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+The Project Gutenberg EBook of Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Die Kakomonade
+ Ein Nachlaß vom Doktor Panglos, als ein Supplement des Kandide
+
+Author: Simon Nicolas Henri Linguet
+
+Release Date: March 6, 2012 [EBook #39043]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KAKOMONADE ***
+
+
+
+
+Produced by Jens Sadowski
+
+
+
+
+
+Die
+Kakomonade,
+
+ein Nachlaß
+vom Doktor Panglos,
+
+als ein Supplement
+
+des Kandide,
+
+von
+
+Linguet.
+
+Nach der zweiten vermehrten Ausgabe übersetzt.
+
+Berlin, 1786.
+
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+
+Buchhändlernachricht.
+
+
+Es leben zwo berüchtigte Schwestern in der Welt, welche mit voller Gewalt
+auf derselben regieren. Man ist gesinnet, von der Einen derselben die
+Geschichte ihres Lebenslaufes hier vorzulegen. Dem Leser wirds gar nicht
+schwer fallen, zu errathen, wer die sei, von der man spricht, sobald er
+weis -- was wir ihm eben sagen -- daß man jene, von der die Rede nicht ist,
+nach unserer französischen Mundart gemeinhin die petite vérole nenne[*].
+
+Diese nun hat sich vor undenklicher Zeit in Europen ausgebreitet; der
+andern aber gelang es nur erst um viele Jahrhunderte später, in diesem
+Welttheile festen Fuß zu fassen; indessen mag man sie für
+Zwillingsschwestern ansehen, und ihr Alter beinah so weit hinaussetzen, als
+das Alter der Welt. Es ist wahrscheinlich, daß sie bei ihrer Geburt zu
+einer Zeit mit Noe sich in das Universum theilten. Die Eine nahm die linke,
+die Andere die rechte Seite desselben in ihren Besitz. Sie zogen mit den
+Söhnen dieses Patriarchen herum, und schlugen in Wüsten, denen es an
+nichts, als an Bewohnern fehlte, ihren Wohnsitz auf.
+
+[Fußnote *: Wörtlich geteutscht die kleine Pocke; Die große Verole, ihre
+Schwester, von der sichs hier eigentlich handelt, ist ein Frauenzimmer von
+solcher Artigkeit, daß sie sich immer balsamt, und parfümt; und von solcher
+Ehrwürdigkeit, daß sie auch den ausgelassensten Lüstling, sobald er sie
+kennen lernt, voll Ehrfurcht zurückhält, sich an sie zu wagen. Anmerk. des
+Uibersetzers.]
+
+Die Kleine nahm das größte Stück für sich: Das ganze feste Land des
+Alterthums ward ihr Reich; Afrika, Asien, und Europa fielen unter ihre
+Bothmässigkeit. Ihre vornehmste Beschäfftigung war, die Menschengestalten,
+die sich da befanden, zu verderben; aber vorzüglich übte sie sich in ewigen
+Kriegen gegen die Schönheit.
+
+Die Andere trieb Anfangs ihren Ehrgeiz nicht so weit: sie begnügte sich,
+den Zepter über Amerika zu führen: Da pflegte sie des Umgangs mit den
+Schlangen, und allem kriechenden Ungeziefer, welche diesen schönen Theil
+der Welt verheeren: allein der Theil, auf welchen sie ihre Gewalt
+ausbrechen ließ, war nicht das Gesicht; sondern sie griff unmittelbar das
+an, was die Schönheit nützlich, oder schätzbar macht.
+
+So lebten sie über fünf tausend Jahre, einsam, jede in ihrem Aufenthalte.
+Nur erst im fünfzehnten Jahrhunderte kam sie die Lust an, sich zu besuchen,
+da sie zu ihrer Reise die spanischen Flotten sehr gemächlich fanden. Sie
+mußten keine Ursache gefunden haben, es sich gereuen zu lassen: von dieser
+Zeit an scheinen sie den Entschluß gefaßt zu haben, sich nimmer wieder zu
+verlassen. Sie verglichen sich, ihre Schätze gemeinschaftlich anzulegen.
+Ohne Unterschied, und ohne Eifersucht herrschen sie nun beide zusammen über
+die vier Theile dieser unteren Welt, wo, wie es ein Haufen erlauchter
+Philosophen beweist, alles gut ist. Der Vergleich dieser beiden Schwestern
+hat die Masse des allgemeinen Guten um ein Ansehnliches vermehrt; ob man
+gleich gestehen muß, daß einige einzelne Uibel daraus erwuchsen.
+
+Diese zu mildern, ja zum Theile gar zu unterdrücken, scheint die Absicht
+gewesen zu sein, welche sich der Verfasser dieses Werkes durch dasselbe zu
+erreichen bestrebet hat. Wir glaubten wahrzunehmen, daß er hierzu eben so
+sichre, als leichte Mittel an die Hand gab; und man wird sich von der Sache
+sogleich gute Begriffe machen, sobald man wissen wird, der Verfasser sei
+der Herr Doktor Panglos, Feldprediger des Freiherrn von
+Donnerstrunkshausen, und Hofmeister des Kandide.
+
+Seine Abentheuer sind Jedermann bekannt, aber Niemand weis Etwas von seinen
+Schriften. Man weis, daß er eben sowohl, als sein Zögling, auf den Befehl
+der heiligen Hermandad den Staupbesen bekam, und, was noch mehr ist,
+gehangen wurde. Seine Unglücksfälle sind, Dank sei es der Feder des
+berühmten Herrn Ralph, seines Mitbruders in der Metaphysik, zum Besitze der
+Unsterblichkeit gelangt; hingegen zweifelte man nicht, daß es ihm nicht am
+Kützel, oder an der Zeit gefehlet habe[*], ein Autor zu werden; dennoch ist
+dieß eine unläugbare Wahrheit; und hier theilen wir eine seiner Arbeiten
+mit, die uns würdig genug schien, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich
+zu heften.
+
+[Fußnote *: Eine seltsame, dunkle Verkettung der Gedanken! -- Ich müßte zu
+weitläuftig werden, und behalte mir vor, diese, und die nachfolgenden
+Anmerkungen am Ende des Werkchens auszuführen. Anm. des Uibersetzers.]
+
+Es hält schwer, ihren Zeitpunkt genau zu bestimmen; unterdessen ist es doch
+ziemlich wahrscheinlich, daß sie der Doktor damal verfaßte, als er sich bei
+dem Wiedertäufer Jakob aufhielt[*]. ohne Zweifel wars diese heilsame
+Einsamkeit, wo Herr Panglos sichs zum Geschäfte, machte, über die Ursache
+nachzudenken, von der er da die Wirkungen empfand. Voll von seinem
+Gegenstande, machte er sich das Vergnügen, die treffenden Bemerkungen, die
+ihm sein Zustand darboth, zu Papier zu setzen. Er kam dabei, wie man weis,
+um ein Aug, und um ein Ohr. Doch rettete er sein Manuskript, und dieses
+kostbare Stück Werk kam in der Folge unter allen dem Stürmen, die das Leben
+dieses großen Philosophen verfolgten, mit heiler Haut davon.
+
+[Fußnote *: Sieh den Kandide, oder die beste Welt, 4. Kapitel.]
+
+Diese Stürme waren mit der Epoche, womit Herr Ralph seine Geschichte
+beschließt, nicht, wie man etwa denken konnte, vorüber. Die mühsame
+Vereinigung, welche die Noth unter allen Gefährten Kandidens veranlaßt
+hatte, war von kurzer Dauer. Die kluge Alte war das Band der Gesellschaft:
+sie starb, und das Gebäude, zu dem sie so viel beigetragen hatte, zerfiel
+mit ihrem Tode.
+
+Kunegunde, ihres guten Rathes beraubt, begieng eine Thorheit auf die andre.
+Die letzte davon war, daß sie bei Barzellona mit einem Korsaren auf dem
+mittelländischen Meere kreuzen schiffte. Bald darauf machte sich auch
+Kandide, bloß von Martinen begleitet, unsichtbar, ohne Zweifel nicht so
+viel, um seiner theuern Hälfte wieder habhaft, als um des Verdrusses, daß
+er sie geheurathet hatte, los zu werden.
+
+Der Bruder Giroflee gieng einige Zeit vorher unter die Janitscharen.
+Panglos reiste mit Paquetten ab, um, falls er ihn treffen konnte, seinem
+Zöglinge Trost einzusprechen. Die kleine Mayerei blieb das Eigenthum des
+einzigen Kakambo, der zufolge des Kaim Akan von Konstantinopel, nachher
+Oberrichter geworden ist, aber trotz dieser Würde, sich so gut, als seine
+Herrschaften, neuen Unglücksfällen ausgesetzt fand.
+
+Der Doktor, und seine Gefährtinn bestanden ein klein griechisch
+Kaufmannsschiff, um darauf nach Smirna zu fahren, wo sie sich Rechnung
+machten, einige Schiffe zu finden, um nach Europa zu kommen, in der
+Hoffnung, daß Kandide diese Strasse eingeschlagen hätte. Unglücklicherweise
+hatte an der Küste von Mar di Marmora Paquette wieder Lebhaftigkeit, und
+Farbe gewonnen. Der Patron würdigte sie seiner Aufmerksamkeit. Dieser
+eifrige Muselmann fand sie weiß, wie eine Lilie, und frisch wie eine Rose,
+und sah sie für eine Zirkassierinn an, die aus irgend einem Serrail
+entwischet wäre. Er trug Bedenken, so viele Reize den Unbeschnittenen
+zuzuführen. Statt also, sie zu Smirna ans Land zu setzen, führte er sie in
+Aegypten, wo er sie um tausend Zekine an den Bascha von Kairo verkaufte.
+
+Mittels einer sehr sinnreichen, und der Schule eines Leibnitz ganz würdigen
+Verkleidung fand Panglos den Weg, sie zu entführen. Sie durchstrichen
+hierauf ganz Asien. Die Kette ihrer Begebenheiten zog sie bis nach China,
+wo sie Kunegundens Bruder, Herrn Baron von Donnerstrunkshausen wieder
+fanden. Der war noch immer der alte Starrkopf, der alte Jesuite. Er gab
+sich hier, wie man im Verfolge dieses Werkes sehn wird, mit dem Gewerbe
+nützlicher Künste ab. Endlich trafen sie nach einer Menge neuer Märsche,
+und mehr, oder minder trauriger Trennungen zu Paris wieder zusammen.
+Paquette gab sich hier einen indianischen Namen. Durch diesen Kniff, und
+durch die Neugierde, die sie gegen sich erregte, machte sie in kurzer Zeit
+ihr Glück, trotz dem, daß ihre Reisen sie etwas gebräunet hatten.
+
+In ihrem Glücke verlor sie Panglosen nicht aus dem Gedächtnisse. Sie gab
+ihm bis zu seinem Tode, der sich den 11ten Dezember des vorigen Jahres
+ereignete, seinen Unterhalt. Er hatte ziemlich schnell das Französische
+begriffen, und das Werk, das wir hier herausgeben, selbst in diese Sprache
+übersetzt. Er hat es, wie man sehen wird, seiner Wohlthäterinn zugeeignet,
+und diese hat uns das Mannuskript davon mitgetheilt.
+
+Man fand unter seinen Papieren viele andere Bemerkungen, in sehr guter
+Ordnung. Sie enthalten alle seine Reisen von der ersten von Konstantinopel
+aus angefangen.
+
+Fräulein Paquette übernahm selbst die Sorge, sie durch sichre Hände an
+Herrn Ralph gelangen zu lassen; und wir wissen ganz zuverläßlich, daß
+dieser Gelehrte des Vorhabens ist daraus einen Zweiten Theil zur besten
+Welt zu verfassen, dessen Ausgabe nicht lange ausbleiben wird. Hierbei
+bedienen wir uns mit Vergnügen der Gelegenheit, das Publikum aus einem
+Irrthume zu ziehn. Man hat bei einigen nachgedruckten Ausgaben der besten
+Welt auf den Titel gesetzt, daß Herr Ralph gestorben wäre. Ja man führte
+sogar den Ort und das Jahr dieses Vorfalls an, der, wie man sagt, sich zu
+Minden im Jahre Christi 1759. ergeben hat.
+
+Ohne Zweifel kömmt dieses Gerücht von des Herrn Doktors Feinden her. Sie
+gaben vor, er hätte sein Leben auf einem Schlachtfelde geendigt, gewiß nur,
+um verstehen zu geben, daß er vor Furcht gestorben. Diese Nachricht ist
+falsch. Der unsterbliche Herr Ralph befindet sich, zum Verdrusse seiner
+Neider, noch bei den besten Kräften. Die Herausgabe des zweiten Theils
+seines Werkes wird davon eine Probe seyn. Um ihn erscheinen zu lassen,
+erwartet er nur noch die Landkarten, womit er ihn versehen will; eine
+Vorsicht, deren Außerachtlassung beim ersten Theile er sehr bedauert.
+
+Vom Verdienste des Doktor Panglos, als Schriftstellers, wird das Publikum
+das Urtheil sprechen. Wir zweifeln nicht, daß man dieses Werk seines Ruhmes
+würdig finden werde. Was uns Anfangs befremdete, war nur der Gegenstand
+desselben. Herr Ralph nannte das Kind, das sein Held aus seinen Versuchen
+in der Experimentalphisik erhielt, ohne Umschnitte beim rechten Namen.
+Allein selbst dieser soll, nachdem er es im Französischen zu einer
+vollständigen, Kenntniß gebracht, und die Doppelsinnigkeiten, und die
+falsche Delikatesse dieser Sprache näher eingesehen hatte, es, wie man uns
+versicherte, nie gewagt haben, sich die Freiheit seines Geschichtschreibers
+zu erlauben. Er suchte Wendungen, und gab seinem Buche den ehrbaren Namen,
+den wir ihm hier beibehalten haben.
+
+Man kann sich einbilden, daß diese Herabstimmung, ihm vieles kostete. Wir
+haben in seinen Schriften davon Proben gefunden. Er hatte sogar gegen diese
+sogenannte Delikatesse eine Abhandlung angefangen, wobei wir sehr bedauern,
+daß er sie nicht zu Ende bringen konnte. Der Herr Doktor machte sich
+darinnen mit einem seiner würdigen Nachdrucke gegen diese lächerliche
+Wohlanständigkeit auf, welche die Artigkeit mehr in den Worten, als in den
+Dingen sucht, und sich über Ausdrücke, aber nicht über die Begriffe
+entrüstet. Er legte lebhaft seine Befremdung an den Tag, daß rechtschaffne
+Leute in Europa sich nicht getrauen, eine Ursache, von der sie alle Tage
+die Wirkung zu befahren haben, bei ihrem Namen zu nennen. Er sprach über
+diesen Gegenstand als ein erfahrungsvoller Philosoph, und als ein
+vollkommener Leibnizianer.
+
+Unterdessen wollen wir zur Rechtfertigung der Franzosen, bemerken, daß sie
+nicht die Einzigen sind, die sich auf diese unvernünftige
+Gewissenhaftigkeit etwas zu Gute thun können. Die Italiäner haben beinahe
+die nämliche Schwachheit: sie nennen die größere Schwester der kleineren
+Pocke mal Francese, obgleich sie unstreitig weder an der Seine, noch an der
+Rhone bürtig ist. Wahr ists, sie besucht diese Flüsse öfters, und unterhält
+sich vorzüglich mit den Nymphen, die diese Gestade verschönern; aber doch
+ist sie da nicht geboren, und die wälsche Paraphrase ist weder richtig an
+sich selbst, noch artig im Bezuge auf die benachbarten Völker.
+
+Die Spanier sollten mit dem Namen und der Sache besser bekannt seyn;
+indessen weichen sie dem Begriffe davon so viel möglich aus. Sie bezeichnen
+sie mit dem feinen Ausdrucke purgacion. Wenn man daher jenseits der
+Pyrenäen spricht: el señor marqués, el señor conde, el señor duque tiene
+las purgaciones, so will dieß nicht sagen, daß diese Herrn Arzneien
+eingenommen, sondern daß sie ihrer sehr nöthig haben. Diese kleine
+Untreuheit ist doch verzeihlicher, als jene, deren man sich im Lande des
+Vesuvs bedient.
+
+Uibrigens ist diese abgeschmackte Kleingeistigkeit nicht bei allen Völkern
+die Folge eines vagen Vorurtheils, wovon man nie versuchet hätte, einen
+Grund anzugeben. Große Schriftsteller haben sich bemühet, sie zu heben, und
+sogar zu rechtfertigen. Unter andern kann man hierüber den berühmten Herrn
+Abbé Desfontaines in seinem ein und sechzigsten Briefe seiner Beobachtungen
+über die Schriften unsrer Zeit anführen.
+
+Der Herr Abbé untersucht sehr sorgfältig, und mit all dem kritischen
+Geiste, den er besaß, worinn die sogenannte Keuschheit unsrer heut zu
+tägigen Sprachen ihren Grund habe. »Das Christenthum, und die Moral der
+Europäer,« sagt er, »machen sie so gewissenhaft in ihren Worten, da im
+Gegentheile das Griechische und Latein, welches von heidnischen Völkern
+gesprochen wurde, weit freier ist.«
+
+Wir bitten den Herrn Abbé um Vergebung; allein wir sind nicht seiner
+Meinung; und was noch mehr ist, wir haben so gar sehr gute Gründe, es nicht
+zu seyn.
+
+Der erste ist das Ansehn des Herrn Panglos, der sich ganz öffentlich für
+die entgegengesetzte Meinung erklärt, wie man in der Sammlung seiner Werke
+sehn wird, wenn man anders jemal das Fragment, von dem wir sprachen,
+darinnen mit heraus giebt. Der zweite Grund ist der, daß die Moral der
+Heiden nicht lockerer war, als die unsrige. Die wahren Begriffe von
+Schande, und Ehre findet man eben sowohl in ihren guten Schriften, als in
+unsern Kasuisten entwickelt. Uiberdieß haben die Moral und Religion nur auf
+unsre Handlungen Einfluß. Es ist ausgemacht, daß die Sprache nicht ihr
+Gegenstand ist, oder daß sie wenigstens sehr wenig darauf achten. Gott
+selbst hat, wie bekannt, sich gewürdigt, die hebräische Sprache anzunehmen;
+und dennoch ist diese unter allen Sprachen die unfläthigste, will sagen,
+die einfacheste in ihren Begriffen, und die nachdrücklichste in ihren
+Ausdrücken.
+
+Der Journalist denkt nicht, daß die Väter der beiden Kirchen Eingebungen
+vom heiligen Geiste hatten, und wenigstens eben so gut, als wir, in der
+christlichen Moral unterrichtet wurden. Indessen erlaubten sie sich doch,
+Zergliederungen zu machen, denen das Geschraubte unserer Sprache bei einer
+Uibersetzung den Schein einer Unlauterkeit giebt, da sie doch an sich
+selbst nichts mehr, als natürlich, sind. Die Tugend zeigt sich in ihren
+Schriften manchmal mit einer Rüstung, wovor in den unsrigen das Laster
+erröthen würde. Sollten sich die Bürger in Paris, die sich in Kupfer
+stechen lassen, darum getrauen, zu glauben, über diese großen Männer
+erhaben zu sein?
+
+Sehen wir uns ja vor, die scheinbare Grobheit der Alten, und selbst der
+Heiden, zu verachten. Wir haben einen heiligern Gottesdienst; aber unsre
+Sitten sind darum nicht reiner. Lassen wir uns ja nicht den dummen Stolz
+einkommen, zu glauben, daß es die Erhabenheit unserer Glaubenslehren sei,
+die der Freiheit unserer Gespräche einen Zaum anlegt. Man müßte erstaunen,
+wenn die Moral Stärke genug hätte, die Sprache zu reinigen, und dennoch
+nichts über die Sitten vermöchte; daß es der Religion gelungen habe, den
+wahren Namen der Heldinn des Herrn Panglos zu verbannen, daß sie aber ihrem
+Laufe kein Hinderniß setzen konnte.
+
+Weit gefehlt, daß die Sittsamkeit der kauderwälschen Europäer die Frucht
+einer ächten Sittsamkeit wäre, so ist sie vielmehr der Beweis einer tiefen
+Verderbtheit. Man schont der Ohren, weil man sonst nichts mehr zu schonen
+übrig hat. Die heiligen Väter, welche die Gottheit, deren Geschichte wir
+bekannt machen, nicht zu fürchten gehabt hätten, würden sich erlaubet
+haben, von ihr ohne Umschweife, und ohne Bedenklichkeiten zu sprechen.
+Unsre Leute von Welt, die fast unaufhörlich unter ihrem Zepter stehn,
+zittern, wenn sie nur ihren Namen hören; So, wie die Einwohner von Siam es
+nicht wagen, den Namen des Despoten über die Zunge zu lassen, der sie mit
+der unbeschränktesten Gewalt beherrschet.
+
+Doch muß man, wenn man für sie schreibt, auf diese alberne Delikatesse
+Rücksicht nehmen. Man muß einen Gegenstand, vor dessen nackten Anblicke sie
+sich scheuen, mit einem durchsichtigen Schleier überdecken. Man muß sich
+zufrieden geben, die furchtbare Macht, deren Thaten man lesen wird, unter
+einem allegorischen Namen aufzuführen. Diese Nothwendigkeit wars, die den
+Herrn Doktor veranlaßte, den geheimnißreichen Ausdruck: Kakomonade zu
+ersinnen.
+
+Man erkennt daran den Eifer des Lehrmeisters Kandidens für die Lehre des
+größten Metaphysikers von Deutschland. Das blosse Wort Monade, erinnert uns
+auf den Ruhm seines Erfinders zurück, und, wenn der selige Liebhaber von
+Fräulein Paquette auf den Gedanken fiel, es mit dem Beiworte Kako, das, wie
+man sieht, von dem Griechischen kakos herkömmt, und soviel, als böse,
+unbequem heißt, zu verbinden; so ist dieß ein Merkmaal von dem Scharfsinne
+seines Geistes, und von der Richtigkeit seiner Urtheilskraft. In der That
+ist auch von allen Leibnitzischen Monaden keine lästiger, als diese, und
+das Beiwort ist also mit ganz vorzüglicher Richtigkeit ausgewählt.
+
+NB. NB. Bei dieser zweiten Ausgabe hat man dem Werke einen Brief
+beigerückt, der sich auch unter den Schriften des Herrn Doktors vorgefunden
+hat, und über den nämlichen Gegenstand lautet. Er ist ebenfalls von eben
+den Absichten der Menschlichkeit, und Wohlthätigkeit ganz voll, und wir
+glaubten daher, ihn dem Publikum nicht vorenthalten zu dürfen.
+
+
+
+
+Die Kakomonade.
+
+
+
+
+
+Schreiben an Fräulein Therese Julie Klementine Paquette.
+
+
+Sie zwingen mich also, Fräulein, und ich soll Sie durchaus
+verunsterblichen? Sie wollen, meine Erkenntlichkeit soll Ihren Namen auf
+die Nachwelt übertragen? In einem dicken philosophischen Buche, gedruckt in
+unsern Tagen, haben Sie gelesen, daß die Phrynen, und die Aspasien ganz
+leicht die Sokraten, und Platone aufwogen; und mit Rechte hat Ihnen dieser
+artige Ausspruch Muth eingeflößt.
+
+Wahrscheinlich war Aspasia nicht so schön, als Sie, und Phryne hatte nicht
+die Geschicklichkeit, die Grazie. Sie kehren die Köpfe zu Paris, wie jene
+zu Athen oder Theben, um; und also haben Sie Recht, sich für eine Erbinn
+dieser berühmten Schönen zu halten. Und sie verlangen den Besitz ihres
+Ruhmes, wie ihrer Talente; ihres Rufes, wie ihrer glücklichen Unternehmung
+für sich.
+
+Die Eine derselben gab, wie man weis, den Philosophen ihres Zeitalters
+Unterricht in der Beredtsamkeit. Sie lehrte sie die Kunst, mit Sanftheit
+den Geist der Menschen zu regieren. Der berühmte Lehrmeister des Alcibiades
+studirte unter ihr, und er schämte sich nicht zu gestehn, wie viel Dank er
+ihr wisse. Sie wars, von welcher Sokrates die erhabenen Lehren empfieng,
+die er in der Folge mit so vieler Sorgfalt seinem jungen Schüler einprägte.
+
+Die Andere verlangte von ihren Liebhabern, daß sie, wenn sie zu ihr kämen,
+ihr einen harten Stein behändigten. Der war das Zeichen, auf welches ihre
+Thüre sich öffnete. Auch verwahrte sie, sagt man, sehr sorgfältig die
+Modelle davon. Aus dieser wunderbaren Sammlung ließ sie, zum Zeitvertreibe
+in ihrem Alter, eine sehr hohe Pyramide bauen, und die Reisenden haben
+dieses Denkmaal mit Rechte unter die sieben Weltwunder gezählet.
+
+Sie, mein Fräulein, Sie gebrauchen sich keiner Worte, um die Kunst zu
+lehren, die Herzen zu besiegen. Wenn Sie diesen großen Unterricht
+ertheilen, so ertheilen Sie ihn Ihren Gespielinnen, so ertheilen Sie ihn
+durch Ihr Beispiel. Sie fordern von denen, die es nach Ihrer Huld verlangt,
+eben keinen Stein ab; nicht als ob Sie vielleicht weniger, als eine andere,
+auf Pyramiden achteten, oder als ob Sie weniger Geschick besässen, eine zu
+errichten; nein, sondern das Klima in Frankreich ist von jenem in
+Griechenland verschieden.
+
+Attika, und Beotien waren dürre und unfruchtbare Länder, die Steine wuchsen
+da im Uiberflusse. Ein artig Frauenzimmer durfte nur die Hand ausstrecken,
+um welche zu finden. Der Marmor dehnte sich, um so zu sagen, demselben von
+selbst entgegen.
+
+Sie leben in einem glücklicheren Erdstriche, und dennoch haben Sie eben
+diese Vortheile nicht. In Paris, und in dessen Umkreise nehmen die Steine
+mit jedem Tage ab. Die Menge, welche man in den Palästen dieser Hauptstadt
+täglich verbraucht, macht die ganze Art dieser Naturprodukte zu nichte.
+Brächte man ihrer nicht von Zeit zu Zeit aus dem Schatze der Provinzen
+einige dahin, so ist zu vermuthen, daß sich diese Stadt derselben bald ganz
+beraubt sehen würde.
+
+Sie, mein Fräulein, halten sich weislich an die allgemeinen, und
+unausweichlichen Gesetze der Natur. Wie viele Andre sind eigensinnig genug,
+hartnäckig gegen ihre Schwäche zu kämpfen! Sie haben keine andere Sorge,
+als wie Sie sich für dieselbe entschädigen können. Gerne lassen Sie den
+Männern den Stein nach, wenn Sie Ihnen diesen nur mit recht viel Gold
+ersetzen.
+
+Auch wissen Sie sich hierbey so zu nehmen, daß Sie nie was verlieren. Man
+weis, welche Kunst Sie gebrauchen, die Opfer, die man Ihnen macht,
+miteinander zu vereinbaren. Niemanden ists unbekannt, mit welcher Einsicht
+Sie die verschiedenen Gattungen derselben zusammen auswählen. Sie ahmen
+jenen geschickten Wirthen nach, die aus mehrern mittelmäßigen Weinen ein
+vortrefliches Getränke bereiten.
+
+Sie mäßigen die Schwachheit eines Parisers durch den Trotz eines
+Provenzalen, und die Schaalheit eines Einwohners von Marais durch den Saft
+eines Burgunders. Sie verbinden den brausenden Schaum des Champagners mit
+Amerika's Wärme, und die Dumpfheit des Deutschen mit der Feinheit des
+Italiäners. Da Sie so die Fehler jeder Nazion durch die Zumischung der
+entgegengesetzten Tugenden verbessern, da Sie die Ungeschmacktheit der
+Einen durch das Beißende der Andern lindern, so sind Sie so glücklich, sich
+eine Reihe höchst angenehmer Lebenstage, und eine ununterbrochene Fortdauer
+von Vergnügungen zu verschaffen.
+
+Ihre Bescheidenheit will der Nachwelt die Denkmaale Ihrer Triumphe gerne
+schenken; jedoch, müßte man die Anzahl all derer, die Sie ihr noch hätten
+hinterlassen können in die Rechnung bringen; so glaube ich, alle Phrynen
+des Alterthtums würden sich nicht beygehen lassen, Ihnen das Geringste
+streitig zu machen; so viele Gründe also berechtigen Sie, sich über die
+alten und neuen Sokraten erhaben zu glauben!
+
+Indessen muß man gestehen, dieser so große Ruhm wird von einigen Ungemachen
+etwas aufgewogen, und verliert von seinem Glanze. Mit Vergnügen sehen Sie
+die Ankunft der Schätze, die der Geiz den Bergen der neuen Welt entwühlt,
+und welche die Thorheit auf den Sopha's von Europa zerstreuet, bey sich.
+Eine Danae, öffnen Sie den Schooß diesem kostbaren Regen, dessen Werth und
+Nutzen Ihnen so wohlbekannt ist.
+
+Unglücklicherweise macht er öfters in der alten Welt gewisse
+Vollkommenheiten aufzusprossen, welche die Natur bloß für die neue
+bestimmet hatte. Die kostbare Pflanze derselben brachte uns 1493. der
+Genueser Christoph Kolombo mit dem Gold aus San Domingo, und, wie wir wohl
+wissen, seit dieser Zeit haben sie sich mit einer verwundernswürdigen
+Fruchtbarkeit ausgebreitet.
+
+Die jüngere von zwoen Schwestern, die beynahe einerley Namen führen,
+scheint es am weitesten gebracht zu haben. Seit fast zweyhundert Jahren
+arbeitet sie ohne Unterlaß an der Ausbreitung ihres Reiches; und daß ihr
+alle Unternehmungen glückten, hat sie vorzüglich ihrer verschwenderischen
+Freygebigkeit zu danken. Gleich den staatsklugen Eroberern gewann sie eine
+Menge Landes, weil sie mit ihren Geschenken nicht haushälterisch war.
+
+Nicht, als ob man im Grunde so erpicht darauf wäre. Wenige Personen sind
+aufgelegt, sie freywillig sich zu wünschen; allein sie verbindet, wenn sie
+sie anbeut, damit einen so verführerischen Reiz, daß die mißtrauischsten
+Herzen manchmal genug zu thun haben, sich dagegen zu verwahren. Man
+empfängt sie, ohne es fast nur gewahr zu werden; und was dabei das
+verdrießlichste ist, wenn man sich damit beschwert fühlt, so ist man nicht
+immer im Stande, sie sich vom Halse zu schaffen.
+
+Man bringt sie nicht einmal los, wenn man ihren Kreislauf befördert. Sie
+haben die Eigenschaft, sich zu vervielfältigen, ohne die Quelle, aus der
+sie entsprungen sind, zu schwächen; gerade, wie eine brennende Wachsterze
+tausend andere anzuzünden dienen kann, ohne im mindesten von ihrem Licht,
+und dem Feuer, das sie verzehrt, zu verlieren.
+
+Gewiß, mein Fräulein, ein schreckliches Mißgeschick! Sie wünschten wohl,
+man möchte ihm abhelfen können. Auch ich wünsch es von ganzem Herzen.
+Suchen wir miteinander die Mittel auf. Die Ehre davon will ich Ihnen gerne
+lassen.
+
+Die griechischen Lustmädchen zeichneten sich, die Eine durch den Zauber
+ihres Verstandes, die andre durch die Anmuth ihres Tanzes, und diese durch
+ihre Schönheit aus. Was Sie betrift, so wünsche ich, daß Sie Ihren Namen
+durch der Menschheit geleistete Dienste verewigen. Ihre Gefälligkeit gegen
+sie, kennt man bereits zur Gnüge. Man wird sich nicht befremden, daß Sie,
+zum Tempel des Ruhmes zu kommen, diesen Weg gewählet haben.
+
+Wie viel man nicht von dieser Menschheit redet! Unsre philosophischen Tage
+geben ihr ein so herrliches Licht! Sie sehen sie von Stockholm bis
+Lissabon, von den Gränzen des Mogol bis London sich mit so großem Glanz
+entwickeln. Es sind nur eben sieben volle Jahre, während deren wir uns mit
+aller nur möglichen Artigkeit, und Leutseligleit herumgeschlagen haben; und
+alle Menschen, welche diese ganze Zeit hindurch in den Land- und
+Seegefechten verstümmelt, erschossen, gebraten, oder zermalmet worden,
+beliefen sich doch nicht höher, als auf eine Million.
+
+Die Krankheiten, Mühseligheiten, und Siechenhäuser nahmen ihrer nicht mehr,
+als zwo Millionen weg. Von Berlin an der Spree bis Villa-Veilha, an den
+Gestaden des Tagus, rechnet man nicht ganz zwanzig tausend Quadratmeilen,
+die in jedem Betrachte mit fünfzehn oder zwanzig Millionen zweifüssiger
+federloser Geschöpfe verwüstet, und von Helden in Jammer oder Verzweiflung
+gebracht worden sind.
+
+Unsre Untersuchungen hätten in keiner Zeit erscheinen können, wo die
+Menschheit größere Fortschritte gemacht hätte. Unmöglich hätte man dazu
+günstigere Umstände wählen können. Eilen wir also, sie ans Tageslicht zu
+bringen; warten wir nicht, bis wieder die Barbarei zurückkehrt. Wollen wir
+von ihren Rasereien gegen das Menschengeschlecht aus dem Zustande
+urtheilen, in dem es sich in einem erleuchteten, und philosophischen
+Jahrhunderte befindet, so würden wir Gefahr laufen, auf der Erde keine
+Menschen mehr zu finden, die uns anhören könnten.
+
+Vergeben Sie mir, Fräulein, wenn ich in der Folge dieses Werkes mich nicht
+mehr an Sie verwende. Sie sind es, denen ich es zueigne; aber die
+Menschheit ists, der sich es heilige. Ich hab es mit dem Unterrichte der
+Völker, mit der Heilung der Menschen von ihren Irrthümern zu thun. Es kömmt
+darauf an, den Dienst der Venus zu reinigen, die gefährliche Luft, die ihre
+Tempel erfüllt, zu zerstreuen, und sogar ihre Altäre zu säubern.
+
+In der Behandlung der zur Erreichung dieses Zweckes nöthigen Sühnopfer,
+werde ich nicht mehr von Ihnen reden; aber denken an Sie werd' ich
+unaufhörlich. Ich werde dem Anscheine nach Ihre Reize aus dem Gesichte
+verlieren; aber mein Gegenstand wird mich immer zur Gnüge auf dieselben
+zurückführen.
+
+Ich will mit aller Bedachtsamkeit untersuchen, welche Mittel uns zum Ziele
+führen könnten, die Macht des Feindes, über den wir uns beklagen, zu
+stürzen. Es wird nicht übel gethan seyn, zuvor ein paar Worte von seiner
+Natur und Geburt zu sagen. Ich werde bis auf seinen Ursprung zurückgehn,
+und einen Auszug seiner Geschichte geben müssen. Die Medaillen dieser
+Begebenheit bestehen noch; aber die Epoche derselben scheint in Dunkel
+gehüllt. Es wäre sehr nützlich, sehr rühmlich, wenn es uns, sie
+festzusetzen, gelänge.
+
+Uibrigens wird sie weder Befremden, noch Furcht befallen bei dem Namen
+Kakomonade, dessen ich mich bedient habe, um diese grausame Feindinn
+umzukleiden, sie, die ich mich nicht getrauet hätte, anders zu nennen. Wahr
+ist es, dieses Wort ist ganz griechisch; allein die Sache, die es
+bezeichnet, ist ganz französisch, und also unseren Damen so wenig
+unverständlich, daß sie viel mehr ein wichtiges Ingredienz guter
+Gesellschaften ist. Uiber dieß sind Sie auch mit Leibnitzens Sprache
+bekannt. Ich habe Sie gelehrt, was in dem Verstande dieses
+unvergleichlichen Mannes eine Monade sey. Von Ihnen Ihrerseits habe ich
+gelernt, diesen Namen durch das Beiwort Kako zu verlängern, das ich ohne
+Sie nie erfunden hätte. Sie werden mich also ohne Schwierigkeit verstehn,
+und ich gehe ohne Besorgniß zur Sache.
+
+
+
+
+Erstes Kapitel.
+
+
+
+Von der Natur der Kakomonade.
+
+Was ist die Kakomonade? Wo kömmt die Kakomonade her? Zwo große, und
+erhabene Fragen! Lange schon haben trefliche Gelehrte die Tiefsinnigkeit,
+und den Nutzen derselben gefühlet. Sie haben sich bestrebet, sie
+aufzulösen. Vielleicht krönte ihre Bemühungen noch kein sehr glänzender
+Erfolg; allein wenigstens führten sie doch uns auf diese Strasse. Nur an
+uns liegt es nun, auf ihren Pfaden in dem Lande, das sie durchliefen,
+fortzuwandeln, und, wenn wir können, darinnen weiter zu gehen, als sie.
+
+Erste Beobachtungen haben sie gelehrt, daß die Kakomonade ein Gift[*] sey.
+Uiber den Sinn dieses Wortes in dieser Anwendung ist man nicht ganz einig.
+Allein, wo man keine deutlichen Begriffe haben kann, da ists bei allen
+Arten Wissenschaften viel, daß man sich einen Ausdruck auffinde, der nichts
+sagt. Man hat weit weniger Mühe, ihn auf alle möglichen Sisteme passend zu
+machen, und daher ist die Kakomonade ein Gift.
+
+[Fußnote *: (Anmerkung der Verleger). Im Manuskripte steht ein kräftigerer
+Ausdruck. Sicher ist er jener, der unter den Meistern dieser Kunst wirklich
+gebraucht wird. Wir sehen ihn hier verhüllet, und so bei, daß man ihn nach
+der zerstreuten Ordnung seiner Bestandtheile auch verkennen kann, wenn man
+will. V. I. R. V. S. Wer seine Augen nicht darauf wenden will, hat die
+Freiheit, ihn zu übergehen: wer ihn hingegen ohne Schaudern besichtigt,
+kann ihn durchaus an die Stelle des Giftes setzen.]
+
+Noch mehr: dieses Gift ist phlogistisch, korrosiv, gerinnend, und fix[*].
+Phlogistisch, denn es verursacht Entzündungen. Als korrosiv greift es die
+Haut an, frißt sie auf, und trennt ihren Zusammenhang. Als gerinnend,
+stillt es den Lauf der Feuchtigkeiten, welche die Natur zu freiem Umlaufe
+bestimmet hatte. Endlich, weil es fix ist, läßt, es sich so schwer
+vertreiben. Und dieß ist die ganze Theorie von der Kakomonade, von einem
+ihrer besten Historiker entwickelt. Sie ist, wie man sieht, deutlich,
+bündig, und faßlich.
+
+Die Quacksalber mischten sich manche mal ins Spiel, und gaben eine andre
+an. So erschien Anno 1727 ein sehr berühmter zu Paris. Dieser behauptete,
+alle menschlichen Schwachheiten, und die, mit denen wirs zu thun haben, wie
+alle andere, würden durch kleine Thierchen erzeugt, die sich ins Blut
+eindrängen. Seinem Sisteme zufolge war das, was wir Arzneimittel nennen,
+ein Kompositum von andern kleinen Thierchen, als unversöhnlichen Feinden
+der ersten. Diese jagten ihre Gegner tapfer fort.
+
+[Fußnote *: Sieh die gelehrte Abhandlung des Herrn A * * de morbis
+veneris.]
+
+So war der Körper eines Kranken ein Schlachtfeld, wo Wunder der Tapferkeit
+geschahen. Das Fieber führte darauf seine leichten Geschwader an; die
+Kakomonade ihre gerinnende Infanterie. Bald sah man die Fakultät
+heranrücken in schwerer Rüstung, mit Bataillonen von Quecksilber, und
+Chinarinde. Sie ließ die verschiedenen Korps dieser fürchterlichen Miliz
+allmälig aufmarschiren. Man schlug sich lange mit Lebhaftigkeit herum, bis
+die Thierchen der Chinarinde über die des Fiebers die Oberhand erhielten,
+oder bis die korrosiven Würmchen durch die metallischen Insekten vertrieben
+wurden, wenn anders nicht, welches zum öftersten geschah, sich das
+Schlachtfeld selbst, unter dem Drucke von so heftigen Gewaltthätigkeiten
+erliegend, in die Erde versenkte, welche Uiberwinder und Uiberwundene sammt
+ihnen verschlang.
+
+Hatte diese Idee keine Wahrheit zum Grunde, so war sie wenigstens
+unterhaltlich. Aber die Steifheit der regierenden Doktoren hat sie
+verbannt. Entrüstet, daß sie sich durch sie dahin gebracht sahen, nichts
+weiter, als die Obersten über ein Regiment Sensblätter und Rhabarbar zu
+sein, machten sie allen diesen kleinen Armeen, die man ihnen anzuführen
+gab, den Garaus. Sie wollten lieber die Oberhäupter einiger blinden
+Körperchen bleiben, als zahlreiche und beseelte Legionen kommandiren. Sie
+wollten die Harmonie in den Feuchtigkeiten dem Zufalle lieber mit ganz
+materiellen Werkzeugen, als nach einer guten Ordnung, unter einer Bedeckung
+von thätigen, wohldisziplinirten Truppen einräumen. Heißt das nicht, wie
+man ihnen vorwirft, die Unthätigkeit der Bewegung, den Tod dem Leben
+vorziehen?
+
+Man kann dieses System nicht genug bedauern: es hätte Gelegenheit zu den
+unterhaltendsten Hypothesen gegeben. Die Metaphysik, die Physik, die
+Philosophie und Arzneykunde haben ungereimtere, aber keine angenehmere
+aufzuweisen. Indessen muß man sich über dessen Verlust eben wohl trösten,
+und sich mit einer Menge grosser Männer daran halten, nämlich, daß die
+Kakamonade ein korrosives, gerinnendes, phlogistisches, und fixes Gift sey.
+
+
+
+
+Zweites Kapitel.
+
+
+
+Vom Ursprunge der Kakomonade.
+
+Vom Ursprunge der Kakomonade sind wir nicht sowohl unterrichtet, wie von
+ihrer Natur: die Wirkung kennen wir besser, als die Ursache. So viel ist
+gewiß, daß jene heut zu Tage nur das Resultat der Vergemeinschaftung mit
+einer unbehutsamen, oder unglücklichen Person ist. Den Keim davon bringen
+wir nicht schon bey unserer Geburt mit. Die Natur gab uns nur bloß das
+Vermögen, ihn anzunehmen.
+
+Dennoch muß sie sich einstens in dem ersten Menschen, der sich davon
+ergriffen fühlte, von selbst hervorgebracht haben. Daß Gott, da er den Adam
+schuf, ihn nicht aus seiner Hand damit ausstattete, ist wohl außer Zweifel.
+Das höchste Wesen bildete ihn zur Zeugung, und gab ihm somit so gesunde, so
+vollkommene Organe, als es seine Bettgenoßinn nur wünschen konnte.
+
+Trug sich dießfalls hierinn eine Veränderung zu, so ists wahrscheinlich ein
+unglückliches Individuum von seiner Nachkommenschaft, das die Erstlinge
+derselben bekommen haben wird. Aber was kann von dieser sonderbaren
+Entwicklung die Ursache gewesen seyn? Die Luft? die Nahrungsmittel? oder
+der Mißbrauch des Vergnügens?
+
+Das Klima derjenigen Länder, die man für das Vaterland der Kakomonade
+ansieht, ist nicht ungesünder, als das in den Gegenden, wo sie sich nur
+durch den Vorschub der Menschen eingeschlichen hat. Ihre Produkte, weit
+gefehlt, daß sie gefährlich wären, so sind sie für uns vielmehr sichere
+Hilfsmittel gegen manche Krankheit; und die Ausgelassenheit ist nur eine
+Tochter der Prasserei und des Reichthums. Nun wußte man von diesen beiden
+Geißeln unseres Geschlechtes gewiß nichts in jenem Lande, wo wir unsere
+Geißel holten, welche in dem unsrigen oft auf sie folgt, und sie bestrafet.
+
+Dennoch sind diese drei Ursachen, die einzigen, welche auf ihre Entstehung
+Einfluß gehabt haben können. Jede derselben fand warme Vertheidiger. Einige
+sagten, die Luft allein sei genug gewesen, in der Insel Hispaniola das Gift
+hervorzubringen, das heut zu Tage in allen andern Ländern die Zeugungen
+angreift; allein es ist einleuchtend, daß sie sich geirret haben.
+
+Seit zweyhundert Jahren, und darüber, giebt die Erfahrung den Beweis, daß
+man zu San Domingo diese Frucht nicht anders ärnte, und säe, als wie in
+Frankreich. Sie wächst dort, wie hier, im Schooße des Vergnügens. Man
+behält da ein freyes, reines Blut, so lange man sich begnügt, frische Luft
+zu schöpfen. Hätte diese ja was Pestisches an sich, so würde sie es seit
+der Eroberung den Europäern eben sowohl, als den Eingebohrnen des Landes
+haben zu fühlen gegeben. Dieß findet sich nicht, und also ist dieses Sistem
+nicht anzunehmen.
+
+Andere behaupteten, diese Eigenschaft wäre ausschließlich den
+Menschenfressern vermöge ihrer Nahrungsmittel gegeben, gleich als ob das
+menschliche Fleisch schon von selbst ein Gift wäre. Die Völker, welch
+dergleichen minder höfliche Feyerlichkeiten halten, sind viel seltener, als
+man sichs einbildet. Uiberdies muß ihnen ihre Lebensart viele Stärke, und
+hiemit Gesundheit geben. Daher es denn sehr ungereimt ist, zu denken, daß
+ihr Fleisch, wenn es durch den Magen ihrer Feinde wandert, da die Kraft,
+sie zu vergiften, annehmen könne.
+
+Zwar wäre dieses eine ziemlich erlaubte Rache; allein, wenn man am
+Bratspieße steckt, pflegt man sich nicht mehr zu rächen. Sollte der
+Hinterschlägel eines Karaiben den ehrlichen Leuten, die sich einander damit
+beschenkten, Nachwehen haben erregen können, so müßten nur die ihm
+benachbarten Theile sich nicht in gutem Stand befunden haben; ein Umstand,
+der, wie man sieht, die Schwierigkeit nicht aufhebt.
+
+Ein geschickter Arzt hat in einem dicken Buche über diesen Gegenstand das
+dritte Sistem ergriffen. Seiner Meinung nach ist es das Uebermaaß der
+Vergnügungen in warmen Ländern, und die wenige Wahl in den zu derer Genuße
+geeigneten Augenblicken, welche die Kakomonade auf der Welt eingeführet
+haben. Er erzählt über diese Materie sehr sonderbare Geschichten.
+
+»Die Weibsleute im Königreiche Melinda,« sagt er nach Tavernier, »sind
+einmal im Monate so gefährlich, daß, wenn ein Europäer das Unglück hat,
+sich an einem Platze aufzuhalten, wo eines derselben in dieser fatalen Zeit
+gepisset hat, er davon das Fieber, Kopfschmerzen, und manchmal die Pest
+bekommt.« Ich gestehe, da ich die Stelle las, wünschte ich von
+Herzensgrunde, es möchte sich nie ein melindisches Frauengimmer beigehen
+lassen, sich unter meinem Fenster aufzuhalten.
