alten und neuen +Sokraten erhaben zu glauben! +</p> + +<p>Indessen muß man gestehen, dieser so +große Ruhm wird von einigen Ungemachen +etwas aufgewogen, und verliert von seinem +Glanze. Mit Vergnügen sehen Sie die Ankunft +der Schätze, die der Geiz den Bergen +der neuen Welt entwühlt, und welche die +Thorheit auf den Sopha’s von Europa zerstreuet, +bey sich. Eine Danae, öffnen Sie +<!-- page 008 --> +den Schooß diesem kostbaren Regen, dessen +Werth und Nutzen Ihnen so wohlbekannt +ist. +</p> + +<p>Unglücklicherweise macht er öfters in +der alten Welt gewisse Vollkommenheiten aufzusprossen, +welche die Natur bloß für die +neue bestimmet hatte. Die kostbare Pflanze +derselben brachte uns 1493. der Genueser +Christoph Kolombo mit dem Gold aus +San Domingo, und, wie wir wohl wissen, +seit dieser Zeit haben sie sich mit einer verwundernswürdigen +Fruchtbarkeit ausgebreitet. +</p> + +<p>Die jüngere von zwoen Schwestern, die +beynahe einerley Namen führen, scheint es +am weitesten gebracht zu haben. Seit fast +zweyhundert Jahren arbeitet sie ohne Unterlaß +an der Ausbreitung ihres Reiches; +und daß ihr alle Unternehmungen glückten, +hat sie vorzüglich ihrer verschwenderischen +<!-- page 009 --> +Freygebigkeit zu danken. Gleich den staatsklugen +Eroberern gewann sie eine Menge +Landes, weil sie mit ihren Geschenken nicht +haushälterisch war. +</p> + +<p>Nicht, als ob man im Grunde so erpicht +darauf wäre. Wenige Personen sind +aufgelegt, sie freywillig sich zu wünschen; +allein sie verbindet, wenn sie sie anbeut, damit +einen so verführerischen Reiz, daß die +mißtrauischsten Herzen manchmal genug zu +thun haben, sich dagegen zu verwahren. +Man empfängt sie, ohne es fast nur gewahr +zu werden; und was dabei das verdrießlichste +ist, wenn man sich damit beschwert fühlt, +so ist man nicht immer im Stande, sie sich +vom Halse zu schaffen. +</p> + +<p>Man bringt sie nicht einmal los, wenn +man ihren Kreislauf befördert. Sie haben +die Eigenschaft, sich zu vervielfältigen, ohne +die Quelle, aus der sie entsprungen sind, zu +<!-- page 010 --> +schwächen; gerade, wie eine brennende +Wachsterze tausend andere anzuzünden dienen +kann, ohne im mindesten von ihrem +Licht, und dem Feuer, das sie verzehrt, zu +verlieren. +</p> + +<p>Gewiß, mein Fräulein, ein schreckliches +Mißgeschick! Sie wünschten wohl, man +möchte ihm abhelfen können. Auch ich wünsch +es von ganzem Herzen. Suchen wir miteinander +die Mittel auf. Die Ehre davon will +ich Ihnen gerne lassen. +</p> + +<p>Die griechischen Lustmädchen zeichneten +sich, die Eine durch den Zauber ihres Verstandes, +die andre durch die Anmuth ihres +Tanzes, und diese durch ihre Schönheit aus. +Was Sie betrift, so wünsche ich, daß Sie +Ihren Namen durch der Menschheit geleistete +Dienste verewigen. Ihre Gefälligkeit gegen +sie, kennt man bereits zur Gnüge. Man +wird sich nicht befremden, daß Sie, zum Tempel +<!-- page 011 --> +des Ruhmes zu kommen, diesen Weg +gewählet haben. +</p> + +<p>Wie viel man nicht von dieser Menschheit +redet! Unsre philosophischen Tage geben ihr +ein so herrliches Licht! Sie sehen sie von Stockholm +bis Lissabon, von den Gränzen des +Mogol bis London sich mit so großem Glanz +entwickeln. Es sind nur eben sieben volle +Jahre, während deren wir uns mit aller nur +möglichen Artigkeit, und Leutseligleit herumgeschlagen +haben; und alle Menschen, +welche diese ganze Zeit hindurch in den Land- und +Seegefechten verstümmelt, erschossen, +gebraten, oder zermalmet worden, beliefen +sich doch nicht höher, als auf eine Million. +</p> + +<p>Die Krankheiten, Mühseligheiten, und +Siechenhäuser nahmen ihrer nicht mehr, als +zwo Millionen weg. Von Berlin an der +Spree bis Villa-Veilha, an den Gestaden +des Tagus, rechnet man nicht ganz zwanzig +<!-- page 012 --> +tausend Quadratmeilen, die in jedem Betrachte +mit fünfzehn oder zwanzig Millionen +zweifüssiger federloser Geschöpfe verwüstet, +und von Helden in Jammer oder Verzweiflung +gebracht worden sind. +</p> + +<p>Unsre Untersuchungen hätten in keiner +Zeit erscheinen können, wo die Menschheit +größere Fortschritte gemacht hätte. Unmöglich +hätte man dazu günstigere Umstände +wählen können. Eilen wir also, sie ans +Tageslicht zu bringen; warten wir nicht, bis +wieder die Barbarei zurückkehrt. Wollen +wir von ihren Rasereien gegen das Menschengeschlecht +aus dem Zustande urtheilen, +in dem es sich in einem erleuchteten, und +philosophischen Jahrhunderte befindet, so +würden wir Gefahr laufen, auf der Erde +keine Menschen mehr zu finden, die uns anhören +könnten. +</p> +<!-- page 013 --> + +<p>Vergeben Sie mir, Fräulein, wenn +ich in der Folge dieses Werkes mich nicht +mehr an Sie verwende. Sie sind es, denen +ich es zueigne; aber die Menschheit ists, der +sich es heilige. Ich hab es mit dem Unterrichte +der Völker, mit der Heilung der Menschen +von ihren Irrthümern zu thun. Es +kömmt darauf an, den Dienst der Venus zu +reinigen, die gefährliche Luft, die ihre +Tempel erfüllt, zu zerstreuen, und sogar ihre +Altäre zu säubern. +</p> + +<p>In der Behandlung der zur Erreichung +dieses Zweckes nöthigen Sühnopfer, werde +ich nicht mehr von Ihnen reden; aber denken +an Sie werd’ ich unaufhörlich. Ich +werde dem Anscheine nach Ihre Reize aus +dem Gesichte verlieren; aber mein Gegenstand +wird mich immer zur Gnüge auf dieselben +zurückführen. +</p> +<!-- page 014 --> + +<p>Ich will mit aller Bedachtsamkeit untersuchen, +welche Mittel uns zum Ziele führen +könnten, die Macht des Feindes, über +den wir uns beklagen, zu stürzen. Es wird +nicht übel gethan seyn, zuvor ein paar Worte +von seiner Natur und Geburt zu sagen. +Ich werde bis auf seinen Ursprung zurückgehn, +und einen Auszug seiner Geschichte +geben müssen. Die Medaillen dieser Begebenheit +bestehen noch; aber die Epoche derselben +scheint in Dunkel gehüllt. Es wäre +sehr nützlich, sehr rühmlich, wenn es uns, +sie festzusetzen, gelänge. +</p> + +<p>Uibrigens wird sie weder Befremden, +noch Furcht befallen bei dem Namen Kakomonade, +dessen ich mich bedient habe, um diese +grausame Feindinn umzukleiden, sie, die +ich mich nicht getrauet hätte, anders zu nennen. +Wahr ist es, dieses Wort ist ganz +griechisch; allein die Sache, die es bezeichnet, +ist ganz französisch, und also unseren +<!-- page 015 --> +Damen so wenig unverständlich, daß sie viel +mehr ein wichtiges Ingredienz guter Gesellschaften +ist. Uiber dieß sind Sie auch mit +Leibnitzens Sprache bekannt. Ich habe Sie +gelehrt, was in dem Verstande dieses unvergleichlichen +Mannes eine Monade sey. Von +Ihnen Ihrerseits habe ich gelernt, diesen +Namen durch das Beiwort Kako zu verlängern, +das ich ohne Sie nie erfunden hätte. +Sie werden mich also ohne Schwierigkeit +verstehn, und ich gehe ohne Besorgniß zur +Sache. +</p> +<!-- page 016 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-3"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Erstes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Von der Natur der Kakomonade.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">W</span>as ist die Kakomonade? Wo kömmt die +Kakomonade her? Zwo große, und erhabene +Fragen! Lange schon haben trefliche Gelehrte +die Tiefsinnigkeit, und den Nutzen derselben +gefühlet. Sie haben sich bestrebet, sie +aufzulösen. Vielleicht krönte ihre Bemühungen +noch kein sehr glänzender Erfolg; allein +wenigstens führten sie doch uns auf diese +Strasse. Nur an uns liegt es nun, auf ihren +Pfaden in dem Lande, das sie durchliefen, +fortzuwandeln, und, wenn wir können, +darinnen weiter zu gehen, als sie. +</p> +<!-- page 017 --> + +<p>Erste Beobachtungen haben sie gelehrt, +daß die Kakomonade ein Gift<a href="#footnote-4" id="fnote-4"><sup>4</sup>)</a> sey. Uiber +den Sinn dieses Wortes in dieser Anwendung +ist man nicht ganz einig. Allein, wo +man keine deutlichen Begriffe haben kann, +da ists bei allen Arten Wissenschaften viel, +daß man sich einen Ausdruck auffinde, der +nichts sagt. Man hat weit weniger Mühe, +ihn auf alle möglichen Sisteme passend zu +<!-- page 018 --> +machen, und daher ist die Kakomonade ein +Gift. +</p> + + +<p>Noch mehr: dieses Gift ist phlogistisch, +korrosiv, gerinnend, und fix<a href="#footnote-5" id="fnote-5"><sup>5</sup>)</a>. Phlogistisch, +denn es verursacht Entzündungen. +Als korrosiv greift es die Haut an, frißt sie +auf, und trennt ihren Zusammenhang. Als +gerinnend, stillt es den Lauf der Feuchtigkeiten, +welche die Natur zu freiem Umlaufe +bestimmet hatte. Endlich, weil es fix ist, +läßt, es sich so schwer vertreiben. Und dieß +ist die ganze Theorie von der Kakomonade, +von einem ihrer besten Historiker entwickelt. +Sie ist, wie man sieht, deutlich, bündig, +und faßlich. +</p> + +<p>Die Quacksalber mischten sich manche +mal ins Spiel, und gaben eine andre an. +<!-- page 019 --> +So erschien Anno 1727 ein sehr berühmter +zu Paris. Dieser behauptete, alle menschlichen +Schwachheiten, und die, mit denen +wirs zu thun haben, wie alle andere, würden +durch kleine Thierchen erzeugt, die sich +ins Blut eindrängen. Seinem Sisteme zufolge +war das, was wir Arzneimittel nennen, +ein Kompositum von andern kleinen +Thierchen, als unversöhnlichen Feinden der +ersten. Diese jagten ihre Gegner tapfer +fort. +</p> + + +<p>So war der Körper eines Kranken ein +Schlachtfeld, wo Wunder der Tapferkeit geschahen. +Das Fieber führte darauf seine leichten +Geschwader an; die Kakomonade ihre +gerinnende Infanterie. Bald sah man die +Fakultät heranrücken in schwerer Rüstung, +mit Bataillonen von Quecksilber, und Chinarinde. +Sie ließ die verschiedenen Korps +dieser fürchterlichen Miliz allmälig aufmarschiren. +Man schlug sich lange mit Lebhaftigkeit +<!-- page 020 --> +herum, bis die Thierchen der Chinarinde +über die des Fiebers die Oberhand erhielten, +oder bis die korrosiven Würmchen +durch die metallischen Insekten vertrieben +wurden, wenn anders nicht, welches zum +öftersten geschah, sich das Schlachtfeld selbst, +unter dem Drucke von so heftigen Gewaltthätigkeiten +erliegend, in die Erde versenkte, +welche Uiberwinder und Uiberwundene +sammt ihnen verschlang. +</p> + +<p>Hatte diese Idee keine Wahrheit zum +Grunde, so war sie wenigstens unterhaltlich. +Aber die Steifheit der regierenden Doktoren +hat sie verbannt. Entrüstet, daß sie sich +durch sie dahin gebracht sahen, nichts weiter, +als die Obersten über ein Regiment +Sensblätter und Rhabarbar zu sein, machten +sie allen diesen kleinen Armeen, die man +ihnen anzuführen gab, den Garaus. Sie +wollten lieber die Oberhäupter einiger blinden +Körperchen bleiben, als zahlreiche und +<!-- page 021 --> +beseelte Legionen kommandiren. Sie wollten +die Harmonie in den Feuchtigkeiten dem +Zufalle lieber mit ganz materiellen Werkzeugen, +als nach einer guten Ordnung, unter +einer Bedeckung von thätigen, wohldisziplinirten +Truppen einräumen. Heißt das +nicht, wie man ihnen vorwirft, die Unthätigkeit +der Bewegung, den Tod dem Leben +vorziehen? +</p> + +<p>Man kann dieses System nicht genug bedauern: +es hätte Gelegenheit zu den unterhaltendsten +Hypothesen gegeben. Die Metaphysik, +die Physik, die Philosophie und +Arzneykunde haben ungereimtere, aber keine +angenehmere aufzuweisen. Indessen muß +man sich über dessen Verlust eben wohl trösten, +und sich mit einer Menge grosser Männer +daran halten, nämlich, daß die Kakamonade +ein korrosives, gerinnendes, phlogistisches, +und fixes Gift sey. +</p> +<!-- page 022 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-4"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Zweites Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Vom Ursprunge der Kakomonade.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">V</span>om Ursprunge der Kakomonade sind wir +nicht sowohl unterrichtet, wie von ihrer Natur: +die Wirkung kennen wir besser, als die +Ursache. So viel ist gewiß, daß jene heut zu +Tage nur das Resultat der Vergemeinschaftung +mit einer unbehutsamen, oder unglücklichen +Person ist. Den Keim davon bringen +wir nicht schon bey unserer Geburt mit. Die +Natur gab uns nur bloß das Vermögen, +ihn anzunehmen. +</p> + +<p>Dennoch muß sie sich einstens in dem ersten +Menschen, der sich davon ergriffen fühlte, +von selbst hervorgebracht haben. Daß +Gott, da er den Adam schuf, ihn nicht aus +<!-- page 023 --> +seiner Hand damit ausstattete, ist wohl außer +Zweifel. Das höchste Wesen bildete ihn +zur Zeugung, und gab ihm somit so gesunde, +so vollkommene Organe, als es seine Bettgenoßinn +nur wünschen konnte. +</p> + +<p>Trug sich dießfalls hierinn eine Veränderung +zu, so ists wahrscheinlich ein unglückliches +Individuum von seiner Nachkommenschaft, +das die Erstlinge derselben bekommen +haben wird. Aber was kann von dieser sonderbaren +Entwicklung die Ursache gewesen +seyn? Die Luft? die Nahrungsmittel? oder +der Mißbrauch des Vergnügens? +</p> + +<p>Das Klima derjenigen Länder, die man +für das Vaterland der Kakomonade ansieht, +ist nicht ungesünder, als das in den Gegenden, +wo sie sich nur durch den Vorschub der +Menschen eingeschlichen hat. Ihre Produkte, +weit gefehlt, daß sie gefährlich wären, so +sind sie für uns vielmehr sichere Hilfsmittel +<!-- page 024 --> +gegen manche Krankheit; und die Ausgelassenheit +ist nur eine Tochter der Prasserei und +des Reichthums. Nun wußte man von diesen +beiden Geißeln unseres Geschlechtes gewiß +nichts in jenem Lande, wo wir unsere Geißel +holten, welche in dem unsrigen oft auf sie +folgt, und sie bestrafet. +</p> + +<p>Dennoch sind diese drei Ursachen, die +einzigen, welche auf ihre Entstehung Einfluß +gehabt haben können. Jede derselben fand +warme Vertheidiger. Einige sagten, die Luft +allein sei genug gewesen, in der Insel Hispaniola +das Gift hervorzubringen, das heut +zu Tage in allen andern Ländern die Zeugungen +angreift; allein es ist einleuchtend, daß +sie sich geirret haben. +</p> + +<p>Seit zweyhundert Jahren, und darüber, +giebt die Erfahrung den Beweis, daß man +zu San Domingo diese Frucht nicht anders +ärnte, und säe, als wie in Frankreich. Sie +<!-- page 025 --> +wächst dort, wie hier, im Schooße des Vergnügens. +Man behält da ein freyes, reines +Blut, so lange man sich begnügt, frische Luft +zu schöpfen. Hätte diese ja was Pestisches +an sich, so würde sie es seit der Eroberung +den Europäern eben sowohl, als den Eingebohrnen +des Landes haben zu fühlen gegeben. +Dieß findet sich nicht, und also ist dieses Sistem +nicht anzunehmen. +</p> + +<p>Andere behaupteten, diese Eigenschaft +wäre ausschließlich den Menschenfressern vermöge +ihrer Nahrungsmittel gegeben, gleich +als ob das menschliche Fleisch schon von selbst +ein Gift wäre. Die Völker, welch dergleichen +minder höfliche Feyerlichkeiten halten, +sind viel seltener, als man sichs einbildet. +Uiberdies muß ihnen ihre Lebensart +viele Stärke, und hiemit Gesundheit geben. +Daher es denn sehr ungereimt ist, zu denken, +daß ihr Fleisch, wenn es durch den Magen +ihrer Feinde wandert, da die Kraft, sie zu vergiften, +annehmen könne. +</p> +<!-- page 026 --> + +<p>Zwar wäre dieses eine ziemlich erlaubte +Rache; allein, wenn man am Bratspieße +steckt, pflegt man sich nicht mehr zu rächen. +Sollte der Hinterschlägel eines Karaiben +den ehrlichen Leuten, die sich einander +damit beschenkten, Nachwehen haben +erregen können, so müßten nur die ihm benachbarten +Theile sich nicht in gutem Stand +befunden haben; ein Umstand, der, wie man +sieht, die Schwierigkeit nicht aufhebt. +</p> + +<p>Ein geschickter Arzt hat in einem dicken +Buche über diesen Gegenstand das dritte Sistem +ergriffen. Seiner Meinung nach ist es +das Uebermaaß der Vergnügungen in warmen +Ländern, und die wenige Wahl in den +zu derer Genuße geeigneten Augenblicken, +welche die Kakomonade auf der Welt eingeführet +haben. Er erzählt über diese Materie +sehr sonderbare Geschichten. +</p> +<!-- page 027 --> + +<p>„Die Weibsleute im Königreiche Melinda,“ +sagt er nach Tavernier, „sind einmal +im Monate so gefährlich, daß, wenn +ein Europäer das Unglück hat, sich an einem +Platze aufzuhalten, wo eines derselben in +dieser fatalen Zeit gepisset hat, er davon +das Fieber, Kopfschmerzen, und manchmal +die Pest bekommt.“ Ich gestehe, da ich +die Stelle las, wünschte ich von Herzensgrunde, +es möchte sich nie ein melindisches +Frauengimmer beigehen lassen, sich unter meinem +Fenster aufzuhalten. +</p> + +<p>Zum Glücke gesteht H. A., da er diesen +Zug anführt, selbst ein, daß er auf unsre Klima +nicht passet; dennoch beharret er nichts +destoweniger auf der Meinung, daß zwischen +dem Ursprunge der Kakomonade, und zwischen +dem pestischen Einflusse dieser gebräunten +zanguebarischen Schönheiten ein sehr genaues +Verhältniß Statt haben müße. Er besteht +hartnäckig auf der Behauptung, daß dieser +<!-- page 028 --> +der zureichende Grund des andern war. Man +kann auch in seinem Werke selbst sehen, mit +welcher Stärke und Bündigkeit er darüber +räsonnirt. +</p> + +<p>Nur ist es wunderbar, daß man durch +das Gebäude ähnlicher Sisteme dahin kommt, +die Kakomonade zu verbannen; wie wenn +die barbarischen Worte, mit denen man sie +erklärt, helle, und unbestreitbare Wahrheiten +bedeuteten. +</p> + +<p>Just so berechnet man die Finsternißen, +indem man die Planeten als kleine Theilchen +betrachtet, welche die Sonne ausschneuzte, +da zur Zeit der Schöpfung ein grosser Komet +an derselben sich rieb. So benützt man den +Kompaß durch die Erklärung der Abweichungen +seiner Nadel, die an einem Ende mit +dem Magnete bestrichen ist. So ermüdet man +nicht, in dem Magen einen guten Saft hervor +zu bringen, unter beständigem Streite, +<!