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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Josef Dietzgens philosophische Lehren - -Author: Adolf Hepner - -Release Date: November 29, 2015 [EBook #50574] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK JOSEF DIETZGENS *** - - - - -Produced by Alexander Bauer and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - - Das Buch ist original in Fraktur gesetzt. - - Im Original gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+. - - Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so ausgezeichnet~. - - Im Original fett gesetzter Text ist =so ausgezeichnet=. - - Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des - Buches. - - - - -[Illustration: J. Dietzgen] - - - - - Josef Dietzgens - Philosophische Lehren - - Von Adolf Hepner - - Mit einem Porträt von Josef Dietzgen - - - Stuttgart - Verlag von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H. - 1916 - - - - - Alle Rechte vorbehalten. - - - Druck von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H. in Stuttgart. - - - - -Inhalts-Verzeichnis. - - - Seite - - I. Einleitendes 5 - - II. Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit 9 - - III. Dietzgens monistische Erkenntnislehre 23 - - IV. Dietzgens Ethik 29 - - V. Die Religion der Sozialdemokratie 38 - - VI. Sozialdemokratische Philosophie 58 - - VII. Drei polemische Abhandlungen 69 - - VIII. Briefe über Logik 76 - - IX. Erkenntnistheoretische Streifzüge 120 - - X. Das Akquisit der Philosophie 139 - - XI. Dietzgens pädagogische und Lebensweisheit 158 - - - - -I. - -Einleitendes. - - -Nicht alles ist Gold, was unter dem Namen »Philosophie« bisher -geglänzt hat. Und nicht einmal ist +alles+ Gold, was die wirklichen -Philosophen aus dem Schachte ihres tiefen Geistes hervorgeholt und -vor der wißbegierigen Menschheit ausgebreitet haben. Gar vieles war -von vornherein gegenstandslos, anderes ist von der Zeit überholt, als -abgetan durch die moderne Wissenschaft zu betrachten, und von manch -hochanspruchvollem Satze darf man sagen: »~Lasciate ogni speranza!~ -Laßt die Hoffnung draußen, ihn zu verstehen!« - -In noch höherem Grade gilt dies von den Darstellern der philosophischen -Systeme. An Lehrschriften der Philosophie besitzen wir eine Unzahl --- strotzend von Gelehrsamkeit, von mehr oder minder verständlichen -Theorien und Begriffsdefinitionen -- über das Denkergebiet aller -Zeiten sich erstreckend. So unentbehrlich diese Bücher auch für das -philosophische Fachstudium sind -- den, der nicht von Hause aus -besondere Vorliebe für die Wissenschaft der Wissenschaften hegt, -vermögen sie in den seltensten Fällen zu verlocken, sich ihr mehr als -dilettantisch zu widmen. - -So kommt es denn, daß nur wenige Intellektuelle, deren -Berufswissenschaft kein eingehendes Studium der Philosophie erfordert, -ihr ein mehr als oberflächliches Interesse zuwenden. - -Die Philosophen und ihre Erklärer haben zum allergrößten Teil -für die Ausprägung ihrer Gedanken eine Redeweise gewählt, deren -Aneignung für viele weit schwieriger ist als das Erlernen irgendeiner -europäischen Sprache. Hierdurch verleideten sie den Lesern die Lust -zum Eindringen in die Wege und Irrwege der Erkenntnisforschung, so daß -die Gedankenoperationen der Philosophen eine ~Terra incognita~ (ein -unbekanntes Land) für diejenigen blieben, die der bescheidenen Ansicht -sind, daß klares Denken nicht durch unklare Wiedergabe der Gedanken -bezeugt wird. - -Zugegeben, daß das Sichten des Urwalds der menschlichen Erkenntnis -eine außergewöhnlich schwierige Arbeit war und an die Pioniere dieser -Bemühungen nicht Ansprüche gestellt werden dürfen, die der moderne -Literaturgeschmack gezeitigt hat. Immerhin sollten die Philosophen -unserer Tage wenigstens sich bemühen, in gefälligerem Sprachgewande vor -uns zu erscheinen als die meisten ihrer großen Vorgänger. - -Daß +Anmut+ des Ausdrucks mit Schärfe und Klarheit desselben -wohl vereinbar ist, daß speziell die +Würde+ der Philosophie -durch Herabsteigen des Weltweisen vom hohen Kothurn der -Schwerverständlichkeit keine Einbuße erleidet -- zeigen unter anderem -die Schriften +Josef Dietzgens+. - -Eine Charakteristik des Mannes und seines Lebens liest man besser in -der von Eugen Dietzgen den nur drei Bände umfassenden »Sämtlichen -Schriften«[1] seines Vaters beigegebenen Biographie. Ich will lieber -gleich ans Thema gehen und die wissenschaftliche Arbeit unseres -Autors, die in seine letzten zwanzig Lebensjahre (1868 bis 1888) fiel, -skizzieren. - -Dietzgens erste und Hauptschrift, die er in seiner Petersburger -Periode als technischer Fabrikleiter einer Lohgerberei verfaßte und -auf eigenes Risiko herausgeben ließ, trägt den schlichten Titel: -»Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit« und den weiteren Vermerk: -»Eine abermalige Kritik der reinen und praktischen Vernunft«. Mit dem -letzten Wort im ersten Titel wollte Dietzgen vermutlich andeuten, daß -er weder »Materialist« im Sinne der französischen Materialisten des -achtzehnten Jahrhunderts, die den »Stoff« zum Fetisch machten, noch -der »Ideenlehre« Hegels verfallen ist, der alles aus dem »Gedanken« -ableitete. Aus dem Nebentitel erfahren wir deutlich, daß Dietzgens -Weise von der des Königsberger Weisen erheblich abweicht. - -Was Dietzgen von den früheren Philosophen in sich aufgenommen, brauchte -er nicht ausdrücklich aufzuzählen, da das Neue und Originelle, -das in seiner Behandlung des Gegenstandes sich mit dem Alten, -Bekannten organisch verknüpft, dem sachkundigen Leser sich direkt -offenbart. Man vergleiche zum Beispiel, wie Dietzgen vom dogmatischen -Monismus Spinozas fortzuschreiten wußte zu einem erkenntniskritisch -nachgewiesenen und erfahrungsmäßig kontrollierbaren Monismus, und -man vergleiche ferner die Leibnizsche Lehre, daß keine absoluten -Gegensätze im Weltall vorhanden sind, mit der Dietzgenschen. Leibniz -wußte aus mystischer Befangenheit gegenüber dem persönlichen -Gottesdasein keine erfahrungsmäßig nachweisbare Brücke zwischen dem -Relativen und Absoluten zu finden und daher auch keine Versöhnung -zwischen gedanklicher und sinnlicher Wirklichkeit aufzudecken; hier -blieb er in einem absoluten Gegensatz noch stecken. Dietzgen geht mit -Kant in der Erkenntnistheorie die schon +vor+ Kant wegbar gemachte -»~a posteriori~«-Strecke, das heißt er hält es mit Kant darin, daß -Erkenntnis nur durch +Erfahrung+ möglich; er verläßt Kant aber bei -dessen »~a priori~«-Rückschritten, das heißt bei dessen Lehre, daß es -auch Erkenntnisse +ohne+ Erfahrung gibt.[2] Ebenso kritisch-induktiv -steht Dietzgen der Philosophie Hegels gegenüber. Während dieser den -Seinzusammenhang zum Entwicklungsprodukt der absoluten Erkenntnis -macht, weist Dietzgen umgekehrt das Denken als ein relatives -Entwicklungsresultat des absoluten Naturzusammenhangs nach. Aus -diesem Grunde bleibt Hegels Dialektik[3] eine idealistisch-mystische -Entwicklungslehre gegenüber der +naturmonistischen+ Dialektik -Dietzgens, welche induktiv nachweisbar fortschreitet bis zum letzten -Vermittler aller Widersprüche, dem Universalzusammenhang. - - - - -II. - -Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit. - -(Erkenntnislehre.) - - -In seinem »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« zeigt Josef Dietzgen, -»was die Philosophie positiv Wissenschaftliches gefördert hat«, und -zwar, wie er sich ausdrückt, »langstielig und größtenteils unbewußt«. -Er will »die allgemeine Natur des Denkprozesses enthüllen, weil diese -Erkenntnis uns die Mittel an die Hand gibt, alle die allgemeinen -Rätsel der Natur und des Lebens wissenschaftlich zu lösen und zu einem -fundamentalen Standpunkt, zu einer systematischen Weltanschauung -zu gelangen, welche das langerstrebte, aber nie erreichte Ziel der -spekulativen Philosophie war«. - -Unser Autor behandelt zunächst »die reine Vernunft oder das -Denkvermögen im allgemeinen«, die allgemeine Natur des Denkprozesses, -in dessen Erkenntnis, wie er in einer späteren Schrift mit Recht sagen -darf, »das Fundament aller Wissenschaft liegt«. Dann geht er zum »Wesen -der Dinge« über unter begründeter Abweisung von Kants »Ding an sich«, -das heißt der Kantschen Theorie, daß hinter dem von uns Wahrgenommenen, -hinter seiner Erscheinung, noch ein »Ding an sich« steckt. Dietzgen -zeigt, daß eine Erscheinung nur vorhanden ist, sofern sie unserem -Denkvermögen, beziehentlich unseren Sinnen sich offenbart; ein »Ding an -sich«, das außerhalb der Erscheinungswelt existieren sollte, führt zum -Köhlerglauben. Dietzgen weist Kants »Ding an sich« überzeugend auf als -nichts Übersinnliches, beziehentlich von der Sinnlichkeit Unabhängiges -(wie Kant das »Ding an sich« auffaßte), vielmehr erstens als absolut -identisch mit dem Universum, dem einzigen »Ding an sich«, das alle -anderen Dinge in sich trägt und nur absolut »an sich« durch dieses -»in sich« ist; und zweitens als relativ identisch mit dem allgemeinen -Bild der Vorstellung oder dem Begriff, die der Mensch mittels Denkens -aus dem sinnlich Besonderen entwickelt. Dietzgen behandelt dann »die -Praxis der Vernunft in der physischen Wissenschaft« -- Ursache und -Wirkung, Geist und Materie, Kraft und Stoff -- und im Schlußabschnitt -die »praktische Vernunft oder Moral« -- das Weise, Vernünftige, das -sittlich Rechte, das Heilige. - -In folgendem gebe ich, und zwar in Dietzgens Wortlaut, das -Wesentlichste seiner Erörterungen und Befunde über den +Denkprozeß+: - -Der Mensch denkt zunächst nicht, weil er will, sondern weil er muß; -allgemeiner Zweck des Denkens ist die Erkenntnis ... Der Denkakt -vollzieht sich in Kontakt mit anderen, mit sinnlichen Erscheinungen und -ist dadurch selbst eine sinnliche Erscheinung geworden, die in Kontakt -mit einer Hirnfunktion den +Begriff+ des »Denkvermögens« erzeugt. - -Mit der reinen Denkkraft, ohne die Hilfe der Objekte (oder der -Erfahrung darum), die allgemeinen Rätsel der Natur und des Lebens zu -erforschen, dieser vergeblichen Mühe widmete sich die spekulative -Philosophie. Wissenschaftliches Denken heißt nur das Denken, welches -das Wirkliche, Sinnliche, Natürliche zum bewußten Gegenstand hat. -Sowenig es ein Denken, eine Erkenntnis gibt ohne Inhalt, sowenig -existiert ein Denken ohne +Gegenstand+ oder ohne Objekt, ohne ein -anderes, das gedacht oder erkannt wird. Objektloses Denken ist eine -Unart der »spekulativen« Philosophie, welche Erkenntnisse ohne -Begattung mit einem sinnlichen Gegenstand erzeugen will. - -Denken ist eine Arbeit und bedarf wie jede andere Arbeit ein Objekt, -an dem es sich äußert. Das Denken erstreckt sich +allgemein+ auf alle -Objekte. - -Das Denkvermögen erforscht aller Dinge Wesen, wie das Auge alle -Sichtbarkeit. Wie nun das Sichtbare im allgemeinen in der Theorie des -Gesichts, so ist das Wesen der Dinge im allgemeinen in der Theorie des -Denkvermögens zu finden. - -Das Denkvermögen trennt Ursache und Wirkung. - -Wir erkennen wohl alle Objekte, aber kein Objekt läßt sich ganz -erkennen, wissen oder begreifen. - -Denken ist eine Tätigkeit des Gehirns, wie Gehen eine Tätigkeit der -Beine. Wir nehmen das Denken, den Geist ebenso sinnlich wahr wie -den Gang, wie wir die Schmerzen, wie wir unsere Gefühle sinnlich -wahrnehmen. Das Denken ist uns fühlbar als ein subjektiver Vorgang, -als innerlicher Prozeß ... Aus einem immateriellen, unfaßbaren Wesen -wird nunmehr der Geist zu einer körperlichen Tätigkeit. Seinem +Inhalt+ -nach ist der Denkprozeß +verschieden+ in jedem Augenblick und bei jeder -Persönlichkeit, seiner +Form+ nach bleibt er +überall derselbe+. Beim -Denkprozeß unterscheiden wir, wie bei allen Prozessen, zwischen dem -+Besonderen+ oder +Konkreten+ und dem +Allgemeinen+ oder +Abstrakten+. - -Hierauf erläutert Dietzgen den Begriff des Denkvermögens. -Wie die Analyse des Begriffs überhaupt in der Erkenntnis des -+Gemeinschaftlichen+, dem +Allgemeinen+ der +besonderen+ Teile seines -Gegenstandes besteht, so ergibt die Analyse des Denkvermögens »das -letztere als Fähigkeit, aus dem +Besonderen+ das +Allgemeine+ zu -erfassen«. - -Ist die Entwicklung des Allgemeinen aus dem Besonderen die generelle -Methode, die Art und Weise überhaupt, mit welcher die Vernunft -Erkenntnisse fördert, so ist die Vernunft vollständig damit erkannt als -die Fähigkeit, dem Besonderen das Allgemeine zu entnehmen. - -Die Vernunft besteht »rein« in der Entwicklung des Allgemeinen aus -dem Besonderen. Erkenntnisse können nicht wahr an sich, sondern nur -relativ, nur mit Bezug auf einen Gegenstand, nur auf Grund äußerlicher -Tatsachen wahr sein; ihre Aufgabe besteht in der Entwicklung des -+Allgemeinen+ aus dem +Besonderen+. Das Besondere ist das Maß -(Bedingung, Voraussetzung) des Allgemeinen. - -Gedanken, Begriffe, Theorien, Wesen, Wahrheiten stimmen darin überein, -daß sie einem Objekt angehören. Objekte sind Quanta der mannigfaltigen -Sinnlichkeit. Ist das Quantum des Seins, das Objekt, das erkannt, -begriffen oder verstanden werden soll, durch den Sprachgebrauch eines -Begriffs vorher bestimmt oder begrenzt, so besteht die Wahrheit in der -Entdeckung des +Allgemeinen+ dieser also gegebenen sinnlichen Quantität. - -Entwicklung des Allgemeinen ist die Aufgabe der Vernunft. Der -Unterschied zwischen dem scheinbar und wahrhaft Vernünftigen reduziert -sich auf den Unterschied zwischen dem +Besonderen+ und +Allgemeinen+. - -Das +Allgemeine+ ist die +Wahrheit+. Das Allgemeine ist das, -was allgemein ist, das heißt Dasein, Sinnlichkeit. Sein ist das -allgemeine Kennzeichen der Wahrheit, weil das Allgemeine die Wahrheit -kennzeichnet. Nun ist aber das Sein nicht da im allgemeinen, das heißt -das Allgemeine existiert in der Wirklichkeit oder Sinnlichkeit nur auf -+besondere+ Art und Weise. Die Sinnlichkeit hat ihr wahres sinnliches -Dasein in den flüchtigen, vielgestaltigen Erscheinungen der Natur und -des Lebens. Demnach erweisen sich alle Erscheinungen als +relative+ -Wahrheiten, alle Wahrheiten als besondere zeitliche Erscheinungen. - -Gegenüber dem Denkvermögen werden alle Eigenschaften zu wesenhaften -Dingen, alle Dinge zu relativen Eigenschaften. - -Der Unterschied zwischen Mittel und Zweck reduziert sich auf den -Unterschied zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen. Und alle -abstrakten Unterschiede reduzieren sich auf diesen einen Unterschied, -weil die Abstraktions- oder die Unterscheidungskraft selbst sich -reduziert auf das Vermögen, zwischen dem Besonderen und Allgemeinen zu -unterscheiden. - -Wir werden später sehen, wie Dietzgen mit der »Entwicklung des -Allgemeinen aus dem Besonderen« manche der bisher strittigsten Fragen, -manches der schwierigsten Probleme löst. - -Verweilen wir noch einen Augenblick beim »Denken«. Dietzgen sagt: -Das Denkvermögen ist der Vermittler aller Gegensätze, weiß in aller -Verschiedenheit Einheit zu finden. - -Das Bewußtsein generalisiert den Widerspruch; es erkennt, daß alle -Naturstücke in Widerspruch leben, daß alles, was da ist, das, was -es ist, nur durch Mitwirkung eines andern, eines Gegensatzes ist. -Die Wissenschaft des Denkvermögens löst, durch Generalisation des -Widerspruchs, alle besonderen Widersprüche auf. Gegensätze bedingen -sich wechselseitig; Wahrheit und Irrtum sind wie Sein und Schein, wie -Tod und Leben, wie alle Dinge der Welt, nur komparativ, nur dem Maße, -dem Volumen oder Grade nach verschieden. - -Die letzten drei Sätze enthalten in Kürze die grundlegende, monistische -Lehre von der physischen und psychischen +Relativität+ aller Dinge -im Universum, ihrer Abhängigkeit vom Universum und voneinander; die -Lehre vom +Universalzusammenhang+ des +Kosmosinhalts+ -- eine Lehre, -die sich wie ein roter Faden in zahlreichen Variationen durch alle -Schriften unseres Autors zieht. Diese Wiederholungen der an praktischen -Beispielen demonstrierten Lehre erweisen sich nicht nur als sehr -nützlich, sondern erscheinen mir durchaus notwendig zur Verbreitung -und Festigung der monistischen Weltanschauung, die sich gegen die -traditionelle dualistische doch nur sehr mühselig durchringt. - -Der aufmerksame Leser wird hier schon bei der flüchtigen Erwähnung -des »Universalzusammenhangs alles Kosmosinhalts« diesen Gedanken -auf das +soziale+ Gebiet zu übertragen und die hohe Bedeutung der -Dietzgenschen Lehre für die sozialistische Propaganda zu würdigen -wissen, insbesondere wenn er aus der Naturwissenschaft mit dem -kosmischen Universalzusammenhang vertraut ist.[4] Die +Relativität+ der -Erkenntnis, des Wissens, der Werte, speziell der Wahrheit, des Rechts -und der Sittlichkeit ist zwar Weisen aller Zeiten bekannt gewesen. -Schwerlich aber hat vor Dietzgen ein Denker -- und es sind bald -dritthalbtausend Jahre, seit Heraklit die erste Anregung hierzu gegeben --- das Ineinanderfließen der Dinge so klar und überzeugend gelehrt und -auf alles Dasein ohne Ausnahme angewandt; schwerlich hat ein Denker -vor Dietzgen den im Universalzusammenhang liegenden Grundgedanken des -Monismus auf das +ökonomisch-soziale+ Gebiet übertragen. - -Aber der stärkste Gehalt des Dietzgenschen Naturmonismus (in des Autors -Darlegungen der +Einheitlichkeit+ alles +Seins+) liegt meines Erachtens -in seiner Erläuterung des +Zusammenhangs des Geistes mit dem Weltall+: - -Die Frage nach dem Wesen des Geistes ist ein populäres Objekt, das -nicht nur von Philosophen vom Fach, das von der Wissenschaft überhaupt -kultiviert ist, sagt Dietzgen, und er fährt also fort: - -Wir unterscheiden zwischen +Sein+ und +Denken+. Wir unterscheiden den -sinnlichen Gegenstand von seinem geistigen Begriff. Gleichwohl ist -doch auch die unsinnliche Vorstellung sinnlich, materiell, das heißt -+wirklich+. Ich nehme meinen Schreibtischgedanken ebenso materiell -wahr, das heißt als ein wirkliches Gefühl, wenn auch ein innerliches, -wie ich den Schreibtisch selbst äußerlich fühle. Allerdings wenn man -nur das Greifbare materiell nennt, dann ist der Gedanke immateriell. -Dann ist aber auch der Duft der Rose und die Wärme des Ofens -immateriell. Wir nennen besser vielleicht den Gedanken +sinnlich+, oder -noch besser +wirklich+. Der Geist ist +wirklich+, ebenso wirklich wie -der greifbare Tisch, wie das sichtbare Licht, wie der hörbare Ton. Der -Geist ist nicht weiter vom Tisch, vom Licht, vom Ton verschieden, wie -diese Dinge untereinander verschieden sind. - -Wir leugnen nicht die Differenz, wir behaupten nur die -+gemeinschaftliche Natur+ dieser Dinge. Wenigstens wird mich der Leser -nun nicht mißverstehen, wenn ich das Denkvermögen ein materielles -Vermögen, eine +sinnliche Erscheinung+ nenne. - -Jede Funktion des Geistes setzt einen Gegenstand voraus, von dem sie -erzeugt ist, der den geistigen Inhalt abgibt. - -Der Geist ist eine körperliche Tätigkeit, Denken eine Funktion des -Gehirns. - -Durch Entlarvung des »reinen Geistes« enthüllen wir den letzten Urheber -alles Spuks. - -Die Materie, das heißt das fühlbare Sein überhaupt, ist die Schranke -des Geistes; er kann nicht über sie hinaus. Sie gibt ihm den -Hintergrund zu seiner Beleuchtung, aber sie geht nicht auf in der -Beleuchtung. - -Man hat sich gewöhnt, materielle und geistige Interessen als absolute -Gegensätze zu unterscheiden, obwohl die materiellen Interessen nur der -abstrakte Ausdruck für unser Dasein sind ... Das Höhere, Geistige, -Ideale ist nur eine +besondere+ Art der menschlichen Interessen; -geistige und materielle Interessen unterscheiden sich, wie zum Beispiel -Kreis und Viereck; letztere sind Gegensätze und doch nur verschiedene -Klassen der +allgemeineren+ Form ... Der christliche Gegensatz von -Geist und Fleisch ist im Zeitalter der Naturwissenschaft +praktisch+ -überwunden. Es fehlt die theoretische Lösung, die Vermittlung, der -Nachweis, daß das Geistige sinnlich und das Sinnliche geistig ist, um -die materiellen Interessen vom bösen Leumund zu befreien. - -Ähnlich beschwert sich Dietzgen an anderer Stelle unseres Buches -über das Nichtverständnis des Denkprozesses in den Kreisen der -Naturwissenschafter: - -Die Praxis der Vernunft, den Gedanken aus der Materie, die Erkenntnis -aus der Sinnlichkeit, das Allgemeine aus dem Besonderen zu erzeugen, -ist in der physischen Forschung auch allgemein, jedoch nur praktisch -anerkannt. Man verfährt induktiv und ist sich dieses Verfahrens -bewußt, aber man verkennt, daß das Wesen der Naturwissenschaft das -Wesen des Wissens, der Vernunft überhaupt ist. Man +mißversteht den -Denkprozeß+. Man ermangelt der Theorie und gerät daher nur zu oft aus -dem praktischen Takte. Das Denkvermögen ist der Naturwissenschaft immer -noch ein unbekanntes, geheimnisvolles, mystisches Wesen. Entweder sie -verwechselt materialistisch die Funktion mit dem Organ, den Geist -mit dem Gehirn, oder denkt idealistisch das Denkvermögen als ein -unsinnliches Objekt außerhalb ihres Gebiets gelegen. - -Um die Dinge ganz zu nehmen, müssen wir sie praktisch und theoretisch, -mit Sinn und Kopf, mit Leib und Geist ergreifen. Mit dem Leibe können -wir nur das Leibliche, mit dem Geiste nur das Geistige ergreifen. Auch -die Dinge haben Geist. Der Geist ist dinglich, und die Dinge sind -geistig. Geist und Dinge sind nur in Relationen (in ihren Beziehungen -zum Gesamtzusammenhang, auch Natur und Universum genannt) wirklich. - -So schrieb Dietzgen 1868, Jahrzehnte vor der monistischen Rebellion von -Ernst Mach und seiner Physikerschule, gegen den Dualismus.[5] - -Allerdings unterstützen die modernen Physiker die Lehre, daß -wir die geistigen Vorgänge objektiv sinnlich wahrnehmen, durch -naturwissenschaftliche und physiologische Beweise, die zu Dietzgens -Zeit nicht vorhanden waren. Siehe zum Beispiel +Verworn+, Die Mechanik -des Geisteslebens, 1910, der ebenfalls von Dietzgen keine Kenntnis -hatte. So erhält denn unseres Autors philosophische Genialität durch -die spätere, von ihm unabhängige, naturwissenschaftliche Forschung eine -glänzende Anerkennung, wenn auch die Philosophen vom Fach sich noch -lange besinnen werden, einem Manne, der »nur Lohgerber« gewesen, ein -Wort der Würdigung, sei es auch oppositioneller, in ihrem Hörsaale zu -widmen.[6] - -Für sehr bedeutend halte ich Dietzgens Behandlung der »Kraft- und -Stoff«-Frage mittels der Lehre von der Entwicklung des Allgemeinen -aus dem Besonderen. Ich lasse daher das Wesentlichste in des Autors -Wortlaut hier folgen: - -Der Idealismus sieht nur die +Verschiedenheit+, der Materialismus nur -die +Einheit+ von Körper und Geist, Erscheinung und Wesen, Inhalt und -Form, Stoff und Kraft, Sinnlichem und Sittlichem -- alles Unterschiede, -die in dem +einen Unterschied des Besonderen und Allgemeinen+ ihre -+gemeinschaftliche+ Gattung finden ... - -Wie verhält sich das Abstrakte zum Konkreten? So stellt sich das -gemeinschaftliche Problem derjenigen, welche in spiritueller Kraft, -und derjenigen, welche im materiellen Stoff den Impuls der Welt, das -Wesen der Dinge, das Nonplusultra der Wissenschaft finden zu können -glauben ... Wir haben da zwei Parteien, welche mit differenten Worten -sich in einer unbestrittenen Sache herumzanken. Um so lächerlicher ist -der Streit, je ernsthafter er genommen wird. Wenn jener die Kraft vom -Stoffe unterscheidet, so will er damit nicht leugnen, daß die wirkliche -Erscheinung der Kraft unzertrennlich an Stoff gebunden ist. Wenn der -Materialist behauptet, daß kein Stoff ohne Kraft, keine Kraft ohne -Stoff ist, so will er damit nicht leugnen, was der Gegner behauptet, -daß Kraft und Stoff different sind. Der Streit hat seinen guten Grund, -seinen Gegenstand, aber der Gegenstand kommt im Streite nicht zum -Vorschein. Er wird von den Parteien instinktiv verhüllt, um sich nicht -die +gegenseitige+ Unwissenheit gestehen zu müssen. Jeder will dem -andern beweisen, daß dessen Erklärungen nicht ausreichen -- ein Beweis, -der von beiden hinreichend dargetan wurde. Büchner gesteht in den -Schlußbetrachtungen zu »Kraft und Stoff«, daß das empirische Material -nicht ausreiche, bestimmte Antworten auf transzendente Fragen zu geben, -um diese Fragen positiv beantworten zu können; dagegen, sagt er ferner, -»reicht es vollkommen aus, um sie negativ zu beantworten und die -Hypothese zu verbannen«. Mit anderen Worten heißt das: die Wissenschaft -der Materialisten reicht zu dem Beweise aus, daß der Gegner nichts weiß. - -Der Spiritualist und Idealist +glaubt+ an ein geistiges, das heißt -gespenstiges, unerklärbares Wesen der Kraft. Die materialistischen -Forscher sind +ungläubig+. Eine wissenschaftliche Begründung des -Glaubens oder Unglaubens ist nirgends vorhanden. Was der Materialismus -voraus hat, besteht darin, daß er das Transzendentale, das Wesen, die -Ursache, die Kraft nicht +hinter+ der Erscheinung, nicht +außerhalb+ -des Stoffes sucht. Darin jedoch, daß er einen Unterschied zwischen -Kraft und Stoff verkennt, das Problem leugnet, bleibt er hinter -dem Idealismus zurück. Der Materialist pocht auf die tatsächliche -Untrennbarkeit von Kraft und Stoff und will für die Trennung nur -einen »+äußerlichen+, aus den systematischen Bedürfnissen unseres -Geistes hervorgegangenen Grund« (Büchner) gelten lassen. Die Trennung -der Kräfte von den Stoffen ist aber keine »äußerliche«, sondern eine -innerliche, das heißt wesentliche Notwendigkeit, welche allein uns -befähigt, die Erscheinungen der Natur zu erhellen und zu verstehen. - -Die erste Vermittlung des Gegensatzes zwischen Idealismus und -Materialismus vollbrachte die +Phantasie+ durch den +Glauben an -Geister+, welche sie allen natürlichen Erscheinungen als deren -geheimes ursächliches Wesen substituierte. - -Wenn es uns gelungen ist, den Dämon des +reinen+ Geistes zu erklären, -wird es uns nicht schwer, den besonderen Geist der Kraft überhaupt -durch die generelle Erkenntnis ihres Wesens auszutreiben und somit -auch diesen Gegensatz zwischen Spiritualismus und Materialismus -wissenschaftlich zu vermitteln. - -Am +Gegenstand+ der Wissenschaft, am +Objekt+ des Geistes ist Kraft -und Stoff ungetrennt. In der leibhaften Sinnlichkeit ist Kraft Stoff, -ist Stoff Kraft. »Die Kraft läßt sich nicht sehen.« Ei doch! Das Sehen -selbst ist pure Kraft. Das Sehen ist so viel Wirkung des Gegenstandes -als Wirkung des Auges, eine Doppelwirkung, und Wirkungen sind Kräfte. -Wir sehen nicht die Dinge selbst, sondern ihre Wirkungen auf unsere -Augen: wir sehen ihre Kräfte. Und nicht nur sehen läßt sich die Kraft, -sie läßt sich hören, riechen, schmecken, fühlen. Wer wird leugnen, daß -er die Kraft der Wärme, der Kälte, der Schwere zu fühlen vermag? ... - -Ebenso wahr, wie sich sagen läßt, ich fühle den Stoff und nicht -die Kraft, läßt sich umgekehrt sagen, ich fühle die Kraft und -nicht den Stoff. In der Tat, am Objekt, wie gesagt, ist beides -ungetrennt. Vermöge der Denkkraft aber trennen wir an den neben- und -nacheinanderfolgenden Erscheinungen das Allgemeine vom Besonderen. -Aus den verschiedenen Erscheinungen unseres Gesichtes zum Beispiel -abstrahieren wir den allgemeinen Begriff des Sehens überhaupt und -unterscheiden ihn als Sehkraft von den besonderen Gegenständen oder -Stoffen des Gesichtes. Aus sinnlicher Vielfältigkeit entwickeln wir -mittels der Vernunft das Allgemeine. Das Allgemeine mannigfaltiger -Wassererscheinungen, das ist die vom Stoffe des Wassers unterschiedene -Wasserkraft. Wenn stofflich verschiedene Hebel gleicher Länge dieselbe -Kraft besitzen, ist es wohl augenscheinlich, daß hier die Kraft nur -so weit vom Stoffe verschieden ist, als sie das Gemeinschaftliche -verschiedener Stoffe darstellt. Das Pferd zieht nicht ohne Kraft, -und die Kraft zieht nicht ohne Pferd. In der Tat, in der Praxis ist -das Pferd die Kraft, ist die Kraft das Pferd. Aber dennoch mögen -wir die Zugkraft von anderen Eigenschaften des Pferdes als etwas -Apartes unterscheiden, oder mögen das Gemeinschaftliche verschiedener -Pferdeleistungen als allgemeine Pferdekraft abtrennen, ohne uns deshalb -einer anderen Hypothese schuldig zu machen, als wenn wir die Sonne von -der Erde unterscheiden; obgleich in der Tat die Sonne nicht ohne Erde, -die Erde nicht ohne Sonne ist. - -Die Sinnlichkeit ist uns nur durch das Bewußtsein gegeben, aber das -Bewußtsein setzt dennoch die Sinnlichkeit voraus. Die Natur, je nachdem -wir sie, vom Standpunkt des Bewußtseins, als bedingungslose Einheit -oder, vom Standpunkt der Sinnlichkeit, als unbedingte Mannigfaltigkeit -gelten lassen, ist grenzenlos vereint und grenzenlos getrennt. Wahr -ist beides: Einheit und Vielheit, doch jedes nur unter gewissen -Voraussetzungen, relativ. Es kommt darauf an, ob wir vom Standpunkt -des Allgemeinen oder des Besonderen, ob wir mit geistigen oder mit -körperlichen Augen umschauen. Mit geistigen Augen gesehen, ist der -Stoff Kraft. Mit körperlichen Augen gesehen, ist die Kraft Stoff. -Der abstrakte Stoff ist Kraft, die konkrete Kraft ist Stoff. Stoffe -sind Gegenstände der Hand, der Praxis. Kräfte sind Gegenstände der -Erkenntnis, der Wissenschaft. - -Die Wissenschaft ist nicht beschränkt auf die sogenannte -wissenschaftliche Welt. Sie reicht über alle besonderen Klassen hinaus, -gehört dem Leben in seiner ganzen Breite und Tiefe. Die Wissenschaft -gehört dem +denkenden Menschen überhaupt+. So auch die Trennung -zwischen Kraft und Stoff. Nur die stumpfsinnigste Leidenschaft kann -sie +praktisch+ verkennen. Der Geizhals, der Geld anhäuft, ohne seinen -Lebensprozeß zu bereichern, vergißt, daß die vom Stoffe verschiedene -Kraft des Geldes das wertvolle Element ist; er vergißt, daß nicht der -Reichtum als solcher, nicht die schlechte goldene Materie, sondern -ihr geistiger Gehalt, die ihr inwohnende Fähigkeit, Lebensmittel zu -kaufen; es ist, was das Streben nach ihrem Besitz +vernünftig+ macht. -Jede wissenschaftliche Praxis, das heißt jedes Tun, welches mit -vorausbestimmtem Erfolge, mit durchschauten Stoffen agiert, bezeugt, -daß die Trennung von Stoff und Kraft, wenn auch mit dem Gedanken -vollzogen, also ein Gedankending, doch deshalb keine leere Phantasie, -keine Hypothese, sondern eine +sehr wesentliche Idee+ ist. Wenn der -Landmann sein Feld düngt, geht er insofern mit reiner +Düngkraft+ um, -als es gleichgültig ist, in welchem Stoffe, ob in Kuhmist, Knochenmehl -oder Guano sie sich verkörpert. Beim Abwägen eines Warenballens wird -nicht der Stoff der Gewichtsstücke, nicht das Eisen, Kupfer oder der -Stein, sondern die +Schwerkraft+ pfundweise gehandhabt. - -Allerdings, keine Kraft ohne Stoff, kein Stoff ohne Kraft. Kraftlose -Stoffe und stofflose Kräfte sind Undinge. Wenn idealistische -Naturforscher an ein immaterielles Dasein von Kräften glauben, welche -gleichsam im Stoffe ihren Spuk treiben, die wir nicht sehen, nicht -sinnlich wahrnehmen und dennoch glauben sollen, so sind es in diesem -Punkte eben keine Naturforscher, sondern Spekulanten, das heißt -Geisterseher. Doch ebenso kopflos ist andererseits das Wort des -Materialisten, das die intellektuelle Scheidung zwischen Kraft und -Stoff eine Hypothese nennt. - -Damit diese Scheidung nach Verdienst gewürdigt sei, damit unser -Bewußtsein die Kraft weder spiritualistisch verflüchtigt, noch -materialistisch verleugnet, sondern +wissenschaftlich begreift+, -dürfen wir nur das Unterscheidungsvermögen überhaupt oder an sich -begreifen, das heißt seine abstrakte Form erkennen. Der Intellekt -kann nicht ohne sinnliches Material operieren. Um zwischen Kraft und -Stoff zu unterscheiden, müssen diese Dinge sinnlich gegeben, müssen -sie erfahren sein. Auf Grund der Erfahrung nennen wir den Stoff -kräftig, die Kraft stofflich. Das zu begreifende sinnliche Objekt ist -also ein Kraftstoff, und da nun +alle+ Objekte in ihrer leiblichen -Wirklichkeit Kraftstoffe sind, besteht die Unterscheidung, welche -das Unterscheidungsvermögen daran vollbringt, in der +allgemeinen+ -Art und Weise der Kopfarbeit, in der Entwicklung des Allgemeinen aus -dem Besonderen. Der Unterschied zwischen Stoff und Kraft summiert -sich unter den allgemeinen Unterschied des Konkreten und Abstrakten. -Den Wert dieser Unterscheidung absprechen, heißt also den Wert der -Unterscheidung, des Intellekts überhaupt verkennen. - -Benennen wir die sinnlichen Erscheinungen Kräfte des allgemeinen -Stoffes, so ist dieser einheitliche Stoff nichts weiter als die -abstrakte Allgemeinheit. Verstehen wir unter der Sinnlichkeit -die verschiedenen Stoffe, so ist das Allgemeine, welches die -Verschiedenheit inbegreift, beherrscht oder durchzieht, die das -Besondere erwirkende Kraft. Ob Kraft, ob Stoff genannt, das -Unsinnliche, das, was die Wissenschaft nicht mit den Händen, sondern -mit dem Kopfe sucht, das Wesenhafte, Ursächliche, Ideale, höhere -Geistige ist die +Allgemeinheit, welche das Besondere umfaßt+. - - - - -III. - -Dietzgens monistische Erkenntnislehre. - - -Zeige man mir, wer +vor+ oder +nach+ Dietzgen (1868) das »Stoff- und -Kraft«-Problem besser oder auch nur ebenso mustergültig behandelt -hat -- in rein philosophischer und sprachmeisterlicher Beziehung. -Dietzgens +allgemein verständliche Lösung+ eines der allerschwierigsten -Menschheitsprobleme gehört zu den erstklassigen +Kunstwerken+ der -»Kopfarbeit«. - -Zur Wertung von Dietzgens Arbeit dürfte das Nachstehende wohl am Platze -sein: - -Daß sinnliche Erfahrung der Erkenntnis zugrunde liegt, haben schon -viele Philosophen des Altertums angenommen und außerdem vermutlich -ungezählte Millionen nachdenklicher Menschen, die +vor+ Lockes und -David Humes Untersuchungen über den menschlichen Verstand (1690 -respektive 1748) an Tieren und kleinen Kindern das allmähliche Wachsen -des Intellekts der jungen Lebewesen mit Interesse beobachtet haben, -wie die meisten von uns heute. Gleichwohl wurde uns keine Theorie der -Bewußtseinsbewegung, keine Theorie der menschlichen Erkenntnis aus -jener Zeit hinterlassen. - -Schuld daran war in erster Linie die aus den frühesten Perioden -überkommene Vorstellung vom Doppelwesen des Menschen, seiner -Zusammensetzung aus Leib und Seele. Für »Seele« hielt man des Menschen -Empfindungs- und Denkvermögen, einschließlich Ausdrucks unserer -Empfindungen und Gedanken durch Sprache oder Gebärde oder einen -Willensakt. Die »Seele« hieß auch der »Geist«, ein Ausfluß göttlichen -Geistes, und deshalb mußte die Seele nach des Menschen Tode fortleben, -unsterblich sein; daher gab es ein »Jenseits«. - -Zum Unterschied von der Menschenseele erhielt das Empfindungs- und -Denkvermögen der (ebenfalls »von einem Gott erschaffenen«) Tierwelt die -Bezeichnung »Instinkt«. - -Die »Unsterblichkeit der Seele« erstreckte sich über die gesamte -Menschheit; das eine Stunde nach seiner Geburt verstorbene Kind -hat ebenso Anteil daran wie die Seele der Kannibalen, obwohl das -Menschenkind in seinen ersten Daseinstagen viel weniger »Seele«, das -heißt Intellekt verrät als manches sich rasch entwickelnde Tier, und -obwohl die Menschen im Urzustand der Wildheit und Wildnis mit dem Tier -mehr Ähnlichkeit haben als einer »im Ebenbild Gottes« gedachten Kreatur. - -Aus der Anatomie und Physiologie von Mensch und Tier kannte man -zwar schon lange das mehr oder minder Gemeinsame beider; aber die -kardinalen Verschiedenheiten von Mensch und Tier gestatteten immerhin -die Voraussetzung einer göttlichen Menschenseele -- als Ursache des -Denkvermögens -- in der »Krone der Schöpfung«. - -Die erste naturwissenschaftliche Begründung der Deszendenz- oder -Abstammungslehre durch Lamarck ist nur wenig über hundert Jahre alt. -Bis dahin mußte die Tradition des Seelenglaubens, also die Annahme, -daß der Mensch nur infolge des ihm eingeflößten göttlichen Geistes -zu denken vermag, den Wert der Locke-Humeschen Erkenntnislehre als -sekundär, wenn nicht gar unwesentlich erscheinen lassen. - -Was liegt daran, wie der Denkprozeß sich vollzieht, wenn er ganz und -gar eine göttliche Gnadenerscheinung ist? - -Zudem lag vor hundert Jahren die Anatomie und Physiologie des +Gehirns+ -noch sehr im argen. Zwar ist das Gehirn als Sitz des Denkvermögens -seit mehr als 2200 Jahren anerkannt, wenn auch Aristoteles den Sitz -der Seele in das Herz verlegte und der hebräische Pentateuch ins -Blut. Aber der Stand der Gehirnanatomie und -physiologie zu Lamarcks -Zeit gestattete noch keine genaue Vorstellung von der Mechanik -des Geisteslebens: wie die Dinge der Außenwelt, die durch unsere -Sinnesorgane mit uns in Beziehung treten, bestimmte Vorgänge in unserem -Nervensystem veranlassen. Gegen Mitte des siebzehnten Jahrhunderts -kannte man erst sieben, am Ende des achtzehnten Jahrhunderts neun, zu -Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zwölf Paare von Gehirnnerven. Die -Ganglienzellen und Nervenfasern, elementare mikroskopische Bestandteile -der Nervenzellen, kennt man erst seit etwa siebenundsiebzig Jahren. - -»Die Nervenfasern«, sagt Professor Verworn in seinem oben genannten -Buche: Die Mechanik des Geisteslebens, »haben die Funktion, gewisse -Vorgänge, die sich in den Zellen der Sinnesorgane und in den Nerv- oder -Ganglienzellen abspielen, zu übertragen nach anderen Ganglienzellen -und peripherischen Organen, wie den Muskeln, den Drüsen usw. Man -kennt jetzt seit vierzig Jahren die Lokalisation in der motorischen -Sphäre des Gehirns so genau und kann die Reizung so fein lokalisieren, -daß man mit Sicherheit eine Bewegung im Daumen oder im Augenmuskel -oder im Fußgelenk vorhersagen kann. Im Anschluß daran sind noch -weitere Zonen auf der Großhirnrinde bekannt geworden, die mit unseren -Sinnesempfindungen im engsten Zusammenhang stehen. - -Klinische Erfahrungen der Psychiater ergaben, daß Krankheitsprozesse, -die bestimmte Teile der Gehirnoberfläche zerstört hatten, von -Ausfallssymptomen im Bewußtsein der betreffenden Menschen begleitet -waren, und durch Experimente an Tieren -- Exstirpationen gewisser Zonen -der Gehirnrinde -- lokalisierte man die Seh-, Hör-, Fühl-, Geruchs- und -Geschmackssphäre. - -Vorstellungen sind Bewußtseinsbewegungen, die ihren Ursprung im engsten -Anschluß an Sinnesempfindungen haben. Ohne Sinnesempfindungen keine -Vorstellung. Wir können direkt die Vorstellungen als Erinnerungsbilder -von Empfindungen bezeichnen.« - -Dietzgens »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« ist somit, obwohl bald -fünfzig Jahre alt, ein hochmodernes Buch. - -Dietzgen behandelt den Geist, das Denkvermögen als »Organ des -Allgemeinen«, das heißt der Natur, und weil der Geist ein Stück Natur, -ist er, wie unser Autor sich in einer späteren Schrift ausdrückt, kein -größeres Naturwunder als der Magnetismus, die Elektrizität usw. - -Nach dem heutigen Stande der Naturwissenschaften und in Verbindung -mit unserer Erkenntnis, daß Kraft Stoff und Stoff Kraft ist, darf man -Dietzgens Satz, daß das »Denken eine Eigenschaft der Generalnatur« ist, -ohne Vorbehalt unterschreiben. - -Wenn nun das Denkvermögen das »Organ des Allgemeinen« ist, muß es uns -in erster Linie darum zu tun sein, das Allgemeine herauszufinden, -das heißt namentlich was allgemein der Menschheit frommt, allen -zugute kommt; wir sollen mithin Zustände ermöglichen, unter denen -die Allgemeinheit oder doch die größte Zahl der Menschheit sich -wohlbefinden kann. - -Dietzgens Naturmonismus begnügt sich demnach nicht mit der Anschauung -von der Einheitlichkeit des Weltalls minus Mensch; +dieser+ mit seinem -Körper und Geist gehört, wie jedes andere Naturstück aus Stoff und -Kraft, in die Betrachtung des monistischen Weltorganismus hinein. Wie -durch das Denkvermögen, als »Organ des Allgemeinen«, beziehungsweise -des Universalzusammenhangs, die Widersprüche überhaupt vermittelt -werden -- durch Entwicklung des Allgemeinen aus dem Besonderen --, -sollten wir dieselbe monistische Denkmethode ganz speziell zur Lösung -der Ungereimtheiten der +sozialen+ Welt anwenden. Dann erst haben wir -den Sozialmonismus erreicht. Daraus nun, daß es dem richtigen Denken -in erster Linie darum zu tun sein muß, das +Allgemeine+ herauszufinden --- auf das soziale Gebiet angewandt: das allgemein Nützliche zu -ermitteln --, zieht Dietzgen (in seiner Vorrede) einen Schluß, der auf -einen für unseres Autors Betrachtungsweise noch nicht vorbereiteten -Leser verblüffend wirken mag, aber gleichwohl jedes wirklichen -Monisten Billigung finden muß: daß die wahren Träger des »+Organs des -Allgemeinen+« nicht in den von Sonderinteressen beherrschten Kreisen -zu suchen sind, vielmehr in den Reihen der nach Beseitigung aller -Vorrechte hinstrebenden Arbeiterklasse. - -Dietzgen sagt: »Ich entwickle in dieser Schrift das Denkvermögen als -Organ des Allgemeinen. Der leidende, der vierte, der Arbeiterstand ist -insoweit erst der wahre Träger dieses Organs, als die herrschenden -Stände durch ihre besonderen Klasseninteressen verhindert sind, das -Allgemeine anzuerkennen. Wohl bezieht sich diese Beschränkung zunächst -auf die Welt der menschlichen Verhältnisse. Aber solange diese -Verhältnisse nicht allgemein menschlich, sondern Klassenverhältnisse -sind, muß auch die Anschauung der Dinge von diesem beschränkten -Standpunkt bedingt sein. Objektive Erkenntnis setzt subjektiv -theoretische Freiheit voraus. Bevor Kopernikus die Erde sich bewegen -und die Sonne stehen sah, mußte er von seinem irdischen Standpunkt -abstrahieren. Da nun dem Denkvermögen alle Verhältnisse Gegenstand -sind, hat es von allem zu abstrahieren, um sich selbst rein oder -wahr zu erfassen. Erst eine historische Entwicklung, welche so -weit fortgeschritten ist, um die Auflösung der letzten Herr- und -Knechtschaft zu erstreben, kann soweit der Vorurteile entbehren, um -das Urteil im allgemeinen, das Erkenntnisvermögen, die Kopfarbeit wahr -oder nackt zu erfassen. Erst eine historische Entwicklung, welche -die direkte allgemeine Freiheit der Masse im Auge haben kann -- und -dazu gehören wohl sehr verkannte historische Voraussetzungen -- erst -die neue Ära des vierten Standes findet den Gespensterglauben soweit -entbehrlich, um den letzten Urheber alles Spuks, um den reinen Geist -entlarven zu dürfen. Der Mensch des vierten Standes ist endlich ->+reiner+< Mensch. Sein Interesse ist nicht mehr Klassen- sondern -Masseninteresse, Interesse der Menschheit. Die Tatsache, daß zu allen -Zeiten das Interesse der Masse mit dem Interesse der herrschenden -Klasse verbunden war, daß nicht nur trotz, sondern gerade mittels -ihrer stetigen Unterdrückung durch jüdische Patriarchen, asiatische -Eroberer, antike Sklavenhalter, feudale Barone, zünftige Meister, -besonders durch moderne Kapitalisten und auch selbst noch durch -kapitalistische Cäsaren die Menschheit stetig >fortgeschritten< -- -diese Tatsache nähert sich ihrem Ende. Jetzt ist diese Entwicklung -an einem Standpunkt angekommen, wo die Masse selbstbewußt wird. Sie -ist damit so weit gekommen, daß sie nunmehr sich unmittelbar selbst -entwickeln will.« - - - - -IV. - -Dietzgens Ethik. - - -Das Schlußkapitel von Dietzgens »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« -behandelt die +Ethik+: »Praktische Vernunft« oder Moral. (Seite 61 bis -87, 1. Band der Sämtlichen Schriften.) - -Siebenunddreißig Jahre später erschien Kautskys »Ethik« (und -materialistische Geschichtsauffassung) -- das erste und bis jetzt -einzige deutsche sozialistische Werk auf diesem Gebiet.[7] In der -Vorrede sagt Kautsky: »Ich fuße bei meiner Entwicklung der Ethik auf -der Grundlage der materialistischen Geschichtsauffassung -- auf jener -materialistischen Philosophie, wie sie einerseits Marx und Engels und, -in anderer Weise, aber in gleichem Sinne, Josef Dietzgen begründet -haben.« - -Kautskys Arbeit in allen Ehren, aber sie ist im Grunde keine -erkenntniskritisch begründete, sondern eine historisch-ökonomisch -orientierende Darlegung, daher macht sie die Lektüre Dietzgens zu -einer notwendigen Voraussetzung. Bei Kautsky erfahren wir nicht -- -wie bei Dietzgen -- die philosophische Methode, durch welche man -zur Erforschung der Sinnlichkeit als Grundlage der Moral gelangt. -Dietzgen kommt zu seinem Befunde -- zum Erkennen des Vernünftigen, -Weisen, Rechten, Sittlichen -- durch »+Entwicklung des Allgemeinen -aus dem Besonderen+«. Das gelingt ihm mit seinem Schlüssel -- wie im -vorangegangenen Kapitel die Lösung des »Stoff-und-Kraft«-Problems --- sozusagen spielend. Unter tunlichster Beibehaltung des logischen -Zusammenhangs lasse ich die Hauptstellen des Moral-Kapitels (in -Auswahl von etwa einem Achtel des Originals) hier folgen: - -Das menschliche +Bedürfnis+ gibt der Vernunft das Maß zur Ermessung des -Guten, Rechten, Schlechten, Vernünftigen usw. Was unserem Bedürfnis -entspricht, ist gut, das Widersprechende schlecht. +Das leibliche -Gefühl des Menschen+ ist das Objekt der Moralbestimmung, das Objekt -der »praktischen Vernunft«. Auf die widerspruchsvolle Verschiedenheit -menschlicher Bedürfnisse gründet sich die widerspruchsvolle -Verschiedenheit moralischer Bestimmungen. Weil der feudale Zunftbürger -in der beschränkten und der moderne Industrieritter in der freien -Konkurrenz prosperiert, weil sich die Interessen widersprechen, -widersprechen sich die Anschauungen, und es findet der eine mit Recht -dieselbe Institution vernünftig, welche dem andern unvernünftig ist. -Wenn die Vernunft einer Persönlichkeit rein aus sich das Vernünftige -schlechthin zu bestimmen versucht, kann sie nicht anders, als ihre -Person zum Maß der allgemeinen Menschheit machen. Wenn man der -Vernunft das Vermögen zuspricht, in sich selbst die Quelle der -moralischen Wahrheit zu besitzen, verfällt man in den spekulativen -Irrtum, ohne Sinnlichkeit, ohne Objekt Erkenntnisse produzieren zu -wollen ... Sinnliche Bedürfnisse sind das Material, aus welchem die -Vernunft moralische Wahrheiten anfertigt. Unter sinnlich gegebenen -Bedürfnissen von verschiedener Dringlichkeit oder verschiedenem Umfang -das Wesentliche, Wahre vom Individuellen zu scheiden, +Entwicklung des -Allgemeinen ist die Aufgabe der Vernunft+. Der Unterschied zwischen dem -scheinbar und wahrhaft Vernünftigen reduziert sich auf den Unterschied -zwischen dem Besonderen und Allgemeinen. - -Wie die Aufgabe der Physik die Erkenntnis des +wahren+, so ist die -Aufgabe der Weisheit die Erkenntnis des +vernünftigen+ Seins. Überhaupt -hat die Vernunft zu erkennen, was ist -- als Physik, was wahr, als -Weisheit, was vernünftig ist. Wie wahr mit allgemein, so übersetzt -sich vernünftig mit zweckmäßig, so daß wahrhaft vernünftig soviel -wie +allgemein zweckmäßig+ heißt. Wie das Wahre, das Allgemeine -die Beziehung auf ein besonderes Objekt, auf ein gegebenes Quantum -der Erscheinung, bestimmte Grenzen unterstellt, innerhalb deren es -wahr oder allgemein ist, so setzt das Vernünftige oder Zweckmäßige -gegebene Verhältnisse voraus, innerhalb deren es vernünftig oder -zweckmäßig sein kann. Das Wort expliziert sich selbst: Der Zweck ist -+das Maß+ des Zweckmäßigen. Nur auf Grund eines gegebenen Zweckes -läßt sich das Zweckmäßige bestimmen. Ist erst der Zweck gegeben, dann -heißt die Handlungsweise, welche denselben am weitesten, breitesten, -allgemeinsten verwirklicht, die vernünftige, der gegenüber jede minder -zweckmäßige Weise unvernünftig wird. - -Fordert demnach unsere Aufgabe die Ermittlung des -Menschlich-Vernünftigen +schlechthin+, so verdienen ein solches -Prädikat +nur Handlungsweisen, welche ohne Ausnahme allen Menschen, -zu allen Zeiten und unter allen Verhältnissen zweckmäßig sind+ -- -folglich widerspruchslose und insofern nichtssagende, unbestimmte -Allgemeinheiten. Daß physisch das Ganze größer ist als der Teil, daß -moralisch das Gute dem Schlechten vorzuziehen, sind solche allgemeine, -deshalb bedeutungslose, unpraktische Kenntnisse. Der Gegenstand der -Vernunft ist das Allgemeine, aber -- das Allgemeine eines besonderen -Gegenstandes. Die praktizierende Vernunft hat es mit dem Einzelnen, -Besonderen zu tun, mit dem Gegensatz des Allgemeinen, mit bestimmten, -besonderen Kenntnissen ... Vernünftig im allgemeinen ist nur das, was -jede Vernunft anerkennt. Wenn die Vernunft einer Zeit, Klasse oder -Person vernünftig heißt, wovon anderwärts das Gegenteil anerkannt -ist, wenn der russische Adelige die Leibeigenschaft und der englische -Bourgeois die Freiheit seines Arbeiters eine vernünftige Institution -nennt, so ist etwa keine von beiden schlechthin, sondern jede nur -+relativ+, nur in ihrem mehr oder minder beschränkten Kreise -vernünftig ... Die »+absolute+ Wahrheit« ist der Urgrund der Intoleranz. - -Die heidnische Moral ist eine andere als die christliche. Die feudale -Moral unterscheidet sich von der modern bürgerlichen wie Tapferkeit und -Zahlungsfähigkeit ... - -Jedes wirkliche Recht ist ein besonderes. Recht nur unter gewissen -Umständen, für gewisse Zeiten, diesem oder jenem Volke. »Du sollst -nicht töten« ist Recht im Frieden, Unrecht im Kriege; Recht für die -Majorität unserer Gesellschaft, welche ihrem dominierenden Bedürfnis -die Mucken der Leidenschaft geopfert wissen will, doch Unrecht dem -Wilden, der nicht so weit gekommen, ein friedliches, geselliges Leben -zu schätzen, der deshalb das angeführte Recht als unrechte Beschränkung -seiner Freiheit empfindet. - -Wollte ein Gesetz, eine Lehre, eine Handlung absolut recht, Recht -überhaupt sein, so müßte sie dem Wohle aller Menschen, unter allen -Verhältnissen, zu allen Zeiten entsprechen. Dieses Wohl ist jedoch so -verschieden wie die Menschen, ihre Umstände und die Zeit. Was mir gut, -ist einem anderen schlimm, was in der Regel wohl, tut ausnahmsweise -leid; was einer Zeit frommt, hemmt eine andere. Das Gesetz, welches -Anspruch darauf machen wollte, Recht überhaupt zu sein, dürfte -nie und niemanden widersprechen. Keine Moral, keine Pflicht, kein -»kategorischer Imperativ«, keine Idee des Guten vermag den Menschen zu -lehren, was gut, was böse, was recht, was unrecht sei. Gut ist, was -unserem Bedürfnis entspricht, böse, was ihm widerspricht. Aber was ist -wohl gut überhaupt? - -Der Unterschied zwischen guten und bösen, rechten und schlechten -Bedürfnissen findet, wie Wahrheit und Irrtum, wie Vernunft und -Unvernunft, seine Auflösung in dem Unterschied des Besonderen und -Allgemeinen. Die Vernunft vermag aus sich so wenig positive Rechte, -absolut moralische Maximen zu entdecken wie irgend eine andere -spekulative Wahrheit. Erst wenn ihr sinnliches Material gegeben ist, -wird sie der Zahl nach das Allgemeine und Besondere, dem Grade nach -das Wesentliche und Unwesentliche zu ermessen wissen. Die Erkenntnis -des Rechten oder Moralischen will, wie die Erkenntnis überhaupt, das -Allgemeine. - -+Die Moral ist der summarische Inbegriff der verschiedensten einander -widersprechenden sittlichen Gesetze, welche den gemeinschaftlichen -Zweck haben, die Handlungsweise des Menschen gegen sich und andere -derart zu regeln, daß bei der Gegenwart auch die Zukunft, neben dem -einen das andere, neben dem Individuum auch die Gattung bedacht sei. -Der einzelne Mensch findet sich mangelhaft, unzulänglich, beschränkt. -Er bedarf zu seiner Ergänzung des anderen, der Gesellschaft, und muß -also, um zu leben, leben lassen. Die Rücksichten, welche aus dieser -gegenseitigen Bedürftigkeit hervorgehen, sind es, was sich mit einem -Worte Moral nennt.+ - -Die Unzulänglichkeit des einzelnen, das Bedürfnis der Genossenschaft -ist Grund oder Ursache der Berücksichtigung des nächsten, der Moral. -So notwendig nun der Träger dieses Bedürfnisses, so notwendig der -Mensch immer individuell ist, so notwendig ist auch das Bedürfnis -ein individuelles, bald mehr und bald minder intensiv. So notwendig -der nächste verschieden ist, so notwendig sind die erforderlichen -Rücksichten verschieden ... - -In diesem Satze ist eine so bündig überzeugende Klärung des -Pflichtbegriffes enthalten, wie sie vor Dietzgen keinem Denker -erkenntniskritisch gelungen ist. - -Besagt sie doch, daß es namentlich die Berücksichtigung der Gebote der -beiden uns regierenden Hauptmächte ist, solche der Gesellschaft und -Natur, die das Pflichtverhalten des Menschen bedeuten und bestimmen, -und zwar aus dessen wohlverstandenem Eigeninteresse heraus, sobald er -seine organische Abhängigkeit von Gesellschaft und Natur einsieht. - -Solche Berücksichtigung mag gewiß häufig genug mit unseren momentanen -Wünschen kollidieren, aber sie ist es, die unser dauerndes Interesse -fördert, zumal wenn wir freiwillig und bewußt das besondere und -flüchtigere Bedürfnis dem allgemeinen und dauernderen Wohlergehen -unterordnen. Kein mystisches »inneres Gefühl«, auch kein »kategorischer -Imperativ« klärt uns über unsere Pflicht auf, wohl aber Einsicht -in das »Allgemeine«, das heißt in die Zusammenhänge und Gesetze -der Gesellschaft und Natur, deren Anordnungen wir nicht einmal -unbewußt ohne empfindliche Strafe verletzen können, während bewußtes -Zuwiderhandeln uns außerdem notwendig Einbuße an Selbstachtung -bringt, sofern wir Gebote übertreten, welche der jeweiligen sozialen -Entwicklungsstufe entsprechen. - -Dietzgens Ethik entspricht offenbar den Anschauungen vieler -Vertreter der modernen Intelligenz und speziell der allermeisten -wissenschaftlichen Sozialisten -- mit Ausnahme der auf den Kantschen -»kategorischen Imperativ«[8] eingeschworenen Revisionisten --, wenn -auch der philosophische Weg, auf dem unserem Autor seine Schlüsse sich -ergaben, einem großen Teile derselben fremd geblieben ist. Bekannt ist, -daß man vor langer Zeit schon in Deutschland durch das Wort »+Mitleid+« -die Ethik auf den Egoismus zurückführte: »Wir haben Mitgefühl mit dem -Elenden, weil wir beim Anblick seiner Leiden +mitleiden+ -- durch die -Reflexion, daß auch wir in seine Lage geraten könnten.« - -In starrer Opposition gegen diese utilitarische oder -Zweckmäßigkeitsmoral finden wir die kantische Ethik (Pflicht) und die -des religiösen Idealismus (Liebe). - -In Wirklichkeit aber stellen Zweckmäßigkeit (rationeller, begrenzter -Egoismus oder legitimes, persönliches Interesse), Pflicht, Liebe -+zusammen+ das Moralgebilde dar. Indem (nach Dietzgen) die Moral so -beschaffen sein soll, daß »neben dem Individuum auch die Gattung -bedacht ist«, betätigt, wer dieser Morallehre nachlebt, die von Kant -verlangte »Pflicht«, und indem er ihr dauernd und gern nachkommt, nimmt -sie ganz automatisch den Charakter der »Liebe« an. - -Ich erlaube mir daher zu sagen: - -Für die Moral ist die Zweckmäßigkeit die Wurzel, die Pflicht der Baum -und die Liebe die Frucht. - -Am deutlichsten läßt sich der Dreistufenpfad der Moral »Egoismus, -Pflicht, Liebe« im Verhältnis der Eltern zum Kinde erkennen: Ursprung -der Freude am Kinde ist die natürliche, elterliche Eigenliebe, der -gewiß niemand sich zu schämen braucht; sofort tritt das Pflichtgefühl -an die Eltern heran, und bei Ausübung der Pflicht verwandelt sich die -Eigenliebe der Eltern in wahre Liebe. So vermag überall -- wenn auch -nicht so rasch wie in diesem Falle -- die in Zweckmäßigkeit wurzelnde -Moral durch das Medium der Pflicht sich zu hehrer Sittlichkeit, zur -Tugend, zur Güte, zur Liebe auszuwachsen. - -Es ist keine beleidigende Insinuation, wenn dem Schönsten und -Erhabensten -- das bisher der Urzeugung in Engelsregionen glaubte sich -rühmen zu dürfen -- Abkunft aus niederem Stande aufgezeigt wird; daß es -in zweckmäßigem Egoismus, im Eigeninteresse des Menschen seine Wurzel -hat und dem Mutualismus, der Gegenseitigkeitspflicht, sein Höhendasein -verdankt. - -Entrüste man sich nicht über diese neue Ethikformel, die Moraltrilogie -»Egoismus, Pflicht, Liebe«! - -Auch der Brotfrucht Wurzeln stecken nicht in balsamisch gedüngtem Boden. - -Mit dieser einfachen Korrektur der Kantschen und der religiösen -Moralbegründung dürfen wir uns hier begnügen, da die letztere, als eine -theologische, unserer gegenwärtigen Betrachtung allzu fern liegt, und -der Nachweis von Kants teils fehlerhafter, teils widerspruchsvoller -Argumentierung seines Sittengesetzes längst von kompetenten Autoren -(auch in Kautskys »Ethik«) geliefert worden ist. - -Nur aus des Monistenführers Ostwald »Sonntagspredigt« vom 20. Dezember -1913 »Die wissenschaftlichen Grundlagen der Ethik« möchte ich einige -Zeilen hier anführen, weil sie eine wohlbegründete +Entschuldigung für -Kants Irrtum+ enthalten: - -»Kant glaubte auch die Quelle der Ethik in einem inneren Sittengesetz -zu finden, welches dem Menschen ~a priori~ eigen ist, und hat damit -allerdings in etwas versteckter Weise diese Quelle gleichfalls in -einen irrationalen, der wissenschaftlichen Forschung nicht zugänglichen -Punkt gelegt. Es läßt sich darum erklären, daß jenem großen Denker -das +Entwicklungsgesetz+ der Lebewesen nicht nur nicht bekannt war, -sondern daß er sogar eine ausgesprochene Abneigung dagegen hatte, -das menschliche Denken unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung -zu betrachten. So behauptete er das absolute Vorhandensein des -inneren Sittengesetzes bei dem Menschen und begnügte sich mit diesem -Vorhandensein, ohne weitere Nachforschungen darüber anzustellen, woher -es stammte.« - -Unsere Revisionisten aber +kennen+ das Entwicklungsgesetz. - - - - -V. - -Die Religion der Sozialdemokratie. - - -»Die Religion der Sozialdemokratie« betitelt sich eine Reihe von -durch Gedankenfülle und vielfach durch Schönheit der Sprache sich -auszeichnenden sieben Artikeln, sogenannten »Kanzelreden«, die zuerst -in dem von Liebknecht redigierten Leipziger »Volksstaat« 1870 bis 1875 -erschienen und seitdem Verbreitung in Zehntausenden von Exemplaren -gefunden haben. Das auf fünf Jahre verteilte Entstehen dieser -Abhandlungen schließt naturgemäß Anlage nach einem systematischen -Plane aus; es sind daher in ihren Fortsetzungen teilweise Ergänzungen -des Früheren und zu diesem Zwecke Exkurse auf verwandtes Nebengebiet -enthalten. »Die Religion der Sozialdemokratie« wird dem Leser um so -mehr Vorteil und Genuß gewähren, je tiefer die Ideen des Sozialismus -bereits Wurzel in ihm geschlagen haben und je emanzipierter er -sich vom sogenannten »positiven Glauben« weiß. Denn er begegnet in -diesen »Kanzelreden« Gedanken, die zum Teil im Unterbewußtsein jedes -freidenkerischen und geschulten Sozialisten schlummern und nur der -Erweckung durch den Laut eines Zauberworts bedürfen, das aus dem Munde -eines philosophischen Hellsehers kommt. Darin liegt der wesentliche -Reiz von Dietzgens »Kanzelreden« für die Massen der sozialistischen -Arbeiter; um Dietzgen aber in allen seinen Gedankengängen gründlich -zu verstehen, sollten Sozialisten unbedingt mit seiner im »Wesen der -menschlichen Kopfarbeit« niedergelegten Denklehre sich vertraut machen --- wenn auch die populären Schriften unseres Autors als Einführung in -das genannte Hauptwerk benutzt werden dürfen. - -Dietzgen führt in den »Kanzelreden« aus, sagt sein Sohn im Geleitwort -von 1906, »daß die Religion ein geschichtlich notwendiges Gedankenbild -ist, welches aus dem menschlichen Bedürfnis nach materieller -und geistiger Befriedigung und nach einer diesem Glücksstreben -entsprechenden Gesellschaft und Welt entstehen mußte, und zwar auf -jeder Kulturstufe, auf der der Mensch in Ermanglung von hinreichendem, -erfahrungsmäßigem Wissen und Können gegenüber den natürlichen -Zusammenhängen sich nicht anders als mit phantastischer Spekulation -helfen konnte. Er weist an der natürlichen Begrenzung des Denkvermögens -nach, daß alle Religion und jeder Glaube an Übernatürliches auf -phantastischer Spekulation beruhen, die ihrerseits wiederum in ihrer -Eigenart bestimmt wird durch den Entwicklungsgrad der sozialen -Produktivkräfte und Lebensbedingungen.« - -Das Wort »Religion« in Verbindung mit »Sozialdemokratie« ist natürlich -nicht im landläufigen Sinne desselben zu verstehen; denn die Tendenzen -der Sozialdemokratie enthalten, wie Dietzgens einleitende Worte lauten, -den Stoff zu einer +neuen+ Religion, die nicht, wie alle bisherige, -nur mit dem Gemüt oder Herzen, sondern zugleich auch mit dem Kopf, dem -Organ der Wissenschaft, erfaßt sein will. - -Und die Moral dieser neuen Religion faßt er am Schluß des zweiten -Artikels in folgenden Satz zusammen: Sie verlangt, und ihr ganzes Wesen -beruht auf diesem Verlangen, daß wir die Gegensätze der Liebe und -Selbstsucht miteinander versöhnen, daß sich die Gesellschaft aus dieser -Versöhnung konstituiere, daß der Mensch dem Menschen die Hand reiche, -um mit vereinter Kraft und Arbeit die Natur zur reichlichen Hergabe -unserer Lebensmittel zu zwingen. - -Da die Sozialdemokratie eine »neue Religion« ist, bedient sie sich -zur Erreichung ihres Zweckes naturgemäß anderer Methoden als die alte -Religion. Dies führt unser Autor in folgendem aus: - -Die Religion, ganz im allgemeinen, hat den Zweck, das bedrängte -Menschenherz vom Jammer dieses irdischen Lebens zu erlösen. Sie hat das -bisher nur in idealer, träumerischer Weise vermocht, durch Anweisung -an einen unsichtbaren Gott und an ein Reich, das nur von Toten bewohnt -ist. Das Evangelium der Gegenwart verspricht, unser Jammertal endlich -in realer, wirklicher, greifbarer Weise zu erlösen. »Gott«, das ist -das Gute, Schöne, Heilige, soll Mensch werden, aus dem Himmel auf die -Erde kommen, aber nicht wie einst, auf religiöse, wunderbare Art, -sondern auf natürlichem, irdischem Wege. Wir verlangen den Heiland, wir -verlangen, daß unser Evangelium, das Wort Gottes, Fleisch werde. Doch -nicht in einem Individuum, nicht in einer bestimmten Person soll es -sich verkörpern, sondern wir +alle+ wollen, das +Volk+ will -- +Sohn -Gottes+ sein. - -Die Religion war bisher Sache des Proletariats. Jetzt, umgekehrt, fängt -die Sache des Proletariats an, religiös zu werden, das heißt eine -Sache, welche die Gläubigen mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit -ganzem Gemüt ergreift. - -Im alten Glauben diente der Mensch dem Evangelium, im neuen Glauben ist -das Evangelium dazu da, der Menschheit zu dienen. Das Evangelium der -Neuzeit fordert eine Umkehr unserer ganzen Denkweise. Nach der alten -Offenbarung war das Gesetz das Erste, Höchste, Ewige und der Mensch das -Zweite. Nach der neuen Offenbarung ist der Mensch das Erste, Höchste, -Ewige und sein Gesetz, das Zweite, zeitlich und wandelbar. - -Wir sind heute nicht dazu da, dem Gesetze zu dienen, sondern das Gesetz -hat den Zweck, uns zu dienen, nach unseren Bedürfnissen modifiziert -zu werden. Der Alte Bund verlangte Geduld und Ergebung in unsere -Leiden; der Neue Bund fordert Energie und Tatkraft. An die Stelle der -Gnade setzt er die bewußte Werktätigkeit. Das alte Buch nannte sich -»Autoritätsglaube«, das neue setzt die Wissenschaft, die revolutionäre, -auf sein Titelblatt. - -Glauben und Wissen, das sind die beiden Gegensätze, welche den Alten -und Neuen Bund trennen. Einen weiteren Unterschied zwischen der alten -und der neuen Religion konstatiert Dietzgen wie folgt: - -Beten und Fasten sind die Heilmittel, welche das Christentum empfiehlt -wider die angeborene Hilflosigkeit des Menschen ... +Arbeit+ heißt der -Heiland der neueren Zeit. - -Wie Christus schon eine große Anzahl Proselyten gemacht hatte, bevor -sich seine Kirche organisierte, so hat auch der neue Prophet, die -Arbeit, schon seit Jahrhunderten gewirkt, bevor sie in der Gegenwart -daran denken kann, sich auf den Thron zu setzen und das Zepter in die -Hand zu nehmen. - -Mit den Attributen der Gottheit, mit Macht und Wissenschaft, ist sie -nunmehr ausgerüstet. Aber nicht auf unbefleckte, wunderbare Weise -ist sie dazu gekommen. Sie ist unter Schmerzen geboren, unter Kampf -und Qual und Sorgen groß gewachsen. Obgleich sie es ist, welche den -Menschen so weit kultiviert hat, welche jetzt mit der Verheißung kommt, -ihn vollständig aus aller Knechtschaft zu erlösen, und ihn das ersehnte -Land Kanaan wirklich schon aus der Ferne mit Augen sehen läßt, so liegt -doch heute noch die Dornenkrone des Elends auf ihrem Haupte, das Kreuz -der Verachtung auf ihren Schultern. - -Doch unsere Hoffnung auf Erlösung ist nicht auf ein religiöses Ideal, -sondern auf einen massiven materiellen Grundstein gebaut. - -Was das Volk berechtigt, an die Erlösung von tausendjähriger Qual -nicht nur zu glauben, sondern sie tatkräftig zu erstreben, das ist die -feenhaft produktive Kraft, die wunderbare Ergiebigkeit seiner Arbeit. - -+Die Befreiung vom Joche sklavischer Arbeit, die Befreiung von Not, -Elend und Sorge, von Hunger, Kummer und Unwissenheit, die Befreiung -von der Plage, Lasttier der »höheren Gesellschaft« zu sein, -- diese -Freiheit, und zwar für die Masse, für das Volk+, das ist der heilige -Zweck, den zu erfüllen die so unendlich reich gewordene menschliche -Arbeitskraft den Beruf hat. - -Vom Beten und Dulden sind wir übergegangen zum +Denken+ und +Schaffen+. -Das Resultat dieser veränderten Methode steht vor Augen in den -Errungenschaften der Industrie, deren Seele die produktive Kraft -unserer Arbeit ist. - -Das Volk verlangt nach der realen Erlösung, weil endlich die -Bedingungen dazu vorhanden sind. Armut, Hunger und Elend der -Vergangenheit waren vielfach durch Mangel an Lebensmitteln verursacht. -Gegenwärtig, und seit Dezennien schon, ist es umgekehrt überschüssiger -Reichtum, wie er sich in Geld-, Handels- oder Industriekrisen -offenbart, der die Arbeitskraft des Volkes brachlegt. Mögen dann die -Speicher noch so gefüllt und die Magazine mit Waren gepfropft sein, das -Volk hungert und friert, weil die besitzenden Klassen, mit Produkten -übersättigt, seine Arbeitskraft nicht kaufen oder unterkaufen. - -Die Kultur war bisher Zweck und der Mensch Mittel. Jetzt gilt es die -Dinge umzukehren, den Menschen zum Zweck und die Kultur zum Mittel zu -machen. Die erste Bedingung, das Werk der Entwicklung fortzusetzen, ist -die Freiheit des Volkes, seine Teilnahme am Konsum. - -Die Sozialdemokratie unterscheidet sich von der bisherigen kopflosen -Wirtschaft, welche ohne Ziel und Maß produziert, gerade dadurch, daß -sie den Volkshaushalt mit Bewußtsein organisiert. +Bewußte planmäßige -Organisation der sozialen Arbeit nennt sich der ersehnte Heiland der -neueren Zeit+. - -Die dreieinige Gottheit des Christentums hat die Not des Volkes nur -dadurch lindern können, daß sie gelehrt hat, daraus eine Tugend zu -machen. Daß diese Lehre zu ihrer Zeit heilsam war, sei nicht verkannt. -Wo der Mensch noch die Fähigkeit und Mittel nicht besitzt, sein -Kreuz abzuwerfen, ist der Geist ergebener Resignation nicht nur ein -göttlicher Balsam, sondern auch eine triftige Zuchtrute, die wohl -vermag, ihn vorzubereiten für die sinnige Verstandesarbeit der Kultur. - -Wirklich und leibhaftig aber wird der Zweck der Religion erst durch -materielle Kultur, durch Kultur der Materie erreicht. +Arbeit+ nannten -wir den Heiland, den Erlöser des Menschengeschlechts. Wissenschaft und -Handwerk, Kopf- und Handarbeit sind nur zwei verschiedene Gestalten -derselben Wesenheit. Wissenschaft und Handwerk sind wie Gott-Vater und --Sohn, zwei Dinge und doch nur +eine+ Sache. - -Das im letzten Satze enthaltene Thema wird in nachstehendem weiter -behandelt: - -Ähnlich wie unkultivierte Völker das politische und soziale Gesetz als -ein übernatürliches Gnadengeschenk abgöttisch verehren und damit sich -der Macht begeben, es dem Laufe der Entwicklung nach zu gestalten, -ähnlich betrachtet heute eine verehrungssüchtige, untertänige, -knechtische Anschauungsweise die Kopfarbeit der Wissenschaft als ein -höheres Wesen, nicht als den Diener, sondern als den Götzen der Kultur. -Die Menschen sollen nicht zur Wissenschaft hinaufsehen, sondern sie -zu sich herabziehen. Wir sollen die geistige zu einem Instrument der -materiellen Arbeit machen. Die erfahrungsmäßige Resultatlosigkeit -der spekulativen Forschung, die erwiesene Unfruchtbarkeit der reinen -Vernunft belehre die Gelehrtenzunft, daß leibliche Sinnentätigkeit -zur Wissenschaft erfordert ist. Umgekehrt lerne der Handwerker an den -bewunderten Resultaten der modernen Industrie, daß nur der Verbindung -mit der Wissenschaft die Wunder der Arbeit zu danken sind. - -Die gegenseitige Durchdringung der beiden Arbeitsformen hat im Verlauf -der Jahrhunderte endlich die Menschheit auf den Punkt gebracht, wo -nunmehr der Grundstein zum Tempel der Sozialdemokratie niedergelegt -ist. Alle unsere +materiellen+ Reichtümer haben, ebenso wie alle in -der Literatur deponierten geistigen Errungenschaften, nur mittels -+gemeinschaftlicher Arbeit+ der verschiedensten Generationen, -Geschlechter, Länder und Völker produziert werden können. Sie sind -also, wenn auch individuelles Eigentum, doch ein generelles, ein -gemeinschaftliches, ein kollektives Produkt. - -Dann zu seinem eigentlichen Thema zurückkehrend, sagt Dietzgen: - -Die Lehre unserer sozialdemokratischen Kirche betrachtet den -aufgehäuften Reichtum, den materiellen sowohl wie den geistigen, als -ihren Grundstein und lehrt, zu glauben, daß dieser schwere Stein -wohl nicht ohne, aber auch nicht durch einzelne Herren oder vornehme -Geschlechter, sondern mit überaus angestrengter Kopf- und Handarbeit -des gesamten Volkes zutage gefördert ist. Schelme und Narren nennen -dies Evangelium rohe Gleichmacherei. Nein! Die Gleichheit der -Sozialdemokratie ist keine phantastische Gleichheit, welche ihren -Gegensatz, die Verschiedenheit, ausschließt. Unsere menschliche Natur -hat uns allen das gleiche Bedürfnis gegeben, auf diesem Erdboden -unseren Hunger zu stillen, unseren Leib zu kleiden, alle unsere -verschiedenen Kräfte zu entwickeln. Die Menschenkinder haben von Natur -+alle das gleiche+ Verlangen, ihr Leben zu verbringen in tätiger Lust, -ohne Elend und Knechtschaft. Die Gleichheit des Verlangens ändert die -Verschiedenheit nicht, welche jeden von uns mit Kräften und Talenten -eigener Art ausgerüstet hat. Wie also der Gegensatz zwischen Gleichheit -und Mannigfaltigkeit in der Natur der Dinge +faktisch+ vereint und -überwunden ist, so soll auch das soziale Leben der Zukunft die -Menschen +gleich+ machen an gesellschaftlichem Rang und Wert, ihnen -den +gleichen+ Anspruch geben auf Genuß des individuellen Lebens, ohne -deshalb die Verschiedenheit aufzuheben, welche jedem seine besondere -Aufgabe zuteilt, jedem gestattet, nach seiner eigenen Fasson selig zu -werden. - -Solange die Natur als unbezwingbares Verhängnis, als allmächtige -Gottheit gewaltet hat und die Menschheit mit Armut knechtete, durfte -einzelnen oder einzelnen Klassen die Herrschaft gestattet sein, um als -Führer zu dienen. Nun aber ist das Volk durch die errungene reiche -Ergiebigkeit seiner Arbeit auf dem Punkte angekommen, wo es verlangt, -daß alle Herrschaft endige. Es fühlt sich berufen, die geschichtliche -Entwicklung der Dinge fortzusetzen, ohne Beihilfe unumschränkter Führer. - -Wir fordern von der Gesellschaft, und vermöge des geschichtlich -erworbenen Reichtums können wir es fordern, daß sie uns nicht nur die -Arbeit, sondern das »tägliche Brot« garantiere, daß sie die Hungrigen -speise, die Nackten kleide, die Kranken pflege, kurz, alle Werke der -Liebe und Barmherzigkeit übe. Wir verlangen von der Gesellschaft, daß -sie nicht nur menschlich heiße, sondern menschlich sei. An Stelle der -Religion setzt die Sozialdemokratie +Humanität+, welche fortan nicht -mehr auf einer moralischen Satzung, sondern auf der Erkenntnis ruhen -wird, daß nur in der sozialen brüderlichen Arbeit, in der +ökonomischen -Gemeinschaft+ der Erlöser lebt, der uns vom leibhaftigen Bösen befreien -kann. Die wahre Erbsünde, an der das Menschengeschlecht bisheran -leidet, ist die Selbstsucht. Moses und die Propheten, alle Gesetzgeber -und Moralprediger haben zusammen nicht vermocht, es davon zu befreien. -»Die Sünde sitzt im Fleische, wie der Nagel in der Mauer«, sagt die -Bibel. Keine schöne Redensart, keine Theorie und Satzung konnte sie -ausmerzen, weil die Konstitution der ganzen Gesellschaft an diesem -Nagel hängt. Die bürgerliche Gesellschaft fußt auf dem selbstsüchtigen -Unterschiede von +Mein+ und +Dein+, fußt auf dem sozialen Krieg, auf -der Konkurrenz, auf der Überlistung und Ausbeutung des einen durch den -anderen. - -Hieraus ergibt sich der oben bereits zitierte Moralsatz, daß die -Gesellschaft sich auf einer neuen Grundlage konstituieren muß, welche -die Gegensätze von Liebe und Selbstsucht miteinander versöhnt und die -Gemeinsamkeit der Arbeit wie des Genusses involviert. - -Hiermit schließt der zweite Abschnitt; der dritte nimmt das zu -Beginn des ersten behandelte Thema wieder auf, daß die Religion -wie die Sozialdemokratie die Tendenz nach +Erlösung+ hat, um einen -neuen Gesichtspunkt zu eröffnen: wie die Sehnsucht nach Erlösung -die +Ursache+ der Religion war, so hat sie auch im Laufe der -geschichtlichen Entwicklung, durch die neue Auffassung von »Erlösung« -im Sinne der Sozialdemokratie, zur +Auflösung+ der Religion geführt. - -Dietzgen sagt: Wir sahen die Sozialdemokratie in ihrer Tendenz nach -Erlösung darin weiter gehen als die Religion, daß sie die Erlösung -nicht im Geiste, sondern nur mittels des menschlichen Geistes recht -eigentlich im Fleische, in der fleischlichen, materiellen Wirklichkeit -sucht. Das Bedürfnis der Erlösung, die erbärmliche Not des anfänglichen -unkultivierten Menschen ist der Urschleim der Tiefe, aus dem sich -die Religion erzeugte. Die unbeholfene Rat- und Hilflosigkeit in -einer Welt von Drangsal treibt den Menschen, anderwärts Allmacht und -Vollkommenheit zu suchen, treibt zur Verehrung von Tieren, Gestirnen, -Bäumen, Blitz, Wind, einzelnen Menschen usw. Die nachfolgende -unvermeidliche Erfahrung, daß alle diese Dinge selbst macht- und -hilflos sind, veranlaßte den Fortschritt, das höchste Wesen, statt in -einem nahen, greifbaren, demnach in einem geistigen Wesen zu suchen, -das weitab über den Wolken thront. Von dieser, also der Erfahrung -entrückten Gottheit sich näher zu unterrichten, war schwieriger. -Die neuere Wissenschaft jedoch, welche hinter so manches verborgene -Mysterium gekommen ist, hat endlich auch das Geheimnis der Religion -offenbart. - -Es ist die Natur der Materie, welche sie, ohne Ansehen der Zeit, zu -stetiger +Entwicklung+ getrieben hat und forttreibt; durch Feuer- -und Wasserepochen hindurch zur Bildung des ersten Lebens, das mit -den geringsten Pflanzen, mit den niedrigsten Tieren begonnen hat und -weiter hinaufsteigt in unaufhörlicher Veränderung und Erweiterung der -Formen, bis zur selbsttätigen Zeugung des Menschengeschlechts. Und -derselbe Naturinstinkt, der die Welt, hat dann auch sein höchstes -Produkt, das mit Vernunft begabte ~genus homo~, +geschichtlich -entwickelt+. Was immer nun in diesem geschichtlichen Prozeß zeitweilig -eine hervorragende Stelle eingenommen, sei es Tier, Pflanze, Gestirn, -Mensch oder Gesetz, wurde von dem religiösen Gefühl schwärmerisch -+vergöttert+. Gott, das ist der Inhalt der Religion, hatte also keinen -bleibenden, ewigen, sondern einen veränderlichen, zeitlichen Charakter. - -Die Religiösen pochen darauf, daß alle Völker, wilde wie zahme, -Religion haben, an Gott glauben. Sie halten deshalb dafür, daß der -Glaube dem Menschen angeboren sei, und wollen darin einen Beweis seiner -Wahrheit finden. Aber wahr ist nur, daß der Unerfahrene leichtgläubig -und um so leicht- und vielgläubiger, je unerfahrener und unkultivierter -er ist. Ein Blick belehrt, daß nicht eine, sondern viele Religionen -da sind, nicht Gott, sondern Götter geglaubt werden. Weil nur nach -und nach dem Menschen die Welt verständlich wird, vergöttert er das -Mannigfaltigste, heute die Sonne und morgen den Mond, bald den Hund, -wie die Perser, bald die Katze, wie die Ägypter. - -Die Essenz der Religion besteht darin, diejenige Erscheinung des Natur- -und Menschenlebens, welche je nach Zeit und Umständen von eminenter -Bedeutung ist, zu personifizieren und im Glauben auf eine so hohe Säule -zu stellen, daß sie über alle Zeit und Umstände hinwegsieht. - -Wie unsere Zeit so nahe daran ist, die Religion gänzlich aufzugeben, -wird augenfällig an den vagen, im höchsten Grade konfusen Ideen, die -sie über Gott und seine Eigenschaften hegt. Während von allen anderen -Dingen die Menschen nur darum wissen, daß sie sind, weil sie vorher -wissen, wie und was sie sind, wollen sie vom Dasein einer göttlichen -Persönlichkeit überzeugt sein, ohne irgend zu wissen, welcher Art sie -ist, ob menschlicher oder unmenschlicher Gestalt, ob klein oder groß, -ob schwarz- oder blauäugig, ob Mann oder Weib. Ist es nun aber nicht -schmählich kopflos, von jemand wissen zu wollen, daß er ist, wenn ich -zugleich eingestehen muß, gar nichts davon zu wissen, wo, wie und -welcher Art er ist? Je weiter die Gottesidee in der Entwicklung zurück -ist, um so +leibhaftiger+ ist sie, je moderner die Form der Religion, -um so konfuser, um so erbärmlicher sind die religiösen Ideen. Die -geschichtliche Entwicklung der Religion besteht in ihrer allmählichen -+Auflösung+. - -Im vierten Abschnitt wird der zu Beginn der sozialdemokratischen -Agitationsära häufig und heute noch von religiösen Anhängern der -Arbeitersache manchmal verteidigte Satz, daß »Christus der erste -Sozialist gewesen«, einer interessanten Kritik unterzogen: - -Sozialismus und Christentum sind so verschieden wie Tag und Nacht. -Wohl haben beide übereinstimmendes. Aber was stimmt nicht überein? Was -ist unähnlich? Tag und Nacht gleichen sich durchaus darin, daß sowohl -das eine wie das andere ein Stück der allgemeinen Zeit ist. Der Teufel -und der Erzengel, obgleich der erste eine schwarze und der zweite -eine weiße Haut hat, sind doch wieder sehr gleich, indem jeder von -ihnen überhaupt in einer Haut steckt. Es ist die spezielle Kapazität -unseres Kopfes, +alle+ Mannigfaltigkeit unter einen generellen Hut zu -bringen. Ob Christentum und Sozialismus noch so viel Gemeinschaftliches -haben, so verdient doch der, der Christus zum Sozialisten macht, den -Titel eines gemeinschädlichen Konfusionsrats. Es ist nicht genug, -das Gemeinschaftliche der Dinge zu kennen, auch der Unterschied will -verstanden sein. Nicht was der Sozialist mit dem Christen gemein, -sondern was er eigen hat, was ihn auszeichnet und unterscheidet, sei -Gegenstand unserer Beachtung. - -Neuerdings ist das Christentum Religion der Knechtseligkeit genannt -worden. Das, in der Tat, ist seine treffendste Bezeichnung. -Knechtselig ist allerdings alle Religion, aber das Christentum ist -die knechtseligste der knechtseligen. Nehmen wir ein christlich Wort -von der Straße. An meinem Wege steht ein Kreuz mit der Inschrift: -»Barmherzigkeit, huldreichster Jesu! H. Maria bitt für uns.