+
+Zum Glücke gesteht H. A., da er diesen Zug anführt, selbst ein, daß er auf
+unsre Klima nicht passet; dennoch beharret er nichts destoweniger auf der
+Meinung, daß zwischen dem Ursprunge der Kakomonade, und zwischen dem
+pestischen Einflusse dieser gebräunten zanguebarischen Schönheiten ein sehr
+genaues Verhältniß Statt haben müße. Er besteht hartnäckig auf der
+Behauptung, daß dieser der zureichende Grund des andern war. Man kann auch
+in seinem Werke selbst sehen, mit welcher Stärke und Bündigkeit er darüber
+räsonnirt.
+
+Nur ist es wunderbar, daß man durch das Gebäude ähnlicher Sisteme dahin
+kommt, die Kakomonade zu verbannen; wie wenn die barbarischen Worte, mit
+denen man sie erklärt, helle, und unbestreitbare Wahrheiten bedeuteten.
+
+Just so berechnet man die Finsternißen, indem man die Planeten als kleine
+Theilchen betrachtet, welche die Sonne ausschneuzte, da zur Zeit der
+Schöpfung ein grosser Komet an derselben sich rieb. So benützt man den
+Kompaß durch die Erklärung der Abweichungen seiner Nadel, die an einem Ende
+mit dem Magnete bestrichen ist. So ermüdet man nicht, in dem Magen einen
+guten Saft hervor zu bringen, unter beständigem Streite, ob er durch
+Auflösung, oder Gährung, oder Vertreibung entstehe.
+
+Man muß es gestehen, wir haben leicht machen. Die Fortschritte des
+menschlichen Geistes in jeder Art stecken sich selber ihre Gränzen aus:
+eine Wahrheit, über die sich nicht streiten läßt. Allein so einleuchtend
+sie ist, so muß mans nicht bey ihrer Erwägung bewenden lassen; man muß
+nicht unterlassen, in den Kalender zu sehn, wenn man den Sonnenstand wissen
+will, und auf den Kompaß, wenn man die Küsten aus dem Gesichte verlohren
+hat. Man muß nicht anstehn, seinen Magen zu füllen, wenn man hungerig ist,
+und sich an die Zubereitung des Quecksilbers zu wenden, wenn man einer
+Aehnlichkeit zwischen unserm Klima, und jenem von Amerika gewahr wird.
+
+
+
+
+Drittes Kapitel.
+
+
+
+Ob wir das Recht haben, bei der Betrachtung der Uebel, die uns die
+Kakomonade verursacht, uns über die Natur zu beklagen.
+
+Wenn ja irgend etwas dem Anscheine nach den Menschen das Recht geben kann,
+über die Natur zu murren, so ist es gewiß diese Geißel, mit welcher sie sie
+schlägt. Sie hat sie mit Vergnügungen vereinbart, von denen sie die
+Fortdauer ihres Geschlechtes abhängen läßt. An die Seite der größten aller
+Reizungen hat sie die größte aller Gefahren gestellet. So setzte sie uns
+auf den Zweiweg, entweder ihre Absichten nicht zu erfüllen, oder dafür, daß
+wir sie erfüllten, immer in der Furcht zu sein, bestrafet zu werden.
+
+Bei den andern Empfindnissen hat sie die Strafe wenigstens nur mit dem
+Uibermaaße verbunden. Der Wein macht kein Kopfweh, außer man trinket
+zuviel. Der Magen leidet nicht, so lange man mäßig ißt. Das Auge wird nicht
+verwundet, außer es heftet den Blick an zu schimmernde Gegenstände.
+
+Aber das nothwendigste, das schätzbarste Sinnglied, das Sinnglied, welches
+dem Menschen eines der Gerechtsame der Gottheit mittheilt, dieß ist eben
+dasjenige, dessen auch mäßiger Gebrauch die größte Reue, und das
+empfindlichste Nachweh, verursachen kann. Nur einen Augenblick braucht es,
+um das ordentlichste Leben zu vergiften.
+
+Das höchste Wesen, sagen die Dichter, hat das Gute und Böse in zwoen Tonnen
+bei sich. Aus diesen schöpft es mit vollen Händen, so wie ihm die Laune
+kömmt, die Geschenke, die es unter unser kleines Ameisenhäufchen austheilt.
+Die Kakomonade war unstreitig mit von den Hefen in der Tonne des Bösen; und
+an dem Tage, wo wir sie erhielten, leerte Jupiter das eine seiner Fässer
+aus.
+
+Dennoch müssen wir, bevor wir gegen die Natur Klage stellen, und sie
+ungerecht nennen, einen Blick auf die Geschichte werfen. Hätte diese
+zärtliche Mutter die Absicht gehabt, uns die Geißel, über die wir seufzen,
+zu ersparen; hätte sie sich bestrebt, sie in einem kleinen Winkel eines
+unbekannten Landes zu verbergen; hätte sie zwischen uns, und dieses
+traurige Land fünfzehnhundert Meilen stürmische Meere geworfen; hätte sie
+sich Mühe gegeben, uns alle erdenklichen Mittel, dahin zu kommen, zu
+entziehn; so wären wir ihr für so weise, so liebvolle Vorsichten unsre
+Dankbarkeit schuldig.
+
+Hätte in der Folge bloß unser unruhiger Geist diese Vorsichten vereitelt;
+wären wir mitten durch fast unüberwindliche Hindernisse zu dem bittern
+Becher, der das Gift, wovon sie uns abhielt, in sich schloß, eingedrungen;
+wäre es wahr, daß, wir geeilet hätten, darinnen unsere Lippen zu netzen,
+ungeachtet aller der schrecklichen Gegenstände, die uns davon hätten
+entfernen sollen; so würde ganz gewiß von unserer Seite die Natur keinen
+Vorwurf verdienen.
+
+Wir allein würden strafbar seyn, daß wir ihre Verordnungen verletzt hätten.
+Wir würden billig gestrafet werden, daß wir ein Geheimniß entdecket hätten,
+welches ihre Nachsicht uns verbergen wollte. Dieß nun wird uns die
+Geschichte lehren. Da werden wir vielleicht die Rechtfertigung der
+Vorsehung erblicken.
+
+Die Erzählung der Begebenheiten der Vorzeit wird uns zeigen, wie sehr sie
+für uns ob der Unglücksfälle besorgt war, die uns nun drücken. Wir werden
+gezwungen seyn, einzugestehn, daß, um uns so unglücklich zu machen, als wir
+es sind, wir sie in ihrem letzten Wehrplatze dazu nöthigen mußten. Wir
+werden bekennen, daß ihre Sorgfalt hinlänglich gewesen wäre, um unsere Ruhe
+zu gründen, wenn nicht unsre Vermessenheit in jeder Art weiter gienge, als
+ihre Güte.
+
+
+
+
+Viertes Kapitel.
+
+
+
+Ob die Alten die Kakomonade kannten?
+
+Man hat sich gewaltig ermüdet, die eigentliche Epoche dieser Begebenheit
+aufzufinden. Die Kakomonade hat in mehr als einem Verstande die Geduld, und
+den Scharfsinn der Kommentatoren auf die Probe gesetzt. Einige davon eignen
+die Ehre, sie auf uns gebracht zu haben, den Griechen und Römern zu. Sie
+sehen sie in geraden Linien aus Asien in Europa, von Athen nach Rom, aus
+Wälschland in Frankreich übergehn.
+
+Sie legen ihr verschiedene Masken bei, derer sie sich nach und nach bedient
+habe, bis sie auf diejenige kam, in der sie bei unsern Tagen erscheint.
+Ihrem Sisteme zufolge mußte sie sich bei dieser wohl befunden haben; denn
+sie trägt sie schon in die dreihundert Jahre, ohne daß sie zu abgenützt
+schiene. Doch, man muß gestehn, daß diese Meinung nicht zuzugeben sey. Man
+sieht offenbar, daß die Alten, glücklicher und weiser, als wir, oder
+wenigstens den Absichten der Natur getreuer, nie die Strafe empfanden, die
+wir erdulden.
+
+Homer ist genau, sogar bis zu Kleinigkeiten. Er brachte in sein Gedicht
+alles, was er von der Medizin, Anatomie, Geographie, und Physik wußte. Er
+berichtet uns, daß man zu seiner Zeit ein Leckergetränk aus in Wein
+geriebenem Käse machte. Er spricht oft von der Venus. Er erzählt, wie sie
+Diomedes mit einer Lanze tief verwundete. Hätte er an dieser Göttinn das
+Geheimniß gekannt, das sie seit dem in Amerika besaß; ohne Zweifel hätte er
+sie davon Gebrauch machen lassen, um sich an dem Helden zu rächen. Er hätte
+den Gott Merkur mit seinen goldgeflügelten Füssen aufgeführt, wie er sie
+mit der Heilung beschäftigte.
+
+Diese Allegorie würde nicht die unsinnreicheste seines Gedichtes gewesen
+seyn. Sie wäre uns soviel richtiger gewesen, da Merkur wirklich von der
+Gegenpartei der Venus war. Kann man wohl glauben, daß dieser göttliche
+Dichter die Gelegenheit versäumet hätte, sie an den Ufern des Simois
+Angesichte der Griechen und Trojaner sich schlagen zu lassen? Wäre das
+nicht eben der Fall gewesen, wo er hätte vorstellen können, wie die Erde
+und das Meer in der Erwartung des Erfolges erschüttert wären, und die ganze
+Natur bei dem Anblicke eines Kampfes sich theilte, der ihr Schicksal
+entscheiden sollte?
+
+Wie Schade doch, daß nicht Homer selbst in Person über diese Materie auf
+einer der zykladischen Inseln Erfahrungen machen konnte? Er hätte seine
+beiden Gedichte damit bereichert. Madame Dacier wäre uns erschöpflich
+gewesen, in ihren Noten über diesen interessanten Gegenstand. Eine derlei
+Erdichtung, in die Iliade verwebt, wäre für die Kommentatoren der vorigen
+und künftigen Jahrhunderte eine ewige Quelle von Zusätzen, Anmerkungen, und
+lehrreichen Gezänken geworden.
+
+Es ist offenbar, daß es Homer angebracht haben würde, wenn er es gekonnt
+hätte. Hätten die Götter oder die Menschen zu seiner Zeit die Kakomonade
+gekannt, so würde er davon gesprochen haben. Sein Stillschweigen ist ein
+unstreitiger Beweis, daß bei der Belagerung Trojens, und lange Zeit
+darnach, Venus noch unschuldig war: sie ließ sich selbst verwunden, ohne
+wieder zu verwunden.
+
+In den spätern Jahrhunderten lebten Hyppokrates, und nach ihm Galen in eben
+der Unwissenheit. Das Quecksilber schien ihnen nur in Rücksicht seiner
+Schwere, und seiner Flüssigkeit ihrer Aufmerksamkeit würdig. Die Helden,
+derer Gesundheit sie zu regieren hatten, waren nicht vernünftiger, als die
+unsern. Sie waren eben so lustig, eben so prächtig. Man hat uns das Detail
+ihrer Thaten in jeder Art aufbewahret. Wir wissen, wie sie ihre
+Liebesromane spielten, und wie sie ihre eisernen Lanzen schwangen. Aber wir
+sehen nicht, daß sie das andre Metall gebrauchten, zu welchem unsere
+Krieger so oft ihre Zuflucht nehmen.
+
+Cäsar war ohne Widerspruch ein großer Mann. Man nannte ihn den Ehemann
+aller Weiber, und das Eheweib aller Männer. Wären diese vorübergehenden
+Beilager damal einem Ungefähr unterworfen gewesen; kann man wohl glauben,
+daß man, nachdem er derselben so viele gefeyert hatte, gefunden haben
+würde, daß er damit nichts anders, als nur die fallende Sucht, gewonnen
+habe?
+
+Vom August sagt man wohl, daß er sich oft vor dem Feuer frottiren ließ;
+dieses könnte verdächtig scheinen. Aber es war ein Striegel, womit man ihn
+frottirte; und der ists nun nicht mehr. Er fand, wie Suetonius sagt, kein
+anders Mittel, um seine Gesundheit zu erhalten, und seine Haut zu jücken.
+
+Weder Tibor, noch Kaligula, noch Nero, noch alle jene Wunder der Geilheit,
+denen die Beherrscherinn der Nazionen so lange unterworfen war, haben sich
+je des Quecksilbers gebraucht. Man sieht keinen, griechischen, oder
+römischen Dichter, seine Kraft besingen. Sogar diejenigen, die sich durch
+ihre Ausschweifungen verewiget haben, nennen keine Strafe, die mit ihren
+Unmäßigkeiten verbunden gewesen wären.
+
+Ovid, in seiner Kunst zu lieben, zeigt alles an, was man von der Seite
+einer Buhlinn zu fürchten haben kann, er spricht von den Gefahren, die mit
+dem Umgange mit einer herumstreifenden Schönen verknüpfet sind. Ohne
+Zweifel war hier der Augenblick, der Kakomonade, wenn sie auf ihn gekommen
+war, eine Stelle einzuräumen. Indessen sagt er kein Wort davon.
+
+Horaz entrüstet sich über einen Knoblauch, der ihn in die Zunge gebissen.
+Hätt' er wohl vergessen, in einer schönen Schreibart eine Verwünschung auf
+das Quecksilber zu machen, wenn er davon gejückt worden wäre? Voll
+Nervigkeit, und ohne Umschweife sagt er einem alten Mütterchen Grobheiten,
+die sich die französische Politesse nicht einmal zu Sinne kommen lassen
+kann; hätte er ihr nicht die Kakomonade angewünscht, wenn sie zu seiner
+Zeit bei guten Gesellschaften im Gebrauch gewesen wäre?
+
+Eben das kann man von den Tibullen, den Katullen, den Gallussen sagen,
+welche die schädlichen Orte besangen, und besuchten, und also ohne Zweifel
+die Gefahren derselben, wenn sich deren gefunden hätten, beweinet haben
+würden. Sie theilten in sanfter Ruhe sich in die Gunstbezeugungen ihrer
+Mätressen mit dem Publikum; und klagten sie zuweilen über ihre
+Unbeständigkeit, so kam es nicht daher, weil sie für sie unangenehme Folgen
+gehabt hat.
+
+Es ist daher klar, daß die Korinnen, die Lesbien, die Lykorissen, sonst
+weit unter den, * * * und den * * *, diesen dennoch in einem Punkte
+überlegen waren. Es bedurfte vielleicht nicht größerer Mühe, um sie sich zu
+unterwerfen; aber gewiß weniger, um sie zu vergessen. Wenn man sich an ihre
+Gunstbezeugungen erinnerte, so dachte man nur an das Vergnügen, sie
+genossen zu haben. Man suchte keine Spezifika auf, um leichter das
+Gedächtniß zu verlieren, und man sah keine heilreichen Geschöpfe mit ihren
+Rezepten die Mauern Roms tapeziren.
+
+
+
+
+Fünftes Kapitel.
+
+
+
+Ob Job mit der Kakomonade in einem persönlichen Verhältnisse stand?
+
+Da man dieser Heldinn die Ehre nicht zueignen konnte, mit den Helden der
+weltlichen Geschichte zu thun gehabt zu haben, so gab man sich Mühe, sie
+dadurch zu entschädigen, daß man sie unter die Helden der heiligen
+Geschichte aufnahm. Ein erlauchter Benediktiner verfaßte ihr einen sehr
+ehrwürdigen Stammbaum. Er schreibt ihr eine sehr nahe Verbindung mit dem
+berühmten Job zu, und läßt in gerader Linie sie von demselben absteigen.
+
+Ohne Zweifel würde man nicht erwartet haben, diesen Zug seiner Erudizion in
+einem Kommentar über die Bibel zu finden. Indeß, da der Jünger des heiligen
+Benedikt so eine Materie in einem ganz zur Erbauung bestimmten Buche ohne
+Skrupel behandeln konnte; muß man mirs erlauben, in dem meinigen seine
+Schlüsse auseinander zu setzen. Wenn so ein Gegenstand unter seiner Feder,
+und an der Stelle, wohin er ihn setzte, kein Skandal verursachet hat, muß
+man sich nicht befremden, ihn hier zu erblicken, wo er sich viel
+natürlicher findet.
+
+Der gelehrte Bruder Dom Calmet also, setzte in die Reihe der Ahnen der
+Kakomonade den tugendhaften Job, der sie seiner Seits von seiner Frau
+hatte, und die sie ohne Zweifel vom Teufel bekommen haben mochte. Aber
+wahrhaftig, es wäre wirklich genug für einen so heiligen Mann, daß er eine
+so böse Frau gehabt hat; wozu die Vermuthung, daß er über die Verhöhnungen
+von ihr auch noch ein ander Ding empfieng?
+
+Es ist wahr, er saß auf einem Misthaufen, und fühlte sich seine Säfte nicht
+recht in Ordnung. Er sagt selbst, sein Fleisch wäre mit Geschwären bedeckt,
+seine Haut wäre ganz ausgedörret, sein Blut wäre geronnen wie Käse; welches
+nach Hrn. A. -- -- -- -- mit den drei Hauptsimptomen übereinkömmt, von
+welchen er uns seine Beschreibung gemacht hat.
+
+Wahr ist auch, daß, um den Job zu trösten, drei von seinen Freunden sieben
+Tage und sieben Nächte lang, ohne nur ein Wort zu sprechen, bei ihm
+blieben.
+
+Wahr ist ferner, daß nach diesem langen Stillschweigen Eliphaz, einer von
+ihnen durch Seitenwendungen seinen lieben Freund beschuldigt, er habe sich
+der Ungerechtigkeit ergeben, und den Schmerzen gesäet, dessen Frucht er nun
+ärnte. Er wirft ihm in figürlichen Ausdrücken vor, er habe Häuser von Koth
+geliebt, derer Grundfesten nichts taugten, und habe da etwas sehr dem
+Aussatz ähnliches erbeutet.
+
+Unterdessen erweist dies alles noch nicht, daß der Teufel vor vier tausend
+Jahren nach Amerika reiste, sich da ein Körnchen von der Kakomonade zu
+holen, um damit einen armen Tropf van Kaldäer zu inokuliren. Man sieht
+wohl, daß die Krankheit desselben korrosiv, phlogistisch und koagulirend
+war; aber es ist ja doch nicht ausgemacht, daß diese drei Eigenschaften
+ausschließlich nur mit einer einzigen Art Mißbehagens verknüpft sind.
+
+Würde wohl der Geschichtschreiber Jobs vergessen haben, vom Gifte zu
+sprechen, wenn ers damit zu thun gehabt hätte? Würde er nicht den
+Standpunkt der Krankheit angezeigt haben? Er berichtet uns, daß der
+Leidende seine Wunden mit Scherben trocknete. Ich berufe mich auf alle,
+welche zu unsern Zeiten ihre eigene Erfahrung in derlei Fällen aufgekläret
+hat, ob sie sich je beygehen ließen, so eine Scharpie zu brauchen.
+
+Ueber dieß scheint es nicht, daß sich Job der Bestrafung, von der die Rede
+ist, ausgesetzt habe. Seine innigsten Freunde, nachdem sie ihm allerley
+Unbilden gesagt, und ihren stummen Trost gegeben hatten, gestehen ein, daß
+er mit unverheuratheten Frauenzimmern wenig zu schaffen hatte: Viduas
+dimisisti vacuas; woraus erhellet, daß er ein behutsamer Mann war.
+
+Er selbst ruft auf: wo ist die Zeit, da ich meine Füße wusch? wo ich über
+mein Haupt meine Leuchte setzte? wo die Jugend, wenn sie mich sah, vor
+Schaam sich verbarg? Wo die Greise vor Verwunderung stehen blieben? Hat
+sich da mein Herz um ein Weib betrogen; habe ich getrachtet, mich in eine
+Thüre zu schleichen, die meinem Freunde gehörte; so möge meine Gattinn die
+-- -- -- eines andern werden; mögen alle meine Nachbarn -- -- -- -- ! --
+Wahrlich! das ist gar nicht die Sprache eines Ausschweiflings, der verdient
+hätte, an den Schätzen von Amerika Theil zu haben.
+
+Was den Kommentator hintergangen haben kann, mag dieses seyn, daß dieses
+Muster der Geduld bekennt, daß die Fäulniß sein Vater, und die Würmer seine
+Mutter, und seine Schwester seyn. Der gelehrte Benediktiner glaubte
+vermuthlich, die Kakomonade konnte in so einer Familie wohl an ihrem Platze
+stehn. Allein das ist nur eine Wahrscheinlichkeit; und sie ist nicht
+wichtig genug, uns zu bestimmen, daß wir denken sollten, Job habe sich
+jemal in dem Falle befunden, der Flüßigkeiten des Barometers zu bedürfen.
+
+
+
+
+Sechstes Kapitel.
+
+
+
+Ob der Aussatz mit der Kakomonade einerlei Ding gewesen?
+
+Leute, welche in der Geschichte der Kreuzzüge sehr bewandert sind, weil sie
+sahen, mit welcher Hitze diese ungestümmen Krieger auf dem Schutte von
+Jerusalem die Töchter der Sarazenen geschändet haben, und über dieß
+ungehalten über den Anblick, daß das Reich der Kakomonade so beschränkt
+seyn sollte, kamen auf den Gedanken, ihr zum Wohnplatze Palestinen
+anzuweisen. Sie wollten sie mit dem Aussatze vermengen, der, wie man weis,
+der ganze Nutzen war, den man aus den auferbäulichen, aber grausamen
+Feldzügen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts davon trug.
+
+Der Aussatz war eine kleine Unpäßlichkeit, die sich über die Haut
+verbreitete. Er veränderte ihre Farbe, ohne doch Narben nachzulassen. Er
+übersäete die Außenseite des Leibes mit grossen Blasen, die in der That so
+weiß waren, wie der schönste Alabaster, die aber nur ein heftiges Jücken,
+und eine starke Begierde verursachten sich zu kratzen.
+
+Er war weder unter den Griechen, noch unter den Römern, weder bei den
+Galliern, noch Deutschen, weder bei den Asiaten, Persern, Siriern &c.
+bekannt; sondern er scheint eine ausschließlich eigene Krankheit in
+Palestina gewesen zu seyn. Die Einwohner dieses Landes allein sind es,
+welche die Natur selbst mit diesem Vorzuge ausgestattet hatte, wobei sie
+ihnen zugleich das Vermögen ließ, ihn den vorwitzigen Proseliten, so, wie
+die Beschneidung, mitzutheilen.
+
+Die Juden hatten schon die Gewohnheit, unter beständigem Kratzen, in die
+verschiedenen Gegenden der Welt herum handeln zu gehen; allein sie scheinen
+nichts außer ihren Waaren unterlassen zu haben. Sie waren schon damal eben
+so säuisch, eben solche Wucherer, eben so verachtet, wie sie es heutiges
+Tages sind. Sie waren die einzigen, denen die Religion aus der Reinlichkeit
+eine Pflicht machte. Sie waren die einzigen, die sie vernachläßigten; und
+nur bey ihnen allein auch fand man Menschen, welche mit weissen Flecken,
+die den Kützel reizten, überdecket waren.
+
+Entgegengesetzte Sitten sicherten die Fremden vor den Folgen, welche ein
+ordentlicher Umgang mit dieser Nation haben könnte; Die Römer verbrannten
+den Tempel, erwürgten die Priester, schleiften Jerusalem, und hatten
+dennoch keinen Theil an diesem Jucken: der häufige Gebrauch des Bades, und
+die Reinlichkeit, auf welche sie grosse Stücken hielten, verwahrte sie
+davor.
+
+Sie giengen nach Europa damal über, als unsere Vorfahren sich im Jordan zu
+waschen giengen. Sie giengen bei dem Oelberge sich die Brust zu schlagen.
+Sie blieben kurze Zeit, aber doch lange genug, um so gut, als die Kinder
+Israel, sich kratzen zu lernen. Sie kamen nach Frankreich zurück ganz
+bedeckt mit Palmen und Aussatz.
+
+Da sie viel schwitzten, sich selten badeten, und ihre Oekonomie ihnen nicht
+erlaubte, öfters ihre grobtüchenen Kleider zu waschen, so übermachten sie
+auf lange Zeit ihrer Nachkommenschaft die Gewohnheit, einen milchfärbigen
+Grind an der Haut zu tragen, und ihn fein manierlich mit den Fingerspitzen
+zu kratzen. Dieß war damal der Wohlstand der Leute von feinerer Welt, wie
+heut zu Tage einen Taback zu präsentiren, oder mit den Stockquästchen zu
+spielen.
+
+Der allgemein gewordene Gebrauch der Leinwand machte, daß diese kostbare
+Gewohnheit verschwand. Sie erneuert sich nur noch an gewissen
+vorübergehenden Ungemächlichkeiten, wie zum Beispiel in der P -- -- -- der
+grössern Gattung. Man könnte sie sehr billig für einen Abkömmling, oder
+wenigstens für eine sehr nahe Verwandte des Aussatzes halten. Und hiermit
+ists alles, was uns die Geschichte von dieser Krankheit, welche die
+Kreuzzüge in Europa so empor gebracht haben, berichtet.
+
+Nach den Merkmalen, die sie karakterisiren, kann man sie durchaus mit der
+Kakomonade nicht vermengen. Die weissen Flecken, das Jucken begleiten diese
+nicht; und es scheint auch nicht, daß sie sie je begleitet haben. Wenn
+diese einiges Jucken verursacht, so ists innerlich, und ein wenig an den
+Lenden; zeigt sie sich von außen, und nimmt eine Farbe an, so weiß man zur
+Genüge, daß es nicht die ihrer Wesenheit nach der Jungferschaft geheiligte
+Weiße ist.
+
+Weiter, so griff der Aussatz nicht die Erzeugung an. Wenn er ihr nicht
+günstig war, so ist wenigstens gewiß, daß er ihr keinen Schaden that. Es
+scheint sogar, daß er die Zeugungsorgane stärkte. Es gab in dieser Zeit
+Frauen, die es nach jenen der Aussätzigen lüsterte, und man sah sich das
+Sprichwort bewähren, das Sprichwort: Unglück ist doch zu etwas gut.
+
+Man liest in einem gereimten Gedichte des zwölften Jahrhunderts diese zween
+Verse:
+
+ Felix, atque ortu vere dicenda beato,
+ Vivere quæ potuit leproso juncta marito.
+
+Indessen das Gesetz verordnete, diese armen Leute aus ihrem Hause zu jagen,
+bestrebte sich so die Natur, ihnen die Mittel zu bieten, wie sie da mit
+Ehren bleiben konnten. Dieß ist nicht das einzigemal, wo die Gesetze und
+die Natur sich mit einander im Widerspruche fanden.
+
+Ein sehr berühmter Arzt hat durch einen schönen Schluß erwiesen, daß von
+dem Aussatze diese Wirkung nothwendig erfolgen müsse. Die Kakomonade hat
+diesen Vortheil bei weitem nicht. Man kann also schließen, daß sie
+miteinander nichts gemein haben.
+
+Die einzige Aehnlichkeit, die ich an ihnen sehe, ist, daß sie alle beide
+nach eben so ungerechten, als blutigen Feldzügen in Europa überpflanzet
+worden sind. Die Kreuzzüge, und die Verheerung der Insel Hispaniola sind
+die Epochen der zwoen größten Plagen, mit denen das Menschengeschlecht seit
+der Erbsünde her in Europa heimgesucht worden ist. Es scheint, ob hätte die
+Natur den Ländern, die wir usurpiren wollten, vorsetzlich um uns zu strafen
+etwas mitgetheilet, womit sie das Blut ihrer unbarmherzigen Eroberer
+anpesten sollten.
+
+Dennoch wird uns dieß Beispiel nicht bessern. Man spricht von unentdeckten
+Ländern, von neuen noch unbekannten Welten an der Süderseite. Der Geiz ist
+auf dieses ihm so schmeichelhafte Gerücht schon aufgewacht. Man hat sich
+gewagt, sie zu suchen. Die Nebel, und vielleicht das Mitleid der Vorsicht
+haben uns ihnen bisher entzogen. Man darf alles welten; wenn wir sie je
+entdecken, so führen wir dort unsere Habsucht, und unsere Grausamkeit ein,
+und sie beschenken uns zur Wiedervergeltung mit einer dritten Plage, womit
+wir sehr sorgfältiglich unser Klima zu bereichern suchen werden.
+
+Dem sei, wie ihm wolle; aus dem Vorhergehenden sieht man übrigens, daß die
+Kakomonade in Rücksicht unser kein gar grosses Alterthum hat. Wie sehr man
+sich auch bestrebt, die Ehre ihrer Geburt den frühern Jahrhunderten
+zuzueignen; so setzen sich Vernunft und Wahrheit dagegen. Alle
+Vernünfteleien, und alle Erzählungen in dieser Hinsicht sind falsch. Keine
+ist gegründet, außer derjenigen, welche die Rückkunft des Christophorus
+Kolumbus in Europa als den Zeitpunkt angiebt, in welchem die Vergnügungen
+der Liebe da gefährlich zu werden begannen.
+
+
+
+
+Siebentes Kapitel.
+
+
+
+Ob gewisse Vorschriften, die eine große Königinn einem ordentlichen
+Hause gab, die vorstehende Behauptung über die Epoche der Kakomonade
+umstossen können?
+
+Bei der Unternehmung dieses wahrheitvollen Werkes machte ich mir die
+genaueste Aufrichtigkeit zum Gesetze. Daher muß ich selbst jene Dinge
+anführen, die meinem Sisteme entgegen zu stehen scheinen. Nun scheint dieß
+durch gewisse Vorschriften erschüttert, die um das Ende des vierzehnten
+Jahrhunderts von einer großen tugendvollen Königinn einem erbaulichen Hause
+gegeben worden sind. Ich hielt für gut, sie vollständig anzuführen, damit
+jene, die etwa versucht werden möchten, sie zu lesen, sich desto besser
+unterrichten könnten.
+
+
+Vorschriften, welche die Königinn Johanna die Erste, Königinn beider
+Sizilien, und Gräfinn von Provence einem Mädchenkloster zu Avignon gegeben
+hat.
+
+
+1.
+
+Im Jahre tausend dreihundert sieben und vierzig hat unsere gute Königinn
+Johanna erlaubet, in Avignon ein B -- -- -- zu erbauen. Sie will nicht, daß
+alle galanten Weibsleute sich in der Stadt ausbreiten; sondern sie
+befiehlt, sich in dem Hause verschlossen in halten, und, um kennbar zu
+seyn, auf der linken Achsel ein rothes Nestel zu tragen.
+
+
+2.
+
+Item: Wenn einem Mädchen eine Schwachheit zustieß, und sie sich mehrere
+erlauben will, so soll der erste Gerichtsdiener sie, unter dem Arme bei dem
+Schlage der Trommel mit dem rothen Nestel auf der Achsel, durch die Stadt
+führen, und sie zu den übrigen in das Haus einquartiren; Er soll ihr
+verbieten, sich außer dem Hause in der Stadt sehen zu lassen, unter der
+Strafe, daß sie das erstemal heimlich gepeitscht, das zweitemal öffentlich
+gepeitscht, und auf den Schub gegeben werden würde.
+
+
+3.
+
+Unsere gute Königinn befiehlt, das Haus soll in der Gasse der gebrochenen
+Brücke, nahe am Kloster der Augustinerbrüder bis zum steinernen Thore
+erbauet werden, und an der nämlichen Seite eine Thüre haben, wo Jedermann
+hindurchgehen, die man aber doch mit einem Schlüssel versperren, könne,
+damit die Jugend die Mädchen nicht zu besuchen vermöge, außer mit der
+Erlaubniß der Äbtissinn, oder Vorsteherinn, die alle Jahre durch die
+Bürgermeister ernennt werden soll. Sie soll die Jugend ermahnen, kein
+Aufsehens zu machen, und die Mädchen nicht zu kränken. Sonst würde sie, bei
+der mindesten Klage, die sich gegen sie erheben würde, mit dem Schritte aus
+dem Haufe, durch den Gerichtsdiener in Verhaft geführet werden.
+
+
+4.
+
+Die Königinn will, daß alle Sonnabende die Superiorinn, und ein von den
+Bürgermeistern abgeschickter Barbier alle Mädchen, die sich in dem B -- --
+-- befinden werden, visitiren soll; und findet sich eine darunter, für
+welche dieß Metier verdrüßliche Folgen gehabt hat; so soll diese von den
+andern abgesondert, sie soll in einem abgelegenen Orte eingewohnt werden,
+damit Niemand zu ihr könne, und man bei der Jugend gewisse Zufälle verhüte.
+
+
+5.
+
+Item: So sich ein Mädchen fände, das schwanger würde, da soll die
+Vorsteherinn wachen, daß sie ihre Frucht nicht abtreibe; auch soll sie die
+Bürgermeister davon berichten, damit sie das Kind versorgen.
+
+
+6.
+
+Item: Die Vorsteherinn soll am Charfreitag, und Charsamstag, wie auch an
+dem glorreichen heiligen Ostertag Niemanden den Eintritt in das Haus
+gestatten, bei Strafe der Kassazion, und öffentlichen Stäupung.
+
+
+7.
+
+Item: Die Königinn will, daß die Mädchen alle unter einander ohne
+Zänkereien und ohne Eifersucht leben; daß sie sich nichts entwenden, und
+sich nicht raufen, sondern sich wie Schwestern lieben sollen. So eine Klage
+entsteht, so hat die Vorsteherinn sie unter sich zu vergleichen, und sie
+sollen schuldig seyn, auf ihren Ausspruch sich zu beruhigen.
+
+
+8.
+
+Item: So ein Mädchen einen Diebstahl begangen hat, da soll die Vorsteherinn
+sie das Gestohlene in Güte zurückgeben heißen. Sollte sich die Diebinn der
+Zurückgabe weigern, so wird sie das erstemal von einem Gerichtsdiener auf
+einem Zimmer, im Rückfalle aber durch den Scharfrichter in der ganzen Stadt
+gestäupet werden.
+
+
+9.
+
+Item: Die Vorsteherinn soll keinen Juden annehmen. Im Falle sich einer
+fände, der sich durch List hineinstähle, und mit einem der Mädchen bekannt
+wäre, der soll eingezogen, und dann öffentlich durch die Stadt gepeitschet
+werden.
+
+ * * *
+
+Wenn man den letzten Artikel liest, so kann man nicht genug die Delikatesse
+des Sammlers der Gesetze bewundern. Er wollte die ungläubigen Juden eines
+Hilfsmittels berauben, welches für die gläubigen Christen bereitet war.
+Vielleicht wollte er diese verirrten Unglücklichen wie wilde Thiere
+behandeln, die man mit Hunger und Durst bändiget. Das wäre ein seltsamer
+Weg, sie in den Schooß der Kirche zu führen. Doch, man weis es ja; es gab
+Jahrhunderte, wo man allerhand Wege einschlug, um das Herz des Menschen zu
+unterjochen.
+
+Wie Johanna diese so nützliche Einrichtung machte, mochte sie beiläufig
+drei und zwanzig Jahre haben. Vielleicht wird man schwer glauben wollen,
+daß eine Prinzessinn von diesem Alter darauf bedacht gewesen sey, sich zur
+Gesetzgeberinn einer derlei Stiftung zu machen. Aber, wenn man dabei
+bedenkt, daß diese schöne Königinn damal schon einen Ehemann, der ihr
+mißfiel, aufhängen ließ; daß sie dreien anderen, derer sie nach und nach
+müde ward, das nämliche Schicksal bestimmte; daß sie in der großen, Kunst,
+sich so von eckelhaften Männern zu befreien, keine ihres Gleichen hatte,
+als die Königinn Maria Stuard, deren Tod den Umstehenden Thränen erzwang,
+und die ganze Christenheit auferbaute: -- so wird man weniger erstaunen,
+daß sich Johanna so frühzeitig mit den Vergnügungen ihrer Unterthanen
+beschäfftigt habe.
+
+Uibrigens waren die Gesetze, denen sie die Werkzeuge derselben unterwarf,
+sehr weise; und es wäre zu wünschen, daß man sie überall annähme, und daß
+unter andern die Visitation nicht vergessen würde. Denn die menschliche
+Schwachheit scheint einmal doch von den Fürsten einige Nachsicht, besonders
+aber ihre Aufmerksamkeit auf die Erleichterung, die man ihr bereitet, zu
+erheischen. Und sie sind auch im Gewissen verbunden, sorgfältig zu wachen,
+um bei der Jugend gewisse Zufälle zu verhüten.
+
+Diese Untersuchung scheint dem, was ich bisher gesagt, zu widersprechen,
+und die Epoche der Kakomonade früher anzusetzen. Wenn man schon seit dem
+vierzehnten Jahrhunderte mit den öffentlichen Lustmädchen sich in Acht
+nehmen mußte, so folgt daraus, daß auch ihre Waare schon eine koagulirende
+oder korrosive Wirkung an sich hatte. Und so könnte man vermuthen, daß sie
+schon seit jener Zeit der Unbequemlichkeit unterworfen waren, die hier der
+Gegenstand unsrer tiefsinnigsten Untersuchungen sind.
+
+Unterdessen sieht man, wenn man es recht erwägt, daß aus diesem Zuge der
+Geschichte sich gegen meine Grundsätze kein Widerspruch ergiebt. Bürge
+dafür ist mir der hochgelehrte Arzt, der mir einen Theil der seltsamen
+Bemerkungen an die Hand gab, mit denen mein Buch bereichert ist. Er
+beweiset bis zur Evidenz, daß der vierte Artikel der Königinn Johanna jene,
+die mit mir gleich denken, nicht aus der Fassung bringen darf. Vor dem
+fünfzehnten Jahrhundert konnten die Gegenstände der Zärtlichkeit dieser
+schönen Königinn andern Ungemachen ausgesetzt seyn, als diejenigen sind,
+die durch eine unbekannte Ursache auf San Domingo hervorgebracht wurden.
+
+Man weis zur Gnüge, daß auch noch in unsern Tagen die Kakomonade nicht die
+einzige gefährliche Macht ist, welche an solchen Orten, wie jene waren, die
+die Gräfinn von Avignon in ihren Schutz nahm, herrschet. Nichts also kann
+die Feste meiner Grundsätze erschüttern. Es ist evident, daß bis zum Ende
+des fünfzehnten Jahrhunderts die Vergnügungen wenig ansteckend waren. Man
+konnte sich ihnen noch ohne viele Furcht überlassen, als ein Italiäner es
+für gut fand, die Kakomonade Europen, und durch Europen der ganzen Welt
+mitzutheilen.
+
+
+
+
+Achtes Kapitel.
+
+
+
+Einführung der Kakomonade in Europa, und in Frankreich.
+
+Dreihundert Jahre sind es, daß uns ein Genueser das Glück verschaffte,
+Amerika zu kennen. Man ist nicht im Stande, sich genug bei den Vortheilen
+aufzuhalten, die uns daraus zugeflossen sind. Diese Entdeckung brachte uns
+das Vergnügen zu Wege, auf unsern Kleidern Tressen zu tragen, und um das
+Dreifache mehr für das Brod -- zu bezahlen. Seit diesem glücklichen
+Augenblicke ists, daß unsre Frauenzimmer Papageien, und unsre Matrosen den
+Scharbock haben. Seit dieser Zeit fand man sich in Europa in den Stand
+gesetzt, Jahr für Jahr nach allen Regeln zweimal hundert tausend Menschen
+zu erwürgen, anstatt, daß zuvor die durch das Kriegs- und Völkerrecht
+gesetzgekräftigten Massakres sich höchstens auf beiläufig sechzig tausend
+beliefen.
+
+Das erste Schiff, welches so, mit den Produkten der neuen Welt befrachtet,
+in Spanien anlandete, erregte da ein allgemeines Erstaunen. Man ward nicht
+müde, die Helden zu bewundern, welche so weit her, und mitten durch so
+große Gefahren, neue Quellen für die Glückseligkeit des
+Menschengeschlechtes geholet hatten. Man ward entzückt, da man die Frucht
+ihrer Arbeiten erblickte.
+
+Auf dem Verdecke, und an den für das Auge angenehmsten Orten nahm man kurze
+Gewänder von rothen Federn wahr, die mit dem Blute der Indianer gemalet
+waren; Ohrringe, an denen die Spitzen der Ohren hiengen, von denen man sie
+abgerissen hatte; Ringe, die man sammt den Fingern ihrer vormaligen
+Besitzer mit übergeführet hatte; goldne Nasenringe sammt den Nasen, die
+lange Zeit damit sich gebrüstet hatten.
+
+Die Argonauten des sechszehnten Jahrhunderts pochten mehr auf Muth, als auf
+Geduld, um sich desto geschwinder den Schmuck der Karaiben zuzueignen,
+raubten sie mit einem den Schmuck, und den Theil des Körpers, an dem er
+befestiget war, ab. Alles, was die Ehre hatte, mit Golde bedeckt zu seyn,
+blieb sammt seiner Zierde unter den Händen der Sieger. Dieß geschah, um die
+Zeit zu ersparen, mit welcher die Eroberer aller Jahrhunderte gewaltig
+geizten. Diese Oekonomie both eine überflüssige Ladung für ein Schiff, das
+nach Spanien kam, um da die Beute aus einem andern Welttheile auszukramen.
+
+Während dieses Schauspiel alle Augen auf sich zog, ward man der Kakomonade,
+die hinter so vielen kostbaren Gepäcken verborgen lag, nicht gewahr. Sie
+machte sich fertig, festen Fuß zu fassen, und wählte sich schon ihre
+Wohnungen mitten unter dem Haufen, der sie umgab. Sie hatte sich bald
+ausgeschifft, und folgte dem Christoph und Martin Kolumbus bis nach Hofe,
+wo eine tugendhafte Königinn, Namens Isabelle, den Thron besaß, von dem sie
+so eben ihren Bruder herabgestossen hatte.
+
+Diese weise Prinzessinn mit ihrem Gemahle, dem aufrichtigen, großmüthigen
+Ferdinand dem Katholischen, hatte dem Könige von Neapel, ihrem Blutsfreunde
+geschworen, ihn zu beschützen. In der Folge fanden sie, daß es edler,
+anständiger, und gerechter wäre, ihn auszuplündern. Sie ließen also zu
+Barzellona zu diesem Felszuge ihre Trouppen die Schiffe besteigen.
+
+Die Trouppen giengen unter Seegel mit einer ganz neuen Gattung von
+Provisionen. Einen Hauptartikel davon machte die Kakomonade, ob sie gleich
+in die Verzeichnisse der Proviantmeister nicht eingetragen war. Sie reiste
+zu gleicher Zeit mit der Armee. In Italien, dessen Landesgebräuche ihr
+nicht günstig waren, machte sie Anfangs schlechte Progressen. Aber zu ihrem
+Glücke hatte sich Karl der Achte in den Kopf gesetzt, den heiligen Vater
+Alexander den Sechsten zu Rom zu besuchen.
+
+Jedermann weis, wie unnütz, und prächtig dieser Feldzug war. Die
+französischen Ritter entwickelten da den wunderbarsten und fruchtlosesten
+Heldenmuth. Reißenden Fluges brachten sie Mailand, Florenz, Rom, Neapel,
+und die Kakomonade an sich; aber von allen Eroberungen, war diese letzte,
+die sie am liebsten aufgegeben hätten, die einzige, die ihnen blieb. Bei
+ihrer Heimkehr, überpflanzten sie sie in ihr Vaterland, wo die französische
+Galanterie sie mit allen Ehren empfieng; und dieß war beinah der einzige
+Nutzen, der unsern Verfahren aus einem so herrlichen Feldzuge zufloß.
+
+
+
+
+Neuntes Kapitel.
+
+
+
+Verschiedene Reisen der Kakomonade.
+
+Indessen die alte Bewohnerinn von Amerika sich so unter dem Gefolge einer
+Menge wackerer Krieger den Eingang in Frankreich öfnete; entwischte sie von
+Zeit zu Zeit, um auch in den übrigen Theilen der Erde Kolonien anzulegen.
+Sie schwamm die Rhone hinunter um in der Themse zu ankern. Sie maß die
+Pireneen zurück, um queer durch Spanien in Portugal zu eilen. Sie schifte
+sich zu Lisabon ein, um von Goa Besitz zu nehmen, den sie gemeinschaftlich
+mit der heiligen Inquisition noch behauptet.
+
+Von Kadix reiste sie nach Fez in Mauritanien mit einigen Juden oder
+Mahometanern, welche der religiose Ferdinand, der Katholische in seinem
+Reiche nicht dulden wollte. Sie drang mitten durch die Sandberge von Afrika
+bis zur Zone torrida ein. Sie wagte sich ohne Furcht unter jene
+schrecklichen Weiber der melindischen Küste. Sie breitete sich aus von dem
+Ursprunge des Senegal an bis zur Kafferei, und von Monomotapa bis an die
+Mündung des Nil. Sie wurzelte überall mit den Jesuiten, die dem ungeachtet
+nicht ihre eifrigsten Missionarien waren. Unermüdet, wie sie, aber in einer
+andern Art, faßte sie geschwinder als sie in den beträchtlichsten
+Wechselstuben Fuß. Sie hinterließ einsichtige Faktoren, die sichs angelegen
+hielten, die Anzahl ihrer lockeren Gesellen zu vermehren.
+
+Mit mehr Bequemlichkeit begab sie sich durch Marseille nach Syrien und
+Aegypten. Sie durchsuchte die morgenländischen Handelsplätze. Die eisernen
+Gitter am Serail machten sie knirschen vor Zorn. Röthe überzog ihr das
+Gesicht bei dem Anblicke von einem Haufen Menschengestalten, die, nicht nur
+unfähig sie mitzutheilen, sie nicht einmal anzunehmen im Stande waren.
+Unterdessen fand sie doch mittels der miethbaren Zirkassierinnen, die hier
+nicht seltner, als anderswo sind, und mit denen das Gesetz Mahomets den
+Umgang den Unbeschnittenen eben sowohl als den Gläubigen gestattet, einen
+Eingang bis zu den stolzen Muselmännern von der Sekte Omars.
+
+Liebreich übersetzten sie diese zu den Ketzern von der Sekte des Aly,
+welche sie führten zu den Unterthanen des Mogul, die da anbeten den Brama
+und den Visthnu, welche sich Mühe gaben, sie mit Binsen zu versehen, um sie
+nach Makao und Nangazoni zu den Theologen des Fo und des Kaka zu
+übersetzen.
+
+Auf ihrem Wege stieß sie an die Küste von Malabar. Sie nahm in den
+Philippinen und Moluken unter dem Schatten der Ananas und Kokusbäume
+Erfrischungen zu sich. Sie nährte sich da von Mußkatnißen, und Zimmet.
+Nachdem sie so die Ende der Welt durchwandert hatte, betrachtete sie mit
+Bewunderung den weiten Bezirk ihrer Macht.
+
+Es giebt, sagte sie mit Entzücken, rothe und erzfärbige, milch- und
+pomeranzenfärbige, aschgraue und kohlschwarze Menschen, und all das gehört
+mein.
+
+Man findet ihrer, die mit dem Safte von Trauben, von Aepfeln oder von
+Gerste, der durch die Gährung sauerte, sich berauschen; andere, die mit
+eben diesem Safte, den sie durch das Feuer distilliren, sich leckerhaft
+vergiften; andere die einen braunen, und ungesunden Staub in die Nase
+stopfen; andere, die mit Baumblättern Kalk fressen; andere, die ihre
+Nachbarn stäupen, oder erwürgen lassen; und all das gehört mein.