-- page 029 --> +ob er durch Auflösung, oder Gährung, oder +Vertreibung entstehe. +</p> + +<p>Man muß es gestehen, wir haben leicht +machen. Die Fortschritte des menschlichen +Geistes in jeder Art stecken sich selber ihre +Gränzen aus: eine Wahrheit, über die sich +nicht streiten läßt. Allein so einleuchtend sie +ist, so muß mans nicht bey ihrer Erwägung +bewenden lassen; man muß nicht unterlassen, +in den Kalender zu sehn, wenn man den +Sonnenstand wissen will, und auf den Kompaß, +wenn man die Küsten aus dem Gesichte +verlohren hat. Man muß nicht anstehn, seinen +Magen zu füllen, wenn man hungerig +ist, und sich an die Zubereitung des Quecksilbers +zu wenden, wenn man einer Aehnlichkeit +zwischen unserm Klima, und jenem +von Amerika gewahr wird. +</p> +<!-- page 030 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-5"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Drittes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Ob wir das Recht haben, bei der Betrachtung +der Uebel, die uns die +Kakomonade verursacht, uns über +die Natur zu beklagen.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">W</span>enn ja irgend etwas dem Anscheine nach +den Menschen das Recht geben kann, über +die Natur zu murren, so ist es gewiß diese +Geißel, mit welcher sie sie schlägt. Sie hat +sie mit Vergnügungen vereinbart, von denen +sie die Fortdauer ihres Geschlechtes abhängen +läßt. An die Seite der größten aller Reizungen +hat sie die größte aller Gefahren gestellet. +So setzte sie uns auf den Zweiweg, +entweder ihre Absichten nicht zu erfüllen, +oder dafür, daß wir sie erfüllten, immer in +der Furcht zu sein, bestrafet zu werden. +</p> +<!-- page 031 --> + +<p>Bei den andern Empfindnissen hat sie +die Strafe wenigstens nur mit dem Uibermaaße +verbunden. Der Wein macht kein +Kopfweh, außer man trinket zuviel. Der +Magen leidet nicht, so lange man mäßig ißt. +Das Auge wird nicht verwundet, außer es +heftet den Blick an zu schimmernde Gegenstände. +</p> + +<p>Aber das nothwendigste, das schätzbarste +Sinnglied, das Sinnglied, welches dem +Menschen eines der Gerechtsame der Gottheit +mittheilt, dieß ist eben dasjenige, dessen +auch mäßiger Gebrauch die größte Reue, +und das empfindlichste Nachweh, verursachen +kann. Nur einen Augenblick braucht es, +um das ordentlichste Leben zu vergiften. +</p> + +<p>Das höchste Wesen, sagen die Dichter, +hat das Gute und Böse in zwoen Tonnen bei +sich. Aus diesen schöpft es mit vollen Händen, +so wie ihm die Laune kömmt, die Geschenke, +<!-- page 032 --> +die es unter unser kleines Ameisenhäufchen +austheilt. Die Kakomonade war +unstreitig mit von den Hefen in der Tonne +des Bösen; und an dem Tage, wo wir sie +erhielten, leerte Jupiter das eine seiner Fässer +aus. +</p> + +<p>Dennoch müssen wir, bevor wir gegen +die Natur Klage stellen, und sie ungerecht +nennen, einen Blick auf die Geschichte werfen. +Hätte diese zärtliche Mutter die Absicht +gehabt, uns die Geißel, über die wir seufzen, +zu ersparen; hätte sie sich bestrebt, sie +in einem kleinen Winkel eines unbekannten +Landes zu verbergen; hätte sie zwischen uns, +und dieses traurige Land fünfzehnhundert +Meilen stürmische Meere geworfen; hätte +sie sich Mühe gegeben, uns alle erdenklichen +Mittel, dahin zu kommen, zu entziehn; so +wären wir ihr für so weise, so liebvolle Vorsichten +unsre Dankbarkeit schuldig. +</p> +<!-- page 033 --> + +<p>Hätte in der Folge bloß unser unruhiger +Geist diese Vorsichten vereitelt; wären +wir mitten durch fast unüberwindliche Hindernisse +zu dem bittern Becher, der das Gift, +wovon sie uns abhielt, in sich schloß, eingedrungen; +wäre es wahr, daß, wir geeilet hätten, +darinnen unsere Lippen zu netzen, ungeachtet +aller der schrecklichen Gegenstände, +die uns davon hätten entfernen sollen; so +würde ganz gewiß von unserer Seite die Natur +keinen Vorwurf verdienen. +</p> + +<p>Wir allein würden strafbar seyn, daß +wir ihre Verordnungen verletzt hätten. Wir +würden billig gestrafet werden, daß wir ein +Geheimniß entdecket hätten, welches ihre +Nachsicht uns verbergen wollte. Dieß nun +wird uns die Geschichte lehren. Da werden +wir vielleicht die Rechtfertigung der Vorsehung +erblicken. +</p> +<!-- page 034 --> + +<p>Die Erzählung der Begebenheiten der +Vorzeit wird uns zeigen, wie sehr sie für +uns ob der Unglücksfälle besorgt war, die +uns nun drücken. Wir werden gezwungen +seyn, einzugestehn, daß, um uns so unglücklich +zu machen, als wir es sind, wir +sie in ihrem letzten Wehrplatze dazu nöthigen +mußten. Wir werden bekennen, daß ihre +Sorgfalt hinlänglich gewesen wäre, um unsere +Ruhe zu gründen, wenn nicht unsre +Vermessenheit in jeder Art weiter gienge, +als ihre Güte. +</p> +<!-- page 035 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-6"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Viertes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Ob die Alten die Kakomonade kannten?</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">M</span>an hat sich gewaltig ermüdet, die eigentliche +Epoche dieser Begebenheit aufzufinden. +Die Kakomonade hat in mehr als einem +Verstande die Geduld, und den Scharfsinn +der Kommentatoren auf die Probe gesetzt. +Einige davon eignen die Ehre, sie +auf uns gebracht zu haben, den Griechen +und Römern zu. Sie sehen sie in geraden +Linien aus Asien in Europa, von Athen +nach Rom, aus Wälschland in Frankreich +übergehn. +</p> + +<p>Sie legen ihr verschiedene Masken bei, +derer sie sich nach und nach bedient habe, bis +<!-- page 036 --> +sie auf diejenige kam, in der sie bei unsern +Tagen erscheint. Ihrem Sisteme zufolge +mußte sie sich bei dieser wohl befunden haben; +denn sie trägt sie schon in die dreihundert +Jahre, ohne daß sie zu abgenützt schiene. +Doch, man muß gestehn, daß diese +Meinung nicht zuzugeben sey. Man sieht +offenbar, daß die Alten, glücklicher und weiser, +als wir, oder wenigstens den Absichten +der Natur getreuer, nie die Strafe empfanden, +die wir erdulden. +</p> + +<p>Homer ist genau, sogar bis zu Kleinigkeiten. +Er brachte in sein Gedicht alles, was +er von der Medizin, Anatomie, Geographie, +und Physik wußte. Er berichtet uns, +daß man zu seiner Zeit ein Leckergetränk aus +in Wein geriebenem Käse machte. Er spricht +oft von der Venus. Er erzählt, wie sie +Diomedes mit einer Lanze tief verwundete. +Hätte er an dieser Göttinn das Geheimniß +gekannt, das sie seit dem in Amerika besaß; +<!-- page 037 --> +ohne Zweifel hätte er sie davon Gebrauch +machen lassen, um sich an dem Helden zu +rächen. Er hätte den Gott Merkur mit +seinen goldgeflügelten Füssen aufgeführt, wie +er sie mit der Heilung beschäftigte. +</p> + +<p>Diese Allegorie würde nicht die unsinnreicheste +seines Gedichtes gewesen seyn. Sie +wäre uns soviel richtiger gewesen, da Merkur +wirklich von der Gegenpartei der Venus +war. Kann man wohl glauben, daß +dieser göttliche Dichter die Gelegenheit versäumet +hätte, sie an den Ufern des Simois +Angesichte der Griechen und Trojaner +sich schlagen zu lassen? Wäre das nicht eben +der Fall gewesen, wo er hätte vorstellen +können, wie die Erde und das Meer in der +Erwartung des Erfolges erschüttert wären, +und die ganze Natur bei dem Anblicke eines +Kampfes sich theilte, der ihr Schicksal entscheiden +sollte? +</p> +<!-- page 038 --> + +<p>Wie Schade doch, daß nicht Homer +selbst in Person über diese Materie auf einer +der zykladischen Inseln Erfahrungen machen +konnte? Er hätte seine beiden Gedichte damit +bereichert. Madame Dacier wäre uns +erschöpflich gewesen, in ihren Noten über +diesen interessanten Gegenstand. Eine derlei +Erdichtung, in die Iliade verwebt, wäre für +die Kommentatoren der vorigen und künftigen +Jahrhunderte eine ewige Quelle von Zusätzen, +Anmerkungen, und lehrreichen Gezänken +geworden. +</p> + +<p>Es ist offenbar, daß es Homer angebracht +haben würde, wenn er es gekonnt hätte. +Hätten die Götter oder die Menschen +zu seiner Zeit die Kakomonade gekannt, so +würde er davon gesprochen haben. Sein +Stillschweigen ist ein unstreitiger Beweis, +daß bei der Belagerung Trojens, und lange +Zeit darnach, Venus noch unschuldig war: +sie ließ sich selbst verwunden, ohne wieder +zu verwunden. +</p> +<!-- page 039 --> + +<p>In den spätern Jahrhunderten lebten +Hyppokrates, und nach ihm Galen in eben +der Unwissenheit. Das Quecksilber schien +ihnen nur in Rücksicht seiner Schwere, und +seiner Flüssigkeit ihrer Aufmerksamkeit würdig. +Die Helden, derer Gesundheit sie zu +regieren hatten, waren nicht vernünftiger, +als die unsern. Sie waren eben so lustig, +eben so prächtig. Man hat uns das Detail +ihrer Thaten in jeder Art aufbewahret. Wir +wissen, wie sie ihre Liebesromane spielten, +und wie sie ihre eisernen Lanzen schwangen. +Aber wir sehen nicht, daß sie das andre Metall +gebrauchten, zu welchem unsere Krieger +so oft ihre Zuflucht nehmen. +</p> + +<p>Cäsar war ohne Widerspruch ein großer +Mann. Man nannte ihn den Ehemann +aller Weiber, und das Eheweib aller Männer. +Wären diese vorübergehenden Beilager +damal einem Ungefähr unterworfen gewesen; +kann man wohl glauben, daß man, nachdem +<!-- page 040 --> +er derselben so viele gefeyert hatte, gefunden +haben würde, daß er damit nichts anders, +als nur die fallende Sucht, gewonnen +habe? +</p> + +<p>Vom August sagt man wohl, daß er +sich oft vor dem Feuer frottiren ließ; dieses +könnte verdächtig scheinen. Aber es war ein +Striegel, womit man ihn frottirte; und der +ists nun nicht mehr. Er fand, wie Suetonius +sagt, kein anders Mittel, um seine +Gesundheit zu erhalten, und seine Haut zu +jücken. +</p> + +<p>Weder Tibor, noch Kaligula, noch +Nero, noch alle jene Wunder der Geilheit, +denen die Beherrscherinn der Nazionen so +lange unterworfen war, haben sich je des +Quecksilbers gebraucht. Man sieht keinen, +griechischen, oder römischen Dichter, seine +Kraft besingen. Sogar diejenigen, die sich +durch ihre Ausschweifungen verewiget haben, +<!-- page 041 --> +nennen keine Strafe, die mit ihren Unmäßigkeiten +verbunden gewesen wären. +</p> + +<p>Ovid, in seiner Kunst zu lieben, zeigt +alles an, was man von der Seite einer Buhlinn +zu fürchten haben kann, er spricht von +den Gefahren, die mit dem Umgange +mit einer herumstreifenden Schönen verknüpfet +sind. Ohne Zweifel war hier der Augenblick, +der Kakomonade, wenn sie auf ihn +gekommen war, eine Stelle einzuräumen. +Indessen sagt er kein Wort davon. +</p> + +<p>Horaz entrüstet sich über einen Knoblauch, +der ihn in die Zunge gebissen. Hätt’ +er wohl vergessen, in einer schönen Schreibart +eine Verwünschung auf das Quecksilber +zu machen, wenn er davon gejückt worden +wäre? Voll Nervigkeit, und ohne Umschweife +sagt er einem alten Mütterchen Grobheiten, +die sich die französische Politesse nicht +einmal zu Sinne kommen lassen kann; hätte +<!-- page 042 --> +er ihr nicht die Kakomonade angewünscht, +wenn sie zu seiner Zeit bei guten Gesellschaften +im Gebrauch gewesen wäre? +</p> + +<p>Eben das kann man von den Tibullen, +den Katullen, den Gallussen sagen, welche +die schädlichen Orte besangen, und besuchten, +und also ohne Zweifel die Gefahren derselben, +wenn sich deren gefunden hätten, beweinet +haben würden. Sie theilten in sanfter +Ruhe sich in die Gunstbezeugungen ihrer +Mätressen mit dem Publikum; und klagten +sie zuweilen über ihre Unbeständigkeit, so +kam es nicht daher, weil sie für sie unangenehme +Folgen gehabt hat. +</p> + +<p>Es ist daher klar, daß die Korinnen, +die Lesbien, die Lykorissen, sonst weit unter +den, * * * und den * * *, diesen dennoch +in einem Punkte überlegen waren. Es bedurfte +vielleicht nicht größerer Mühe, um +sie sich zu unterwerfen; aber gewiß weniger, +<!-- page 043 --> +um sie zu vergessen. Wenn man sich an ihre +Gunstbezeugungen erinnerte, so dachte man +nur an das Vergnügen, sie genossen zu haben. +Man suchte keine Spezifika auf, um +leichter das Gedächtniß zu verlieren, und +man sah keine heilreichen Geschöpfe mit +ihren Rezepten die Mauern Roms tapeziren. +</p> +<!-- page 044 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-7"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Fünftes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Ob Job mit der Kakomonade in +einem persönlichen Verhältnisse +stand?</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">D</span>a man dieser Heldinn die Ehre nicht zueignen +konnte, mit den Helden der weltlichen +Geschichte zu thun gehabt zu haben, so +gab man sich Mühe, sie dadurch zu entschädigen, +daß man sie unter die Helden der heiligen +Geschichte aufnahm. Ein erlauchter +Benediktiner verfaßte ihr einen sehr ehrwürdigen +Stammbaum. Er schreibt ihr eine +sehr nahe Verbindung mit dem berühmten +Job zu, und läßt in gerader Linie sie von +demselben absteigen. +</p> +<!-- page 045 --> + +<p>Ohne Zweifel würde man nicht erwartet +haben, diesen Zug seiner Erudizion in einem +Kommentar über die Bibel zu finden. +Indeß, da der Jünger des heiligen Benedikt +so eine Materie in einem ganz zur Erbauung +bestimmten Buche ohne Skrupel behandeln +konnte; muß man mirs erlauben, in dem +meinigen seine Schlüsse auseinander zu setzen. +Wenn so ein Gegenstand unter seiner Feder, +und an der Stelle, wohin er ihn setzte, kein +Skandal verursachet hat, muß man sich nicht +befremden, ihn hier zu erblicken, wo er sich +viel natürlicher findet. +</p> + +<p>Der gelehrte Bruder Dom Calmet also, +setzte in die Reihe der Ahnen der Kakomonade +den tugendhaften Job, der sie seiner +Seits von seiner Frau hatte, und die sie +ohne Zweifel vom Teufel bekommen haben +mochte. Aber wahrhaftig, es wäre wirklich +genug für einen so heiligen Mann, daß er +eine so böse Frau gehabt hat; wozu die Vermuthung, +<!-- page 046 --> +daß er über die Verhöhnungen +von ihr auch noch ein ander Ding empfieng? +</p> + +<p>Es ist wahr, er saß auf einem Misthaufen, +und fühlte sich seine Säfte nicht recht +in Ordnung. Er sagt selbst, sein Fleisch wäre +mit Geschwären bedeckt, seine Haut wäre ganz +ausgedörret, sein Blut wäre geronnen wie +Käse; welches nach Hrn. A. — — — — +mit den drei Hauptsimptomen übereinkömmt, +von welchen er uns seine Beschreibung gemacht +hat. +</p> + +<p>Wahr ist auch, daß, um den Job zu +trösten, drei von seinen Freunden sieben Tage +und sieben Nächte lang, ohne nur ein +Wort zu sprechen, bei ihm blieben. +</p> + +<p>Wahr ist ferner, daß nach diesem langen +Stillschweigen Eliphaz, einer von ihnen +durch Seitenwendungen seinen lieben Freund +beschuldigt, er habe sich der Ungerechtigkeit +<!-- page 047 --> +ergeben, und den Schmerzen gesäet, dessen +Frucht er nun ärnte. Er wirft ihm in figürlichen +Ausdrücken vor, er habe Häuser von Koth +geliebt, derer Grundfesten nichts taugten, +und habe da etwas sehr dem Aussatz ähnliches +erbeutet. +</p> + +<p>Unterdessen erweist dies alles noch nicht, +daß der Teufel vor vier tausend Jahren nach +Amerika reiste, sich da ein Körnchen von der +Kakomonade zu holen, um damit einen armen +Tropf van Kaldäer zu inokuliren. Man +sieht wohl, daß die Krankheit desselben korrosiv, +phlogistisch und koagulirend war; aber +es ist ja doch nicht ausgemacht, daß diese drei +Eigenschaften ausschließlich nur mit einer einzigen +Art Mißbehagens verknüpft sind. +</p> + +<p>Würde wohl der Geschichtschreiber Jobs +vergessen haben, vom Gifte zu sprechen, +wenn ers damit zu thun gehabt hätte? Würde +er nicht den Standpunkt der Krankheit angezeigt +<!-- page 048 --> +haben? Er berichtet uns, daß der +Leidende seine Wunden mit Scherben trocknete. +Ich berufe mich auf alle, welche zu unsern +Zeiten ihre eigene Erfahrung in derlei +Fällen aufgekläret hat, ob sie sich je beygehen +ließen, so eine Scharpie zu brauchen. +</p> + +<p>Ueber dieß scheint es nicht, daß sich Job +der Bestrafung, von der die Rede ist, ausgesetzt +habe. Seine innigsten Freunde, nachdem +sie ihm allerley Unbilden gesagt, und +ihren stummen Trost gegeben hatten, gestehen +ein, daß er mit unverheuratheten Frauenzimmern +wenig zu schaffen hatte: Viduas dimisisti +vacuas; woraus erhellet, daß er ein +behutsamer Mann war. +</p> + +<p>Er selbst ruft auf: wo ist die Zeit, da +ich meine Füße wusch? wo ich über mein +Haupt meine Leuchte setzte? wo die Jugend, +wenn sie mich sah, vor Schaam sich verbarg? +Wo die Greise vor Verwunderung stehen blieben? +<!-- page 049 --> +Hat sich da mein Herz um ein Weib +betrogen; habe ich getrachtet, mich in eine +Thüre zu schleichen, die meinem Freunde +gehörte; so möge meine Gattinn die — — +— eines andern werden; mögen alle meine +Nachbarn — — — — ! — Wahrlich! das +ist gar nicht die Sprache eines Ausschweiflings, +der verdient hätte, an den Schätzen +von Amerika Theil zu haben. +</p> + +<p>Was den Kommentator hintergangen +haben kann, mag dieses seyn, daß dieses Muster +der Geduld bekennt, daß die Fäulniß sein +Vater, und die Würmer seine Mutter, und +seine Schwester seyn. Der gelehrte Benediktiner +glaubte vermuthlich, die Kakomonade +konnte in so einer Familie wohl an ihrem +Platze stehn. Allein das ist nur eine +Wahrscheinlichkeit; und sie ist nicht wichtig +genug, uns zu bestimmen, daß wir denken +sollten, Job habe sich jemal in dem Falle befunden, +der Flüßigkeiten des Barometers +zu bedürfen. +</p> +<!