« Da -haben wir die unmäßige Demut des Christentums in ihrer vollen -Erbärmlichkeit. Denn wer so seine ganze Hoffnung auf Erbarmen baut, ist -doch in Wahrheit eine erbärmliche Kreatur. Der Mensch, der vom Glauben -an den allmächtigen Gott ausgeht, vor den Schicksalen und Mächten -der Natur sich in den Staub wirft und nun im Gefühl der Ohnmacht um -Erbarmen winselt, ist kein brauchbares Mitglied unserer heutigen Welt. -Wenn die modernen Christen andere Leute sind, wenn sie den Unwettern, -die überlegene Mächte herabdonnern, kühn in die Augen sehen und nun -durch tatkräftige Arbeit das Unheil zu heilen suchen, so bekunden sie -mit solcher Tat ihren Abfall vom Glauben. Obgleich die Christen ihren -Namen, ihre Gesangbücher und frommen Gemütsschmerzen beibehalten, -sind sie doch in ihrem Tun und Treiben vollendete Antichristen. Wir -religionslose Sozialdemokraten wollen das klare Bewußtsein der Sachlage -voraus haben. Wir wollen Wissen und Willen, in der Theorie wie in der -Praxis tatkräftige Widersacher der lammfrommen, gottseligen Ergebenheit -sein. Das Christentum fordert +Entsagung+, während heute rüstige -Arbeit zur +Befriedigung+ unserer materiellen Bedürfnisse gefordert -ist. Gottvertrauen ist die vornehmlichste Qualität eines Christen, -Selbstvertrauen, das gerade Gegenteil, zu einer erfolgreichen +Arbeit+ -nötig. - -Eine Charakterisierung der Würde geistiger wie körperlicher +Arbeit+ -gibt unser Autor im zweiten Teil dieses vierten Abschnitts: - -Nachdem von der Wissenschaft alles Himmlische materialisiert wurde, -blieb den Professoren übrig, ihre Profession, die Wissenschaft zu -verhimmeln. Die akademische soll anderer Qualität, anderer Natur -sein, wie zum Beispiel die Wissenschaft des Bauern, des Färbers oder -Nagelschmieds. Die wissenschaftliche Agrikultur zeichnet sich von der -gewöhnlichen Bauernwirtschaft nur dadurch aus, daß ihre Regeln, ihre -Kenntnisse der sogenannten Naturgesetze genereller oder umfassender -sind. - -Das sozialistische Bedürfnis nach gerechter, volkstümlicher Verteilung -der wirtschaftlichen Produkte verlangt die Demokratie, verlangt die -politische Herrschaft des Volkes und duldet nicht die Herrschaft -einer Sippe, die mit der Prätension des Geistes nach dem Löwenanteil -schnappt. Um diesen anmaßlichen Eigennutz in vernünftige Schranken -zurückweisen zu können, ist es geboten, das Verhältnis des Geistes zur -Materie klar zu verstehen. Der eminente Wert der Kopfarbeit wird von -den Handarbeitern noch vielfach verkannt. Ein unfehlbarer Instinkt -bezeichnet ihnen die tonangebenden Federfuchser unserer bürgerlichen -Zeit als natürliche Widersacher. Sie sehen, wie das Handwerk der -Beutelschneiderei unter dem Rechtstitel der geistigen Arbeit betrieben -wird. Daher die leicht erklärliche Neigung, die geistige Arbeit -zu unter- und die körperliche zu überschätzen. Diesem brutalen -Materialismus ist entgegenzuwirken. Physische Kraft, materielle -Überlegenheit war von jeher das Vorrecht der arbeitenden Volksklassen. -Mangels geistiger Ausbildung haben sie bisher sich übertölpeln -lassen. Die Emanzipation der Arbeiterklasse fordert, daß letztere der -Wissenschaft unseres Jahrhunderts sich ganz bemächtige. Das Gefühl der -Entrüstung über die Ungerechtigkeiten, welche wir erleiden, reicht -trotz unserer Überlegenheit an Zahl und Körperkraft zur Befreiung nicht -aus. Die Waffen des Geistes müssen Hilfe leisten. Unser Körper ist mit -seinem Geist derart verbunden, daß physische Arbeit absolut unmöglich -ist ohne geistige Zutat. Der simpelste Handlangerdienst erfordert die -Mitbeteiligung des Verstandes. Andererseits ist der Glaube an die -Unkörperlichkeit der geistigen Arbeit eine Gedankenlosigkeit. Auch die -reinste Forschung ist unleugbar eine Anstrengung des Körpers. Alle -menschliche Arbeit ist geistig und körperlich zumal. Am Produkt der -Arbeit läßt sich nie ermitteln, wieviel davon der Geist und wieviel -der Körper geschaffen hat; sie schaffen in solidarischer Gemeinschaft, -einer nicht ohne den anderen. Mag sich eine Arbeit als geistig oder -körperlich charakterisieren, das Produkt, ich wiederhole, ist von -Geist und Körper zumal geschaffen. Da läßt sich der Beitrag der Idee -nicht separieren vom Beitrag des Materials. Wer könnte in einem -Gemüsegarten die Teile bestimmen, die der Spaten, der Arm des Gärtners, -der Boden, der Regen und der Dünger gefördert hat? - -Große Männer, die die Leuchte der Erkenntnis vorantragen, mögen wir -ehren, aber nur so lange und so weit auf ihre Sprüche bauen, als -dieselben materiell in der Wirklichkeit begründet sind. - -So weit 1 bis 4 der Kanzelreden. - -Die Stücke 5 und 6 sind weniger »populär« gehalten, weil wesentlich -philosophischen Charakters; sie behandeln der »neuen Religion«, der -Sozialdemokratie +Denkweise+, im Gegensatz zur altreligiösen, der -»primitiven Weltweisheit«: - -Wer das phantastische, das religiöse System der Welterklärung absetzen -will, der muß doch wieder ein System, diesmal ein rationelles, an die -Stelle setzen. - -Wir nennen uns Materialisten. Wie die Religion ein genereller Name -ist für mannigfache Konfessionen, so ist auch der Materialismus ein -dehnbarer Begriff. - -Philosophische Materialisten kennzeichnen sich dadurch, daß sie die -leibhaftige Welt an den Anfang, an die Spitze und die Idee oder den -Geist als Folge setzen, während die Gegner nach religiöser Art die -Sache vom Wort (»Gott sprach, und es ward«), die materielle Welt von -der Idee ableiten. Wir dürften uns ebenso füglich auch Idealisten -nennen, weil unser System auf dem Gesamtresultat der Philosophie -fußt, auf der wissenschaftlichen Erforschung der Idee, auf der klaren -Einsicht in die Natur des Geistes. Wie wenig die Gegner kapabel sind, -uns zu begreifen, bezeugen denn auch die widerspruchsvollen Namen, die -man uns gibt. Bald sind wir grobtastige Materialisten, die nur nach -Hab und Gut ausgehen, bald, wenn von der kommunistischen Zukunft die -Rede ist, werden wir unverbesserliche Idealisten genannt. In der Tat -sind wir beides zugleich. Sinnliche, wahrhaftige Wirklichkeit ist unser -Ideal, das Ideal der Sozialdemokratie ist materiell. - -Dietzgen reklamiert nun als Bedingung sozialdemokratischer Denkweise -dreierlei: die von Bacon gelehrte »+induktive+ Methode« der Forschung --- des Schlusses vom Besonderen aufs Allgemeine; ferner Gedankenaufbau -auf Grundlage sinnlichen Materials; drittens die Voraussetzung -+gegebenen+ Anfangs der Welt -- unter Abweisung der metaphysischen -Frage Kants nach »Gott, Freiheit und Unsterblichkeit«, und unter -Ablehnung der transzendentalen Deduktion, das heißt apriorischer -Grundlegung der objektiven Erfahrung durch den reinen Geist. Dietzgen -sagt: - -Anwendung der induktiven Methode auf alle Probleme vom Anfang bis zum -Ende der Welt, also die systematische Anwendung der Induktion macht -die sozialdemokratische Weltanschauung zu einem System. »Du sollst«, -lautet das Gesetz, »nicht anfangen zu grübeln ohne Material, du darfst -deine Schlüsse, Regeln, Erkenntnisse nur auf Tatsachen, auf sinnliche -Wahrheit bauen. Zum Denken gehört ein gegebener Anfang.« Wir also -fangen wohl an zu grübeln, aber grübeln nie über den Anfang. Wir wissen -ein für allemal, daß alles Denken mit einem Stück der weltlichen -Erscheinung, mit +gegebenem+ Anfang anfangen muß, daß also die Frage -nach dem Anfang des Anfangs eine gedankenlose Frage ist, die dem -allgemeinen Denkgesetz widerspricht. Wer vom Anfang der Welt redet, -setzt den Weltanfang in die Zeit. Da darf man fragen, was war vor -der Welt? »Nichts war«, sind zwei Wörter, von denen eines das andere -ausschließt. Daß jemals etwas gewesen sei, was nicht war, kann nur ein -schlauer Tollpatsch sagen, der viereckige Kreise zieht. Nichts kann nur -heißen: nicht dies oder jenes. - -Unsere Dränger, die Mächtigen und Besitzenden, »Kulturkämpfer« und -Fortschrittsmänner, Liberale und Freimaurer sind auch Fürsprecher der -Induktion -- nur soweit sie ihnen zum Kram paßt. Sie teilen alles: Die -Leute in Herren und Diener, das Leben in Dies- und Jenseits, die Person -in Leib und Seele und die Wissenschaft in Induktives und Deduktives. - -Das Teilen ist gut und recht, wenn dabei System, wenn das Geteilte -unter einem Hut gehalten, wenn die Verschiedenheit als eine nur -graduelle bekannt ist. Auch die Sozialdemokraten haben Leib und -Seele. Unser Leib ist die Summe der leiblichen und die Seele Summe -der seelischen oder geistigen Eigenschaften. Aber, wohlgemerkt! die -empirische Erscheinung ist das einhellige Material, die gemeinsame -Rubrik für Leib und Seele, für Körper und Geist. Seele oder Geist ist -uns ein Attribut der Welt und nicht, wie umgekehrt der Pfaff will, die -Welt ein Attribut oder Machwerk des Geistes. - -Nach religiösem System ist der liebe Gott »letzter Grund«. -Idealistische Freimaurer glauben alles mit der Vernunft begründen zu -können. Befangene Materialisten suchen in heimlichen Atomen den Grund -alles Bestehenden, während die Sozialdemokraten alles +induktiv+ -begründen. Wir besitzen die prinzipielle Induktion, das heißt wir -wissen, daß nicht rein deduktiv, aus der bloßen Vernunft irgendeine -Belehrung zu schöpfen, sondern nur +mittels Vernunft aus der Erfahrung+ -Kenntnisse zu holen sind. - -An Stelle der Religion setzt die Sozialdemokratie systematische -Weltweisheit. - -Diese Weisheit findet ihre Begründung, ihren »letzten Grund« in den -+faktischen Verhältnissen+. Die Erfahrung, daß sowohl die feudale wie -die liberale und klerikale Gerechtigkeit und Freiheit und politische -Wahrheit und Weisheit nach dem leiblichen Interesse der betreffenden -Parteien modelliert ist, hat uns das Verständnis nahegelegt, daß sich -überhaupt die Weisheit nicht aus dem Kopfe, sondern nur mittels des -Kopfes aus empirischem Material ziehen läßt. - -Zufolge dessen modellieren wir mit +Bewußtsein+, mit systematischer -Konsequenz unsere Begriffe über Gerechtigkeit und Freiheit nach -unseren leiblichen Bedürfnissen, ~nota bene~ sind es die Bedürfnisse -des Proletariats, der großen Volksmasse. Das faktische leibliche -Bedürfnis einer »menschenwürdigen« Existenz ist der »letzte -Grund«, womit wir die Rechtmäßigkeit, Wahrheit, Vernünftigkeit der -sozialdemokratischen Bestrebungen erweisen. Im System der Induktion -geht der Leib dem Geiste, das Faktum dem Begriffe voran. Wie die Wärme -kalt und die Kälte warm, beides sich nur dem Grade nach unterscheidet, -so relativ ist das Gute bös und das Böse gut. Alles sind Relationen -desselben Stoffes, Formen oder Arten der physischen Empirie (Erfahrung). - -Mancher möchte fragen: Wie ist es möglich, empirisches Material als -Grundbestandteil aller Objekte der Wissenschaft nachzuweisen? Gibt es -denn da keine Dinge, wie das Wesen Gottes, reine Vernunft, sittliche -Weltordnung usw.? - -Gott, reine Vernunft, sittliche Weltordnung und viele andere Dinge -bestehen nicht aus empirischem Material, es sind keine Formen der -physischen Erscheinung, wir leugnen deshalb auch ihr Dasein. Jedoch die -Begriffe dieser Gedankendinge sind faktisch vorhanden; sie mögen wir -sehr wohl unserer induktiven Forschung als Material unterbreiten. - -Im Schlußartikel, dem siebten, befaßt sich unser Autor mit dem viel -ventilierten Religionsthema der »sittlichen Weltordnung«: - -Sitte und Ordnung muß sein, nicht weil, wie der Pastor sagt, diese -Dinge vom Himmel stammen, sondern weil sie ein allgemeines, lebhaftes -Bedürfnis sind. Da wir Sozialdemokraten alle unsere Gedanken mit -leibhaftigen oder empirischen Tatsachen begründen, soll auch das -Sittengesetz nicht weiter gelten, als es sich materialistisch fundiert -findet. - -Die Sittlichkeit beruht auf dem sozialen Trieb des Menschengeschlechts, -auf der materiellen Notwendigkeit des gesellschaftlichen Lebens. -Weil die Tendenz der Sozialdemokratie vornehmlich auf ein soziales, -auf ein gesellschaftliches Leben in höherem Grade gerichtet ist, -darum kann sie nicht anders, als ganz wahrhaftig eine moralische -Tendenz sein. Sacken und Packen und der dazu benötigte juristische -Apparat nennt sich »sittliche Weltordnung«. Menschen, die über Nacht -reich werden, haben ein anderes Sittengesetz als solche, die noch -das Brot kümmerlich im Schweiße des Angesichts kneten. Heute weiß -man nicht, ob fünf, fünfundzwanzig, hundert oder fünfhundert Prozent -ein »ehrlicher Verdienst« ist. Die kapitalistische Wirtschaft wirkt -zersetzend auf die Moral und das Vermögen. Wie in der Türkei kauft man -in höheren Ständen sich der Frauen, soviel man Geld hat. Vielweiberei -und Mätressenwirtschaft werden Sitte, sind ein sittliches Faktum. Und -in der Tat und in der Wahrheit ist die »freie Liebe« nicht minder -sittlich wie auch die christliche Beschränkung auf nur ein einziges -Ehegesponst. Was uns an der Vielweiberei empört, ist nicht so sehr die -reiche Mannigfaltigkeit der Liebe, als die Käuflichkeit des Weibes, die -Degradation des Menschen, die schandbare Herrschaft des Mammons. - -In der Weltgeschichte, liebe Mitbürger, geht es mit der Moral wie in -der Natur mit dem Stoff: die Formen ändern sich, aber das Wesen bleibt. - -Hier muß ich kurz und bündig auseinandersetzen, was das eigentliche -Wesen der Sittlichkeit, was wahre Moral ist. Die Feinde schlachten, -braten und verspeisen, heißt dort moralisch, und hier: sie lieben und -ihnen Gutes tun. Wie sollen wir nun unter solchen Widersprüchen die -Kastanien der Wahrheit aus dem Feuer holen? Einfach, indem wir aus -dem Verschiedenen das Allgemeine, indem wir extrahieren, was +unter -allen Umständen+ moralisch, sittlich oder recht ist. Es kann das -nichts Spezielles, es muß das Generelle, das Abstrakte des gesamten -moralischen Materials sein. Mittels eines solchen induktiven Verfahrens -findet sich, daß die sittliche Weltordnung im allgemeinen aus den -Rücksichten besteht, verschieden je nach Zeit und Umständen, welche -das gesellschaftliche Bedürfnis der Menschen erheischt. Ferner findet -sich die unleugbare Tatsache, daß dieses Bedürfnis mit der Kultur -sich entwickelt, daß der soziale Trieb des Menschen wächst, daß die -menschliche Assoziation breiter und inniger, daß die Moral moralischer -wird. - -Kein Orakel des Himmels, kein Gewissen der Brust und keine Deduktion -des Kopfes darf uns die sittliche oder irgend eine andere Wahrheit -dozieren. Auf diesen idealen Wegen findet sich nur die bekannte -Schnapperei nach »dem wahren Jakob«. Das einhellige wissenschaftliche -Resultat wird induktiv gewonnen; es gründet sich immer auf empirische -Tatsachen, hier auf das exakte Faktum, daß Menschen einander -dienstlich sind. So ewig wie einer des anderen bedarf, so ewig ist -dem einen recht, was dem andern billig. Je mehr sich die gegenseitige -Bedürftigkeit der Menschen entwickelt, um so extensiver und intensiver -wird ihre Verbindung, um so rücksichtsvoller die Moral, um so größer -und wahrer die Moral. - -Die religiöse Wahrheit ist eine ideale Phantasterei. Sie hat die -Nächstenliebe auf Gottesglauben und sittliche Freiheit gründen wollen. -Und was haben wir davon? Den sozialen Krieg. Wir wollen umgekehrt den -ewigen Frieden bezwecken mittels einer brüderlichen Gestaltung der -politischen Ökonomie. Wie in der Familie, wo der Mann den Kohl baut, -die Frau ihn kocht und die Kinder das Reisig herbeiholen, wie da -die häusliche Liebe gegründet ist auf die häusliche Wirtschaft, die -geistige auf die materielle Eintracht, so wird sich auch bei uns die -wahre Nächstenliebe erst einfinden, nachdem die Erwerbsverhältnisse -sozialistisch gestaltet sind. Gewiß hat die Natur schon dem Menschen -die Nächstenliebe ins Herz gepflanzt. Aber dies Herz ist ein durchaus -unzuverlässiger Kompaß, und Wille und Erkenntnis, überhaupt der ganze -ideale Apparat ist ohne materielle Basis ein sehr niedriger Wegweiser. -Es müßte sonst besser stehen mit der Nächstenliebe unserer herrschenden -Klassen. - -Mit der faktischen Welt stimmt die sozialdemokratische Moraltheorie -überein, sie anerkennt im politischen Staate den berechtigten Wächter -und Hüter der Sittlichkeit, aber fühlt sich auch berufen, dem Staat -auf die Finger zu sehen, daß er nicht aus einer vergänglichen und -veränderlichen Institution einen ewigen und heiligen Popanz mache, -daß er nicht statt dem sittlichen Fortschritt eine unsittliche -Reaktion, statt kommunistischer Moral egoistische Laster treibe. -Indem die Sozialdemokratie alle Privatinteressen dem Allgemeinen, der -sozialistischen Organisation unterordnet, bekundet sie wahre, echte -Moral. - -(Dieses Schlußkapitel der Kanzelreden ist beiläufig als eine populäre -Erweiterung des Schlußkapitels vom »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« -zu betrachten.) - - - - -VI. - -Sozialdemokratische Philosophie. - - -»Sozialdemokratische Philosophie« betitelt sich die nun folgende -Artikelserie (aus dem »Volksstaat« von 1876), der sich drei Aufsätze -(aus dem »Vorwärts« von 1877 bis 1878) anschließen. - -Unter »sozialdemokratischer Philosophie« versteht Dietzgen die -auf sinnlicher Erfahrung beruhende Erkenntnis -- im Gegensatz zur -spekulativen Philosophie, zur Metaphysik, zum Übersinnlichen und auch -zur Ideologie, wie zur »phantastischen Projektmacherei« der frühen -französischen und englischen Sozialisten zu Ende des achtzehnten und im -ersten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts. - -Erst unserem Marx und Engels hatte -- sagt Dietzgen -- die Philosophie -das Fundamentalprinzip offenbart, daß in letzter Instanz sich die -Welt nicht nach Ideen, sondern umgekehrt die Ideen sich nach der -Welt zu richten haben. Marx war der erste, welcher erkannte, daß das -Menschenheil im großen und ganzen nicht von irgendwelchem erleuchteten -Politiker, sondern von der Produktivität der sozialen Arbeit abhängt. - -Da diese teils mechanischer, teils geistiger Art ist, fragt es sich: -wer von beiden ist Primus? - -Wir erkennen in Wissenschaft und Bildung überaus wertvolle Mittel, aber -nur Mittel, während die Ergiebigkeit der leiblichen Arbeit der höhere -Zweck ist. Die Bildung wirkt dann allerdings sehr erheblich zurück auf -die produktive Verwendung der Arbeit. - -Der unwiderstehliche Weltprozeß, der die Planeten geballt, aus ihren -feuerflüssigen Substanzen Kristalle, Pflanzen, Tiere und Menschen -nacheinander hervorgetrieben, treibt ebenso unwiderstehlich zu einer -rationellen Verwendung unserer Arbeit, zur stetigen Entwicklung der -Produktivkraft.[9] Die Produktion verlangt unter allen Umständen -in rationeller Weise betrieben zu werden. In allen Kulturepochen, -mögen sie noch so verschieden sein, muß man, so will es die Vernunft -der Dinge, in möglichst kurzer Zeit das Massenhafteste leisten. -Dieser von der materiellen Leiblichkeit uns angetane Trieb ist -also das +Allgemeine+, das Ursächliche, ist Grund oder Fundament -aller sogenannten höheren, geistigen Entwicklungen, Bildungen und -Fortschritte. Weil die fortentwickelte Produktivkraft heute nicht -weiterkommen kann, darum muß dem Volke Teil gegeben werden am Konsum, -Absatz muß verschafft, die Sittlichkeit, Freiheit, Gleichheit und -Brüderlichkeit vervollkommnet werden. - -Auf dem +Mechanismus+ des Fortschritts beruht die Zuversicht der -Sozialdemokratie. Wir wissen uns unabhängig vom guten Willen. Unser -Prinzip ist ein mechanisches, unsere Philosophie materialistisch. Doch -ist der sozialdemokratische Materialismus viel reicher und positiver -begründet als irgend ein Vorgänger. Die Idee, seinen Gegensatz, hat -er mittels klarer Durchschauung in sich aufgenommen, hat die Welt der -Begriffe bemeistert, den Widerspruch zwischen Mechanik und Spirit -überwunden. Der Geist der Verneinung ist in uns zugleich positiv, unser -Element ist dialektisch.[10] - -Im zweiten Artikel erklärt unser Autor, wie die »sozialdemokratische -Philosophie« aus der bürgerlichen, von der sie »legitim abstammt«, sich -entwickelt hat: - -Wer sind wir, woher kommen und wohin gehen wir? Sind die Menschen -Herren und Gebieter, sind sie die »Krone der Schöpfung« oder hilflose -Kreaturen, allem Winde, Wetter und Ungemach unterworfen? Wie verhalten -wir oder wie sollen wir uns verhalten zu den Dingen und Menschen der -Umgebung? Das ist die große Frage der Philosophie wie der Religion. -Das Charakteristikum der Philosophie ist es, die »große Frage« dem -religiösen Gemüt entwunden und sie dem Organ der Wissenschaft, -dem Erkenntnisvermögen zur Lösung heimgegeben zu haben. Indem die -Philosophie die große Lebensfrage wissenschaftlich lösen wollte, -verdrehte sich ihr die Sache, die sie nicht anzugreifen wußte, und die -wissenschaftliche Lösung, die Theorie der Kopfarbeit, wurde ihr zum -eigentlichen Gegenstand, zur Lebensfrage. - -Aber schockweise sind die Belege, daß das Verständnis kein helles, -kein konsequentes ist, daß die Professoren und Privatdozenten ganz -konfus sind in betreff der Aufgabe, des Zweckes oder der Bedeutung der -Philosophie. - -Zum Beweis zitiert Dietzgen einen Philosophen von anerkanntem Ruf, -Herrn v. Kirchmann, der 1876 in einem Vortrag die Philosophie als -das beste Schutzmittel für die zurzeit herrschende Autorität und die -bürgerliche Moral erklärte. - -Diese Philosophie kann also die Frage »Woher kommen wir?« sicherlich -nicht beantworten, zumal sie auf materiallosem oder voraussetzungslosem -Denken beruht. Ohne Material, wie die Spinne ihre Fäden aus dem -Hintern, ja noch weit material- oder voraussetzungsloser, will der -Philosoph seine spekulative Weisheit aus dem Kopfe ziehen. So haben -denn die philosophischen Hirngespinste auch weniger realen Zusammenhang -als die Spinngewebe. - -Einer der Professoren -- sagt unser Autor im dritten Artikel -- -verlangt von den Sozialisten »statt vager und unklarer Andeutungen ein -klares Bild von dem Zustand der Gesellschaft, wie er nach ihrer Ansicht -sein +müßte+ und nach ihren Wünschen eintreten +soll+. Namentlich nach -seinen praktischen Konsequenzen ausgeführt.« - -Wir sind keine Idealisten, die sich einen Zustand der Gesellschaft -+erträumen+, »wie er sein muß und soll«. Wenn wir unsere Gedanken über -die künftige Gestaltung spinnen, nehmen wir Material zur Hand. Wir -denken materialistisch. »Der liebe Gott hatte die Welt im Kopfe, bevor -er sie machte, seine Ideen waren souverän und hatten sich nach nichts -Vorhandenem zu richten.« Dieser Aberglaube an die Souveränität der Idee -spukt den Philosophen im Kopfe; er liegt dem Verlangen zugrunde, daß -wir die künftige Welt in all ihren Details erst projektieren sollen, -bevor wir die gegenwärtige angreifen und »zerstören«. Fourier, Cabet -usw. haben diese Verkehrtheit begangen. Wir behandeln die Zukunft -nicht wie spekulative Philosophen, sondern wie praktische Männer, -bauen keine Luftschlösser und machen keine Rechnungen ohne die Wirte. -Es ist kopflos, in ein Geschäft, in ein Unternehmen, in die Welt zu -rennen ohne Projekt; aber noch kopfloser und nur die Art sanguinischer -Phantasten ist es, wenn man die näheren Bestimmungen sich nicht -reserviert. - -Daß die kleine Wirtschaft wenig leistet und der Privatbesitz ~en -gros~ die Arbeiter ausbeutet, ist eine empirische Spezialkenntnis, -welche aus der Erfahrung induziert und nicht aus der philosophischen -blauen Allgemeinheit uns in den Kopf geregnet ist. Daraus folgt als -»praktische Konsequenz« die Forderung des genossenschaftlichen, des -staatlichen oder kommunalen Betriebes. - -Aber der +Arbeitszwang+ -- »die Beschränkung der persönlichen Freiheit -verträgt sich nicht mit dem idealen Staate«. +Der Arbeitszwang ist -ein Naturgesetz+ und ist nur so lange eine Beschränkung unserer -persönlichen Freiheit, als ein Herr Prinzipal vorhanden ist, der die -Früchte unserer Arbeit eigennützig einsackt. Sollte wohl der gut -salarierte Beamte seinen vorschriftsmäßigen Dienst als »Beschränkung -der persönlichen Freiheit« empfinden? - -Dietzgen nimmt nun im vierten Artikel das im zweiten begonnene Thema -wieder auf »Woher kommen wir?«, das Rätsel des Daseins, das Religion -und Philosophie zu lösen sich die Aufgabe gestellt. - -Die religiöse Schöpfungsgeschichte ist der Philosophie zu kindisch; sie -wendet sich deshalb an den menschlichen Geist; aber solange der, vom -religiösen Dunst umnebelt, sich selbst mißversteht, fragt und hantiert -er verkehrt, voraussetzungslos, spekulativ oder in die unbestimmte -Allgemeinheit. - -Die »Voraussetzungslosigkeit« seiner Methode weiß der Philosoph damit -zu begründen, daß er auf die vielen Possen oder Täuschungen der Sinne -hinweist, die uns mannigfach in der Irre herumführen. Folgedessen fragt -er: Was ist Wahrheit und wie kommen wir zur Wahrheit? - -Seine Philosophie sucht nicht, wie alle besonderen Wissenschaften, an -bestimmten grünen und empirischen Wahrheiten, sondern wie die Religion -an einer ganz besonderen Art von Wahrheit, an der absoluten, blauen, -voraussetzungslosen oder übergeschnappten. Was aller Welt wahr ist, was -wir sehen, fühlen, hören, schmecken und riechen, unsere +leibhaftige -Empfindung+, ist ihr nicht wahr genug. Naturerscheinungen sind nur -Erscheinungen oder »Schein«, und davon will sie nichts wissen. - -Weil der Philosoph, vom religiösen Wahne befangen, über die -Naturerscheinung hinaus will, weil er hinter dieser Welt der -Erscheinung noch eine andere Welt der Wahrheit sucht, mittels deren die -erstere erklärt werden soll, darum hat er sich die voraussetzungslose -Methode angeschafft, welche Gedanken ohne bestimmtes Material spinnt -oder, mit anderen Worten, in die unbestimmte Allgemeinheit fragt. -Erst ein +unbefangener+ Grübler, der das Cartesianische Experiment -(»~Cogito, ergo sum~«, ich denke, daher existiere ich) wiederholt, -findet, daß, wenn sich im Kopfe Gedanken und Zweifel umtreiben, es die -+leibliche+ Empfindung ist, welche uns das Dasein des Denkprozesses -versichert.[11] Der Philosoph verdrehte die Sache, er wollte die -+unleibliche+ Existenz des abstrakten Gedankens bewiesen haben; -er vermeinte, die übergeschnappte Wahrheit einer religiösen oder -philosophischen Seele wissenschaftlich beweisen zu können, während in -der Tat er die gemeine Wahrheit der leiblichen Empfindung konstatierte. -Aus der Empfindung des profanen Daseins wollte Cartesius ein höheres -Dasein herleiten. Sein Malheur ist das Generalmalheur der Philosophie, -sie ist idealistisch. - -Idealisten im guten Sinne des Wortes sind alle braven Menschen. Die -Sozialdemokraten erst recht. Unser Ziel ist ein großes Ideal. Die -Idealisten im philosophischen Sinne dagegen behaupten, was alles wir -sehen, hören, fühlen usw., die ganze Welt der Dinge rund um uns sei -nicht vorhanden, es seien Gedankenspäne. Sie behaupten, unser Intellekt -sei die einzige Wahrheit, alles andere sollen »Vorstellungen«, -Phantasmagorien, traumhafte Nebelbilder, Erscheinungen im bösen -Sinne des Wortes sein. Was immer in der äußeren Welt wir wahrnehmen, -behaupten sie, sind keine objektiven Wahrheiten, keine wirklichen -Dinge, sondern ist subjektives Getriebe unseres Intellektes. - -Die Dinge der Welt sind nicht »an sich«, sondern besitzen alle ihre -Beschaffenheiten nur durch den +Zusammenhang+. Im Zusammenhang mit -dem Sonnenlicht und mit unseren Augen sind die Wälder im Sommer grün. -In einem anderen Lichte und unter anderen Augen möchten sie dann blau -oder rot sein. Flüssig ist das Wasser nur im Zusammenhang mit einer -gewissen Temperatur, in der Kälte wird es hart und fest, in der Hitze -unsichtbar; läuft gewöhnlich bergab, und wenn es an einen Zuckerhut -herankommt auch bergauf. Es hat »an sich« keine Eigenschaften, kein -Dasein, sondern erhält dasselbe durch den +Zusammenhang+. Wie dem -Wasser ergeht es allen anderen Dingen. - -Die ganze Wahrheit und Wirklichkeit beruht auf dem Gefühl, auf der -leiblichen Empfindung. Seele und Leib oder Subjekt und Objekt, wie der -alte Witz neuerdings heißt, ist von demselben irdischen, sinnlichen, -empirischen Kaliber. - -Die Wahrheit nicht auf das »Wort Gottes« und nicht auf überkommene -»Prinzipien«, sondern unsere Prinzipien auf die leibliche Empfindung -gründen, das ist die philosophische Pointe der Sozialdemokratie. - -Der liebe Gott formte des Menschen Leib aus einem Lehmklumpen, und -die unsterbliche Seele hauchte er hinein. Seit dieser Zeit besteht -der Dualismus oder die Zweiweltentheorie. Die eine, die leibliche, -materielle Welt, ist Dreck, und eine andere, geistliche oder geistige -Geisterwelt, ist Gotteshauch. Dieses Histörchen wurde von der -Philosophie säkularisiert, das heißt dem Zeitgeist angepaßt. Das -Sichtbare, das Hör- und Fühlbare, die leibliche Wirklichkeit wird immer -noch wie dreckiger Lehm behandelt; dem denkenden Geiste dagegen hängt -man das Reich einer überspannten Wahrheit, Schönheit und Freiheit an. -Wie in der Bibel »die Welt« einen üblen Beigeschmack hat, so auch in -der Philosophie. Unter allen Erscheinungen oder Objekten, welche die -Natur bietet, findet sich nur eines, welches sie ihrer Aufmerksamkeit -würdigt, den Geist nämlich, den alten Gotteshauch; und das nur darum, -weil derselbe ihrem vertrackten Sinne wie ein unnatürliches, wie ein -überweltliches, metaphysisches Ding erscheint. - -Es soll der Odem Gottes als eine Wahrheit demonstriert werden. Zwar ist -der Name in Verruf: von der unsterblichen Seele darf vor aufgeklärten, -liberalen Leuten keine Rede sein. Man tut materialistisch nüchtern, -spricht vom Bewußtsein, Denk- oder Vorstellungsvermögen. Aber daß dies -ein Ding von gemeiner und nicht übergeschnappter Natur ist, darf kein -»Gebildeter« denken, das denken nur sozialistische Volksaufwiegler. -Anderen ist die überschwengliche Natur des menschlichen Geistes ein -ausgemachtes Dogma. - -Wir fühlen in uns das leibhaftige Dasein der denkenden Vernunft, -und ebenso und mit demselben Gefühl empfinden wir außer uns die -Lehmklumpen, die Bäume und Sträucher. Und das, was wir in uns, und das, -was wir außer uns fühlen, liegt nicht weit voneinander. Beides gehört -zur sinnlichen Erscheinung, zum empirischen Material. - -Die sozialdemokratische Gleichheit der Natur, des Leibes und der -Seele ist es, welche den »Philosophen« nicht in den Kopf will. Das -Erfahrungsmäßige nennen wir Wahrheit und machen es allein zum Objekt -der Wissenschaft. - -Seit Kant sich die Kritik der Vernunft zur Spezialität gemacht, -ist konstatiert, daß unsere fünf Sinne allein nicht ausreichen, um -Erfahrungen zu machen, daß der Intellekt dabei sein muß. Und ferner -hat die Kritik der Vernunft dargetan, daß der alte Gotteshauch künftig -nur im Gebiet der materiellen, das heißt erfahrungsmäßigen Welt -funktionieren darf, daß die Vernunft ohne unsere fünf Sinne keinen -Sinn und Verstand hat und also ein Ding ist von demselben gemeinen -Zusammenhang wie andere Dinge. - -Jedoch ist es dem großen Philosophen zu schwer geworden, die -Geschichte vom Lehm +ganz+ zu vergessen, den Geist aus der geistlichen -Nebelkappe ganz zu erlösen, die Wissenschaft total von der Religion -zu emanzipieren. Die »dreckige« Anschauung von der Materie, das »Ding -an sich« hat alle Philosophen mehr oder minder gefangen gehalten im -idealistischen Schwindel, der einzig und allein auf dem Glauben an -die metaphysische Natur des menschlichen Geistes beruht. Abgötterei, -Religion und Philosophie sind drei wenig verschiedene Arten von einer -Sache, welche sich Metaphysik nennt. - -Der Schub, durch welchen Kant die Metaphysik zum Tempel hinausbrachte, -und das Hintertürchen, das er ihr offen ließ, sind bündig in einen -einzigen Satz gefaßt, er lautet: Unsere Erkenntnis beschränkt sich auf -die +Erscheinung+ der Dinge. Was sie +an sich+ sind, können wir nicht -wissen. Gleichwohl müssen auch die Dinge etwas »an sich« sein, denn -sonst würde der ungereimte Widerspruch folgen, daß Erscheinung wäre, -ohne etwas, was erscheint. - -Nicht zu leugnen: wo Erscheinungen sind, da ist auch ein Etwas, was -erscheint. Aber wie wäre es, wenn dies Etwas die Erscheinung selbst -wäre, wenn einfach Erscheinungen erschienen? Es läge doch durchaus -nichts Unlogisches oder Vernunftwidriges vor, wenn überall in der -Natur die Subjekte wie die Prädikate von +derselben Art+ wären. Warum -soll denn das, was erscheint, von einer durchaus anderen Qualität -sein wie die Erscheinung? Warum können die Dinge »für uns« und die -Dinge »an sich«, oder Schein und Wahrheit, nicht von demselben -empirischen Stoffe, von derselben Natur sein? Das Interesse der -Sozialdemokratie fordert, daß sie mit der Weltweisheit dieselbe -Prozedur vornimmt, daß sie die Gesamtgattung der Gedanken in zwei Arten -teilt, in glaubensbedürftige, idealistische Faselei und nüchterne, -materialistische Denkarbeit. - -Wir können mit unserem Intellekt die materielle Welt nur +formell+ -beherrschen. Im Kleinen mögen wir ihre Veränderungen und Bewegungen -nach dem Willen lenken, aber im Großen ist die Substanz der Sache, -die Materie ~en général~ erhaben über alle Geister. Es gelingt der -Wissenschaft, die mechanische Kraft in Wärme, Elektrizität, Licht, -chemische Kraft usw. zu verwandeln, und es mag ihr gelingen, alles -Stoffliche und alles Kräftige, eines in das andere überzuführen -und als verschiedene Formen eines einzigen Wesens darzustellen; -aber doch vermag sie nur die Form zu verwandeln, das Wesen bleibt -ewig, unvergänglich und unzerstörbar. Der Intellekt kann die Wege -der physischen Veränderungen ablauschen, aber es sind +materielle+ -Wege; der stolze Geist kann ihnen nur nachschleichen, sie aber nicht -vorschreiben. Das religiöse Gebot: Du sollst Gott über alles lieben, -das heißt in sozialdemokratischem Deutsch: Du sollst die materielle -Welt, die leibliche Natur oder das sinnliche Dasein lieben und verehren -als den Urgrund der Dinge, als das Sein ohne Anfang und Ende, welches -war, ist und sein wird von Ewigkeit zu Ewigkeit. - -Wie das Verständnis der Ökonomie, so ist auch unser Materialismus eine -wissenschaftliche, eine historische Errungenschaft. Wie wir uns scharf -unterscheiden von den Sozialisten der Vergangenheit, so auch von den -ehemaligen Materialisten. Mit den letzteren haben wir nur gemein, -die Materie als Voraussetzung oder Urgrund der Idee zu erkennen. Die -Materie ist uns die Substanz und der Geist die Akzidenz, die empirische -Erscheinung ist uns die Gattung und der Intellekt eine Art oder Form -derselben, während alle religiösen und philosophischen Idealisten in -der Idee die erste, die ursächliche oder substantielle Kraft erblicken. - -Es ist nicht genug, wie die alten Materialisten tun, alles aus wägbaren -Atomen abzuleiten. Die Materie ist nicht nur schwer, sondern auch -duftig, hell und klingend, warum nicht intelligent? Wenn das Riech-, -Sicht- und Hörbare spiritueller ist als das Tastbare, wenn also der -Komparativ natürlich, warum nicht der Superlativ? Die Schwere läßt sich -nicht sehen, Licht nicht riechen und der Intellekt nicht betasten, -aber empfinden läßt sich alles, was da ist. Den Geist oder unsere -Gedanken fühlen wir doch wohl ebenso physisch wie Schmerzen, Licht, -Wärme oder Steine. Das Vorurteil, daß die Objekte des Tastgefühls -begreiflicher seien als die Erscheinungen des Gehörs oder des Gefühls -überhaupt, verleitete die alten Materialisten zu ihren atomistischen -Spekulationen, verleitete sie, das Tastbare zum Urgrund der Dinge -zu machen. Der Begriff der Materie ist weiter zu fassen. Es gehören -dazu alle Erscheinungen der +Wirklichkeit+, auch unser Begriffs- oder -Erkenntnisvermögen. - -Das Ganze regiert den Teil, die Materie den Geist, wenigstens in der -Hauptsache, wenn auch nebensächlich wiederum die Welt vom Menschengeist -regiert wird. In diesem Sinne also mögen wir die materielle Welt als -höchstes Gut, als erste Ursache lieben und ehren. - -Damit ist denn ganz und gar nicht bestritten, daß unter den Objekten -der Welt wir unserem Intellekt den ersten Rang zuerkennen mögen. - - - - -VII. - -Drei polemische Abhandlungen. - - -Die nun folgenden, einander ergänzenden drei Aufsätze: »Das -Unbegreifliche« (Vorwärts 1877), »Die Grenzen der Erkenntnis« -(Vorwärts 1877), »Unsere Professoren auf den Grenzen der -Erkenntnis« (Vorwärts 1878) sind zwar in polemischer Form gehalten, -lediglich aber Illustrationen der im vorhergehenden niedergelegten -erkenntniskritischen Lehren, insbesondere Beispiele von Metaphysik und -ihrer Abwehr. - -Im ersten Artikel sagt Dietzgen: - -Es ist viel Unbegriffenes vorhanden, wer will es bestreiten? Daß aber -in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts die Gelehrten noch -allen Ernstes von den Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens -sprechen und an das effektive Dasein von wunderbaren Dingen oder -Wundern glauben, die nicht mir oder dir, sondern dem Menschengeschlecht -über den Horizont gehen, das darf ein Ungläubiger wunderbar, -unbegreiflich und unerklärlich finden. - -Die Fähigkeit des menschlichen Intellektes ist so unbegrenzt, daß -sie im Fortschritt der Zeit stets neue Ermittlungen macht, welche -regelmäßig alle vergangene Gelehrsamkeit im Lichte der Stümperei -erscheinen lassen. - -Bekanntlich ist der Intellekt ein Organ, mit dem wir wahrnehmen. Von -den anderen Wahrnehmungsorganen, von Augen, Ohren usw., unterscheidet -er sich als der +wesentlichste+ Faktor. Ohne Augen läßt sich noch -hören, schmecken und riechen, aber ohne Bewußtsein, ohne Spiritus im -Kopfe ist die Welt zu Ende. Ein Bewußtsein jedoch, das keine Sinne -hätte, würde auch nichts wissen. Also gehört eins zum anderen. Der -Intellekt mag Hauptmann sein, aber er ist das nur in Verbindung mit den -Gemeinen, mit unseren fünf Sinnen und den Dingen der Welt. - -Allerdings gibt es Unverständliches, Unbegreifliches, es gibt Grenzen -unseres Erkenntnisvermögens, aber nur in dem hausbackenen Sinne, wie -es Unsichtbares und Unhörbares, wie es Grenzen für Auge und Ohr gibt. -Jedes Ding hat seine natürliche Grenze, so auch der Intellekt. Wenn das -Auge keine Musiktöne, keine Wohlgerüche oder die Schwere der Körper -nicht zu sehen vermag, so ist das eine verständige Grenze des Auges, -aber keine Grenze in dem unverständigen Sinne der Metaphysik, welche -mit dem Namen Grenze oder Schranke einen +Mangel+ ausdrückt. Mangelhaft -ist das Exemplar einer Sache im Verhältnis zu anderen Exemplaren -derselben Gattung; aber generaliter sind die Dinge vollkommen. Ein -vollkommeneres Holz, wie das Holz im +allgemeinen+ auf der Erde ist, -kann auch in der Metaphysik nicht wachsen. - -Um dem gruseligen Gerede vom Unbegreiflichen, von den »Grenzen unseres -Naturerkennens« ein Ende zu machen, sollen wir uns klar werden über -die Frage: Was heißt erkennen, erklären, begreifen? Ich wiederhole: -eine überspannte Idee vom Intellekt, unverständige Anforderungen an -unser Begriffsvermögen, also erkenntnistheoretische Unwissenheit ist -der Grund alles Aberglaubens, aller religiösen und philosophischen -Metaphysik. - -Genau so wie der Bauer das Prinzip der Mechanik, genau so mißversteht -unsere Professoralweisheit das Prinzip der Intelligenz. Alles -Erkennen, Begreifen oder Erklären ist ein nur ganz formelles Tun. -Die Erscheinungen der Welt und des Lebens sind erkannt oder erklärt, -wenn wir sie +einteilen+ in Klassen, Gattungen, Familien, Arten usw. -und also das, was zueinander gehört und nacheinander folgt, in ein -formelles wissenschaftliches Schema bringen. - -All unsere Vernunft, unser ganzes Erkennen oder Erklären kann nicht -mehr und darf nicht mehr wollen. Wer vom Intellekt mehr verlangt, -gleicht dem unwissenden Mechanikus, der das ~Perpetuum mobile~ sucht. - -Im zweiten Artikel entscheidet Dietzgen die noch heute sehr vielen -hervorragenden Führern des Sozialismus unklare Sache, ob sich die -Sozialdemokratie um den Streit »Metaphysik oder keine?« überhaupt zu -kümmern brauche.[12] - -Dietzgen sagt: - -Allerdings gibt es viele wissenschaftliche Disziplinen, die das -sozialistische Streben nach Befreiung der geknechteten Menschheit -weniger tangieren. Aber die philosophische Frage, die Frage, ob etwas -Metaphysisches, »etwas Höheres« hinter oder über der Welt haust, -welches zu begreifen für unseren Intellekt zu monströs, das zu erklären -den menschlichen Verstand übersteigt, also die Spezialfrage der -Philosophie nach den »+Grenzen der Erkenntnis+«, berührt ganz fühlbar -die Knechtschaft des Volkes. - -Die Sozialdemokratie erstrebt keine ewigen Gesetze, keine bleibenden -Einrichtungen oder festgeronnenen Formen, sondern im allgemeinen -das Heil des Menschengeschlechts. +Geistige Erleuchtung ist das -unentbehrliche Mittel dazu.+ Ob das Erkenntnisinstrument ein -begrenztes, das heißt ein untergeordnetes, ob die wissenschaftlichen -Erforschungen wahre Begriffe, Wahrheit in höchster Form und letzter -Instanz liefern, oder ob nur armselige »Surrogate«, welche +das -Unbegreifliche+ über sich haben -- die +Erkenntnistheorie+ also ist -eine eminent sozialistische Angelegenheit. - -Alle Herrschaften, welche die Völker ausgebeutet haben, stützten sich -bis heute auf eine höhere Mission, auf eine Abstammung von Gottes -Gnade, auf heilige Salben und metaphysischen Weihrauch. Und wenn -sie auch die Aufklärung, die religiöse Freiheit, den politischen -Fortschritt und die kritische Philosophie im Munde führten, so wußten -sie doch sehr wohl, daß ohne »etwas Höheres«, etwas Unbegreifliches, -ohne etwas Metaphysisches, und wäre es auch nur eine »sittliche -Weltordnung«, die Zügel nicht mehr haltbar sind, welche das Volk in -Rand und Band und die Herrschaften in Besitz und Würde erhalten. - -Nicht als wenn die Sozialdemokratie die Gegnerin der sittlichen -Weltordnung wäre. Auch wir wollen die Welt sittlich ordnen; aber -wir wollen die Ordnung nicht von oben, sondern von unten haben, das -heißt, wir wollen sie selbst machen. Wer mit dem sozialdemokratischen -Programm die Befreiung der arbeitenden Klasse durch die Arbeiter selbst -erstrebt, der muß das närrische Harren und Hoffen, das philosophische -Spintisieren und Forschen, insofern es auf eine +andere Welt+ gerichtet -ist, gründlich ablegen. - -Und zum Thema des »Unbegreiflichen« oder der »Grenze der Erkenntnis« -zurückkehrend, sagt Dietzgen: - -Der Welt ist wohlbekannt, daß nicht nur der Geist, das Bewußtsein -oder die Empfindung, sondern +alle Dinge+ »im letzten Grunde« -unbegreiflich sind. »Wir sind nicht imstande, die Atome zu begreifen, -und wir vermögen nicht, aus den Atomen und ihrer Bewegung auch nur -die geringste Erscheinung des Bewußtseins zu erklären,« sagt Lange in -seiner »Geschichte des Materialismus«, oder ein anderer: »das Wesen -der Materie ist schlechthin unbegreiflich«. Dies Kausalitätsbedürfnis -nennt sich mit anderem Namen auch »Trieb des Forschens«, der, unbändig, -es nicht unterlassen kann, auch dem »Unbegreiflichen« an den Federn zu -rupfen. - -Dagegen behaupten wir, was sich möglicherweise begreifen läßt, ist -nicht unbegreiflich. Wer das Unbegreifliche begreifen will, treibt -Eulenspiegelei. Wie mit dem Auge nur das Sichtbare, mit dem Ohr nur -das Hörbare, so kann ich mit dem Begriffsvermögen nur das Begreifliche -greifen. Und wenn auch die sozialdemokratische Philosophie lehrt, daß -alles, was da ist, +vollkommen+ zu begreifen ist, so soll doch auch das -Unbegreifliche nicht geleugnet sein. Das sei anerkannt. - -Die sozialdemokratische Philosophie ist mit der »zünftigen« -einverstanden: »das Sein läßt sich auf keine Weise im Denken auflösen«, -auch kein Teil des Seins. Aber wir erkennen es auch nicht als Aufgabe -des Denkens, das Sein aufzulösen, sondern nur formell zu ordnen, -die Klassen, Regeln und Gesetze zu ermitteln, kurz das zu tun, was -man »Naturerkennen« nennt. Alles ist begreiflich, insofern es zu -klassifizieren ist, alles ist unbegreiflich, insofern es sich nicht in -Gedanken auflösen läßt. Dies können, sollen und wollen wir nicht, und -bleiben ihm darum fern. Wohl aber können wir das Umgekehrte: das Denken -in Sein auflösen, das heißt, das Denkvermögen als eine von den vielen -Arten des Daseins klassifizieren. - -Der rationelle Forschungstrieb will das Dasein regeln, die +Gesetze -des Daseins+ ermitteln. Wo er über das Dasein hinaus soll, soll er -über seine und über alle Natur hinaus. In dieser Zumutung besteht -Überschwenglichkeit, die sie von der Religion geerbt hat. Philosophie -und Religion verkennen die »letzten Gründe« aller Begreiflichkeit: -nämlich die Empirie oder Tatsache. Auf sinnliche Tatsachen und -Erfahrungen sollen sich wesentlich die Gedanken gründen. Wer umgekehrt -auf den Geist oder die Logik Tatsachen gründen will, darf das nur -+formell+ verstehen. Der letzte Grund, warum der Stein fällt oder die -Wärme sich ausdehnt, ist die Tatsache, und das Gesetz der Schwere und -das Gesetz der Wärme sind Abstraktionen, sind +formelle+ Gründe. Nicht -nur läßt sich das Sein nicht im Denken auflösen, sondern es versteht -sich klar, daß das philosophische Begehren nach solcher Auflösung eine -idealistische Überspannnug ist. - -Das nämliche Thema wird im dritten Aufsatz, in einer Polemik gegen -die Professoren v. Nägeli und Du Bois-Reymond, behandelt. Letzterer -hatte einen anregenden Vortrag über das Naturerkennen und »die letzten -Gründe« mit den Worten geschlossen: »~ignoramus et ignorabimus~« (wir -wissen nicht und werden nicht wissen), während ersterer das Nichtwissen -oder Nichterkennen für ganze Gebiete des Naturlebens voraussetzt: »Über -die Beschaffenheit, die Zusammensetzung, die Geschichte eines Fixsterns -letzter Größe, über das organische Leben auf seinen dunklen Trabanten, -über die stofflichen und geistigen Bewegungen in diesen Organismen -werden wir nie etwas wissen.« - -Dietzgen erwidert hierauf: - -Jawohl, die Natur ist dem menschlichen Geiste überlegen, sie ist sein -unerschöpfliches Objekt. Aber unser Forschungsvermögen ist nur insoweit -beschränkt, als sein Objekt, die Natur, unbeschränkt ist. Wir können -an kein Ende kommen, weil kein Ende vorhanden. Wo aber ein Ende ist, -da kommen wir möglicherweise hin. Kein Professor kann wissen, wie -vieles von den Fixsternen und ihren Trabanten wir und unsere Nachkommen -noch ausforschen, wie unendlich tief wir in die Vergangenheit, in die -Zukunft und in die kleinsten Teilchen hineindringen. - -Das Forschen kommt an kein Ende, weder objektiv noch subjektiv, -das heißt, die Unendlichkeit der Welt läßt es nicht zu und die -Unendlichkeit des Intellekts auch nicht. Daß aber doch wieder -der Intellekt nur ein beschränkter Teil der Welt ist, wird der -sozialdemokratische Materialist nie leugnen. Nur wollen wir aus dem -Dualismus heraus. Nur eine, nur eine einzige Welt erkennen wir an, -»wovon uns die sinnlichen Wahrnehmungen Kunde geben«. Wir halten -dafür, daß wo wir nichts sehen und hören, nichts fühlen, schmecken und -riechen, da auch nichts wissen können. - -Ich will hier nochmals positiv auf die Beschränktheit der menschlichen -Erkenntnis zurückkommen. Wir können mit diesem Vermögen +nur erkennen+; -singen und springen und hundert andere Dinge können wir damit nicht; -insofern ist die Vernunft beschränkt. In ihrem Element aber, im -Erkennen ist sie unbeschränkt, und so unbeschränkt, daß sie mit ihrer -Arbeit nie ans Ende kommt. Alles Erkennbare steht ihr offen. Das -Unerkennbare, das den Sinnen absolut Unerreichbare ist für uns nicht -vorhanden, und ist auch insofern »an sich« nicht vorhanden, als wir -ohne Phantasterei nicht einmal davon reden können. - -Wer das »geistige Bedürfnis« hat, etwas von Erscheinungen zu erfahren, -»die uns verborgen bleiben«, uns unserer Natur nach verborgen bleiben -müssen, der hat kein geistiges, sondern ein mystisches Bedürfnis. Die -elektrischen Erscheinungen sind nicht zufälliger gefunden worden wie -der Tabak. Und es ist ein starker Tabak für einen Naturforscher, von -Erscheinungen zu sprechen, die niemand wahrgenommen hat und niemand -wahrnehmen wird. Es +ist möglich+, daß Mephisto in Gestalt einer -unsichtbaren Fledermaus mich umschwirrt; was ich aber nicht weiß, macht -mich nicht heiß, und sollte auch die Naturforscher nicht heiß machen. - - - - -VIII. - -Briefe über Logik. - - -Die »Briefe über Logik« -- »Speziell demokratisch-proletarische -Logik«, Teil I 1883 bis 1884, Teil II 1884 -- sind ein ganz besonders -eigenartiges Erzeugnis, kein Lehrgebäude der Logik im Routinestil, -sondern eine, zum Teil (namentlich in den ersten Briefen) mit etwas -persönlichem Einschlag versehene, Denklehre, die sich an des Autors im -»Wesen der menschlichen Kopfarbeit« niedergelegte Erkenntnistheorie -anschließt und sie ergänzt, wie bei Dietzgen jede spätere Schrift die -früheren in etwas erweitert. - -Dietzgens Logik hat demnach ganz und gar einen erkenntnistheoretischen -Charakter. Und, richtig eingeschätzt, ist der erste, aus 24 Stücken -bestehende Teil, der in diesem achten Abschnitt behandelt wird, eine -philosophische Epopöe des Universalzusammenhangs, ein Heldenplädoyer -des wahren Monismus, das der modernen Weltanschauung eine festere -Grundlage schafft als irgendein anderes der zahlreichen, sonst -trefflichen Bücher aus diesem Gebiete, obwohl Dietzgens Briefe nicht -eigentlich nach einem systematischen Plan angelegt sind. - -Dietzgens Vorzug vor allen anderen philosophischen und vor den -naturwissenschaftlichen Lehrern des Monismus besteht in seiner -eindringlichen Darlegung des organischen Zusammenhangs des Geistes, des -Intellekts, mit dem All, dem Gesamtdasein. - -Aus diesem Grunde betrachte ich den ersten Teil seiner »Logischen -Briefe« als die nächst dem »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« -wichtigste seiner Schriften. - -Diese Serie von 24 und 18 Artikeln sollte zwar in erster Linie der -Unterweisung des »auf die Hochschule des Lebens« nach Amerika -gesandten Sohnes dienen, war aber gleichwohl auch für gelegentlichen -Druck verfaßt. - -Die Definition, Zweck- und Grenzbestimmung der Logik sind bei den -Philosophen verschieden; Dietzgens Logik hat, hiervon abgesehen, -einen sehr bestimmt ausgeprägten Sondercharakter als »speziell -demokratisch-proletarische Logik«. - -Was mit dieser Bezeichnung gesagt sein soll, erläutert Dietzgen im -ersten Brief: - -Der Gedanke, auf den sich die proletarischen Forderungen stützen, der -Gedanke von der Gleichheit alles dessen, was ein Menschenantlitz trägt, -dieser, wenn ich so sagen darf, letzte proletarische Gedanke findet -seine volle Begründung durch eine letzte Einsicht in die bis dato sehr -verworrenen Probleme der Logik. Schließlich verdient die Logik auch -schon deshalb den proletarischen Beinamen, weil ihr Verständnis die -Überwindung aller Vorurteile fordert, welche die Bourgeoiswelt im Leime -halten. - -Im zweiten Briefe wird gesagt, was die Logik ist und was sie will: - -Die Logik will den Menschengeist über dessen eigenes Tun und -Treiben unterrichten, sie will unseren inneren Kopf zurechtsetzen. -Forschungsobjekt der Logik ist der Gedanke, die Natur des Gedankens und -die rechte Ordnung desselben. - -Der Menschenschädel besorgt das Denken so unwillkürlich wie die Brust -das Atmen. Mit dem Willen jedoch können wir das Atmen eine Zeitlang -anhalten, können nach Belieben es schneller und langsamer gehen machen. -So kann auch der Wille die Gedanken regieren; wir können irgendein -beliebiges Objekt zum Gegenstand unseres Denkens nehmen und sind -dennoch bald zu überzeugen, daß die Macht des Willens und die Freiheit -des Geistes nicht weit her sind, nicht weiter reichen wie die Freiheit -der Brust. - -Wenn also die Logik uns den Kopf zurechtsetzen will, so muß sie sich -doch sagen lassen, daß er von Natur schon zurechtsitzt. - -Es ist mit ihr wie mit anderen Wissenschaften: sie schöpfen die -Weisheit aus der geheimnisvollen Quelle platter Erfahrung. Die -Agrikultur zum Beispiel will den Landmann lehren, wie er den Acker -bauen soll; aber die Äcker wurden doch schon bebaut, ehe noch -irgendeine landwirtschaftliche Akademie ihre Vorlesungen eröffnet -hatte. So verstehen auch die Menschen das Denken, ohne je etwas von der -Logik gehört zu haben. Durch den Gebrauch jedoch vergrößern sie das -angeborene Denktalent, sie machen Fortschritte, lernen es mit der Zeit -immer mehr benutzen, und wie nun der Landmann zu einer Wissenschaft der -Agrikultur, so kommt der Denker zur Logik, zum klaren Bewußtsein über -sein Denktalent und zur kunstmäßigen Verwendung desselben. - -Erstaunlich ist es, daß ein so naheliegendes Objekt nicht längst -allgemein erkannt wurde, und daß darüber nach Studien, die Jahrtausende -andauerten, noch viel zu lehren und zu erklären blieb. Aber Du weißt -auch, daß, wie oft das Kleine groß und das Große klein, so oft das -Nächste verborgen und das Verborgene zunächst ist. - -Im letzten Dietzgenschen Satz werden wir an eine der Hauptlehren -unseres Autors erinnert, uns vor allem Überschwang zu hüten, da im -Weltprozeß, im Universalzusammenhang das Höchste und Erhabenste ein -Element des Allgemeinen und aus dessen Bestandteilen sich zusammensetzt. - -Dies wird im dritten Brief wie folgt erörtert: - -Eine hohe Macht über das Gemüt hat nicht nur die Harmonie der Töne, -auch die Harmonie der Farben, jede Kunst und jede Wissenschaft hat -dieselbe Gewalt. Ja, das schlichteste Handwerk und das Prosaischste -aller Prosa, die Jagd nach Gut und Geld, kann den Menschen hinreißen, -seine ganze Seele in den einen Abgott aufgehen zu lassen. Allerdings -ist nicht zu bestreiten, daß Künstler, Erfinder und Forscher den -würdigsten und hinreißendsten Gegenstand anbeten. Auch sei anerkannt, -daß ohne den Einsatz unserer ganzen Seele für ein einzelnes keine -großen Erfolge zu erreichen sind. - -Dennoch sollst Du wissen, daß der Gegenstand, der eine Menschenseele so -beherrscht, seine Hoheit und Erhabenheit mit allen Gegenständen teilt, -und also zugleich immer auch ein +gemeiner+ Gegenstand ist. Ohne solche -dialektische Läuterung des Bewußtseins ist alle Anbetung Fetischdienst. - -Die tatsächliche Erfahrung also, daß man alles und jedes zu einem -Fetisch machen kann, muß Dich klärlichst überzeugen, daß kein -einzelnes, sondern nur das All wahrer Gott oder die Wahrheit und das -Leben ist. - -Ist das nun Logik oder Theologie? - -Beides zugleich. Wenn Du näher zusiehst, wirst Du erkennen, daß alle -großen Logiker sich vielfach mit Göttern und Gottheit befassen, und -umgekehrt alle ehrbaren Theologen ihre Sache auf logische Ordnung -gründen wollen. Die Logik ist ihrer ganzen Natur nach +metaphysisch+. - -(Unter »metaphysisch« versteht Dietzgen hier: ausdehnbar ins -Unendliche, wie aus dem Schluß dieses Briefes hervorgeht:) - -Den Unterschied zwischen der metaphysischen Logik einerseits, welche -ihre Sache bis auf die Unendlichkeit ausdehnt, welche die logische -Ordnung bis in den Himmel hinein, bis auf »die letzten Fragen -alles Wissens« zu ermitteln sucht, und zwischen der formalen Logik -andererseits, welche sich ein begrenztes Gebiet setzt und sich mit der -Forschung nach der logischen Ordnung in der physischen Welt begnügt --- diesen Unterschied möchte ich Deiner besonderen Aufmerksamkeit -empfehlen. - -Nach dieser Grenzbestimmung der formalen Logik erörtert Dietzgen im -vierten Brief ihren Hauptzweck: - -Die große Volkssache war bisher überall das Lasttier einer kleinen -vornehmeren Minorität ... Du erkennst doch an, wie die Entlastung, -die Freiheit der Völker von tierischer Arbeit, von Elend und Not -das Höchste ist, was der Menschengeist erstrebt. Du wirst auch -nicht verkennen, daß der Gedanke das wichtigste Instrument zur -Erreichung dieses hohen Zieles ist. Die Denkleistungen treten in den -Kulturergebnissen klar zutage. Das intellektuelle Getriebe stellt sich -mächtiger und prächtiger durch das Räderwerk der Kulturgeschichte als -durch irgendein Gedankenwerk ~en miniature~ dar. - -Wir wollen hier einfach die Tatsache des organischen Zusammenhanges von -Denken und Sein, von Natur und Geist konstatieren. Die Tatsache des -Weltzusammenhanges widerspricht dem ungeschulten Vorurteil. Letzteres -trägt sich mit der Vorstellung, daß die Erde, der Baum darauf und -über ihnen die Wolke und Sonne, daß alles separate Gegenstände seien. -Daß aber eines am anderen hängt, Erde, Baum, Wolken und Sonne nur im -Zusammenhang, nur im Gesamtweltzusammenhang sein können, was sie sind, -bedarf schon einer geschulten Denkweise. - -Da ist ein Wassertröpfchen. Sieh, wie verschieden es ist, je nachdem -es mit Verschiedenem zusammenhängt. Was es ist, kann es nicht sein -ohne eine gewisse Temperatur. Je nach Veränderung derselben würde es -Eis- oder Dampfform annehmen; im Fett verbleibt das Tröpfchen kompakt, -es verteilt sich im Salz unendlich, läuft gewöhnlich bergab und am -Zuckerhut bergan. Je nach der spezifischen Schwere einer Flüssigkeit, -mit der es in Kontakt kommt, schwimmt es oben oder sinkt unter. Ohne -Zusammenhang mit der Erde, ihrer Temperatur und Schwerkraft, würden der -und die Tropfen im Bodenlosen verschwinden und kein Dasein haben. Also -ändern sich die Formen der Dinge, je nach ihrem Zusammenhang, und sie -sind, was sie sind, nur als Teile des Gesamtdaseins. - -Was vom Wassertröpfchen, gilt von allen Dingen, allen Kräften und -Materien und auch von unserem Gedanken. Der Menschengeist lebt und -webt nur im Zusammenhang mit der anderweitigen materiellen Welt -- und -es bildet die Anerkennung der organischen Einheit alles Daseins den -Angelpunkt meiner Logik. - -Der Gedanke, der Intellekt, ist leibhaftig vorhanden, er existiert, und -sein Dasein hängt als ein Teil des Gesamtdaseins mit der ganzen Welt -einheitlich zusammen. -- Das ist der Kardinalpunkt der nüchternen Logik. - -Die Tatsache, daß die Gedanken mit den anderen Teilen der Welt von -demselben weltlichen Stoff, daß sie Stücke der gemeinen Natur und keine -überschwengliche Essenz sind, hat schon Cartesius mit den berühmten -Worten ausgesprochen: »~Cogito, ergo sum.~« - -Wohl verlegt die formale Logik den Geist in viele Teile -- da gibt es -Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Schlüsse; und teilt die Abteilungen -wieder in Unterabteilungen, die Vorstellungen in verschiedene Arten, -die Begriffe in konkrete und abstrakte, benennt die Urteile sehr -mannigfaltig und verzeichnet drei, vier oder mehr Schlußfiguren -- -aber wie sich der gesamte Geist zur Welt verhält, wie er mit dem -Gesamtdasein zusammenhängt, ob er ein Teil davon oder ob er von -überschwenglicher Herkunft -- das will sie unerörtert lassen, und das -gerade ist der interessanteste Teil, der Teil, welcher den Intellekt -und die Lehre vom Intellekt mit allen anderen Lehren und Dingen in -logischen Zusammenhang bringt. - -Bis hierher hat unser Autor, der dartun wollte, daß der Intellekt mit -der Volksentwicklung zusammenhängt, nur den organischen Zusammenhang -des Geistes mit dem Gesamtdasein konstatiert. - -Er setzt daher letzteres Thema auch im fünften Briefe fort: - -Die Zusammenfassung der Tiere vom kleinsten bis größten in +ein+ -Reich erschien vor Darwin als eine Ordnung, welche der Gedanke allein -vollzogen, als Gedankenordnung, während sie nunmehr als Naturordnung -dargelegt ist. - -Was der Zoologe dem Tierreich angetan, muß der Logiker dem Dasein -überhaupt, dem unendlichen Kosmos antun; er muß nachweisen, daß die -ganze Welt, daß alle Formen des Daseins, den Geist eingerechnet, -logisch oder einartig verbunden, verwandt, verschweißt sind. - -Ein gewisser bornierter Materialismus glaubt, alles sei getan, wenn -er den Zusammenhang zwischen Denken und Hirn konstatierte. Gewiß -hängt der Gedanke mit dem Hirn zusammen, so innig wie das Hirn mit dem -Blute, wie das Blut mit dem Sauerstoff usw.; aber der Gedanke hängt -auch überhaupt mit allem Dasein so innig zusammen, wie die ganze Physik -zusammenhängt. - -Daß der Apfel nicht nur mit dem Stiel am Baume hängt, sondern auch -an Sonnenschein und Regen, daß die Dinge nicht einseitig, sondern -allseitig verbunden sind, das soll die Logik Dich speziell vom Geiste, -vom Gedanken lehren. - -Im Anschluß an diese seine Lehre von der Weltnatur des Gedankens -erörtert Dietzgen nun die Frage vom +Verhältnis des Gedankens zur -Wirklichkeit+: - -Die alte Logik hat eine Medaille prägen lassen mit der Vorschrift: Der -Gedanke soll mit der Wirklichkeit übereinstimmen. - -Wir schreiben jetzt auf die Rückseite: 1. der Gedanke ist selbst ein -Stück der Wirklichkeit und 2. die Wirklichkeit ist außerhalb des -Gedankens zu voluminös und kann auch mit dem kleinsten Stückchen nicht -hinein. - -Gewiß, wie ein Konterfei, so soll auch der Gedanke mit seinem Objekt -übereinstimmen. Aber was soll einem Maler diese besondere Einschärfung -seiner Aufgabe nutzen? - -Hast Du je ein Porträt oder eine Kopie gesehen, die nicht in -etwas mit dem Original übereinstimmte? Ich bin überzeugt, das ist -Dir ebensowenig vorgekommen wie ein Bild, das seinem Gegenstand -+vollkommen+ ähnlich war. Über das relative Wesen aller Gleichheit, -Ähnlichkeit und Übereinstimmung ernstlich nachzudenken, möchte ich Dir -besonders empfehlen. Der weitaus größte Teil der Menschenwelt ist in -diesem Punkte barbarisch gedankenlos. Daß zwei Tröpfchen Wasser nur -mehr oder weniger ähnlich und unähnlich sind, daß das ganze Dasein -ebenso übereinstimmend wie different ist, will schwer in den logisch -ungeschulten Kopf hinein. - -Dem Denker ergeht es wie dem Maler: sie suchen beide ein Konterfei der -Wirklichkeit und Wahrheit. - -Die Wirklichkeit, die Wahrheit, die Gesamtnatur steht auf der Kanzel -und predigt: »Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst dir kein -geschnitztes Bild machen, dasselbe anzubeten.« Du sollst also von der -Wahrheit viel zu erhaben denken, als daß Du glauben dürftest, sie -könne vom Maler oder Denker in ein, wenn auch noch so gut getroffenes -Konterfei gesteckt werden. - -Der Geist, das Denkvermögen hängt also -- fährt Dietzgen im sechsten -Briefe fort -- mit dem Gesamtdasein der Welt zusammen, ist ein -unabtrennbarer Teil des Universums, der wirklichen Wahrheit. - -Das Christentum lehrt: Gott ist ein Geist, und wer ihn anbeten will, -muß ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten. - -Und unsere Logik lehrt: der Geist ist ein Stück des Gesamtdaseins; -wer den Geist vergöttert, ist ein Götzendiener, denn er betet +ein -Stück+ an und verkennt die ganze Wahrheit. Die Wahrheit selbst ist -identisch mit dem Gesamtdasein, mit der Welt, wovon alle Dinge nur -Formen, Erscheinungen, Prädikate, Attribute oder Vergänglichkeiten -sind. -- Und ob Du auch an Weisheit zunähmst bis an das Ende Deiner -Tage, so ist doch der Born der Weisheit, der Kosmos, unerschöpflich. -Ja, so unerschöpflich ist auch das kleinste Weltteilchen, daß der -Genialste nicht imstande ist, die Kenntnisse zu fassen, welche im -winzigsten Objekt stecken. Mit dem größten Mikroskop kann man keinem -Wassertröpfchen ans Ende sehen, und der weiseste der Menschen ist nicht -einmal fähig, die Schusterei auszulernen. - -Daraus ersiehst Du, wie durch vermehrte Spezialkenntnisse der -kunstgerechte Gebrauch unseres Intellektes nur in den betreffenden -Details gefördert wird. Deshalb kann es auch nicht befriedigen, wenn -gewisse Logiker uns lehren, wie viele Arten von Begriffen, Urteilen und -Schlüssen im Intellekt stecken. Es sind das logische Spezialkenntnisse. -Zunächst aber handelt es sich für den Studiosus der Logik nicht sowohl -um Ansammlung wahrer Begriffe, als vielmehr darum, den Generalbegriff -der Wahrheit erhellt zu sehen. - -Vielleicht findest Du Anstoß daran, daß eine Wissenschaft, welche das -Begriffsvermögen zum Gegenstand hat, von dieser Sache abweicht und -andere Dinge, wie das Dasein oder die Wahrheit, heranzieht. Doch würde -eine Logik, die sich auf die Analyse des Denkvermögens beschränkt, -gegenüber derjenigen, die das Denkvermögen in seiner lebendigen Arbeit -darstellt, eine beschränkte Logik sein. Wenn die Augenkunde nur die -verschiedenen Teile des Auges behandelte, dagegen von der Funktion -und den äußeren Dingen, die damit zusammenhängen, von dem Lichte und -den Gegenständen, kurzum, vom Gesicht des Auges absehen wollte, wäre -sie wohl mehr Augenanatomie als Augenkunde. Jedenfalls bietet eine -Lehre, welche das Auge in seiner lebendigen Tätigkeit, nicht nur -das subjektive Gesichtsvermögen, sondern auch das davon untrennbare -objektive Gesichtsvermögen darstellt, eine umfassendere Belehrung, eine -höhere Erhellung des Menschenkopfes. - -Was kann eine Logik viel helfen, welche die Gedanken einteilt -in analytische und synthetische, von induktiven und deduktiven -Erkenntnissen und noch zehn anderen Arten spricht und dann die Frage -ablehnt, wie sich der Gedanke und die Erkenntnis zur Wahrheit verhält, -und wie wir dazu gelangen. - -Hat sich doch bis heute die gesamte Weltweisheit um die Frage gedreht, -wie unser Kopf zu erhellen ist, wie er der Wahrheit beikommen kann. - -Diese Welt, die wir hören, sehen und riechen, in der wir leben und -atmen, ist die Welt der Wahrheit oder die wahre Welt. - -Aber auch mitten in dieser wahren Welt steckt eine ganz vertrackte -Geschichte, eine Menschenrasse mit verdrehter Logik. Die hat sich von -einzelnen mißmutigen, hypochondrischen Momenten verleiten lassen, die -köstliche Wahrheit dieser Welt anzuschwärzen und überschwenglicherweise -die Wahrheit »transzendent« zu suchen, in der philosophischen -Metaphysik oder religiösen Phantastik, was beides in einen Topf gehört. -Aller Streit dreht sich um Seins+formen+. Das Dasein selbst aber bleibt -unbestreitbare Wahrheit. - -Sofern ich Dich bisher überzeugte, daß das Weltall die Wahrheit ist, -bleibt jetzt besonders noch die Frage: wo denn Phantasmen, Irrtum -und Unwahrheit Platz finden. Wenn das All die Wahrheit, dann wäre ja -alles wahr, und scheint es durchaus widerspruchvoll, daß Irrtum und -Unwahrheit in der Wahrheit oder Welt Raum finden könnten. Ich will nur -flüchtig andeuten, wie ohne allen Widerspruch das Unkraut zum Kraute -gehört. - -Das Thema, mit dem der sechste Brief eröffnet wird -- der Zusammenhang -des Geistes mit dem Gesamtdasein der Welt -- wird von einem anderen -Gesichtspunkt aus auch im siebten Briefe behandelt, dem des »Ursprungs -der Sprache«. - -Die Sprache ist kein fertig fixes Ding, sondern ein flüssiges, welches -aus rohen Anfängen sich zu einer erhabenen Höhe emporgeschwungen. So -wenig wir vorwärts an ihr vollendetes Ende sehen können, läßt sich -rückwärts der Punkt finden, wo sie ihren Anfang genommen. Darum sucht -man nicht mehr den zeitlichen Ursprung, sondern den +begrifflichen+. -Man möchte eine feste Marke haben, wo man sagen könnte, so weit heißt -das Sprachähnliche nur Gegröle, Geschrei, Getöne, und hier beginnt der -wohlartikulierte Laut, der den Namen »gesprochenes Wort« verdient. - -Nun besteht ein anderes Moment, welches die Sache noch mehr verwirrt; -da heißt es: die Sprache setzt Verstand voraus. - -Und dann wieder ist auch der Intellekt kein fixes Ding, sondern ein -flüssiges Werden, das sich erst an, aus und mittels der Sprache -entwickelt. So will es einerseits scheinen, als ob der Geist die -Sprache erzeuge, und andererseits, als ob umgekehrt die Sprache den -Geist, den Verstand erzeuge. Wo ist da nun Anfang und Ende, und wie -Ordnung im Zusammenhang zu finden? - -Für uns hier geht aus der Sache hervor, daß nicht nur das Wort, daß -auch die Laute, Töne und Gesten, ja alle Dinge einen Sinn haben -und eine Sprache sprechen. Nicht nur die Sprache, sondern die Welt -hängt mit dem Geiste, mit dem Gedanken zusammen. Wohl aber ist -der Sprachzusammenhang ganz geeignet, uns an einem Beispiel den -Gedankenzusammenhang der Welt zu zeigen. - -Die Einheit alles Seins ist unzweifelhaft klar durch die Tatsache -erwiesen, daß ein Name ausreicht, um das All zu benennen. Die Sprache -bedarf wohl +eines+ Namens für das All; bedarf aber auch unendlich -vieler Namen, um das All zu spezifizieren. Die Sprache oder vielmehr -der mit der Sprache zusammenhängende Geist will mittels der Sprache -das Unbegrenzte begrenzen. Der instinktive Sprachgebrauch tut es mehr -oder minder; die bewußte Wissenschaft verfährt in exakter Weise. Und -so erklärt denn die Moral der Geschichte, daß die Dinge der Welt, auch -Geist und Sprache, zusammenhängende und ineinander verfließende Wellen -eines Stromes sind, der weder Anfang noch Ende hat. - -Die Logik, die ich lehre, und der Gedanke, der ihr Objekt ist, sind -Teile der Welt, der unendlichen, und ist jeder Teil als ein Stück des -Unendlichen auch ein unendliches Stück. Jedes Stück hat teil an der -unendlichen Natur des Ganzen. - -Ich möchte nur verständlich machen, wie ohne Widerspruch die ganze -Mannigfaltigkeit des Daseins von einer Natur ist, und wie diese -Ein-Natur sich in mannigfaltige Formen zerteilt. Die Welt hängt -zusammen, und der Zusammenhang ist in Abteilungen getrennt. - -Befassen wir uns zunächst mit dem Zusammenhang unseres Intellekts. -Denn die abstraktesten Unterschiede, wie Anfang und Ende, Wort und -Sinn, Leib und Seele, Mensch und Tier, Kraft und Stoff, Wahrheit und -Irrtum usw., setzen zu ihrer Aufklärung logische Aufklärung über den -Zusammenhang unseres Intellekts voraus. - -Diese erfolgt im achten Brief: - -Die formalen Logiker sind ebenso einfältig wie schelmisch, wenn sie -nur noch in hergebrachter Weise den Intellekt oder den Gedanken als -isoliertes Ding abhandeln und den notwendigen Zusammenhang ihres -Objekts mit der wahren, das heißt empirischen Welt von der logischen -Disziplin ausschließen. Die Formalen behandeln den Intellekt als eine -Sache »für sich«, während ich mich in den mannigfachsten Wendungen -ergehe, um darzutun, daß er nicht für sich ist, sondern mit allem und -dem All zusammenhängt. - -Die formale Logik lehrt, daß unser Intellekt alle Dinge nur -auseinanderhalten und nicht konfundieren darf. Sie hat darin -recht und verfehlt doch das Ziel einer klaren Weltanschauung, -weil sie der überschwenglichen Ader gestattet, die Bedeutung der -Unterschiede und Unterscheidungen zu übertreiben. Sie verkennt die -paradoxe beziehungsweise dialektische Natur der Dinge, die nicht nur -auseinanderliegen, sondern auch zusammenhängen. Es gilt zu begreifen, -daß -- ganz allgemein -- die Einteilung der Welt nur eine Formalität -ist. Wir sind wohl berechtigt, Oben und Unten, Links und Rechts, Anfang -und Ende, Gold und Blech, Gutes und Böses auseinanderzuhalten, aber -müssen uns auch darüber instruieren, wie die Mannigfaltigkeit eine -Einheit, das Veränderliche beständig und das Beständige veränderlich -ist. Die formale Logik hat einen ungerechten Namen; sie ist nicht -formal, sondern überschwenglich; sie trägt sich mit dem gemeinen -Vorurteil, daß es kontradiktorische Dinge oder Widersprüche gebe, das -heißt essentielle Unterschiede, die keine Verbindung, keine Brücke, -keine Gemeinschaft miteinander haben. Sie lehrt: Widersprüche können -nicht sein, und widerspricht sich selbst, indem sie an dem Glauben -festhält, daß unvereinbare Widersprüche existieren. Sie lehrt: was -sich widerspricht, ist nicht denkbar, ist nicht wahr, und bezeugt -damit, daß sie über die Formalität der Widersprüche, über die wahre -Widerspruchlosigkeit und über die universale Wahrheit schlecht -orientiert ist. Gold ist kein Blech -- das ist wahr genug. Wer Gold -Blech oder Blech Gold nennt, widerspricht sich. In der Welt der -Wahrheit ist beides getrennt; aber nicht so getrennt, daß nicht auch -Gold und Blech eine gemeinschaftliche, nämlich metallene Natur hätten. -Gold und Blech sind ungleiche Metalle und besitzen doch metallische -Gleichheit. Daß das Gleiche different und das Differente gleich ist, -daß es sich überall nur um ein Mehr oder Minder handelt, nur um -formelle Differenzen, das wird von der »formalen« Logik verkannt, -verkannt von allen, welche die Wahrheit in irgendeiner logischen -Schablone oder einem Fetisch und nicht im ewigen, allgegenwärtigen -Dasein der einen untrennbaren Welt suchen. - -Das krasseste und auch wohl das lehrreichste Beispiel von der -rechten Bedeutung der Widersprüche ist in dem Gegensatz von Wahrheit -und Unwahrheit gegeben. Diese beiden Pole liegen wohl noch weiter -auseinander wie Süd- und Nordpol, und doch hängen jene wie diese innig -zusammen. Der landläufigen Logik darf man es kaum zumuten, ihr eine -scheinbar so widersinnige Einheit vordemonstrieren zu wollen, wie die -ist, welche in der Wahrheit und Unwahrheit enthalten. - -Die Welt ist die Wahrheit, und Irrtum, Schein und Lüge stecken in ihr, -sind Teile der wahren Welt, wie die Nacht ein Teil des Tages ist, ohne -die Logik zu konfundieren. Wir dürfen in ehrbarer Weise von +echtem+ -Scheine und +wahrer+ Lüge sprechen, ohne Widersinn. Wie auch der -Unverstand noch Verstand hat, so lebt auch die Unwahrheit immer noch -und unvermeidlich in der Wahrheit, weil letztere das Allumfassende, das -Universum ist. - -Die Wahrheit, welche das Universum ist, die kosmische Welt- oder -Universalwahrheit wird Dich die Widersinnigkeit der abnormen Demut -erkennen lassen, die in der zwieschlächtigen Lehre von den zwei -Geistern enthalten ist. Gewiß hat der Philosoph Kant einen höheren -Intellekt wie Peter Simpel; aber dennoch besitzen auch alle Geister -eine Generalgeisternatur, unter welche keine Intelligenz hinabsteigen, -welche keine übersteigen darf, ohne den Namen, ohne Sinn und Verstand -zu verlieren. Es ist nicht möglich, von einem anderen, höheren -Denkvermögen, als dem durch Erfahrung bekannten menschlichen auch -nur zu sprechen, ohne aus der Logik heraus in die Widersinnigkeit zu -fallen. Unzweifelhaft besitzt die tierische Brut etwas dem Intellekt -ähnliches; unzweifelhaft darf der Tiergeist vom Menschengeist mittels -eines besonderen Namens, etwa durch den »Instinkt«, getrennt werden; -unzweifelhaft wird unsere Vernunft durch Kultur von Generation zu -Generation erhöht; aber daß irgendwo und jemals ein Begriffsvermögen -existieren sollte, welches außer dem Weltzusammenhang steht -- das -ist ein durchaus sinnloser Begriff und eine verstandlose Sache. So -notwendig wie alles Wasser +eine+ Natur, eine nasse Natur, so notwendig -hat jede Intelligenz und jeder Gedanke die generale Gedankennatur und -muß verstandesgemäß ein Teil, ein bestimmter Teil der einen, gemeinen, -+empirischen+ Welt sein. - -Diese Lehre von der Relativität der Gegensätze und von der Auflösung -des Widerspruchs wird im neunten Brief durch Beispiele illustriert: - -Man macht dem Sozialisten den Vorwurf, er hetze das Volk auf; er -verspreche mehr, wie er leisten könne, und bringe dadurch den Unfrieden -in die Menschenbrust. Tatsächlich wohnt und muß beim Frieden auch -immer der Unfriede wohnen. Ein Volk, dessen Friede nicht mit dem -entgegengesetzten Unfrieden verquickt oder durchtränkt ist, wäre ein -Schlaraffenvolk. Dank dem Unfrieden in der Brust sind die Völker -strebsam und bewegt: Bewegung ist die Essenz der Welt, und die bewegte -Volkswelt ist nicht denkbar, ohne daß die Menschen begehrlich sind. Der -Entwicklung oder Kultur wegen müssen die Völker immer mehr begehren, -wie sie zunächst erlangen. Andererseits ist es mit der Begehrlichkeit -nicht genug. Man darf nicht mehr begehren, als man zu erreichen vermag, -nicht mehr versprechen, als man geben kann. Darum soll der logische -Sozialist gleichzeitig wissen, daß auch im Zukunftsstaat die Bäume -nicht in den Himmel wachsen, daß der Friede, den wir erstreben und -erhoffen, immer ein mit Unfrieden verquickter Friede sein wird. Die -Zukunftsmusik, wenn auch harmonischer wie die Musik der Gegenwart, wird -doch ewig mit der Disharmonie behaftet bleiben. - -Um im wahrhaften Zusammenhang zu denken, darfst Du kein Ding als -selbständiges Ding ansehen, sondern alles nur als fließende Eigenschaft -der einen Substanz, welche das Ding aller Dinge, die Welt, die Wahrheit -und das Leben ist. - -Unsere Logik ist also Wahrheitslehre. Die Wahrheit ist nicht oben, -nicht unten, nicht zu Jerusalem und nicht zu Jericho, weder im Geiste -noch im Gebein, sondern im All. - -Unsere Logik ist Erkenntnislehre. Sie lehrt, daß Du nicht mit Grübelei, -sondern nur im Zusammenhang mit der Erfahrung, im Gesamtzusammenhang -nach Erkenntnis forschen darfst. - -Da nun der Mensch mit der Erfahrung auch Irrtümer erfährt, so war die -Wissenschaft jahrhundertelang von der Frage beherrscht, ob Wahrheit und -Erfahrung nicht zweierlei, ob vielleicht nicht unsere ganze Erfahrung -ein Gaukelspiel der Sinne sei. Cartesius antwortete darauf: Nein, der -Glaube an das allervollkommenste, allerwahrhaftigste Wesen kann solche -Betörung nicht zulassen. Wenn wir nun den Gottesbegriff durch den -Wahrheitsbegriff ersetzen, dann sind wir wieder sicher, daß die Welt -der Erfahrung kein Schemen, sondern allerwahrhaftigste Wirklichkeit ist. - -Wie unser Gesicht das Sichtbare nie und nirgends erschöpft, das -Auge also sein Objekt schaut, aber nicht durchschaut, so kann der -Intellekt das absolute All, die Wahrheit oder Gottheit nicht auskennen -oder ausgründen; aber was wir kennen und ergründen, sind leibliche -Wahrheiten, sind Stücke der Generalwahrheit. Was die Erkenntnis -erkennt, ist nicht die Wahrheit selbst und doch wahre Erkenntnis. - -Wir gelangten also zu dem Resultat, beginnt der zehnte Brief, daß -der Gedanke ein Weltteil ist. Das Weltall ist der Mutterschoß, wie -überhaupt der Dinge, so auch des Intellekts. - -Daß außer dem Weltall nichts existiert, oder im All alles enthalten, -alle realen und phantastischen Existenzen, daß das All alles, weder -süß noch sauer, weder groß noch klein, sondern eben alles und jedes --- dieser Satz ist so selbstverständlich, wie der so lang und oft -wiederholte Satz der Identität: A = A. - -Die Logik soll Dich also lehren, daß alles, was das -Unterscheidungsvermögen unterscheiden mag, von einer Art ist, alles -Krethi und Plethi, aber das Ganze über allem Plebs eine himmelhohe -Erhabenheit. Mit dem frivolen Atheismus, wie ihn die Aufklärer -gebracht, ist es nicht genug. Dürre Gottesleugnung erzeugt immer wieder -irgendeinen Götzendienst. - -Mit dem Allerhöchsten, Unendlichen oder Absoluten muß die Logik -beginnen. Alles kunstgerechte, daß heißt zusammenhängende Denken muß -davon seinen Ausgang nehmen. Das naturwissenschaftliche Forschen nach -endlichen Ursachen, nach dem Ei, woraus das Küchlein gekrochen, nach -der Henne, woraus das Ei gekommen, nach den verwandten Organismen, -welche durch Zuchtwahl und Anpassung ~à la~ Darwin die Henne -entwickelt, -- das sind überaus schätzbare Forschungen, ohne welche -wir nie den Weltprozeß verstehen könnten; aber dennoch dürfen solche -Erkenntnisse dem denkenden Menschen nicht genügen. Die Logik verlangt, -verlangt von jedem, daß er nach dem Allerhöchsten, nach der Ursache -aller Ursachen forscht. Wer das Bedürfnis hat, sein Bewußtsein in -logische Ordnung zu bringen, will und muß wissen, wie das Endliche und -Unendliche, das Relative und Absolute, die speziellen Wahrheiten und -die Generalwahrheit ineinanderstecken. - -Logisches Denken in dem Maße, wie es die Wissenschaft verlangt, -heißt weiter nichts, als den letzten Grund, den absoluten Hinterhalt -kennen, auf den alle Gedanken sich stützen. Dieser Hinterhalt ist das -Weltall, welches den Menschenkopf, den äußeren und inneren, als Zubehör -anhängen hat. Der jahrtausendealte Streit zwischen den Materialisten -und Idealisten stellt die Frage: ob der Geist weltlich oder die Welt -geistig ist. Unsere Antwort lautet klipp und klar: beides gehört -zusammen, ist in Summa ein Ding, und das Ding aller Dinge. Der Geist -und die Welt sind zwei Attribute der einen Natursubstanz. Wenn man -sie einander entgegensetzt, verhalten sie sich wie Fleisch und Fisch, -welcher letztere nach Lazar Geiger von afrikanischen Stämmen ganz -trefflich »Wasserfleisch« genannt wird. Demnach sind Geist und Welt, -wie Fleisch und Fisch, von verschiedener und doch von einer Art. - -Nicht nur ist die Welt das Objekt, sie ist auch das Subjekt der -Erkenntnis, +sie+ erkennt, +sie+ zerlegt +mittels des Menschenkopfes+ -ihre eigene Mannigfaltigkeit. Unsere Weisheit ist Weltweisheit in -dem doppelten Sinne: die Welt ist das, was gewußt, unterschieden, -analysiert wird, und die Welt ist es, welche das Wissen, Unterscheiden -usw. mittels unseres Intellekts praktiziert. Wenn ich also den -Menschengeist Weltgeist, Geist des Allerhöchsten nenne, so bitte ich -wohl zu bemerken, wie damit gar nichts mystifiziert sein, sondern nur -dargetan werden soll, daß sich das Denken oder die Intelligenz nur -im Weltzusammenhang betätigen läßt, daß es keine Sache abnormer und -überschwenglicher Art, sondern ein Ding ist wie andere Dinge. - -Die Idee des Weltzusammenhanges wird im elften Brief weiter behandelt -und speziell auf das soziale Gebiet übertragen: - -Allen naturgeschichtlichen Einteilungen soll logischerweise das -Bewußtsein von der absoluten, universalen Einheit, vom Zusammenhang -aller Dinge zugrunde liegen. Darum haben fromme Leute durch ihren -Herrgott, in dem alles lebt und webt, was fleucht und kreucht, mehr -Logik wie gewisse Freidenker, denn sie fangen mit Gott an und hören mit -Gott auf. Vollkommen logisch aber vermögen sie nicht zu denken, weil -sie das Böse und den Teufel, Krankheit, Elend und Sünde, kurzum die -Leidigkeit und Vergänglichkeit mit ihrem ewigen vollkommenen Allvater -in keinen rechten Zusammenhang bringen können. - -Die Ein-Natur, die unendliche, ist der Logik Quintessenz. Über dies -Ding der Dinge kann weder die Naturwissenschaft (im engeren Sinne) noch -die Metaphysik und formale Logik Aufschluß geben, sondern nur eine -Denklehre, welche Geist und Natur, alle Gegensätze und Widersprüche als -Formalitäten des All-Einen erkennt. Wie sollte nun jemand, der mit der -großen Masse der Bevölkerung auf gespanntem Fuße lebt, sich eins fühlen -können mit dem +Allgemeinen+? Wer eine spezielle Klasse zum echten Volk -macht, hat keinen Begriff, weder für das allgemeine Volk noch für die -absolute Allgemeinheit. - -Die proletarische Logik lehrt nicht nur Gleichheit alles dessen, was -Menschenantlitz trägt, sondern die +universelle+ Gleichheit, welcher, -wohlgemerkt, die Verschiedenheit so wenig widerspricht, wie die -mannigfaltigen Töpfe und Krüge der Gefäßeinheit widersprechen. Wir -erkennen, daß jedes Ding, jede Person ein Stück der unendlichen Welt -ist und an ihrer unendlichen Natur teil hat. - -Unsere Logik, welche die Wahrheit, die Weltwahrheit zum Objekt hat, -ist eine Denklehre des Universums, eine universale Denklehre oder -Weltanschauung. Sie lehrt, daß der Zusammenhang aller Dinge die -Wahrheit und das Leben, das Echte, Rechte, Gute und Schöne ist. Alles -Hohe, was Menschenherz erhebt, alles Süße, was Menschenbrust durchbebt, -ist die Weltnatur oder das Weltall. Aber dann bleibt immer die kitzlige -Frage: Wohin mit dem Negativen, dem Häßlichen, Bösen, wohin mit dem -Irrtum, dem Scheine, dem Stillstand, der Krankheit, dem Tode und dem -Teufel? - -Jawohl, die Welt ist vergänglich, böse und leidig; aber das sind doch -nur +akzidenzielle+ Erscheinungen, nur Formen und Fransen der Welt. -Ihre Ewigkeit, Wahrheit, Güte und Schönheit ist substantiell, wesenhaft -und positiv. Ihr Negatives ist das Dunkel, welches dem Lichte zur -Verherrlichung dient, daß es überwinde und um so glänzender strahle. - -Solcher hohen optimistischen Lehre sind die Wortführer der herrschenden -Klasse nicht zugänglich, weil sie den umgekehrten pessimistischen Beruf -haben, das Elend und die Knechtschaft zu verewigen. - -Der zwölfte Brief kehrt zum Beginn des zweiten zurück: was die Logik -ist, was sie will und wie sie es will? Die Beantwortung der Frage -erfolgt im Geiste der Briefe zehn und elf, das heißt im Sinne des -Universalzusammenhangs: - -Logik, die Lehre eines kunstgemäßen Denkens, verlangt zunächst -wahrheitsgemäßes, das heißt vernunftmäßiges Denken. Die Logik handelt -von Vernunft und Wahrheit. - -Vernunft und Wahrheit sind keine von den übrigen Dingen getrennte, -sind keine Dinge an sich. Solche Dinge gibt es überhaupt nicht. Die -proletarische Logik unterscheidet sich von der herrschenden dadurch, -daß sie Vernunft und Wahrheit nicht hinter Tempelvorhängen, auch nicht -in den Köpfen der Gelehrten, sondern im leibhaftigen Zusammenhang sucht -und findet. - -Wir erkennen nicht nur, daß Vernunft und Wahrheit mit der Welt -verbunden, sondern auch, daß das +Weltganze+ die allerhöchste Vernunft -und Wahrheit oder das Wesen ist, nach dem Religion und Philosophie -lange gesucht, das allervollkommenste Wesen -- von Plato das Wahre, -Gute und Schöne, von Kant Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, von Hegel -das Absolute genannt. - -»Erkennen« ist ein mysteriöses Wort. - -Erlaube mir, das Erkenntnisvermögen mit einem photographischen Apparat -zu vergleichen, mittels dessen Du Dir ein Bild der Weltwahrheit zu -machen gedenkst. Da siehst Du gleich, wie von diesem Objekt nur ein -ganz nebelhaftes Bild abzunehmen ist. Der Gegenstand erscheint zu -grenzenlos, zu unendlich groß und erhaben, als daß er sich kopieren -ließe. Und doch ist ihm beizukommen. Wenn auch kein klares Bild der -Wahrheit, können wir doch weltwahre Bilder klar machen, das heißt wir -können das Unendliche stückweise konterfeien. Du kannst mittels Deines -Intellekts die Unendlichkeit durch Begrenzung fassen. - -Die absolute Wahrheit gibt sich uns in relativen Erscheinungen. Das -vollkommene Wesen ist aus unvollkommenen Teilen zusammengesetzt. -Arme und Beine, Kopf und Rumpf sind getrennt und jedes für sich nur -ein Kadaverstück und doch im Zusammenhang durchaus lebensfähig. In -der Weltwahrheit ist alles enthalten; sie ist das vollkommene Sein, -enthält das gesamte Dasein vollkommen, somit auch das Unvollkommene. -Falsches, Leidiges, Schlechtes und Häßliches steckt im Wahren, Guten, -Schönen mitten drin. Das Gesamtdasein, das ist die absolute Wahrheit, -ist aus Relativem, das Ganze aus Stücken, aus Erscheinungen oder -Scheinbarkeiten zusammengesetzt. Und auch unsere Erkenntnis oder unser -Denkapparat ist ein unvollkommenes Stück des vollkommenen Wesens. -Von diesem Absoluten liefert er nur ein dämmeriges, unzulängliches -Porträt, und von allen Teilen der Weltwahrheit doch treffliche Bilder, -allerdings nur Bilder, aber treffliche. - -Es gibt gute und schlechte, treffende und unzutreffende, wahre und -irrige Gedanken und Erkenntnisse; aber absolut zutreffende gibt es -nicht. Alle Vorstellungen und Begriffe sind unvollkommene Bilder des -allervollkommensten Weltwesens, welches unerschöpflich ist sowohl im -großen wie im kleinen, im ganzen und in allen Teilen. Jedes Stück der -Natur ist ein Naturstück des Unbegrenzten. - -Die Lehre der Sophisten, daß sich alles be- und verstreiten läßt, hat -eine gewisse Ähnlichkeit mit der unserigen, welche besagt, daß das -All die Wahrheit und alle Teile wahre Stücke, also Rauch und Nebel, -Verstand und Phantasie, Erträumtes und Reales, Subjekt und Objekt -wahrhaftige Einteilungen der Welt -- nicht die Wahrheit und doch wahr -sind. Es ist deshalb angezeigt, auf den Unterschied der sophistischen -und logischen Denkweise aufmerksam zu machen. - -Das geschieht im dreizehnten Brief: - -Ist die ganze Welt +nur ein+ Ding oder ein Sammelsurium +unendlich -vieler Dinge+? - -Ich sehe durchs Fenster den Fluß und die Straße, Brücke, Häuser und -Bäume. Jedes ist ein Ding für sich, und doch hängt alles untrennbar -aneinander. Die Eigenschaften der Welt werden vom Intellekt als -Subjekte behandelt; aber es soll das intelligente Subjekt auch wissen, -daß sein Tun und Treiben, sein Unterscheiden und Erkennen eine -Formalität, eine formelle Zerstücklung des Absoluten ist, welches trotz -aller Einteilung stets das ungeteilte Ganze bleibt. - -Die Erscheinungen der Wahrheit und des Lebens rubrizieren, heißt -erkennen, heißt den Intellekt gebrauchen und den Kopf erhellen. - -Jedoch bleibt nun wohl zu erwägen, +wie weit wir in der Spezifikation -zu gehen haben+, um die Rubrik zu finden, welche +völlige Klarheit+ und -Bestimmtheit in die Erkenntnis bringt. Es ist sehr zu beachten, daß -sowohl das Subjekt, welches erkennt, wie das erkannte Objekt als Stücke -des Absoluten, auch absolute +unendlich detaillierte+ Stücke sind, die -sich nimmer auskennen, nimmer erschöpfen lassen. - -Es lassen sich neue Erkenntnisse nur mittels alter erwerben. Das heißt: -Altes und Neues und die Erkenntnis, die ich als Klassifikationsvermögen -kennbar zu machen suche, haben ihre Existenz nur im +Zusammenhang des -gesamten Daseins+. - -Einteilung, regelrechte Einteilung ist die Sache der Logik oder -Denkkunst. Dazu gehört in erster Instanz das erweckte Bewußtsein vom -ungeteilten All, vom Universum und seiner universalen Einheit. Dieses -Bewußtsein ist mit anderen Worten zugleich auch das Bewußtsein von der -nur formalen Bedeutung aller wissenschaftlichen Teilung. - -Die Einheit aller Welt ist wahr und ist die Wahrheit allein und einzig. -Daß die alleinige und einzige Weltwahrheit voller Unterschiede steckt, -ja ebenso absolut verschieden wie absolut gleich ist, widerspricht -einer verständigen Einheit und Gleichheit ebensowenig, wie es sich -widerspricht, daß die Käuze mit den verschiedensten Visagen doch alle -dasselbe Kauzgesicht tragen. - -Der rote Faden, der sich durch diese Vorträge schlängelt, betrifft -folgende Punkte: Der Denkapparat ist ein Ding wie alle gemeinen -Dinge, ein Stück oder Akzidenz des Weltganzen; er gehört zunächst -in die allgemeinste Kategorie des Seins und ist ein Apparat, der -durch kategorische Einteilung oder Unterscheidung ein detailliertes -Bild der menschlichen Erfahrung zustande bringt. Um ihn kunstgerecht -zu verwenden, will klar erkannt sein, daß die Welteinheit durchaus -mannigfaltig und alle Mannigfaltigkeit eine Monas bildet. - -Das Rätsel der alten eleatischen Philosophie war: Wie steckt das Eine -im Vielen, wie das Viele im Einen? - -Der vierzehnte Brief handelt vom »Absoluten« und dem Verhältnis des -Intellekts zu ihm im Weltzusammenhang: - -Das Absolute ist die bare Summe alles dessen, was war, ist und sein -wird. - -Sowohl die Subjekte wie Objekte aller Wissenschaft gehören dem -Absoluten an, das mit trivialem Namen »Welt« heißt. - -Alle anderen Wissenschaften haben begrenzte Stücke, haben Relatives zum -Gegenstand, während die Wissenschaft des Geistes +von allen+ Objekten, -das heißt vom Unbegrenzten handelt. Ich will die Lehre vom Intellekt -vortragen und handle von aller Welt, vom Weltall, weil ich darzustellen -habe, nicht wie sich der Geist in der Schusterei oder Astronomie, -sondern wie er sich generaliter verhält. - -Der Intellekt ist ein spezielles Stück wie jedes andere -wissenschaftliche oder praktische Objekt. Aber er ist auch dasjenige -Stück, dem es mit der Stückelei nicht genug, der sich und alles -einzelne als Attribut oder Prädikat des absoluten Subjektes, der sich -und alle Welt im +Weltzusammenhang+ weiß. - -Seit Jahrhunderten hat man viel davon gehandelt, ob im Intellekt -angeborene Ideen versteckt sind oder ob er einem unbeschriebenen Blatte -Papier gleiche, dem die +Erfahrung+ Kenntnisse aufprägt. Es ist das die -Frage nach Ursprung und Quell der Erkenntnis. Woher kommt die Vernunft, -wo holen wir unsere Begriffe, Urteile und Schlüsse? Mittels Grübelei -aus dem Innern des Kopfes, aus der Offenbarung oder aus der Erfahrung? -Alles, was wir erfahren, samt dem Intellekt, der erfährt, sind -Offenbarungen des Absoluten. +Alles, wovon wir wissen, ist Erfahrung+. -Wenn nun auch der Geist ein leeres Blatt ist, so ist zur Beschreibung -doch dies innere Papier ebenso wesentlich wie die äußere Welt, welche -Hand, Tinte und Feder zu diesem Schreibprozeß hergibt; das heißt, alle -Erkenntnis stammt aus dem Weltzusammenhang. Dem Intellekt sind keine -Kenntnisse, aber doch das Bewußtsein, das Weltbewußtsein angeboren. - -Die Wissenschaft vom Intellekt hat sich von alters her an eine -wunderbare Tatsache gestoßen. Sie fand Kenntnisse vor, die dem Geiste -von außen zugekommen, sogenannte Erfahrungskenntnisse; aber sie fand -auch solche, welche scheinbar angeboren sind, sogenannte Erkenntnisse -~a priori~. - -Unsere Logik fragt: Stammt die Weisheit geheimnisvoll aus dem Innern -des Menschenkopfes oder kommt sie nach Art aller Erfahrung aus der -äußeren Welt? -- Die Zusendung von oben wollen wir schon außer Frage -lassen. - -Da lautet die Antwort: Zum Wissen, Erkennen, Begreifen, Denken gehört -Inneres +und+ Äußeres, Subjekt und Objekt, Kopf und Welt. - -Aber wie erklären sich nun die wunderbaren, anscheinend aprioristischen -Kenntnisse, welche alle Erfahrung übersteigen? Antwort: Der Intellekt -hat nicht nur die Fähigkeit, im allgemeinen zu wissen, sondern -auch Spezielles vom Ganzen zu trennen und namhaft zu bestimmen. -Indem wir zum Beispiel den Begriff des Minerals fassen, sehen wir -ab vom Unterschied zwischen Gold und Blech. Wenn wir dann weiter -klassifizieren, indem das Goldige und Blechige als besondere Arten dem -Mineral untergeordnet werden, wissen wir nun genau, wie Gold und Blech -verschiedene Arten sind von derselben Mineralnatur. Wir wissen, was die -Namen bedeuten, und solange sie ihren Sinn behalten, wissen wir, daß -»in Himmel und Hölle« Gold kein Blech, Blech kein Gold ist. - -So ist denn der Unterschied zwischen angeborenen und erfahrenen -Kenntnissen ein nur formeller. Beide verschiedene Arten sind dennoch -von ein und derselben Art, beide Mischlinge des Inneren und Äußeren. -Die Erkenntnis ~a priori~ hört auf, Wunder zu sein, wenn erkannt ist, -daß sie mit den Kenntnissen a posteriori aus demselben Quell der -Erfahrung stammt, welche das eine Mal wie das andere Mal nur mit Hilfe -des Intellekts zustande kommt. Demnach ist also der +mit der Welt -verbundene Intellekt+ die Urquelle aller Wahrheit, und ist sowohl die -äußere Natur wie unser inneres Begriffsvermögen ein Stücklein der einen -Generalnatur, welche die Wahrheit und das Absolute ist. - -Am Schlusse dieses Briefes kündigt Dietzgen an, daß er im nächsten -(fünfzehnten) die Kausalität behandeln wolle; statt dessen geht er -auf Kants Aprioritätenlehre und »Ding an sich« ein, zeigt, wie Kant -in den Irrtum dieser Theorien verfiel und wie sein Schluß von der -»Erscheinung« auf eine absolute Wahrheit, die, vom Scheine getrennt, -dahinter versteckt sei, auf fetischmäßiger Auffassung der Wahrheit -beruht. Die Erkenntnis, daß das gemeine Wesen der Welt Wahrheit -ist, ist die erste Bedingung zu einer kunstgerechten Handhabung des -Schlußvermögens. - -Damit gelangt unser Autor zur Erörterung der Kausalität im sechzehnten -Brief: - -»Alle Dinge haben ihre Ursache.