+
+Man sieht Weibsleute, die sich kaleinirtes Bley über das Gesicht schmieren;
+andre, die sich die Wangen, oder Arme mit Indigo, färben; andere, die ihren
+Hals zeigen; andere, die nichts, als allein ihren Hintern bloß tragen;
+andere, die sich parfümiren, und frisiren, um Liebhaber an sich zu locken;
+andere, die dieselben, wenn sie sich zu gewissen Zeiten bei ihnen
+aufhalten, mit der Pest beschenken; und all das gehört mein.
+
+O tapfrer und berühmter Christoph Kolumbus! o ihr meine getreuen, und
+vielgeliebten Kastilianer! ewiger Segen sey mit euch, die ihr mein
+Geschlecht, wie den Sand am Meere, und meine Nachkommenschaft wie die
+Sterne am Himmel vermehret habt. Mögen die Schätze, des Potosi für euch so
+unerschöpflich werden, wie die meinigen! möchtet ihr unaufhörlich eben so
+die Stützen meines Reiches seyn können, wie ihr die ersten Verbreiter
+desselben waret!
+
+Nachdem sie sich so von ihrer Dankbarkeit, und von ihren Eroberungen
+Rechenschaft gegeben hatte, begab sich die Kakomonade auf den Weg, um neue
+zu machen, oder um die alten fester zu gründen; Das Fuhrwerk, dessen sie
+sich bediente, war sanft. Kein Wunder, daß sie nach so langwierigen, und so
+schnellen Reisen dennoch im Stande war, nach Frankreich zurückzukommen, das
+sie zum Mittelpunkte ihres Reiches bestimmet zu haben schien.
+
+Man muß nicht vergessen, daß sie bey jeder ihrer Wanderschaften die
+Kleidungsart, und den Namen der Nation annahm, von welcher sie abreisete.
+In Frankreich war sie eine Neapolitanerinn, zu Neapel und Madrid eine
+Französin, zu Lisabon eine Kastilianerinn, zu Nangazaqui eine Portugiesinn,
+zu Ispahan eine Türkinn, und zu Konstantinopel[*] wieder eine Französinn.
+Vielleicht giebt es nichts so schönes, als der Anblick ist, wie sie über
+Gebirge und Meere setzte, sich vom Adamspik auf die Spitzen des Imaus
+schwang, und von den Ufern von Kalifornien nach Madagaskar flog. Wir
+glaubten, daß dieses Schauspiel wenigstens sein Kapitel verdiente.
+
+[Fußnote *: (Anmerkung der Verleger.) Wir dürfen nicht bergen, daß dieses
+Vorgehen des Doktors ziemlich offenbar demjenigen widerspricht, das ihm
+sein Geschichtschreiber im 4. Kap. des Optimism in den Mund legt. Dieser
+läßt Herrn Pangloß mit den eignen Worten sagen, daß die Türken, die
+Indianer, die Chineser, die Perser, die Samiten die F -- -- noch nicht
+kennen; sondern daß es nur lediglich einen zureichenden Grund gebe, vermög
+welchen sie sie in einigen Jahrhunderten kennen würden. Das ist eine
+triftige Autorität. Indessen glaubten wir doch nicht, daß sie der unsers
+Manuscripts vorzuziehen wäre. Gott behüte, daß wir Herrn Ralph eines
+Irrthums oder einer Untreue beschuldigen wollten; aber die Memoires, nach
+denen er gearbeitet hat, konnten nicht genau seyn; und über dieß hatte auch
+sein Held zu der Zeit, wo er ihn sprechen läßt, noch nicht alle jene
+Einsichten erlangt, welche ihm neue Reisen in der Folgezeit erworben
+haben.]
+
+
+
+
+Zehntes Kapitel.
+
+
+
+Von dem Ursprunge der Perücken.
+
+Wir sahen die Kakomonade durch eine schöne Pforte in Frankreich eingehn.
+Sie säumte nicht, der ganzen Nation Beweise ihrer Dankbarkeit zu geben. Sie
+breitete sich daselbst bis zum Uebermaaß aus. Wenn man den Geschichtbüchern
+der damaligen Zeit Glauben beimessen will, so nahm sie F -- -- E -- -- --
+sich zur Seite auf den Thron. Es kostete ihn nur fünfhundert Thaler, sein
+Zäpflein, und die Haare. Doch fand er bald Ersatz für sein Leisereden, und
+um sich das Haupt wohl zu bedecken.
+
+Die erfinderischen Köpfe, womit Frankreich von jeher angefüllt war, litten
+es nicht lange, daß ihr König so weit gebracht seyn sollte, keine andere
+Koeffüre, außer einer Schafmütze zu haben. Sie machten bald eine weit
+edlere, deren Stof vom Menschen selbst genommen war. Geschickte Hände
+verfertigten jene sinnreichen Zöpfe, welche dem Werke der Natur nachahmend
+die schmucklose Glatze einer Hirnschaale mit einem Walde von Haaren
+besetzen, die sie selber nicht hervorgebracht hat.
+
+Es hat Jemand gesagt, wenn ein König einäugig wäre, so könnte unter den
+Hofleuten leicht die Mode aufkommen, nur ein Aug zu tragen. Das Beispiel F
+-- E -- war nicht so schwer, nachzuahmen. Er hatte das Vergnügen, seine
+Unterthanen in die Wette ihm folgen zu sehn. Wenige Zeit darauf sah man von
+der Rhone an bis zur Maas keine andern, als falsche Haare, und vernahm
+keine anderen, als erstickte Stimmen.
+
+Seit dem hatten wir Könige, welche ihr Zäpflein nicht verloren, und derer
+Stimmen sich wieder eingefunden haben; dennoch sind die Perücken ungeachtet
+aller Verfolgung der Geistlichkeit geblieben. Diese hoch- und
+wohlehrwürdigen Glieder der Kirche schienen lange Zeit über die
+Unanständigkeit, welche sie hervorgebracht hat, entrüstet. Sie untersagten
+allen ihren Dienern den Gebrauch derselben, und es ist noch nicht lange,
+daß ein kahlköpfiger Priester nur mit vieler Mühe von seinem Erzbischofe
+die Erlaubniß erhielt, sich dieses Hilfsmittels, das erfahrnern Personen
+noch verdächtig scheinen kann, unschuldig zu gebrauchen.
+
+Die Noth hat in der Folge die Laien nachsichtiger gemacht; allein die
+Mönche haben den nicht gar ehrsamen Ursprung der Perücken nicht vergessen.
+Sie sind noch itzt aus allen Klöstern verbannt, oder wenigstens doch aus
+jenen, die da einen großen Geruch von Regelmässigkeit von sich geben
+wollen.
+
+Die Karmeliter, die sich wegen ihres Standes, und aus freier Willkühr der
+Keuschheit weihn, duldeten unter sich nicht einen Haarschmuck, der seinen
+Ursprung nicht ihr zu danken hat. Die Kapuziner, zufrieden, natürliche
+Haare in ihrem Gesichte zu tragen, achteten nicht darauf, sich erborgte auf
+den Kopf zu pflanzen. Die andern Mendikanten, der Mässigkeit, und ihrer
+Regel getreu, wie die Franziskaner, oder der Nettigkeit ergeben, wie die
+Baarfüsser &c. wollten ein Gut nicht haben, von dem der große heilige Franz
+nie etwas gewußt hat.
+
+Vielleicht fürchteten sie, der Gebrauch desselben möchte den Verdacht
+erregen, als hätten sie ebenfalls Wundmaalen von einer andern Art, als jene
+ihres verehrungswürdigen Patriarchen waren. Vielleicht auch schreckte sie
+der Gebrauch des Kammes ab, dessen ein geschorener Kopf entübriget ist.
+Wenigstens ist gewiß, daß sie ohne alle Unruhe kunstverständige Barbierer
+bei den Bäurinnen in den Dörfern die Schur vornehmen sehn; und wenn sie
+diese allein, oder abseits antreffen, so sind es niemal Haare, was sie sich
+von ihnen erbitten wollen.
+
+Indessen war diese ausgemachte Verachtung dennoch ihrem Gegenstande nicht
+schädlich. Die Perücken, durch ein königliches Bedürfniß veranlaßt,
+scheinen dadurch in den Augen der europäischen Nazionen nur veredelt worden
+zu seyn. Lange Zeit maß man ihr Volumen nach der Würde, oder Fähigkeit des
+Gegenstandes ab, welcher sich damit schmücken sollte. Vorzüglich bei Hofe
+schätzte man diese Art, den Werth der Menschen zu bestimmen, hoch. Man
+konnte versichert seyn, daß eine Masse Haare von drei Schuhen in das
+Gevierte ein erhabneres Verdienst ankündigte, als dasjenige war, das nur
+eine Masse von zween Schuhen bestimmte.
+
+Diese Zeit war die Zeit unsrer Herrlichkeit. Es scheint, als wäre die Ehre
+unsrer gegenwärtigen Reiche, gleich der Stärke Samsons, mit
+geheimnißreichen Zöpfen verbunden gewesen, vor denen das Schwert Ehrfurcht
+haben sollte. Wir haben gestattet, daß die unheilige Scheere der Philistäer
+sie berührte. Die Mode, als eine zweite Dalila, legte ihre Hand an die
+erhabenen Hüllen, welche den Augen des gemeinen Mannes die Weisheit, und
+den Tiefsinn der Bemerkungen unsrer Väter entzogen.
+
+Man weis auch, was daraus entstanden ist. Nach dieser fatalen Operazion
+wachten unsre itzigen Völker auf ohne Stärke, und ohne Herzhaftigkeit. Seit
+dem die kleinen Perücken auf den Köpfen sitzen, brachten sie denselben nur
+kleine Einsichten hervor. Die leichten Haaraufsätze ließen die Substanz
+evaporiren, welche zuvor die weiten Hauptdecken da nährten. Von der Zeit an
+haben sich unsre Gehirnchen volatilisirt, so wie sich bei ungeschickten
+Distillirern die Geister flüssiger Körper zerstreuen, wenn der Helm und die
+Distillirflasche nicht recht wohl verpichet sind.
+
+Das Gebieth der Perücken hat sich also vermindert; aber die Macht ihrer
+Mutter hat es sich nicht. Mit jedem Tage sieht man noch ihre Fortschritte
+sich vermehren.
+
+ Der Arme dessen Hütte Stroh und Rohr bedeckt,
+ Erkennet ihre Macht;
+
+ Sie wird vom Krieger, nicht vom Thor der Burg verschreckt,
+ Wo der des Königs wacht.
+
+Aus dem Vorhergesagten sieht man, daß die Kakomonade ein gemeinschaftlicher
+Feind ist, wider den man sich zu vereinigen hat. Sie macht sich gleich
+feindlich an den Szepter, und an den Hirtenstab. Der Szepter und der
+Hirtenstab also müssen gleich eifrig zusammen stehn, sie aus dem Felde zu
+schlagen. Zu diesem Endzwecke hat man schon verschiedene Mittel versucht,
+aber alle wenig wirksam, alle unzureichend.
+
+
+
+
+Eilftes Kapitel.
+
+
+
+Hilfsmittel, derer man sich gegen die Anfälle der Kakomonade bedient.
+Warum nicht die Aerzte den Kampf mit ihr wagen?
+
+Die Geschichte erzählt, daß bei der ersten Schlacht zwischen den Römern und
+Griechen, diese, da sie die Sieger blieben, sich zur Unterhaltung mit der
+Untersuchung der Wunden beschäftigten, welche ihre Kriegsgenossen, die im
+Gemenge umgekommen waren, empfangen hatten. Sie entdeckten gespaltene
+Köpfe, abgehauene Arme, und an Brust, und Rücken durchschossene Körper. Die
+Geschichte setzt hinzu, daß so, wie ihre Waffen sie nur etwas aufritzten,
+sie den Gedanken nicht aushalten konnten, sich mit Leuten zu schlagen, die
+solche Hiebe austheilten. Der bloße Anblick eines italiänischen Säbels
+machte in der Folge sie zittern; und dieser Schrecken, trug nicht wenig
+bei, ganz Griechenland der Macht der Römer unterwürfig zu machen.
+
+Man kann sagen, daß es bei der Ankunft unsrer Reisenden das nämliche
+Bewandniß hatte. Die Doktoren hatten sich mit den Bürgerinnen unsrer
+Himmelsstriche vertraut. Sie kurirten ohne Anstand die Unverdaulichkeiten,
+die Fieber, und andere Krankheiten, welche durch unsere Wehen ihre
+Glücksgüter befestigten. Aber das Vertrauen auf ihre Kunst fiel bei dem
+Anblicke eines Gesichtes, wovon Hyppokrates keine Züge anatomirt hatte. Bei
+der Herannäherung dieses furchtbaren und unbekannten Feindes sah man sie
+die Flucht ergreifen.
+
+Es ist wahr; ihre Gegenwart kündigte sich durch etwas schreckliche Zeichen
+an. Man ließ seine Nase im Schnupftuche zurück. Man spuckte seine Zunge
+aus, und die Drüsen, die sie stärken. Wenn man einen Stein werfen wollte,
+so erstaunte man, daß man seinen Arm hinweggeschleudert habe. Man fand sich
+ganz in den Zustand der Wächter des Serails versetzt, denen die Vorsicht
+der Türken das Vermögen nimmt, auch nur den Schatten eines Verdachts
+erregen zu können. Man sah eine so schreckliche neue Erscheinung als die
+stärkste Waffe des Todes an. Man überredete sich, das Menschengeschlecht
+sei durch diese neue Art, mit der es angegriffen wurde, seinem Untergange
+nahe gebracht.
+
+Um das Maaß der Furcht vollzufüllen, bildete man sich ein, sie wäre so
+ansteckend als die Pest. Man wußte nicht, daß es nur eine Art gäbe, sich
+ihr auszusetzen, und daß man immer die Freiheit hätte, sich davor zu
+verwahren. Das Mißtrauen war in die ganze Gesellschaft verbreitet. Jeder
+zitterte für seine Person. Unbarmherzig entfernte man sich von den
+Unglücklichen, die damit geschlagen schienen. Gleichzeitige Schriftsteller
+gestehen, daß viele davon, welche man aus allgemeiner Furcht verlassen
+hatte, in der Tiefe der Wälder zu Grunde giengen.
+
+In dieser allgemeinen Beklommenheit verlor die Fakultät ihren Kopf,
+Eskulap, aus seiner Fassung gebracht, hörte auf, Orakelsprüche zu geben.
+Das war keiner jener Augenblicke mehr, wo mit lauem Wasser, und einem
+Strome von Beredtsamkeit ein Doktor aus der Kraft der Natur sich seine Ehre
+machen konnte. Hier blieb sie in der Unthätigkeit; sie wurde auf der Stelle
+überwältigt. Mit großem Geschrei rief sie die Kunst zu Hilfe, und die
+betroffene, gedemüthigte Kunst konnte nur ihr unnützes Mitleid an sie
+verschwendet. Es fiel ihr gar nicht ein, eine Gegnerinn zu verfolgen, die
+sie sich nicht einmal zu besichtigen wagte.
+
+Unterdessen wurde mit der Zeit durch die Gewohnheit ans Schauspiel sein
+Eindruck vermindert. Leute ohne Namen, Scharlatane, frecher, oder
+gewinnsüchtiger, als die Doktoren, fanden sich zu einem Kampfe ein, dessen
+Sieg sie treflich bereichern müßte. Für den Erfolg konnten sie nicht
+stehen, aber wenigstens brachten sie doch die Hofnung aufs Geld.
+
+Man machte Versuche; man wagte Eintrichterungen von Säften; man erholte
+sich bei chymischen Zubereitungen Raths; man zog China und Amerika zur
+Steuer; man bannte den Hyppokrates ins Leben; dennoch erhielt man keine
+Kenntnisse, und zankte sich schon mit vieler Hitze über die Mittel, sich
+dieselben zu verschaffen.
+
+Endlich kam bei dieser Gelegenheit, wie bei allen andern, das Ungefähr der
+Wissenschaft zu Hilfe. Man hatte eine flüßige Materie unter den Händen,
+weiß wie Silber, und schwerer, als es; aber bekannt, durch ihre
+Eigenschaft, sich an die andern Metalle anzuhängen, und selbst unter die
+Metalle gerechnet, ohne daß man viel wußte, warum. Niemand konnte sich
+einfallen lassen, daß dieß mit Fette abgetrieben, und auf die Haut gelegt,
+oder mit andern Ingredienzien, die seine Wirksamkeit mäßigen konnten,
+vermischt, und zu trinken gegeben, den glücklichen Erfolg haben sollte,
+diese Fremdlinginn, deren Aufenthalt ihren Gastfreunden so verderblich war,
+zur Flucht zu zwingen.
+
+Wirklich behauptet man, daß manche sehr erfahrne Araber in einigen
+Umständen sich dessen schon bedienet haben. Sie brauchen es, sagt man, um
+die Läuse zu tödten, um die Zittermaale zu vertreiben, um das Jücken, und
+andre Krankheiten der Haut zu stillen. Aber in Europa wußte man von ihrer
+Methode nichts. Und hätten auch Avicenna, oder Serapion davon geredet, so
+wars darum unsern Vorfahren um nichts leichter zu errathen, daß das, was
+gegen die Läuse gut war, es auch gegen die Kakomonade sey. Was man übrigens
+Gewisses weis, ist, daß die Entdeckung davon gemacht wurde, daß man sie
+annahm, und daß sie von glücklichem Erfolge war.
+
+Der Ruf davon säumte nicht, sich zu verbreiten. Von allen Seiten nützte man
+es. Das Sonderbare dabei war, daß sich die Fakultät mit all ihrer Macht
+dagegen setzte. Es war nicht ihr Wille, daß man ein Hilfsmittel suchte. Sie
+schien nach ihrer Gewohnheit nur dazu mit Muthe gewaffnet, um das Gefundene
+zu bekämpfen. Ganz Europa erscholl von den Deklamazionen gegen dieses
+nützliche Fluidum, das sie bloß in die Barometres verbannet wissen wollte.
+Es stand nicht bei ihr, daß sich nicht die Obrigkeit ins Mittel legte, um
+den Gebrauch davon zu verbieten.
+
+So sah man die Brechmittel heftig von den Vorfahren derjenigen verschrien,
+die sie heut zu Tage verordnen. So donnerte man mit der größten Entrüstung
+wider die Chinarinde, wider die Ipekakuana &c. auf eben jenen Lehrstühlen,
+wo man itzt ihre Heilkräfte mit Enthusiasmus zergliedert. So fand in unsern
+Tagen unter Leuten, die für weise gelten, die Inokulazion unversöhnliche
+Feinde. Zu Doktoren angenommene Aerzte haben eine Schrift unterzeichnet, wo
+man sagt, man sollte die Fremden auf ihre eigene Gefahr die Probe damit
+machen lassen. Schwerlich vielleicht würde man treffendere Beispiele von
+Inkonsequenzen anführen können, zu denen Leidenschaft und Stützköpfigkeit
+sogar unterrichtete Leute bringen können. Die Mode und Meinung sind in
+allen Dingen die Königinnen der Welt; aber das Quecksilber hatte durch
+seine Nützlichkeit gewiß nicht verdient, ihrer Kaprize unterworfen zu
+werden.
+
+Man bestritt es nicht lange. Bald darauf, nachdem man versucht hatte, ihm
+den Stab zu brechen, sah man sich genötiget, es zu gebrauchen. Die
+Fakultät, von dessen Beistand versichert, wollte sich nun wieder den
+Unglücklichen nahen, an denen sie auf gewisse Art zur Verrätherinn geworden
+war. Aber der Platz war erobert. Eine Nebenbuhlerinn, von ihr lange Zeit
+verachtet, hatte sich des Augenblicks ihres Schreckens bemächtigt.
+
+Da die Zeichen des Unglücks, dem man abhelfen sollte, sich von Aussen
+zeigten, und die herrschende Fakultät sie zu fürchten schien, so hatte eine
+andre, minder furchtsame, und thätigere Fakultät sie sich zugeeignet. Diese
+war die Erste, die mit einiger Methode den Gebrauch des flüssigen Silbers
+wagte, das, in den Händen der Empiriker, vielleicht eben so viel böse, als
+gute Wirkungen machte. Sie bemeisterte sich des Zutrauens des Publikums;
+und als die andern, von ihrem Schrecken zurückgekommen, einen Posten, mit
+dem sie schalten zu können glaubten, wieder einnehmen wollten, waren ihre
+Bemühungen darum vergeblich.
+
+Eine Miene, reicher als die von Peru, öffnete sich hier. Die Usurpatoren
+behielten bis auf den heutigen Tag das Recht, beinah allein daran zu
+arbeiten. Die herrschenden Doktoren sehen sich mit Verdruß von der Quelle
+so vieler Reichthümer ausgeschlossen. Oft versuchen sies, sich dazu hinein
+zu stehlen; aber man gestattet ihnen nicht, die kostbare Komposizion zu
+verfertigen; welche die Fremde ihres Thrones beraubt, und das Geld der
+Kranken an sich zieht. Man erlaubt ihnen bloß nur, über die Theorie zu
+räsoniren, die nichts einbringt; nur am Einfahrt der Mine läßt man sie
+landen. Man gestattet ihnen, die Arbeiten, wenn sie es können, aufzuklären;
+aber das Graben darinnen, das allein nur Gewinnst trägt, ist ihnen gänzlich
+untersagt.
+
+
+Nachricht der Verleger zum folgenden Kapitel.
+
+Wir ersuchen delikate Augen vorläufig, das ganze folgende Kapitel zu
+überschlagen, obgleich es das lehrreichste im ganzen Werke ist. Ungeachtet
+der Begierde, die Herr Panglos hatte, die Sache auf eine ehrbare Art zu
+verschleyern, so ist es ihm vermuthlich nicht möglich gewesen, sie in
+diesem Dialoge zu mildern, wo er uns das Gespräch der redenden Personen
+anführt. Er würde gegen die Wahrscheinlichkeit und Wahrheit verstossen
+haben, wenn er an ihren Ausdrücken etwas geändert hätte. Dennoch muß man
+darum nicht glauben, daß sie empörend seyn. Sie haben nur die in einer
+ähnlichen Materie unvermeidliche Energie. Sies sind mit all der
+Behutsamkeit behandelt, welche man von den zween erlauchten Männern, die
+auf dem Schauplatz erscheinen, erwarten kann.
+
+
+
+
+Zwölftes Kapitel.
+
+
+
+Dialog zwischen einem Mandarin, und dem Herrn Baron von
+Donnerstrunkshausen, über den Gebrauch des Quecksilbers in dem Falle, von
+dem die Rede ist.
+
+Das Metal, von dem so eben die Rede war, ist unstreitig der einzige Damm,
+den man den Einbrüchen der Kakomonade mit Nutzen entgegen setzen kann. Es
+begnügt sich sogar nicht damit, daß es ihre weitern Umsichgriffe hemmt,
+sondern es dringt bis zu ihrer Quelle ein. Es greift sie an, drängt, und
+entwurzelt sie. Deßwegen ist es auch bei weitem dem Golde vorzuziehn, das
+nicht allein die Krankheiten nicht heilt, sondern im Gegentheile die
+Leichtigkeit vermehret, sie alle an sich zu bringen.
+
+Wenn man die Augen auf den folgenden kurzen Dialog wirft, wird man einen
+Begriff sowohl von seiner Wirksamkeit, als von den verschiedenen Arten, es
+zu zubereiten, und von ihren Folgen haben. Zween Männer führen das
+Gespräch. Der Eine davon ist eine von den litterarischen
+Magistratspersonen, die man in China Kolaos nennt, und die sich die
+Europäer, ohne davon den zureichenden Grund zu wissen, beifallen ließen,
+Mandarine zu nennen. Der zweite ist der Sohn meines nochgeehrten Herrn, des
+Herrn Baron von Donnerstrunkshausen. Ich hatte das Vergnügen, ihn zu Peking
+wieder anzutreffen, im Jahre unser Heils 1761. Er fieng da an zu Würden zu
+steigen. Er hatte mit einem Mandarin vom dritten Range folgende Unterredung
+gepflogen, und die Güte, sie mir mitzutheilen.
+
+Der Mandarin. -- Guten Tag, Eure Hochwürden. Ich ließ mich in meiner
+lakirten, unausgezierten Sänfte hieherbringen. Ich habe nur bloß dreißig
+Reuter bei mir, und achtzehn Tambours. Haben Sie mich entschuldigt darüber,
+ich wünschte Sie inkognito zu sehen.
+
+Der Baron. Wären wir wohl so glücklich, Eurer Excellenz dienen zu können?
+
+Mandarin. Ja, Sie können mir einen großen Gefallen thun.
+
+Baron. Wollten Dieselben in der pneumatischen Maschine eine Katze den Geist
+aufgeben, oder mit der elektrischen Nadel den Donner ableiten sehn?
+
+Mandarin. Nein, das führte mich nicht her.
+
+Baron. Wollten Dieselben einiger Ballen roher Seide, einiges alten
+Porzellan los werden, und sie nach Europa schicken? Es ist hohe Zeit, Eure
+Excellenz; ich möchte es rathen. Sie werden bald im Preise fallen, seit dem
+erfahrne Chimisten dieses Geheimniß entdecket haben.
+
+Mandarin. Das kümmert mich gar nicht.
+
+Baron. Wollten Sie etwa zur Beichte gehn, und auf die Fürbitte des heiligen
+Ignazius von Lojola, des seligen Franziskus Regis, des großen heiligen
+Franziskus von Gonzaga, der sich eine feuchte Leinwand auf die Brust legte,
+damit ihm von der Liebe Gottes sein Herz nicht in Flammen gerieth,
+Verzeihung Ihrer Sünden erhalten?
+
+Mandarin. Ei mein! Von all dem will ich nichts. Sie sollen mich bloß nur
+lehren, was für eines Geheimnisses Sie in den andern Ländern sich bedienen,
+wenn Sie die -- -- -- -- haben.
+
+Baron. Ach! ach! Eure Excellenz -- Wir! -- Die? -- -- -- Pfuy doch! --
+
+Mandarin. Meiner Treue, Eure Hochwürden, ich habe sie, ich, -- wie ich mit
+Ihnen rede. Nichts desto weniger habe ich alle meine Prüfungen mit Ehren
+bestanden. Ich ward bei dem grossen Konkurse im ersten Jahre der Regierung
+Fontchins aufgenommen. Ich führe den Pinsel so gut als Einer im
+Kaiserthume: der Schönheit meiner Schrift bin ich meine Stelle schuldig,
+und doch habe ich die -- -- -- -- Warum sollten nicht auch sie sie zuweilen
+haben?
+
+Baron. Aber Eure Excellenz vergessen, was für ein Kleid ich zu tragen die
+Ehre habe. Man hat uns wohl in einigen Orten vorgeworfen, daß wir dem
+Menschen viele Uibel zufügen; aber eines zu vertrauten Umganges mit den
+Frauenzimmern hat man uns nie geziehen.
+
+Mandarin. Bei, meiner Seele! desto besser für sie! Daß ich nicht auch immer
+so klug war! So fände ich mich nicht in der Verlegenheit, die mir itzt die
+Ehre Ihrer Gegenwart verschaffet. Auf dem letzten Schiffe, das Ihnen
+Purpurtücher, Rosenkränze, Uhren, und Orgeln brachte, fand sich ein sehr
+schönes Frauenzimmer. Haben Sie nicht von ihr reden gehört?
+
+Baron. Kein Wort. Wir kümmern uns um so Neuigkeiten nicht. Es maskirt sich
+der Teufel, Eure Excellenz, in dergleichen Gesichter.
+
+Mandarin. Mag seyn, aber da ist er trefflich verkappt. In dem Augenblicke
+der Ausschiffung befand ich mich eben am Borde. Ich sah dieses Frauenzimmer
+aus der Chalouppe steigen. Sie hatte so ein schön Stümpfnäschen! Ihre
+Augenlieder schloß sie mit so viel Anmuth! Ihr Mund war so schön gespalten,
+zog sich so angenehm durchschnitten von einem Ohre zum andern! Und einen
+Fuß, einen Fuß, Eure Hochwürden! -- Mein Daumen hätte ihren ganzen
+Pantoffel ausgefüllt. Ich zweifle, ob man vom Flusse der Unmöglichkeit an,
+bis zum Flusse der Vergessenheit, je etwas schöners gesehen habe.
+
+Baron. Dennoch geht der Raum zwischen diesen beiden Flüssen ziemlich in die
+Länge.
+
+Mandarin. Macht nichts. Wie ich diesen kleinen Fuß sah, bewunderte ich die
+Oekonomie der Natur. Welche Wonnen, sagte ich bei mir selbst, wenn an allen
+Theilen die Verhältnisse genau beobachtet sind!
+
+Ich wurde bald gewahr, daß die Natur dem Falle unterworfen sey, sich zu
+vergessen, und ich wollte wünschen, ich hätte außer über diesen Punkt,
+keine Erfahrung gemacht. Die schöne Fremde wurde von einem Bootsknechte
+gehohnneckt. So bald sie wußte, ich sey der Gouverneur, bath sie mich um
+Rache. Ich schlug ihr Bedingnisse vor; sie nahm sie an. Ich ließ den
+Bootsknecht abstrafen. Ich hielt mich für den glücklichsten Menschen. Der
+arme Teufel hatte die P -- -- --, und ich, geistlicher Vater, ich bekam
+noch viel was ärgers.
+
+Baron. Gott straft Eure Excellenz. Er will nicht, daß man sich gegen das
+Weibsvolk zu gefällig erzeige. Er hat gesagt: Non moechaberis, und Sie
+leiden billig -- --
+
+Mandarin. Ich weis nicht, geistlicher Herr, ob es Gott ist, der mich krank
+gemacht hat; aber das seh ich wohl, daß Menschen mich gesund machen müssen.
+Unsere Aerzte wollen mich nicht annehmen; man sagt, Sie seyn sehr
+geschickt; Sind Sie es bis auf den Grad, daß Sie mir ein Mittel hierinn
+verrathen können? Ich nehme Ihnen sechs und dreißig Dutzend Rosenkränze ab,
+und gebe Ihnen hundert Pfunde Thee Peko, der noch nicht gesotten worden
+seyn soll.
+
+Baron. Gut, wollen sehn. Ob wir gleich den Krankheiten wenig unterworfen
+sind, so haben wir doch immer allerhand Mittel bei uns, so, wie eine Menge
+anderer Dinge, die wir für uns nicht brauchen, sondern nur andern zukommen
+lassen. Hier kommts nur darauf an, daß wir eine Heilungsart wählen.
+
+Mandarin. Mir scheint aber, es wäre die bekannteste, und beste anzunehmen.
+
+Baron. Das ist bald gesagt; aber halten Sie die Wahl für eben so leicht!
+Von allen Arten, die ich kenne, ist keine einzige, die nicht durch große
+Namen, durch starke Beispiele, und durch schöne Schlüsse unterstützt, und
+bestritten wäre.
+
+Mandarin. Die Namen, und Schlüsse sind nichts. Man muß sich nur an die
+Beispiele halten.
+
+Baron. Ja in China. Aber es giebt Länder, wo man ganz anders denkt. Wenn
+etwas nur halbwegs nützlich scheint, so fragt man sogleich, von wenn das
+herrühre. Daraus zieht man denn in der Folge durch eine Kette von Schlüssen
+den Beweis, daß es böse sey; Und giebt man dessen Güte zu, so geschieht es
+immer so spät, als möglich. -- Nun, nach welcher Art wollen Sie sich
+behandeln lassen? Durch Frikzionen?
+
+Mandarin. Was verstehn Sie dadurch?
+
+Baron. Ich nehme ein wenig von jener Salbe, die man das Neapolitanum nennt.
+Sie besteht aus Fette, und Merkurius. Damit reibe ich Ihnen alle Tage einen
+gewissen Theil des Leibes. Nach vierzig Tagen werden sie sich mit einer
+ölichten Rinde überzogen finden, von der Ferse an bis über die Achsel, und
+vom Schulterbeine bis an die Fingerspitzen. Sie werden fett, stinkend, sich
+selbst unerträglich seyn.
+
+Mandarin. Aber doch endlich genesen?
+
+Baron. Man darf es hoffen.
+
+Mandarin. Ist keine Inkonvenienz dabei zu fürchten?
+
+Baron. Sie vergeben. Ihr Kopf wird ungeheuer anschwellen; ihre Zähne werden
+locker werden, und vielleicht ausfallen. Ihr Zahnfleisch und die Gurgel
+werden voll Geschwäre seyn. Sie werden eine schreckliche Menge Speichel von
+sich geben. Sie können dabei um ein Aug, um einen Arm, um ein Bein, oder um
+das Zäpflein[*] kommen, wie der höchstheilige König F -- -- E -- --
+glorreichen Andenkens, und viele andere, die, bei weniger Ruhm, kein
+besseres Glück genossen.
+
+Mandarin. Lieber Pater! Ich bedanke mich für die Frikzionen.
+
+[Fußnote *: Lettres de Gul Patin. let. 133.]
+
+Baron. Man könnte sie mäßigen, und sie ihnen nur verlöschend beibringen.
+Man müßte Sie immer frottiren, aber sparsamer. Sie müßten mir manchmal
+Milch nehmen, um die Wirkung des Merkurs, wenn sie zu stark wäre,
+aufzuhalten. Sie werden weniger, spucken, weniger geschwellen, weniger
+stinken. Dieß ist bequemer.
+
+Mandarin. In eine Gefahr dabei?
+
+Baron. Die größte wäre, daß Sie nicht gesund würden.
+
+Mandarin. Oh! oh!
+
+Baron. Ohne Widerspruch. Je sanfter die Arztnei seyn wird, desto weniger
+wird sie wirken. Die wohlthätigen Kügelchen werden in die vom Gifte
+schwangern Theile nicht so tief eindringen können. Dieses darf nur ein
+wenig überflüssig seyn, so wird genug davon zurücke bleiben, um Sie bald
+noch ärger zuzurichten, als Sie es sind. Fünf oder sechs Jahre nach einigen
+leichten Tagen werden Sie sich neuerdings krank befinden, wie ein sehr
+geschickter Professor der Beredtsamkeit an der Universität zu Paris sich
+irgendwo ausdrückt.
+
+Mandarin. Das ist traurig! Ach, mein Freund! wer hätte dieß bei dem
+Anblicke eines so kleinen Fusses gesagt?
+
+Baron. Reden Sie von ihm nichts Böses: nicht er wars, der Sie verwundet
+hat. -- Uibrigens verzweifeln sie nicht. Sie könnten auch versuchen, sich
+zu räuchern.
+
+Mandarin. Wie geschieht dieß?
+
+Baron. Sie müßten sich ganz nackt in eine Schachtel von Tannenholz setzen,
+die wohl verschlossen würde, und wo Ihnen nur der Kopf heraus stünde. Unter
+das Gesäß würde Ihnen eine Glutpfanne mit lebendigen Kohlen und Merkurius
+darauf gesetzt. Diese durch das Feuer volatilisirte, und durch die
+Maschine, und einen sie überdeckenden großen Mantel rund um Sie
+zurückgehaltene Flüssigkeit würde Ihnen nach und nach in die Poros
+eindringen. Sie würden sehr schwitzen, und vielleicht würden Sie sich
+endlich geheilet finden. Man weis Leute, denen diese Methode zu Statten
+kam.
+
+Mandarin. Mir behagt sie nicht. -- -- Aber es ist doch sonderbar: Sie sind
+so ein geschickter Mann, und alle Ihre Geheimnisse laufen darauf hinaus,
+Einem den Kopf geschwollen zu machen, oder nur eine ungewisse Genesung zu
+verschaffen, oder eine Glutpfanne unter den Arsch zu setzen.
+
+Baron. Halten Sie, ich bin noch nicht fertig. Man könnte Ihnen Panaces, und
+verschiedene Mineralien brauchen; man könnte Ihnen einen aufgelösten
+Merkur, oder Gold- und Silbertinkturen geben. Dieß alles habe ich nicht:
+aber unser Bruder Apotheker wird Ihnen die Sache machen, wenn Sie wollen.
+
+Mandarin. Ei zum Plunder lassen Sie das, was man thun könnte, bei Seite,
+und sagen Sie mir, was ich thun soll.
+
+Baron. Wollen Sie sich mir vertrauen? Sie sehen dieses kleine rothe
+Schächtelchen; an Ihrer Stelle würde ich mich an dieses halten.
+
+Mandarin. Es sind eine Menge graue Kügelchen darinnen. Wie heißen Sie die?
+
+Baron. In Europa nennt man sie Kaiserpillen. Herr Kaiser ist ein deutscher
+Praktikus, und mein Landsmann, der eine ganz neue Komposition gegen die
+Krankheit, über die Sie sich beklagen, erfunden hat. Glauben Sie mir, und
+brauchen Sie sein Rezept. Ich will Ihnen dazu die Anleitung geben, und Sie
+werden sicher genesen.
+
+Mandarin. Sind Sie dessen auch gewiß?
+
+Baron. So gewiß, daß ich die hundert Pfunde Thee nur erst nach Ihrer
+Herstellung verlange.
+
+Mandarin. Ich verlasse mich auf Ihr Wort. Ich will mich an die rothen
+Schächtelchen halten. Wohlan, ich will meine Kur auf der Stelle anfangen.
+Sie haben von meiner Erkenntlichkeit Alles zu erwarten.
+
+
+
+
+Dreizehntes Kapitel.
+
+
+
+Erstaunliche Progressen der Kakomonade. Mittel, sich ihrer zu
+entledigen.
+
+Man hat hier oben gesehen, daß die Gesellen Seiner Hochwürden des Herrn
+Baron von Donnerstrunkshausen, das Geheimniß und den Namen des Herrn Kaiser
+mit dem Blitzpulver, den Agnus Dei, und den Bataverthränen bis in China
+brachten. Man hörte ihn in wenig Worten diesen so berufenen Pillen ihre
+Lobrede halten, und seinem Proseliten ihren Gebrauch anempfehlen. Dieß
+scheint ein Bißchen demjenigen zu widersprechen, was wir im zehnten Kapitel
+sagten. Da findet man, daß alle ersonnenen Hilfsmittel sehr wenig ergiebig,
+und unzureichend seyn.
+
+Allein wir sprachen von ihrer Unzureichlichkeit in Rücksicht des
+Menschengeschlechts im Allgemeinen, in Rücksicht der Totalität der Zufälle,
+die sie im Allgemeinen, und nicht im Bezuge auf jedes einzle Individuum, zu
+fürchten haben. Gewiß ists, daß man so glücklich war, die Partikuliers
+wieder herzustellen. Man wäscht sie von dem Unrath, den sie unvorsichtig an
+sich gezogen haben, ab; man nimmt ihnen, was sie bekamen; man giebt ihnen
+wieder, was sie verloren, sogar die Unschuld beinah, die, gleich der
+Gelegenheit, nur von vorne behaaret ist, und die man, wenn man sie einmal
+entwischen ließ, nicht mehr erhaschet.
+
+Aber das menschliche Geschlecht wird darum nicht weniger angegriffen. Die
+Kakomonade, der Hyder in der Fabel gleich, verlor kaum einen Kopf, als sie
+dafür schon andre zehn erhält. Unterdessen, als hundert Kranke sich
+bemühen, ihrer los zu werden, so suchen sie tausend begierig auf, so, daß,
+trotz den Fluthen von Quecksilber, mit denen man Europa überschwemmt, die
+Nothwendigkeit seines Gebrauchs mit jedem Tage dringender, und
+empfindlicher wird. Man wird nie so glücklich seyn, sich davon zu befreien,
+außer das Ungeheuer, das uns das Eingeweid auffrißt, wird mit Einem
+Streiche zermalmet. Sie ist, wie wir sagten, eine Hyder, die sich eben
+durch ihren Verlust vervielfältigt. Um sie auszurotten, muß man mit
+einemmale alle ihre Köpfe abhauen. Um sie zu hindern, nachzuwachsen, muß
+man auf der Stelle Schwert und Feuer dagegen brauchen.
+
+Die Regierungen werden, so bald sie das Herz haben werden, es zu wollen,
+Herkulesse werden, im Stande, diese heroische, und heilsame Operation
+auszuführen. Hierzu wird es von ihrer Seite nur darauf ankommen,
+Vorsichten, die man für diesen Gegenstand schon lange getroffen hat, und
+die durch die Einstimmigkeit der alten Völker in viel minder wichtigen
+Gelegenheiten autorisirt worden sind, wieder zu erneuern und vorzüglich auf
+ihre Ausführung zu wachen.
+
+Die Aussätzigen bei den Juden waren aus dem Umkreise der Städte verbannt.
+Todesgefahr drohete denjenigen, die es wagten, sich hinein zu begeben. Man
+nahm ihnen die Verwaltung der Geschäfte ab. Man sonderte sie von der
+menschlichen Gesellschaft aus; und ob es gleich ein Vorzug ihres Staates
+war, das Band der Ehe, wie mans gesehen hat, fester zu knüpfen, so foderte
+man doch, daß sie ihre Gaben, und ihr Jücken weiter tragen sollen.
+
+Diese weise Politik ward in der Folge in allen Ländern, denen ihre
+Erhaltung nahe gieng, nachgeahmet. Selbst in Frankreich gebrauchte man sich
+ihrer Anfangs gegen den Aussatz, als es diesem gefiel, von den Gestaden des
+todten an die des mittelländischen Meeres zu übersiedeln, und er sich vom
+Jordan an die Seine begeben hatte. Man dachte ihrer auch in der Folge bei
+der ersten Ausschiffung seiner Nebenbuhlerinn aus Amerika. Die
+unermüdlichen Obrigkeiten, welche für die Ruhe, und Sicherheit der Bewohner
+von Paris Sorge tragen, ließen gegen dieses Erzeugniß von St. Domingo die
+strengsten Verordnungen ergehn. Sie verbothen die Uibermachung desselben in
+das Innere der Stadt, und suchten die schleunige Ausfuhr damit zu
+erleichtern. Vor dem Jahre 1498. findet man Polizeiverordnungen, die diesen
+Gegenstand zum Ziele haben.
+
+Sie gebieten allen Personen, welche eines Verständnisses mit der Prinzessin
+von Amerika verdächtig sind, jedermann, wer es immer sey, der sich durch
+ihre Listen überraschen ließ, binnen vier und zwanzig Stunden Paris zu
+verlassen bei Strafe des Strangs. Man berichtet, daß sich bei dem Thore,
+bei welchen ihnen geboten wäre, hinauszugehn, Austheiler finden werden mit
+dem Auftrage, Jedermann vier Pariser Sols zu reichen, um sie wegen der
+Reisekosten zu entschädigen. Selbst die Reichen, und die Eingebornen des
+Lands werden von den Strassen ausgeschlossen unter der Strafe, wenn sie
+betreten würden, in den Fluß geworfen zu werden[*]. Man sperrt sie, wenn
+sie Häuser haben, darinnen, und wenn sie keine Häuser haben, in
+öffentlichen, zu diesem Gebrauche bestimmten Gebäuden ein. Man übernimmt
+die Last, sie mit Lebensmitteln, und mit allem Beistande zu versehen, den
+ihr Zustand fordert, bis sie das Joch der Feindinn abgeschworen haben, und
+sich in einem Stande befinden, in der Gesellschaft auftreten zu können,
+ohne zu erröthen, oder ihr Unruhe zu machen.
+
+[Fußnote *: Sieh die registres du Parlement & du Chatelet.]
+
+Das sind die Verordnungen, die man, doch mit einigen Modifikazionen, wieder
+in den Schwang zu bringen eilen muß. Es ist sehr wohl gethan, daß man alle
+jene, die, nach einer bestimmten, zu den Reinigungen einberaumten
+Zeitfrist, mit Unreinigkeit zu erscheinen wagen werden, mit dem Strange
+bestraft. Aber genug wär es nicht, wenn man ihnen vier Parisersols zu ihrer
+Reise geben wollte. Alles, was man damit gewinnen würde, wäre, daß sie die
+Kakomonade Jeder in seinem Lande zu pflanzen abgeschickt würden. Sie würde
+sich da vervielfältigen, wenn das Land ihrer Verbreitung nur ein wenig
+günstig wäre. Die Früchte davon würde man sehr bald in einem Schwalle gegen
+die Hauptstadt zurückfließen sehn.
+
+Es ist also nicht damit gethan, daß man die Unterthanen der Fremden
+ausjagt. Man thut viel sicherer, und viel vernünftiger, wenn man sie dieser
+lästigen Unterthänigkeit entreißt. Man muß ihnen Freistätten eröffnen, wo
+sie sich ohne Zwang in Freiheit sehen können, und wo die Leichtigkeit, ihre
+Bande zu zerbrechen, in ihnen hierzu das Verlangen erwecket. Man muß in
+jeder Stadt, oder in, jedem Flecken, einen beträchtlichen Ort, ein Haus
+errichten, wo jeder Büsser, er sey wer er wolle, aufgenommen, und zur Busse
+zugelassen werden könne. Man muß da die Freiheit haben, zu zahlen, oder
+nicht zu zahlen, bekannt, oder unbekannt zu bleiben. Man muß den Eintritt
+darein allen Leuten, von allen Altern und Ständen, sogar in Masken, wenn
+sich solche darstellen, gestatten. Da es im Wesentlichen nicht das Gesicht
+ist, das der Hilfe bedarf, so erhellet, daß die Krankenwärter, um denen,
+die ihren Beistand suchen, zu helfen, ihre Gesichter nicht zu kennen
+brauchen.
+
+
+
+
+Vierzehntes Kapitel.
+
+
+
+Antwort auf einige Einwürfe, die man gegen die Mittel, die Kakomonade
+zu unterdrücken, machen könnte.
+
+Ohne Zweifel wird man gegen diese Einrichtung Lärmen erheben. Man wird
+sagen, zu einer Zeit, wo der Staat kein Gold hat, um seine Bedürfnisse zu
+bestreiten, könnte er für diese seine Glieder unmöglich so das Quecksilber
+verschwenden. Die so reden möchten, wären wohl ziemlich grausame Politiker,
+oder Räsonneurs, die von der ächten Oekonomie ziemlich schlecht
+unterrichtet wären.
+
+Wenn zu Marseille die Pest wäre, würde wohl die Dürftigkeit des Staats
+hindern, Trouppen marschiren zu lassen? Würde man kein Geld finden, das man
+dahin senden könnte, entweder der Stadt zu Hilfe zu kommen, oder die
+Gemeinschaft mit ihr abzuschneiden? Nun ist die Kakomonade aber wirklich
+noch viel schlimmer, als die Pest.
+
+Diese greift nur das gegenwärtige Geschlecht an; jene vernichtet, oder
+entächtet wenigstens fast immer sich auch die zukünftigen Geschlechter. Die
+Eine nimmt einen schrecklichen Anfang; die Klugheit kann sich davor
+verwahren; man hat gewisse Vorsichten, um sie abzuhalten. Die andere ist
+immer vom Vergnügen begleitet; sie macht ihren Anfang mit der Verblendung
+der Klugheit, und ihr Ende mit ihrem Untergange. Sie hat also viel mehr
+Leichtigkeit, sich auszubreiten. Sie zieht viel traurigere Folgen nach
+sich. Sie heischt daher von den Regierungen eine viel größere Sorgfalt.