-- page 050 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-8"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Sechstes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Ob der Aussatz mit der Kakomonade +einerlei Ding gewesen?</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">L</span>eute, welche in der Geschichte der Kreuzzüge +sehr bewandert sind, weil sie sahen, +mit welcher Hitze diese ungestümmen Krieger +auf dem Schutte von Jerusalem die Töchter +der Sarazenen geschändet haben, und über +dieß ungehalten über den Anblick, daß das +Reich der Kakomonade so beschränkt seyn sollte, +kamen auf den Gedanken, ihr zum Wohnplatze +Palestinen anzuweisen. Sie wollten +sie mit dem Aussatze vermengen, der, wie +man weis, der ganze Nutzen war, den man +aus den auferbäulichen, aber grausamen +Feldzügen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts +davon trug. +</p> +<!-- page 051 --> + +<p>Der Aussatz war eine kleine Unpäßlichkeit, +die sich über die Haut verbreitete. Er +veränderte ihre Farbe, ohne doch Narben +nachzulassen. Er übersäete die Außenseite des +Leibes mit grossen Blasen, die in der That +so weiß waren, wie der schönste Alabaster, +die aber nur ein heftiges Jücken, und eine +starke Begierde verursachten sich zu kratzen. +</p> + +<p>Er war weder unter den Griechen, noch +unter den Römern, weder bei den Galliern, +noch Deutschen, weder bei den Asiaten, +Persern, Siriern &c. bekannt; sondern er +scheint eine ausschließlich eigene Krankheit in +Palestina gewesen zu seyn. Die Einwohner +dieses Landes allein sind es, welche die Natur +selbst mit diesem Vorzuge ausgestattet hatte, +wobei sie ihnen zugleich das Vermögen +ließ, ihn den vorwitzigen Proseliten, so, wie +die Beschneidung, mitzutheilen. +</p> +<!-- page 052 --> + +<p>Die Juden hatten schon die Gewohnheit, +unter beständigem Kratzen, in die verschiedenen +Gegenden der Welt herum handeln zu +gehen; allein sie scheinen nichts außer ihren +Waaren unterlassen zu haben. Sie waren +schon damal eben so säuisch, eben solche Wucherer, +eben so verachtet, wie sie es heutiges +Tages sind. Sie waren die einzigen, denen die +Religion aus der Reinlichkeit eine Pflicht +machte. Sie waren die einzigen, die sie vernachläßigten; +und nur bey ihnen allein auch +fand man Menschen, welche mit weissen Flecken, +die den Kützel reizten, überdecket +waren. +</p> + +<p>Entgegengesetzte Sitten sicherten die +Fremden vor den Folgen, welche ein ordentlicher +Umgang mit dieser Nation haben könnte<a id="corr-2"></a>; +Die Römer verbrannten den Tempel, +erwürgten die Priester, schleiften Jerusalem, +und hatten dennoch keinen Theil an diesem +Jucken: der häufige Gebrauch des Bades, +<!-- page 053 --> +und die Reinlichkeit, auf welche sie grosse Stücken +hielten, verwahrte sie davor. +</p> + +<p>Sie giengen nach Europa damal über, +als unsere Vorfahren sich im Jordan zu waschen +giengen. Sie giengen bei dem Oelberge +sich die Brust zu schlagen. Sie blieben kurze +Zeit, aber doch lange genug, um so gut, +als die Kinder Israel, sich kratzen zu lernen. +Sie kamen nach Frankreich zurück ganz bedeckt +mit Palmen und Aussatz. +</p> + +<p>Da sie viel schwitzten, sich selten badeten, +und ihre Oekonomie ihnen nicht erlaubte, +öfters ihre grobtüchenen Kleider zu waschen, +so übermachten sie auf lange Zeit ihrer +Nachkommenschaft die Gewohnheit, einen +milchfärbigen Grind an der Haut zu tragen, +und ihn fein manierlich mit den Fingerspitzen +zu kratzen. Dieß war damal der Wohlstand +der Leute von feinerer Welt, wie heut zu +Tage einen Taback zu präsentiren, oder mit +den Stockquästchen zu spielen. +</p> +<!-- page 054 --> + +<p>Der allgemein gewordene Gebrauch der +Leinwand machte, daß diese kostbare Gewohnheit +verschwand. Sie erneuert sich nur noch +an gewissen vorübergehenden Ungemächlichkeiten<a id="corr-3"></a>, +wie zum Beispiel in der P — — — +der<a id="corr-4"></a> grössern Gattung. Man könnte sie sehr +billig für einen Abkömmling, oder wenigstens +für eine sehr nahe Verwandte des Aussatzes +halten. Und hiermit ists alles, was uns die +Geschichte von dieser Krankheit, welche die +Kreuzzüge in Europa so empor gebracht haben, +berichtet. +</p> + +<p>Nach den Merkmalen, die sie karakterisiren, +kann man sie durchaus mit der Kakomonade +nicht vermengen. Die weissen Flecken, das +Jucken begleiten diese nicht; und es scheint +auch nicht, daß sie sie je begleitet haben. Wenn +diese einiges Jucken verursacht, so ists innerlich, +und ein wenig an den Lenden; zeigt sie +sich von außen, und nimmt eine Farbe an, +so weiß man zur Genüge, daß es nicht die ihrer +<!-- page 055 --> +Wesenheit nach der Jungferschaft geheiligte +Weiße ist. +</p> + +<p>Weiter, so griff der Aussatz nicht die +Erzeugung an. Wenn er ihr nicht günstig +war, so ist wenigstens gewiß, daß er ihr keinen +Schaden that. Es scheint sogar, daß er +die Zeugungsorgane stärkte. Es gab in dieser +Zeit Frauen, die es nach jenen der Aussätzigen +lüsterte, und man sah sich das Sprichwort +bewähren, das Sprichwort: Unglück +ist doch zu etwas gut. +</p> + +<p>Man liest in einem gereimten Gedichte +des zwölften Jahrhunderts diese zween +Verse: +</p> + +<div class="poem"> +<p class="line">Felix, atque ortu vere dicenda beato,</p> +<p class="line">Vivere quæ potuit leproso juncta marito.</p> +</div> + +<p class="noindent">Indessen das Gesetz verordnete, diese armen +Leute aus ihrem Hause zu jagen, bestrebte +sich so die Natur, ihnen die Mittel zu bieten, +<!-- page 056 --> +wie sie da mit Ehren bleiben konnten. +Dieß ist nicht das einzigemal, wo die Gesetze +und die Natur sich mit einander im Widerspruche +fanden. +</p> + +<p>Ein sehr berühmter Arzt hat durch einen +schönen Schluß erwiesen, daß von dem Aussatze +diese Wirkung nothwendig erfolgen müsse. +Die Kakomonade hat diesen Vortheil bei +weitem nicht. Man kann also schließen, daß +sie miteinander nichts gemein haben. +</p> + +<p>Die einzige Aehnlichkeit, die ich an ihnen +sehe, ist, daß sie alle beide nach eben so +ungerechten, als blutigen Feldzügen in Europa +überpflanzet worden sind. Die Kreuzzüge, +und die Verheerung der Insel Hispaniola +sind die Epochen der zwoen größten Plagen, +mit denen das Menschengeschlecht seit +der Erbsünde her in Europa heimgesucht worden +ist. Es scheint, ob hätte die Natur den +Ländern, die wir usurpiren wollten, vorsetzlich +<!-- page 057 --> +um uns zu strafen etwas mitgetheilet, +womit sie das Blut ihrer unbarmherzigen Eroberer +anpesten sollten. +</p> + +<p>Dennoch wird uns dieß Beispiel nicht +bessern. Man spricht von unentdeckten Ländern, +von neuen noch unbekannten Welten +an der Süderseite. Der Geiz ist auf dieses +ihm so schmeichelhafte Gerücht schon aufgewacht. +Man hat sich gewagt, sie zu suchen. +Die Nebel, und vielleicht das Mitleid der +Vorsicht haben uns ihnen bisher entzogen. +Man darf alles welten; wenn wir sie je entdecken, +so führen wir dort unsere Habsucht, +und unsere Grausamkeit ein, und sie beschenken +uns zur Wiedervergeltung mit einer dritten +Plage, womit wir sehr sorgfältiglich unser +Klima zu bereichern suchen werden. +</p> + +<p>Dem sei, wie ihm wolle; aus dem Vorhergehenden +sieht man übrigens, daß die Kakomonade +in Rücksicht unser kein gar grosses +<!-- page 058 --> +Alterthum hat. Wie sehr man sich auch bestrebt, +die Ehre ihrer Geburt den frühern Jahrhunderten +zuzueignen; so setzen sich Vernunft und +Wahrheit dagegen. Alle Vernünfteleien, und +alle Erzählungen in dieser Hinsicht sind falsch. +Keine ist gegründet, außer derjenigen, welche +die Rückkunft des Christophorus Kolumbus +in Europa als den Zeitpunkt angiebt, +in welchem die Vergnügungen der Liebe da +gefährlich zu werden begannen. +</p> +<!-- page 059 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-9"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Siebentes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Ob gewisse Vorschriften, die eine große +Königinn einem ordentlichen +Hause gab, die vorstehende Behauptung +über die Epoche der +Kakomonade umstossen können?</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">B</span>ei der Unternehmung dieses wahrheitvollen +Werkes machte ich mir die genaueste +Aufrichtigkeit zum Gesetze. Daher muß ich +selbst jene Dinge anführen, die meinem Sisteme +entgegen zu stehen scheinen. Nun +scheint dieß durch gewisse Vorschriften erschüttert, +die um das Ende des vierzehnten +Jahrhunderts von einer großen tugendvollen +Königinn einem erbaulichen Hause gegeben +worden sind. Ich hielt für gut, sie +<!-- page 060 --> +vollständig anzuführen, damit jene, die etwa +versucht werden möchten, sie zu lesen, +sich desto besser unterrichten könnten. +</p> + +<h3 class="sub">Vorschriften, welche die Königinn +Johanna die Erste, Königinn +beider Sizilien, und Gräfinn von +Provence einem Mädchenkloster +zu Avignon gegeben hat.</h3> + +<h3 class="no">1.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">I</span>m Jahre tausend dreihundert sieben und +vierzig hat unsere gute Königinn Johanna +erlaubet, in Avignon ein B — — — zu erbauen. +Sie will nicht, daß alle galanten +Weibsleute sich in der Stadt ausbreiten; sondern +sie befiehlt, sich in dem Hause verschlossen +in halten, und, um kennbar zu seyn, auf +<!-- page 061 --> +der linken Achsel ein rothes Nestel zu tragen. +</p> + +<h3 class="no">2.</h3> + +<p class="noindent">Item: Wenn einem Mädchen eine +Schwachheit zustieß, und sie sich mehrere erlauben +will, so soll der erste Gerichtsdiener +sie, unter dem Arme bei dem Schlage der +Trommel mit dem rothen Nestel auf der +Achsel, durch die Stadt führen, und sie zu +den übrigen in das Haus einquartiren; Er +soll ihr verbieten, sich außer dem Hause in +der Stadt sehen zu lassen, unter der Strafe, +daß sie das erstemal heimlich gepeitscht, +das zweitemal öffentlich gepeitscht, und auf +den Schub gegeben werden würde. +</p> + +<h3 class="no">3.</h3> + +<p class="noindent">Unsere gute Königinn befiehlt, das +Haus soll in der Gasse der gebrochenen Brücke, +nahe am Kloster der Augustinerbrüder +<!-- page 062 --> +bis zum steinernen Thore erbauet werden, +und an der nämlichen Seite eine Thüre haben, +wo Jedermann hindurchgehen, die +man aber doch mit einem Schlüssel versperren, +könne, damit die Jugend die Mädchen +nicht zu besuchen vermöge, außer mit der Erlaubniß +der Äbtissinn, oder Vorsteherinn, die +alle Jahre durch die Bürgermeister ernennt +werden soll. Sie soll die Jugend ermahnen, +kein Aufsehens zu machen, und die Mädchen +nicht zu kränken. Sonst würde sie, bei der +mindesten Klage, die sich gegen sie erheben +würde, mit dem Schritte aus dem Haufe, +durch den Gerichtsdiener in Verhaft geführet +werden. +</p> + +<h3 class="no">4.</h3> + +<p class="noindent">Die Königinn will, daß alle Sonnabende +die Superiorinn, und ein von den +Bürgermeistern abgeschickter Barbier alle +Mädchen, die sich in dem B — — — befinden +<!-- page 063 --> +werden, visitiren soll; und findet +sich eine darunter, für welche dieß Metier +verdrüßliche Folgen gehabt hat; so soll diese +von den andern abgesondert, sie soll in einem +abgelegenen Orte eingewohnt werden, +damit Niemand zu ihr könne, und man +bei der Jugend gewisse Zufälle verhüte. +</p> + +<h3 class="no">5.</h3> + +<p class="noindent">Item: So sich ein Mädchen fände, +das schwanger würde, da soll die Vorsteherinn +wachen, daß sie ihre Frucht nicht abtreibe; +auch soll sie die Bürgermeister davon +berichten, damit sie das Kind versorgen. +</p> + +<h3 class="no">6.</h3> + +<p class="noindent">Item: Die Vorsteherinn soll am Charfreitag, +und Charsamstag, wie auch an dem +glorreichen heiligen Ostertag Niemanden +den Eintritt in das Haus gestatten, bei +<!-- page 064 --> +Strafe der Kassazion, und öffentlichen Stäupung. +</p> + +<h3 class="no">7.</h3> + +<p class="noindent">Item: Die Königinn will, daß die +Mädchen alle unter einander ohne Zänkereien +und ohne Eifersucht leben; daß sie sich +nichts entwenden, und sich nicht raufen, +sondern sich wie Schwestern lieben sollen. +So eine Klage entsteht, so hat die Vorsteherinn +sie unter sich zu vergleichen, und sie +sollen schuldig seyn, auf ihren Ausspruch +sich zu beruhigen. +</p> + +<h3 class="no">8.</h3> + +<p class="noindent">Item: So ein Mädchen einen Diebstahl +begangen hat, da soll die Vorsteherinn +sie das Gestohlene in Güte zurückgeben heißen. +Sollte sich die Diebinn der Zurückgabe +weigern, so wird sie das erstemal von einem +Gerichtsdiener auf einem Zimmer, im +<!-- page 065 --> +Rückfalle aber durch den Scharfrichter in der +ganzen Stadt gestäupet werden. +</p> + +<h3 class="no">9.</h3> + +<p class="noindent">Item: Die Vorsteherinn soll keinen Juden +annehmen. Im Falle sich einer fände, +der sich durch List hineinstähle, und mit einem +der Mädchen bekannt wäre, der soll +eingezogen, und dann öffentlich durch die +Stadt gepeitschet werden. +</p> + +<p class="tb"> </p> + +<p class="noindent">Wenn man den letzten Artikel liest, +so kann man nicht genug die Delikatesse des +Sammlers der Gesetze bewundern. Er +wollte die ungläubigen Juden eines Hilfsmittels +berauben, welches für die gläubigen +Christen bereitet war. Vielleicht wollte +er diese verirrten Unglücklichen wie wilde +Thiere behandeln, die man mit Hunger +<!-- page 066 --> +und Durst bändiget. Das wäre ein seltsamer +Weg, sie in den Schooß der Kirche zu +führen. Doch, man weis es ja; es gab +Jahrhunderte, wo man allerhand Wege einschlug, +um das Herz des Menschen zu unterjochen. +</p> + +<p>Wie Johanna diese so nützliche Einrichtung +machte, mochte sie beiläufig drei und zwanzig +Jahre haben. Vielleicht wird man schwer +glauben wollen, daß eine Prinzessinn von +diesem Alter darauf bedacht gewesen sey, +sich zur Gesetzgeberinn einer derlei Stiftung +zu machen. Aber, wenn man dabei bedenkt, +daß diese schöne Königinn damal schon einen +Ehemann, der ihr mißfiel, aufhängen ließ; +daß sie dreien anderen, derer sie nach und +nach müde ward, das nämliche Schicksal +bestimmte; daß sie in der großen, Kunst, +sich so von eckelhaften Männern zu befreien, +keine ihres Gleichen hatte, als die Königinn +Maria Stuard, deren Tod den Umstehenden +<!-- page 067 --> +Thränen erzwang, und die ganze Christenheit +auferbaute: — so wird man weniger +erstaunen, daß sich Johanna so frühzeitig +mit den Vergnügungen ihrer Unterthanen +beschäfftigt habe. +</p> + +<p>Uibrigens waren die Gesetze, denen sie +die Werkzeuge derselben unterwarf, sehr weise; +und es wäre zu wünschen, daß man sie +überall annähme, und daß unter andern die +Visitation nicht vergessen würde. Denn die +menschliche Schwachheit scheint einmal doch +von den Fürsten einige Nachsicht, besonders +aber ihre Aufmerksamkeit auf die Erleichterung, +die man ihr bereitet, zu erheischen. +Und sie sind auch im Gewissen verbunden, +sorgfältig zu wachen, um bei der Jugend gewisse +Zufälle zu verhüten. +</p> + +<p>Diese Untersuchung scheint dem, was +ich bisher gesagt, zu widersprechen, und die +Epoche der Kakomonade früher anzusetzen. +<!-- page 068 --> +Wenn man schon seit dem vierzehnten Jahrhunderte +mit den öffentlichen Lustmädchen +sich in Acht nehmen mußte, so folgt daraus, +daß auch ihre Waare schon eine koagulirende +oder korrosive Wirkung an sich hatte. Und +so könnte man vermuthen, daß sie schon seit +jener Zeit der Unbequemlichkeit unterworfen +waren, die hier der Gegenstand unsrer tiefsinnigsten +Untersuchungen sind. +</p> + +<p>Unterdessen sieht man, wenn man es +recht erwägt, daß aus diesem Zuge der Geschichte +sich gegen meine Grundsätze kein +Widerspruch ergiebt. Bürge dafür ist +mir der hochgelehrte Arzt, der mir einen +Theil der seltsamen Bemerkungen an die +Hand gab, mit denen mein Buch bereichert +ist. Er beweiset bis zur Evidenz, daß der +vierte Artikel der Königinn Johanna jene, +die mit mir gleich denken, nicht aus der +Fassung bringen darf. Vor dem fünfzehnten +Jahrhundert konnten die Gegenstände +<!-- page 069 --> +der Zärtlichkeit dieser schönen Königinn andern +Ungemachen ausgesetzt seyn, als diejenigen +sind, die durch eine unbekannte Ursache +auf San Domingo hervorgebracht wurden. +</p> + +<p>Man weis zur Gnüge, daß auch noch +in unsern Tagen die Kakomonade nicht die +einzige gefährliche Macht ist, welche an solchen +Orten, wie jene waren, die die Gräfinn +von Avignon in ihren Schutz nahm, +herrschet. Nichts also kann die Feste meiner +Grundsätze erschüttern. Es ist evident, +daß bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts +die Vergnügungen wenig ansteckend +waren. Man konnte sich ihnen noch ohne +viele Furcht überlassen, als ein Italiäner es +für gut fand, die Kakomonade Europen, +und durch Europen der ganzen Welt mitzutheilen. +</p> +<!-- page 070 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-10"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Achtes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Einführung der Kakomonade in Europa, +und in Frankreich.