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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 05:23:36 -0700 |
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HTML version by Al Haines. + + + + + + + + + + +Die drei Nüsse + +Clemens Brentano + + + +Daniel Wilhelm Möller, Professor und Bibliothekar zu Altorf, lebte im +Jahr 1665 in Kolmar als Hofmeister der drei Söhne des Bürgermeisters +Maggi. Im Oktober dieses Jahres hatte der Bürgermeister einen +reisenden Alchimisten zum Gaste, und als bei dem Nachtische der +Abendmahlzeit unter anderm Obste auch welsche Nüsse auf die Tafel +gesetzt wurden, sprach die Gesellschaft mancherlei von den +Eigenschaften dieser Frucht. Da aber die drei Zöglinge Möllers etwas +unmäßig zu den Nüssen griffen und sie lustig nacheinander aufknackten, +verwies Möller es ihnen freundlich und gab ihnen folgenden Vers aus +der Schola Salernitana zu verdeutschen auf: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est."--Da übersetzten sie: "Eine Nuß nützt, die +zweite schadet, der Tod ist die dritte." Möller aber sagte zu ihnen, +diese Übersetzung könne unmöglich die rechte sein, da sie die dritte +Nuß längst genossen und doch noch frisch und gesund seien; sie +möchten sich eines Bessern besinnen. Kaum waren diese Worte +gesprochen, als der Alchimist mit Bestürzung plötzlich vom Tische +aufsprang und sich in der ihm angewiesenen Stube verschloß, worüber +alle Anwesende in nicht geringer Verwunderung waren. Der jüngste +Sohn des Bürgermeisters folgte dem Fremden, um ihn auf Befehl seines +Vaters zu fragen, ob ihm etwas zugestoßen sei; da er aber die Türe +verschlossen fand, sah er durch das Schlüsselloch den Fremden auf den +Knien liegen und unter Tränen und Händeringen mehrere Male ausrufen: +"Ah, mon Dieu, mon Dieu!" + +Kaum hatte der Knabe seinem Vater dies hinterbracht, als der Fremde +sich von dem Diener zu einer einsamen Unterredung melden ließ. Alle +entfernten sich. Da trat der Alchimist herein, fiel auf die Knie, +umfaßte die Füße des Bürgermeisters und flehte ihn unter heftigen +Tränen an: er möge ihn nicht vor Gericht bringen, er möge ihn vor +einem schmählichen Tode erretten. + +Der Bürgermeister, heftig über seine Rede erschrocken, fürchtete, der +Mensch möge den Verstand verloren haben, hob ihn von der Erde auf und +bat ihn freundlich: er möge ihm sagen, wie er auf so schreckliche +Reden komme. Da erwiderte der Fremde: "Herr, verstellen Sie sich +nicht, Sie und der Magister Möller kennen mein Verbrechen; der Vers +von den drei Nüssen beweist es: tertia mors est, die dritte ist der +Tod; ja, ja, eine bleierne Kugel war es, ein Druck des Fingers, und +er schlug nieder. Sie haben sich verabredet, mich zu peinigen, Sie +werden mich ausliefern, ich werde durch Sie unter das Schwert kommen." + +Der Bürgermeister glaubte nun die Verrücktheit des Alchimisten gewiß +und suchte ihn durch freundliches Zureden zu beruhigen. Er aber ließ +sich nicht beruhigen und sprach: "Wenn Sie es auch nicht wissen, so +weiß es doch Ihr Hofmeister gewiß, denn er sah mich durchdringend an, +als er sagte: ›tertia mors est‹." Nun konnte der Bürgermeister +nichts anders tun, als ihn bitten, ruhig zu Bette zu gehen, und ihm +sein Ehrenwort zu geben, daß weder er noch Möller ihn verraten würden, +wenn irgend etwas Wahres an seinem Unglücke sein sollte. Der +Unglückliche aber wollte ihn nicht eher verlassen, bis Möller gerufen +war und ihm auch heilig beteuerte, daß er ihn nicht verraten wolle; +denn daß auch er nicht das mindeste von seinem Unglücke wisse, wollte +er sich auf keine Weise überreden lassen. + +Am folgenden Morgen entschloß sich der Unglückliche, von Kolmar nach +Basel zu gehen, und bat den Magister Möller um eine Empfehlung an +einen Professor der Medizin. Möller schrieb ihm einen Brief an den +Doktor Bauhinus und reichte ihm denselben offen, damit er keine Art +von Verdacht schöpfen könne. Er verließ das Haus mit Tränen und +nochmaligem Flehen, ihn nicht zu verraten. + +Im folgenden Jahre um dieselbe Zeit, etwa drei Wochen später, als der +Bürgermeister mit den Seinigen wieder Nüsse aß und sie sich dabei +alle lebhaft an den unglücklichen Alchimisten erinnerten, ließ sich +eine Frau bei ihm melden. Er hieß sie hereintreten; sie war eine +Reisende in anständiger Tracht, sie trauerte und schien vom Kummer +ganz zerstört, doch hatte sie noch Spuren von großer Schönheit. Der +Bürgermeister bot ihr einen Stuhl an, stellte ihr ein Glas Wein und +einige Nüsse vor; aber sie geriet bei dem Anblick dieser Frucht in +eine heftige Erschütterung, die Tränen liefen ihr die Wangen herab: +"Keine Nüsse, keine Nüsse!" sagte sie und schob den Teller zurück. + +Diese ihre Weigerung, mit der Erinnerung an den Alchimisten, brachte +unter den Tischgenossen eine eigene Spannung hervor. Der +Bürgermeister befahl dem Diener, die Nüsse sogleich wegzubringen, und +bat die Frau, nach einer Entschuldigung, daß er ihren Abscheu vor den +Nüssen nicht gekannt, um die Angabe des Geschäftes, das sie zu ihm +geführt. + +"Ich bin die Witwe eines Apothekers aus Lyon", sagte sie, "und +wünsche mich hier in Kolmar niederzulassen. Die traurigsten +Schicksale nötigen mich, meine Vaterstadt zu verlassen."--Der +Bürgermeister fragte sie um ihre Pässe, auf daß er versichert sein +könne, daß sie ihr Vaterland frei von allen gerichtlichen Ansprüchen +auf sie verlassen habe. Sie übergab ihre Papiere, die in der besten +Ordnung waren und ihr den Namen der Witwe des Apothekers Pierre du +Pont oder Petrus Pontanus gaben. Auch zeigte sie dem Bürgermeister +mancherlei Atteste der medizinischen Fakultät von Montpellier, daß +sie im Besitz der Fabrikationsrezepte vieler trefflicher Arzeneien +sei. + +Der Bürgermeister versprach ihr alle mögliche Unterstützung bei ihrer +Niederlassung und bat sie, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen, wo er +ihr Empfehlungen an einige Ärzte und Apotheker der Stadt schreiben +wollte. Als er nun die Frau die Treppe hinauf führte und oben über +den Flur weg, kam dieselbe bei dem Anblick eines kindischen Gemäldes +in eine solche Bestürzung, daß der Bürgermeister fürchtete, sie +möchte an seinem Arme ohnmächtig werden; er brachte sie schnell auf +seine Stube, und sie ließ sich unter bittern Tränen auf einen Stuhl +nieder. + +Der Bürgermeister wußte die Veranlassung ihrer Gemütsbewegung nicht +und fragte sie, was ihr fehle. Sie sagte ihm: "Mein Herr, woher +kennen Sie mein Elend, wer hat das Bild an die Stubentüre geheftet, +an welcher wir vorübergingen?" Da erinnerte sich der Bürgermeister +an das Bild und sagte ihr, daß es die Spielerei seines jüngsten +Sohnes sei, welcher eine Neigung habe, alle Ereignisse, die ihn näher +interessierten, in solchen Malereien auf seine Art zu verewigen. Das +Bild aber bestand darin, daß der Knabe, welcher das Jahr vorher den +Alchimisten kniend und die Hände ringend in dieser Stube: "Ah, mon +Dieu, mon Dieu!" hatte ausrufen hören, diesen in derselben Stellung +und über ihn drei Nüsse mit dem Spruche: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est!" auf eine Pappe gemalt und an die Stubentüre, +wo der Alchimist gewohnt, befestigt hatte. + +"Wie kann Ihr Sohn das schreckliche Unglück meines Mannes wissen?" +sagte die Frau; "wie kann er wissen, was ich ewig verbergen möchte, +und weswegen ich mein Vaterland verlassen habe?" + +"Ihres Mannes?" erwiderte der verwunderte Bürgermeister; "ist der +Chemiker Todénus Ihr Mann? Ich glaubte nach Ihrem Passe, daß Sie die +Witwe des Apothekers Pierre du Pont aus Lyon seien." + +"Die bin ich", entgegnete die Fremde, "und der Abgebildete ist mein +Mann, du Pont; mir zeigt es die Stellung, in welcher ich ihn zuletzt +gesehen, mir zeigt es der fatale Spruch und die Nüsse über ihm." + +Nun erzählte ihr der Bürgermeister den ganzen Vorfall mit dem +Alchimisten in seinem Hause und fragte sie, wie er sich befinde, wenn +er wirklich ihr Mann sei, der vielleicht unter fremdem Namen bei ihm +gewesen wäre. + +"Mein Herr", erwiderte die Frau, "ich sehe wohl, das Schicksal selbst +will, daß meine Schmach nicht soll verborgen bleiben; ich erwarte von +Ihrer Rechtschaffenheit, daß Sie mein Unglück nicht zu meinem +Nachteil bekanntmachen werden. Hören Sie mich an. Mein Mann, der +Apotheker Pierre du Pont, war wohlhabend; er würde reich gewesen sein, +wenn er nicht durch seine Neigung zur Alchimie vieles Geld +verschwendet hätte. Ich war jung und hatte das große Unglück, sehr +schön zu sein. Ach, mein Herr, es gibt schier kein größeres Unglück +als dieses, weil keine Ruhe, kein Friede möglich ist, weil alles nach +einem verlangt und verzweifelt und man in solche Bedrängnisse und +Belagerungen kömmt, daß man sich manchmal gar, nur um des ekelhaften +Götzendienstes los zu werden, dem Verderben hingeben könnte. Eitel +war ich nicht, nur unglücklich; denn ich mochte mich auch absichtlich +schlecht und entstellend kleiden, so wurde doch immer eine neue Mode +daraus, und man fand es allerliebst. Wo ich ging und stand, war ich +von Verehrern umgeben, ich konnte vor Serenaden nicht schlafen, mußte +einen Diener halten, die Geschenke und Liebesbriefe abzuweisen, und +alle Augenblick mein Gesinde abschaffen, weil es bestochen war, mich +zu verführen. Zwei Diener in der Apotheke meines Mannes vergifteten +einander, weil ein jeder von ihnen entdeckt hatte, daß der andere ein +Edelmann sei, der aus Leidenschaft zu mir unter fremdem Namen in +unsre Dienste gegangen war. Alle Leute, die in unsrer Offizin Arznei +holten, waren dadurch schon im Verdacht, liebeskrank zu sein. Ich +hatte von allem diesem nichts als Unruhe und Elend, und nur die +Freude meines Mannes an meiner Gestalt hielt mich ab, mich an meiner +Larve zu vergreifen und mich auf irgendeine Weise zu entstellen. Oft +fragte ich ihn, ob er denn an meinem Herzen und guten Willen nicht +genug habe; er möchte mir doch erlauben, mein Gesicht, das so vieles +Unheil stifte, durch irgendein beizendes Mittel zu verderben. Aber +er erwiderte mir immer: ›Schöne Amelie! Ich würde verzweifeln, wenn +ich dich nicht mehr ansehen könnte; ich würde der unglücklichste +Mensch sein, wenn ich den ganzen Tag in meinem rußigen Laboratorium +vergebens geschwitzt habe und meine Augen abends nicht mehr an deinem +Anblick erquicken könnte. Du bist der einzige klare Punkt in meiner +finstern Bestimmung, und wenn ich alle meine Hoffnung habe nach +schwerem Tagewerk zum Rauchfang hinausfliegen sehen, tritt mir alle +meine Hoffnung am Abend in deiner Schönheit wieder entgegen.‹ Er +liebte mich zärtlich, aber Gott segnete unsre Liebe nicht, wir hatten +keine Kinder. Als ich ihm meine Trauer hierüber einst sehr lebhaft +mitteilte, ward er finster und sprach: ›So Gott will und mir nicht +alles mißlingt, wird uns auch diese Freude werden.‹ An einem Abend +kam er spät nach Hause, er war ungewöhnlich froh und gestand mir, daß +er heute mit einem sehr tief eingeweihten Adepten sich unterhalten +habe, der einen lebhaften Anteil an ihm und mir zu nehmen scheinen +und unsre Wünsche würden bald erfüllt werden. Ich verstand ihn nicht. + +Nach Mitternacht erwachte ich durch ein Geräusch; ich sah meine ganze +Stube voll fliegender, leuchtender Johanniskäfer; ich konnte nicht +begreifen, wie die Menge dieser Insekten in meine Stube gekommen sei; +ich erweckte meinen Mann und fragte ihn, was das nur zu bedeuten habe. +Zugleich sah ich auf meinem Nachttische ein prächtiges +venetianisches Glas voll der schönsten Blumen stehen und daneben neue +seidene Strümpfe, Pariser Schuhe, wohlriechende Handschuhe, Bänder +und dergleichen liegen. Mir fiel ein, daß morgen mein Geburtstag sei, +und glaubte, mein Mann habe mir diese Galanterie gemacht, wofür ich +ihm herzlich dankte. Er aber versicherte mir mit den heiligsten +Schwüren, daß diese Geschenke nicht von ihm herrührten, und die +heftigste Eifersucht faßte zum erstenmal in ihm Wurzel. Er drang +bald auf die rührendste und dann wieder heftigste Weise in mich, ihm +zu erklären, wer diese Dinge hierher gebracht; ich weinte und konnte +es ihm nicht sagen. Aber er glaubte mir nicht, befahl mir +aufzustehen, und ich mußte mit ihm das ganze Haus durchsuchen, aber +wir fanden niemand. Er begehrte die Schlüssel meines Schreibepultes, +er durchsuchte alle meine Papiere und Briefschaften, er entdeckte +nichts. Der Tag brach an, ich verzweifelte in Tränen. Mein Mann +verließ mich sehr unmutig und begab sich nach seinem Laboratorium. +Ermüdet legte ich mich wieder zu Bett und dachte unter bittern Tränen +über den nächtlichen Vorfall nach; ich konnte mir auch gar nicht +einbilden, wer den Handel könne angestellt haben, und verwünschte, +indem ich mich selbst in einem Spiegel sah, der meinem Bette +gegenüberstand, meine unglückliche Schönheit; ja, ich streckte gegen +mich selbst, vor innerem Ekel, die Zunge heraus; aber leider blieb +ich schön, ich mochte Gesichter schneiden, wie ich wollte. Da sah +ich in dem Spiegel, aus einem der neuen Schuhe, die auf dem +Nachttische standen, ein Papier hervorsehen. Ich griff hastig +darnach und las unter heftiger Bestürzung folgendes Billett: + + + +Geliebte Amelie! Mein Unglück ist größer als je; Dich mußte ich +meiden bis jetzt, und nun muß ich auch das Land fliehen, in dem Du +lebst; ich habe in meiner Garnison einen Offizier im Duelle erstochen, +der sich Deiner Begünstigung rühmte; man verfolgt mich, ich bin hier +in verstellter Kleidung. Morgen ist Dein Geburtstag; ich muß Dich +sehen, zum letzten Male sehen. Heute abend vor dem Tore findest Du +mich in dem kleinen Wäldchen, unter den Nußbäumen, etwa hundert +Schritte vom Wege, bei der kleinen Kapelle rechts. Wenn Du mir +einiges Geld zu meiner Hülfe mitbringen kannst, so wird Dir es Gott +vergelten. Ich Tor habe es nicht unterlassen können, die letzten +wenigen Louisdore meines Vermögens an das kleine Geburtstagsgeschenk +zu verwenden, das Du vor Dir siehst. Wie Du es erhalten, und was ich +dabei gelitten, sollst Du selbst von mir hören. Schweigen mußt Du, +kommen mußt Du, oder meine Leiche wird morgen in Deine Wohnung +gebracht. + +Dein unglücklicher Ludewig. + + + +Ich las diese Zeilen mit der heftigsten Trauer; ich mußte ihn sehen, +ich mußte ihn trösten, ich mußte ihm alles bringen, was ich hatte, +denn ich liebte ihn unaussprechlich und sollte ihn auf ewig verlieren." + +Hier schüttelte der Bürgermeister lächelnd den Kopf und sprach: "So +haben Sie also doch, meine Dame, für einen fremden Mann Zärtlichkeit +empfunden?" + +Die Fremde erwiderte mit einem ruhigen Selbstgefühl: "Ja, mein Herr; +aber verdammen Sie mich nicht zu früh, und hören Sie meine Erzählung +ruhig aus. Ich raffte den ganzen Tag alles, was ich an Geld und +Geschmeide hatte, zusammen und packte es in einen Bündel, den ich mir +gegen Abend von unserer Magd nach einem Badehaus in der Gegend jenes +Tores, vor welchem Ludewig mich erwarten sollte, tragen ließ. Dieser +Weg hatte nichts Auffallendes, ich war ihn oft gegangen. Als wir +dort angekommen waren, sendete ich meine Magd mit dem Auftrage zurück, +mir um neun Uhr einen Wagen an das Badehaus zu senden, der mich nach +Hause bringen solle. Sie verließ mich, ich aber ging nicht in das +Badehaus, sondern begab mich mit meinem Bündelchen unter dem Arm vor +das Tor nach dem Walde, wo ich erwartet wurde. Ich eilte nach dem +bestimmten Orte, ich trat in die Kapelle, er flog in meine Arme, wir +bedeckten uns mit Küssen, wir zerflossen in Tränen; auf den Stufen +des Altares der kleinen Kapelle, die von Nußbäumen beschattet waren, +saßen wir mit verschlungenen Armen und erzählten uns unter den +zärtlichsten Liebkosungen unsre bisherigen Schicksale. Er +verzweifelte schier, daß er mich nun nie, nie wiedersehen sollte. +Der Abschied nahte; es war halb neun Uhr geworden, der bestellte +Wagen erwartete mich. Ich gab ihm das Geld und die Juwelen, und er +sagte zu mir: ›Amelie, hätte ich mich nur heute nacht vor deinem +Bette erschossen, aber der Anblick deiner Schönheit im Schlafe +entwaffnete mich. An dem Rebengeländer deines offenen Fensters bin +ich in deine Stube geklettert und habe die Johanniskäfer fliegen +lassen, an denen ich auf meiner ganzen Reise gesammelt, weil ich mich +erinnerte, daß du sie liebtest; dann legte ich dir die neuen Schuhe +und Strümpfe hin und nahm mir die mit, welche du am Abend abgelegt +hattest; dein trocknet, ehrlicher Mann schien mir über seinen tollen +Gedanken zu träumen, ich habe ihn gestern schon gesprochen, er +begegnete mir hier im Walde botanisierend; es war schon düster, und +da ich selbst Waldblumen dir zum Strauße suchte, hielt er mich für +seinesgleichen, und wir gerieten in ein langes alchimisches Gespräch. +Ich teilte ihm die Anweisung eines Mönches mit, der mich auf meiner +letzten Reise in der Provence, als ich in einem Kloster übernachtete, +lange von dem Geheimnis unterhielt, einen lebendigen Menschen auf +chemischem Wege in einem Glase heraus zu destillieren. Dein guter +Mann nahm alles für bare Münze, umarmte mich herzlich und bat mich, +ihn bald zu besuchen, worauf er mich verließ; ach, er wußte nicht, +daß ich ihn in derselben Nacht wirklich auf halsbrechendem Wege +besuchen sollte. Wie muß ich dich bedauern, daß du kinderlos und +eines solchen Toren Gattin bist!‹ + +Ich war noch unwillig auf meinen Mann wegen seiner nächtlichen +Eifersucht und sagte:›Ja, ich habe ihn als einen Toren kennengelernt. +‹ Aber da die Zeit der Trennung fast verflossen war und ich meine +Arme um ihn schlang und ausrief: ›Lebe wohl, lieber, lieber Ludewig! +Sieh, wie diese heilige Stunde des Wiedersehens verflossen ist, so +geht auch bald das ganze elende Leben dahin, habe ein wenig Geduld, +alles ist bald zu Ende‹, da brach er drei Nüsse von einem Baume bei +der Kapelle und sprach. ›Diese Nüsse wollen wir zu ewigem Angedenken +noch zusammen essen, und sooft wir Nüsse sehen, wollen wir aneinander +gedenken.‹ Er biß die erste Nuß auf, teilte sie mit mir und küßte +mich zärtlich; ›ach‹, sagte er, ›da fällt mir ein alter Reim von den +Nüssen ein, er fängt an: Unica nux prodest, eine einzige Nuß ist +nützlich; aber es ist nicht wahr, denn wir müssen bald scheiden. Die +folgenden Worte sind wahrer: Nocet altera, die zweite schadet; jawohl, +jawohl, denn wir müssen bald scheiden!‹ Da umarmte er mich unter +heftigen Tränen und teilte die dritte Nuß mit mir und sagte: ›Bei +dieser sagt der Spruch wahr; o Amelie, vergiß mich nicht, bete für +mich! Tertia mors est, die dritte Nuß ist der Tod!‹--Da fiel ein +Schuß, Ludewig stürzte zu meinen Füßen; ›tertia mors est!‹ schrie +eine Stimme durch das Fenster der Kapelle; ich schrie: ›O Jesus, mein +Bruder, mein armer Bruder Ludewig erschossen!‹" + +"Allmächtiger Gott! Ihr Bruder war es?" rief der Bürgermeister aus. + +"Ja, es war mein Bruder", erwiderte sie ernst; "und nun erwägen Sie +mein Leid, da mein Mann, als der Mörder, mit einer Pistole vor mich +trat; er hatte noch einen Schuß in dem Gewehr, er wollte sich selbst +töten; ich aber entriß ihm die Waffe und warf sie in das Gebüsch. +›Flieh, flieh!‹ rief ich aus, ›die Gerechtigkeit verfolgt dich, du +bist ein Mörder geworden!‹ Er war in Schmerzen versteinert, er wollte +nicht von der Stelle; wir hörten Leute, die sich auf den Schuß von +der Landstraße nahten, ich gab ihm das Geld und die Geschmeide, die +ich meinem Bruder bestimmt hatte, und stieß ihn aus der Kapelle +hinaus. + +Nun ließ ich meinem Wehgeschrei vollen Lauf, und die Ankommenden, +unter welchen Männer waren, die mich kannten, brachten mich, wie eine +halb Wahnsinnige, nach Hause. Der Leichnam meines Bruders ward auf +das Rathaus gebracht; es begann eine gräßliche Untersuchung. +Glücklicherweise fiel ich in ein hitziges Fieber und war lange genug +ohne den Gebrauch meiner Sinne, um meinen Gemahl nicht eher verraten +zu können, als bis er bereits in völliger Sicherheit über der Grenze +war. Kein Mensch zweifelte, daß er der Mörder sei, weil er an +demselben Abend verschwunden war. Die Verleumdung fiel nun mit ihren +greulichsten Zungen über mich her.--Alles, was andre Frauen von mir +sagten, die mich meines Elends, meiner Schönheit wegen beneideten, +alle Schandreden der Männer, welche nichts an mir ärgern konnte als +meine Tugend, will ich hier nicht wiederholen; genug, wenn ich sage, +daß man mir den Beweis, der Ermordete sei mein Bruder, durch den +schändlichsten Verdacht zu erschweren suchte. Alles wollte mich in +den Staub treten, um über meine gehässige Tugend zu triumphieren. +Dabei genoß ich der ekelhaftesten Teilnahme aller jungen Advokaten +und war im Begriffe, vor Bedrängnis und Jammer wirklich den Verstand +zu verlieren. Auf ein Testament meines Mannes, zugunsten meiner, +ließ ich die Apotheke unter Administration setzen und zog mich auf +mehrere Jahre in ein Kloster zurück. So verstummte endlich das +Gespräch, und ich beschäftigte mich während dieser Zeit mit der +Zubereitung der Arzneien für die Armen, welche die Klosterfrauen +verpflegten." + +"Ihr Unglück rührt mich ungemein", entgegnete der Bürgermeister, +"aber die Art, wie Sie von dem Betragen ihres Bruders sprachen, +machte auch mir eher den Eindruck eines Geliebten als eines Bruders." + +"O mein Herr", erwiderte die Fremde, "dies eben war eine Hauptursache +meines Leides; er liebte mich mit größerer Leidenschaft, als er +sollte, und mit der kräftigsten Seele arbeitete er dieser bösen +Gewalt meiner Schönheit entgegen. Er sah mich manchmal in mehreren +Jahren nicht, ja, er durfte mir selbst nicht mehr schreiben; nur die +Not hatte ihn bei dem letzten Vorfalle zu mir getrieben, und so +konnte ich ihm meinen Anblick doch nicht versagen. Mein Mann kannte +ihn nicht, und ich hatte ihn allein geheiratet, um die Leidenschaft +meines Bruders entschieden zu brechen. Ach, er hat sie selbst +gebrochen mit seinem Leben! Mein Mann, von seiner Eifersucht +beunruhigt, hatte sein Laboratorium früh verlassen; die Magd sagte +ihm, daß ich nach dem Badehause sei; es fuhr ihm der Gedanke an +Verrat durch die Seele, er steckte eine doppelte Pistole zu sich und +suchte mich in dem Badehause auf. Er fand mich nicht, aber hörte die +Aussage der Bademeisterin, sie habe mich zum nahgelegenen Tore +hinausgehen sehen. Da erinnerte er sich des Fremden, der gestern mit +ihm in dem Wäldchen geredet und ihn auch nach seiner Frau gefragt +hatte; er erinnerte sich, daß derselbe Johanniswürmer gefangen, sein +Verdacht erhielt Gewißheit; er eilte nach dem Wäldchen, nahte der +Kapelle, hörte das Ende unsrer Unterredung: tertia mors est--er +beging die schreckliche Tat." + +"O, der unglückliche, arme Mann!" rief der Bürgermeister aus; "aber +wo ist er, was macht er, was führt Sie hieher, konnten Sie ihm +verzeihen, werden wir ihn hier wiedersehen?" + +"Wir werden ihn nicht wiedersehen, ich habe ihm verziehen, Gott hat +ihm verziehen!" versetzte die Fremde; "aber Blut will Blut, er konnte +sich nicht selbst verzeihen! Acht Jahre lebte er in Kopenhagen an +dem Hofe des Königs von Dänemark, Christian des Vierten, als +Hoflaborant; denn dieser Fürst war den geheimen Künsten sehr zugetan. +Nach dem Tode desselben zog er an manchen norddeutschen Höfen herum. +Er war immer unstet und von seinem Gewissen gepeinigt, und wenn er +Nüsse sah und von Nüssen hörte, fiel er oft plötzlich in die +heftigste Trauer. So kam er endlich zu Ihnen, und als er hier den +unglücklichen Vers hörte, floh er nach Basel. Dort lebte er, bis die +Nüsse wieder reiften; da ward seine Unruhe unaufhaltsam; seine Zeit +war abgelaufen; er reiste ab nach Lyon und lieferte sich selbst den +Gerichten aus. Er hatte vor drei Wochen ein rührendes Gespräch mit +mir, er war gut wie ein Kind, er bat mich um Vergebung--ach, ich +hatte ihm längst vergeben. Er sagte mir, ich solle nach seiner +schimpflichen Todesstrafe Frankreich verlassen und nach Kolmar reisen, +dort sei der Bürgermeister ein sehr redlicher Mann. Zwei Tage +hierauf ward er unter unzähligem Volkszulauf, bei der Kapelle, wo der +Mord geschehen, enthauptet. Er kniete nieder in dem Kreise, brach +drei Nüsse desselbigen Baums, welcher meinem Bruder die Todesnuß +getragen hatte, teilte sie alle drei mit mir und umarmte mich +nochmals zärtlich; dann brachte man mich in die Kapelle, wo ich +betend an den Altar niedersank. Er aber sprach draußen: ›Unica nux +prodest, altera nocet, tertia mors est‹, und bei diesem letzten Worte +machte der Schwertstreich seinem elenden Leben ein Ende.--Dieses ist +meine Geschichte, Herr Bürgermeister." + +Mit diesen Worten endete die Dame ihre Erzählung, der Bürgermeister +reichte ihr gerührt die Hand und sagte: "Unglückliche Frau, nehmen +Sie die Versicherung, daß ich von Ihrem Unglücke tief gerührt bin und +das Vertrauen Ihres armen Mannes auf meine Redlichkeit auf alle Weise +zu Ihrer Beruhigung wahr machen will." + +Indem er dies sprach und, seine Tränen unterdrückend, auf ihre Hand +niedersah, bemerkte er einen Siegelring an ihrem Finger, der einen +lebhaften Eindruck auf ihn machte; er erkannte auf ihm ein Wappen, +das ihn ungemein interessierte. Die Dame sagte ihm, es sei der +Siegelring ihres Bruders.--"Und sein Familienname heißt?" fragte der +Bürgermeister lebhaft.--"Piautaz", erwiderte die Fremde; "unser Vater +war ein Savoyarde und hatte einen Kram in Montpellier." + +Da wurde der Bürgermeister sehr unruhig, er lief nach seinem Pulte, +er holte mehrere Papiere hervor, er las, er fragte sie um das Alter +ihres Bruders, und da sie zu ihm sagte: "Heute würde er +sechsundvierzig Jahre alt sein, wenn er noch lebte", sagte er mit +freudigem Ungestüme: "Recht, ganz recht! Heute ist er so alt, denn +er lebt noch. Amelie, ich bin dein Bruder! Ich bin von der Amme +deiner Mutter gegen das Söhnlein des Mechanikus Maggi ausgewechselt +worden; dein Bruder hat dich nicht geliebt, es war Maggis Sohn, der +deines Bruders Namen trug und eines so unglücklichen Todes starb. +Wohl mir, daß ich dich fand!" + +Die gute Dame konnte sich in diese Rede gar nicht finden; aber der +Bürgermeister überzeugte sie durch ein über diesen Austausch von der +Amme auf ihrem Todesbett aufgenommenes Protokoll, und sie sank ihrem +neugefundenen Bruder in die Arme. + +Sie soll nachher dem Bürgermeister drei Jahre die Haushaltung geführt +haben und, als er gestorben, in das Kloster zu St. Klara in Kolmar +gegangen sein und demselben ihr ganzes Vermögen vermacht haben. + + + + + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Die drei Nüsse, by Clemens Brentano + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DREI NÜSSE *** + +***** This file should be named 4505-8.txt or 4505-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/4/5/0/4505/ + +Produced by Michael Pullen. HTML version by Al Haines. + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you +do not charge anything for copies of this eBook, complying with the +rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose +such as creation of derivative works, reports, performances and +research. 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Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Die drei Nüsse + +Author: Clemens Brentano + +Posting Date: May 20, 2013 [EBook #4505] +Release Date: October, 2003 +First Posted: January 26, 2002 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DREI NÜSSE *** + + + + +Produced by Michael Pullen. HTML version by Al Haines. + + + + + +</pre> + + +<h1> +<br /><br /> +Die drei Nüsse +</h1> + +<p class="t2"> +Clemens Brentano +</p> + +<p><br /><br /></p> + +<p> +Daniel Wilhelm Möller, Professor und Bibliothekar zu Altorf, lebte im +Jahr 1665 in Kolmar als Hofmeister der drei Söhne des Bürgermeisters +Maggi. Im Oktober dieses Jahres hatte der Bürgermeister einen +reisenden Alchimisten zum Gaste, und als bei dem Nachtische der +Abendmahlzeit unter anderm Obste auch welsche Nüsse auf die Tafel +gesetzt wurden, sprach die Gesellschaft mancherlei von den +Eigenschaften dieser Frucht. Da aber die drei Zöglinge Möllers etwas +unmäßig zu den Nüssen griffen und sie lustig nacheinander aufknackten, +verwies Möller es ihnen freundlich und gab ihnen folgenden Vers aus +der Schola Salernitana zu verdeutschen auf: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est."