+
+Diese Sorgfalt würde eben nicht so kostspielig seyn, als man sich
+einbildet. Erstlich hat man die Aussätzigenhäuser der Alten, von denen man
+die Stiftungen, und das Bauwerk zu diesem nützlichen Gegenstande annehmen
+könnte. Dieß hieße den Sinn der Stifter befolgen. Die Kakomonade hat die
+Stelle des Aussatzes angenommen. Sie muß die Früchte dieses reichen
+Nachlasses beziehen. Man kann ihr ihre Ansprüche nicht streitig machen.
+
+Uiberdieß, wer zweifelt, daß bei dem ersten Gerüchte von diesem Vorschlage
+nicht das allgemeine Mitleid erwachen werde? Wie viele Fürsten der Kirche,
+wie viele wachsame Hirten, würden sich mit einem uneigennützigen Eifer
+bestreben, eine Zufluchtsstätte gegen Uibel zu schaffen, worunter sie
+leiden, sobald ihre Schäflein davon angegriffen sind? Wie viele andächtige
+Schwestern würden nicht ihrem Beispiele folgen! Mit welcher Beredtsamkeit
+würden nicht die Direktoren die Nothwendigkeit predigen, Einrichtungen zu
+vervielfältigen, die bestimmet sind, Schwachheiten zu verbergen, oder die
+Kraft wieder in den Stand zu setzen, ohne Gefahr ihres Gleichen
+hervorzubringen! Gewiß ists, diese Zufluchtsörter würden in kurzer Zeit, so
+wie die volkreichsten, auch die begütertsten Häuser im ganzen Königreiche
+seyn. Sie würden bald der bequemste Stappelort seyn, um das Joch der
+Kakomonade abzulegen, so wie L -- -- -- bisher der sicherste gewesen ist,
+sich dasselbe aufzubürden.
+
+Die Leichtigkeit des ersten Verfahrens würde die Weigerung, sich dahin zu
+verstehen zum Verbrechen machen. Die Gerechtigkeit würde nur nach aller
+Billigkeit handeln, wenn sie gegen jene, die davon überwiesen wären, die
+Todesstrafe verhängte. Unterdessen giebt es zarte Herzen, bei denen die
+Sanftmuth in Schwachheit übergeht. Sie werden sich über diese strenge
+Verordnung entrüsten, sie werden zwischen der Strafe und dem Verbrechen
+kein Verhältniß sehen.
+
+Es ist so süß, so natürlich, werden sie sagen, die Gefahren zu wagen, derer
+Folge sie ist. Sollt es gerecht seyn, den Irrthum eines Augenblicks mit
+einer so schmählichen Züchtigung zu ahnden? Sollte man sich entschließen
+können, gegen ein vernünftiges Wesen den Tod zu verhängen, weil es seines
+Lebens nicht ordentlich genoß? Was man ihnen antworten könnte, ist dieses.
+
+Ich gebe Ihnen zu, meine Herrn! mein Rath mag strenge scheinen. Aber
+untersuchen Sie, was unter Ihren Augen vorgeht. Wer sind jene Armseligen,
+die sie dort mit den rothen Kappen auf den Galeeren sehn? Wer sind jene,
+derer Hinrichtung so viel Volks auf den freyen Platz spornt? Unter ihnen
+befinden sich Leute, die Schwärzer, Betrüger waren. Das Gesetz waffnet sich
+mit einer unbeugsamen Schärfe, und verurtheilt sie ohne Barmherzigkeit!
+
+Nun ich bitte Sie, giebt es wohl eine schrecklichere Schwärzerei, als die
+Kakomonade? Kann man die Einführung ihrer Geschenke mit der Einführung
+eines Holländertobaks oder Spaniols in Vergleichung ziehen? Die Kutzenelle,
+so roth sie ist, kann sie die Vergleichung mit gewissen Purpurknöpfchen
+ertragen, welche die Ehrbarkeit nicht nennen läßt.
+
+Wenn Sie ohne Anstand arme Leute, die Ihnen für wohlfeilen Preis weis nicht
+welch braunen, gelben, oder feuerfarbenen Staub brachten, rudern lassen,
+hängen und rädern; was sind Sie wohl denen schuldig, welche sich
+erdreusten, die Quelle der Vergnügungen zu vergiften? Was werden Sie jenen
+Frevlern nicht anthun, die es wagen, in das Heiligthum der Wohllust
+Betrübnis, und Thränen in die Wohnung der Freude zu bringen?
+
+Die aufgeklärte Menschheit gebietet ohne Zweifel ihre Bestrafung zum Wohle
+der leidenden Menschheit. Man muß alle ohne zu schwanken eine bestimmte
+Zeit festsetzen, nach welcher Niemand mehr angenommen werde, der sich
+angiebt, mit einem Ungemache behaftet zu seyn, wovon er sich wird haben
+entledigen können. Man muß die Kakomonade wie eine ausländische Waare
+ansehen, und die, bei denen sie gefunden wird, ohne Barmherzigkeit
+konfisziren.
+
+
+
+
+Fünfzehntes Kapitel.
+
+
+
+Nöthige Vorsichten gegen die Wiederkunft der Kakomonade, und Schluß
+des Werks.
+
+Aber auch damit wär es nicht gethan, daß man die verdächtigen Wirkungen
+hemmte. Man müßte auch Vorkehrungen treffen, ihren Eingang zu verhindern.
+Man müßte Amtsstuben, Gerichtsdiener, und Wächter haben, die über Paquette,
+wo diese traurige Gattung Kontrebandwaaren sich verbergen läßt, zu wachen
+hätten; und für dieß habe ich gesorgt.
+
+Der durch seine große Nase berufene Kaiser Heliogabal oder Elagabal, sagt
+man, habe einen Frauenzimmersenat errichtet. Diese erlauchte Gesellschaft
+hatte über alle weiblichen Angelegenheiten zu richten. Vor ihr brachte man
+all die kleinen Zänkereien, die häuslichen Klätschereien, die
+Uiberwerfungen der Verliebten an. Sie gab auch den Ausschlag über die
+Moden, den Haarputz, und den Anzug von allen Arten. Diese Politik, wünschte
+ich, sollte man in Paris, in ganz Frankreich, ja sogar in ganz Europa
+nachahmen können.
+
+Uiberall hat man da einen Haufen Wachen aufgestellt, um für die Vortheile
+der Pächter die Aufsicht zu tragen. Man erblicket Ketten von Aufsehern, die
+sich von allen Seiten die Hände reichen, am die Betrüger hindann zu halten,
+und ihre Schlauigkeit zu überlisten. Es besteht das innigste Band unter den
+Rotten, welche die Grenzen und die reichen Gesellschaften beschützen, die
+im Mittelpunkte die Früchte ihrer Sorgen ärnten. Könnte man diese Polizei
+nicht auch bei der Einrichtung, von der hier die Rede ist, sich zum Muster
+nehmen?
+
+Man bildete in den Hauptstädten Büreaux von einer Anzahl unterrichteter
+Mädchen, die im * * * sich Erfahrungen gesammelt hätten. Sie wären weder
+die drei Grazien, noch die neun Musen. So könnte man sie aus vierzig, wie
+die Academie Française, oder aus sechzig, wie die allgemeine Pachtung,
+zusammensetzen. Den Eintritt dazu hätten nur die besten Erfahrungen. Die
+Geübtesten in den Geschäften des Magazins, die Vertrautesten mit den
+Kennzeichen des Betrugs, und also die bei allem Scharfsinne der
+Schleichhändler Geschicktesten, sie zu entdecken.
+
+Nach Art dieses Hauptamts bildete man sonderheitliche in den Städten der
+Provinz, und auf allen Strassen; welches zwischen dem Haupte und den
+Gliedern eine eben so nützliche als lehrreiche Korrespondenz unterhalten
+würde. Diese fruchtbaren Versammlungen hielten alle Tage des Morgens und
+Abends ihre Sitzungen. Jeder Fremde, der an der Gränze ankommt, wäre
+gehalten, da seinen Ausweis zu machen.
+
+Hier würde er ohne Schonung untersuchet. Man würde ihm nach seinem
+Zustande, einen Geleitsbrief ausfertigen, oder die verbotene Waare unter
+Siegel verzeichnen, damit man nicht eher davon Gebrauch machen könne, bis
+sie im Rekonwaleszentenhause, wohin sie abgegeben würde, ausgeräuchert
+wäre.
+
+Von dieser Zeremonie wäre das schöne Geschlecht nicht ausgenommen. Anfangs
+würde sie lästig scheinen; man würde sich aber bald daran gewöhnen. Hat man
+sich doch gewöhnt, vor jedem Thore grobe, und manchmal treulose Hände ins
+Felleisen spazieren, alles darinn umkehren, und was da verschlossen war,
+oft unwiederbringlich verderben zu sehn. Es würde nicht lange brauchen, um
+sich zu gewöhnen, linke Hände zu fühlen, die eine lange Uibung abgerichtet
+hätte, noch dazu ihre Berührungen angenehm zu machen.
+
+Es ist anzumerken, daß man durch eine solche Zusammensetzung eines Amtes
+von aufgeklärten, und dafür bekannten Frauenzimmern den Ungemächlichkeiten
+vorbeugen würde, die aus jeder andern Administrazion entstünden. Kein
+Frauenzimmer dürfte sich schämen, der Untersuchung von Personen ihres
+Geschlechts zu unterliegen; und man würde keine Mannsperson finden, die
+sich weigern möchte, sich vor den Augen eines von seiner Erfahrung so
+berufenen Tribunals zu produziren. Es fände sich also ganz keine
+Schwierigkeit. Die Schamhaftigkeit, und Gesundheit der beyden Geschlechte
+wäre dadurch in Sicherheit vor den Anstössigkeiten, die das eine kühn, oder
+das andere schüchtern machen könnten.
+
+Das ist also der Entwurf meines Projektes. Ich unterziehe es den Einsichten
+der Politiker, die in unserm philosophischen Jahrhunderte so zahlreich
+geworden sind. Ich kann versichern, daß ich einzig das allgemeine Beste und
+das Wohl der ganzen Welt, die mein Vaterland geworden ist, zum Augenmerke
+hatte. Ich wünsche, daß er unter die Hände von Leuten komme, die an der
+gehörigen Stelle sitzen; wünsche, daß ihr persönliches Interesse sie
+bestimme, sich seiner anzunehmen, und dem allgemeinen Frommen Hand zu
+bieten.
+
+Was Sie betrifft, mein Fräulein, wenn man ihn je annimmt, so wird man nie
+vergessen, daß es Ihr Namen war, unter welchem er zum erstenmal erschien.
+Ganz Paris wird Sie laut zur Annahme einer Stelle auffodern, deren Ihre
+Bemühungen sie schon so würdig machten. Mit einer unnennbaren Freude werde
+ich an der Spitze des erlauchten Senats, wovon ich den Plan entwarf, Sie
+glänzen sehn. Sie werden die Aufseherinn von den Waffen Zylherens, und die
+Wegweiserinn des Amors werden. Sie werden die Jugend lehren, ohne Gefahr
+auf dem stürmischen Ozean der Vergnügungen zu segeln, indem Sie ihr mit der
+Geschicklichkeit, die ihnen die Erfahrung giebt, das Steuerruder lenken.
+Sie werden ihr zeigen den Klippen auszuweichen, die Ihres Gleichen, wie ein
+großer Mann sagt, oft durch ihre Schiffbrüche bezeichnet haben.
+
+
+
+
+Ein Brief als ein Supplement zu diesem Werke.
+
+
+ An M. L. A * * *.
+
+
+Uiber die Ursachen, die zu der schrecklichen Vermehrung der Kakomonade
+beitragen.
+
+Bisher, lieber Freund, hab ich nur gescherzet. Lachend schrieb ich die
+Geschichte von einer der größten Geißeln des menschlichen Geschlechtes. Es
+ist sehr seltsam, daß die Gewohnheit es nur den Aerzten erlaubt, davon
+ernsthaft zu reden, und daß, in der feineren Welt, die üble Laune nicht die
+Wirkung einer Ursache sein kann, die doch so sehr dazu gemacht ist, sie
+hervor zubringen.
+
+Sehr zuverlässig ist dieß die Folge jenes seltsamen Durcheinanders, den man
+in unsern Sitten und Gewohnheiten wahrnimmt. Sobald Jemanden das Fieber
+befällt, sobald er schlecht geschlafen hat, oder einen Abend nicht mit der
+gewöhnlichen Leichtigkeit ausspuckt; gleich sind mit dem nächsten Morgen
+die Bedienten von allen vier Winden in Bewegung; sein Thürepocher kommt
+nimmer zur Ruhe, und sein Portier hat nicht Worte genug, für all die
+höflichen Bothen, die aus ganz Paris ihn zu fragen kommen, wie der Herr
+diese Nacht sich befunden habe.
+
+Ward nun aber der nämliche Mensch das Spiel einer jungen Spitzbübinn, --
+und ach! wie viel giebt es ihrer! -- Bleiben ihm nagende Erinnerungen eines
+zärtlichen Rendezvous; sieht er sich bei dem Abschiede aus den Armen der
+Venus gezwungen, einen Gott um Hilfe zu flehen, der bei den Alten die
+Gnaden der Göttinn austheilte, der aber bei uns zu nichts weiter dient, als
+sie uns aus dem Gedächtnisse zu bringen; da sieht man ihn ohne alle Unruhe
+erbleichen, abzehren, und versiechen. Er muß die Sorgfalt, die er für seine
+Gesundheit trägt, verbergen, gerade als ob es eine böse Handlung wäre; und
+wenn irgend ein besonderer Freund ihn von Zeit zu Zeit befragt, so
+geschieht dieß immer mit einem spöttischen Mitleid, das ihn noch mehr
+demüthigt, als selbst sein Zustand.
+
+Ja, wird man sagen, das ist eine Frucht der Ausgelassenheit. Die Schande
+ist ein heilsamer Wermuth, den die Wohlanständigkeit in dieselbe gießt, um
+sie den Unvorsichtigen, die versucht werden, sie zu pflücken, zu verleiden.
+Dieser scheinbare Widerspruch ist ein Zug der Weisheit. Man hat große
+Ursache, Krankheiten, die eine unzertrennliche Folge der Schwachheiten der
+Natur sind, zu bemitleiden; aber auch nur Verachtung gegen diejenigen
+blicken zu lassen, die einen Mißbrauch ihrer Gutthaten verkünden.
+
+Ach! lassen Sie uns, mein lieber Freund, diesem Gegenstande nicht ins Innre
+dringen. Diese Frucht ist eine Geburt der Ausgelassenheit, ich wills
+glauben, aber sie muß dem Hundszahne gleichen, und überall ohne Unterschied
+wachsen, wie dieses Kraut, in einem bösen Erdreich sowohl, als in einem
+guten. Man ärntet sie an so vielen Orten, die das Wappen der Tugend führen,
+daß man wahrhaftig auf nichts schwören darf; und vorzüglich an derlei
+Plätzen sind die Schilde betrügerisch. La Fontaine sagte:
+
+ Unterm Jungfern-Unterröckchen kann
+ Eben so viel Schönheit wohnen,
+ Als so mancher gute Ehemann
+ Findet unterm Hemde bei Madonnen.
+
+Aber gestehn Sie es nur ein, daß es, wenigstens in unsern Tagen, nicht die
+Schönheit allein ist, die da allenthalben so gleich ausgetheilt wohnt; und
+daß die Ungemächlichkeiten, die sie furchtbar machen, mit nicht weniger
+Gleichheit ausgetheilet sind.
+
+Doch, das befremdet mich nicht, sondern, worüber ich mich wundere, was ich
+nicht begreife, ist die Sicherheit, mit welcher wir mitten unter so vielen
+Gefahren leben. Offenbar sehn wir die Kakomonade mit den nämlichen Augen
+an, wie die angesteckten Dünste zu Paris, die man daüberall einathmet, und
+an die man sich, trotz ihrer Anpestung, gewöhnet: allein zwischen ihnen
+beiden herrscht ein himmelweiter Unterschied.
+
+Wenigstens trägt die Polizei doch einige Sorge, um das letztere zu mindern:
+Man kehrt die Gassen: man schafft den Mist weg; die Arbeit eines Tages
+macht das verschwinden, was die Verzehrung eines Tages von Unreinigkeiten
+hinterlassen hat. Aber ists mit dem andern Gegenstande auch so? Leider!
+nein. In Rücksicht desselben trägt man entweder gar keine Sorge, oder die,
+die man dafür hat, ist so schwach, daß sie, anstatt dem Uibel abzuhelfen,
+nicht einmal im Stande ist, seinen weitern Umsichgriffen Einhalt zu thun.
+
+Unterdessen ist es hohe Zeit, daß die Regierungen aus der Lethargie, worinn
+sie über diesen Artikel zu liegen scheinen, erwachen. Mit welcher Ruhe sehn
+sie nicht das Uibel sich reißend um sie her verbreiten! Die Bevölkerung,
+von dieser Pest bis auf die Wurzeln angegriffen, verwelkt und vertrocknet.
+Man kann es merken, wie das menschliche Geschlecht an Anzahl und Stärke
+abnimmt, Uiberall findet man unzählige Menschen, mit denen es soweit kam,
+daß sie die traurigen Gedenkzeichen von den Graden ihrer Prüfung, die sie
+seit ihrer Kindheit gleich den Metallen durchwandelten, welche die Chemie,
+so bald sie aus dem Schmelztigel kommen, durch gewaltsame Operazionen
+entnaturt, ihr ganzes Leben hindurch behalten.
+
+So lange die Krankheit nur in den Städten herumgieng, war diese
+Nachlässigkeit noch einiger Maaßen zu entschuldigen. Aufgeklärte Politiker
+konnten weniger davor erschrecken, so lange sie nur müssigen
+Güterbesitzern, oder unarbeitsamen Bürgern drohte. Vieleicht dürfte man
+sich noch itzt nicht sehr entrüsten, wenn sie sich inner die Mauern der
+Städte beschränkte, wenn sie sich begnügte, daselbst die Ausschweifungen
+einer herabgewürdigten Jugend, oder eines schwärmerischen Alters zu
+strafen. Sie griffe dann nur Menschen an, die dieses Namens nicht werth
+sind, und dieß wäre für das menschliche Geschlecht ein kleiner Verlust.
+
+Aber zum Unglücke bindet sie sich hieran nicht; und fällt sehr oft in die
+Dörfer hinaus. Da greift sie unsern armen Stamm unter dem Strohdach an, das
+doch noch etwas seinen Adel, und seine Kraft erhält. Sie findet keine
+Schwierigkeit, sich da niederzulassen. Die Unwissenheit, und vor allen die
+Armuth erleichtern die Gefälligkeiten, durch die sie sich fortpflanzt, und
+verbannen hiemit die Mittel, die sie unterdrücken könnten.
+
+Die Zeit ist vorbei, wo man das Land als den Freiort der Unschuld, als die
+Zufluchtsstätte schuldloser Ergötzungen ansehn konnte. Mit Rechte lobten
+unsre alten Dichter seine Schönheiten, und Annehmlichkeiten; sie rühmten
+die Sicherheit der Wälder, die es umgeben; das Grün der Matten, die es
+schmücken; die Klarheit der Gewässer, die es befeuchten, die Blüthe der
+Nymphen, die es verschönern. Die unsrigen sieht man so was nicht mehr thun.
+
+Nicht, als ob wir nicht auch noch Wälder, Gewässer, Matten, und Nymphen
+hätten: aber bei uns ists keine Diana mehr, die in unsern Wäldern jaget;
+keine Venus mehr, die sich in unsern Bächen bespiegelt; keine Flora, die in
+ihrem Laufe auf dem Grase ausglitscht. Die Stelle dieser Göttinnen hat die
+Kakomonade eingenommen. Alles, was vormals diente, die Vergnügungen, zu
+umschleiern, und zu vergrößern, dient nun unter ihren Händen zu nichts
+mehr, als nur die Gelegenheiten zur Reue zu vermehren; und wenn noch ein
+kühner Faun es wagt, die Schäferinnen ins Gehölze zu verfolgen, so fühlt er
+sich bald mit einer ganz andern Wunde geschlagen, als wie sie Amors Pfeile
+schlugen.
+
+Welche Macht könnte doch eine so traurige Metamorphose in Gegenden
+verursachen, die von dem Verderbnisse so entfernt sind? Wie kann da jenes
+der Schein der Tugend verhüllen, was anderswo nur die Folge der
+Ausgelassenheit ist? Wie geht es doch zu, daß oft die Simplizität selber
+denen gefährlich wird, die sich schmeicheln, sie zu mißbrauchen? Man kann
+hiervon drei sehr dunkle, aber sehr wirksame Ursachen angeben, welche die
+Hauptbeweggründe der Verwüstung sind, welche die Kakomonade auf dem Lande
+hervorbringt.
+
+Die erste davon ist jene ungeheure Anzahl Kinder, die mit jedem Tage aus
+den großen Städten fortziehn, um sich auf viele Meilen in die Runde,
+auszubreiten. Sie begehren da von ihnen gemietheten Nährmüttern jenen
+Beistand, den ihnen die Eltern, von denen sie das Leben haben, versagen.
+Dieß ist oft ein Glück für sie. Sie würden das Leben, das sie erst
+empfiengen, bald verlieren, wenn man sie nicht hurtig aus dem angepesteten
+Schoosse entfernte, in welchem sie es schöpften: aber dieses Glück wird
+sehr traurig für den mitleidigen Schooß derjenigen, die sich würdigen, sie
+zu sich aufzunehmen.
+
+Für die Milch, die sie daraus saugen, strömen sie das Gift darein, vor dem
+sie ihre Unschuld nicht retten konnte. Mit diesem Augenblicke wird die
+eheliche Zärtlichkeit ein Netz, worinn der Gatte sehr bald sich fängt. Er
+wird zum Zeitvertreibe mit einer Seuche behaftet, die er nicht fürchten
+konnte, da sie für ihn mitten in den Armen der Weisheit, und der
+Fruchtbarkeit entsproß. Wenn sich die Merkmaale davon sehen lassen, so hält
+die Schamhaftigkeit öfters ihre Entdeckung zurück, und fast immer steht die
+Dürftigkeit der Abhilfe derselben im Wege. Die Nothwendigkeit einer
+mühsamen Arbeit vermehret und verschlimmert die Symptomen derselben. Die
+Schwachheit, die die Einen mit sich bringen, macht, daß die Früchte der
+andern nicht hinreichen werden. Die Bedürfnisse vervielfältigen sich nach
+dem Maaße, nach welchem die Kräfte sich verlieren; endlich, wenn die
+armselige Familie eine Zeitlang in Elend und Verzweiflung geschmachtet hat,
+erwartet sie in irgend einem Siechenhause ihre Vernichtung.
+
+Nicht ein Zug ist hier übertrieben, sondern es ist dieß ein sehr wahres,
+ein sehr lebhaftes Gemälde von dem, was sich alle Tage um uns herum
+zuträgt. Man findet keinen Dorfpriester, keinen Landjunker in den
+Provinzen, der nicht die Wahrheit davon erkennte. Dieß ist die Gestalt der
+ersten Quelle der Entvölkerung der Dörfer, welche die Krankheit, von der
+hier die Rede ist, verursacht.
+
+Doch, es sind es nicht die Kinder in der Wiege allein, durch die sie sich
+da einschleicht. Auch jene parfümirten Puppen, jene fünf und
+zwanzigjährigen Greise, welche ein grausames Loos bei Zeiten reich, und zu
+müssigen Herren gemacht hat, müssen ihr mittelbar zu ihren Absichten
+dienen. Sie führen öfters die Langeweile, die sie aufzehrt, die
+Eckelhaftigkeit, die ihnen das Herz abdrückt, auf ihren Landgütern mit sich
+spazieren. Aus Furcht, sie möchten in diesem neuen Aufenthalte sich selbst
+gelassen sein, sind sie sehr besorgt, all den Prunk, und Firlefanz des
+Luxus, der sie in den Städten, aus denen sie sich flüchten, tödtet, mit
+sich dahin nachzuschleppen.
+
+Ein zahlreicher Hofstaat, eine prächtige Equipage ist ihr Geleite bis in
+die Mitte der ländlichen Einfalt. Es gefällt ihnen, ihre groben, und
+verbordirten Bedienten, die sie schlecht bedienen, mitten unter demüthigen,
+und mit Kütteln angethanen Landleuten, die sich nur von ferne sie
+anzublicken, getrauen, glänzen zu sehn. Es ist ihnen lieb, in den
+Vorzimmern ihrer Lustschlösser mehr unnütze Thunichtse zu zählen, als sie
+arbeitsame Unterthanen auf dem Felde haben.
+
+Dieses lächerliche Großthun, dieser unerträgliche Stolz wäre doch noch ein
+leidliches Uibel, wenn es nichts weiter schadete, als die Kleingeistigteit
+des Ortsherrn zu nähren. Aber was ihn erst wirklich schrecklich macht, ist
+dieß, daß er die Zügellosigkeit der Bedienten begünstigt, und die Folgen
+davon ins Unendliche vermehret. Die Kakomonade macht sie zu neuen
+Prometheussen, die sie mit ihrer Fackel bewaffnet; auf ihren Befehl ziehn
+sie aus, die Bildsäulen, womit das Land erfüllet ist, mit einer
+verderblichen Flamme zu beleben, die sie nicht von den Strahlen der Sonne
+entwendet haben.
+
+Die drei Viertheile der Menschen, die sich bei uns zur Dienstbarkeit
+verschreiben, sind durch ihren Stand Müssiggänger, und aus Noth Hagestolze.
+Eine vollkommene Unabhänglichkeit ist das erste Bedingniß, welches der
+Luxus fordert, um sie zu den Würden der Livree zuzulassen, und er macht
+diese Forderung nur, um sie sich selbst zum Opfer zu bringen. Er will die
+Herrschaft über seine Unterthanen mit Niemandem theilen. Er macht Ansprüche
+über Sklaven zu gebieten, die außer ihm keinen Herrn haben sollen. Er meint
+sich hierdurch Unruhen zu ersparen. Er bildet sich ein, sich dadurch eines
+hurtigern Dienstes, einer genaueren Treue zu versichern.
+
+Ich weis nicht, ob er es damit wohl macht; was ich gewiß weis, ist, daß
+dieser Haufen arbeitloser, einsamer Bedienten, überall, wo er sie nur zu
+finden glaubt, Gesellschaften aufsucht. Ihr Temperament treibt sie zu
+lebhaften Vergnügungen, und ihr Anzug bringt sie in Gesellschaften, wo
+ihnen diese leicht gemacht werden. Von dieser Seite der Wonnen des
+Ehestandes beraubt, von der andern zur Ausübung seiner Geschäffte
+eingeladen, überlassen sie sich einem Umgange, der ihnen seine Vergnügungen
+gewährt, ohne seine Beschwerden zu haben. In diesem schändlichen Mißbrauche
+der Kräfte der Natur folgen sie den Absichten, und oft dem Beispiele ihrer
+Herren.
+
+Ihr gegenwärtiges Bedürfnis macht sie taub für die Folgen der Zukunft. Man
+weis, was man, von der Gattung Weibsleute, auf die sie sich beschränken
+müssen, zu erwarten hat, und in kurzer Seit erlangen sie die Erfahrung
+davon. Dadurch werden sie kecker, so, wie ein Mensch, dessen Kleid schon
+einmal durchnäßt ist, sich desto weniger gegen den Regen sperret. Die Kraft
+ihrer Jugend erhält sie eine Zeitlang. Die Schuldigkeit, vor der Herrschaft
+zu erscheinen, oder gar die Mittellosigkeit, wehrt es ihnen, auf ihre
+Heilung zu denken. Sie müssen ihrem Herrn überall, wo es seine Kaprize
+immer hin will, folgen, und man stellt sich auf seinen Wink, es mag um den
+Körper stehn, wie es wolle. So ist indessen der Trupp beschaffen, mit
+welchem der Reiche sich brüstet, auf seiner Herrschaft zu erscheinen, wenn
+er sich würdigt, sie mit seiner Gegenwart zu beehren.
+
+Ist er nun einmal auf dem Dorfe, so sind seine Bedienten, in der Kleidung
+oft besser bestellt, als er, Leute von Wichtigkeit. Ihre Borden werden nun
+ein Ehrenzeichen. Sie behaupten unter diesen Leuten ohne Widerspruch den
+vornehmsten Rang, und ziehen alle Augen auf sich. Das Prächtige ihres
+Anzugs, ihr Bau, der Vorrang, den sie über die Landleute affektiren,
+unterwirft ihnen sehr bald die Mädchen auf dem Lande, die auf alles
+aufmerksam sind.
+
+Und dann wehe der Tugend, die sich mit einem Bißchen Reiz, und Anmuth
+waffnet; wehe der Unschuld, welche die Jugend schmücket, und welche die
+Grazien dieses Alters vielmehr schwächen, als beschützen! Wie bald ist sie
+verführt, und vergiftet! Die ihrer genoß, -- nichts bleibt der
+Unglücklichen, außer ein unaustilgbarer Jammer, und schändliche Schmerzen.
+Ihr Ende ist -- sie bringt, oft ohne es selbst zu wissen, dem Hymen Blumen
+zu, die auf ihrem Erdreiche nicht wachsen sollten, und die die Liebe auf
+ewig verbannen, und es ist noch ein Glück; wenn sie der Versuchung nicht
+nachgiebt, in die Stadt zu ziehn, um mit den Reizen, die sie zu Grunde
+gerichtet haben, ein Gewerbe zu treiben, und die Folgen ihrer Schwachheit
+mit dem Publikum zu theilen!
+
+So arbeiten denn ungeheure Armeen, unter der Uniforme der Sklaverei, daran,
+in den Schlund der Hauptstädte das Gift, das darinnen gähret, zurück zu
+gießen, und in diesem Geschäfte muß man ihnen noch eine andere Klasse von
+Sklaven beigesellen, die an sich selbst edler, obgleich in der Sache selbst
+sehr wenig in Betrachtung gezogen sind; jene Automaten muß man ihnen
+zugesellen, die mit zu dem Machwerk eines so genannten Regimentes gehören,
+und derer Ressorts, wenn sie einmal zugenommen haben, ihnen eine ziemliche
+Geschicklichkeit geben, eine gewisse Anzahl Bewegungen zu machen, die unter
+dem Namen Exercizien bekannt sind.
+
+Diese, begabt mit der ausschließenden Befugniß, eine Flinte, oder eine
+Bajonette zu führen, haben noch in einem höheren Grade jene, überall die
+traurigen Geschenke, von denen wir sprechen, anzunehmen, und mitzutheilen
+Durch ihre Mitwirkung dringet sich die Kakomonade in die entlegensten
+Provinzen ein. Sie eröffnen ihr einen Weg in Gegenden, wohin selbst das
+Gold kaum einen Eingang findet.
+
+Offenbar sind dieses Laster, die sie gegen das menschliche Geschlecht
+begehn; doch läßt es sich schwer entscheiden, ob sie dabei mehr strafbar,
+als unglücklich sind. Gewiß ists, daß der Ehestand für den Soldaten sich
+nicht schicke. Noch gewisser, daß der Zölibat ihm die Ausschweifung
+nothwendig macht. Nicht weniger gewiß ists, daß diese Ausschweifung für
+ihn, und für alle Länder, die er durchzieht, die schrecklichsten Folgen
+habe. Um sich davon zu überzeugen, darf man nur den Zustand der Plätze, wo
+Krieg ist, und ihre Gegenden umher betrachten.
+
+Täglich schleicht sich da, trotz aller Wachen, die ihn beobachten, ein
+verkappter Feind hinein. Er herrscht da mit größerer Macht, als die
+Statthalter des Königs. Die Wachsamkeit derselben, ihn hindanzuhalten, ist
+unnütz. Er ist sogar mit den Offizieren, die man dahin beordern könnte,
+verstanden. Uiber dieß, wie wollte man junge Leute hindern, sich einem
+Gelüste zu ergeben, das der Müssigang, aus dem sie sich eine Ehre machen,
+bei ihnen genährt hat? Wie wollte man Begierden unterdrücken, die ein,
+lange Zeit, bezähmtes Temperament, oder die Gewohnheit der Ausschweifung
+wüthig gemacht hat? Weder die Bestrafung so einer Unglücklichen, die sie
+anpestet, noch die langwierigen Peinen, womit sie die Schwachheit eines
+Augenblicks abbüssen müssen, werden sie je vor dem Rückfalle bewahren. Ein
+Soldat glaubt, er sei da, um des Gegenwärtigen zu genießen: seine
+Bestimmung ist, den Gefahren Trotz zu bieten, und er rechnet sichs zum
+Verdienste an, ihnen in jeder Gestalt zu trotzen.
+
+Was noch trauriger ist: da sich der Soldat so selbst verderbt, verderbt er
+auch andere mit. Er erhält, wie Midas, die Eigenschaft, allem, was er
+berührt, die Kraft, die er empfangen hat, mitzutheilen. Und so wird eine
+Armee selbst in Feindes Lande dadurch viel verderblicher, als die
+schrecklichste Verwüstung des Krieges. Nicht das, was sie daraus fortträgt,
+sondern das, was sie darinnen läßt, schlägt ihm eine unheilbare Wunde.
+
+Wahr ists; sie empfängt dafür bald ihre Strafe. Das Weibervolk dieses
+Landes bewaffnen sich ihrerseits gleichfalls mit der Plage, die sie
+verletzet hat, wie Montesquieus Präsident vom Despotismus sagt, daß er sich
+mit seinen eigenen Ketten bewaffnet, und dadurch desto schreckbarer wird.
+Damit, schlagen, sie bei ihrem Durchmarsche die Soldaten, die sich davor
+verwahrt, oder davon entlediget haben. Dieser mörderische Kriegslauf
+unterhält unter den Truppen eine weit furchtbarere Pest, als die best
+eingerichtete Artillerie.
+
+Auch dieses wissen alle, die die letzten Feldzüge mitgemacht haben. Die
+deutschen Bauerndirnen waren, wie die römischen Frauen, die sicherste
+Vormauer ihres Vaterlandes geworden. Die Gefälligkeit der kirre gewordenen
+Hessinnen war mehr zu fürchten, als das Schwert ihrer vaterländischen
+Helden. Eine einzige Westphälerinn brachte mehr Unordnungen aus, und füllte
+die Spitäler mehr an, als die Armee von einem ganzen Detachement
+Hanovrianer.
+
+
+Lieber Freund, sehen Sie hier wirkliche, offenbare Thatsachen, an denen
+sich nicht zweifeln läßt. Sie geschehn vor unsern Augen, und leider! sind
+der Zeugen nur zu viele, die die Wirklichkeit davon bestättigen können.
+Unter allen den Reformazionsgegenständen, womit man sich in diesem
+philosophischen Jahrhunderte beschäftigt, ist vielleicht dieser der
+einzige, woran man nicht denkt, da er doch wahrlich der allerwesentlichste
+ist. Die übrigen interessiren nur die moralische Glückseligkeit der
+Menschen, indeß dieser sich mit ihrer phisischen Existenz befaßt. Die
+Mißbräuche bei den Finanzen und in der politischen Verfassung werden ganz
+gewiß übertrieben. Die Uibel, die daraus entstehn, lassen sich vielleicht
+bezweifeln, oder es könnten wenigstens die Verbesserungen derselben sehr
+leicht noch trauriger ausfallen. Allein hier stehts mit der Sache ganz
+anders. Das Uibel ist gewiß, die Nothwendigkeit, ihm zu steuern, ist
+dringend, und die Anwendung des Heilmittels dagegen wäre ohne Widerrede der
+nützlichste Dienst, den man der Menschheit erzeigen könnte.
+
+
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KAKOMONADE ***
+
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+Produced by Jens Sadowski
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+will be renamed.
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+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
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+such as creation of derivative works, reports, performances and
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+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
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+works. See paragraph 1.E below.
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+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
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+WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
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+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
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+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
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+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
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+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
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+increasing the number of public domain and licensed works that can be
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+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
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+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
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+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
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+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
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+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
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+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+
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+
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+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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+</style>
+</head>
+
+<body>
+
+
+<pre>
+
+The Project Gutenberg EBook of Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Die Kakomonade
+ Ein Nachlaß vom Doktor Panglos, als ein Supplement des Kandide
+
+Author: Simon Nicolas Henri Linguet
+
+Release Date: March 6, 2012 [EBook #39043]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE KAKOMONADE ***
+
+
+
+
+Produced by Jens Sadowski
+
+
+
+
+
+</pre>
+
+<div class="centerpic" style="margin-bottom: 1%;">
+<img src="images/title.jpg" alt="Titel"/>
+</div>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<div class="trnote" style="page-break-before:always;">
+<p class="center">
+<a href="#Anmerkungen">Anmerkungen zur Transkription</a> finden sich am Ende des Buches.
+</p>
+</div>
+
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<h1 style="page-break-before:always;">
+Die<br />
+Kakomonade<br />
+<br />
+<span style="font-size: smaller">
+ein Nachlaß<br />
+vom Doktor Panglos,
+</span>
+</h1>
+
+<p class="center" style="font-size: 110%">
+als ein Supplement<br />
+<br />
+des Kandide,<br />
+<br />
+von<br />
+<br />
+Linguet.
+</p>
+
+<p class="center">
+<span style="border-top: 2px black solid">
+Nach der zweiten vermehrten Ausgabe übersetzt.</span>
+</p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+
+<p class="center">
+<span style="border-top: 2px black solid">
+Berlin, 1786.</span>
+</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<!-- page 000<i>i003 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-1">
+Buchhändlernachricht.</h2>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">E</span>s leben zwo berüchtigte Schwestern
+in der Welt, welche mit voller
+Gewalt auf derselben regieren. Man
+ist gesinnet, von der Einen derselben
+die Geschichte ihres Lebenslaufes hier
+vorzulegen. Dem Leser wirds gar
+nicht schwer fallen, zu errathen, wer
+die sei, von der man spricht, sobald
+er weis &mdash; was wir ihm eben sagen
+&mdash; daß man jene, von der die Rede
+nicht ist, nach unserer französischen
+<!-- page 000</i>i004 -->
+Mundart gemeinhin die petite vérole
+nenne<a href="#footnote-1" id="fnote-1"><sup>1</sup>)</a>.
+</p>
+
+<p>Diese nun hat sich vor undenklicher
+Zeit in Europen ausgebreitet;
+der andern aber gelang es nur erst
+um viele Jahrhunderte später, in
+diesem Welttheile festen Fuß zu fassen;
+indessen mag man sie für Zwillingsschwestern
+<!-- page 000<i>i005 -->
+ansehen, und ihr Alter
+beinah so weit hinaussetzen, als
+das Alter der Welt. Es ist wahrscheinlich,
+daß sie bei ihrer Geburt
+zu einer Zeit mit Noe sich in das
+Universum theilten. Die Eine nahm
+die linke, die Andere die rechte Seite
+desselben in ihren Besitz. Sie zogen
+mit den Söhnen dieses Patriarchen
+herum, und schlugen in Wüsten, denen
+es an nichts, als an Bewohnern
+fehlte, ihren Wohnsitz auf.
+</p>
+
+
+<p>Die Kleine nahm das größte
+Stück für sich: Das ganze feste Land
+des Alterthums ward ihr Reich;
+Afrika, Asien, und Europa fielen
+unter ihre Bothmässigkeit. Ihre
+vornehmste Beschäfftigung war, die
+<!-- page 000</i>i006 -->
+Menschengestalten, die sich da befanden,
+zu verderben; aber vorzüglich
+übte sie sich in ewigen Kriegen gegen
+die Schönheit.
+</p>
+
+<p>Die Andere trieb Anfangs ihren
+Ehrgeiz nicht so weit: sie begnügte
+sich, den Zepter über Amerika zu führen:
+Da pflegte sie des Umgangs mit
+den Schlangen, und allem kriechenden
+Ungeziefer, welche diesen schönen
+Theil der Welt verheeren: allein der
+Theil, auf welchen sie ihre Gewalt
+ausbrechen ließ, war nicht das Gesicht;
+sondern sie griff unmittelbar
+das an, was die Schönheit nützlich,
+oder schätzbar macht.
+</p>
+<!-- page 000<i>i007 -->
+
+<p>So lebten sie über fünf tausend
+Jahre, einsam, jede in ihrem Aufenthalte.
+Nur erst im fünfzehnten
+Jahrhunderte kam sie die Lust an,
+sich zu besuchen, da sie zu ihrer Reise
+die spanischen Flotten sehr gemächlich
+fanden. Sie mußten keine Ursache
+gefunden haben, es sich gereuen
+zu lassen: von dieser Zeit an scheinen
+sie den Entschluß gefaßt zu haben,
+sich nimmer wieder zu verlassen. Sie
+verglichen sich, ihre Schätze gemeinschaftlich
+anzulegen. Ohne Unterschied,
+und ohne Eifersucht herrschen
+sie nun beide zusammen über die vier
+Theile dieser unteren Welt, wo, wie
+es ein Haufen erlauchter Philosophen
+beweist, alles gut ist. Der
+Vergleich dieser beiden Schwestern
+<!-- page 000</i>i008 -->
+hat die Masse des allgemeinen Guten
+um ein Ansehnliches vermehrt; ob
+man gleich gestehen muß, daß einige
+einzelne Uibel daraus erwuchsen.
+</p>
+
+<p>Diese zu mildern, ja zum Theile
+gar zu unterdrücken, scheint die
+Absicht gewesen zu sein, welche sich
+der Verfasser dieses Werkes durch
+dasselbe zu erreichen bestrebet hat.
+Wir glaubten wahrzunehmen, daß
+er hierzu eben so sichre, als leichte
+Mittel an die Hand gab; und man
+wird sich von der Sache sogleich gute
+Begriffe machen, sobald man wissen
+wird, der Verfasser sei der Herr
+Doktor Panglos, Feldprediger des
+Freiherrn von Donnerstrunkshausen,
+und Hofmeister des Kandide.
+</p>
+<!-- page 000<i>i009 -->
+
+<p>Seine Abentheuer sind Jedermann
+bekannt, aber Niemand weis
+Etwas von seinen Schriften. Man
+weis, daß er eben sowohl, als sein
+Zögling, auf den Befehl der heiligen
+Hermandad den Staupbesen bekam,
+und, was noch mehr ist, gehangen
+wurde. Seine Unglücksfälle sind,
+Dank sei es der Feder des berühmten
+Herrn Ralph, seines Mitbruders in
+der Metaphysik, zum Besitze der Unsterblichkeit
+gelangt; hingegen zweifelte
+man nicht, daß es ihm nicht am
+Kützel, oder an der Zeit gefehlet habe<a href="#footnote-2" id="fnote-2"><sup>2</sup>)</a>,
+ein Autor zu werden; dennoch
+<!-- page 000</i>i010 -->
+ist dieß eine unläugbare Wahrheit;
+und hier theilen wir eine seiner Arbeiten
+mit, die uns würdig genug schien,
+die Aufmerksamkeit des Publikums
+auf sich zu heften.
+</p>
+
+
+<p>Es hält schwer, ihren Zeitpunkt
+genau zu bestimmen; unterdessen ist
+es doch ziemlich wahrscheinlich, daß
+sie der Doktor damal verfaßte, als
+er sich bei dem Wiedertäufer Jakob
+aufhielt<a href="#footnote-3" id="fnote-3"><sup>3</sup>)</a>. ohne Zweifel wars diese
+heilsame Einsamkeit, wo Herr
+Panglos sichs zum Geschäfte, machte,
+<!-- page 000<i>i011 -->
+über die Ursache nachzudenken,
+von der er da die Wirkungen empfand.
+Voll von seinem Gegenstande,
+machte er sich das Vergnügen,
+die treffenden Bemerkungen, die ihm
+sein Zustand darboth, zu Papier zu
+setzen. Er kam dabei, wie man weis,
+um ein Aug, und um ein Ohr. Doch
+rettete er sein Manuskript, und dieses
+kostbare Stück Werk kam in der Folge
+unter allen dem Stürmen, die das
+Leben dieses großen Philosophen verfolgten,
+mit heiler Haut davon.
+</p>
+
+
+<p>Diese Stürme waren mit der
+Epoche, womit Herr Ralph seine
+Geschichte beschließt, nicht, wie man
+etwa denken konnte, vorüber. Die
+mühsame Vereinigung, welche die
+<!-- page 000</i>i012 -->
+Noth unter allen Gefährten Kandidens
+veranlaßt hatte, war von kurzer
+Dauer. Die kluge Alte war das
+Band der Gesellschaft: sie starb, und
+das Gebäude, zu dem sie so viel beigetragen hatte,
+zerfiel mit ihrem Tode.
+</p>
+
+<p>Kunegunde, ihres guten Rathes
+beraubt, begieng eine Thorheit auf
+die andre. Die letzte davon war, daß
+sie bei Barzellona mit einem Korsaren
+auf dem mittelländischen Meere
+kreuzen schiffte. Bald darauf machte
+sich auch Kandide, bloß von Martinen
+begleitet, unsichtbar, ohne Zweifel
+nicht so viel, um seiner theuern
+Hälfte wieder habhaft, als um des
+Verdrusses, daß er sie geheurathet
+hatte, los zu werden.
+</p>
+<!-- page 000<i>i013 -->
+
+<p>Der Bruder Giroflee gieng einige
+Zeit vorher unter die Janitscharen.
+Panglos reiste mit Paquetten
+ab, um, falls er ihn treffen konnte,
+seinem Zöglinge Trost einzusprechen.
+Die kleine Mayerei blieb das Eigenthum
+des einzigen Kakambo, der
+zufolge des Kaim Akan von Konstantinopel,
+nachher Oberrichter geworden
+ist, aber trotz dieser Würde, sich
+so gut, als seine Herrschaften, neuen
+Unglücksfällen ausgesetzt fand.
+</p>
+
+<p>Der Doktor, und seine Gefährtinn
+bestanden ein klein griechisch Kaufmannsschiff,
+um darauf nach Smirna
+zu fahren, wo sie sich Rechnung
+machten, einige Schiffe zu finden, um
+nach Europa zu kommen, in der Hoffnung,
+<!-- page 000</i>i014 -->
+daß Kandide diese Strasse
+eingeschlagen hätte. Unglücklicherweise
+hatte an der Küste von Mar di
+Marmora Paquette wieder Lebhaftigkeit,
+und Farbe gewonnen. Der
+Patron würdigte sie seiner Aufmerksamkeit.
+Dieser eifrige Muselmann
+fand sie weiß, wie eine Lilie, und
+frisch wie eine Rose, und sah sie für
+eine Zirkassierinn an, die aus irgend
+einem Serrail entwischet wäre. Er
+trug Bedenken, so viele Reize den
+Unbeschnittenen zuzuführen. Statt
+also, sie zu Smirna ans Land zu
+setzen, führte er sie in Aegypten, wo
+er sie um tausend Zekine an den Bascha
+von Kairo verkaufte.
+</p>
+<!-- page 000<i>i015 -->
+
+<p>Mittels einer sehr sinnreichen,
+und der Schule eines Leibnitz ganz
+würdigen Verkleidung fand Panglos
+den Weg, sie zu entführen. Sie
+durchstrichen hierauf ganz Asien. Die
+Kette ihrer Begebenheiten zog sie bis
+nach China, wo sie Kunegundens
+Bruder, Herrn Baron von Donnerstrunkshausen
+wieder fanden. Der
+war noch immer der alte Starrkopf,
+der alte Jesuite. Er gab sich hier,
+wie man im Verfolge dieses Werkes
+sehn wird, mit dem Gewerbe nützlicher
+Künste ab. Endlich trafen sie
+nach einer Menge neuer Märsche, und
+mehr, oder minder trauriger Trennungen
+zu Paris wieder zusammen.