« -- Wer ist, was ist »alle Dinge«? -Es sind Anhängsel, Zubehör des All-Einen. Es ist dem Intellekt -angeboren, zu wissen, daß die Welt ein Ding ist, daß alle Dinge -nicht nur +irgendeinem+, sondern alle +einem Subjekt+ angehören. Das -Bewußtsein der Kausalität ist nichts weiter wie das Bewußtsein vom -Weltzusammenhang. - -Alle Dinge sind +ein+ Ding, hängen zusammen, stehen untereinander im -Verhältnis von Ursache und Wirkung, von Grund und Folge, von Gattung -und Exemplar. Alle Dinge haben ihre Ursache, heißt, sie haben eine -Mutter. Daß nun jede Mutter ihre Mutter hat, +endigt+ in der Weltmutter -oder Mutterwelt, in der absoluten, die selbst absolut mutterlos und -doch alle Mütter »aufgehoben« in sich enthält. - -Ursachen sind Mütter, Wirkungen sind Töchter. Nicht nur hat jede -Tochter eine Mutter, Groß- und Urgroßmutter, sondern auch Vater, Groß- -und Urgroßvater. Der Ursprung oder der Familienzusammenhang der Tochter -ist nicht ein-, sondern allseitig. So haben auch die Dinge nicht eine, -sondern viele, unendlich viele Ursachen, welche in die Generalursache -zusammenfließen. - -Dein Intellekt, dem die Wissenschaft angeboren ist, daß alles seine -Ursache hat, wird sich demnach instruieren lassen, daß alle Ursachen -der Welt in der absoluten Weltursache begründet sind und zugrunde -gehen. Es ist die Quintessenz der Logik, nicht nur den wahren Begriff -des Intellekts zu ermitteln, sondern mittels des Intellekts den Begriff -der Weltwahrheit, des Weltganzen klarzumachen. - -Personen und Dinge, Ursachen und Wirkungen sind keine selbständigen -Einzelheiten, sondern relative Selbständigkeiten, das heißt -Zusammenhänge oder Verhältnisse des Absoluten. Der Intellekt ist -uns angeboren, und durch ihn und mit ihm das Bewußtsein vom Sein -schlechthin, wenn auch nur so angeboren, wie dem Kinde die Zähne, -die erst nach der Geburt hervorwachsen. Jedes Stück, das uns zum -Bewußtsein kommt, wird als Stück des All-Einen gewußt. Insofern das -wunderbar, ist das Bewußtsein von der Kausalität erstaunlich. In der -Tat ist die Wissenschaft von der kausalen Abhängigkeit aller Dinge -mit der Wissenschaft von der Farbe aller Rappen und Schimmel eine -angeborene Weisheit. Jedoch ist wohl zu beachten, daß sowohl in jeder -erworbenen Wissenschaft etwas Angeborenes, wie in jeder angeborenen -etwas Erworbenes steckt, so daß beide Arten ineinanderfließen und eine -Kategorie bilden. - -Im Eingang des siebzehnten Briefes erklärt unser Autor: - -Da die Aufgabe der Philosophie in Erforschung der Logik aufgeht, -aufgeht in der Ergründung des Intellekts und seiner Denkkunst, wirst -Du, als +in der Sache+ begründet, erkennen, daß meiner Darstellung -eine gewisse Systematik fehlt; sie hat so recht keinen Anfang und kein -Ende, weil ihr Objekt, der Intellekt, mit dem Weltganzen verknüpft ist, -welches eben das Anfang- und Endlose ist, das kein Vor und Nach, kein -Oben und Unten hat. Jedoch ist leicht zu bemerken, daß Denkkunst und -Weltweisheit identisch sind. Wenn nun auch der allgemeine Zusammenhang -für alle Dinge und Themata gilt, so gehört seine Erwägung doch speziell -nur in die Logik, die von allen Denkobjekten summarisch handelt. Meine -Sache also (die Denkkunst) beginnt überall, obgleich sie doch nur eine -Spezialität ist. - -So knüpft Dietzgen denn an Zitate aus Trendelenburg an, um an ihnen die -Notwendigkeit gleichzeitigen philosophischen und empirischen Denkens -darzutun: - -»Es bleibt immer der Trieb alles menschlichen Erkennens darauf -gerichtet, das Wunder der göttlichen Schöpfung durch ein -nachschaffendes Denken zu lösen. Wenn diese Aufgabe im einzelnen -begonnen wird, so treibt das Einzelne von selbst weiter; denn mit -derselben Macht, mit welcher alles aus dem Grunde hervorgestiegen, -weisen die Dinge rückwärts zu dem Grunde wieder hin.« - -Diese Zitate geben das Problem, das zu lösen ist: sollen wir den -Intellekt philosophisch, sollen wir ihn empirisch gebrauchen? Man will -aus dem Einen und Vielen klug werden, welches identisch ist mit der -Forschung nach systematischer Weltanschauung oder dialektischer Kunst. - -Da will zunächst konstatiert sein, daß das Denken in jeder Weise, -ob philosophisch, ob empirisch, von einer Art, daß in beiden Formen -dieselbe Sache enthalten ist. Rosen sind andere Blumen wie Nelken, -doch steckt die Blumennatur in den einen wie in den anderen, und so -auch die Denknatur gleichmäßig in der philosophischen wie empirischen -Betrachtungsweise. Das Auseinanderhalten ist recht genug, doch darf die -Einheit nicht verloren gehen. - -»Die Philosophen«, heißt es weiter bei Trendelenburg, »wollen -aus dem Ganzen das Einzelne erkennen; die Empiristen durchsuchen -das Einzelne in seiner Zerstreuung.« Beide Forschungsarten sind -verschiedene Exemplare einer Gattung, die beide einseitig sind, wenn -sie ihren Zusammenhang verkennen. Der Empirist, der das Einzelne -in der Zerstreuung sucht, verfährt philosophisch, wenn er seine -Einzelforschung als Beitrag zum Ganzen gelten läßt, und der Philosoph, -der aus dem Ganzen das Einzelne erkennen will, verfährt empirisch, wenn -er, wie recht, +alles+ Einzelne als Zubehör des Ganzen betrachtet. - -Die Philosophen fehlen, wenn sie den Intellekt für den einzigen Born -der Erkenntnis und Wahrheit halten; er ist nur ein Stücklein davon -und bedarf zu seiner Ergänzung der anderweitigen Welt. Die Empiristen -fehlen, wenn sie Wahrheit und Erkenntnis einzig in der anderweitigen -Welt suchen, ohne das geistige Instrument zu beachten, mittels dessen -sie ihre Schätze heben. - -Schon der Gedanke, daß etwas sein könnte, was nicht die Generalnatur -alles Daseins hat, ist kein Gedanke, ist ein Gedanke ohne Sinn oder -Unsinn. Das Weltganze ist das ~être suprême~, von dem wir allerdings -nur einen vagen Begriff haben. Den detaillierten »rechten« Begriff -davon haben wir nicht; derselbe erwächst uns jedoch im Verlauf der -Wissenschaft, kann aber nie vollkommen sein, weil das Detail sich in -die Puppen verliert und das absolute Sein ein unendliches Werden ist. - -Und nun Einzelnes? Wir kennen es genauer und doch nicht genau, weil -auch der kleinste Teil des Unendlichen unendlich ist. Atome sind -von aller Wissenschaft noch immer vergeblich gesucht worden. Was -unsere Erkenntnis kennt, waren immer Prädikate oder Erscheinungen der -Wahrheit. Aber wahre Erscheinungen, wovon wir wahre Kenntnis haben. - -Die Welt zum Ausfluß des Gedankens machen -- nach Hegel --, ist eine -verkehrte Logik; den Intellekt und seine Produkte als Attribute des -Weltsubjektes erkennen, ist erste Bedingung rationeller, demokratischer -Denkkunst. - -Das Thema wird im achtzehnten Brief fortgesetzt und vertieft: - -Wichtige Entdeckungen auf naturwissenschaftlichem Gebiet, das -Wärmeäquivalent von Robert Mayer, die Entstehung der Arten von Darwin -usw. stimulieren die Sache, so daß Naturwissenschaft und Philosophie -mit zwei Bergleuten verglichen werden könnten, welche von zwei Seiten -an einem Tunnel graben und dem lichten Durchbruch derart nahe sind, -daß gespannte Ohren hüben und drüben die Hammerschläge pochen und die -Werkzeuge krachen hören. - -Das Bild hat viel Wahres, aber führt leicht auch zu Mißverständnissen. -Durch Vivisektion der Frösche und Kaninchen, durch Bohren am Gehirn -wird die Physiologie +den Geist+ nicht erforschen. Kein Mikroskop und -Teleskop wird das Wesen von Vernunft und Wahrheit aufdecken oder die -Kunst der Unterscheidung enthüllen. - -Ebensowenig wird es in der Sprachwissenschaft den Lazar Geiger, Max -Müller, Steinthal und Noiré gelingen, mittels irgendeiner Ursprache -»die letzten Fragen alles Wissens« zu lösen. - -Jedoch soll die werte Mitarbeiterschaft dieser Herren nicht bestritten, -sondern nur darauf hingewiesen sein, daß der Vergleich mit dem Tunnel -mächtig hinkt. Von den logischen Formen gilt auch, was Marx von den -ökonomischen sagt: »Bei der Analyse kann weder das Mikroskop dienen, -noch chemische Reagenzien. Die Abstraktionskraft muß beide ersetzen.« - -Die Sache wird zum Durchbruch kommen; aber nicht indem jede Partei -einseitig vorangräbt, sondern weil die Bergleute außer der Arbeitszeit -miteinander verkehren und ihre Erfahrungen einander mitteilen. Auch -verbleiben wohl die Philosophen der entscheidende Teil, da sie die -Spezialisten in der Logik und als solche bereit sind, alles, was dem -Werke dient, zu verwenden, von welcher Seite immer es sich darbieten -mag. Die andere Partei dagegen hat ihre aparten Spezialitäten und -fördert die Logik mehr nebensächlich und unwillkürlich. - -Dietzgen bespricht im Anschluß hieran den naturwissenschaftlichen -»Monismus« seiner Zeit, der zum Teil noch in unserer sich breit macht, -wie den von Noiré, der im Grunde ein unklarer Dualist war, indem er -»Bewegung und Empfindung« für die einzig wahren Attribute der Welt -erklärte, ohne zu erkennen, daß die Empfindung doch nur eine Art der -Bewegung ist. - -In der »Einleitung und Begründung einer monistischen -Erkenntnistheorie«, bemerkt Noiré mit höhnischem Akzent, »daß er nicht -in der Lage sei, neuen Aufschluß über das Absolute zu geben«. - -Der naturwissenschaftliche Monismus hat vom Universum einen viel zu -beschränkten Begriff. Mit seinem »alles ist Bewegung« ist sowenig und -soviel gesagt wie mit dem Salomonischen »alles ist eitel«. Alles ist -krumm und gerad, alles groß und klein, alles zeitlich und ewig, alles -Wahrheit und Leben. Aber wie nun der Unterschied in die Welt, wie Ruhe -in die Bewegung, Verstand in den Unverstand kommt, davon ist nichts -gesagt. - -Um das Unterscheiden logisch zu praktizieren, will gewußt sein, daß -das All, das Universum oder +Absolute+ die Ursache seiner selbst und -der Urgrund aller Dinge ist, welcher alle Unterschiede, auch den der -Kausalität und den zwischen Geist und Natur, »aufgehoben in sich -enthält«. - -Der Begriff des +Absoluten+ oder des Weltganzen wird nun im neunzehnten -Brief erörtert: - -Das Weltganze ist ein landläufiger Begriff, der jedem bekannt und wovon -scheinbar wenig zu sagen bleibt. In der Tat ist es der Begriff aller -Begriffe, das Wesen aller Wesen, die Ursache seiner selbst, das keine -fremde Ursache und kein fremdes Wesen neben sich hat. Durch Erwägung, -wie unablässig die Menschheit +außer+ der Welt eine Weltursache, -einen Weltanfang und eine überschwengliche Wahrheit gesucht hat, muß -Dir einleuchten, daß sie den Begriff des Weltganzen nicht erfaßt, -das Universum nicht begriffen hat, und ist dann der Nachweis, daß es -die Ursache aller Ursachen, Anfang aller Anfänge und Wahrheit aller -Wahrheiten ist, nicht gerade eine überflüssige Arbeit. - -Ich behaupte, die Kenntnis des menschlichen Begriffsvermögens und die -Kunst seiner Verwendung sind untrennbar vom Weltbegriff. Nicht so, -als dürfe innerer Geist und äußere Welt nicht unterschieden werden, -sondern es sind beide nur als formelle Unterschiede des +wesentlich+ -Ununterschiedenen, des absoluten Weltganzen zu fassen. - -Das Universum begreifen, heißt sich Klarheit verschaffen, wie dies -Wesen aller Wesen keinen Anfang, keine Ursache, keine Wahrheit und -keine +Vernunft außer und neben sich, sondern alles in und bei sich+ -hat. Das Universum begreifen, heißt erkennen, daß man die sogenannten -logisch-metaphysischen Kategorien, wie Anfang und Ende, Ursache und -Wirkung, Sein und Nichtsein usw., unlogisch anwendet, den Intellekt -mißbraucht und durchaus unerbaulich wird, wenn man damit über die -weltliche Unendlichkeit hinausfährt ins Überschwengliche. - -Um Dir also Sinn, universellen Sinn anzueignen, wirst Du Dich um die -Erkenntnis bemühen, wie das Universum alles Relative einschließt, -während es im ganzen das Absolute oder die erbauliche Gottheit -verkörpert. - -Und der Begriff des Absoluten als des Weltganzen involviert, daß mit -solchen Dingen, die man Gegensätze und Widersprüche nennt, es sich -ganz anders verhält, als die Logik der Götzendiener wähnt und doziert. -Daß Seele und Leib, Wahrheit und Irrtum, Leben und Tod usw. nicht -unvereinbare Antipoden sind, die sich abstoßen. Diese Lehre vom Satze -des Widerspruchs ist eine ganz beschränkte Kirchturmsweisheit, welche -statt Klärung nur Wirrsal in die Köpfe bringt. Gewiß ist das Tote vom -Lebendigen, das Vergängliche vom Ewigen, schwarz und weiß, krumm und -gerad, groß und klein verschieden und entgegengesetzt. Aber auch das -Allerentgegengesetzte und Widersprechendste geht ebenso leicht in eine -Gattung, Familie oder Art hinein wie Zwillinge in einen Mutterschoß. -Was Männchen und Weibchen nicht hindert, in einem Neste zu hocken, -hindert auch die krasseste Verschiedenheit nicht, trotz der Entzweiung -zugleich eins und dasselbe, das heißt zwei Stücke von einem Kaliber zu -sein. - -Und wolltest Du gegen die Wahrheit des absolut vollkommenen Weltwesens -einwenden, daß es mit dieser Vollkommenheit nicht weit her sei, wegen -der vielen handgreiflichen Unvollkommenheiten, die anhängen, so -würde ich bitten, nicht spitzfindig zu sein, sondern gesunden Sinnes -anerkennen zu wollen, daß die Weltmängel so logisch zur Vollkommenheit -gehören wie die bösen Begierden zur Tugend, die eben erst durch -die Probe der Überwindung zur Tugend wird. Der Begriff einer -Vollkommenheit, die nicht das Unvollkommene zu überwinden hätte, wäre -ein läppischer Begriff. - -Hieran schließt sich nun, im zwanzigsten Brief, eine Erörterung des -+Begriffs+ des Absoluten, der zur logischen Erkenntnis unumgänglich ist: - -Der Begriff Weißkohl und Kohl schlechthin, der Gemüse- und -Pflanzenbegriff usw. sind, wenn auch Spezial-, doch zugleich -Generalbegriffe; sie sind das eine wie andere nur relativ. Gegenüber -den verschiedenen Kohlarten, die er einschließt, ist der Kohlbegriff -generell oder abstrakt; gegenüber dem Gemüsebegriff ist er speziell -und konkret. Und so steht es mit allen Begriffen, sie sind konkret und -abstrakt zugleich; nur der letzte, der Weltbegriff ist weder konkret -noch abstrakt, sondern +absolut+; er ist der Begriff des +Absoluten+. - -Der absolute Weltbegriff besteht zunächst aus zwei Teilen, aus der -Welt und dem Begriff. So besteht das Wasser aus zwei Stoffen, deren -jeder für sich ganz eigentümlich und kein Wasser ist. ~Ergo~ ist der -Weltbegriff ein weit erhabeneres Subjekt als alle Teile, aus denen er -besteht. Um diesen Punkt vor die Augen zu rücken, mag ich das aus Welt -und Begriff zusammengesetzte Subjekt mit einem besonderen Titel ehren, -es »Universum« nennen, damit es so von seinen Elementen namentlich -getrennt sei. - -Ich erkläre jetzt, ohne daß ein Sophist das Wort verdrehen kann, daß -der weltumfassende Gedanke oder das Universum das Absolute ist, welches -alles und alles einschließt, während Welt und Begriff als gesonderte -Teile nur Einteilungen oder Relatives darstellen. - -Wir wollen den Gedanken erkennen, aber nicht den leeren, sondern den -universellen weltumfassenden Gedanken, den Gedanken im philosophischen -Sinne, wo es kein bloßer Gedanke, sondern die lebendige Wahrheit, das -Universum, Absolute oder Allerhöchste ist. - -Der absolute Begriff ist der Begriff des Absoluten, des Allerhöchsten; -davon gilt nicht nur alles Wahre, Schöne und Gute, was man dem lieben -Gott nachsagt, er ist auch dasjenige Wesen, welches allem Denken die -erforderliche Logik, Halt und Gestalt gibt. - -Wie die menschlichen Handlungen ihre wahre Begründung nicht im -+nächsten+ Zweck, sondern im +allgemeinsten+, im Wohlergehen, und -als sittliche Handlungen ihre Berechtigung nur aus dem menschlichen -Gesamtheil schöpfen, so finden alle Weltdinge ihre Begründung nicht in -der nächsten Umgegend, sondern im unendlich weiten Universum. Nicht der -in die Erde gelegte Samenkeim ist, wie der Bauer denkt, die Ursache, -daß das Pflänzchen sprießt und wächst und grünt, sondern Erde, Sonne, -Wind und Wetter, kurz die ganze Natur gehört dazu, welche letztere den -Samenkern einschließt. - -Wenden wir diese Einsicht auf unser Spezialobjekt, auf das Denkvermögen -an, so ist dasselbe kein menschlich beschränktes, allerdings auch -kein überschwengliches, sondern ein kosmisches Universalvermögen. -Wenn Du jetzt den Begriff des Absoluten erfaßt hast, verstehst Du die -Göttersprache und verstehst, wie der Intellekt für sich allein ein -wichtiges Partikelchen, aber im Zusammenhang mit dem Universum ein -universeller absoluter Bestandteil, ein Bestandteil des Absoluten ist. - -Wie das Auge Gesichtsinstrument, ist der Intellekt Begriffsinstrument. -Wie Brillen und Gläser Gesichtsmittel des Auges, so sind Sinne, -Erfahrungen, Experimente Begriffsmittel des Intellekts. - -Man weiß, daß Augen, die um die Ecke, durch ein Brett oder Nelkenduft -sehen wollen, so unverständig sind wie schwarze Schimmel. Daß wir -das Unsichtbare nicht sehen können, hindert unsere Augen nicht, ein -universales Instrument zu sein, welches alles (alles Sichtbare) sehen -kann. - -Sofern das, ist Dir auch die Professorenweisheit klar, welche -zerknirscht, wie die Methodisten, auf dem Bauche liegt und wie diese -O Herr! O Herr! so ~à la~ Du Bois-Reymond: »~Ignorabimus~« ruft. -Allerdings ist der Menschengeist ein Ignorant in dem Sinne, daß er -beständig lernt, da in der Natur ihm ein unerschöpflich Material -vorliegt. Auch ist an jedem Naturstückchen etwas Unbegreifliches, wie -an jeder Nelke etwas Unsichtbares. Die relative Beschränktheit und -Unbeschränktheit der Vernunft wird nur durch den Begriff des Absoluten -verständlich. - -Die letzten vier Stücke (21 bis 24) sind eine Zusammenfassung des -bisherigen Entwicklungsganges der Erkenntnislehre und enthalten ihre -Nutzanwendung. Brief 21 beginnt: - -Die demokratische proletarische Volkslogik forscht nach dem -+Allerhöchsten+. Das Volk weiß, es muß dienen, aber fragt sich, wem? -Dem Baal oder dem Nabuchodonossor? Wo, wer, was ist das Allerhöchste, -dem sich alles unterordnet, das System, Konsequenz, Logik in unser -Denken und Handeln bringt? Zunächst fragt sich noch: Auf welchem Wege -kommen wir zu seiner +Erkenntnis+? Da mit keiner überschwenglichen -Offenbarung gedient ist, bleiben nur zwei Wege: +Vernunft+ und -+Erfahrung+. - -Es ist nun der Fehler der landläufigen Denkweise, daß man aus diesen -Wegen +zwei+ macht, während es in der Tat nur eine, die gemeine Straße -ist, welche mittels erfahrungsmäßiger Vernunft oder vernunftmäßiger -Erfahrung dahin führt, wo wir erkennen, wie das Allerhöchste, dem -alles dient, nichts Besonderes, kein Teil oder Partikel, sondern das -Universum selbst mit allen Teilen ist. - -Sokrates und seine Schule wandelten den aparten Weg der Vernunft, um -das Allerhöchste, das Wahre, Gute, Schöne, wie sie es nannten, zu -suchen. Die platonischen Dialoge wissen es überaus prächtig ins Licht -zu setzen, daß nicht Gesundheit, nicht Reichtum, nicht Tapferkeit noch -Frömmigkeit »der Güter Höchstes«, sondern wie es bei allen Dingen -nur auf die Einsicht, nur auf den Gebrauch ankomme, den der Mensch -davon macht. Je nachdem sind sie bald gut, bald schlecht, es sind nur -relative Güter. Liebe und Treue, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit sind -wohl gut, aber nicht das Gute; sie haben nur »teil daran«. Man sucht -nach dem, was unter allen Umständen absolut gut, wahr und schön ist. - -So finden denn die Sokratiker heraus, daß nur die Einsicht oder +der -Intellekt+ die Umstände ermitteln könne, die zum Absoluten führen. - -Aus der alten Philosophie ist endlich nach mehr als -zweitausendjähriger Vermittlung durch Zwischenglieder die heutige -demokratisch-proletarische Logik entstanden, welche erkennt, daß -die Vernunft ein Instrument ist, das zum Allerhöchsten führt, unter -der Bedingung, daß sie nicht grübelt, sondern aus sich herausgeht -und mit +aller Welt+ sich verbindet. Solche Verbindung ist eben das -Allerhöchste, die unvergängliche, ewige Wahrheit, Güte, Schönheit und -Vernunft. Alle anderen Dinge haben, platonisch zu reden, »nur teil -daran«. - -Wenn auch vielfach noch mit phantastischem Anhängsel behaftet, waren -die Sokratiker doch auf dem besten Wege zur wahren Logik, indem weder -Gesundheit noch Reichtum, noch irgendein anderes Gut oder Tugend ihnen -genügte, da sie nicht die wahren Erscheinungen, sondern die Wahrheit -selbst zu kennen begehrten. Sie, die Wahrheit, ist das Universum, und -muß der Mensch sie als solche, als die alleinige kennen, um seine -Vernunft vernünftig gebrauchen zu können, vernünftig im höchsten, -klassischen Sinne des Wortes. - -Plato und Aristoteles haben ganz vorzüglich daran gearbeitet. Auch -die neueren Philosophen, Cartesius, Spinoza, Kant. Haupthindernis -für alle war das hartnäckige Vorurteil, daß der Mensch die Vernunft -im Kopfe habe. Wenn er auch dergleichen hat, dann ist es doch nicht -die vernünftige Vernunft. Der im Hirnkasten eingeschlossene Intellekt -hat nicht, wie die Alten wähnen, die Weisheit bei sich; letztere kann -deshalb auch nicht durch Grübeln geschöpft werden. - -Du wirst den Ausdruck »grübeln« nicht mißverstehen. Ich bin kein Gegner -sinnigen Nachdenkens, sondern will nur aufmerksam machen, wie man auf -den verkehrten Weg geraten ist, das Denken vom Sehen, Hören, Fühlen, -den Geist vom Körper zu trennen. Wie die Christen das Heil außer dem -Fleische, so suchten die Philosophen die Vernunft oder Erkenntnis außer -dem Zusammenhang mit der anderweitigen Welt, außerhalb der Erfahrung. -Besonders die Forschung nach der Beschaffenheit des Intellekts glaubte -in sich kriechen zu müssen. - -Dabei ist zu erwägen, daß die Sokratiker, welche das Absolute unter dem -Namen des Guten suchten, insofern beschränkt waren, als sie dasselbe -nur von der moralischen, spezifisch menschlichen Seite erfaßten -und nicht zuletzt auch von der +kosmischen+. Wie Gesundheit und -Reichtum zusammengehören, und auch das noch viel zu wenig ist für das -Menschenheil, wie dazu alle sozialen und politischen Tugenden erfordert -sind, so steckt das Gute noch nicht im Zusammenhang aller Menschen, -sondern geht darüber hinaus und hängt mit +aller Welt+ zusammen. Ohne -letztere ist der Mensch nichtig. Er hat keine Augen ohne Licht, keine -Ohren ohne Geräppel, keine Moral ohne Physik. Der Mensch ist nicht so -sehr das Maß aller Dinge, als vielmehr sein mehr oder minder großer -und intimer Zusammenhang mit allen Dingen das Maß aller Menschlichkeit -ist. Nicht die beschränkte Moralität, sondern das Universum, das -Allerhöchste, ist das Gute im allerhöchsten Sinne des Wortes, ist das -absolute Gut, Recht, Wahrheit und Vernunft. - -Die absolute Ein-Natur alles Daseins ist die unbedingte Grundlage einer -verständigen Vernunftanwendung. - -Unsere Volkslogik ist tolerant und nicht fanatisch. Die Volkslogik -will nicht vernünftig sein ohne Leidenschaft, aber auch nicht -leidenschaftlich ohne Vernunft. Sie hebt nicht den Unterschied auf -zwischen Freund und Feind, zwischen Wahrheit und Lug, zwischen -Verstand und Unverstand, sondern beschwichtigt den Fanatismus, der das -Unterscheiden übertreibt. Sie stellt den Lehrsatz an ihre Spitze: Es -gibt nur +ein+ Absolutes, das Welt+all+. - -Halte wohl fest, daß der Begriff eines Weltalls, das irgend etwas -außer oder neben sich hat, womöglich ein noch verrückterer Begriff -ist wie ein hölzernes Eisen. Daran erkennst Du zugleich, wie alle -Verschiedenheit eine gemeinschaftliche Natur hat, welche nicht zuläßt, -daß der Unterschied zwischen zwei Dingen oder Meinungen überschwenglich -groß sei. Weil das Universum das einzige höchste Wesen ist, darum sind -alle Unterschiede, auch alle Meinungsunterschiede höchst unwesentlich. - -Und nun kommt die Moral von der Geschichte. Die Menschenvernunft, das -Spezialobjekt der logischen Forschung, partizipiert am Generalwesen; -sie ist kein Wesen für sich; als isoliertes Wesen ist sie durchaus -nichtig und unvermögend, irgendeine Erkenntnis zu produzieren. Nur -im Zusammenhang, nicht nur mit dem materiellen Gehirn, sondern mit -dem Universum überhaupt ist der Intellekt lebens- und arbeitsfähig. -Nicht das Gehirn denkt, sondern der ganze Mensch gehört dazu; und -nicht nur der Mensch, sondern der Universalzusammenhang ist zum Denken -erfordert. Die Vernunft offenbart keine Wahrheit. Die Wahrheiten, -welche sich uns +mittels+ der Vernunft offenbaren, sind Offenbarungen -des Generalwesens, des Absoluten. - -Sokrates zeigt, daß er nur noch einen beschränkten, einen -anthropomorphistischen und keinen kosmischen Begriff vom »Besten und -Guten« und von der Vernunft hat. Er war von dem Vorurteil beherrscht, -von dem die unkultivierten Gottgläubigen noch immer beherrscht -sind, daß die Vernunft älter sei als die übrige Welt, daß sie der -herrschende und vorausgegangene Planmacher sei. +Unsere+ Vernunftlehre -dagegen kennt den Geist, den wir im Kopfe haben, nur als Ausfluß des -Weltgeistes. Letzteren jedoch darfst Du nicht als nebulöses Ungetüm, -nicht als Monstergeist, sondern als das leibliche Universum erkennen, -welches trotz allem Wechsel und aller Variation ewig eins, wahr, gut, -vernünftig, das Allerwirklichste und Allerhöchste ist. - -Nachdem das glänzende Dreigestirn Sokrates -- Plato -- Aristoteles -erloschen, hüllte sich der philosophische Himmel in dunkle Wolken. Die -Heiden traten von der Bühne ab, und das Christentum und die Dogmen -seiner Kirche beherrschten die Logik der Menschen, bis endlich am -Anfang der neueren Zeit hin und wieder ein wissenschaftliches Lichtlein -aufgeht. Namentlich sind es +Cartesius+ und +Spinoza+, die unter den -ersten leuchtend auftreten, die ihren Geist natürlich nur schwer und -relativ zu emanzipieren vermögen. Spinoza ist in seinem Kampfe wider -den beschränkten und für den universellen Geist besonders interessant. - -Das wahre, höchste und beständige Gut entdeckt Spinoza in der -»Erkenntnis der Einheit«, in der die Seele sich mit der ganzen Natur -befindet. »Dies ist also«, sagt er weiter, »das Ziel, nach dem ich -strebe ...« - -»Zu diesem Zwecke hat man sich der Moral, Philosophie und der Lehre -von der Erziehung der Knaben zu befleißigen und damit die ganze -Arzneiwissenschaft zu verbinden, weil die Gesundheit wesentlich zur -Erreichung dieses Zieles beiträgt. Auch die Mechanik darf nicht -übergangen werden, weil vieles Schwere durch die Kunst leicht gemacht -wird. +Vor allem aber ist ein Weg zur Verbesserung des Verstandes -aufzusuchen.+« - -Da sind wir denn wiederum beim Angelpunkt unseres Themas angekommen. -Wer, was ist der Intellekt, wo kommt er her, wo führt er hin? Antwort: -Er ist ein Licht, das nicht in sich hinein, sondern aus sich heraus -die ganze Welt beleuchtet. Darum ist die Wissenschaft, welche das -Denkvermögen zum Gegenstand hat, wenn auch eine beschränkte, dennoch -eine universelle Disziplin oder universelle Weltweisheit. - -Wenn +Sokrates+ nach der Tugend und nach dem »Besten« und Spinoza -nach steter und höchster Heiterkeit sucht, und solche Weisheit nur -auf den engeren Kreis menschlichen Getriebes ausgeht, sich also zur -kosmischen Welt noch nicht so recht erhoben hat, so laß Dich das nicht -beirren. Das Mittel und das Instrument, mit dem sie zum Zwecke streben, -ist der Intellekt. Es liegt nahe, daß die intellektuelle Forschung -zur Erforschung des Intellekts führen mußte, zur »Verbesserung des -Verstandes«, zur »Kritik der Vernunft«, zur »Logik« und so schließlich -zu der Erkenntnis, daß das Denkvermögen ein unabtrennbarer Teil des -monistischen Weltalls, des Absoluten ist, welches letztere allem Denken -Halt, Sinn und Verstand gibt. - - * * * * * - -Über die aus fünfzehn Briefen bestehende (1883 bis 1884 verfaßte) -zweite Serie der »Logischen Briefe« ist an dieser Stelle nur zu sagen, -daß sie eine Kritik von Henry Georges »Fortschritt und Armut« ist, -des in der ersten Hälfte der achtziger Jahre von den Gebildeten aller -Nationen am meisten gelesenen populär-nationalökonomischen Buches, das -noch heute die Bibel der Singletax-Ideologen genannt werden darf, das -heißt der politischen Theoretiker, die den Schäden des Kapitalismus -durch eine »einzige Steuer« (auf den Bodenwert) beizukommen wähnen. -Dietzgen schrieb diese Kritik des Henry George, um seinem Sohne, -und den späteren Lesern, Einblick in die politische Ökonomie zu -verschaffen, ihn hierbei in die Marxsche Theorie einzuführen und -gleichzeitig »die veritable Logik zu demonstrieren«. - -Der erste Teil meiner Briefe, sagt er, erläuterte die Logik am -menschlichen Geiste; der zweite Teil soll sie an der menschlichen -Arbeit erläutern. Der Geist oder die Denktätigkeit ist das allgemeine -Gebiet, welches nicht nur mit allem, was menschlich, sondern mit dem -Universum zusammenhängt. Das Objekt dieses zweiten Teiles, die Arbeit, -ist nicht minder universell und in ihrem kosmischen Zusammenhang ein -vorzügliches Erläuterungsmittel unserer Spezialität, der Kopfarbeit. - -Weiter bemerkt er: Die Quintessenz aller Denkkunst ist der -Einheitsbegriff, der Begriff, wie es barer Unsinn ist, sich mit der -Meinung zu tragen, daß es zwei unterschiedene Dinge geben könne, die -nicht zugleich gemeinschaftlicher Natur seien. Diesen Begriff von -der Einheit aller Differenz hat Henry George nicht erfaßt. Er bringt -deshalb Differenzen in die politische Ökonomie, die der Auflösung -bedürfen. Ich stelle mir also die Aufgabe, nachzuweisen, daß nicht im -ökonomischen Sachverhalt, sondern in der Anschauung des Autors von -»Fortschritt und Armut« Widersprüche oder Differenzen enthalten sind, -die mit Hilfe besserer Logik leicht zu ordnen. - -Die Ökonomie handelt von der Erzeugung und Verteilung des Reichtums. -Der wesentlichste Produzent oder Hauptfaktor desselben ist die -menschliche Arbeit. Daß diese Arbeit nicht in der Luft hängt, sondern -mit zwei Beinen auf der Erde steht, daß sie nicht arbeiten kann ohne -Gegenstände, Materialien, Mittel und Werkzeuge, ist selbstverständlich. -Wenn jemand lehrt, die Arbeit ist der Schöpfer des Reichtums, und es -kommt ein anderer mit: »Nein! Die Arbeit kann nichts schaffen, wenn -nicht die Natur und ihre Reichtümer schon vorhanden sind«, so ist klar, -wie dieser andere nur behauptet, was niemand bestreitet. - -Nachdem wir ein für allemal wissen, daß es in der Welt nichts -Besonderes gibt, welches absolut ist, wenn wir wissen, wie das Absolute -ein Name für das All oder Universum ist, welches gleich dem lieben Gott -keinen neben sich hat, dann wissen wir auch, daß die Arbeit nur relativ -»schaffen«, nur in Verbindung mit den Materialien der Natur und den -Errungenschaften der Geschichte Reichtümer zeugen kann. - -Es ist dies der Kernpunkt, weshalb ich mit dem Verfasser von -»Fortschritt und Armut« hadere. Dieser ist Gegner des Satzes: Arbeit -allein schafft Reichtümer. Er behauptet, die Natur, die den sauren Wein -mit der Zeit süß und aus dem Kalb eine Kuh macht (3. Kapitel, 3. Buch), -arbeite mit. Das bestreiten wir nicht; wir widerstreiten nur, daß -Kapitalien, die von Natur aus »mitarbeiten«, deshalb auch von Natur aus -berufen sind, an den Früchten der Arbeit zu partizipieren. Der Streit -um die Erzeugung der Reichtümer ist in der Tat nur ein Streit um ihre -Verteilung. - -Der bisherige Fortschritt in der Kunst, Reichtümer zu zeugen, ist -zugleich ein Fortschritt in der Armut der arbeitenden Klasse. Das -Büchlein zeigt dies so deutlich und mannigfaltig, daß darüber kein -Wort weiter zu verlieren ist. Wenn auch der Arbeiter des neunzehnten -Jahrhunderts ebenso gut und wenn er auch besser genährt ist als der des -achtzehnten, siebzehnten und sechzehnten, so ist doch evidentermaßen -sein Anteil am Arbeitsertrag viel kleiner. Es handelt sich darum, -diesem Widerspruch zu steuern. Henry George ist ein Parteigänger der -irischen Landliga, welche sich mit der Hoffnung trägt, die Verwandlung -des Grund und Bodens in Gemeineigentum würde die »soziale Frage« lösen. - -Die ebenso lehrreiche wie interessante Polemik Dietzgens gegen -George im einzelnen gehört aber, da sie keine theoretische, sondern -angewandte Logik ist, nicht in den Rahmen dieses Buches. Wer durch -die vorliegende Darstellung der Lehre und Weltanschauung Josef -Dietzgens sich angeregt fühlt, der »Logischen Briefe« ersten Teil in -der Gesamtausgabe zu lesen, wird sicherlich auch dem zweiten Teil -sein Interesse zuwenden, selbst wenn er noch jenseits des Marxschen -Sozialismus seinen Standpunkt hat. Denn auch bei Behandlung von Fragen -der politischen Ökonomie bekundet unser Autor seine Originalität und -zeigt uns Gesichtspunkte wie kein anderer marxistischer Sozialist, Karl -Marx selbst eingeschlossen, von dem Dietzgen seine Ökonomie fertig -übernommen zu haben mehrfach freudig bekennt. - -Hier ein Beispiel. Dietzgen sagt im dritten Brief der zweiten Serie: - -Bekanntlich wird von der Naturwissenschaft alles auf Bewegung -reduziert. Licht, Töne, Wärme, Stoff und Kraft, alles ist Bewegung. -So berechtigt sie dazu ist, so berechtigt ist die Ökonomie, alles -als Arbeit zu fassen. Alles ist Bewegung, alles ist Arbeit. Auch ist -alles Natur. Alles ist das All oder Universum, wovon jeder Teil -universell ist, jeder Teil die Generalnatur des Ganzen und das Ganze -die Generalnatur eines jeden Teiles hat. Der Begriff des Universums ist -der Kardinalbegriff der Logik. Es, das Universum, ist der Inbegriff -aller Dinge. Das Unterabteilen oder Unterscheiden der universellen -Einheit ist der logische Springpunkt. Er lehrt: Du sollst keinen -Unterschied übergroß machen, Du sollst keinen überschwenglichen, -keinen metaphysischen Unterschied glauben. Alles ist unterschieden, -aber nur so mäßig, daß die Natur von allem in allem enthalten, daß, -burschikos ausgedrückt, alles ein einziger Schwamm ist, im Verstand -auch Unverstand und im Unverstand immer noch Verstand steckt. - -Also in solchem Sinne ist die ganze Welt eine Arbeit und die -menschliche nur ein spezieller Teil der universalen. Es wäre logische -Beschränktheit, das Objekt der Ökonomie nicht bis »in die Puppen« -generalisieren zu wollen; es wäre konfus, bei solcher Generalisation -es bewenden zu lassen und nicht zur Unterabteilung, nicht zur -Spezifikation fortzuschreiten. Die menschliche Arbeit ist eine -Unterabteilung, die wieder untergeteilt ist in urwüchsig kommunistische -Arbeit, Sklavenarbeit, Fronarbeit und Lohnarbeit. Letztere ist -derjenige partikuläre Teil, der uns speziell interessiert, den ich, der -Logik wegen, Dir im Zusammenhang mit dem Universum zeige. - -Die Arbeit der Konkurrenzgesellschaft teilt sich -- in freie Arbeit, -die sich selbst lohnt und meist von Nichtstuern geleistet wird, und in --- »freie Arbeit« (mit Gänsefüßchen), die sich nicht lohnt, sondern -gelohnt wird und Lohnarbeit heißt. - -Daß so von der Arbeit, die sich selbst lohnt, gesagt wird, sie -sei verrichtet von Nichtstuern,[13] klingt paradox und ist doch -verständlich, wenn Du aufmerkst, wie vom Ertrag der nationalen Arbeit -die effektiven Arbeiter für den Kopf einen erbärmlichen und die -Industrieritter einen solch riesigen Anteil davontragen. - -Zunächst jedoch laß uns absehen von den Unterabteilungen der -Konkurrenzarbeit und im Auge behalten, daß sie mit aller menschlichen -Arbeit und mit der Natur zusammenhängt, davon Teil oder Abteilung -ist. Es ist das besonders um deswegen hervorzuheben, weil ökonomische -Konfusionsräte, wenn später vom Werte die Rede ist, diesen natürlichen -Zusammenhang als Mittel brauchen, um unsere Werttheorie konfus zu -machen, welche namentlich von Marx in glänzender Weise klargelegt wurde. - -Arbeit schafft Produkte. Naturarbeit schafft wildwachsende Bäume, -Gräser, Sonnenstrahlen und andere kostenlose Dinge, während -Menschenarbeit -- natürlich mit Hilfe der Natur -- kostenreiche -Produkte schafft. So gibt es denn keine reinen menschlichen -Arbeitsprodukte, sondern all unsere Arbeit muß sich mit dem -Naturmaterial gleichsam chemisch verbinden. Derart gewinnt die -menschliche Arbeit materielle Form und läßt sich aufspeichern. -Aufgespeicherte Arbeit nimmt in der Ökonomie einen hohen Rang ein, -besonders weil sie als Mittel dient, die lebendige Arbeit immer -ergiebiger zu machen. - -Die Einteilung der menschlichen Arbeit in gegenwärtige, lebendige -und in vergangene, tote, aufgespeicherte Arbeit ist eine logische -Operation, die zur ökonomischen Erhellung dient. Die tote Arbeit liegt -nicht nur in materiellen Stücken umher, sondern hat auch geistige -Formen. Die Errungenschaft an größerer Einsicht in den Naturprozeß, -die verbesserten Arbeitsmethoden usw. usw. sind alle aufgespeicherte -Arbeit. Du darfst nicht glauben, daß zwischen geistiger und -körperlicher Arbeit kein Unterschied sei, aber auch nicht glauben, -derselbe sei so exakt, daß man irgendein materielles Stück Arbeit -haben könne, das nicht mit dem Geiste verquickt, oder irgendeine -intellektuelle Einsicht, die nicht stofflich geworden. Nicht nur Papier -und Druckerschwärze, auch alle Instruktionen, welche der Meister dem -Lehrling mündlich erteilt, sind aufgespeicherte Arbeiten unserer -Vorfahren. - -Meine Logik, die in der ersten Serie den Zusammenhang von Geist -und Bein behandelte, handelt in diesem zweiten Teile vom geistigen -und körperlichen und anderweitigen Arbeitszusammenhang, den sie in -Gattungen und Arten, in Abteilungen und Unterabteilungen trennt und -teilt, um das Ganze als ein Ungeteiltes darzustellen. - - - - -IX. - -Erkenntnistheoretische Streifzüge. - - -Die »Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet der Erkenntnistheorie« -(Chicago 1886) erschienen zuerst in der »Sozialdemokratischen -Bibliothek« (Hottingen-Zürich 1887). Genaue Kenntnis des »Wesens der -menschlichen Kopfarbeit« und der »Logischen Briefe« erster Teil ist -unbedingtes Erfordernis zu leichtem Verständnis und vollem Genuß dieser -Schrift. - -Der erste Abschnitt behandelt die Frage, ob wir +alles+ erkennen -können? Der Autor wählt als Überschrift dieses Abschnitts den -»oft zitierten Dichterspruch«: »Ins Innere der Natur dringt kein -erschaffener Geist.« - -Vollständig lautet das Zitat: - - »Ins Innere der Natur -- Dringt kein erschaffener Geist.« - »Glücklich, wem sie nur -- Die äußere Schale weist.« - -Es stammt von dem im Jahre 1777 verstorbenen Dichter (und Botaniker, -Zoologen, Anatomen) Albrecht v. Haller. - -Goethe hat (in »Gott und Welt«) sehr ergrimmt folgendes darauf erwidert: - - -+Allerdings.+ - -Der Physiker. - - »+Ins Innere der Natur+ -- - O du Philister! -- - +Dringt kein erschaffener Geist+.« - Mich und Geschwister - Mögt ihr an solches Wort - Nur nicht erinnern; - Wir denken: Ort für Ort - Sind wir im Innern. - »+Glücklich, wem sie nur - Die äußere Schale weist+.« - Das hör' ich sechzig Jahre wiederholen, - Ich fluche drauf, aber verstohlen; - Sagt mir tausend, tausend Male: - Alles gibt sie reichlich gern; - Natur hat weder Kern - Noch Schale; - Alles ist sie mit +einem+ Male. - Dich prüfe du nur allermeist, - Ob du Kern oder Schale seist. - -Auch das nächstfolgende Gedicht Goethes »Ultimatum« bezieht sich -hierauf. - -Ich weiß nicht, ob Dietzgen durch Goethes Polemik gegen Haller angeregt -wurde, an des letzteren Ausspruch anzuknüpfen; im übrigen ist es völlig -gleichgültig, da unseres Autors Anschauungen über die pantheistischen -des Altmeisters weit hinausgehen. - -Mit dem angeblich von einem höheren Geist »erschaffenen Geist« des -Menschen, dem geistigen Organ, das dem Menschen von Natur im Kopfe -angewachsen ist, hat es Dietzgen hier zunächst zu tun, und sodann mit -dem Thema des Eindringens unseres Intellekts ins Innere der Natur. -Unser Autor sagt: - -Wie die Fetischdiener die gemeinsten Dinge, Steine und Hölzer, -verhimmeln, so ist auch der »erschaffene Geist« verhimmelt und -mystifiziert worden; zuerst religiös und danach philosophisch. Was die -Religion Glaube und übernatürliche Welt, das nannte die Philosophie -+Metaphysik+. Bevor die Philosophie in das Innere des erschaffenen -Geistes eindringen konnte, mußte ihr von der Naturwissenschaft durch -praktische Betätigung erwiesen werden, wie das geistige Instrument des -Menschen die bezweifelte Fähigkeit wohl besitzt, das Innere der Natur -erhellen zu können. - -Auch die unbekannteste Welt und die geheimnisvollsten Dinge gehören -mit allen bekannten Gegenden und Gegenständen in eine und dieselbe -Kategorie, nämlich in den universellen Naturverband. Der »erschaffene -Geist« macht keine Ausnahme von diesem wissenschaftlichen Gesetz. - -Der alte religiöse Vorstellungskreis ist der Erkenntnis hinderlich, -daß die Natur nicht nur eine nominelle, sondern eine wahrhaftige Monas -ist, welche +nichts+ anderes, auch keinen +unerschaffenen Geist+, weder -über sich, noch in sich, noch neben sich hat. Der Glaube an einen -unerschaffenen, monströsen, religiösen Geist hindert die Erkenntnis, -daß der Menschengeist von der Natur selber geschaffen und erzeugt -wurde, also deren eigenes Kind ist, demgegenüber sie keine besondere -Sprödigkeit kennt. - -Dennoch ist die Natur spröde; sie erschließt sich nie auf einmal -und nie ganz und gar. Sie kann sich nicht +ganz+ hingeben, weil sie -+unerschöpflich+ ist an Gaben. Dennoch ist der »erschaffene Geist«, -dies Kind der Natur, eine Lampe, welche nicht nur das Äußere, sondern -auch das Innere der Natur erhellt. Inneres und Äußeres sind +gegenüber -dem physisch unendlichen und unerschöpflichen einzigen Naturwesen+ -verzopfte Begriffe. Ebenso ist der »erschaffene Geist« ein verzopfter -Begriff, insofern derselbe auf einen unerschaffenen großen, monströsen, -metaphysischen Geist hinweisen soll, der seinen Sitz über den Wolken -hat. - -»Der große Geist« der Religion ist die Ursache von der Verkleinerung -des Menschengeistes, welcher sich der Dichter schuldig macht, -der letzterem die Fähigkeit abspricht, in das »Innere der Natur« -einzudringen. Und zugleich ist doch der unerschaffene, monströse Geist -nur ein +phantastisches Abbild+ des »erschaffenen« physischen Geistes. - -Die Erkenntnistheorie in ihrer entwickeltsten Gestalt vermag diesen -Satz gründlichst zu beweisen. Sie zeigt uns, daß der »erschaffene -Geist« seine sämtlichen Vorstellungen, Gedanken und Begriffe der -einen monistischen Welt entlehnt, welche die Naturwissenschaft -»physische« Welt nennt. Die gute Mutter Natur hat ihm etwas von ihrer -Unerschöpflichkeit angeerbt. Er ist so unbeschränkt und unerschöpflich -an Erkenntnissen, wie sie unbeschränkt ist in der Willfährigkeit, ihre -Brust zu öffnen. Beschränkt ist das Kind nur durch den unbeschränkten -Reichtum der Mutterliebe: es kann die Unerschöpfliche nicht erschöpfen. - -Der »erschaffene Geist« dringt mit seiner Wissenschaft bis in das -Allerinnerste der Natur, aber darüber hinaus kann er nicht dringen, -nicht weil er ein beschränkter Geist ist, sondern weil die Mutter eine -unendliche Natur, eine natürliche Unendlichkeit ist, die nichts außer -sich hat. - -Die wunderbare Mutter hat ihrem natürlichen Kinde das +Bewußtsein+ -angeerbt. -- Der erschaffene Geist kommt mit der Anlage zur Welt, sich -bewußt zu werden, daß er das Kind seiner guten Mutter Natur ist, welche -ihm die Fähigkeit anerschaffen, sich von allen anderen Kindern seiner -Mutter, von allen seinen Geschwistern treffliche Bilder zu entwerfen. - -Die von der philosophischen Wissenschaft im Laufe der Jahrhunderte -zusammengetragenen Kenntnisse vom »erschaffenen Geiste« gipfeln in -der Lehre, daß dieser Geist eine Kraft, eine Naturkraft ist, wie die -Schwerkraft, wie Wärme, Licht, Elektrizität usw.; und dann auch neben -seiner allgemeinen Natur, ganz wie die anderen Kräfte, ein spezielles -Naturell besitzt, welches ihn allein auszeichnet und kennbar macht. -Prüfen wir diese Spezialnatur des »erschaffenen Geistes« näher, so -findet sich, daß ihm die, wenn man will »wunderbare« Eigenschaft -angeboren ist, ohne weiteres und mit zweifellosester Sicherheit zu -wissen, daß zwei Berge nicht ohne Tal sind, der Teil kleiner ist als -das Ganze, Kreise nicht viereckig und Bären keine Elefanten sind. - -Solche Wissenschaft ist uns durch die objektive Untersuchung des -»erschaffenen Geistes« gegeben. - -Der überschwengliche Geist ist ein phantastischer Begriff. - -Ebenso phantastisch ist denn auch der Naturbegriff derjenigen, welche -von einer Natur reden wollen, die dem »erschaffenen Geist« ihr Inneres -verschließt. Die Natur ist das Unendliche. Wer das begreift, begreift -auch, wie man bei ihr nicht vom Inneren oder Äußeren reden kann. Alle -diese Bezeichnungen gelten nicht von der Natur überhaupt, welche das -Absolute ist, sondern nur von ihren Teilen, von ihren Produkten, ihren -Kindern, den einzelnen Dingen. - -Wollen wir uns ein rechtes Bild machen von der Natur und ihrem -»erschaffenen Geiste«, so müssen wir dem letzteren vor allem -das Bewußtsein beibringen, daß er sich nicht über seine Mutter -erheben darf, wie er damals getan, als er noch von einem über- und -außernatürlichen Geist gefabelt. Ein rechter Begriff vom Menschengeist -ist nur zu gewinnen, wenn wir uns das klare und deutliche Bewußtsein -von der +Universalität+ der Natur aneignen. Unser Geist ist ihr eigenes -Produkt. Sie hat ihm die Gabe und die Bestimmung angeerbt, sich -Einsicht von ihr und allen ihren Erscheinungen zu verschaffen. -- »Von -allen«, sage ich und spreche im verständig-mäßigen Sinne des Wortes, -ohne zu verkennen, wie unerschöpflich die Natur in der Produktion ihrer -Erscheinungen ist, und wie der »erschaffene Geist«, sofern er ein Stück -der Natur, trotz all seiner Universalität im Begreifen, doch nur ein -beschränktes Naturgeschöpf sein kann. - -Wer sich die Resultate der Naturwissenschaft betrachtet, kann die Natur -keiner mysteriösen Verschlossenheit beschuldigen, und wer dabei die -Resultate der Philosophie in Betracht zieht, kann nicht verkennen, daß -der Menschengeist berufen ist, alle möglichen Rätsel zu lösen. Das -Unmögliche aber hat weder Sinn noch Verstand und darf also kein Objekt -unserer Betrachtung und Beachtung sein. - -So innig wie das Gesichtsvermögen mit Licht und Farbe, oder das -subjektive Tastvermögen mit der objektiven Tastbarkeit, so innig -hängt der »erschaffene Geist« mit dem Rätsel der Natur zusammen. -Diesen Zusammenhang der Dinge übersehen zu haben, ist der Fehler jener -rückständigen Erkenntnistheoretiker, welche derart über Geist und Natur -im unklaren schweben, daß sie Rettung jenseits der Wolken suchen. - -Die überschwengliche Verkleinerung des Geistes, dem man abspricht, das -Innere der Natur erhellen zu können, und ebenso die überschwengliche -Mystifizierung der Natur, deren Inneres unbegreiflich sein soll -- -beide entspringen einer Denkweise, welche naturwüchsig jahrtausendelang -den Menschen beherrscht hat, während die philosophische Bemühung -es endlich dahin gebracht, daß nunmehr umgekehrt der Mensch seine -Denkweise beherrscht, wenigstens so weit, daß er mehr regel- und -kunstgerecht die ihm aufgegebenen Rätsel zu lösen weiß. - -Es ist ein Gesetz der natürlichen Logik und der logischen Natur, daß -jedes Ding in seiner Gattung bleiben muß, daß sich die Gattungen und -ihre Arten zwar verändern können, aber nicht so übermäßig, daß sie aus -der Generalgattung, aus der natürlichen, herauswachsen. Es kann deshalb -keinen Geist geben, der so tief in das Innere dringt, daß er die Natur -zusammenklappen und gleichsam in die Tasche stecken könnte. - -Im zweiten Abschnitt »Die absolute Wahrheit und ihre natürlichen -Erscheinungen« schildert Dietzgen, wie er durch das Studium von -Feuerbach und Marx' ersten Schriften in seinem Streben unterstützt -wurde, einen Maßstab zur Beurteilung dessen, was wahr und recht ist, zu -erlangen. - -Zur näheren Erkenntnis der Natur der absoluten Wahrheit ist vor allem -dem eingewurzelten Vorurteil entgegenzutreten, als sei dieselbe -geistiger Natur. Nein: die absolute Wahrheit läßt sich sehen, hören, -riechen, fühlen, allerdings +auch erkennen; aber sie geht nicht auf in -Erkenntnis+; sie ist kein purer Geist. Die absolute Wahrheit hat keine -+besondere+ Natur, vielmehr die Natur des Allgemeinen; die allgemeine -natürliche Natur und die absolute Wahrheit sind identisch. Es gibt -keine zwei Naturen, eine körperliche und eine geistige; es gibt nur -eine Natur, worin alle Körper und alle Geister enthalten sind. - -Das Universum ist identisch mit der Natur, mit dem Weltall und der -absoluten Wahrheit. - -Was wir +erkennen+, sind Wahrheiten, relative Wahrheiten oder -Naturerscheinungen. Die Natur selbst, die absolute Wahrheit, läßt sich -nicht erkennen, nicht direkt, sondern nur +mittels+ ihrer Erscheinungen. - -Da die menschliche Erkenntnis nicht das Absolute ist, sondern nur -ein Künstler, der sich von der Wahrheit Bilder macht, wahre, echte, -rechte und treffende Bilder, so ist doch selbstredend, daß das Bild -den Gegenstand nicht erschöpft und der Maler hinter seinem Modell -zurückbleibt. Es ist niemals etwas Geistloseres von der Wahrheit noch -von der Erkenntnis gesagt worden, als das, was die gebräuchliche Logik -seit Jahrtausenden davon sagt: Wahrheit sei die Übereinstimmung unserer -Erkenntnis mit ihrem Gegenstand. Wie kann das Bild mit seinem Modell -»übereinstimmen«? -- Annähernd, ja. Welches Bild stimmt nicht annähernd -mit seinem Gegenstand? Mehr oder minder treffend ist doch jedes -Porträt. Aber ganz getroffen und ganz trefflich -- abnormer Gedanke! - -Also nur relativ können wir die Natur und ihre Teile erkennen; denn -auch jeder Teil, obgleich nur eine Relation der Natur, hat doch auch -wieder die Natur des Absoluten, die mit der Erkenntnis nicht zu -erschöpfende Natur des Naturganzen an sich. - -Die wissenschaftliche Erkenntnis darf nicht nach absoluter Wahrheit -begehren, weil letztere, die absolute Wahrheit, ohne weiteres sowohl -sinnlich als geistig +gegeben+ ist. Was wir zu erkennen verlangen, -sind die Erscheinungen, die Besonderheiten der allgemein gegebenen -Wahrheit. Sie gibt sich uns in ihren Spezialitäten willfährig. -Was unsere Erkenntnis zu besorgen hat, sind treffliche Bilder, -Erkenntnisbilder. Dabei handelt es sich nur um relative Trefflichkeit -oder Vollständigkeit. Mehr darf der Menschenverstand nicht wollen. -Ein Verlangen nach einer anderen absoluten Wahrheit ist eine von der -Geschichte der menschlichen Erkenntnis überwundene Schwärmerei; während -die Bescheidenheit, die sich mit Erkenntnis relativer Wahrheiten -begnügt, vernünftige Bildung genannt wird. - -Die Philosophie hat wie die Religion in dem Glauben an eine -überschwengliche absolute Wahrheit gelebt. Die Auflösung des Problems -liegt in der Erkenntnis, daß die absolute nichts weiter als die -generalisierte Wahrheit ist, daß dieselbe nicht im Geiste wohnt, dort -wenigstens nicht mehr zu Haus ist als anderswo, sondern im +Objekt+ des -Geistes, welches wir mit dem Generalnamen »Universum« bezeichnen. - -Wie unser Auge alles sehen kann, wenn auch mit Hilfe von Gläsern, und -doch nicht alles, denn es kann weder Töne noch Gerüche, überhaupt -nichts Unsichtbares sehen, so kann unser Erkenntnisvermögen alles -erkennen und doch nicht alles. Das Unerkennbare kann es nicht erkennen. -Das ist aber auch überschwenglich oder ein überschwengliches Begehren. - -Wenn wir erkennen, daß die absolute Wahrheit, woran Religion und -Philosophie im Überschwenglichen oder Transzendenten gesucht haben, -realiter als leibliches Universum vorhanden ist, und der Menschengeist -nur ein leiblicher oder realer oder wirklicher und wirkender Teil -der Generalwahrheit ist, der den Beruf hat, andere Teile der -Generalwahrheit wahrhaft abzubilden, so ist damit das Problem des -Beschränkten und des Unbeschränkten vollkommen gelöst. Absolutes und -Relatives ist nicht überschwenglich getrennt, beides hängt zusammen, so -daß das Unbeschränkte aus unendlichen Beschränktheiten zusammengesetzt -ist und jede beschränkte Erscheinung die Natur des Unendlichen an sich -hat. - -Der dritte Abschnitt »Materialismus kontra Materialismus« zeigt den -Unterschied des sozialdemokratischen oder dialektischen Materialismus -vom metaphysischen, speziell französischen des achtzehnten Jahrhunderts -und den Gegensatz dieser beiden Richtungen zum metaphysischen deutschen -Idealismus von Kant, Fichte, Schelling, Hegel. - -Der Idealismus leitet die Körperwelt aus dem Geiste ab, nach dem -Vorgang der Religion, wo der große Geist über den Wassern schwebt und -nur zu sagen hat »es werde!«, auf daß es ward. Solche idealistische -Ableitung ist metaphysisch. Jedoch waren die letzten berühmten -Ausläufer des deutschen Idealismus sehr abgeschwächte Metaphysiker. -Von dem außerweltlichen übernatürlichen, himmlischen Geiste hatten -sie sich ziemlich emanzipiert, aber nicht von der Schwärmerei für den -diesseitigen natürlichen Geist. Sie mühen sich unendlich ab, über das -Verhältnis zwischen unseren geistigen Vorstellungen und den materiellen -Dingen, welche vorgestellt, begriffen und gedacht werden, ins klare zu -kommen. - -Die metaphysischen Materialisten des achtzehnten Jahrhunderts und -ihre heutigen Nachzügler unterschätzen den Menschengeist und die -Forschung nach seiner Beschaffenheit und seiner rechten Anwendung -ebensosehr, als die Idealisten diese Dinge überschwenglich hochstellen. -Sie, die Materialisten, erklären zum Beispiel die Naturkräfte als -+Eigenschaften+ des tastbaren Stoffes und speziell die geistige Kraft, -die Gedankenkraft, als eine Eigenschaft des Hirns. Die Materie oder -das Materielle, das heißt das Wägbare und Tastbare, ist in ihren -Augen die Hauptsache der Welt, das Primäre oder die Substanz, und die -Denktätigkeit, gleich allen anderen untastbaren Kräften, nur sekundäre -Eigenschaft. Mit anderen Worten, den alten Materialisten ist die -Materie das erhabene Subjekt und alles Weitere untergeordnetes Prädikat. - -Im dialektischen Materialismus haben die Stoffe nicht mehr zu bedeuten -als die Kräfte, die Kräfte nicht mehr als die Stoffe. - -Das unterscheidende Merkmal zwischen den mechanischen Materialisten -des achtzehnten Jahrhunderts und den durch die Schule der deutschen -Idealisten gewitzigten sozialdemokratischen Materialisten besteht -darin, daß letztere den bornierten Begriff der Materie von der +nur -tastbaren+ und wägbaren Materie auf alle vorkommenden Materialien -erweiterten: auf das Sichtbare, Riechbare, Hörbare und, da schließlich -die ganze Natur Material der Forschung und demnach alles materiell -genannt werden darf, sogar den Menschengeist; denn auch dieses Objekt -dient der Erkenntnistheorie als Material. - -Wir neueren Materialisten sind nicht der beschränkten Meinung, daß -die wäg- und tastbare Materie die Materie ~par excellence~ sei; wir -halten dafür, daß auch der Blumenduft, auch Töne und Gerüche Materien -seien. Wir fassen nicht die Kräfte als ein bloßes Anhängsel, als pures -Prädikat des Stoffes auf und den Stoff, den tastbaren, als das »Ding«, -welches alle Eigenschaften dominiere. Wir denken von Stoffen und -Kräften demokratisch. Da sind die einen soviel wert als die anderen; -alle einzelnen sind nichts als Eigenschaften, Anhängsel, Prädikate oder -Attribute des großen Natur-Ganzen. Da ist nicht das Hirn der Matador -und die geistige Funktion der untergeordnete Diener. Nein, wir modernen -Materialisten behaupten, daß die Funktion ebensoviel und ebensowenig -ein selbständiges Ding ist als die tastbare Hirnmasse oder als -irgendeine andere Materialität. Auch die Gedanken, ihr Herkommen und -ihre Beschaffenheit sind ebenso reale Materien und erforschungswerte -Materialien als irgendwelche. - -Materialisten sind wir, weil wir aus dem Geiste keine »metaphysische« -Monstrosität machen. Die Denkkraft ist uns ebensowenig ein »Ding -an sich« als die Schwerkraft oder der Erdkloß. Alle Dinge sind nur -Zusammenhänge des großen Universalzusammenhangs, welcher allein -dauerhaft, wahrhaft, bleibend, keine Erscheinung, sondern das einzige -»Ding an sich« und die absolute Wahrheit ist. - -Weil wir sozialistische Materialisten nun einen +zusammenhängenden+ -Begriff von der Materie und dem Geiste haben, sind uns auch die -sogenannten geistigen Verhältnisse, wie die der Politik, der Religion, -der Moral usw., materielle Verhältnisse, und die materielle Arbeit, -ihre Stoffe und die Magenfrage sehen wir nur insofern an als die -Unterlage, als die Voraussetzung und den Grund aller geistigen -Entwicklung, als das Tierische der Zeit nach früher ist als das -Menschliche, was nicht hindert, den Menschen mit seinem Intellekt hoch -und höher zu schätzen. - -Der sozialistische Materialismus zeichnet sich dadurch aus, daß er -den Menschengeist nicht unterschätzt, gleich den Materialisten alter -Schule, und auch nicht überschätzt, gleich den deutschen Idealisten, -sondern in seiner Schätzung +mäßig+ verfährt und den Mechanismus -wie die Philosophie mit kritisch-dialektischem Auge ansieht, als -Zusammenhänge des untrennbaren Weltprozesses und -progresses. - -»Darwin und Hegel« betitelt sich der vierte Abschnitt. - -Dietzgen will »dem beinahe verschollenen Hegel, der bei der Nachwelt -seine verdiente Anerkennung finden wird«, die ihm gebührende Würdigung -als Vorläufer Darwins zollen: - -Darwin ist ein genialer Ausarbeiter der Hegelschen Erkenntnistheorie. -Letztere ist eine Entwicklungslehre, die nicht nur die Entstehung -der Arten alles animalischen Lebens, sondern auch die Entstehung und -Entwicklung aller Dinge umfaßt; sie ist eine kosmische Theorie der -Entwicklung überhaupt. Die ihr bei Hegel noch anklebenden Dunkelheiten -fallen der Person des Philosophen so wenig zur Last, als dem Darwin zur -Last fällt, daß er über seine »Entstehung der Arten« nicht das letzte -Wort gesagt hat. - -Der Darwinsche Gegenstand ist ein ebenso unendlicher und -unausforschlicher wie der Hegelsche. Der eine suchte nach der -Entstehung der Arten, der andere nach der Erklärung des menschlichen -Denkprozesses. Das Resultat beider ist die +Entwicklungslehre+. Sie -haben die +monistische Weltanschauung+ auf eine Höhe gehoben und mit -positiven Entdeckungen unterstützt, die vorher unbekannt waren. - -Die Darwinsche Entwicklungslehre beschränkt sich auf die Tierarten; -sie beseitigt die Klüfte, welche die religiöse Weltanschauung zwischen -den Klassen und Arten der Geschöpfe aufrichtet. Darwin emanzipiert -die Wissenschaft von dieser religiösen Klassenanschauung und weist -die göttliche Schöpfung +in bezug auf diesen speziellen Punkt+ aus -der Wissenschaft hinaus. In diesem Punkt setzt er an die Stelle -der transzendenten überschwenglichen Schöpfung die hausbackene -Selbstentwicklung. Um zu zeigen, daß Darwin nicht aus den Wolken -gefallen, erinnern wir an Lamarck, der bekanntlich Darwin die Priorität -streitig macht. Damit wird keineswegs das Darwinsche Verdienst -geschädigt, indem Lamarck nur auf den philosophischen Lichtblick, -Darwin aber auf spezialisierten Nachweis Anspruch hat. - -Hegel gebührt das Verdienst, die Selbstentwicklung der Natur auf -+umfassendster+ Grundlage aufgestellt, die Wissenschaft in generellster -Weise von der Klassenanschauung emanzipiert zu haben. Darwin kritisiert -die überkommene Klassenanschauung zoologisch, Hegel universell. - -Hegel lehrt die Entwicklungstheorie; er lehrt, daß die Welt nicht -gemacht wurde, keine Schöpfung, kein unveränderliches +Sein+, sondern -ein +Werden+ ist, das sich selbst macht. Wie bei Darwin die Tierklassen -ineinanderfließen, so fließen bei Hegel alle Klassen der Welt, Nichts -und Etwas, Sein und Werden, Quantität und Qualität, Zeit und Ewigkeit, -Bewußtes und Unbewußtes, Fortschritt und Bestand, unvermeidlich -ineinander. Er lehrt, daß Unterschiede überall bestehen, aber nirgends -übertriebene, »metaphysische« oder überschwengliche Unterschiede. -Dinge, die »+wesentlich+« voneinander unterschieden sind, gibt es nach -Hegel nicht. Das Unterscheiden zwischen wesentlich und unwesentlich ist -nur auf relativer Stufenleiter zu verstehen. Es gibt nur ein absolutes -Wesen, das ist der +Kosmos+, und alles, was da drin und drum und dran -hängt, sind flüssige, vergängliche, wandelbare Formen, Akzidenzen oder -Eigenschaften des Generalwesens, welches in Hegelscher Sprache den -Namen des Absoluten führt. - -Hegel hat die Entwicklungslehre viel universeller vorgetragen als -Darwin. Wir wollen deshalb einen nicht dem andern vorziehen oder -subordinieren, sondern einen mit dem andern ergänzen. Wenn uns -Darwin lehrt, wie die Amphibien und Vögel keine ewig separierten -Klassen, sondern Lebewesen sind, die aus einander hervorgehen und -ineinanderfließen, so lehrt Hegel, wie +alle+ Klassen, wie die ganze -Welt ein lebendiges Wesen ist, die nirgends feste Grenzen hat, so daß -selbst das Kennbare und Unkennbare, das Physische und Metaphysische -ineinanderfließt, und etwas absolut Unbegreifliches eine Sache ist, -die nicht in die monistische, sondern in die religiöse, dualistische -Weltanschauung gehört. - -Hegel hat viel Verwandtschaft mit dem alten Herakleitos, welcher den -Beinamen »der Dunkle« führt. Beide lehren, daß die Dinge der Welt nicht -feststehen, sondern fließen, das heißt, sie entwickeln sich; und beide -verdienen auch den dunklen Beinamen. - -Die Arbeiten von Darwin und Hegel, ob noch so verschieden, haben den -Kampf wider die Metaphysik, wider das Unsinnliche und Unsinnige gemein. -Indem wir uns vorsetzen, sowohl den Unterschied als die Gemeinschaft -der genannten Forscher klarzustellen, können wir nicht umhin, die -große Seeschlange ernstlich in den Kreis der Erörterung zu ziehen. -Der Spaß wird aber erschwert durch die vielen Namen, die im Laufe der -Geschichte dem Ungeheuer beigelegt wurden. -- Was ist Metaphysik? -Sie ist dem Namen nach eine wissenschaftliche Disziplin -- gewesen, -die ihre Schatten in die Gegenwart wirft. Was sucht sie, was will -sie? Natürlich Aufklärung! -- aber worüber? -- Über Gott, Freiheit -und Unsterblichkeit; -- das klingt in unseren Tagen gar pastoral. -Und nennen wir ihren Inhalt mit dem klassischen Namen des Wahren, -Guten und Schönen, so ist dennoch gar viel daran gelegen, daß wir -uns und dem Leser klarmachen, was denn eigentlich die Metaphysiker -suchen und wollen; ohne das läßt sich weder Darwin noch Hegel, weder -was sie geleistet, noch was sie zu leisten unterlassen und was daher -der Nachkommenschaft zu leisten obliegt, hinlänglich ermessen und -darstellen. - -»Was die Metaphysiker suchen und wollen«, erklärt uns der fünfte und -letzte Abschnitt »Das Licht der Erkenntnis«: - -Wo Erleuchtung hernehmen? Moses hat sie vom Berg Sinai geholt; aber -nachdem Juden und Christen länger als dreitausend Jahre gebetet: -»Du sollst nicht stehlen«, stehlen sie heute noch wie die Raben; -das heißt die +Offenbarung+ hat sich nicht bewährt. Dann kamen die -+Philosophen+ und wollten die Erleuchtung aus dem Innern des Kopfes, -~a priori~, wie sie es nennen, herausspekulieren. Was aber der eine -zutage förderte, wurde vom andern verworfen. Die +Naturwissenschaft+ -beschritt einen dritten, den induktiven Weg, sie schöpfte die Weisheit -aus der Beobachtung; sie endlich erwarb wahre, wirkliche, dauerhafte -Wissenschaft, eine Wissenschaft, die alle Welt akzeptiert, die -niemand bestreitet, niemand bestreiten kann und mag. Daraus folgt -denn unzweifelhaft klar, daß wir die Erleuchtung auf dem betretenen -naturwissenschaftlichen Wege zu suchen haben. - -Dennoch gibt es viele Leute, viele auch mit gelehrtester Ausrüstung, -welche mit diesem Lichte sich nicht zufrieden geben. Sie sprechen vom -»metaphysischen Bedürfnis«, bemühen sich unablässig, darzutun, daß -alles naturwissenschaftliche Erklären und Erkennen, wie fruchtbar auch -in den einzelnen Disziplinen, doch im großen und ganzen unzureichend -ist. »Das Wesen der Materie«, heißt es da, »ist schlechthin -unbegreiflich; alle mechanische Naturerklärung erstreckt sich nur auf -die an diesem rätselhaften Substrate wahrzunehmenden +Veränderungen+ -und läßt unser Kausalitätsbedürfnis im letzten Grunde unbefriedigt.« - -Der Materialismus, der das Erkennen und Erklären der verschiedensten -wissenschaftlichen Materien wohl zu praktizieren weiß, hat es bisher -unterlassen, die +Materie der Erkenntnis+ zu erklären. Das Erkenntnis- -oder Erklärungsvermögen ist die einzige in der Welt vorhandene Kraft, -welche immer noch verhimmelt wird. Sie ist in der Welt und soll -nicht weltlich, nicht physisch, nicht mechanisch sein. Was denn? -Metaphysisch! Und niemand kann doch Aufklärung geben, was das heißt. -Alle Bestimmungen, die wir erlangen, sind negativ. Das Metaphysische -ist nicht physisch, nicht handgreiflich und nicht begreiflich. Was -sollte es anders sein als ein +Gefühl+, das begnadete Idealisten mit -sich herumtragen, ohne zu wissen, wo es sitzt. - -Alles will der Mensch wissen, und doch hat man etwas, was nicht zu -wissen, nicht zu erklären, nicht zu begreifen ist. Dann resigniert man -und zeigt hin auf die Beschränktheit des menschlichen Instruments. -»Zwei Stellen sind es,« sagt Lange, »wo der Geist haltmachen muß. -Wir sind nicht imstande, die +Atome+ zu begreifen, und wir vermögen -nicht, aus den Atomen und ihrer Bewegung auch nur die geringste -Erscheinung des Bewußtseins zu erklären ... Man mag den Begriff der -Materie und ihrer Kräfte drehen und wenden, wie man will, immer stößt -man auf ein letztes Unbegreifliches ... Nicht mit Unrecht geht daher -Du Bois-Reymond so weit, zu behaupten, daß unser ganzes Naturerkennen -in Wahrheit noch kein Erkennen ist, daß es nur das +Surrogat+ einer -Erklärung gibt ... Das ist der Punkt, an welchem die Systematiker und -Apostel der mechanischen Weltanschauung so unachtsam vorübergehen: --- die Frage nach den Grenzen des Naturerkennens.« (F. A. Lange, -Geschichte des Materialismus, 2. Band, S. 148 bis 150.) - -Die Sozialdemokraten aber hat Lange nicht gründlich gekannt, sonst -würde er gewußt haben, daß von ihnen auch in diesem Punkt die -mechanische Weltanschauung komplettiert ist. - -Wo soll es hinführen, wenn unser Wissen und Erkennen, wenn das in -den letzten Jahrhunderten von der Wissenschaft mit so großem Erfolg -angewendete Geistes-Instrument nur noch ein »+Surrogat+« sein soll? -Wo sitzt denn der wahre Jakob? Und wenn wir alle Folianten der -Philosophie durchstöberten, würden wir darüber keine positive Angabe -finden, weil gerade die Philosophen es sind, welche den Glauben an -einen persönlichen Herrscher des Himmels und der Erde soweit zerstört -haben. Die unphilosophische +religiöse+ Welt besaß in der Tat höheren -Orts einen wahren Verstandeskasten, welcher dem dreckigen Lehm ein -Häuchlein hatte mitgeteilt, und waren sie deshalb berechtigt, den -heiligen vom profanen Geiste, die echte Substanz von ihrem Surrogat zu -unterscheiden. Aber wie solche Unterscheidung von denen zu verteidigen -ist, welche den großen All- und Ur-Geist den Köhlern überlassen haben, -das ist unerfindlich. - -Der metaphysische Gedanke von den »Grenzen der Erkenntnis« darf nur -ein klein wenig auf seinen Inhalt geprüft werden, um sofort als -gedankenlose Phrasenmacherei erkannt zu werden. »Die Atome sind nicht -zu begreifen, und das Bewußtsein ist nicht zu erklären.« Nun aber -besteht die ganze Welt aus Atomen und Bewußtsein, aus Materie und -Geist. Wenn beides unverständlich ist, was bleibt dann dem Verstande zu -begreifen und zu erklären übrig? - -Das Licht der Erkenntnis macht den Menschen zum Herrn der Natur. Mit -seiner Hilfe vermag er im Sommer das Eis des Winters und im Winter -die Früchte und Blumen des Sommers darzustellen. Aber stets bleibt -die Herrschaft beschränkt. Alles, was man kann, kann man nur mit -Hilfe der natürlichen Kräfte und Materialien. Die Natur mit bloßen -Worten, mit einem »es werde!« +unbeschränkt+ beherrschen wollen, -kann nur dem Phantasten einfallen. Wie Kinder und Naturvölker -unbeschränkt herrschen, so möchten unsere kindischen Gelehrten -unbeschränkt erkennen. »Das System des Begnügens mit der gegebenen -Welt«, meint Lange, »steht im Widerspruch mit den Einheitsbestrebungen -der Vernunft, mit Kunst, Poesie und Religion, in welchen der Trieb -liegt, sich über die Grenzen der Erfahrung hinauszuschwingen.