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">D</span>reihundert Jahre sind es, daß uns ein +Genueser das Glück verschaffte, Amerika zu +kennen. Man ist nicht im Stande, sich genug +bei den Vortheilen aufzuhalten, die uns +daraus zugeflossen sind. Diese Entdeckung +brachte uns das Vergnügen zu Wege, auf unsern +Kleidern Tressen zu tragen, und um das +Dreifache mehr für das Brod — zu bezahlen. +Seit diesem glücklichen Augenblicke +ists, daß unsre Frauenzimmer Papageien, +und unsre Matrosen den Scharbock haben. +Seit dieser Zeit fand man sich in Europa in +den Stand gesetzt, Jahr für Jahr nach allen +Regeln zweimal hundert tausend Menschen +<!-- page 071 --> +zu erwürgen, anstatt, daß zuvor die durch +das Kriegs- und Völkerrecht gesetzgekräftigten +Massakres sich höchstens auf beiläufig +sechzig tausend beliefen. +</p> + +<p>Das erste Schiff, welches so, mit den +Produkten der neuen Welt befrachtet, in +Spanien anlandete, erregte da ein allgemeines +Erstaunen. Man ward nicht müde, die +Helden zu bewundern, welche so weit her, +und mitten durch so große Gefahren, neue +Quellen für die Glückseligkeit des Menschengeschlechtes +geholet hatten. Man ward entzückt, +da man die Frucht ihrer Arbeiten erblickte. +</p> + +<p>Auf dem Verdecke, und an den für das +Auge angenehmsten Orten nahm man kurze +Gewänder von rothen Federn wahr, die mit +dem Blute der Indianer gemalet waren; +Ohrringe, an denen die Spitzen der Ohren +hiengen, von denen man sie abgerissen hatte; +<!-- page 072 --> +Ringe, die man sammt den Fingern +ihrer vormaligen Besitzer mit übergeführet +hatte; goldne Nasenringe sammt den Nasen, +die lange Zeit damit sich gebrüstet hatten. +</p> + +<p>Die Argonauten des sechszehnten Jahrhunderts +pochten mehr auf Muth, als auf +Geduld, um sich desto geschwinder den +Schmuck der Karaiben zuzueignen, raubten +sie mit einem den Schmuck, und den Theil +des Körpers, an dem er befestiget war, ab. +Alles, was die Ehre hatte, mit Golde bedeckt +zu seyn, blieb sammt seiner Zierde unter +den Händen der Sieger. Dieß geschah, +um die Zeit zu ersparen, mit welcher die +Eroberer aller Jahrhunderte gewaltig geizten. +Diese Oekonomie both eine überflüssige +Ladung für ein Schiff, das nach Spanien +kam, um da die Beute aus einem andern +Welttheile auszukramen. +</p> +<!-- page 073 --> + +<p>Während dieses Schauspiel alle Augen +auf sich zog, ward man der Kakomonade, +die hinter so vielen kostbaren Gepäcken verborgen +lag, nicht gewahr. Sie machte sich +fertig, festen Fuß zu fassen, und wählte sich +schon ihre Wohnungen mitten unter dem +Haufen, der sie umgab. Sie hatte sich bald +ausgeschifft, und folgte dem Christoph und +Martin Kolumbus bis nach Hofe, wo eine +tugendhafte Königinn, Namens Isabelle, +den Thron besaß, von dem sie so eben ihren +Bruder herabgestossen hatte. +</p> + +<p>Diese weise Prinzessinn mit ihrem Gemahle, +dem aufrichtigen, großmüthigen +Ferdinand dem Katholischen, hatte dem Könige +von Neapel, ihrem Blutsfreunde geschworen, +ihn zu beschützen. In der Folge +fanden sie, daß es edler, anständiger, und +gerechter wäre, ihn auszuplündern. Sie +ließen also zu Barzellona zu diesem Felszuge +ihre Trouppen die Schiffe besteigen. +</p> +<!-- page 074 --> + +<p>Die Trouppen giengen unter Seegel +mit einer ganz neuen Gattung von Provisionen. +Einen Hauptartikel davon machte +die Kakomonade, ob sie gleich in die Verzeichnisse +der Proviantmeister nicht eingetragen +war. Sie reiste zu gleicher Zeit mit der +Armee. In Italien, dessen Landesgebräuche +ihr nicht günstig waren, machte sie Anfangs +schlechte Progressen. Aber zu ihrem +Glücke hatte sich Karl der Achte in den Kopf +gesetzt, den heiligen Vater Alexander den +Sechsten zu Rom zu besuchen. +</p> + +<p>Jedermann weis, wie unnütz, und +prächtig dieser Feldzug war. Die französischen +Ritter entwickelten da den wunderbarsten +und fruchtlosesten Heldenmuth. Reißenden +Fluges brachten sie Mailand, Florenz, +Rom, Neapel, und die Kakomonade +an sich; aber von allen Eroberungen, +war diese letzte, die sie am liebsten aufgegeben +hätten, die einzige, die ihnen blieb. +<!-- page 075 --> +Bei ihrer Heimkehr, überpflanzten sie sie in +ihr Vaterland, wo die französische Galanterie +sie mit allen Ehren empfieng; und dieß +war beinah der einzige Nutzen, der unsern +Verfahren aus einem so herrlichen Feldzuge +zufloß. +</p> +<!-- page 076 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-11"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Neuntes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Verschiedene Reisen der Kakomonade.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">I</span>ndessen die alte Bewohnerinn von Amerika +sich so unter dem Gefolge einer Menge +wackerer Krieger den Eingang in Frankreich +öfnete; entwischte sie von Zeit zu Zeit, um +auch in den übrigen Theilen der Erde Kolonien +anzulegen. Sie schwamm die Rhone +hinunter um in der Themse zu ankern. Sie +maß die Pireneen zurück, um queer durch Spanien +in Portugal zu eilen. Sie schifte sich +zu Lisabon ein, um von Goa Besitz zu nehmen, +den sie gemeinschaftlich mit der heiligen +Inquisition noch behauptet. +</p> + +<p>Von Kadix reiste sie nach Fez in Mauritanien +mit einigen Juden oder Mahometanern, +<!-- page 077 --> +welche der religiose Ferdinand, der +Katholische in seinem Reiche nicht dulden +wollte. Sie drang mitten durch die Sandberge +von Afrika bis zur Zone torrida ein. +Sie wagte sich ohne Furcht unter jene schrecklichen +Weiber der melindischen Küste. Sie +breitete sich aus von dem Ursprunge des Senegal +an bis zur Kafferei, und von Monomotapa +bis an die Mündung des Nil. Sie +wurzelte überall mit den Jesuiten, die dem +ungeachtet nicht ihre eifrigsten Missionarien +waren. Unermüdet, wie sie, aber in einer +andern Art, faßte sie geschwinder als sie in +den beträchtlichsten Wechselstuben Fuß. Sie +hinterließ einsichtige Faktoren, die sichs angelegen +hielten, die Anzahl ihrer lockeren +Gesellen zu vermehren. +</p> + +<p>Mit mehr Bequemlichkeit begab sie sich +durch Marseille nach Syrien und Aegypten. +Sie durchsuchte<a id="corr-5"></a> die morgenländischen Handelsplätze. +Die eisernen Gitter am Serail machten +<!-- page 078 --> +sie knirschen vor Zorn. Röthe überzog +ihr das Gesicht bei dem Anblicke von einem +Haufen Menschengestalten, die, nicht nur unfähig +sie mitzutheilen, sie nicht einmal anzunehmen +im Stande waren. Unterdessen fand +sie doch mittels der miethbaren Zirkassierinnen, +die hier nicht seltner, als anderswo +sind, und mit denen das Gesetz Mahomets +den Umgang den Unbeschnittenen eben sowohl +als den Gläubigen gestattet, einen Eingang +bis zu den<a id="corr-6"></a> stolzen Muselmännern von der +Sekte Omars. +</p> + +<p>Liebreich übersetzten sie diese zu den Ketzern +von der Sekte des Aly, welche sie führten +zu den Unterthanen des Mogul, die da +anbeten den Brama und den Visthnu, welche +sich Mühe gaben, sie mit Binsen zu versehen, +um sie nach Makao und Nangazoni +zu den Theologen des Fo und des Kaka zu +übersetzen. +</p> +<!-- page 079 --> + +<p>Auf ihrem Wege stieß sie an die Küste +von Malabar. Sie nahm in den Philippinen +und Moluken unter dem Schatten der Ananas +und Kokusbäume Erfrischungen zu sich. +Sie nährte sich da von Mußkatnißen, und +Zimmet. Nachdem sie so die Ende der Welt +durchwandert hatte, betrachtete sie mit Bewunderung +den weiten Bezirk ihrer Macht. +</p> + +<p>Es giebt, sagte sie mit Entzücken, rothe +und erzfärbige, milch- und pomeranzenfärbige, +aschgraue und kohlschwarze Menschen, +und all das gehört mein. +</p> + +<p>Man findet ihrer, die mit dem Safte +von Trauben, von Aepfeln oder von Gerste, +der durch die Gährung sauerte, sich berauschen; +andere, die mit eben diesem Safte, +den sie durch das Feuer distilliren, sich leckerhaft +vergiften; andere die einen braunen, +und ungesunden Staub in die Nase stopfen; +andere, die mit Baumblättern Kalk fressen; +<!-- page 080 --> +andere, die ihre Nachbarn stäupen, oder erwürgen +lassen; und all das gehört mein. +</p> + +<p>Man sieht Weibsleute, die sich kaleinirtes +Bley über das Gesicht schmieren; andre, +die sich die Wangen, oder Arme mit Indigo, +färben; andere, die ihren Hals zeigen; +andere, die nichts, als allein ihren Hintern +bloß tragen; andere, die sich parfümiren, +und frisiren, um Liebhaber an sich zu locken; +andere, die dieselben, wenn sie sich zu gewissen +Zeiten bei ihnen aufhalten, mit der Pest +beschenken; und all das gehört mein. +</p> + +<p>O tapfrer und berühmter Christoph Kolumbus! +o ihr meine getreuen, und vielgeliebten +Kastilianer! ewiger Segen sey mit +euch, die ihr mein Geschlecht, wie den Sand +am Meere, und meine Nachkommenschaft +wie die Sterne am Himmel vermehret habt. +Mögen die Schätze, des Potosi für euch so +unerschöpflich werden, wie die meinigen! +<!-- page 081 --> +möchtet ihr unaufhörlich eben so die Stützen +meines Reiches seyn können, wie ihr die ersten +Verbreiter desselben waret! +</p> + +<p>Nachdem sie sich so von ihrer Dankbarkeit, +und von ihren Eroberungen Rechenschaft +gegeben hatte, begab sich die Kakomonade +auf den Weg, um neue zu machen, oder +um die alten fester zu gründen; Das Fuhrwerk, +dessen sie sich bediente, war sanft. +Kein Wunder, daß sie nach so langwierigen, +und so schnellen Reisen dennoch +im Stande war, nach Frankreich zurückzukommen, +das sie zum Mittelpunkte ihres +Reiches bestimmet zu haben schien. +</p> + +<p>Man muß nicht vergessen, daß sie bey +jeder ihrer Wanderschaften die Kleidungsart, +und den Namen der Nation annahm, +von welcher sie abreisete. In Frankreich war +sie eine Neapolitanerinn, zu Neapel und Madrid +eine Französin, zu Lisabon eine Kastilianerinn, +<!-- page 082 --> +zu Nangazaqui eine Portugiesinn, +zu Ispahan eine Türkinn, und zu Konstantinopel<a href="#footnote-6" id="fnote-6"><sup>6</sup>)</a> +wieder eine Französinn. Vielleicht +<!-- page 083 --> +giebt es nichts so schönes, als der Anblick ist, +wie sie über Gebirge und Meere setzte, sich +vom Adamspik auf die Spitzen des Imaus +schwang, und von den Ufern von Kalifornien +nach Madagaskar flog. Wir glaubten, +daß dieses Schauspiel wenigstens sein Kapitel +verdiente. +</p> + +<!-- page 084 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-12"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Zehntes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Von dem Ursprunge der Perücken.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">W</span>ir sahen die Kakomonade durch eine schöne +Pforte in Frankreich eingehn. Sie säumte +nicht, der ganzen Nation Beweise ihrer +Dankbarkeit zu geben. Sie breitete sich daselbst +bis zum Uebermaaß aus. Wenn man +den Geschichtbüchern der damaligen Zeit +Glauben beimessen will, so nahm sie F — — +E — — — sich zur Seite auf den Thron. +Es kostete ihn nur fünfhundert Thaler, sein +Zäpflein, und die Haare. Doch fand er bald +Ersatz für sein Leisereden, und um sich das +Haupt wohl zu bedecken. +</p> + +<p>Die erfinderischen Köpfe, womit Frankreich +von jeher angefüllt war, litten es nicht +<!-- page 085 --> +lange, daß ihr König so weit gebracht seyn +sollte, keine andere Koeffüre, außer einer +Schafmütze zu haben. Sie machten bald eine +weit edlere, deren Stof vom Menschen selbst +genommen war. Geschickte Hände verfertigten +jene sinnreichen Zöpfe, welche dem +Werke der Natur nachahmend die schmucklose +Glatze einer Hirnschaale mit einem Walde +von Haaren besetzen, die sie selber nicht +hervorgebracht hat. +</p> + +<p>Es hat Jemand gesagt, wenn ein König +einäugig wäre, so könnte unter den Hofleuten +leicht die Mode aufkommen, nur ein +Aug zu tragen. Das Beispiel F — E — +war nicht so schwer, nachzuahmen. Er hatte +das Vergnügen, seine Unterthanen in +die Wette ihm folgen zu sehn. Wenige Zeit +darauf sah man von der Rhone an bis zur +Maas keine andern, als falsche Haare, und +vernahm keine anderen, als erstickte Stimmen. +</p> +<!-- page 086 --> + +<p>Seit dem hatten wir Könige, welche +ihr Zäpflein nicht verloren, und derer Stimmen +sich wieder eingefunden haben; dennoch +sind die Perücken ungeachtet aller Verfolgung +der Geistlichkeit geblieben. Diese hoch- und +wohlehrwürdigen Glieder der Kirche schienen +lange Zeit über die Unanständigkeit, welche +sie hervorgebracht hat, entrüstet. Sie untersagten +allen ihren Dienern den Gebrauch +derselben, und es ist noch nicht lange, daß +ein kahlköpfiger Priester nur mit vieler Mühe +von seinem Erzbischofe die Erlaubniß erhielt, +sich dieses Hilfsmittels, das erfahrnern +Personen noch verdächtig scheinen kann, +unschuldig zu gebrauchen. +</p> + +<p>Die Noth hat in der Folge die Laien +nachsichtiger gemacht; allein die Mönche haben +den nicht gar ehrsamen Ursprung der Perücken +nicht vergessen. Sie sind noch itzt aus +allen Klöstern verbannt, oder wenigstens +doch aus jenen, die da einen großen Geruch +<!-- page 087 --> +von Regelmässigkeit von sich geben +wollen. +</p> + +<p>Die Karmeliter, die sich wegen ihres +Standes, und aus freier Willkühr der +Keuschheit weihn, duldeten unter sich nicht +einen Haarschmuck, der seinen Ursprung nicht +ihr zu danken hat. Die Kapuziner, zufrieden, +natürliche Haare in ihrem Gesichte zu +tragen, achteten nicht darauf, sich erborgte +auf den Kopf zu pflanzen. Die andern Mendikanten, +der Mässigkeit, und ihrer Regel +getreu, wie die Franziskaner, oder der Nettigkeit +ergeben, wie die Baarfüsser &c. wollten +ein Gut nicht haben, von dem der große +heilige Franz nie etwas gewußt hat. +</p> + +<p>Vielleicht fürchteten sie, der Gebrauch +desselben möchte den Verdacht erregen, als +hätten sie ebenfalls Wundmaalen von einer +andern Art, als jene ihres verehrungswürdigen +Patriarchen waren. Vielleicht auch schreckte +<!-- page 088 --> +sie der Gebrauch des Kammes ab, dessen +ein geschorener Kopf entübriget ist. Wenigstens +ist gewiß, daß sie ohne alle Unruhe +kunstverständige Barbierer bei den Bäurinnen +in den Dörfern die Schur vornehmen +sehn; und wenn sie diese allein, oder abseits +antreffen, so sind es niemal Haare, was sie +sich von ihnen erbitten wollen. +</p> + +<p>Indessen war diese ausgemachte Verachtung +dennoch ihrem Gegenstande nicht schädlich. +Die Perücken, durch ein königliches +Bedürfniß veranlaßt, scheinen dadurch in +den Augen der europäischen Nazionen nur +veredelt worden zu seyn. Lange Zeit maß +man ihr Volumen nach der Würde, oder +Fähigkeit des Gegenstandes ab, welcher sich +damit schmücken sollte. Vorzüglich bei Hofe +schätzte man diese Art, den Werth der Menschen +zu bestimmen, hoch. Man konnte versichert +seyn, daß eine Masse Haare von drei +Schuhen in das Gevierte ein erhabneres +<!-- page 089 --> +Verdienst ankündigte, als dasjenige war, +das nur eine Masse von zween Schuhen bestimmte. +</p> + +<p>Diese Zeit war die Zeit unsrer Herrlichkeit. +Es scheint, als wäre die Ehre unsrer +gegenwärtigen Reiche, gleich der Stärke +Samsons, mit geheimnißreichen Zöpfen verbunden +gewesen, vor denen das Schwert +Ehrfurcht haben sollte. Wir haben gestattet, +daß die unheilige Scheere der Philistäer sie +berührte. Die Mode, als eine zweite Dalila, +legte ihre Hand an die erhabenen Hüllen, +welche den Augen des gemeinen Mannes +die Weisheit, und den Tiefsinn der Bemerkungen +unsrer Väter entzogen. +</p> + +<p>Man weis auch, was daraus entstanden +ist. Nach dieser fatalen Operazion wachten +unsre itzigen Völker auf ohne Stärke, und +ohne Herzhaftigkeit. Seit dem die kleinen +Perücken auf den Köpfen sitzen, brachten sie +<!-- page 090 --> +denselben nur kleine Einsichten hervor. +Die leichten Haaraufsätze ließen die Substanz +evaporiren, welche zuvor die weiten Hauptdecken +da nährten. Von der Zeit an haben +sich unsre Gehirnchen volatilisirt, so wie sich +bei ungeschickten Distillirern die Geister flüssiger +Körper zerstreuen, wenn der Helm und +die Distillirflasche nicht recht wohl verpichet +sind. +</p> + +<p>Das Gebieth der Perücken hat sich also +vermindert; aber die Macht ihrer Mutter +hat es sich nicht. Mit jedem Tage sieht man +noch ihre Fortschritte sich vermehren. +</p> + +<div class="poem"> +<p class="line">Der Arme dessen Hütte Stroh und Rohr bedeckt,</p> +<p class="line2">Erkennet ihre Macht;</p> +</div> + +<div class="poem"> +<p class="line">Sie wird vom Krieger, nicht vom Thor der Burg verschreckt,</p> +<p class="line2">Wo der des Königs wacht.</p> +</div> +<!-- page 091 --> + +<p class="noindent">Aus dem Vorhergesagten sieht man, daß die +Kakomonade ein gemeinschaftlicher Feind ist, +wider den man sich zu vereinigen hat. Sie +macht sich gleich feindlich an den Szepter, +und an den Hirtenstab. Der Szepter und +der Hirtenstab also müssen gleich eifrig zusammen +stehn, sie aus dem Felde zu schlagen. +Zu diesem Endzwecke hat man schon +verschiedene Mittel versucht, aber alle wenig +wirksam, alle unzureichend. +</p> +<!-- page 092 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-13"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Eilftes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Hilfsmittel, derer man sich gegen die +Anfälle der Kakomonade bedient. +Warum nicht die Aerzte den +Kampf mit ihr wagen?