+Paquette gab sich hier einen indianischen
+Namen. Durch diesen Kniff,
+<!-- page 000</i>i016 -->
+und durch die Neugierde, die sie gegen
+sich erregte, machte sie in kurzer
+Zeit ihr Glück, trotz dem, daß
+ihre Reisen sie etwas gebräunet
+hatten.
+</p>
+
+<p>In ihrem Glücke verlor sie Panglosen
+nicht aus dem Gedächtnisse.
+Sie gab ihm bis zu seinem Tode, der
+sich den 11ten Dezember des vorigen
+Jahres ereignete, seinen Unterhalt.
+Er hatte ziemlich schnell das Französische
+begriffen, und das Werk, das
+wir hier herausgeben, selbst in diese
+Sprache übersetzt. Er hat es, wie
+man sehen wird, seiner Wohlthäterinn
+zugeeignet, und diese hat uns
+das Mannuskript davon mitgetheilt.
+</p>
+<!-- page 000<i>i017 -->
+
+<p>Man fand unter seinen Papieren
+viele andere Bemerkungen, in sehr
+guter Ordnung. Sie enthalten alle
+seine Reisen von der ersten von Konstantinopel<a id="corr-1"></a>
+aus angefangen.
+</p>
+
+<p>Fräulein Paquette übernahm
+selbst die Sorge, sie durch sichre Hände
+an Herrn Ralph gelangen zu lassen;
+und wir wissen ganz zuverläßlich,
+daß dieser Gelehrte des Vorhabens
+ist daraus einen Zweiten Theil
+zur besten Welt zu verfassen, dessen
+Ausgabe nicht lange ausbleiben wird.
+Hierbei bedienen wir uns mit Vergnügen
+der Gelegenheit, das Publikum
+aus einem Irrthume zu ziehn. Man
+hat bei einigen nachgedruckten Ausgaben
+der besten Welt auf den Titel
+<!-- page 000</i>i018 -->
+gesetzt, daß Herr Ralph gestorben
+wäre. Ja man führte sogar den Ort
+und das Jahr dieses Vorfalls an,
+der, wie man sagt, sich zu Minden
+im Jahre Christi 1759. ergeben
+hat.
+</p>
+
+<p>Ohne Zweifel kömmt dieses Gerücht
+von des Herrn Doktors Feinden
+her. Sie gaben vor, er hätte
+sein Leben auf einem Schlachtfelde geendigt,
+gewiß nur, um verstehen zu
+geben, daß er vor Furcht gestorben.
+Diese Nachricht ist falsch. Der unsterbliche
+Herr Ralph befindet sich,
+zum Verdrusse seiner Neider, noch
+bei den besten Kräften. Die Herausgabe
+des zweiten Theils seines Werkes
+wird davon eine Probe seyn. Um
+<!-- page 000<i>i019 -->
+ihn erscheinen zu lassen, erwartet er
+nur noch die Landkarten, womit er
+ihn versehen will; eine Vorsicht, deren
+Außerachtlassung beim ersten Theile
+er sehr bedauert.
+</p>
+
+<p>Vom Verdienste des Doktor Panglos,
+als Schriftstellers, wird das
+Publikum das Urtheil sprechen. Wir
+zweifeln nicht, daß man dieses Werk
+seines Ruhmes würdig finden werde.
+Was uns Anfangs befremdete, war
+nur der Gegenstand desselben. Herr
+Ralph nannte das Kind, das sein
+Held aus seinen Versuchen in der Experimentalphisik
+erhielt, ohne Umschnitte
+beim rechten Namen. Allein
+selbst dieser soll, nachdem er es im
+Französischen zu einer vollständigen,
+<!-- page 000</i>i020 -->
+Kenntniß gebracht, und die Doppelsinnigkeiten,
+und die falsche Delikatesse
+dieser Sprache näher eingesehen
+hatte, es, wie man uns versicherte,
+nie gewagt haben, sich die Freiheit
+seines Geschichtschreibers zu erlauben.
+Er suchte Wendungen, und
+gab seinem Buche den ehrbaren Namen,
+den wir ihm hier beibehalten
+haben.
+</p>
+
+<p>Man kann sich einbilden, daß
+diese Herabstimmung, ihm vieles kostete.
+Wir haben in seinen Schriften
+davon Proben gefunden. Er hatte
+sogar gegen diese sogenannte Delikatesse
+eine Abhandlung angefangen,
+wobei wir sehr bedauern, daß er sie
+nicht zu Ende bringen konnte. Der
+<!-- page 000<i>i021 -->
+Herr Doktor machte sich darinnen mit
+einem seiner würdigen Nachdrucke gegen
+diese lächerliche Wohlanständigkeit
+auf, welche die Artigkeit mehr in
+den Worten, als in den Dingen sucht,
+und sich über Ausdrücke, aber nicht
+über die Begriffe entrüstet. Er legte
+lebhaft seine Befremdung an den
+Tag, daß rechtschaffne Leute in Europa
+sich nicht getrauen, eine Ursache,
+von der sie alle Tage die Wirkung zu
+befahren haben, bei ihrem Namen zu
+nennen. Er sprach über diesen Gegenstand
+als ein erfahrungsvoller
+Philosoph, und als ein vollkommener
+Leibnizianer.
+</p>
+
+<p>Unterdessen wollen wir zur Rechtfertigung
+der Franzosen, bemerken,
+<!-- page 000</i>i022 -->
+daß sie nicht die Einzigen sind, die sich
+auf diese unvernünftige Gewissenhaftigkeit
+etwas zu Gute thun können.
+Die Italiäner haben beinahe die nämliche
+Schwachheit: sie nennen die größere
+Schwester der kleineren Pocke
+mal Francese, obgleich sie unstreitig
+weder an der Seine, noch an der
+Rhone bürtig ist. Wahr ists, sie besucht
+diese Flüsse öfters, und unterhält
+sich vorzüglich mit den Nymphen,
+die diese Gestade verschönern; aber
+doch ist sie da nicht geboren, und die
+wälsche Paraphrase ist weder richtig
+an sich selbst, noch artig im Bezuge
+auf die benachbarten Völker.
+</p>
+
+<p>Die Spanier sollten mit dem Namen
+und der Sache besser bekannt
+seyn; indessen weichen sie dem Begriffe
+<!-- page 000<i>i023 -->
+davon so viel möglich aus. Sie
+bezeichnen sie mit dem feinen Ausdrucke
+purgacion. Wenn man daher
+jenseits der Pyrenäen spricht: el
+señor marqués, el señor conde, el
+señor duque tiene las purgaciones,
+so will dieß nicht sagen, daß
+diese Herrn Arzneien eingenommen,
+sondern daß sie ihrer sehr nöthig haben.
+Diese kleine Untreuheit ist doch
+verzeihlicher, als jene, deren man sich
+im Lande des Vesuvs bedient.
+</p>
+
+<p>Uibrigens ist diese abgeschmackte
+Kleingeistigkeit nicht bei allen Völkern
+die Folge eines vagen Vorurtheils,
+wovon man nie versuchet hätte, einen
+Grund anzugeben. Große Schriftsteller
+haben sich bemühet, sie zu heben,
+<!-- page 000</i>i024 -->
+und sogar zu rechtfertigen. Unter
+andern kann man hierüber den berühmten
+Herrn Abbé Desfontaines
+in seinem ein und sechzigsten Briefe
+seiner Beobachtungen über die
+Schriften unsrer Zeit anführen.
+</p>
+
+<p>Der Herr Abbé untersucht sehr
+sorgfältig, und mit all dem kritischen
+Geiste, den er besaß, worinn die sogenannte
+Keuschheit unsrer heut zu
+tägigen Sprachen ihren Grund habe.
+&bdquo;Das Christenthum, und die
+Moral der Europäer,&ldquo; sagt er,
+&bdquo;machen sie so gewissenhaft in ihren
+Worten, da im Gegentheile das
+Griechische und Latein, welches
+von heidnischen Völkern gesprochen
+wurde, weit freier ist.&ldquo;
+</p>
+<!-- page 000<i>i025 -->
+
+<p>Wir bitten den Herrn Abbé um
+Vergebung; allein wir sind nicht seiner
+Meinung; und was noch mehr
+ist, wir haben so gar sehr gute Gründe,
+es nicht zu seyn.
+</p>
+
+<p>Der erste ist das Ansehn des
+Herrn Panglos, der sich ganz öffentlich
+für die entgegengesetzte Meinung
+erklärt, wie man in der Sammlung
+seiner Werke sehn wird, wenn
+man anders jemal das Fragment,
+von dem wir sprachen, darinnen mit
+heraus giebt. Der zweite Grund ist
+der, daß die Moral der Heiden nicht
+lockerer war, als die unsrige. Die
+wahren Begriffe von Schande, und
+Ehre findet man eben sowohl in ihren
+guten Schriften, als in unsern Kasuisten
+<!-- page 000</i>i026 -->
+entwickelt. Uiberdieß haben
+die Moral und Religion nur auf
+unsre Handlungen Einfluß. Es ist
+ausgemacht, daß die Sprache nicht
+ihr Gegenstand ist, oder daß sie wenigstens
+sehr wenig darauf achten.
+Gott selbst hat, wie bekannt, sich
+gewürdigt, die hebräische Sprache
+anzunehmen; und dennoch ist diese
+unter allen Sprachen die unfläthigste,
+will sagen, die einfacheste in ihren
+Begriffen, und die nachdrücklichste
+in ihren Ausdrücken.
+</p>
+
+<p>Der Journalist denkt nicht, daß
+die Väter der beiden Kirchen Eingebungen
+vom heiligen Geiste hatten,
+und wenigstens eben so gut, als wir,
+in der christlichen Moral unterrichtet
+<!-- page 000<i>i027 -->
+wurden. Indessen erlaubten sie sich
+doch, Zergliederungen zu machen,
+denen das Geschraubte unserer Sprache
+bei einer Uibersetzung den Schein
+einer Unlauterkeit giebt, da sie doch
+an sich selbst nichts mehr, als natürlich,
+sind. Die Tugend zeigt sich in
+ihren Schriften manchmal mit einer
+Rüstung, wovor in den unsrigen das
+Laster erröthen würde. Sollten sich
+die Bürger in Paris, die sich in
+Kupfer stechen lassen, darum getrauen,
+zu glauben, über diese großen Männer
+erhaben zu sein?
+</p>
+
+<p>Sehen wir uns ja vor, die
+scheinbare Grobheit der Alten, und
+selbst der Heiden, zu verachten. Wir
+haben einen heiligern Gottesdienst;
+<!-- page 000</i>i028 -->
+aber unsre Sitten sind darum nicht
+reiner. Lassen wir uns ja nicht den
+dummen Stolz einkommen, zu glauben,
+daß es die Erhabenheit unserer
+Glaubenslehren sei, die der Freiheit
+unserer Gespräche einen Zaum anlegt.
+Man müßte erstaunen, wenn die Moral
+Stärke genug hätte, die Sprache
+zu reinigen, und dennoch nichts über
+die Sitten vermöchte; daß es der Religion
+gelungen habe, den wahren
+Namen der Heldinn des Herrn Panglos
+zu verbannen, daß sie aber
+ihrem Laufe kein Hinderniß setzen
+konnte.
+</p>
+
+<p>Weit gefehlt, daß die Sittsamkeit
+der kauderwälschen Europäer die
+Frucht einer ächten Sittsamkeit wäre,
+<!-- page 000<i>i029 -->
+so ist sie vielmehr der Beweis einer
+tiefen Verderbtheit. Man schont
+der Ohren, weil man sonst nichts
+mehr zu schonen übrig hat. Die heiligen
+Väter, welche die Gottheit,
+deren Geschichte wir bekannt machen,
+nicht zu fürchten gehabt hätten, würden
+sich erlaubet haben, von ihr ohne
+Umschweife, und ohne Bedenklichkeiten
+zu sprechen. Unsre Leute von
+Welt, die fast unaufhörlich unter ihrem
+Zepter stehn, zittern, wenn sie
+nur ihren Namen hören; So, wie
+die Einwohner von Siam es nicht
+wagen, den Namen des Despoten
+über die Zunge zu lassen, der sie mit
+der unbeschränktesten Gewalt beherrschet.
+</p>
+<!-- page 000</i>i030 -->
+
+<p>Doch muß man, wenn man für
+sie schreibt, auf diese alberne Delikatesse
+Rücksicht nehmen. Man muß
+einen Gegenstand, vor dessen nackten
+Anblicke sie sich scheuen, mit einem
+durchsichtigen Schleier überdecken.
+Man muß sich zufrieden geben, die
+furchtbare Macht, deren Thaten
+man lesen wird, unter einem allegorischen
+Namen aufzuführen. Diese
+Nothwendigkeit wars, die den Herrn
+Doktor veranlaßte, den geheimnißreichen
+Ausdruck: Kakomonade
+zu ersinnen.
+</p>
+
+<p>Man erkennt daran den Eifer
+des Lehrmeisters Kandidens für die
+Lehre des größten Metaphysikers von
+Deutschland. Das blosse Wort Monade,
+<!-- page 000<i>i031 -->
+erinnert uns auf den Ruhm
+seines Erfinders zurück, und, wenn
+der selige Liebhaber von Fräulein
+Paquette auf den Gedanken fiel, es
+mit dem Beiworte Kako, das, wie
+man sieht, von dem Griechischen
+&#954;&#945;&#954;&#959;&#962; herkömmt, und soviel, als böse,
+unbequem heißt, zu verbinden; so
+ist dieß ein Merkmaal von dem Scharfsinne
+seines Geistes, und von der
+Richtigkeit seiner Urtheilskraft. In
+der That ist auch von allen Leibnitzischen
+Monaden keine lästiger, als
+diese, und das Beiwort ist also mit
+ganz vorzüglicher Richtigkeit ausgewählt.
+</p>
+
+<p>NB. NB. Bei dieser zweiten
+Ausgabe hat man dem Werke einen
+<!-- page 000</i>i032 -->
+Brief beigerückt, der sich auch unter
+den Schriften des Herrn Doktors
+vorgefunden hat, und über den nämlichen
+Gegenstand lautet. Er ist ebenfalls
+von eben den Absichten der
+Menschlichkeit, und Wohlthätigkeit
+ganz voll, und wir glaubten daher,
+ihn dem Publikum nicht vorenthalten
+zu dürfen.
+</p>
+<!-- page 001 -->
+
+<h1 class="chapter">Die Kakomonade.</h1>
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-2" style="page-break-before:avoid">
+Schreiben an Fräulein Therese Julie Klementine Paquette.</h2>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">S</span>ie zwingen mich also, Fräulein,
+und ich soll Sie durchaus verunsterblichen?
+Sie wollen, meine Erkenntlichkeit
+soll Ihren Namen auf die Nachwelt
+übertragen? In einem dicken philosophischen
+<!-- page 002 -->
+Buche, gedruckt in unsern Tagen, haben
+Sie gelesen, daß die Phrynen, und die
+Aspasien ganz leicht die Sokraten, und
+Platone aufwogen; und mit Rechte hat Ihnen
+dieser artige Ausspruch Muth eingeflößt.
+</p>
+
+<p>Wahrscheinlich war Aspasia nicht so
+schön, als Sie, und Phryne hatte nicht
+die Geschicklichkeit, die Grazie. Sie kehren
+die Köpfe zu Paris, wie jene zu Athen oder
+Theben, um; und also haben Sie Recht, sich
+für eine Erbinn dieser berühmten Schönen zu
+halten. Und sie verlangen den Besitz ihres
+Ruhmes, wie ihrer Talente; ihres Rufes,
+wie ihrer glücklichen Unternehmung für sich.
+</p>
+
+<p>Die Eine derselben gab, wie man weis,
+den Philosophen ihres Zeitalters Unterricht
+in der Beredtsamkeit. Sie lehrte sie die
+Kunst, mit Sanftheit den Geist der Menschen
+zu regieren. Der berühmte Lehrmeister
+<!-- page 003 -->
+des Alcibiades studirte unter ihr, und
+er schämte sich nicht zu gestehn, wie viel
+Dank er ihr wisse. Sie wars, von welcher
+Sokrates die erhabenen Lehren empfieng,
+die er in der Folge mit so vieler Sorgfalt
+seinem jungen Schüler einprägte.
+</p>
+
+<p>Die Andere verlangte von ihren Liebhabern,
+daß sie, wenn sie zu ihr kämen, ihr
+einen harten Stein behändigten. Der war
+das Zeichen, auf welches ihre Thüre sich öffnete.
+Auch verwahrte sie, sagt man, sehr
+sorgfältig die Modelle davon. Aus dieser
+wunderbaren Sammlung ließ sie, zum Zeitvertreibe
+in ihrem Alter, eine sehr hohe Pyramide
+bauen, und die Reisenden haben dieses
+Denkmaal mit Rechte unter die sieben
+Weltwunder gezählet.
+</p>
+
+<p>Sie, mein Fräulein, Sie gebrauchen
+sich keiner Worte, um die Kunst zu lehren,
+die Herzen zu besiegen. Wenn Sie diesen
+<!-- page 004 -->
+großen Unterricht ertheilen, so ertheilen
+Sie ihn Ihren Gespielinnen, so ertheilen
+Sie ihn durch Ihr Beispiel. Sie fordern
+von denen, die es nach Ihrer Huld verlangt,
+eben keinen Stein ab; nicht als ob Sie vielleicht
+weniger, als eine andere, auf Pyramiden
+achteten, oder als ob Sie weniger
+Geschick besässen, eine zu errichten; nein,
+sondern das Klima in Frankreich ist von jenem
+in Griechenland verschieden.
+</p>
+
+<p>Attika, und Beotien waren dürre und
+unfruchtbare Länder, die Steine wuchsen da
+im Uiberflusse. Ein artig Frauenzimmer
+durfte nur die Hand ausstrecken, um welche
+zu finden. Der Marmor dehnte sich, um
+so zu sagen, demselben von selbst entgegen.
+</p>
+
+<p>Sie leben in einem glücklicheren Erdstriche,
+und dennoch haben Sie eben diese Vortheile
+nicht. In Paris, und in dessen Umkreise
+nehmen die Steine mit jedem Tage
+<!-- page 005 -->
+ab. Die Menge, welche man in den Palästen
+dieser Hauptstadt täglich verbraucht,
+macht die ganze Art dieser Naturprodukte
+zu nichte. Brächte man ihrer nicht von Zeit
+zu Zeit aus dem Schatze der Provinzen einige
+dahin, so ist zu vermuthen, daß sich diese
+Stadt derselben bald ganz beraubt sehen
+würde.
+</p>
+
+<p>Sie, mein Fräulein, halten sich weislich
+an die allgemeinen, und unausweichlichen
+Gesetze der Natur. Wie viele Andre
+sind eigensinnig genug, hartnäckig gegen ihre
+Schwäche zu kämpfen! Sie haben keine andere
+Sorge, als wie Sie sich für dieselbe
+entschädigen können. Gerne lassen Sie den
+Männern den Stein nach, wenn Sie Ihnen
+diesen nur mit recht viel Gold ersetzen.
+</p>
+
+<p>Auch wissen Sie sich hierbey so zu nehmen,
+daß Sie nie was verlieren. Man weis,
+welche Kunst Sie gebrauchen, die Opfer,
+<!-- page 006 -->
+die man Ihnen macht, miteinander zu vereinbaren.
+Niemanden ists unbekannt, mit
+welcher Einsicht Sie die verschiedenen Gattungen
+derselben zusammen auswählen. Sie
+ahmen jenen geschickten Wirthen nach, die
+aus mehrern mittelmäßigen Weinen ein vortrefliches
+Getränke bereiten.
+</p>
+
+<p>Sie mäßigen die Schwachheit eines
+Parisers durch den Trotz eines Provenzalen,
+und die Schaalheit eines Einwohners von
+Marais durch den Saft eines Burgunders.
+Sie verbinden den brausenden Schaum des
+Champagners mit Amerika&rsquo;s Wärme, und
+die Dumpfheit des Deutschen mit der Feinheit
+des Italiäners. Da Sie so die Fehler
+jeder Nazion durch die Zumischung der entgegengesetzten
+Tugenden verbessern, da Sie
+die Ungeschmacktheit der Einen durch das Beißende
+der Andern lindern, so sind Sie so
+glücklich, sich eine Reihe höchst angenehmer
+Lebenstage, und eine ununterbrochene
+<!-- page 007 -->
+Fortdauer von Vergnügungen zu verschaffen.
+</p>
+
+<p>Ihre Bescheidenheit will der Nachwelt
+die Denkmaale Ihrer Triumphe gerne schenken;
+jedoch, müßte man die Anzahl all derer,
+die Sie ihr noch hätten hinterlassen können
+in die Rechnung bringen; so glaube ich, alle
+Phrynen des Alterthtums würden sich nicht
+beygehen lassen, Ihnen das Geringste streitig
+zu machen; so viele Gründe also berechtigen
+Sie, sich über die alten und neuen
+Sokraten erhaben zu glauben!
+</p>
+
+<p>Indessen muß man gestehen, dieser so
+große Ruhm wird von einigen Ungemachen
+etwas aufgewogen, und verliert von seinem
+Glanze. Mit Vergnügen sehen Sie die Ankunft
+der Schätze, die der Geiz den Bergen
+der neuen Welt entwühlt, und welche die
+Thorheit auf den Sopha&rsquo;s von Europa zerstreuet,
+bey sich. Eine Danae, öffnen Sie
+<!-- page 008 -->
+den Schooß diesem kostbaren Regen, dessen
+Werth und Nutzen Ihnen so wohlbekannt
+ist.
+</p>
+
+<p>Unglücklicherweise macht er öfters in
+der alten Welt gewisse Vollkommenheiten aufzusprossen,
+welche die Natur bloß für die
+neue bestimmet hatte. Die kostbare Pflanze
+derselben brachte uns 1493. der Genueser
+Christoph Kolombo mit dem Gold aus
+San Domingo, und, wie wir wohl wissen,
+seit dieser Zeit haben sie sich mit einer verwundernswürdigen
+Fruchtbarkeit ausgebreitet.
+</p>
+
+<p>Die jüngere von zwoen Schwestern, die
+beynahe einerley Namen führen, scheint es
+am weitesten gebracht zu haben. Seit fast
+zweyhundert Jahren arbeitet sie ohne Unterlaß
+an der Ausbreitung ihres Reiches;
+und daß ihr alle Unternehmungen glückten,
+hat sie vorzüglich ihrer verschwenderischen
+<!-- page 009 -->
+Freygebigkeit zu danken. Gleich den staatsklugen
+Eroberern gewann sie eine Menge
+Landes, weil sie mit ihren Geschenken nicht
+haushälterisch war.
+</p>
+
+<p>Nicht, als ob man im Grunde so erpicht
+darauf wäre. Wenige Personen sind
+aufgelegt, sie freywillig sich zu wünschen;
+allein sie verbindet, wenn sie sie anbeut, damit
+einen so verführerischen Reiz, daß die
+mißtrauischsten Herzen manchmal genug zu
+thun haben, sich dagegen zu verwahren.
+Man empfängt sie, ohne es fast nur gewahr
+zu werden; und was dabei das verdrießlichste
+ist, wenn man sich damit beschwert fühlt,
+so ist man nicht immer im Stande, sie sich
+vom Halse zu schaffen.
+</p>
+
+<p>Man bringt sie nicht einmal los, wenn
+man ihren Kreislauf befördert. Sie haben
+die Eigenschaft, sich zu vervielfältigen, ohne
+die Quelle, aus der sie entsprungen sind, zu
+<!-- page 010 -->
+schwächen; gerade, wie eine brennende
+Wachsterze tausend andere anzuzünden dienen
+kann, ohne im mindesten von ihrem
+Licht, und dem Feuer, das sie verzehrt, zu
+verlieren.
+</p>
+
+<p>Gewiß, mein Fräulein, ein schreckliches
+Mißgeschick! Sie wünschten wohl, man
+möchte ihm abhelfen können. Auch ich wünsch
+es von ganzem Herzen. Suchen wir miteinander
+die Mittel auf. Die Ehre davon will
+ich Ihnen gerne lassen.
+</p>
+
+<p>Die griechischen Lustmädchen zeichneten
+sich, die Eine durch den Zauber ihres Verstandes,
+die andre durch die Anmuth ihres
+Tanzes, und diese durch ihre Schönheit aus.
+Was Sie betrift, so wünsche ich, daß Sie
+Ihren Namen durch der Menschheit geleistete
+Dienste verewigen. Ihre Gefälligkeit gegen
+sie, kennt man bereits zur Gnüge. Man
+wird sich nicht befremden, daß Sie, zum Tempel
+<!-- page 011 -->
+des Ruhmes zu kommen, diesen Weg
+gewählet haben.
+</p>
+
+<p>Wie viel man nicht von dieser Menschheit
+redet! Unsre philosophischen Tage geben ihr
+ein so herrliches Licht! Sie sehen sie von Stockholm
+bis Lissabon, von den Gränzen des
+Mogol bis London sich mit so großem Glanz
+entwickeln. Es sind nur eben sieben volle
+Jahre, während deren wir uns mit aller nur
+möglichen Artigkeit, und Leutseligleit herumgeschlagen
+haben; und alle Menschen,
+welche diese ganze Zeit hindurch in den Land- und
+Seegefechten verstümmelt, erschossen,
+gebraten, oder zermalmet worden, beliefen
+sich doch nicht höher, als auf eine Million.
+</p>
+
+<p>Die Krankheiten, Mühseligheiten, und
+Siechenhäuser nahmen ihrer nicht mehr, als
+zwo Millionen weg. Von Berlin an der
+Spree bis Villa-Veilha, an den Gestaden
+des Tagus, rechnet man nicht ganz zwanzig
+<!-- page 012 -->
+tausend Quadratmeilen, die in jedem Betrachte
+mit fünfzehn oder zwanzig Millionen
+zweifüssiger federloser Geschöpfe verwüstet,
+und von Helden in Jammer oder Verzweiflung
+gebracht worden sind.
+</p>
+
+<p>Unsre Untersuchungen hätten in keiner
+Zeit erscheinen können, wo die Menschheit
+größere Fortschritte gemacht hätte. Unmöglich
+hätte man dazu günstigere Umstände
+wählen können. Eilen wir also, sie ans
+Tageslicht zu bringen; warten wir nicht, bis
+wieder die Barbarei zurückkehrt. Wollen
+wir von ihren Rasereien gegen das Menschengeschlecht
+aus dem Zustande urtheilen,
+in dem es sich in einem erleuchteten, und
+philosophischen Jahrhunderte befindet, so
+würden wir Gefahr laufen, auf der Erde
+keine Menschen mehr zu finden, die uns anhören
+könnten.
+</p>
+<!-- page 013 -->
+
+<p>Vergeben Sie mir, Fräulein, wenn
+ich in der Folge dieses Werkes mich nicht
+mehr an Sie verwende. Sie sind es, denen
+ich es zueigne; aber die Menschheit ists, der
+sich es heilige. Ich hab es mit dem Unterrichte
+der Völker, mit der Heilung der Menschen
+von ihren Irrthümern zu thun. Es
+kömmt darauf an, den Dienst der Venus zu
+reinigen, die gefährliche Luft, die ihre
+Tempel erfüllt, zu zerstreuen, und sogar ihre
+Altäre zu säubern.
+</p>
+
+<p>In der Behandlung der zur Erreichung
+dieses Zweckes nöthigen Sühnopfer, werde
+ich nicht mehr von Ihnen reden; aber denken
+an Sie werd&rsquo; ich unaufhörlich. Ich
+werde dem Anscheine nach Ihre Reize aus
+dem Gesichte verlieren; aber mein Gegenstand
+wird mich immer zur Gnüge auf dieselben
+zurückführen.
+</p>
+<!-- page 014 -->
+
+<p>Ich will mit aller Bedachtsamkeit untersuchen,
+welche Mittel uns zum Ziele führen
+könnten, die Macht des Feindes, über
+den wir uns beklagen, zu stürzen. Es wird
+nicht übel gethan seyn, zuvor ein paar Worte
+von seiner Natur und Geburt zu sagen.
+Ich werde bis auf seinen Ursprung zurückgehn,
+und einen Auszug seiner Geschichte
+geben müssen. Die Medaillen dieser Begebenheit
+bestehen noch; aber die Epoche derselben
+scheint in Dunkel gehüllt. Es wäre
+sehr nützlich, sehr rühmlich, wenn es uns,
+sie festzusetzen, gelänge.
+</p>
+
+<p>Uibrigens wird sie weder Befremden,
+noch Furcht befallen bei dem Namen Kakomonade,
+dessen ich mich bedient habe, um diese
+grausame Feindinn umzukleiden, sie, die
+ich mich nicht getrauet hätte, anders zu nennen.
+Wahr ist es, dieses Wort ist ganz
+griechisch; allein die Sache, die es bezeichnet,
+ist ganz französisch, und also unseren
+<!-- page 015 -->
+Damen so wenig unverständlich, daß sie viel
+mehr ein wichtiges Ingredienz guter Gesellschaften
+ist. Uiber dieß sind Sie auch mit
+Leibnitzens Sprache bekannt. Ich habe Sie
+gelehrt, was in dem Verstande dieses unvergleichlichen
+Mannes eine Monade sey. Von
+Ihnen Ihrerseits habe ich gelernt, diesen
+Namen durch das Beiwort Kako zu verlängern,
+das ich ohne Sie nie erfunden hätte.
+Sie werden mich also ohne Schwierigkeit
+verstehn, und ich gehe ohne Besorgniß zur
+Sache.
+</p>
+<!-- page 016 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-3">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Erstes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Von der Natur der Kakomonade.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">W</span>as ist die Kakomonade? Wo kömmt die
+Kakomonade her? Zwo große, und erhabene
+Fragen! Lange schon haben trefliche Gelehrte
+die Tiefsinnigkeit, und den Nutzen derselben
+gefühlet. Sie haben sich bestrebet, sie
+aufzulösen. Vielleicht krönte ihre Bemühungen
+noch kein sehr glänzender Erfolg; allein
+wenigstens führten sie doch uns auf diese
+Strasse. Nur an uns liegt es nun, auf ihren
+Pfaden in dem Lande, das sie durchliefen,
+fortzuwandeln, und, wenn wir können,
+darinnen weiter zu gehen, als sie.
+</p>
+<!-- page 017 -->
+
+<p>Erste Beobachtungen haben sie gelehrt,
+daß die Kakomonade ein Gift<a href="#footnote-4" id="fnote-4"><sup>4</sup>)</a> sey. Uiber
+den Sinn dieses Wortes in dieser Anwendung
+ist man nicht ganz einig. Allein, wo
+man keine deutlichen Begriffe haben kann,
+da ists bei allen Arten Wissenschaften viel,
+daß man sich einen Ausdruck auffinde, der
+nichts sagt. Man hat weit weniger Mühe,
+ihn auf alle möglichen Sisteme passend zu
+<!-- page 018 -->
+machen, und daher ist die Kakomonade ein
+Gift.
+</p>
+
+
+<p>Noch mehr: dieses Gift ist phlogistisch,
+korrosiv, gerinnend, und fix<a href="#footnote-5" id="fnote-5"><sup>5</sup>)</a>. Phlogistisch,
+denn es verursacht Entzündungen.
+Als korrosiv greift es die Haut an, frißt sie
+auf, und trennt ihren Zusammenhang. Als
+gerinnend, stillt es den Lauf der Feuchtigkeiten,
+welche die Natur zu freiem Umlaufe
+bestimmet hatte. Endlich, weil es fix ist,
+läßt, es sich so schwer vertreiben. Und dieß
+ist die ganze Theorie von der Kakomonade,
+von einem ihrer besten Historiker entwickelt.
+Sie ist, wie man sieht, deutlich, bündig,
+und faßlich.
+</p>
+
+<p>Die Quacksalber mischten sich manche
+mal ins Spiel, und gaben eine andre an.
+<!-- page 019 -->
+So erschien Anno 1727 ein sehr berühmter
+zu Paris. Dieser behauptete, alle menschlichen
+Schwachheiten, und die, mit denen
+wirs zu thun haben, wie alle andere, würden
+durch kleine Thierchen erzeugt, die sich
+ins Blut eindrängen. Seinem Sisteme zufolge
+war das, was wir Arzneimittel nennen,
+ein Kompositum von andern kleinen
+Thierchen, als unversöhnlichen Feinden der
+ersten. Diese jagten ihre Gegner tapfer
+fort.
+</p>
+
+
+<p>So war der Körper eines Kranken ein
+Schlachtfeld, wo Wunder der Tapferkeit geschahen.
+Das Fieber führte darauf seine leichten
+Geschwader an; die Kakomonade ihre
+gerinnende Infanterie. Bald sah man die
+Fakultät heranrücken in schwerer Rüstung,
+mit Bataillonen von Quecksilber, und Chinarinde.
+Sie ließ die verschiedenen Korps
+dieser fürchterlichen Miliz allmälig aufmarschiren.
+Man schlug sich lange mit Lebhaftigkeit
+<!-- page 020 -->
+herum, bis die Thierchen der Chinarinde
+über die des Fiebers die Oberhand erhielten,
+oder bis die korrosiven Würmchen
+durch die metallischen Insekten vertrieben
+wurden, wenn anders nicht, welches zum
+öftersten geschah, sich das Schlachtfeld selbst,
+unter dem Drucke von so heftigen Gewaltthätigkeiten
+erliegend, in die Erde versenkte,
+welche Uiberwinder und Uiberwundene
+sammt ihnen verschlang.
+</p>
+
+<p>Hatte diese Idee keine Wahrheit zum
+Grunde, so war sie wenigstens unterhaltlich.
+Aber die Steifheit der regierenden Doktoren
+hat sie verbannt. Entrüstet, daß sie sich
+durch sie dahin gebracht sahen, nichts weiter,
+als die Obersten über ein Regiment
+Sensblätter und Rhabarbar zu sein, machten
+sie allen diesen kleinen Armeen, die man
+ihnen anzuführen gab, den Garaus. Sie
+wollten lieber die Oberhäupter einiger blinden
+Körperchen bleiben, als zahlreiche und
+<!-- page 021 -->
+beseelte Legionen kommandiren. Sie wollten
+die Harmonie in den Feuchtigkeiten dem
+Zufalle lieber mit ganz materiellen Werkzeugen,
+als nach einer guten Ordnung, unter
+einer Bedeckung von thätigen, wohldisziplinirten
+Truppen einräumen. Heißt das
+nicht, wie man ihnen vorwirft, die Unthätigkeit
+der Bewegung, den Tod dem Leben
+vorziehen?
+</p>
+
+<p>Man kann dieses System nicht genug bedauern:
+es hätte Gelegenheit zu den unterhaltendsten
+Hypothesen gegeben. Die Metaphysik,
+die Physik, die Philosophie und
+Arzneykunde haben ungereimtere, aber keine
+angenehmere aufzuweisen. Indessen muß
+man sich über dessen Verlust eben wohl trösten,
+und sich mit einer Menge grosser Männer
+daran halten, nämlich, daß die Kakamonade
+ein korrosives, gerinnendes, phlogistisches,
+und fixes Gift sey.
+</p>
+<!-- page 022 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-4">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Zweites Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Vom Ursprunge der Kakomonade.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">V</span>om Ursprunge der Kakomonade sind wir
+nicht sowohl unterrichtet, wie von ihrer Natur:
+die Wirkung kennen wir besser, als die
+Ursache. So viel ist gewiß, daß jene heut zu
+Tage nur das Resultat der Vergemeinschaftung
+mit einer unbehutsamen, oder unglücklichen
+Person ist. Den Keim davon bringen
+wir nicht schon bey unserer Geburt mit. Die
+Natur gab uns nur bloß das Vermögen,
+ihn anzunehmen.
+</p>
+
+<p>Dennoch muß sie sich einstens in dem ersten
+Menschen, der sich davon ergriffen fühlte,
+von selbst hervorgebracht haben. Daß
+Gott, da er den Adam schuf, ihn nicht aus
+<!-- page 023 -->
+seiner Hand damit ausstattete, ist wohl außer
+Zweifel. Das höchste Wesen bildete ihn
+zur Zeugung, und gab ihm somit so gesunde,
+so vollkommene Organe, als es seine Bettgenoßinn
+nur wünschen konnte.
+</p>
+
+<p>Trug sich dießfalls hierinn eine Veränderung
+zu, so ists wahrscheinlich ein unglückliches
+Individuum von seiner Nachkommenschaft,
+das die Erstlinge derselben bekommen
+haben wird. Aber was kann von dieser sonderbaren
+Entwicklung die Ursache gewesen
+seyn? Die Luft? die Nahrungsmittel? oder
+der Mißbrauch des Vergnügens?
+</p>
+
+<p>Das Klima derjenigen Länder, die man
+für das Vaterland der Kakomonade ansieht,
+ist nicht ungesünder, als das in den Gegenden,
+wo sie sich nur durch den Vorschub der
+Menschen eingeschlichen hat. Ihre Produkte,
+weit gefehlt, daß sie gefährlich wären, so
+sind sie für uns vielmehr sichere Hilfsmittel
+<!-- page 024 -->
+gegen manche Krankheit; und die Ausgelassenheit
+ist nur eine Tochter der Prasserei und
+des Reichthums. Nun wußte man von diesen
+beiden Geißeln unseres Geschlechtes gewiß
+nichts in jenem Lande, wo wir unsere Geißel
+holten, welche in dem unsrigen oft auf sie
+folgt, und sie bestrafet.
+</p>
+
+<p>Dennoch sind diese drei Ursachen, die
+einzigen, welche auf ihre Entstehung Einfluß
+gehabt haben können. Jede derselben fand
+warme Vertheidiger. Einige sagten, die Luft
+allein sei genug gewesen, in der Insel Hispaniola
+das Gift hervorzubringen, das heut
+zu Tage in allen andern Ländern die Zeugungen
+angreift; allein es ist einleuchtend, daß
+sie sich geirret haben.
+</p>
+
+<p>Seit zweyhundert Jahren, und darüber,
+giebt die Erfahrung den Beweis, daß man
+zu San Domingo diese Frucht nicht anders
+ärnte, und säe, als wie in Frankreich. Sie
+<!-- page 025 -->
+wächst dort, wie hier, im Schooße des Vergnügens.
+Man behält da ein freyes, reines
+Blut, so lange man sich begnügt, frische Luft
+zu schöpfen. Hätte diese ja was Pestisches
+an sich, so würde sie es seit der Eroberung
+den Europäern eben sowohl, als den Eingebohrnen
+des Landes haben zu fühlen gegeben.
+Dieß findet sich nicht, und also ist dieses Sistem
+nicht anzunehmen.
+</p>
+
+<p>Andere behaupteten, diese Eigenschaft
+wäre ausschließlich den Menschenfressern vermöge
+ihrer Nahrungsmittel gegeben, gleich
+als ob das menschliche Fleisch schon von selbst
+ein Gift wäre. Die Völker, welch dergleichen
+minder höfliche Feyerlichkeiten halten,
+sind viel seltener, als man sichs einbildet.
+Uiberdies muß ihnen ihre Lebensart
+viele Stärke, und hiemit Gesundheit geben.
+Daher es denn sehr ungereimt ist, zu denken,
+daß ihr Fleisch, wenn es durch den Magen
+ihrer Feinde wandert, da die Kraft, sie zu vergiften,
+annehmen könne.
+</p>
+<!-- page 026 -->
+
+<p>Zwar wäre dieses eine ziemlich erlaubte
+Rache; allein, wenn man am Bratspieße
+steckt, pflegt man sich nicht mehr zu rächen.
+Sollte der Hinterschlägel eines Karaiben
+den ehrlichen Leuten, die sich einander
+damit beschenkten, Nachwehen haben
+erregen können, so müßten nur die ihm benachbarten
+Theile sich nicht in gutem Stand
+befunden haben; ein Umstand, der, wie man
+sieht, die Schwierigkeit nicht aufhebt.
+</p>
+
+<p>Ein geschickter Arzt hat in einem dicken
+Buche über diesen Gegenstand das dritte Sistem
+ergriffen. Seiner Meinung nach ist es
+das Uebermaaß der Vergnügungen in warmen
+Ländern, und die wenige Wahl in den
+zu derer Genuße geeigneten Augenblicken,
+welche die Kakomonade auf der Welt eingeführet
+haben. Er erzählt über diese Materie
+sehr sonderbare Geschichten.
+</p>
+<!-- page 027 -->
+
+<p>&bdquo;Die Weibsleute im Königreiche Melinda,&ldquo;
+sagt er nach Tavernier, &bdquo;sind einmal
+im Monate so gefährlich, daß, wenn
+ein Europäer das Unglück hat, sich an einem
+Platze aufzuhalten, wo eines derselben in
+dieser fatalen Zeit gepisset hat, er davon
+das Fieber, Kopfschmerzen, und manchmal
+die Pest bekommt.&ldquo; Ich gestehe, da ich
+die Stelle las, wünschte ich von Herzensgrunde,
+es möchte sich nie ein melindisches
+Frauengimmer beigehen lassen, sich unter meinem
+Fenster aufzuhalten.
+</p>
+
+<p>Zum Glücke gesteht H. A., da er diesen
+Zug anführt, selbst ein, daß er auf unsre Klima
+nicht passet; dennoch beharret er nichts
+destoweniger auf der Meinung, daß zwischen
+dem Ursprunge der Kakomonade, und zwischen
+dem pestischen Einflusse dieser gebräunten
+zanguebarischen Schönheiten ein sehr genaues
+Verhältniß Statt haben müße. Er besteht
+hartnäckig auf der Behauptung, daß dieser
+<!-- page 028 -->
+der zureichende Grund des andern war. Man
+kann auch in seinem Werke selbst sehen, mit
+welcher Stärke und Bündigkeit er darüber
+räsonnirt.
+</p>
+
+<p>Nur ist es wunderbar, daß man durch
+das Gebäude ähnlicher Sisteme dahin kommt,
+die Kakomonade zu verbannen; wie wenn
+die barbarischen Worte, mit denen man sie
+erklärt, helle, und unbestreitbare Wahrheiten
+bedeuteten.
+</p>
+
+<p>Just so berechnet man die Finsternißen,
+indem man die Planeten als kleine Theilchen
+betrachtet, welche die Sonne ausschneuzte,
+da zur Zeit der Schöpfung ein grosser Komet
+an derselben sich rieb. So benützt man den
+Kompaß durch die Erklärung der Abweichungen
+seiner Nadel, die an einem Ende mit
+dem Magnete bestrichen ist. So ermüdet man
+nicht, in dem Magen einen guten Saft hervor
+zu bringen, unter beständigem Streite,
+<!-- page 029 -->
+ob er durch Auflösung, oder Gährung, oder
+Vertreibung entstehe.
+</p>
+
+<p>Man muß es gestehen, wir haben leicht
+machen. Die Fortschritte des menschlichen
+Geistes in jeder Art stecken sich selber ihre
+Gränzen aus: eine Wahrheit, über die sich
+nicht streiten läßt. Allein so einleuchtend sie
+ist, so muß mans nicht bey ihrer Erwägung
+bewenden lassen; man muß nicht unterlassen,
+in den Kalender zu sehn, wenn man den
+Sonnenstand wissen will, und auf den Kompaß,
+wenn man die Küsten aus dem Gesichte
+verlohren hat. Man muß nicht anstehn, seinen
+Magen zu füllen, wenn man hungerig
+ist, und sich an die Zubereitung des Quecksilbers
+zu wenden, wenn man einer Aehnlichkeit
+zwischen unserm Klima, und jenem
+von Amerika gewahr wird.
+</p>
+<!-- page 030 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-5">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Drittes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Ob wir das Recht haben, bei der Betrachtung
+der Uebel, die uns die
+Kakomonade verursacht, uns über
+die Natur zu beklagen.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">W</span>enn ja irgend etwas dem Anscheine nach
+den Menschen das Recht geben kann, über
+die Natur zu murren, so ist es gewiß diese
+Geißel, mit welcher sie sie schlägt. Sie hat
+sie mit Vergnügungen vereinbart, von denen
+sie die Fortdauer ihres Geschlechtes abhängen
+läßt. An die Seite der größten aller Reizungen
+hat sie die größte aller Gefahren gestellet.
+So setzte sie uns auf den Zweiweg,
+entweder ihre Absichten nicht zu erfüllen,
+oder dafür, daß wir sie erfüllten, immer in
+der Furcht zu sein, bestrafet zu werden.
+</p>
+<!-- page 031 -->
+
+<p>Bei den andern Empfindnissen hat sie
+die Strafe wenigstens nur mit dem Uibermaaße
+verbunden. Der Wein macht kein
+Kopfweh, außer man trinket zuviel. Der
+Magen leidet nicht, so lange man mäßig ißt.
+Das Auge wird nicht verwundet, außer es
+heftet den Blick an zu schimmernde Gegenstände.
+</p>
+
+<p>Aber das nothwendigste, das schätzbarste
+Sinnglied, das Sinnglied, welches dem
+Menschen eines der Gerechtsame der Gottheit
+mittheilt, dieß ist eben dasjenige, dessen
+auch mäßiger Gebrauch die größte Reue,
+und das empfindlichste Nachweh, verursachen
+kann. Nur einen Augenblick braucht es,
+um das ordentlichste Leben zu vergiften.
+</p>
+
+<p>Das höchste Wesen, sagen die Dichter,
+hat das Gute und Böse in zwoen Tonnen bei
+sich. Aus diesen schöpft es mit vollen Händen,
+so wie ihm die Laune kömmt, die Geschenke,
+<!-- page 032 -->
+die es unter unser kleines Ameisenhäufchen
+austheilt. Die Kakomonade war
+unstreitig mit von den Hefen in der Tonne
+des Bösen; und an dem Tage, wo wir sie
+erhielten, leerte Jupiter das eine seiner Fässer
+aus.
+</p>
+
+<p>Dennoch müssen wir, bevor wir gegen
+die Natur Klage stellen, und sie ungerecht
+nennen, einen Blick auf die Geschichte werfen.
+Hätte diese zärtliche Mutter die Absicht
+gehabt, uns die Geißel, über die wir seufzen,
+zu ersparen; hätte sie sich bestrebt, sie
+in einem kleinen Winkel eines unbekannten
+Landes zu verbergen; hätte sie zwischen uns,
+und dieses traurige Land fünfzehnhundert
+Meilen stürmische Meere geworfen; hätte
+sie sich Mühe gegeben, uns alle erdenklichen
+Mittel, dahin zu kommen, zu entziehn; so
+wären wir ihr für so weise, so liebvolle Vorsichten
+unsre Dankbarkeit schuldig.
+</p>
+<!-- page 033 -->
+
+<p>Hätte in der Folge bloß unser unruhiger
+Geist diese Vorsichten vereitelt; wären
+wir mitten durch fast unüberwindliche Hindernisse
+zu dem bittern Becher, der das Gift,
+wovon sie uns abhielt, in sich schloß, eingedrungen;
+wäre es wahr, daß, wir geeilet hätten,
+darinnen unsere Lippen zu netzen, ungeachtet
+aller der schrecklichen Gegenstände,
+die uns davon hätten entfernen sollen; so
+würde ganz gewiß von unserer Seite die Natur
+keinen Vorwurf verdienen.