« -- Nun -sind Kunst und Poesie als Phantasien bekannt, wenn auch als schöne -und anbetungswürdige, und wenn die Religion und der metaphysische -Trieb nicht mehr sein und in dieselbe Kategorie gehören wollen, so -hat kein Verständiger etwas dagegen einzuwenden. Der Mensch mag den -metaphysischen Trieb, über alle Grenzen zu schnappen, wirklich haben, -wenn er nur einsieht, daß es ein unwissenschaftlicher Trieb ist. Das -Licht der Vernunft hat durchaus seine Grenzen, wie alle Dinge, wie Holz -und Stroh, wie Technik und Verstand, also verständige Grenzen, die -jeder Teil haben muß, wenn er keine Narretei sein will. - -Wie der Mensch alles machen kann, so kann er auch alles erkennen --- innerhalb verständiger Grenzen. Wir können nicht schaffen wie -der liebe Gott, der die Welt aus Nichts gemacht. Wir müssen uns am -Gegebenen, an den vorhandenen Kräften und Stoffen halten und ihren -Eigenschaften Rechnung tragen; sie lenken und leiten, sie formen, -nennen wir schaffen; die vorhandenen Materialien in Ordnung und Regel -bringen, generalisieren oder klassifizieren, die mathematischen Formeln -der natürlichen Wandlungen abstrahieren -- das nennen wir erkennen, -begreifen, erklären. - -Demnach ist unsere ganze geistige Erleuchtung eine formelle Geschichte, -eine mechanische Wirtschaft. Wie in der technischen Produktion die -Naturerscheinungen leiblich verwandelt, so sollen in der Wissenschaft -die Naturwandlungen geistig erscheinen. Wie die Produktion das -überspannte Schöpfungsbedürfnis, so läßt die Wissenschaft oder das -»Naturerkennen« das überspannte Kausalitätsbedürfnis im letzten Grunde -unbefriedigt. Aber sowenig ein verständiger Mensch darüber lamentieren -wird, daß wir zum Schaffen ewig Materialien bedürfen und aus Nichts -und frommen Wünschen nichts machen können, sowenig wird derjenige, der -Einsicht in die Natur des Erkennens hat, damit über die Erfahrungen -hinausfliegen wollen. Zum Erkennen oder Erklären bedürfen wir, wie zum -Schaffen, Material. +Demnach kann keine Erkenntnis Aufklärung geben, -wo das Material herkommt oder anfängt+. Die Erscheinungswelt oder das -Material ist das Primitive, das Substantielle, das weder Anfang, Ende -noch Herkommen hat. Das Material ist da, und das Dasein ist materiell -(im weiteren Sinne des Wortes) und das menschliche Erkenntnisvermögen -oder Bewußtsein ist ein Teil dieses materiellen Daseins, welches -wie alle anderen Teile nur ein bestimmte, begrenzte Funktion, das -Naturerkennen, ausüben kann. - -Warum sollte nicht, wie das Erkennen, so auch das Blech, die Bretter -und das Rindfleisch verhimmelt werden? Die Aufgabe der Radikalen -besteht in dem Nachweis, daß auch der letzte subtilste metaphysische -Rest von »etwas Höherem« mit dem abgeschmacktesten Aberglauben in -dieselbe Rumpelkammer gehört. - -Formen, Veränderungen oder Wandelbarkeiten bietet die Welt. Wem das -zu wenig ist, der sucht Ewiges über den Sternen, wie die Religion, -oder hinter den Erscheinungen, wie die spekulative Philosophie. Die -»kritischen« Philosophen aber haben dunkel geahnt, daß das, was man -sucht, ein Sparren ist, den die Bildung aus dem Menschenkopf zu -entfernen hat. Die Forschung nach der Substanz haben sie deshalb -aufgegeben und ihr Interesse dem +Organ+ der Forschung, dem -Erkenntnisvermögen zugewandt. Da hat man recht kritisch gearbeitet. -Wenn vormals hinter jedem Busch und Strauch »etwas Höheres« stecken -mußte, so ist das jetzt doch, wenigstens in den maßgebenden Kreisen, -bis in die letzte Heimlichkeit, bis hinter die unerfindlichen Atome und -bis hinter das noch heimlichere Bewußtsein verdrängt. - -Dort sind die »Grenzen unseres Erkennens«, und dort steckt der -Sparren. Sich davon zu befreien, ist um soviel schwerer, weil seit den -Forderungen des vierten Standes unsere offiziellen Gelehrten angewiesen -sind, eine konservative, reaktionäre Politik zu verfolgen. - -Wenn nun die zeitgenössischen Philosophen mit dem Geschichtschreiber -des Materialismus (F. A. Lange) an der Spitze herankommen und sagen, -die Welt bietet Erscheinungen, das sind die Objekte des Naturerkennens; -letzteres hat es mit den Veränderungen zu tun, wir aber suchen an einer -höheren Erkenntnis oder an ewigen, wesenhaften Objekten, dann ist klar, -daß es mystizistisch Unersättliche sind, welche mit sämtlichen Körnern -eines Sandhaufens sich nicht begnügen wollen, sondern hinter allen -Körnern extra noch einen körnerlosen Sandhaufen suchen. - -Wer mit dem Jammertal der Erscheinungswelt so durchaus zerfallen ist, -mag sich mit der unsterblichen Seele in einen feurigen Wagen setzen -und gen Himmel fahren. Wer aber hier bleiben und an das Heil des -wissenschaftlichen Naturerkennens glauben will, soll sich mit der -materialistischen Logik vertraut machen. Da lautet - -§ 1: Das intellektuelle Reich ist nur von dieser Welt. - -§ 2: Die Operation, welche wir Erkennen, Begreifen, Erklären nennen, -soll und kann nichts als diese Welt des sinnlichen, zusammenhängenden -Daseins klassifizieren nach Gattungen und Arten, sie soll und kann -nichts als das formale Naturerkennen praktizieren. Anderes Erkennen -gibt es nicht. - -Aber dann kommt der »metaphysische Trieb«, der mit dem »formalen -Erkennen« sich nicht begnügt und nun, er weiß selbst nicht wie, -erkennen will. Ihm ist es nicht genug, mit dem Verstand die Erfahrungen -zu klassifizieren. Was die Naturforschung Wissenschaft nennt, ist -ihm nur ein Surrogat, ein armes, begrenztes Wissen; er verlangt nach -unbegrenzter Vergeistigung, so daß die Dinge rein aufgehen sollen im -Verständnis. Warum will denn der liebe Trieb nicht einsehen, daß er nur -eine überspannte Forderung stellt? Die Welt geht nicht aus dem Spiritus -hervor, sondern umgekehrt. Das Sein ist keine Art des Intellekts, -sondern der Intellekt eine Art des empirischen Daseins. Dasein ist -das Absolute, das überall und ewig ist; das Denken nur eine besondere -beschränkte Form desselben. - -Der Trieb, über die Erscheinungen hinauszugehen bis zur Wahrheit -und zum Wesen, ist wissenschaftlicher Trieb. Aber er darf nicht -überschnappen; er muß seine Grenzen kennen. Er soll seine Wahrheiten -und Wesenheiten nicht separieren von der Erscheinung; er darf nur nach -subjektiven Objekten, nach +relativer+ Wahrheit forschen. - - - - -X. - -Das Akquisit der Philosophie. - - -Das »Akquisit der Philosophie« ist 1887 -- in Dietzgens letztem -Lebensjahr -- in Chicago geschrieben. In der Vorrede erzählt unser -Autor, wie er in den vierziger Jahren aus der Lektüre von Zeitungen -und Schriften der extremen Lager -- der preußischen Reaktion und -der freidenkerischen Revolutionäre -- zur Erkenntnis kam, daß »der -Geist beider Heerlager aus dem Akquisit der Philosophie, zunächst aus -der Hegelschen Schule stammte«. Damit wollte er wohl sagen, daß die -fundamentalen Prämissen der Gerlach, Stahl und Leo das historisch -+Gewordene+ als Bleibendes zur Voraussetzung hatten, während dasselbe -für Feuerbach, Marx und Engels etwas +fortschreitend+ Veränderliches -war; das eine wie das andere läßt sich »hegelisch« etikettieren, je -nachdem man es mit dem +Sein+ oder dem +Werden+ hält; in Hegel ist Raum -für Konservativismus wie für Fortschritt. - -Nach Dietzgens Vorhaben sollte das »Akquisit der Philosophie« eine -verbesserte Auflage des »Wesens der Kopfarbeit« sein -- alter Wein in -einem neuen Schlauch; darin hat er sich wohl getäuscht; das »Akquisit« -ist zwar eine Fortsetzung und Ergänzung, aber kein Ersatz seines ersten -Werkes, das vielmehr sein Hauptwerk geblieben. - -Im ersten Abschnitt »Die Erkenntnis als Spezialobjekt« (der -Philosophie) sagt er: Im griechischen Altertum hatte das Wort -Philosophie (Weisheitsliebe) eine andere Bedeutung als heute. -Bei den Griechen war es gänzlich unentschieden, ob der Philosoph -(Weisheitsliebender) Mathematiker oder Astronom, ob er sich die -Arzneiwissenschaft, die Redekunst oder die Lebenskunst zum Gegenstand -seiner Forschungen machte. Die Fächer lagen da ineinandergerollt wie -der Embryo im Mutterschoß. Als die Menschheit noch wenig wußte, konnte -man schon ein Weiser sein; aber heute muß man sich spezialisieren, -muß man sich einer +speziellen+ Wissenschaft befleißigen, weil das -Forschungsgebiet zu reich geworden ist. Der Philosoph ist heute kein -Weiser mehr, sondern ein Spezialist. - -Die Philosophie hat auch heute noch die Erkenntnis zu ihrem Gegenstand; -aber nicht mehr die unbestimmte, welche +alles+ erkennen will, sondern --- wie soll ich es populär ausdrücken? -- sie hat die Erkenntnis -als solche, die Methode der Erkenntnis zu ihrem Zwecke erwählt, sie -will erkennen, +wie es gemacht wird+, andere Objekte mit dem Lichte -des Verstandes zu durchleuchten. Um es recht deutlich zu sagen: -nicht mehr die Erkenntnis, die alles wissen will, wie zur Zeit des -Sokrates, sondern der Verstand als Spezialobjekt, das Denk- oder -Erkenntnisvermögen ist zum Forschungsgegenstand der Philosophie -geworden. - -Die heutige Erkenntnistheorie ist eine wirkliche Wissenschaft. Die -Altväter zum Beispiel suchten die Erkenntnis ~à la~ Sokrates und -Platon, mit Verachtung der äußeren Erfahrung, in den Eingeweiden des -Menschenkopfes. Sie glaubten durch +Grübeln+ die Wahrheit zu erforschen. - -Schon Aristoteles hatte mehr Sinn für die äußere Welt. - -Mit der alten Kultur ging natürlich auch die alte Philosophie unter, -bis sie vor einigen hundert Jahren, im Anfang der neueren Zeit, endlich -wieder frisch auflebte. - -Von Aristoteles bis Bacon hat die Philosophie geschlafen, wenigstens -kein merkliches Akquisit gefördert. Erst nachdem die gesamte Kultur -die menschliche Erkenntnis so weit gefördert hat, daß nunmehr das -intellektuelle Licht von allen Disziplinen der Wissenschaft ausstrahlt, -wird sich die Philosophie ihres Spezialobjektes bewußt und vermag ihr -Akquisit aus dem Wuste der Vergangenheit herauszuschälen. - -Das Akquisit der Philosophie, die erforschte Erkenntnis oder das -erforschte Erkenntnisvermögen, ist daher neben den Gütern der -Wissenschaft ein ebenso wertvoller Schatz der Menschheit wie die -Methodik der modernen Produktion neben den materiellen Gütern des -Nationalreichtums. - -Im zweiten Abschnitt wird Dietzgens aus den früheren Schriften -bekannter Hauptlehrsatz »Das Erkenntnisvermögen hängt mit dem Universum -verwandtschaftlich zusammen« erörtert: - -Die +Technik der Erkenntnis+ wurde von der gesamten Kulturbewegung -zutage gefördert -- als philosophisches Akquisit. Die gesamte -Kulturbewegung hat den Philosophen auf die Strümpfe geholfen. - -Die Geschichte der Philosophie ist ein saures Ringen mit der Frage: was -ist und was tut, aus welchen Teilen besteht und welcher Natur ist die -Erkenntnis oder Intelligenz, die Vernunft, der Verstand usw? - -Das vornehmlichste Akquisit bei der Lösung dieses Problems ist die sich -in unseren Tagen immer heller und präziser geltend machende Erkenntnis, -daß die Natur des menschlichen Intellekts mit der Gesamtnatur von -+einer+ Gattung, von +einer+ Art oder +einem+ Geschlecht ist; der -Menschengeist ein bestimmter, begrenzter Teil des unbegrenzten Kosmos, -der Natur oder des Universums ist. - -Wie ein Stück Eichenholz die zwieschlächtige Eigenschaft besitzt, neben -seiner eichenen Spezialnatur nicht nur an der allgemeinen Holznatur, -sondern auch +an der unendlichen Allgemeinheit+ der Generalnatur -teilzunehmen, so ist auch der Intellekt eine begrenzte Spezialität, -welche zugleich die Eigenschaft besitzt, als ein Teil des Universums -selbst universal zu sein und sich seiner und aller Universalität -bewußt zu werden. Die unendliche universelle, kosmische Natur steckt -im Intellekt, im menschlichen sowohl als im tierischen, wie sie im -Eichenholz, in allen anderen Hölzern, in allen Stoffen und Kräften -steckt. Die weltliche, monistische Natur, welche vergänglich und -unvergänglich, begrenzt und unbegrenzt, speziell und generell zugleich -ist, befindet sich in allem und alles befindet sich in dieser Natur --- die Erkenntnis oder das Vermögen der Erkenntnis macht davon keine -Ausnahme. - -»Inwiefern ist der Intellekt beschränkt und unbeschränkt?« lautet die -Überschrift des dritten Abschnitts. - -Die Erkenntnis ist ein Vermögen neben anderen, und alles, was neben -anderem liegt, ist davon beschränkt und begrenzt. Wir können alles -erkennen, aber wir können auch alles betasten, sehen, hören, riechen -und schmecken; wir haben auch das Vermögen herumzuwandeln und -dergleichen Vermögen noch mehr. Eine Kunst beschränkt die andere, -und doch ist jede in +ihrem Gebiet+ unbeschränkt. Die verschiedenen -menschlichen Vermögen gehören zusammen und machen zusammen den -menschlichen Reichtum aus. - -Der Verstand des Menschen ist beschränkt, wie sein Gesicht beschränkt -ist. Das Auge kann durch eine Glasscheibe hindurchsehen, aber nicht -durch ein Brett; gleichwohl werden wir es für keine Beschränktheit -irgendeines Auges halten, wenn es die Bretter nicht durchschauen -kann. Diese drastischen Gleichnisse sind zeitgemäß, weil es gelehrte -Herren gibt, die mit der bedächtigsten Miene von der Welt den Finger -an die Nase legen und auf die Beschränktheit unseres Intellekts +in -dem Sinne+ aufmerksam machen, als +sei das+ Erkennen, das auf dieser -Erde wissenschaftlich produziert wird, +nur so ein nominelles, aber -gar kein eigentliches+ Wissen und Kennen. Der menschliche Intellekt -wird so zum »Surrogat« irgendeines »höheren« Intellekts herabgewürdigt, -der ahnungsvoll in dem kleinen Kopfe eines Heinzelmännchens oder in -dem großen eines allmächtigen Wolkenschiebers nicht entdeckt, aber -»geglaubt« werden soll. Jetzt ist der Intellekt erkannt als eine -begrenzte, beschränkte, natürliche Erscheinung, Kraft oder Potenz, -welche nicht unermeßlich, wohl aber gleich allen anderen Kräften und -Stoffen ein Teil des Unermeßlichen, Ewigen und Unbegrenzten ist. - -Die Kenntnis des Universums, des Unbegrenzten ist uns sowohl angeboren -als durch Erfahrung gegeben. Angeboren ist dem Menschen diese -Kenntnis, ähnlich wie ihm die Sprache angeboren ist, nämlich in der -Keimform, und die Erfahrung gibt uns das Unbegrenzte in negativer -Weise; wir erfahren nirgends und von keinem Dinge Anfang oder Ende. -Ganz im Gegenteil hat uns die Erfahrung positiv darüber aufgeklärt, -daß alle vermeintlichen Anfänge und Enden nur Zusammenhänge des -unendlichen, unermeßlichen, unerschöpflichen und unauskenntlichen -Universums sind. Gegenüber dem kosmischen Reichtum ist der Intellekt -allerdings ein armer Schlucker, was ihn nicht hindert, andererseits das -vollkommenste Instrument zu sein, um die begrenzten Erscheinungen des -unbegrenzten Naturwesens in klarster und deutlichster Weise konterfeien -zu können. - -Das Thema wird im vierten Abschnitt »Von der Allgemeinheit der Natur« -fortgesetzt: - -Was sich in der Natur widerspricht, soll unser Kopf auflösen. Wenn er -so viel Selbstkenntnis besitzt, zu wissen, daß er keine Ausnahme von -der allgemeinen Natur, sondern ein natürliches Stückchen desselben -Stoffes ist (trotzdem er sich »Geist« nennt), so weiß er und muß -er zugleich wissen, daß seine Klarheit sich von der natürlichen -Verworrenheit, daß sich die Lösung des Rätsels vom Rätsel selbst -nur ganz mäßig unterscheiden kann. Nur durch mäßige Unterscheidung -lösen sich die Widersprüche, nur durch die erkenntnistheoretische -Wissenschaft, daß überschwengliche Grundverschiedenheiten eben nur -+Überschwenglichkeiten+ sind. - -Behufs dessen müssen wir uns vergegenwärtigen, daß es nur +ein+ Wesen -gibt und alle anderen sogenannten Wesen als unwesentliche Formen des -Generalwesens zu erkennen sind, welches letztere mit den Namen Natur -oder Universum bezeichnet wird. - -Ursprünglich also zu Übertreibungen im Unterscheiden geneigt, hat -man das menschliche Erkenntnisvermögen für ein Wesen von anderer -Natur angesehen als die natürlichen Wesen, welche neben und außer dem -Intellekt existieren. Nun ist aber zu bemerken, daß jedes Stückchen -der Natur ein »anderes« individuelles Naturstückchen ist, und ferner, -daß jeder andere und anders geartete individuelle Teil trotzdem und -zugleich auch +kein anderer, sondern ein gleichartiges+ Stück der -Generalnatur ist. Die Sache ist gegenseitig: das allgemeine Naturwesen -besteht nur mittels der unendlich vielen individuellen Spezialitäten, -und diese wieder bestehen nur in dem, mit dem und durch das allgemeine -kosmische Gesamtwesen. - -Unser Intellekt ist ein Teil des Unerschöpflichen und hat also auch -teil an seiner unerschöpflichen Natur. Der Naturteil, welcher den Namen -Intellekt führt, ist nur insofern beschränkt, wie der Teil kleiner ist -als das Ganze. - -Der fünfte Abschnitt »Wie das Erkenntnisvermögen ein Stück der -Menschenseele ist« knüpft an die Theorie des Psychophysikers Fechner -an, nach der alle leblosen wie lebenden Wesen eine Seele haben: - -Fechner ist ein Dichter, und der Dichter sieht Ähnlichkeiten, die der -nüchterne Kopf nicht sieht; dabei müssen wir aber zugeben, wie der -nüchterne Kopf, der überall +nur die Unterschiede+ sieht, ein sehr -erbärmlicher Kopf ist. - -Wenn der Unterschied zwischen Menschen und Steinen nicht so groß ist, -daß solch ein genialer Kopf wie Fechner sie als gemeinsam beseelt mit -Fug und Recht darstellen kann, so wird doch auch -- was Fechner noch -entgangen -- der Unterschied zwischen Leib und Seele nicht so groß -sein, daß gar keine Ähnlichkeit, keine Gemeinschaft stattfände. Ist die -Luft und der Duft nicht ein ätherischer Leib? - -Alle Dinge sind so ähnlich, daß ein guter Dichter aus allem alles -machen kann. Kann das vielleicht auch die Naturwissenschaft? Ah! Diese -Herren sind auch auf dem besten Wege. Sie machen das Trockene flüssig -und das Flüssige gasförmig, machen aus der Schwerkraft Wärme und -aus der Wärme wieder Triebkraft; aber dabei vergessen sie nicht den -Unterschied der Dinge, wie es unserem Fechner passiert ist. - -Es ist nicht genug, zu wissen, daß der Leib beseelt und die Seele -beleibt ist, nicht genug, zu wissen, daß alles eine Seele hat, es -wollen auch die Menschen-, Tier-, Pflanzen- usw. Seelen in ihren -Einzelheiten und Eigentümlichkeiten gehörig getrennt, eingeteilt, -markiert und unterschieden sein; man hüte sich nur, den Unterschied zu -übertreiben und exorbitant zu machen, damit er nicht sinnlos werde. - -Wir machen es uns nicht zur Aufgabe, der Allerweltsseelentheorie weiter -zu folgen. Fechner erklärt selbst: »Von vornherein ist zu gestehen, die -ganze Seelenfrage ist und bleibt eine Glaubensfrage.« - -Jedoch steht seit Cartesius fest, wenigstens in der philosophischen -Welt, daß das Bewußtsein der menschlichen Seele von ihrem Dasein das -Sicherste ist, das sie weiß. Die positivste Wissenschaft von der Welt -ist die erfahrungsmäßige Wahrnehmung der denkenden Seele von sich -selbst. Dieses Subjekt ist das evidenteste Objekt, das sein kann, und -das Leben und Treiben dieses Seelenstückchens, das sich Bewußtsein -oder Erkenntnisvermögen nennt, trefflich geschildert zu haben, ist das -Akquisit der Philosophie. - -Hieran reiht sich als sechster Abschnitt das Thema »Dem Bewußtsein -ist nicht nur die Möglichkeit oder das Vermögen überhaupt zu wissen, -sondern auch das Bewußtsein von der Universalität der Generalnatur -angeboren«. - -Im geschichtlichen Verlauf der Philosophie ist namentlich viel Disput -darüber gewesen, wie unsere Kenntnisse zustande kommen, ob und was -davon angeboren und was durch Erfahrung erworben ist. Ohne +angeborene+ -Fähigkeit war auch mit aller Erfahrung keine Kenntnis zu sammeln, und -ohne alle Erfahrung mußte das beste Vermögen leer bleiben. Die zustande -gebrachte Wissenschaft auf allen Gebieten ist also die Folge einer -Wechselwirkung von Subjekt und Objekt. - -Ohne daß etwas Objektives zu sehen vorhanden wäre, könnte auch kein -subjektives Gesichtsvermögen da sein. Ein Gesichts+vermögen+ besitzen, -bedeutet zugleich die faktische Ausübung der Gesichtsfunktion. Man -hat nicht das Vermögen zu sehen, ohne daß man etwas sieht. Zwar läßt -sich beides trennen, doch nur in der Theorie, nicht in der Praxis, und -es ist und soll die theoretische Trennung von dem Bewußtsein begleitet -sein, daß das getrennte Vermögen nur ein von der Ausübung abgeleiteter -Begriff ist. Vermögen und Ausübung stecken ineinander und gehören -zusammen. - -Der Mensch bekommt erst ein Bewußtsein, ein Vermögen zu wissen, nachdem -er etwas weiß, und es wächst die Kraft mit der Ausübung. - -Wenn wir jetzt behaupten, daß der Begriff des Universums ein -angeborener Begriff sei, darf der geneigte Leser nicht schließen, daß -wir deshalb das alte Vorurteil pflegten, wonach der Menschenverstand -oder die Vernunft gleichsam eine Büchse sei, mit Begriffen gefüllt über -das Wahre, Schöne, Gute und dergleichen Dinge. Nein, der Intellekt -kann seine Begriffe, Vorstellungen, Urteile usw. nur selbsttätig durch -Produktion hervorbringen, wozu die anderweitige Welt das Material -hergeben muß; aber dies Produzieren setzt die angeborene Fähigkeit dazu -voraus. Das Bewußtsein, das Wissen vom Sein, muß gegeben sein, bevor -ein anderes spezielleres Wissen praktiziert werden kann. - -Das Bewußtsein ist ~per se~ das Bewußtsein des Grenzenlosen. Das dem -Menschen angeborene Bewußtsein ist die Wissenschaft des unbegrenzten -Daseins. Wenn ich weiß, daß ich da bin, weiß ich mich als ein Stück des -Daseins. Daß nun dies Dasein, diese Welt, wovon ich wie jedes andere -Partikelchen nur ein Stück bin, eine +unbegrenzte+ Welt sein muß, -werde ich allerdings erst gewahr, wenn ich den Begriff des Seins mit -einem gewitzigten Denkinstrument analysiere. Begriffs-, Erkenntnis-, -Denkvermögen heißt vor allem das Vermögen, den Universalbegriff zu -fassen. Der Intellekt kann keinen Begriff bilden, keine Vorstellung -haben, denen nicht die Vorstellung oder der Begriff des Universums mehr -oder weniger dunkel oder hell zugrunde liegt. - -Daß unserem Denkvermögen die Denkfähigkeit, die universale, angeboren, -ist doch keineswegs unbegreiflicher als auch, daß die Kreise rund, -zwei Berge mit einem zwischenliegenden Tale, Wasser flüssig und -Feuer brennend auf die Welt gekommen. Alle Dinge besitzen gewisse -Beschaffenheit ~per se~; sie sind damit geboren. Bedarf das noch einer -Erklärung? Die Blumen, welche den Pflanzen mit der Zeit, und die Kräfte -und Weisheit, welche den Menschen mit den Jahren anwachsen, sind nicht -erklärlicher als die angeborenen Eigenschaften, und die angeborenen -nicht wunderbarer als die später erlangten. Die beste Erklärung vermag -den Wundern der Natur nicht die +natürliche+ Wunderbarkeit zu nehmen. - -Ich und mancher meiner Leser finden in unseren Köpfen das tatsächliche -Bewußtsein, daß die Generalnatur, wovon der Intellekt ein Stück -ist, eine endlose, unbegrenzte Natur ist. Diesen Begriff von der -Universalität nenne ich »angeboren«, obgleich er ein erworbener ist. -Ich versuche nämlich beim Leser geltend zu machen, wie der Unterschied, -den man gemeiniglich zwischen angeborenen und erworbenen Eigenschaften, -Fähigkeiten und Besitzungen macht, kein so extravaganter ist, daß nicht -das Angeborene der Erwerbung bedürfe und das Erworbene eine angeborene -Natur voraussetze. - -Die Philosophie hat sich darum bemüht, den Intellekt zu erkennen. -Bei der Darstellung ihres Akquisits haben wir zu erläutern, daß die -Erkenntnis, die philosophische sowohl als jede andere, nicht aus -dem +isolierten+ Erkenntnisvermögen, sondern aus der Gesamt+natur+ -entspringt. Die Gebärmutter unserer Kenntnisse und Erkenntnisse ist -nicht nur im Menschenkopf, vielmehr in der Gesamtwelt zu suchen, welche -nicht nur Universum heißt, sondern auch universal ist. - -Das menschliche Bewußtsein ist zunächst ein individuelles. Jedes -menschliche Individuum hat sein eigenes. Jedoch ist es eine -Eigentümlichkeit meines, deines und jedes anderen Bewußtseins, -nicht nur das Bewußtsein des betreffenden Individuums, sondern -das Generalbewußtsein des Universums zu sein -- wenigstens seinem -Beruf und der Möglichkeit nach. Nicht jedes Individuum hat sich die -Universalität der Generalnatur klar gemacht -- woher käme sonst der -vertrackte Dualismus? Woher die Notwendigkeit, daß erst die bändereiche -Philosophie uns belehren mußte, wie eine Grenze, ein Ding oder eine -Welt, außerhalb der universalen, ein unsinniger Gedanke, ein Gedanke -ist, der sich mit Sinn und Verstand gar nicht verträgt? Wir mögen -deshalb wohl die positive Erklärung abgeben, daß unser Bewußtsein, -unser Intellekt nur »+sozusagen+« der unserige, +eigentlich+ und -wahrhaft jedoch ein Bewußtsein, ein Intellekt ist, welcher der -universellen Welt oder Generalnatur angehört. - -Wenn nicht zu leugnen, daß Sonne, Mond und Sterne eine Zubehör der -endlosen, unermeßlichen Welt sind, so ist diese Eigenschaft doch auch -unserem Bewußtsein nicht abzusprechen. Da also dies intellektuelle -Vermögen dem Unermeßlichen angehört und sein Kind ist, dürften wir -es nicht wunderlich finden, daß dies der Universalität angehörige -Begriffsvermögen mit der Möglichkeit des Universalbegriffs zur Welt -kommt. Und wer das nicht mehr wunderlich findet, muß es doch wohl -erklärlich finden, muß finden, daß diese Tatsache des Bewußtseins -erklärt ist. - -In logischem Anschluß hieran handelt der siebte Abschnitt »von der -Verwandtschaft, auch Identität genannt, zwischen Geist und Natur«. - -»Es gibt ein Naturgesetz der Analogie, welches erklärt, daß alle -Dinge, die das Universum vereinigt, zu derselben Familie gehören, -daß sie durch die Verwandtschaft verbunden sind, welche die größte -Mannigfaltigkeit individueller Unterschiede verträgt und selbst -durch den Abstand der Extreme nicht aufgehoben wird.« Wenn wir diese -Worte bis in ihre letzte Konsequenz begreifen, so ist damit das -bisherige Akquisit der Philosophie erkannt. Sie belehren uns, wie -wir den Intellekt gebrauchen sollen, um uns ein treffliches Bild vom -Universum zu machen. Wenn alle Dinge verwandt, alle, ohne Ausnahme, -Sprößlinge des Universums sind, so müssen doch auch der Geist und die -Materie zwei Ellen Zeug von einem +Stoffe+ sein; es darf auch der -Unterschied zwischen dem menschlichen Erkennen und anderen menschlichen -und natürlichen Funktionen zu keinem überschwenglichen, keinem -extravaganten, keinem ~toto coelo~-Unterschied aufgebauscht werden. - -Philosophie nennt sich die Bemühung, den menschlichen Denkprozeß -zu erhellen. Diese Arbeit ist unsagbar erschwert worden durch das -unvermeidliche Mißverständnis der soeben beschriebenen universalen -Verwandtschaft. Vor allem sollte, so verlangen die Überschwenglichen, -das Denken und dessen Produkt, der Gedanke, nicht in die familiäre -Physik, nicht in die physische Natur gehören, sondern das Geschöpf -einer anderen Natur sein, welche den mysteriösen Namen Metaphysik führt. - -Auch die Materialisten sind einseitig versessen auf ihre »Materie« wie -die Idealisten auf ihre »Idee«. Streit und Zank ist Wirrsal, nur Friede -bringt Licht. Der Gegensatz zwischen dem Materiellen und Ideellen -findet in dem Akquisit der Philosophie seine Versöhnung, welche lehrt, -daß wir in allen Unterscheidungen mäßig sein müssen, weil weder -unser Denkinstrument, noch die anderweitige Natur zu extravaganten -Unterschieden berechtigt. Um Licht in die Streitfrage zu bringen, -bedarf es nur der Einsicht, daß die Ideen, welche die Natur in den -Menschenköpfen entwickelt, wenn auch kein Material für unsere Hände, so -doch ein Material für unsere Erkenntnis sind. - -Stoffe, Kräfte, Ideen, Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Schlüsse, -Kenntnisse und Erkenntnisse wollen gemäß der Aufklärung, welche -die Philosophie zutage förderte, als Verschiedenheiten oder -Mannigfaltigkeiten +einer+ monistischen Gattung erkannt sein. Die -Verschiedenheit dieser Dinge widerspricht ebensowenig der Einheit, als -die Einheit der Verschiedenheit widerspricht. - -Um den Wurm und den Elefanten, das niedrigste und das höchste Tier, -Vegetabilisches und Animalisches, Anorganisches und Organisches als -Glieder einer Art oder Gattung verständnisinnig zu verbinden, ist -die Allmählichkeit, die Stufenordnung der Natur, sind die Übergänge, -die Mitteldinge und Mittelbegriffe vornehmlich zu beachten. Die -Embryologie, welche zeigt, wie das animalische Leben des höchsten -Tieres +die Stufen der Tiergattung+ durchläuft, hat das Verständnis -+der gemeinschaftlichen Art aller Tiere+ besonders gefördert. - -Was Darwin für die Tierwelt begreifen lehrte, daß es innerhalb -derselben keine grundverschiedenen Arten gebe, lehrt die Philosophie in -betreff des Kosmos. Die Erkenntnis des letzteren wird gehindert durch -die Gewohnheit, zwischen Materie und Geist einen unmäßigen Unterschied -zu machen. - -Vorstehende Lehre erhält einen prägnanten Ausdruck im Titel des achten -Abschnitts »Die Erkenntnis ist materiell«. - -Gemäß der neueren Naturwissenschaft löst sich das ganze Dasein in -Bewegung auf. So viel ist ohnehin längst bekannt und notorisch, daß -selbst die Felsen nicht stillstehen, sondern immer in Tätigkeit, im -Entstehen und Vergehen sind. - -Die Erkenntnis, der Intellekt, ist ein tätiger Gegenstand, eine -gegenständliche Tätigkeit, wie der Sonnenschein, wie der Wasserfluß, -wie der wachsende Baum, wie der verwitternde Stein oder irgendein -anderes Naturphänomen. Auch ist die Erkenntnis, ist das Denken, welches -im Menschenkopf, gleichviel ob willkürlich oder unwillkürlich, vorgeht, -+eine Wahrnehmung+, eine Wahrnehmung von ebenso unzweifelhafter -Gewißheit, als die allermateriellste. Daß wir die erkennende, denkende, -intellektuelle Tätigkeit durch den inneren Sinn und nicht durch -den äußeren wahrnehmen, kann unsere Behauptung von der sinnlichen -Wahrnehmbarkeit der Sache nicht im geringsten erschüttern. Ob der -Stein äußerlich vorhanden und das Denken innerlich -- was ändert -diese kleine Differenz an der unverrückbaren Tatsache, daß beide -Wahrnehmungen gleicher Art, und zwar sinnlicher Art sind? Warum soll -nicht die Denktätigkeit mit der Herztätigkeit in dieselbe Kategorie -gehören? Und wenn der Herzschlag auch ein innerer und der Zungenschlag -der Nachtigall ein äußerer, was kann uns hindern, diese beiden so -sehr differenten Schläge unter der höheren Einheit natürlicher oder -materieller Vorgänge zusammenzufassen? Wenn also die Herzfunktion -mit dem Namen einer materiellen beehrt werden darf, warum nicht die -Hirnfunktion?[14] - -Nicht nur Tastbarkeiten sind »Dinge«, auch Sonnenstrahlen und -Blumendüfte gehören in diese Kategorie, und Erkenntnisse nicht -minder. Aber alle diese »Dinge« sind nur relative Dinge, insofern -sie Eigenschaften des Einen und Absoluten sind, welches das einzige -Ding, das »Ding an sich« ist, einem jeden wohlbekannt unter dem Namen -Universum oder Kosmos. - -Dietzgen betrachtet nun im neunten Abschnitt, um sich mit der -schulmäßigen Logik abzufinden, die »vier logischen Grundgesetze«, das -Gesetz der Identität, des Widerspruchs, des ausgeschlossenen Dritten -und des zureichenden Grundes. Er bedient sich hierzu eines Lehrbuchs -des berühmten Wiener Pädagogen Dittes, des damals freigeistigsten unter -den führenden Schulmännern deutscher Zunge. Zu den traditionellen »vier -logischen Grundgesetzen« bemerkt Dietzgen unter anderem: - -Wenn das erste Gesetz lehrt: die Dinge sind sich selbst gleich, so -lehrt nun die Dialektik in ihrem ersten Paragraph: die Dinge sind nicht -nur sich selbst gleich und einerlei vom Anfang bis zum Ende, sondern -haben auch die widerspruchvolle Natur, einerlei und doch durchaus -mannigfaltig zu sein. Insofern es ein Denkgesetz ist, daß wir uns -mittels des Gedankens ein möglichst treffliches Bild von den Dingen -machen, müssen wir uns auch von dem Denkgesetz belehren lassen, wie -alle Dinge und Vorgänge ohne Ausnahme keine von jedem Standpunkt -aus sich gleichbleibende Dinge sind, sondern der Farbe jener Seide -gleichen, die, obschon sie sich selbst gleich oder einerlei bleibt, -dennoch sehr ungleich in den verschiedensten Schattierungen schillert. -Die Dinge, wozu das denkende Ding oder der menschliche Intellekt -mitgehört, sind sowenig nur einerlei, von Anfang bis Ende, daß sie in -der Tat und Wahrheit gar keinen Anfang und kein Ende haben, sondern als -Naturerscheinungen, als Erscheinungen der endlosen Natur +scheinen+ sie -nur Anfang und Ende zu haben, während es in Wahrheit nur Verwandlungen -sind, die zeitweise aus dem Unendlichen auftauchen und wieder darin -verschwinden. - -Die anfang- und endlose natürliche Wahrheit oder wahre Natur ist -so widerspruchvoll beschaffen, daß sie nur in +Erscheinungen+ sich -äußert, welche dennoch durchaus wahr sind. Der alten Logik erscheint -dieser Widerspruch unsinnig. Sie steift sich auf ihr erstes, zweites -und drittes Gesetz, auf ihre Einerleiheit, ihre Widerspruchlosigkeit -und auf das ausgeschlossene Dritte, welches entweder krumm oder -gerade, entweder kalt oder warm sein muß und alles Dazwischenliegende -ausschließt. Sie hat recht! Im Hausgebrauch muß man mit Gedanken und -Worten so entschieden verfahren. Jedoch ist es zugleich zweckmäßig, -sich vom Akquisit der Philosophie belehren zu lassen, wie es in der -Wirklichkeit und Wahrheit nicht so exakt, nicht so ganz idealiter -zugeht. Die logischen Gesetze denken von den Gedanken und ihren Formen -und Anwendungen ganz richtig; aber sie erschöpfen das Richtige des -Denkens und seiner Gedanken nicht; es entgeht ihnen das Bewußtsein von -der Unerschöpflichkeit aller natürlichen Schöpfungen, wozu das Objekt -der Logik, das menschliche Erkenntnisvermögen mitgehört. Dies Objekt -ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ist ein endlicher Teil des -Unendlichen, welcher tatsächlich die widerspruchvolle Natur besitzt, -in, mit und an seinem besonderen logischen Naturell das allgemeine -Naturwesen zu haben, welches über alle Logik erhaben ist. Die -unendliche Natursubstanz ist ein durchaus bewegliches Element, darin -alles Feste auftaucht und untergeht und deshalb wohl vorübergehend -etwas Festes und zugleich schließlich doch nichts Festes ist. - -Erwägen wir nun noch kurz das vierte Grundgesetz der Logik, demnach -alles und jedes seinen zureichenden Grund haben muß. Auch dieses Gesetz -ist wohl achtbar und ehrenswert; aber dennoch sehr unzulänglich, indem -zu der Frage, wie wir die Welt zu denken haben und wie das höchst -entwickelte Denkvermögen beschaffen ist, nunmehr die Antwort gehört: -die Welt, worin alles seinen zureichenden Grund hat, ist dennoch -mitsamt dem Bewußtsein oder Denkvermögen, wie ein anfang- und endloses, -so auch ein +grundloses+, das heißt ein in sich und durch sich selbst -begründetes Wesen. Der Satz vom zureichenden Grunde gilt nur für die -menschliche Bildmacherei. In unseren logischen Weltbildern muß alles -seinen zureichenden Grund haben; das Original jedoch, der universale -Kosmos hat keinen Grund, er ist sich selbst Grund und Folge, Ursache -und Wirkung. Zu verstehen, daß alle Gründe auf dem Grundlosen fußen, -ist eine erhebliche dialektische Kenntnis, welche den Grundsatz von der -Notwendigkeit des zureichenden Grundes erst ins rechte Licht rückt. - -Formaliter muß alles seine Ursache und seinen Grund haben; realiter -jedoch hat jedes Ding nicht einen Grund, sondern unendlich viele -Gründe. Nicht nur Vater und Mutter ist der Grund und die Ursache -meines Daseins, sondern auch Groß- und Urgroßeltern, nebst der Luft, -die sie geatmet, der Nahrung, die sie genossen, der Erde, auf der sie -gewandelt, der Sonne, welche die Erde bescheint, usw. Kein Ding, kein -Prozeß, keine Veränderung ist der +zureichende+ Grund eines anderen, -vielmehr begründet sich alles und jedes mittels des Universums, welches -+absolut+ ist. - -Indem die alte Logik das Denken dem anderweitigen Sein gegenübersetzte, -hat sie den +Zusammenhang der Gegensätze+ vergessen, vergessen, wie -das Denken als eine Form, eine Art, eine Individualität ist, welches -in die Gattung des Seins gehört, wie der Fisch in die Gattung des -Fleisches, die Nacht in die Gattung des Tages, die Kunst in die Natur, -das Wort zur Tat und der Tod zum Leben gehört. - -Weil also die alte Logik mit ihren vier Grundsätzen zu borniert war, -mußte von ihrer Fortentwicklung die Dialektik erzeugt werden, welche -das Akquisit der Philosophie ist. Diese also erweiterte Denklehre -begreift das Universum als das wahrhaft Universale oder Unendliche, -worin alle Widersprüche im Mutterschoß der Versöhnung schlummern. Ob -die neue Logik mit der alten +einen+ Namen oder die aparte Benennung -der Erkenntnistheorie oder Dialektik führen soll, ist ein Wortstreit, -der einfach durch Opportunität zu entscheiden ist. - -Die Abschnitte zehn und elf, »Die Funktion der Erkenntnis auf -religiösem Gebiet« und »Die Kategorie der Ursache und Wirkung ist ein -Hilfsmittel der Erkenntnis«, lehnen an Aussprüche des Psychologen -Lazarus an, dessen Arbeiten (wie auch die von seinem Kollegen und -Schwager Steinthal) Dietzgen sehr wertschätzte, weshalb er gegen -manches Unzutreffende in Lazarus' Aussprüchen polemisierte. Doch von -größerer Bedeutung ist für uns der zwölfte Abschnitt »Geist und Materie --- was ist das Primäre?« - -Das Akquisit der Philosophie gipfelt in dieser Erkenntnis, daß die -Welt mannigfaltig und daß die Mannigfaltigkeit eins ist in ihrem -gemeinschaftlichen weltlichen Naturell. Die Wissenschaften müssen -uns ihre Objekte in dieser widerspruchvollen Weise darstellen, weil -eben alle Dinge in diesem Widerspruche tatsächlich leben. Was die -Museumszoologen und Herbariumsbotaniker auf dem +räumlichen+ Gebiet der -Tier- und Pflanzenwelt getan haben, akzeptieren die Darwinianer unter -Zuziehung der +zeitlichen+ Mannigfaltigkeit derselben Gebiete; die -einen wie die anderen kategorisieren, klassifizieren, systematisieren. -Dasselbe tun die Chemiker mit Kräften und Stoffen und Hegel mit -den kategorischen Verhältnissen von Sein und Nichts, Quantität und -Qualität, Substanz und Akzidenz, Ding und Eigenschaft, Ursache und -Wirkung usw. Er läßt alles ineinander überlaufen, werden, fließen, -sich bewegen, und tut sehr recht daran. Die ganze Welt bewegt sich und -gehört zusammen. - -Was jedoch Hegel verfehlte und wir zusetzen, besteht in der weiter -gewonnenen Einsicht, daß der Fluß und die Beweglichkeit der namhaft -aufgeführten Denkkategorien nur ein Exempel ist für die notwendige -Beweglichkeit und den Ineinanderfluß aller Gedanken und Begriffe, -welche selbst nur ein Exempel und Abbild des universalen Lebens sind, -sein sollen und wollen. - -Die idealistischen Philosophen, die alle wesentlichen Beiträge zu -dieser schließlichen Spezialkenntnis geliefert haben, sind doch alle -noch mehr oder minder in dem Wahne befangen, der Denkprozeß sei der -wahre Prozeß und das wahre Original, die Natur oder das materielle -Universum, nur ein sekundäres Phänomen. Jetzt ist nun zu begreifen, daß -der phänomenale kosmische Zusammenhang, die universale lebendige Welt, -die Wahrheit und das Leben ist. - -Die zwei folgenden Abschnitte -- dreizehn und vierzehn -- sind der -Frage gewidmet, »Inwieweit die Zweifel an der Möglichkeit einer klaren -und deutlichen Erkenntnis überwunden sind« und »Über den Unterschied -zwischen zweifelhaften und evidenten Erkenntnissen«. - -~Ad~ 1 gelangt Dietzgen zum Resultat: - -Das Universum ist da, und zu seinem Dasein gehört alles; nichts oder -kein Ding ist davon ausgeschlossen, am wenigsten die Erkenntnis. -Letztere ist also nicht nur möglich, sondern ein Faktum, welches dazu -noch durch den Begriff des allervollkommensten Wesens bewiesen wird. - -Das muß uns doch über den Zweifel der Kritiker und speziell auch über -den Kantschen Kritizismus oder besser Dualismus hinweghelfen. Kant -hat das Dogma von der Möglichkeit der Erkenntnis nicht so unbesehen -hinnehmen, sondern untersuchen wollen. Er hat dann entdeckt, daß wir -rechtmäßig erkennen können unter der Bedingung, daß wir mit der -Erkenntnis auf dem Felde der gemeinen Erfahrung bleiben, das heißt -im physischen Universum, und nicht ins metaphysische Himmelreich -abschweifen. Er hat aber nicht erkannt, daß die metaphysisch-himmlische -Gegend, von der er abrät, zu unserer Zeit eine abgetane Sache sein -würde. - -Er läßt diese überschwengliche Möglichkeit noch bestehen und rät wohl -ab, mit der Erkenntnis dorthin zu gehen, aber nicht, daß wir auch mit -der +Ahnung+ dort wegbleiben sollen. Kant haspelt zwischen dem »Ding -als Erscheinung« und dem »Ding an sich«. Jenes ist irdisch und läßt -sich erkennen, dies ist übermenschlich und darf geglaubt und geahnt -werden. Mit dieser Lehre macht er wiederum die Erkenntnis, das Objekt -der neueren Philosophie, zu einem problematischen Wesen, das uns -auffordert, darüber weiter zu philosophieren. - -Das ist geschehen, und ist es jetzt das Akquisit der Philosophie, »klar -und deutlich« zu wissen und von der Erkenntnis zu erkennen, daß sie -nicht nur ein Stück ist in dieser Welt der Erscheinungen, sondern ein -wahres Stück der Generalwahrheit, welch letztere keine andere Wahrheit -über sich noch neben sich hat und das allervollkommenste Wesen ist. - -~Ad 2.~ Um aus dem Erkenntnisproblem klug zu werden, müssen wir davon -ablassen, den Blick auf +einzelne+ Meinungen, Gedanken, Kenntnisse oder -Erkenntnisse zu richten; wir müssen uns vielmehr den Erkenntnisprozeß -im großen ganzen ansehen. Da gewahren wir die Entwicklung vom Zweifel -zur Evidenz, von den irrigen zu wahren Erkenntnissen. Da gewahren wir -aber auch, wie töricht es gewesen, von dem Gegensatz zwischen Wahrheit -und Irrtum eine so überspannte Vorstellung gehabt zu haben. - -Wer die Erkenntnis sucht, die wahre und evidente, findet sie nicht -in Jerusalem, nicht in Jericho, auch nicht im Geiste; in keiner -Einzelheit, sondern im Universum. - -Da geht das Erkannte aus dem Unerkannten so allmählich und stufenweise -hervor, daß gar kein Anfang zu ermitteln; sie wird und erwächst, -ist halb irrig und halb trefflich und wird evident und evidenter; -aber sowenig es jemals eine absolut irrige, sowenig kann es jemals -eine absolut wahre Erkenntnis geben; absolut, fest, unvergänglich und -unerschütterlich ist nur das Weltganze, aber keine Spezialität. - -Ein +Schlußwort+ unseres Autors ist der +Bejahung des Seins+ gewidmet: - -Das Begreifen, das Vermögen zu begreifen, war der modernen Menschheit -von abergläubischen Altvordern als Ding einer »anderen Welt« -überkommen. Der Wahn einer »anderen Welt« jedoch ist ein metaphysischer -Wahn, der den Begriff des Seienden in Mißhelligkeiten brachte. - -Das philosophische Akquisit versichert und beweist uns, daß es +nur -eine+ Welt gibt, daß diese Welt der Inbegriff alles Seins ist, daß dies -Dasein wohl unendlich viele Arten hat, aber alle Arten dennoch von -einer gemeinsamen natürlichen Natur sind. So hat die Philosophie den -Begriff des Seienden zu einem einhelligen Begriff gemacht und mit der -metaphysischen Mißhelligkeit auch die Metaphysik überwunden. - -Das Sein, das allgemeine, hat nur eine Qualität: die natürliche des -allgemeinen Daseins. Zugleich aber ist diese Eigenschaft der Inbegriff -aller besonderen Qualitäten. Wie der Begriff des Krautes alle Kräuter -umfaßt, auch die Unkräuter, so umfaßt der Begriff des Seienden nicht -nur alles, was ist, sondern auch, was nicht ist, was einstmals war und -künftig sein wird. - - - - -XI. - -Dietzgens pädagogische und Lebensweisheit. - - -Der dritte Band von Josef Dietzgens Sämtlichen Schriften führt den -Titel »Erkenntnis und Wahrheit«, weil er eine erweiterte Ausgabe -des gleichnamigen Buches ist, das Eugen Dietzgen im Jahre 1908 -- -zum zwanzigsten Todestag seines Vaters -- erscheinen ließ; es ist -eine Sammlung von Briefen, Zeitschriftartikeln und kleinen Aufsätzen -vermischten, teils philosophischen, teils nationalökonomischen, -teils feuilletonistischen Inhalts; ein anderer Teil ist speziell der -Propaganda des Sozialismus gewidmet. (»Zehn Briefe über Sozialismus -an eine Jugendfreundin«.) Eine auszugsweise Wiedergabe des dritten -Bandes in der vorliegenden Publikation erübrigt sich, weil unseres -Autors naturmonistische Denklehre und Weltanschauung, deren Verbreitung -dieses Büchlein dienen soll, in den die ersten zwei Bände umfassenden -Schriften enthalten und in den sie resümierenden Abschnitten dieses -Buches dargelegt ist. Wer die ersten zwei Bände studiert hat, wird an -den vermischten Schriften des dritten Bandes um so größeres Vergnügen -finden, als die Lektüre desselben dem mit des Autors Philosophie -nunmehr Vertrauten keine schwere Denkarbeit fortan auferlegt, sondern -ihn befähigt, die Wirksamkeit von Josef Dietzgens Lehren in ihrer -Anwendung auf das allgemeine Denkgebiet wie auf die Lebenspraxis, -einschließlich der politischen Taktik, zu beobachten. - -Wenn der Marxist Josef Dietzgen nationalökonomische Themata behandelt, -über die soziale Frage spricht und über den Sozialismus, ist es -naturgemäß etwas anderes und etwas +mehr+ -- zumindest durch die -philosophische Beleuchtung --, als was der +Nur+marxist zu geben hat, -wenn ihm weder Poesie die Flügel beschwingt, noch Philosophie den -Horizont erweitert. Der Monismus des Alls, der Universalzusammenhang, -wie ihn Dietzgen lehrt, ist bisher von der sozialdemokratischen Partei -so gut wie gar nicht fruktifiziert worden, obwohl unser Autor am -Schluß seiner Vorrede zum »Akquisit« ausdrücklich darauf hingewiesen -hat, wie »der Zusammenhang und Ineinanderfluß der Dinge auch auf die -Frage von >mein und dein< einen mächtigen und klärenden Bezug hat«. -So vernachlässigte man bisher in der sozialdemokratischen Partei eins -der ausgiebigsten Mittel zur Vertiefung sozialistischer Erkenntnis: -die Übertragung der monistischen Lehre auf das soziale Gebiet, auf das -Verhältnis der Menschen zueinander. - -Kein Autor ist besser geeignet, als Dietzgen, Sozialisten zu Monisten --- wenn sie es noch nicht sind -- und aus Monisten Sozialisten zu -machen. Letzteres gilt nicht zum wenigsten vom dritten Band, dessen -sämtliche Stücke, was kaum besonders hervorgehoben zu werden braucht, -in der Auffassung wie im Stil sich durch die Originalität, die unserem -Autor überhaupt zu eigen ist, auszeichnen und Anregung zum Selbstdenken -reichlichst bieten. - -Als von einer in hervorragender Weise wertvollen Gabe darf hierbei -die Rede sein von den »Privatbriefen Josef Dietzgens an seinen Sohn -in Amerika« (1880 bis 1884), die den dritten Band eröffnen, nebst -dem Geleitwort Eugen Dietzgens hierzu. Es ist anzunehmen, daß jeder, -der für den Philosophen Josef Dietzgen Interesse gewonnen hat, sich -freuen wird, daß ihm Gelegenheit geboten ist, den merkwürdigen Menschen -etwas näher kennen zu lernen, aus dessen »Autodidaktenfeder« die -unvergleichlich schönen und erhabenen Preisungen der Einheit des Alls -geflossen sind. In Verbindung mit dem den ersten Band einleitenden -Lebensabriß Josef Dietzgens durch seinen Sohn Eugen geben jene -Privatbriefe des Vaters an ihn ein völlig klares Bild des seltenen -Mannes, der seine Handwerker-Mußestunden der Lösung schwierigster -philosophischer Probleme erfolgreich gewidmet hat; und sie zeigen uns -nicht nur das unablässige Ringen des +Philosophen+ um die Erkenntnis, -sondern auch den +Menschen+ Josef Dietzgen und besonders ihn als -Familienvater und Musterpädagogen; wir sehen, wie er seine und der -Seinigen Existenzfrage ventiliert und sie in großzügiger Weise zu lösen -versteht -- kurz, einen Denker, den die Theorien nicht für die Praxis -verdorben hatten. - -Josef Dietzgen, der Arbeiterphilosoph, war dreimal in Amerika; von Juni -1849 bis Herbst 1851, von 1859 bis 1861 und von Ende Juni 1884 bis zu -seinem am 15. April 1888 erfolgten Tode. - -Im Frühjahr 1880 schickte er seinen ältesten Sohn Eugen, nachdem dieser -mit dem Reifezeugnis für die Prima das Progymnasium seiner Heimat -Siegburg absolviert hatte, als »Quartiermacher« für die Familie nach -den Vereinigten Staaten. Der junge Mann wäre lieber daheim geblieben, -um das Gymnasialabiturientenexamen zu machen, die Universität zu -beziehen und Gymnasiallehrer zu werden. Der Vater aber riet ihm, nach -Amerika auf »die Hochschule des Lebens« zu gehen; dort könnte er sich -eine bessere Existenz gründen und zugleich die jüngeren Geschwister -mitversorgen helfen, um deren Zukunft Josef Dietzgen sehr besorgt -war, weil sein kleinbürgerliches Geschäft, eine Lohgerberei, von -Jahr zu Jahr durch kapitalistische Konkurrenz uneinträglicher wurde. -Eugen sollte in Amerika irgendeinen kaufmännischen oder technischen -Erwerbszweig erlernen; in einigen Jahren wollte der Vater mit den -anderen Kindern nachfolgen und ihn eventuell mit dem Rest seines -Vermögens bei Begründung eines eigenen Geschäfts unterstützen. - -Dieser Plan wurde mit glänzendem Erfolg durchgeführt. - -Aus den Briefen des Vaters an den Sohn (1880 bis 1884) sollen hier -einige der wichtigsten Stellen mitgeteilt werden. Wir lernen aus -ihnen den ganzen +Josef Dietzgen+ kennen: wie er schafft, für seine -Familie sorgt, seine Kinder erzieht, und wie er das Martyrium des -philosophischen Forschers trägt, der in seiner schwierigen Denkarbeit -durch die Notwendigkeit, zunächst die materielle Existenz der Seinigen -sicherzustellen, sich zeitweilig gehindert sieht, aber keine der beiden -unerläßlichen Aufgaben über der anderen vergißt. - -Voll Rührung und Bewunderung liest man diese Briefe, die uns +die -pädagogische Kunst und die Lebensweisheit Josef Dietzgens+ zeigen, in -zweiter Linie aber auch allen denen von Nutzen sein werden, die -- ohne -die väterliche Fürsorge eines so weisen Ratgebers -- das Experiment -unternehmen, im fernen Ausland ihr Glück zu suchen. - -Der hier vorliegende Auszug bildet etwa den vierten Teil der im -dritten Band der »Sämtlichen Schriften Josef Dietzgens« abgedruckten -»Privatbriefe an den Sohn in Amerika«. - - - 27. Mai 1880. - -Hoffentlich sind bei Ankunft dieses die Gemütsmucken so ziemlich -überwunden und die Seele wieder frisch. Ohne alles Weh kann so etwas -nicht hergehen. Gefühle hat und muß der Mensch haben, aber sie müssen -dem Verstand unterworfen werden. Wenn Dir also, lieber Eugen, für den -Augenblick die Fremde nicht blitzt und schimmert und wenig Anregung -bieten will, wenn Dir die fremden Menschen nicht gefallen wollen -und nur immer an die Lieben und Bekannten traurig erinnern, die Du -zurückgelassen, dann vertreibe Dir und kannst Du Dir die Traurigkeit -recht schnell mit dem Gedanken vertreiben, daß es eben nur Stimmung, -vorübergehende Stimmung ist; daß das, was Dir monatelang ein guter Plan -geschienen hat, nicht durch eine momentane Gemütsfarbe schlecht werden -kann. - -Schiffe Dich nur getrost auf meine Verantwortung ein. Wenn Du Dir Land -und Leute angesehen und dann zurückverlangst, werde ich jederzeit alles -tun, was möglich ist, um Deine Wünsche zu befriedigen. Wenn mich aber -meine Hoffnung nicht trügt, wirst Du Quartiermacher für uns alle sein. -Sieh her! Der Gedanke, daß Du eine Mission hast, muß Dir Mut machen. -Und es ist eine ernste Mission. Was hilft uns alle Schönheit des -Vaterlandes, wenn es das tägliche Brot nicht geben will. Mit diesem -Gedanken mußt und kannst Du der Fremde, den fremden Menschen, dem -fremden Sonnenschein, den fremden Häusern, Zimmern und Eckchen, worin -Du Dich kauern mußt, Poesie, Romantik abgewinnen. Ich habe immer viel -davon gehabt, und Du hast auch davon, ich weiß es, hast von mir davon -geerbt. Poesie und Romantik verklären das Leben unendlich, verklären -den Genuß wie die Entbehrung. Nimm sie zur Hilfe, lieber Eugen, und -lebe wohl und schreibe oft und ausführlich. - - - 23. Juni 1880. - -... Du mußt auch wissen, daß die Leute in den großen Städten und im -bewegten Leben ihren Nebenmenschen nicht so sanguinisch entgegenkommen -wie die Dorfbewohner. Diese lieben und verehren den Fremden, und jene -vermuten einen Gauner, bis er sich +selbst+ ehrsam gemacht hat ... -Einen Rat, den ich nicht oft genug wiederholen kann, den Dir aber auch -die Verhältnisse jeden Tag predigen: nur möglichst wenig Prätension! -Davon bringen alle Grünen zu viel nach Amerika. - -... Man muß auch zu genießen verstehen, dann ist das Genuß, was -sonst Widerwärtigkeit. Du müßtest nur wissen, wie elende dreijährige -Handlangerdienste die Lehrlinge hier in Deutschland leisten müssen, um -Dich als Amerikaner glücklich zu fühlen. Ich bin der Meinung, daß Du -dort Deine Lehre in der Hälfte der Zeit absolvierst.[15] - - - 4. Juli 1880. - -... Daß Du Dich einsam fühlst in diesem interessierten großstädtischen -Getriebe, ist sehr natürlich. Ich hoffe aber sehr, daß sich dies -auch in kurzer Zeit bessern wird; und bis zur Ankunft dieses, denke -ich, wirst Du schon hin und wieder Bekanntschaft machen, die Dein -Gemütsleben stärkt und die Trennung von Deinen Lieben in der Heimat -erleichtert. Gerade solche Trennung und entferntes Voneinanderleben -läßt den gemütvollen Menschen den Wert eines innigen Familienlebens -empfinden; es soll uns alle in dem Vorhaben bestärken, dasselbe zu -pflegen und recht fest zusammen zu streben. Aber zu diesem Zweck will -durchaus die ökonomische Frage -- diesmal die Familienökonomie -- -befriedigend gelöst sein. Mit diesem Gedanken, daß Du mir helfen willst -dazu, werden wir hoffentlich unseren Zweck und unsere Wiedervereinigung -erreichen ... - -Du mußt Dir etwas angelegen sein lassen, K.[16] für Dich einzunehmen. -Darfst nicht verlangen, daß er entgegenkommen oder sich irgend -bequemen soll; nur immer denken: die Reihe ist an mir. Also nähere -Dich wiederholt und unablässig; und scheint es Dir, als würdest Du -abgewiesen, glaube nicht daran. Aus seinen Briefen hast Du ja ersehen, -daß er mir gewogen, und bin ich überzeugt, wenn für irgend einen, tut -er auch etwas für Dich, um meinetwillen. Diesen Glauben mußt Du haben, -daran nicht kleinmütig werden, dann wirst Du auch reüssieren. Du darfst -die Charaktere der Menschen nicht ändern wollen, sondern nur suchen, -Deinen eigenen geschmeidig dem notwendigen Bedürfnis zu akkomodieren ... - -Dein ganzes Lernen kann zunächst in nichts bestehen wie im Umgang, -besonders mit Englisch redenden Menschen. Pflege speziell den Verkehr -mit K.s Kindern und den Damen im Hause. - -Auch wenn Du zurückkehrst, wird der Amerikanismus sein Gutes haben. Man -lernt dort wenigstens gewöhnlich den deutschen Humbug der Vornehmtuerei -verachten und sein Glück nicht im Dekorum, sondern in sich selbst -suchen. Wenn wir hier nur über das lächerliche Dekorum weg wären, dann -könnten wir alle hier und überall leicht und glücklich leben. - -Meine Überzeugung ist und bleibt: wenn Du nur kurze Zeit Dich im -amerikanischen Geschäft umgesehen, wirst Du Deine Kenntnisse und -Lebensstellung nicht mit einem hiesigen Gymnasiallehrer vertauschen -wollen. - - - 1. August 1880. - -Kommt nun der Herbst, wirst Du drüben auch das schönste Klima der Welt -kennen lernen. - -Weil Du die antiamerikanischen Reden des Bodenseers so gläubig und -antiamerikanisch aufgenommen, glaubte ich schließen zu müssen, daß -Deine Stimmung antiamerikanisch geworden. Ich habe vor einigen Jahren -eine Reisebeschreibung über die Vereinigten Staaten gelesen, in der -alles, was ich selber dort erfahren und das mein Wohlgefallen erregt -hatte, ganz wahrheitsgetreu geschildert und doch im abfälligsten -Sinne beurteilt wurde. Die Sache hat mich damals königlich amüsiert, -und erzähle ich es nur, um zu sagen und zu zeigen, wie natürlich es -ist, daß alle Objekte subjektiv angeschaut werden. So ist es auch -mit dem Kaufmannsstand: hüben wie drüben. Übrigens solche Leute wie -Deine Reisegefährten, die großartig auftreten und nichts hinter sich -haben, da ist Europa voll von, und ich bin überzeugt, daß der insoweit -ehrenhaftere Charakter des Amerikaners, der die Bläherei nicht kennt, -aber auch nichts davon ahnt, daß irgendeine Arbeit oder ein Erwerb -unehrenhafter sein könnte wie die gedankenlose Wichtigtuerei, bei -näherer Bekanntschaft Dir besser zusagt. - - - 10. August 1880. - -Die Welt ist überall schön, und wenn Du Dich ein wenig heimisch in -Amerika gemacht, wird es Dir sicherlich dort gefallen. Deine Aufgabe -ist gar nicht groß; nur sorgen, daß Du lernst, in irgendeiner Weise -Dein Brot verdienen, dann habe ich die Kraft, Dir das weitere Verdienen -leicht zu machen, und da ich Dich nun bis dahin unterstütze, so ist -ja gar keine Ursache zum Zagen. Von ein paar Wochen der Einsamkeit im -Menschenmeer von New York mußt Du Dich nicht unterkriegen lassen. -Mit Mut und Sparsamkeit haben wir beide zusammen alle Mittel, um die -Verhältnisse zu bändigen.[17] Leiste Dir etwas mehr Zerstreuung, -benutze die Abende, um Bekannte aus der hiesigen Gegend, deren es genug -dort gibt, aufzusuchen. Nimm Anteil an allem und an allen, an der Welt -und nicht nur an Siegburg oder an irgendeinem anderen Krähwinkel. - - - 29. August 1880. - -Der Schritt, den wir beide getan, war in Anbetracht unserer -Verhältnisse +notwendig+. Wenn Du Dir das zu Herzen nimmst, kannst Du -sehr leicht sentimentale »Gedanken« -- wäre ich da oder dort, hätte -ich dies oder das ergriffen -- aus dem Sinn schlagen. Die Welt ist -überall schön und poetisch, und die Erwerbsverhältnisse sind in Amerika -weit schöner wie hier; sie aber bilden die +Grundlage+ alles Hohen und -Schönen. - - - 5. September 1880. - -Noch ist unser Vermögen so viel, daß, wenn wir uns als -+Proletarier+ betrachten, es leicht wird, uns eine ganz erträgliche -Proletarierexistenz zu schaffen. Wenn wir uns aber zur begüterten -Klasse zählen und danach wirtschaften wollen, geraten wir in eine Lage, -aus der es keine Rettung gibt. Meine Kinder sind für diese Erkenntnis -zu kurzsichtig, darum habe ich die Pflicht, entsprechend zu handeln. -Du sollst mir helfen, lieber Eugen, und wenn Du die Vereinigten -Staaten kennen gelernt hast, wirst Du sagen, daß Du kannst ... Auch -was Ohm Philipp vorgeschlagen, wäre nicht gänzlich verfehlt. Wenn -Du dort in ein paar Monaten die Schriftsetzerei erlerntest, könnten -wir uns ganz leicht irgendwo ein Zeitungsunternehmen erwerben. Kurz, -Mannigfaltiges sehen und lernen laß nur Deine Aufgabe sein; dann -wirst Du nach zwei bis drei Jahren selber sagen, daß Du besser daran -bist wie ein deutscher Gymnasiallehrer. Das sind ja doch meist arme, -höchst einseitige, geknechtete Menschen, die über ihre erbärmliche -Gelehrsamkeit kaum hinaussehen. - - - 26. September 1880. - -... Sehe mit Vergnügen, daß Du Dich daran gemacht, praktisch -anzugreifen (in K.s Fabrikgeschäft). Daß Dir die Handarbeit für den -Anfang schwer wird und Energie kostet, kann ich mir lebhaft denken. -Nur Mut und Ausdauer! Wenn Du die rechte Einsicht hast, wie wertvoll -es für das Leben der Zukunft ist, nicht nur mit dem Kopf, sondern auch -mit Hand und Arm in die Räder der Volkswirtschaft eingreifen zu können, -wie solche mannigfaltige Übung für die verschiedensten Lebenslagen -geschickt macht, eine wie große Unabhängigkeit daraus resultiert, -dann muß Dir das die Pein versüßen. Du hast ein gutes Beispiel an -Haug. Wenn der nur im Polytechnikum und nicht auch in der Werkstätte -gebildet wäre, würde es ihm nicht so leicht werden, von Siegburg nach -Philadelphia überzusiedeln. Du sollst gewiß nicht das Taglöhnern -lernen, sondern nur die Fähigkeit, ein halbes Handtagewerk zu leisten; -das macht geschickt, hundert Dinge anzugreifen, denen der beste -Federfuchser wie ein Tölpel gegenübersteht ... - - - 3. Oktober 1880. - -Laß Dir nur ja recht angelegen sein, K. in jeder Beziehung zu -befriedigen und ihn und seine Angehörigen[18] möglichst für Dich -einzunehmen. In solchen Verhältnissen mußt Du etwaige Widerwärtigkeiten -und Antipathien durch ernsten Willen zu überwinden suchen mit dem -Gedanken, daß alles Unangenehme wenigstens ebensoviel subjektiv als -objektiv ist. Man kann ja sowenig die Verhältnisse als die Menschen -nach +Wunsch+ ändern, sondern muß sie nehmen, wie sie eben sind, und -aus allem das Beste zu machen streben ... - -Immer in der Gegenwart an alle Möglichkeiten der Zukunft denken, aber -doch die Gegenwart und +dreimal+ die Gegenwart warm halten ... - -Offenheit und Zutraulichkeit im Verkehr mit K. glaube ich Dir nicht -genug empfehlen zu können. Niemals verschlossene Zurückhaltung; die -führt zu nichts Gutem; lieber Bruch. - - - 16. Oktober 1880. - -Dein Gedanke, eventuell auch Anstreicher und Dekorateur werden zu -können, hat mich froh gemacht. Der Reichtum aller Länder entwickelt -sich stark und der Amerikas doppelt schnell; das sichert dem -dekorativen Bedürfnis eine steigende Zukunft. Die Kunst soll dem -Menschen dienen, mithin praktische Verwendung finden. Wenn Du Dich auf -solchem gleichsam handwerkmäßigem Wege zum Künstler ausbilden kannst, -das wäre ein rechter Weg. Aber nur ja nicht voreilig! Der kaufmännische -Weg, auf dem Du gegenwärtig wandelst, gehört mit dazu und würde auch -dazu später unberechenbare Vorteile gewähren. Ebenso der Umgang mit der -Färberei in K.s Fabrik. - -Versäume nichts, wo es etwas zu lernen gibt. Auch den mechanischen, -maschinellen Teil betrachte nicht als außerhalb der Sphäre. In der -modernen Industrie hängt alles mit den Maschinen zusammen. Denke nicht, -ich mute Dir zuviel zu. Nur ein paar Handtäste, eben wissen, wie man -eine Sache angreift, ist oft von großem Wert. - -Nun möchte ich Dir noch warm empfehlen, unter allen Umständen wahre -Bildung, nicht die mit Gänsefüßchen, nicht die »Bildung«, hochzuhalten -und besonders in Amerika nicht zu vergessen, daß man schachern soll für -das Leben, aber nicht leben für den Schacher. Auch im Urteil gegen -und über Deine Umgebung nie hart, sondern stets human zu sein. Um -liebenswürdig zu handeln, muß man liebenswürdig denken; Tugenden und -Fehler stecken immer ineinander; auch der Bösewicht ist ein guter Kerl, -und der Gerechte sündigt des Tages siebenmal. - -Mich verfolgt seit früher Jugend ein logisches Problem, »die letzten -Fragen alles Wissens«. Das sitzt mir wie ein Stein im Kopf. Wenn im -Laufe meiner vergangenen Jahre die Not herantrat, konnte ich es auf -ein paar Jahre verlieren; aber nach hergestellter Ordnung der Dinge -kam es immer wieder, und immer verstärkter und klarer, so daß mir -erst in den letzten Jahren die Überzeugung gewachsen ist, es sei -meine Lebensaufgabe, sowohl innerer Seelenfriede wie die sittliche -Pflicht fordern Hingabe und Arbeit für dasselbe. Daher kommt es auch, -daß ich immer danach strebe, einen Associé zu finden, der mir helfen -soll, die ökonomische Bürde zu tragen. Daher meine Unfähigkeit, das -Detailgeschäft hier ohne Hilfe zu betreiben. Mein Sinnen geht überall -dahin, den Kopf leer zu halten, damit ich dem Problem nachhängen kann. -Seit den letzten Jahren bin ich gar übel daran, es steht mit mir auf -und geht mit mir schlafen, und die leiblichen Sorgen gestatten mir doch -keine Ruhe, um viel daran zu tun. - - - 23. November 1880. - -Du hast sicher noch zuviel des verkehrten europäischen Spleens im -Kopf. Eugen! Eugen! sei klug! Ich helfe gern, doch hilf Du auch. -Verschiedenen Arbeiten einen verschiedenen Rang beilegen und nicht das -für das Höchste halten, was just der Zweck erfordert -- ohne weitere -Rücksicht --, das ist ein heilloser europäischer Spleen, der noch -von der alten Gewohnheit herrührt, das Volk in Herren und Knechte -einzuteilen. Ich merke, Du bist unwillig und räsonierst in Dir über -Dinge, die doch gar natürlich sind und nicht anders sein können. Daß K. -seinen Sohn protegiert und ihm mehr glaubt wie Dir, auch dessen Fehler -leichter übersieht wie die Deinigen, ist gar zu natürlich. Du läßt -Dich zuviel von Deinen Sympathien und Antipathien mitnehmen. Dem muß -man widerstehen. Wenn K.s Sohn auch mürrisch und launisch ist, laß ihn -sein; es ist nicht Deine Aufgabe, ihn zu ändern, sondern zu ertragen -und das möglichst Beste daraus zu machen. - -Du scheinst auch überempfindlich zu sein. Denke doch, daß die Leute -uns nichts schuldig sind und es immerhin für den Anfang angenehmer -für Dich ist, unter Bekannten als unter Wildfremden zu sein. Ist K. -einsilbig und verschlossen, nun, das ist eben seine Weise; die legt er -ja nicht an, Dich zu verletzen, und kannst nicht verlangen, daß er sie -um Deinetwillen ablegt. Ich weiß, die Amerikaner sind übermäßig von -sich eingenommen und sehen auf Europa und speziell auf die Deutschen -übermütig herab. Das kränkt anfangs, aber Du mußt überwinden und das -Heilmittel in Dir, nicht an anderen suchen. Stolz und selbstbewußt, -das ist recht und dabei doch zart sein. Dir selber nichts vergeben und -anderen alles. - -Das kleine mobile Vermögen, das ich noch besitze, sind Blutstropfen, -die wohl müssen zu Rat gehalten werden. Wenn Du von K. aufbrichst, -darf es nicht im Trotz geschehen; nicht Dich überwerfen mit K., -kein unartiges Wort: ~suaviter in modo, fortiter in re~! Wenn Du -so handelst, bin ich bei Dir bis zum letzten Cent. Aber nur nicht -rappelig! Versuch es noch ernstlicher mit dem jungen K. als bisher. -Nimm Dir vor, durch ein hartes Wort Dich nicht aus dem Konzept bringen -zu lassen. Ist er unartig, die Unartigkeit fällt auf ihn zurück -- sei -Du deshalb doppelt artiger. Zeige Dich immer unabhängig, dabei nie -beleidigt; Du mußt Deinen Stolz demütigen um der Sache willen, und ihn -doch behalten und ihn gebrauchen, +wenn Du die Macht hast+; aber nie -etwas wollen, was man nicht kann. Das Recht ist nur ein Begriff, aber -das Faktum die Wahrheit -- also immer nach dem Faktischen handeln, nie -nach Gefühlen und Reizbarkeiten. Sprich Dich mit K. aus. Sage ihm -alles, was Du auf dem Herzen hast, mit Abwälzung alles Kleinlichen. -Strebe unabhängig und selbständig nach Deinem Zweck, welcher vorerst -nur dahin geht, eine Stellung zu haben, worin Du 6 oder 8 Dollar -wöchentlich verdienst; kannst Du das nicht beim jetzigen Prinzipal, -bei K. erreichen, dann gebe Dir wohl den Anschein der Geduld, aber -strebe ungeduldig danach, anderweitig Dein Heil zu versuchen, und -benachrichtige mich zur rechten Zeit, daß ich Dir Geld schicke. - - - 5. Februar 1881. - -Bemühe Dich nur, Deinen Prinzipalen gegenüber und bei Deinen -Mitgehilfen alle etwaigen Antipathien zu überwinden. Lasse Dir -angelegen sein, nicht nur durch Leistungen, sondern auch durch artige -Worte Dich festzusetzen in Deiner Stellung. Wenn letzteres zu guten -Leistungen hinzukommt, ist es ungemein wirksam. Wenn Du nach höherem -Lohn strebst, so tue das nur, insofern alle anderen Verhältnisse -zusagen, mit der größten Delikatesse. Wenn Du die deutsche Demut mit -der amerikanischen Independenz in geschickter Weise zu verbinden weißt, -das macht den Kapitalkerl! - -Ein ordentliches Salär ist eine schöne Sache, jedoch rate ich, lasse -Dir noch mehr angelegen sein, in das Geschäft, das Du da gefunden, nun -auch richtig hineinzukommen: vom Verkäufer im Innern auch zum Verkäufer -nach außen zu gelangen, Waren, Kundschaft und Buchführung kennen zu -lernen. Aber Eile mit Weile! - - - 30. März 1881. - -... Mit dem Gedanken, daß der erste Verkäufer nicht mehr versteht und -tut wie Du und doch ein vierfaches Salär erhält, darfst Du Dir Deine -Stellung nicht verleiden lassen. Wie mancher Sekondeleutnant ist ein -ebenso tüchtiger und noch viel kapablerer Militär wie der General, und -muß doch seine Zeit abwarten. Wenn auch noch etwas Geld draufgeht, -laß Dich nicht kümmern, der sichere Gang ist der vorzüglichere. Du -solltest der Prinzipalität in Bescheidenheit die Vorstellung machen, -daß Du Dir gerne gerade bei ihr eine Zukunft erarbeiten möchtest, daß -sie Dir aber wenigstens genug zahlen möchte für Dein notdürftiges -Auskommen, denn es sei Dir peinlich, jetzt noch um Geld nach Hause zu -schreiben, und Deine Kasse sei zur Neige. Wenn Du es dann bis zu 15 -Dollar wöchentlich gebracht hast und findest die Vorrückung zu langsam, -so wirst Du leichter bei irgendeinem Konkurrenten der Firma ankommen. -Das längere Fungieren aber scheint mir erste Bedingung. Bist Du einmal -außer Stellung, so ist es zehnfach schwerer ankommen. - - - 25. April 1881. - -... Das Schwerste ist jetzt überwunden. Nach drei Monaten trägst Du -nochmals auf Gehaltserhöhung an, und schon nach zwei, wenn Du fühlst, -daß Du an Fähigkeiten und Leistungen Fortschritte machst, würde ich -die Prinzipale in bescheidenster Weise bitten, Dein ernstes Streben -mit ein paar Dollars wöchentlich zu encouragieren. Aber es so machen -wie diesmal, mußt Du künftig vermeiden. Ich merke schon, Du hast von -mir geerbt; mir wird es auch schwer, den Stolz zu beugen und mit guten -Worten und Bitten das zu erbetteln, was ich für mein Recht halte. Aber -der richtige, der erfolgreiche Weg ist es nicht, wenn man -- so wie -Du getan -- und ich habe es auch schon mehr so gemacht -- dem guten -Freunde die Pistole auf die Brust setzt. Nimm Dir ernstlich vor, solche -delikate Fragen nächstens weniger ernst und dringlich, sondern mit -lächelnder Lippe und jüdischer Zähigkeit zum Austrag zu bringen. - - - 15. Juli 1881. - -Strebe möglichst mit Behaglichkeit. Ein beruhigtes, wenn auch frugales -Unterkommen, welches Interesse für alles Schöne, Wahre und Gute übrig -läßt, ist jeder auch noch so fruchtbaren Jagd nach Geld und Gut -vorzuziehen. Ich hoffe wohl und freue mich, wenn das amerikanische -Klima Dich so weit ansteckt, daß Du erwerbslustig und -fähig wirst, -weil das Erwerben das ~Sine qua non~ von allem ist; aber ich hoffe, daß -Du Dein besseres Sein darin nicht aufgehen läßt. - - - 3. August 1881. - -Du mußt vor allem streben, Dich und Deine subjektiven Anschauungen -beherrschen zu lernen und Deiner Zukunft oder Vernunft -- wie man es -nennen will -- die momentanen Gefühle zu opfern. Die Klugheit erfordert -durchaus, sich der Kunst zu bemeistern, allen Persönlichkeiten, auf -deren Umgang Du angewiesen bist, liebenswürdig zu erscheinen, ohne -deshalb auf den eigenen Charakter und die eigenen Rechte zu verzichten. -Dabei halte immer fest, daß ein Recht, wozu die Macht fehlt, Dich in -Besitz zu setzen, nur ein ideales Recht ist, dem die »Wirklichkeit« -fehlt, das man also nicht hat oder doch nur im Kopfe hat, aber erst -durch zweckmäßige Handlung verwirklichen kann. - -Deine Gedanken hängen wohl immer noch mehr und lieber an der -Vergangenheit wie an der Zukunft? Das kommt aber daher, daß Du in der -Heimat ganz und gar ein nur ideales Leben geführt hast. Du hast die -Menschen und Verhältnisse hier nur von der schönen, gemütlichen Seite -gesehen. - -Ich würde bedauern, wenn es anders wäre, aber auch wenn Du den Revers -zu spät sähest. Was in Amerika so offen zutage liegt: der abgöttische -Tanz um das eigene Ich, das ist hier noch mehr verbrämt mit Sitten und -Phrasen, mit Überbleibseln der Vergangenheit. Aber unter der Maske -der Verwandtschaft, Freundschaft, der Lieb und Treu kommt doch auch -hier immer nackter und nackter das wahre Gesicht des Eigennutzes zum -Vorschein. Die Bande der Familie, der Freundschaft und Liebe werden -täglich mehr zu losen Bändchen, zu Flitter an der Frage nach »barer -Zahlung«. Ich bin kein Pessimist. Die bösen Erfahrungen, die ich mit -Geschwistern, Verwandten und Freunden gemacht, haben mir nie die Liebe -rauben können, -- aber nur darum nicht, weil ich weiß, daß es so -kommen muß, daß die einzelnen Menschen keine Schuld tragen, sondern -nur die bösen Verhältnisse, daß nur die kapitalistische Produktion das -Gift bringt. Darum ist denn auch mein Haß nicht gegen die Eigennützigen -gerichtet, sondern gegen den Eigennutz; darum erwarte ich keine -Besserung von der Moralpredigt, sondern von der Entwicklung der -ökonomischen Verhältnisse. Der handgreifliche, fortwährende Aufschwung -der Produktion erlöst die Menschen von der Armut, von der Erbsünde und -vom Teufel. - - - 17. September 1881. - -... Was Dich für das Geschäft (in dem Du jetzt arbeitest: Instrumente -für Ingenieure und Architekten) schätzenswert macht, sind besonders -- -denke ich -- die guten Vorkenntnisse, welche Dich befähigen, leichter -mit den mathematischen Instrumenten Dich bekannt zu machen; und ohne -eingehende Bekanntschaft mit dem Gebrauch und Zweck der Dinge kann -man unmöglich ein +guter+ Verkäufer werden. Ich erinnere mich aus -meinem früheren Geschäft in Winterscheid, daß die Reisenden kamen -und Kaffee verkauften. Wenn ich dann fragte, wo der Kaffee herkommt, -dann wußten sie nur, daß er in Amsterdam gekauft war und Cheribon, -Java und Menado genannt wurde; aber wie die Holländer dazu gekommen, -ob er privatim aufgekauft wurde an den Produktionsplätzen, oder ob -es eine Aktiengesellschaft sei, welche die Auktionen in Holland -veranstaltete, oder ob die Sache Regierungsangelegenheit, davon wußten -die Pomadenhengste nie etwas. Und ich habe mich damals schon sehr über -solche Unwissenheit mokiert, da sich die Leute doch gerade diese und -keine andere Sache zum Geschäft machten. Möchte Dir deshalb anraten, -Dich eingehend nach dem Gebrauch, nach Herkommen, Geschichte und allem, -was Du über Deine Geschäftsartikel erfahren kannst, angelegentlichst zu -erkundigen. Nur wenn man etwas weiß, kann man auch etwas sprechen, das -nicht fade und trivial ist ... - - - 22. September 1881. - -So angenehm, wie unter guten Umständen das Leben in einem kleinen -deutschen Landstädtchen ist, so heillos verpestet ist die Luft darin, -wenn der »Kampf ums Dasein« gefordert wird. - -Du schreibst, daß Du gern an das ideale Leben zurückdenkst, das Du hier -geführt. Es wäre schade, wenn es anders wäre, doch auch schade, wenn -eine krankhafte Sehnsucht Dir den Reiz der Gegenwart verkümmerte und -Dein Streben erschlaffte. Muß gestehen, ich habe in diesem Punkte so -etwas Furcht und Sorge um Dich und freue mich deshalb ungemein, wenn -ich aus Deinen Briefen zuweilen sehen kann, daß Dein Gemüt heiter und -Deine Stimmung durchgehends energisch ist. Sentimentale Augenblicke -hat jeder. Du mußt Dir einmal klar vorstellen, worin der Reiz des -hiesigen Lebens denn eigentlich besteht. Von den Leuten nach Herkommen, -Stand und Aufführung gekannt zu sein und dadurch Achtung, Vorzug, -Teilnahme und Entgegenkommen zu genießen, das ist gleichsam eine Würze -des Lebens, die einen Pulsschlag hineinbringt, der gewiß nicht zu -verachten ist. Aber solche Ingredienzien sind auch nur wirksam, wenn -der +Stoff+ gut ist, dem sie beigemischt werden. Um diesen Stoff zu -erhalten -- erhalten im Sinne von konservieren +und+ erwerben -- bist -Du hinausgegangen, und wenn Du nun auch von der Würze einstweilen viel -entbehren mußt, so sollst Du doch nicht verkennen, daß man, wenn nur -der Lebens+stoff+ gegeben ist, sich das andere auch anderswo leicht -verschaffen kann. - - - 25. November 1881. - -Vivat der Stadtreisende! Soeben die briefliche Nachricht empfangen, daß -sich Deine Andeutungen per Postkarte bestätigt haben. - -Jetzt, lieber Junge, sind wir wieder alle auf dem Damm. Wenn man weiß -zu erwerben, ist dies mehr wert als Vermögen. - -Über den neuen Wirkungskreis, den Du errungen, freue ich mich noch -mehr wie über die Gehaltsaufbesserung, doch ist auch letztere ganz -erfreulich. - -Was wird das für eine Freude sein, wenn Du einmal heimkehrst und wir -uns alle wiedersehen! Das Schönste aber, was ich mir denken kann, ist, -wenn Du uns alle mitnehmen kannst, ohne daß wir beladen sind mit einer -ängstlichen Sorge um die Zukunft. Aber auch jetzt bin ich schon froh. -Das Glück haben nicht viele Familien, daß sie stets zusammenbleiben -können. - -Unser Gehilfe Knöfel ist nach der Heimat gewesen. Hat von dort -geschrieben, ob er zurückkehren könne. Ich habe ihm dann einen -annehmbaren Vorschlag gemacht. Er ist wiedergekommen, hat vier Tage -gesoffen und zwei gearbeitet, und sich nun entschlossen, nach Amerika -zu gehen. Wahrscheinlich wird er nach sechs oder acht Tagen von -hier abreisen. Wenn er nach New York kommt, wird er Dich jedenfalls -aufsuchen. Sein Geist ist stark, aber das Fleisch ist schwach. Ich -glaube, daß er drüben seine paar hundert Mark verduseln und dann ein -guter Arbeiter sein wird. - - - 22. Dezember 1881. - -... Daß die Amerikaner angespannter arbeiten wie die Leute hier, -weiß ich wohl aus eigener Erfahrung; aber was die Entschädigung -durch Vergnügen anbelangt, dünkt mir doch, daß diese Sucht hier noch -schlimmer ist. Die Bierbank und öde Gesellschaft ist wohl nirgends -mehr gepflegt wie in unserem deutschen Philisterium. New York und die -Großstädte machen eine Ausnahme, sonst im Innern des Landes ist nach -meiner Erfahrung der Amerikaner ein sehr ernster Mann, der mehr die -Einsamkeit liebt und pflegt wie irgendeine andere Nation. - -Leider lebt in aller Welt die Volksmasse noch immer in einer geistigen -Wüste. Mit der Tatsache, daß Du an Deiner inneren Ausbildung mehr -arbeiten möchtest, als Dir die Stellung vergönnt, mußt Du Dich eben -abfinden, so gut es angeht. Es ist das ein Weltleiden. Darum war bisher -auch alle geistige Entwicklung hauptsächlich das Werk der bevorzugten -Klassen, und fand die aristokratische Konstitution der Gesellschaft -früher auch ihre Berechtigung darin, daß die Masse arbeiten mußte, -damit die wenigen Muße hatten zur Förderung der Kultur. Jetzt darf auch -die Masse Muße fordern, weil eben die Kultur so weit gediehen ist, daß -der nötige Proviant in einem Viertel der alten Zeit beschafft werden -kann. - -Das Reisen im Staate New York muß Dir doch Vergnügen machen. Die -Natur ist da ja wirklich besonders schön, namentlich zwischen Albany -und Buffalo sind sehr schöne felsige Gebirgspartien. Aber auch die -Gegend am Hudson hat mir gefallen. Empfehle Dir, Washington Irvings -»Sketchbook« zu lesen, und wenn Du etwas Ernstes studieren willst, -rate Dir sehr an, Dich mit der Literaturgeschichte aller Zeiten und -Völker zu beschäftigen. Die englische Literatur, die Dir am leichtesten -zugänglich, ist wohl die schönste von allen; aber natürlich hat jedes -Volk seine besonderen reizvollen Eigentümlichkeiten. Mit Zeitungen und -dergleichen rate ich Dir nicht, die schöne gute Zeit zu vertrödeln. - - - 1. Januar 1882. - -Lege auch einen Abschnitt aus der »Kölnischen Zeitung« bei, aus dem Du -lernst, wie überfüllt alles und wie schwer hier das Fortkommen für die -jungen Leute ist. - -Du kannst Dir kaum denken, wie deprimierend das auf den Charakter -der jungen Leute wirkt, so bis an die dreißig Jahre herumzulungern, -äußerlich den hoffnungsvollen Mann spielen zu müssen, und inwendig -einen Placken an den anderen setzen, um nur die Blöße decken zu können. -So sind viele Siegburger Apotheker geworden und finden sich nicht -besonders wohl dabei. Ohne die Fonds, eine eigene Apotheke erwerben zu -können, soll das Fach sehr schlechte Stellungen bieten. - -»~Homo sum~«[19] habe in den Weihnachtstagen gelesen und mich recht -dabei amüsiert. Verstand dadurch auch um so viel besser die Philosophie -Deines letzten Briefes. Es ist mir sehr lieb, wenn Du Dich derart über -Deine innersten Gedanken öfters aussprichst. Dergleichen vermindert den -Raum, der zwischen uns liegt. - -Der Anachoret Paulus hat mir viel Vergnügen gemacht, aber auch die -Episode zwischen Polykarp und Vater und Mutter. - -Die freiwillige Armut und Abstinenz hat gewiß ihre gute Seite, nur mußt -Du Dich erinnern, daß sie aus der heidnischen Völlerei hervorgegangen, -und daß die Armut so einseitig ist wie die Völlerei, die Wahrheit -oder Vernunft nun aber die Umfassung beider Extreme erfordert, nicht: -entweder -- oder, sondern: sowohl -- als auch. Sowohl reich wie -arm. Wir wollen unsere Begierden mäßigen, unsere Lebensart auf das -einfachste reduzieren, ohne zu vergessen, daß solche Reduktion den -Zweck hat, uns reicher zu machen, reicher sowohl an materiellen wie an -geistigen Gütern. Beide Güterarten gehören durchaus zusammen und sind -nur Formen oder Arten eines Guts, des Guten schlechthin. - - - 16. Januar 1882. - -Ich wünschte besonders, daß der Eindruck, den »~Homo sum~« auf Dich -gemacht, etwas haften bliebe, das heißt die Erkenntnis, daß eine -gewisse Abstinenz zur Erreichung einer befriedigenden Seelenstimmung -unumgänglich ist. Du sollst die Welt und das Vergnügen nicht meiden, -aber auch die Einsamkeit nicht. Der Wechsel zwischen beiden gewährt den -+höchsten+ Genuß. - -Der Kunstsinn liegt bei Euch drüben in Amerika noch im argen; hat sich -in den letzten Jahrzehnten jedoch sehr gehoben und wird voraussichtlich -in den nächsten Jahrzehnten riesig steigen, weil nirgends der Reichtum -so zunimmt wie dort. Und Reichtum muß und wird immer danach streben, -seinen Genuß durch die Kunst zu erhöhen. Deshalb glaube ich, daß -eine kunsthandwerkmäßige Ausbildung für eine amerikanische Zukunft -zweckmäßig sein könnte ... - - - 20. Februar 1882. - -Möchte jetzt gern einmal von Dir hören, ob Du auch schon das erworben -hast, was ich immer als mein bestes Akquisit von meiner ersten -amerikanischen Tour betrachtet habe: das Gefühl, mit einem Lande und -mit Verhältnissen bekannt geworden zu sein, wo man die hier allgemein -so schwer drückenden Sorgen für das tägliche Brot auf die leichte -Schulter nehmen kann. Wenn das ist, dann hast Du viel, unendlich viel, -etwas gewonnen, was ein Vermögen wert ist. - - - 3. April 1882. - -Deine letzten Nachrichten haben mir nicht nur viel Sorge gemacht, -sondern waren mir besonders unerfreulich, weil ich sehe, daß Du einen -so großen Leichtsinn hast, wie ich nie vermutet habe. Die zwölf -Dollar pro Woche, die Du errungen, waren nötig zur Existenz, und so -das Notwendige aufs Spiel setzen, um ein übriges zu gewinnen, ist -unverantwortlich. Ich wünsche nur, daß die Sache sich besser gestaltet, -wie meine Liebe zu Dir mich fürchten läßt. Also fünfzig Dollar Schulden -hast Du schon bei Sorge und zehrst wahrscheinlich auf Kredit! Das kann -nur gut enden, wenn Du nicht manchen Tag nach einem neuen Unterkommen -zu suchen brauchst. Denke und hoffe optimistisch, aber handle -pessimistisch. Wenn Du etwas von meiner Kraft hättest, dann würdest -Du sofort Deine Ausgaben auf das Allernotwendigste einschränken, -buchstäblich von Brot und Wasser leben und möglichst schnell in Arbeit -treten, gleichviel ob man zwanzig oder nur drei Dollar dafür zahlt. -Solche Handlungsweise würde von Verstand zeugen, aber große Ansprüche -machen, die man nicht zu erringen und zu bestreiten weiß, ist eine -törichte, eitle Kaprice. Weißt Du auch, daß ich froh wäre, wenn ich -den Wert von zwölf Dollar wöchentlich nicht nur für mich, sondern für -uns alle hier zu verzehren hätte? Solange Du mir nicht sagen kannst: -»ich habe hundert Dollar für einen Notpfennig zurückgelegt«, so lange -schelte ich dich leichtfertig. - - - 18. April 1882. - -... In solchen Lebenslagen wie gegenwärtig mußt Du auf die -gewohnheitsmäßige Befriedigung Deiner Lebensbedürfnisse verzichten -können, nach Pittsburg und dem Westen per Emigrantenzug fahren und aus -der Tasche von Wurst und Brot zehren. Ich habe das xmal wochenlang -getan und bin dabei so heiter geblieben, als wenn ich an der Table -d'hote gespeist hätte. Im Gegenteil. Die Kraft der Entsagung ist ein -wirksames Gegenmittel gegen die Bedrückung des Gemüts, welche die -sorgenvolle, prekäre Lage notwendig mitbringt. - - - 26. April 1882. - -Wir haben die Karte empfangen, worin Du Dein neues Engagement anzeigst. -Es hat also gut gegangen; aber doch wünschte ich, daß Du so viel -Freiheit über Dich selbst gewönnest, um einzusehen, daß man zeitweise -seinen Gefühlen mehr Zwang antun muß. - -... Dein stolzer, unabhängiger Sinn ist mir sehr lieb und wert, aber -um ihn zu realisieren, um wahrhaft unabhängig zu werden, mußt Du auch -das dialektische Gegenteil, den unterwürfigen Sinn üben und pflegen. Es -ist das wohl ein Widerspruch, aber ein durchaus sinniger, wie das reale -Leben ihn überall fordert. - -Dafür, daß Du mich so fleißig über die Einzelheiten Deiner Krisis -unterrichtet hast, bin ich Dir noch besonders dankbar. Es hat mich -das wohl für einzelne Tage und Stunden recht besorgt gemacht, auch -wohl eine schlaflose Nacht verschuldet, aber im ganzen sehe ich -doch, daß die Situation nicht so schlimm ist, daß Deine Aussichten -mannigfaltiger sind, wie ich sie mir anfangs vorstellte. Laß uns -nur recht fest zusammenhalten, und wir werden alle Hindernisse -überwinden ... - - - 14. Juni 1882. - -Herrschaft über die Natur ist der Adel des Menschen. Ursprünglich Tier, -wird er Mensch und Herr erst dadurch, daß er dem Naturwalten hinter -die Schliche kommt. Der Zweck aller Kultur geht dahin, die natürliche -Abhängigkeit zu besiegen und Herr zu werden. Nur innerhalb gewisser -Schranken kann das gelingen. Auch wenn die Menschheit das Errungene -in der Zukunft verzehnfacht und verhundertfacht, verbleibt sie in -natürlicher Abhängigkeit. Die menschliche Herrschaft kann immer nur -eine vernünftig beschränkte sein. - -Was also die Aufgabe des ganzen Geschlechts, ist auch Deine -persönliche, individuelle Aufgabe: Du willst und sollst Herr Deines -Geschicks werden. Obgleich Du Momente hast, wo Du Dich jetzt schon als -solcher fühlst, wirst Du auch Momente haben, wo Du Deine Untertänigkeit -empfindlich merkst. Also bist Du soviel Knecht wie Herr, jedes relativ, -das heißt einer, der sich emporarbeiten will, der dies Streben als hoch -und hehr erkennt, ohne zu verkennen, daß er nie einen absoluten Gipfel -erreichen kann. - -Wenn nun die Menschheit des geistigen Scharfsinns zum Kulturfortschritt -bedarf, so kannst Du im Verkehr mit den Widerwärtigkeiten der List -nicht entraten. Weder der Wunsch, frei, noch das empfindliche Gefühl, -Knecht zu sein, kann Dich aus Stricken und Banden erlösen: es gehört -die »kluge« Tat dazu. - -Die Sklaverei (im wörtlichsten Sinne) nennt Hegel eine »List der -Vernunft« und meint damit, sie sei notwendig gewesen, um die Menschen -mit der Peitsche zur Arbeit anzuhalten, weil sie ursprünglich eben -Tiere sind, die der Zuchtrute bedürfen. Und Aristoteles erklärt -bekanntlich, daß erst, wenn die Weberschiffchen ohne Menschenhand -und von selbst hin und her schnellten, an Abschaffung der Sklaverei -zu denken sei. Jetzt erst, wo die Weberschiffchen angefangen haben, -von selbst zu laufen, und die Ziegelsteine fast ohne Arbeit gebacken -werden, heute also, wo der Reichtum überhandnehmen will und die -tierische Plackerei immer mehr durch die Kultur beseitigt werden kann, -ist die Forderung nach allgemeiner Freiheit berechtigt. - -Ich halte diesen breiten Sermon, weil ich Dir eindringlich zureden -möchte, in der jetzigen Periode Deines individuellen Lebens List, -Klugheit und Verschlagenheit nicht gering zu achten. Nur dadurch kannst -Du ein »freier Mann« werden, der seine Absicht jedem offen und ehrlich -ins Gesicht sagen darf. Um eben die Geradheit zu erreichen, ist Dir -einstweilen die Hinterlist eine sittliche Notwendigkeit. Ich fürchte -immer, Dein Naturell möchte Dich verleiten, im Freiheitsdrang die -Notwendigkeit der Beschränkung und Abstinenz zu übersehen. - - - 23. August 1882. - -Ich für meinen Teil bin zwar eingenommen für das Land (der Vereinigten -Staaten), aber nicht, weil ich die dortigen Verhältnisse so sympathisch -finde, sondern weil mir die hiesigen schändlich versumpft und beengt -vorkommen. Dort hat man der absoluten Gewalt der Natur, der eisernen -Notwendigkeit in die Augen zu sehen und mit ihr zu kämpfen, hier -sind es Schrullen und Vorurteile, feudale und chinesische Zöpfe und -anerzogene Nichtswürdigkeiten, die den Geist versklaven. Doch daraus, -daß so viele verfehlte Existenzen dort herumlaufen, sollst Du Dir kein -Vorurteil wider das Land und seine Verhältnisse bilden. Was meinst Du -wohl, wie viele unbefriedigte Leute es denn hier gibt? Den prekären -Zuständen, wie sie dort herrschen und wie sie die Großindustrie -mitbringt, gehen wir hier eiligen Schrittes entgegen. Amerika ist uns -darin wohl sehr voraus. Dafür hat es aber auch durch den Reichtum -seiner Natur und primitiven Kultur viel mehr Zwischenräume für den -Mittelstand, dem wir angehören und in dem wir uns möglichst lange -erhalten wollen. Mit der Zeit muß derselbe allerdings ~nolens volens~ -hier wie dort ins Proletariat hinabsteigen. Aber unterdessen haben auch -die untersten Volksklassen so viel gewonnen, daß die Sache weniger -betrübt ist. Wir gehören deshalb praktisch zur Mittelklasse und -theoretisch zum Proletariat. Soll ich mich hier tatenlos hinuntersinken -lassen, wenn ich vorsehe, daß drüben die Kampfverhältnisse günstiger -sind? - -Ich möchte Dir gern meine Überzeugung übertragen, damit Du wo mit -dem Leibe auch mit der Seele stehest. Das Staatsproletariat ist -eine erbärmliche Sklaverei. Zwar ist das sicherste hier wohl der -Staatsdienst, aber ich fürchte, Du siehst ihn mit zu idealen Augen. -Wenn Du als Gymnasiallehrer hier Deinem Herrn und Meister so viel -Opposition gezeigt hättest wie bei K. & E., dann wärst Du am Ende -Deines Lateins, aber gründlicher am Ende wie dort, wenn Du auch -vollkommen mit den New-Yorker Herren zerfällst. Zudem ist es viel -leichter, einen herrischen Privatmann mit einem schmeichelhaften Worte -zu befriedigen, als ein herrisches System, das nur mit Deiner völligen -Unterwerfung auf Lebensdauer zufrieden ist. Lieber Eugen, besieh Dir -Dein Verhältnis genau, und dann wirst Du -- nach meiner Ansicht der -Sache von hier aus -- jubeln, daß Du so weit vorgerückt bist ... - - - 25. November 1882. - -... Richte Deine Aufmerksamkeit weit mehr auf den sicheren, steten -Gang als auf großen Erfolg. Auch sitzt in dem vielen Hab und Gut gar -nicht das Glück; eine bescheidene Existenz ist alles, wonach wir -streben wollen. Im Hinblick auf den Reichtum, welchen die menschliche -Entwicklung uns ganz von selbst in den Schoß wirft, dürfen wir dem -Gang der Dinge mit der größten Genügsamkeit zusehen. Ich meine damit -die Produktivkraft der Arbeit, welche sich durch die industriellen -Fortschritte stetig mehrt; damit mehrt sich also auch das lebendige -Vermögen des einzelnen, mittels seiner Arbeit die Bedürfnisse zu -befriedigen, wenn auch sein totes Vermögen, sein »Kapital« sich nicht -mehrt. Weil man aber durch die Abhängigkeit vom Kapitalisten sehr -leicht aufs Trockene und ins Elend versetzt werden kann, darum ist es -von allerhöchster Bedeutung, so viel Stock (Vorrat. D. H.) zu besitzen, -um unter allen Umständen seine Arbeitskraft in Gang erhalten zu können. -Deshalb ist es für uns jetzt so überaus wichtig, sorgsam zu wachen, daß -unser kleiner Fonds erhalten bleibt. Ich freue mich ungemein auf Deine -Herkunft im nächsten Sommer, damit wir uns gründlich verständigen ... - - - 9. März 1883. - -... Eine besondere Freude macht es mir, daß ich es fertig gebracht, -gemäß Deinen Auslassungen, Dich für meine heiligsten Gedanken, für -meine neue und hohe Weltanschauung zu interessieren. Dadurch hat uns -die Trennung und Entfernung nicht entfremdet, sondern im höchsten Grade -genähert. Bleibe, lieber Eugen, der Wissenschaft anhänglich! Werde kein -Bücherwurm, aber ein Liebhaber der Bücher zum Zweck ihrer praktischen -Anwendung im Leben! - - - 15. März 1883. - -... Der Familienzusammenhang ist mir wie Dir teuer und wert und möchte -ich uns allen gewiß die Freude des Wiedersehens gönnen. Jedoch geht -das materielle Gedeihen allen Gemütsbedürfnissen vor. Besser, wir sind -in fünf Weltteile zerstreut, wenn es jedem gut geht, als im Elend -vereinigt. Bedenke wohl und ernstlich, wie der Unbemittelte, besonders -im alten Europa, ein elender Sklave ist. Du lebst an einer Stelle, -wo der Pulsschlag der Welt recht fühlbar ist, und begreifst meine -Vorsicht leicht; Deine Geschwister hier leben idyllisch, sanguinisch -wie die Kinder der Welt vor dem Jüngsten Tage. Ich kann ihnen keine -Angst anpredigen, weil ich realiter zu nachgiebig bin, und weil ihre -Umgebung, die Siegburger Dorfgemütlichkeit, die wahre Not des Lebens zu -sehr verhüllt. - - - 19. September 1883. - -In Ermangelung eines sozialen Staates wollen wir (Vater und Kinder) -wenigstens unter uns Kommunisten sein in beschränktem Maße, für den -Notfall, und nicht utopistisch. Du sollst -- nach meiner Denkart -- im -allgemeinen, im großen ganzen egoistisch für Dich und Deine Zukunft -sorgen, aber nebenbei auch der allgemeinen Menschenliebe Rechnung -tragen. Die faktischen Weltverhältnisse beruhen noch auf dem Egoismus -gar ausschließlich, und über das Faktische darf sich auch kein Idealist -hinwegsetzen, sonst ist er Utopist ... - - - 16. November 1883. - -Du sprichst von dem unmoralischen Ton in der Familie M., der Dich und -auch Eduard S. chokierte. Ich kann mir dabei nichts anderes denken, -als daß die Ablösung der Bande, welche Bürgermeister, Pastor und -Nachbarschaft dem Dorfmenschen auflegen, verstärkt durch die Fesseln -ökonomischer Dürftigkeit und das Gefühl niedriger sozialer Stellung, -daß der Wegfall dieser Banden die Emporkömmlinge dort drüben außer -Rand und Band bringt. Ob sie sich da nun mit äußerem Flitter behangen, -bleibt ihnen doch das Gefühl der Niedrigkeit, welches sie sich durch -Anmaßung ausreden möchten. Ist es so? Nun, das sollte Dich nicht -antipathisch stimmen. »Alles erklären, heißt alles verzeihen.