</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">D</span>ie Geschichte erzählt, daß bei der ersten +Schlacht zwischen den Römern und Griechen, +diese, da sie die Sieger blieben, sich zur Unterhaltung +mit der Untersuchung der Wunden +beschäftigten, welche ihre Kriegsgenossen, +die im Gemenge umgekommen waren, +empfangen hatten. Sie entdeckten gespaltene +Köpfe, abgehauene Arme, und an Brust, +und Rücken durchschossene Körper. Die +Geschichte setzt hinzu, daß so, wie ihre Waffen +sie nur etwas aufritzten, sie den Gedanken +<!-- page 093 --> +nicht aushalten konnten, sich mit Leuten +zu schlagen, die solche Hiebe austheilten. +Der bloße Anblick eines italiänischen +Säbels machte in der Folge sie zittern; und +dieser Schrecken, trug nicht wenig bei, ganz +Griechenland der Macht der Römer unterwürfig +zu machen. +</p> + +<p>Man kann sagen, daß es bei der Ankunft +unsrer Reisenden das nämliche Bewandniß +hatte. Die Doktoren hatten sich +mit den Bürgerinnen unsrer Himmelsstriche +vertraut. Sie kurirten ohne Anstand die +Unverdaulichkeiten, die Fieber, und andere +Krankheiten, welche durch unsere Wehen +ihre Glücksgüter befestigten. Aber das Vertrauen +auf ihre Kunst fiel bei dem Anblicke +eines Gesichtes, wovon Hyppokrates keine +Züge anatomirt hatte. Bei der Herannäherung +dieses furchtbaren und unbekannten +Feindes sah man sie die Flucht ergreifen. +</p> +<!-- page 094 --> + +<p>Es ist wahr; ihre Gegenwart kündigte +sich durch etwas schreckliche Zeichen an. Man +ließ seine Nase im Schnupftuche zurück. Man +spuckte seine Zunge aus, und die Drüsen, +die sie stärken. Wenn man einen Stein +werfen wollte, so erstaunte man, daß man +seinen Arm hinweggeschleudert habe. Man +fand sich ganz in den Zustand der Wächter +des Serails versetzt, denen die Vorsicht der +Türken das Vermögen nimmt, auch nur den +Schatten eines Verdachts erregen zu können. +Man sah eine so schreckliche neue Erscheinung +als die stärkste Waffe des Todes an. Man +überredete sich, das Menschengeschlecht sei +durch diese neue Art, mit der es angegriffen +wurde, seinem Untergange nahe gebracht. +</p> + +<p>Um das Maaß der Furcht vollzufüllen, +bildete man sich ein, sie wäre so ansteckend +als die Pest. Man wußte nicht, daß es nur +eine Art gäbe, sich ihr auszusetzen, und daß +<!-- page 095 --> +man immer die Freiheit hätte, sich davor zu +verwahren. Das Mißtrauen war in die ganze +Gesellschaft verbreitet. Jeder zitterte für +seine Person. Unbarmherzig entfernte man +sich von den Unglücklichen, die damit geschlagen +schienen. Gleichzeitige Schriftsteller +gestehen, daß viele davon, welche man aus +allgemeiner Furcht verlassen hatte, in der +Tiefe der Wälder zu Grunde giengen. +</p> + +<p>In dieser allgemeinen Beklommenheit +verlor die Fakultät ihren Kopf, Eskulap, +aus seiner Fassung gebracht, hörte auf, Orakelsprüche +zu geben. Das war keiner jener +Augenblicke mehr, wo mit lauem Wasser, +und einem Strome von Beredtsamkeit ein +Doktor aus der Kraft der Natur sich seine +Ehre machen konnte. Hier blieb sie in der +Unthätigkeit; sie wurde auf der Stelle überwältigt. +Mit großem Geschrei rief sie die +Kunst zu Hilfe, und die betroffene, gedemüthigte +Kunst konnte nur ihr unnützes Mitleid +<!-- page 096 --> +an sie verschwendet. Es fiel ihr gar +nicht ein, eine Gegnerinn zu verfolgen, die +sie sich nicht einmal zu besichtigen wagte. +</p> + +<p>Unterdessen wurde mit der Zeit durch +die Gewohnheit ans Schauspiel sein Eindruck +vermindert. Leute ohne Namen, Scharlatane, +frecher, oder gewinnsüchtiger, als die +Doktoren, fanden sich zu einem Kampfe ein, +dessen Sieg sie treflich bereichern müßte. +Für den Erfolg konnten sie nicht stehen, aber +wenigstens brachten sie doch die Hofnung +aufs Geld. +</p> + +<p>Man machte Versuche; man wagte Eintrichterungen +von Säften; man erholte sich +bei chymischen Zubereitungen Raths; man +zog China und Amerika zur Steuer; man +bannte den Hyppokrates ins Leben; dennoch +erhielt man keine Kenntnisse, und zankte sich +schon mit vieler Hitze über die Mittel, sich +dieselben zu verschaffen. +</p> +<!-- page 097 --> + +<p>Endlich kam bei dieser Gelegenheit, wie +bei allen andern, das Ungefähr der Wissenschaft +zu Hilfe. Man hatte eine flüßige +Materie unter den Händen, weiß wie Silber, +und schwerer, als es; aber bekannt, +durch ihre Eigenschaft, sich an die andern +Metalle anzuhängen, und selbst unter die +Metalle gerechnet, ohne daß man viel wußte, +warum. Niemand konnte sich einfallen +lassen, daß dieß mit Fette abgetrieben, und +auf die Haut gelegt, oder mit andern Ingredienzien, +die seine Wirksamkeit mäßigen +konnten, vermischt, und zu trinken gegeben, +den glücklichen Erfolg haben sollte, diese +Fremdlinginn, deren Aufenthalt ihren Gastfreunden +so verderblich war, zur Flucht zu +zwingen. +</p> + +<p>Wirklich behauptet man, daß manche +sehr erfahrne Araber in einigen Umständen +sich dessen schon bedienet haben. Sie brauchen +es, sagt man, um die Läuse zu tödten, +<!-- page 098 --> +um die Zittermaale zu vertreiben, um das +Jücken, und andre Krankheiten der Haut +zu stillen. Aber in Europa wußte man von +ihrer Methode nichts. Und hätten auch +Avicenna, oder Serapion davon geredet, so +wars darum unsern Vorfahren um nichts +leichter zu errathen, daß das, was gegen +die Läuse gut war, es auch gegen die Kakomonade +sey. Was man übrigens Gewisses +weis, ist, daß die Entdeckung davon gemacht +wurde, daß man sie annahm, und daß sie +von glücklichem Erfolge war. +</p> + +<p>Der Ruf davon säumte nicht, sich zu +verbreiten. Von allen Seiten nützte man +es. Das Sonderbare dabei war, daß sich +die Fakultät mit all ihrer Macht dagegen +setzte. Es war nicht ihr Wille, daß man +ein Hilfsmittel suchte. Sie schien nach ihrer +Gewohnheit nur dazu mit Muthe gewaffnet, +um das Gefundene zu bekämpfen. Ganz +Europa erscholl von den Deklamazionen gegen +<!-- page 099 --> +dieses nützliche Fluidum, das sie bloß in +die Barometres verbannet wissen wollte. Es +stand nicht bei ihr, daß sich nicht die Obrigkeit +ins Mittel legte, um den Gebrauch davon +zu verbieten. +</p> + +<p>So sah man die Brechmittel heftig von +den Vorfahren derjenigen verschrien, die sie +heut zu Tage verordnen. So donnerte man +mit der größten Entrüstung wider die Chinarinde, +wider die Ipekakuana &c. auf eben +jenen Lehrstühlen, wo man itzt ihre Heilkräfte +mit Enthusiasmus zergliedert. So +fand in unsern Tagen unter Leuten, die für +weise gelten, die Inokulazion unversöhnliche +Feinde. Zu Doktoren angenommene +Aerzte haben eine Schrift unterzeichnet, wo +man sagt, man sollte die Fremden auf ihre +eigene Gefahr die Probe damit machen +lassen. +<!-- page 100 --> +Schwerlich vielleicht würde man treffendere +Beispiele von Inkonsequenzen anführen +können, zu denen Leidenschaft und Stützköpfigkeit +sogar unterrichtete Leute bringen +können. Die Mode und Meinung sind in +allen Dingen die Königinnen der Welt; aber +das Quecksilber hatte durch seine Nützlichkeit +gewiß nicht verdient, ihrer Kaprize unterworfen +zu werden. +</p> + +<p>Man bestritt es nicht lange. Bald +darauf, nachdem man versucht hatte, ihm +den Stab zu brechen, sah man sich genötiget, +es zu gebrauchen. Die Fakultät, von dessen +Beistand versichert, wollte sich nun wieder +den Unglücklichen nahen, an denen sie auf +gewisse Art zur Verrätherinn geworden war. +Aber der Platz war erobert. Eine Nebenbuhlerinn, +von ihr lange Zeit verachtet, +hatte sich des Augenblicks ihres Schreckens +bemächtigt. +</p> +<!-- page 101 --> + +<p>Da die Zeichen des Unglücks, dem man +abhelfen sollte, sich von Aussen zeigten, und +die herrschende Fakultät sie zu fürchten schien, +so hatte eine andre, minder furchtsame, und +thätigere Fakultät sie sich zugeeignet. Diese +war die Erste, die mit einiger Methode den +Gebrauch des flüssigen Silbers wagte, das, +in den Händen der Empiriker, vielleicht eben +so viel böse, als gute Wirkungen machte. +Sie bemeisterte sich des Zutrauens des Publikums; +und als die andern, von ihrem +Schrecken zurückgekommen, einen Posten, +mit dem sie schalten zu können glaubten, +wieder einnehmen wollten, waren ihre Bemühungen +darum vergeblich. +</p> + +<p>Eine Miene, reicher als die von Peru, +öffnete sich hier. Die Usurpatoren behielten +bis auf den heutigen Tag das Recht, beinah +allein daran zu arbeiten. Die herrschenden +Doktoren sehen sich mit Verdruß von der +Quelle so vieler Reichthümer ausgeschlossen. +<!-- page 102 --> +Oft versuchen sies, sich dazu hinein zu stehlen; +aber man gestattet ihnen nicht, die kostbare +Komposizion zu verfertigen; welche die +Fremde ihres Thrones beraubt, und das +Geld der Kranken an sich zieht. Man erlaubt +ihnen bloß nur, über die Theorie zu +räsoniren, die nichts einbringt; nur am Einfahrt +der Mine läßt man sie landen. Man +gestattet ihnen, die Arbeiten, wenn sie es +können, aufzuklären; aber das Graben darinnen, +das allein nur Gewinnst trägt, ist +ihnen gänzlich untersagt. +</p> + +<h3 class="sub">Nachricht +der Verleger zum folgenden Kapitel.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">W</span>ir ersuchen delikate Augen vorläufig, das ganze +folgende Kapitel zu überschlagen, obgleich es +das lehrreichste im ganzen Werke ist. Ungeachtet +der Begierde, die Herr Panglos hatte, die Sache +<!-- page 103 --> +auf eine ehrbare Art zu verschleyern, so ist +es ihm vermuthlich nicht möglich gewesen, sie in +diesem Dialoge zu mildern, wo er uns das Gespräch +der redenden Personen anführt. Er würde +gegen die Wahrscheinlichkeit und Wahrheit verstossen +haben, wenn er an ihren Ausdrücken etwas +geändert hätte. Dennoch muß man darum +nicht glauben, daß sie empörend seyn. Sie haben +nur die in einer ähnlichen Materie unvermeidliche +Energie. Sies sind mit all der Behutsamkeit behandelt, +welche man von den zween erlauchten +Männern, die auf dem Schauplatz erscheinen, erwarten +kann. +</p> +<!-- page 104 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-14"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Zwölftes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Dialog zwischen einem Mandarin, +und dem Herrn Baron von Donnerstrunkshausen, +über den Gebrauch +des Quecksilbers in dem +Falle, von dem die Rede ist.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">D</span>as Metal, von dem so eben die Rede +war, ist unstreitig der einzige Damm, den +man den Einbrüchen der Kakomonade mit Nutzen +entgegen setzen kann. Es begnügt sich +sogar nicht damit, daß es ihre weitern Umsichgriffe +hemmt, sondern es dringt bis zu +ihrer Quelle ein. Es greift sie an, drängt, +und entwurzelt sie. Deßwegen ist es auch bei +weitem dem Golde vorzuziehn, das nicht +allein die Krankheiten nicht heilt, sondern +<!-- page 105 --> +im Gegentheile die Leichtigkeit vermehret, +sie alle an sich zu bringen. +</p> + +<p>Wenn man die Augen auf den folgenden +kurzen Dialog wirft, wird man einen Begriff sowohl +von seiner Wirksamkeit, als von den +verschiedenen Arten, es zu zubereiten, und +von ihren Folgen haben. Zween Männer +führen das Gespräch. Der Eine davon ist +eine von den litterarischen Magistratspersonen, +die man in China Kolaos nennt, und +die sich die Europäer, ohne davon den zureichenden +Grund zu wissen, beifallen ließen, +Mandarine zu nennen. Der zweite ist +der Sohn meines nochgeehrten Herrn, des +Herrn Baron von Donnerstrunkshausen. Ich +hatte das Vergnügen, ihn zu Peking wieder +anzutreffen, im Jahre unser Heils 1761. +Er fieng da an zu Würden zu steigen. Er +hatte mit einem Mandarin vom dritten +Range folgende Unterredung gepflogen, und +die Güte, sie mir mitzutheilen. +</p> +<!-- page 106 --> + +<p>Der Mandarin. — Guten Tag, Eure +Hochwürden. Ich ließ mich in meiner lakirten, +unausgezierten Sänfte hieherbringen. +Ich habe nur bloß dreißig Reuter bei +mir, und achtzehn Tambours. Haben Sie +mich entschuldigt darüber, ich wünschte Sie +inkognito zu sehen. +</p> + +<p>Der Baron. Wären wir wohl so glücklich, +Eurer Excellenz dienen zu können? +</p> + +<p>Mandarin. Ja, Sie können mir einen +großen Gefallen thun. +</p> + +<p>Baron. Wollten Dieselben in der pneumatischen +Maschine eine Katze den Geist aufgeben, +oder mit der elektrischen Nadel den +Donner ableiten sehn? +</p> + +<p>Mandarin. Nein, das führte mich nicht +her. +</p> +<!-- page 107 --> + +<p>Baron. Wollten Dieselben einiger Ballen +roher Seide, einiges alten Porzellan +los werden, und sie nach Europa schicken? +Es ist hohe Zeit, Eure Excellenz; ich möchte +es rathen. Sie werden bald im Preise +fallen, seit dem erfahrne Chimisten dieses +Geheimniß entdecket haben. +</p> + +<p>Mandarin. Das kümmert mich gar +nicht. +</p> + +<p>Baron. Wollten Sie etwa zur Beichte +gehn, und auf die Fürbitte des heiligen +Ignazius von Lojola, des seligen Franziskus +Regis, des großen heiligen Franziskus +von Gonzaga, der sich eine feuchte Leinwand +auf die Brust legte, damit ihm von der Liebe +Gottes sein Herz nicht in Flammen gerieth, +Verzeihung Ihrer Sünden erhalten? +</p> + +<p>Mandarin. Ei mein! Von all dem will +ich nichts. Sie sollen mich bloß nur lehren, +<!-- page 108 --> +was für eines Geheimnisses Sie in den andern +Ländern sich bedienen, wenn Sie die +— — — — haben. +</p> + +<p>Baron. Ach! ach! Eure Excellenz — +Wir! — Die? — — — Pfuy doch! — +</p> + +<p>Mandarin. Meiner Treue, Eure Hochwürden, +ich habe sie, ich, — wie ich mit Ihnen +rede. Nichts desto weniger habe ich alle meine +Prüfungen mit Ehren bestanden. Ich +ward bei dem grossen Konkurse im ersten Jahre +der Regierung Fontchins aufgenommen. +Ich führe den Pinsel so gut als Einer im +Kaiserthume: der Schönheit meiner Schrift +bin ich meine Stelle schuldig, und doch habe +ich die — — — — Warum sollten nicht auch +sie sie zuweilen haben? +</p> + +<p>Baron. Aber Eure Excellenz vergessen, +was für ein Kleid ich zu tragen die Ehre habe. +Man hat uns wohl in einigen Orten +<!-- page 109 --> +vorgeworfen, daß wir dem Menschen viele +Uibel zufügen; aber eines zu vertrauten Umganges +mit den Frauenzimmern hat man uns +nie geziehen. +</p> + +<p>Mandarin. Bei, meiner Seele! desto +besser für sie! Daß ich nicht auch immer so +klug war! So fände ich mich nicht in der +Verlegenheit, die mir itzt die Ehre Ihrer Gegenwart +verschaffet. Auf dem letzten Schiffe, +das Ihnen Purpurtücher, Rosenkränze, +Uhren, und Orgeln brachte, fand sich ein +sehr schönes Frauenzimmer. Haben Sie +nicht von ihr reden gehört? +</p> + +<p>Baron. Kein Wort. Wir kümmern +uns um so Neuigkeiten nicht. Es maskirt +sich der Teufel, Eure Excellenz, in dergleichen +Gesichter. +</p> + +<p>Mandarin. Mag seyn, aber da ist er +trefflich verkappt. In dem Augenblicke der +<!-- page 110 --> +Ausschiffung befand ich mich eben am Borde. +Ich sah dieses Frauenzimmer aus der Chalouppe +steigen. Sie hatte so ein schön +Stümpfnäschen! Ihre Augenlieder schloß +sie mit so viel Anmuth! Ihr Mund war so +schön gespalten, zog sich so angenehm durchschnitten +von einem Ohre zum andern! Und +einen Fuß, einen Fuß, Eure Hochwürden! +— Mein Daumen hätte ihren ganzen Pantoffel +ausgefüllt. Ich zweifle, ob man vom +Flusse der Unmöglichkeit an, bis zum Flusse +der Vergessenheit, je etwas schöners gesehen +habe. +</p> + +<p>Baron. Dennoch geht der Raum zwischen +diesen beiden Flüssen ziemlich in die +Länge. +</p> + +<p>Mandarin. Macht nichts. Wie ich +diesen kleinen Fuß sah, bewunderte ich die +Oekonomie der Natur. Welche Wonnen, +sagte ich bei mir selbst, wenn an allen +<!-- page 111 --> +Theilen die Verhältnisse genau beobachtet +sind! +</p> + +<p>Ich wurde bald gewahr, daß die Natur +dem Falle unterworfen sey, sich zu vergessen, +und ich wollte wünschen, ich hätte außer +über diesen Punkt, keine Erfahrung gemacht. +Die schöne Fremde wurde von einem Bootsknechte +gehohnneckt. So bald sie wußte, +ich sey der Gouverneur, bath sie mich um +Rache. Ich schlug ihr Bedingnisse vor; sie +nahm sie an. Ich ließ den Bootsknecht abstrafen. +Ich hielt mich für den glücklichsten +Menschen. Der arme Teufel hatte die +P — — —, und ich, geistlicher Vater, +ich bekam noch viel was ärgers. +</p> + +<p>Baron. Gott straft Eure Excellenz. Er +will nicht, daß man sich gegen das Weibsvolk +zu gefällig erzeige. Er hat gesagt: Non +moechaberis, und Sie leiden billig — — +</p> +<!-- page 112 --> + +<p>Mandarin. Ich weis nicht, geistlicher +Herr, ob es Gott ist, der mich krank gemacht +hat; aber das seh ich wohl, daß Menschen +mich gesund machen müssen. Unsere +Aerzte wollen mich nicht annehmen; man +sagt, Sie seyn sehr geschickt; Sind Sie es bis +auf den Grad, daß Sie mir ein Mittel hierinn +verrathen können? Ich nehme Ihnen sechs +und dreißig Dutzend Rosenkränze ab, und +gebe Ihnen hundert Pfunde Thee Peko, der +noch nicht gesotten worden seyn soll. +</p> + +<p>Baron. Gut, wollen sehn. Ob wir +gleich den Krankheiten wenig unterworfen +sind, so haben wir doch immer allerhand +Mittel bei uns, so, wie eine Menge anderer +Dinge, die wir für uns nicht brauchen, +sondern nur andern zukommen lassen. Hier +kommts nur darauf an, daß wir eine Heilungsart +wählen. +</p> +<!-- page 113 --> + +<p>Mandarin. Mir scheint aber, es wäre +die bekannteste, und beste anzunehmen. +</p> + +<p>Baron. Das ist bald gesagt; aber halten +Sie die Wahl für eben so leicht! Von +allen Arten, die ich kenne, ist keine einzige, +die nicht durch große Namen, durch starke +Beispiele, und durch schöne Schlüsse unterstützt, +und bestritten wäre. +</p> + +<p>Mandarin. Die Namen, und Schlüsse +sind nichts. Man muß sich nur an die Beispiele +halten. +</p> + +<p>Baron. Ja in China. Aber es giebt +Länder, wo man ganz anders denkt. Wenn +etwas nur halbwegs nützlich scheint, so fragt +man sogleich, von wenn das herrühre. Daraus +zieht man denn in der Folge durch eine +Kette von Schlüssen den Beweis, daß es +böse sey; Und giebt man dessen Güte zu, +so geschieht es immer so spät, als möglich. +<!