+</p>
+
+<p>Wir allein würden strafbar seyn, daß
+wir ihre Verordnungen verletzt hätten. Wir
+würden billig gestrafet werden, daß wir ein
+Geheimniß entdecket hätten, welches ihre
+Nachsicht uns verbergen wollte. Dieß nun
+wird uns die Geschichte lehren. Da werden
+wir vielleicht die Rechtfertigung der Vorsehung
+erblicken.
+</p>
+<!-- page 034 -->
+
+<p>Die Erzählung der Begebenheiten der
+Vorzeit wird uns zeigen, wie sehr sie für
+uns ob der Unglücksfälle besorgt war, die
+uns nun drücken. Wir werden gezwungen
+seyn, einzugestehn, daß, um uns so unglücklich
+zu machen, als wir es sind, wir
+sie in ihrem letzten Wehrplatze dazu nöthigen
+mußten. Wir werden bekennen, daß ihre
+Sorgfalt hinlänglich gewesen wäre, um unsere
+Ruhe zu gründen, wenn nicht unsre
+Vermessenheit in jeder Art weiter gienge,
+als ihre Güte.
+</p>
+<!-- page 035 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-6">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Viertes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Ob die Alten die Kakomonade kannten?</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">M</span>an hat sich gewaltig ermüdet, die eigentliche
+Epoche dieser Begebenheit aufzufinden.
+Die Kakomonade hat in mehr als einem
+Verstande die Geduld, und den Scharfsinn
+der Kommentatoren auf die Probe gesetzt.
+Einige davon eignen die Ehre, sie
+auf uns gebracht zu haben, den Griechen
+und Römern zu. Sie sehen sie in geraden
+Linien aus Asien in Europa, von Athen
+nach Rom, aus Wälschland in Frankreich
+übergehn.
+</p>
+
+<p>Sie legen ihr verschiedene Masken bei,
+derer sie sich nach und nach bedient habe, bis
+<!-- page 036 -->
+sie auf diejenige kam, in der sie bei unsern
+Tagen erscheint. Ihrem Sisteme zufolge
+mußte sie sich bei dieser wohl befunden haben;
+denn sie trägt sie schon in die dreihundert
+Jahre, ohne daß sie zu abgenützt schiene.
+Doch, man muß gestehn, daß diese
+Meinung nicht zuzugeben sey. Man sieht
+offenbar, daß die Alten, glücklicher und weiser,
+als wir, oder wenigstens den Absichten
+der Natur getreuer, nie die Strafe empfanden,
+die wir erdulden.
+</p>
+
+<p>Homer ist genau, sogar bis zu Kleinigkeiten.
+Er brachte in sein Gedicht alles, was
+er von der Medizin, Anatomie, Geographie,
+und Physik wußte. Er berichtet uns,
+daß man zu seiner Zeit ein Leckergetränk aus
+in Wein geriebenem Käse machte. Er spricht
+oft von der Venus. Er erzählt, wie sie
+Diomedes mit einer Lanze tief verwundete.
+Hätte er an dieser Göttinn das Geheimniß
+gekannt, das sie seit dem in Amerika besaß;
+<!-- page 037 -->
+ohne Zweifel hätte er sie davon Gebrauch
+machen lassen, um sich an dem Helden zu
+rächen. Er hätte den Gott Merkur mit
+seinen goldgeflügelten Füssen aufgeführt, wie
+er sie mit der Heilung beschäftigte.
+</p>
+
+<p>Diese Allegorie würde nicht die unsinnreicheste
+seines Gedichtes gewesen seyn. Sie
+wäre uns soviel richtiger gewesen, da Merkur
+wirklich von der Gegenpartei der Venus
+war. Kann man wohl glauben, daß
+dieser göttliche Dichter die Gelegenheit versäumet
+hätte, sie an den Ufern des Simois
+Angesichte der Griechen und Trojaner
+sich schlagen zu lassen? Wäre das nicht eben
+der Fall gewesen, wo er hätte vorstellen
+können, wie die Erde und das Meer in der
+Erwartung des Erfolges erschüttert wären,
+und die ganze Natur bei dem Anblicke eines
+Kampfes sich theilte, der ihr Schicksal entscheiden
+sollte?
+</p>
+<!-- page 038 -->
+
+<p>Wie Schade doch, daß nicht Homer
+selbst in Person über diese Materie auf einer
+der zykladischen Inseln Erfahrungen machen
+konnte? Er hätte seine beiden Gedichte damit
+bereichert. Madame Dacier wäre uns
+erschöpflich gewesen, in ihren Noten über
+diesen interessanten Gegenstand. Eine derlei
+Erdichtung, in die Iliade verwebt, wäre für
+die Kommentatoren der vorigen und künftigen
+Jahrhunderte eine ewige Quelle von Zusätzen,
+Anmerkungen, und lehrreichen Gezänken
+geworden.
+</p>
+
+<p>Es ist offenbar, daß es Homer angebracht
+haben würde, wenn er es gekonnt hätte.
+Hätten die Götter oder die Menschen
+zu seiner Zeit die Kakomonade gekannt, so
+würde er davon gesprochen haben. Sein
+Stillschweigen ist ein unstreitiger Beweis,
+daß bei der Belagerung Trojens, und lange
+Zeit darnach, Venus noch unschuldig war:
+sie ließ sich selbst verwunden, ohne wieder
+zu verwunden.
+</p>
+<!-- page 039 -->
+
+<p>In den spätern Jahrhunderten lebten
+Hyppokrates, und nach ihm Galen in eben
+der Unwissenheit. Das Quecksilber schien
+ihnen nur in Rücksicht seiner Schwere, und
+seiner Flüssigkeit ihrer Aufmerksamkeit würdig.
+Die Helden, derer Gesundheit sie zu
+regieren hatten, waren nicht vernünftiger,
+als die unsern. Sie waren eben so lustig,
+eben so prächtig. Man hat uns das Detail
+ihrer Thaten in jeder Art aufbewahret. Wir
+wissen, wie sie ihre Liebesromane spielten,
+und wie sie ihre eisernen Lanzen schwangen.
+Aber wir sehen nicht, daß sie das andre Metall
+gebrauchten, zu welchem unsere Krieger
+so oft ihre Zuflucht nehmen.
+</p>
+
+<p>Cäsar war ohne Widerspruch ein großer
+Mann. Man nannte ihn den Ehemann
+aller Weiber, und das Eheweib aller Männer.
+Wären diese vorübergehenden Beilager
+damal einem Ungefähr unterworfen gewesen;
+kann man wohl glauben, daß man, nachdem
+<!-- page 040 -->
+er derselben so viele gefeyert hatte, gefunden
+haben würde, daß er damit nichts anders,
+als nur die fallende Sucht, gewonnen
+habe?
+</p>
+
+<p>Vom August sagt man wohl, daß er
+sich oft vor dem Feuer frottiren ließ; dieses
+könnte verdächtig scheinen. Aber es war ein
+Striegel, womit man ihn frottirte; und der
+ists nun nicht mehr. Er fand, wie Suetonius
+sagt, kein anders Mittel, um seine
+Gesundheit zu erhalten, und seine Haut zu
+jücken.
+</p>
+
+<p>Weder Tibor, noch Kaligula, noch
+Nero, noch alle jene Wunder der Geilheit,
+denen die Beherrscherinn der Nazionen so
+lange unterworfen war, haben sich je des
+Quecksilbers gebraucht. Man sieht keinen,
+griechischen, oder römischen Dichter, seine
+Kraft besingen. Sogar diejenigen, die sich
+durch ihre Ausschweifungen verewiget haben,
+<!-- page 041 -->
+nennen keine Strafe, die mit ihren Unmäßigkeiten
+verbunden gewesen wären.
+</p>
+
+<p>Ovid, in seiner Kunst zu lieben, zeigt
+alles an, was man von der Seite einer Buhlinn
+zu fürchten haben kann, er spricht von
+den Gefahren, die mit dem Umgange
+mit einer herumstreifenden Schönen verknüpfet
+sind. Ohne Zweifel war hier der Augenblick,
+der Kakomonade, wenn sie auf ihn
+gekommen war, eine Stelle einzuräumen.
+Indessen sagt er kein Wort davon.
+</p>
+
+<p>Horaz entrüstet sich über einen Knoblauch,
+der ihn in die Zunge gebissen. Hätt&rsquo;
+er wohl vergessen, in einer schönen Schreibart
+eine Verwünschung auf das Quecksilber
+zu machen, wenn er davon gejückt worden
+wäre? Voll Nervigkeit, und ohne Umschweife
+sagt er einem alten Mütterchen Grobheiten,
+die sich die französische Politesse nicht
+einmal zu Sinne kommen lassen kann; hätte
+<!-- page 042 -->
+er ihr nicht die Kakomonade angewünscht,
+wenn sie zu seiner Zeit bei guten Gesellschaften
+im Gebrauch gewesen wäre?
+</p>
+
+<p>Eben das kann man von den Tibullen,
+den Katullen, den Gallussen sagen, welche
+die schädlichen Orte besangen, und besuchten,
+und also ohne Zweifel die Gefahren derselben,
+wenn sich deren gefunden hätten, beweinet
+haben würden. Sie theilten in sanfter
+Ruhe sich in die Gunstbezeugungen ihrer
+Mätressen mit dem Publikum; und klagten
+sie zuweilen über ihre Unbeständigkeit, so
+kam es nicht daher, weil sie für sie unangenehme
+Folgen gehabt hat.
+</p>
+
+<p>Es ist daher klar, daß die Korinnen,
+die Lesbien, die Lykorissen, sonst weit unter
+den, *&nbsp;*&nbsp;* und den *&nbsp;*&nbsp;*, diesen dennoch
+in einem Punkte überlegen waren. Es bedurfte
+vielleicht nicht größerer Mühe, um
+sie sich zu unterwerfen; aber gewiß weniger,
+<!-- page 043 -->
+um sie zu vergessen. Wenn man sich an ihre
+Gunstbezeugungen erinnerte, so dachte man
+nur an das Vergnügen, sie genossen zu haben.
+Man suchte keine Spezifika auf, um
+leichter das Gedächtniß zu verlieren, und
+man sah keine heilreichen Geschöpfe mit
+ihren Rezepten die Mauern Roms tapeziren.
+</p>
+<!-- page 044 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-7">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Fünftes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Ob Job mit der Kakomonade in
+einem persönlichen Verhältnisse
+stand?</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">D</span>a man dieser Heldinn die Ehre nicht zueignen
+konnte, mit den Helden der weltlichen
+Geschichte zu thun gehabt zu haben, so
+gab man sich Mühe, sie dadurch zu entschädigen,
+daß man sie unter die Helden der heiligen
+Geschichte aufnahm. Ein erlauchter
+Benediktiner verfaßte ihr einen sehr ehrwürdigen
+Stammbaum. Er schreibt ihr eine
+sehr nahe Verbindung mit dem berühmten
+Job zu, und läßt in gerader Linie sie von
+demselben absteigen.
+</p>
+<!-- page 045 -->
+
+<p>Ohne Zweifel würde man nicht erwartet
+haben, diesen Zug seiner Erudizion in einem
+Kommentar über die Bibel zu finden.
+Indeß, da der Jünger des heiligen Benedikt
+so eine Materie in einem ganz zur Erbauung
+bestimmten Buche ohne Skrupel behandeln
+konnte; muß man mirs erlauben, in dem
+meinigen seine Schlüsse auseinander zu setzen.
+Wenn so ein Gegenstand unter seiner Feder,
+und an der Stelle, wohin er ihn setzte, kein
+Skandal verursachet hat, muß man sich nicht
+befremden, ihn hier zu erblicken, wo er sich
+viel natürlicher findet.
+</p>
+
+<p>Der gelehrte Bruder Dom Calmet also,
+setzte in die Reihe der Ahnen der Kakomonade
+den tugendhaften Job, der sie seiner
+Seits von seiner Frau hatte, und die sie
+ohne Zweifel vom Teufel bekommen haben
+mochte. Aber wahrhaftig, es wäre wirklich
+genug für einen so heiligen Mann, daß er
+eine so böse Frau gehabt hat; wozu die Vermuthung,
+<!-- page 046 -->
+daß er über die Verhöhnungen
+von ihr auch noch ein ander Ding empfieng?
+</p>
+
+<p>Es ist wahr, er saß auf einem Misthaufen,
+und fühlte sich seine Säfte nicht recht
+in Ordnung. Er sagt selbst, sein Fleisch wäre
+mit Geschwären bedeckt, seine Haut wäre ganz
+ausgedörret, sein Blut wäre geronnen wie
+Käse; welches nach Hrn. A. &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;
+mit den drei Hauptsimptomen übereinkömmt,
+von welchen er uns seine Beschreibung gemacht
+hat.
+</p>
+
+<p>Wahr ist auch, daß, um den Job zu
+trösten, drei von seinen Freunden sieben Tage
+und sieben Nächte lang, ohne nur ein
+Wort zu sprechen, bei ihm blieben.
+</p>
+
+<p>Wahr ist ferner, daß nach diesem langen
+Stillschweigen Eliphaz, einer von ihnen
+durch Seitenwendungen seinen lieben Freund
+beschuldigt, er habe sich der Ungerechtigkeit
+<!-- page 047 -->
+ergeben, und den Schmerzen gesäet, dessen
+Frucht er nun ärnte. Er wirft ihm in figürlichen
+Ausdrücken vor, er habe Häuser von Koth
+geliebt, derer Grundfesten nichts taugten,
+und habe da etwas sehr dem Aussatz ähnliches
+erbeutet.
+</p>
+
+<p>Unterdessen erweist dies alles noch nicht,
+daß der Teufel vor vier tausend Jahren nach
+Amerika reiste, sich da ein Körnchen von der
+Kakomonade zu holen, um damit einen armen
+Tropf van Kaldäer zu inokuliren. Man
+sieht wohl, daß die Krankheit desselben korrosiv,
+phlogistisch und koagulirend war; aber
+es ist ja doch nicht ausgemacht, daß diese drei
+Eigenschaften ausschließlich nur mit einer einzigen
+Art Mißbehagens verknüpft sind.
+</p>
+
+<p>Würde wohl der Geschichtschreiber Jobs
+vergessen haben, vom Gifte zu sprechen,
+wenn ers damit zu thun gehabt hätte? Würde
+er nicht den Standpunkt der Krankheit angezeigt
+<!-- page 048 -->
+haben? Er berichtet uns, daß der
+Leidende seine Wunden mit Scherben trocknete.
+Ich berufe mich auf alle, welche zu unsern
+Zeiten ihre eigene Erfahrung in derlei
+Fällen aufgekläret hat, ob sie sich je beygehen
+ließen, so eine Scharpie zu brauchen.
+</p>
+
+<p>Ueber dieß scheint es nicht, daß sich Job
+der Bestrafung, von der die Rede ist, ausgesetzt
+habe. Seine innigsten Freunde, nachdem
+sie ihm allerley Unbilden gesagt, und
+ihren stummen Trost gegeben hatten, gestehen
+ein, daß er mit unverheuratheten Frauenzimmern
+wenig zu schaffen hatte: Viduas dimisisti
+vacuas; woraus erhellet, daß er ein
+behutsamer Mann war.
+</p>
+
+<p>Er selbst ruft auf: wo ist die Zeit, da
+ich meine Füße wusch? wo ich über mein
+Haupt meine Leuchte setzte? wo die Jugend,
+wenn sie mich sah, vor Schaam sich verbarg?
+Wo die Greise vor Verwunderung stehen blieben?
+<!-- page 049 -->
+Hat sich da mein Herz um ein Weib
+betrogen; habe ich getrachtet, mich in eine
+Thüre zu schleichen, die meinem Freunde
+gehörte; so möge meine Gattinn die &mdash; &mdash;
+&mdash; eines andern werden; mögen alle meine
+Nachbarn &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; ! &mdash; Wahrlich! das
+ist gar nicht die Sprache eines Ausschweiflings,
+der verdient hätte, an den Schätzen
+von Amerika Theil zu haben.
+</p>
+
+<p>Was den Kommentator hintergangen
+haben kann, mag dieses seyn, daß dieses Muster
+der Geduld bekennt, daß die Fäulniß sein
+Vater, und die Würmer seine Mutter, und
+seine Schwester seyn. Der gelehrte Benediktiner
+glaubte vermuthlich, die Kakomonade
+konnte in so einer Familie wohl an ihrem
+Platze stehn. Allein das ist nur eine
+Wahrscheinlichkeit; und sie ist nicht wichtig
+genug, uns zu bestimmen, daß wir denken
+sollten, Job habe sich jemal in dem Falle befunden,
+der Flüßigkeiten des Barometers
+zu bedürfen.
+</p>
+<!-- page 050 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-8">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Sechstes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Ob der Aussatz mit der Kakomonade
+einerlei Ding gewesen?</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">L</span>eute, welche in der Geschichte der Kreuzzüge
+sehr bewandert sind, weil sie sahen,
+mit welcher Hitze diese ungestümmen Krieger
+auf dem Schutte von Jerusalem die Töchter
+der Sarazenen geschändet haben, und über
+dieß ungehalten über den Anblick, daß das
+Reich der Kakomonade so beschränkt seyn sollte,
+kamen auf den Gedanken, ihr zum Wohnplatze
+Palestinen anzuweisen. Sie wollten
+sie mit dem Aussatze vermengen, der, wie
+man weis, der ganze Nutzen war, den man
+aus den auferbäulichen, aber grausamen
+Feldzügen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts
+davon trug.
+</p>
+<!-- page 051 -->
+
+<p>Der Aussatz war eine kleine Unpäßlichkeit,
+die sich über die Haut verbreitete. Er
+veränderte ihre Farbe, ohne doch Narben
+nachzulassen. Er übersäete die Außenseite des
+Leibes mit grossen Blasen, die in der That
+so weiß waren, wie der schönste Alabaster,
+die aber nur ein heftiges Jücken, und eine
+starke Begierde verursachten sich zu kratzen.
+</p>
+
+<p>Er war weder unter den Griechen, noch
+unter den Römern, weder bei den Galliern,
+noch Deutschen, weder bei den Asiaten,
+Persern, Siriern &amp;c. bekannt; sondern er
+scheint eine ausschließlich eigene Krankheit in
+Palestina gewesen zu seyn. Die Einwohner
+dieses Landes allein sind es, welche die Natur
+selbst mit diesem Vorzuge ausgestattet hatte,
+wobei sie ihnen zugleich das Vermögen
+ließ, ihn den vorwitzigen Proseliten, so, wie
+die Beschneidung, mitzutheilen.
+</p>
+<!-- page 052 -->
+
+<p>Die Juden hatten schon die Gewohnheit,
+unter beständigem Kratzen, in die verschiedenen
+Gegenden der Welt herum handeln zu
+gehen; allein sie scheinen nichts außer ihren
+Waaren unterlassen zu haben. Sie waren
+schon damal eben so säuisch, eben solche Wucherer,
+eben so verachtet, wie sie es heutiges
+Tages sind. Sie waren die einzigen, denen die
+Religion aus der Reinlichkeit eine Pflicht
+machte. Sie waren die einzigen, die sie vernachläßigten;
+und nur bey ihnen allein auch
+fand man Menschen, welche mit weissen Flecken,
+die den Kützel reizten, überdecket
+waren.
+</p>
+
+<p>Entgegengesetzte Sitten sicherten die
+Fremden vor den Folgen, welche ein ordentlicher
+Umgang mit dieser Nation haben könnte<a id="corr-2"></a>;
+Die Römer verbrannten den Tempel,
+erwürgten die Priester, schleiften Jerusalem,
+und hatten dennoch keinen Theil an diesem
+Jucken: der häufige Gebrauch des Bades,
+<!-- page 053 -->
+und die Reinlichkeit, auf welche sie grosse Stücken
+hielten, verwahrte sie davor.
+</p>
+
+<p>Sie giengen nach Europa damal über,
+als unsere Vorfahren sich im Jordan zu waschen
+giengen. Sie giengen bei dem Oelberge
+sich die Brust zu schlagen. Sie blieben kurze
+Zeit, aber doch lange genug, um so gut,
+als die Kinder Israel, sich kratzen zu lernen.
+Sie kamen nach Frankreich zurück ganz bedeckt
+mit Palmen und Aussatz.
+</p>
+
+<p>Da sie viel schwitzten, sich selten badeten,
+und ihre Oekonomie ihnen nicht erlaubte,
+öfters ihre grobtüchenen Kleider zu waschen,
+so übermachten sie auf lange Zeit ihrer
+Nachkommenschaft die Gewohnheit, einen
+milchfärbigen Grind an der Haut zu tragen,
+und ihn fein manierlich mit den Fingerspitzen
+zu kratzen. Dieß war damal der Wohlstand
+der Leute von feinerer Welt, wie heut zu
+Tage einen Taback zu präsentiren, oder mit
+den Stockquästchen zu spielen.
+</p>
+<!-- page 054 -->
+
+<p>Der allgemein gewordene Gebrauch der
+Leinwand machte, daß diese kostbare Gewohnheit
+verschwand. Sie erneuert sich nur noch
+an gewissen vorübergehenden Ungemächlichkeiten<a id="corr-3"></a>,
+wie zum Beispiel in der P &mdash; &mdash; &mdash;
+der<a id="corr-4"></a> grössern Gattung. Man könnte sie sehr
+billig für einen Abkömmling, oder wenigstens
+für eine sehr nahe Verwandte des Aussatzes
+halten. Und hiermit ists alles, was uns die
+Geschichte von dieser Krankheit, welche die
+Kreuzzüge in Europa so empor gebracht haben,
+berichtet.
+</p>
+
+<p>Nach den Merkmalen, die sie karakterisiren,
+kann man sie durchaus mit der Kakomonade
+nicht vermengen. Die weissen Flecken, das
+Jucken begleiten diese nicht; und es scheint
+auch nicht, daß sie sie je begleitet haben. Wenn
+diese einiges Jucken verursacht, so ists innerlich,
+und ein wenig an den Lenden; zeigt sie
+sich von außen, und nimmt eine Farbe an,
+so weiß man zur Genüge, daß es nicht die ihrer
+<!-- page 055 -->
+Wesenheit nach der Jungferschaft geheiligte
+Weiße ist.
+</p>
+
+<p>Weiter, so griff der Aussatz nicht die
+Erzeugung an. Wenn er ihr nicht günstig
+war, so ist wenigstens gewiß, daß er ihr keinen
+Schaden that. Es scheint sogar, daß er
+die Zeugungsorgane stärkte. Es gab in dieser
+Zeit Frauen, die es nach jenen der Aussätzigen
+lüsterte, und man sah sich das Sprichwort
+bewähren, das Sprichwort: Unglück
+ist doch zu etwas gut.
+</p>
+
+<p>Man liest in einem gereimten Gedichte
+des zwölften Jahrhunderts diese zween
+Verse:
+</p>
+
+<div class="poem">
+<p class="line">Felix, atque ortu vere dicenda beato,</p>
+<p class="line">Vivere quæ potuit leproso juncta marito.</p>
+</div>
+
+<p class="noindent">Indessen das Gesetz verordnete, diese armen
+Leute aus ihrem Hause zu jagen, bestrebte
+sich so die Natur, ihnen die Mittel zu bieten,
+<!-- page 056 -->
+wie sie da mit Ehren bleiben konnten.
+Dieß ist nicht das einzigemal, wo die Gesetze
+und die Natur sich mit einander im Widerspruche
+fanden.
+</p>
+
+<p>Ein sehr berühmter Arzt hat durch einen
+schönen Schluß erwiesen, daß von dem Aussatze
+diese Wirkung nothwendig erfolgen müsse.
+Die Kakomonade hat diesen Vortheil bei
+weitem nicht. Man kann also schließen, daß
+sie miteinander nichts gemein haben.
+</p>
+
+<p>Die einzige Aehnlichkeit, die ich an ihnen
+sehe, ist, daß sie alle beide nach eben so
+ungerechten, als blutigen Feldzügen in Europa
+überpflanzet worden sind. Die Kreuzzüge,
+und die Verheerung der Insel Hispaniola
+sind die Epochen der zwoen größten Plagen,
+mit denen das Menschengeschlecht seit
+der Erbsünde her in Europa heimgesucht worden
+ist. Es scheint, ob hätte die Natur den
+Ländern, die wir usurpiren wollten, vorsetzlich
+<!-- page 057 -->
+um uns zu strafen etwas mitgetheilet,
+womit sie das Blut ihrer unbarmherzigen Eroberer
+anpesten sollten.
+</p>
+
+<p>Dennoch wird uns dieß Beispiel nicht
+bessern. Man spricht von unentdeckten Ländern,
+von neuen noch unbekannten Welten
+an der Süderseite. Der Geiz ist auf dieses
+ihm so schmeichelhafte Gerücht schon aufgewacht.
+Man hat sich gewagt, sie zu suchen.
+Die Nebel, und vielleicht das Mitleid der
+Vorsicht haben uns ihnen bisher entzogen.
+Man darf alles welten; wenn wir sie je entdecken,
+so führen wir dort unsere Habsucht,
+und unsere Grausamkeit ein, und sie beschenken
+uns zur Wiedervergeltung mit einer dritten
+Plage, womit wir sehr sorgfältiglich unser
+Klima zu bereichern suchen werden.
+</p>
+
+<p>Dem sei, wie ihm wolle; aus dem Vorhergehenden
+sieht man übrigens, daß die Kakomonade
+in Rücksicht unser kein gar grosses
+<!-- page 058 -->
+Alterthum hat. Wie sehr man sich auch bestrebt,
+die Ehre ihrer Geburt den frühern Jahrhunderten
+zuzueignen; so setzen sich Vernunft und
+Wahrheit dagegen. Alle Vernünfteleien, und
+alle Erzählungen in dieser Hinsicht sind falsch.
+Keine ist gegründet, außer derjenigen, welche
+die Rückkunft des Christophorus Kolumbus
+in Europa als den Zeitpunkt angiebt,
+in welchem die Vergnügungen der Liebe da
+gefährlich zu werden begannen.
+</p>
+<!-- page 059 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-9">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Siebentes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Ob gewisse Vorschriften, die eine große
+Königinn einem ordentlichen
+Hause gab, die vorstehende Behauptung
+über die Epoche der
+Kakomonade umstossen können?</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">B</span>ei der Unternehmung dieses wahrheitvollen
+Werkes machte ich mir die genaueste
+Aufrichtigkeit zum Gesetze. Daher muß ich
+selbst jene Dinge anführen, die meinem Sisteme
+entgegen zu stehen scheinen. Nun
+scheint dieß durch gewisse Vorschriften erschüttert,
+die um das Ende des vierzehnten
+Jahrhunderts von einer großen tugendvollen
+Königinn einem erbaulichen Hause gegeben
+worden sind. Ich hielt für gut, sie
+<!-- page 060 -->
+vollständig anzuführen, damit jene, die etwa
+versucht werden möchten, sie zu lesen,
+sich desto besser unterrichten könnten.
+</p>
+
+<h3 class="sub">Vorschriften, welche die Königinn
+Johanna die Erste, Königinn
+beider Sizilien, und Gräfinn von
+Provence einem Mädchenkloster
+zu Avignon gegeben hat.</h3>
+
+<h3 class="no">1.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">I</span>m Jahre tausend dreihundert sieben und
+vierzig hat unsere gute Königinn Johanna
+erlaubet, in Avignon ein B &mdash; &mdash; &mdash; zu erbauen.
+Sie will nicht, daß alle galanten
+Weibsleute sich in der Stadt ausbreiten; sondern
+sie befiehlt, sich in dem Hause verschlossen
+in halten, und, um kennbar zu seyn, auf
+<!-- page 061 -->
+der linken Achsel ein rothes Nestel zu tragen.
+</p>
+
+<h3 class="no">2.</h3>
+
+<p class="noindent">Item: Wenn einem Mädchen eine
+Schwachheit zustieß, und sie sich mehrere erlauben
+will, so soll der erste Gerichtsdiener
+sie, unter dem Arme bei dem Schlage der
+Trommel mit dem rothen Nestel auf der
+Achsel, durch die Stadt führen, und sie zu
+den übrigen in das Haus einquartiren; Er
+soll ihr verbieten, sich außer dem Hause in
+der Stadt sehen zu lassen, unter der Strafe,
+daß sie das erstemal heimlich gepeitscht,
+das zweitemal öffentlich gepeitscht, und auf
+den Schub gegeben werden würde.
+</p>
+
+<h3 class="no">3.</h3>
+
+<p class="noindent">Unsere gute Königinn befiehlt, das
+Haus soll in der Gasse der gebrochenen Brücke,
+nahe am Kloster der Augustinerbrüder
+<!-- page 062 -->
+bis zum steinernen Thore erbauet werden,
+und an der nämlichen Seite eine Thüre haben,
+wo Jedermann hindurchgehen, die
+man aber doch mit einem Schlüssel versperren,
+könne, damit die Jugend die Mädchen
+nicht zu besuchen vermöge, außer mit der Erlaubniß
+der Äbtissinn, oder Vorsteherinn, die
+alle Jahre durch die Bürgermeister ernennt
+werden soll. Sie soll die Jugend ermahnen,
+kein Aufsehens zu machen, und die Mädchen
+nicht zu kränken. Sonst würde sie, bei der
+mindesten Klage, die sich gegen sie erheben
+würde, mit dem Schritte aus dem Haufe,
+durch den Gerichtsdiener in Verhaft geführet
+werden.
+</p>
+
+<h3 class="no">4.</h3>
+
+<p class="noindent">Die Königinn will, daß alle Sonnabende
+die Superiorinn, und ein von den
+Bürgermeistern abgeschickter Barbier alle
+Mädchen, die sich in dem B &mdash; &mdash; &mdash; befinden
+<!-- page 063 -->
+werden, visitiren soll; und findet
+sich eine darunter, für welche dieß Metier
+verdrüßliche Folgen gehabt hat; so soll diese
+von den andern abgesondert, sie soll in einem
+abgelegenen Orte eingewohnt werden,
+damit Niemand zu ihr könne, und man
+bei der Jugend gewisse Zufälle verhüte.
+</p>
+
+<h3 class="no">5.</h3>
+
+<p class="noindent">Item: So sich ein Mädchen fände,
+das schwanger würde, da soll die Vorsteherinn
+wachen, daß sie ihre Frucht nicht abtreibe;
+auch soll sie die Bürgermeister davon
+berichten, damit sie das Kind versorgen.
+</p>
+
+<h3 class="no">6.</h3>
+
+<p class="noindent">Item: Die Vorsteherinn soll am Charfreitag,
+und Charsamstag, wie auch an dem
+glorreichen heiligen Ostertag Niemanden
+den Eintritt in das Haus gestatten, bei
+<!-- page 064 -->
+Strafe der Kassazion, und öffentlichen Stäupung.
+</p>
+
+<h3 class="no">7.</h3>
+
+<p class="noindent">Item: Die Königinn will, daß die
+Mädchen alle unter einander ohne Zänkereien
+und ohne Eifersucht leben; daß sie sich
+nichts entwenden, und sich nicht raufen,
+sondern sich wie Schwestern lieben sollen.
+So eine Klage entsteht, so hat die Vorsteherinn
+sie unter sich zu vergleichen, und sie
+sollen schuldig seyn, auf ihren Ausspruch
+sich zu beruhigen.
+</p>
+
+<h3 class="no">8.</h3>
+
+<p class="noindent">Item: So ein Mädchen einen Diebstahl
+begangen hat, da soll die Vorsteherinn
+sie das Gestohlene in Güte zurückgeben heißen.
+Sollte sich die Diebinn der Zurückgabe
+weigern, so wird sie das erstemal von einem
+Gerichtsdiener auf einem Zimmer, im
+<!-- page 065 -->
+Rückfalle aber durch den Scharfrichter in der
+ganzen Stadt gestäupet werden.
+</p>
+
+<h3 class="no">9.</h3>
+
+<p class="noindent">Item: Die Vorsteherinn soll keinen Juden
+annehmen. Im Falle sich einer fände,
+der sich durch List hineinstähle, und mit einem
+der Mädchen bekannt wäre, der soll
+eingezogen, und dann öffentlich durch die
+Stadt gepeitschet werden.
+</p>
+
+<p class="tb">&nbsp;</p>
+
+<p class="noindent">Wenn man den letzten Artikel liest,
+so kann man nicht genug die Delikatesse des
+Sammlers der Gesetze bewundern. Er
+wollte die ungläubigen Juden eines Hilfsmittels
+berauben, welches für die gläubigen
+Christen bereitet war. Vielleicht wollte
+er diese verirrten Unglücklichen wie wilde
+Thiere behandeln, die man mit Hunger
+<!-- page 066 -->
+und Durst bändiget. Das wäre ein seltsamer
+Weg, sie in den Schooß der Kirche zu
+führen. Doch, man weis es ja; es gab
+Jahrhunderte, wo man allerhand Wege einschlug,
+um das Herz des Menschen zu unterjochen.
+</p>
+
+<p>Wie Johanna diese so nützliche Einrichtung
+machte, mochte sie beiläufig drei und zwanzig
+Jahre haben. Vielleicht wird man schwer
+glauben wollen, daß eine Prinzessinn von
+diesem Alter darauf bedacht gewesen sey,
+sich zur Gesetzgeberinn einer derlei Stiftung
+zu machen. Aber, wenn man dabei bedenkt,
+daß diese schöne Königinn damal schon einen
+Ehemann, der ihr mißfiel, aufhängen ließ;
+daß sie dreien anderen, derer sie nach und
+nach müde ward, das nämliche Schicksal
+bestimmte; daß sie in der großen, Kunst,
+sich so von eckelhaften Männern zu befreien,
+keine ihres Gleichen hatte, als die Königinn
+Maria Stuard, deren Tod den Umstehenden
+<!-- page 067 -->
+Thränen erzwang, und die ganze Christenheit
+auferbaute: &mdash; so wird man weniger
+erstaunen, daß sich Johanna so frühzeitig
+mit den Vergnügungen ihrer Unterthanen
+beschäfftigt habe.
+</p>
+
+<p>Uibrigens waren die Gesetze, denen sie
+die Werkzeuge derselben unterwarf, sehr weise;
+und es wäre zu wünschen, daß man sie
+überall annähme, und daß unter andern die
+Visitation nicht vergessen würde. Denn die
+menschliche Schwachheit scheint einmal doch
+von den Fürsten einige Nachsicht, besonders
+aber ihre Aufmerksamkeit auf die Erleichterung,
+die man ihr bereitet, zu erheischen.
+Und sie sind auch im Gewissen verbunden,
+sorgfältig zu wachen, um bei der Jugend gewisse
+Zufälle zu verhüten.
+</p>
+
+<p>Diese Untersuchung scheint dem, was
+ich bisher gesagt, zu widersprechen, und die
+Epoche der Kakomonade früher anzusetzen.
+<!-- page 068 -->
+Wenn man schon seit dem vierzehnten Jahrhunderte
+mit den öffentlichen Lustmädchen
+sich in Acht nehmen mußte, so folgt daraus,
+daß auch ihre Waare schon eine koagulirende
+oder korrosive Wirkung an sich hatte. Und
+so könnte man vermuthen, daß sie schon seit
+jener Zeit der Unbequemlichkeit unterworfen
+waren, die hier der Gegenstand unsrer tiefsinnigsten
+Untersuchungen sind.
+</p>
+
+<p>Unterdessen sieht man, wenn man es
+recht erwägt, daß aus diesem Zuge der Geschichte
+sich gegen meine Grundsätze kein
+Widerspruch ergiebt. Bürge dafür ist
+mir der hochgelehrte Arzt, der mir einen
+Theil der seltsamen Bemerkungen an die
+Hand gab, mit denen mein Buch bereichert
+ist. Er beweiset bis zur Evidenz, daß der
+vierte Artikel der Königinn Johanna jene,
+die mit mir gleich denken, nicht aus der
+Fassung bringen darf. Vor dem fünfzehnten
+Jahrhundert konnten die Gegenstände
+<!-- page 069 -->
+der Zärtlichkeit dieser schönen Königinn andern
+Ungemachen ausgesetzt seyn, als diejenigen
+sind, die durch eine unbekannte Ursache
+auf San Domingo hervorgebracht wurden.
+</p>
+
+<p>Man weis zur Gnüge, daß auch noch
+in unsern Tagen die Kakomonade nicht die
+einzige gefährliche Macht ist, welche an solchen
+Orten, wie jene waren, die die Gräfinn
+von Avignon in ihren Schutz nahm,
+herrschet. Nichts also kann die Feste meiner
+Grundsätze erschüttern. Es ist evident,
+daß bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
+die Vergnügungen wenig ansteckend
+waren. Man konnte sich ihnen noch ohne
+viele Furcht überlassen, als ein Italiäner es
+für gut fand, die Kakomonade Europen,
+und durch Europen der ganzen Welt mitzutheilen.
+</p>
+<!-- page 070 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-10">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Achtes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Einführung der Kakomonade in Europa,
+und in Frankreich.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">D</span>reihundert Jahre sind es, daß uns ein
+Genueser das Glück verschaffte, Amerika zu
+kennen. Man ist nicht im Stande, sich genug
+bei den Vortheilen aufzuhalten, die uns
+daraus zugeflossen sind. Diese Entdeckung
+brachte uns das Vergnügen zu Wege, auf unsern
+Kleidern Tressen zu tragen, und um das
+Dreifache mehr für das Brod &mdash; zu bezahlen.
+Seit diesem glücklichen Augenblicke
+ists, daß unsre Frauenzimmer Papageien,
+und unsre Matrosen den Scharbock haben.
+Seit dieser Zeit fand man sich in Europa in
+den Stand gesetzt, Jahr für Jahr nach allen
+Regeln zweimal hundert tausend Menschen
+<!-- page 071 -->
+zu erwürgen, anstatt, daß zuvor die durch
+das Kriegs- und Völkerrecht gesetzgekräftigten
+Massakres sich höchstens auf beiläufig
+sechzig tausend beliefen.
+</p>
+
+<p>Das erste Schiff, welches so, mit den
+Produkten der neuen Welt befrachtet, in
+Spanien anlandete, erregte da ein allgemeines
+Erstaunen. Man ward nicht müde, die
+Helden zu bewundern, welche so weit her,
+und mitten durch so große Gefahren, neue
+Quellen für die Glückseligkeit des Menschengeschlechtes
+geholet hatten. Man ward entzückt,
+da man die Frucht ihrer Arbeiten erblickte.
+</p>
+
+<p>Auf dem Verdecke, und an den für das
+Auge angenehmsten Orten nahm man kurze
+Gewänder von rothen Federn wahr, die mit
+dem Blute der Indianer gemalet waren;
+Ohrringe, an denen die Spitzen der Ohren
+hiengen, von denen man sie abgerissen hatte;
+<!-- page 072 -->
+Ringe, die man sammt den Fingern
+ihrer vormaligen Besitzer mit übergeführet
+hatte; goldne Nasenringe sammt den Nasen,
+die lange Zeit damit sich gebrüstet hatten.
+</p>
+
+<p>Die Argonauten des sechszehnten Jahrhunderts
+pochten mehr auf Muth, als auf
+Geduld, um sich desto geschwinder den
+Schmuck der Karaiben zuzueignen, raubten
+sie mit einem den Schmuck, und den Theil
+des Körpers, an dem er befestiget war, ab.
+Alles, was die Ehre hatte, mit Golde bedeckt
+zu seyn, blieb sammt seiner Zierde unter
+den Händen der Sieger. Dieß geschah,
+um die Zeit zu ersparen, mit welcher die
+Eroberer aller Jahrhunderte gewaltig geizten.
+Diese Oekonomie both eine überflüssige
+Ladung für ein Schiff, das nach Spanien
+kam, um da die Beute aus einem andern
+Welttheile auszukramen.
+</p>
+<!-- page 073 -->
+
+<p>Während dieses Schauspiel alle Augen
+auf sich zog, ward man der Kakomonade,
+die hinter so vielen kostbaren Gepäcken verborgen
+lag, nicht gewahr. Sie machte sich
+fertig, festen Fuß zu fassen, und wählte sich
+schon ihre Wohnungen mitten unter dem
+Haufen, der sie umgab. Sie hatte sich bald
+ausgeschifft, und folgte dem Christoph und
+Martin Kolumbus bis nach Hofe, wo eine
+tugendhafte Königinn, Namens Isabelle,
+den Thron besaß, von dem sie so eben ihren
+Bruder herabgestossen hatte.
+</p>
+
+<p>Diese weise Prinzessinn mit ihrem Gemahle,
+dem aufrichtigen, großmüthigen
+Ferdinand dem Katholischen, hatte dem Könige
+von Neapel, ihrem Blutsfreunde geschworen,
+ihn zu beschützen. In der Folge
+fanden sie, daß es edler, anständiger, und
+gerechter wäre, ihn auszuplündern. Sie
+ließen also zu Barzellona zu diesem Felszuge
+ihre Trouppen die Schiffe besteigen.
+</p>
+<!-- page 074 -->
+
+<p>Die Trouppen giengen unter Seegel
+mit einer ganz neuen Gattung von Provisionen.
+Einen Hauptartikel davon machte
+die Kakomonade, ob sie gleich in die Verzeichnisse
+der Proviantmeister nicht eingetragen
+war. Sie reiste zu gleicher Zeit mit der
+Armee. In Italien, dessen Landesgebräuche
+ihr nicht günstig waren, machte sie Anfangs
+schlechte Progressen. Aber zu ihrem
+Glücke hatte sich Karl der Achte in den Kopf
+gesetzt, den heiligen Vater Alexander den
+Sechsten zu Rom zu besuchen.
+</p>
+
+<p>Jedermann weis, wie unnütz, und
+prächtig dieser Feldzug war. Die französischen
+Ritter entwickelten da den wunderbarsten
+und fruchtlosesten Heldenmuth. Reißenden
+Fluges brachten sie Mailand, Florenz,
+Rom, Neapel, und die Kakomonade
+an sich; aber von allen Eroberungen,
+war diese letzte, die sie am liebsten aufgegeben
+hätten, die einzige, die ihnen blieb.
+<!-- page 075 -->
+Bei ihrer Heimkehr, überpflanzten sie sie in
+ihr Vaterland, wo die französische Galanterie
+sie mit allen Ehren empfieng; und dieß
+war beinah der einzige Nutzen, der unsern
+Verfahren aus einem so herrlichen Feldzuge
+zufloß.
+</p>
+<!-- page 076 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-11">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Neuntes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Verschiedene Reisen der Kakomonade.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">I</span>ndessen die alte Bewohnerinn von Amerika
+sich so unter dem Gefolge einer Menge
+wackerer Krieger den Eingang in Frankreich
+öfnete; entwischte sie von Zeit zu Zeit, um
+auch in den übrigen Theilen der Erde Kolonien
+anzulegen. Sie schwamm die Rhone
+hinunter um in der Themse zu ankern. Sie
+maß die Pireneen zurück, um queer durch Spanien
+in Portugal zu eilen. Sie schifte sich
+zu Lisabon ein, um von Goa Besitz zu nehmen,
+den sie gemeinschaftlich mit der heiligen
+Inquisition noch behauptet.
+</p>
+
+<p>Von Kadix reiste sie nach Fez in Mauritanien
+mit einigen Juden oder Mahometanern,
+<!-- page 077 -->
+welche der religiose Ferdinand, der
+Katholische in seinem Reiche nicht dulden
+wollte. Sie drang mitten durch die Sandberge
+von Afrika bis zur Zone torrida ein.
+Sie wagte sich ohne Furcht unter jene schrecklichen
+Weiber der melindischen Küste. Sie
+breitete sich aus von dem Ursprunge des Senegal
+an bis zur Kafferei, und von Monomotapa
+bis an die Mündung des Nil. Sie
+wurzelte überall mit den Jesuiten, die dem
+ungeachtet nicht ihre eifrigsten Missionarien
+waren. Unermüdet, wie sie, aber in einer
+andern Art, faßte sie geschwinder als sie in
+den beträchtlichsten Wechselstuben Fuß. Sie
+hinterließ einsichtige Faktoren, die sichs angelegen
+hielten, die Anzahl ihrer lockeren
+Gesellen zu vermehren.
+</p>
+
+<p>Mit mehr Bequemlichkeit begab sie sich
+durch Marseille nach Syrien und Aegypten.
+Sie durchsuchte<a id="corr-5"></a> die morgenländischen Handelsplätze.
+Die eisernen Gitter am Serail machten
+<!-- page 078 -->
+sie knirschen vor Zorn. Röthe überzog
+ihr das Gesicht bei dem Anblicke von einem
+Haufen Menschengestalten, die, nicht nur unfähig
+sie mitzutheilen, sie nicht einmal anzunehmen
+im Stande waren. Unterdessen fand
+sie doch mittels der miethbaren Zirkassierinnen,
+die hier nicht seltner, als anderswo
+sind, und mit denen das Gesetz Mahomets
+den Umgang den Unbeschnittenen eben sowohl
+als den Gläubigen gestattet, einen Eingang
+bis zu den<a id="corr-6"></a> stolzen Muselmännern von der
+Sekte Omars.
+</p>
+
+<p>Liebreich übersetzten sie diese zu den Ketzern
+von der Sekte des Aly, welche sie führten
+zu den Unterthanen des Mogul, die da
+anbeten den Brama und den Visthnu, welche
+sich Mühe gaben, sie mit Binsen zu versehen,
+um sie nach Makao und Nangazoni
+zu den Theologen des Fo und des Kaka zu
+übersetzen.
+</p>
+<!-- page 079 -->
+
+<p>Auf ihrem Wege stieß sie an die Küste
+von Malabar. Sie nahm in den Philippinen
+und Moluken unter dem Schatten der Ananas
+und Kokusbäume Erfrischungen zu sich.
+Sie nährte sich da von Mußkatnißen, und
+Zimmet. Nachdem sie so die Ende der Welt
+durchwandert hatte, betrachtete sie mit Bewunderung
+den weiten Bezirk ihrer Macht.
+</p>
+
+<p>Es giebt, sagte sie mit Entzücken, rothe
+und erzfärbige, milch- und pomeranzenfärbige,
+aschgraue und kohlschwarze Menschen,
+und all das gehört mein.
+</p>
+
+<p>Man findet ihrer, die mit dem Safte
+von Trauben, von Aepfeln oder von Gerste,
+der durch die Gährung sauerte, sich berauschen;
+andere, die mit eben diesem Safte,
+den sie durch das Feuer distilliren, sich leckerhaft
+vergiften; andere die einen braunen,
+und ungesunden Staub in die Nase stopfen;
+andere, die mit Baumblättern Kalk fressen;
+<!-- page 080 -->
+andere, die ihre Nachbarn stäupen, oder erwürgen
+lassen; und all das gehört mein.
+</p>
+
+<p>Man sieht Weibsleute, die sich kaleinirtes
+Bley über das Gesicht schmieren; andre,
+die sich die Wangen, oder Arme mit Indigo,
+färben; andere, die ihren Hals zeigen;
+andere, die nichts, als allein ihren Hintern
+bloß tragen; andere, die sich parfümiren,
+und frisiren, um Liebhaber an sich zu locken;
+andere, die dieselben, wenn sie sich zu gewissen
+Zeiten bei ihnen aufhalten, mit der Pest
+beschenken; und all das gehört mein.
+</p>
+
+<p>O tapfrer und berühmter Christoph Kolumbus!