« Wenn Du -von Dir ein höheres Bewußtsein hegen kannst, so freue Dich dessen, aber -halte auch gewärtig, daß Du in dieser so sehr verbesserungsbedürftigen -Welt immer Resignation üben und Dein Licht in etwa unter den Scheffel -halten mußt. - - - 6. Dezember 1883. - -... Wenn ich nicht gerade dem Elend ins Auge sehen muß, und +nur eben+, -+wenn noch so arm+, leben kann, bin ich durch mein heiteres Gemüt -ungemein reich und besitze eine unverwüstliche Munterkeit. - -Auch Deine entschiedene Sprache, mit der Du von neuen -Geschäftsunternehmungen abrätst, hat mir wohl getan. Mir tut nichts -wohler, als wenn Ihr alle mitratet bei Gestaltung der Zukunft; nur muß -es kein Rat sein, wie ihn Deine Schwestern gewöhnlich im Vorrat haben, -die alles abweisen, aber nichts Neues an die Stelle setzen; immer -bleiben wollen, wie sie sind, ohne der Zukunft Rechnung zu tragen. Sie -raten nur negativ: »Tu nicht! Tu nicht!« - -Im Briefe vom 22. November sagst Du: »Bin schlimmsten Falls niemals -um mein Brot verlegen.« Dies Wort hat mich sehr erfreut. Wenn Du Dich -etwas mit der politischen Ökonomie bekannt gemacht hast, wirst Du -einsehen: was heute ein Kapital ist, ist morgen keins mehr. Ich bin -Kleinbürger von Geburt und Stand. Wenn ich kein Betriebskapital habe, -bin ich am Ende meines Lateins. Darum möchte ich sehen, daß meine -Kinder sich nicht auf ein kleines und unzulängliches Kapitälchen, -das mit der Entwicklung der Dinge immer noch unzulänglicher wird, -stützen sollten, sondern auf ihre Arbeitskraft. Im Anschluß an -konkurrenzfähiges Kapital sich eine günstige Lohnstellung suchen, ist -zeitgemäßer als die kleine unzulängliche Selbständigkeit. Ich spreche -Dir ja meine Gedanken in den »Logischen Briefen« aus. - - - 25. Januar 1884. - -Ich will Dich gewiß nicht abhalten, wenn Du die Gelegenheit hast, -ein eigenes Geschäft zu akquirieren, sondern nur anraten, den -unvermeidlichen Drang dahin zu mäßigen durch die Erkenntnis, daß das -Kleingetriebe dem Untergang gewidmet ist; der dienende Anschluß an eine -große Firma ist freier, leichter, lohnender wie die Kleinkrämerei. -Solche Selbständigkeit ist doch eine sehr relative, besonders wenn -die Konkurrenz ihr das Leben sauer macht. Ich glaube gern, daß Du von -meinem Charakter ein gut Stück geerbt hast, wodurch es Dir schwer -wird, auf Gleichberechtigung zu verzichten. Indes ist das nun einmal -nicht anders in unseren Tagen des Privatbesitzes und daraus folgenden -Standesunterschiedes. Wer kein großes Vermögen hat, kein Kapitalist -ist, ist unfrei geboren. - -Ich glaube, wir, ich, Du und Deine Geschwister, werden am besten -fahren, wenn wir in etwa resignieren und uns als das betrachten, was -wir auch in der Tat sind, als Proletarier, die der Regel nach nicht -imstande sind, sich aus ihrer Klasse herauszuarbeiten, sondern ein -hoffnungsvolles Leben nur finden können im politischen Streben nach der -Emanzipation der gesamten Arbeiterklasse. Der Mensch tut gut, nicht zu -hoch hinauszufliegen und sein Streben mit seinen Mitteln in Einklang zu -halten. Demnach schlage ich vor, daß wir unser kleines Vermögen nicht -gebrauchen, um Reichtümer zu erwerben -- insofern diese zu den Trauben -gehören, die zu hoch hängen --, sondern als Notanker für unabsehbare -Unglücksfälle. - -Bei solcher Lage der Dinge müssen wir »dienen«. Nun sind nach meiner -Erfahrung die Vereinigten Staaten der Ort, wo die Bitterkeiten des -Unvermeidlichen noch am leidlichsten sind. - - - 17. März 1884. - -Auf Deinen Brief aus Buffalo, worin Du gegen meinen Rat polemisierst, -Resignation zu üben wider den Trieb, ein reicher Mann zu werden, hätte -ich viel zu sagen, was aber doch überflüssig ist, indem Du, trotz -Deiner Polemik, mich doch verstanden hast. - -Ich will Dich gewiß nicht veranlassen, +absolut+ zu resignieren, -sondern möchte nur, daß der Begriff der ökonomischen Entwicklung diesen -Trieb insoweit mäßige, als zu erkennen ist, +daß der Regel nach+ nichts -zu holen ist; wenn Dir aber das +Glück+ zwischen die Beine läuft, -werde ich gewiß einverstanden sein, wenn Du recht wacker für ein Stück -Kapital arbeitest. - - - - -Fußnoten - - -[1] Verlag der Dietzgenschen Philosophie. München 1911. - -[2] Siehe hierzu die Abhandlung +Eugen Dietzgens+ »Dietzgen und -Kant« im Vorwort (S. 4 bis 40) zu seinem »Dietzgen-Brevier für -Naturmonisten«. München 1915, Verlag der Dietzgenschen Philosophie. - -[3] Dialektik = Entwicklungslehre durch Aussöhnen aller -Gegensätzlichkeit in einer Einheit und durch Fortschreiten im stets neu -sich bildenden Gegensatzkampf zur immer höheren Aussöhnung und Einheit. - -[4] Die gründlichste philosophische Unterweisung über den -»Universalzusammenhang« findet der Leser in den »Logischen Briefen«, 1. -Teil, 2. Band, der »Sämtlichen Schriften Josef Dietzgens«. - -[5] Auf die nahe Verwandtschaft des erkenntnistheoretischen -Standpunktes von Dietzgen mit den Anschauungen von Ernst Mach -und seiner Anhänger hat Max Adler schon 1907 in der Neuen Zeit -aufmerksam gemacht. Machs Lehrkern habe Dietzgen schon 1868 gleichsam -vorweggenommen. (Christian Eckert in Schmollers Jahrbuch, Heft 1, 1914.) - -Später (1911 und 1913) hat Gustav Eckstein in Aufsätzen der Leipziger -Volkszeitung und des Vorwärts die erkenntnistheoretische Harmonie von -Dietzgen und Mach beziehungsweise Stallo gewürdigt. - -Es steht übrigens fest, daß die genannten Gelehrten zur Zeit der -Veröffentlichung ihrer Theorien von Dietzgen nichts wußten. Bis vor -fünf Jahren war der bloße Name Josef Dietzgen an den Universitäten nur -sehr wenigen bekannt. - -[6] Eine Ausnahme machte inzwischen ~Dr.~ K. Österreich in seiner -Ausgabe des 4. Bandes (1916) von Überweg-Heinzes Geschichte der -Philosophie. - -[7] In dem von mir übersetzten Buche von Morris Hillquit, New York, -»Der Sozialismus, seine Theorie und seine Praxis« (München 1911, E. -Reinhardt) behandelt das dritte Kapitel »Sozialismus und Ethik«, Seite -28 bis 50. - -[8] Kant sagt: »Ich nehme an, daß es wirklich reine moralische -Gesetze gebe, die völlig ~a priori~ (ohne Rücksicht auf empirische -Bewegungsgründe, das ist Glückseligkeit) das Tun und Lassen, das -ist den Gebrauch der Freiheit eines vernünftigen Wesens überhaupt -bestimmen, und daß diese Gesetze +schlechterdings+ (nicht bloß -hypothetisch unter Voraussetzung anderer empirischer Zwecke) gebieten -und also in aller Absicht notwendig sind.« -- Sein »kategorischer -Imperativ« lautet: »Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit -zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.« - -Woran Sozialisten, angesichts der aus den Verschiedenheiten der -+Klasseninteressen+ resultierenden Differenzen der »Maxime des -Willens«, die im vorigen Zitat gedachten »reinen moralischen Gesetze« --- die jeder normale Mensch angeblich aus seinem Innern (ohne sinnliche -Erfahrung) schöpft -- zu erkennen vermögen, ist ein Rätsel, dessen -Lösung die Revisionisten uns bisher vorenthalten haben. Wenn Kants -ethisches Grundgesetz richtig wäre, müßten doch die Wilden schon -unsere wichtigsten heutigen Moralanschauungen gehabt haben -- ganz -zu schweigen von der Sklavenhalterzeit, von der feudalen und von der -kapitalistischen Welt. Steht doch sogar der letzteren moralisches -Empfinden -- soweit es den Gütererwerb durch Verelendung der Massen -betrifft -- in krassem Gegensatz zu dem unsrigen. - -Professor Oswald Külpe sagt in seiner Darstellung und Würdigung -Kants (Aus Natur und Geisteswelt, 146. Band, Seite 121) in bezug -auf Kants Moralgebot: Liebe aus Neigung kann nicht geboten werden, -sondern nur die praktische Liebe, das Wohltun aus Pflicht, wenn selbst -unbezwingliche Abneigung der Ausführung dieser Pflicht entgegensteht. -Auf solche Beispiele zielt das bekannte Epigramm von Schiller: - - Gern dien' ich den Freunden, doch tu ich es lieber mit Neigung, - Und so wurmt es mich oft, daß ich nicht tugendhaft bin. - Da ist kein anderer Rat, du mußt suchen sie zu verachten, - Und mit Abscheu alsdann tun, was die Pflicht dir gebeut. - - -[9] In den letzten Jahren haben allerdings die Ergebnisse der -Erdbebenforschungen die alte Theorie von ehedem »feuerflüssigen« Gehalt -des Erdinnern erheblich diskreditiert. - -[10] Dialektik im Sinne Dietzgens heißt soviel wie die Erkenntnislehre, -welche sich gründet auf der erfahrungsmäßig nachgewiesenen Versöhnung -des Kardinalgegensatzes zwischen Materie und Geist in der Einheit -des natürlichen Universalzusammenhanges. Dieser bildet die absolut -einheitliche Gattung, innerhalb welcher alle Gegensätze notwendig nur -relativ gegensätzliche Arten sind. - -Durch solche Überwindung der Gegensätzlichkeit zwischen Materialismus -und Idealismus verwandelt sich die bislang mit Recht als sophistisch -diskreditierte Dialektik in eine streng monistische Logik und -Entwicklungslehre, die auf erfahrungsmäßig kontrollierbare und daher -wissenschaftlich überzeugende Weise fortschreitend immer besser mit -jeder dualistischen Unlogik zu räumen versteht. - -Noch Hegels Dialektik (Entwicklungslehre im stets sich erneuernden -Gegensatzkampf zur immer höheren Einheit) nahm ihren letzten Ausgang -von unvermittelter Begriffsarbeit, welche sich mit ihrem objektiven -Arbeitsmaterial in keiner Einheit zu versöhnen vermochte, weil ihr -die Erkenntnis der genannten letzten Einheit mangelte und daher auch -nicht zur Überwindung des Gegensatzes zwischen Objekt und Subjekt -fortschreiten konnte. - -[11] Ich existiere, daher denke ich. - -[12] Erst neulich wurde in den »Sozialistischen Monatsheften« erklärt, -es sei ganz und gar nicht Aufgabe der Partei, diese oder jene -Weltanschauung zu fördern. - -Ähnlich gleichgültig verhält sich +Kautsky+ gegenüber einer durch -erfahrungsmäßige Erkenntniskritik begründeten Weltanschauung und -Denkmethode für die proletarische Bewegung, indem er im »Kampf« vom -1. Juli 1909 schreibt: »Marx hat keine Philosophie, sondern das Ende -aller Philosophie verkündet. Der Marxismus will dem Proletariat die -Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate -der proletarischen Bewegung beibringen, wie das Kommunistische -Manifest sagt. Der Ausgangspunkt dabei ist die Erkenntnis, daß -nicht das Bewußtsein der Menschen ihr Sein, sondern umgekehrt ihr -gesellschaftliches Sein ihr Bewußtsein bestimmt. Ob man diese -Auffassung auf den Materialismus des achtzehnten Jahrhunderts oder -den Machismus oder den Dietzgenschen dialektischen Materialismus oder -sonstwie stützt, ist ja für die Klarheit und Einheitlichkeit unseres -Denkens nicht ganz gleichgültig, aber eine Frage, die für die Klarheit -und Einheitlichkeit der +Partei+ ganz belanglos ist.« - -[13] Mit großem Erfolg haben die Aufsichtsräte deutscher -Aktiengesellschaften ihren Lohn, Tantieme genannt, in den letzten -Jahren, und ganz besonders wieder 1913/14, erhöht. Auf Grund der -Einnahmen aus der +Tantiemesteuer+ berechnet die »Frankfurter -Zeitung« für das Fiskaljahr 1913/14 versteuerte Tantiemen von 88,38 -Millionen Mark gegen 79,38 Millionen für das Jahr 1912/13, 71,50 -Millionen für 1911/12, 65,39 Millionen für 1910/11, 59,30 Millionen -für 1909/10 und 41,01 Millionen Mark für 1908/09. +Seit 1908/09 hat -sich die Jahreseinnahme der Aufsichtsräte mehr als verdoppelt+, die -Aufsichtsratstantiemen sind erheblich schneller gestiegen als die -Dividenden der Aktionäre. Von einer Steigerung der Arbeitsleistung -der Aufsichtsräte kann dabei keine Rede sein, schon weil das -Aufsichtsratsamt in den meisten Fällen überhaupt mit keiner ernsthaften -Arbeit verknüpft ist. (»Vorwärts«.) - -[14] Siehe hierzu das Zitat aus Verworn, Seite 25. - -[15] Lehrlingskontrakt (wie in Deutschland) kennt man in den -Vereinigten Staaten nicht; auch gibt es keine »unentgeltliche« -Lehrzeit; jeder Lehrling erhält Bezahlung und avanciert nach Maßgabe -seiner Fähigkeiten und der eintretenden Vakanzen. - -[16] Freund des Vater Dietzgen, in dessen Geschäft und Fabrik Eugen als -Volontär aufgenommen wurde. - -[17] An manchen Stellen dieser Korrespondenz ist zu beachten, daß J. D. -die Vereinigten Staaten vor Einsetzen der großkapitalistischen Periode -kennen lernte, als sie tatsächlich das Eldorado des Kleinbürgertums -waren. Dies hat sich inzwischen sehr verändert, so daß der Unterschied -zwischen der Union und Deutschland von Jahr zu Jahr geringer wird. Auch -heute noch sind zu Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs die Chancen zum -Fortkommen drüben bessere als in Europa, dafür aber um so verzweifelter -und schlechter während einer Periode wirtschaftlichen Niedergangs. - -[18] Der junge Dietzgen wurde vom Fabrikherrn K., einem alten Freunde -und Gesinnungsgenossen Josef Dietzgens, in Pension genommen. - -[19] Von Georg Ebers. Der Sohn hatte geschrieben, daß er dies Buch -gelesen. - - - - -Verlag der Dietzgenschen Philosophie in München - - -Durch jede Buchhandlung (nicht von der Verlagsfirma direkt) beziehbar: - -Josef Dietzgens sämtliche Schriften - -Drei Leinenbände M. 12.-- München 1911. - -Erster Band: =Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit und Kleinere -Schriften.= Ein Abriß von Josef Dietzgens Leben von Eugen Dietzgen. -Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit. (Eine abermalige Kritik der -reinen und praktischen Vernunft.) Die Religion der Sozialdemokratie. -Sozialdemokratische Philosophie. Das Unbegreifliche. Die Grenzen der -Erkenntnis. Unsere Professoren auf den Grenzen der Erkenntnis. - -Zweiter Band: =Das Akquisit der Philosophie.= Einführung in die -Denklehre und Weltanschauung Josef Dietzgens von Eugen Dietzgen. Briefe -über Logik, speziell demokratisch-proletarische Logik. (39 Briefe.) -Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet der Erkenntnistheorie. Das -Akquisit der Philosophie. - -Dritter Band: =Erkenntnis und Wahrheit.= Aus Josef Dietzgens -Privatbriefen an seinen Sohn in Amerika. 22 Aufsätze und 10 »Briefe -über Sozialismus an eine Freundin«. - - -Von den Einzelschriften sind noch vorrätig: - - =Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit.= M. 1.50, gebd. M. 2.-- - - =Erkenntnis und Wahrheit.= M. 2.--, gebd. M. 2.50. - - =Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet der Erkenntnistheorie.= - Brosch. M. 1.-- - - =Sozialdemokratische Philosophie.= Brosch. 75 Pf. - - =Die Religion der Sozialdemokratie.= Brosch. 50 Pf. - - =Die Zukunft der Sozialdemokratie.= Brosch. 50 Pf. - - - - -Verlag der Dietzgenschen Philosophie in München - - -Ernst Untermann: Dialektisches - -Volkstümliche Vorträge aus dem Gebiete des proletarischen Monismus. - -Aus dem Inhalte heben wir hervor: 1. Was die Handlungen der Menschen -bestimmt und warum sich die Dinge ändern. -- 2. Der menschliche Geist -ist ein natürliches Produkt des Weltalls. -- 3. Marxismus, Darwinismus, -dialektischer Monismus. -- 4. Tier- und Menschengesellschaften. -- 5. -Biologische und ökonomische Arbeitsteilung. -- 6. Antonio Labriola und -Josef Dietzgen. Ein Vergleich zwischen dem historischen Materialismus -und dem dialektischen Monismus. - -142 Seiten, broschiert M. 1.--, gebunden M. 1.20. - - -Henriette Roland-Holst: - -Josef Dietzgens Philosophie - -gemeinverständlich erläutert in ihrer Bedeutung für das Proletariat. - -München 1910. 91 Seiten, broschiert M. 1.-- - -Diese Schrift dürfte sich vorzüglich eignen zur Einführung in die -Denklehre und Weltanschauung des Arbeiterphilosophen. Die Verfasserin -sagt in ihrer Vorrede unter anderem: »Ich habe mich in dieser Arbeit -darauf beschränkt, erstens das Verhältnis Dietzgens zum historischen -Materialismus und dessen Grundlagen zu untersuchen, zweitens die -Bedeutung seiner Lehren für den politischen, sozialen und geistigen -Kampf des Proletariats zu skizzieren. Ich habe geglaubt, dieser -Untersuchung eine verhältnismäßig ausführliche Zusammenfassung der -Grundgedanken des dialektischen Materialismus, die, soweit ich weiß, -bisher fehlt, vorausschicken zu müssen. Soviel wie möglich habe ich -mich dabei an die eigenen Worte Dietzgens gehalten, damit seine klare, -populäre, durchaus originelle und anregende Darstellungsweise dem Leser -tunlichst erhalten bleibe.« - - -Dietzgen-Brevier für Naturmonisten - -Herausgegeben und beantwortet von =Eugen Dietzgen=. - -Mit ausführlichem Sachregister. - -München 1915. 429 Seiten, elegant in Leder gebunden M. 4.-- - - - - -Inhalt der Internationalen Bibliothek. - -(Die fehlenden Nummern sind vergriffen.) - - 1 - =~Dr.~ S. Tschulok, Entwicklungstheorie.= (Darwins Lehre.) Mit 49 - Abbildungen im Text. Gebunden M. 3.-- - - 2 - =Karl Kautsky, Karl Marx' Oekonomische Lehren.= 14. Aufl. Geb. M. - 2.-- - - 5 - =Karl Kautsky, Thomas More und seine Utopie.= 3. Auflage. Geb. M. - 3.-- - - 6 - =A. Bebel, Charles Fourier. Sein Leben und seine Theorien.= 3. - Aufl. Geb. M. 2.50. - - 8 - =J. Stern, Die Philosophie Spinozas.= Mit Porträt Spinozas. 3. - Aufl. Geb. M. 2.-- - - 9 - =A. Bebel, Die Frau und der Sozialismus.= 140. Tausend. Gebunden M. - 3.-- - - 10 =Lillagaray, Die Geschichte der Kommune von 1871.= 4. Auflage. - Illustrierte Ausgabe. Gebunden M. 3.-- - - 11 =Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums - und des Staates.= 14. Auflage. Gebunden M. 1.50. - - 12 =Karl Marx, Das Elend der Philosophie.= Antwort auf Proudhons - »Philosophie des Elends«. 5. Aufl. Geb. M. 2.-- - - 13 =Karl Kautsky, Das Erfurter Programm= in seinem grundsätzlichen - Teile. 11. Auflage. Gebunden M. 2.-- - - 14 =Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England.= 4. - Auflage. Gebunden M. 2.50. - - 16 =~Dr.~ F. B. Simon, Die Gesundheitspflege des Weibes.= 8. Auflage. - Mit 34 Abbildungen im Text und einer farbigen Tafel. Gebunden M. - 2.50. - - 17 =Franz Mehring, Die Lessing-Legende.= 3. Auflage. Gebunden M. 3.-- - - 18 =~Dr.~ H. Lux, Etienne Cabet= und der Ikarische Kommunismus. - Gebunden M. 2.-- - - 21 =Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der - Wissenschaft.= 8. Auflage. Gebunden M. 3.-- - - 24 =Karl Marx, Revolution u. Konter-Revolution in Deutschland.= 3. - Auflage. Gebunden M. 2.-- - - 26 ~a~, ~b~, ~c~ =~Dr.~ A. Dodel, Aus Leben und Wissenschaft.= - Gesammelte Vorträge und Aufsätze. In drei Teilen. - - 26 ~a~ =-- Leben u. Tod.= 4. Aufl. Geb. M. 2.-- - - 26 ~b~ =-- Kleinere Aufsätze und Vorträge.= 4. Auflage. Gebunden M. - 2.-- - - 26 ~c~ =-- Moses oder Darwin?= Eine Schulfrage. 11. Auflage. - Gebunden M. 1.50. - - 27 =Lindemann (C. Hugo), Städteverwaltung und Munizipal-Sozialismus - in England.= 2. Auflage. Mit einem neuen Vorwort. Gebunden M. 2.50. - - 30 =Karl Marx, Zur Kritik der politischen Oekonomie.= 3. Auflage. - Gebunden M. 2.50. - - 33 =Leo Deutsch, Sechzehn Jahre in Sibirien.= Mit 7 Porträts und 6 - Illustrationen. 10. Tausend. Gebunden M. 3.50. - - 35 =Karl Marx, Theorien über den Mehrwert.= Aus dem nachgelassenen - Manuskript »Zur Kritik der politischen Oekonomie« von Karl Marx. - Herausgegeben von Karl Kautsky. Erster Band. 2. Auflage. Gebunden - M. 6.-- - - 36 =-- --=, Zweiter Band, erster Teil. 2. Auflage. Gebunden M. 5.-- - - 37 =-- --=, Zweiter Band, zweiter Teil. 2. Auflage. Preis gebunden - M. 5.50. - - 37 ~a~ =-- --,= Dritter Band. Gebunden M. 8.-- - - 38 =Karl Kautsky, Ethik und materialistische Geschichtsauffassung.= - 6. und 7. Tausend. Gebunden M. 1.50. - - 39 =Hillquit, Geschichte des Sozialismus in den Vereinigten Staaten.= - Gebunden M. 3.-- - - 40 =K. A. Pashitnow, Die Tage der arbeitenden Klasse in Rußland.= - Uebersetzt von M. Nachimson. Gebunden M. 3.-- - - 41 =Leo Deutsch, Viermal entflohen.= 4. und 5. Tausend. Gebunden M. - 2.-- - - 42 =Peter Maßlow, Die Agrarfrage in Rußland.= Die bäuerliche - Wirtschaftsform und die ländlichen Arbeiter. Uebersetzung von M. - Nachimson. Gebunden M. 3.-- - - 43 =Paul Louis, Geschichte des Sozialismus in Frankreich.= Aus dem - Französischen übertragen von Hermann Wendel. Gebunden M. 3.-- - - 44 =Ed. Bernstein, Sozialismus und Demokratie in der großen - englischen Revolution.= Illustrierte Ausgabe. Gebunden M. 4.-- - - 45 =Karl Kautsky, Der Ursprung des Christentums.= Eine historische - Untersuchung. 5. und 6. Tausend. Gebunden M. 5.75. - - 46 =L. B. Boudin, Das theoretische System von Karl Marx.= Aus dem - Englischen übersetzt von Luise Kautsky. Mit einem Vorwort zur - deutschen Ausgabe von Karl Kautsky. Gebunden M. 3.-- - - 47 =K. Kautsky, Vorläufer des neueren Sozialismus.= 4. Auflage. - Erster Band: Kommunistische Bewegungen im Mittelalter. Gebunden M. - 3.-- - - 48 -- --, Zweiter Band: Der Kommunismus in der deutschen Reformation. - Geb. M. 3.-- - - 49 =Ph. Buonarroti, Babeuf und die Verschwörung für die Gleichheit.= - Uebersetzt und eingeleitet von Anna und Wilhelm Blos. Gebunden M. - 2.50. - - 50 =Karl Kautsky, Vermehrung und Entwicklung in Natur und - Gesellschaft.= Gebunden M. 2.-- - - 51 =Paul Louis, Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in - Frankreich= (1789 bis 1912). Autorisierte Übersetzung von Hedwig - Kurucz-Eckstein. Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen - von ~Dr.~ G. Eckstein. Gebunden M. 3.-- - - 52 =Joseph Salvioli, Der Kapitalismus im Altertum.= Studien über die - römische Wirtschaftsgeschichte. Nach dem Französischen übersetzt - von Karl Kautsky jun. Mit einem Vorwort von Karl Kautsky. Gebunden - M. 3.-- - - 53 =Max Adler, Marxistische Probleme.= Beiträge zur Theorie der - materialistischen Geschichtsauffassung. Gebunden M. 3.50. - - 54 =Laufenberg, Der politische Streik.= Gebunden M. 2.50. - - 55 =Emile Vandervelde, Neutrale und sozialistische - Genossenschaftsbewegung.= Gebunden M. 1.50. - - 56 =Max Adler, Wegweiser.= Studien zur Geistesgeschichte des - Sozialismus. Gebunden M. 2.50. - - 57 =Gust. Noske, Kolonialpolitik und Sozialdemokratie.= Gebunden M. - 2.-- - - 58 =A. Hepner, Josef Dietzgens Philosophische Lehren.= Gebunden M. - 2.50. - - - - - Weitere Anmerkungen zur Transkription - - - Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde korrigiert. - - Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. - - Korrekturen (das korrigierte Wort ist in {} eingeschlossen): - - S. 64: vertrakten → vertrackten - derselbe ihrem {vertrackten} Sinne wie ein unnatürliches - - S. 108: ihr → ihre - menschlichen Handlungen {ihre} wahre Begründung - - S. 143: Ende → Enden - daß alle vermeintlichen Anfänge und {Enden} - - S. 144: kam → kann - beseelt mit Fug und Recht darstellen {kann} - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Josef Dietzgens philosophische Lehren, by -Adolf Hepner - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK JOSEF DIETZGENS *** - -***** This file should be named 50574-0.txt or 50574-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/0/5/7/50574/ - -Produced by Alexander Bauer and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. 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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Josef Dietzgens philosophische Lehren - -Author: Adolf Hepner - -Release Date: November 29, 2015 [EBook #50574] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK JOSEF DIETZGENS *** - - - - -Produced by Alexander Bauer and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> -<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Das Buch ist original in Fraktur gesetzt.</p> - -<p>Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so ausgezeichnet</em>.</p> - -<p>Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so ausgezeichnet</em>.</p> - -<p>Im Original fett gesetzter Text ist <b>so ausgezeichnet</b>.</p> - -<p>Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/portrait.jpg" alt="J. Dietzgen" /> -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<h1> -Josef Dietzgens<br /> -Philosophische Lehren</h1> -</div> -<p class="h2"> -Von Adolf Hepner</p> -<p class="center"> -Mit einem Porträt von Josef Dietzgen</p> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/signet.png" alt="Signet" /> -</div> - -<p class="center"> -Stuttgart<br /> -Verlag von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H.<br /> -1916 -</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p class="center"> -Alle Rechte vorbehalten. -</p> - -<p class="center p2"> -Druck von J. H. W. Dietz Nachf. G. m. b. H. in Stuttgart. -</p> - -<hr class="chap" /> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_3">[3]</a></span></p> - -<h2><a id="Inhalts-Verzeichnis">Inhalts-Verzeichnis.</a></h2> - -<table summary="Inhalt"> -<tr> -<td></td><td></td><td class="tdr">Seite</td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">I.</td><td>Einleitendes</td> - <td class="tdr"><a href="#I">5</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">II.</td><td>Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit</td> - <td class="tdr"><a href="#II">9</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">III.</td><td>Dietzgens monistische Erkenntnislehre</td> - <td class="tdr"><a href="#III">23</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">IV.</td><td>Dietzgens Ethik</td> - <td class="tdr"><a href="#IV">29</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">V.</td><td>Die Religion der Sozialdemokratie</td> - <td class="tdr"><a href="#V">38</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">VI.</td><td>Sozialdemokratische Philosophie</td> - <td class="tdr"><a href="#VI">58</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">VII.</td><td>Drei polemische Abhandlungen</td> - <td class="tdr"><a href="#VII">69</a></td> -</tr> -<tr> -<td>VIII.</td><td>Briefe über Logik</td> - <td class="tdr"><a href="#VIII">76</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">IX.</td><td>Erkenntnistheoretische Streifzüge</td> - <td class="tdr"><a href="#IX">120</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">X.</td><td>Das Akquisit der Philosophie</td> - <td class="tdr"><a href="#X">139</a></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdr">XI.</td><td>Dietzgens pädagogische und Lebensweisheit</td> - <td class="tdr"><a href="#XI">158</a></td> -</tr> -</table> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_4">[4]</a></span></p> -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_5">[5]</a></span></p> - -<h2 id="I">I.<br /> -Einleitendes.</h2> -</div> - -<p>Nicht alles ist Gold, was unter dem Namen »Philosophie« -bisher geglänzt hat. Und nicht einmal ist <em class="gesperrt">alles</em> Gold, was -die wirklichen Philosophen aus dem Schachte ihres tiefen -Geistes hervorgeholt und vor der wißbegierigen Menschheit -ausgebreitet haben. Gar vieles war von vornherein gegenstandslos, -anderes ist von der Zeit überholt, als abgetan -durch die moderne Wissenschaft zu betrachten, und von manch -hochanspruchvollem Satze darf man sagen: »<em class="antiqua">Lasciate ogni -speranza!</em> Laßt die Hoffnung draußen, ihn zu verstehen!«</p> - -<p>In noch höherem Grade gilt dies von den Darstellern der -philosophischen Systeme. An Lehrschriften der Philosophie -besitzen wir eine Unzahl – strotzend von Gelehrsamkeit, von -mehr oder minder verständlichen Theorien und Begriffsdefinitionen -– über das Denkergebiet aller Zeiten sich erstreckend. -So unentbehrlich diese Bücher auch für das philosophische -Fachstudium sind – den, der nicht von Hause aus -besondere Vorliebe für die Wissenschaft der Wissenschaften -hegt, vermögen sie in den seltensten Fällen zu verlocken, sich -ihr mehr als dilettantisch zu widmen.</p> - -<p>So kommt es denn, daß nur wenige Intellektuelle, deren -Berufswissenschaft kein eingehendes Studium der Philosophie -erfordert, ihr ein mehr als oberflächliches Interesse -zuwenden.</p> - -<p>Die Philosophen und ihre Erklärer haben zum allergrößten -Teil für die Ausprägung ihrer Gedanken eine Redeweise gewählt, -deren Aneignung für viele weit schwieriger ist als das -Erlernen irgendeiner europäischen Sprache. Hierdurch verleideten<span class="pagenum"><a id="Seite_6">[6]</a></span> -sie den Lesern die Lust zum Eindringen in die Wege -und Irrwege der Erkenntnisforschung, so daß die Gedankenoperationen -der Philosophen eine <em class="antiqua">Terra incognita</em> (ein unbekanntes -Land) für diejenigen blieben, die der bescheidenen -Ansicht sind, daß klares Denken nicht durch unklare Wiedergabe -der Gedanken bezeugt wird.</p> - -<p>Zugegeben, daß das Sichten des Urwalds der menschlichen -Erkenntnis eine außergewöhnlich schwierige Arbeit war und -an die Pioniere dieser Bemühungen nicht Ansprüche gestellt -werden dürfen, die der moderne Literaturgeschmack gezeitigt -hat. Immerhin sollten die Philosophen unserer Tage wenigstens -sich bemühen, in gefälligerem Sprachgewande vor uns -zu erscheinen als die meisten ihrer großen Vorgänger.</p> - -<p>Daß <em class="gesperrt">Anmut</em> des Ausdrucks mit Schärfe und Klarheit -desselben wohl vereinbar ist, daß speziell die <em class="gesperrt">Würde</em> der -Philosophie durch Herabsteigen des Weltweisen vom hohen -Kothurn der Schwerverständlichkeit keine Einbuße erleidet – -zeigen unter anderem die Schriften <em class="gesperrt">Josef Dietzgens</em>.</p> - -<p>Eine Charakteristik des Mannes und seines Lebens liest -man besser in der von Eugen Dietzgen den nur drei Bände -umfassenden »Sämtlichen Schriften«<a id="FNAnker_1_1"></a><a href="#Fussnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a> seines Vaters beigegebenen -Biographie. Ich will lieber gleich ans Thema gehen -und die wissenschaftliche Arbeit unseres Autors, die in seine -letzten zwanzig Lebensjahre (1868 bis 1888) fiel, skizzieren.</p> - -<p>Dietzgens erste und Hauptschrift, die er in seiner Petersburger -Periode als technischer Fabrikleiter einer Lohgerberei -verfaßte und auf eigenes Risiko herausgeben ließ, trägt den -schlichten Titel: »Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit« -und den weiteren Vermerk: »Eine abermalige Kritik der reinen -und praktischen Vernunft«. Mit dem letzten Wort im ersten -Titel wollte Dietzgen vermutlich andeuten, daß er weder -»Materialist« im Sinne der französischen Materialisten des -achtzehnten Jahrhunderts, die den »Stoff« zum Fetisch machten,<span class="pagenum"><a id="Seite_7">[7]</a></span> -noch der »Ideenlehre« Hegels verfallen ist, der alles aus dem -»Gedanken« ableitete. Aus dem Nebentitel erfahren wir deutlich, -daß Dietzgens Weise von der des Königsberger Weisen -erheblich abweicht.</p> - -<p>Was Dietzgen von den früheren Philosophen in sich aufgenommen, -brauchte er nicht ausdrücklich aufzuzählen, da -das Neue und Originelle, das in seiner Behandlung des -Gegenstandes sich mit dem Alten, Bekannten organisch verknüpft, -dem sachkundigen Leser sich direkt offenbart. Man vergleiche -zum Beispiel, wie Dietzgen vom dogmatischen Monismus -Spinozas fortzuschreiten wußte zu einem erkenntniskritisch -nachgewiesenen und erfahrungsmäßig kontrollierbaren -Monismus, und man vergleiche ferner die Leibnizsche Lehre, -daß keine absoluten Gegensätze im Weltall vorhanden sind, -mit der Dietzgenschen. Leibniz wußte aus mystischer Befangenheit -gegenüber dem persönlichen Gottesdasein keine -erfahrungsmäßig nachweisbare Brücke zwischen dem Relativen -und Absoluten zu finden und daher auch keine Versöhnung -zwischen gedanklicher und sinnlicher Wirklichkeit aufzudecken; -hier blieb er in einem absoluten Gegensatz noch -stecken. Dietzgen geht mit Kant in der Erkenntnistheorie -die schon <em class="gesperrt">vor</em> Kant wegbar gemachte »<em class="antiqua">a posteriori</em>«-Strecke, -das heißt er hält es mit Kant darin, daß Erkenntnis nur -durch <em class="gesperrt">Erfahrung</em> möglich; er verläßt Kant aber bei dessen -»<em class="antiqua">a priori</em>«-Rückschritten, das heißt bei dessen Lehre, daß es -auch Erkenntnisse <em class="gesperrt">ohne</em> Erfahrung gibt.<a id="FNAnker_2_2"></a><a href="#Fussnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a> Ebenso kritisch-induktiv -steht Dietzgen der Philosophie Hegels gegenüber. -Während dieser den Seinzusammenhang zum Entwicklungsprodukt -der absoluten Erkenntnis macht, weist Dietzgen umgekehrt -das Denken als ein relatives Entwicklungsresultat des -absoluten Naturzusammenhangs nach. Aus diesem Grunde<span class="pagenum"><a id="Seite_8">[8]</a></span> -bleibt Hegels Dialektik<a id="FNAnker_3_3"></a><a href="#Fussnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a> eine idealistisch-mystische Entwicklungslehre -gegenüber der <em class="gesperrt">naturmonistischen</em> Dialektik -Dietzgens, welche induktiv nachweisbar fortschreitet bis zum -letzten Vermittler aller Widersprüche, dem Universalzusammenhang.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_9">[9]</a></span></p> - -<h2 id="II">II.<br /> -Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit.<br /> -<span class="smaller">(Erkenntnislehre.)</span></h2> -</div> - -<p>In seinem »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« zeigt Josef -Dietzgen, »was die Philosophie positiv Wissenschaftliches gefördert -hat«, und zwar, wie er sich ausdrückt, »langstielig -und größtenteils unbewußt«. Er will »die allgemeine Natur -des Denkprozesses enthüllen, weil diese Erkenntnis uns die -Mittel an die Hand gibt, alle die allgemeinen Rätsel der -Natur und des Lebens wissenschaftlich zu lösen und zu einem -fundamentalen Standpunkt, zu einer systematischen Weltanschauung -zu gelangen, welche das langerstrebte, aber nie -erreichte Ziel der spekulativen Philosophie war«.</p> - -<p>Unser Autor behandelt zunächst »die reine Vernunft oder -das Denkvermögen im allgemeinen«, die allgemeine Natur -des Denkprozesses, in dessen Erkenntnis, wie er in einer -späteren Schrift mit Recht sagen darf, »das Fundament aller -Wissenschaft liegt«. Dann geht er zum »Wesen der Dinge« -über unter begründeter Abweisung von Kants »Ding an -sich«, das heißt der Kantschen Theorie, daß hinter dem von -uns Wahrgenommenen, hinter seiner Erscheinung, noch ein -»Ding an sich« steckt. Dietzgen zeigt, daß eine Erscheinung -nur vorhanden ist, sofern sie unserem Denkvermögen, beziehentlich -unseren Sinnen sich offenbart; ein »Ding an sich«, -das außerhalb der Erscheinungswelt existieren sollte, führt -zum Köhlerglauben. Dietzgen weist Kants »Ding an sich« -überzeugend auf als nichts Übersinnliches, beziehentlich von -der Sinnlichkeit Unabhängiges (wie Kant das »Ding an sich« -auffaßte), vielmehr erstens als absolut identisch mit dem -Universum, dem einzigen »Ding an sich«, das alle anderen -Dinge in sich trägt und nur absolut »an sich« durch dieses<span class="pagenum"><a id="Seite_10">[10]</a></span> -»in sich« ist; und zweitens als relativ identisch mit dem allgemeinen -Bild der Vorstellung oder dem Begriff, die der -Mensch mittels Denkens aus dem sinnlich Besonderen entwickelt. -Dietzgen behandelt dann »die Praxis der Vernunft -in der physischen Wissenschaft« – Ursache und Wirkung, -Geist und Materie, Kraft und Stoff – und im Schlußabschnitt -die »praktische Vernunft oder Moral« – das Weise, -Vernünftige, das sittlich Rechte, das Heilige.</p> - -<p>In folgendem gebe ich, und zwar in Dietzgens Wortlaut, -das Wesentlichste seiner Erörterungen und Befunde über den -<em class="gesperrt">Denkprozeß</em>:</p> - -<p>Der Mensch denkt zunächst nicht, weil er will, sondern -weil er muß; allgemeiner Zweck des Denkens ist die Erkenntnis … -Der Denkakt vollzieht sich in Kontakt mit anderen, -mit sinnlichen Erscheinungen und ist dadurch selbst -eine sinnliche Erscheinung geworden, die in Kontakt mit einer -Hirnfunktion den <em class="gesperrt">Begriff</em> des »Denkvermögens« erzeugt.</p> - -<p>Mit der reinen Denkkraft, ohne die Hilfe der Objekte (oder -der Erfahrung darum), die allgemeinen Rätsel der Natur -und des Lebens zu erforschen, dieser vergeblichen Mühe -widmete sich die spekulative Philosophie. Wissenschaftliches -Denken heißt nur das Denken, welches das Wirkliche, Sinnliche, -Natürliche zum bewußten Gegenstand hat. Sowenig -es ein Denken, eine Erkenntnis gibt ohne Inhalt, sowenig -existiert ein Denken ohne <em class="gesperrt">Gegenstand</em> oder ohne Objekt, -ohne ein anderes, das gedacht oder erkannt wird. Objektloses -Denken ist eine Unart der »spekulativen« Philosophie, -welche Erkenntnisse ohne Begattung mit einem sinnlichen -Gegenstand erzeugen will.</p> - -<p>Denken ist eine Arbeit und bedarf wie jede andere Arbeit -ein Objekt, an dem es sich äußert. Das Denken erstreckt sich -<em class="gesperrt">allgemein</em> auf alle Objekte.</p> - -<p>Das Denkvermögen erforscht aller Dinge Wesen, wie das -Auge alle Sichtbarkeit. Wie nun das Sichtbare im allgemeinen -in der Theorie des Gesichts, so ist das Wesen der<span class="pagenum"><a id="Seite_11">[11]</a></span> -Dinge im allgemeinen in der Theorie des Denkvermögens -zu finden.</p> - -<p>Das Denkvermögen trennt Ursache und Wirkung.</p> - -<p>Wir erkennen wohl alle Objekte, aber kein Objekt läßt sich -ganz erkennen, wissen oder begreifen.</p> - -<p>Denken ist eine Tätigkeit des Gehirns, wie Gehen eine -Tätigkeit der Beine. Wir nehmen das Denken, den Geist -ebenso sinnlich wahr wie den Gang, wie wir die Schmerzen, -wie wir unsere Gefühle sinnlich wahrnehmen. Das Denken -ist uns fühlbar als ein subjektiver Vorgang, als innerlicher -Prozeß … Aus einem immateriellen, unfaßbaren Wesen wird -nunmehr der Geist zu einer körperlichen Tätigkeit. Seinem <em class="gesperrt">Inhalt</em> -nach ist der Denkprozeß <em class="gesperrt">verschieden</em> in jedem Augenblick -und bei jeder Persönlichkeit, seiner <em class="gesperrt">Form</em> nach bleibt er -<em class="gesperrt">überall derselbe</em>. Beim Denkprozeß unterscheiden wir, wie -bei allen Prozessen, zwischen dem <em class="gesperrt">Besonderen</em> oder <em class="gesperrt">Konkreten</em> -und dem <em class="gesperrt">Allgemeinen</em> oder <em class="gesperrt">Abstrakten</em>.</p> - -<p>Hierauf erläutert Dietzgen den Begriff des Denkvermögens. -Wie die Analyse des Begriffs überhaupt in der Erkenntnis -des <em class="gesperrt">Gemeinschaftlichen</em>, dem <em class="gesperrt">Allgemeinen</em> der <em class="gesperrt">besonderen</em> -Teile seines Gegenstandes besteht, so ergibt die Analyse -des Denkvermögens »das letztere als Fähigkeit, aus dem -<em class="gesperrt">Besonderen</em> das <em class="gesperrt">Allgemeine</em> zu erfassen«.</p> - -<p>Ist die Entwicklung des Allgemeinen aus dem Besonderen -die generelle Methode, die Art und Weise überhaupt, mit -welcher die Vernunft Erkenntnisse fördert, so ist die Vernunft -vollständig damit erkannt als die Fähigkeit, dem Besonderen -das Allgemeine zu entnehmen.</p> - -<p>Die Vernunft besteht »rein« in der Entwicklung des Allgemeinen -aus dem Besonderen. Erkenntnisse können nicht -wahr an sich, sondern nur relativ, nur mit Bezug auf einen -Gegenstand, nur auf Grund äußerlicher Tatsachen wahr sein; -ihre Aufgabe besteht in der Entwicklung des <em class="gesperrt">Allgemeinen</em> -aus dem <em class="gesperrt">Besonderen</em>. Das Besondere ist das Maß (Bedingung, -Voraussetzung) des Allgemeinen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_12">[12]</a></span></p> - -<p>Gedanken, Begriffe, Theorien, Wesen, Wahrheiten stimmen -darin überein, daß sie einem Objekt angehören. Objekte sind -Quanta der mannigfaltigen Sinnlichkeit. Ist das Quantum -des Seins, das Objekt, das erkannt, begriffen oder verstanden -werden soll, durch den Sprachgebrauch eines Begriffs -vorher bestimmt oder begrenzt, so besteht die Wahrheit in -der Entdeckung des <em class="gesperrt">Allgemeinen</em> dieser also gegebenen sinnlichen -Quantität.</p> - -<p>Entwicklung des Allgemeinen ist die Aufgabe der Vernunft. -Der Unterschied zwischen dem scheinbar und wahrhaft Vernünftigen -reduziert sich auf den Unterschied zwischen dem -<em class="gesperrt">Besonderen</em> und <em class="gesperrt">Allgemeinen</em>.</p> - -<p>Das <em class="gesperrt">Allgemeine</em> ist die <em class="gesperrt">Wahrheit</em>. Das Allgemeine -ist das, was allgemein ist, das heißt Dasein, Sinnlichkeit. -Sein ist das allgemeine Kennzeichen der Wahrheit, weil das -Allgemeine die Wahrheit kennzeichnet. Nun ist aber das Sein -nicht da im allgemeinen, das heißt das Allgemeine existiert -in der Wirklichkeit oder Sinnlichkeit nur auf <em class="gesperrt">besondere</em> -Art und Weise. Die Sinnlichkeit hat ihr wahres sinnliches -Dasein in den flüchtigen, vielgestaltigen Erscheinungen der -Natur und des Lebens. Demnach erweisen sich alle Erscheinungen -als <em class="gesperrt">relative</em> Wahrheiten, alle Wahrheiten als besondere -zeitliche Erscheinungen.</p> - -<p>Gegenüber dem Denkvermögen werden alle Eigenschaften -zu wesenhaften Dingen, alle Dinge zu relativen Eigenschaften.</p> - -<p>Der Unterschied zwischen Mittel und Zweck reduziert sich -auf den Unterschied zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen. -Und alle abstrakten Unterschiede reduzieren sich -auf diesen einen Unterschied, weil die Abstraktions- oder die -Unterscheidungskraft selbst sich reduziert auf das Vermögen, -zwischen dem Besonderen und Allgemeinen zu unterscheiden.</p> - -<p>Wir werden später sehen, wie Dietzgen mit der »Entwicklung -des Allgemeinen aus dem Besonderen« manche der -bisher strittigsten Fragen, manches der schwierigsten Probleme -löst.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_13">[13]</a></span></p> - -<p>Verweilen wir noch einen Augenblick beim »Denken«. -Dietzgen sagt: Das Denkvermögen ist der Vermittler aller -Gegensätze, weiß in aller Verschiedenheit Einheit zu finden.</p> - -<p>Das Bewußtsein generalisiert den Widerspruch; es erkennt, -daß alle Naturstücke in Widerspruch leben, daß alles, was -da ist, das, was es ist, nur durch Mitwirkung eines andern, -eines Gegensatzes ist. Die Wissenschaft des Denkvermögens -löst, durch Generalisation des Widerspruchs, alle besonderen -Widersprüche auf. Gegensätze bedingen sich wechselseitig; -Wahrheit und Irrtum sind wie Sein und Schein, wie Tod -und Leben, wie alle Dinge der Welt, nur komparativ, nur -dem Maße, dem Volumen oder Grade nach verschieden.</p> - -<p>Die letzten drei Sätze enthalten in Kürze die grundlegende, -monistische Lehre von der physischen und psychischen <em class="gesperrt">Relativität</em> -aller Dinge im Universum, ihrer Abhängigkeit -vom Universum und voneinander; die Lehre vom <em class="gesperrt">Universalzusammenhang</em> -des <em class="gesperrt">Kosmosinhalts</em> – eine Lehre, die -sich wie ein roter Faden in zahlreichen Variationen durch -alle Schriften unseres Autors zieht. Diese Wiederholungen -der an praktischen Beispielen demonstrierten Lehre erweisen -sich nicht nur als sehr nützlich, sondern erscheinen mir durchaus -notwendig zur Verbreitung und Festigung der monistischen -Weltanschauung, die sich gegen die traditionelle dualistische -doch nur sehr mühselig durchringt.</p> - -<p>Der aufmerksame Leser wird hier schon bei der flüchtigen -Erwähnung des »Universalzusammenhangs alles Kosmosinhalts« -diesen Gedanken auf das <em class="gesperrt">soziale</em> Gebiet zu übertragen -und die hohe Bedeutung der Dietzgenschen Lehre für -die sozialistische Propaganda zu würdigen wissen, insbesondere -wenn er aus der Naturwissenschaft mit dem kosmischen -Universalzusammenhang vertraut ist.<a id="FNAnker_4_4"></a><a href="#Fussnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a> Die <em class="gesperrt">Relativität</em> der -Erkenntnis, des Wissens, der Werte, speziell der Wahrheit,<span class="pagenum"><a id="Seite_14">[14]</a></span> -des Rechts und der Sittlichkeit ist zwar Weisen aller Zeiten -bekannt gewesen. Schwerlich aber hat vor Dietzgen ein Denker -– und es sind bald dritthalbtausend Jahre, seit Heraklit die -erste Anregung hierzu gegeben – das Ineinanderfließen der -Dinge so klar und überzeugend gelehrt und auf alles Dasein -ohne Ausnahme angewandt; schwerlich hat ein Denker vor -Dietzgen den im Universalzusammenhang liegenden Grundgedanken -des Monismus auf das <em class="gesperrt">ökonomisch-soziale</em> Gebiet -übertragen.</p> - -<p>Aber der stärkste Gehalt des Dietzgenschen Naturmonismus -(in des Autors Darlegungen der <em class="gesperrt">Einheitlichkeit</em> alles -<em class="gesperrt">Seins</em>) liegt meines Erachtens in seiner Erläuterung des -<em class="gesperrt">Zusammenhangs des Geistes mit dem Weltall</em>:</p> - -<p>Die Frage nach dem Wesen des Geistes ist ein populäres -Objekt, das nicht nur von Philosophen vom Fach, das von -der Wissenschaft überhaupt kultiviert ist, sagt Dietzgen, und -er fährt also fort:</p> - -<p>Wir unterscheiden zwischen <em class="gesperrt">Sein</em> und <em class="gesperrt">Denken</em>. Wir unterscheiden -den sinnlichen Gegenstand von seinem geistigen Begriff. -Gleichwohl ist doch auch die unsinnliche Vorstellung sinnlich, -materiell, das heißt <em class="gesperrt">wirklich</em>. Ich nehme meinen Schreibtischgedanken -ebenso materiell wahr, das heißt als ein wirkliches -Gefühl, wenn auch ein innerliches, wie ich den Schreibtisch -selbst äußerlich fühle. Allerdings wenn man nur das -Greifbare materiell nennt, dann ist der Gedanke immateriell. -Dann ist aber auch der Duft der Rose und die Wärme des -Ofens immateriell. Wir nennen besser vielleicht den Gedanken -<em class="gesperrt">sinnlich</em>, oder noch besser <em class="gesperrt">wirklich</em>. Der Geist ist <em class="gesperrt">wirklich</em>, -ebenso wirklich wie der greifbare Tisch, wie das sichtbare -Licht, wie der hörbare Ton. Der Geist ist nicht weiter vom -Tisch, vom Licht, vom Ton verschieden, wie diese Dinge untereinander -verschieden sind.</p> - -<p>Wir leugnen nicht die Differenz, wir behaupten nur die -<em class="gesperrt">gemeinschaftliche Natur</em> dieser Dinge. Wenigstens wird -mich der Leser nun nicht mißverstehen, wenn ich das Denkvermögen<span class="pagenum"><a id="Seite_15">[15]</a></span> -ein materielles Vermögen, eine <em class="gesperrt">sinnliche Erscheinung</em> -nenne.</p> - -<p>Jede Funktion des Geistes setzt einen Gegenstand voraus, -von dem sie erzeugt ist, der den geistigen Inhalt abgibt.</p> - -<p>Der Geist ist eine körperliche Tätigkeit, Denken eine Funktion -des Gehirns.</p> - -<p>Durch Entlarvung des »reinen Geistes« enthüllen wir den -letzten Urheber alles Spuks.</p> - -<p>Die Materie, das heißt das fühlbare Sein überhaupt, ist -die Schranke des Geistes; er kann nicht über sie hinaus. Sie -gibt ihm den Hintergrund zu seiner Beleuchtung, aber sie -geht nicht auf in der Beleuchtung.</p> - -<p>Man hat sich gewöhnt, materielle und geistige Interessen -als absolute Gegensätze zu unterscheiden, obwohl die materiellen -Interessen nur der abstrakte Ausdruck für unser Dasein -sind … Das Höhere, Geistige, Ideale ist nur eine -<em class="gesperrt">besondere</em> Art der menschlichen Interessen; geistige und -materielle Interessen unterscheiden sich, wie zum Beispiel -Kreis und Viereck; letztere sind Gegensätze und doch nur verschiedene -Klassen der <em class="gesperrt">allgemeineren</em> Form … Der christliche -Gegensatz von Geist und Fleisch ist im Zeitalter der -Naturwissenschaft <em class="gesperrt">praktisch</em> überwunden. Es fehlt die theoretische -Lösung, die Vermittlung, der Nachweis, daß das -Geistige sinnlich und das Sinnliche geistig ist, um die materiellen -Interessen vom bösen Leumund zu befreien.</p> - -<p>Ähnlich beschwert sich Dietzgen an anderer Stelle unseres -Buches über das Nichtverständnis des Denkprozesses in den -Kreisen der Naturwissenschafter:</p> - -<p>Die Praxis der Vernunft, den Gedanken aus der Materie, -die Erkenntnis aus der Sinnlichkeit, das Allgemeine aus dem -Besonderen zu erzeugen, ist in der physischen Forschung auch -allgemein, jedoch nur praktisch anerkannt. Man verfährt -induktiv und ist sich dieses Verfahrens bewußt, aber man -verkennt, daß das Wesen der Naturwissenschaft das Wesen -des Wissens, der Vernunft überhaupt ist. Man <em class="gesperrt">mißversteht<span class="pagenum"><a id="Seite_16">[16]</a></span> -den Denkprozeß</em>. Man ermangelt der Theorie und gerät -daher nur zu oft aus dem praktischen Takte. Das Denkvermögen -ist der Naturwissenschaft immer noch ein unbekanntes, -geheimnisvolles, mystisches Wesen. Entweder sie -verwechselt materialistisch die Funktion mit dem Organ, den -Geist mit dem Gehirn, oder denkt idealistisch das Denkvermögen -als ein unsinnliches Objekt außerhalb ihres Gebiets -gelegen.</p> - -<p>Um die Dinge ganz zu nehmen, müssen wir sie praktisch -und theoretisch, mit Sinn und Kopf, mit Leib und Geist ergreifen. -Mit dem Leibe können wir nur das Leibliche, mit -dem Geiste nur das Geistige ergreifen. Auch die Dinge haben -Geist. Der Geist ist dinglich, und die Dinge sind geistig. Geist -und Dinge sind nur in Relationen (in ihren Beziehungen -zum Gesamtzusammenhang, auch Natur und Universum genannt) -wirklich.</p> - -<p>So schrieb Dietzgen 1868, Jahrzehnte vor der monistischen -Rebellion von Ernst Mach und seiner Physikerschule, gegen -den Dualismus.<a id="FNAnker_5_5"></a><a href="#Fussnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a></p> - -<p>Allerdings unterstützen die modernen Physiker die Lehre, -daß wir die geistigen Vorgänge objektiv sinnlich wahrnehmen, -durch naturwissenschaftliche und physiologische Beweise, die -zu Dietzgens Zeit nicht vorhanden waren. Siehe zum Beispiel<span class="pagenum"><a id="Seite_17">[17]</a></span> -<em class="gesperrt">Verworn</em>, Die Mechanik des Geisteslebens, 1910, der -ebenfalls von Dietzgen keine Kenntnis hatte. So erhält denn -unseres Autors philosophische Genialität durch die spätere, -von ihm unabhängige, naturwissenschaftliche Forschung eine -glänzende Anerkennung, wenn auch die Philosophen vom -Fach sich noch lange besinnen werden, einem Manne, der -»nur Lohgerber« gewesen, ein Wort der Würdigung, sei es -auch oppositioneller, in ihrem Hörsaale zu widmen.<a id="FNAnker_6_6"></a><a href="#Fussnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a></p> - -<p>Für sehr bedeutend halte ich Dietzgens Behandlung der -»Kraft- und Stoff«-Frage mittels der Lehre von der Entwicklung -des Allgemeinen aus dem Besonderen. Ich lasse daher -das Wesentlichste in des Autors Wortlaut hier folgen:</p> - -<p>Der Idealismus sieht nur die <em class="gesperrt">Verschiedenheit</em>, der Materialismus -nur die <em class="gesperrt">Einheit</em> von Körper und Geist, Erscheinung -und Wesen, Inhalt und Form, Stoff und Kraft, -Sinnlichem und Sittlichem – alles Unterschiede, die in dem -<em class="gesperrt">einen Unterschied des Besonderen und Allgemeinen</em> -ihre <em class="gesperrt">gemeinschaftliche</em> Gattung finden …</p> - -<p>Wie verhält sich das Abstrakte zum Konkreten? So stellt -sich das gemeinschaftliche Problem derjenigen, welche in spiritueller -Kraft, und derjenigen, welche im materiellen Stoff den -Impuls der Welt, das Wesen der Dinge, das Nonplusultra -der Wissenschaft finden zu können glauben … Wir haben -da zwei Parteien, welche mit differenten Worten sich in einer -unbestrittenen Sache herumzanken. Um so lächerlicher ist der -Streit, je ernsthafter er genommen wird. Wenn jener die -Kraft vom Stoffe unterscheidet, so will er damit nicht leugnen, -daß die wirkliche Erscheinung der Kraft unzertrennlich an -Stoff gebunden ist. Wenn der Materialist behauptet, daß -kein Stoff ohne Kraft, keine Kraft ohne Stoff ist, so will er -damit nicht leugnen, was der Gegner behauptet, daß Kraft -und Stoff different sind. Der Streit hat seinen guten Grund,<span class="pagenum"><a id="Seite_18">[18]</a></span> -seinen Gegenstand, aber der Gegenstand kommt im Streite -nicht zum Vorschein. Er wird von den Parteien instinktiv -verhüllt, um sich nicht die <em class="gesperrt">gegenseitige</em> Unwissenheit gestehen -zu müssen. Jeder will dem andern beweisen, daß dessen -Erklärungen nicht ausreichen – ein Beweis, der von beiden -hinreichend dargetan wurde. Büchner gesteht in den Schlußbetrachtungen -zu »Kraft und Stoff«, daß das empirische Material -nicht ausreiche, bestimmte Antworten auf transzendente -Fragen zu geben, um diese Fragen positiv beantworten zu -können; dagegen, sagt er ferner, »reicht es vollkommen aus, -um sie negativ zu beantworten und die Hypothese zu verbannen«. -Mit anderen Worten heißt das: die Wissenschaft -der Materialisten reicht zu dem Beweise aus, daß der Gegner -nichts weiß.</p> - -<p>Der Spiritualist und Idealist <em class="gesperrt">glaubt</em> an ein geistiges, -das heißt gespenstiges, unerklärbares Wesen der Kraft. Die -materialistischen Forscher sind <em class="gesperrt">ungläubig</em>. Eine wissenschaftliche -Begründung des Glaubens oder Unglaubens ist -nirgends vorhanden. Was der Materialismus voraus hat, -besteht darin, daß er das Transzendentale, das Wesen, die -Ursache, die Kraft nicht <em class="gesperrt">hinter</em> der Erscheinung, nicht <em class="gesperrt">außerhalb</em> -des Stoffes sucht. Darin jedoch, daß er einen Unterschied -zwischen Kraft und Stoff verkennt, das Problem leugnet, -bleibt er hinter dem Idealismus zurück. Der Materialist -pocht auf die tatsächliche Untrennbarkeit von Kraft und Stoff -und will für die Trennung nur einen »<em class="gesperrt">äußerlichen</em>, aus -den systematischen Bedürfnissen unseres Geistes hervorgegangenen -Grund« (Büchner) gelten lassen. Die Trennung der -Kräfte von den Stoffen ist aber keine »äußerliche«, sondern -eine innerliche, das heißt wesentliche Notwendigkeit, welche -allein uns befähigt, die Erscheinungen der Natur zu erhellen -und zu verstehen.</p> - -<p>Die erste Vermittlung des Gegensatzes zwischen Idealismus -und Materialismus vollbrachte die <em class="gesperrt">Phantasie</em> durch -den <em class="gesperrt">Glauben an Geister</em>, welche sie allen natürlichen<span class="pagenum"><a id="Seite_19">[19]</a></span> -Erscheinungen als deren geheimes ursächliches Wesen substituierte.</p> - -<p>Wenn es uns gelungen ist, den Dämon des <em class="gesperrt">reinen</em> Geistes -zu erklären, wird es uns nicht schwer, den besonderen Geist -der Kraft überhaupt durch die generelle Erkenntnis ihres -Wesens auszutreiben und somit auch diesen Gegensatz zwischen -Spiritualismus und Materialismus wissenschaftlich zu -vermitteln.</p> - -<p>Am <em class="gesperrt">Gegenstand</em> der Wissenschaft, am <em class="gesperrt">Objekt</em> des Geistes -ist Kraft und Stoff ungetrennt. In der leibhaften Sinnlichkeit -ist Kraft Stoff, ist Stoff Kraft. »Die Kraft läßt sich nicht -sehen.« Ei doch! Das Sehen selbst ist pure Kraft. Das Sehen -ist so viel Wirkung des Gegenstandes als Wirkung des Auges, -eine Doppelwirkung, und Wirkungen sind Kräfte. Wir sehen -nicht die Dinge selbst, sondern ihre Wirkungen auf unsere -Augen: wir sehen ihre Kräfte. Und nicht nur sehen läßt sich -die Kraft, sie läßt sich hören, riechen, schmecken, fühlen. Wer -wird leugnen, daß er die Kraft der Wärme, der Kälte, der -Schwere zu fühlen vermag? …</p> - -<p>Ebenso wahr, wie sich sagen läßt, ich fühle den Stoff und -nicht die Kraft, läßt sich umgekehrt sagen, ich fühle die Kraft -und nicht den Stoff. In der Tat, am Objekt, wie gesagt, -ist beides ungetrennt. Vermöge der Denkkraft aber trennen -wir an den neben- und nacheinanderfolgenden Erscheinungen -das Allgemeine vom Besonderen. Aus den verschiedenen Erscheinungen -unseres Gesichtes zum Beispiel abstrahieren wir -den allgemeinen Begriff des Sehens überhaupt und unterscheiden -ihn als Sehkraft von den besonderen Gegenständen -oder Stoffen des Gesichtes. Aus sinnlicher Vielfältigkeit entwickeln -wir mittels der Vernunft das Allgemeine. Das Allgemeine -mannigfaltiger Wassererscheinungen, das ist die vom -Stoffe des Wassers unterschiedene Wasserkraft. Wenn stofflich -verschiedene Hebel gleicher Länge dieselbe Kraft besitzen, -ist es wohl augenscheinlich, daß hier die Kraft nur so weit -vom Stoffe verschieden ist, als sie das Gemeinschaftliche verschiedener<span class="pagenum"><a id="Seite_20">[20]</a></span> -Stoffe darstellt. Das Pferd zieht nicht ohne Kraft, -und die Kraft zieht nicht ohne Pferd. In der Tat, in der -Praxis ist das Pferd die Kraft, ist die Kraft das Pferd. -Aber dennoch mögen wir die Zugkraft von anderen Eigenschaften -des Pferdes als etwas Apartes unterscheiden, oder -mögen das Gemeinschaftliche verschiedener Pferdeleistungen -als allgemeine Pferdekraft abtrennen, ohne uns deshalb einer -anderen Hypothese schuldig zu machen, als wenn wir die -Sonne von der Erde unterscheiden; obgleich in der Tat die -Sonne nicht ohne Erde, die Erde nicht ohne Sonne ist.</p> - -<p>Die Sinnlichkeit ist uns nur durch das Bewußtsein gegeben, -aber das Bewußtsein setzt dennoch die Sinnlichkeit -voraus. Die Natur, je nachdem wir sie, vom Standpunkt -des Bewußtseins, als bedingungslose Einheit oder, vom -Standpunkt der Sinnlichkeit, als unbedingte Mannigfaltigkeit -gelten lassen, ist grenzenlos vereint und grenzenlos getrennt. -Wahr ist beides: Einheit und Vielheit, doch jedes -nur unter gewissen Voraussetzungen, relativ. Es kommt -darauf an, ob wir vom Standpunkt des Allgemeinen oder -des Besonderen, ob wir mit geistigen oder mit körperlichen -Augen umschauen. Mit geistigen Augen gesehen, ist der Stoff -Kraft. Mit körperlichen Augen gesehen, ist die Kraft Stoff. -Der abstrakte Stoff ist Kraft, die konkrete Kraft ist Stoff. -Stoffe sind Gegenstände der Hand, der Praxis. Kräfte sind -Gegenstände der Erkenntnis, der Wissenschaft.</p> - -<p>Die Wissenschaft ist nicht beschränkt auf die sogenannte -wissenschaftliche Welt. Sie reicht über alle besonderen Klassen -hinaus, gehört dem Leben in seiner ganzen Breite und Tiefe. -Die Wissenschaft gehört dem <em class="gesperrt">denkenden Menschen überhaupt</em>. -So auch die Trennung zwischen Kraft und Stoff. -Nur die stumpfsinnigste Leidenschaft kann sie <em class="gesperrt">praktisch</em> verkennen. -Der Geizhals, der Geld anhäuft, ohne seinen Lebensprozeß -zu bereichern, vergißt, daß die vom Stoffe verschiedene -Kraft des Geldes das wertvolle Element ist; er vergißt, -daß nicht der Reichtum als solcher, nicht die schlechte<span class="pagenum"><a id="Seite_21">[21]</a></span> -goldene Materie, sondern ihr geistiger Gehalt, die ihr inwohnende -Fähigkeit, Lebensmittel zu kaufen; es ist, was das -Streben nach ihrem Besitz <em class="gesperrt">vernünftig</em> macht. Jede wissenschaftliche -Praxis, das heißt jedes Tun, welches mit vorausbestimmtem -Erfolge, mit durchschauten Stoffen agiert, bezeugt, -daß die Trennung von Stoff und Kraft, wenn auch -mit dem Gedanken vollzogen, also ein Gedankending, doch -deshalb keine leere Phantasie, keine Hypothese, sondern eine -<em class="gesperrt">sehr wesentliche Idee</em> ist. Wenn der Landmann sein Feld -düngt, geht er insofern mit reiner <em class="gesperrt">Düngkraft</em> um, als es -gleichgültig ist, in welchem Stoffe, ob in Kuhmist, Knochenmehl -oder Guano sie sich verkörpert. Beim Abwägen eines -Warenballens wird nicht der Stoff der Gewichtsstücke, nicht -das Eisen, Kupfer oder der Stein, sondern die <em class="gesperrt">Schwerkraft</em> -pfundweise gehandhabt.</p> - -<p>Allerdings, keine Kraft ohne Stoff, kein Stoff ohne Kraft. -Kraftlose Stoffe und stofflose Kräfte sind Undinge. Wenn -idealistische Naturforscher an ein immaterielles Dasein von -Kräften glauben, welche gleichsam im Stoffe ihren Spuk -treiben, die wir nicht sehen, nicht sinnlich wahrnehmen und -dennoch glauben sollen, so sind es in diesem Punkte eben -keine Naturforscher, sondern Spekulanten, das heißt Geisterseher. -Doch ebenso kopflos ist andererseits das Wort des -Materialisten, das die intellektuelle Scheidung zwischen Kraft -und Stoff eine Hypothese nennt.</p> - -<p>Damit diese Scheidung nach Verdienst gewürdigt sei, damit -unser Bewußtsein die Kraft weder spiritualistisch verflüchtigt, -noch materialistisch verleugnet, sondern <em class="gesperrt">wissenschaftlich -begreift</em>, dürfen wir nur das Unterscheidungsvermögen -überhaupt oder an sich begreifen, das heißt seine -abstrakte Form erkennen. Der Intellekt kann nicht ohne sinnliches -Material operieren. Um zwischen Kraft und Stoff zu -unterscheiden, müssen diese Dinge sinnlich gegeben, müssen -sie erfahren sein. Auf Grund der Erfahrung nennen wir -den Stoff kräftig, die Kraft stofflich. Das zu begreifende<span class="pagenum"><a id="Seite_22">[22]</a></span> -sinnliche Objekt ist also ein Kraftstoff, und da nun <em class="gesperrt">alle</em> -Objekte in ihrer leiblichen Wirklichkeit Kraftstoffe sind, besteht -die Unterscheidung, welche das Unterscheidungsvermögen -daran vollbringt, in der <em class="gesperrt">allgemeinen</em> Art und Weise der -Kopfarbeit, in der Entwicklung des Allgemeinen aus dem -Besonderen. Der Unterschied zwischen Stoff und Kraft summiert -sich unter den allgemeinen Unterschied des Konkreten -und Abstrakten. Den Wert dieser Unterscheidung absprechen, -heißt also den Wert der Unterscheidung, des Intellekts überhaupt -verkennen.</p> - -<p>Benennen wir die sinnlichen Erscheinungen Kräfte des allgemeinen -Stoffes, so ist dieser einheitliche Stoff nichts weiter -als die abstrakte Allgemeinheit. Verstehen wir unter der -Sinnlichkeit die verschiedenen Stoffe, so ist das Allgemeine, -welches die Verschiedenheit inbegreift, beherrscht oder durchzieht, -die das Besondere erwirkende Kraft. Ob Kraft, ob -Stoff genannt, das Unsinnliche, das, was die Wissenschaft -nicht mit den Händen, sondern mit dem Kopfe sucht, das -Wesenhafte, Ursächliche, Ideale, höhere Geistige ist die <em class="gesperrt">Allgemeinheit, -welche das Besondere umfaßt</em>.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_23">[23]</a></span></p> - -<h2 id="III">III.<br /> -Dietzgens monistische Erkenntnislehre.</h2> -</div> - -<p>Zeige man mir, wer <em class="gesperrt">vor</em> oder <em class="gesperrt">nach</em> Dietzgen (1868) das -»Stoff- und Kraft«-Problem besser oder auch nur ebenso -mustergültig behandelt hat – in rein philosophischer und -sprachmeisterlicher Beziehung. Dietzgens <em class="gesperrt">allgemein verständliche -Lösung</em> eines der allerschwierigsten Menschheitsprobleme -gehört zu den erstklassigen <em class="gesperrt">Kunstwerken</em> der -»Kopfarbeit«.</p> - -<p>Zur Wertung von Dietzgens Arbeit dürfte das Nachstehende -wohl am Platze sein:</p> - -<p>Daß sinnliche Erfahrung der Erkenntnis zugrunde liegt, -haben schon viele Philosophen des Altertums angenommen -und außerdem vermutlich ungezählte Millionen nachdenklicher -Menschen, die <em class="gesperrt">vor</em> Lockes und David Humes Untersuchungen -über den menschlichen Verstand (1690 respektive 1748) an -Tieren und kleinen Kindern das allmähliche Wachsen des -Intellekts der jungen Lebewesen mit Interesse beobachtet -haben, wie die meisten von uns heute. Gleichwohl wurde -uns keine Theorie der Bewußtseinsbewegung, keine Theorie -der menschlichen Erkenntnis aus jener Zeit hinterlassen.</p> - -<p>Schuld daran war in erster Linie die aus den frühesten -Perioden überkommene Vorstellung vom Doppelwesen des -Menschen, seiner Zusammensetzung aus Leib und Seele. Für -»Seele« hielt man des Menschen Empfindungs- und Denkvermögen, -einschließlich Ausdrucks unserer Empfindungen und -Gedanken durch Sprache oder Gebärde oder einen Willensakt. -Die »Seele« hieß auch der »Geist«, ein Ausfluß göttlichen -Geistes, und deshalb mußte die Seele nach des Menschen -Tode fortleben, unsterblich sein; daher gab es ein -»Jenseits«.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_24">[24]</a></span></p> - -<p>Zum Unterschied von der Menschenseele erhielt das Empfindungs- -und Denkvermögen der (ebenfalls »von einem Gott -erschaffenen«) Tierwelt die Bezeichnung »Instinkt«.</p> - -<p>Die »Unsterblichkeit der Seele« erstreckte sich über die gesamte -Menschheit; das eine Stunde nach seiner Geburt verstorbene -Kind hat ebenso Anteil daran wie die Seele der -Kannibalen, obwohl das Menschenkind in seinen ersten Daseinstagen -viel weniger »Seele«, das heißt Intellekt verrät -als manches sich rasch entwickelnde Tier, und obwohl die -Menschen im Urzustand der Wildheit und Wildnis mit dem -Tier mehr Ähnlichkeit haben als einer »im Ebenbild Gottes« -gedachten Kreatur.</p> - -<p>Aus der Anatomie und Physiologie von Mensch und Tier -kannte man zwar schon lange das mehr oder minder Gemeinsame -beider; aber die kardinalen Verschiedenheiten von -Mensch und Tier gestatteten immerhin die Voraussetzung einer -göttlichen Menschenseele – als Ursache des Denkvermögens – -in der »Krone der Schöpfung«.</p> - -<p>Die erste naturwissenschaftliche Begründung der Deszendenz- -oder Abstammungslehre durch Lamarck ist nur wenig -über hundert Jahre alt. Bis dahin mußte die Tradition -des Seelenglaubens, also die Annahme, daß der Mensch nur -infolge des ihm eingeflößten göttlichen Geistes zu denken vermag, -den Wert der Locke-Humeschen Erkenntnislehre als -sekundär, wenn nicht gar unwesentlich erscheinen lassen.</p> - -<p>Was liegt daran, wie der Denkprozeß sich vollzieht, wenn -er ganz und gar eine göttliche Gnadenerscheinung ist?</p> - -<p>Zudem lag vor hundert Jahren die Anatomie und Physiologie -des <em class="gesperrt">Gehirns</em> noch sehr im argen. Zwar ist das Gehirn -als Sitz des Denkvermögens seit mehr als 2200 Jahren -anerkannt, wenn auch Aristoteles den Sitz der Seele in das -Herz verlegte und der hebräische Pentateuch ins Blut. Aber -der Stand der Gehirnanatomie und -physiologie zu Lamarcks -Zeit gestattete noch keine genaue Vorstellung von der Mechanik -des Geisteslebens: wie die Dinge der Außenwelt, die<span class="pagenum"><a id="Seite_25">[25]</a></span> -durch unsere Sinnesorgane mit uns in Beziehung treten, -bestimmte Vorgänge in unserem Nervensystem veranlassen. -Gegen Mitte des siebzehnten Jahrhunderts kannte man erst -sieben, am Ende des achtzehnten Jahrhunderts neun, zu Beginn -des neunzehnten Jahrhunderts zwölf Paare von Gehirnnerven. -Die Ganglienzellen und Nervenfasern, elementare -mikroskopische Bestandteile der Nervenzellen, kennt man erst -seit etwa siebenundsiebzig Jahren.</p> - -<p>»Die Nervenfasern«, sagt Professor Verworn in seinem -oben genannten Buche: Die Mechanik des Geisteslebens, -»haben die Funktion, gewisse Vorgänge, die sich in den Zellen -der Sinnesorgane und in den Nerv- oder Ganglienzellen abspielen, -zu übertragen nach anderen Ganglienzellen und peripherischen -Organen, wie den Muskeln, den Drüsen usw. -Man kennt jetzt seit vierzig Jahren die Lokalisation in der -motorischen Sphäre des Gehirns so genau und kann die -Reizung so fein lokalisieren, daß man mit Sicherheit eine -Bewegung im Daumen oder im Augenmuskel oder im Fußgelenk -vorhersagen kann. Im Anschluß daran sind noch weitere -Zonen auf der Großhirnrinde bekannt geworden, die mit unseren -Sinnesempfindungen im engsten Zusammenhang stehen.</p> - -<p>Klinische Erfahrungen der Psychiater ergaben, daß Krankheitsprozesse, -die bestimmte Teile der Gehirnoberfläche zerstört -hatten, von Ausfallssymptomen im Bewußtsein der betreffenden -Menschen begleitet waren, und durch Experimente -an Tieren – Exstirpationen gewisser Zonen der Gehirnrinde -– lokalisierte man die Seh-, Hör-, Fühl-, Geruchs- -und Geschmackssphäre.</p> - -<p>Vorstellungen sind Bewußtseinsbewegungen, die ihren Ursprung -im engsten Anschluß an Sinnesempfindungen haben. -Ohne Sinnesempfindungen keine Vorstellung. Wir können -direkt die Vorstellungen als Erinnerungsbilder von Empfindungen -bezeichnen.«</p> - -<p>Dietzgens »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« ist somit, -obwohl bald fünfzig Jahre alt, ein hochmodernes Buch.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_26">[26]</a></span></p> - -<p>Dietzgen behandelt den Geist, das Denkvermögen als »Organ -des Allgemeinen«, das heißt der Natur, und weil der -Geist ein Stück Natur, ist er, wie unser Autor sich in einer -späteren Schrift ausdrückt, kein größeres Naturwunder als -der Magnetismus, die Elektrizität usw.</p> - -<p>Nach dem heutigen Stande der Naturwissenschaften und -in Verbindung mit unserer Erkenntnis, daß Kraft Stoff und -Stoff Kraft ist, darf man Dietzgens Satz, daß das »Denken -eine Eigenschaft der Generalnatur« ist, ohne Vorbehalt unterschreiben.</p> - -<p>Wenn nun das Denkvermögen das »Organ des Allgemeinen« -ist, muß es uns in erster Linie darum zu tun sein, -das Allgemeine herauszufinden, das heißt namentlich was -allgemein der Menschheit frommt, allen zugute kommt; wir -sollen mithin Zustände ermöglichen, unter denen die Allgemeinheit -oder doch die größte Zahl der Menschheit sich -wohlbefinden kann.</p> - -<p>Dietzgens Naturmonismus begnügt sich demnach nicht mit -der Anschauung von der Einheitlichkeit des Weltalls minus -Mensch; <em class="gesperrt">dieser</em> mit seinem Körper und Geist gehört, wie -jedes andere Naturstück aus Stoff und Kraft, in die Betrachtung -des monistischen Weltorganismus hinein. Wie durch -das Denkvermögen, als »Organ des Allgemeinen«, beziehungsweise -des Universalzusammenhangs, die Widersprüche überhaupt -vermittelt werden – durch Entwicklung des Allgemeinen -aus dem Besonderen –, sollten wir dieselbe monistische Denkmethode -ganz speziell zur Lösung der Ungereimtheiten der -<em class="gesperrt">sozialen</em> Welt anwenden. Dann erst haben wir den Sozialmonismus -erreicht. Daraus nun, daß es dem richtigen Denken -in erster Linie darum zu tun sein muß, das <em class="gesperrt">Allgemeine</em> -herauszufinden – auf das soziale Gebiet angewandt: das -allgemein Nützliche zu ermitteln –, zieht Dietzgen (in seiner -Vorrede) einen Schluß, der auf einen für unseres Autors -Betrachtungsweise noch nicht vorbereiteten Leser verblüffend -wirken mag, aber gleichwohl jedes wirklichen Monisten Billigung<span class="pagenum"><a id="Seite_27">[27]</a></span> -finden muß: daß die wahren Träger des »<em class="gesperrt">Organs -des Allgemeinen</em>« nicht in den von Sonderinteressen beherrschten -Kreisen zu suchen sind, vielmehr in den Reihen -der nach Beseitigung aller Vorrechte hinstrebenden Arbeiterklasse.</p> - -<p>Dietzgen sagt: »Ich entwickle in dieser Schrift das Denkvermögen -als Organ des Allgemeinen. Der leidende, der -vierte, der Arbeiterstand ist insoweit erst der wahre Träger -dieses Organs, als die herrschenden Stände durch ihre besonderen -Klasseninteressen verhindert sind, das Allgemeine -anzuerkennen. Wohl bezieht sich diese Beschränkung zunächst -auf die Welt der menschlichen Verhältnisse. Aber solange -diese Verhältnisse nicht allgemein menschlich, sondern Klassenverhältnisse -sind, muß auch die Anschauung der Dinge von -diesem beschränkten Standpunkt bedingt sein. Objektive Erkenntnis -setzt subjektiv theoretische Freiheit voraus. Bevor -Kopernikus die Erde sich bewegen und die Sonne stehen sah, -mußte er von seinem irdischen Standpunkt abstrahieren. Da -nun dem Denkvermögen alle Verhältnisse Gegenstand sind, -hat es von allem zu abstrahieren, um sich selbst rein oder -wahr zu erfassen. Erst eine historische Entwicklung, welche -so weit fortgeschritten ist, um die Auflösung der letzten Herr- -und Knechtschaft zu erstreben, kann soweit der Vorurteile -entbehren, um das Urteil im allgemeinen, das Erkenntnisvermögen, -die Kopfarbeit wahr oder nackt zu erfassen. Erst -eine historische Entwicklung, welche die direkte allgemeine Freiheit -der Masse im Auge haben kann – und dazu gehören -wohl sehr verkannte historische Voraussetzungen – erst die -neue Ära des vierten Standes findet den Gespensterglauben -soweit entbehrlich, um den letzten Urheber alles Spuks, um -den reinen Geist entlarven zu dürfen. Der Mensch des vierten -Standes ist endlich ><em class="gesperrt">reiner</em>< Mensch. Sein Interesse ist -nicht mehr Klassen- sondern Masseninteresse, Interesse der -Menschheit. Die Tatsache, daß zu allen Zeiten das Interesse -der Masse mit dem Interesse der herrschenden Klasse verbunden war,<span class="pagenum"><a id="Seite_28">[28]</a></span> -daß nicht nur trotz, sondern gerade mittels ihrer -stetigen Unterdrückung durch jüdische Patriarchen, asiatische -Eroberer, antike Sklavenhalter, feudale Barone, zünftige -Meister, besonders durch moderne Kapitalisten und auch selbst -noch durch kapitalistische Cäsaren die Menschheit stetig >fortgeschritten< -– diese Tatsache nähert sich ihrem Ende. Jetzt -ist diese Entwicklung an einem Standpunkt angekommen, wo -die Masse selbstbewußt wird. Sie ist damit so weit gekommen, -daß sie nunmehr sich unmittelbar selbst entwickeln will.«</p> -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_29">[29]</a></span></p> - -<h2 id="IV">IV.<br /> -Dietzgens Ethik.