--Da übersetzten sie: "Eine Nuß nützt, die +zweite schadet, der Tod ist die dritte." Möller aber sagte zu ihnen, +diese Übersetzung könne unmöglich die rechte sein, da sie die dritte +Nuß längst genossen und doch noch frisch und gesund seien; sie +möchten sich eines Bessern besinnen. Kaum waren diese Worte +gesprochen, als der Alchimist mit Bestürzung plötzlich vom Tische +aufsprang und sich in der ihm angewiesenen Stube verschloß, worüber +alle Anwesende in nicht geringer Verwunderung waren. Der jüngste +Sohn des Bürgermeisters folgte dem Fremden, um ihn auf Befehl seines +Vaters zu fragen, ob ihm etwas zugestoßen sei; da er aber die Türe +verschlossen fand, sah er durch das Schlüsselloch den Fremden auf den +Knien liegen und unter Tränen und Händeringen mehrere Male ausrufen: +"Ah, mon Dieu, mon Dieu!" +</p> + +<p> +Kaum hatte der Knabe seinem Vater dies hinterbracht, als der Fremde +sich von dem Diener zu einer einsamen Unterredung melden ließ. Alle +entfernten sich. Da trat der Alchimist herein, fiel auf die Knie, +umfaßte die Füße des Bürgermeisters und flehte ihn unter heftigen +Tränen an: er möge ihn nicht vor Gericht bringen, er möge ihn vor +einem schmählichen Tode erretten. +</p> + +<p> +Der Bürgermeister, heftig über seine Rede erschrocken, fürchtete, der +Mensch möge den Verstand verloren haben, hob ihn von der Erde auf und +bat ihn freundlich: er möge ihm sagen, wie er auf so schreckliche +Reden komme. Da erwiderte der Fremde: "Herr, verstellen Sie sich +nicht, Sie und der Magister Möller kennen mein Verbrechen; der Vers +von den drei Nüssen beweist es: tertia mors est, die dritte ist der +Tod; ja, ja, eine bleierne Kugel war es, ein Druck des Fingers, und +er schlug nieder. Sie haben sich verabredet, mich zu peinigen, Sie +werden mich ausliefern, ich werde durch Sie unter das Schwert kommen." +</p> + +<p> +Der Bürgermeister glaubte nun die Verrücktheit des Alchimisten gewiß +und suchte ihn durch freundliches Zureden zu beruhigen. Er aber ließ +sich nicht beruhigen und sprach: "Wenn Sie es auch nicht wissen, so +weiß es doch Ihr Hofmeister gewiß, denn er sah mich durchdringend an, +als er sagte: ›tertia mors est‹." Nun konnte der Bürgermeister +nichts anders tun, als ihn bitten, ruhig zu Bette zu gehen, und ihm +sein Ehrenwort zu geben, daß weder er noch Möller ihn verraten würden, +wenn irgend etwas Wahres an seinem Unglücke sein sollte. Der +Unglückliche aber wollte ihn nicht eher verlassen, bis Möller gerufen +war und ihm auch heilig beteuerte, daß er ihn nicht verraten wolle; +denn daß auch er nicht das mindeste von seinem Unglücke wisse, wollte +er sich auf keine Weise überreden lassen. +</p> + +<p> +Am folgenden Morgen entschloß sich der Unglückliche, von Kolmar nach +Basel zu gehen, und bat den Magister Möller um eine Empfehlung an +einen Professor der Medizin. Möller schrieb ihm einen Brief an den +Doktor Bauhinus und reichte ihm denselben offen, damit er keine Art +von Verdacht schöpfen könne. Er verließ das Haus mit Tränen und +nochmaligem Flehen, ihn nicht zu verraten. +</p> + +<p> +Im folgenden Jahre um dieselbe Zeit, etwa drei Wochen später, als der +Bürgermeister mit den Seinigen wieder Nüsse aß und sie sich dabei +alle lebhaft an den unglücklichen Alchimisten erinnerten, ließ sich +eine Frau bei ihm melden. Er hieß sie hereintreten; sie war eine +Reisende in anständiger Tracht, sie trauerte und schien vom Kummer +ganz zerstört, doch hatte sie noch Spuren von großer Schönheit. Der +Bürgermeister bot ihr einen Stuhl an, stellte ihr ein Glas Wein und +einige Nüsse vor; aber sie geriet bei dem Anblick dieser Frucht in +eine heftige Erschütterung, die Tränen liefen ihr die Wangen herab: +"Keine Nüsse, keine Nüsse!" sagte sie und schob den Teller zurück. +</p> + +<p> +Diese ihre Weigerung, mit der Erinnerung an den Alchimisten, brachte +unter den Tischgenossen eine eigene Spannung hervor. Der +Bürgermeister befahl dem Diener, die Nüsse sogleich wegzubringen, und +bat die Frau, nach einer Entschuldigung, daß er ihren Abscheu vor den +Nüssen nicht gekannt, um die Angabe des Geschäftes, das sie zu ihm +geführt. +</p> + +<p> +"Ich bin die Witwe eines Apothekers aus Lyon", sagte sie, "und +wünsche mich hier in Kolmar niederzulassen. Die traurigsten +Schicksale nötigen mich, meine Vaterstadt zu verlassen."--Der +Bürgermeister fragte sie um ihre Pässe, auf daß er versichert sein +könne, daß sie ihr Vaterland frei von allen gerichtlichen Ansprüchen +auf sie verlassen habe. Sie übergab ihre Papiere, die in der besten +Ordnung waren und ihr den Namen der Witwe des Apothekers Pierre du +Pont oder Petrus Pontanus gaben. Auch zeigte sie dem Bürgermeister +mancherlei Atteste der medizinischen Fakultät von Montpellier, daß +sie im Besitz der Fabrikationsrezepte vieler trefflicher Arzeneien +sei. +</p> + +<p> +Der Bürgermeister versprach ihr alle mögliche Unterstützung bei ihrer +Niederlassung und bat sie, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen, wo er +ihr Empfehlungen an einige Ärzte und Apotheker der Stadt schreiben +wollte. Als er nun die Frau die Treppe hinauf führte und oben über +den Flur weg, kam dieselbe bei dem Anblick eines kindischen Gemäldes +in eine solche Bestürzung, daß der Bürgermeister fürchtete, sie +möchte an seinem Arme ohnmächtig werden; er brachte sie schnell auf +seine Stube, und sie ließ sich unter bittern Tränen auf einen Stuhl +nieder. +</p> + +<p> +Der Bürgermeister wußte die Veranlassung ihrer Gemütsbewegung nicht +und fragte sie, was ihr fehle. Sie sagte ihm: "Mein Herr, woher +kennen Sie mein Elend, wer hat das Bild an die Stubentüre geheftet, +an welcher wir vorübergingen?" Da erinnerte sich der Bürgermeister +an das Bild und sagte ihr, daß es die Spielerei seines jüngsten +Sohnes sei, welcher eine Neigung habe, alle Ereignisse, die ihn näher +interessierten, in solchen Malereien auf seine Art zu verewigen. Das +Bild aber bestand darin, daß der Knabe, welcher das Jahr vorher den +Alchimisten kniend und die Hände ringend in dieser Stube: "Ah, mon +Dieu, mon Dieu!" hatte ausrufen hören, diesen in derselben Stellung +und über ihn drei Nüsse mit dem Spruche: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est!" auf eine Pappe gemalt und an die Stubentüre, +wo der Alchimist gewohnt, befestigt hatte. +</p> + +<p> +"Wie kann Ihr Sohn das schreckliche Unglück meines Mannes wissen?" +sagte die Frau; "wie kann er wissen, was ich ewig verbergen möchte, +und weswegen ich mein Vaterland verlassen habe?" +</p> + +<p> +"Ihres Mannes?" erwiderte der verwunderte Bürgermeister; "ist der +Chemiker Todénus Ihr Mann? Ich glaubte nach Ihrem Passe, daß Sie die +Witwe des Apothekers Pierre du Pont aus Lyon seien." +</p> + +<p> +"Die bin ich", entgegnete die Fremde, "und der Abgebildete ist mein +Mann, du Pont; mir zeigt es die Stellung, in welcher ich ihn zuletzt +gesehen, mir zeigt es der fatale Spruch und die Nüsse über ihm." +</p> + +<p> +Nun erzählte ihr der Bürgermeister den ganzen Vorfall mit dem +Alchimisten in seinem Hause und fragte sie, wie er sich befinde, wenn +er wirklich ihr Mann sei, der vielleicht unter fremdem Namen bei ihm +gewesen wäre. +</p> + +<p> +"Mein Herr", erwiderte die Frau, "ich sehe wohl, das Schicksal selbst +will, daß meine Schmach nicht soll verborgen bleiben; ich erwarte von +Ihrer Rechtschaffenheit, daß Sie mein Unglück nicht zu meinem +Nachteil bekanntmachen werden. Hören Sie mich an. Mein Mann, der +Apotheker Pierre du Pont, war wohlhabend; er würde reich gewesen sein, +wenn er nicht durch seine Neigung zur Alchimie vieles Geld +verschwendet hätte. Ich war jung und hatte das große Unglück, sehr +schön zu sein. Ach, mein Herr, es gibt schier kein größeres Unglück +als dieses, weil keine Ruhe, kein Friede möglich ist, weil alles nach +einem verlangt und verzweifelt und man in solche Bedrängnisse und +Belagerungen kömmt, daß man sich manchmal gar, nur um des ekelhaften +Götzendienstes los zu werden, dem Verderben hingeben könnte. Eitel +war ich nicht, nur unglücklich; denn ich mochte mich auch absichtlich +schlecht und entstellend kleiden, so wurde doch immer eine neue Mode +daraus, und man fand es allerliebst. Wo ich ging und stand, war ich +von Verehrern umgeben, ich konnte vor Serenaden nicht schlafen, mußte +einen Diener halten, die Geschenke und Liebesbriefe abzuweisen, und +alle Augenblick mein Gesinde abschaffen, weil es bestochen war, mich +zu verführen. Zwei Diener in der Apotheke meines Mannes vergifteten +einander, weil ein jeder von ihnen entdeckt hatte, daß der andere ein +Edelmann sei, der aus Leidenschaft zu mir unter fremdem Namen in +unsre Dienste gegangen war. Alle Leute, die in unsrer Offizin Arznei +holten, waren dadurch schon im Verdacht, liebeskrank zu sein. Ich +hatte von allem diesem nichts als Unruhe und Elend, und nur die +Freude meines Mannes an meiner Gestalt hielt mich ab, mich an meiner +Larve zu vergreifen und mich auf irgendeine Weise zu entstellen. Oft +fragte ich ihn, ob er denn an meinem Herzen und guten Willen nicht +genug habe; er möchte mir doch erlauben, mein Gesicht, das so vieles +Unheil stifte, durch irgendein beizendes Mittel zu verderben. Aber +er erwiderte mir immer: ›Schöne Amelie! Ich würde verzweifeln, wenn +ich dich nicht mehr ansehen könnte; ich würde der unglücklichste +Mensch sein, wenn ich den ganzen Tag in meinem rußigen Laboratorium +vergebens geschwitzt habe und meine Augen abends nicht mehr an deinem +Anblick erquicken könnte. Du bist der einzige klare Punkt in meiner +finstern Bestimmung, und wenn ich alle meine Hoffnung habe nach +schwerem Tagewerk zum Rauchfang hinausfliegen sehen, tritt mir alle +meine Hoffnung am Abend in deiner Schönheit wieder entgegen.‹ Er +liebte mich zärtlich, aber Gott segnete unsre Liebe nicht, wir hatten +keine Kinder. Als ich ihm meine Trauer hierüber einst sehr lebhaft +mitteilte, ward er finster und sprach: ›So Gott will und mir nicht +alles mißlingt, wird uns auch diese Freude werden.‹ An einem Abend +kam er spät nach Hause, er war ungewöhnlich froh und gestand mir, daß +er heute mit einem sehr tief eingeweihten Adepten sich unterhalten +habe, der einen lebhaften Anteil an ihm und mir zu nehmen scheinen +und unsre Wünsche würden bald erfüllt werden. Ich verstand ihn nicht. +</p> + +<p> +Nach Mitternacht erwachte ich durch ein Geräusch; ich sah meine ganze +Stube voll fliegender, leuchtender Johanniskäfer; ich konnte nicht +begreifen, wie die Menge dieser Insekten in meine Stube gekommen sei; +ich erweckte meinen Mann und fragte ihn, was das nur zu bedeuten habe. +Zugleich sah ich auf meinem Nachttische ein prächtiges +venetianisches Glas voll der schönsten Blumen stehen und daneben neue +seidene Strümpfe, Pariser Schuhe, wohlriechende Handschuhe, Bänder +und dergleichen liegen. Mir fiel ein, daß morgen mein Geburtstag sei, +und glaubte, mein Mann habe mir diese Galanterie gemacht, wofür ich +ihm herzlich dankte. Er aber versicherte mir mit den heiligsten +Schwüren, daß diese Geschenke nicht von ihm herrührten, und die +heftigste Eifersucht faßte zum erstenmal in ihm Wurzel. Er drang +bald auf die rührendste und dann wieder heftigste Weise in mich, ihm +zu erklären, wer diese Dinge hierher gebracht; ich weinte und konnte +es ihm nicht sagen. Aber er glaubte mir nicht, befahl mir +aufzustehen, und ich mußte mit ihm das ganze Haus durchsuchen, aber +wir fanden niemand. Er begehrte die Schlüssel meines Schreibepultes, +er durchsuchte alle meine Papiere und Briefschaften, er entdeckte +nichts. Der Tag brach an, ich verzweifelte in Tränen. Mein Mann +verließ mich sehr unmutig und begab sich nach seinem Laboratorium. +Ermüdet legte ich mich wieder zu Bett und dachte unter bittern Tränen +über den nächtlichen Vorfall nach; ich konnte mir auch gar nicht +einbilden, wer den Handel könne angestellt haben, und verwünschte, +indem ich mich selbst in einem Spiegel sah, der meinem Bette +gegenüberstand, meine unglückliche Schönheit; ja, ich streckte gegen +mich selbst, vor innerem Ekel, die Zunge heraus; aber leider blieb +ich schön, ich mochte Gesichter schneiden, wie ich wollte. Da sah +ich in dem Spiegel, aus einem der neuen Schuhe, die auf dem +Nachttische standen, ein Papier hervorsehen. Ich griff hastig +darnach und las unter heftiger Bestürzung folgendes Billett: +</p> + +<p><br /><br /></p> + +<p> +Geliebte Amelie! Mein Unglück ist größer als je; Dich mußte ich +meiden bis jetzt, und nun muß ich auch das Land fliehen, in dem Du +lebst; ich habe in meiner Garnison einen Offizier im Duelle erstochen, +der sich Deiner Begünstigung rühmte; man verfolgt mich, ich bin hier +in verstellter Kleidung. Morgen ist Dein Geburtstag; ich muß Dich +sehen, zum letzten Male sehen. Heute abend vor dem Tore findest Du +mich in dem kleinen Wäldchen, unter den Nußbäumen, etwa hundert +Schritte vom Wege, bei der kleinen Kapelle rechts. Wenn Du mir +einiges Geld zu meiner Hülfe mitbringen kannst, so wird Dir es Gott +vergelten. Ich Tor habe es nicht unterlassen können, die letzten +wenigen Louisdore meines Vermögens an das kleine Geburtstagsgeschenk +zu verwenden, das Du vor Dir siehst. Wie Du es erhalten, und was ich +dabei gelitten, sollst Du selbst von mir hören. Schweigen mußt Du, +kommen mußt Du, oder meine Leiche wird morgen in Deine Wohnung +gebracht. +</p> + +<p> +Dein unglücklicher Ludewig. +</p> + +<p><br /><br /></p> + +<p> +Ich las diese Zeilen mit der heftigsten Trauer; ich mußte ihn sehen, +ich mußte ihn trösten, ich mußte ihm alles bringen, was ich hatte, +denn ich liebte ihn unaussprechlich und sollte ihn auf ewig verlieren." +</p> + +<p> +Hier schüttelte der Bürgermeister lächelnd den Kopf und sprach: "So +haben Sie also doch, meine Dame, für einen fremden Mann Zärtlichkeit +empfunden?" +</p> + +<p> +Die Fremde erwiderte mit einem ruhigen Selbstgefühl: "Ja, mein Herr; +aber verdammen Sie mich nicht zu früh, und hören Sie meine Erzählung +ruhig aus. Ich raffte den ganzen Tag alles, was ich an Geld und +Geschmeide hatte, zusammen und packte es in einen Bündel, den ich mir +gegen Abend von unserer Magd nach einem Badehaus in der Gegend jenes +Tores, vor welchem Ludewig mich erwarten sollte, tragen ließ. Dieser +Weg hatte nichts Auffallendes, ich war ihn oft gegangen. Als wir +dort angekommen waren, sendete ich meine Magd mit dem Auftrage zurück, +mir um neun Uhr einen Wagen an das Badehaus zu senden, der mich nach +Hause bringen solle. Sie verließ mich, ich aber ging nicht in das +Badehaus, sondern begab mich mit meinem Bündelchen unter dem Arm vor +das Tor nach dem Walde, wo ich erwartet wurde. Ich eilte nach dem +bestimmten Orte, ich trat in die Kapelle, er flog in meine Arme, wir +bedeckten uns mit Küssen, wir zerflossen in Tränen; auf den Stufen +des Altares der kleinen Kapelle, die von Nußbäumen beschattet waren, +saßen wir mit verschlungenen Armen und erzählten uns unter den +zärtlichsten Liebkosungen unsre bisherigen Schicksale. Er +verzweifelte schier, daß er mich nun nie, nie wiedersehen sollte. +Der Abschied nahte; es war halb neun Uhr geworden, der bestellte +Wagen erwartete mich. Ich gab ihm das Geld und die Juwelen, und er +sagte zu mir: ›Amelie, hätte ich mich nur heute nacht vor deinem +Bette erschossen, aber der Anblick deiner Schönheit im Schlafe +entwaffnete mich. An dem Rebengeländer deines offenen Fensters bin +ich in deine Stube geklettert und habe die Johanniskäfer fliegen +lassen, an denen ich auf meiner ganzen Reise gesammelt, weil ich mich +erinnerte, daß du sie liebtest; dann legte ich dir die neuen Schuhe +und Strümpfe hin und nahm mir die mit, welche du am Abend abgelegt +hattest; dein trocknet, ehrlicher Mann schien mir über seinen tollen +Gedanken zu träumen, ich habe ihn gestern schon gesprochen, er +begegnete mir hier im Walde botanisierend; es war schon düster, und +da ich selbst Waldblumen dir zum Strauße suchte, hielt er mich für +seinesgleichen, und wir gerieten in ein langes alchimisches Gespräch. +Ich teilte ihm die Anweisung eines Mönches mit, der mich auf meiner +letzten Reise in der Provence, als ich in einem Kloster übernachtete, +lange von dem Geheimnis unterhielt, einen lebendigen Menschen auf +chemischem Wege in einem Glase heraus zu destillieren. Dein guter +Mann nahm alles für bare Münze, umarmte mich herzlich und bat mich, +ihn bald zu besuchen, worauf er mich verließ; ach, er wußte nicht, +daß ich ihn in derselben Nacht wirklich auf halsbrechendem Wege +besuchen sollte. Wie muß ich dich bedauern, daß du kinderlos und +eines solchen Toren Gattin bist!