+o ihr meine getreuen, und vielgeliebten
+Kastilianer! ewiger Segen sey mit
+euch, die ihr mein Geschlecht, wie den Sand
+am Meere, und meine Nachkommenschaft
+wie die Sterne am Himmel vermehret habt.
+Mögen die Schätze, des Potosi für euch so
+unerschöpflich werden, wie die meinigen!
+<!-- page 081 -->
+möchtet ihr unaufhörlich eben so die Stützen
+meines Reiches seyn können, wie ihr die ersten
+Verbreiter desselben waret!
+</p>
+
+<p>Nachdem sie sich so von ihrer Dankbarkeit,
+und von ihren Eroberungen Rechenschaft
+gegeben hatte, begab sich die Kakomonade
+auf den Weg, um neue zu machen, oder
+um die alten fester zu gründen; Das Fuhrwerk,
+dessen sie sich bediente, war sanft.
+Kein Wunder, daß sie nach so langwierigen,
+und so schnellen Reisen dennoch
+im Stande war, nach Frankreich zurückzukommen,
+das sie zum Mittelpunkte ihres
+Reiches bestimmet zu haben schien.
+</p>
+
+<p>Man muß nicht vergessen, daß sie bey
+jeder ihrer Wanderschaften die Kleidungsart,
+und den Namen der Nation annahm,
+von welcher sie abreisete. In Frankreich war
+sie eine Neapolitanerinn, zu Neapel und Madrid
+eine Französin, zu Lisabon eine Kastilianerinn,
+<!-- page 082 -->
+zu Nangazaqui eine Portugiesinn,
+zu Ispahan eine Türkinn, und zu Konstantinopel<a href="#footnote-6" id="fnote-6"><sup>6</sup>)</a>
+wieder eine Französinn. Vielleicht
+<!-- page 083 -->
+giebt es nichts so schönes, als der Anblick ist,
+wie sie über Gebirge und Meere setzte, sich
+vom Adamspik auf die Spitzen des Imaus
+schwang, und von den Ufern von Kalifornien
+nach Madagaskar flog. Wir glaubten,
+daß dieses Schauspiel wenigstens sein Kapitel
+verdiente.
+</p>
+
+<!-- page 084 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-12">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Zehntes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Von dem Ursprunge der Perücken.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">W</span>ir sahen die Kakomonade durch eine schöne
+Pforte in Frankreich eingehn. Sie säumte
+nicht, der ganzen Nation Beweise ihrer
+Dankbarkeit zu geben. Sie breitete sich daselbst
+bis zum Uebermaaß aus. Wenn man
+den Geschichtbüchern der damaligen Zeit
+Glauben beimessen will, so nahm sie F &mdash; &mdash;
+E &mdash; &mdash; &mdash; sich zur Seite auf den Thron.
+Es kostete ihn nur fünfhundert Thaler, sein
+Zäpflein, und die Haare. Doch fand er bald
+Ersatz für sein Leisereden, und um sich das
+Haupt wohl zu bedecken.
+</p>
+
+<p>Die erfinderischen Köpfe, womit Frankreich
+von jeher angefüllt war, litten es nicht
+<!-- page 085 -->
+lange, daß ihr König so weit gebracht seyn
+sollte, keine andere Koeffüre, außer einer
+Schafmütze zu haben. Sie machten bald eine
+weit edlere, deren Stof vom Menschen selbst
+genommen war. Geschickte Hände verfertigten
+jene sinnreichen Zöpfe, welche dem
+Werke der Natur nachahmend die schmucklose
+Glatze einer Hirnschaale mit einem Walde
+von Haaren besetzen, die sie selber nicht
+hervorgebracht hat.
+</p>
+
+<p>Es hat Jemand gesagt, wenn ein König
+einäugig wäre, so könnte unter den Hofleuten
+leicht die Mode aufkommen, nur ein
+Aug zu tragen. Das Beispiel F &mdash; E &mdash;
+war nicht so schwer, nachzuahmen. Er hatte
+das Vergnügen, seine Unterthanen in
+die Wette ihm folgen zu sehn. Wenige Zeit
+darauf sah man von der Rhone an bis zur
+Maas keine andern, als falsche Haare, und
+vernahm keine anderen, als erstickte Stimmen.
+</p>
+<!-- page 086 -->
+
+<p>Seit dem hatten wir Könige, welche
+ihr Zäpflein nicht verloren, und derer Stimmen
+sich wieder eingefunden haben; dennoch
+sind die Perücken ungeachtet aller Verfolgung
+der Geistlichkeit geblieben. Diese hoch- und
+wohlehrwürdigen Glieder der Kirche schienen
+lange Zeit über die Unanständigkeit, welche
+sie hervorgebracht hat, entrüstet. Sie untersagten
+allen ihren Dienern den Gebrauch
+derselben, und es ist noch nicht lange, daß
+ein kahlköpfiger Priester nur mit vieler Mühe
+von seinem Erzbischofe die Erlaubniß erhielt,
+sich dieses Hilfsmittels, das erfahrnern
+Personen noch verdächtig scheinen kann,
+unschuldig zu gebrauchen.
+</p>
+
+<p>Die Noth hat in der Folge die Laien
+nachsichtiger gemacht; allein die Mönche haben
+den nicht gar ehrsamen Ursprung der Perücken
+nicht vergessen. Sie sind noch itzt aus
+allen Klöstern verbannt, oder wenigstens
+doch aus jenen, die da einen großen Geruch
+<!-- page 087 -->
+von Regelmässigkeit von sich geben
+wollen.
+</p>
+
+<p>Die Karmeliter, die sich wegen ihres
+Standes, und aus freier Willkühr der
+Keuschheit weihn, duldeten unter sich nicht
+einen Haarschmuck, der seinen Ursprung nicht
+ihr zu danken hat. Die Kapuziner, zufrieden,
+natürliche Haare in ihrem Gesichte zu
+tragen, achteten nicht darauf, sich erborgte
+auf den Kopf zu pflanzen. Die andern Mendikanten,
+der Mässigkeit, und ihrer Regel
+getreu, wie die Franziskaner, oder der Nettigkeit
+ergeben, wie die Baarfüsser &amp;c. wollten
+ein Gut nicht haben, von dem der große
+heilige Franz nie etwas gewußt hat.
+</p>
+
+<p>Vielleicht fürchteten sie, der Gebrauch
+desselben möchte den Verdacht erregen, als
+hätten sie ebenfalls Wundmaalen von einer
+andern Art, als jene ihres verehrungswürdigen
+Patriarchen waren. Vielleicht auch schreckte
+<!-- page 088 -->
+sie der Gebrauch des Kammes ab, dessen
+ein geschorener Kopf entübriget ist. Wenigstens
+ist gewiß, daß sie ohne alle Unruhe
+kunstverständige Barbierer bei den Bäurinnen
+in den Dörfern die Schur vornehmen
+sehn; und wenn sie diese allein, oder abseits
+antreffen, so sind es niemal Haare, was sie
+sich von ihnen erbitten wollen.
+</p>
+
+<p>Indessen war diese ausgemachte Verachtung
+dennoch ihrem Gegenstande nicht schädlich.
+Die Perücken, durch ein königliches
+Bedürfniß veranlaßt, scheinen dadurch in
+den Augen der europäischen Nazionen nur
+veredelt worden zu seyn. Lange Zeit maß
+man ihr Volumen nach der Würde, oder
+Fähigkeit des Gegenstandes ab, welcher sich
+damit schmücken sollte. Vorzüglich bei Hofe
+schätzte man diese Art, den Werth der Menschen
+zu bestimmen, hoch. Man konnte versichert
+seyn, daß eine Masse Haare von drei
+Schuhen in das Gevierte ein erhabneres
+<!-- page 089 -->
+Verdienst ankündigte, als dasjenige war,
+das nur eine Masse von zween Schuhen bestimmte.
+</p>
+
+<p>Diese Zeit war die Zeit unsrer Herrlichkeit.
+Es scheint, als wäre die Ehre unsrer
+gegenwärtigen Reiche, gleich der Stärke
+Samsons, mit geheimnißreichen Zöpfen verbunden
+gewesen, vor denen das Schwert
+Ehrfurcht haben sollte. Wir haben gestattet,
+daß die unheilige Scheere der Philistäer sie
+berührte. Die Mode, als eine zweite Dalila,
+legte ihre Hand an die erhabenen Hüllen,
+welche den Augen des gemeinen Mannes
+die Weisheit, und den Tiefsinn der Bemerkungen
+unsrer Väter entzogen.
+</p>
+
+<p>Man weis auch, was daraus entstanden
+ist. Nach dieser fatalen Operazion wachten
+unsre itzigen Völker auf ohne Stärke, und
+ohne Herzhaftigkeit. Seit dem die kleinen
+Perücken auf den Köpfen sitzen, brachten sie
+<!-- page 090 -->
+denselben nur kleine Einsichten hervor.
+Die leichten Haaraufsätze ließen die Substanz
+evaporiren, welche zuvor die weiten Hauptdecken
+da nährten. Von der Zeit an haben
+sich unsre Gehirnchen volatilisirt, so wie sich
+bei ungeschickten Distillirern die Geister flüssiger
+Körper zerstreuen, wenn der Helm und
+die Distillirflasche nicht recht wohl verpichet
+sind.
+</p>
+
+<p>Das Gebieth der Perücken hat sich also
+vermindert; aber die Macht ihrer Mutter
+hat es sich nicht. Mit jedem Tage sieht man
+noch ihre Fortschritte sich vermehren.
+</p>
+
+<div class="poem">
+<p class="line">Der Arme dessen Hütte Stroh und Rohr bedeckt,</p>
+<p class="line2">Erkennet ihre Macht;</p>
+</div>
+
+<div class="poem">
+<p class="line">Sie wird vom Krieger, nicht vom Thor der Burg verschreckt,</p>
+<p class="line2">Wo der des Königs wacht.</p>
+</div>
+<!-- page 091 -->
+
+<p class="noindent">Aus dem Vorhergesagten sieht man, daß die
+Kakomonade ein gemeinschaftlicher Feind ist,
+wider den man sich zu vereinigen hat. Sie
+macht sich gleich feindlich an den Szepter,
+und an den Hirtenstab. Der Szepter und
+der Hirtenstab also müssen gleich eifrig zusammen
+stehn, sie aus dem Felde zu schlagen.
+Zu diesem Endzwecke hat man schon
+verschiedene Mittel versucht, aber alle wenig
+wirksam, alle unzureichend.
+</p>
+<!-- page 092 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-13">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Eilftes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Hilfsmittel, derer man sich gegen die
+Anfälle der Kakomonade bedient.
+Warum nicht die Aerzte den
+Kampf mit ihr wagen?</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">D</span>ie Geschichte erzählt, daß bei der ersten
+Schlacht zwischen den Römern und Griechen,
+diese, da sie die Sieger blieben, sich zur Unterhaltung
+mit der Untersuchung der Wunden
+beschäftigten, welche ihre Kriegsgenossen,
+die im Gemenge umgekommen waren,
+empfangen hatten. Sie entdeckten gespaltene
+Köpfe, abgehauene Arme, und an Brust,
+und Rücken durchschossene Körper. Die
+Geschichte setzt hinzu, daß so, wie ihre Waffen
+sie nur etwas aufritzten, sie den Gedanken
+<!-- page 093 -->
+nicht aushalten konnten, sich mit Leuten
+zu schlagen, die solche Hiebe austheilten.
+Der bloße Anblick eines italiänischen
+Säbels machte in der Folge sie zittern; und
+dieser Schrecken, trug nicht wenig bei, ganz
+Griechenland der Macht der Römer unterwürfig
+zu machen.
+</p>
+
+<p>Man kann sagen, daß es bei der Ankunft
+unsrer Reisenden das nämliche Bewandniß
+hatte. Die Doktoren hatten sich
+mit den Bürgerinnen unsrer Himmelsstriche
+vertraut. Sie kurirten ohne Anstand die
+Unverdaulichkeiten, die Fieber, und andere
+Krankheiten, welche durch unsere Wehen
+ihre Glücksgüter befestigten. Aber das Vertrauen
+auf ihre Kunst fiel bei dem Anblicke
+eines Gesichtes, wovon Hyppokrates keine
+Züge anatomirt hatte. Bei der Herannäherung
+dieses furchtbaren und unbekannten
+Feindes sah man sie die Flucht ergreifen.
+</p>
+<!-- page 094 -->
+
+<p>Es ist wahr; ihre Gegenwart kündigte
+sich durch etwas schreckliche Zeichen an. Man
+ließ seine Nase im Schnupftuche zurück. Man
+spuckte seine Zunge aus, und die Drüsen,
+die sie stärken. Wenn man einen Stein
+werfen wollte, so erstaunte man, daß man
+seinen Arm hinweggeschleudert habe. Man
+fand sich ganz in den Zustand der Wächter
+des Serails versetzt, denen die Vorsicht der
+Türken das Vermögen nimmt, auch nur den
+Schatten eines Verdachts erregen zu können.
+Man sah eine so schreckliche neue Erscheinung
+als die stärkste Waffe des Todes an. Man
+überredete sich, das Menschengeschlecht sei
+durch diese neue Art, mit der es angegriffen
+wurde, seinem Untergange nahe gebracht.
+</p>
+
+<p>Um das Maaß der Furcht vollzufüllen,
+bildete man sich ein, sie wäre so ansteckend
+als die Pest. Man wußte nicht, daß es nur
+eine Art gäbe, sich ihr auszusetzen, und daß
+<!-- page 095 -->
+man immer die Freiheit hätte, sich davor zu
+verwahren. Das Mißtrauen war in die ganze
+Gesellschaft verbreitet. Jeder zitterte für
+seine Person. Unbarmherzig entfernte man
+sich von den Unglücklichen, die damit geschlagen
+schienen. Gleichzeitige Schriftsteller
+gestehen, daß viele davon, welche man aus
+allgemeiner Furcht verlassen hatte, in der
+Tiefe der Wälder zu Grunde giengen.
+</p>
+
+<p>In dieser allgemeinen Beklommenheit
+verlor die Fakultät ihren Kopf, Eskulap,
+aus seiner Fassung gebracht, hörte auf, Orakelsprüche
+zu geben. Das war keiner jener
+Augenblicke mehr, wo mit lauem Wasser,
+und einem Strome von Beredtsamkeit ein
+Doktor aus der Kraft der Natur sich seine
+Ehre machen konnte. Hier blieb sie in der
+Unthätigkeit; sie wurde auf der Stelle überwältigt.
+Mit großem Geschrei rief sie die
+Kunst zu Hilfe, und die betroffene, gedemüthigte
+Kunst konnte nur ihr unnützes Mitleid
+<!-- page 096 -->
+an sie verschwendet. Es fiel ihr gar
+nicht ein, eine Gegnerinn zu verfolgen, die
+sie sich nicht einmal zu besichtigen wagte.
+</p>
+
+<p>Unterdessen wurde mit der Zeit durch
+die Gewohnheit ans Schauspiel sein Eindruck
+vermindert. Leute ohne Namen, Scharlatane,
+frecher, oder gewinnsüchtiger, als die
+Doktoren, fanden sich zu einem Kampfe ein,
+dessen Sieg sie treflich bereichern müßte.
+Für den Erfolg konnten sie nicht stehen, aber
+wenigstens brachten sie doch die Hofnung
+aufs Geld.
+</p>
+
+<p>Man machte Versuche; man wagte Eintrichterungen
+von Säften; man erholte sich
+bei chymischen Zubereitungen Raths; man
+zog China und Amerika zur Steuer; man
+bannte den Hyppokrates ins Leben; dennoch
+erhielt man keine Kenntnisse, und zankte sich
+schon mit vieler Hitze über die Mittel, sich
+dieselben zu verschaffen.
+</p>
+<!-- page 097 -->
+
+<p>Endlich kam bei dieser Gelegenheit, wie
+bei allen andern, das Ungefähr der Wissenschaft
+zu Hilfe. Man hatte eine flüßige
+Materie unter den Händen, weiß wie Silber,
+und schwerer, als es; aber bekannt,
+durch ihre Eigenschaft, sich an die andern
+Metalle anzuhängen, und selbst unter die
+Metalle gerechnet, ohne daß man viel wußte,
+warum. Niemand konnte sich einfallen
+lassen, daß dieß mit Fette abgetrieben, und
+auf die Haut gelegt, oder mit andern Ingredienzien,
+die seine Wirksamkeit mäßigen
+konnten, vermischt, und zu trinken gegeben,
+den glücklichen Erfolg haben sollte, diese
+Fremdlinginn, deren Aufenthalt ihren Gastfreunden
+so verderblich war, zur Flucht zu
+zwingen.
+</p>
+
+<p>Wirklich behauptet man, daß manche
+sehr erfahrne Araber in einigen Umständen
+sich dessen schon bedienet haben. Sie brauchen
+es, sagt man, um die Läuse zu tödten,
+<!-- page 098 -->
+um die Zittermaale zu vertreiben, um das
+Jücken, und andre Krankheiten der Haut
+zu stillen. Aber in Europa wußte man von
+ihrer Methode nichts. Und hätten auch
+Avicenna, oder Serapion davon geredet, so
+wars darum unsern Vorfahren um nichts
+leichter zu errathen, daß das, was gegen
+die Läuse gut war, es auch gegen die Kakomonade
+sey. Was man übrigens Gewisses
+weis, ist, daß die Entdeckung davon gemacht
+wurde, daß man sie annahm, und daß sie
+von glücklichem Erfolge war.
+</p>
+
+<p>Der Ruf davon säumte nicht, sich zu
+verbreiten. Von allen Seiten nützte man
+es. Das Sonderbare dabei war, daß sich
+die Fakultät mit all ihrer Macht dagegen
+setzte. Es war nicht ihr Wille, daß man
+ein Hilfsmittel suchte. Sie schien nach ihrer
+Gewohnheit nur dazu mit Muthe gewaffnet,
+um das Gefundene zu bekämpfen. Ganz
+Europa erscholl von den Deklamazionen gegen
+<!-- page 099 -->
+dieses nützliche Fluidum, das sie bloß in
+die Barometres verbannet wissen wollte. Es
+stand nicht bei ihr, daß sich nicht die Obrigkeit
+ins Mittel legte, um den Gebrauch davon
+zu verbieten.
+</p>
+
+<p>So sah man die Brechmittel heftig von
+den Vorfahren derjenigen verschrien, die sie
+heut zu Tage verordnen. So donnerte man
+mit der größten Entrüstung wider die Chinarinde,
+wider die Ipekakuana &amp;c. auf eben
+jenen Lehrstühlen, wo man itzt ihre Heilkräfte
+mit Enthusiasmus zergliedert. So
+fand in unsern Tagen unter Leuten, die für
+weise gelten, die Inokulazion unversöhnliche
+Feinde. Zu Doktoren angenommene
+Aerzte haben eine Schrift unterzeichnet, wo
+man sagt, man sollte die Fremden auf ihre
+eigene Gefahr die Probe damit machen
+lassen.
+<!-- page 100 -->
+Schwerlich vielleicht würde man treffendere
+Beispiele von Inkonsequenzen anführen
+können, zu denen Leidenschaft und Stützköpfigkeit
+sogar unterrichtete Leute bringen
+können. Die Mode und Meinung sind in
+allen Dingen die Königinnen der Welt; aber
+das Quecksilber hatte durch seine Nützlichkeit
+gewiß nicht verdient, ihrer Kaprize unterworfen
+zu werden.
+</p>
+
+<p>Man bestritt es nicht lange. Bald
+darauf, nachdem man versucht hatte, ihm
+den Stab zu brechen, sah man sich genötiget,
+es zu gebrauchen. Die Fakultät, von dessen
+Beistand versichert, wollte sich nun wieder
+den Unglücklichen nahen, an denen sie auf
+gewisse Art zur Verrätherinn geworden war.
+Aber der Platz war erobert. Eine Nebenbuhlerinn,
+von ihr lange Zeit verachtet,
+hatte sich des Augenblicks ihres Schreckens
+bemächtigt.
+</p>
+<!-- page 101 -->
+
+<p>Da die Zeichen des Unglücks, dem man
+abhelfen sollte, sich von Aussen zeigten, und
+die herrschende Fakultät sie zu fürchten schien,
+so hatte eine andre, minder furchtsame, und
+thätigere Fakultät sie sich zugeeignet. Diese
+war die Erste, die mit einiger Methode den
+Gebrauch des flüssigen Silbers wagte, das,
+in den Händen der Empiriker, vielleicht eben
+so viel böse, als gute Wirkungen machte.
+Sie bemeisterte sich des Zutrauens des Publikums;
+und als die andern, von ihrem
+Schrecken zurückgekommen, einen Posten,
+mit dem sie schalten zu können glaubten,
+wieder einnehmen wollten, waren ihre Bemühungen
+darum vergeblich.
+</p>
+
+<p>Eine Miene, reicher als die von Peru,
+öffnete sich hier. Die Usurpatoren behielten
+bis auf den heutigen Tag das Recht, beinah
+allein daran zu arbeiten. Die herrschenden
+Doktoren sehen sich mit Verdruß von der
+Quelle so vieler Reichthümer ausgeschlossen.
+<!-- page 102 -->
+Oft versuchen sies, sich dazu hinein zu stehlen;
+aber man gestattet ihnen nicht, die kostbare
+Komposizion zu verfertigen; welche die
+Fremde ihres Thrones beraubt, und das
+Geld der Kranken an sich zieht. Man erlaubt
+ihnen bloß nur, über die Theorie zu
+räsoniren, die nichts einbringt; nur am Einfahrt
+der Mine läßt man sie landen. Man
+gestattet ihnen, die Arbeiten, wenn sie es
+können, aufzuklären; aber das Graben darinnen,
+das allein nur Gewinnst trägt, ist
+ihnen gänzlich untersagt.
+</p>
+
+<h3 class="sub">Nachricht
+der Verleger zum folgenden Kapitel.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">W</span>ir ersuchen delikate Augen vorläufig, das ganze
+folgende Kapitel zu überschlagen, obgleich es
+das lehrreichste im ganzen Werke ist. Ungeachtet
+der Begierde, die Herr Panglos hatte, die Sache
+<!-- page 103 -->
+auf eine ehrbare Art zu verschleyern, so ist
+es ihm vermuthlich nicht möglich gewesen, sie in
+diesem Dialoge zu mildern, wo er uns das Gespräch
+der redenden Personen anführt. Er würde
+gegen die Wahrscheinlichkeit und Wahrheit verstossen
+haben, wenn er an ihren Ausdrücken etwas
+geändert hätte. Dennoch muß man darum
+nicht glauben, daß sie empörend seyn. Sie haben
+nur die in einer ähnlichen Materie unvermeidliche
+Energie. Sies sind mit all der Behutsamkeit behandelt,
+welche man von den zween erlauchten
+Männern, die auf dem Schauplatz erscheinen, erwarten
+kann.
+</p>
+<!-- page 104 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-14">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Zwölftes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Dialog zwischen einem Mandarin,
+und dem Herrn Baron von Donnerstrunkshausen,
+über den Gebrauch
+des Quecksilbers in dem
+Falle, von dem die Rede ist.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">D</span>as Metal, von dem so eben die Rede
+war, ist unstreitig der einzige Damm, den
+man den Einbrüchen der Kakomonade mit Nutzen
+entgegen setzen kann. Es begnügt sich
+sogar nicht damit, daß es ihre weitern Umsichgriffe
+hemmt, sondern es dringt bis zu
+ihrer Quelle ein. Es greift sie an, drängt,
+und entwurzelt sie. Deßwegen ist es auch bei
+weitem dem Golde vorzuziehn, das nicht
+allein die Krankheiten nicht heilt, sondern
+<!-- page 105 -->
+im Gegentheile die Leichtigkeit vermehret,
+sie alle an sich zu bringen.
+</p>
+
+<p>Wenn man die Augen auf den folgenden
+kurzen Dialog wirft, wird man einen Begriff sowohl
+von seiner Wirksamkeit, als von den
+verschiedenen Arten, es zu zubereiten, und
+von ihren Folgen haben. Zween Männer
+führen das Gespräch. Der Eine davon ist
+eine von den litterarischen Magistratspersonen,
+die man in China Kolaos nennt, und
+die sich die Europäer, ohne davon den zureichenden
+Grund zu wissen, beifallen ließen,
+Mandarine zu nennen. Der zweite ist
+der Sohn meines nochgeehrten Herrn, des
+Herrn Baron von Donnerstrunkshausen. Ich
+hatte das Vergnügen, ihn zu Peking wieder
+anzutreffen, im Jahre unser Heils 1761.
+Er fieng da an zu Würden zu steigen. Er
+hatte mit einem Mandarin vom dritten
+Range folgende Unterredung gepflogen, und
+die Güte, sie mir mitzutheilen.
+</p>
+<!-- page 106 -->
+
+<p>Der Mandarin. &mdash; Guten Tag, Eure
+Hochwürden. Ich ließ mich in meiner lakirten,
+unausgezierten Sänfte hieherbringen.
+Ich habe nur bloß dreißig Reuter bei
+mir, und achtzehn Tambours. Haben Sie
+mich entschuldigt darüber, ich wünschte Sie
+inkognito zu sehen.
+</p>
+
+<p>Der Baron. Wären wir wohl so glücklich,
+Eurer Excellenz dienen zu können?
+</p>
+
+<p>Mandarin. Ja, Sie können mir einen
+großen Gefallen thun.
+</p>
+
+<p>Baron. Wollten Dieselben in der pneumatischen
+Maschine eine Katze den Geist aufgeben,
+oder mit der elektrischen Nadel den
+Donner ableiten sehn?
+</p>
+
+<p>Mandarin. Nein, das führte mich nicht
+her.
+</p>
+<!-- page 107 -->
+
+<p>Baron. Wollten Dieselben einiger Ballen
+roher Seide, einiges alten Porzellan
+los werden, und sie nach Europa schicken?
+Es ist hohe Zeit, Eure Excellenz; ich möchte
+es rathen. Sie werden bald im Preise
+fallen, seit dem erfahrne Chimisten dieses
+Geheimniß entdecket haben.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Das kümmert mich gar
+nicht.
+</p>
+
+<p>Baron. Wollten Sie etwa zur Beichte
+gehn, und auf die Fürbitte des heiligen
+Ignazius von Lojola, des seligen Franziskus
+Regis, des großen heiligen Franziskus
+von Gonzaga, der sich eine feuchte Leinwand
+auf die Brust legte, damit ihm von der Liebe
+Gottes sein Herz nicht in Flammen gerieth,
+Verzeihung Ihrer Sünden erhalten?
+</p>
+
+<p>Mandarin. Ei mein! Von all dem will
+ich nichts. Sie sollen mich bloß nur lehren,
+<!-- page 108 -->
+was für eines Geheimnisses Sie in den andern
+Ländern sich bedienen, wenn Sie die
+&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; haben.
+</p>
+
+<p>Baron. Ach! ach! Eure Excellenz &mdash;
+Wir! &mdash; Die? &mdash; &mdash; &mdash; Pfuy doch! &mdash;
+</p>
+
+<p>Mandarin. Meiner Treue, Eure Hochwürden,
+ich habe sie, ich, &mdash; wie ich mit Ihnen
+rede. Nichts desto weniger habe ich alle meine
+Prüfungen mit Ehren bestanden. Ich
+ward bei dem grossen Konkurse im ersten Jahre
+der Regierung Fontchins aufgenommen.
+Ich führe den Pinsel so gut als Einer im
+Kaiserthume: der Schönheit meiner Schrift
+bin ich meine Stelle schuldig, und doch habe
+ich die &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; Warum sollten nicht auch
+sie sie zuweilen haben?
+</p>
+
+<p>Baron. Aber Eure Excellenz vergessen,
+was für ein Kleid ich zu tragen die Ehre habe.
+Man hat uns wohl in einigen Orten
+<!-- page 109 -->
+vorgeworfen, daß wir dem Menschen viele
+Uibel zufügen; aber eines zu vertrauten Umganges
+mit den Frauenzimmern hat man uns
+nie geziehen.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Bei, meiner Seele! desto
+besser für sie! Daß ich nicht auch immer so
+klug war! So fände ich mich nicht in der
+Verlegenheit, die mir itzt die Ehre Ihrer Gegenwart
+verschaffet. Auf dem letzten Schiffe,
+das Ihnen Purpurtücher, Rosenkränze,
+Uhren, und Orgeln brachte, fand sich ein
+sehr schönes Frauenzimmer. Haben Sie
+nicht von ihr reden gehört?
+</p>
+
+<p>Baron. Kein Wort. Wir kümmern
+uns um so Neuigkeiten nicht. Es maskirt
+sich der Teufel, Eure Excellenz, in dergleichen
+Gesichter.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Mag seyn, aber da ist er
+trefflich verkappt. In dem Augenblicke der
+<!-- page 110 -->
+Ausschiffung befand ich mich eben am Borde.
+Ich sah dieses Frauenzimmer aus der Chalouppe
+steigen. Sie hatte so ein schön
+Stümpfnäschen! Ihre Augenlieder schloß
+sie mit so viel Anmuth! Ihr Mund war so
+schön gespalten, zog sich so angenehm durchschnitten
+von einem Ohre zum andern! Und
+einen Fuß, einen Fuß, Eure Hochwürden!
+&mdash; Mein Daumen hätte ihren ganzen Pantoffel
+ausgefüllt. Ich zweifle, ob man vom
+Flusse der Unmöglichkeit an, bis zum Flusse
+der Vergessenheit, je etwas schöners gesehen
+habe.
+</p>
+
+<p>Baron. Dennoch geht der Raum zwischen
+diesen beiden Flüssen ziemlich in die
+Länge.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Macht nichts. Wie ich
+diesen kleinen Fuß sah, bewunderte ich die
+Oekonomie der Natur. Welche Wonnen,
+sagte ich bei mir selbst, wenn an allen
+<!-- page 111 -->
+Theilen die Verhältnisse genau beobachtet
+sind!
+</p>
+
+<p>Ich wurde bald gewahr, daß die Natur
+dem Falle unterworfen sey, sich zu vergessen,
+und ich wollte wünschen, ich hätte außer
+über diesen Punkt, keine Erfahrung gemacht.
+Die schöne Fremde wurde von einem Bootsknechte
+gehohnneckt. So bald sie wußte,
+ich sey der Gouverneur, bath sie mich um
+Rache. Ich schlug ihr Bedingnisse vor; sie
+nahm sie an. Ich ließ den Bootsknecht abstrafen.
+Ich hielt mich für den glücklichsten
+Menschen. Der arme Teufel hatte die
+P &mdash; &mdash; &mdash;, und ich, geistlicher Vater,
+ich bekam noch viel was ärgers.
+</p>
+
+<p>Baron. Gott straft Eure Excellenz. Er
+will nicht, daß man sich gegen das Weibsvolk
+zu gefällig erzeige. Er hat gesagt: Non
+moechaberis, und Sie leiden billig &mdash; &mdash;
+</p>
+<!-- page 112 -->
+
+<p>Mandarin. Ich weis nicht, geistlicher
+Herr, ob es Gott ist, der mich krank gemacht
+hat; aber das seh ich wohl, daß Menschen
+mich gesund machen müssen. Unsere
+Aerzte wollen mich nicht annehmen; man
+sagt, Sie seyn sehr geschickt; Sind Sie es bis
+auf den Grad, daß Sie mir ein Mittel hierinn
+verrathen können? Ich nehme Ihnen sechs
+und dreißig Dutzend Rosenkränze ab, und
+gebe Ihnen hundert Pfunde Thee Peko, der
+noch nicht gesotten worden seyn soll.
+</p>
+
+<p>Baron. Gut, wollen sehn. Ob wir
+gleich den Krankheiten wenig unterworfen
+sind, so haben wir doch immer allerhand
+Mittel bei uns, so, wie eine Menge anderer
+Dinge, die wir für uns nicht brauchen,
+sondern nur andern zukommen lassen. Hier
+kommts nur darauf an, daß wir eine Heilungsart
+wählen.
+</p>
+<!-- page 113 -->
+
+<p>Mandarin. Mir scheint aber, es wäre
+die bekannteste, und beste anzunehmen.
+</p>
+
+<p>Baron. Das ist bald gesagt; aber halten
+Sie die Wahl für eben so leicht! Von
+allen Arten, die ich kenne, ist keine einzige,
+die nicht durch große Namen, durch starke
+Beispiele, und durch schöne Schlüsse unterstützt,
+und bestritten wäre.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Die Namen, und Schlüsse
+sind nichts. Man muß sich nur an die Beispiele
+halten.
+</p>
+
+<p>Baron. Ja in China. Aber es giebt
+Länder, wo man ganz anders denkt. Wenn
+etwas nur halbwegs nützlich scheint, so fragt
+man sogleich, von wenn das herrühre. Daraus
+zieht man denn in der Folge durch eine
+Kette von Schlüssen den Beweis, daß es
+böse sey; Und giebt man dessen Güte zu,
+so geschieht es immer so spät, als möglich.
+<!-- page 114 -->
+&mdash; Nun, nach welcher Art wollen Sie
+sich behandeln lassen? Durch Frikzionen?
+</p>
+
+<p>Mandarin. Was verstehn Sie dadurch?
+</p>
+
+<p>Baron. Ich nehme ein wenig von jener
+Salbe, die man das Neapolitanum nennt.
+Sie besteht aus Fette, und Merkurius.
+Damit reibe ich Ihnen alle Tage einen gewissen
+Theil des Leibes. Nach vierzig Tagen
+werden sie sich mit einer ölichten Rinde
+überzogen finden, von der Ferse an bis über
+die Achsel, und vom Schulterbeine bis an
+die Fingerspitzen. Sie werden fett, stinkend,
+sich selbst unerträglich seyn.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Aber doch endlich genesen?
+</p>
+
+<p>Baron. Man darf es hoffen.
+</p>
+<!-- page 115 -->
+
+<p>Mandarin. Ist keine Inkonvenienz dabei
+zu fürchten?
+</p>
+
+<p>Baron. Sie vergeben. Ihr Kopf wird
+ungeheuer anschwellen; ihre Zähne werden
+locker werden, und vielleicht ausfallen. Ihr
+Zahnfleisch und die Gurgel werden voll Geschwäre
+seyn. Sie werden eine schreckliche
+Menge Speichel von sich geben. Sie können
+dabei um ein Aug, um einen Arm, um
+ein Bein, oder um das Zäpflein<a href="#footnote-7" id="fnote-7"><sup>7</sup>)</a> kommen,
+wie der höchstheilige König F &mdash; &mdash; E &mdash; &mdash;
+glorreichen Andenkens, und viele andere,
+die, bei weniger Ruhm, kein besseres Glück
+genossen.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Lieber Pater! Ich bedanke
+mich für die Frikzionen.
+</p>
+
+<!-- page 116 -->
+
+<p>Baron. Man könnte sie mäßigen, und
+sie ihnen nur verlöschend beibringen. Man
+müßte Sie immer frottiren, aber sparsamer.
+Sie müßten mir manchmal Milch nehmen,
+um die Wirkung des Merkurs, wenn sie zu
+stark wäre, aufzuhalten. Sie werden weniger,
+spucken, weniger geschwellen, weniger
+stinken. Dieß ist bequemer.
+</p>
+
+<p>Mandarin. In eine Gefahr dabei?
+</p>
+
+<p>Baron. Die größte wäre, daß Sie
+nicht gesund würden.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Oh! oh!
+</p>
+
+<p>Baron. Ohne Widerspruch. Je sanfter
+die Arztnei seyn wird, desto weniger
+wird sie wirken. Die wohlthätigen Kügelchen
+werden in die vom Gifte schwangern
+Theile nicht so tief eindringen können. Dieses
+darf nur ein wenig überflüssig seyn, so
+<!-- page 117 -->
+wird genug davon zurücke bleiben, um Sie
+bald noch ärger zuzurichten, als Sie es sind.
+Fünf oder sechs Jahre nach einigen leichten
+Tagen werden Sie sich neuerdings krank
+befinden, wie ein sehr geschickter Professor
+der Beredtsamkeit an der Universität zu Paris
+sich irgendwo ausdrückt.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Das ist traurig! Ach, mein
+Freund! wer hätte dieß bei dem Anblicke eines
+so kleinen Fusses gesagt?
+</p>
+
+<p>Baron. Reden Sie von ihm nichts Böses:
+nicht er wars, der Sie verwundet hat.
+&mdash; Uibrigens verzweifeln sie nicht. Sie
+könnten auch versuchen, sich zu räuchern.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Wie geschieht dieß?
+</p>
+
+<p>Baron. Sie müßten sich ganz nackt in
+eine Schachtel von Tannenholz setzen, die
+wohl verschlossen würde, und wo Ihnen nur
+<!-- page 118 -->
+der Kopf heraus stünde. Unter das Gesäß
+würde Ihnen eine Glutpfanne mit lebendigen
+Kohlen und Merkurius darauf gesetzt.
+Diese durch das Feuer volatilisirte, und
+durch die Maschine, und einen sie überdeckenden
+großen Mantel rund um Sie zurückgehaltene
+Flüssigkeit würde Ihnen nach und
+nach in die Poros eindringen. Sie würden
+sehr schwitzen, und vielleicht würden Sie
+sich endlich geheilet finden. Man weis Leute,
+denen diese Methode zu Statten kam.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Mir behagt sie nicht. &mdash; &mdash;
+Aber es ist doch sonderbar: Sie sind so ein
+geschickter Mann, und alle Ihre Geheimnisse
+laufen darauf hinaus, Einem den Kopf
+geschwollen zu machen, oder nur eine ungewisse
+Genesung zu verschaffen, oder eine
+Glutpfanne unter den Arsch zu setzen.
+</p>
+
+<p>Baron. Halten Sie, ich bin noch nicht
+fertig. Man könnte Ihnen Panaces, und
+<!-- page 119 -->
+verschiedene Mineralien brauchen; man könnte
+Ihnen einen aufgelösten Merkur, oder
+Gold- und Silbertinkturen geben. Dieß
+alles habe ich nicht: aber unser Bruder
+Apotheker wird Ihnen die Sache machen,
+wenn Sie wollen.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Ei zum Plunder lassen
+Sie das, was man thun könnte, bei Seite,
+und sagen Sie mir, was ich thun soll.
+</p>
+
+<p>Baron. Wollen Sie sich mir vertrauen?
+Sie sehen dieses kleine rothe Schächtelchen<a id="corr-7"></a>;
+an Ihrer Stelle würde ich mich an dieses
+halten.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Es sind eine Menge graue
+Kügelchen darinnen. Wie heißen Sie die?
+</p>
+
+<p>Baron. In Europa nennt man sie Kaiserpillen.
+Herr Kaiser ist ein deutscher Praktikus,
+und mein Landsmann, der eine ganz
+<!-- page 120 -->
+neue Komposition gegen die Krankheit, über
+die Sie sich beklagen, erfunden hat. Glauben
+Sie mir, und brauchen Sie sein Rezept.
+Ich will Ihnen dazu die Anleitung geben,
+und Sie werden sicher genesen.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Sind Sie dessen auch gewiß?
+</p>
+
+<p>Baron. So gewiß, daß ich die hundert
+Pfunde Thee nur erst nach Ihrer Herstellung
+verlange.
+</p>
+
+<p>Mandarin. Ich verlasse mich auf Ihr
+Wort. Ich will mich an die rothen Schächtelchen
+halten. Wohlan, ich will meine
+Kur auf der Stelle anfangen. Sie haben
+von meiner Erkenntlichkeit Alles zu erwarten.
+</p>
+<!-- page 121 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-15">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Dreizehntes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Erstaunliche Progressen der Kakomonade.
+Mittel, sich ihrer zu entledigen.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">M</span>an hat hier oben gesehen, daß die Gesellen
+Seiner Hochwürden des Herrn Baron
+von Donnerstrunkshausen, das Geheimniß
+und den Namen des Herrn Kaiser mit dem
+Blitzpulver, den Agnus Dei, und den Bataverthränen
+bis in China brachten. Man
+hörte ihn in wenig Worten diesen so berufenen
+Pillen ihre Lobrede halten, und seinem
+Proseliten ihren Gebrauch anempfehlen.
+Dieß scheint ein Bißchen demjenigen zu widersprechen,
+was wir im zehnten Kapitel
+sagten. Da findet man, daß alle ersonnenen
+<!-- page 122 -->
+Hilfsmittel sehr wenig ergiebig, und
+unzureichend seyn.
+</p>
+
+<p>Allein wir sprachen von ihrer Unzureichlichkeit
+in Rücksicht des Menschengeschlechts
+im Allgemeinen, in Rücksicht der Totalität
+der Zufälle, die sie im Allgemeinen, und
+nicht im Bezuge auf jedes einzle Individuum,
+zu fürchten haben. Gewiß ists, daß
+man so glücklich war, die Partikuliers wieder
+herzustellen. Man wäscht sie von dem
+Unrath, den sie unvorsichtig an sich gezogen
+haben, ab; man nimmt ihnen, was sie bekamen;
+man giebt ihnen wieder, was sie
+verloren, sogar die Unschuld beinah, die,
+gleich der Gelegenheit, nur von vorne behaaret
+ist, und die man, wenn man sie einmal
+entwischen ließ, nicht mehr erhaschet.
+</p>
+
+<p>Aber das menschliche Geschlecht wird
+darum nicht weniger angegriffen. Die Kakomonade,
+der Hyder in der Fabel gleich,
+<!-- page 123 -->
+verlor kaum einen Kopf, als sie dafür schon
+andre zehn erhält. Unterdessen, als hundert
+Kranke sich bemühen, ihrer los zu werden,
+so suchen sie tausend begierig auf, so, daß,
+trotz den Fluthen von Quecksilber, mit denen
+man Europa überschwemmt, die Nothwendigkeit
+seines Gebrauchs mit jedem Tage
+dringender, und empfindlicher wird. Man
+wird nie so glücklich seyn, sich davon zu befreien,
+außer das Ungeheuer, das uns das
+Eingeweid auffrißt, wird mit Einem Streiche
+zermalmet. Sie ist, wie wir sagten,
+eine Hyder, die sich eben durch ihren Verlust
+vervielfältigt. Um sie auszurotten, muß
+man mit einemmale alle ihre Köpfe abhauen.
+Um sie zu hindern, nachzuwachsen, muß
+man auf der Stelle Schwert und Feuer dagegen
+brauchen.
+</p>
+
+<p>Die Regierungen werden, so bald sie
+das Herz haben werden, es zu wollen, Herkulesse
+werden, im Stande, diese heroische,
+<!-- page 124 -->
+und heilsame Operation auszuführen. Hierzu
+wird es von ihrer Seite nur darauf ankommen,
+Vorsichten, die man für diesen
+Gegenstand schon lange getroffen hat, und
+die durch die Einstimmigkeit der alten Völker
+in viel minder wichtigen Gelegenheiten
+autorisirt worden sind, wieder zu erneuern
+und vorzüglich auf ihre Ausführung zu wachen.
+</p>
+
+<p>Die Aussätzigen bei den Juden waren
+aus dem Umkreise der Städte verbannt. Todesgefahr
+drohete denjenigen, die es wagten,
+sich hinein zu begeben. Man nahm ihnen
+die Verwaltung der Geschäfte ab. Man
+sonderte sie von der menschlichen Gesellschaft
+aus; und ob es gleich ein Vorzug ihres
+Staates war, das Band der Ehe, wie mans
+gesehen hat, fester zu knüpfen, so foderte
+man doch, daß sie ihre Gaben, und ihr Jücken
+weiter tragen sollen.
+</p>
+<!-- page 125 -->
+
+<p>Diese weise Politik ward in der Folge
+in allen Ländern, denen ihre Erhaltung nahe
+gieng, nachgeahmet. Selbst in Frankreich
+gebrauchte man sich ihrer Anfangs gegen
+den Aussatz, als es diesem gefiel, von
+den Gestaden des todten an die des mittelländischen
+Meeres zu übersiedeln, und er
+sich vom Jordan an die Seine begeben hatte.
+Man dachte ihrer auch in der Folge bei der
+ersten Ausschiffung seiner Nebenbuhlerinn
+aus Amerika. Die unermüdlichen Obrigkeiten,
+welche für die Ruhe, und Sicherheit
+der Bewohner von Paris Sorge tragen,
+ließen gegen dieses Erzeugniß von St. Domingo
+die strengsten Verordnungen ergehn.
+Sie verbothen die Uibermachung desselben
+in das Innere der Stadt, und suchten die
+schleunige Ausfuhr damit zu erleichtern. Vor
+dem Jahre 1498. findet man Polizeiverordnungen,
+die diesen Gegenstand zum Ziele
+haben.
+</p>
+<!-- page 126 -->
+
+<p>Sie gebieten allen Personen, welche eines
+Verständnisses mit der Prinzessin von
+Amerika verdächtig sind, jedermann, wer es
+immer sey, der sich durch ihre Listen überraschen
+ließ, binnen vier und zwanzig Stunden
+Paris zu verlassen bei Strafe des
+Strangs. Man berichtet, daß sich bei dem
+Thore, bei welchen ihnen geboten wäre, hinauszugehn,
+Austheiler finden werden mit
+dem Auftrage, Jedermann vier Pariser
+Sols zu reichen, um sie wegen der Reisekosten
+zu entschädigen. Selbst die Reichen,
+und die Eingebornen des Lands werden von
+den Strassen ausgeschlossen unter der Strafe,
+wenn sie betreten würden, in den Fluß
+geworfen zu werden<a href="#footnote-8" id="fnote-8"><sup>8</sup>)</a>. Man sperrt sie, wenn
+sie Häuser haben, darinnen, und wenn sie
+keine Häuser haben, in öffentlichen, zu diesem
+<!-- page 127 -->
+Gebrauche bestimmten Gebäuden ein. Man
+übernimmt die Last, sie mit Lebensmitteln,
+und mit allem Beistande zu versehen, den
+ihr Zustand fordert, bis sie das Joch der
+Feindinn abgeschworen haben, und sich in
+einem Stande befinden, in der Gesellschaft
+auftreten zu können, ohne zu erröthen, oder
+ihr Unruhe zu machen.
+</p>
+
+
+<p>Das sind die Verordnungen, die man,
+doch mit einigen Modifikazionen, wieder in
+den Schwang zu bringen eilen muß. Es ist
+sehr wohl gethan, daß man alle jene, die,
+nach einer bestimmten, zu den Reinigungen
+einberaumten Zeitfrist, mit Unreinigkeit zu
+erscheinen wagen werden, mit dem Strange
+bestraft. Aber genug wär es nicht, wenn
+man ihnen vier Parisersols zu ihrer Reise
+geben wollte. Alles, was man damit gewinnen
+würde, wäre, daß sie die Kakomonade
+Jeder in seinem Lande zu pflanzen abgeschickt
+würden. Sie würde sich da vervielfältigen,
+<!-- page 128 -->
+wenn das Land ihrer Verbreitung
+nur ein wenig günstig wäre. Die Früchte
+davon würde man sehr bald in einem
+Schwalle gegen die Hauptstadt zurückfließen
+sehn.