</h2> -</div> - -<p>Das Schlußkapitel von Dietzgens »Wesen der menschlichen -Kopfarbeit« behandelt die <em class="gesperrt">Ethik</em>: »Praktische Vernunft« oder -Moral. (Seite 61 bis 87, 1. Band der Sämtlichen Schriften.)</p> - -<p>Siebenunddreißig Jahre später erschien Kautskys »Ethik« -(und materialistische Geschichtsauffassung) – das erste und -bis jetzt einzige deutsche sozialistische Werk auf diesem Gebiet.<a id="FNAnker_7_7"></a><a href="#Fussnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a> -In der Vorrede sagt Kautsky: »Ich fuße bei meiner -Entwicklung der Ethik auf der Grundlage der materialistischen -Geschichtsauffassung – auf jener materialistischen Philosophie, -wie sie einerseits Marx und Engels und, in anderer -Weise, aber in gleichem Sinne, Josef Dietzgen begründet -haben.«</p> - -<p>Kautskys Arbeit in allen Ehren, aber sie ist im Grunde -keine erkenntniskritisch begründete, sondern eine historisch-ökonomisch -orientierende Darlegung, daher macht sie die -Lektüre Dietzgens zu einer notwendigen Voraussetzung. Bei -Kautsky erfahren wir nicht – wie bei Dietzgen – die philosophische -Methode, durch welche man zur Erforschung der -Sinnlichkeit als Grundlage der Moral gelangt. Dietzgen -kommt zu seinem Befunde – zum Erkennen des Vernünftigen, -Weisen, Rechten, Sittlichen – durch »<em class="gesperrt">Entwicklung -des Allgemeinen aus dem Besonderen</em>«. Das gelingt -ihm mit seinem Schlüssel – wie im vorangegangenen Kapitel -die Lösung des »Stoff-und-Kraft«-Problems – sozusagen -spielend. Unter tunlichster Beibehaltung des logischen Zusammenhangs -lasse ich die Hauptstellen des Moral-Kapitels<span class="pagenum"><a id="Seite_30">[30]</a></span> -(in Auswahl von etwa einem Achtel des Originals) hier -folgen:</p> - -<p>Das menschliche <em class="gesperrt">Bedürfnis</em> gibt der Vernunft das Maß -zur Ermessung des Guten, Rechten, Schlechten, Vernünftigen -usw. Was unserem Bedürfnis entspricht, ist gut, das -Widersprechende schlecht. <em class="gesperrt">Das leibliche Gefühl des Menschen</em> -ist das Objekt der Moralbestimmung, das Objekt der -»praktischen Vernunft«. Auf die widerspruchsvolle Verschiedenheit -menschlicher Bedürfnisse gründet sich die widerspruchsvolle -Verschiedenheit moralischer Bestimmungen. Weil der -feudale Zunftbürger in der beschränkten und der moderne -Industrieritter in der freien Konkurrenz prosperiert, weil sich -die Interessen widersprechen, widersprechen sich die Anschauungen, -und es findet der eine mit Recht dieselbe Institution -vernünftig, welche dem andern unvernünftig ist. Wenn die -Vernunft einer Persönlichkeit rein aus sich das Vernünftige -schlechthin zu bestimmen versucht, kann sie nicht anders, als -ihre Person zum Maß der allgemeinen Menschheit machen. -Wenn man der Vernunft das Vermögen zuspricht, in sich -selbst die Quelle der moralischen Wahrheit zu besitzen, verfällt -man in den spekulativen Irrtum, ohne Sinnlichkeit, -ohne Objekt Erkenntnisse produzieren zu wollen … Sinnliche -Bedürfnisse sind das Material, aus welchem die Vernunft -moralische Wahrheiten anfertigt. Unter sinnlich gegebenen -Bedürfnissen von verschiedener Dringlichkeit oder -verschiedenem Umfang das Wesentliche, Wahre vom Individuellen -zu scheiden, <em class="gesperrt">Entwicklung des Allgemeinen ist -die Aufgabe der Vernunft</em>. Der Unterschied zwischen dem -scheinbar und wahrhaft Vernünftigen reduziert sich auf den -Unterschied zwischen dem Besonderen und Allgemeinen.</p> - -<p>Wie die Aufgabe der Physik die Erkenntnis des <em class="gesperrt">wahren</em>, -so ist die Aufgabe der Weisheit die Erkenntnis des <em class="gesperrt">vernünftigen</em> -Seins. Überhaupt hat die Vernunft zu erkennen, -was ist – als Physik, was wahr, als Weisheit, was vernünftig -ist. Wie wahr mit allgemein, so übersetzt sich vernünftig<span class="pagenum"><a id="Seite_31">[31]</a></span> -mit zweckmäßig, so daß wahrhaft vernünftig soviel -wie <em class="gesperrt">allgemein zweckmäßig</em> heißt. Wie das Wahre, das -Allgemeine die Beziehung auf ein besonderes Objekt, auf ein -gegebenes Quantum der Erscheinung, bestimmte Grenzen -unterstellt, innerhalb deren es wahr oder allgemein ist, so -setzt das Vernünftige oder Zweckmäßige gegebene Verhältnisse -voraus, innerhalb deren es vernünftig oder zweckmäßig -sein kann. Das Wort expliziert sich selbst: Der Zweck ist <em class="gesperrt">das -Maß</em> des Zweckmäßigen. Nur auf Grund eines gegebenen -Zweckes läßt sich das Zweckmäßige bestimmen. Ist erst der -Zweck gegeben, dann heißt die Handlungsweise, welche denselben -am weitesten, breitesten, allgemeinsten verwirklicht, die -vernünftige, der gegenüber jede minder zweckmäßige Weise -unvernünftig wird.</p> - -<p>Fordert demnach unsere Aufgabe die Ermittlung des -Menschlich-Vernünftigen <em class="gesperrt">schlechthin</em>, so verdienen ein solches -Prädikat <em class="gesperrt">nur Handlungsweisen, welche ohne Ausnahme -allen Menschen, zu allen Zeiten und unter -allen Verhältnissen zweckmäßig sind</em> – folglich widerspruchslose -und insofern nichtssagende, unbestimmte Allgemeinheiten. -Daß physisch das Ganze größer ist als der Teil, -daß moralisch das Gute dem Schlechten vorzuziehen, sind -solche allgemeine, deshalb bedeutungslose, unpraktische Kenntnisse. -Der Gegenstand der Vernunft ist das Allgemeine, -aber – das Allgemeine eines besonderen Gegenstandes. Die -praktizierende Vernunft hat es mit dem Einzelnen, Besonderen -zu tun, mit dem Gegensatz des Allgemeinen, mit bestimmten, -besonderen Kenntnissen … Vernünftig im allgemeinen -ist nur das, was jede Vernunft anerkennt. Wenn -die Vernunft einer Zeit, Klasse oder Person vernünftig heißt, -wovon anderwärts das Gegenteil anerkannt ist, wenn der -russische Adelige die Leibeigenschaft und der englische Bourgeois -die Freiheit seines Arbeiters eine vernünftige Institution -nennt, so ist etwa keine von beiden schlechthin, sondern jede -nur <em class="gesperrt">relativ</em>, nur in ihrem mehr oder minder beschränkten<span class="pagenum"><a id="Seite_32">[32]</a></span> -Kreise vernünftig … Die »<em class="gesperrt">absolute</em> Wahrheit« ist der -Urgrund der Intoleranz.</p> - -<p>Die heidnische Moral ist eine andere als die christliche. -Die feudale Moral unterscheidet sich von der modern bürgerlichen -wie Tapferkeit und Zahlungsfähigkeit …</p> - -<p>Jedes wirkliche Recht ist ein besonderes. Recht nur unter -gewissen Umständen, für gewisse Zeiten, diesem oder jenem -Volke. »Du sollst nicht töten« ist Recht im Frieden, Unrecht -im Kriege; Recht für die Majorität unserer Gesellschaft, -welche ihrem dominierenden Bedürfnis die Mucken der Leidenschaft -geopfert wissen will, doch Unrecht dem Wilden, der -nicht so weit gekommen, ein friedliches, geselliges Leben zu -schätzen, der deshalb das angeführte Recht als unrechte Beschränkung -seiner Freiheit empfindet.</p> - -<p>Wollte ein Gesetz, eine Lehre, eine Handlung absolut recht, -Recht überhaupt sein, so müßte sie dem Wohle aller Menschen, -unter allen Verhältnissen, zu allen Zeiten entsprechen. Dieses -Wohl ist jedoch so verschieden wie die Menschen, ihre Umstände -und die Zeit. Was mir gut, ist einem anderen schlimm, -was in der Regel wohl, tut ausnahmsweise leid; was einer -Zeit frommt, hemmt eine andere. Das Gesetz, welches Anspruch -darauf machen wollte, Recht überhaupt zu sein, dürfte -nie und niemanden widersprechen. Keine Moral, keine Pflicht, -kein »kategorischer Imperativ«, keine Idee des Guten vermag -den Menschen zu lehren, was gut, was böse, was recht, was -unrecht sei. Gut ist, was unserem Bedürfnis entspricht, böse, -was ihm widerspricht. Aber was ist wohl gut überhaupt?</p> - -<p>Der Unterschied zwischen guten und bösen, rechten und -schlechten Bedürfnissen findet, wie Wahrheit und Irrtum, -wie Vernunft und Unvernunft, seine Auflösung in dem Unterschied -des Besonderen und Allgemeinen. Die Vernunft vermag -aus sich so wenig positive Rechte, absolut moralische -Maximen zu entdecken wie irgend eine andere spekulative -Wahrheit. Erst wenn ihr sinnliches Material gegeben ist, -wird sie der Zahl nach das Allgemeine und Besondere, dem<span class="pagenum"><a id="Seite_33">[33]</a></span> -Grade nach das Wesentliche und Unwesentliche zu ermessen -wissen. Die Erkenntnis des Rechten oder Moralischen will, -wie die Erkenntnis überhaupt, das Allgemeine.</p> - -<p><em class="gesperrt">Die Moral ist der summarische Inbegriff der -verschiedensten einander widersprechenden sittlichen -Gesetze, welche den gemeinschaftlichen Zweck haben, -die Handlungsweise des Menschen gegen sich und -andere derart zu regeln, daß bei der Gegenwart -auch die Zukunft, neben dem einen das andere, -neben dem Individuum auch die Gattung bedacht -sei. Der einzelne Mensch findet sich mangelhaft, unzulänglich, -beschränkt. Er bedarf zu seiner Ergänzung -des anderen, der Gesellschaft, und muß also, -um zu leben, leben lassen. Die Rücksichten, welche -aus dieser gegenseitigen Bedürftigkeit hervorgehen, -sind es, was sich mit einem Worte Moral nennt.</em></p> - -<p>Die Unzulänglichkeit des einzelnen, das Bedürfnis der -Genossenschaft ist Grund oder Ursache der Berücksichtigung -des nächsten, der Moral. So notwendig nun der Träger -dieses Bedürfnisses, so notwendig der Mensch immer individuell -ist, so notwendig ist auch das Bedürfnis ein individuelles, -bald mehr und bald minder intensiv. So notwendig -der nächste verschieden ist, so notwendig sind die erforderlichen -Rücksichten verschieden …</p> - -<p>In diesem Satze ist eine so bündig überzeugende Klärung -des Pflichtbegriffes enthalten, wie sie vor Dietzgen keinem -Denker erkenntniskritisch gelungen ist.</p> - -<p>Besagt sie doch, daß es namentlich die Berücksichtigung -der Gebote der beiden uns regierenden Hauptmächte ist, solche -der Gesellschaft und Natur, die das Pflichtverhalten des -Menschen bedeuten und bestimmen, und zwar aus dessen -wohlverstandenem Eigeninteresse heraus, sobald er seine organische -Abhängigkeit von Gesellschaft und Natur einsieht.</p> - -<p>Solche Berücksichtigung mag gewiß häufig genug mit unseren -momentanen Wünschen kollidieren, aber sie ist es, die unser<span class="pagenum"><a id="Seite_34">[34]</a></span> -dauerndes Interesse fördert, zumal wenn wir freiwillig und -bewußt das besondere und flüchtigere Bedürfnis dem allgemeinen -und dauernderen Wohlergehen unterordnen. Kein -mystisches »inneres Gefühl«, auch kein »kategorischer Imperativ« -klärt uns über unsere Pflicht auf, wohl aber Einsicht -in das »Allgemeine«, das heißt in die Zusammenhänge -und Gesetze der Gesellschaft und Natur, deren Anordnungen -wir nicht einmal unbewußt ohne empfindliche Strafe verletzen -können, während bewußtes Zuwiderhandeln uns außerdem -notwendig Einbuße an Selbstachtung bringt, sofern wir -Gebote übertreten, welche der jeweiligen sozialen Entwicklungsstufe -entsprechen.</p> - -<p>Dietzgens Ethik entspricht offenbar den Anschauungen vieler -Vertreter der modernen Intelligenz und speziell der allermeisten -wissenschaftlichen Sozialisten – mit Ausnahme der -auf den Kantschen »kategorischen Imperativ«<a id="FNAnker_8_8"></a><a href="#Fussnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a> eingeschworenen -Revisionisten –, wenn auch der philosophische Weg, auf dem<span class="pagenum"><a id="Seite_35">[35]</a></span> -unserem Autor seine Schlüsse sich ergaben, einem großen -Teile derselben fremd geblieben ist. Bekannt ist, daß man -vor langer Zeit schon in Deutschland durch das Wort »<em class="gesperrt">Mitleid</em>« -die Ethik auf den Egoismus zurückführte: »Wir haben -Mitgefühl mit dem Elenden, weil wir beim Anblick seiner -Leiden <em class="gesperrt">mitleiden</em> – durch die Reflexion, daß auch wir in -seine Lage geraten könnten.«</p> - -<p>In starrer Opposition gegen diese utilitarische oder Zweckmäßigkeitsmoral -finden wir die kantische Ethik (Pflicht) und -die des religiösen Idealismus (Liebe).</p> - -<p>In Wirklichkeit aber stellen Zweckmäßigkeit (rationeller, -begrenzter Egoismus oder legitimes, persönliches Interesse), -Pflicht, Liebe <em class="gesperrt">zusammen</em> das Moralgebilde dar. Indem -(nach Dietzgen) die Moral so beschaffen sein soll, daß »neben -dem Individuum auch die Gattung bedacht ist«, betätigt, -wer dieser Morallehre nachlebt, die von Kant verlangte -»Pflicht«, und indem er ihr dauernd und gern nachkommt, -nimmt sie ganz automatisch den Charakter der »Liebe« an.</p> - -<p>Ich erlaube mir daher zu sagen:</p> - -<p>Für die Moral ist die Zweckmäßigkeit die Wurzel, die -Pflicht der Baum und die Liebe die Frucht.</p> - -<p>Am deutlichsten läßt sich der Dreistufenpfad der Moral -»Egoismus, Pflicht, Liebe« im Verhältnis der Eltern zum<span class="pagenum"><a id="Seite_36">[36]</a></span> -Kinde erkennen: Ursprung der Freude am Kinde ist die natürliche, -elterliche Eigenliebe, der gewiß niemand sich zu -schämen braucht; sofort tritt das Pflichtgefühl an die Eltern -heran, und bei Ausübung der Pflicht verwandelt sich die -Eigenliebe der Eltern in wahre Liebe. So vermag überall -– wenn auch nicht so rasch wie in diesem Falle – die in -Zweckmäßigkeit wurzelnde Moral durch das Medium der -Pflicht sich zu hehrer Sittlichkeit, zur Tugend, zur Güte, zur -Liebe auszuwachsen.</p> - -<p>Es ist keine beleidigende Insinuation, wenn dem Schönsten -und Erhabensten – das bisher der Urzeugung in Engelsregionen -glaubte sich rühmen zu dürfen – Abkunft aus niederem -Stande aufgezeigt wird; daß es in zweckmäßigem -Egoismus, im Eigeninteresse des Menschen seine Wurzel hat -und dem Mutualismus, der Gegenseitigkeitspflicht, sein Höhendasein -verdankt.</p> - -<p>Entrüste man sich nicht über diese neue Ethikformel, die -Moraltrilogie »Egoismus, Pflicht, Liebe«!</p> - -<p>Auch der Brotfrucht Wurzeln stecken nicht in balsamisch -gedüngtem Boden.</p> - -<p>Mit dieser einfachen Korrektur der Kantschen und der -religiösen Moralbegründung dürfen wir uns hier begnügen, -da die letztere, als eine theologische, unserer gegenwärtigen -Betrachtung allzu fern liegt, und der Nachweis von Kants -teils fehlerhafter, teils widerspruchsvoller Argumentierung -seines Sittengesetzes längst von kompetenten Autoren (auch -in Kautskys »Ethik«) geliefert worden ist.</p> - -<p>Nur aus des Monistenführers Ostwald »Sonntagspredigt« -vom 20. Dezember 1913 »Die wissenschaftlichen Grundlagen -der Ethik« möchte ich einige Zeilen hier anführen, weil sie -eine wohlbegründete <em class="gesperrt">Entschuldigung für Kants Irrtum</em> -enthalten:</p> - -<p>»Kant glaubte auch die Quelle der Ethik in einem inneren -Sittengesetz zu finden, welches dem Menschen <em class="antiqua">a priori</em> eigen -ist, und hat damit allerdings in etwas versteckter Weise diese<span class="pagenum"><a id="Seite_37">[37]</a></span> -Quelle gleichfalls in einen irrationalen, der wissenschaftlichen -Forschung nicht zugänglichen Punkt gelegt. Es läßt sich darum -erklären, daß jenem großen Denker das <em class="gesperrt">Entwicklungsgesetz</em> -der Lebewesen nicht nur nicht bekannt war, sondern daß er -sogar eine ausgesprochene Abneigung dagegen hatte, das -menschliche Denken unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung -zu betrachten. So behauptete er das absolute Vorhandensein -des inneren Sittengesetzes bei dem Menschen und -begnügte sich mit diesem Vorhandensein, ohne weitere Nachforschungen -darüber anzustellen, woher es stammte.«</p> - -<p>Unsere Revisionisten aber <em class="gesperrt">kennen</em> das Entwicklungsgesetz.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_38">[38]</a></span></p> - -<h2 id="V">V.<br /> -Die Religion der Sozialdemokratie.</h2> -</div> - -<p>»Die Religion der Sozialdemokratie« betitelt sich eine Reihe -von durch Gedankenfülle und vielfach durch Schönheit der -Sprache sich auszeichnenden sieben Artikeln, sogenannten -»Kanzelreden«, die zuerst in dem von Liebknecht redigierten -Leipziger »Volksstaat« 1870 bis 1875 erschienen und seitdem -Verbreitung in Zehntausenden von Exemplaren gefunden -haben. Das auf fünf Jahre verteilte Entstehen dieser Abhandlungen -schließt naturgemäß Anlage nach einem systematischen -Plane aus; es sind daher in ihren Fortsetzungen -teilweise Ergänzungen des Früheren und zu diesem Zwecke -Exkurse auf verwandtes Nebengebiet enthalten. »Die Religion -der Sozialdemokratie« wird dem Leser um so mehr Vorteil -und Genuß gewähren, je tiefer die Ideen des Sozialismus -bereits Wurzel in ihm geschlagen haben und je emanzipierter -er sich vom sogenannten »positiven Glauben« weiß. Denn er -begegnet in diesen »Kanzelreden« Gedanken, die zum Teil im -Unterbewußtsein jedes freidenkerischen und geschulten Sozialisten -schlummern und nur der Erweckung durch den Laut -eines Zauberworts bedürfen, das aus dem Munde eines -philosophischen Hellsehers kommt. Darin liegt der wesentliche -Reiz von Dietzgens »Kanzelreden« für die Massen der sozialistischen -Arbeiter; um Dietzgen aber in allen seinen Gedankengängen -gründlich zu verstehen, sollten Sozialisten unbedingt -mit seiner im »Wesen der menschlichen Kopfarbeit« niedergelegten -Denklehre sich vertraut machen – wenn auch die -populären Schriften unseres Autors als Einführung in das -genannte Hauptwerk benutzt werden dürfen.</p> - -<p>Dietzgen führt in den »Kanzelreden« aus, sagt sein Sohn -im Geleitwort von 1906, »daß die Religion ein geschichtlich<span class="pagenum"><a id="Seite_39">[39]</a></span> -notwendiges Gedankenbild ist, welches aus dem menschlichen -Bedürfnis nach materieller und geistiger Befriedigung und -nach einer diesem Glücksstreben entsprechenden Gesellschaft -und Welt entstehen mußte, und zwar auf jeder Kulturstufe, -auf der der Mensch in Ermanglung von hinreichendem, erfahrungsmäßigem -Wissen und Können gegenüber den natürlichen -Zusammenhängen sich nicht anders als mit phantastischer -Spekulation helfen konnte. Er weist an der natürlichen -Begrenzung des Denkvermögens nach, daß alle Religion -und jeder Glaube an Übernatürliches auf phantastischer -Spekulation beruhen, die ihrerseits wiederum in ihrer Eigenart -bestimmt wird durch den Entwicklungsgrad der sozialen -Produktivkräfte und Lebensbedingungen.«</p> - -<p>Das Wort »Religion« in Verbindung mit »Sozialdemokratie« -ist natürlich nicht im landläufigen Sinne desselben -zu verstehen; denn die Tendenzen der Sozialdemokratie enthalten, -wie Dietzgens einleitende Worte lauten, den Stoff -zu einer <em class="gesperrt">neuen</em> Religion, die nicht, wie alle bisherige, nur -mit dem Gemüt oder Herzen, sondern zugleich auch mit dem -Kopf, dem Organ der Wissenschaft, erfaßt sein will.</p> - -<p>Und die Moral dieser neuen Religion faßt er am Schluß -des zweiten Artikels in folgenden Satz zusammen: Sie verlangt, -und ihr ganzes Wesen beruht auf diesem Verlangen, -daß wir die Gegensätze der Liebe und Selbstsucht miteinander -versöhnen, daß sich die Gesellschaft aus dieser Versöhnung -konstituiere, daß der Mensch dem Menschen die Hand reiche, -um mit vereinter Kraft und Arbeit die Natur zur reichlichen -Hergabe unserer Lebensmittel zu zwingen.</p> - -<p>Da die Sozialdemokratie eine »neue Religion« ist, bedient -sie sich zur Erreichung ihres Zweckes naturgemäß anderer -Methoden als die alte Religion. Dies führt unser Autor -in folgendem aus:</p> - -<p>Die Religion, ganz im allgemeinen, hat den Zweck, das -bedrängte Menschenherz vom Jammer dieses irdischen Lebens -zu erlösen. Sie hat das bisher nur in idealer, träumerischer<span class="pagenum"><a id="Seite_40">[40]</a></span> -Weise vermocht, durch Anweisung an einen unsichtbaren Gott -und an ein Reich, das nur von Toten bewohnt ist. Das -Evangelium der Gegenwart verspricht, unser Jammertal endlich -in realer, wirklicher, greifbarer Weise zu erlösen. »Gott«, -das ist das Gute, Schöne, Heilige, soll Mensch werden, aus -dem Himmel auf die Erde kommen, aber nicht wie einst, auf -religiöse, wunderbare Art, sondern auf natürlichem, irdischem -Wege. Wir verlangen den Heiland, wir verlangen, daß unser -Evangelium, das Wort Gottes, Fleisch werde. Doch nicht in -einem Individuum, nicht in einer bestimmten Person soll es -sich verkörpern, sondern wir <em class="gesperrt">alle</em> wollen, das <em class="gesperrt">Volk</em> will – -<em class="gesperrt">Sohn Gottes</em> sein.</p> - -<p>Die Religion war bisher Sache des Proletariats. Jetzt, -umgekehrt, fängt die Sache des Proletariats an, religiös zu -werden, das heißt eine Sache, welche die Gläubigen mit -ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Gemüt -ergreift.</p> - -<p>Im alten Glauben diente der Mensch dem Evangelium, -im neuen Glauben ist das Evangelium dazu da, der Menschheit -zu dienen. Das Evangelium der Neuzeit fordert eine -Umkehr unserer ganzen Denkweise. Nach der alten Offenbarung -war das Gesetz das Erste, Höchste, Ewige und der -Mensch das Zweite. Nach der neuen Offenbarung ist der -Mensch das Erste, Höchste, Ewige und sein Gesetz, das -Zweite, zeitlich und wandelbar.</p> - -<p>Wir sind heute nicht dazu da, dem Gesetze zu dienen, sondern -das Gesetz hat den Zweck, uns zu dienen, nach unseren -Bedürfnissen modifiziert zu werden. Der Alte Bund verlangte -Geduld und Ergebung in unsere Leiden; der Neue Bund -fordert Energie und Tatkraft. An die Stelle der Gnade setzt -er die bewußte Werktätigkeit. Das alte Buch nannte sich -»Autoritätsglaube«, das neue setzt die Wissenschaft, die revolutionäre, -auf sein Titelblatt.</p> - -<p>Glauben und Wissen, das sind die beiden Gegensätze, -welche den Alten und Neuen Bund trennen. Einen weiteren<span class="pagenum"><a id="Seite_41">[41]</a></span> -Unterschied zwischen der alten und der neuen Religion konstatiert -Dietzgen wie folgt:</p> - -<p>Beten und Fasten sind die Heilmittel, welche das Christentum -empfiehlt wider die angeborene Hilflosigkeit des Menschen … -<em class="gesperrt">Arbeit</em> heißt der Heiland der neueren Zeit.</p> - -<p>Wie Christus schon eine große Anzahl Proselyten gemacht -hatte, bevor sich seine Kirche organisierte, so hat auch der -neue Prophet, die Arbeit, schon seit Jahrhunderten gewirkt, -bevor sie in der Gegenwart daran denken kann, sich auf -den Thron zu setzen und das Zepter in die Hand zu -nehmen.</p> - -<p>Mit den Attributen der Gottheit, mit Macht und Wissenschaft, -ist sie nunmehr ausgerüstet. Aber nicht auf unbefleckte, -wunderbare Weise ist sie dazu gekommen. Sie ist unter -Schmerzen geboren, unter Kampf und Qual und Sorgen -groß gewachsen. Obgleich sie es ist, welche den Menschen -so weit kultiviert hat, welche jetzt mit der Verheißung kommt, -ihn vollständig aus aller Knechtschaft zu erlösen, und ihn -das ersehnte Land Kanaan wirklich schon aus der Ferne -mit Augen sehen läßt, so liegt doch heute noch die Dornenkrone -des Elends auf ihrem Haupte, das Kreuz der Verachtung -auf ihren Schultern.</p> - -<p>Doch unsere Hoffnung auf Erlösung ist nicht auf ein religiöses -Ideal, sondern auf einen massiven materiellen Grundstein -gebaut.</p> - -<p>Was das Volk berechtigt, an die Erlösung von tausendjähriger -Qual nicht nur zu glauben, sondern sie tatkräftig -zu erstreben, das ist die feenhaft produktive Kraft, die wunderbare -Ergiebigkeit seiner Arbeit.</p> - -<p><em class="gesperrt">Die Befreiung vom Joche sklavischer Arbeit, die -Befreiung von Not, Elend und Sorge, von Hunger, -Kummer und Unwissenheit, die Befreiung von der -Plage, Lasttier der »höheren Gesellschaft« zu sein, -– diese Freiheit, und zwar für die Masse, für das -Volk</em>, das ist der heilige Zweck, den zu erfüllen die so<span class="pagenum"><a id="Seite_42">[42]</a></span> -unendlich reich gewordene menschliche Arbeitskraft den Beruf -hat.</p> - -<p>Vom Beten und Dulden sind wir übergegangen zum <em class="gesperrt">Denken</em> -und <em class="gesperrt">Schaffen</em>. Das Resultat dieser veränderten Methode -steht vor Augen in den Errungenschaften der Industrie, -deren Seele die produktive Kraft unserer Arbeit ist.</p> - -<p>Das Volk verlangt nach der realen Erlösung, weil endlich -die Bedingungen dazu vorhanden sind. Armut, Hunger -und Elend der Vergangenheit waren vielfach durch Mangel -an Lebensmitteln verursacht. Gegenwärtig, und seit Dezennien -schon, ist es umgekehrt überschüssiger Reichtum, wie er sich -in Geld-, Handels- oder Industriekrisen offenbart, der die -Arbeitskraft des Volkes brachlegt. Mögen dann die Speicher -noch so gefüllt und die Magazine mit Waren gepfropft sein, -das Volk hungert und friert, weil die besitzenden Klassen, -mit Produkten übersättigt, seine Arbeitskraft nicht kaufen -oder unterkaufen.</p> - -<p>Die Kultur war bisher Zweck und der Mensch Mittel. -Jetzt gilt es die Dinge umzukehren, den Menschen zum Zweck -und die Kultur zum Mittel zu machen. Die erste Bedingung, -das Werk der Entwicklung fortzusetzen, ist die Freiheit des -Volkes, seine Teilnahme am Konsum.</p> - -<p>Die Sozialdemokratie unterscheidet sich von der bisherigen -kopflosen Wirtschaft, welche ohne Ziel und Maß produziert, -gerade dadurch, daß sie den Volkshaushalt mit Bewußtsein -organisiert. <em class="gesperrt">Bewußte planmäßige Organisation der -sozialen Arbeit nennt sich der ersehnte Heiland der -neueren Zeit</em>.</p> - -<p>Die dreieinige Gottheit des Christentums hat die Not des -Volkes nur dadurch lindern können, daß sie gelehrt hat, -daraus eine Tugend zu machen. Daß diese Lehre zu ihrer -Zeit heilsam war, sei nicht verkannt. Wo der Mensch noch -die Fähigkeit und Mittel nicht besitzt, sein Kreuz abzuwerfen, -ist der Geist ergebener Resignation nicht nur ein göttlicher -Balsam, sondern auch eine triftige Zuchtrute, die wohl vermag,<span class="pagenum"><a id="Seite_43">[43]</a></span> -ihn vorzubereiten für die sinnige Verstandesarbeit der -Kultur.</p> - -<p>Wirklich und leibhaftig aber wird der Zweck der Religion -erst durch materielle Kultur, durch Kultur der Materie erreicht. -<em class="gesperrt">Arbeit</em> nannten wir den Heiland, den Erlöser des -Menschengeschlechts. Wissenschaft und Handwerk, Kopf- und -Handarbeit sind nur zwei verschiedene Gestalten derselben -Wesenheit. Wissenschaft und Handwerk sind wie Gott-Vater -und -Sohn, zwei Dinge und doch nur <em class="gesperrt">eine</em> Sache.</p> - -<p>Das im letzten Satze enthaltene Thema wird in nachstehendem -weiter behandelt:</p> - -<p>Ähnlich wie unkultivierte Völker das politische und soziale -Gesetz als ein übernatürliches Gnadengeschenk abgöttisch verehren -und damit sich der Macht begeben, es dem Laufe der -Entwicklung nach zu gestalten, ähnlich betrachtet heute eine -verehrungssüchtige, untertänige, knechtische Anschauungsweise -die Kopfarbeit der Wissenschaft als ein höheres Wesen, nicht -als den Diener, sondern als den Götzen der Kultur. Die -Menschen sollen nicht zur Wissenschaft hinaufsehen, sondern -sie zu sich herabziehen. Wir sollen die geistige zu einem Instrument -der materiellen Arbeit machen. Die erfahrungsmäßige -Resultatlosigkeit der spekulativen Forschung, die erwiesene -Unfruchtbarkeit der reinen Vernunft belehre die Gelehrtenzunft, -daß leibliche Sinnentätigkeit zur Wissenschaft -erfordert ist. Umgekehrt lerne der Handwerker an den bewunderten -Resultaten der modernen Industrie, daß nur der -Verbindung mit der Wissenschaft die Wunder der Arbeit zu -danken sind.</p> - -<p>Die gegenseitige Durchdringung der beiden Arbeitsformen -hat im Verlauf der Jahrhunderte endlich die Menschheit auf -den Punkt gebracht, wo nunmehr der Grundstein zum Tempel -der Sozialdemokratie niedergelegt ist. Alle unsere <em class="gesperrt">materiellen</em> -Reichtümer haben, ebenso wie alle in der Literatur -deponierten geistigen Errungenschaften, nur mittels <em class="gesperrt">gemeinschaftlicher -Arbeit</em> der verschiedensten Generationen, Geschlechter,<span class="pagenum"><a id="Seite_44">[44]</a></span> -Länder und Völker produziert werden können. Sie -sind also, wenn auch individuelles Eigentum, doch ein generelles, -ein gemeinschaftliches, ein kollektives Produkt.</p> - -<p>Dann zu seinem eigentlichen Thema zurückkehrend, sagt -Dietzgen:</p> - -<p>Die Lehre unserer sozialdemokratischen Kirche betrachtet -den aufgehäuften Reichtum, den materiellen sowohl wie den -geistigen, als ihren Grundstein und lehrt, zu glauben, daß -dieser schwere Stein wohl nicht ohne, aber auch nicht durch -einzelne Herren oder vornehme Geschlechter, sondern mit -überaus angestrengter Kopf- und Handarbeit des gesamten -Volkes zutage gefördert ist. Schelme und Narren nennen -dies Evangelium rohe Gleichmacherei. Nein! Die Gleichheit -der Sozialdemokratie ist keine phantastische Gleichheit, welche -ihren Gegensatz, die Verschiedenheit, ausschließt. Unsere menschliche -Natur hat uns allen das gleiche Bedürfnis gegeben, auf -diesem Erdboden unseren Hunger zu stillen, unseren Leib zu -kleiden, alle unsere verschiedenen Kräfte zu entwickeln. Die -Menschenkinder haben von Natur <em class="gesperrt">alle das gleiche</em> Verlangen, -ihr Leben zu verbringen in tätiger Lust, ohne Elend -und Knechtschaft. Die Gleichheit des Verlangens ändert die -Verschiedenheit nicht, welche jeden von uns mit Kräften und -Talenten eigener Art ausgerüstet hat. Wie also der Gegensatz -zwischen Gleichheit und Mannigfaltigkeit in der Natur -der Dinge <em class="gesperrt">faktisch</em> vereint und überwunden ist, so soll auch -das soziale Leben der Zukunft die Menschen <em class="gesperrt">gleich</em> machen -an gesellschaftlichem Rang und Wert, ihnen den <em class="gesperrt">gleichen</em> -Anspruch geben auf Genuß des individuellen Lebens, ohne -deshalb die Verschiedenheit aufzuheben, welche jedem seine -besondere Aufgabe zuteilt, jedem gestattet, nach seiner eigenen -Fasson selig zu werden.</p> - -<p>Solange die Natur als unbezwingbares Verhängnis, als -allmächtige Gottheit gewaltet hat und die Menschheit mit -Armut knechtete, durfte einzelnen oder einzelnen Klassen die -Herrschaft gestattet sein, um als Führer zu dienen. Nun aber<span class="pagenum"><a id="Seite_45">[45]</a></span> -ist das Volk durch die errungene reiche Ergiebigkeit seiner -Arbeit auf dem Punkte angekommen, wo es verlangt, daß -alle Herrschaft endige. Es fühlt sich berufen, die geschichtliche -Entwicklung der Dinge fortzusetzen, ohne Beihilfe unumschränkter -Führer.</p> - -<p>Wir fordern von der Gesellschaft, und vermöge des geschichtlich -erworbenen Reichtums können wir es fordern, daß -sie uns nicht nur die Arbeit, sondern das »tägliche Brot« -garantiere, daß sie die Hungrigen speise, die Nackten kleide, -die Kranken pflege, kurz, alle Werke der Liebe und Barmherzigkeit -übe. Wir verlangen von der Gesellschaft, daß sie -nicht nur menschlich heiße, sondern menschlich sei. An Stelle -der Religion setzt die Sozialdemokratie <em class="gesperrt">Humanität</em>, welche -fortan nicht mehr auf einer moralischen Satzung, sondern -auf der Erkenntnis ruhen wird, daß nur in der sozialen -brüderlichen Arbeit, in der <em class="gesperrt">ökonomischen Gemeinschaft</em> -der Erlöser lebt, der uns vom leibhaftigen Bösen befreien -kann. Die wahre Erbsünde, an der das Menschengeschlecht -bisheran leidet, ist die Selbstsucht. Moses und die Propheten, -alle Gesetzgeber und Moralprediger haben zusammen nicht -vermocht, es davon zu befreien. »Die Sünde sitzt im Fleische, -wie der Nagel in der Mauer«, sagt die Bibel. Keine schöne -Redensart, keine Theorie und Satzung konnte sie ausmerzen, -weil die Konstitution der ganzen Gesellschaft an diesem Nagel -hängt. Die bürgerliche Gesellschaft fußt auf dem selbstsüchtigen -Unterschiede von <em class="gesperrt">Mein</em> und <em class="gesperrt">Dein</em>, fußt auf dem sozialen -Krieg, auf der Konkurrenz, auf der Überlistung und Ausbeutung -des einen durch den anderen.</p> - -<p>Hieraus ergibt sich der oben bereits zitierte Moralsatz, daß -die Gesellschaft sich auf einer neuen Grundlage konstituieren -muß, welche die Gegensätze von Liebe und Selbstsucht miteinander -versöhnt und die Gemeinsamkeit der Arbeit wie des -Genusses involviert.</p> - -<p>Hiermit schließt der zweite Abschnitt; der dritte nimmt das -zu Beginn des ersten behandelte Thema wieder auf, daß die<span class="pagenum"><a id="Seite_46">[46]</a></span> -Religion wie die Sozialdemokratie die Tendenz nach <em class="gesperrt">Erlösung</em> -hat, um einen neuen Gesichtspunkt zu eröffnen: wie -die Sehnsucht nach Erlösung die <em class="gesperrt">Ursache</em> der Religion war, -so hat sie auch im Laufe der geschichtlichen Entwicklung, -durch die neue Auffassung von »Erlösung« im Sinne der -Sozialdemokratie, zur <em class="gesperrt">Auflösung</em> der Religion geführt.</p> - -<p>Dietzgen sagt: Wir sahen die Sozialdemokratie in ihrer -Tendenz nach Erlösung darin weiter gehen als die Religion, -daß sie die Erlösung nicht im Geiste, sondern nur mittels -des menschlichen Geistes recht eigentlich im Fleische, in der -fleischlichen, materiellen Wirklichkeit sucht. Das Bedürfnis -der Erlösung, die erbärmliche Not des anfänglichen unkultivierten -Menschen ist der Urschleim der Tiefe, aus dem sich -die Religion erzeugte. Die unbeholfene Rat- und Hilflosigkeit -in einer Welt von Drangsal treibt den Menschen, anderwärts -Allmacht und Vollkommenheit zu suchen, treibt zur -Verehrung von Tieren, Gestirnen, Bäumen, Blitz, Wind, -einzelnen Menschen usw. Die nachfolgende unvermeidliche -Erfahrung, daß alle diese Dinge selbst macht- und hilflos -sind, veranlaßte den Fortschritt, das höchste Wesen, statt in -einem nahen, greifbaren, demnach in einem geistigen Wesen -zu suchen, das weitab über den Wolken thront. Von dieser, -also der Erfahrung entrückten Gottheit sich näher zu unterrichten, -war schwieriger. Die neuere Wissenschaft jedoch, welche -hinter so manches verborgene Mysterium gekommen ist, hat -endlich auch das Geheimnis der Religion offenbart.</p> - -<p>Es ist die Natur der Materie, welche sie, ohne Ansehen -der Zeit, zu stetiger <em class="gesperrt">Entwicklung</em> getrieben hat und forttreibt; -durch Feuer- und Wasserepochen hindurch zur Bildung -des ersten Lebens, das mit den geringsten Pflanzen, -mit den niedrigsten Tieren begonnen hat und weiter hinaufsteigt -in unaufhörlicher Veränderung und Erweiterung -der Formen, bis zur selbsttätigen Zeugung des Menschengeschlechts. -Und derselbe Naturinstinkt, der die Welt, hat -dann auch sein höchstes Produkt, das mit Vernunft begabte<span class="pagenum"><a id="Seite_47">[47]</a></span> -<em class="antiqua">genus homo</em>, <em class="gesperrt">geschichtlich entwickelt</em>. Was immer nun -in diesem geschichtlichen Prozeß zeitweilig eine hervorragende -Stelle eingenommen, sei es Tier, Pflanze, Gestirn, Mensch -oder Gesetz, wurde von dem religiösen Gefühl schwärmerisch -<em class="gesperrt">vergöttert</em>. Gott, das ist der Inhalt der Religion, hatte -also keinen bleibenden, ewigen, sondern einen veränderlichen, -zeitlichen Charakter.</p> - -<p>Die Religiösen pochen darauf, daß alle Völker, wilde wie -zahme, Religion haben, an Gott glauben. Sie halten deshalb -dafür, daß der Glaube dem Menschen angeboren sei, -und wollen darin einen Beweis seiner Wahrheit finden. Aber -wahr ist nur, daß der Unerfahrene leichtgläubig und um -so leicht- und vielgläubiger, je unerfahrener und unkultivierter -er ist. Ein Blick belehrt, daß nicht eine, sondern viele -Religionen da sind, nicht Gott, sondern Götter geglaubt -werden. Weil nur nach und nach dem Menschen die Welt -verständlich wird, vergöttert er das Mannigfaltigste, heute -die Sonne und morgen den Mond, bald den Hund, wie -die Perser, bald die Katze, wie die Ägypter.</p> - -<p>Die Essenz der Religion besteht darin, diejenige Erscheinung -des Natur- und Menschenlebens, welche je nach Zeit -und Umständen von eminenter Bedeutung ist, zu personifizieren -und im Glauben auf eine so hohe Säule zu stellen, -daß sie über alle Zeit und Umstände hinwegsieht.</p> - -<p>Wie unsere Zeit so nahe daran ist, die Religion gänzlich -aufzugeben, wird augenfällig an den vagen, im höchsten Grade -konfusen Ideen, die sie über Gott und seine Eigenschaften -hegt. Während von allen anderen Dingen die Menschen -nur darum wissen, daß sie sind, weil sie vorher wissen, wie -und was sie sind, wollen sie vom Dasein einer göttlichen -Persönlichkeit überzeugt sein, ohne irgend zu wissen, welcher -Art sie ist, ob menschlicher oder unmenschlicher Gestalt, ob -klein oder groß, ob schwarz- oder blauäugig, ob Mann oder -Weib. Ist es nun aber nicht schmählich kopflos, von jemand -wissen zu wollen, daß er ist, wenn ich zugleich eingestehen<span class="pagenum"><a id="Seite_48">[48]</a></span> -muß, gar nichts davon zu wissen, wo, wie und welcher Art -er ist? Je weiter die Gottesidee in der Entwicklung zurück -ist, um so <em class="gesperrt">leibhaftiger</em> ist sie, je moderner die Form der -Religion, um so konfuser, um so erbärmlicher sind die religiösen -Ideen. Die geschichtliche Entwicklung der Religion -besteht in ihrer allmählichen <em class="gesperrt">Auflösung</em>.</p> - -<p>Im vierten Abschnitt wird der zu Beginn der sozialdemokratischen -Agitationsära häufig und heute noch von religiösen -Anhängern der Arbeitersache manchmal verteidigte -Satz, daß »Christus der erste Sozialist gewesen«, einer interessanten -Kritik unterzogen:</p> - -<p>Sozialismus und Christentum sind so verschieden wie Tag -und Nacht. Wohl haben beide übereinstimmendes. Aber was -stimmt nicht überein? Was ist unähnlich? Tag und Nacht -gleichen sich durchaus darin, daß sowohl das eine wie das -andere ein Stück der allgemeinen Zeit ist. Der Teufel und -der Erzengel, obgleich der erste eine schwarze und der zweite -eine weiße Haut hat, sind doch wieder sehr gleich, indem -jeder von ihnen überhaupt in einer Haut steckt. Es ist die -spezielle Kapazität unseres Kopfes, <em class="gesperrt">alle</em> Mannigfaltigkeit -unter einen generellen Hut zu bringen. Ob Christentum und -Sozialismus noch so viel Gemeinschaftliches haben, so verdient -doch der, der Christus zum Sozialisten macht, den Titel -eines gemeinschädlichen Konfusionsrats. Es ist nicht genug, -das Gemeinschaftliche der Dinge zu kennen, auch der Unterschied -will verstanden sein. Nicht was der Sozialist mit dem -Christen gemein, sondern was er eigen hat, was ihn auszeichnet -und unterscheidet, sei Gegenstand unserer Beachtung.</p> - -<p>Neuerdings ist das Christentum Religion der Knechtseligkeit -genannt worden. Das, in der Tat, ist seine treffendste -Bezeichnung. Knechtselig ist allerdings alle Religion, aber das -Christentum ist die knechtseligste der knechtseligen. Nehmen -wir ein christlich Wort von der Straße. An meinem Wege -steht ein Kreuz mit der Inschrift: »Barmherzigkeit, huldreichster -Jesu! H. Maria bitt für uns.« Da haben wir die<span class="pagenum"><a id="Seite_49">[49]</a></span> -unmäßige Demut des Christentums in ihrer vollen Erbärmlichkeit. -Denn wer so seine ganze Hoffnung auf Erbarmen -baut, ist doch in Wahrheit eine erbärmliche Kreatur. Der -Mensch, der vom Glauben an den allmächtigen Gott ausgeht, -vor den Schicksalen und Mächten der Natur sich in -den Staub wirft und nun im Gefühl der Ohnmacht um -Erbarmen winselt, ist kein brauchbares Mitglied unserer -heutigen Welt. Wenn die modernen Christen andere Leute -sind, wenn sie den Unwettern, die überlegene Mächte herabdonnern, -kühn in die Augen sehen und nun durch tatkräftige -Arbeit das Unheil zu heilen suchen, so bekunden sie mit solcher -Tat ihren Abfall vom Glauben. Obgleich die Christen ihren -Namen, ihre Gesangbücher und frommen Gemütsschmerzen -beibehalten, sind sie doch in ihrem Tun und Treiben vollendete -Antichristen. Wir religionslose Sozialdemokraten wollen das -klare Bewußtsein der Sachlage voraus haben. Wir wollen -Wissen und Willen, in der Theorie wie in der Praxis tatkräftige -Widersacher der lammfrommen, gottseligen Ergebenheit -sein. Das Christentum fordert <em class="gesperrt">Entsagung</em>, während -heute rüstige Arbeit zur <em class="gesperrt">Befriedigung</em> unserer materiellen -Bedürfnisse gefordert ist. Gottvertrauen ist die vornehmlichste -Qualität eines Christen, Selbstvertrauen, das gerade Gegenteil, -zu einer erfolgreichen <em class="gesperrt">Arbeit</em> nötig.</p> - -<p>Eine Charakterisierung der Würde geistiger wie körperlicher -<em class="gesperrt">Arbeit</em> gibt unser Autor im zweiten Teil dieses vierten -Abschnitts:</p> - -<p>Nachdem von der Wissenschaft alles Himmlische materialisiert -wurde, blieb den Professoren übrig, ihre Profession, -die Wissenschaft zu verhimmeln. Die akademische soll anderer -Qualität, anderer Natur sein, wie zum Beispiel die Wissenschaft -des Bauern, des Färbers oder Nagelschmieds. Die -wissenschaftliche Agrikultur zeichnet sich von der gewöhnlichen -Bauernwirtschaft nur dadurch aus, daß ihre Regeln, -ihre Kenntnisse der sogenannten Naturgesetze genereller oder -umfassender sind.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_50">[50]</a></span></p> - -<p>Das sozialistische Bedürfnis nach gerechter, volkstümlicher -Verteilung der wirtschaftlichen Produkte verlangt die Demokratie, -verlangt die politische Herrschaft des Volkes und -duldet nicht die Herrschaft einer Sippe, die mit der Prätension -des Geistes nach dem Löwenanteil schnappt. Um -diesen anmaßlichen Eigennutz in vernünftige Schranken zurückweisen -zu können, ist es geboten, das Verhältnis des -Geistes zur Materie klar zu verstehen. Der eminente Wert -der Kopfarbeit wird von den Handarbeitern noch vielfach -verkannt. Ein unfehlbarer Instinkt bezeichnet ihnen die tonangebenden -Federfuchser unserer bürgerlichen Zeit als natürliche -Widersacher. Sie sehen, wie das Handwerk der Beutelschneiderei -unter dem Rechtstitel der geistigen Arbeit betrieben -wird. Daher die leicht erklärliche Neigung, die geistige -Arbeit zu unter- und die körperliche zu überschätzen. Diesem -brutalen Materialismus ist entgegenzuwirken. Physische Kraft, -materielle Überlegenheit war von jeher das Vorrecht der arbeitenden -Volksklassen. Mangels geistiger Ausbildung haben -sie bisher sich übertölpeln lassen. Die Emanzipation der Arbeiterklasse -fordert, daß letztere der Wissenschaft unseres Jahrhunderts -sich ganz bemächtige. Das Gefühl der Entrüstung -über die Ungerechtigkeiten, welche wir erleiden, reicht trotz -unserer Überlegenheit an Zahl und Körperkraft zur Befreiung -nicht aus. Die Waffen des Geistes müssen Hilfe leisten. Unser -Körper ist mit seinem Geist derart verbunden, daß physische -Arbeit absolut unmöglich ist ohne geistige Zutat. Der simpelste -Handlangerdienst erfordert die Mitbeteiligung des Verstandes. -Andererseits ist der Glaube an die Unkörperlichkeit -der geistigen Arbeit eine Gedankenlosigkeit. Auch die reinste -Forschung ist unleugbar eine Anstrengung des Körpers. Alle -menschliche Arbeit ist geistig und körperlich zumal. Am Produkt -der Arbeit läßt sich nie ermitteln, wieviel davon der -Geist und wieviel der Körper geschaffen hat; sie schaffen -in solidarischer Gemeinschaft, einer nicht ohne den anderen. -Mag sich eine Arbeit als geistig oder körperlich charakterisieren,<span class="pagenum"><a id="Seite_51">[51]</a></span> -das Produkt, ich wiederhole, ist von Geist und Körper -zumal geschaffen. Da läßt sich der Beitrag der Idee nicht -separieren vom Beitrag des Materials. Wer könnte in einem -Gemüsegarten die Teile bestimmen, die der Spaten, der Arm -des Gärtners, der Boden, der Regen und der Dünger gefördert -hat?</p> - -<p>Große Männer, die die Leuchte der Erkenntnis vorantragen, -mögen wir ehren, aber nur so lange und so weit auf -ihre Sprüche bauen, als dieselben materiell in der Wirklichkeit -begründet sind.</p> - -<p>So weit 1 bis 4 der Kanzelreden.</p> - -<p>Die Stücke 5 und 6 sind weniger »populär« gehalten, weil -wesentlich philosophischen Charakters; sie behandeln der »neuen -Religion«, der Sozialdemokratie <em class="gesperrt">Denkweise</em>, im Gegensatz -zur altreligiösen, der »primitiven Weltweisheit«:</p> - -<p>Wer das phantastische, das religiöse System der Welterklärung -absetzen will, der muß doch wieder ein System, -diesmal ein rationelles, an die Stelle setzen.</p> - -<p>Wir nennen uns Materialisten. Wie die Religion ein genereller -Name ist für mannigfache Konfessionen, so ist auch der -Materialismus ein dehnbarer Begriff.</p> - -<p>Philosophische Materialisten kennzeichnen sich dadurch, daß -sie die leibhaftige Welt an den Anfang, an die Spitze und -die Idee oder den Geist als Folge setzen, während die Gegner -nach religiöser Art die Sache vom Wort (»Gott sprach, und -es ward«), die materielle Welt von der Idee ableiten. Wir -dürften uns ebenso füglich auch Idealisten nennen, weil -unser System auf dem Gesamtresultat der Philosophie fußt, -auf der wissenschaftlichen Erforschung der Idee, auf der -klaren Einsicht in die Natur des Geistes. Wie wenig die -Gegner kapabel sind, uns zu begreifen, bezeugen denn auch -die widerspruchsvollen Namen, die man uns gibt. Bald sind -wir grobtastige Materialisten, die nur nach Hab und Gut -ausgehen, bald, wenn von der kommunistischen Zukunft die -Rede ist, werden wir unverbesserliche Idealisten genannt. In<span class="pagenum"><a id="Seite_52">[52]</a></span> -der Tat sind wir beides zugleich. Sinnliche, wahrhaftige -Wirklichkeit ist unser Ideal, das Ideal der Sozialdemokratie -ist materiell.</p> - -<p>Dietzgen reklamiert nun als Bedingung sozialdemokratischer -Denkweise dreierlei: die von Bacon gelehrte »<em class="gesperrt">induktive</em> -Methode« der Forschung – des Schlusses vom Besonderen -aufs Allgemeine; ferner Gedankenaufbau auf Grundlage sinnlichen -Materials; drittens die Voraussetzung <em class="gesperrt">gegebenen</em> -Anfangs der Welt – unter Abweisung der metaphysischen -Frage Kants nach »Gott, Freiheit und Unsterblichkeit«, und -unter Ablehnung der transzendentalen Deduktion, das heißt -apriorischer Grundlegung der objektiven Erfahrung durch -den reinen Geist. Dietzgen sagt:</p> - -<p>Anwendung der induktiven Methode auf alle Probleme -vom Anfang bis zum Ende der Welt, also die systematische -Anwendung der Induktion macht die sozialdemokratische Weltanschauung -zu einem System. »Du sollst«, lautet das Gesetz, -»nicht anfangen zu grübeln ohne Material, du darfst deine -Schlüsse, Regeln, Erkenntnisse nur auf Tatsachen, auf sinnliche -Wahrheit bauen. Zum Denken gehört ein gegebener -Anfang.« Wir also fangen wohl an zu grübeln, aber grübeln -nie über den Anfang. Wir wissen ein für allemal, daß -alles Denken mit einem Stück der weltlichen Erscheinung, -mit <em class="gesperrt">gegebenem</em> Anfang anfangen muß, daß also die Frage -nach dem Anfang des Anfangs eine gedankenlose Frage ist, -die dem allgemeinen Denkgesetz widerspricht. Wer vom Anfang -der Welt redet, setzt den Weltanfang in die Zeit. Da -darf man fragen, was war vor der Welt? »Nichts war«, -sind zwei Wörter, von denen eines das andere ausschließt. -Daß jemals etwas gewesen sei, was nicht war, kann nur ein -schlauer Tollpatsch sagen, der viereckige Kreise zieht. Nichts -kann nur heißen: nicht dies oder jenes.</p> - -<p>Unsere Dränger, die Mächtigen und Besitzenden, »Kulturkämpfer« -und Fortschrittsmänner, Liberale und Freimaurer -sind auch Fürsprecher der Induktion – nur soweit sie ihnen<span class="pagenum"><a id="Seite_53">[53]</a></span> -zum Kram paßt. Sie teilen alles: Die Leute in Herren und -Diener, das Leben in Dies- und Jenseits, die Person in -Leib und Seele und die Wissenschaft in Induktives und -Deduktives.</p> - -<p>Das Teilen ist gut und recht, wenn dabei System, wenn -das Geteilte unter einem Hut gehalten, wenn die Verschiedenheit -als eine nur graduelle bekannt ist. Auch die Sozialdemokraten -haben Leib und Seele. Unser Leib ist die Summe -der leiblichen und die Seele Summe der seelischen oder geistigen -Eigenschaften. Aber, wohlgemerkt! die empirische Erscheinung -ist das einhellige Material, die gemeinsame Rubrik -für Leib und Seele, für Körper und Geist. Seele oder Geist -ist uns ein Attribut der Welt und nicht, wie umgekehrt der -Pfaff will, die Welt ein Attribut oder Machwerk des Geistes.</p> - -<p>Nach religiösem System ist der liebe Gott »letzter Grund«. -Idealistische Freimaurer glauben alles mit der Vernunft begründen -zu können. Befangene Materialisten suchen in heimlichen -Atomen den Grund alles Bestehenden, während die -Sozialdemokraten alles <em class="gesperrt">induktiv</em> begründen. Wir besitzen -die prinzipielle Induktion, das heißt wir wissen, daß nicht -rein deduktiv, aus der bloßen Vernunft irgendeine Belehrung -zu schöpfen, sondern nur <em class="gesperrt">mittels Vernunft aus der Erfahrung</em> -Kenntnisse zu holen sind.</p> - -<p>An Stelle der Religion setzt die Sozialdemokratie systematische -Weltweisheit.</p> - -<p>Diese Weisheit findet ihre Begründung, ihren »letzten -Grund« in den <em class="gesperrt">faktischen Verhältnissen</em>. Die Erfahrung, -daß sowohl die feudale wie die liberale und klerikale Gerechtigkeit -und Freiheit und politische Wahrheit und Weisheit -nach dem leiblichen Interesse der betreffenden Parteien -modelliert ist, hat uns das Verständnis nahegelegt, daß sich -überhaupt die Weisheit nicht aus dem Kopfe, sondern nur -mittels des Kopfes aus empirischem Material ziehen läßt.</p> - -<p>Zufolge dessen modellieren wir mit <em class="gesperrt">Bewußtsein</em>, mit -systematischer Konsequenz unsere Begriffe über Gerechtigkeit<span class="pagenum"><a id="Seite_54">[54]</a></span> -und Freiheit nach unseren leiblichen Bedürfnissen, <em class="antiqua">nota bene</em> -sind es die Bedürfnisse des Proletariats, der großen Volksmasse. -Das faktische leibliche Bedürfnis einer »menschenwürdigen« -Existenz ist der »letzte Grund«, womit wir die -Rechtmäßigkeit, Wahrheit, Vernünftigkeit der sozialdemokratischen -Bestrebungen erweisen. Im System der Induktion -geht der Leib dem Geiste, das Faktum dem Begriffe voran. -Wie die Wärme kalt und die Kälte warm, beides sich nur -dem Grade nach unterscheidet, so relativ ist das Gute bös -und das Böse gut. Alles sind Relationen desselben Stoffes, -Formen oder Arten der physischen Empirie (Erfahrung).</p> - -<p>Mancher möchte fragen: Wie ist es möglich, empirisches -Material als Grundbestandteil aller Objekte der Wissenschaft -nachzuweisen? Gibt es denn da keine Dinge, wie das -Wesen Gottes, reine Vernunft, sittliche Weltordnung usw.?</p> - -<p>Gott, reine Vernunft, sittliche Weltordnung und viele andere -Dinge bestehen nicht aus empirischem Material, es sind keine -Formen der physischen Erscheinung, wir leugnen deshalb auch -ihr Dasein. Jedoch die Begriffe dieser Gedankendinge sind -faktisch vorhanden; sie mögen wir sehr wohl unserer induktiven -Forschung als Material unterbreiten.</p> - -<p>Im Schlußartikel, dem siebten, befaßt sich unser Autor mit -dem viel ventilierten Religionsthema der »sittlichen Weltordnung«:</p> - -<p>Sitte und Ordnung muß sein, nicht weil, wie der Pastor -sagt, diese Dinge vom Himmel stammen, sondern weil sie -ein allgemeines, lebhaftes Bedürfnis sind. Da wir Sozialdemokraten -alle unsere Gedanken mit leibhaftigen oder empirischen -Tatsachen begründen, soll auch das Sittengesetz nicht -weiter gelten, als es sich materialistisch fundiert findet.</p> - -<p>Die Sittlichkeit beruht auf dem sozialen Trieb des Menschengeschlechts, -auf der materiellen Notwendigkeit des gesellschaftlichen -Lebens. Weil die Tendenz der Sozialdemokratie -vornehmlich auf ein soziales, auf ein gesellschaftliches Leben -in höherem Grade gerichtet ist, darum kann sie nicht anders,<span class="pagenum"><a id="Seite_55">[55]</a></span> -als ganz wahrhaftig eine moralische Tendenz sein. Sacken -und Packen und der dazu benötigte juristische Apparat nennt -sich »sittliche Weltordnung«. Menschen, die über Nacht reich -werden, haben ein anderes Sittengesetz als solche, die noch -das Brot kümmerlich im Schweiße des Angesichts kneten. -Heute weiß man nicht, ob fünf, fünfundzwanzig, hundert -oder fünfhundert Prozent ein »ehrlicher Verdienst« ist. Die -kapitalistische Wirtschaft wirkt zersetzend auf die Moral und -das Vermögen. Wie in der Türkei kauft man in höheren -Ständen sich der Frauen, soviel man Geld hat. Vielweiberei -und Mätressenwirtschaft werden Sitte, sind ein sittliches Faktum. -Und in der Tat und in der Wahrheit ist die »freie -Liebe« nicht minder sittlich wie auch die christliche Beschränkung -auf nur ein einziges Ehegesponst. Was uns an der Vielweiberei -empört, ist nicht so sehr die reiche Mannigfaltigkeit -der Liebe, als die Käuflichkeit des Weibes, die Degradation -des Menschen, die schandbare Herrschaft des Mammons.</p> - -<p>In der Weltgeschichte, liebe Mitbürger, geht es mit der -Moral wie in der Natur mit dem Stoff: die Formen ändern -sich, aber das Wesen bleibt.</p> - -<p>Hier muß ich kurz und bündig auseinandersetzen, was das -eigentliche Wesen der Sittlichkeit, was wahre Moral ist. Die -Feinde schlachten, braten und verspeisen, heißt dort moralisch, -und hier: sie lieben und ihnen Gutes tun. Wie sollen wir -nun unter solchen Widersprüchen die Kastanien der Wahrheit -aus dem Feuer holen? Einfach, indem wir aus dem -Verschiedenen das Allgemeine, indem wir extrahieren, was -<em class="gesperrt">unter allen Umständen</em> moralisch, sittlich oder recht ist. -Es kann das nichts Spezielles, es muß das Generelle, das -Abstrakte des gesamten moralischen Materials sein. Mittels -eines solchen induktiven Verfahrens findet sich, daß die sittliche -Weltordnung im allgemeinen aus den Rücksichten besteht, -verschieden je nach Zeit und Umständen, welche das -gesellschaftliche Bedürfnis der Menschen erheischt. Ferner -findet sich die unleugbare Tatsache, daß dieses Bedürfnis<span class="pagenum"><a id="Seite_56">[56]</a></span> -mit der Kultur sich entwickelt, daß der soziale Trieb des -Menschen wächst, daß die menschliche Assoziation breiter und -inniger, daß die Moral moralischer wird.</p> - -<p>Kein Orakel des Himmels, kein Gewissen der Brust und -keine Deduktion des Kopfes darf uns die sittliche oder irgend -eine andere Wahrheit dozieren. Auf diesen idealen Wegen -findet sich nur die bekannte Schnapperei nach »dem wahren -Jakob«. Das einhellige wissenschaftliche Resultat wird induktiv -gewonnen; es gründet sich immer auf empirische Tatsachen, -hier auf das exakte Faktum, daß Menschen einander -dienstlich sind. So ewig wie einer des anderen bedarf, so -ewig ist dem einen recht, was dem andern billig. Je mehr -sich die gegenseitige Bedürftigkeit der Menschen entwickelt, -um so extensiver und intensiver wird ihre Verbindung, um -so rücksichtsvoller die Moral, um so größer und wahrer -die Moral.</p> - -<p>Die religiöse Wahrheit ist eine ideale Phantasterei. Sie -hat die Nächstenliebe auf Gottesglauben und sittliche Freiheit -gründen wollen. Und was haben wir davon? Den -sozialen Krieg. Wir wollen umgekehrt den ewigen Frieden -bezwecken mittels einer brüderlichen Gestaltung der politischen -Ökonomie. Wie in der Familie, wo der Mann den Kohl -baut, die Frau ihn kocht und die Kinder das Reisig herbeiholen, -wie da die häusliche Liebe gegründet ist auf die häusliche -Wirtschaft, die geistige auf die materielle Eintracht, so -wird sich auch bei uns die wahre Nächstenliebe erst einfinden, -nachdem die Erwerbsverhältnisse sozialistisch gestaltet -sind. Gewiß hat die Natur schon dem Menschen die Nächstenliebe -ins Herz gepflanzt. Aber dies Herz ist ein durchaus -unzuverlässiger Kompaß, und Wille und Erkenntnis, überhaupt -der ganze ideale Apparat ist ohne materielle Basis -ein sehr niedriger Wegweiser. Es müßte sonst besser stehen -mit der Nächstenliebe unserer herrschenden Klassen.</p> - -<p>Mit der faktischen Welt stimmt die sozialdemokratische -Moraltheorie überein, sie anerkennt im politischen Staate<span class="pagenum"><a id="Seite_57">[57]</a></span> -den berechtigten Wächter und Hüter der Sittlichkeit, aber -fühlt sich auch berufen, dem Staat auf die Finger zu sehen, -daß er nicht aus einer vergänglichen und veränderlichen Institution -einen ewigen und heiligen Popanz mache, daß er -nicht statt dem sittlichen Fortschritt eine unsittliche Reaktion, -statt kommunistischer Moral egoistische Laster treibe. Indem -die Sozialdemokratie alle Privatinteressen dem Allgemeinen, -der sozialistischen Organisation unterordnet, bekundet sie wahre, -echte Moral.</p> - -<p>(Dieses Schlußkapitel der Kanzelreden ist beiläufig als eine -populäre Erweiterung des Schlußkapitels vom »Wesen der -menschlichen Kopfarbeit« zu betrachten.)</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_58">[58]</a></span></p> - -<h2 id="VI">VI.<br /> -Sozialdemokratische Philosophie.</h2> -</div> - -<p>»Sozialdemokratische Philosophie« betitelt sich die nun folgende -Artikelserie (aus dem »Volksstaat« von 1876), der sich -drei Aufsätze (aus dem »Vorwärts« von 1877 bis 1878) anschließen.</p> - -<p>Unter »sozialdemokratischer Philosophie« versteht Dietzgen -die auf sinnlicher Erfahrung beruhende Erkenntnis – im -Gegensatz zur spekulativen Philosophie, zur Metaphysik, zum -Übersinnlichen und auch zur Ideologie, wie zur »phantastischen -Projektmacherei« der frühen französischen und englischen -Sozialisten zu Ende des achtzehnten und im ersten -Drittel des neunzehnten Jahrhunderts.</p> - -<p>Erst unserem Marx und Engels hatte – sagt Dietzgen – -die Philosophie das Fundamentalprinzip offenbart, daß in -letzter Instanz sich die Welt nicht nach Ideen, sondern umgekehrt -die Ideen sich nach der Welt zu richten haben. Marx -war der erste, welcher erkannte, daß das Menschenheil im -großen und ganzen nicht von irgendwelchem erleuchteten -Politiker, sondern von der Produktivität der sozialen Arbeit -abhängt.</p> - -<p>Da diese teils mechanischer, teils geistiger Art ist, fragt -es sich: wer von beiden ist Primus?</p> - -<p>Wir erkennen in Wissenschaft und Bildung überaus wertvolle -Mittel, aber nur Mittel, während die Ergiebigkeit der -leiblichen Arbeit der höhere Zweck ist. Die Bildung wirkt -dann allerdings sehr erheblich zurück auf die produktive Verwendung -der Arbeit.</p> - -<p>Der unwiderstehliche Weltprozeß, der die Planeten geballt, -aus ihren feuerflüssigen Substanzen Kristalle, Pflanzen, Tiere -und Menschen nacheinander hervorgetrieben, treibt ebenso -unwiderstehlich zu einer rationellen Verwendung unserer Arbeit,<span class="pagenum"><a id="Seite_59">[59]</a></span> -zur stetigen Entwicklung der Produktivkraft.<a id="FNAnker_9_9"></a><a href="#Fussnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a> Die Produktion -verlangt unter allen Umständen in rationeller Weise -betrieben zu werden. In allen Kulturepochen, mögen sie noch -so verschieden sein, muß man, so will es die Vernunft der -Dinge, in möglichst kurzer Zeit das Massenhafteste leisten. -Dieser von der materiellen Leiblichkeit uns angetane Trieb -ist also das <em class="gesperrt">Allgemeine</em>, das Ursächliche, ist Grund oder -Fundament aller sogenannten höheren, geistigen Entwicklungen, -Bildungen und Fortschritte. Weil die fortentwickelte -Produktivkraft heute nicht weiterkommen kann, darum muß -dem Volke Teil gegeben werden am Konsum, Absatz muß -verschafft, die Sittlichkeit, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit -vervollkommnet werden.</p> - -<p>Auf dem <em class="gesperrt">Mechanismus</em> des Fortschritts beruht die Zuversicht -der Sozialdemokratie. Wir wissen uns unabhängig -vom guten Willen. Unser Prinzip ist ein mechanisches, unsere -Philosophie materialistisch. Doch ist der sozialdemokratische -Materialismus viel reicher und positiver begründet als irgend -ein Vorgänger. Die Idee, seinen Gegensatz, hat er mittels -klarer Durchschauung in sich aufgenommen, hat die Welt -der Begriffe bemeistert, den Widerspruch zwischen Mechanik -und Spirit überwunden. Der Geist der Verneinung ist in -uns zugleich positiv, unser Element ist dialektisch.<a id="FNAnker_10_10"></a><a href="#Fussnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a></p> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_60">[60]</a></span></p> -<p>Im zweiten Artikel erklärt unser Autor, wie die »sozialdemokratische -Philosophie« aus der bürgerlichen, von der -sie »legitim abstammt«, sich entwickelt hat:</p> - -<p>Wer sind wir, woher kommen und wohin gehen wir? Sind -die Menschen Herren und Gebieter, sind sie die »Krone der -Schöpfung« oder hilflose Kreaturen, allem Winde, Wetter -und Ungemach unterworfen? Wie verhalten wir oder wie -sollen wir uns verhalten zu den Dingen und Menschen der -Umgebung? Das ist die große Frage der Philosophie wie -der Religion. Das Charakteristikum der Philosophie ist es, -die »große Frage« dem religiösen Gemüt entwunden und -sie dem Organ der Wissenschaft, dem Erkenntnisvermögen -zur Lösung heimgegeben zu haben. Indem die Philosophie -die große Lebensfrage wissenschaftlich lösen wollte, verdrehte -sich ihr die Sache, die sie nicht anzugreifen wußte, und die -wissenschaftliche Lösung, die Theorie der Kopfarbeit, wurde -ihr zum eigentlichen Gegenstand, zur Lebensfrage.</p> - -<p>Aber schockweise sind die Belege, daß das Verständnis kein -helles, kein konsequentes ist, daß die Professoren und Privatdozenten -ganz konfus sind in betreff der Aufgabe, des Zweckes -oder der Bedeutung der Philosophie.</p> - -<p>Zum Beweis zitiert Dietzgen einen Philosophen von anerkanntem -Ruf, Herrn v. Kirchmann, der 1876 in einem -Vortrag die Philosophie als das beste Schutzmittel für die -zurzeit herrschende Autorität und die bürgerliche Moral erklärte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_61">[61]</a></span></p> - -<p>Diese Philosophie kann also die Frage »Woher kommen -wir?« sicherlich nicht beantworten, zumal sie auf materiallosem -oder voraussetzungslosem Denken beruht. Ohne Material, -wie die Spinne ihre Fäden aus dem Hintern, ja -noch weit material- oder voraussetzungsloser, will der Philosoph -seine spekulative Weisheit aus dem Kopfe ziehen. So -haben denn die philosophischen Hirngespinste auch weniger -realen Zusammenhang als die Spinngewebe.</p> - -<p>Einer der Professoren – sagt unser Autor im dritten Artikel – verlangt -von den Sozialisten »statt vager und unklarer -Andeutungen ein klares Bild von dem Zustand der -Gesellschaft, wie er nach ihrer Ansicht sein <em class="gesperrt">müßte</em> und nach -ihren Wünschen eintreten <em class="gesperrt">soll</em>. Namentlich nach seinen praktischen -Konsequenzen ausgeführt.«</p> - -<p>Wir sind keine Idealisten, die sich einen Zustand der Gesellschaft -<em class="gesperrt">erträumen</em>, »wie er sein muß und soll«. Wenn -wir unsere Gedanken über die künftige Gestaltung spinnen, -nehmen wir Material zur Hand. Wir denken materialistisch. -»Der liebe Gott hatte die Welt im Kopfe, bevor er sie machte, -seine Ideen waren souverän und hatten sich nach nichts Vorhandenem -zu richten.« Dieser Aberglaube an die Souveränität -der Idee spukt den Philosophen im Kopfe; er liegt -dem Verlangen zugrunde, daß wir die künftige Welt in all -ihren Details erst projektieren sollen, bevor wir die gegenwärtige -angreifen und »zerstören«. Fourier, Cabet usw. haben -diese Verkehrtheit begangen. Wir behandeln die Zukunft nicht -wie spekulative Philosophen, sondern wie praktische Männer, -bauen keine Luftschlösser und machen keine Rechnungen ohne -die Wirte. Es ist kopflos, in ein Geschäft, in ein Unternehmen, -in die Welt zu rennen ohne Projekt; aber noch -kopfloser und nur die Art sanguinischer Phantasten ist es, -wenn man die näheren Bestimmungen sich nicht reserviert.</p> - -<p>Daß die kleine Wirtschaft wenig leistet und der Privatbesitz -<em class="antiqua">en gros</em> die Arbeiter ausbeutet, ist eine empirische Spezialkenntnis, -welche aus der Erfahrung induziert und nicht<span class="pagenum"><a id="Seite_62">[62]</a></span> -aus der philosophischen blauen Allgemeinheit uns in den -Kopf geregnet ist. Daraus folgt als »praktische Konsequenz« -die Forderung des genossenschaftlichen, des staatlichen oder -kommunalen Betriebes.</p> - -<p>Aber der <em class="gesperrt">Arbeitszwang</em> – »die Beschränkung der persönlichen -Freiheit verträgt sich nicht mit dem idealen Staate«. -<em class="gesperrt">Der Arbeitszwang ist ein Naturgesetz</em> und ist nur so -lange eine Beschränkung unserer persönlichen Freiheit, als -ein Herr Prinzipal vorhanden ist, der die Früchte unserer -Arbeit eigennützig einsackt. Sollte wohl der gut salarierte -Beamte seinen vorschriftsmäßigen Dienst als »Beschränkung -der persönlichen Freiheit« empfinden?</p> - -<p>Dietzgen nimmt nun im vierten Artikel das im zweiten -begonnene Thema wieder auf »Woher kommen wir?«, das -Rätsel des Daseins, das Religion und Philosophie zu lösen -sich die Aufgabe gestellt.</p> - -<p>Die religiöse Schöpfungsgeschichte ist der Philosophie zu -kindisch; sie wendet sich deshalb an den menschlichen Geist; -aber solange der, vom religiösen Dunst umnebelt, sich selbst -mißversteht, fragt und hantiert er verkehrt, voraussetzungslos, -spekulativ oder in die unbestimmte Allgemeinheit.</p> - -<p>Die »Voraussetzungslosigkeit« seiner Methode weiß der -Philosoph damit zu begründen, daß er auf die vielen Possen -oder Täuschungen der Sinne hinweist, die uns mannigfach -in der Irre herumführen. Folgedessen fragt er: Was ist -Wahrheit und wie kommen wir zur Wahrheit?</p> - -<p>Seine Philosophie sucht nicht, wie alle besonderen Wissenschaften, -an bestimmten grünen und empirischen Wahrheiten, -sondern wie die Religion an einer ganz besonderen Art von -Wahrheit, an der absoluten, blauen, voraussetzungslosen oder -übergeschnappten. Was aller Welt wahr ist, was wir sehen, -fühlen, hören, schmecken und riechen, unsere <em class="gesperrt">leibhaftige -Empfindung</em>, ist ihr nicht wahr genug. Naturerscheinungen -sind nur Erscheinungen oder »Schein«, und davon will sie -nichts wissen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_63">[63]</a></span></p> - -<p>Weil der Philosoph, vom religiösen Wahne befangen, über -die Naturerscheinung hinaus will, weil er hinter dieser Welt -der Erscheinung noch eine andere Welt der Wahrheit sucht, -mittels deren die erstere erklärt werden soll, darum hat er -sich die voraussetzungslose Methode angeschafft, welche Gedanken -ohne bestimmtes Material spinnt oder, mit anderen -Worten, in die unbestimmte Allgemeinheit fragt. Erst ein -<em class="gesperrt">unbefangener</em> Grübler, der das Cartesianische Experiment -(»<em class="antiqua">Cogito, ergo sum</em>«, ich denke, daher existiere ich) wiederholt, -findet, daß, wenn sich im Kopfe Gedanken und Zweifel -umtreiben, es die <em class="gesperrt">leibliche</em> Empfindung ist, welche uns das -Dasein des Denkprozesses versichert.<a id="FNAnker_11_11"></a><a href="#Fussnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a> Der Philosoph verdrehte -die Sache, er wollte die <em class="gesperrt">unleibliche</em> Existenz des abstrakten -Gedankens bewiesen haben; er vermeinte, die übergeschnappte -Wahrheit einer religiösen oder philosophischen Seele wissenschaftlich -beweisen zu können, während in der Tat er die -gemeine Wahrheit der leiblichen Empfindung konstatierte. -Aus der Empfindung des profanen Daseins wollte Cartesius -ein höheres Dasein herleiten. Sein Malheur ist das Generalmalheur -der Philosophie, sie ist idealistisch.</p> - -<p>Idealisten im guten Sinne des Wortes sind alle braven -Menschen. Die Sozialdemokraten erst recht. Unser Ziel ist -ein großes Ideal. Die Idealisten im philosophischen Sinne -dagegen behaupten, was alles wir sehen, hören, fühlen usw., -die ganze Welt der Dinge rund um uns sei nicht vorhanden, -es seien Gedankenspäne. Sie behaupten, unser Intellekt -sei die einzige Wahrheit, alles andere sollen »Vorstellungen«, -Phantasmagorien, traumhafte Nebelbilder, Erscheinungen im -bösen Sinne des Wortes sein. Was immer in der äußeren -Welt wir wahrnehmen, behaupten sie, sind keine objektiven -Wahrheiten, keine wirklichen Dinge, sondern ist subjektives -Getriebe unseres Intellektes.</p> - -<p>Die Dinge der Welt sind nicht »an sich«, sondern besitzen -alle ihre Beschaffenheiten nur durch den <em class="gesperrt">Zusammenhang</em>.<span class="pagenum"><a id="Seite_64">[64]</a></span> -Im Zusammenhang mit dem Sonnenlicht und mit unseren -Augen sind die Wälder im Sommer grün. In einem anderen -Lichte und unter anderen Augen möchten sie dann blau oder -rot sein. Flüssig ist das Wasser nur im Zusammenhang -mit einer gewissen Temperatur, in der Kälte wird es hart -und fest, in der Hitze unsichtbar; läuft gewöhnlich bergab, -und wenn es an einen Zuckerhut herankommt auch bergauf. -Es hat »an sich« keine Eigenschaften, kein Dasein, sondern -erhält dasselbe durch den <em class="gesperrt">Zusammenhang</em>. Wie dem -Wasser ergeht es allen anderen Dingen.</p> - -<p>Die ganze Wahrheit und Wirklichkeit beruht auf dem Gefühl, -auf der leiblichen Empfindung. Seele und Leib oder -Subjekt und Objekt, wie der alte Witz neuerdings heißt, ist -von demselben irdischen, sinnlichen, empirischen Kaliber.</p> - -<p>Die Wahrheit nicht auf das »Wort Gottes« und nicht -auf überkommene »Prinzipien«, sondern unsere Prinzipien -auf die leibliche Empfindung gründen, das ist die philosophische -Pointe der Sozialdemokratie.</p> - -<p>Der liebe Gott formte des Menschen Leib aus einem Lehmklumpen, -und die unsterbliche Seele hauchte er hinein. Seit -dieser Zeit besteht der Dualismus oder die Zweiweltentheorie. -Die eine, die leibliche, materielle Welt, ist Dreck, und eine -andere, geistliche oder geistige Geisterwelt, ist Gotteshauch. -Dieses Histörchen wurde von der Philosophie säkularisiert, -das heißt dem Zeitgeist angepaßt. Das Sichtbare, das Hör- -und Fühlbare, die leibliche Wirklichkeit wird immer noch -wie dreckiger Lehm behandelt; dem denkenden Geiste dagegen -hängt man das Reich einer überspannten Wahrheit, Schönheit -und Freiheit an. Wie in der Bibel »die Welt« einen -üblen Beigeschmack hat, so auch in der Philosophie. Unter -allen Erscheinungen oder Objekten, welche die Natur bietet, -findet sich nur eines, welches sie ihrer Aufmerksamkeit würdigt, -den Geist nämlich, den alten Gotteshauch; und das nur -darum, weil derselbe ihrem <span id="corr064">vertrackten</span> Sinne wie ein unnatürliches, -wie ein überweltliches, metaphysisches Ding erscheint.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_65">[65]</a></span></p> - -<p>Es soll der Odem Gottes als eine Wahrheit demonstriert -werden. Zwar ist der Name in Verruf: von der unsterblichen -Seele darf vor aufgeklärten, liberalen Leuten keine Rede -sein. Man tut materialistisch nüchtern, spricht vom Bewußtsein, -Denk- oder Vorstellungsvermögen. Aber daß dies ein -Ding von gemeiner und nicht übergeschnappter Natur ist, -darf kein »Gebildeter« denken, das denken nur sozialistische -Volksaufwiegler. Anderen ist die überschwengliche Natur des -menschlichen Geistes ein ausgemachtes Dogma.</p> - -<p>Wir fühlen in uns das leibhaftige Dasein der denkenden -Vernunft, und ebenso und mit demselben Gefühl empfinden -wir außer uns die Lehmklumpen, die Bäume und Sträucher. -Und das, was wir in uns, und das, was wir außer uns -fühlen, liegt nicht weit voneinander. Beides gehört zur sinnlichen -Erscheinung, zum empirischen Material.</p> - -<p>Die sozialdemokratische Gleichheit der Natur, des Leibes -und der Seele ist es, welche den »Philosophen« nicht in den -Kopf will. Das Erfahrungsmäßige nennen wir Wahrheit -und machen es allein zum Objekt der Wissenschaft.</p> - -<p>Seit Kant sich die Kritik der Vernunft zur Spezialität -gemacht, ist konstatiert, daß unsere fünf Sinne allein nicht -ausreichen, um Erfahrungen zu machen, daß der Intellekt -dabei sein muß. Und ferner hat die Kritik der Vernunft dargetan, -daß der alte Gotteshauch künftig nur im Gebiet der -materiellen, das heißt erfahrungsmäßigen Welt funktionieren -darf, daß die Vernunft ohne unsere fünf Sinne keinen Sinn -und Verstand hat und also ein Ding ist von demselben gemeinen -Zusammenhang wie andere Dinge.</p> - -<p>Jedoch ist es dem großen Philosophen zu schwer geworden, -die Geschichte vom Lehm <em class="gesperrt">ganz</em> zu vergessen, den Geist -aus der geistlichen Nebelkappe ganz zu erlösen, die Wissenschaft -total von der Religion zu emanzipieren. Die »dreckige« -Anschauung von der Materie, das »Ding an sich« hat alle -Philosophen mehr oder minder gefangen gehalten im idealistischen -Schwindel, der einzig und allein auf dem Glauben<span class="pagenum"><a id="Seite_66">[66]</a></span> -an die metaphysische Natur des menschlichen Geistes beruht. -Abgötterei, Religion und Philosophie sind drei wenig verschiedene -Arten von einer Sache, welche sich Metaphysik nennt.</p> - -<p>Der Schub, durch welchen Kant die Metaphysik zum Tempel -hinausbrachte, und das Hintertürchen, das er ihr offen ließ, -sind bündig in einen einzigen Satz gefaßt, er lautet: Unsere -Erkenntnis beschränkt sich auf die <em class="gesperrt">Erscheinung</em> der Dinge. -Was sie <em class="gesperrt">an sich</em> sind, können wir nicht wissen. Gleichwohl -müssen auch die Dinge etwas »an sich« sein, denn sonst -würde der ungereimte Widerspruch folgen, daß Erscheinung -wäre, ohne etwas, was erscheint.</p> - -<p>Nicht zu leugnen: wo Erscheinungen sind, da ist auch ein -Etwas, was erscheint. Aber wie wäre es, wenn dies Etwas -die Erscheinung selbst wäre, wenn einfach Erscheinungen erschienen? -Es läge doch durchaus nichts Unlogisches oder -Vernunftwidriges vor, wenn überall in der Natur die Subjekte -wie die Prädikate von <em class="gesperrt">derselben Art</em> wären. Warum -soll denn das, was erscheint, von einer durchaus anderen -Qualität sein wie die Erscheinung? Warum können die -Dinge »für uns« und die Dinge »an sich«, oder Schein -und Wahrheit, nicht von demselben empirischen Stoffe, von -derselben Natur sein? Das Interesse der Sozialdemokratie -fordert, daß sie mit der Weltweisheit dieselbe Prozedur vornimmt, -daß sie die Gesamtgattung der Gedanken in zwei -Arten teilt, in glaubensbedürftige, idealistische Faselei und -nüchterne, materialistische Denkarbeit.</p> - -<p>Wir können mit unserem Intellekt die materielle Welt -nur <em class="gesperrt">formell</em> beherrschen. Im Kleinen mögen wir ihre Veränderungen -und Bewegungen nach dem Willen lenken, aber -im Großen ist die Substanz der Sache, die Materie <em class="antiqua">en général</em> -erhaben über alle Geister. Es gelingt der Wissenschaft, -die mechanische Kraft in Wärme, Elektrizität, Licht, chemische -Kraft usw. zu verwandeln, und es mag ihr gelingen, alles -Stoffliche und alles Kräftige, eines in das andere überzuführen -und als verschiedene Formen eines einzigen Wesens<span class="pagenum"><a id="Seite_67">[67]</a></span> -darzustellen; aber doch vermag sie nur die Form zu verwandeln, -das Wesen bleibt ewig, unvergänglich und unzerstörbar. -Der Intellekt kann die Wege der physischen Veränderungen -ablauschen, aber es sind <em class="gesperrt">materielle</em> Wege; der -stolze Geist kann ihnen nur nachschleichen, sie aber nicht vorschreiben. -Das religiöse Gebot: Du sollst Gott über alles -lieben, das heißt in sozialdemokratischem Deutsch: Du sollst -die materielle Welt, die leibliche Natur oder das sinnliche -Dasein lieben und verehren als den Urgrund der Dinge, -als das Sein ohne Anfang und Ende, welches war, ist und -sein wird von Ewigkeit zu Ewigkeit.</p> - -<p>Wie das Verständnis der Ökonomie, so ist auch unser -Materialismus eine wissenschaftliche, eine historische Errungenschaft. -Wie wir uns scharf unterscheiden von den -Sozialisten der Vergangenheit, so auch von den ehemaligen -Materialisten. Mit den letzteren haben wir nur gemein, die -Materie als Voraussetzung oder Urgrund der Idee zu erkennen. -Die Materie ist uns die Substanz und der Geist die -Akzidenz, die empirische Erscheinung ist uns die Gattung -und der Intellekt eine Art oder Form derselben, während -alle religiösen und philosophischen Idealisten in der Idee -die erste, die ursächliche oder substantielle Kraft erblicken.</p> - -<p>Es ist nicht genug, wie die alten Materialisten tun, alles -aus wägbaren Atomen abzuleiten. Die Materie ist nicht nur -schwer, sondern auch duftig, hell und klingend, warum nicht -intelligent? Wenn das Riech-, Sicht- und Hörbare spiritueller -ist als das Tastbare, wenn also der Komparativ natürlich, -warum nicht der Superlativ? Die Schwere läßt sich nicht -sehen, Licht nicht riechen und der Intellekt nicht betasten, -aber empfinden läßt sich alles, was da ist. Den Geist oder -unsere Gedanken fühlen wir doch wohl ebenso physisch wie -Schmerzen, Licht, Wärme oder Steine. Das Vorurteil, daß -die Objekte des Tastgefühls begreiflicher seien als die Erscheinungen -des Gehörs oder des Gefühls überhaupt, verleitete -die alten Materialisten zu ihren atomistischen Spekulationen,<span class="pagenum"><a id="Seite_68">[68]</a></span> -verleitete sie, das Tastbare zum Urgrund der Dinge -zu machen. Der Begriff der Materie ist weiter zu fassen. -Es gehören dazu alle Erscheinungen der <em class="gesperrt">Wirklichkeit</em>, auch -unser Begriffs- oder Erkenntnisvermögen.</p> - -<p>Das Ganze regiert den Teil, die Materie den Geist, wenigstens -in der Hauptsache, wenn auch nebensächlich wiederum -die Welt vom Menschengeist regiert wird. In diesem Sinne -also mögen wir die materielle Welt als höchstes Gut, als -erste Ursache lieben und ehren.</p> - -<p>Damit ist denn ganz und gar nicht bestritten, daß unter -den Objekten der Welt wir unserem Intellekt den ersten -Rang zuerkennen mögen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_69">[69]</a></span></p> - -<h2 id="VII">VII.<br /> -Drei polemische Abhandlungen.</h2> -</div> - -<p>Die nun folgenden, einander ergänzenden drei Aufsätze: -»Das Unbegreifliche« (Vorwärts 1877), »Die Grenzen der -Erkenntnis« (Vorwärts 1877), »Unsere Professoren auf den -Grenzen der Erkenntnis« (Vorwärts 1878) sind zwar in -polemischer Form gehalten, lediglich aber Illustrationen der -im vorhergehenden niedergelegten erkenntniskritischen Lehren, -insbesondere Beispiele von Metaphysik und ihrer Abwehr.</p> - -<p>Im ersten Artikel sagt Dietzgen:</p> - -<p>Es ist viel Unbegriffenes vorhanden, wer will es bestreiten? -Daß aber in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts -die Gelehrten noch allen Ernstes von den Grenzen des -menschlichen Erkenntnisvermögens sprechen und an das effektive -Dasein von wunderbaren Dingen oder Wundern glauben, -die nicht mir oder dir, sondern dem Menschengeschlecht -über den Horizont gehen, das darf ein Ungläubiger wunderbar, -unbegreiflich und unerklärlich finden.</p> - -<p>Die Fähigkeit des menschlichen Intellektes ist so unbegrenzt, -daß sie im Fortschritt der Zeit stets neue Ermittlungen macht, -welche regelmäßig alle vergangene Gelehrsamkeit im Lichte -der Stümperei erscheinen lassen.</p> - -<p>Bekanntlich ist der Intellekt ein Organ, mit dem wir wahrnehmen. -Von den anderen Wahrnehmungsorganen, von Augen, -Ohren usw., unterscheidet er sich als der <em class="gesperrt">wesentlichste</em> Faktor. -Ohne Augen läßt sich noch hören, schmecken und riechen, -aber ohne Bewußtsein, ohne Spiritus im Kopfe ist die Welt -zu Ende. Ein Bewußtsein jedoch, das keine Sinne hätte, -würde auch nichts wissen. Also gehört eins zum anderen. -Der Intellekt mag Hauptmann sein, aber er ist das nur in -Verbindung mit den Gemeinen, mit unseren fünf Sinnen -und den Dingen der Welt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_70">[70]</a></span></p> - -<p>Allerdings gibt es Unverständliches, Unbegreifliches, es -gibt Grenzen unseres Erkenntnisvermögens, aber nur in -dem hausbackenen Sinne, wie es Unsichtbares und Unhörbares, -wie es Grenzen für Auge und Ohr gibt. Jedes Ding -hat seine natürliche Grenze, so auch der Intellekt. Wenn -das Auge keine Musiktöne, keine Wohlgerüche oder die -Schwere der Körper nicht zu sehen vermag, so ist das eine -verständige Grenze des Auges, aber keine Grenze in dem -unverständigen Sinne der Metaphysik, welche mit dem Namen -Grenze oder Schranke einen <em class="gesperrt">Mangel</em> ausdrückt. Mangelhaft -ist das Exemplar einer Sache im Verhältnis zu anderen -Exemplaren derselben Gattung; aber generaliter sind die -Dinge vollkommen. Ein vollkommeneres Holz, wie das Holz -im <em class="gesperrt">allgemeinen</em> auf der Erde ist, kann auch in der Metaphysik -nicht wachsen.</p> - -<p>Um dem gruseligen Gerede vom Unbegreiflichen, von den -»Grenzen unseres Naturerkennens« ein Ende zu machen, sollen -wir uns klar werden über die Frage: Was heißt erkennen, -erklären, begreifen? Ich wiederhole: eine überspannte Idee -vom Intellekt, unverständige Anforderungen an unser Begriffsvermögen, -also erkenntnistheoretische Unwissenheit ist der -Grund alles Aberglaubens, aller religiösen und philosophischen -Metaphysik.</p> - -<p>Genau so wie der Bauer das Prinzip der Mechanik, genau -so mißversteht unsere Professoralweisheit das Prinzip der Intelligenz. -Alles Erkennen, Begreifen oder Erklären ist ein nur -ganz formelles Tun. Die Erscheinungen der Welt und des -Lebens sind erkannt oder erklärt, wenn wir sie <em class="gesperrt">einteilen</em> -in Klassen, Gattungen, Familien, Arten usw. und also das, -was zueinander gehört und nacheinander folgt, in ein formelles -wissenschaftliches Schema bringen.