‹ +</p> + +<p> +Ich war noch unwillig auf meinen Mann wegen seiner nächtlichen +Eifersucht und sagte:›Ja, ich habe ihn als einen Toren kennengelernt. +‹ Aber da die Zeit der Trennung fast verflossen war und ich meine +Arme um ihn schlang und ausrief: ›Lebe wohl, lieber, lieber Ludewig! +Sieh, wie diese heilige Stunde des Wiedersehens verflossen ist, so +geht auch bald das ganze elende Leben dahin, habe ein wenig Geduld, +alles ist bald zu Ende‹, da brach er drei Nüsse von einem Baume bei +der Kapelle und sprach. ›Diese Nüsse wollen wir zu ewigem Angedenken +noch zusammen essen, und sooft wir Nüsse sehen, wollen wir aneinander +gedenken.‹ Er biß die erste Nuß auf, teilte sie mit mir und küßte +mich zärtlich; ›ach‹, sagte er, ›da fällt mir ein alter Reim von den +Nüssen ein, er fängt an: Unica nux prodest, eine einzige Nuß ist +nützlich; aber es ist nicht wahr, denn wir müssen bald scheiden. Die +folgenden Worte sind wahrer: Nocet altera, die zweite schadet; jawohl, +jawohl, denn wir müssen bald scheiden!‹ Da umarmte er mich unter +heftigen Tränen und teilte die dritte Nuß mit mir und sagte: ›Bei +dieser sagt der Spruch wahr; o Amelie, vergiß mich nicht, bete für +mich! Tertia mors est, die dritte Nuß ist der Tod!‹--Da fiel ein +Schuß, Ludewig stürzte zu meinen Füßen; ›tertia mors est!‹ schrie +eine Stimme durch das Fenster der Kapelle; ich schrie: ›O Jesus, mein +Bruder, mein armer Bruder Ludewig erschossen!‹" +</p> + +<p> +"Allmächtiger Gott! Ihr Bruder war es?" rief der Bürgermeister aus. +</p> + +<p> +"Ja, es war mein Bruder", erwiderte sie ernst; "und nun erwägen Sie +mein Leid, da mein Mann, als der Mörder, mit einer Pistole vor mich +trat; er hatte noch einen Schuß in dem Gewehr, er wollte sich selbst +töten; ich aber entriß ihm die Waffe und warf sie in das Gebüsch. +›Flieh, flieh!‹ rief ich aus, ›die Gerechtigkeit verfolgt dich, du +bist ein Mörder geworden!‹ Er war in Schmerzen versteinert, er wollte +nicht von der Stelle; wir hörten Leute, die sich auf den Schuß von +der Landstraße nahten, ich gab ihm das Geld und die Geschmeide, die +ich meinem Bruder bestimmt hatte, und stieß ihn aus der Kapelle +hinaus. +</p> + +<p> +Nun ließ ich meinem Wehgeschrei vollen Lauf, und die Ankommenden, +unter welchen Männer waren, die mich kannten, brachten mich, wie eine +halb Wahnsinnige, nach Hause. Der Leichnam meines Bruders ward auf +das Rathaus gebracht; es begann eine gräßliche Untersuchung. +Glücklicherweise fiel ich in ein hitziges Fieber und war lange genug +ohne den Gebrauch meiner Sinne, um meinen Gemahl nicht eher verraten +zu können, als bis er bereits in völliger Sicherheit über der Grenze +war. Kein Mensch zweifelte, daß er der Mörder sei, weil er an +demselben Abend verschwunden war. Die Verleumdung fiel nun mit ihren +greulichsten Zungen über mich her.--Alles, was andre Frauen von mir +sagten, die mich meines Elends, meiner Schönheit wegen beneideten, +alle Schandreden der Männer, welche nichts an mir ärgern konnte als +meine Tugend, will ich hier nicht wiederholen; genug, wenn ich sage, +daß man mir den Beweis, der Ermordete sei mein Bruder, durch den +schändlichsten Verdacht zu erschweren suchte. Alles wollte mich in +den Staub treten, um über meine gehässige Tugend zu triumphieren. +Dabei genoß ich der ekelhaftesten Teilnahme aller jungen Advokaten +und war im Begriffe, vor Bedrängnis und Jammer wirklich den Verstand +zu verlieren. Auf ein Testament meines Mannes, zugunsten meiner, +ließ ich die Apotheke unter Administration setzen und zog mich auf +mehrere Jahre in ein Kloster zurück. So verstummte endlich das +Gespräch, und ich beschäftigte mich während dieser Zeit mit der +Zubereitung der Arzneien für die Armen, welche die Klosterfrauen +verpflegten." +</p> + +<p> +"Ihr Unglück rührt mich ungemein", entgegnete der Bürgermeister, +"aber die Art, wie Sie von dem Betragen ihres Bruders sprachen, +machte auch mir eher den Eindruck eines Geliebten als eines Bruders." +</p> + +<p> +"O mein Herr", erwiderte die Fremde, "dies eben war eine Hauptursache +meines Leides; er liebte mich mit größerer Leidenschaft, als er +sollte, und mit der kräftigsten Seele arbeitete er dieser bösen +Gewalt meiner Schönheit entgegen. Er sah mich manchmal in mehreren +Jahren nicht, ja, er durfte mir selbst nicht mehr schreiben; nur die +Not hatte ihn bei dem letzten Vorfalle zu mir getrieben, und so +konnte ich ihm meinen Anblick doch nicht versagen. Mein Mann kannte +ihn nicht, und ich hatte ihn allein geheiratet, um die Leidenschaft +meines Bruders entschieden zu brechen. Ach, er hat sie selbst +gebrochen mit seinem Leben! Mein Mann, von seiner Eifersucht +beunruhigt, hatte sein Laboratorium früh verlassen; die Magd sagte +ihm, daß ich nach dem Badehause sei; es fuhr ihm der Gedanke an +Verrat durch die Seele, er steckte eine doppelte Pistole zu sich und +suchte mich in dem Badehause auf. Er fand mich nicht, aber hörte die +Aussage der Bademeisterin, sie habe mich zum nahgelegenen Tore +hinausgehen sehen. Da erinnerte er sich des Fremden, der gestern mit +ihm in dem Wäldchen geredet und ihn auch nach seiner Frau gefragt +hatte; er erinnerte sich, daß derselbe Johanniswürmer gefangen, sein +Verdacht erhielt Gewißheit; er eilte nach dem Wäldchen, nahte der +Kapelle, hörte das Ende unsrer Unterredung: tertia mors est--er +beging die schreckliche Tat." +</p> + +<p> +"O, der unglückliche, arme Mann!" rief der Bürgermeister aus; "aber +wo ist er, was macht er, was führt Sie hieher, konnten Sie ihm +verzeihen, werden wir ihn hier wiedersehen?" +</p> + +<p> +"Wir werden ihn nicht wiedersehen, ich habe ihm verziehen, Gott hat +ihm verziehen!" versetzte die Fremde; "aber Blut will Blut, er konnte +sich nicht selbst verzeihen! Acht Jahre lebte er in Kopenhagen an +dem Hofe des Königs von Dänemark, Christian des Vierten, als +Hoflaborant; denn dieser Fürst war den geheimen Künsten sehr zugetan. +Nach dem Tode desselben zog er an manchen norddeutschen Höfen herum. +Er war immer unstet und von seinem Gewissen gepeinigt, und wenn er +Nüsse sah und von Nüssen hörte, fiel er oft plötzlich in die +heftigste Trauer. So kam er endlich zu Ihnen, und als er hier den +unglücklichen Vers hörte, floh er nach Basel. Dort lebte er, bis die +Nüsse wieder reiften; da ward seine Unruhe unaufhaltsam; seine Zeit +war abgelaufen; er reiste ab nach Lyon und lieferte sich selbst den +Gerichten aus. Er hatte vor drei Wochen ein rührendes Gespräch mit +mir, er war gut wie ein Kind, er bat mich um Vergebung--ach, ich +hatte ihm längst vergeben. Er sagte mir, ich solle nach seiner +schimpflichen Todesstrafe Frankreich verlassen und nach Kolmar reisen, +dort sei der Bürgermeister ein sehr redlicher Mann. Zwei Tage +hierauf ward er unter unzähligem Volkszulauf, bei der Kapelle, wo der +Mord geschehen, enthauptet. Er kniete nieder in dem Kreise, brach +drei Nüsse desselbigen Baums, welcher meinem Bruder die Todesnuß +getragen hatte, teilte sie alle drei mit mir und umarmte mich +nochmals zärtlich; dann brachte man mich in die Kapelle, wo ich +betend an den Altar niedersank. Er aber sprach draußen: ›Unica nux +prodest, altera nocet, tertia mors est‹, und bei diesem letzten Worte +machte der Schwertstreich seinem elenden Leben ein Ende.--Dieses ist +meine Geschichte, Herr Bürgermeister." +</p> + +<p> +Mit diesen Worten endete die Dame ihre Erzählung, der Bürgermeister +reichte ihr gerührt die Hand und sagte: "Unglückliche Frau, nehmen +Sie die Versicherung, daß ich von Ihrem Unglücke tief gerührt bin und +das Vertrauen Ihres armen Mannes auf meine Redlichkeit auf alle Weise +zu Ihrer Beruhigung wahr machen will." +</p> + +<p> +Indem er dies sprach und, seine Tränen unterdrückend, auf ihre Hand +niedersah, bemerkte er einen Siegelring an ihrem Finger, der einen +lebhaften Eindruck auf ihn machte; er erkannte auf ihm ein Wappen, +das ihn ungemein interessierte. Die Dame sagte ihm, es sei der +Siegelring ihres Bruders.--"Und sein Familienname heißt?" fragte der +Bürgermeister lebhaft.--"Piautaz", erwiderte die Fremde; "unser Vater +war ein Savoyarde und hatte einen Kram in Montpellier." +</p> + +<p> +Da wurde der Bürgermeister sehr unruhig, er lief nach seinem Pulte, +er holte mehrere Papiere hervor, er las, er fragte sie um das Alter +ihres Bruders, und da sie zu ihm sagte: "Heute würde er +sechsundvierzig Jahre alt sein, wenn er noch lebte", sagte er mit +freudigem Ungestüme: "Recht, ganz recht! Heute ist er so alt, denn +er lebt noch. Amelie, ich bin dein Bruder! Ich bin von der Amme +deiner Mutter gegen das Söhnlein des Mechanikus Maggi ausgewechselt +worden; dein Bruder hat dich nicht geliebt, es war Maggis Sohn, der +deines Bruders Namen trug und eines so unglücklichen Todes starb. +Wohl mir, daß ich dich fand!" +</p> + +<p> +Die gute Dame konnte sich in diese Rede gar nicht finden; aber der +Bürgermeister überzeugte sie durch ein über diesen Austausch von der +Amme auf ihrem Todesbett aufgenommenes Protokoll, und sie sank ihrem +neugefundenen Bruder in die Arme. +</p> + +<p> +Sie soll nachher dem Bürgermeister drei Jahre die Haushaltung geführt +haben und, als er gestorben, in das Kloster zu St. Klara in Kolmar +gegangen sein und demselben ihr ganzes Vermögen vermacht haben. +</p> + +<p><br /><br /><br /><br /></p> + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Die drei Nüsse, by Clemens Brentano + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DREI NÜSSE *** + +***** This file should be named 4505-h.htm or 4505-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/4/5/0/4505/ + +Produced by Michael Pullen. HTML version by Al Haines. + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you +do not charge anything for copies of this eBook, complying with the +rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose +such as creation of derivative works, reports, performances and +research. 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Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. To +SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any +particular state visit www.gutenberg.org/donate + +While we cannot and do not solicit contributions from states where we +have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition +against accepting unsolicited donations from donors in such states who +approach us with offers to donate. + +International donations are gratefully accepted, but we cannot make +any statements concerning tax treatment of donations received from +outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. + +Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation +methods and addresses. Donations are accepted in a number of other +ways including checks, online payments and credit card donations. +To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate + + +Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic +works. + +Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + +</pre> + +</body> + +</html> + + diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..2ab1d49 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #4505 (https://www.gutenberg.org/ebooks/4505) diff --git a/old/7nuss10.txt b/old/7nuss10.txt new file mode 100644 index 0000000..dd8a0c0 --- /dev/null +++ b/old/7nuss10.txt @@ -0,0 +1,816 @@ +The Project Gutenberg Etext of Die drei Nuesse, by Clemens Brentano +#6 in our series by Clemens Brentano + +This Etext is in German. + +We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, +known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- +and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- +which requires a binary transfer, or sent as email attachment and +may require more specialized programs to display the accents. +This is the 7-bit version. + +Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the +copyright laws for your country before distributing this or any other +Project Gutenberg file. + +We encourage you to keep this file, exactly as it is, on your +own disk, thereby keeping an electronic path open for future +readers. Please do not remove this. + +This header should be the first thing seen when anyone starts to +view the etext. Do not change or edit it without written permission. +The words are carefully chosen to provide users with the +information they need to understand what they may and may not +do with the etext. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**Etexts Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These Etexts Are Prepared By Thousands of Volunteers!***** + +Information on contacting Project Gutenberg to get etexts, and +further information, is included below. We need your donations. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a 501(c)(3) +organization with EIN [Employee Identification Number] 64-6221541 + + + +Title: Die drei Nuesse + +Author: Clemens Brentano + +Release Date: October, 2003 [Etext #4505] +[Yes, we are more than one year ahead of schedule] +[This file was first posted on January 26, 2002] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ASCII + +The Project Gutenberg Etext of Die drei Nuesse, by Clemens Brentano +*******This file should be named 7nuss10.txt or 7nuss10.zip****** + +Corrected EDITIONS of our etexts get a new NUMBER, 7nuss11.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7nuss10a.txt + +This etext was produced by Michael Pullen, globaltraveler5565@yahoo.com. + +Project Gutenberg Etexts are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep etexts in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our etexts one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg Etexts is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our sites at: +http://gutenberg.net or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +etexts, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any Etext before announcement +can get to them as follows, and just download by date. This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03 + +Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any etext selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2001 as we release over 50 new Etext +files per month, or 500 more Etexts in 2000 for a total of 4000+ +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +should reach over 300 billion Etexts given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away One Trillion Etext +Files by December 31, 2001. [10,000 x 100,000,000 = 1 Trillion] +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +At our revised rates of production, we will reach only one-third +of that goal by the end of 2001, or about 4,000 Etexts. We need +funding, as well as continued efforts by volunteers, to maintain +or increase our production and reach our goals. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of November, 2001, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Arkansas, Connecticut, Delaware, +Florida, Georgia, Idaho, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, +Louisiana, Maine, Michigan, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Oklahoma, Oregon, +Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South Dakota, Tennessee, +Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin, +and Wyoming. + +*In Progress + +We have filed in about 45 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. If your state is not listed and +you would like to know if we have added it since the list you have, +just ask. + +While we cannot solicit donations from people in states where we are +not yet registered, we know of no prohibition against accepting +donations from donors in these states who approach us with an offer +to +donate. + +International donations are accepted, but we don't know ANYTHING +about +how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made +deductible, and don't have the staff to handle it even if there are +ways. + +All donations should be made to: + +Project Gutenberg Literary Archive Foundation +PMB 113 +1739 University Ave. +Oxford, MS 38655-4109 + +Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment +method other than by check or money order. + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved +by +the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN +[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are +tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As +fundraising +requirements for other states are met, additions to this list will be +made and fundraising will begin in the additional states. + +We need your donations more than ever! + +You can get up to date donation information at: + +http://www.gutenberg.net/donation.html + + +*** + +If you can't reach Project Gutenberg, +you can always email directly to: + +Michael S. Hart <hart@pobox.com> + +Prof. Hart will answer or forward your message. + +We would prefer to send you information by email. + + +**The Legal Small Print** + + +(Three Pages) + +***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN ETEXTS**START*** +Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers. +They tell us you might sue us if there is something wrong with +your copy of this etext, even if you got it for free from +someone other than us, and even if what's wrong is not our +fault. So, among other things, this "Small Print!" statement +disclaims most of our liability to you. It also tells you how +you may distribute copies of this etext if you want to. + +*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS ETEXT +By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm +etext, you indicate that you understand, agree to and accept +this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive +a refund of the money (if any) you paid for this etext by +sending a request within 30 days of receiving it to the person +you got it from. If you received this etext on a physical +medium (such as a disk), you must return it with your request. + +ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM ETEXTS +This PROJECT GUTENBERG-tm etext, like most PROJECT GUTENBERG-tm +etexts, +is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. 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Da aber die drei Zoeglinge Moellers etwas +unmaessig zu den Nuessen griffen und sie lustig nacheinander aufknackten, +verwies Moeller es ihnen freundlich und gab ihnen folgenden Vers aus +der Schola Salernitana zu verdeutschen auf: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est."--Da uebersetzten sie: "Eine Nuss nuetzt, die +zweite schadet, der Tod ist die dritte." Moeller aber sagte zu ihnen, +diese UEbersetzung koenne unmoeglich die rechte sein, da sie die dritte +Nuss laengst genossen und doch noch frisch und gesund seien; sie +moechten sich eines Bessern besinnen. Kaum waren diese Worte +gesprochen, als der Alchimist mit Bestuerzung ploetzlich vom Tische +aufsprang und sich in der ihm angewiesenen Stube verschloss, worueber +alle Anwesende in nicht geringer Verwunderung waren. Der juengste +Sohn des Buergermeisters folgte dem Fremden, um ihn auf Befehl seines +Vaters zu fragen, ob ihm etwas zugestossen sei; da er aber die Tuere +verschlossen fand, sah er durch das Schluesselloch den Fremden auf den +Knien liegen und unter Traenen und Haenderingen mehrere Male ausrufen: +"Ah, mon Dieu, mon Dieu!" + +Kaum hatte der Knabe seinem Vater dies hinterbracht, als der Fremde +sich von dem Diener zu einer einsamen Unterredung melden liess. Alle +entfernten sich. Da trat der Alchimist herein, fiel auf die Knie, +umfasste die Fuesse des Buergermeisters und flehte ihn unter heftigen +Traenen an: er moege ihn nicht vor Gericht bringen, er moege ihn vor +einem schmaehlichen Tode erretten. + +Der Buergermeister, heftig ueber seine Rede erschrocken, fuerchtete, der +Mensch moege den Verstand verloren haben, hob ihn von der Erde auf und +bat ihn freundlich: er moege ihm sagen, wie er auf so schreckliche +Reden komme. Da erwiderte der Fremde: "Herr, verstellen Sie sich +nicht, Sie und der Magister Moeller kennen mein Verbrechen; der Vers +von den drei Nuessen beweist es: tertia mors est, die dritte ist der +Tod; ja, ja, eine bleierne Kugel war es, ein Druck des Fingers, und +er schlug nieder. Sie haben sich verabredet, mich zu peinigen, Sie +werden mich ausliefern, ich werde durch Sie unter das Schwert kommen." + +Der Buergermeister glaubte nun die Verruecktheit des Alchimisten gewiss +und suchte ihn durch freundliches Zureden zu beruhigen. Er aber liess +sich nicht beruhigen und sprach: "Wenn Sie es auch nicht wissen, so +weiss es doch Ihr Hofmeister gewiss, denn er sah mich durchdringend an, +als er sagte: ›tertia mors est‹." Nun konnte der Buergermeister +nichts anders tun, als ihn bitten, ruhig zu Bette zu gehen, und ihm +sein Ehrenwort zu geben, dass weder er noch Moeller ihn verraten wuerden, +wenn irgend etwas Wahres an seinem Ungluecke sein sollte. Der +Unglueckliche aber wollte ihn nicht eher verlassen, bis Moeller gerufen +war und ihm auch heilig beteuerte, dass er ihn nicht verraten wolle; +denn dass auch er nicht das mindeste von seinem Ungluecke wisse, wollte +er sich auf keine Weise ueberreden lassen. + +Am folgenden Morgen entschloss sich der Unglueckliche, von Kolmar nach +Basel zu gehen, und bat den Magister Moeller um eine Empfehlung an +einen Professor der Medizin. Moeller schrieb ihm einen Brief an den +Doktor Bauhinus und reichte ihm denselben offen, damit er keine Art +von Verdacht schoepfen koenne. Er verliess das Haus mit Traenen und +nochmaligem Flehen, ihn nicht zu verraten. + +Im folgenden Jahre um dieselbe Zeit, etwa drei Wochen spaeter, als der +Buergermeister mit den Seinigen wieder Nuesse ass und sie sich dabei +alle lebhaft an den ungluecklichen Alchimisten erinnerten, liess sich +eine Frau bei ihm melden. Er hiess sie hereintreten; sie war eine +Reisende in anstaendiger Tracht, sie trauerte und schien vom Kummer +ganz zerstoert, doch hatte sie noch Spuren von grosser Schoenheit. Der +Buergermeister bot ihr einen Stuhl an, stellte ihr ein Glas Wein und +einige Nuesse vor; aber sie geriet bei dem Anblick dieser Frucht in +eine heftige Erschuetterung, die Traenen liefen ihr die Wangen herab: +"Keine Nuesse, keine Nuesse!" sagte sie und schob den Teller zurueck. + +Diese ihre Weigerung, mit der Erinnerung an den Alchimisten, brachte +unter den Tischgenossen eine eigene Spannung hervor. Der +Buergermeister befahl dem Diener, die Nuesse sogleich wegzubringen, und +bat die Frau, nach einer Entschuldigung, dass er ihren Abscheu vor den +Nuessen nicht gekannt, um die Angabe des Geschaeftes, das sie zu ihm +gefuehrt. + +"Ich bin die Witwe eines Apothekers aus Lyon", sagte sie, "und +wuensche mich hier in Kolmar niederzulassen. Die traurigsten +Schicksale noetigen mich, meine Vaterstadt zu verlassen."--Der +Buergermeister fragte sie um ihre Paesse, auf dass er versichert sein +koenne, dass sie ihr Vaterland frei von allen gerichtlichen Anspruechen +auf sie verlassen habe. Sie uebergab ihre Papiere, die in der besten +Ordnung waren und ihr den Namen der Witwe des Apothekers Pierre du +Pont oder Petrus Pontanus gaben. Auch zeigte sie dem Buergermeister +mancherlei Atteste der medizinischen Fakultaet von Montpellier, dass +sie im Besitz der Fabrikationsrezepte vieler trefflicher Arzeneien +sei. + +Der Buergermeister versprach ihr alle moegliche Unterstuetzung bei ihrer +Niederlassung und bat sie, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen, wo er +ihr Empfehlungen an einige AErzte und Apotheker der Stadt schreiben +wollte. Als er nun die Frau die Treppe hinauf fuehrte und oben ueber +den Flur weg, kam dieselbe bei dem Anblick eines kindischen Gemaeldes +in eine solche Bestuerzung, dass der Buergermeister fuerchtete, sie +moechte an seinem Arme ohnmaechtig werden; er brachte sie schnell auf +seine Stube, und sie liess sich unter bittern Traenen auf einen Stuhl +nieder. + +Der Buergermeister wusste die Veranlassung ihrer Gemuetsbewegung nicht +und fragte sie, was ihr fehle. Sie sagte ihm: "Mein Herr, woher +kennen Sie mein Elend, wer hat das Bild an die Stubentuere geheftet, +an welcher wir voruebergingen?" Da erinnerte sich der Buergermeister +an das Bild und sagte ihr, dass es die Spielerei seines juengsten +Sohnes sei, welcher eine Neigung habe, alle Ereignisse, die ihn naeher +interessierten, in solchen Malereien auf seine Art zu verewigen. Das +Bild aber bestand darin, dass der Knabe, welcher das Jahr vorher den +Alchimisten kniend und die Haende ringend in dieser Stube: "Ah, mon +Dieu, mon Dieu!" hatte ausrufen hoeren, diesen in derselben Stellung +und ueber ihn drei Nuesse mit dem Spruche: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est!" auf eine Pappe gemalt und an die Stubentuere, +wo der Alchimist gewohnt, befestigt hatte. + +"Wie kann Ihr Sohn das schreckliche Unglueck meines Mannes wissen?" +sagte die Frau; "wie kann er wissen, was ich ewig verbergen moechte, +und weswegen ich mein Vaterland verlassen habe?" + +"Ihres Mannes?" erwiderte der verwunderte Buergermeister; "ist der +Chemiker Todenus Ihr Mann? Ich glaubte nach Ihrem Passe, dass Sie die +Witwe des Apothekers Pierre du Pont aus Lyon seien." + +"Die bin ich", entgegnete die Fremde, "und der Abgebildete ist mein +Mann, du Pont; mir zeigt es die Stellung, in welcher ich ihn zuletzt +gesehen, mir zeigt es der fatale Spruch und die Nuesse ueber ihm." + +Nun erzaehlte ihr der Buergermeister den ganzen Vorfall mit dem +Alchimisten in seinem Hause und fragte sie, wie er sich befinde, wenn +er wirklich ihr Mann sei, der vielleicht unter fremdem Namen bei ihm +gewesen waere. + +"Mein Herr", erwiderte die Frau, "ich sehe wohl, das Schicksal selbst +will, dass meine Schmach nicht soll verborgen bleiben; ich erwarte von +Ihrer Rechtschaffenheit, dass Sie mein Unglueck nicht zu meinem +Nachteil bekanntmachen werden. Hoeren Sie mich an. Mein Mann, der +Apotheker Pierre du Pont, war wohlhabend; er wuerde reich gewesen sein, +wenn er nicht durch seine Neigung zur Alchimie vieles Geld +verschwendet haette. Ich war jung und hatte das grosse Unglueck, sehr +schoen zu sein. Ach, mein Herr, es gibt schier kein groesseres Unglueck +als dieses, weil keine Ruhe, kein Friede moeglich ist, weil alles nach +einem verlangt und verzweifelt und man in solche Bedraengnisse und +Belagerungen koemmt, dass man sich manchmal gar, nur um des ekelhaften +Goetzendienstes los zu werden, dem Verderben hingeben koennte. Eitel +war ich nicht, nur ungluecklich; denn ich mochte mich auch absichtlich +schlecht und entstellend kleiden, so wurde doch immer eine neue Mode +daraus, und man fand es allerliebst. Wo ich ging und stand, war ich +von Verehrern umgeben, ich konnte vor Serenaden nicht schlafen, musste +einen Diener halten, die Geschenke und Liebesbriefe abzuweisen, und +alle Augenblick mein Gesinde abschaffen, weil es bestochen war, mich +zu verfuehren. Zwei Diener in der Apotheke meines Mannes vergifteten +einander, weil ein jeder von ihnen entdeckt hatte, dass der andere ein +Edelmann sei, der aus Leidenschaft zu mir unter fremdem Namen in +unsre Dienste gegangen war. Alle Leute, die in unsrer Offizin Arznei +holten, waren dadurch schon im Verdacht, liebeskrank zu sein. Ich +hatte von allem diesem nichts als Unruhe und Elend, und nur die +Freude meines Mannes an meiner Gestalt hielt mich ab, mich an meiner +Larve zu vergreifen und mich auf irgendeine Weise zu entstellen. Oft +fragte ich ihn, ob er denn an meinem Herzen und guten Willen nicht +genug habe; er moechte mir doch erlauben, mein Gesicht, das so vieles +Unheil stifte, durch irgendein beizendes Mittel zu verderben. Aber +er erwiderte mir immer: ›Schoene Amelie! Ich wuerde verzweifeln, wenn +ich dich nicht mehr ansehen koennte; ich wuerde der ungluecklichste +Mensch sein, wenn ich den ganzen Tag in meinem russigen Laboratorium +vergebens geschwitzt habe und meine Augen abends nicht mehr an deinem +Anblick erquicken koennte. Du bist der einzige klare Punkt in meiner +finstern Bestimmung, und wenn ich alle meine Hoffnung habe nach +schwerem Tagewerk zum Rauchfang hinausfliegen sehen, tritt mir alle +meine Hoffnung am Abend in deiner Schoenheit wieder entgegen.‹ Er +liebte mich zaertlich, aber Gott segnete unsre Liebe nicht, wir hatten +keine Kinder. Als ich ihm meine Trauer hierueber einst sehr lebhaft +mitteilte, ward er finster und sprach: ›So Gott will und mir nicht +alles misslingt, wird uns auch diese Freude werden.