-- page 114 --> +— Nun, nach welcher Art wollen Sie +sich behandeln lassen? Durch Frikzionen? +</p> + +<p>Mandarin. Was verstehn Sie dadurch? +</p> + +<p>Baron. Ich nehme ein wenig von jener +Salbe, die man das Neapolitanum nennt. +Sie besteht aus Fette, und Merkurius. +Damit reibe ich Ihnen alle Tage einen gewissen +Theil des Leibes. Nach vierzig Tagen +werden sie sich mit einer ölichten Rinde +überzogen finden, von der Ferse an bis über +die Achsel, und vom Schulterbeine bis an +die Fingerspitzen. Sie werden fett, stinkend, +sich selbst unerträglich seyn. +</p> + +<p>Mandarin. Aber doch endlich genesen? +</p> + +<p>Baron. Man darf es hoffen. +</p> +<!-- page 115 --> + +<p>Mandarin. Ist keine Inkonvenienz dabei +zu fürchten? +</p> + +<p>Baron. Sie vergeben. Ihr Kopf wird +ungeheuer anschwellen; ihre Zähne werden +locker werden, und vielleicht ausfallen. Ihr +Zahnfleisch und die Gurgel werden voll Geschwäre +seyn. Sie werden eine schreckliche +Menge Speichel von sich geben. Sie können +dabei um ein Aug, um einen Arm, um +ein Bein, oder um das Zäpflein<a href="#footnote-7" id="fnote-7"><sup>7</sup>)</a> kommen, +wie der höchstheilige König F — — E — — +glorreichen Andenkens, und viele andere, +die, bei weniger Ruhm, kein besseres Glück +genossen. +</p> + +<p>Mandarin. Lieber Pater! Ich bedanke +mich für die Frikzionen. +</p> + +<!-- page 116 --> + +<p>Baron. Man könnte sie mäßigen, und +sie ihnen nur verlöschend beibringen. Man +müßte Sie immer frottiren, aber sparsamer. +Sie müßten mir manchmal Milch nehmen, +um die Wirkung des Merkurs, wenn sie zu +stark wäre, aufzuhalten. Sie werden weniger, +spucken, weniger geschwellen, weniger +stinken. Dieß ist bequemer. +</p> + +<p>Mandarin. In eine Gefahr dabei? +</p> + +<p>Baron. Die größte wäre, daß Sie +nicht gesund würden. +</p> + +<p>Mandarin. Oh! oh! +</p> + +<p>Baron. Ohne Widerspruch. Je sanfter +die Arztnei seyn wird, desto weniger +wird sie wirken. Die wohlthätigen Kügelchen +werden in die vom Gifte schwangern +Theile nicht so tief eindringen können. Dieses +darf nur ein wenig überflüssig seyn, so +<!-- page 117 --> +wird genug davon zurücke bleiben, um Sie +bald noch ärger zuzurichten, als Sie es sind. +Fünf oder sechs Jahre nach einigen leichten +Tagen werden Sie sich neuerdings krank +befinden, wie ein sehr geschickter Professor +der Beredtsamkeit an der Universität zu Paris +sich irgendwo ausdrückt. +</p> + +<p>Mandarin. Das ist traurig! Ach, mein +Freund! wer hätte dieß bei dem Anblicke eines +so kleinen Fusses gesagt? +</p> + +<p>Baron. Reden Sie von ihm nichts Böses: +nicht er wars, der Sie verwundet hat. +— Uibrigens verzweifeln sie nicht. Sie +könnten auch versuchen, sich zu räuchern. +</p> + +<p>Mandarin. Wie geschieht dieß? +</p> + +<p>Baron. Sie müßten sich ganz nackt in +eine Schachtel von Tannenholz setzen, die +wohl verschlossen würde, und wo Ihnen nur +<!-- page 118 --> +der Kopf heraus stünde. Unter das Gesäß +würde Ihnen eine Glutpfanne mit lebendigen +Kohlen und Merkurius darauf gesetzt. +Diese durch das Feuer volatilisirte, und +durch die Maschine, und einen sie überdeckenden +großen Mantel rund um Sie zurückgehaltene +Flüssigkeit würde Ihnen nach und +nach in die Poros eindringen. Sie würden +sehr schwitzen, und vielleicht würden Sie +sich endlich geheilet finden. Man weis Leute, +denen diese Methode zu Statten kam. +</p> + +<p>Mandarin. Mir behagt sie nicht. — — +Aber es ist doch sonderbar: Sie sind so ein +geschickter Mann, und alle Ihre Geheimnisse +laufen darauf hinaus, Einem den Kopf +geschwollen zu machen, oder nur eine ungewisse +Genesung zu verschaffen, oder eine +Glutpfanne unter den Arsch zu setzen. +</p> + +<p>Baron. Halten Sie, ich bin noch nicht +fertig. Man könnte Ihnen Panaces, und +<!-- page 119 --> +verschiedene Mineralien brauchen; man könnte +Ihnen einen aufgelösten Merkur, oder +Gold- und Silbertinkturen geben. Dieß +alles habe ich nicht: aber unser Bruder +Apotheker wird Ihnen die Sache machen, +wenn Sie wollen. +</p> + +<p>Mandarin. Ei zum Plunder lassen +Sie das, was man thun könnte, bei Seite, +und sagen Sie mir, was ich thun soll. +</p> + +<p>Baron. Wollen Sie sich mir vertrauen? +Sie sehen dieses kleine rothe Schächtelchen<a id="corr-7"></a>; +an Ihrer Stelle würde ich mich an dieses +halten. +</p> + +<p>Mandarin. Es sind eine Menge graue +Kügelchen darinnen. Wie heißen Sie die? +</p> + +<p>Baron. In Europa nennt man sie Kaiserpillen. +Herr Kaiser ist ein deutscher Praktikus, +und mein Landsmann, der eine ganz +<!-- page 120 --> +neue Komposition gegen die Krankheit, über +die Sie sich beklagen, erfunden hat. Glauben +Sie mir, und brauchen Sie sein Rezept. +Ich will Ihnen dazu die Anleitung geben, +und Sie werden sicher genesen. +</p> + +<p>Mandarin. Sind Sie dessen auch gewiß? +</p> + +<p>Baron. So gewiß, daß ich die hundert +Pfunde Thee nur erst nach Ihrer Herstellung +verlange. +</p> + +<p>Mandarin. Ich verlasse mich auf Ihr +Wort. Ich will mich an die rothen Schächtelchen +halten. Wohlan, ich will meine +Kur auf der Stelle anfangen. Sie haben +von meiner Erkenntlichkeit Alles zu erwarten. +</p> +<!-- page 121 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-15"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Dreizehntes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Erstaunliche Progressen der Kakomonade. +Mittel, sich ihrer zu entledigen.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">M</span>an hat hier oben gesehen, daß die Gesellen +Seiner Hochwürden des Herrn Baron +von Donnerstrunkshausen, das Geheimniß +und den Namen des Herrn Kaiser mit dem +Blitzpulver, den Agnus Dei, und den Bataverthränen +bis in China brachten. Man +hörte ihn in wenig Worten diesen so berufenen +Pillen ihre Lobrede halten, und seinem +Proseliten ihren Gebrauch anempfehlen. +Dieß scheint ein Bißchen demjenigen zu widersprechen, +was wir im zehnten Kapitel +sagten. Da findet man, daß alle ersonnenen +<!-- page 122 --> +Hilfsmittel sehr wenig ergiebig, und +unzureichend seyn. +</p> + +<p>Allein wir sprachen von ihrer Unzureichlichkeit +in Rücksicht des Menschengeschlechts +im Allgemeinen, in Rücksicht der Totalität +der Zufälle, die sie im Allgemeinen, und +nicht im Bezuge auf jedes einzle Individuum, +zu fürchten haben. Gewiß ists, daß +man so glücklich war, die Partikuliers wieder +herzustellen. Man wäscht sie von dem +Unrath, den sie unvorsichtig an sich gezogen +haben, ab; man nimmt ihnen, was sie bekamen; +man giebt ihnen wieder, was sie +verloren, sogar die Unschuld beinah, die, +gleich der Gelegenheit, nur von vorne behaaret +ist, und die man, wenn man sie einmal +entwischen ließ, nicht mehr erhaschet. +</p> + +<p>Aber das menschliche Geschlecht wird +darum nicht weniger angegriffen. Die Kakomonade, +der Hyder in der Fabel gleich, +<!-- page 123 --> +verlor kaum einen Kopf, als sie dafür schon +andre zehn erhält. Unterdessen, als hundert +Kranke sich bemühen, ihrer los zu werden, +so suchen sie tausend begierig auf, so, daß, +trotz den Fluthen von Quecksilber, mit denen +man Europa überschwemmt, die Nothwendigkeit +seines Gebrauchs mit jedem Tage +dringender, und empfindlicher wird. Man +wird nie so glücklich seyn, sich davon zu befreien, +außer das Ungeheuer, das uns das +Eingeweid auffrißt, wird mit Einem Streiche +zermalmet. Sie ist, wie wir sagten, +eine Hyder, die sich eben durch ihren Verlust +vervielfältigt. Um sie auszurotten, muß +man mit einemmale alle ihre Köpfe abhauen. +Um sie zu hindern, nachzuwachsen, muß +man auf der Stelle Schwert und Feuer dagegen +brauchen. +</p> + +<p>Die Regierungen werden, so bald sie +das Herz haben werden, es zu wollen, Herkulesse +werden, im Stande, diese heroische, +<!-- page 124 --> +und heilsame Operation auszuführen. Hierzu +wird es von ihrer Seite nur darauf ankommen, +Vorsichten, die man für diesen +Gegenstand schon lange getroffen hat, und +die durch die Einstimmigkeit der alten Völker +in viel minder wichtigen Gelegenheiten +autorisirt worden sind, wieder zu erneuern +und vorzüglich auf ihre Ausführung zu wachen. +</p> + +<p>Die Aussätzigen bei den Juden waren +aus dem Umkreise der Städte verbannt. Todesgefahr +drohete denjenigen, die es wagten, +sich hinein zu begeben. Man nahm ihnen +die Verwaltung der Geschäfte ab. Man +sonderte sie von der menschlichen Gesellschaft +aus; und ob es gleich ein Vorzug ihres +Staates war, das Band der Ehe, wie mans +gesehen hat, fester zu knüpfen, so foderte +man doch, daß sie ihre Gaben, und ihr Jücken +weiter tragen sollen. +</p> +<!-- page 125 --> + +<p>Diese weise Politik ward in der Folge +in allen Ländern, denen ihre Erhaltung nahe +gieng, nachgeahmet. Selbst in Frankreich +gebrauchte man sich ihrer Anfangs gegen +den Aussatz, als es diesem gefiel, von +den Gestaden des todten an die des mittelländischen +Meeres zu übersiedeln, und er +sich vom Jordan an die Seine begeben hatte. +Man dachte ihrer auch in der Folge bei der +ersten Ausschiffung seiner Nebenbuhlerinn +aus Amerika. Die unermüdlichen Obrigkeiten, +welche für die Ruhe, und Sicherheit +der Bewohner von Paris Sorge tragen, +ließen gegen dieses Erzeugniß von St. Domingo +die strengsten Verordnungen ergehn. +Sie verbothen die Uibermachung desselben +in das Innere der Stadt, und suchten die +schleunige Ausfuhr damit zu erleichtern. Vor +dem Jahre 1498. findet man Polizeiverordnungen, +die diesen Gegenstand zum Ziele +haben. +</p> +<!-- page 126 --> + +<p>Sie gebieten allen Personen, welche eines +Verständnisses mit der Prinzessin von +Amerika verdächtig sind, jedermann, wer es +immer sey, der sich durch ihre Listen überraschen +ließ, binnen vier und zwanzig Stunden +Paris zu verlassen bei Strafe des +Strangs. Man berichtet, daß sich bei dem +Thore, bei welchen ihnen geboten wäre, hinauszugehn, +Austheiler finden werden mit +dem Auftrage, Jedermann vier Pariser +Sols zu reichen, um sie wegen der Reisekosten +zu entschädigen. Selbst die Reichen, +und die Eingebornen des Lands werden von +den Strassen ausgeschlossen unter der Strafe, +wenn sie betreten würden, in den Fluß +geworfen zu werden<a href="#footnote-8" id="fnote-8"><sup>8</sup>)</a>. Man sperrt sie, wenn +sie Häuser haben, darinnen, und wenn sie +keine Häuser haben, in öffentlichen, zu diesem +<!-- page 127 --> +Gebrauche bestimmten Gebäuden ein. Man +übernimmt die Last, sie mit Lebensmitteln, +und mit allem Beistande zu versehen, den +ihr Zustand fordert, bis sie das Joch der +Feindinn abgeschworen haben, und sich in +einem Stande befinden, in der Gesellschaft +auftreten zu können, ohne zu erröthen, oder +ihr Unruhe zu machen. +</p> + + +<p>Das sind die Verordnungen, die man, +doch mit einigen Modifikazionen, wieder in +den Schwang zu bringen eilen muß. Es ist +sehr wohl gethan, daß man alle jene, die, +nach einer bestimmten, zu den Reinigungen +einberaumten Zeitfrist, mit Unreinigkeit zu +erscheinen wagen werden, mit dem Strange +bestraft. Aber genug wär es nicht, wenn +man ihnen vier Parisersols zu ihrer Reise +geben wollte. Alles, was man damit gewinnen +würde, wäre, daß sie die Kakomonade +Jeder in seinem Lande zu pflanzen abgeschickt +würden. Sie würde sich da vervielfältigen, +<!-- page 128 --> +wenn das Land ihrer Verbreitung +nur ein wenig günstig wäre. Die Früchte +davon würde man sehr bald in einem +Schwalle gegen die Hauptstadt zurückfließen +sehn. +</p> + +<p>Es ist also nicht damit gethan, daß man +die Unterthanen der Fremden ausjagt. Man +thut viel sicherer, und viel vernünftiger, +wenn man sie dieser lästigen Unterthänigkeit +entreißt. Man muß ihnen Freistätten eröffnen, +wo sie sich ohne Zwang in Freiheit +sehen können, und wo die Leichtigkeit, ihre +Bande zu zerbrechen, in ihnen hierzu das +Verlangen erwecket. Man muß in jeder +Stadt, oder in, jedem Flecken, einen beträchtlichen +Ort, ein Haus errichten, wo +jeder Büsser, er sey wer er wolle, aufgenommen, +und zur Busse zugelassen werden +könne. Man muß da die Freiheit haben, +zu zahlen, oder nicht zu zahlen, bekannt, +oder unbekannt zu bleiben. Man muß den +<!-- page 129 --> +Eintritt darein allen Leuten, von allen Altern +und Ständen, sogar in Masken, wenn +sich solche darstellen, gestatten. Da es im +Wesentlichen nicht das Gesicht ist, das der +Hilfe bedarf, so erhellet, daß die Krankenwärter, +um denen, die ihren Beistand suchen, +zu helfen, ihre Gesichter nicht zu kennen +brauchen. +</p> +<!-- page 130 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-16"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Vierzehntes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Antwort auf einige Einwürfe, die +man gegen die Mittel, die Kakomonade +zu unterdrücken, machen könnte.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">O</span>hne Zweifel wird man gegen diese Einrichtung +Lärmen erheben. Man wird sagen, +zu einer Zeit, wo der Staat kein Gold hat, +um seine Bedürfnisse zu bestreiten, könnte +er für diese seine Glieder unmöglich so das +Quecksilber verschwenden. Die so reden +möchten, wären wohl ziemlich grausame Politiker, +oder Räsonneurs, die von der ächten +Oekonomie ziemlich schlecht unterrichtet +wären. +</p> +<!-- page 131 --> + +<p>Wenn zu Marseille die Pest wäre, würde +wohl die Dürftigkeit des Staats hindern, +Trouppen marschiren zu lassen? Würde man +kein Geld finden, das man dahin senden +könnte, entweder der Stadt zu Hilfe zu +kommen, oder die Gemeinschaft mit ihr +abzuschneiden? Nun ist die Kakomonade +aber wirklich noch viel schlimmer, als die +Pest. +</p> + +<p>Diese greift nur das gegenwärtige Geschlecht +an; jene vernichtet, oder entächtet +wenigstens fast immer sich auch die zukünftigen +Geschlechter. Die Eine nimmt einen +schrecklichen Anfang; die Klugheit kann sich +davor verwahren; man hat gewisse Vorsichten, +um sie abzuhalten. Die andere ist immer +vom Vergnügen begleitet; sie macht ihren +Anfang mit der Verblendung der Klugheit, +und ihr Ende mit ihrem Untergange. +Sie hat also viel mehr Leichtigkeit, sich auszubreiten. +Sie zieht viel traurigere Folgen +<!-- page 132 --> +nach sich. Sie heischt daher von den Regierungen +eine viel größere Sorgfalt. +</p> + +<p>Diese Sorgfalt würde eben nicht so kostspielig +seyn, als man sich einbildet. Erstlich +hat man die Aussätzigenhäuser der Alten, +von denen man die Stiftungen, und das +Bauwerk zu diesem nützlichen Gegenstande +annehmen könnte. Dieß hieße den Sinn +der Stifter befolgen. Die Kakomonade hat +die Stelle des Aussatzes angenommen. Sie +muß die Früchte dieses reichen Nachlasses +beziehen. Man kann ihr ihre Ansprüche +nicht streitig machen. +</p> + +<p>Uiberdieß, wer zweifelt, daß bei dem +ersten Gerüchte von diesem Vorschlage nicht +das allgemeine Mitleid erwachen werde? +Wie viele Fürsten der Kirche, wie viele +wachsame Hirten, würden sich mit einem +uneigennützigen Eifer bestreben, eine Zufluchtsstätte +gegen Uibel zu schaffen, worunter +<!-- page 133 --> +sie leiden, sobald ihre Schäflein davon +angegriffen sind? Wie viele andächtige +Schwestern würden nicht ihrem Beispiele +folgen! Mit welcher Beredtsamkeit würden +nicht die Direktoren die Nothwendigkeit predigen, +Einrichtungen zu vervielfältigen, die +bestimmet sind, Schwachheiten zu verbergen, +oder die Kraft wieder in den Stand zu setzen, +ohne Gefahr ihres Gleichen hervorzubringen! +Gewiß ists, diese Zufluchtsörter würden in +kurzer Zeit, so wie die volkreichsten, auch +die begütertsten Häuser im ganzen Königreiche +seyn. Sie würden bald der bequemste +Stappelort seyn, um das Joch der Kakomonade +abzulegen, so wie L — — — bisher +der sicherste gewesen ist, sich dasselbe aufzubürden. +</p> + +<p>Die Leichtigkeit des ersten Verfahrens +würde die Weigerung, sich dahin zu verstehen +zum Verbrechen machen. Die Gerechtigkeit +würde nur nach aller Billigkeit handeln, wenn +<!-- page 134 --> +sie gegen jene, die davon überwiesen wären, +die Todesstrafe verhängte. Unterdessen giebt +es zarte Herzen, bei denen die Sanftmuth +in Schwachheit übergeht. Sie werden sich +über diese strenge Verordnung entrüsten, sie +werden zwischen der Strafe und dem Verbrechen +kein Verhältniß sehen. +</p> + +<p>Es ist so süß, so natürlich, werden sie +sagen, die Gefahren zu wagen, derer Folge +sie ist. Sollt es gerecht seyn, den Irrthum +eines Augenblicks mit einer so schmählichen +Züchtigung zu ahnden? Sollte man sich entschließen +können, gegen ein vernünftiges +Wesen den Tod zu verhängen, weil es seines +Lebens nicht ordentlich genoß? Was +man ihnen antworten könnte, ist dieses. +</p> + +<p>Ich gebe Ihnen zu, meine Herrn! mein +Rath mag strenge scheinen. Aber untersuchen +Sie, was unter Ihren Augen vorgeht. +Wer sind jene Armseligen, die sie dort mit +<!