</p> - -<p>All unsere Vernunft, unser ganzes Erkennen oder Erklären -kann nicht mehr und darf nicht mehr wollen. Wer vom Intellekt -mehr verlangt, gleicht dem unwissenden Mechanikus, -der das <em class="antiqua">Perpetuum mobile</em> sucht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_71">[71]</a></span></p> - -<p>Im zweiten Artikel entscheidet Dietzgen die noch heute -sehr vielen hervorragenden Führern des Sozialismus unklare -Sache, ob sich die Sozialdemokratie um den Streit »Metaphysik -oder keine?« überhaupt zu kümmern brauche.<a id="FNAnker_12_12"></a><a href="#Fussnote_12_12" class="fnanchor">[12]</a></p> - -<p>Dietzgen sagt:</p> - -<p>Allerdings gibt es viele wissenschaftliche Disziplinen, die -das sozialistische Streben nach Befreiung der geknechteten -Menschheit weniger tangieren. Aber die philosophische Frage, -die Frage, ob etwas Metaphysisches, »etwas Höheres« hinter -oder über der Welt haust, welches zu begreifen für unseren -Intellekt zu monströs, das zu erklären den menschlichen Verstand -übersteigt, also die Spezialfrage der Philosophie nach -den »<em class="gesperrt">Grenzen der Erkenntnis</em>«, berührt ganz fühlbar -die Knechtschaft des Volkes.</p> - -<p>Die Sozialdemokratie erstrebt keine ewigen Gesetze, keine -bleibenden Einrichtungen oder festgeronnenen Formen, sondern -im allgemeinen das Heil des Menschengeschlechts. <em class="gesperrt">Geistige -Erleuchtung ist das unentbehrliche Mittel dazu.</em> -Ob das Erkenntnisinstrument ein begrenztes, das heißt<span class="pagenum"><a id="Seite_72">[72]</a></span> -ein untergeordnetes, ob die wissenschaftlichen Erforschungen -wahre Begriffe, Wahrheit in höchster Form und letzter Instanz -liefern, oder ob nur armselige »Surrogate«, welche <em class="gesperrt">das -Unbegreifliche</em> über sich haben – die <em class="gesperrt">Erkenntnistheorie</em> -also ist eine eminent sozialistische Angelegenheit.</p> - -<p>Alle Herrschaften, welche die Völker ausgebeutet haben, -stützten sich bis heute auf eine höhere Mission, auf eine Abstammung -von Gottes Gnade, auf heilige Salben und metaphysischen -Weihrauch. Und wenn sie auch die Aufklärung, -die religiöse Freiheit, den politischen Fortschritt und die kritische -Philosophie im Munde führten, so wußten sie doch sehr -wohl, daß ohne »etwas Höheres«, etwas Unbegreifliches, ohne -etwas Metaphysisches, und wäre es auch nur eine »sittliche -Weltordnung«, die Zügel nicht mehr haltbar sind, welche das -Volk in Rand und Band und die Herrschaften in Besitz und -Würde erhalten.</p> - -<p>Nicht als wenn die Sozialdemokratie die Gegnerin der -sittlichen Weltordnung wäre. Auch wir wollen die Welt -sittlich ordnen; aber wir wollen die Ordnung nicht von oben, -sondern von unten haben, das heißt, wir wollen sie selbst -machen. Wer mit dem sozialdemokratischen Programm die -Befreiung der arbeitenden Klasse durch die Arbeiter selbst -erstrebt, der muß das närrische Harren und Hoffen, das -philosophische Spintisieren und Forschen, insofern es auf eine -<em class="gesperrt">andere Welt</em> gerichtet ist, gründlich ablegen.</p> - -<p>Und zum Thema des »Unbegreiflichen« oder der »Grenze -der Erkenntnis« zurückkehrend, sagt Dietzgen:</p> - -<p>Der Welt ist wohlbekannt, daß nicht nur der Geist, das -Bewußtsein oder die Empfindung, sondern <em class="gesperrt">alle Dinge</em> »im -letzten Grunde« unbegreiflich sind. »Wir sind nicht imstande, -die Atome zu begreifen, und wir vermögen nicht, aus den -Atomen und ihrer Bewegung auch nur die geringste Erscheinung -des Bewußtseins zu erklären,« sagt Lange in seiner -»Geschichte des Materialismus«, oder ein anderer: »das -Wesen der Materie ist schlechthin unbegreiflich«. Dies Kausalitätsbedürfnis<span class="pagenum"><a id="Seite_73">[73]</a></span> -nennt sich mit anderem Namen auch »Trieb -des Forschens«, der, unbändig, es nicht unterlassen kann, -auch dem »Unbegreiflichen« an den Federn zu rupfen.</p> - -<p>Dagegen behaupten wir, was sich möglicherweise begreifen -läßt, ist nicht unbegreiflich. Wer das Unbegreifliche begreifen -will, treibt Eulenspiegelei. Wie mit dem Auge nur das Sichtbare, -mit dem Ohr nur das Hörbare, so kann ich mit dem -Begriffsvermögen nur das Begreifliche greifen. Und wenn -auch die sozialdemokratische Philosophie lehrt, daß alles, -was da ist, <em class="gesperrt">vollkommen</em> zu begreifen ist, so soll doch auch -das Unbegreifliche nicht geleugnet sein. Das sei anerkannt.</p> - -<p>Die sozialdemokratische Philosophie ist mit der »zünftigen« -einverstanden: »das Sein läßt sich auf keine Weise im Denken -auflösen«, auch kein Teil des Seins. Aber wir erkennen es -auch nicht als Aufgabe des Denkens, das Sein aufzulösen, -sondern nur formell zu ordnen, die Klassen, Regeln und -Gesetze zu ermitteln, kurz das zu tun, was man »Naturerkennen« -nennt. Alles ist begreiflich, insofern es zu klassifizieren -ist, alles ist unbegreiflich, insofern es sich nicht in -Gedanken auflösen läßt. Dies können, sollen und wollen -wir nicht, und bleiben ihm darum fern. Wohl aber können -wir das Umgekehrte: das Denken in Sein auflösen, das -heißt, das Denkvermögen als eine von den vielen Arten -des Daseins klassifizieren.</p> - -<p>Der rationelle Forschungstrieb will das Dasein regeln, -die <em class="gesperrt">Gesetze des Daseins</em> ermitteln. Wo er über das Dasein -hinaus soll, soll er über seine und über alle Natur -hinaus. In dieser Zumutung besteht Überschwenglichkeit, -die sie von der Religion geerbt hat. Philosophie und Religion -verkennen die »letzten Gründe« aller Begreiflichkeit: -nämlich die Empirie oder Tatsache. Auf sinnliche Tatsachen -und Erfahrungen sollen sich wesentlich die Gedanken gründen. -Wer umgekehrt auf den Geist oder die Logik Tatsachen -gründen will, darf das nur <em class="gesperrt">formell</em> verstehen. Der letzte -Grund, warum der Stein fällt oder die Wärme sich ausdehnt,<span class="pagenum"><a id="Seite_74">[74]</a></span> -ist die Tatsache, und das Gesetz der Schwere und -das Gesetz der Wärme sind Abstraktionen, sind <em class="gesperrt">formelle</em> -Gründe. Nicht nur läßt sich das Sein nicht im Denken auflösen, -sondern es versteht sich klar, daß das philosophische -Begehren nach solcher Auflösung eine idealistische Überspannnug -ist.</p> - -<p>Das nämliche Thema wird im dritten Aufsatz, in einer -Polemik gegen die Professoren v. Nägeli und Du Bois-Reymond, -behandelt. Letzterer hatte einen anregenden Vortrag -über das Naturerkennen und »die letzten Gründe« mit -den Worten geschlossen: »<em class="antiqua">ignoramus et ignorabimus</em>« (wir -wissen nicht und werden nicht wissen), während ersterer das -Nichtwissen oder Nichterkennen für ganze Gebiete des Naturlebens -voraussetzt: »Über die Beschaffenheit, die Zusammensetzung, -die Geschichte eines Fixsterns letzter Größe, über das -organische Leben auf seinen dunklen Trabanten, über die stofflichen -und geistigen Bewegungen in diesen Organismen werden -wir nie etwas wissen.«</p> - -<p>Dietzgen erwidert hierauf:</p> - -<p>Jawohl, die Natur ist dem menschlichen Geiste überlegen, -sie ist sein unerschöpfliches Objekt. Aber unser Forschungsvermögen -ist nur insoweit beschränkt, als sein Objekt, die -Natur, unbeschränkt ist. Wir können an kein Ende kommen, -weil kein Ende vorhanden. Wo aber ein Ende ist, da kommen -wir möglicherweise hin. Kein Professor kann wissen, wie vieles -von den Fixsternen und ihren Trabanten wir und unsere -Nachkommen noch ausforschen, wie unendlich tief wir in die -Vergangenheit, in die Zukunft und in die kleinsten Teilchen -hineindringen.</p> - -<p>Das Forschen kommt an kein Ende, weder objektiv noch -subjektiv, das heißt, die Unendlichkeit der Welt läßt es nicht -zu und die Unendlichkeit des Intellekts auch nicht. Daß aber -doch wieder der Intellekt nur ein beschränkter Teil der Welt -ist, wird der sozialdemokratische Materialist nie leugnen. Nur -wollen wir aus dem Dualismus heraus. Nur eine, nur eine<span class="pagenum"><a id="Seite_75">[75]</a></span> -einzige Welt erkennen wir an, »wovon uns die sinnlichen -Wahrnehmungen Kunde geben«. Wir halten dafür, daß wo -wir nichts sehen und hören, nichts fühlen, schmecken und -riechen, da auch nichts wissen können.</p> - -<p>Ich will hier nochmals positiv auf die Beschränktheit der -menschlichen Erkenntnis zurückkommen. Wir können mit diesem -Vermögen <em class="gesperrt">nur erkennen</em>; singen und springen und hundert -andere Dinge können wir damit nicht; insofern ist die -Vernunft beschränkt. In ihrem Element aber, im Erkennen -ist sie unbeschränkt, und so unbeschränkt, daß sie mit ihrer -Arbeit nie ans Ende kommt. Alles Erkennbare steht ihr offen. -Das Unerkennbare, das den Sinnen absolut Unerreichbare -ist für uns nicht vorhanden, und ist auch insofern »an sich« -nicht vorhanden, als wir ohne Phantasterei nicht einmal -davon reden können.</p> - -<p>Wer das »geistige Bedürfnis« hat, etwas von Erscheinungen -zu erfahren, »die uns verborgen bleiben«, uns unserer Natur -nach verborgen bleiben müssen, der hat kein geistiges, sondern -ein mystisches Bedürfnis. Die elektrischen Erscheinungen -sind nicht zufälliger gefunden worden wie der Tabak. Und -es ist ein starker Tabak für einen Naturforscher, von Erscheinungen -zu sprechen, die niemand wahrgenommen hat -und niemand wahrnehmen wird. Es <em class="gesperrt">ist möglich</em>, daß Mephisto -in Gestalt einer unsichtbaren Fledermaus mich umschwirrt; -was ich aber nicht weiß, macht mich nicht heiß, -und sollte auch die Naturforscher nicht heiß machen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_76">[76]</a></span></p> - -<h2 id="VIII">VIII.<br /> -Briefe über Logik.</h2> -</div> - -<p>Die »Briefe über Logik« – »Speziell demokratisch-proletarische -Logik«, Teil I 1883 bis 1884, Teil II 1884 – sind -ein ganz besonders eigenartiges Erzeugnis, kein Lehrgebäude -der Logik im Routinestil, sondern eine, zum Teil (namentlich -in den ersten Briefen) mit etwas persönlichem Einschlag -versehene, Denklehre, die sich an des Autors im »Wesen -der menschlichen Kopfarbeit« niedergelegte Erkenntnistheorie -anschließt und sie ergänzt, wie bei Dietzgen jede spätere -Schrift die früheren in etwas erweitert.</p> - -<p>Dietzgens Logik hat demnach ganz und gar einen erkenntnistheoretischen -Charakter. Und, richtig eingeschätzt, ist der -erste, aus 24 Stücken bestehende Teil, der in diesem achten -Abschnitt behandelt wird, eine philosophische Epopöe des -Universalzusammenhangs, ein Heldenplädoyer des wahren -Monismus, das der modernen Weltanschauung eine festere -Grundlage schafft als irgendein anderes der zahlreichen, -sonst trefflichen Bücher aus diesem Gebiete, obwohl Dietzgens -Briefe nicht eigentlich nach einem systematischen Plan angelegt -sind.</p> - -<p>Dietzgens Vorzug vor allen anderen philosophischen und -vor den naturwissenschaftlichen Lehrern des Monismus besteht -in seiner eindringlichen Darlegung des organischen Zusammenhangs -des Geistes, des Intellekts, mit dem All, dem -Gesamtdasein.</p> - -<p>Aus diesem Grunde betrachte ich den ersten Teil seiner -»Logischen Briefe« als die nächst dem »Wesen der menschlichen -Kopfarbeit« wichtigste seiner Schriften.</p> - -<p>Diese Serie von 24 und 18 Artikeln sollte zwar in erster -Linie der Unterweisung des »auf die Hochschule des Lebens«<span class="pagenum"><a id="Seite_77">[77]</a></span> -nach Amerika gesandten Sohnes dienen, war aber gleichwohl -auch für gelegentlichen Druck verfaßt.</p> - -<p>Die Definition, Zweck- und Grenzbestimmung der Logik -sind bei den Philosophen verschieden; Dietzgens Logik hat, -hiervon abgesehen, einen sehr bestimmt ausgeprägten Sondercharakter -als »speziell demokratisch-proletarische Logik«.</p> - -<p>Was mit dieser Bezeichnung gesagt sein soll, erläutert -Dietzgen im ersten Brief:</p> - -<p>Der Gedanke, auf den sich die proletarischen Forderungen -stützen, der Gedanke von der Gleichheit alles dessen, was ein -Menschenantlitz trägt, dieser, wenn ich so sagen darf, letzte -proletarische Gedanke findet seine volle Begründung durch -eine letzte Einsicht in die bis dato sehr verworrenen Probleme -der Logik. Schließlich verdient die Logik auch schon -deshalb den proletarischen Beinamen, weil ihr Verständnis -die Überwindung aller Vorurteile fordert, welche die Bourgeoiswelt -im Leime halten.</p> - -<p>Im zweiten Briefe wird gesagt, was die Logik ist und -was sie will:</p> - -<p>Die Logik will den Menschengeist über dessen eigenes Tun -und Treiben unterrichten, sie will unseren inneren Kopf zurechtsetzen. -Forschungsobjekt der Logik ist der Gedanke, die -Natur des Gedankens und die rechte Ordnung desselben.</p> - -<p>Der Menschenschädel besorgt das Denken so unwillkürlich -wie die Brust das Atmen. Mit dem Willen jedoch können -wir das Atmen eine Zeitlang anhalten, können nach Belieben -es schneller und langsamer gehen machen. So kann -auch der Wille die Gedanken regieren; wir können irgendein -beliebiges Objekt zum Gegenstand unseres Denkens nehmen -und sind dennoch bald zu überzeugen, daß die Macht des -Willens und die Freiheit des Geistes nicht weit her sind, -nicht weiter reichen wie die Freiheit der Brust.</p> - -<p>Wenn also die Logik uns den Kopf zurechtsetzen will, so -muß sie sich doch sagen lassen, daß er von Natur schon -zurechtsitzt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_78">[78]</a></span></p> - -<p>Es ist mit ihr wie mit anderen Wissenschaften: sie schöpfen -die Weisheit aus der geheimnisvollen Quelle platter Erfahrung. -Die Agrikultur zum Beispiel will den Landmann lehren, -wie er den Acker bauen soll; aber die Äcker wurden doch schon -bebaut, ehe noch irgendeine landwirtschaftliche Akademie ihre -Vorlesungen eröffnet hatte. So verstehen auch die Menschen -das Denken, ohne je etwas von der Logik gehört zu haben. -Durch den Gebrauch jedoch vergrößern sie das angeborene -Denktalent, sie machen Fortschritte, lernen es mit der Zeit -immer mehr benutzen, und wie nun der Landmann zu einer -Wissenschaft der Agrikultur, so kommt der Denker zur Logik, -zum klaren Bewußtsein über sein Denktalent und zur kunstmäßigen -Verwendung desselben.</p> - -<p>Erstaunlich ist es, daß ein so naheliegendes Objekt nicht -längst allgemein erkannt wurde, und daß darüber nach Studien, -die Jahrtausende andauerten, noch viel zu lehren und -zu erklären blieb. Aber Du weißt auch, daß, wie oft das -Kleine groß und das Große klein, so oft das Nächste verborgen -und das Verborgene zunächst ist.</p> - -<p>Im letzten Dietzgenschen Satz werden wir an eine der -Hauptlehren unseres Autors erinnert, uns vor allem Überschwang -zu hüten, da im Weltprozeß, im Universalzusammenhang -das Höchste und Erhabenste ein Element des Allgemeinen -und aus dessen Bestandteilen sich zusammensetzt.</p> - -<p>Dies wird im dritten Brief wie folgt erörtert:</p> - -<p>Eine hohe Macht über das Gemüt hat nicht nur die Harmonie -der Töne, auch die Harmonie der Farben, jede Kunst -und jede Wissenschaft hat dieselbe Gewalt. Ja, das schlichteste -Handwerk und das Prosaischste aller Prosa, die Jagd -nach Gut und Geld, kann den Menschen hinreißen, seine ganze -Seele in den einen Abgott aufgehen zu lassen. Allerdings ist -nicht zu bestreiten, daß Künstler, Erfinder und Forscher den -würdigsten und hinreißendsten Gegenstand anbeten. Auch sei -anerkannt, daß ohne den Einsatz unserer ganzen Seele für -ein einzelnes keine großen Erfolge zu erreichen sind.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_79">[79]</a></span></p> - -<p>Dennoch sollst Du wissen, daß der Gegenstand, der eine -Menschenseele so beherrscht, seine Hoheit und Erhabenheit -mit allen Gegenständen teilt, und also zugleich immer auch -ein <em class="gesperrt">gemeiner</em> Gegenstand ist. Ohne solche dialektische Läuterung -des Bewußtseins ist alle Anbetung Fetischdienst.</p> - -<p>Die tatsächliche Erfahrung also, daß man alles und jedes -zu einem Fetisch machen kann, muß Dich klärlichst überzeugen, -daß kein einzelnes, sondern nur das All wahrer Gott -oder die Wahrheit und das Leben ist.</p> - -<p>Ist das nun Logik oder Theologie?</p> - -<p>Beides zugleich. Wenn Du näher zusiehst, wirst Du erkennen, -daß alle großen Logiker sich vielfach mit Göttern -und Gottheit befassen, und umgekehrt alle ehrbaren Theologen -ihre Sache auf logische Ordnung gründen wollen. Die -Logik ist ihrer ganzen Natur nach <em class="gesperrt">metaphysisch</em>.</p> - -<p>(Unter »metaphysisch« versteht Dietzgen hier: ausdehnbar ins -Unendliche, wie aus dem Schluß dieses Briefes hervorgeht:)</p> - -<p>Den Unterschied zwischen der metaphysischen Logik einerseits, -welche ihre Sache bis auf die Unendlichkeit ausdehnt, -welche die logische Ordnung bis in den Himmel hinein, bis -auf »die letzten Fragen alles Wissens« zu ermitteln sucht, -und zwischen der formalen Logik andererseits, welche sich -ein begrenztes Gebiet setzt und sich mit der Forschung nach -der logischen Ordnung in der physischen Welt begnügt – -diesen Unterschied möchte ich Deiner besonderen Aufmerksamkeit -empfehlen.</p> - -<p>Nach dieser Grenzbestimmung der formalen Logik erörtert -Dietzgen im vierten Brief ihren Hauptzweck:</p> - -<p>Die große Volkssache war bisher überall das Lasttier einer -kleinen vornehmeren Minorität … Du erkennst doch an, wie -die Entlastung, die Freiheit der Völker von tierischer Arbeit, -von Elend und Not das Höchste ist, was der Menschengeist -erstrebt. Du wirst auch nicht verkennen, daß der Gedanke das -wichtigste Instrument zur Erreichung dieses hohen Zieles ist. -Die Denkleistungen treten in den Kulturergebnissen klar zutage.<span class="pagenum"><a id="Seite_80">[80]</a></span> -Das intellektuelle Getriebe stellt sich mächtiger und -prächtiger durch das Räderwerk der Kulturgeschichte als -durch irgendein Gedankenwerk <em class="antiqua">en miniature</em> dar.</p> - -<p>Wir wollen hier einfach die Tatsache des organischen Zusammenhanges -von Denken und Sein, von Natur und Geist -konstatieren. Die Tatsache des Weltzusammenhanges widerspricht -dem ungeschulten Vorurteil. Letzteres trägt sich mit -der Vorstellung, daß die Erde, der Baum darauf und über -ihnen die Wolke und Sonne, daß alles separate Gegenstände -seien. Daß aber eines am anderen hängt, Erde, Baum, -Wolken und Sonne nur im Zusammenhang, nur im Gesamtweltzusammenhang -sein können, was sie sind, bedarf -schon einer geschulten Denkweise.</p> - -<p>Da ist ein Wassertröpfchen. Sieh, wie verschieden es ist, -je nachdem es mit Verschiedenem zusammenhängt. Was es -ist, kann es nicht sein ohne eine gewisse Temperatur. Je -nach Veränderung derselben würde es Eis- oder Dampfform -annehmen; im Fett verbleibt das Tröpfchen kompakt, -es verteilt sich im Salz unendlich, läuft gewöhnlich bergab -und am Zuckerhut bergan. Je nach der spezifischen Schwere -einer Flüssigkeit, mit der es in Kontakt kommt, schwimmt -es oben oder sinkt unter. Ohne Zusammenhang mit der -Erde, ihrer Temperatur und Schwerkraft, würden der und -die Tropfen im Bodenlosen verschwinden und kein Dasein -haben. Also ändern sich die Formen der Dinge, je nach -ihrem Zusammenhang, und sie sind, was sie sind, nur als -Teile des Gesamtdaseins.</p> - -<p>Was vom Wassertröpfchen, gilt von allen Dingen, allen -Kräften und Materien und auch von unserem Gedanken. -Der Menschengeist lebt und webt nur im Zusammenhang -mit der anderweitigen materiellen Welt – und es bildet -die Anerkennung der organischen Einheit alles Daseins den -Angelpunkt meiner Logik.</p> - -<p>Der Gedanke, der Intellekt, ist leibhaftig vorhanden, er -existiert, und sein Dasein hängt als ein Teil des Gesamtdaseins<span class="pagenum"><a id="Seite_81">[81]</a></span> -mit der ganzen Welt einheitlich zusammen. – Das -ist der Kardinalpunkt der nüchternen Logik.</p> - -<p>Die Tatsache, daß die Gedanken mit den anderen Teilen -der Welt von demselben weltlichen Stoff, daß sie Stücke der -gemeinen Natur und keine überschwengliche Essenz sind, hat -schon Cartesius mit den berühmten Worten ausgesprochen: -»<em class="antiqua">Cogito, ergo sum.</em>«</p> - -<p>Wohl verlegt die formale Logik den Geist in viele Teile -– da gibt es Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Schlüsse; und -teilt die Abteilungen wieder in Unterabteilungen, die Vorstellungen -in verschiedene Arten, die Begriffe in konkrete und -abstrakte, benennt die Urteile sehr mannigfaltig und verzeichnet -drei, vier oder mehr Schlußfiguren – aber wie sich -der gesamte Geist zur Welt verhält, wie er mit dem Gesamtdasein -zusammenhängt, ob er ein Teil davon oder ob er von -überschwenglicher Herkunft – das will sie unerörtert lassen, -und das gerade ist der interessanteste Teil, der Teil, welcher -den Intellekt und die Lehre vom Intellekt mit allen anderen -Lehren und Dingen in logischen Zusammenhang bringt.</p> - -<p>Bis hierher hat unser Autor, der dartun wollte, daß der -Intellekt mit der Volksentwicklung zusammenhängt, nur den -organischen Zusammenhang des Geistes mit dem Gesamtdasein -konstatiert.</p> - -<p>Er setzt daher letzteres Thema auch im fünften Briefe fort:</p> - -<p>Die Zusammenfassung der Tiere vom kleinsten bis größten -in <em class="gesperrt">ein</em> Reich erschien vor Darwin als eine Ordnung, welche -der Gedanke allein vollzogen, als Gedankenordnung, während -sie nunmehr als Naturordnung dargelegt ist.</p> - -<p>Was der Zoologe dem Tierreich angetan, muß der Logiker -dem Dasein überhaupt, dem unendlichen Kosmos antun; er -muß nachweisen, daß die ganze Welt, daß alle Formen des -Daseins, den Geist eingerechnet, logisch oder einartig verbunden, -verwandt, verschweißt sind.</p> - -<p>Ein gewisser bornierter Materialismus glaubt, alles sei -getan, wenn er den Zusammenhang zwischen Denken und<span class="pagenum"><a id="Seite_82">[82]</a></span> -Hirn konstatierte. Gewiß hängt der Gedanke mit dem Hirn -zusammen, so innig wie das Hirn mit dem Blute, wie das -Blut mit dem Sauerstoff usw.; aber der Gedanke hängt -auch überhaupt mit allem Dasein so innig zusammen, wie -die ganze Physik zusammenhängt.</p> - -<p>Daß der Apfel nicht nur mit dem Stiel am Baume hängt, -sondern auch an Sonnenschein und Regen, daß die Dinge -nicht einseitig, sondern allseitig verbunden sind, das soll die -Logik Dich speziell vom Geiste, vom Gedanken lehren.</p> - -<p>Im Anschluß an diese seine Lehre von der Weltnatur -des Gedankens erörtert Dietzgen nun die Frage vom <em class="gesperrt">Verhältnis -des Gedankens zur Wirklichkeit</em>:</p> - -<p>Die alte Logik hat eine Medaille prägen lassen mit der -Vorschrift: Der Gedanke soll mit der Wirklichkeit übereinstimmen.</p> - -<p>Wir schreiben jetzt auf die Rückseite: 1. der Gedanke ist -selbst ein Stück der Wirklichkeit und 2. die Wirklichkeit ist -außerhalb des Gedankens zu voluminös und kann auch mit -dem kleinsten Stückchen nicht hinein.</p> - -<p>Gewiß, wie ein Konterfei, so soll auch der Gedanke mit -seinem Objekt übereinstimmen. Aber was soll einem Maler -diese besondere Einschärfung seiner Aufgabe nutzen?</p> - -<p>Hast Du je ein Porträt oder eine Kopie gesehen, die nicht -in etwas mit dem Original übereinstimmte? Ich bin überzeugt, -das ist Dir ebensowenig vorgekommen wie ein Bild, -das seinem Gegenstand <em class="gesperrt">vollkommen</em> ähnlich war. Über das -relative Wesen aller Gleichheit, Ähnlichkeit und Übereinstimmung -ernstlich nachzudenken, möchte ich Dir besonders -empfehlen. Der weitaus größte Teil der Menschenwelt ist in -diesem Punkte barbarisch gedankenlos. Daß zwei Tröpfchen -Wasser nur mehr oder weniger ähnlich und unähnlich sind, -daß das ganze Dasein ebenso übereinstimmend wie different -ist, will schwer in den logisch ungeschulten Kopf hinein.</p> - -<p>Dem Denker ergeht es wie dem Maler: sie suchen beide -ein Konterfei der Wirklichkeit und Wahrheit.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_83">[83]</a></span></p> - -<p>Die Wirklichkeit, die Wahrheit, die Gesamtnatur steht auf -der Kanzel und predigt: »Ich bin der Herr, dein Gott. Du -sollst dir kein geschnitztes Bild machen, dasselbe anzubeten.« -Du sollst also von der Wahrheit viel zu erhaben denken, -als daß Du glauben dürftest, sie könne vom Maler oder -Denker in ein, wenn auch noch so gut getroffenes Konterfei -gesteckt werden.</p> - -<p>Der Geist, das Denkvermögen hängt also – fährt Dietzgen -im sechsten Briefe fort – mit dem Gesamtdasein der Welt -zusammen, ist ein unabtrennbarer Teil des Universums, der -wirklichen Wahrheit.</p> - -<p>Das Christentum lehrt: Gott ist ein Geist, und wer ihn -anbeten will, muß ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten.</p> - -<p>Und unsere Logik lehrt: der Geist ist ein Stück des Gesamtdaseins; -wer den Geist vergöttert, ist ein Götzendiener, -denn er betet <em class="gesperrt">ein Stück</em> an und verkennt die ganze Wahrheit. -Die Wahrheit selbst ist identisch mit dem Gesamtdasein, -mit der Welt, wovon alle Dinge nur Formen, Erscheinungen, -Prädikate, Attribute oder Vergänglichkeiten sind. – Und ob -Du auch an Weisheit zunähmst bis an das Ende Deiner Tage, -so ist doch der Born der Weisheit, der Kosmos, unerschöpflich. -Ja, so unerschöpflich ist auch das kleinste Weltteilchen, daß -der Genialste nicht imstande ist, die Kenntnisse zu fassen, -welche im winzigsten Objekt stecken. Mit dem größten Mikroskop -kann man keinem Wassertröpfchen ans Ende sehen, und -der weiseste der Menschen ist nicht einmal fähig, die Schusterei -auszulernen.</p> - -<p>Daraus ersiehst Du, wie durch vermehrte Spezialkenntnisse -der kunstgerechte Gebrauch unseres Intellektes nur in den -betreffenden Details gefördert wird. Deshalb kann es auch -nicht befriedigen, wenn gewisse Logiker uns lehren, wie viele -Arten von Begriffen, Urteilen und Schlüssen im Intellekt -stecken. Es sind das logische Spezialkenntnisse. Zunächst aber -handelt es sich für den Studiosus der Logik nicht sowohl<span class="pagenum"><a id="Seite_84">[84]</a></span> -um Ansammlung wahrer Begriffe, als vielmehr darum, den -Generalbegriff der Wahrheit erhellt zu sehen.</p> - -<p>Vielleicht findest Du Anstoß daran, daß eine Wissenschaft, -welche das Begriffsvermögen zum Gegenstand hat, von dieser -Sache abweicht und andere Dinge, wie das Dasein oder die -Wahrheit, heranzieht. Doch würde eine Logik, die sich auf -die Analyse des Denkvermögens beschränkt, gegenüber derjenigen, -die das Denkvermögen in seiner lebendigen Arbeit -darstellt, eine beschränkte Logik sein. Wenn die Augenkunde -nur die verschiedenen Teile des Auges behandelte, dagegen -von der Funktion und den äußeren Dingen, die damit zusammenhängen, -von dem Lichte und den Gegenständen, kurzum, -vom Gesicht des Auges absehen wollte, wäre sie wohl -mehr Augenanatomie als Augenkunde. Jedenfalls bietet eine -Lehre, welche das Auge in seiner lebendigen Tätigkeit, nicht -nur das subjektive Gesichtsvermögen, sondern auch das davon -untrennbare objektive Gesichtsvermögen darstellt, eine umfassendere -Belehrung, eine höhere Erhellung des Menschenkopfes.</p> - -<p>Was kann eine Logik viel helfen, welche die Gedanken einteilt -in analytische und synthetische, von induktiven und deduktiven -Erkenntnissen und noch zehn anderen Arten spricht -und dann die Frage ablehnt, wie sich der Gedanke und die -Erkenntnis zur Wahrheit verhält, und wie wir dazu gelangen.</p> - -<p>Hat sich doch bis heute die gesamte Weltweisheit um die -Frage gedreht, wie unser Kopf zu erhellen ist, wie er der -Wahrheit beikommen kann.</p> - -<p>Diese Welt, die wir hören, sehen und riechen, in der wir -leben und atmen, ist die Welt der Wahrheit oder die wahre -Welt.</p> - -<p>Aber auch mitten in dieser wahren Welt steckt eine ganz -vertrackte Geschichte, eine Menschenrasse mit verdrehter Logik. -Die hat sich von einzelnen mißmutigen, hypochondrischen -Momenten verleiten lassen, die köstliche Wahrheit dieser -Welt anzuschwärzen und überschwenglicherweise die Wahrheit<span class="pagenum"><a id="Seite_85">[85]</a></span> -»transzendent« zu suchen, in der philosophischen Metaphysik -oder religiösen Phantastik, was beides in einen Topf -gehört. Aller Streit dreht sich um Seins<em class="gesperrt">formen</em>. Das Dasein -selbst aber bleibt unbestreitbare Wahrheit.</p> - -<p>Sofern ich Dich bisher überzeugte, daß das Weltall die -Wahrheit ist, bleibt jetzt besonders noch die Frage: wo denn -Phantasmen, Irrtum und Unwahrheit Platz finden. Wenn -das All die Wahrheit, dann wäre ja alles wahr, und scheint -es durchaus widerspruchvoll, daß Irrtum und Unwahrheit -in der Wahrheit oder Welt Raum finden könnten. Ich will -nur flüchtig andeuten, wie ohne allen Widerspruch das Unkraut -zum Kraute gehört.</p> - -<p>Das Thema, mit dem der sechste Brief eröffnet wird – -der Zusammenhang des Geistes mit dem Gesamtdasein der -Welt – wird von einem anderen Gesichtspunkt aus auch im -siebten Briefe behandelt, dem des »Ursprungs der Sprache«.</p> - -<p>Die Sprache ist kein fertig fixes Ding, sondern ein flüssiges, -welches aus rohen Anfängen sich zu einer erhabenen Höhe -emporgeschwungen. So wenig wir vorwärts an ihr vollendetes -Ende sehen können, läßt sich rückwärts der Punkt finden, -wo sie ihren Anfang genommen. Darum sucht man nicht -mehr den zeitlichen Ursprung, sondern den <em class="gesperrt">begrifflichen</em>. -Man möchte eine feste Marke haben, wo man sagen könnte, -so weit heißt das Sprachähnliche nur Gegröle, Geschrei, -Getöne, und hier beginnt der wohlartikulierte Laut, der den -Namen »gesprochenes Wort« verdient.</p> - -<p>Nun besteht ein anderes Moment, welches die Sache noch -mehr verwirrt; da heißt es: die Sprache setzt Verstand voraus.</p> - -<p>Und dann wieder ist auch der Intellekt kein fixes Ding, -sondern ein flüssiges Werden, das sich erst an, aus und mittels -der Sprache entwickelt. So will es einerseits scheinen, -als ob der Geist die Sprache erzeuge, und andererseits, als -ob umgekehrt die Sprache den Geist, den Verstand erzeuge. -Wo ist da nun Anfang und Ende, und wie Ordnung im -Zusammenhang zu finden?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_86">[86]</a></span></p> - -<p>Für uns hier geht aus der Sache hervor, daß nicht nur -das Wort, daß auch die Laute, Töne und Gesten, ja alle -Dinge einen Sinn haben und eine Sprache sprechen. Nicht -nur die Sprache, sondern die Welt hängt mit dem Geiste, -mit dem Gedanken zusammen. Wohl aber ist der Sprachzusammenhang -ganz geeignet, uns an einem Beispiel den -Gedankenzusammenhang der Welt zu zeigen.</p> - -<p>Die Einheit alles Seins ist unzweifelhaft klar durch die -Tatsache erwiesen, daß ein Name ausreicht, um das All zu -benennen. Die Sprache bedarf wohl <em class="gesperrt">eines</em> Namens für das -All; bedarf aber auch unendlich vieler Namen, um das -All zu spezifizieren. Die Sprache oder vielmehr der mit der -Sprache zusammenhängende Geist will mittels der Sprache -das Unbegrenzte begrenzen. Der instinktive Sprachgebrauch -tut es mehr oder minder; die bewußte Wissenschaft verfährt -in exakter Weise. Und so erklärt denn die Moral der Geschichte, -daß die Dinge der Welt, auch Geist und Sprache, -zusammenhängende und ineinander verfließende Wellen eines -Stromes sind, der weder Anfang noch Ende hat.</p> - -<p>Die Logik, die ich lehre, und der Gedanke, der ihr Objekt -ist, sind Teile der Welt, der unendlichen, und ist jeder -Teil als ein Stück des Unendlichen auch ein unendliches -Stück. Jedes Stück hat teil an der unendlichen Natur des -Ganzen.</p> - -<p>Ich möchte nur verständlich machen, wie ohne Widerspruch -die ganze Mannigfaltigkeit des Daseins von einer -Natur ist, und wie diese Ein-Natur sich in mannigfaltige -Formen zerteilt. Die Welt hängt zusammen, und der Zusammenhang -ist in Abteilungen getrennt.</p> - -<p>Befassen wir uns zunächst mit dem Zusammenhang unseres -Intellekts. Denn die abstraktesten Unterschiede, wie Anfang -und Ende, Wort und Sinn, Leib und Seele, Mensch -und Tier, Kraft und Stoff, Wahrheit und Irrtum usw., -setzen zu ihrer Aufklärung logische Aufklärung über den Zusammenhang -unseres Intellekts voraus.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_87">[87]</a></span></p> - -<p>Diese erfolgt im achten Brief:</p> - -<p>Die formalen Logiker sind ebenso einfältig wie schelmisch, -wenn sie nur noch in hergebrachter Weise den Intellekt oder -den Gedanken als isoliertes Ding abhandeln und den notwendigen -Zusammenhang ihres Objekts mit der wahren, -das heißt empirischen Welt von der logischen Disziplin ausschließen. -Die Formalen behandeln den Intellekt als eine -Sache »für sich«, während ich mich in den mannigfachsten -Wendungen ergehe, um darzutun, daß er nicht für sich ist, -sondern mit allem und dem All zusammenhängt.</p> - -<p>Die formale Logik lehrt, daß unser Intellekt alle Dinge -nur auseinanderhalten und nicht konfundieren darf. Sie hat -darin recht und verfehlt doch das Ziel einer klaren Weltanschauung, -weil sie der überschwenglichen Ader gestattet, die -Bedeutung der Unterschiede und Unterscheidungen zu übertreiben. -Sie verkennt die paradoxe beziehungsweise dialektische -Natur der Dinge, die nicht nur auseinanderliegen, sondern -auch zusammenhängen. Es gilt zu begreifen, daß – ganz -allgemein – die Einteilung der Welt nur eine Formalität -ist. Wir sind wohl berechtigt, Oben und Unten, Links und -Rechts, Anfang und Ende, Gold und Blech, Gutes und -Böses auseinanderzuhalten, aber müssen uns auch darüber -instruieren, wie die Mannigfaltigkeit eine Einheit, das Veränderliche -beständig und das Beständige veränderlich ist. Die -formale Logik hat einen ungerechten Namen; sie ist nicht -formal, sondern überschwenglich; sie trägt sich mit dem gemeinen -Vorurteil, daß es kontradiktorische Dinge oder Widersprüche -gebe, das heißt essentielle Unterschiede, die keine Verbindung, -keine Brücke, keine Gemeinschaft miteinander haben. -Sie lehrt: Widersprüche können nicht sein, und widerspricht -sich selbst, indem sie an dem Glauben festhält, daß unvereinbare -Widersprüche existieren. Sie lehrt: was sich widerspricht, -ist nicht denkbar, ist nicht wahr, und bezeugt damit, daß -sie über die Formalität der Widersprüche, über die wahre -Widerspruchlosigkeit und über die universale Wahrheit schlecht<span class="pagenum"><a id="Seite_88">[88]</a></span> -orientiert ist. Gold ist kein Blech – das ist wahr genug. -Wer Gold Blech oder Blech Gold nennt, widerspricht sich. -In der Welt der Wahrheit ist beides getrennt; aber nicht -so getrennt, daß nicht auch Gold und Blech eine gemeinschaftliche, -nämlich metallene Natur hätten. Gold und Blech -sind ungleiche Metalle und besitzen doch metallische Gleichheit. -Daß das Gleiche different und das Differente gleich -ist, daß es sich überall nur um ein Mehr oder Minder -handelt, nur um formelle Differenzen, das wird von der -»formalen« Logik verkannt, verkannt von allen, welche die -Wahrheit in irgendeiner logischen Schablone oder einem -Fetisch und nicht im ewigen, allgegenwärtigen Dasein der -einen untrennbaren Welt suchen.</p> - -<p>Das krasseste und auch wohl das lehrreichste Beispiel von -der rechten Bedeutung der Widersprüche ist in dem Gegensatz -von Wahrheit und Unwahrheit gegeben. Diese beiden -Pole liegen wohl noch weiter auseinander wie Süd- und -Nordpol, und doch hängen jene wie diese innig zusammen. -Der landläufigen Logik darf man es kaum zumuten, ihr -eine scheinbar so widersinnige Einheit vordemonstrieren zu -wollen, wie die ist, welche in der Wahrheit und Unwahrheit -enthalten.</p> - -<p>Die Welt ist die Wahrheit, und Irrtum, Schein und -Lüge stecken in ihr, sind Teile der wahren Welt, wie die -Nacht ein Teil des Tages ist, ohne die Logik zu konfundieren. -Wir dürfen in ehrbarer Weise von <em class="gesperrt">echtem</em> Scheine -und <em class="gesperrt">wahrer</em> Lüge sprechen, ohne Widersinn. Wie auch der -Unverstand noch Verstand hat, so lebt auch die Unwahrheit -immer noch und unvermeidlich in der Wahrheit, weil letztere -das Allumfassende, das Universum ist.</p> - -<p>Die Wahrheit, welche das Universum ist, die kosmische -Welt- oder Universalwahrheit wird Dich die Widersinnigkeit -der abnormen Demut erkennen lassen, die in der zwieschlächtigen -Lehre von den zwei Geistern enthalten ist. -Gewiß hat der Philosoph Kant einen höheren Intellekt wie<span class="pagenum"><a id="Seite_89">[89]</a></span> -Peter Simpel; aber dennoch besitzen auch alle Geister eine -Generalgeisternatur, unter welche keine Intelligenz hinabsteigen, -welche keine übersteigen darf, ohne den Namen, ohne -Sinn und Verstand zu verlieren. Es ist nicht möglich, von -einem anderen, höheren Denkvermögen, als dem durch Erfahrung -bekannten menschlichen auch nur zu sprechen, ohne -aus der Logik heraus in die Widersinnigkeit zu fallen. Unzweifelhaft -besitzt die tierische Brut etwas dem Intellekt -ähnliches; unzweifelhaft darf der Tiergeist vom Menschengeist -mittels eines besonderen Namens, etwa durch den »Instinkt«, -getrennt werden; unzweifelhaft wird unsere Vernunft -durch Kultur von Generation zu Generation erhöht; aber -daß irgendwo und jemals ein Begriffsvermögen existieren -sollte, welches außer dem Weltzusammenhang steht – das ist -ein durchaus sinnloser Begriff und eine verstandlose Sache. -So notwendig wie alles Wasser <em class="gesperrt">eine</em> Natur, eine nasse -Natur, so notwendig hat jede Intelligenz und jeder Gedanke -die generale Gedankennatur und muß verstandesgemäß -ein Teil, ein bestimmter Teil der einen, gemeinen, -<em class="gesperrt">empirischen</em> Welt sein.</p> - -<p>Diese Lehre von der Relativität der Gegensätze und von -der Auflösung des Widerspruchs wird im neunten Brief -durch Beispiele illustriert:</p> - -<p>Man macht dem Sozialisten den Vorwurf, er hetze das -Volk auf; er verspreche mehr, wie er leisten könne, und bringe -dadurch den Unfrieden in die Menschenbrust. Tatsächlich -wohnt und muß beim Frieden auch immer der Unfriede -wohnen. Ein Volk, dessen Friede nicht mit dem entgegengesetzten -Unfrieden verquickt oder durchtränkt ist, wäre ein -Schlaraffenvolk. Dank dem Unfrieden in der Brust sind die -Völker strebsam und bewegt: Bewegung ist die Essenz der -Welt, und die bewegte Volkswelt ist nicht denkbar, ohne daß -die Menschen begehrlich sind. Der Entwicklung oder Kultur -wegen müssen die Völker immer mehr begehren, wie sie zunächst -erlangen. Andererseits ist es mit der Begehrlichkeit<span class="pagenum"><a id="Seite_90">[90]</a></span> -nicht genug. Man darf nicht mehr begehren, als man zu -erreichen vermag, nicht mehr versprechen, als man geben -kann. Darum soll der logische Sozialist gleichzeitig wissen, -daß auch im Zukunftsstaat die Bäume nicht in den Himmel -wachsen, daß der Friede, den wir erstreben und erhoffen, -immer ein mit Unfrieden verquickter Friede sein wird. Die -Zukunftsmusik, wenn auch harmonischer wie die Musik der -Gegenwart, wird doch ewig mit der Disharmonie behaftet -bleiben.</p> - -<p>Um im wahrhaften Zusammenhang zu denken, darfst Du -kein Ding als selbständiges Ding ansehen, sondern alles -nur als fließende Eigenschaft der einen Substanz, welche -das Ding aller Dinge, die Welt, die Wahrheit und das -Leben ist.</p> - -<p>Unsere Logik ist also Wahrheitslehre. Die Wahrheit ist -nicht oben, nicht unten, nicht zu Jerusalem und nicht zu -Jericho, weder im Geiste noch im Gebein, sondern im All.</p> - -<p>Unsere Logik ist Erkenntnislehre. Sie lehrt, daß Du nicht -mit Grübelei, sondern nur im Zusammenhang mit der Erfahrung, -im Gesamtzusammenhang nach Erkenntnis forschen -darfst.</p> - -<p>Da nun der Mensch mit der Erfahrung auch Irrtümer -erfährt, so war die Wissenschaft jahrhundertelang von der -Frage beherrscht, ob Wahrheit und Erfahrung nicht zweierlei, -ob vielleicht nicht unsere ganze Erfahrung ein Gaukelspiel -der Sinne sei. Cartesius antwortete darauf: Nein, der -Glaube an das allervollkommenste, allerwahrhaftigste Wesen -kann solche Betörung nicht zulassen. Wenn wir nun den -Gottesbegriff durch den Wahrheitsbegriff ersetzen, dann sind -wir wieder sicher, daß die Welt der Erfahrung kein Schemen, -sondern allerwahrhaftigste Wirklichkeit ist.</p> - -<p>Wie unser Gesicht das Sichtbare nie und nirgends erschöpft, -das Auge also sein Objekt schaut, aber nicht durchschaut, so -kann der Intellekt das absolute All, die Wahrheit oder Gottheit -nicht auskennen oder ausgründen; aber was wir kennen<span class="pagenum"><a id="Seite_91">[91]</a></span> -und ergründen, sind leibliche Wahrheiten, sind Stücke der -Generalwahrheit. Was die Erkenntnis erkennt, ist nicht die -Wahrheit selbst und doch wahre Erkenntnis.</p> - -<p>Wir gelangten also zu dem Resultat, beginnt der zehnte -Brief, daß der Gedanke ein Weltteil ist. Das Weltall ist -der Mutterschoß, wie überhaupt der Dinge, so auch des Intellekts.</p> - -<p>Daß außer dem Weltall nichts existiert, oder im All alles -enthalten, alle realen und phantastischen Existenzen, daß das -All alles, weder süß noch sauer, weder groß noch klein, sondern -eben alles und jedes – dieser Satz ist so selbstverständlich, -wie der so lang und oft wiederholte Satz der Identität: -A = A.</p> - -<p>Die Logik soll Dich also lehren, daß alles, was das Unterscheidungsvermögen -unterscheiden mag, von einer Art ist, -alles Krethi und Plethi, aber das Ganze über allem Plebs -eine himmelhohe Erhabenheit. Mit dem frivolen Atheismus, -wie ihn die Aufklärer gebracht, ist es nicht genug. Dürre -Gottesleugnung erzeugt immer wieder irgendeinen Götzendienst.</p> - -<p>Mit dem Allerhöchsten, Unendlichen oder Absoluten muß -die Logik beginnen. Alles kunstgerechte, daß heißt zusammenhängende -Denken muß davon seinen Ausgang nehmen. Das -naturwissenschaftliche Forschen nach endlichen Ursachen, nach -dem Ei, woraus das Küchlein gekrochen, nach der Henne, -woraus das Ei gekommen, nach den verwandten Organismen, -welche durch Zuchtwahl und Anpassung <em class="antiqua">à la</em> Darwin -die Henne entwickelt, – das sind überaus schätzbare Forschungen, -ohne welche wir nie den Weltprozeß verstehen -könnten; aber dennoch dürfen solche Erkenntnisse dem denkenden -Menschen nicht genügen. Die Logik verlangt, verlangt -von jedem, daß er nach dem Allerhöchsten, nach der -Ursache aller Ursachen forscht. Wer das Bedürfnis hat, sein -Bewußtsein in logische Ordnung zu bringen, will und muß -wissen, wie das Endliche und Unendliche, das Relative und<span class="pagenum"><a id="Seite_92">[92]</a></span> -Absolute, die speziellen Wahrheiten und die Generalwahrheit -ineinanderstecken.</p> - -<p>Logisches Denken in dem Maße, wie es die Wissenschaft -verlangt, heißt weiter nichts, als den letzten Grund, den absoluten -Hinterhalt kennen, auf den alle Gedanken sich stützen. -Dieser Hinterhalt ist das Weltall, welches den Menschenkopf, -den äußeren und inneren, als Zubehör anhängen hat. -Der jahrtausendealte Streit zwischen den Materialisten und -Idealisten stellt die Frage: ob der Geist weltlich oder die -Welt geistig ist. Unsere Antwort lautet klipp und klar: beides -gehört zusammen, ist in Summa ein Ding, und das Ding -aller Dinge. Der Geist und die Welt sind zwei Attribute -der einen Natursubstanz. Wenn man sie einander entgegensetzt, -verhalten sie sich wie Fleisch und Fisch, welcher letztere -nach Lazar Geiger von afrikanischen Stämmen ganz trefflich -»Wasserfleisch« genannt wird. Demnach sind Geist und -Welt, wie Fleisch und Fisch, von verschiedener und doch -von einer Art.</p> - -<p>Nicht nur ist die Welt das Objekt, sie ist auch das Subjekt -der Erkenntnis, <em class="gesperrt">sie</em> erkennt, <em class="gesperrt">sie</em> zerlegt <em class="gesperrt">mittels des -Menschenkopfes</em> ihre eigene Mannigfaltigkeit. Unsere Weisheit -ist Weltweisheit in dem doppelten Sinne: die Welt ist -das, was gewußt, unterschieden, analysiert wird, und die -Welt ist es, welche das Wissen, Unterscheiden usw. mittels -unseres Intellekts praktiziert. Wenn ich also den Menschengeist -Weltgeist, Geist des Allerhöchsten nenne, so bitte ich -wohl zu bemerken, wie damit gar nichts mystifiziert sein, -sondern nur dargetan werden soll, daß sich das Denken oder -die Intelligenz nur im Weltzusammenhang betätigen läßt, -daß es keine Sache abnormer und überschwenglicher Art, -sondern ein Ding ist wie andere Dinge.</p> - -<p>Die Idee des Weltzusammenhanges wird im elften Brief -weiter behandelt und speziell auf das soziale Gebiet übertragen:</p> - -<p>Allen naturgeschichtlichen Einteilungen soll logischerweise -das Bewußtsein von der absoluten, universalen Einheit, vom<span class="pagenum"><a id="Seite_93">[93]</a></span> -Zusammenhang aller Dinge zugrunde liegen. Darum haben -fromme Leute durch ihren Herrgott, in dem alles lebt und -webt, was fleucht und kreucht, mehr Logik wie gewisse Freidenker, -denn sie fangen mit Gott an und hören mit Gott -auf. Vollkommen logisch aber vermögen sie nicht zu denken, -weil sie das Böse und den Teufel, Krankheit, Elend und -Sünde, kurzum die Leidigkeit und Vergänglichkeit mit ihrem -ewigen vollkommenen Allvater in keinen rechten Zusammenhang -bringen können.</p> - -<p>Die Ein-Natur, die unendliche, ist der Logik Quintessenz. -Über dies Ding der Dinge kann weder die Naturwissenschaft -(im engeren Sinne) noch die Metaphysik und formale Logik -Aufschluß geben, sondern nur eine Denklehre, welche Geist -und Natur, alle Gegensätze und Widersprüche als Formalitäten -des All-Einen erkennt. Wie sollte nun jemand, der -mit der großen Masse der Bevölkerung auf gespanntem Fuße -lebt, sich eins fühlen können mit dem <em class="gesperrt">Allgemeinen</em>? Wer -eine spezielle Klasse zum echten Volk macht, hat keinen Begriff, -weder für das allgemeine Volk noch für die absolute -Allgemeinheit.</p> - -<p>Die proletarische Logik lehrt nicht nur Gleichheit alles -dessen, was Menschenantlitz trägt, sondern die <em class="gesperrt">universelle</em> -Gleichheit, welcher, wohlgemerkt, die Verschiedenheit so wenig -widerspricht, wie die mannigfaltigen Töpfe und Krüge der -Gefäßeinheit widersprechen. Wir erkennen, daß jedes Ding, -jede Person ein Stück der unendlichen Welt ist und an ihrer -unendlichen Natur teil hat.</p> - -<p>Unsere Logik, welche die Wahrheit, die Weltwahrheit zum -Objekt hat, ist eine Denklehre des Universums, eine universale -Denklehre oder Weltanschauung. Sie lehrt, daß der -Zusammenhang aller Dinge die Wahrheit und das Leben, -das Echte, Rechte, Gute und Schöne ist. Alles Hohe, was -Menschenherz erhebt, alles Süße, was Menschenbrust durchbebt, -ist die Weltnatur oder das Weltall. Aber dann bleibt -immer die kitzlige Frage: Wohin mit dem Negativen, dem<span class="pagenum"><a id="Seite_94">[94]</a></span> -Häßlichen, Bösen, wohin mit dem Irrtum, dem Scheine, -dem Stillstand, der Krankheit, dem Tode und dem Teufel?</p> - -<p>Jawohl, die Welt ist vergänglich, böse und leidig; aber -das sind doch nur <em class="gesperrt">akzidenzielle</em> Erscheinungen, nur Formen -und Fransen der Welt. Ihre Ewigkeit, Wahrheit, -Güte und Schönheit ist substantiell, wesenhaft und positiv. -Ihr Negatives ist das Dunkel, welches dem Lichte zur Verherrlichung -dient, daß es überwinde und um so glänzender -strahle.</p> - -<p>Solcher hohen optimistischen Lehre sind die Wortführer -der herrschenden Klasse nicht zugänglich, weil sie den umgekehrten -pessimistischen Beruf haben, das Elend und die -Knechtschaft zu verewigen.</p> - -<p>Der zwölfte Brief kehrt zum Beginn des zweiten zurück: -was die Logik ist, was sie will und wie sie es will? Die -Beantwortung der Frage erfolgt im Geiste der Briefe zehn -und elf, das heißt im Sinne des Universalzusammenhangs:</p> - -<p>Logik, die Lehre eines kunstgemäßen Denkens, verlangt zunächst -wahrheitsgemäßes, das heißt vernunftmäßiges Denken. -Die Logik handelt von Vernunft und Wahrheit.</p> - -<p>Vernunft und Wahrheit sind keine von den übrigen Dingen -getrennte, sind keine Dinge an sich. Solche Dinge gibt es -überhaupt nicht. Die proletarische Logik unterscheidet sich -von der herrschenden dadurch, daß sie Vernunft und Wahrheit -nicht hinter Tempelvorhängen, auch nicht in den Köpfen -der Gelehrten, sondern im leibhaftigen Zusammenhang sucht -und findet.</p> - -<p>Wir erkennen nicht nur, daß Vernunft und Wahrheit mit -der Welt verbunden, sondern auch, daß das <em class="gesperrt">Weltganze</em> -die allerhöchste Vernunft und Wahrheit oder das Wesen ist, -nach dem Religion und Philosophie lange gesucht, das allervollkommenste -Wesen – von Plato das Wahre, Gute und -Schöne, von Kant Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, von -Hegel das Absolute genannt.</p> - -<p>»Erkennen« ist ein mysteriöses Wort.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_95">[95]</a></span></p> - -<p>Erlaube mir, das Erkenntnisvermögen mit einem photographischen -Apparat zu vergleichen, mittels dessen Du Dir -ein Bild der Weltwahrheit zu machen gedenkst. Da siehst -Du gleich, wie von diesem Objekt nur ein ganz nebelhaftes -Bild abzunehmen ist. Der Gegenstand erscheint zu grenzenlos, -zu unendlich groß und erhaben, als daß er sich kopieren -ließe. Und doch ist ihm beizukommen. Wenn auch kein klares -Bild der Wahrheit, können wir doch weltwahre Bilder klar -machen, das heißt wir können das Unendliche stückweise konterfeien. -Du kannst mittels Deines Intellekts die Unendlichkeit -durch Begrenzung fassen.</p> - -<p>Die absolute Wahrheit gibt sich uns in relativen Erscheinungen. -Das vollkommene Wesen ist aus unvollkommenen -Teilen zusammengesetzt. Arme und Beine, Kopf und Rumpf -sind getrennt und jedes für sich nur ein Kadaverstück und -doch im Zusammenhang durchaus lebensfähig. In der Weltwahrheit -ist alles enthalten; sie ist das vollkommene Sein, -enthält das gesamte Dasein vollkommen, somit auch das -Unvollkommene. Falsches, Leidiges, Schlechtes und Häßliches -steckt im Wahren, Guten, Schönen mitten drin. Das Gesamtdasein, -das ist die absolute Wahrheit, ist aus Relativem, -das Ganze aus Stücken, aus Erscheinungen oder Scheinbarkeiten -zusammengesetzt. Und auch unsere Erkenntnis oder -unser Denkapparat ist ein unvollkommenes Stück des vollkommenen -Wesens. Von diesem Absoluten liefert er nur ein -dämmeriges, unzulängliches Porträt, und von allen Teilen -der Weltwahrheit doch treffliche Bilder, allerdings nur Bilder, -aber treffliche.</p> - -<p>Es gibt gute und schlechte, treffende und unzutreffende, -wahre und irrige Gedanken und Erkenntnisse; aber absolut -zutreffende gibt es nicht. Alle Vorstellungen und Begriffe -sind unvollkommene Bilder des allervollkommensten Weltwesens, -welches unerschöpflich ist sowohl im großen wie im -kleinen, im ganzen und in allen Teilen. Jedes Stück der -Natur ist ein Naturstück des Unbegrenzten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_96">[96]</a></span></p> - -<p>Die Lehre der Sophisten, daß sich alles be- und verstreiten -läßt, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der unserigen, welche -besagt, daß das All die Wahrheit und alle Teile wahre -Stücke, also Rauch und Nebel, Verstand und Phantasie, Erträumtes -und Reales, Subjekt und Objekt wahrhaftige Einteilungen -der Welt – nicht die Wahrheit und doch wahr -sind. Es ist deshalb angezeigt, auf den Unterschied der sophistischen -und logischen Denkweise aufmerksam zu machen.</p> - -<p>Das geschieht im dreizehnten Brief:</p> - -<p>Ist die ganze Welt <em class="gesperrt">nur ein</em> Ding oder ein Sammelsurium -<em class="gesperrt">unendlich vieler Dinge</em>?</p> - -<p>Ich sehe durchs Fenster den Fluß und die Straße, Brücke, -Häuser und Bäume. Jedes ist ein Ding für sich, und doch -hängt alles untrennbar aneinander. Die Eigenschaften der -Welt werden vom Intellekt als Subjekte behandelt; aber -es soll das intelligente Subjekt auch wissen, daß sein Tun -und Treiben, sein Unterscheiden und Erkennen eine Formalität, -eine formelle Zerstücklung des Absoluten ist, welches -trotz aller Einteilung stets das ungeteilte Ganze bleibt.</p> - -<p>Die Erscheinungen der Wahrheit und des Lebens rubrizieren, -heißt erkennen, heißt den Intellekt gebrauchen und -den Kopf erhellen.</p> - -<p>Jedoch bleibt nun wohl zu erwägen, <em class="gesperrt">wie weit wir in -der Spezifikation zu gehen haben</em>, um die Rubrik zu -finden, welche <em class="gesperrt">völlige Klarheit</em> und Bestimmtheit in die -Erkenntnis bringt. Es ist sehr zu beachten, daß sowohl -das Subjekt, welches erkennt, wie das erkannte Objekt als -Stücke des Absoluten, auch absolute <em class="gesperrt">unendlich detaillierte</em> -Stücke sind, die sich nimmer auskennen, nimmer erschöpfen -lassen.</p> - -<p>Es lassen sich neue Erkenntnisse nur mittels alter erwerben. -Das heißt: Altes und Neues und die Erkenntnis, die ich -als Klassifikationsvermögen kennbar zu machen suche, haben -ihre Existenz nur im <em class="gesperrt">Zusammenhang des gesamten -Daseins</em>.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_97">[97]</a></span></p> - -<p>Einteilung, regelrechte Einteilung ist die Sache der Logik -oder Denkkunst. Dazu gehört in erster Instanz das erweckte -Bewußtsein vom ungeteilten All, vom Universum und seiner -universalen Einheit. Dieses Bewußtsein ist mit anderen Worten -zugleich auch das Bewußtsein von der nur formalen Bedeutung -aller wissenschaftlichen Teilung.</p> - -<p>Die Einheit aller Welt ist wahr und ist die Wahrheit -allein und einzig. Daß die alleinige und einzige Weltwahrheit -voller Unterschiede steckt, ja ebenso absolut verschieden -wie absolut gleich ist, widerspricht einer verständigen Einheit -und Gleichheit ebensowenig, wie es sich widerspricht, -daß die Käuze mit den verschiedensten Visagen doch alle -dasselbe Kauzgesicht tragen.</p> - -<p>Der rote Faden, der sich durch diese Vorträge schlängelt, -betrifft folgende Punkte: Der Denkapparat ist ein Ding wie -alle gemeinen Dinge, ein Stück oder Akzidenz des Weltganzen; -er gehört zunächst in die allgemeinste Kategorie des -Seins und ist ein Apparat, der durch kategorische Einteilung -oder Unterscheidung ein detailliertes Bild der menschlichen -Erfahrung zustande bringt. Um ihn kunstgerecht zu verwenden, -will klar erkannt sein, daß die Welteinheit durchaus -mannigfaltig und alle Mannigfaltigkeit eine Monas -bildet.</p> - -<p>Das Rätsel der alten eleatischen Philosophie war: Wie -steckt das Eine im Vielen, wie das Viele im Einen?</p> - -<p>Der vierzehnte Brief handelt vom »Absoluten« und dem -Verhältnis des Intellekts zu ihm im Weltzusammenhang:</p> - -<p>Das Absolute ist die bare Summe alles dessen, was war, -ist und sein wird.</p> - -<p>Sowohl die Subjekte wie Objekte aller Wissenschaft gehören -dem Absoluten an, das mit trivialem Namen »Welt« -heißt.</p> - -<p>Alle anderen Wissenschaften haben begrenzte Stücke, haben -Relatives zum Gegenstand, während die Wissenschaft des -Geistes <em class="gesperrt">von allen</em> Objekten, das heißt vom Unbegrenzten<span class="pagenum"><a id="Seite_98">[98]</a></span> -handelt. Ich will die Lehre vom Intellekt vortragen und -handle von aller Welt, vom Weltall, weil ich darzustellen -habe, nicht wie sich der Geist in der Schusterei oder Astronomie, -sondern wie er sich generaliter verhält.</p> - -<p>Der Intellekt ist ein spezielles Stück wie jedes andere -wissenschaftliche oder praktische Objekt. Aber er ist auch dasjenige -Stück, dem es mit der Stückelei nicht genug, der sich -und alles einzelne als Attribut oder Prädikat des absoluten -Subjektes, der sich und alle Welt im <em class="gesperrt">Weltzusammenhang</em> -weiß.</p> - -<p>Seit Jahrhunderten hat man viel davon gehandelt, ob -im Intellekt angeborene Ideen versteckt sind oder ob er einem -unbeschriebenen Blatte Papier gleiche, dem die <em class="gesperrt">Erfahrung</em> -Kenntnisse aufprägt. Es ist das die Frage nach Ursprung -und Quell der Erkenntnis. Woher kommt die Vernunft, wo -holen wir unsere Begriffe, Urteile und Schlüsse? Mittels -Grübelei aus dem Innern des Kopfes, aus der Offenbarung -oder aus der Erfahrung? Alles, was wir erfahren, samt -dem Intellekt, der erfährt, sind Offenbarungen des Absoluten. -<em class="gesperrt">Alles, wovon wir wissen, ist Erfahrung</em>. Wenn -nun auch der Geist ein leeres Blatt ist, so ist zur Beschreibung -doch dies innere Papier ebenso wesentlich wie die äußere -Welt, welche Hand, Tinte und Feder zu diesem Schreibprozeß -hergibt; das heißt, alle Erkenntnis stammt aus dem Weltzusammenhang. -Dem Intellekt sind keine Kenntnisse, aber -doch das Bewußtsein, das Weltbewußtsein angeboren.</p> - -<p>Die Wissenschaft vom Intellekt hat sich von alters her -an eine wunderbare Tatsache gestoßen. Sie fand Kenntnisse -vor, die dem Geiste von außen zugekommen, sogenannte Erfahrungskenntnisse; -aber sie fand auch solche, welche scheinbar -angeboren sind, sogenannte Erkenntnisse <em class="antiqua">a priori</em>.</p> - -<p>Unsere Logik fragt: Stammt die Weisheit geheimnisvoll -aus dem Innern des Menschenkopfes oder kommt sie nach -Art aller Erfahrung aus der äußeren Welt? – Die Zusendung -von oben wollen wir schon außer Frage lassen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_99">[99]</a></span></p> - -<p>Da lautet die Antwort: Zum Wissen, Erkennen, Begreifen, -Denken gehört Inneres <em class="gesperrt">und</em> Äußeres, Subjekt und Objekt, -Kopf und Welt.</p> - -<p>Aber wie erklären sich nun die wunderbaren, anscheinend -aprioristischen Kenntnisse, welche alle Erfahrung übersteigen? -Antwort: Der Intellekt hat nicht nur die Fähigkeit, im allgemeinen -zu wissen, sondern auch Spezielles vom Ganzen -zu trennen und namhaft zu bestimmen. Indem wir zum -Beispiel den Begriff des Minerals fassen, sehen wir ab vom -Unterschied zwischen Gold und Blech. Wenn wir dann weiter -klassifizieren, indem das Goldige und Blechige als besondere -Arten dem Mineral untergeordnet werden, wissen wir nun -genau, wie Gold und Blech verschiedene Arten sind von -derselben Mineralnatur. Wir wissen, was die Namen bedeuten, -und solange sie ihren Sinn behalten, wissen wir, daß -»in Himmel und Hölle« Gold kein Blech, Blech kein Gold ist.</p> - -<p>So ist denn der Unterschied zwischen angeborenen und erfahrenen -Kenntnissen ein nur formeller. Beide verschiedene -Arten sind dennoch von ein und derselben Art, beide Mischlinge -des Inneren und Äußeren. Die Erkenntnis <em class="antiqua">a priori</em> -hört auf, Wunder zu sein, wenn erkannt ist, daß sie mit -den Kenntnissen a posteriori aus demselben Quell der Erfahrung -stammt, welche das eine Mal wie das andere Mal -nur mit Hilfe des Intellekts zustande kommt. Demnach ist -also der <em class="gesperrt">mit der Welt verbundene Intellekt</em> die Urquelle -aller Wahrheit, und ist sowohl die äußere Natur wie -unser inneres Begriffsvermögen ein Stücklein der einen -Generalnatur, welche die Wahrheit und das Absolute ist.</p> - -<p>Am Schlusse dieses Briefes kündigt Dietzgen an, daß er -im nächsten (fünfzehnten) die Kausalität behandeln wolle; -statt dessen geht er auf Kants Aprioritätenlehre und »Ding -an sich« ein, zeigt, wie Kant in den Irrtum dieser Theorien -verfiel und wie sein Schluß von der »Erscheinung« auf -eine absolute Wahrheit, die, vom Scheine getrennt, dahinter -versteckt sei, auf fetischmäßiger Auffassung der Wahrheit beruht.<span class="pagenum"><a id="Seite_100">[100]</a></span> -Die Erkenntnis, daß das gemeine Wesen der Welt -Wahrheit ist, ist die erste Bedingung zu einer kunstgerechten -Handhabung des Schlußvermögens.</p> - -<p>Damit gelangt unser Autor zur Erörterung der Kausalität -im sechzehnten Brief:</p> - -<p>»Alle Dinge haben ihre Ursache.« – Wer ist, was ist »alle -Dinge«? Es sind Anhängsel, Zubehör des All-Einen. Es -ist dem Intellekt angeboren, zu wissen, daß die Welt ein -Ding ist, daß alle Dinge nicht nur <em class="gesperrt">irgendeinem</em>, sondern -alle <em class="gesperrt">einem Subjekt</em> angehören. Das Bewußtsein der Kausalität -ist nichts weiter wie das Bewußtsein vom Weltzusammenhang.</p> - -<p>Alle Dinge sind <em class="gesperrt">ein</em> Ding, hängen zusammen, stehen untereinander -im Verhältnis von Ursache und Wirkung, von -Grund und Folge, von Gattung und Exemplar. Alle Dinge -haben ihre Ursache, heißt, sie haben eine Mutter. Daß nun -jede Mutter ihre Mutter hat, <em class="gesperrt">endigt</em> in der Weltmutter -oder Mutterwelt, in der absoluten, die selbst absolut mutterlos -und doch alle Mütter »aufgehoben« in sich enthält.</p> - -<p>Ursachen sind Mütter, Wirkungen sind Töchter. Nicht nur -hat jede Tochter eine Mutter, Groß- und Urgroßmutter, -sondern auch Vater, Groß- und Urgroßvater. Der Ursprung -oder der Familienzusammenhang der Tochter ist nicht ein-, -sondern allseitig. So haben auch die Dinge nicht eine, sondern -viele, unendlich viele Ursachen, welche in die Generalursache -zusammenfließen.</p> - -<p>Dein Intellekt, dem die Wissenschaft angeboren ist, daß -alles seine Ursache hat, wird sich demnach instruieren lassen, -daß alle Ursachen der Welt in der absoluten Weltursache -begründet sind und zugrunde gehen. Es ist die Quintessenz -der Logik, nicht nur den wahren Begriff des Intellekts zu -ermitteln, sondern mittels des Intellekts den Begriff der -Weltwahrheit, des Weltganzen klarzumachen.</p> - -<p>Personen und Dinge, Ursachen und Wirkungen sind keine -selbständigen Einzelheiten, sondern relative Selbständigkeiten,<span class="pagenum"><a id="Seite_101">[101]</a></span> -das heißt Zusammenhänge oder Verhältnisse des Absoluten. -Der Intellekt ist uns angeboren, und durch ihn und mit -ihm das Bewußtsein vom Sein schlechthin, wenn auch nur -so angeboren, wie dem Kinde die Zähne, die erst nach der -Geburt hervorwachsen. Jedes Stück, das uns zum Bewußtsein -kommt, wird als Stück des All-Einen gewußt. Insofern -das wunderbar, ist das Bewußtsein von der Kausalität -erstaunlich. In der Tat ist die Wissenschaft von der kausalen -Abhängigkeit aller Dinge mit der Wissenschaft von der -Farbe aller Rappen und Schimmel eine angeborene Weisheit. -Jedoch ist wohl zu beachten, daß sowohl in jeder erworbenen -Wissenschaft etwas Angeborenes, wie in jeder angeborenen -etwas Erworbenes steckt, so daß beide Arten ineinanderfließen -und eine Kategorie bilden.</p> - -<p>Im Eingang des siebzehnten Briefes erklärt unser Autor:</p> - -<p>Da die Aufgabe der Philosophie in Erforschung der Logik -aufgeht, aufgeht in der Ergründung des Intellekts und -seiner Denkkunst, wirst Du, als <em class="gesperrt">in der Sache</em> begründet, -erkennen, daß meiner Darstellung eine gewisse Systematik -fehlt; sie hat so recht keinen Anfang und kein Ende, weil -ihr Objekt, der Intellekt, mit dem Weltganzen verknüpft ist, -welches eben das Anfang- und Endlose ist, das kein Vor -und Nach, kein Oben und Unten hat. Jedoch ist leicht zu -bemerken, daß Denkkunst und Weltweisheit identisch sind. -Wenn nun auch der allgemeine Zusammenhang für alle Dinge -und Themata gilt, so gehört seine Erwägung doch speziell -nur in die Logik, die von allen Denkobjekten summarisch -handelt. Meine Sache also (die Denkkunst) beginnt überall, -obgleich sie doch nur eine Spezialität ist.</p> - -<p>So knüpft Dietzgen denn an Zitate aus Trendelenburg -an, um an ihnen die Notwendigkeit gleichzeitigen philosophischen -und empirischen Denkens darzutun:</p> - -<p>»Es bleibt immer der Trieb alles menschlichen Erkennens -darauf gerichtet, das Wunder der göttlichen Schöpfung durch -ein nachschaffendes Denken zu lösen. Wenn diese Aufgabe<span class="pagenum"><a id="Seite_102">[102]</a></span> -im einzelnen begonnen wird, so treibt das Einzelne von selbst -weiter; denn mit derselben Macht, mit welcher alles aus dem -Grunde hervorgestiegen, weisen die Dinge rückwärts zu dem -Grunde wieder hin.«</p> - -<p>Diese Zitate geben das Problem, das zu lösen ist: sollen -wir den Intellekt philosophisch, sollen wir ihn empirisch gebrauchen? -Man will aus dem Einen und Vielen klug werden, -welches identisch ist mit der Forschung nach systematischer -Weltanschauung oder dialektischer Kunst.</p> - -<p>Da will zunächst konstatiert sein, daß das Denken in jeder -Weise, ob philosophisch, ob empirisch, von einer Art, daß in -beiden Formen dieselbe Sache enthalten ist. Rosen sind andere -Blumen wie Nelken, doch steckt die Blumennatur in den einen -wie in den anderen, und so auch die Denknatur gleichmäßig -in der philosophischen wie empirischen Betrachtungsweise. -Das Auseinanderhalten ist recht genug, doch darf die Einheit -nicht verloren gehen.</p> - -<p>»Die Philosophen«, heißt es weiter bei Trendelenburg, -»wollen aus dem Ganzen das Einzelne erkennen; die Empiristen -durchsuchen das Einzelne in seiner Zerstreuung.« -Beide Forschungsarten sind verschiedene Exemplare einer -Gattung, die beide einseitig sind, wenn sie ihren Zusammenhang -verkennen. Der Empirist, der das Einzelne in der -Zerstreuung sucht, verfährt philosophisch, wenn er seine -Einzelforschung als Beitrag zum Ganzen gelten läßt, und -der Philosoph, der aus dem Ganzen das Einzelne erkennen -will, verfährt empirisch, wenn er, wie recht, <em class="gesperrt">alles</em> Einzelne -als Zubehör des Ganzen betrachtet.</p> - -<p>Die Philosophen fehlen, wenn sie den Intellekt für den -einzigen Born der Erkenntnis und Wahrheit halten; er ist -nur ein Stücklein davon und bedarf zu seiner Ergänzung -der anderweitigen Welt. Die Empiristen fehlen, wenn sie -Wahrheit und Erkenntnis einzig in der anderweitigen Welt -suchen, ohne das geistige Instrument zu beachten, mittels -dessen sie ihre Schätze heben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_103">[103]</a></span></p> - -<p>Schon der Gedanke, daß etwas sein könnte, was nicht die -Generalnatur alles Daseins hat, ist kein Gedanke, ist ein -Gedanke ohne Sinn oder Unsinn. Das Weltganze ist das -<em class="antiqua">être suprême</em>, von dem wir allerdings nur einen vagen Begriff -haben. Den detaillierten »rechten« Begriff davon haben -wir nicht; derselbe erwächst uns jedoch im Verlauf der Wissenschaft, -kann aber nie vollkommen sein, weil das Detail sich -in die Puppen verliert und das absolute Sein ein unendliches -Werden ist.</p> - -<p>Und nun Einzelnes? Wir kennen es genauer und doch -nicht genau, weil auch der kleinste Teil des Unendlichen unendlich -ist. Atome sind von aller Wissenschaft noch immer -vergeblich gesucht worden. Was unsere Erkenntnis kennt, -waren immer Prädikate oder Erscheinungen der Wahrheit. -Aber wahre Erscheinungen, wovon wir wahre Kenntnis haben.</p> - -<p>Die Welt zum Ausfluß des Gedankens machen – nach -Hegel –, ist eine verkehrte Logik; den Intellekt und seine -Produkte als Attribute des Weltsubjektes erkennen, ist erste -Bedingung rationeller, demokratischer Denkkunst.</p> - -<p>Das Thema wird im achtzehnten Brief fortgesetzt und -vertieft:</p> - -<p>Wichtige Entdeckungen auf naturwissenschaftlichem Gebiet, -das Wärmeäquivalent von Robert Mayer, die Entstehung -der Arten von Darwin usw. stimulieren die Sache, so daß -Naturwissenschaft und Philosophie mit zwei Bergleuten verglichen -werden könnten, welche von zwei Seiten an einem -Tunnel graben und dem lichten Durchbruch derart nahe sind, -daß gespannte Ohren hüben und drüben die Hammerschläge -pochen und die Werkzeuge krachen hören.</p> - -<p>Das Bild hat viel Wahres, aber führt leicht auch zu Mißverständnissen. -Durch Vivisektion der Frösche und Kaninchen, -durch Bohren am Gehirn wird die Physiologie <em class="gesperrt">den Geist</em> -nicht erforschen. Kein Mikroskop und Teleskop wird das Wesen -von Vernunft und Wahrheit aufdecken oder die Kunst der -Unterscheidung enthüllen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_104">[104]</a></span></p> - -<p>Ebensowenig wird es in der Sprachwissenschaft den Lazar -Geiger, Max Müller, Steinthal und Noiré gelingen, mittels -irgendeiner Ursprache »die letzten Fragen alles Wissens« zu -lösen.</p> - -<p>Jedoch soll die werte Mitarbeiterschaft dieser Herren nicht -bestritten, sondern nur darauf hingewiesen sein, daß der Vergleich -mit dem Tunnel mächtig hinkt. Von den logischen -Formen gilt auch, was Marx von den ökonomischen sagt: -»Bei der Analyse kann weder das Mikroskop dienen, noch -chemische Reagenzien. Die Abstraktionskraft muß beide ersetzen.«</p> - -<p>Die Sache wird zum Durchbruch kommen; aber nicht indem -jede Partei einseitig vorangräbt, sondern weil die Bergleute -außer der Arbeitszeit miteinander verkehren und ihre -Erfahrungen einander mitteilen. Auch verbleiben wohl die -Philosophen der entscheidende Teil, da sie die Spezialisten -in der Logik und als solche bereit sind, alles, was dem -Werke dient, zu verwenden, von welcher Seite immer es -sich darbieten mag. Die andere Partei dagegen hat ihre -aparten Spezialitäten und fördert die Logik mehr nebensächlich -und unwillkürlich.</p> - -<p>Dietzgen bespricht im Anschluß hieran den naturwissenschaftlichen -»Monismus« seiner Zeit, der zum Teil noch in -unserer sich breit macht, wie den von Noiré, der im Grunde -ein unklarer Dualist war, indem er »Bewegung und Empfindung« -für die einzig wahren Attribute der Welt erklärte, -ohne zu erkennen, daß die Empfindung doch nur eine Art -der Bewegung ist.</p> - -<p>In der »Einleitung und Begründung einer monistischen -Erkenntnistheorie«, bemerkt Noiré mit höhnischem Akzent, -»daß er nicht in der Lage sei, neuen Aufschluß über das -Absolute zu geben«.</p> - -<p>Der naturwissenschaftliche Monismus hat vom Universum -einen viel zu beschränkten Begriff. Mit seinem »alles ist -Bewegung« ist sowenig und soviel gesagt wie mit dem<span class="pagenum"><a id="Seite_105">[105]</a></span> -Salomonischen »alles ist eitel«. Alles ist krumm und gerad, -alles groß und klein, alles zeitlich und ewig, alles Wahrheit -und Leben. Aber wie nun der Unterschied in die Welt, -wie Ruhe in die Bewegung, Verstand in den Unverstand -kommt, davon ist nichts gesagt.</p> - -<p>Um das Unterscheiden logisch zu praktizieren, will gewußt -sein, daß das All, das Universum oder <em class="gesperrt">Absolute</em> die Ursache -seiner selbst und der Urgrund aller Dinge ist, welcher -alle Unterschiede, auch den der Kausalität und den zwischen -Geist und Natur, »aufgehoben in sich enthält«.</p> - -<p>Der Begriff des <em class="gesperrt">Absoluten</em> oder des Weltganzen wird -nun im neunzehnten Brief erörtert:</p> - -<p>Das Weltganze ist ein landläufiger Begriff, der jedem -bekannt und wovon scheinbar wenig zu sagen bleibt. In -der Tat ist es der Begriff aller Begriffe, das Wesen aller -Wesen, die Ursache seiner selbst, das keine fremde Ursache -und kein fremdes Wesen neben sich hat. Durch Erwägung, -wie unablässig die Menschheit <em class="gesperrt">außer</em> der Welt eine Weltursache, -einen Weltanfang und eine überschwengliche Wahrheit -gesucht hat, muß Dir einleuchten, daß sie den Begriff -des Weltganzen nicht erfaßt, das Universum nicht begriffen -hat, und ist dann der Nachweis, daß es die Ursache aller -Ursachen, Anfang aller Anfänge und Wahrheit aller Wahrheiten -ist, nicht gerade eine überflüssige Arbeit.</p> - -<p>Ich behaupte, die Kenntnis des menschlichen Begriffsvermögens -und die Kunst seiner Verwendung sind untrennbar -vom Weltbegriff. Nicht so, als dürfe innerer Geist und äußere -Welt nicht unterschieden werden, sondern es sind beide nur -als formelle Unterschiede des <em class="gesperrt">wesentlich</em> Ununterschiedenen, -des absoluten Weltganzen zu fassen.</p> - -<p>Das Universum begreifen, heißt sich Klarheit verschaffen, -wie dies Wesen aller Wesen keinen Anfang, keine Ursache, -keine Wahrheit und keine <em class="gesperrt">Vernunft außer und neben -sich, sondern alles in und bei sich</em> hat. Das Universum -begreifen, heißt erkennen, daß man die sogenannten<span class="pagenum"><a id="Seite_106">[106]</a></span> -logisch-metaphysischen Kategorien, wie Anfang und Ende, -Ursache und Wirkung, Sein und Nichtsein usw., unlogisch -anwendet, den Intellekt mißbraucht und durchaus unerbaulich -wird, wenn man damit über die weltliche Unendlichkeit -hinausfährt ins Überschwengliche.</p> - -<p>Um Dir also Sinn, universellen Sinn anzueignen, wirst -Du Dich um die Erkenntnis bemühen, wie das Universum -alles Relative einschließt, während es im ganzen das Absolute -oder die erbauliche Gottheit verkörpert.</p> - -<p>Und der Begriff des Absoluten als des Weltganzen involviert, -daß mit solchen Dingen, die man Gegensätze und -Widersprüche nennt, es sich ganz anders verhält, als die -Logik der Götzendiener wähnt und doziert. Daß Seele und -Leib, Wahrheit und Irrtum, Leben und Tod usw. nicht -unvereinbare Antipoden sind, die sich abstoßen. Diese Lehre -vom Satze des Widerspruchs ist eine ganz beschränkte Kirchturmsweisheit, -welche statt Klärung nur Wirrsal in die -Köpfe bringt. Gewiß ist das Tote vom Lebendigen, das Vergängliche -vom Ewigen, schwarz und weiß, krumm und gerad, -groß und klein verschieden und entgegengesetzt. Aber auch -das Allerentgegengesetzte und Widersprechendste geht ebenso -leicht in eine Gattung, Familie oder Art hinein wie Zwillinge -in einen Mutterschoß. Was Männchen und Weibchen -nicht hindert, in einem Neste zu hocken, hindert auch die -krasseste Verschiedenheit nicht, trotz der Entzweiung zugleich -eins und dasselbe, das heißt zwei Stücke von einem Kaliber -zu sein.</p> - -<p>Und wolltest Du gegen die Wahrheit des absolut vollkommenen -Weltwesens einwenden, daß es mit dieser Vollkommenheit -nicht weit her sei, wegen der vielen handgreiflichen -Unvollkommenheiten, die anhängen, so würde ich bitten, -nicht spitzfindig zu sein, sondern gesunden Sinnes anerkennen -zu wollen, daß die Weltmängel so logisch zur Vollkommenheit -gehören wie die bösen Begierden zur Tugend, die eben -erst durch die Probe der Überwindung zur Tugend wird.<span class="pagenum"><a id="Seite_107">[107]</a></span> -Der Begriff einer Vollkommenheit, die nicht das Unvollkommene -zu überwinden hätte, wäre ein läppischer Begriff.</p> - -<p>Hieran schließt sich nun, im zwanzigsten Brief, eine Erörterung -des <em class="gesperrt">Begriffs</em> des Absoluten, der zur logischen -Erkenntnis unumgänglich ist:</p> - -<p>Der Begriff Weißkohl und Kohl schlechthin, der Gemüse- -und Pflanzenbegriff usw. sind, wenn auch Spezial-, doch -zugleich Generalbegriffe; sie sind das eine wie andere nur -relativ. Gegenüber den verschiedenen Kohlarten, die er einschließt, -ist der Kohlbegriff generell oder abstrakt; gegenüber -dem Gemüsebegriff ist er speziell und konkret. Und so steht -es mit allen Begriffen, sie sind konkret und abstrakt zugleich; -nur der letzte, der Weltbegriff ist weder konkret noch abstrakt, -sondern <em class="gesperrt">absolut</em>; er ist der Begriff des <em class="gesperrt">Absoluten</em>.</p> - -<p>Der absolute Weltbegriff besteht zunächst aus zwei Teilen, -aus der Welt und dem Begriff. So besteht das Wasser aus -zwei Stoffen, deren jeder für sich ganz eigentümlich und -kein Wasser ist. <em class="antiqua">Ergo</em> ist der Weltbegriff ein weit erhabeneres -Subjekt als alle Teile, aus denen er besteht. Um diesen Punkt -vor die Augen zu rücken, mag ich das aus Welt und Begriff -zusammengesetzte Subjekt mit einem besonderen Titel ehren, -es »Universum« nennen, damit es so von seinen Elementen -namentlich getrennt sei.</p> - -<p>Ich erkläre jetzt, ohne daß ein Sophist das Wort verdrehen -kann, daß der weltumfassende Gedanke oder das -Universum das Absolute ist, welches alles und alles einschließt, -während Welt und Begriff als gesonderte Teile -nur Einteilungen oder Relatives darstellen.</p> - -<p>Wir wollen den Gedanken erkennen, aber nicht den leeren, -sondern den universellen weltumfassenden Gedanken, den -Gedanken im philosophischen Sinne, wo es kein bloßer Gedanke, -sondern die lebendige Wahrheit, das Universum, -Absolute oder Allerhöchste ist.</p> - -<p>Der absolute Begriff ist der Begriff des Absoluten, des -Allerhöchsten; davon gilt nicht nur alles Wahre, Schöne<span class="pagenum"><a id="Seite_108">[108]</a></span> -und Gute, was man dem lieben Gott nachsagt, er ist auch -dasjenige Wesen, welches allem Denken die erforderliche -Logik, Halt und Gestalt gibt.</p> - -<p>Wie die menschlichen Handlungen <span id="corr108">ihre</span> wahre Begründung -nicht im <em class="gesperrt">nächsten</em> Zweck, sondern im <em class="gesperrt">allgemeinsten</em>, im -Wohlergehen, und als sittliche Handlungen ihre Berechtigung -nur aus dem menschlichen Gesamtheil schöpfen, so -finden alle Weltdinge ihre Begründung nicht in der nächsten -Umgegend, sondern im unendlich weiten Universum. Nicht -der in die Erde gelegte Samenkeim ist, wie der Bauer denkt, -die Ursache, daß das Pflänzchen sprießt und wächst und -grünt, sondern Erde, Sonne, Wind und Wetter, kurz die -ganze Natur gehört dazu, welche letztere den Samenkern -einschließt.</p> - -<p>Wenden wir diese Einsicht auf unser Spezialobjekt, auf -das Denkvermögen an, so ist dasselbe kein menschlich beschränktes, -allerdings auch kein überschwengliches, sondern -ein kosmisches Universalvermögen. Wenn Du jetzt den Begriff -des Absoluten erfaßt hast, verstehst Du die Göttersprache -und verstehst, wie der Intellekt für sich allein ein -wichtiges Partikelchen, aber im Zusammenhang mit dem -Universum ein universeller absoluter Bestandteil, ein Bestandteil -des Absoluten ist.</p> - -<p>Wie das Auge Gesichtsinstrument, ist der Intellekt Begriffsinstrument. -Wie Brillen und Gläser Gesichtsmittel des -Auges, so sind Sinne, Erfahrungen, Experimente Begriffsmittel -des Intellekts.</p> - -<p>Man weiß, daß Augen, die um die Ecke, durch ein Brett -oder Nelkenduft sehen wollen, so unverständig sind wie -schwarze Schimmel. Daß wir das Unsichtbare nicht sehen -können, hindert unsere Augen nicht, ein universales Instrument -zu sein, welches alles (alles Sichtbare) sehen kann.</p> - -<p>Sofern das, ist Dir auch die Professorenweisheit klar, -welche zerknirscht, wie die Methodisten, auf dem Bauche -liegt und wie diese O Herr! O Herr! so <em class="antiqua">à la</em> Du Bois-Reymond:<span class="pagenum"><a id="Seite_109">[109]</a></span> -»<em class="antiqua">Ignorabimus</em>« ruft. Allerdings ist der Menschengeist -ein Ignorant in dem Sinne, daß er beständig lernt, -da in der Natur ihm ein unerschöpflich Material vorliegt. -Auch ist an jedem Naturstückchen etwas Unbegreifliches, wie -an jeder Nelke etwas Unsichtbares. Die relative Beschränktheit -und Unbeschränktheit der Vernunft wird nur durch den -Begriff des Absoluten verständlich.</p> - -<p>Die letzten vier Stücke (21 bis 24) sind eine Zusammenfassung -des bisherigen Entwicklungsganges der Erkenntnislehre -und enthalten ihre Nutzanwendung. Brief 21 beginnt:</p> - -<p>Die demokratische proletarische Volkslogik forscht nach dem -<em class="gesperrt">Allerhöchsten</em>. Das Volk weiß, es muß dienen, aber fragt -sich, wem? Dem Baal oder dem Nabuchodonossor? Wo, -wer, was ist das Allerhöchste, dem sich alles unterordnet, -das System, Konsequenz, Logik in unser Denken und Handeln -bringt? Zunächst fragt sich noch: Auf welchem Wege -kommen wir zu seiner <em class="gesperrt">Erkenntnis</em>? Da mit keiner überschwenglichen -Offenbarung gedient ist, bleiben nur zwei -Wege: <em class="gesperrt">Vernunft</em> und <em class="gesperrt">Erfahrung</em>.</p> - -<p>Es ist nun der Fehler der landläufigen Denkweise, daß -man aus diesen Wegen <em class="gesperrt">zwei</em> macht, während es in der Tat -nur eine, die gemeine Straße ist, welche mittels erfahrungsmäßiger -Vernunft oder vernunftmäßiger Erfahrung dahin -führt, wo wir erkennen, wie das Allerhöchste, dem alles -dient, nichts Besonderes, kein Teil oder Partikel, sondern -das Universum selbst mit allen Teilen ist.</p> - -<p>Sokrates und seine Schule wandelten den aparten Weg -der Vernunft, um das Allerhöchste, das Wahre, Gute, Schöne, -wie sie es nannten, zu suchen. Die platonischen Dialoge -wissen es überaus prächtig ins Licht zu setzen, daß nicht -Gesundheit, nicht Reichtum, nicht Tapferkeit noch Frömmigkeit -»der Güter Höchstes«, sondern wie es bei allen Dingen -nur auf die Einsicht, nur auf den Gebrauch ankomme, den -der Mensch davon macht. Je nachdem sind sie bald gut, -bald schlecht, es sind nur relative Güter. Liebe und Treue,<span class="pagenum"><a id="Seite_110">[110]</a></span> -Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit sind wohl gut, aber nicht das -Gute; sie haben nur »teil daran«. Man sucht nach dem, -was unter allen Umständen absolut gut, wahr und schön ist.</p> - -<p>So finden denn die Sokratiker heraus, daß nur die Einsicht -oder <em class="gesperrt">der Intellekt</em> die Umstände ermitteln könne, die -zum Absoluten führen.</p> - -<p>Aus der alten Philosophie ist endlich nach mehr als zweitausendjähriger -Vermittlung durch Zwischenglieder die heutige -demokratisch-proletarische Logik entstanden, welche erkennt, -daß die Vernunft ein Instrument ist, das zum Allerhöchsten -führt, unter der Bedingung, daß sie nicht grübelt, sondern -aus sich herausgeht und mit <em class="gesperrt">aller Welt</em> sich verbindet. -Solche Verbindung ist eben das Allerhöchste, die unvergängliche, -ewige Wahrheit, Güte, Schönheit und Vernunft. Alle -anderen Dinge haben, platonisch zu reden, »nur teil daran«.</p> - -<p>Wenn auch vielfach noch mit phantastischem Anhängsel -behaftet, waren die Sokratiker doch auf dem besten Wege -zur wahren Logik, indem weder Gesundheit noch Reichtum, -noch irgendein anderes Gut oder Tugend ihnen genügte, da -sie nicht die wahren Erscheinungen, sondern die Wahrheit -selbst zu kennen begehrten. Sie, die Wahrheit, ist das Universum, -und muß der Mensch sie als solche, als die alleinige -kennen, um seine Vernunft vernünftig gebrauchen zu können, -vernünftig im höchsten, klassischen Sinne des Wortes.