+</p>
+
+<p>Es ist also nicht damit gethan, daß man
+die Unterthanen der Fremden ausjagt. Man
+thut viel sicherer, und viel vernünftiger,
+wenn man sie dieser lästigen Unterthänigkeit
+entreißt. Man muß ihnen Freistätten eröffnen,
+wo sie sich ohne Zwang in Freiheit
+sehen können, und wo die Leichtigkeit, ihre
+Bande zu zerbrechen, in ihnen hierzu das
+Verlangen erwecket. Man muß in jeder
+Stadt, oder in, jedem Flecken, einen beträchtlichen
+Ort, ein Haus errichten, wo
+jeder Büsser, er sey wer er wolle, aufgenommen,
+und zur Busse zugelassen werden
+könne. Man muß da die Freiheit haben,
+zu zahlen, oder nicht zu zahlen, bekannt,
+oder unbekannt zu bleiben. Man muß den
+<!-- page 129 -->
+Eintritt darein allen Leuten, von allen Altern
+und Ständen, sogar in Masken, wenn
+sich solche darstellen, gestatten. Da es im
+Wesentlichen nicht das Gesicht ist, das der
+Hilfe bedarf, so erhellet, daß die Krankenwärter,
+um denen, die ihren Beistand suchen,
+zu helfen, ihre Gesichter nicht zu kennen
+brauchen.
+</p>
+<!-- page 130 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-16">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Vierzehntes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Antwort auf einige Einwürfe, die
+man gegen die Mittel, die Kakomonade
+zu unterdrücken, machen könnte.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">O</span>hne Zweifel wird man gegen diese Einrichtung
+Lärmen erheben. Man wird sagen,
+zu einer Zeit, wo der Staat kein Gold hat,
+um seine Bedürfnisse zu bestreiten, könnte
+er für diese seine Glieder unmöglich so das
+Quecksilber verschwenden. Die so reden
+möchten, wären wohl ziemlich grausame Politiker,
+oder Räsonneurs, die von der ächten
+Oekonomie ziemlich schlecht unterrichtet
+wären.
+</p>
+<!-- page 131 -->
+
+<p>Wenn zu Marseille die Pest wäre, würde
+wohl die Dürftigkeit des Staats hindern,
+Trouppen marschiren zu lassen? Würde man
+kein Geld finden, das man dahin senden
+könnte, entweder der Stadt zu Hilfe zu
+kommen, oder die Gemeinschaft mit ihr
+abzuschneiden? Nun ist die Kakomonade
+aber wirklich noch viel schlimmer, als die
+Pest.
+</p>
+
+<p>Diese greift nur das gegenwärtige Geschlecht
+an; jene vernichtet, oder entächtet
+wenigstens fast immer sich auch die zukünftigen
+Geschlechter. Die Eine nimmt einen
+schrecklichen Anfang; die Klugheit kann sich
+davor verwahren; man hat gewisse Vorsichten,
+um sie abzuhalten. Die andere ist immer
+vom Vergnügen begleitet; sie macht ihren
+Anfang mit der Verblendung der Klugheit,
+und ihr Ende mit ihrem Untergange.
+Sie hat also viel mehr Leichtigkeit, sich auszubreiten.
+Sie zieht viel traurigere Folgen
+<!-- page 132 -->
+nach sich. Sie heischt daher von den Regierungen
+eine viel größere Sorgfalt.
+</p>
+
+<p>Diese Sorgfalt würde eben nicht so kostspielig
+seyn, als man sich einbildet. Erstlich
+hat man die Aussätzigenhäuser der Alten,
+von denen man die Stiftungen, und das
+Bauwerk zu diesem nützlichen Gegenstande
+annehmen könnte. Dieß hieße den Sinn
+der Stifter befolgen. Die Kakomonade hat
+die Stelle des Aussatzes angenommen. Sie
+muß die Früchte dieses reichen Nachlasses
+beziehen. Man kann ihr ihre Ansprüche
+nicht streitig machen.
+</p>
+
+<p>Uiberdieß, wer zweifelt, daß bei dem
+ersten Gerüchte von diesem Vorschlage nicht
+das allgemeine Mitleid erwachen werde?
+Wie viele Fürsten der Kirche, wie viele
+wachsame Hirten, würden sich mit einem
+uneigennützigen Eifer bestreben, eine Zufluchtsstätte
+gegen Uibel zu schaffen, worunter
+<!-- page 133 -->
+sie leiden, sobald ihre Schäflein davon
+angegriffen sind? Wie viele andächtige
+Schwestern würden nicht ihrem Beispiele
+folgen! Mit welcher Beredtsamkeit würden
+nicht die Direktoren die Nothwendigkeit predigen,
+Einrichtungen zu vervielfältigen, die
+bestimmet sind, Schwachheiten zu verbergen,
+oder die Kraft wieder in den Stand zu setzen,
+ohne Gefahr ihres Gleichen hervorzubringen!
+Gewiß ists, diese Zufluchtsörter würden in
+kurzer Zeit, so wie die volkreichsten, auch
+die begütertsten Häuser im ganzen Königreiche
+seyn. Sie würden bald der bequemste
+Stappelort seyn, um das Joch der Kakomonade
+abzulegen, so wie L &mdash; &mdash; &mdash; bisher
+der sicherste gewesen ist, sich dasselbe aufzubürden.
+</p>
+
+<p>Die Leichtigkeit des ersten Verfahrens
+würde die Weigerung, sich dahin zu verstehen
+zum Verbrechen machen. Die Gerechtigkeit
+würde nur nach aller Billigkeit handeln, wenn
+<!-- page 134 -->
+sie gegen jene, die davon überwiesen wären,
+die Todesstrafe verhängte. Unterdessen giebt
+es zarte Herzen, bei denen die Sanftmuth
+in Schwachheit übergeht. Sie werden sich
+über diese strenge Verordnung entrüsten, sie
+werden zwischen der Strafe und dem Verbrechen
+kein Verhältniß sehen.
+</p>
+
+<p>Es ist so süß, so natürlich, werden sie
+sagen, die Gefahren zu wagen, derer Folge
+sie ist. Sollt es gerecht seyn, den Irrthum
+eines Augenblicks mit einer so schmählichen
+Züchtigung zu ahnden? Sollte man sich entschließen
+können, gegen ein vernünftiges
+Wesen den Tod zu verhängen, weil es seines
+Lebens nicht ordentlich genoß? Was
+man ihnen antworten könnte, ist dieses.
+</p>
+
+<p>Ich gebe Ihnen zu, meine Herrn! mein
+Rath mag strenge scheinen. Aber untersuchen
+Sie, was unter Ihren Augen vorgeht.
+Wer sind jene Armseligen, die sie dort mit
+<!-- page 135 -->
+den rothen Kappen auf den Galeeren sehn?
+Wer sind jene, derer Hinrichtung so viel
+Volks auf den freyen Platz spornt? Unter
+ihnen befinden sich Leute, die Schwärzer,
+Betrüger waren. Das Gesetz waffnet sich
+mit einer unbeugsamen Schärfe, und verurtheilt
+sie ohne Barmherzigkeit!
+</p>
+
+<p>Nun ich bitte Sie, giebt es wohl eine
+schrecklichere Schwärzerei, als die Kakomonade?
+Kann man die Einführung ihrer
+Geschenke mit der Einführung eines Holländertobaks
+oder Spaniols in Vergleichung ziehen?
+Die Kutzenelle, so roth sie ist, kann
+sie die Vergleichung mit gewissen Purpurknöpfchen
+ertragen, welche die Ehrbarkeit
+nicht nennen läßt.
+</p>
+
+<p>Wenn Sie ohne Anstand arme Leute,
+die Ihnen für wohlfeilen Preis weis nicht
+welch braunen, gelben, oder feuerfarbenen
+Staub brachten, rudern lassen, hängen und
+<!-- page 136 -->
+rädern; was sind Sie wohl denen schuldig,
+welche sich erdreusten, die Quelle der Vergnügungen
+zu vergiften? Was werden Sie jenen
+Frevlern nicht anthun, die es wagen,
+in das Heiligthum der Wohllust Betrübnis,
+und Thränen in die Wohnung der Freude zu
+bringen?
+</p>
+
+<p>Die aufgeklärte Menschheit gebietet ohne
+Zweifel ihre Bestrafung zum Wohle der
+leidenden Menschheit. Man muß alle ohne
+zu schwanken eine bestimmte Zeit festsetzen,
+nach welcher Niemand mehr angenommen
+werde, der sich angiebt, mit einem Ungemache
+behaftet zu seyn, wovon er sich wird
+haben entledigen können. Man muß die
+Kakomonade wie eine ausländische Waare
+ansehen, und die, bei denen sie gefunden
+wird, ohne Barmherzigkeit konfisziren.
+</p>
+<!-- page 137 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-17">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Fünfzehntes Kapitel.</h2>
+
+<h3 class="sub">Nöthige Vorsichten gegen die Wiederkunft
+der Kakomonade, und
+Schluß des Werks.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">A</span>ber auch damit wär es nicht gethan, daß
+man die verdächtigen Wirkungen hemmte.
+Man müßte auch Vorkehrungen treffen, ihren
+Eingang zu verhindern. Man müßte
+Amtsstuben, Gerichtsdiener, und Wächter
+haben, die über Paquette, wo diese traurige
+Gattung Kontrebandwaaren sich verbergen
+läßt, zu wachen hätten; und für dieß habe
+ich gesorgt.
+</p>
+
+<p>Der durch seine große Nase berufene
+Kaiser Heliogabal oder Elagabal, sagt man,
+habe einen Frauenzimmersenat errichtet.
+<!-- page 138 -->
+Diese erlauchte Gesellschaft hatte über alle
+weiblichen Angelegenheiten zu richten. Vor
+ihr brachte man all die kleinen Zänkereien,
+die häuslichen Klätschereien, die Uiberwerfungen
+der Verliebten an. Sie gab auch den Ausschlag
+über die Moden, den Haarputz, und
+den Anzug von allen Arten. Diese Politik,
+wünschte ich, sollte man in Paris, in ganz
+Frankreich, ja sogar in ganz Europa nachahmen
+können.
+</p>
+
+<p>Uiberall hat man da einen Haufen Wachen
+aufgestellt, um für die Vortheile der
+Pächter die Aufsicht zu tragen. Man erblicket
+Ketten von Aufsehern, die sich von allen Seiten
+die Hände reichen, am die Betrüger hindann
+zu halten, und ihre Schlauigkeit zu überlisten.
+Es besteht das innigste Band unter
+den Rotten, welche die Grenzen und die
+reichen Gesellschaften beschützen, die im Mittelpunkte
+die Früchte ihrer Sorgen ärnten.
+Könnte man diese Polizei nicht auch bei der
+<!-- page 139 -->
+Einrichtung, von der hier die Rede ist, sich
+zum Muster nehmen?
+</p>
+
+<p>Man bildete in den Hauptstädten Büreaux
+von einer Anzahl unterrichteter Mädchen,
+die im *&nbsp;*&nbsp;* sich Erfahrungen gesammelt
+hätten. Sie wären weder die drei Grazien,
+noch die neun Musen. So könnte man sie
+aus vierzig, wie die Academie Française,
+oder aus sechzig, wie die allgemeine Pachtung,
+zusammensetzen. Den Eintritt dazu
+hätten nur die besten Erfahrungen. Die Geübtesten
+in den Geschäften des Magazins,
+die Vertrautesten mit den Kennzeichen des
+Betrugs, und also die bei allem Scharfsinne
+der Schleichhändler Geschicktesten, sie
+zu entdecken.
+</p>
+
+<p>Nach Art dieses Hauptamts bildete man
+sonderheitliche in den Städten der Provinz,
+und auf allen Strassen; welches zwischen dem
+Haupte und den Gliedern eine eben so nützliche
+<!-- page 140 -->
+als lehrreiche Korrespondenz unterhalten
+würde. Diese fruchtbaren Versammlungen
+hielten alle Tage des Morgens und Abends
+ihre Sitzungen. Jeder Fremde, der an der
+Gränze ankommt, wäre gehalten, da seinen
+Ausweis zu machen.
+</p>
+
+<p>Hier würde er ohne Schonung untersuchet.
+Man würde ihm nach seinem Zustande,
+einen Geleitsbrief ausfertigen, oder die verbotene
+Waare unter Siegel verzeichnen, damit
+man nicht eher davon Gebrauch machen
+könne, bis sie im Rekonwaleszentenhause,
+wohin sie abgegeben würde, ausgeräuchert
+wäre.
+</p>
+
+<p>Von dieser Zeremonie wäre das schöne
+Geschlecht nicht ausgenommen. Anfangs
+würde sie lästig scheinen; man würde sich
+aber bald daran gewöhnen. Hat man sich
+doch gewöhnt, vor jedem Thore grobe, und
+manchmal treulose Hände ins Felleisen spazieren,
+<!-- page 141 -->
+alles darinn umkehren, und was da
+verschlossen war, oft unwiederbringlich verderben
+zu sehn. Es würde nicht lange brauchen,
+um sich zu gewöhnen, linke Hände zu
+fühlen, die eine lange Uibung abgerichtet
+hätte, noch dazu ihre Berührungen angenehm
+zu machen.
+</p>
+
+<p>Es ist anzumerken, daß man durch eine
+solche Zusammensetzung eines Amtes von aufgeklärten,
+und dafür bekannten Frauenzimmern
+den Ungemächlichkeiten vorbeugen würde,
+die aus jeder andern Administrazion entstünden.
+Kein Frauenzimmer dürfte sich schämen,
+der Untersuchung von Personen ihres
+Geschlechts zu unterliegen; und man würde
+keine Mannsperson finden, die sich weigern
+möchte, sich vor den Augen eines von seiner
+Erfahrung so berufenen Tribunals zu produziren.
+Es fände sich also ganz keine Schwierigkeit.
+Die Schamhaftigkeit, und Gesundheit
+der beyden Geschlechte wäre dadurch in
+<!-- page 142 -->
+Sicherheit vor den Anstössigkeiten, die das
+eine kühn, oder das andere schüchtern machen
+könnten.
+</p>
+
+<p>Das ist also der Entwurf meines Projektes.
+Ich unterziehe es den Einsichten der
+Politiker, die in unserm philosophischen Jahrhunderte
+so zahlreich geworden sind. Ich
+kann versichern, daß ich einzig das allgemeine
+Beste und das Wohl der ganzen Welt, die
+mein Vaterland geworden ist, zum Augenmerke
+hatte. Ich wünsche, daß er unter die Hände von
+Leuten komme, die an der gehörigen Stelle sitzen;
+wünsche, daß ihr persönliches Interesse sie
+bestimme, sich seiner anzunehmen, und dem
+allgemeinen Frommen Hand zu bieten.
+</p>
+
+<p>Was Sie betrifft, mein Fräulein, wenn
+man ihn je annimmt, so wird man nie vergessen,
+daß es Ihr Namen war, unter welchem
+er zum erstenmal erschien. Ganz Paris
+wird Sie laut zur Annahme einer Stelle
+<!-- page 143 -->
+auffodern, deren Ihre Bemühungen sie schon
+so würdig machten. Mit einer unnennbaren
+Freude werde ich an der Spitze des erlauchten
+Senats, wovon ich den Plan entwarf,
+Sie glänzen sehn. Sie werden die Aufseherinn
+von den Waffen Zylherens, und die
+Wegweiserinn des Amors werden. Sie
+werden die Jugend lehren, ohne Gefahr auf
+dem stürmischen Ozean der Vergnügungen
+zu segeln, indem Sie ihr mit der Geschicklichkeit,
+die ihnen die Erfahrung giebt, das
+Steuerruder lenken. Sie werden ihr zeigen
+den Klippen auszuweichen, die Ihres Gleichen,
+wie ein großer Mann sagt, oft durch
+ihre Schiffbrüche bezeichnet haben.
+</p>
+<!-- page 144 -->
+
+<h2 class="chapter" id="chapter-18">
+<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="Ornament" /></span>
+Ein Brief
+als ein
+Supplement
+zu diesem Werke.</h2>
+
+<p class="address">An M. L. A *&nbsp;*&nbsp;*.</p>
+
+<h3 class="sub">Uiber die Ursachen, die zu der schrecklichen
+Vermehrung der Kakomonade
+beitragen.</h3>
+
+<p class="first"><span class="firstchar">B</span>isher, lieber Freund, hab ich nur gescherzet.
+Lachend schrieb ich die Geschichte
+von einer der größten Geißeln des menschlichen
+Geschlechtes. Es ist sehr seltsam, daß
+die Gewohnheit es nur den Aerzten erlaubt,
+davon ernsthaft zu reden, und daß, in der
+feineren Welt, die üble Laune nicht die Wirkung
+<!-- page 145 -->
+einer Ursache sein kann, die doch so sehr
+dazu gemacht ist, sie hervor zubringen.
+</p>
+
+<p>Sehr zuverlässig ist dieß die Folge jenes
+seltsamen Durcheinanders, den man in unsern
+Sitten und Gewohnheiten wahrnimmt.
+Sobald Jemanden das Fieber befällt, sobald
+er schlecht geschlafen hat, oder einen Abend
+nicht mit der gewöhnlichen Leichtigkeit ausspuckt;
+gleich sind mit dem nächsten Morgen
+die Bedienten von allen vier Winden in Bewegung;
+sein Thürepocher kommt nimmer
+zur Ruhe, und sein Portier hat nicht Worte
+genug, für all die höflichen Bothen, die aus
+ganz Paris ihn zu fragen kommen, wie der
+Herr diese Nacht sich befunden habe.
+</p>
+
+<p>Ward nun aber der nämliche Mensch
+das Spiel einer jungen Spitzbübinn, &mdash; und
+ach! wie viel giebt es ihrer! &mdash; Bleiben ihm
+nagende Erinnerungen eines zärtlichen Rendezvous;
+sieht er sich bei dem Abschiede aus den
+<!-- page 146 -->
+Armen der Venus gezwungen, einen Gott
+um Hilfe zu flehen, der bei den Alten die
+Gnaden der Göttinn austheilte, der aber
+bei uns zu nichts weiter dient, als sie uns
+aus dem Gedächtnisse zu bringen; da sieht
+man ihn ohne alle Unruhe erbleichen, abzehren,
+und versiechen. Er muß die Sorgfalt,
+die er für seine Gesundheit trägt, verbergen,
+gerade als ob es eine böse Handlung wäre; und
+wenn irgend ein besonderer Freund ihn von Zeit
+zu Zeit befragt, so geschieht dieß immer mit
+einem spöttischen Mitleid, das ihn noch mehr
+demüthigt, als selbst sein Zustand.
+</p>
+
+<p>Ja, wird man sagen, das ist eine Frucht
+der Ausgelassenheit. Die Schande ist ein
+heilsamer Wermuth, den die Wohlanständigkeit
+in dieselbe gießt, um sie den Unvorsichtigen,
+die versucht werden, sie zu pflücken,
+zu verleiden. Dieser scheinbare Widerspruch
+ist ein Zug der Weisheit. Man
+hat große Ursache, Krankheiten, die eine
+<!-- page 147 -->
+unzertrennliche Folge der Schwachheiten
+der Natur sind, zu bemitleiden; aber auch
+nur Verachtung gegen diejenigen blicken zu
+lassen, die einen Mißbrauch ihrer Gutthaten
+verkünden.
+</p>
+
+<p>Ach! lassen Sie uns, mein lieber
+Freund, diesem Gegenstande nicht ins Innre
+dringen. Diese Frucht ist eine Geburt
+der Ausgelassenheit, ich wills glauben, aber
+sie muß dem Hundszahne gleichen, und
+überall ohne Unterschied wachsen, wie dieses
+Kraut, in einem bösen Erdreich sowohl,
+als in einem guten. Man ärntet sie an so
+vielen Orten, die das Wappen der Tugend
+führen, daß man wahrhaftig auf nichts
+schwören darf; und vorzüglich an derlei
+Plätzen sind die Schilde betrügerisch. La
+Fontaine sagte:
+</p>
+
+<div class="poem">
+<p class="line">Unterm Jungfern-Unterröckchen kann</p>
+<p class="line2">Eben so viel Schönheit wohnen,</p>
+</div>
+<!-- page 148 -->
+<div class="poem">
+<p class="line">Als so mancher gute Ehemann</p>
+<p class="line2">Findet unterm Hemde bei Madonnen.</p>
+</div>
+
+<p class="noindent">Aber gestehn Sie es nur ein, daß es, wenigstens
+in unsern Tagen, nicht die Schönheit
+allein ist, die da allenthalben so gleich
+ausgetheilt wohnt; und daß die Ungemächlichkeiten,
+die sie furchtbar machen, mit
+nicht weniger Gleichheit ausgetheilet sind.
+</p>
+
+<p>Doch, das befremdet mich nicht, sondern,
+worüber ich mich wundere, was ich
+nicht begreife, ist die Sicherheit, mit welcher
+wir mitten unter so vielen Gefahren leben.
+Offenbar sehn wir die Kakomonade mit den
+nämlichen Augen an, wie die angesteckten
+Dünste zu Paris, die man daüberall einathmet,
+und an die man sich, trotz ihrer Anpestung,
+gewöhnet: allein zwischen ihnen beiden
+herrscht ein himmelweiter Unterschied.
+</p>
+
+<p>Wenigstens trägt die Polizei doch einige
+Sorge, um das letztere zu mindern: Man
+<!-- page 149 -->
+kehrt die Gassen: man schafft den Mist weg;
+die Arbeit eines Tages macht das verschwinden,
+was die Verzehrung eines Tages von
+Unreinigkeiten hinterlassen hat. Aber ists
+mit dem andern Gegenstande auch so? Leider!
+nein. In Rücksicht desselben trägt man
+entweder gar keine Sorge, oder die, die man
+dafür hat, ist so schwach, daß sie, anstatt
+dem Uibel abzuhelfen, nicht einmal im Stande
+ist, seinen weitern Umsichgriffen Einhalt
+zu thun.
+</p>
+
+<p>Unterdessen ist es hohe Zeit, daß die
+Regierungen aus der Lethargie, worinn sie
+über diesen Artikel zu liegen scheinen, erwachen.
+Mit welcher Ruhe sehn sie nicht
+das Uibel sich reißend um sie her verbreiten!
+Die Bevölkerung, von dieser Pest
+bis auf die Wurzeln angegriffen, verwelkt und
+vertrocknet. Man kann es merken, wie
+das menschliche Geschlecht an Anzahl und
+Stärke abnimmt, Uiberall findet man unzählige
+<!-- page 150 -->
+Menschen, mit denen es soweit kam,
+daß sie die traurigen Gedenkzeichen von den
+Graden ihrer Prüfung, die sie seit ihrer Kindheit
+gleich den Metallen durchwandelten, welche
+die Chemie, so bald sie aus dem Schmelztigel
+kommen, durch gewaltsame Operazionen
+entnaturt, ihr ganzes Leben hindurch behalten.
+</p>
+
+<p>So lange die Krankheit nur in den
+Städten herumgieng, war diese Nachlässigkeit
+noch einiger Maaßen zu entschuldigen.
+Aufgeklärte Politiker konnten weniger davor
+erschrecken, so lange sie nur müssigen Güterbesitzern,
+oder unarbeitsamen Bürgern drohte.
+Vieleicht dürfte man sich noch itzt nicht
+sehr entrüsten, wenn sie sich inner die Mauern
+der Städte beschränkte, wenn sie sich begnügte,
+daselbst die Ausschweifungen einer
+herabgewürdigten Jugend, oder eines schwärmerischen
+Alters zu strafen. Sie griffe dann
+nur Menschen an, die dieses Namens nicht
+<!-- page 151 -->
+werth sind, und dieß wäre für das menschliche
+Geschlecht ein kleiner Verlust.
+</p>
+
+<p>Aber zum Unglücke bindet sie sich hieran
+nicht; und fällt sehr oft in die Dörfer hinaus.
+Da greift sie unsern armen Stamm
+unter dem Strohdach an, das doch noch etwas
+seinen Adel, und seine Kraft erhält.
+Sie findet keine Schwierigkeit, sich da niederzulassen.
+Die Unwissenheit, und vor allen
+die Armuth erleichtern die Gefälligkeiten,
+durch die sie sich fortpflanzt, und verbannen
+hiemit die Mittel, die sie unterdrücken könnten.
+</p>
+
+<p>Die Zeit ist vorbei, wo man das Land
+als den Freiort der Unschuld, als die Zufluchtsstätte
+schuldloser Ergötzungen ansehn konnte.
+Mit Rechte lobten unsre alten Dichter seine
+Schönheiten, und Annehmlichkeiten; sie
+rühmten die Sicherheit der Wälder, die es
+umgeben; das Grün der Matten, die es
+<!-- page 152 -->
+schmücken; die Klarheit der Gewässer, die
+es befeuchten, die Blüthe der Nymphen, die
+es verschönern. Die unsrigen sieht man so
+was nicht mehr thun.
+</p>
+
+<p>Nicht, als ob wir nicht auch noch Wälder,
+Gewässer, Matten, und Nymphen hätten:
+aber bei uns ists keine Diana mehr, die
+in unsern Wäldern jaget; keine Venus mehr,
+die sich in unsern Bächen bespiegelt; keine
+Flora, die in ihrem Laufe auf dem Grase
+ausglitscht. Die Stelle dieser Göttinnen hat
+die Kakomonade eingenommen. Alles, was
+vormals diente, die Vergnügungen, zu umschleiern,
+und zu vergrößern, dient nun unter
+ihren Händen zu nichts mehr, als nur
+die Gelegenheiten zur Reue zu vermehren;
+und wenn noch ein kühner Faun es wagt,
+die Schäferinnen ins Gehölze zu verfolgen,
+so fühlt er sich bald mit einer ganz andern
+Wunde geschlagen, als wie sie Amors Pfeile
+schlugen.
+</p>
+<!-- page 153 -->
+
+<p>Welche Macht könnte doch eine so traurige
+Metamorphose in Gegenden verursachen,
+die von dem Verderbnisse so entfernt
+sind? Wie kann da jenes der Schein der Tugend
+verhüllen, was anderswo nur die Folge
+der Ausgelassenheit ist? Wie geht es doch
+zu, daß oft die Simplizität selber denen gefährlich
+wird, die sich schmeicheln, sie zu
+mißbrauchen? Man kann hiervon drei sehr
+dunkle, aber sehr wirksame Ursachen angeben,
+welche die Hauptbeweggründe der Verwüstung
+sind, welche die Kakomonade auf dem
+Lande hervorbringt.
+</p>
+
+<p>Die erste davon ist jene ungeheure Anzahl
+Kinder, die mit jedem Tage aus den
+großen Städten fortziehn, um sich auf viele
+Meilen in die Runde, auszubreiten. Sie begehren
+da von ihnen gemietheten Nährmüttern
+jenen Beistand, den ihnen die Eltern,
+von denen sie das Leben haben, versagen.
+Dieß ist oft ein Glück für sie. Sie würden
+<!-- page 154 -->
+das Leben, das sie erst empfiengen, bald verlieren,
+wenn man sie nicht hurtig aus dem
+angepesteten Schoosse entfernte, in welchem
+sie es schöpften: aber dieses Glück wird sehr
+traurig für den mitleidigen Schooß derjenigen,
+die sich würdigen, sie zu sich aufzunehmen.
+</p>
+
+<p>Für die Milch, die sie daraus saugen,
+strömen sie das Gift darein, vor dem sie
+ihre Unschuld nicht retten konnte. Mit diesem
+Augenblicke wird die eheliche Zärtlichkeit
+ein Netz, worinn der Gatte sehr bald
+sich fängt. Er wird zum Zeitvertreibe mit
+einer Seuche behaftet, die er nicht fürchten
+konnte, da sie für ihn mitten in den Armen
+der Weisheit, und der Fruchtbarkeit entsproß.
+Wenn sich die Merkmaale davon sehen
+lassen, so hält die Schamhaftigkeit öfters
+ihre Entdeckung zurück, und fast immer steht
+die Dürftigkeit der Abhilfe derselben im Wege.
+Die Nothwendigkeit einer mühsamen
+<!-- page 155 -->
+Arbeit vermehret und verschlimmert die
+Symptomen derselben. Die Schwachheit,
+die die Einen mit sich bringen, macht, daß
+die Früchte der andern nicht hinreichen werden.
+Die Bedürfnisse vervielfältigen sich nach
+dem Maaße, nach welchem die Kräfte sich
+verlieren; endlich, wenn die armselige Familie
+eine Zeitlang in Elend und Verzweiflung
+geschmachtet hat, erwartet sie in irgend
+einem Siechenhause ihre Vernichtung.
+</p>
+
+<p>Nicht ein Zug ist hier übertrieben, sondern
+es ist dieß ein sehr wahres, ein sehr lebhaftes
+Gemälde von dem, was sich alle Tage
+um uns herum zuträgt. Man findet keinen
+Dorfpriester, keinen Landjunker in den
+Provinzen, der nicht die Wahrheit davon erkennte.
+Dieß ist die Gestalt der ersten Quelle
+der Entvölkerung der Dörfer, welche die
+Krankheit, von der hier die Rede ist, verursacht.
+</p>
+<!-- page 156 -->
+
+<p>Doch, es sind es nicht die Kinder in der
+Wiege allein, durch die sie sich da einschleicht.
+Auch jene parfümirten Puppen, jene fünf
+und zwanzigjährigen Greise, welche ein
+grausames Loos bei Zeiten reich, und zu
+müssigen Herren gemacht hat, müssen ihr
+mittelbar zu ihren Absichten dienen. Sie
+führen öfters die Langeweile, die sie aufzehrt,
+die Eckelhaftigkeit, die ihnen das
+Herz abdrückt, auf ihren Landgütern mit
+sich spazieren. Aus Furcht, sie möchten in
+diesem neuen Aufenthalte sich selbst gelassen
+sein, sind sie sehr besorgt, all den Prunk,
+und Firlefanz des Luxus, der sie in den
+Städten, aus denen sie sich flüchten, tödtet,
+mit sich dahin nachzuschleppen.
+</p>
+
+<p>Ein zahlreicher Hofstaat, eine prächtige
+Equipage ist ihr Geleite bis in die Mitte der
+ländlichen Einfalt. Es gefällt ihnen, ihre
+groben, und verbordirten Bedienten, die
+sie schlecht bedienen, mitten unter demüthigen,
+<!-- page 157 -->
+und mit Kütteln angethanen Landleuten,
+die sich nur von ferne sie anzublicken, getrauen,
+glänzen zu sehn. Es ist ihnen lieb,
+in den Vorzimmern ihrer Lustschlösser mehr
+unnütze Thunichtse zu zählen, als sie arbeitsame
+Unterthanen auf dem Felde haben.
+</p>
+
+<p>Dieses lächerliche Großthun, dieser unerträgliche
+Stolz wäre doch noch ein leidliches
+Uibel, wenn es nichts weiter schadete,
+als die Kleingeistigteit des Ortsherrn zu
+nähren. Aber was ihn erst wirklich schrecklich
+macht, ist dieß, daß er die Zügellosigkeit
+der Bedienten begünstigt, und die Folgen
+davon ins Unendliche vermehret. Die
+Kakomonade macht sie zu neuen Prometheussen,
+die sie mit ihrer Fackel bewaffnet; auf
+ihren Befehl ziehn sie aus, die Bildsäulen,
+womit das Land erfüllet ist, mit einer verderblichen
+Flamme zu beleben, die sie nicht
+von den Strahlen der Sonne entwendet
+haben.
+</p>
+<!-- page 158 -->
+
+<p>Die drei Viertheile der Menschen, die
+sich bei uns zur Dienstbarkeit verschreiben,
+sind durch ihren Stand Müssiggänger, und
+aus Noth Hagestolze. Eine vollkommene
+Unabhänglichkeit ist das erste Bedingniß,
+welches der Luxus fordert, um sie zu den
+Würden der Livree zuzulassen, und er
+macht diese Forderung nur, um sie sich selbst
+zum Opfer zu bringen. Er will die Herrschaft
+über seine Unterthanen mit Niemandem
+theilen. Er macht Ansprüche über Sklaven
+zu gebieten, die außer ihm keinen Herrn
+haben sollen. Er meint sich hierdurch Unruhen
+zu ersparen. Er bildet sich ein, sich
+dadurch eines hurtigern Dienstes, einer genaueren
+Treue zu versichern.
+</p>
+
+<p>Ich weis nicht, ob er es damit wohl
+macht; was ich gewiß weis, ist, daß dieser
+Haufen arbeitloser, einsamer Bedienten,
+überall, wo er sie nur zu finden glaubt, Gesellschaften
+aufsucht. Ihr Temperament treibt
+<!-- page 159 -->
+sie zu lebhaften Vergnügungen, und ihr Anzug
+bringt sie in Gesellschaften, wo ihnen
+diese leicht gemacht werden. Von dieser
+Seite der Wonnen des Ehestandes beraubt,
+von der andern zur Ausübung seiner Geschäffte
+eingeladen, überlassen sie sich einem
+Umgange, der ihnen seine Vergnügungen
+gewährt, ohne seine Beschwerden zu haben.
+In diesem schändlichen Mißbrauche der Kräfte
+der Natur folgen sie den Absichten, und
+oft dem Beispiele ihrer Herren.
+</p>
+
+<p>Ihr gegenwärtiges Bedürfnis macht sie
+taub für die Folgen der Zukunft. Man
+weis, was man, von der Gattung Weibsleute,
+auf die sie sich beschränken müssen, zu
+erwarten hat, und in kurzer Seit erlangen
+sie die Erfahrung davon. Dadurch werden
+sie kecker, so, wie ein Mensch, dessen Kleid
+schon einmal durchnäßt ist, sich desto weniger
+gegen den Regen sperret. Die Kraft ihrer
+Jugend erhält sie eine Zeitlang. Die
+<!-- page 160 -->
+Schuldigkeit, vor der Herrschaft zu erscheinen,
+oder gar die Mittellosigkeit, wehrt es
+ihnen, auf ihre Heilung zu denken. Sie
+müssen ihrem Herrn überall, wo es seine
+Kaprize immer hin will, folgen, und man
+stellt sich auf seinen Wink, es mag um den
+Körper stehn, wie es wolle. So ist indessen
+der Trupp beschaffen, mit welchem der
+Reiche sich brüstet, auf seiner Herrschaft zu
+erscheinen, wenn er sich würdigt, sie mit
+seiner Gegenwart zu beehren.
+</p>
+
+<p>Ist er nun einmal auf dem Dorfe, so
+sind seine Bedienten, in der Kleidung oft
+besser bestellt, als er, Leute von Wichtigkeit.
+Ihre Borden werden nun ein Ehrenzeichen.
+Sie behaupten unter diesen Leuten
+ohne Widerspruch den vornehmsten Rang,
+und ziehen alle Augen auf sich. Das Prächtige
+ihres Anzugs, ihr Bau, der Vorrang,
+den sie über die Landleute affektiren,
+unterwirft ihnen sehr bald die Mädchen
+<!-- page 161 -->
+auf dem Lande, die auf alles aufmerksam
+sind.
+</p>
+
+<p>Und dann wehe der Tugend, die sich
+mit einem Bißchen Reiz, und Anmuth waffnet;
+wehe der Unschuld, welche die Jugend
+schmücket, und welche die Grazien dieses
+Alters vielmehr schwächen, als beschützen!
+Wie bald ist sie verführt, und vergiftet!
+Die ihrer genoß, &mdash; nichts bleibt der Unglücklichen,
+außer ein unaustilgbarer Jammer,
+und schändliche Schmerzen. Ihr Ende
+ist &mdash; sie bringt, oft ohne es selbst zu
+wissen, dem Hymen Blumen zu, die auf
+ihrem Erdreiche nicht wachsen sollten, und
+die die Liebe auf ewig verbannen, und es
+ist noch ein Glück; wenn sie der Versuchung
+nicht nachgiebt, in die Stadt zu ziehn, um
+mit den Reizen, die sie zu Grunde gerichtet
+haben, ein Gewerbe zu treiben, und die
+Folgen ihrer Schwachheit mit dem Publikum
+zu theilen!
+</p>
+<!-- page 162 -->
+
+<p>So arbeiten denn ungeheure Armeen,
+unter der Uniforme der Sklaverei, daran,
+in den Schlund der Hauptstädte das Gift,
+das darinnen gähret, zurück zu gießen, und
+in diesem Geschäfte muß man ihnen noch eine
+andere Klasse von Sklaven beigesellen,
+die an sich selbst edler, obgleich in der Sache
+selbst sehr wenig in Betrachtung gezogen
+sind; jene Automaten muß man ihnen zugesellen,
+die mit zu dem Machwerk eines so
+genannten Regimentes gehören, und derer
+Ressorts, wenn sie einmal zugenommen haben,
+ihnen eine ziemliche Geschicklichkeit geben,
+eine gewisse Anzahl Bewegungen zu
+machen, die unter dem Namen Exercizien
+bekannt sind.
+</p>
+
+<p>Diese, begabt mit der ausschließenden
+Befugniß, eine Flinte, oder eine Bajonette
+zu führen, haben noch in einem höheren
+Grade jene, überall die traurigen Geschenke,
+von denen wir sprechen, anzunehmen,
+<!-- page 163 -->
+und mitzutheilen Durch ihre Mitwirkung
+dringet sich die Kakomonade in die entlegensten
+Provinzen ein. Sie eröffnen ihr einen
+Weg in Gegenden, wohin selbst das Gold
+kaum einen Eingang findet.
+</p>
+
+<p>Offenbar sind dieses Laster, die sie gegen
+das menschliche Geschlecht begehn; doch
+läßt es sich schwer entscheiden, ob sie dabei
+mehr strafbar, als unglücklich sind. Gewiß
+ists, daß der Ehestand für den Soldaten sich
+nicht schicke. Noch gewisser, daß der Zölibat
+ihm die Ausschweifung nothwendig macht.
+Nicht weniger gewiß ists, daß diese Ausschweifung
+für ihn, und für alle Länder,
+die er durchzieht, die schrecklichsten Folgen
+habe. Um sich davon zu überzeugen, darf
+man nur den Zustand der Plätze, wo Krieg
+ist, und ihre Gegenden umher betrachten.
+</p>
+<!-- page 164 -->
+
+<p>Täglich schleicht sich da, trotz aller Wachen,
+die ihn beobachten, ein verkappter
+Feind hinein. Er herrscht da mit größerer
+Macht, als die Statthalter des Königs. Die
+Wachsamkeit derselben, ihn hindanzuhalten,
+ist unnütz. Er ist sogar mit den Offizieren,
+die man dahin beordern könnte, verstanden.
+Uiber dieß, wie wollte man junge Leute
+hindern, sich einem Gelüste zu ergeben, das
+der Müssigang, aus dem sie sich eine Ehre
+machen, bei ihnen genährt hat? Wie wollte
+man Begierden unterdrücken, die ein, lange
+Zeit, bezähmtes Temperament, oder die
+Gewohnheit der Ausschweifung wüthig gemacht
+hat? Weder die Bestrafung so einer
+Unglücklichen, die sie anpestet, noch die
+langwierigen Peinen, womit sie die Schwachheit
+eines Augenblicks abbüssen müssen, werden
+sie je vor dem Rückfalle bewahren. Ein
+Soldat glaubt, er sei da, um des Gegenwärtigen
+zu genießen: seine Bestimmung ist,
+den Gefahren Trotz zu bieten, und er rechnet
+<!-- page 165 -->
+sichs zum Verdienste an, ihnen in jeder
+Gestalt zu trotzen.
+</p>
+
+<p>Was noch trauriger ist: da sich der
+Soldat so selbst verderbt, verderbt er auch
+andere mit. Er erhält, wie Midas, die
+Eigenschaft, allem, was er berührt, die
+Kraft, die er empfangen hat, mitzutheilen.
+Und so wird eine Armee selbst in Feindes
+Lande dadurch viel verderblicher, als die
+schrecklichste Verwüstung des Krieges. Nicht
+das, was sie daraus fortträgt, sondern das,
+was sie darinnen läßt, schlägt ihm eine unheilbare
+Wunde.
+</p>
+
+<p>Wahr ists; sie empfängt dafür bald ihre
+Strafe. Das Weibervolk dieses Landes
+bewaffnen sich ihrerseits gleichfalls mit der
+Plage, die sie verletzet hat, wie Montesquieus
+Präsident vom Despotismus sagt,
+daß er sich mit seinen eigenen Ketten bewaffnet,
+und dadurch desto schreckbarer wird.
+<!-- page 166 -->
+Damit, schlagen, sie bei ihrem Durchmarsche
+die Soldaten, die sich davor verwahrt, oder
+davon entlediget haben. Dieser mörderische
+Kriegslauf unterhält unter den Truppen
+eine weit furchtbarere<a id="corr-8"></a> Pest, als die best
+eingerichtete Artillerie.
+</p>
+
+<p>Auch dieses wissen alle, die die letzten
+Feldzüge mitgemacht haben. Die deutschen
+Bauerndirnen waren, wie die römischen
+Frauen, die sicherste Vormauer ihres Vaterlandes
+geworden. Die Gefälligkeit der
+kirre gewordenen Hessinnen war mehr zu
+fürchten, als das Schwert ihrer vaterländischen
+Helden. Eine einzige Westphälerinn
+brachte mehr Unordnungen aus, und
+füllte die Spitäler mehr an, als die Armee
+von einem ganzen Detachement Hanovrianer.
+</p>
+
+<!-- page 167 -->
+
+<p>Lieber Freund, sehen Sie hier wirkliche,
+offenbare Thatsachen, an denen sich nicht
+zweifeln läßt. Sie geschehn vor unsern Augen,
+und leider! sind der Zeugen nur zu
+viele, die die Wirklichkeit davon bestättigen
+können. Unter allen den Reformazionsgegenständen,
+womit man sich in diesem philosophischen
+Jahrhunderte beschäftigt, ist
+vielleicht dieser der einzige, woran man nicht
+denkt, da er doch wahrlich der allerwesentlichste
+ist. Die übrigen interessiren nur die
+moralische Glückseligkeit der Menschen, indeß
+dieser sich mit ihrer phisischen Existenz
+befaßt. Die Mißbräuche bei den Finanzen
+und in der politischen Verfassung werden
+ganz gewiß übertrieben. Die Uibel, die daraus
+entstehn, lassen sich vielleicht bezweifeln,
+oder es könnten wenigstens die Verbesserungen
+derselben sehr leicht noch trauriger
+ausfallen. Allein hier stehts mit der
+Sache ganz anders. Das Uibel ist gewiß,
+die Nothwendigkeit, ihm zu steuern, ist dringend,
+<!-- page 168 -->
+und die Anwendung des Heilmittels
+dagegen wäre ohne Widerrede der nützlichste
+Dienst, den man der Menschheit erzeigen
+könnte.
+</p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<h2 class="chapter">Fußnoten</h2>
+
+<p class="footnote" id="footnote-1"><a href="#fnote-1">1) Wörtlich geteutscht die kleine Pocke;
+Die große Verole, ihre Schwester, von
+der sichs hier eigentlich handelt, ist ein
+Frauenzimmer von solcher Artigkeit,
+daß sie sich immer balsamt, und parfümt;
+und von solcher Ehrwürdigkeit,
+daß sie auch den ausgelassensten Lüstling,
+sobald er sie kennen lernt, voll Ehrfurcht
+zurückhält, sich an sie zu wagen.
+Anmerk. des Uibersetzers.
+</a></p>
+<p class="footnote" id="footnote-2"><a href="#fnote-2">2) Eine seltsame, dunkle Verkettung der
+Gedanken! &mdash; Ich müßte zu weitläuftig
+werden, und behalte mir vor, diese, und
+die nachfolgenden Anmerkungen am Ende
+des Werkchens auszuführen. Anm.
+des Uibersetzers.
+</a></p>
+<p class="footnote" id="footnote-3"><a href="#fnote-3">3) Sieh den Kandide, oder die beste Welt,
+4. Kapitel.
+</a></p>
+<p class="footnote" id="footnote-4"><a href="#fnote-4">4) (Anmerkung der Verleger). Im Manuskripte
+steht ein kräftigerer Ausdruck. Sicher
+ist er jener, der unter den Meistern dieser
+Kunst wirklich gebraucht wird. Wir sehen
+ihn hier verhüllet, und so bei, daß man ihn
+nach der zerstreuten Ordnung seiner Bestandtheile
+auch verkennen kann, wenn man will.
+V. I. R. V. S. Wer seine Augen nicht darauf
+wenden will, hat die Freiheit, ihn zu
+übergehen: wer ihn hingegen ohne Schaudern
+besichtigt, kann ihn durchaus an die Stelle
+des Giftes setzen.
+</a></p>
+<p class="footnote" id="footnote-5"><a href="#fnote-5">5) Sieh die gelehrte Abhandlung des Herrn
+A *&nbsp;* de morbis veneris.
+</a></p>
+<p class="footnote" id="footnote-6"><a href="#fnote-6">6) (Anmerkung der Verleger.) Wir dürfen nicht
+bergen, daß dieses Vorgehen des Doktors
+ziemlich offenbar demjenigen widerspricht, das
+ihm sein Geschichtschreiber im 4. Kap. des Optimism
+in den Mund legt. Dieser läßt Herrn
+Pangloß mit den eignen Worten sagen, daß die
+Türken, die Indianer, die Chineser, die Perser,
+die Samiten die F &mdash; &mdash; noch nicht kennen;
+sondern daß es nur lediglich einen zureichenden
+Grund gebe, vermög welchen sie sie
+in einigen Jahrhunderten kennen würden. Das
+ist eine triftige Autorität. Indessen glaubten
+wir doch nicht, daß sie der unsers Manuscripts
+vorzuziehen wäre. Gott behüte, daß wir Herrn
+Ralph eines Irrthums oder einer Untreue beschuldigen
+wollten; aber die Memoires, nach
+denen er gearbeitet hat, konnten nicht genau
+seyn; und über dieß hatte auch sein Held zu
+der Zeit, wo er ihn sprechen läßt, noch nicht
+alle jene Einsichten erlangt, welche ihm neue
+Reisen in der Folgezeit erworben haben.
+</a></p>
+<p class="footnote" id="footnote-7"><a href="#fnote-7">7) Lettres de Gul Patin. let. 133.
+</a></p>
+<p class="footnote" id="footnote-8"><a href="#fnote-8">8) Sieh die registres du Parlement &amp; du Chatelet.
+</a></p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+<p>&nbsp;</p>
+
+<div class="trnote">
+<p class="center"><a id="Anmerkungen"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></a></p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+<p class="noindent">
+Fußnoten wurden am Ende des Bandes gesammelt.
+</p>
+
+<p>&nbsp;</p>
+<p class="noindent">
+Schreibweise und Interpunktion des Originales wurden weitestgehend erhalten.
+Nur in wenigen, klaren Fällen wurden die folgenden Korrekturen vorgenommen:
+</p>
+
+<ul>
+<li> Kanstantinopel &mdash; geändert in <a href="#corr-1"><i>Konstantinopel</i></a></li>
+<li> kønnte &mdash; geändert in <a href="#corr-2"><i>könnte</i></a></li>
+<li> Ungemächlichken &mdash; geändert in <a href="#corr-3"><i>Ungemächlichkeiten</i></a></li>
+<li> ger &mdash; geändert in <a href="#corr-4"><i>der</i></a></li>
+<li> dursuchte &mdash; geändert in <a href="#corr-5"><i>durchsuchte</i></a></li>
+<li> drn &mdash; geändert in <a href="#corr-6"><i>den</i></a></li>
+<li> Schlächtelchen &mdash; geändert in <a href="#corr-7"><i>Schächtelchen</i></a></li>
+<li> fuchtbarere &mdash; geändert in <a href="#corr-8"><i>furchtbarere</i></a></li>
+
+</ul>
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Die Kakomonade, by Simon Nicolas Henri Linguet
+
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+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
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+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
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+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
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