‹ An einem Abend +kam er spaet nach Hause, er war ungewoehnlich froh und gestand mir, dass +er heute mit einem sehr tief eingeweihten Adepten sich unterhalten +habe, der einen lebhaften Anteil an ihm und mir zu nehmen scheinen +und unsre Wuensche wuerden bald erfuellt werden. Ich verstand ihn nicht. + +Nach Mitternacht erwachte ich durch ein Geraeusch; ich sah meine ganze +Stube voll fliegender, leuchtender Johanniskaefer; ich konnte nicht +begreifen, wie die Menge dieser Insekten in meine Stube gekommen sei; +ich erweckte meinen Mann und fragte ihn, was das nur zu bedeuten habe. +Zugleich sah ich auf meinem Nachttische ein praechtiges +venetianisches Glas voll der schoensten Blumen stehen und daneben neue +seidene Struempfe, Pariser Schuhe, wohlriechende Handschuhe, Baender +und dergleichen liegen. Mir fiel ein, dass morgen mein Geburtstag sei, +und glaubte, mein Mann habe mir diese Galanterie gemacht, wofuer ich +ihm herzlich dankte. Er aber versicherte mir mit den heiligsten +Schwueren, dass diese Geschenke nicht von ihm herruehrten, und die +heftigste Eifersucht fasste zum erstenmal in ihm Wurzel. Er drang +bald auf die ruehrendste und dann wieder heftigste Weise in mich, ihm +zu erklaeren, wer diese Dinge hierher gebracht; ich weinte und konnte +es ihm nicht sagen. Aber er glaubte mir nicht, befahl mir +aufzustehen, und ich musste mit ihm das ganze Haus durchsuchen, aber +wir fanden niemand. Er begehrte die Schluessel meines Schreibepultes, +er durchsuchte alle meine Papiere und Briefschaften, er entdeckte +nichts. Der Tag brach an, ich verzweifelte in Traenen. Mein Mann +verliess mich sehr unmutig und begab sich nach seinem Laboratorium. +Ermuedet legte ich mich wieder zu Bett und dachte unter bittern Traenen +ueber den naechtlichen Vorfall nach; ich konnte mir auch gar nicht +einbilden, wer den Handel koenne angestellt haben, und verwuenschte, +indem ich mich selbst in einem Spiegel sah, der meinem Bette +gegenueberstand, meine unglueckliche Schoenheit; ja, ich streckte gegen +mich selbst, vor innerem Ekel, die Zunge heraus; aber leider blieb +ich schoen, ich mochte Gesichter schneiden, wie ich wollte. Da sah +ich in dem Spiegel, aus einem der neuen Schuhe, die auf dem +Nachttische standen, ein Papier hervorsehen. Ich griff hastig +darnach und las unter heftiger Bestuerzung folgendes Billett: + + + +Geliebte Amelie! Mein Unglueck ist groesser als je; Dich musste ich +meiden bis jetzt, und nun muss ich auch das Land fliehen, in dem Du +lebst; ich habe in meiner Garnison einen Offizier im Duelle erstochen, +der sich Deiner Beguenstigung ruehmte; man verfolgt mich, ich bin hier +in verstellter Kleidung. Morgen ist Dein Geburtstag; ich muss Dich +sehen, zum letzten Male sehen. Heute abend vor dem Tore findest Du +mich in dem kleinen Waeldchen, unter den Nussbaeumen, etwa hundert +Schritte vom Wege, bei der kleinen Kapelle rechts. Wenn Du mir +einiges Geld zu meiner Huelfe mitbringen kannst, so wird Dir es Gott +vergelten. Ich Tor habe es nicht unterlassen koennen, die letzten +wenigen Louisdore meines Vermoegens an das kleine Geburtstagsgeschenk +zu verwenden, das Du vor Dir siehst. Wie Du es erhalten, und was ich +dabei gelitten, sollst Du selbst von mir hoeren. Schweigen musst Du, +kommen musst Du, oder meine Leiche wird morgen in Deine Wohnung +gebracht. + +Dein ungluecklicher Ludewig. + + + +Ich las diese Zeilen mit der heftigsten Trauer; ich musste ihn sehen, +ich musste ihn troesten, ich musste ihm alles bringen, was ich hatte, +denn ich liebte ihn unaussprechlich und sollte ihn auf ewig verlieren." + +Hier schuettelte der Buergermeister laechelnd den Kopf und sprach: "So +haben Sie also doch, meine Dame, fuer einen fremden Mann Zaertlichkeit +empfunden?" + +Die Fremde erwiderte mit einem ruhigen Selbstgefuehl: "Ja, mein Herr; +aber verdammen Sie mich nicht zu frueh, und hoeren Sie meine Erzaehlung +ruhig aus. Ich raffte den ganzen Tag alles, was ich an Geld und +Geschmeide hatte, zusammen und packte es in einen Buendel, den ich mir +gegen Abend von unserer Magd nach einem Badehaus in der Gegend jenes +Tores, vor welchem Ludewig mich erwarten sollte, tragen liess. Dieser +Weg hatte nichts Auffallendes, ich war ihn oft gegangen. Als wir +dort angekommen waren, sendete ich meine Magd mit dem Auftrage zurueck, +mir um neun Uhr einen Wagen an das Badehaus zu senden, der mich nach +Hause bringen solle. Sie verliess mich, ich aber ging nicht in das +Badehaus, sondern begab mich mit meinem Buendelchen unter dem Arm vor +das Tor nach dem Walde, wo ich erwartet wurde. Ich eilte nach dem +bestimmten Orte, ich trat in die Kapelle, er flog in meine Arme, wir +bedeckten uns mit Kuessen, wir zerflossen in Traenen; auf den Stufen +des Altares der kleinen Kapelle, die von Nussbaeumen beschattet waren, +sassen wir mit verschlungenen Armen und erzaehlten uns unter den +zaertlichsten Liebkosungen unsre bisherigen Schicksale. Er +verzweifelte schier, dass er mich nun nie, nie wiedersehen sollte. +Der Abschied nahte; es war halb neun Uhr geworden, der bestellte +Wagen erwartete mich. Ich gab ihm das Geld und die Juwelen, und er +sagte zu mir: ›Amelie, haette ich mich nur heute nacht vor deinem +Bette erschossen, aber der Anblick deiner Schoenheit im Schlafe +entwaffnete mich. An dem Rebengelaender deines offenen Fensters bin +ich in deine Stube geklettert und habe die Johanniskaefer fliegen +lassen, an denen ich auf meiner ganzen Reise gesammelt, weil ich mich +erinnerte, dass du sie liebtest; dann legte ich dir die neuen Schuhe +und Struempfe hin und nahm mir die mit, welche du am Abend abgelegt +hattest; dein trocknet, ehrlicher Mann schien mir ueber seinen tollen +Gedanken zu traeumen, ich habe ihn gestern schon gesprochen, er +begegnete mir hier im Walde botanisierend; es war schon duester, und +da ich selbst Waldblumen dir zum Strausse suchte, hielt er mich fuer +seinesgleichen, und wir gerieten in ein langes alchimisches Gespraech. +Ich teilte ihm die Anweisung eines Moenches mit, der mich auf meiner +letzten Reise in der Provence, als ich in einem Kloster uebernachtete, +lange von dem Geheimnis unterhielt, einen lebendigen Menschen auf +chemischem Wege in einem Glase heraus zu destillieren. Dein guter +Mann nahm alles fuer bare Muenze, umarmte mich herzlich und bat mich, +ihn bald zu besuchen, worauf er mich verliess; ach, er wusste nicht, +dass ich ihn in derselben Nacht wirklich auf halsbrechendem Wege +besuchen sollte. Wie muss ich dich bedauern, dass du kinderlos und +eines solchen Toren Gattin bist!‹ + +Ich war noch unwillig auf meinen Mann wegen seiner naechtlichen +Eifersucht und sagte:›Ja, ich habe ihn als einen Toren kennengelernt. +‹ Aber da die Zeit der Trennung fast verflossen war und ich meine +Arme um ihn schlang und ausrief: ›Lebe wohl, lieber, lieber Ludewig! +Sieh, wie diese heilige Stunde des Wiedersehens verflossen ist, so +geht auch bald das ganze elende Leben dahin, habe ein wenig Geduld, +alles ist bald zu Ende‹, da brach er drei Nuesse von einem Baume bei +der Kapelle und sprach. ›Diese Nuesse wollen wir zu ewigem Angedenken +noch zusammen essen, und sooft wir Nuesse sehen, wollen wir aneinander +gedenken.‹ Er biss die erste Nuss auf, teilte sie mit mir und kuesste +mich zaertlich; ›ach‹, sagte er, ›da faellt mir ein alter Reim von den +Nuessen ein, er faengt an: Unica nux prodest, eine einzige Nuss ist +nuetzlich; aber es ist nicht wahr, denn wir muessen bald scheiden. Die +folgenden Worte sind wahrer: Nocet altera, die zweite schadet; jawohl, +jawohl, denn wir muessen bald scheiden!‹ Da umarmte er mich unter +heftigen Traenen und teilte die dritte Nuss mit mir und sagte: ›Bei +dieser sagt der Spruch wahr; o Amelie, vergiss mich nicht, bete fuer +mich! Tertia mors est, die dritte Nuss ist der Tod!‹--Da fiel ein +Schuss, Ludewig stuerzte zu meinen Fuessen; ›tertia mors est!‹ schrie +eine Stimme durch das Fenster der Kapelle; ich schrie: ›O Jesus, mein +Bruder, mein armer Bruder Ludewig erschossen!‹" + +"Allmaechtiger Gott! Ihr Bruder war es?" rief der Buergermeister aus. + +"Ja, es war mein Bruder", erwiderte sie ernst; "und nun erwaegen Sie +mein Leid, da mein Mann, als der Moerder, mit einer Pistole vor mich +trat; er hatte noch einen Schuss in dem Gewehr, er wollte sich selbst +toeten; ich aber entriss ihm die Waffe und warf sie in das Gebuesch. +›Flieh, flieh!‹ rief ich aus, ›die Gerechtigkeit verfolgt dich, du +bist ein Moerder geworden!‹ Er war in Schmerzen versteinert, er wollte +nicht von der Stelle; wir hoerten Leute, die sich auf den Schuss von +der Landstrasse nahten, ich gab ihm das Geld und die Geschmeide, die +ich meinem Bruder bestimmt hatte, und stiess ihn aus der Kapelle +hinaus. + +Nun liess ich meinem Wehgeschrei vollen Lauf, und die Ankommenden, +unter welchen Maenner waren, die mich kannten, brachten mich, wie eine +halb Wahnsinnige, nach Hause. Der Leichnam meines Bruders ward auf +das Rathaus gebracht; es begann eine graessliche Untersuchung. +Gluecklicherweise fiel ich in ein hitziges Fieber und war lange genug +ohne den Gebrauch meiner Sinne, um meinen Gemahl nicht eher verraten +zu koennen, als bis er bereits in voelliger Sicherheit ueber der Grenze +war. Kein Mensch zweifelte, dass er der Moerder sei, weil er an +demselben Abend verschwunden war. Die Verleumdung fiel nun mit ihren +greulichsten Zungen ueber mich her.--Alles, was andre Frauen von mir +sagten, die mich meines Elends, meiner Schoenheit wegen beneideten, +alle Schandreden der Maenner, welche nichts an mir aergern konnte als +meine Tugend, will ich hier nicht wiederholen; genug, wenn ich sage, +dass man mir den Beweis, der Ermordete sei mein Bruder, durch den +schaendlichsten Verdacht zu erschweren suchte. Alles wollte mich in +den Staub treten, um ueber meine gehaessige Tugend zu triumphieren. +Dabei genoss ich der ekelhaftesten Teilnahme aller jungen Advokaten +und war im Begriffe, vor Bedraengnis und Jammer wirklich den Verstand +zu verlieren. Auf ein Testament meines Mannes, zugunsten meiner, +liess ich die Apotheke unter Administration setzen und zog mich auf +mehrere Jahre in ein Kloster zurueck. So verstummte endlich das +Gespraech, und ich beschaeftigte mich waehrend dieser Zeit mit der +Zubereitung der Arzneien fuer die Armen, welche die Klosterfrauen +verpflegten." + +"Ihr Unglueck ruehrt mich ungemein", entgegnete der Buergermeister, +"aber die Art, wie Sie von dem Betragen ihres Bruders sprachen, +machte auch mir eher den Eindruck eines Geliebten als eines Bruders." + +"O mein Herr", erwiderte die Fremde, "dies eben war eine Hauptursache +meines Leides; er liebte mich mit groesserer Leidenschaft, als er +sollte, und mit der kraeftigsten Seele arbeitete er dieser boesen +Gewalt meiner Schoenheit entgegen. Er sah mich manchmal in mehreren +Jahren nicht, ja, er durfte mir selbst nicht mehr schreiben; nur die +Not hatte ihn bei dem letzten Vorfalle zu mir getrieben, und so +konnte ich ihm meinen Anblick doch nicht versagen. Mein Mann kannte +ihn nicht, und ich hatte ihn allein geheiratet, um die Leidenschaft +meines Bruders entschieden zu brechen. Ach, er hat sie selbst +gebrochen mit seinem Leben! Mein Mann, von seiner Eifersucht +beunruhigt, hatte sein Laboratorium frueh verlassen; die Magd sagte +ihm, dass ich nach dem Badehause sei; es fuhr ihm der Gedanke an +Verrat durch die Seele, er steckte eine doppelte Pistole zu sich und +suchte mich in dem Badehause auf. Er fand mich nicht, aber hoerte die +Aussage der Bademeisterin, sie habe mich zum nahgelegenen Tore +hinausgehen sehen. Da erinnerte er sich des Fremden, der gestern mit +ihm in dem Waeldchen geredet und ihn auch nach seiner Frau gefragt +hatte; er erinnerte sich, dass derselbe Johanniswuermer gefangen, sein +Verdacht erhielt Gewissheit; er eilte nach dem Waeldchen, nahte der +Kapelle, hoerte das Ende unsrer Unterredung: tertia mors est--er +beging die schreckliche Tat." + +"O, der unglueckliche, arme Mann!" rief der Buergermeister aus; "aber +wo ist er, was macht er, was fuehrt Sie hieher, konnten Sie ihm +verzeihen, werden wir ihn hier wiedersehen?" + +"Wir werden ihn nicht wiedersehen, ich habe ihm verziehen, Gott hat +ihm verziehen!" versetzte die Fremde; "aber Blut will Blut, er konnte +sich nicht selbst verzeihen! Acht Jahre lebte er in Kopenhagen an +dem Hofe des Koenigs von Daenemark, Christian des Vierten, als +Hoflaborant; denn dieser Fuerst war den geheimen Kuensten sehr zugetan. +Nach dem Tode desselben zog er an manchen norddeutschen Hoefen herum. +Er war immer unstet und von seinem Gewissen gepeinigt, und wenn er +Nuesse sah und von Nuessen hoerte, fiel er oft ploetzlich in die +heftigste Trauer. So kam er endlich zu Ihnen, und als er hier den +ungluecklichen Vers hoerte, floh er nach Basel. Dort lebte er, bis die +Nuesse wieder reiften; da ward seine Unruhe unaufhaltsam; seine Zeit +war abgelaufen; er reiste ab nach Lyon und lieferte sich selbst den +Gerichten aus. Er hatte vor drei Wochen ein ruehrendes Gespraech mit +mir, er war gut wie ein Kind, er bat mich um Vergebung--ach, ich +hatte ihm laengst vergeben. Er sagte mir, ich solle nach seiner +schimpflichen Todesstrafe Frankreich verlassen und nach Kolmar reisen, +dort sei der Buergermeister ein sehr redlicher Mann. Zwei Tage +hierauf ward er unter unzaehligem Volkszulauf, bei der Kapelle, wo der +Mord geschehen, enthauptet. Er kniete nieder in dem Kreise, brach +drei Nuesse desselbigen Baums, welcher meinem Bruder die Todesnuss +getragen hatte, teilte sie alle drei mit mir und umarmte mich +nochmals zaertlich; dann brachte man mich in die Kapelle, wo ich +betend an den Altar niedersank. Er aber sprach draussen: ›Unica nux +prodest, altera nocet, tertia mors est‹, und bei diesem letzten Worte +machte der Schwertstreich seinem elenden Leben ein Ende.--Dieses ist +meine Geschichte, Herr Buergermeister." + +Mit diesen Worten endete die Dame ihre Erzaehlung, der Buergermeister +reichte ihr geruehrt die Hand und sagte: "Unglueckliche Frau, nehmen +Sie die Versicherung, dass ich von Ihrem Ungluecke tief geruehrt bin und +das Vertrauen Ihres armen Mannes auf meine Redlichkeit auf alle Weise +zu Ihrer Beruhigung wahr machen will." + +Indem er dies sprach und, seine Traenen unterdrueckend, auf ihre Hand +niedersah, bemerkte er einen Siegelring an ihrem Finger, der einen +lebhaften Eindruck auf ihn machte; er erkannte auf ihm ein Wappen, +das ihn ungemein interessierte. Die Dame sagte ihm, es sei der +Siegelring ihres Bruders.--"Und sein Familienname heisst?" fragte der +Buergermeister lebhaft.--"Piautaz", erwiderte die Fremde; "unser Vater +war ein Savoyarde und hatte einen Kram in Montpellier." + +Da wurde der Buergermeister sehr unruhig, er lief nach seinem Pulte, +er holte mehrere Papiere hervor, er las, er fragte sie um das Alter +ihres Bruders, und da sie zu ihm sagte: "Heute wuerde er +sechsundvierzig Jahre alt sein, wenn er noch lebte", sagte er mit +freudigem Ungestueme: "Recht, ganz recht! Heute ist er so alt, denn +er lebt noch. Amelie, ich bin dein Bruder! Ich bin von der Amme +deiner Mutter gegen das Soehnlein des Mechanikus Maggi ausgewechselt +worden; dein Bruder hat dich nicht geliebt, es war Maggis Sohn, der +deines Bruders Namen trug und eines so ungluecklichen Todes starb. +Wohl mir, dass ich dich fand!" + +Die gute Dame konnte sich in diese Rede gar nicht finden; aber der +Buergermeister ueberzeugte sie durch ein ueber diesen Austausch von der +Amme auf ihrem Todesbett aufgenommenes Protokoll, und sie sank ihrem +neugefundenen Bruder in die Arme. + +Sie soll nachher dem Buergermeister drei Jahre die Haushaltung gefuehrt +haben und, als er gestorben, in das Kloster zu St. Klara in Kolmar +gegangen sein und demselben ihr ganzes Vermoegen vermacht haben. + + +Ende dieses Project Gutenberg Etextes "Die drei Nuesse", von Clemens +Brentano. + + diff --git a/old/7nuss10.zip b/old/7nuss10.