-- page 135 --> +den rothen Kappen auf den Galeeren sehn? +Wer sind jene, derer Hinrichtung so viel +Volks auf den freyen Platz spornt? Unter +ihnen befinden sich Leute, die Schwärzer, +Betrüger waren. Das Gesetz waffnet sich +mit einer unbeugsamen Schärfe, und verurtheilt +sie ohne Barmherzigkeit! +</p> + +<p>Nun ich bitte Sie, giebt es wohl eine +schrecklichere Schwärzerei, als die Kakomonade? +Kann man die Einführung ihrer +Geschenke mit der Einführung eines Holländertobaks +oder Spaniols in Vergleichung ziehen? +Die Kutzenelle, so roth sie ist, kann +sie die Vergleichung mit gewissen Purpurknöpfchen +ertragen, welche die Ehrbarkeit +nicht nennen läßt. +</p> + +<p>Wenn Sie ohne Anstand arme Leute, +die Ihnen für wohlfeilen Preis weis nicht +welch braunen, gelben, oder feuerfarbenen +Staub brachten, rudern lassen, hängen und +<!-- page 136 --> +rädern; was sind Sie wohl denen schuldig, +welche sich erdreusten, die Quelle der Vergnügungen +zu vergiften? Was werden Sie jenen +Frevlern nicht anthun, die es wagen, +in das Heiligthum der Wohllust Betrübnis, +und Thränen in die Wohnung der Freude zu +bringen? +</p> + +<p>Die aufgeklärte Menschheit gebietet ohne +Zweifel ihre Bestrafung zum Wohle der +leidenden Menschheit. Man muß alle ohne +zu schwanken eine bestimmte Zeit festsetzen, +nach welcher Niemand mehr angenommen +werde, der sich angiebt, mit einem Ungemache +behaftet zu seyn, wovon er sich wird +haben entledigen können. Man muß die +Kakomonade wie eine ausländische Waare +ansehen, und die, bei denen sie gefunden +wird, ohne Barmherzigkeit konfisziren. +</p> +<!-- page 137 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-17"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Fünfzehntes Kapitel.</h2> + +<h3 class="sub">Nöthige Vorsichten gegen die Wiederkunft +der Kakomonade, und +Schluß des Werks.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">A</span>ber auch damit wär es nicht gethan, daß +man die verdächtigen Wirkungen hemmte. +Man müßte auch Vorkehrungen treffen, ihren +Eingang zu verhindern. Man müßte +Amtsstuben, Gerichtsdiener, und Wächter +haben, die über Paquette, wo diese traurige +Gattung Kontrebandwaaren sich verbergen +läßt, zu wachen hätten; und für dieß habe +ich gesorgt. +</p> + +<p>Der durch seine große Nase berufene +Kaiser Heliogabal oder Elagabal, sagt man, +habe einen Frauenzimmersenat errichtet. +<!-- page 138 --> +Diese erlauchte Gesellschaft hatte über alle +weiblichen Angelegenheiten zu richten. Vor +ihr brachte man all die kleinen Zänkereien, +die häuslichen Klätschereien, die Uiberwerfungen +der Verliebten an. Sie gab auch den Ausschlag +über die Moden, den Haarputz, und +den Anzug von allen Arten. Diese Politik, +wünschte ich, sollte man in Paris, in ganz +Frankreich, ja sogar in ganz Europa nachahmen +können. +</p> + +<p>Uiberall hat man da einen Haufen Wachen +aufgestellt, um für die Vortheile der +Pächter die Aufsicht zu tragen. Man erblicket +Ketten von Aufsehern, die sich von allen Seiten +die Hände reichen, am die Betrüger hindann +zu halten, und ihre Schlauigkeit zu überlisten. +Es besteht das innigste Band unter +den Rotten, welche die Grenzen und die +reichen Gesellschaften beschützen, die im Mittelpunkte +die Früchte ihrer Sorgen ärnten. +Könnte man diese Polizei nicht auch bei der +<!-- page 139 --> +Einrichtung, von der hier die Rede ist, sich +zum Muster nehmen? +</p> + +<p>Man bildete in den Hauptstädten Büreaux +von einer Anzahl unterrichteter Mädchen, +die im * * * sich Erfahrungen gesammelt +hätten. Sie wären weder die drei Grazien, +noch die neun Musen. So könnte man sie +aus vierzig, wie die Academie Française, +oder aus sechzig, wie die allgemeine Pachtung, +zusammensetzen. Den Eintritt dazu +hätten nur die besten Erfahrungen. Die Geübtesten +in den Geschäften des Magazins, +die Vertrautesten mit den Kennzeichen des +Betrugs, und also die bei allem Scharfsinne +der Schleichhändler Geschicktesten, sie +zu entdecken. +</p> + +<p>Nach Art dieses Hauptamts bildete man +sonderheitliche in den Städten der Provinz, +und auf allen Strassen; welches zwischen dem +Haupte und den Gliedern eine eben so nützliche +<!-- page 140 --> +als lehrreiche Korrespondenz unterhalten +würde. Diese fruchtbaren Versammlungen +hielten alle Tage des Morgens und Abends +ihre Sitzungen. Jeder Fremde, der an der +Gränze ankommt, wäre gehalten, da seinen +Ausweis zu machen. +</p> + +<p>Hier würde er ohne Schonung untersuchet. +Man würde ihm nach seinem Zustande, +einen Geleitsbrief ausfertigen, oder die verbotene +Waare unter Siegel verzeichnen, damit +man nicht eher davon Gebrauch machen +könne, bis sie im Rekonwaleszentenhause, +wohin sie abgegeben würde, ausgeräuchert +wäre. +</p> + +<p>Von dieser Zeremonie wäre das schöne +Geschlecht nicht ausgenommen. Anfangs +würde sie lästig scheinen; man würde sich +aber bald daran gewöhnen. Hat man sich +doch gewöhnt, vor jedem Thore grobe, und +manchmal treulose Hände ins Felleisen spazieren, +<!-- page 141 --> +alles darinn umkehren, und was da +verschlossen war, oft unwiederbringlich verderben +zu sehn. Es würde nicht lange brauchen, +um sich zu gewöhnen, linke Hände zu +fühlen, die eine lange Uibung abgerichtet +hätte, noch dazu ihre Berührungen angenehm +zu machen. +</p> + +<p>Es ist anzumerken, daß man durch eine +solche Zusammensetzung eines Amtes von aufgeklärten, +und dafür bekannten Frauenzimmern +den Ungemächlichkeiten vorbeugen würde, +die aus jeder andern Administrazion entstünden. +Kein Frauenzimmer dürfte sich schämen, +der Untersuchung von Personen ihres +Geschlechts zu unterliegen; und man würde +keine Mannsperson finden, die sich weigern +möchte, sich vor den Augen eines von seiner +Erfahrung so berufenen Tribunals zu produziren. +Es fände sich also ganz keine Schwierigkeit. +Die Schamhaftigkeit, und Gesundheit +der beyden Geschlechte wäre dadurch in +<!-- page 142 --> +Sicherheit vor den Anstössigkeiten, die das +eine kühn, oder das andere schüchtern machen +könnten. +</p> + +<p>Das ist also der Entwurf meines Projektes. +Ich unterziehe es den Einsichten der +Politiker, die in unserm philosophischen Jahrhunderte +so zahlreich geworden sind. Ich +kann versichern, daß ich einzig das allgemeine +Beste und das Wohl der ganzen Welt, die +mein Vaterland geworden ist, zum Augenmerke +hatte. Ich wünsche, daß er unter die Hände von +Leuten komme, die an der gehörigen Stelle sitzen; +wünsche, daß ihr persönliches Interesse sie +bestimme, sich seiner anzunehmen, und dem +allgemeinen Frommen Hand zu bieten. +</p> + +<p>Was Sie betrifft, mein Fräulein, wenn +man ihn je annimmt, so wird man nie vergessen, +daß es Ihr Namen war, unter welchem +er zum erstenmal erschien. Ganz Paris +wird Sie laut zur Annahme einer Stelle +<!-- page 143 --> +auffodern, deren Ihre Bemühungen sie schon +so würdig machten. Mit einer unnennbaren +Freude werde ich an der Spitze des erlauchten +Senats, wovon ich den Plan entwarf, +Sie glänzen sehn. Sie werden die Aufseherinn +von den Waffen Zylherens, und die +Wegweiserinn des Amors werden. Sie +werden die Jugend lehren, ohne Gefahr auf +dem stürmischen Ozean der Vergnügungen +zu segeln, indem Sie ihr mit der Geschicklichkeit, +die ihnen die Erfahrung giebt, das +Steuerruder lenken. Sie werden ihr zeigen +den Klippen auszuweichen, die Ihres Gleichen, +wie ein großer Mann sagt, oft durch +ihre Schiffbrüche bezeichnet haben. +</p> +<!-- page 144 --> + +<h2 class="chapter" id="chapter-18"> +<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span> +Ein Brief +als ein +Supplement +zu diesem Werke.</h2> + +<p class="address">An M. L. A * * *.</p> + +<h3 class="sub">Uiber die Ursachen, die zu der schrecklichen +Vermehrung der Kakomonade +beitragen.</h3> + +<p class="first"><span class="firstchar">B</span>isher, lieber Freund, hab ich nur gescherzet. +Lachend schrieb ich die Geschichte +von einer der größten Geißeln des menschlichen +Geschlechtes. Es ist sehr seltsam, daß +die Gewohnheit es nur den Aerzten erlaubt, +davon ernsthaft zu reden, und daß, in der +feineren Welt, die üble Laune nicht die Wirkung +<!-- page 145 --> +einer Ursache sein kann, die doch so sehr +dazu gemacht ist, sie hervor zubringen. +</p> + +<p>Sehr zuverlässig ist dieß die Folge jenes +seltsamen Durcheinanders, den man in unsern +Sitten und Gewohnheiten wahrnimmt. +Sobald Jemanden das Fieber befällt, sobald +er schlecht geschlafen hat, oder einen Abend +nicht mit der gewöhnlichen Leichtigkeit ausspuckt; +gleich sind mit dem nächsten Morgen +die Bedienten von allen vier Winden in Bewegung; +sein Thürepocher kommt nimmer +zur Ruhe, und sein Portier hat nicht Worte +genug, für all die höflichen Bothen, die aus +ganz Paris ihn zu fragen kommen, wie der +Herr diese Nacht sich befunden habe. +</p> + +<p>Ward nun aber der nämliche Mensch +das Spiel einer jungen Spitzbübinn, — und +ach! wie viel giebt es ihrer! — Bleiben ihm +nagende Erinnerungen eines zärtlichen Rendezvous; +sieht er sich bei dem Abschiede aus den +<!-- page 146 --> +Armen der Venus gezwungen, einen Gott +um Hilfe zu flehen, der bei den Alten die +Gnaden der Göttinn austheilte, der aber +bei uns zu nichts weiter dient, als sie uns +aus dem Gedächtnisse zu bringen; da sieht +man ihn ohne alle Unruhe erbleichen, abzehren, +und versiechen. Er muß die Sorgfalt, +die er für seine Gesundheit trägt, verbergen, +gerade als ob es eine böse Handlung wäre; und +wenn irgend ein besonderer Freund ihn von Zeit +zu Zeit befragt, so geschieht dieß immer mit +einem spöttischen Mitleid, das ihn noch mehr +demüthigt, als selbst sein Zustand. +</p> + +<p>Ja, wird man sagen, das ist eine Frucht +der Ausgelassenheit. Die Schande ist ein +heilsamer Wermuth, den die Wohlanständigkeit +in dieselbe gießt, um sie den Unvorsichtigen, +die versucht werden, sie zu pflücken, +zu verleiden. Dieser scheinbare Widerspruch +ist ein Zug der Weisheit. Man +hat große Ursache, Krankheiten, die eine +<!-- page 147 --> +unzertrennliche Folge der Schwachheiten +der Natur sind, zu bemitleiden; aber auch +nur Verachtung gegen diejenigen blicken zu +lassen, die einen Mißbrauch ihrer Gutthaten +verkünden. +</p> + +<p>Ach! lassen Sie uns, mein lieber +Freund, diesem Gegenstande nicht ins Innre +dringen. Diese Frucht ist eine Geburt +der Ausgelassenheit, ich wills glauben, aber +sie muß dem Hundszahne gleichen, und +überall ohne Unterschied wachsen, wie dieses +Kraut, in einem bösen Erdreich sowohl, +als in einem guten. Man ärntet sie an so +vielen Orten, die das Wappen der Tugend +führen, daß man wahrhaftig auf nichts +schwören darf; und vorzüglich an derlei +Plätzen sind die Schilde betrügerisch. La +Fontaine sagte: +</p> + +<div class="poem"> +<p class="line">Unterm Jungfern-Unterröckchen kann</p> +<p class="line2">Eben so viel Schönheit wohnen,</p> +</div> +<!-- page 148 --> +<div class="poem"> +<p class="line">Als so mancher gute Ehemann</p> +<p class="line2">Findet unterm Hemde bei Madonnen.</p> +</div> + +<p class="noindent">Aber gestehn Sie es nur ein, daß es, wenigstens +in unsern Tagen, nicht die Schönheit +allein ist, die da allenthalben so gleich +ausgetheilt wohnt; und daß die Ungemächlichkeiten, +die sie furchtbar machen, mit +nicht weniger Gleichheit ausgetheilet sind. +</p> + +<p>Doch, das befremdet mich nicht, sondern, +worüber ich mich wundere, was ich +nicht begreife, ist die Sicherheit, mit welcher +wir mitten unter so vielen Gefahren leben. +Offenbar sehn wir die Kakomonade mit den +nämlichen Augen an, wie die angesteckten +Dünste zu Paris, die man daüberall einathmet, +und an die man sich, trotz ihrer Anpestung, +gewöhnet: allein zwischen ihnen beiden +herrscht ein himmelweiter Unterschied. +</p> + +<p>Wenigstens trägt die Polizei doch einige +Sorge, um das letztere zu mindern: Man +<!-- page 149 --> +kehrt die Gassen: man schafft den Mist weg; +die Arbeit eines Tages macht das verschwinden, +was die Verzehrung eines Tages von +Unreinigkeiten hinterlassen hat. Aber ists +mit dem andern Gegenstande auch so? Leider! +nein. In Rücksicht desselben trägt man +entweder gar keine Sorge, oder die, die man +dafür hat, ist so schwach, daß sie, anstatt +dem Uibel abzuhelfen, nicht einmal im Stande +ist, seinen weitern Umsichgriffen Einhalt +zu thun. +</p> + +<p>Unterdessen ist es hohe Zeit, daß die +Regierungen aus der Lethargie, worinn sie +über diesen Artikel zu liegen scheinen, erwachen. +Mit welcher Ruhe sehn sie nicht +das Uibel sich reißend um sie her verbreiten! +Die Bevölkerung, von dieser Pest +bis auf die Wurzeln angegriffen, verwelkt und +vertrocknet. Man kann es merken, wie +das menschliche Geschlecht an Anzahl und +Stärke abnimmt, Uiberall findet man unzählige +<!-- page 150 --> +Menschen, mit denen es soweit kam, +daß sie die traurigen Gedenkzeichen von den +Graden ihrer Prüfung, die sie seit ihrer Kindheit +gleich den Metallen durchwandelten, welche +die Chemie, so bald sie aus dem Schmelztigel +kommen, durch gewaltsame Operazionen +entnaturt, ihr ganzes Leben hindurch behalten. +</p> + +<p>So lange die Krankheit nur in den +Städten herumgieng, war diese Nachlässigkeit +noch einiger Maaßen zu entschuldigen. +Aufgeklärte Politiker konnten weniger davor +erschrecken, so lange sie nur müssigen Güterbesitzern, +oder unarbeitsamen Bürgern drohte. +Vieleicht dürfte man sich noch itzt nicht +sehr entrüsten, wenn sie sich inner die Mauern +der Städte beschränkte, wenn sie sich begnügte, +daselbst die Ausschweifungen einer +herabgewürdigten Jugend, oder eines schwärmerischen +Alters zu strafen. Sie griffe dann +nur Menschen an, die dieses Namens nicht +<!-- page 151 --> +werth sind, und dieß wäre für das menschliche +Geschlecht ein kleiner Verlust. +</p> + +<p>Aber zum Unglücke bindet sie sich hieran +nicht; und fällt sehr oft in die Dörfer hinaus. +Da greift sie unsern armen Stamm +unter dem Strohdach an, das doch noch etwas +seinen Adel, und seine Kraft erhält. +Sie findet keine Schwierigkeit, sich da niederzulassen. +Die Unwissenheit, und vor allen +die Armuth erleichtern die Gefälligkeiten, +durch die sie sich fortpflanzt, und verbannen +hiemit die Mittel, die sie unterdrücken könnten. +</p> + +<p>Die Zeit ist vorbei, wo man das Land +als den Freiort der Unschuld, als die Zufluchtsstätte +schuldloser Ergötzungen ansehn konnte. +Mit Rechte lobten unsre alten Dichter seine +Schönheiten, und Annehmlichkeiten; sie +rühmten die Sicherheit der Wälder, die es +umgeben; das Grün der Matten, die es +<!-- page 152 --> +schmücken; die Klarheit der Gewässer, die +es befeuchten, die Blüthe der Nymphen, die +es verschönern. Die unsrigen sieht man so +was nicht mehr thun. +</p> + +<p>Nicht, als ob wir nicht auch noch Wälder, +Gewässer, Matten, und Nymphen hätten: +aber bei uns ists keine Diana mehr, die +in unsern Wäldern jaget; keine Venus mehr, +die sich in unsern Bächen bespiegelt; keine +Flora, die in ihrem Laufe auf dem Grase +ausglitscht. Die Stelle dieser Göttinnen hat +die Kakomonade eingenommen. Alles, was +vormals diente, die Vergnügungen, zu umschleiern, +und zu vergrößern, dient nun unter +ihren Händen zu nichts mehr, als nur +die Gelegenheiten zur Reue zu vermehren; +und wenn noch ein kühner Faun es wagt, +die Schäferinnen ins Gehölze zu verfolgen, +so fühlt er sich bald mit einer ganz andern +Wunde geschlagen, als wie sie Amors Pfeile +schlugen. +</p> +<!-- page 153 --> + +<p>Welche Macht könnte doch eine so traurige +Metamorphose in Gegenden verursachen, +die von dem Verderbnisse so entfernt +sind? Wie kann da jenes der Schein der Tugend +verhüllen, was anderswo nur die Folge +der Ausgelassenheit ist? Wie geht es doch +zu, daß oft die Simplizität selber denen gefährlich +wird, die sich schmeicheln, sie zu +mißbrauchen? Man kann hiervon drei sehr +dunkle, aber sehr wirksame Ursachen angeben, +welche die Hauptbeweggründe der Verwüstung +sind, welche die Kakomonade auf dem +Lande hervorbringt. +</p> + +<p>Die erste davon ist jene ungeheure Anzahl +Kinder, die mit jedem Tage aus den +großen Städten fortziehn, um sich auf viele +Meilen in die Runde, auszubreiten. Sie begehren +da von ihnen gemietheten Nährmüttern +jenen Beistand, den ihnen die Eltern, +von denen sie das Leben haben, versagen. +Dieß ist oft ein Glück für sie. Sie würden +<!-- page 154 --> +das Leben, das sie erst empfiengen, bald verlieren, +wenn man sie nicht hurtig aus dem +angepesteten Schoosse entfernte, in welchem +sie es schöpften: aber dieses Glück wird sehr +traurig für den mitleidigen Schooß derjenigen, +die sich würdigen, sie zu sich aufzunehmen. +</p> + +<p>Für die Milch, die sie daraus saugen, +strömen sie das Gift darein, vor dem sie +ihre Unschuld nicht retten konnte. Mit diesem +Augenblicke wird die eheliche Zärtlichkeit +ein Netz, worinn der Gatte sehr bald +sich fängt. Er wird zum Zeitvertreibe mit +einer Seuche behaftet, die er nicht fürchten +konnte, da sie für ihn mitten in den Armen +der Weisheit, und der Fruchtbarkeit entsproß. +Wenn sich die Merkmaale davon sehen +lassen, so hält die Schamhaftigkeit öfters +ihre Entdeckung zurück, und fast immer steht +die Dürftigkeit der Abhilfe derselben im Wege. +Die Nothwendigkeit einer mühsamen +<!