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..e3b4710 --- /dev/null +++ b/old/7nuss10.zip diff --git a/old/8nuss10.txt b/old/8nuss10.txt new file mode 100644 index 0000000..7d5e623 --- /dev/null +++ b/old/8nuss10.txt @@ -0,0 +1,816 @@ +The Project Gutenberg Etext of Die drei Nüsse, by Clemens Brentano +#6 in our series by Clemens Brentano + +This Etext is in German. + +We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, +known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- +and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- +which requires a binary transfer, or sent as email attachment and +may require more specialized programs to display the accents. +This is the 8-bit version. + +Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the +copyright laws for your country before distributing this or any other +Project Gutenberg file. + +We encourage you to keep this file, exactly as it is, on your +own disk, thereby keeping an electronic path open for future +readers. Please do not remove this. + +This header should be the first thing seen when anyone starts to +view the etext. Do not change or edit it without written permission. +The words are carefully chosen to provide users with the +information they need to understand what they may and may not +do with the etext. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**Etexts Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These Etexts Are Prepared By Thousands of Volunteers!***** + +Information on contacting Project Gutenberg to get etexts, and +further information, is included below. We need your donations. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a 501(c)(3) +organization with EIN [Employee Identification Number] 64-6221541 + + + +Title: Die drei Nüsse + +Author: Clemens Brentano + +Release Date: October, 2003 [Etext #4505] +[Yes, we are more than one year ahead of schedule] +[This file was first posted on January 26, 2002] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ASCII + +The Project Gutenberg Etext of Die drei Nüsse, by Clemens Brentano +*******This file should be named 8nuss10.txt or 8nuss10.zip****** + +Corrected EDITIONS of our etexts get a new NUMBER, 8nuss11.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8nuss10a.txt + +This etext was produced by Michael Pullen, globaltraveler5565@yahoo.com. + +Project Gutenberg Etexts are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep etexts in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our etexts one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg Etexts is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our sites at: +http://gutenberg.net or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +etexts, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any Etext before announcement +can get to them as follows, and just download by date. 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If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2001 as we release over 50 new Etext +files per month, or 500 more Etexts in 2000 for a total of 4000+ +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +should reach over 300 billion Etexts given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away One Trillion Etext +Files by December 31, 2001. [10,000 x 100,000,000 = 1 Trillion] +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +At our revised rates of production, we will reach only one-third +of that goal by the end of 2001, or about 4,000 Etexts. We need +funding, as well as continued efforts by volunteers, to maintain +or increase our production and reach our goals. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of November, 2001, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Arkansas, Connecticut, Delaware, +Florida, Georgia, Idaho, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, +Louisiana, Maine, Michigan, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Oklahoma, Oregon, +Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South Dakota, Tennessee, +Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin, +and Wyoming. + +*In Progress + +We have filed in about 45 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. 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Da aber die drei Zöglinge Möllers etwas +unmäßig zu den Nüssen griffen und sie lustig nacheinander aufknackten, +verwies Möller es ihnen freundlich und gab ihnen folgenden Vers aus +der Schola Salernitana zu verdeutschen auf: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est."--Da übersetzten sie: "Eine Nuß nützt, die +zweite schadet, der Tod ist die dritte." Möller aber sagte zu ihnen, +diese Übersetzung könne unmöglich die rechte sein, da sie die dritte +Nuß längst genossen und doch noch frisch und gesund seien; sie +möchten sich eines Bessern besinnen. Kaum waren diese Worte +gesprochen, als der Alchimist mit Bestürzung plötzlich vom Tische +aufsprang und sich in der ihm angewiesenen Stube verschloß, worüber +alle Anwesende in nicht geringer Verwunderung waren. Der jüngste +Sohn des Bürgermeisters folgte dem Fremden, um ihn auf Befehl seines +Vaters zu fragen, ob ihm etwas zugestoßen sei; da er aber die Türe +verschlossen fand, sah er durch das Schlüsselloch den Fremden auf den +Knien liegen und unter Tränen und Händeringen mehrere Male ausrufen: +"Ah, mon Dieu, mon Dieu!" + +Kaum hatte der Knabe seinem Vater dies hinterbracht, als der Fremde +sich von dem Diener zu einer einsamen Unterredung melden ließ. Alle +entfernten sich. Da trat der Alchimist herein, fiel auf die Knie, +umfaßte die Füße des Bürgermeisters und flehte ihn unter heftigen +Tränen an: er möge ihn nicht vor Gericht bringen, er möge ihn vor +einem schmählichen Tode erretten. + +Der Bürgermeister, heftig über seine Rede erschrocken, fürchtete, der +Mensch möge den Verstand verloren haben, hob ihn von der Erde auf und +bat ihn freundlich: er möge ihm sagen, wie er auf so schreckliche +Reden komme. Da erwiderte der Fremde: "Herr, verstellen Sie sich +nicht, Sie und der Magister Möller kennen mein Verbrechen; der Vers +von den drei Nüssen beweist es: tertia mors est, die dritte ist der +Tod; ja, ja, eine bleierne Kugel war es, ein Druck des Fingers, und +er schlug nieder. Sie haben sich verabredet, mich zu peinigen, Sie +werden mich ausliefern, ich werde durch Sie unter das Schwert kommen." + +Der Bürgermeister glaubte nun die Verrücktheit des Alchimisten gewiß +und suchte ihn durch freundliches Zureden zu beruhigen. Er aber ließ +sich nicht beruhigen und sprach: "Wenn Sie es auch nicht wissen, so +weiß es doch Ihr Hofmeister gewiß, denn er sah mich durchdringend an, +als er sagte: ›tertia mors est‹." Nun konnte der Bürgermeister +nichts anders tun, als ihn bitten, ruhig zu Bette zu gehen, und ihm +sein Ehrenwort zu geben, daß weder er noch Möller ihn verraten würden, +wenn irgend etwas Wahres an seinem Unglücke sein sollte. Der +Unglückliche aber wollte ihn nicht eher verlassen, bis Möller gerufen +war und ihm auch heilig beteuerte, daß er ihn nicht verraten wolle; +denn daß auch er nicht das mindeste von seinem Unglücke wisse, wollte +er sich auf keine Weise überreden lassen. + +Am folgenden Morgen entschloß sich der Unglückliche, von Kolmar nach +Basel zu gehen, und bat den Magister Möller um eine Empfehlung an +einen Professor der Medizin. Möller schrieb ihm einen Brief an den +Doktor Bauhinus und reichte ihm denselben offen, damit er keine Art +von Verdacht schöpfen könne. Er verließ das Haus mit Tränen und +nochmaligem Flehen, ihn nicht zu verraten. + +Im folgenden Jahre um dieselbe Zeit, etwa drei Wochen später, als der +Bürgermeister mit den Seinigen wieder Nüsse aß und sie sich dabei +alle lebhaft an den unglücklichen Alchimisten erinnerten, ließ sich +eine Frau bei ihm melden. Er hieß sie hereintreten; sie war eine +Reisende in anständiger Tracht, sie trauerte und schien vom Kummer +ganz zerstört, doch hatte sie noch Spuren von großer Schönheit. Der +Bürgermeister bot ihr einen Stuhl an, stellte ihr ein Glas Wein und +einige Nüsse vor; aber sie geriet bei dem Anblick dieser Frucht in +eine heftige Erschütterung, die Tränen liefen ihr die Wangen herab: +"Keine Nüsse, keine Nüsse!" sagte sie und schob den Teller zurück. + +Diese ihre Weigerung, mit der Erinnerung an den Alchimisten, brachte +unter den Tischgenossen eine eigene Spannung hervor. Der +Bürgermeister befahl dem Diener, die Nüsse sogleich wegzubringen, und +bat die Frau, nach einer Entschuldigung, daß er ihren Abscheu vor den +Nüssen nicht gekannt, um die Angabe des Geschäftes, das sie zu ihm +geführt. + +"Ich bin die Witwe eines Apothekers aus Lyon", sagte sie, "und +wünsche mich hier in Kolmar niederzulassen. Die traurigsten +Schicksale nötigen mich, meine Vaterstadt zu verlassen."--Der +Bürgermeister fragte sie um ihre Pässe, auf daß er versichert sein +könne, daß sie ihr Vaterland frei von allen gerichtlichen Ansprüchen +auf sie verlassen habe. Sie übergab ihre Papiere, die in der besten +Ordnung waren und ihr den Namen der Witwe des Apothekers Pierre du +Pont oder Petrus Pontanus gaben. Auch zeigte sie dem Bürgermeister +mancherlei Atteste der medizinischen Fakultät von Montpellier, daß +sie im Besitz der Fabrikationsrezepte vieler trefflicher Arzeneien +sei. + +Der Bürgermeister versprach ihr alle mögliche Unterstützung bei ihrer +Niederlassung und bat sie, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen, wo er +ihr Empfehlungen an einige Ärzte und Apotheker der Stadt schreiben +wollte. Als er nun die Frau die Treppe hinauf führte und oben über +den Flur weg, kam dieselbe bei dem Anblick eines kindischen Gemäldes +in eine solche Bestürzung, daß der Bürgermeister fürchtete, sie +möchte an seinem Arme ohnmächtig werden; er brachte sie schnell auf +seine Stube, und sie ließ sich unter bittern Tränen auf einen Stuhl +nieder. + +Der Bürgermeister wußte die Veranlassung ihrer Gemütsbewegung nicht +und fragte sie, was ihr fehle. Sie sagte ihm: "Mein Herr, woher +kennen Sie mein Elend, wer hat das Bild an die Stubentüre geheftet, +an welcher wir vorübergingen?" Da erinnerte sich der Bürgermeister +an das Bild und sagte ihr, daß es die Spielerei seines jüngsten +Sohnes sei, welcher eine Neigung habe, alle Ereignisse, die ihn näher +interessierten, in solchen Malereien auf seine Art zu verewigen. Das +Bild aber bestand darin, daß der Knabe, welcher das Jahr vorher den +Alchimisten kniend und die Hände ringend in dieser Stube: "Ah, mon +Dieu, mon Dieu!" hatte ausrufen hören, diesen in derselben Stellung +und über ihn drei Nüsse mit dem Spruche: "Unica nux prodest, nocet +altera, tertia mors est!" auf eine Pappe gemalt und an die Stubentüre, +wo der Alchimist gewohnt, befestigt hatte. + +"Wie kann Ihr Sohn das schreckliche Unglück meines Mannes wissen?" +sagte die Frau; "wie kann er wissen, was ich ewig verbergen möchte, +und weswegen ich mein Vaterland verlassen habe?" + +"Ihres Mannes?" erwiderte der verwunderte Bürgermeister; "ist der +Chemiker Todénus Ihr Mann? Ich glaubte nach Ihrem Passe, daß Sie die +Witwe des Apothekers Pierre du Pont aus Lyon seien." + +"Die bin ich", entgegnete die Fremde, "und der Abgebildete ist mein +Mann, du Pont; mir zeigt es die Stellung, in welcher ich ihn zuletzt +gesehen, mir zeigt es der fatale Spruch und die Nüsse über ihm." + +Nun erzählte ihr der Bürgermeister den ganzen Vorfall mit dem +Alchimisten in seinem Hause und fragte sie, wie er sich befinde, wenn +er wirklich ihr Mann sei, der vielleicht unter fremdem Namen bei ihm +gewesen wäre. + +"Mein Herr", erwiderte die Frau, "ich sehe wohl, das Schicksal selbst +will, daß meine Schmach nicht soll verborgen bleiben; ich erwarte von +Ihrer Rechtschaffenheit, daß Sie mein Unglück nicht zu meinem +Nachteil bekanntmachen werden. Hören Sie mich an. Mein Mann, der +Apotheker Pierre du Pont, war wohlhabend; er würde reich gewesen sein, +wenn er nicht durch seine Neigung zur Alchimie vieles Geld +verschwendet hätte. Ich war jung und hatte das große Unglück, sehr +schön zu sein. Ach, mein Herr, es gibt schier kein größeres Unglück +als dieses, weil keine Ruhe, kein Friede möglich ist, weil alles nach +einem verlangt und verzweifelt und man in solche Bedrängnisse und +Belagerungen kömmt, daß man sich manchmal gar, nur um des ekelhaften +Götzendienstes los zu werden, dem Verderben hingeben könnte. Eitel +war ich nicht, nur unglücklich; denn ich mochte mich auch absichtlich +schlecht und entstellend kleiden, so wurde doch immer eine neue Mode +daraus, und man fand es allerliebst. Wo ich ging und stand, war ich +von Verehrern umgeben, ich konnte vor Serenaden nicht schlafen, mußte +einen Diener halten, die Geschenke und Liebesbriefe abzuweisen, und +alle Augenblick mein Gesinde abschaffen, weil es bestochen war, mich +zu verführen. Zwei Diener in der Apotheke meines Mannes vergifteten +einander, weil ein jeder von ihnen entdeckt hatte, daß der andere ein +Edelmann sei, der aus Leidenschaft zu mir unter fremdem Namen in +unsre Dienste gegangen war. Alle Leute, die in unsrer Offizin Arznei +holten, waren dadurch schon im Verdacht, liebeskrank zu sein. Ich +hatte von allem diesem nichts als Unruhe und Elend, und nur die +Freude meines Mannes an meiner Gestalt hielt mich ab, mich an meiner +Larve zu vergreifen und mich auf irgendeine Weise zu entstellen. Oft +fragte ich ihn, ob er denn an meinem Herzen und guten Willen nicht +genug habe; er möchte mir doch erlauben, mein Gesicht, das so vieles +Unheil stifte, durch irgendein beizendes Mittel zu verderben. Aber +er erwiderte mir immer: ›Schöne Amelie! Ich würde verzweifeln, wenn +ich dich nicht mehr ansehen könnte; ich würde der unglücklichste +Mensch sein, wenn ich den ganzen Tag in meinem rußigen Laboratorium +vergebens geschwitzt habe und meine Augen abends nicht mehr an deinem +Anblick erquicken könnte. Du bist der einzige klare Punkt in meiner +finstern Bestimmung, und wenn ich alle meine Hoffnung habe nach +schwerem Tagewerk zum Rauchfang hinausfliegen sehen, tritt mir alle +meine Hoffnung am Abend in deiner Schönheit wieder entgegen.‹ Er +liebte mich zärtlich, aber Gott segnete unsre Liebe nicht, wir hatten +keine Kinder. Als ich ihm meine Trauer hierüber einst sehr lebhaft +mitteilte, ward er finster und sprach: ›So Gott will und mir nicht +alles mißlingt, wird uns auch diese Freude werden.‹ An einem Abend +kam er spät nach Hause, er war ungewöhnlich froh und gestand mir, daß +er heute mit einem sehr tief eingeweihten Adepten sich unterhalten +habe, der einen lebhaften Anteil an ihm und mir zu nehmen scheinen +und unsre Wünsche würden bald erfüllt werden. Ich verstand ihn nicht. + +Nach Mitternacht erwachte ich durch ein Geräusch; ich sah meine ganze +Stube voll fliegender, leuchtender Johanniskäfer; ich konnte nicht +begreifen, wie die Menge dieser Insekten in meine Stube gekommen sei; +ich erweckte meinen Mann und fragte ihn, was das nur zu bedeuten habe. +Zugleich sah ich auf meinem Nachttische ein prächtiges +venetianisches Glas voll der schönsten Blumen stehen und daneben neue +seidene Strümpfe, Pariser Schuhe, wohlriechende Handschuhe, Bänder +und dergleichen liegen. Mir fiel ein, daß morgen mein Geburtstag sei, +und glaubte, mein Mann habe mir diese Galanterie gemacht, wofür ich +ihm herzlich dankte. Er aber versicherte mir mit den heiligsten +Schwüren, daß diese Geschenke nicht von ihm herrührten, und die +heftigste Eifersucht faßte zum erstenmal in ihm Wurzel. Er drang +bald auf die rührendste und dann wieder heftigste Weise in mich, ihm +zu erklären, wer diese Dinge hierher gebracht; ich weinte und konnte +es ihm nicht sagen. Aber er glaubte mir nicht, befahl mir +aufzustehen, und ich mußte mit ihm das ganze Haus durchsuchen, aber +wir fanden niemand. Er begehrte die Schlüssel meines Schreibepultes, +er durchsuchte alle meine Papiere und Briefschaften, er entdeckte +nichts. Der Tag brach an, ich verzweifelte in Tränen. Mein Mann +verließ mich sehr unmutig und begab sich nach seinem Laboratorium. +Ermüdet legte ich mich wieder zu Bett und dachte unter bittern Tränen +über den nächtlichen Vorfall nach; ich konnte mir auch gar nicht +einbilden, wer den Handel könne angestellt haben, und verwünschte, +indem ich mich selbst in einem Spiegel sah, der meinem Bette +gegenüberstand, meine unglückliche Schönheit; ja, ich streckte gegen +mich selbst, vor innerem Ekel, die Zunge heraus; aber leider blieb +ich schön, ich mochte Gesichter schneiden, wie ich wollte. Da sah +ich in dem Spiegel, aus einem der neuen Schuhe, die auf dem +Nachttische standen, ein Papier hervorsehen. Ich griff hastig +darnach und las unter heftiger Bestürzung folgendes Billett: + + + +Geliebte Amelie! Mein Unglück ist größer als je; Dich mußte ich +meiden bis jetzt, und nun muß ich auch das Land fliehen, in dem Du +lebst; ich habe in meiner Garnison einen Offizier im Duelle erstochen, +der sich Deiner Begünstigung rühmte; man verfolgt mich, ich bin hier +in verstellter Kleidung. Morgen ist Dein Geburtstag; ich muß Dich +sehen, zum letzten Male sehen. Heute abend vor dem Tore findest Du +mich in dem kleinen Wäldchen, unter den Nußbäumen, etwa hundert +Schritte vom Wege, bei der kleinen Kapelle rechts. Wenn Du mir +einiges Geld zu meiner Hülfe mitbringen kannst, so wird Dir es Gott +vergelten. Ich Tor habe es nicht unterlassen können, die letzten +wenigen Louisdore meines Vermögens an das kleine Geburtstagsgeschenk +zu verwenden, das Du vor Dir siehst. Wie Du es erhalten, und was ich +dabei gelitten, sollst Du selbst von mir hören. Schweigen mußt Du, +kommen mußt Du, oder meine Leiche wird morgen in Deine Wohnung +gebracht. + +Dein unglücklicher Ludewig. + + + +Ich las diese Zeilen mit der heftigsten Trauer; ich mußte ihn sehen, +ich mußte ihn trösten, ich mußte ihm alles bringen, was ich hatte, +denn ich liebte ihn unaussprechlich und sollte ihn auf ewig verlieren." + +Hier schüttelte der Bürgermeister lächelnd den Kopf und sprach: "So +haben Sie also doch, meine Dame, für einen fremden Mann Zärtlichkeit +empfunden?" + +Die Fremde erwiderte mit einem ruhigen Selbstgefühl: "Ja, mein Herr; +aber verdammen Sie mich nicht zu früh, und hören Sie meine Erzählung +ruhig aus. Ich raffte den ganzen Tag alles, was ich an Geld und +Geschmeide hatte, zusammen und packte es in einen Bündel, den ich mir +gegen Abend von unserer Magd nach einem Badehaus in der Gegend jenes +Tores, vor welchem Ludewig mich erwarten sollte, tragen ließ. Dieser +Weg hatte nichts Auffallendes, ich war ihn oft gegangen. Als wir +dort angekommen waren, sendete ich meine Magd mit dem Auftrage zurück, +mir um neun Uhr einen Wagen an das Badehaus zu senden, der mich nach +Hause bringen solle. Sie verließ mich, ich aber ging nicht in das +Badehaus, sondern begab mich mit meinem Bündelchen unter dem Arm vor +das Tor nach dem Walde, wo ich erwartet wurde. Ich eilte nach dem +bestimmten Orte, ich trat in die Kapelle, er flog in meine Arme, wir +bedeckten uns mit Küssen, wir zerflossen in Tränen; auf den Stufen +des Altares der kleinen Kapelle, die von Nußbäumen beschattet waren, +saßen wir mit verschlungenen Armen und erzählten uns unter den +zärtlichsten Liebkosungen unsre bisherigen Schicksale. Er +verzweifelte schier, daß er mich nun nie, nie wiedersehen sollte. +Der Abschied nahte; es war halb neun Uhr geworden, der bestellte +Wagen erwartete mich. Ich gab ihm das Geld und die Juwelen, und er +sagte zu mir: ›Amelie, hätte ich mich nur heute nacht vor deinem +Bette erschossen, aber der Anblick deiner Schönheit im Schlafe +entwaffnete mich. An dem Rebengeländer deines offenen Fensters bin +ich in deine Stube geklettert und habe die Johanniskäfer fliegen +lassen, an denen ich auf meiner ganzen Reise gesammelt, weil ich mich +erinnerte, daß du sie liebtest; dann legte ich dir die neuen Schuhe +und Strümpfe hin und nahm mir die mit, welche du am Abend abgelegt +hattest; dein trocknet, ehrlicher Mann schien mir über seinen tollen +Gedanken zu träumen, ich habe ihn gestern schon gesprochen, er +begegnete mir hier im Walde botanisierend; es war schon düster, und +da ich selbst Waldblumen dir zum Strauße suchte, hielt er mich für +seinesgleichen, und wir gerieten in ein langes alchimisches Gespräch. +Ich teilte ihm die Anweisung eines Mönches mit, der mich auf meiner +letzten Reise in der Provence, als ich in einem Kloster übernachtete, +lange von dem Geheimnis unterhielt, einen lebendigen Menschen auf +chemischem Wege in einem Glase heraus zu destillieren. Dein guter +Mann nahm alles für bare Münze, umarmte mich herzlich und bat mich, +ihn bald zu besuchen, worauf er mich verließ; ach, er wußte nicht, +daß ich ihn in derselben Nacht wirklich auf halsbrechendem Wege +besuchen sollte. Wie muß ich dich bedauern, daß du kinderlos und +eines solchen Toren Gattin bist!‹ + +Ich war noch unwillig auf meinen Mann wegen seiner nächtlichen +Eifersucht und sagte:›Ja, ich habe ihn als einen Toren kennengelernt. +‹ Aber da die Zeit der Trennung fast verflossen war und ich meine +Arme um ihn schlang und ausrief: ›Lebe wohl, lieber, lieber Ludewig! +Sieh, wie diese heilige Stunde des Wiedersehens verflossen ist, so +geht auch bald das ganze elende Leben dahin, habe ein wenig Geduld, +alles ist bald zu Ende‹, da brach er drei Nüsse von einem Baume bei +der Kapelle und sprach. ›Diese Nüsse wollen wir zu ewigem Angedenken +noch zusammen essen, und sooft wir Nüsse sehen, wollen wir aneinander +gedenken.‹ Er biß die erste Nuß auf, teilte sie mit mir und küßte +mich zärtlich; ›ach‹, sagte er, ›da fällt mir ein alter Reim von den +Nüssen ein, er fängt an: Unica nux prodest, eine einzige Nuß ist +nützlich; aber es ist nicht wahr, denn wir müssen bald scheiden. Die +folgenden Worte sind wahrer: Nocet altera, die zweite schadet; jawohl, +jawohl, denn wir müssen bald scheiden!‹ Da umarmte er mich unter +heftigen Tränen und teilte die dritte Nuß mit mir und sagte: ›Bei +dieser sagt der Spruch wahr; o Amelie, vergiß mich nicht, bete für +mich! Tertia mors est, die dritte Nuß ist der Tod!‹--Da fiel ein +Schuß, Ludewig stürzte zu meinen Füßen; ›tertia mors est!‹ schrie +eine Stimme durch das Fenster der Kapelle; ich schrie: ›O Jesus, mein +Bruder, mein armer Bruder Ludewig erschossen!‹" + +"Allmächtiger Gott! Ihr Bruder war es?" rief der Bürgermeister aus. + +"Ja, es war mein Bruder", erwiderte sie ernst; "und nun erwägen Sie +mein Leid, da mein Mann, als der Mörder, mit einer Pistole vor mich +trat; er hatte noch einen Schuß in dem Gewehr, er wollte sich selbst +töten; ich aber entriß ihm die Waffe und warf sie in das Gebüsch. +›Flieh, flieh!‹ rief ich aus, ›die Gerechtigkeit verfolgt dich, du +bist ein Mörder geworden!‹ Er war in Schmerzen versteinert, er wollte +nicht von der Stelle; wir hörten Leute, die sich auf den Schuß von +der Landstraße nahten, ich gab ihm das Geld und die Geschmeide, die +ich meinem Bruder bestimmt hatte, und stieß ihn aus der Kapelle +hinaus. + +Nun ließ ich meinem Wehgeschrei vollen Lauf, und die Ankommenden, +unter welchen Männer waren, die mich kannten, brachten mich, wie eine +halb Wahnsinnige, nach Hause. Der Leichnam meines Bruders ward auf +das Rathaus gebracht; es begann eine gräßliche Untersuchung. +Glücklicherweise fiel ich in ein hitziges Fieber und war lange genug +ohne den Gebrauch meiner Sinne, um meinen Gemahl nicht eher verraten +zu können, als bis er bereits in völliger Sicherheit über der Grenze +war. Kein Mensch zweifelte, daß er der Mörder sei, weil er an +demselben Abend verschwunden war. Die Verleumdung fiel nun mit ihren +greulichsten Zungen über mich her.--Alles, was andre Frauen von mir +sagten, die mich meines Elends, meiner Schönheit wegen beneideten, +alle Schandreden der Männer, welche nichts an mir ärgern konnte als +meine Tugend, will ich hier nicht wiederholen; genug, wenn ich sage, +daß man mir den Beweis, der Ermordete sei mein Bruder, durch den +schändlichsten Verdacht zu erschweren suchte. Alles wollte mich in +den Staub treten, um über meine gehässige Tugend zu triumphieren. +Dabei genoß ich der ekelhaftesten Teilnahme aller jungen Advokaten +und war im Begriffe, vor Bedrängnis und Jammer wirklich den Verstand +zu verlieren. Auf ein Testament meines Mannes, zugunsten meiner, +ließ ich die Apotheke unter Administration setzen und zog mich auf +mehrere Jahre in ein Kloster zurück. So verstummte endlich das +Gespräch, und ich beschäftigte mich während dieser Zeit mit der +Zubereitung der Arzneien für die Armen, welche die Klosterfrauen +verpflegten." + +"Ihr Unglück rührt mich ungemein", entgegnete der Bürgermeister, +"aber die Art, wie Sie von dem Betragen ihres Bruders sprachen, +machte auch mir eher den Eindruck eines Geliebten als eines Bruders." + +"O mein Herr", erwiderte die Fremde, "dies eben war eine Hauptursache +meines Leides; er liebte mich mit größerer Leidenschaft, als er +sollte, und mit der kräftigsten Seele arbeitete er dieser bösen +Gewalt meiner Schönheit entgegen. Er sah mich manchmal in mehreren +Jahren nicht, ja, er durfte mir selbst nicht mehr schreiben; nur die +Not hatte ihn bei dem letzten Vorfalle zu mir getrieben, und so +konnte ich ihm meinen Anblick doch nicht versagen. Mein Mann kannte +ihn nicht, und ich hatte ihn allein geheiratet, um die Leidenschaft +meines Bruders entschieden zu brechen. Ach, er hat sie selbst +gebrochen mit seinem Leben! Mein Mann, von seiner Eifersucht +beunruhigt, hatte sein Laboratorium früh verlassen; die Magd sagte +ihm, daß ich nach dem Badehause sei; es fuhr ihm der Gedanke an +Verrat durch die Seele, er steckte eine doppelte Pistole zu sich und +suchte mich in dem Badehause auf. Er fand mich nicht, aber hörte die +Aussage der Bademeisterin, sie habe mich zum nahgelegenen Tore +hinausgehen sehen. Da erinnerte er sich des Fremden, der gestern mit +ihm in dem Wäldchen geredet und ihn auch nach seiner Frau gefragt +hatte; er erinnerte sich, daß derselbe Johanniswürmer gefangen, sein +Verdacht erhielt Gewißheit; er eilte nach dem Wäldchen, nahte der +Kapelle, hörte das Ende unsrer Unterredung: tertia mors est--er +beging die schreckliche Tat." + +"O, der unglückliche, arme Mann!" rief der Bürgermeister aus; "aber +wo ist er, was macht er, was führt Sie hieher, konnten Sie ihm +verzeihen, werden wir ihn hier wiedersehen?" + +"Wir werden ihn nicht wiedersehen, ich habe ihm verziehen, Gott hat +ihm verziehen!" versetzte die Fremde; "aber Blut will Blut, er konnte +sich nicht selbst verzeihen! Acht Jahre lebte er in Kopenhagen an +dem Hofe des Königs von Dänemark, Christian des Vierten, als +Hoflaborant; denn dieser Fürst war den geheimen Künsten sehr zugetan. +Nach dem Tode desselben zog er an manchen norddeutschen Höfen herum. +Er war immer unstet und von seinem Gewissen gepeinigt, und wenn er +Nüsse sah und von Nüssen hörte, fiel er oft plötzlich in die +heftigste Trauer. So kam er endlich zu Ihnen, und als er hier den +unglücklichen Vers hörte, floh er nach Basel. Dort lebte er, bis die +Nüsse wieder reiften; da ward seine Unruhe unaufhaltsam; seine Zeit +war abgelaufen; er reiste ab nach Lyon und lieferte sich selbst den +Gerichten aus. Er hatte vor drei Wochen ein rührendes Gespräch mit +mir, er war gut wie ein Kind, er bat mich um Vergebung--ach, ich +hatte ihm längst vergeben. Er sagte mir, ich solle nach seiner +schimpflichen Todesstrafe Frankreich verlassen und nach Kolmar reisen, +dort sei der Bürgermeister ein sehr redlicher Mann. Zwei Tage +hierauf ward er unter unzähligem Volkszulauf, bei der Kapelle, wo der +Mord geschehen, enthauptet. Er kniete nieder in dem Kreise, brach +drei Nüsse desselbigen Baums, welcher meinem Bruder die Todesnuß +getragen hatte, teilte sie alle drei mit mir und umarmte mich +nochmals zärtlich; dann brachte man mich in die Kapelle, wo ich +betend an den Altar niedersank. Er aber sprach draußen: ›Unica nux +prodest, altera nocet, tertia mors est‹, und bei diesem letzten Worte +machte der Schwertstreich seinem elenden Leben ein Ende.--Dieses ist +meine Geschichte, Herr Bürgermeister." + +Mit diesen Worten endete die Dame ihre Erzählung, der Bürgermeister +reichte ihr gerührt die Hand und sagte: "Unglückliche Frau, nehmen +Sie die Versicherung, daß ich von Ihrem Unglücke tief gerührt bin und +das Vertrauen Ihres armen Mannes auf meine Redlichkeit auf alle Weise +zu Ihrer Beruhigung wahr machen will." + +Indem er dies sprach und, seine Tränen unterdrückend, auf ihre Hand +niedersah, bemerkte er einen Siegelring an ihrem Finger, der einen +lebhaften Eindruck auf ihn machte; er erkannte auf ihm ein Wappen, +das ihn ungemein interessierte. Die Dame sagte ihm, es sei der +Siegelring ihres Bruders.--"Und sein Familienname heißt?" fragte der +Bürgermeister lebhaft.--"Piautaz", erwiderte die Fremde; "unser Vater +war ein Savoyarde und hatte einen Kram in Montpellier." + +Da wurde der Bürgermeister sehr unruhig, er lief nach seinem Pulte, +er holte mehrere Papiere hervor, er las, er fragte sie um das Alter +ihres Bruders, und da sie zu ihm sagte: "Heute würde er +sechsundvierzig Jahre alt sein, wenn er noch lebte", sagte er mit +freudigem Ungestüme: "Recht, ganz recht! Heute ist er so alt, denn +er lebt noch. Amelie, ich bin dein Bruder! Ich bin von der Amme +deiner Mutter gegen das Söhnlein des Mechanikus Maggi ausgewechselt +worden; dein Bruder hat dich nicht geliebt, es war Maggis Sohn, der +deines Bruders Namen trug und eines so unglücklichen Todes starb. +Wohl mir, daß ich dich fand!" + +Die gute Dame konnte sich in diese Rede gar nicht finden; aber der +Bürgermeister überzeugte sie durch ein über diesen Austausch von der +Amme auf ihrem Todesbett aufgenommenes Protokoll, und sie sank ihrem +neugefundenen Bruder in die Arme. + +Sie soll nachher dem Bürgermeister drei Jahre die Haushaltung geführt +haben und, als er gestorben, in das Kloster zu St. Klara in Kolmar +gegangen sein und demselben ihr ganzes Vermögen vermacht haben. + + +Ende dieses Project Gutenberg Etextes "Die drei Nüsse", von Clemens +Brentano. + + diff --git a/old/8nuss10.zip b/old/8nuss10.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f79ab55 --- /dev/null +++ b/old/8nuss10.zip |