-- page 155 --> +Arbeit vermehret und verschlimmert die +Symptomen derselben. Die Schwachheit, +die die Einen mit sich bringen, macht, daß +die Früchte der andern nicht hinreichen werden. +Die Bedürfnisse vervielfältigen sich nach +dem Maaße, nach welchem die Kräfte sich +verlieren; endlich, wenn die armselige Familie +eine Zeitlang in Elend und Verzweiflung +geschmachtet hat, erwartet sie in irgend +einem Siechenhause ihre Vernichtung. +</p> + +<p>Nicht ein Zug ist hier übertrieben, sondern +es ist dieß ein sehr wahres, ein sehr lebhaftes +Gemälde von dem, was sich alle Tage +um uns herum zuträgt. Man findet keinen +Dorfpriester, keinen Landjunker in den +Provinzen, der nicht die Wahrheit davon erkennte. +Dieß ist die Gestalt der ersten Quelle +der Entvölkerung der Dörfer, welche die +Krankheit, von der hier die Rede ist, verursacht. +</p> +<!-- page 156 --> + +<p>Doch, es sind es nicht die Kinder in der +Wiege allein, durch die sie sich da einschleicht. +Auch jene parfümirten Puppen, jene fünf +und zwanzigjährigen Greise, welche ein +grausames Loos bei Zeiten reich, und zu +müssigen Herren gemacht hat, müssen ihr +mittelbar zu ihren Absichten dienen. Sie +führen öfters die Langeweile, die sie aufzehrt, +die Eckelhaftigkeit, die ihnen das +Herz abdrückt, auf ihren Landgütern mit +sich spazieren. Aus Furcht, sie möchten in +diesem neuen Aufenthalte sich selbst gelassen +sein, sind sie sehr besorgt, all den Prunk, +und Firlefanz des Luxus, der sie in den +Städten, aus denen sie sich flüchten, tödtet, +mit sich dahin nachzuschleppen. +</p> + +<p>Ein zahlreicher Hofstaat, eine prächtige +Equipage ist ihr Geleite bis in die Mitte der +ländlichen Einfalt. Es gefällt ihnen, ihre +groben, und verbordirten Bedienten, die +sie schlecht bedienen, mitten unter demüthigen, +<!-- page 157 --> +und mit Kütteln angethanen Landleuten, +die sich nur von ferne sie anzublicken, getrauen, +glänzen zu sehn. Es ist ihnen lieb, +in den Vorzimmern ihrer Lustschlösser mehr +unnütze Thunichtse zu zählen, als sie arbeitsame +Unterthanen auf dem Felde haben. +</p> + +<p>Dieses lächerliche Großthun, dieser unerträgliche +Stolz wäre doch noch ein leidliches +Uibel, wenn es nichts weiter schadete, +als die Kleingeistigteit des Ortsherrn zu +nähren. Aber was ihn erst wirklich schrecklich +macht, ist dieß, daß er die Zügellosigkeit +der Bedienten begünstigt, und die Folgen +davon ins Unendliche vermehret. Die +Kakomonade macht sie zu neuen Prometheussen, +die sie mit ihrer Fackel bewaffnet; auf +ihren Befehl ziehn sie aus, die Bildsäulen, +womit das Land erfüllet ist, mit einer verderblichen +Flamme zu beleben, die sie nicht +von den Strahlen der Sonne entwendet +haben. +</p> +<!-- page 158 --> + +<p>Die drei Viertheile der Menschen, die +sich bei uns zur Dienstbarkeit verschreiben, +sind durch ihren Stand Müssiggänger, und +aus Noth Hagestolze. Eine vollkommene +Unabhänglichkeit ist das erste Bedingniß, +welches der Luxus fordert, um sie zu den +Würden der Livree zuzulassen, und er +macht diese Forderung nur, um sie sich selbst +zum Opfer zu bringen. Er will die Herrschaft +über seine Unterthanen mit Niemandem +theilen. Er macht Ansprüche über Sklaven +zu gebieten, die außer ihm keinen Herrn +haben sollen. Er meint sich hierdurch Unruhen +zu ersparen. Er bildet sich ein, sich +dadurch eines hurtigern Dienstes, einer genaueren +Treue zu versichern. +</p> + +<p>Ich weis nicht, ob er es damit wohl +macht; was ich gewiß weis, ist, daß dieser +Haufen arbeitloser, einsamer Bedienten, +überall, wo er sie nur zu finden glaubt, Gesellschaften +aufsucht. Ihr Temperament treibt +<!-- page 159 --> +sie zu lebhaften Vergnügungen, und ihr Anzug +bringt sie in Gesellschaften, wo ihnen +diese leicht gemacht werden. Von dieser +Seite der Wonnen des Ehestandes beraubt, +von der andern zur Ausübung seiner Geschäffte +eingeladen, überlassen sie sich einem +Umgange, der ihnen seine Vergnügungen +gewährt, ohne seine Beschwerden zu haben. +In diesem schändlichen Mißbrauche der Kräfte +der Natur folgen sie den Absichten, und +oft dem Beispiele ihrer Herren. +</p> + +<p>Ihr gegenwärtiges Bedürfnis macht sie +taub für die Folgen der Zukunft. Man +weis, was man, von der Gattung Weibsleute, +auf die sie sich beschränken müssen, zu +erwarten hat, und in kurzer Seit erlangen +sie die Erfahrung davon. Dadurch werden +sie kecker, so, wie ein Mensch, dessen Kleid +schon einmal durchnäßt ist, sich desto weniger +gegen den Regen sperret. Die Kraft ihrer +Jugend erhält sie eine Zeitlang. Die +<!-- page 160 --> +Schuldigkeit, vor der Herrschaft zu erscheinen, +oder gar die Mittellosigkeit, wehrt es +ihnen, auf ihre Heilung zu denken. Sie +müssen ihrem Herrn überall, wo es seine +Kaprize immer hin will, folgen, und man +stellt sich auf seinen Wink, es mag um den +Körper stehn, wie es wolle. So ist indessen +der Trupp beschaffen, mit welchem der +Reiche sich brüstet, auf seiner Herrschaft zu +erscheinen, wenn er sich würdigt, sie mit +seiner Gegenwart zu beehren. +</p> + +<p>Ist er nun einmal auf dem Dorfe, so +sind seine Bedienten, in der Kleidung oft +besser bestellt, als er, Leute von Wichtigkeit. +Ihre Borden werden nun ein Ehrenzeichen. +Sie behaupten unter diesen Leuten +ohne Widerspruch den vornehmsten Rang, +und ziehen alle Augen auf sich. Das Prächtige +ihres Anzugs, ihr Bau, der Vorrang, +den sie über die Landleute affektiren, +unterwirft ihnen sehr bald die Mädchen +<!-- page 161 --> +auf dem Lande, die auf alles aufmerksam +sind. +</p> + +<p>Und dann wehe der Tugend, die sich +mit einem Bißchen Reiz, und Anmuth waffnet; +wehe der Unschuld, welche die Jugend +schmücket, und welche die Grazien dieses +Alters vielmehr schwächen, als beschützen! +Wie bald ist sie verführt, und vergiftet! +Die ihrer genoß, — nichts bleibt der Unglücklichen, +außer ein unaustilgbarer Jammer, +und schändliche Schmerzen. Ihr Ende +ist — sie bringt, oft ohne es selbst zu +wissen, dem Hymen Blumen zu, die auf +ihrem Erdreiche nicht wachsen sollten, und +die die Liebe auf ewig verbannen, und es +ist noch ein Glück; wenn sie der Versuchung +nicht nachgiebt, in die Stadt zu ziehn, um +mit den Reizen, die sie zu Grunde gerichtet +haben, ein Gewerbe zu treiben, und die +Folgen ihrer Schwachheit mit dem Publikum +zu theilen! +</p> +<!-- page 162 --> + +<p>So arbeiten denn ungeheure Armeen, +unter der Uniforme der Sklaverei, daran, +in den Schlund der Hauptstädte das Gift, +das darinnen gähret, zurück zu gießen, und +in diesem Geschäfte muß man ihnen noch eine +andere Klasse von Sklaven beigesellen, +die an sich selbst edler, obgleich in der Sache +selbst sehr wenig in Betrachtung gezogen +sind; jene Automaten muß man ihnen zugesellen, +die mit zu dem Machwerk eines so +genannten Regimentes gehören, und derer +Ressorts, wenn sie einmal zugenommen haben, +ihnen eine ziemliche Geschicklichkeit geben, +eine gewisse Anzahl Bewegungen zu +machen, die unter dem Namen Exercizien +bekannt sind. +</p> + +<p>Diese, begabt mit der ausschließenden +Befugniß, eine Flinte, oder eine Bajonette +zu führen, haben noch in einem höheren +Grade jene, überall die traurigen Geschenke, +von denen wir sprechen, anzunehmen, +<!-- page 163 --> +und mitzutheilen Durch ihre Mitwirkung +dringet sich die Kakomonade in die entlegensten +Provinzen ein. Sie eröffnen ihr einen +Weg in Gegenden, wohin selbst das Gold +kaum einen Eingang findet. +</p> + +<p>Offenbar sind dieses Laster, die sie gegen +das menschliche Geschlecht begehn; doch +läßt es sich schwer entscheiden, ob sie dabei +mehr strafbar, als unglücklich sind. Gewiß +ists, daß der Ehestand für den Soldaten sich +nicht schicke. Noch gewisser, daß der Zölibat +ihm die Ausschweifung nothwendig macht. +Nicht weniger gewiß ists, daß diese Ausschweifung +für ihn, und für alle Länder, +die er durchzieht, die schrecklichsten Folgen +habe. Um sich davon zu überzeugen, darf +man nur den Zustand der Plätze, wo Krieg +ist, und ihre Gegenden umher betrachten. +</p> +<!-- page 164 --> + +<p>Täglich schleicht sich da, trotz aller Wachen, +die ihn beobachten, ein verkappter +Feind hinein. Er herrscht da mit größerer +Macht, als die Statthalter des Königs. Die +Wachsamkeit derselben, ihn hindanzuhalten, +ist unnütz. Er ist sogar mit den Offizieren, +die man dahin beordern könnte, verstanden. +Uiber dieß, wie wollte man junge Leute +hindern, sich einem Gelüste zu ergeben, das +der Müssigang, aus dem sie sich eine Ehre +machen, bei ihnen genährt hat? Wie wollte +man Begierden unterdrücken, die ein, lange +Zeit, bezähmtes Temperament, oder die +Gewohnheit der Ausschweifung wüthig gemacht +hat? Weder die Bestrafung so einer +Unglücklichen, die sie anpestet, noch die +langwierigen Peinen, womit sie die Schwachheit +eines Augenblicks abbüssen müssen, werden +sie je vor dem Rückfalle bewahren. Ein +Soldat glaubt, er sei da, um des Gegenwärtigen +zu genießen: seine Bestimmung ist, +den Gefahren Trotz zu bieten, und er rechnet +<!-- page 165 --> +sichs zum Verdienste an, ihnen in jeder +Gestalt zu trotzen. +</p> + +<p>Was noch trauriger ist: da sich der +Soldat so selbst verderbt, verderbt er auch +andere mit. Er erhält, wie Midas, die +Eigenschaft, allem, was er berührt, die +Kraft, die er empfangen hat, mitzutheilen. +Und so wird eine Armee selbst in Feindes +Lande dadurch viel verderblicher, als die +schrecklichste Verwüstung des Krieges. Nicht +das, was sie daraus fortträgt, sondern das, +was sie darinnen läßt, schlägt ihm eine unheilbare +Wunde. +</p> + +<p>Wahr ists; sie empfängt dafür bald ihre +Strafe. Das Weibervolk dieses Landes +bewaffnen sich ihrerseits gleichfalls mit der +Plage, die sie verletzet hat, wie Montesquieus +Präsident vom Despotismus sagt, +daß er sich mit seinen eigenen Ketten bewaffnet, +und dadurch desto schreckbarer wird. +<!-- page 166 --> +Damit, schlagen, sie bei ihrem Durchmarsche +die Soldaten, die sich davor verwahrt, oder +davon entlediget haben. Dieser mörderische +Kriegslauf unterhält unter den Truppen +eine weit furchtbarere<a id="corr-8"></a> Pest, als die best +eingerichtete Artillerie. +</p> + +<p>Auch dieses wissen alle, die die letzten +Feldzüge mitgemacht haben. Die deutschen +Bauerndirnen waren, wie die römischen +Frauen, die sicherste Vormauer ihres Vaterlandes +geworden. Die Gefälligkeit der +kirre gewordenen Hessinnen war mehr zu +fürchten, als das Schwert ihrer vaterländischen +Helden. Eine einzige Westphälerinn +brachte mehr Unordnungen aus, und +füllte die Spitäler mehr an, als die Armee +von einem ganzen Detachement Hanovrianer. +</p> + +<!-- page 167 --> + +<p>Lieber Freund, sehen Sie hier wirkliche, +offenbare Thatsachen, an denen sich nicht +zweifeln läßt. Sie geschehn vor unsern Augen, +und leider! sind der Zeugen nur zu +viele, die die Wirklichkeit davon bestättigen +können. Unter allen den Reformazionsgegenständen, +womit man sich in diesem philosophischen +Jahrhunderte beschäftigt, ist +vielleicht dieser der einzige, woran man nicht +denkt, da er doch wahrlich der allerwesentlichste +ist. Die übrigen interessiren nur die +moralische Glückseligkeit der Menschen, indeß +dieser sich mit ihrer phisischen Existenz +befaßt. Die Mißbräuche bei den Finanzen +und in der politischen Verfassung werden +ganz gewiß übertrieben. Die Uibel, die daraus +entstehn, lassen sich vielleicht bezweifeln, +oder es könnten wenigstens die Verbesserungen +derselben sehr leicht noch trauriger +ausfallen. Allein hier stehts mit der +Sache ganz anders. Das Uibel ist gewiß, +die Nothwendigkeit, ihm zu steuern, ist dringend, +<!-- page 168 --> +und die Anwendung des Heilmittels +dagegen wäre ohne Widerrede der nützlichste +Dienst, den man der Menschheit erzeigen +könnte. +</p> + +<p> </p> +<p> </p> +<p> </p> + +<h2 class="chapter">Fußnoten</h2> + +<p class="footnote" id="footnote-1"><a href="#fnote-1">1) Wörtlich geteutscht die kleine Pocke; +Die große Verole, ihre Schwester, von +der sichs hier eigentlich handelt, ist ein +Frauenzimmer von solcher Artigkeit, +daß sie sich immer balsamt, und parfümt; +und von solcher Ehrwürdigkeit, +daß sie auch den ausgelassensten Lüstling, +sobald er sie kennen lernt, voll Ehrfurcht +zurückhält, sich an sie zu wagen. +Anmerk. des Uibersetzers. +</a></p> +<p class="footnote" id="footnote-2"><a href="#fnote-2">2) Eine seltsame, dunkle Verkettung der +Gedanken! — Ich müßte zu weitläuftig +werden, und behalte mir vor, diese, und +die nachfolgenden Anmerkungen am Ende +des Werkchens auszuführen. Anm. +des Uibersetzers. +</a></p> +<p class="footnote" id="footnote-3"><a href="#fnote-3">3) Sieh den Kandide, oder die beste Welt, +4. Kapitel. +</a></p> +<p class="footnote" id="footnote-4"><a href="#fnote-4">4) (Anmerkung der Verleger). Im Manuskripte +steht ein kräftigerer Ausdruck. Sicher +ist er jener, der unter den Meistern dieser +Kunst wirklich gebraucht wird. Wir sehen +ihn hier verhüllet, und so bei, daß man ihn +nach der zerstreuten Ordnung seiner Bestandtheile +auch verkennen kann, wenn man will. +V. I. R. V. S. Wer seine Augen nicht darauf +wenden will, hat die Freiheit, ihn zu +übergehen: wer ihn hingegen ohne Schaudern +besichtigt, kann ihn durchaus an die Stelle +des Giftes setzen. +</a></p> +<p class="footnote" id="footnote-5"><a href="#fnote-5">5) Sieh die gelehrte Abhandlung des Herrn +A * * de morbis veneris. +</a></p> +<p class="footnote" id="footnote-6"><a href="#fnote-6">6) (Anmerkung der Verleger.) Wir dürfen nicht +bergen, daß dieses Vorgehen des Doktors +ziemlich offenbar demjenigen widerspricht, das +ihm sein Geschichtschreiber im 4. Kap. des Optimism +in den Mund legt. Dieser läßt Herrn +Pangloß mit den eignen Worten sagen, daß die +Türken, die Indianer, die Chineser, die Perser, +die Samiten die F — — noch nicht kennen; +sondern daß es nur lediglich einen zureichenden +Grund gebe, vermög welchen sie sie +in einigen Jahrhunderten kennen würden. Das +ist eine triftige Autorität. Indessen glaubten +wir doch nicht, daß sie der unsers Manuscripts +vorzuziehen wäre. Gott behüte, daß wir Herrn +Ralph eines Irrthums oder einer Untreue beschuldigen +wollten; aber die Memoires, nach +denen er gearbeitet hat, konnten nicht genau +seyn; und über dieß hatte auch sein Held zu +der Zeit, wo er ihn sprechen läßt, noch nicht +alle jene Einsichten erlangt, welche ihm neue +Reisen in der Folgezeit erworben haben. +</a></p> +<p class="footnote" id="footnote-7"><a href="#fnote-7">7) Lettres de Gul Patin. let. 133. +</a></p> +<p class="footnote" id="footnote-8"><a href="#fnote-8">8) Sieh die registres du Parlement & du Chatelet. +</a></p> +<p> </p> +<p> </p> +<p> </p> + +<div class="trnote"> +<p class="center"><a id="Anmerkungen"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></a></p> + +<p> </p> +<p class="noindent"> +Fußnoten wurden am Ende des Bandes gesammelt. +</p> + +<p> </p> +<p class="noindent"> +Schreibweise und Interpunktion des Originales wurden weitestgehend erhalten. +Nur in wenigen, klaren Fällen wurden die folgenden Korrekturen vorgenommen: +</p> + +<ul> +<li> Kanstantinopel — geändert in <a href="#corr-1"><i>Konstantinopel</i></a></li> +<li> kønnte — geändert in <a href="#corr-2"><i>könnte</i></a></li> +<li> Ungemächlichken — geändert in <a href="#corr-3"><i>Ungemächlichkeiten</i></a></li> +<li> ger — geändert in <a href="#corr-4"><i>der</i></a></li> +<li> dursuchte — geändert in <a href="#corr-5"><i>durchsuchte</i></a></li> +<li> drn — geändert in <a href="#corr-6"><i>den</i></a></li> +<li> Schlächtelchen — geändert in <a href="#corr-7"><i>Schächtelchen</i></a></li> +<li> fuchtbarere — geändert in <a href="#corr-8"><i>furchtbarere</i></a></li> + +</ul> +</div> + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of Project Gutenberg's Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KAKOMONADE *** + +***** This file should be named 39043-h.htm or 39043-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/3/9/0/4/39043/ + +Produced by Jens Sadowski + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact +information can be found at the Foundation's web site and official +page at http://pglaf.org + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. To +SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any +particular state visit http://pglaf.org + +While we cannot and do not solicit contributions from states where we +have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition +against accepting unsolicited donations from donors in such states who +approach us with offers to donate. + +International donations are gratefully accepted, but we cannot make +any statements concerning tax treatment of donations received from +outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. + +Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation +methods and addresses. Donations are accepted in a number of other +ways including checks, online payments and credit card donations. +To donate, please visit: http://pglaf.org/donate + + +Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic +works. + +Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + http://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + +</pre> + +</body> +</html> diff --git a/39043-h/images/ornament.jpg b/39043-h/images/ornament.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..bb352ea --- /dev/null +++ b/39043-h/images/ornament.jpg diff --git a/39043-h/images/title.jpg b/39043-h/images/title.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..0995050 --- /dev/null +++ b/39043-h/images/title.jpg diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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