</p> - -<p>Plato und Aristoteles haben ganz vorzüglich daran gearbeitet. -Auch die neueren Philosophen, Cartesius, Spinoza, -Kant. Haupthindernis für alle war das hartnäckige Vorurteil, -daß der Mensch die Vernunft im Kopfe habe. Wenn -er auch dergleichen hat, dann ist es doch nicht die vernünftige -Vernunft. Der im Hirnkasten eingeschlossene Intellekt -hat nicht, wie die Alten wähnen, die Weisheit bei sich; letztere -kann deshalb auch nicht durch Grübeln geschöpft werden.</p> - -<p>Du wirst den Ausdruck »grübeln« nicht mißverstehen. Ich -bin kein Gegner sinnigen Nachdenkens, sondern will nur aufmerksam -machen, wie man auf den verkehrten Weg geraten<span class="pagenum"><a id="Seite_111">[111]</a></span> -ist, das Denken vom Sehen, Hören, Fühlen, den Geist vom -Körper zu trennen. Wie die Christen das Heil außer dem -Fleische, so suchten die Philosophen die Vernunft oder Erkenntnis -außer dem Zusammenhang mit der anderweitigen -Welt, außerhalb der Erfahrung. Besonders die Forschung -nach der Beschaffenheit des Intellekts glaubte in sich kriechen -zu müssen.</p> - -<p>Dabei ist zu erwägen, daß die Sokratiker, welche das Absolute -unter dem Namen des Guten suchten, insofern beschränkt -waren, als sie dasselbe nur von der moralischen, -spezifisch menschlichen Seite erfaßten und nicht zuletzt auch -von der <em class="gesperrt">kosmischen</em>. Wie Gesundheit und Reichtum zusammengehören, -und auch das noch viel zu wenig ist für -das Menschenheil, wie dazu alle sozialen und politischen -Tugenden erfordert sind, so steckt das Gute noch nicht im -Zusammenhang aller Menschen, sondern geht darüber hinaus -und hängt mit <em class="gesperrt">aller Welt</em> zusammen. Ohne letztere ist der -Mensch nichtig. Er hat keine Augen ohne Licht, keine Ohren -ohne Geräppel, keine Moral ohne Physik. Der Mensch ist -nicht so sehr das Maß aller Dinge, als vielmehr sein mehr -oder minder großer und intimer Zusammenhang mit allen -Dingen das Maß aller Menschlichkeit ist. Nicht die beschränkte -Moralität, sondern das Universum, das Allerhöchste, ist das -Gute im allerhöchsten Sinne des Wortes, ist das absolute -Gut, Recht, Wahrheit und Vernunft.</p> - -<p>Die absolute Ein-Natur alles Daseins ist die unbedingte -Grundlage einer verständigen Vernunftanwendung.</p> - -<p>Unsere Volkslogik ist tolerant und nicht fanatisch. Die -Volkslogik will nicht vernünftig sein ohne Leidenschaft, aber -auch nicht leidenschaftlich ohne Vernunft. Sie hebt nicht den -Unterschied auf zwischen Freund und Feind, zwischen Wahrheit -und Lug, zwischen Verstand und Unverstand, sondern -beschwichtigt den Fanatismus, der das Unterscheiden übertreibt. -Sie stellt den Lehrsatz an ihre Spitze: Es gibt nur -<em class="gesperrt">ein</em> Absolutes, das Welt<em class="gesperrt">all</em>.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_112">[112]</a></span></p> - -<p>Halte wohl fest, daß der Begriff eines Weltalls, das -irgend etwas außer oder neben sich hat, womöglich ein noch -verrückterer Begriff ist wie ein hölzernes Eisen. Daran erkennst -Du zugleich, wie alle Verschiedenheit eine gemeinschaftliche -Natur hat, welche nicht zuläßt, daß der Unterschied -zwischen zwei Dingen oder Meinungen überschwenglich -groß sei. Weil das Universum das einzige höchste Wesen -ist, darum sind alle Unterschiede, auch alle Meinungsunterschiede -höchst unwesentlich.</p> - -<p>Und nun kommt die Moral von der Geschichte. Die Menschenvernunft, -das Spezialobjekt der logischen Forschung, partizipiert -am Generalwesen; sie ist kein Wesen für sich; als -isoliertes Wesen ist sie durchaus nichtig und unvermögend, -irgendeine Erkenntnis zu produzieren. Nur im Zusammenhang, -nicht nur mit dem materiellen Gehirn, sondern mit -dem Universum überhaupt ist der Intellekt lebens- und arbeitsfähig. -Nicht das Gehirn denkt, sondern der ganze Mensch -gehört dazu; und nicht nur der Mensch, sondern der Universalzusammenhang -ist zum Denken erfordert. Die Vernunft -offenbart keine Wahrheit. Die Wahrheiten, welche sich uns -<em class="gesperrt">mittels</em> der Vernunft offenbaren, sind Offenbarungen des -Generalwesens, des Absoluten.</p> - -<p>Sokrates zeigt, daß er nur noch einen beschränkten, einen -anthropomorphistischen und keinen kosmischen Begriff vom -»Besten und Guten« und von der Vernunft hat. Er war -von dem Vorurteil beherrscht, von dem die unkultivierten -Gottgläubigen noch immer beherrscht sind, daß die Vernunft -älter sei als die übrige Welt, daß sie der herrschende und -vorausgegangene Planmacher sei. <em class="gesperrt">Unsere</em> Vernunftlehre dagegen -kennt den Geist, den wir im Kopfe haben, nur als -Ausfluß des Weltgeistes. Letzteren jedoch darfst Du nicht -als nebulöses Ungetüm, nicht als Monstergeist, sondern als -das leibliche Universum erkennen, welches trotz allem Wechsel -und aller Variation ewig eins, wahr, gut, vernünftig, das -Allerwirklichste und Allerhöchste ist.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_113">[113]</a></span></p> - -<p>Nachdem das glänzende Dreigestirn Sokrates – Plato – -Aristoteles erloschen, hüllte sich der philosophische Himmel in -dunkle Wolken. Die Heiden traten von der Bühne ab, und -das Christentum und die Dogmen seiner Kirche beherrschten -die Logik der Menschen, bis endlich am Anfang der neueren -Zeit hin und wieder ein wissenschaftliches Lichtlein aufgeht. -Namentlich sind es <em class="gesperrt">Cartesius</em> und <em class="gesperrt">Spinoza</em>, die unter -den ersten leuchtend auftreten, die ihren Geist natürlich nur -schwer und relativ zu emanzipieren vermögen. Spinoza ist -in seinem Kampfe wider den beschränkten und für den universellen -Geist besonders interessant.</p> - -<p>Das wahre, höchste und beständige Gut entdeckt Spinoza -in der »Erkenntnis der Einheit«, in der die Seele sich mit -der ganzen Natur befindet. »Dies ist also«, sagt er weiter, -»das Ziel, nach dem ich strebe …«</p> - -<p>»Zu diesem Zwecke hat man sich der Moral, Philosophie -und der Lehre von der Erziehung der Knaben zu befleißigen -und damit die ganze Arzneiwissenschaft zu verbinden, weil -die Gesundheit wesentlich zur Erreichung dieses Zieles beiträgt. -Auch die Mechanik darf nicht übergangen werden, weil -vieles Schwere durch die Kunst leicht gemacht wird. <em class="gesperrt">Vor -allem aber ist ein Weg zur Verbesserung des Verstandes -aufzusuchen.</em>«</p> - -<p>Da sind wir denn wiederum beim Angelpunkt unseres -Themas angekommen. Wer, was ist der Intellekt, wo kommt -er her, wo führt er hin? Antwort: Er ist ein Licht, das -nicht in sich hinein, sondern aus sich heraus die ganze Welt -beleuchtet. Darum ist die Wissenschaft, welche das Denkvermögen -zum Gegenstand hat, wenn auch eine beschränkte, -dennoch eine universelle Disziplin oder universelle Weltweisheit.</p> - -<p>Wenn <em class="gesperrt">Sokrates</em> nach der Tugend und nach dem »Besten« -und Spinoza nach steter und höchster Heiterkeit sucht, und -solche Weisheit nur auf den engeren Kreis menschlichen Getriebes -ausgeht, sich also zur kosmischen Welt noch nicht so<span class="pagenum"><a id="Seite_114">[114]</a></span> -recht erhoben hat, so laß Dich das nicht beirren. Das Mittel -und das Instrument, mit dem sie zum Zwecke streben, ist -der Intellekt. Es liegt nahe, daß die intellektuelle Forschung -zur Erforschung des Intellekts führen mußte, zur »Verbesserung -des Verstandes«, zur »Kritik der Vernunft«, zur -»Logik« und so schließlich zu der Erkenntnis, daß das Denkvermögen -ein unabtrennbarer Teil des monistischen Weltalls, -des Absoluten ist, welches letztere allem Denken Halt, -Sinn und Verstand gibt.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Über die aus fünfzehn Briefen bestehende (1883 bis 1884 -verfaßte) zweite Serie der »Logischen Briefe« ist an dieser -Stelle nur zu sagen, daß sie eine Kritik von Henry Georges -»Fortschritt und Armut« ist, des in der ersten Hälfte der achtziger -Jahre von den Gebildeten aller Nationen am meisten -gelesenen populär-nationalökonomischen Buches, das noch -heute die Bibel der Singletax-Ideologen genannt werden -darf, das heißt der politischen Theoretiker, die den Schäden -des Kapitalismus durch eine »einzige Steuer« (auf den Bodenwert) -beizukommen wähnen. Dietzgen schrieb diese Kritik des -Henry George, um seinem Sohne, und den späteren Lesern, -Einblick in die politische Ökonomie zu verschaffen, ihn hierbei -in die Marxsche Theorie einzuführen und gleichzeitig »die -veritable Logik zu demonstrieren«.</p> - -<p>Der erste Teil meiner Briefe, sagt er, erläuterte die Logik -am menschlichen Geiste; der zweite Teil soll sie an der menschlichen -Arbeit erläutern. Der Geist oder die Denktätigkeit ist -das allgemeine Gebiet, welches nicht nur mit allem, was -menschlich, sondern mit dem Universum zusammenhängt. Das -Objekt dieses zweiten Teiles, die Arbeit, ist nicht minder universell -und in ihrem kosmischen Zusammenhang ein vorzügliches -Erläuterungsmittel unserer Spezialität, der Kopfarbeit.</p> - -<p>Weiter bemerkt er: Die Quintessenz aller Denkkunst ist der -Einheitsbegriff, der Begriff, wie es barer Unsinn ist, sich mit<span class="pagenum"><a id="Seite_115">[115]</a></span> -der Meinung zu tragen, daß es zwei unterschiedene Dinge -geben könne, die nicht zugleich gemeinschaftlicher Natur seien. -Diesen Begriff von der Einheit aller Differenz hat Henry -George nicht erfaßt. Er bringt deshalb Differenzen in die -politische Ökonomie, die der Auflösung bedürfen. Ich stelle -mir also die Aufgabe, nachzuweisen, daß nicht im ökonomischen -Sachverhalt, sondern in der Anschauung des Autors -von »Fortschritt und Armut« Widersprüche oder Differenzen -enthalten sind, die mit Hilfe besserer Logik leicht zu ordnen.</p> - -<p>Die Ökonomie handelt von der Erzeugung und Verteilung -des Reichtums. Der wesentlichste Produzent oder Hauptfaktor -desselben ist die menschliche Arbeit. Daß diese Arbeit -nicht in der Luft hängt, sondern mit zwei Beinen auf der -Erde steht, daß sie nicht arbeiten kann ohne Gegenstände, -Materialien, Mittel und Werkzeuge, ist selbstverständlich. -Wenn jemand lehrt, die Arbeit ist der Schöpfer des Reichtums, -und es kommt ein anderer mit: »Nein! Die Arbeit -kann nichts schaffen, wenn nicht die Natur und ihre Reichtümer -schon vorhanden sind«, so ist klar, wie dieser andere -nur behauptet, was niemand bestreitet.</p> - -<p>Nachdem wir ein für allemal wissen, daß es in der Welt -nichts Besonderes gibt, welches absolut ist, wenn wir wissen, -wie das Absolute ein Name für das All oder Universum -ist, welches gleich dem lieben Gott keinen neben sich hat, -dann wissen wir auch, daß die Arbeit nur relativ »schaffen«, -nur in Verbindung mit den Materialien der Natur und den -Errungenschaften der Geschichte Reichtümer zeugen kann.</p> - -<p>Es ist dies der Kernpunkt, weshalb ich mit dem Verfasser -von »Fortschritt und Armut« hadere. Dieser ist Gegner des -Satzes: Arbeit allein schafft Reichtümer. Er behauptet, die -Natur, die den sauren Wein mit der Zeit süß und aus dem -Kalb eine Kuh macht (3. Kapitel, 3. Buch), arbeite mit. Das -bestreiten wir nicht; wir widerstreiten nur, daß Kapitalien, -die von Natur aus »mitarbeiten«, deshalb auch von Natur -aus berufen sind, an den Früchten der Arbeit zu partizipieren.<span class="pagenum"><a id="Seite_116">[116]</a></span> -Der Streit um die Erzeugung der Reichtümer ist in -der Tat nur ein Streit um ihre Verteilung.</p> - -<p>Der bisherige Fortschritt in der Kunst, Reichtümer zu zeugen, -ist zugleich ein Fortschritt in der Armut der arbeitenden -Klasse. Das Büchlein zeigt dies so deutlich und mannigfaltig, -daß darüber kein Wort weiter zu verlieren ist. Wenn -auch der Arbeiter des neunzehnten Jahrhunderts ebenso gut -und wenn er auch besser genährt ist als der des achtzehnten, -siebzehnten und sechzehnten, so ist doch evidentermaßen sein -Anteil am Arbeitsertrag viel kleiner. Es handelt sich darum, -diesem Widerspruch zu steuern. Henry George ist ein Parteigänger -der irischen Landliga, welche sich mit der Hoffnung -trägt, die Verwandlung des Grund und Bodens in Gemeineigentum -würde die »soziale Frage« lösen.</p> - -<p>Die ebenso lehrreiche wie interessante Polemik Dietzgens -gegen George im einzelnen gehört aber, da sie keine theoretische, -sondern angewandte Logik ist, nicht in den Rahmen -dieses Buches. Wer durch die vorliegende Darstellung der -Lehre und Weltanschauung Josef Dietzgens sich angeregt -fühlt, der »Logischen Briefe« ersten Teil in der Gesamtausgabe -zu lesen, wird sicherlich auch dem zweiten Teil sein -Interesse zuwenden, selbst wenn er noch jenseits des Marxschen -Sozialismus seinen Standpunkt hat. Denn auch bei -Behandlung von Fragen der politischen Ökonomie bekundet -unser Autor seine Originalität und zeigt uns Gesichtspunkte -wie kein anderer marxistischer Sozialist, Karl Marx selbst -eingeschlossen, von dem Dietzgen seine Ökonomie fertig übernommen -zu haben mehrfach freudig bekennt.</p> - -<p>Hier ein Beispiel. Dietzgen sagt im dritten Brief der zweiten -Serie:</p> - -<p>Bekanntlich wird von der Naturwissenschaft alles auf Bewegung -reduziert. Licht, Töne, Wärme, Stoff und Kraft, -alles ist Bewegung. So berechtigt sie dazu ist, so berechtigt -ist die Ökonomie, alles als Arbeit zu fassen. Alles ist Bewegung, -alles ist Arbeit. Auch ist alles Natur. Alles ist das<span class="pagenum"><a id="Seite_117">[117]</a></span> -All oder Universum, wovon jeder Teil universell ist, jeder -Teil die Generalnatur des Ganzen und das Ganze die Generalnatur -eines jeden Teiles hat. Der Begriff des Universums -ist der Kardinalbegriff der Logik. Es, das Universum, ist -der Inbegriff aller Dinge. Das Unterabteilen oder Unterscheiden -der universellen Einheit ist der logische Springpunkt. -Er lehrt: Du sollst keinen Unterschied übergroß machen, Du -sollst keinen überschwenglichen, keinen metaphysischen Unterschied -glauben. Alles ist unterschieden, aber nur so mäßig, -daß die Natur von allem in allem enthalten, daß, burschikos -ausgedrückt, alles ein einziger Schwamm ist, im Verstand -auch Unverstand und im Unverstand immer noch Verstand -steckt.</p> - -<p>Also in solchem Sinne ist die ganze Welt eine Arbeit und -die menschliche nur ein spezieller Teil der universalen. Es -wäre logische Beschränktheit, das Objekt der Ökonomie nicht -bis »in die Puppen« generalisieren zu wollen; es wäre konfus, -bei solcher Generalisation es bewenden zu lassen und nicht -zur Unterabteilung, nicht zur Spezifikation fortzuschreiten. -Die menschliche Arbeit ist eine Unterabteilung, die wieder -untergeteilt ist in urwüchsig kommunistische Arbeit, Sklavenarbeit, -Fronarbeit und Lohnarbeit. Letztere ist derjenige partikuläre -Teil, der uns speziell interessiert, den ich, der Logik -wegen, Dir im Zusammenhang mit dem Universum zeige.</p> - -<p>Die Arbeit der Konkurrenzgesellschaft teilt sich – in freie -Arbeit, die sich selbst lohnt und meist von Nichtstuern geleistet -wird, und in – »freie Arbeit« (mit Gänsefüßchen), -die sich nicht lohnt, sondern gelohnt wird und Lohnarbeit -heißt.</p> - -<p>Daß so von der Arbeit, die sich selbst lohnt, gesagt wird, -sie sei verrichtet von Nichtstuern,<a id="FNAnker_13_13"></a><a href="#Fussnote_13_13" class="fnanchor">[13]</a> klingt paradox und ist doch<span class="pagenum"><a id="Seite_118">[118]</a></span> -verständlich, wenn Du aufmerkst, wie vom Ertrag der nationalen -Arbeit die effektiven Arbeiter für den Kopf einen -erbärmlichen und die Industrieritter einen solch riesigen Anteil -davontragen.</p> - -<p>Zunächst jedoch laß uns absehen von den Unterabteilungen -der Konkurrenzarbeit und im Auge behalten, daß sie mit aller -menschlichen Arbeit und mit der Natur zusammenhängt, davon -Teil oder Abteilung ist. Es ist das besonders um deswegen -hervorzuheben, weil ökonomische Konfusionsräte, wenn später -vom Werte die Rede ist, diesen natürlichen Zusammenhang -als Mittel brauchen, um unsere Werttheorie konfus zu machen, -welche namentlich von Marx in glänzender Weise klargelegt -wurde.</p> - -<p>Arbeit schafft Produkte. Naturarbeit schafft wildwachsende -Bäume, Gräser, Sonnenstrahlen und andere kostenlose Dinge, -während Menschenarbeit – natürlich mit Hilfe der Natur – -kostenreiche Produkte schafft. So gibt es denn keine reinen -menschlichen Arbeitsprodukte, sondern all unsere Arbeit muß -sich mit dem Naturmaterial gleichsam chemisch verbinden. -Derart gewinnt die menschliche Arbeit materielle Form und -läßt sich aufspeichern. Aufgespeicherte Arbeit nimmt in der -Ökonomie einen hohen Rang ein, besonders weil sie als -Mittel dient, die lebendige Arbeit immer ergiebiger zu machen.</p> - -<p>Die Einteilung der menschlichen Arbeit in gegenwärtige, -lebendige und in vergangene, tote, aufgespeicherte Arbeit ist<span class="pagenum"><a id="Seite_119">[119]</a></span> -eine logische Operation, die zur ökonomischen Erhellung dient. -Die tote Arbeit liegt nicht nur in materiellen Stücken umher, -sondern hat auch geistige Formen. Die Errungenschaft -an größerer Einsicht in den Naturprozeß, die verbesserten -Arbeitsmethoden usw. usw. sind alle aufgespeicherte Arbeit. -Du darfst nicht glauben, daß zwischen geistiger und körperlicher -Arbeit kein Unterschied sei, aber auch nicht glauben, -derselbe sei so exakt, daß man irgendein materielles Stück -Arbeit haben könne, das nicht mit dem Geiste verquickt, oder -irgendeine intellektuelle Einsicht, die nicht stofflich geworden. -Nicht nur Papier und Druckerschwärze, auch alle Instruktionen, -welche der Meister dem Lehrling mündlich erteilt, -sind aufgespeicherte Arbeiten unserer Vorfahren.</p> - -<p>Meine Logik, die in der ersten Serie den Zusammenhang -von Geist und Bein behandelte, handelt in diesem zweiten -Teile vom geistigen und körperlichen und anderweitigen Arbeitszusammenhang, -den sie in Gattungen und Arten, in -Abteilungen und Unterabteilungen trennt und teilt, um das -Ganze als ein Ungeteiltes darzustellen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_120">[120]</a></span></p> - -<h2 id="IX">IX.<br /> -Erkenntnistheoretische Streifzüge.</h2> -</div> - -<p>Die »Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet der Erkenntnistheorie« -(Chicago 1886) erschienen zuerst in der -»Sozialdemokratischen Bibliothek« (Hottingen-Zürich 1887). -Genaue Kenntnis des »Wesens der menschlichen Kopfarbeit« -und der »Logischen Briefe« erster Teil ist unbedingtes Erfordernis -zu leichtem Verständnis und vollem Genuß dieser -Schrift.</p> - -<p>Der erste Abschnitt behandelt die Frage, ob wir <em class="gesperrt">alles</em> -erkennen können? Der Autor wählt als Überschrift dieses -Abschnitts den »oft zitierten Dichterspruch«: »Ins Innere -der Natur dringt kein erschaffener Geist.«</p> - -<p>Vollständig lautet das Zitat:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Ins Innere der Natur – Dringt kein erschaffener Geist.«<br /></span> -<span class="i0">»Glücklich, wem sie nur – Die äußere Schale weist.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Es stammt von dem im Jahre 1777 verstorbenen Dichter -(und Botaniker, Zoologen, Anatomen) Albrecht v. Haller.</p> - -<p>Goethe hat (in »Gott und Welt«) sehr ergrimmt folgendes -darauf erwidert:</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Allerdings.</em></p> - -<p class="center">Der Physiker.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»<em class="gesperrt">Ins Innere der Natur</em> –<br /></span> -<span class="i0">O du Philister! –<br /></span> -<span class="i0"><em class="gesperrt">Dringt kein erschaffener Geist</em>.«<br /></span> -<span class="i0">Mich und Geschwister<br /></span> -<span class="i0">Mögt ihr an solches Wort<br /></span> -<span class="i0">Nur nicht erinnern;<br /></span> -<span class="i0">Wir denken: Ort für Ort<br /></span> -<span class="i0">Sind wir im Innern.<br /></span><span class="pagenum"><a id="Seite_121">[121]</a></span> -<span class="i0">»<em class="gesperrt">Glücklich, wem sie nur</em><br /></span> -<span class="i0"><em class="gesperrt">Die äußere Schale weist</em>.«<br /></span> -<span class="i0">Das hör' ich sechzig Jahre wiederholen,<br /></span> -<span class="i0">Ich fluche drauf, aber verstohlen;<br /></span> -<span class="i0">Sagt mir tausend, tausend Male:<br /></span> -<span class="i0">Alles gibt sie reichlich gern;<br /></span> -<span class="i0">Natur hat weder Kern<br /></span> -<span class="i0">Noch Schale;<br /></span> -<span class="i0">Alles ist sie mit <em class="gesperrt">einem</em> Male.<br /></span> -<span class="i0">Dich prüfe du nur allermeist,<br /></span> -<span class="i0">Ob du Kern oder Schale seist.<br /></span> -</div></div> - -<p>Auch das nächstfolgende Gedicht Goethes »Ultimatum« -bezieht sich hierauf.</p> - -<p>Ich weiß nicht, ob Dietzgen durch Goethes Polemik gegen -Haller angeregt wurde, an des letzteren Ausspruch anzuknüpfen; -im übrigen ist es völlig gleichgültig, da unseres -Autors Anschauungen über die pantheistischen des Altmeisters -weit hinausgehen.</p> - -<p>Mit dem angeblich von einem höheren Geist »erschaffenen -Geist« des Menschen, dem geistigen Organ, das dem Menschen -von Natur im Kopfe angewachsen ist, hat es Dietzgen -hier zunächst zu tun, und sodann mit dem Thema des Eindringens -unseres Intellekts ins Innere der Natur. Unser -Autor sagt:</p> - -<p>Wie die Fetischdiener die gemeinsten Dinge, Steine und -Hölzer, verhimmeln, so ist auch der »erschaffene Geist« verhimmelt -und mystifiziert worden; zuerst religiös und danach -philosophisch. Was die Religion Glaube und übernatürliche -Welt, das nannte die Philosophie <em class="gesperrt">Metaphysik</em>. Bevor die -Philosophie in das Innere des erschaffenen Geistes eindringen -konnte, mußte ihr von der Naturwissenschaft durch praktische -Betätigung erwiesen werden, wie das geistige Instrument des -Menschen die bezweifelte Fähigkeit wohl besitzt, das Innere -der Natur erhellen zu können.</p> - -<p>Auch die unbekannteste Welt und die geheimnisvollsten -Dinge gehören mit allen bekannten Gegenden und Gegenständen<span class="pagenum"><a id="Seite_122">[122]</a></span> -in eine und dieselbe Kategorie, nämlich in den universellen -Naturverband. Der »erschaffene Geist« macht keine -Ausnahme von diesem wissenschaftlichen Gesetz.</p> - -<p>Der alte religiöse Vorstellungskreis ist der Erkenntnis -hinderlich, daß die Natur nicht nur eine nominelle, sondern -eine wahrhaftige Monas ist, welche <em class="gesperrt">nichts</em> anderes, auch -keinen <em class="gesperrt">unerschaffenen Geist</em>, weder über sich, noch in sich, -noch neben sich hat. Der Glaube an einen unerschaffenen, -monströsen, religiösen Geist hindert die Erkenntnis, daß der -Menschengeist von der Natur selber geschaffen und erzeugt -wurde, also deren eigenes Kind ist, demgegenüber sie keine -besondere Sprödigkeit kennt.</p> - -<p>Dennoch ist die Natur spröde; sie erschließt sich nie auf -einmal und nie ganz und gar. Sie kann sich nicht <em class="gesperrt">ganz</em> -hingeben, weil sie <em class="gesperrt">unerschöpflich</em> ist an Gaben. Dennoch -ist der »erschaffene Geist«, dies Kind der Natur, eine Lampe, -welche nicht nur das Äußere, sondern auch das Innere der -Natur erhellt. Inneres und Äußeres sind <em class="gesperrt">gegenüber dem -physisch unendlichen und unerschöpflichen einzigen -Naturwesen</em> verzopfte Begriffe. Ebenso ist der »erschaffene -Geist« ein verzopfter Begriff, insofern derselbe auf einen -unerschaffenen großen, monströsen, metaphysischen Geist hinweisen -soll, der seinen Sitz über den Wolken hat.</p> - -<p>»Der große Geist« der Religion ist die Ursache von der -Verkleinerung des Menschengeistes, welcher sich der Dichter -schuldig macht, der letzterem die Fähigkeit abspricht, in das -»Innere der Natur« einzudringen. Und zugleich ist doch der -unerschaffene, monströse Geist nur ein <em class="gesperrt">phantastisches Abbild</em> -des »erschaffenen« physischen Geistes.</p> - -<p>Die Erkenntnistheorie in ihrer entwickeltsten Gestalt vermag -diesen Satz gründlichst zu beweisen. Sie zeigt uns, daß -der »erschaffene Geist« seine sämtlichen Vorstellungen, Gedanken -und Begriffe der einen monistischen Welt entlehnt, -welche die Naturwissenschaft »physische« Welt nennt. Die -gute Mutter Natur hat ihm etwas von ihrer Unerschöpflichkeit<span class="pagenum"><a id="Seite_123">[123]</a></span> -angeerbt. Er ist so unbeschränkt und unerschöpflich an -Erkenntnissen, wie sie unbeschränkt ist in der Willfährigkeit, -ihre Brust zu öffnen. Beschränkt ist das Kind nur durch den -unbeschränkten Reichtum der Mutterliebe: es kann die Unerschöpfliche -nicht erschöpfen.</p> - -<p>Der »erschaffene Geist« dringt mit seiner Wissenschaft bis -in das Allerinnerste der Natur, aber darüber hinaus kann -er nicht dringen, nicht weil er ein beschränkter Geist ist, sondern -weil die Mutter eine unendliche Natur, eine natürliche -Unendlichkeit ist, die nichts außer sich hat.</p> - -<p>Die wunderbare Mutter hat ihrem natürlichen Kinde das -<em class="gesperrt">Bewußtsein</em> angeerbt. – Der erschaffene Geist kommt mit -der Anlage zur Welt, sich bewußt zu werden, daß er das -Kind seiner guten Mutter Natur ist, welche ihm die Fähigkeit -anerschaffen, sich von allen anderen Kindern seiner Mutter, -von allen seinen Geschwistern treffliche Bilder zu entwerfen.</p> - -<p>Die von der philosophischen Wissenschaft im Laufe der -Jahrhunderte zusammengetragenen Kenntnisse vom »erschaffenen -Geiste« gipfeln in der Lehre, daß dieser Geist eine -Kraft, eine Naturkraft ist, wie die Schwerkraft, wie Wärme, -Licht, Elektrizität usw.; und dann auch neben seiner allgemeinen -Natur, ganz wie die anderen Kräfte, ein spezielles -Naturell besitzt, welches ihn allein auszeichnet und kennbar -macht. Prüfen wir diese Spezialnatur des »erschaffenen -Geistes« näher, so findet sich, daß ihm die, wenn man will -»wunderbare« Eigenschaft angeboren ist, ohne weiteres und -mit zweifellosester Sicherheit zu wissen, daß zwei Berge nicht -ohne Tal sind, der Teil kleiner ist als das Ganze, Kreise -nicht viereckig und Bären keine Elefanten sind.</p> - -<p>Solche Wissenschaft ist uns durch die objektive Untersuchung -des »erschaffenen Geistes« gegeben.</p> - -<p>Der überschwengliche Geist ist ein phantastischer Begriff.</p> - -<p>Ebenso phantastisch ist denn auch der Naturbegriff derjenigen, -welche von einer Natur reden wollen, die dem »erschaffenen -Geist« ihr Inneres verschließt. Die Natur ist das<span class="pagenum"><a id="Seite_124">[124]</a></span> -Unendliche. Wer das begreift, begreift auch, wie man bei -ihr nicht vom Inneren oder Äußeren reden kann. Alle diese -Bezeichnungen gelten nicht von der Natur überhaupt, welche -das Absolute ist, sondern nur von ihren Teilen, von ihren -Produkten, ihren Kindern, den einzelnen Dingen.</p> - -<p>Wollen wir uns ein rechtes Bild machen von der Natur -und ihrem »erschaffenen Geiste«, so müssen wir dem letzteren -vor allem das Bewußtsein beibringen, daß er sich nicht über -seine Mutter erheben darf, wie er damals getan, als er -noch von einem über- und außernatürlichen Geist gefabelt. -Ein rechter Begriff vom Menschengeist ist nur zu gewinnen, -wenn wir uns das klare und deutliche Bewußtsein von der -<em class="gesperrt">Universalität</em> der Natur aneignen. Unser Geist ist ihr -eigenes Produkt. Sie hat ihm die Gabe und die Bestimmung -angeerbt, sich Einsicht von ihr und allen ihren Erscheinungen -zu verschaffen. – »Von allen«, sage ich und -spreche im verständig-mäßigen Sinne des Wortes, ohne zu -verkennen, wie unerschöpflich die Natur in der Produktion -ihrer Erscheinungen ist, und wie der »erschaffene Geist«, sofern -er ein Stück der Natur, trotz all seiner Universalität im -Begreifen, doch nur ein beschränktes Naturgeschöpf sein kann.</p> - -<p>Wer sich die Resultate der Naturwissenschaft betrachtet, -kann die Natur keiner mysteriösen Verschlossenheit beschuldigen, -und wer dabei die Resultate der Philosophie in Betracht -zieht, kann nicht verkennen, daß der Menschengeist -berufen ist, alle möglichen Rätsel zu lösen. Das Unmögliche -aber hat weder Sinn noch Verstand und darf also -kein Objekt unserer Betrachtung und Beachtung sein.</p> - -<p>So innig wie das Gesichtsvermögen mit Licht und Farbe, -oder das subjektive Tastvermögen mit der objektiven Tastbarkeit, -so innig hängt der »erschaffene Geist« mit dem Rätsel -der Natur zusammen. Diesen Zusammenhang der Dinge -übersehen zu haben, ist der Fehler jener rückständigen Erkenntnistheoretiker, -welche derart über Geist und Natur im -unklaren schweben, daß sie Rettung jenseits der Wolken suchen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_125">[125]</a></span></p> - -<p>Die überschwengliche Verkleinerung des Geistes, dem man -abspricht, das Innere der Natur erhellen zu können, und -ebenso die überschwengliche Mystifizierung der Natur, deren -Inneres unbegreiflich sein soll – beide entspringen einer -Denkweise, welche naturwüchsig jahrtausendelang den Menschen -beherrscht hat, während die philosophische Bemühung -es endlich dahin gebracht, daß nunmehr umgekehrt der -Mensch seine Denkweise beherrscht, wenigstens so weit, daß -er mehr regel- und kunstgerecht die ihm aufgegebenen Rätsel -zu lösen weiß.</p> - -<p>Es ist ein Gesetz der natürlichen Logik und der logischen -Natur, daß jedes Ding in seiner Gattung bleiben muß, daß -sich die Gattungen und ihre Arten zwar verändern können, -aber nicht so übermäßig, daß sie aus der Generalgattung, aus -der natürlichen, herauswachsen. Es kann deshalb keinen Geist -geben, der so tief in das Innere dringt, daß er die Natur -zusammenklappen und gleichsam in die Tasche stecken könnte.</p> - -<p>Im zweiten Abschnitt »Die absolute Wahrheit und ihre -natürlichen Erscheinungen« schildert Dietzgen, wie er durch -das Studium von Feuerbach und Marx' ersten Schriften in -seinem Streben unterstützt wurde, einen Maßstab zur Beurteilung -dessen, was wahr und recht ist, zu erlangen.</p> - -<p>Zur näheren Erkenntnis der Natur der absoluten Wahrheit -ist vor allem dem eingewurzelten Vorurteil entgegenzutreten, -als sei dieselbe geistiger Natur. Nein: die absolute -Wahrheit läßt sich sehen, hören, riechen, fühlen, allerdings -<em class="gesperrt">auch erkennen; aber sie geht nicht auf in Erkenntnis</em>; -sie ist kein purer Geist. Die absolute Wahrheit hat keine -<em class="gesperrt">besondere</em> Natur, vielmehr die Natur des Allgemeinen; -die allgemeine natürliche Natur und die absolute Wahrheit -sind identisch. Es gibt keine zwei Naturen, eine körperliche -und eine geistige; es gibt nur eine Natur, worin alle Körper -und alle Geister enthalten sind.</p> - -<p>Das Universum ist identisch mit der Natur, mit dem Weltall -und der absoluten Wahrheit.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_126">[126]</a></span></p> - -<p>Was wir <em class="gesperrt">erkennen</em>, sind Wahrheiten, relative Wahrheiten -oder Naturerscheinungen. Die Natur selbst, die absolute -Wahrheit, läßt sich nicht erkennen, nicht direkt, sondern -nur <em class="gesperrt">mittels</em> ihrer Erscheinungen.</p> - -<p>Da die menschliche Erkenntnis nicht das Absolute ist, -sondern nur ein Künstler, der sich von der Wahrheit Bilder -macht, wahre, echte, rechte und treffende Bilder, so ist doch -selbstredend, daß das Bild den Gegenstand nicht erschöpft -und der Maler hinter seinem Modell zurückbleibt. Es ist -niemals etwas Geistloseres von der Wahrheit noch von der -Erkenntnis gesagt worden, als das, was die gebräuchliche -Logik seit Jahrtausenden davon sagt: Wahrheit sei die Übereinstimmung -unserer Erkenntnis mit ihrem Gegenstand. Wie -kann das Bild mit seinem Modell »übereinstimmen«? – -Annähernd, ja. Welches Bild stimmt nicht annähernd mit -seinem Gegenstand? Mehr oder minder treffend ist doch jedes -Porträt. Aber ganz getroffen und ganz trefflich – abnormer -Gedanke!</p> - -<p>Also nur relativ können wir die Natur und ihre Teile -erkennen; denn auch jeder Teil, obgleich nur eine Relation -der Natur, hat doch auch wieder die Natur des Absoluten, -die mit der Erkenntnis nicht zu erschöpfende Natur des Naturganzen -an sich.</p> - -<p>Die wissenschaftliche Erkenntnis darf nicht nach absoluter -Wahrheit begehren, weil letztere, die absolute Wahrheit, ohne -weiteres sowohl sinnlich als geistig <em class="gesperrt">gegeben</em> ist. Was wir -zu erkennen verlangen, sind die Erscheinungen, die Besonderheiten -der allgemein gegebenen Wahrheit. Sie gibt sich uns -in ihren Spezialitäten willfährig. Was unsere Erkenntnis zu -besorgen hat, sind treffliche Bilder, Erkenntnisbilder. Dabei -handelt es sich nur um relative Trefflichkeit oder Vollständigkeit. -Mehr darf der Menschenverstand nicht wollen. Ein -Verlangen nach einer anderen absoluten Wahrheit ist eine -von der Geschichte der menschlichen Erkenntnis überwundene -Schwärmerei; während die Bescheidenheit, die sich mit Erkenntnis<span class="pagenum"><a id="Seite_127">[127]</a></span> -relativer Wahrheiten begnügt, vernünftige Bildung -genannt wird.</p> - -<p>Die Philosophie hat wie die Religion in dem Glauben -an eine überschwengliche absolute Wahrheit gelebt. Die -Auflösung des Problems liegt in der Erkenntnis, daß die -absolute nichts weiter als die generalisierte Wahrheit ist, daß -dieselbe nicht im Geiste wohnt, dort wenigstens nicht mehr -zu Haus ist als anderswo, sondern im <em class="gesperrt">Objekt</em> des Geistes, -welches wir mit dem Generalnamen »Universum« bezeichnen.</p> - -<p>Wie unser Auge alles sehen kann, wenn auch mit Hilfe -von Gläsern, und doch nicht alles, denn es kann weder Töne -noch Gerüche, überhaupt nichts Unsichtbares sehen, so kann -unser Erkenntnisvermögen alles erkennen und doch nicht alles. -Das Unerkennbare kann es nicht erkennen. Das ist aber auch -überschwenglich oder ein überschwengliches Begehren.</p> - -<p>Wenn wir erkennen, daß die absolute Wahrheit, woran -Religion und Philosophie im Überschwenglichen oder Transzendenten -gesucht haben, realiter als leibliches Universum -vorhanden ist, und der Menschengeist nur ein leiblicher oder -realer oder wirklicher und wirkender Teil der Generalwahrheit -ist, der den Beruf hat, andere Teile der Generalwahrheit -wahrhaft abzubilden, so ist damit das Problem des -Beschränkten und des Unbeschränkten vollkommen gelöst. -Absolutes und Relatives ist nicht überschwenglich getrennt, -beides hängt zusammen, so daß das Unbeschränkte aus unendlichen -Beschränktheiten zusammengesetzt ist und jede beschränkte -Erscheinung die Natur des Unendlichen an sich hat.</p> - -<p>Der dritte Abschnitt »Materialismus kontra Materialismus« -zeigt den Unterschied des sozialdemokratischen oder dialektischen -Materialismus vom metaphysischen, speziell französischen -des achtzehnten Jahrhunderts und den Gegensatz -dieser beiden Richtungen zum metaphysischen deutschen Idealismus -von Kant, Fichte, Schelling, Hegel.</p> - -<p>Der Idealismus leitet die Körperwelt aus dem Geiste ab, -nach dem Vorgang der Religion, wo der große Geist über<span class="pagenum"><a id="Seite_128">[128]</a></span> -den Wassern schwebt und nur zu sagen hat »es werde!«, auf -daß es ward. Solche idealistische Ableitung ist metaphysisch. -Jedoch waren die letzten berühmten Ausläufer des deutschen -Idealismus sehr abgeschwächte Metaphysiker. Von dem außerweltlichen -übernatürlichen, himmlischen Geiste hatten sie sich -ziemlich emanzipiert, aber nicht von der Schwärmerei für -den diesseitigen natürlichen Geist. Sie mühen sich unendlich -ab, über das Verhältnis zwischen unseren geistigen Vorstellungen -und den materiellen Dingen, welche vorgestellt, -begriffen und gedacht werden, ins klare zu kommen.</p> - -<p>Die metaphysischen Materialisten des achtzehnten Jahrhunderts -und ihre heutigen Nachzügler unterschätzen den -Menschengeist und die Forschung nach seiner Beschaffenheit -und seiner rechten Anwendung ebensosehr, als die Idealisten -diese Dinge überschwenglich hochstellen. Sie, die Materialisten, -erklären zum Beispiel die Naturkräfte als <em class="gesperrt">Eigenschaften</em> -des tastbaren Stoffes und speziell die geistige Kraft, die Gedankenkraft, -als eine Eigenschaft des Hirns. Die Materie -oder das Materielle, das heißt das Wägbare und Tastbare, -ist in ihren Augen die Hauptsache der Welt, das Primäre -oder die Substanz, und die Denktätigkeit, gleich allen anderen -untastbaren Kräften, nur sekundäre Eigenschaft. Mit anderen -Worten, den alten Materialisten ist die Materie das erhabene -Subjekt und alles Weitere untergeordnetes Prädikat.</p> - -<p>Im dialektischen Materialismus haben die Stoffe nicht mehr -zu bedeuten als die Kräfte, die Kräfte nicht mehr als die Stoffe.</p> - -<p>Das unterscheidende Merkmal zwischen den mechanischen -Materialisten des achtzehnten Jahrhunderts und den durch -die Schule der deutschen Idealisten gewitzigten sozialdemokratischen -Materialisten besteht darin, daß letztere den bornierten -Begriff der Materie von der <em class="gesperrt">nur tastbaren</em> und -wägbaren Materie auf alle vorkommenden Materialien erweiterten: -auf das Sichtbare, Riechbare, Hörbare und, da -schließlich die ganze Natur Material der Forschung und -demnach alles materiell genannt werden darf, sogar den<span class="pagenum"><a id="Seite_129">[129]</a></span> -Menschengeist; denn auch dieses Objekt dient der Erkenntnistheorie -als Material.</p> - -<p>Wir neueren Materialisten sind nicht der beschränkten -Meinung, daß die wäg- und tastbare Materie die Materie -<em class="antiqua">par excellence</em> sei; wir halten dafür, daß auch der Blumenduft, -auch Töne und Gerüche Materien seien. Wir fassen -nicht die Kräfte als ein bloßes Anhängsel, als pures Prädikat -des Stoffes auf und den Stoff, den tastbaren, als das -»Ding«, welches alle Eigenschaften dominiere. Wir denken -von Stoffen und Kräften demokratisch. Da sind die einen -soviel wert als die anderen; alle einzelnen sind nichts als -Eigenschaften, Anhängsel, Prädikate oder Attribute des großen -Natur-Ganzen. Da ist nicht das Hirn der Matador und die -geistige Funktion der untergeordnete Diener. Nein, wir modernen -Materialisten behaupten, daß die Funktion ebensoviel -und ebensowenig ein selbständiges Ding ist als die tastbare -Hirnmasse oder als irgendeine andere Materialität. -Auch die Gedanken, ihr Herkommen und ihre Beschaffenheit -sind ebenso reale Materien und erforschungswerte Materialien -als irgendwelche.</p> - -<p>Materialisten sind wir, weil wir aus dem Geiste keine -»metaphysische« Monstrosität machen. Die Denkkraft ist uns -ebensowenig ein »Ding an sich« als die Schwerkraft oder der -Erdkloß. Alle Dinge sind nur Zusammenhänge des großen -Universalzusammenhangs, welcher allein dauerhaft, wahrhaft, -bleibend, keine Erscheinung, sondern das einzige »Ding -an sich« und die absolute Wahrheit ist.</p> - -<p>Weil wir sozialistische Materialisten nun einen <em class="gesperrt">zusammenhängenden</em> -Begriff von der Materie und dem Geiste haben, -sind uns auch die sogenannten geistigen Verhältnisse, wie die -der Politik, der Religion, der Moral usw., materielle Verhältnisse, -und die materielle Arbeit, ihre Stoffe und die -Magenfrage sehen wir nur insofern an als die Unterlage, -als die Voraussetzung und den Grund aller geistigen Entwicklung, -als das Tierische der Zeit nach früher ist als das<span class="pagenum"><a id="Seite_130">[130]</a></span> -Menschliche, was nicht hindert, den Menschen mit seinem -Intellekt hoch und höher zu schätzen.</p> - -<p>Der sozialistische Materialismus zeichnet sich dadurch aus, -daß er den Menschengeist nicht unterschätzt, gleich den Materialisten -alter Schule, und auch nicht überschätzt, gleich den -deutschen Idealisten, sondern in seiner Schätzung <em class="gesperrt">mäßig</em> -verfährt und den Mechanismus wie die Philosophie mit -kritisch-dialektischem Auge ansieht, als Zusammenhänge des -untrennbaren Weltprozesses und -progresses.</p> - -<p>»Darwin und Hegel« betitelt sich der vierte Abschnitt.</p> - -<p>Dietzgen will »dem beinahe verschollenen Hegel, der bei -der Nachwelt seine verdiente Anerkennung finden wird«, die -ihm gebührende Würdigung als Vorläufer Darwins zollen:</p> - -<p>Darwin ist ein genialer Ausarbeiter der Hegelschen Erkenntnistheorie. -Letztere ist eine Entwicklungslehre, die nicht -nur die Entstehung der Arten alles animalischen Lebens, -sondern auch die Entstehung und Entwicklung aller Dinge -umfaßt; sie ist eine kosmische Theorie der Entwicklung überhaupt. -Die ihr bei Hegel noch anklebenden Dunkelheiten -fallen der Person des Philosophen so wenig zur Last, als -dem Darwin zur Last fällt, daß er über seine »Entstehung -der Arten« nicht das letzte Wort gesagt hat.</p> - -<p>Der Darwinsche Gegenstand ist ein ebenso unendlicher und -unausforschlicher wie der Hegelsche. Der eine suchte nach der -Entstehung der Arten, der andere nach der Erklärung des -menschlichen Denkprozesses. Das Resultat beider ist die <em class="gesperrt">Entwicklungslehre</em>. -Sie haben die <em class="gesperrt">monistische Weltanschauung</em> -auf eine Höhe gehoben und mit positiven Entdeckungen -unterstützt, die vorher unbekannt waren.</p> - -<p>Die Darwinsche Entwicklungslehre beschränkt sich auf die -Tierarten; sie beseitigt die Klüfte, welche die religiöse Weltanschauung -zwischen den Klassen und Arten der Geschöpfe -aufrichtet. Darwin emanzipiert die Wissenschaft von dieser -religiösen Klassenanschauung und weist die göttliche Schöpfung -<em class="gesperrt">in bezug auf diesen speziellen Punkt</em> aus der<span class="pagenum"><a id="Seite_131">[131]</a></span> -Wissenschaft hinaus. In diesem Punkt setzt er an die Stelle -der transzendenten überschwenglichen Schöpfung die hausbackene -Selbstentwicklung. Um zu zeigen, daß Darwin nicht -aus den Wolken gefallen, erinnern wir an Lamarck, der bekanntlich -Darwin die Priorität streitig macht. Damit wird -keineswegs das Darwinsche Verdienst geschädigt, indem -Lamarck nur auf den philosophischen Lichtblick, Darwin aber -auf spezialisierten Nachweis Anspruch hat.</p> - -<p>Hegel gebührt das Verdienst, die Selbstentwicklung der -Natur auf <em class="gesperrt">umfassendster</em> Grundlage aufgestellt, die Wissenschaft -in generellster Weise von der Klassenanschauung emanzipiert -zu haben. Darwin kritisiert die überkommene Klassenanschauung -zoologisch, Hegel universell.</p> - -<p>Hegel lehrt die Entwicklungstheorie; er lehrt, daß die Welt -nicht gemacht wurde, keine Schöpfung, kein unveränderliches -<em class="gesperrt">Sein</em>, sondern ein <em class="gesperrt">Werden</em> ist, das sich selbst macht. Wie -bei Darwin die Tierklassen ineinanderfließen, so fließen bei -Hegel alle Klassen der Welt, Nichts und Etwas, Sein und -Werden, Quantität und Qualität, Zeit und Ewigkeit, Bewußtes -und Unbewußtes, Fortschritt und Bestand, unvermeidlich -ineinander. Er lehrt, daß Unterschiede überall bestehen, -aber nirgends übertriebene, »metaphysische« oder überschwengliche -Unterschiede. Dinge, die »<em class="gesperrt">wesentlich</em>« voneinander -unterschieden sind, gibt es nach Hegel nicht. Das Unterscheiden -zwischen wesentlich und unwesentlich ist nur auf relativer -Stufenleiter zu verstehen. Es gibt nur ein absolutes -Wesen, das ist der <em class="gesperrt">Kosmos</em>, und alles, was da drin und -drum und dran hängt, sind flüssige, vergängliche, wandelbare -Formen, Akzidenzen oder Eigenschaften des Generalwesens, -welches in Hegelscher Sprache den Namen des Absoluten führt.</p> - -<p>Hegel hat die Entwicklungslehre viel universeller vorgetragen -als Darwin. Wir wollen deshalb einen nicht dem -andern vorziehen oder subordinieren, sondern einen mit dem -andern ergänzen. Wenn uns Darwin lehrt, wie die Amphibien -und Vögel keine ewig separierten Klassen, sondern Lebewesen<span class="pagenum"><a id="Seite_132">[132]</a></span> -sind, die aus einander hervorgehen und ineinanderfließen, -so lehrt Hegel, wie <em class="gesperrt">alle</em> Klassen, wie die ganze Welt -ein lebendiges Wesen ist, die nirgends feste Grenzen hat, -so daß selbst das Kennbare und Unkennbare, das Physische -und Metaphysische ineinanderfließt, und etwas absolut Unbegreifliches -eine Sache ist, die nicht in die monistische, sondern -in die religiöse, dualistische Weltanschauung gehört.</p> - -<p>Hegel hat viel Verwandtschaft mit dem alten Herakleitos, -welcher den Beinamen »der Dunkle« führt. Beide lehren, -daß die Dinge der Welt nicht feststehen, sondern fließen, das -heißt, sie entwickeln sich; und beide verdienen auch den dunklen -Beinamen.</p> - -<p>Die Arbeiten von Darwin und Hegel, ob noch so verschieden, -haben den Kampf wider die Metaphysik, wider das -Unsinnliche und Unsinnige gemein. Indem wir uns vorsetzen, -sowohl den Unterschied als die Gemeinschaft der genannten -Forscher klarzustellen, können wir nicht umhin, die große -Seeschlange ernstlich in den Kreis der Erörterung zu ziehen. -Der Spaß wird aber erschwert durch die vielen Namen, die -im Laufe der Geschichte dem Ungeheuer beigelegt wurden. -– Was ist Metaphysik? Sie ist dem Namen nach eine wissenschaftliche -Disziplin – gewesen, die ihre Schatten in die -Gegenwart wirft. Was sucht sie, was will sie? Natürlich -Aufklärung! – aber worüber? – Über Gott, Freiheit und -Unsterblichkeit; – das klingt in unseren Tagen gar pastoral. -Und nennen wir ihren Inhalt mit dem klassischen Namen -des Wahren, Guten und Schönen, so ist dennoch gar viel -daran gelegen, daß wir uns und dem Leser klarmachen, -was denn eigentlich die Metaphysiker suchen und wollen; -ohne das läßt sich weder Darwin noch Hegel, weder was -sie geleistet, noch was sie zu leisten unterlassen und was -daher der Nachkommenschaft zu leisten obliegt, hinlänglich -ermessen und darstellen.</p> - -<p>»Was die Metaphysiker suchen und wollen«, erklärt uns -der fünfte und letzte Abschnitt »Das Licht der Erkenntnis«:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_133">[133]</a></span></p> - -<p>Wo Erleuchtung hernehmen? Moses hat sie vom Berg -Sinai geholt; aber nachdem Juden und Christen länger als -dreitausend Jahre gebetet: »Du sollst nicht stehlen«, stehlen -sie heute noch wie die Raben; das heißt die <em class="gesperrt">Offenbarung</em> -hat sich nicht bewährt. Dann kamen die <em class="gesperrt">Philosophen</em> und -wollten die Erleuchtung aus dem Innern des Kopfes, <em class="antiqua">a priori</em>, -wie sie es nennen, herausspekulieren. Was aber der eine zutage -förderte, wurde vom andern verworfen. Die <em class="gesperrt">Naturwissenschaft</em> -beschritt einen dritten, den induktiven Weg, -sie schöpfte die Weisheit aus der Beobachtung; sie endlich -erwarb wahre, wirkliche, dauerhafte Wissenschaft, eine Wissenschaft, -die alle Welt akzeptiert, die niemand bestreitet, niemand -bestreiten kann und mag. Daraus folgt denn unzweifelhaft -klar, daß wir die Erleuchtung auf dem betretenen naturwissenschaftlichen -Wege zu suchen haben.</p> - -<p>Dennoch gibt es viele Leute, viele auch mit gelehrtester -Ausrüstung, welche mit diesem Lichte sich nicht zufrieden -geben. Sie sprechen vom »metaphysischen Bedürfnis«, bemühen -sich unablässig, darzutun, daß alles naturwissenschaftliche -Erklären und Erkennen, wie fruchtbar auch in den einzelnen -Disziplinen, doch im großen und ganzen unzureichend -ist. »Das Wesen der Materie«, heißt es da, »ist schlechthin -unbegreiflich; alle mechanische Naturerklärung erstreckt sich -nur auf die an diesem rätselhaften Substrate wahrzunehmenden -<em class="gesperrt">Veränderungen</em> und läßt unser Kausalitätsbedürfnis -im letzten Grunde unbefriedigt.«</p> - -<p>Der Materialismus, der das Erkennen und Erklären der -verschiedensten wissenschaftlichen Materien wohl zu praktizieren -weiß, hat es bisher unterlassen, die <em class="gesperrt">Materie der -Erkenntnis</em> zu erklären. Das Erkenntnis- oder Erklärungsvermögen -ist die einzige in der Welt vorhandene Kraft, welche -immer noch verhimmelt wird. Sie ist in der Welt und soll -nicht weltlich, nicht physisch, nicht mechanisch sein. Was denn? -Metaphysisch! Und niemand kann doch Aufklärung geben, -was das heißt. Alle Bestimmungen, die wir erlangen, sind<span class="pagenum"><a id="Seite_134">[134]</a></span> -negativ. Das Metaphysische ist nicht physisch, nicht handgreiflich -und nicht begreiflich. Was sollte es anders sein als -ein <em class="gesperrt">Gefühl</em>, das begnadete Idealisten mit sich herumtragen, -ohne zu wissen, wo es sitzt.</p> - -<p>Alles will der Mensch wissen, und doch hat man etwas, -was nicht zu wissen, nicht zu erklären, nicht zu begreifen ist. -Dann resigniert man und zeigt hin auf die Beschränktheit -des menschlichen Instruments. »Zwei Stellen sind es,« sagt -Lange, »wo der Geist haltmachen muß. Wir sind nicht imstande, -die <em class="gesperrt">Atome</em> zu begreifen, und wir vermögen nicht, -aus den Atomen und ihrer Bewegung auch nur die geringste -Erscheinung des Bewußtseins zu erklären … Man mag den -Begriff der Materie und ihrer Kräfte drehen und wenden, -wie man will, immer stößt man auf ein letztes Unbegreifliches … -Nicht mit Unrecht geht daher Du Bois-Reymond -so weit, zu behaupten, daß unser ganzes Naturerkennen in -Wahrheit noch kein Erkennen ist, daß es nur das <em class="gesperrt">Surrogat</em> -einer Erklärung gibt … Das ist der Punkt, an welchem -die Systematiker und Apostel der mechanischen Weltanschauung -so unachtsam vorübergehen: – die Frage nach den Grenzen -des Naturerkennens.« (F. A. Lange, Geschichte des Materialismus, -2. Band, S. 148 bis 150.)</p> - -<p>Die Sozialdemokraten aber hat Lange nicht gründlich gekannt, -sonst würde er gewußt haben, daß von ihnen auch in -diesem Punkt die mechanische Weltanschauung komplettiert ist.</p> - -<p>Wo soll es hinführen, wenn unser Wissen und Erkennen, -wenn das in den letzten Jahrhunderten von der Wissenschaft -mit so großem Erfolg angewendete Geistes-Instrument nur -noch ein »<em class="gesperrt">Surrogat</em>« sein soll? Wo sitzt denn der wahre -Jakob? Und wenn wir alle Folianten der Philosophie durchstöberten, -würden wir darüber keine positive Angabe finden, -weil gerade die Philosophen es sind, welche den Glauben an -einen persönlichen Herrscher des Himmels und der Erde soweit -zerstört haben. Die unphilosophische <em class="gesperrt">religiöse</em> Welt -besaß in der Tat höheren Orts einen wahren Verstandeskasten,<span class="pagenum"><a id="Seite_135">[135]</a></span> -welcher dem dreckigen Lehm ein Häuchlein hatte mitgeteilt, -und waren sie deshalb berechtigt, den heiligen vom -profanen Geiste, die echte Substanz von ihrem Surrogat zu -unterscheiden. Aber wie solche Unterscheidung von denen zu -verteidigen ist, welche den großen All- und Ur-Geist den -Köhlern überlassen haben, das ist unerfindlich.</p> - -<p>Der metaphysische Gedanke von den »Grenzen der Erkenntnis« -darf nur ein klein wenig auf seinen Inhalt geprüft -werden, um sofort als gedankenlose Phrasenmacherei erkannt -zu werden. »Die Atome sind nicht zu begreifen, und das -Bewußtsein ist nicht zu erklären.« Nun aber besteht die ganze -Welt aus Atomen und Bewußtsein, aus Materie und Geist. -Wenn beides unverständlich ist, was bleibt dann dem Verstande -zu begreifen und zu erklären übrig?</p> - -<p>Das Licht der Erkenntnis macht den Menschen zum Herrn -der Natur. Mit seiner Hilfe vermag er im Sommer das -Eis des Winters und im Winter die Früchte und Blumen -des Sommers darzustellen. Aber stets bleibt die Herrschaft -beschränkt. Alles, was man kann, kann man nur mit Hilfe -der natürlichen Kräfte und Materialien. Die Natur mit bloßen -Worten, mit einem »es werde!« <em class="gesperrt">unbeschränkt</em> beherrschen -wollen, kann nur dem Phantasten einfallen. Wie Kinder und -Naturvölker unbeschränkt herrschen, so möchten unsere kindischen -Gelehrten unbeschränkt erkennen. »Das System des -Begnügens mit der gegebenen Welt«, meint Lange, »steht -im Widerspruch mit den Einheitsbestrebungen der Vernunft, -mit Kunst, Poesie und Religion, in welchen der Trieb liegt, -sich über die Grenzen der Erfahrung hinauszuschwingen.« – -Nun sind Kunst und Poesie als Phantasien bekannt, wenn -auch als schöne und anbetungswürdige, und wenn die Religion -und der metaphysische Trieb nicht mehr sein und in -dieselbe Kategorie gehören wollen, so hat kein Verständiger -etwas dagegen einzuwenden. Der Mensch mag den metaphysischen -Trieb, über alle Grenzen zu schnappen, wirklich -haben, wenn er nur einsieht, daß es ein unwissenschaftlicher<span class="pagenum"><a id="Seite_136">[136]</a></span> -Trieb ist. Das Licht der Vernunft hat durchaus seine Grenzen, -wie alle Dinge, wie Holz und Stroh, wie Technik und Verstand, -also verständige Grenzen, die jeder Teil haben muß, -wenn er keine Narretei sein will.</p> - -<p>Wie der Mensch alles machen kann, so kann er auch alles -erkennen – innerhalb verständiger Grenzen. Wir können nicht -schaffen wie der liebe Gott, der die Welt aus Nichts gemacht. -Wir müssen uns am Gegebenen, an den vorhandenen Kräften -und Stoffen halten und ihren Eigenschaften Rechnung tragen; -sie lenken und leiten, sie formen, nennen wir schaffen; die -vorhandenen Materialien in Ordnung und Regel bringen, -generalisieren oder klassifizieren, die mathematischen Formeln -der natürlichen Wandlungen abstrahieren – das nennen wir -erkennen, begreifen, erklären.</p> - -<p>Demnach ist unsere ganze geistige Erleuchtung eine formelle -Geschichte, eine mechanische Wirtschaft. Wie in der -technischen Produktion die Naturerscheinungen leiblich verwandelt, -so sollen in der Wissenschaft die Naturwandlungen -geistig erscheinen. Wie die Produktion das überspannte Schöpfungsbedürfnis, -so läßt die Wissenschaft oder das »Naturerkennen« -das überspannte Kausalitätsbedürfnis im letzten -Grunde unbefriedigt. Aber sowenig ein verständiger Mensch -darüber lamentieren wird, daß wir zum Schaffen ewig Materialien -bedürfen und aus Nichts und frommen Wünschen -nichts machen können, sowenig wird derjenige, der Einsicht -in die Natur des Erkennens hat, damit über die Erfahrungen -hinausfliegen wollen. Zum Erkennen oder Erklären bedürfen -wir, wie zum Schaffen, Material. <em class="gesperrt">Demnach kann keine -Erkenntnis Aufklärung geben, wo das Material -herkommt oder anfängt</em>. Die Erscheinungswelt oder das -Material ist das Primitive, das Substantielle, das weder -Anfang, Ende noch Herkommen hat. Das Material ist da, -und das Dasein ist materiell (im weiteren Sinne des Wortes) -und das menschliche Erkenntnisvermögen oder Bewußtsein -ist ein Teil dieses materiellen Daseins, welches wie alle anderen<span class="pagenum"><a id="Seite_137">[137]</a></span> -Teile nur ein bestimmte, begrenzte Funktion, das Naturerkennen, -ausüben kann.</p> - -<p>Warum sollte nicht, wie das Erkennen, so auch das Blech, -die Bretter und das Rindfleisch verhimmelt werden? Die -Aufgabe der Radikalen besteht in dem Nachweis, daß auch -der letzte subtilste metaphysische Rest von »etwas Höherem« -mit dem abgeschmacktesten Aberglauben in dieselbe Rumpelkammer -gehört.</p> - -<p>Formen, Veränderungen oder Wandelbarkeiten bietet die -Welt. Wem das zu wenig ist, der sucht Ewiges über den -Sternen, wie die Religion, oder hinter den Erscheinungen, -wie die spekulative Philosophie. Die »kritischen« Philosophen -aber haben dunkel geahnt, daß das, was man sucht, ein -Sparren ist, den die Bildung aus dem Menschenkopf zu entfernen -hat. Die Forschung nach der Substanz haben sie deshalb -aufgegeben und ihr Interesse dem <em class="gesperrt">Organ</em> der Forschung, -dem Erkenntnisvermögen zugewandt. Da hat man -recht kritisch gearbeitet. Wenn vormals hinter jedem Busch -und Strauch »etwas Höheres« stecken mußte, so ist das jetzt -doch, wenigstens in den maßgebenden Kreisen, bis in die letzte -Heimlichkeit, bis hinter die unerfindlichen Atome und bis -hinter das noch heimlichere Bewußtsein verdrängt.</p> - -<p>Dort sind die »Grenzen unseres Erkennens«, und dort -steckt der Sparren. Sich davon zu befreien, ist um soviel -schwerer, weil seit den Forderungen des vierten Standes -unsere offiziellen Gelehrten angewiesen sind, eine konservative, -reaktionäre Politik zu verfolgen.</p> - -<p>Wenn nun die zeitgenössischen Philosophen mit dem Geschichtschreiber -des Materialismus (F. A. Lange) an der Spitze -herankommen und sagen, die Welt bietet Erscheinungen, das -sind die Objekte des Naturerkennens; letzteres hat es mit -den Veränderungen zu tun, wir aber suchen an einer höheren -Erkenntnis oder an ewigen, wesenhaften Objekten, dann -ist klar, daß es mystizistisch Unersättliche sind, welche mit -sämtlichen Körnern eines Sandhaufens sich nicht begnügen<span class="pagenum"><a id="Seite_138">[138]</a></span> -wollen, sondern hinter allen Körnern extra noch einen körnerlosen -Sandhaufen suchen.</p> - -<p>Wer mit dem Jammertal der Erscheinungswelt so durchaus -zerfallen ist, mag sich mit der unsterblichen Seele in -einen feurigen Wagen setzen und gen Himmel fahren. Wer -aber hier bleiben und an das Heil des wissenschaftlichen Naturerkennens -glauben will, soll sich mit der materialistischen -Logik vertraut machen. Da lautet</p> - -<p>§ 1: Das intellektuelle Reich ist nur von dieser Welt.</p> - -<p>§ 2: Die Operation, welche wir Erkennen, Begreifen, Erklären -nennen, soll und kann nichts als diese Welt des sinnlichen, -zusammenhängenden Daseins klassifizieren nach Gattungen -und Arten, sie soll und kann nichts als das formale -Naturerkennen praktizieren. Anderes Erkennen gibt es nicht.</p> - -<p>Aber dann kommt der »metaphysische Trieb«, der mit dem -»formalen Erkennen« sich nicht begnügt und nun, er weiß -selbst nicht wie, erkennen will. Ihm ist es nicht genug, mit -dem Verstand die Erfahrungen zu klassifizieren. Was die -Naturforschung Wissenschaft nennt, ist ihm nur ein Surrogat, -ein armes, begrenztes Wissen; er verlangt nach unbegrenzter -Vergeistigung, so daß die Dinge rein aufgehen -sollen im Verständnis. Warum will denn der liebe Trieb -nicht einsehen, daß er nur eine überspannte Forderung stellt? -Die Welt geht nicht aus dem Spiritus hervor, sondern umgekehrt. -Das Sein ist keine Art des Intellekts, sondern der -Intellekt eine Art des empirischen Daseins. Dasein ist das -Absolute, das überall und ewig ist; das Denken nur eine -besondere beschränkte Form desselben.</p> - -<p>Der Trieb, über die Erscheinungen hinauszugehen bis zur -Wahrheit und zum Wesen, ist wissenschaftlicher Trieb. Aber -er darf nicht überschnappen; er muß seine Grenzen kennen. -Er soll seine Wahrheiten und Wesenheiten nicht separieren -von der Erscheinung; er darf nur nach subjektiven Objekten, -nach <em class="gesperrt">relativer</em> Wahrheit forschen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_139">[139]</a></span></p> - -<h2 id="X">X.<br /> -Das Akquisit der Philosophie.</h2> -</div> - -<p>Das »Akquisit der Philosophie« ist 1887 – in Dietzgens -letztem Lebensjahr – in Chicago geschrieben. In der Vorrede -erzählt unser Autor, wie er in den vierziger Jahren -aus der Lektüre von Zeitungen und Schriften der extremen -Lager – der preußischen Reaktion und der freidenkerischen -Revolutionäre – zur Erkenntnis kam, daß »der Geist beider -Heerlager aus dem Akquisit der Philosophie, zunächst aus -der Hegelschen Schule stammte«. Damit wollte er wohl sagen, -daß die fundamentalen Prämissen der Gerlach, Stahl und -Leo das historisch <em class="gesperrt">Gewordene</em> als Bleibendes zur Voraussetzung -hatten, während dasselbe für Feuerbach, Marx und -Engels etwas <em class="gesperrt">fortschreitend</em> Veränderliches war; das eine -wie das andere läßt sich »hegelisch« etikettieren, je nachdem -man es mit dem <em class="gesperrt">Sein</em> oder dem <em class="gesperrt">Werden</em> hält; in Hegel -ist Raum für Konservativismus wie für Fortschritt.</p> - -<p>Nach Dietzgens Vorhaben sollte das »Akquisit der Philosophie« -eine verbesserte Auflage des »Wesens der Kopfarbeit« -sein – alter Wein in einem neuen Schlauch; darin hat er -sich wohl getäuscht; das »Akquisit« ist zwar eine Fortsetzung -und Ergänzung, aber kein Ersatz seines ersten Werkes, das -vielmehr sein Hauptwerk geblieben.</p> - -<p>Im ersten Abschnitt »Die Erkenntnis als Spezialobjekt« -(der Philosophie) sagt er: Im griechischen Altertum hatte -das Wort Philosophie (Weisheitsliebe) eine andere Bedeutung -als heute. Bei den Griechen war es gänzlich unentschieden, -ob der Philosoph (Weisheitsliebender) Mathematiker -oder Astronom, ob er sich die Arzneiwissenschaft, die Redekunst -oder die Lebenskunst zum Gegenstand seiner Forschungen -machte. Die Fächer lagen da ineinandergerollt wie der Embryo<span class="pagenum"><a id="Seite_140">[140]</a></span> -im Mutterschoß. Als die Menschheit noch wenig wußte, -konnte man schon ein Weiser sein; aber heute muß man sich -spezialisieren, muß man sich einer <em class="gesperrt">speziellen</em> Wissenschaft -befleißigen, weil das Forschungsgebiet zu reich geworden -ist. Der Philosoph ist heute kein Weiser mehr, sondern ein -Spezialist.</p> - -<p>Die Philosophie hat auch heute noch die Erkenntnis zu -ihrem Gegenstand; aber nicht mehr die unbestimmte, welche -<em class="gesperrt">alles</em> erkennen will, sondern – wie soll ich es populär ausdrücken? -– sie hat die Erkenntnis als solche, die Methode -der Erkenntnis zu ihrem Zwecke erwählt, sie will erkennen, -<em class="gesperrt">wie es gemacht wird</em>, andere Objekte mit dem Lichte des -Verstandes zu durchleuchten. Um es recht deutlich zu sagen: -nicht mehr die Erkenntnis, die alles wissen will, wie zur Zeit -des Sokrates, sondern der Verstand als Spezialobjekt, das -Denk- oder Erkenntnisvermögen ist zum Forschungsgegenstand -der Philosophie geworden.</p> - -<p>Die heutige Erkenntnistheorie ist eine wirkliche Wissenschaft. -Die Altväter zum Beispiel suchten die Erkenntnis <em class="antiqua">à la</em> -Sokrates und Platon, mit Verachtung der äußeren Erfahrung, -in den Eingeweiden des Menschenkopfes. Sie glaubten -durch <em class="gesperrt">Grübeln</em> die Wahrheit zu erforschen.</p> - -<p>Schon Aristoteles hatte mehr Sinn für die äußere Welt.</p> - -<p>Mit der alten Kultur ging natürlich auch die alte Philosophie -unter, bis sie vor einigen hundert Jahren, im Anfang -der neueren Zeit, endlich wieder frisch auflebte.</p> - -<p>Von Aristoteles bis Bacon hat die Philosophie geschlafen, -wenigstens kein merkliches Akquisit gefördert. Erst nachdem -die gesamte Kultur die menschliche Erkenntnis so weit gefördert -hat, daß nunmehr das intellektuelle Licht von allen -Disziplinen der Wissenschaft ausstrahlt, wird sich die Philosophie -ihres Spezialobjektes bewußt und vermag ihr Akquisit -aus dem Wuste der Vergangenheit herauszuschälen.</p> - -<p>Das Akquisit der Philosophie, die erforschte Erkenntnis -oder das erforschte Erkenntnisvermögen, ist daher neben den<span class="pagenum"><a id="Seite_141">[141]</a></span> -Gütern der Wissenschaft ein ebenso wertvoller Schatz der -Menschheit wie die Methodik der modernen Produktion neben -den materiellen Gütern des Nationalreichtums.</p> - -<p>Im zweiten Abschnitt wird Dietzgens aus den früheren -Schriften bekannter Hauptlehrsatz »Das Erkenntnisvermögen -hängt mit dem Universum verwandtschaftlich zusammen« erörtert:</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">Technik der Erkenntnis</em> wurde von der gesamten -Kulturbewegung zutage gefördert – als philosophisches Akquisit. -Die gesamte Kulturbewegung hat den Philosophen -auf die Strümpfe geholfen.</p> - -<p>Die Geschichte der Philosophie ist ein saures Ringen mit -der Frage: was ist und was tut, aus welchen Teilen besteht -und welcher Natur ist die Erkenntnis oder Intelligenz, die -Vernunft, der Verstand usw?</p> - -<p>Das vornehmlichste Akquisit bei der Lösung dieses Problems -ist die sich in unseren Tagen immer heller und präziser -geltend machende Erkenntnis, daß die Natur des menschlichen -Intellekts mit der Gesamtnatur von <em class="gesperrt">einer</em> Gattung, -von <em class="gesperrt">einer</em> Art oder <em class="gesperrt">einem</em> Geschlecht ist; der Menschengeist -ein bestimmter, begrenzter Teil des unbegrenzten Kosmos, -der Natur oder des Universums ist.</p> - -<p>Wie ein Stück Eichenholz die zwieschlächtige Eigenschaft -besitzt, neben seiner eichenen Spezialnatur nicht nur an der -allgemeinen Holznatur, sondern auch <em class="gesperrt">an der unendlichen -Allgemeinheit</em> der Generalnatur teilzunehmen, so ist auch -der Intellekt eine begrenzte Spezialität, welche zugleich die -Eigenschaft besitzt, als ein Teil des Universums selbst universal -zu sein und sich seiner und aller Universalität bewußt -zu werden. Die unendliche universelle, kosmische Natur steckt -im Intellekt, im menschlichen sowohl als im tierischen, wie -sie im Eichenholz, in allen anderen Hölzern, in allen Stoffen -und Kräften steckt. Die weltliche, monistische Natur, welche -vergänglich und unvergänglich, begrenzt und unbegrenzt, -speziell und generell zugleich ist, befindet sich in allem und<span class="pagenum"><a id="Seite_142">[142]</a></span> -alles befindet sich in dieser Natur – die Erkenntnis oder -das Vermögen der Erkenntnis macht davon keine Ausnahme.</p> - -<p>»Inwiefern ist der Intellekt beschränkt und unbeschränkt?« -lautet die Überschrift des dritten Abschnitts.</p> - -<p>Die Erkenntnis ist ein Vermögen neben anderen, und alles, -was neben anderem liegt, ist davon beschränkt und begrenzt. -Wir können alles erkennen, aber wir können auch alles betasten, -sehen, hören, riechen und schmecken; wir haben auch -das Vermögen herumzuwandeln und dergleichen Vermögen -noch mehr. Eine Kunst beschränkt die andere, und doch ist jede -in <em class="gesperrt">ihrem Gebiet</em> unbeschränkt. Die verschiedenen menschlichen -Vermögen gehören zusammen und machen zusammen -den menschlichen Reichtum aus.</p> - -<p>Der Verstand des Menschen ist beschränkt, wie sein Gesicht -beschränkt ist. Das Auge kann durch eine Glasscheibe -hindurchsehen, aber nicht durch ein Brett; gleichwohl werden -wir es für keine Beschränktheit irgendeines Auges halten, -wenn es die Bretter nicht durchschauen kann. Diese drastischen -Gleichnisse sind zeitgemäß, weil es gelehrte Herren gibt, die -mit der bedächtigsten Miene von der Welt den Finger an -die Nase legen und auf die Beschränktheit unseres Intellekts -<em class="gesperrt">in dem Sinne</em> aufmerksam machen, als <em class="gesperrt">sei das</em> Erkennen, -das auf dieser Erde wissenschaftlich produziert wird, <em class="gesperrt">nur -so ein nominelles, aber gar kein eigentliches</em> Wissen -und Kennen. Der menschliche Intellekt wird so zum »Surrogat« -irgendeines »höheren« Intellekts herabgewürdigt, der -ahnungsvoll in dem kleinen Kopfe eines Heinzelmännchens -oder in dem großen eines allmächtigen Wolkenschiebers nicht -entdeckt, aber »geglaubt« werden soll. Jetzt ist der Intellekt -erkannt als eine begrenzte, beschränkte, natürliche Erscheinung, -Kraft oder Potenz, welche nicht unermeßlich, wohl aber gleich -allen anderen Kräften und Stoffen ein Teil des Unermeßlichen, -Ewigen und Unbegrenzten ist.</p> - -<p>Die Kenntnis des Universums, des Unbegrenzten ist uns -sowohl angeboren als durch Erfahrung gegeben. Angeboren<span class="pagenum"><a id="Seite_143">[143]</a></span> -ist dem Menschen diese Kenntnis, ähnlich wie ihm die Sprache -angeboren ist, nämlich in der Keimform, und die Erfahrung -gibt uns das Unbegrenzte in negativer Weise; wir erfahren -nirgends und von keinem Dinge Anfang oder Ende. Ganz -im Gegenteil hat uns die Erfahrung positiv darüber aufgeklärt, -daß alle vermeintlichen Anfänge und <span id="corr143">Enden</span> nur Zusammenhänge -des unendlichen, unermeßlichen, unerschöpflichen -und unauskenntlichen Universums sind. Gegenüber dem -kosmischen Reichtum ist der Intellekt allerdings ein armer -Schlucker, was ihn nicht hindert, andererseits das vollkommenste -Instrument zu sein, um die begrenzten Erscheinungen -des unbegrenzten Naturwesens in klarster und deutlichster -Weise konterfeien zu können.</p> - -<p>Das Thema wird im vierten Abschnitt »Von der Allgemeinheit -der Natur« fortgesetzt:</p> - -<p>Was sich in der Natur widerspricht, soll unser Kopf auflösen. -Wenn er so viel Selbstkenntnis besitzt, zu wissen, daß -er keine Ausnahme von der allgemeinen Natur, sondern ein -natürliches Stückchen desselben Stoffes ist (trotzdem er sich -»Geist« nennt), so weiß er und muß er zugleich wissen, daß -seine Klarheit sich von der natürlichen Verworrenheit, daß -sich die Lösung des Rätsels vom Rätsel selbst nur ganz mäßig -unterscheiden kann. Nur durch mäßige Unterscheidung lösen -sich die Widersprüche, nur durch die erkenntnistheoretische -Wissenschaft, daß überschwengliche Grundverschiedenheiten -eben nur <em class="gesperrt">Überschwenglichkeiten</em> sind.</p> - -<p>Behufs dessen müssen wir uns vergegenwärtigen, daß es -nur <em class="gesperrt">ein</em> Wesen gibt und alle anderen sogenannten Wesen -als unwesentliche Formen des Generalwesens zu erkennen -sind, welches letztere mit den Namen Natur oder Universum -bezeichnet wird.</p> - -<p>Ursprünglich also zu Übertreibungen im Unterscheiden geneigt, -hat man das menschliche Erkenntnisvermögen für ein -Wesen von anderer Natur angesehen als die natürlichen -Wesen, welche neben und außer dem Intellekt existieren. Nun<span class="pagenum"><a id="Seite_144">[144]</a></span> -ist aber zu bemerken, daß jedes Stückchen der Natur ein -»anderes« individuelles Naturstückchen ist, und ferner, daß -jeder andere und anders geartete individuelle Teil trotzdem -und zugleich auch <em class="gesperrt">kein anderer, sondern ein gleichartiges</em> -Stück der Generalnatur ist. Die Sache ist gegenseitig: -das allgemeine Naturwesen besteht nur mittels der -unendlich vielen individuellen Spezialitäten, und diese wieder -bestehen nur in dem, mit dem und durch das allgemeine kosmische -Gesamtwesen.</p> - -<p>Unser Intellekt ist ein Teil des Unerschöpflichen und hat -also auch teil an seiner unerschöpflichen Natur. Der Naturteil, -welcher den Namen Intellekt führt, ist nur insofern beschränkt, -wie der Teil kleiner ist als das Ganze.</p> - -<p>Der fünfte Abschnitt »Wie das Erkenntnisvermögen ein -Stück der Menschenseele ist« knüpft an die Theorie des Psychophysikers -Fechner an, nach der alle leblosen wie lebenden -Wesen eine Seele haben:</p> - -<p>Fechner ist ein Dichter, und der Dichter sieht Ähnlichkeiten, -die der nüchterne Kopf nicht sieht; dabei müssen wir aber -zugeben, wie der nüchterne Kopf, der überall <em class="gesperrt">nur die Unterschiede</em> -sieht, ein sehr erbärmlicher Kopf ist.</p> - -<p>Wenn der Unterschied zwischen Menschen und Steinen nicht -so groß ist, daß solch ein genialer Kopf wie Fechner sie als -gemeinsam beseelt mit Fug und Recht darstellen <span id="corr144">kann</span>, so wird -doch auch – was Fechner noch entgangen – der Unterschied -zwischen Leib und Seele nicht so groß sein, daß gar keine -Ähnlichkeit, keine Gemeinschaft stattfände. Ist die Luft und -der Duft nicht ein ätherischer Leib?</p> - -<p>Alle Dinge sind so ähnlich, daß ein guter Dichter aus -allem alles machen kann. Kann das vielleicht auch die Naturwissenschaft? -Ah! Diese Herren sind auch auf dem besten -Wege. Sie machen das Trockene flüssig und das Flüssige -gasförmig, machen aus der Schwerkraft Wärme und aus der -Wärme wieder Triebkraft; aber dabei vergessen sie nicht den -Unterschied der Dinge, wie es unserem Fechner passiert ist.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_145">[145]</a></span></p> - -<p>Es ist nicht genug, zu wissen, daß der Leib beseelt und -die Seele beleibt ist, nicht genug, zu wissen, daß alles eine -Seele hat, es wollen auch die Menschen-, Tier-, Pflanzen- -usw. Seelen in ihren Einzelheiten und Eigentümlichkeiten gehörig -getrennt, eingeteilt, markiert und unterschieden sein; -man hüte sich nur, den Unterschied zu übertreiben und exorbitant -zu machen, damit er nicht sinnlos werde.</p> - -<p>Wir machen es uns nicht zur Aufgabe, der Allerweltsseelentheorie -weiter zu folgen. Fechner erklärt selbst: »Von -vornherein ist zu gestehen, die ganze Seelenfrage ist und bleibt -eine Glaubensfrage.«</p> - -<p>Jedoch steht seit Cartesius fest, wenigstens in der philosophischen -Welt, daß das Bewußtsein der menschlichen Seele -von ihrem Dasein das Sicherste ist, das sie weiß. Die positivste -Wissenschaft von der Welt ist die erfahrungsmäßige -Wahrnehmung der denkenden Seele von sich selbst. Dieses -Subjekt ist das evidenteste Objekt, das sein kann, und das -Leben und Treiben dieses Seelenstückchens, das sich Bewußtsein -oder Erkenntnisvermögen nennt, trefflich geschildert zu -haben, ist das Akquisit der Philosophie.</p> - -<p>Hieran reiht sich als sechster Abschnitt das Thema »Dem -Bewußtsein ist nicht nur die Möglichkeit oder das Vermögen -überhaupt zu wissen, sondern auch das Bewußtsein von der -Universalität der Generalnatur angeboren«.</p> - -<p>Im geschichtlichen Verlauf der Philosophie ist namentlich -viel Disput darüber gewesen, wie unsere Kenntnisse zustande -kommen, ob und was davon angeboren und was durch Erfahrung -erworben ist. Ohne <em class="gesperrt">angeborene</em> Fähigkeit war -auch mit aller Erfahrung keine Kenntnis zu sammeln, und -ohne alle Erfahrung mußte das beste Vermögen leer bleiben. -Die zustande gebrachte Wissenschaft auf allen Gebieten ist -also die Folge einer Wechselwirkung von Subjekt und Objekt.</p> - -<p>Ohne daß etwas Objektives zu sehen vorhanden wäre, -könnte auch kein subjektives Gesichtsvermögen da sein. Ein -Gesichts<em class="gesperrt">vermögen</em> besitzen, bedeutet zugleich die faktische Ausübung<span class="pagenum"><a id="Seite_146">[146]</a></span> -der Gesichtsfunktion. Man hat nicht das Vermögen -zu sehen, ohne daß man etwas sieht. Zwar läßt sich beides -trennen, doch nur in der Theorie, nicht in der Praxis, und -es ist und soll die theoretische Trennung von dem Bewußtsein -begleitet sein, daß das getrennte Vermögen nur ein von -der Ausübung abgeleiteter Begriff ist. Vermögen und Ausübung -stecken ineinander und gehören zusammen.</p> - -<p>Der Mensch bekommt erst ein Bewußtsein, ein Vermögen -zu wissen, nachdem er etwas weiß, und es wächst die Kraft -mit der Ausübung.</p> - -<p>Wenn wir jetzt behaupten, daß der Begriff des Universums -ein angeborener Begriff sei, darf der geneigte Leser -nicht schließen, daß wir deshalb das alte Vorurteil pflegten, -wonach der Menschenverstand oder die Vernunft gleichsam -eine Büchse sei, mit Begriffen gefüllt über das Wahre, Schöne, -Gute und dergleichen Dinge. Nein, der Intellekt kann seine -Begriffe, Vorstellungen, Urteile usw. nur selbsttätig durch -Produktion hervorbringen, wozu die anderweitige Welt das -Material hergeben muß; aber dies Produzieren setzt die angeborene -Fähigkeit dazu voraus. Das Bewußtsein, das Wissen -vom Sein, muß gegeben sein, bevor ein anderes spezielleres -Wissen praktiziert werden kann.</p> - -<p>Das Bewußtsein ist <em class="antiqua">per se</em> das Bewußtsein des Grenzenlosen. -Das dem Menschen angeborene Bewußtsein ist die -Wissenschaft des unbegrenzten Daseins. Wenn ich weiß, daß -ich da bin, weiß ich mich als ein Stück des Daseins. Daß -nun dies Dasein, diese Welt, wovon ich wie jedes andere -Partikelchen nur ein Stück bin, eine <em class="gesperrt">unbegrenzte</em> Welt -sein muß, werde ich allerdings erst gewahr, wenn ich den -Begriff des Seins mit einem gewitzigten Denkinstrument -analysiere. Begriffs-, Erkenntnis-, Denkvermögen heißt vor -allem das Vermögen, den Universalbegriff zu fassen. Der -Intellekt kann keinen Begriff bilden, keine Vorstellung haben, -denen nicht die Vorstellung oder der Begriff des Universums -mehr oder weniger dunkel oder hell zugrunde liegt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_147">[147]</a></span></p> - -<p>Daß unserem Denkvermögen die Denkfähigkeit, die universale, -angeboren, ist doch keineswegs unbegreiflicher als -auch, daß die Kreise rund, zwei Berge mit einem zwischenliegenden -Tale, Wasser flüssig und Feuer brennend auf die -Welt gekommen. Alle Dinge besitzen gewisse Beschaffenheit -<em class="antiqua">per se</em>; sie sind damit geboren. Bedarf das noch einer Erklärung? -Die Blumen, welche den Pflanzen mit der Zeit, -und die Kräfte und Weisheit, welche den Menschen mit den -Jahren anwachsen, sind nicht erklärlicher als die angeborenen -Eigenschaften, und die angeborenen nicht wunderbarer als -die später erlangten. Die beste Erklärung vermag den Wundern -der Natur nicht die <em class="gesperrt">natürliche</em> Wunderbarkeit zu -nehmen.</p> - -<p>Ich und mancher meiner Leser finden in unseren Köpfen -das tatsächliche Bewußtsein, daß die Generalnatur, wovon -der Intellekt ein Stück ist, eine endlose, unbegrenzte Natur -ist. Diesen Begriff von der Universalität nenne ich »angeboren«, -obgleich er ein erworbener ist. Ich versuche nämlich -beim Leser geltend zu machen, wie der Unterschied, den man -gemeiniglich zwischen angeborenen und erworbenen Eigenschaften, -Fähigkeiten und Besitzungen macht, kein so extravaganter -ist, daß nicht das Angeborene der Erwerbung bedürfe -und das Erworbene eine angeborene Natur voraussetze.</p> - -<p>Die Philosophie hat sich darum bemüht, den Intellekt zu -erkennen. Bei der Darstellung ihres Akquisits haben wir zu -erläutern, daß die Erkenntnis, die philosophische sowohl als -jede andere, nicht aus dem <em class="gesperrt">isolierten</em> Erkenntnisvermögen, -sondern aus der Gesamt<em class="gesperrt">natur</em> entspringt. Die Gebärmutter -unserer Kenntnisse und Erkenntnisse ist nicht nur im Menschenkopf, -vielmehr in der Gesamtwelt zu suchen, welche nicht nur -Universum heißt, sondern auch universal ist.</p> - -<p>Das menschliche Bewußtsein ist zunächst ein individuelles. -Jedes menschliche Individuum hat sein eigenes. Jedoch ist -es eine Eigentümlichkeit meines, deines und jedes anderen -Bewußtseins, nicht nur das Bewußtsein des betreffenden<span class="pagenum"><a id="Seite_148">[148]</a></span> -Individuums, sondern das Generalbewußtsein des Universums -zu sein – wenigstens seinem Beruf und der Möglichkeit -nach. Nicht jedes Individuum hat sich die Universalität -der Generalnatur klar gemacht – woher käme sonst der vertrackte -Dualismus? Woher die Notwendigkeit, daß erst die -bändereiche Philosophie uns belehren mußte, wie eine Grenze, -ein Ding oder eine Welt, außerhalb der universalen, ein -unsinniger Gedanke, ein Gedanke ist, der sich mit Sinn und -Verstand gar nicht verträgt? Wir mögen deshalb wohl die -positive Erklärung abgeben, daß unser Bewußtsein, unser -Intellekt nur »<em class="gesperrt">sozusagen</em>« der unserige, <em class="gesperrt">eigentlich</em> und -wahrhaft jedoch ein Bewußtsein, ein Intellekt ist, welcher -der universellen Welt oder Generalnatur angehört.</p> - -<p>Wenn nicht zu leugnen, daß Sonne, Mond und Sterne -eine Zubehör der endlosen, unermeßlichen Welt sind, so ist -diese Eigenschaft doch auch unserem Bewußtsein nicht abzusprechen. -Da also dies intellektuelle Vermögen dem Unermeßlichen -angehört und sein Kind ist, dürften wir es nicht -wunderlich finden, daß dies der Universalität angehörige -Begriffsvermögen mit der Möglichkeit des Universalbegriffs -zur Welt kommt. Und wer das nicht mehr wunderlich findet, -muß es doch wohl erklärlich finden, muß finden, daß diese -Tatsache des Bewußtseins erklärt ist.</p> - -<p>In logischem Anschluß hieran handelt der siebte Abschnitt -»von der Verwandtschaft, auch Identität genannt, zwischen -Geist und Natur«.</p> - -<p>»Es gibt ein Naturgesetz der Analogie, welches erklärt, daß -alle Dinge, die das Universum vereinigt, zu derselben Familie -gehören, daß sie durch die Verwandtschaft verbunden sind, -welche die größte Mannigfaltigkeit individueller Unterschiede -verträgt und selbst durch den Abstand der Extreme nicht aufgehoben -wird.« Wenn wir diese Worte bis in ihre letzte Konsequenz -begreifen, so ist damit das bisherige Akquisit der -Philosophie erkannt. Sie belehren uns, wie wir den Intellekt -gebrauchen sollen, um uns ein treffliches Bild vom Universum<span class="pagenum"><a id="Seite_149">[149]</a></span> -zu machen. Wenn alle Dinge verwandt, alle, ohne Ausnahme, -Sprößlinge des Universums sind, so müssen doch auch -der Geist und die Materie zwei Ellen Zeug von einem <em class="gesperrt">Stoffe</em> -sein; es darf auch der Unterschied zwischen dem menschlichen -Erkennen und anderen menschlichen und natürlichen Funktionen -zu keinem überschwenglichen, keinem extravaganten, -keinem <em class="antiqua">toto coelo</em>-Unterschied aufgebauscht werden.</p> - -<p>Philosophie nennt sich die Bemühung, den menschlichen -Denkprozeß zu erhellen. Diese Arbeit ist unsagbar erschwert -worden durch das unvermeidliche Mißverständnis der soeben -beschriebenen universalen Verwandtschaft. Vor allem sollte, -so verlangen die Überschwenglichen, das Denken und dessen -Produkt, der Gedanke, nicht in die familiäre Physik, nicht -in die physische Natur gehören, sondern das Geschöpf einer -anderen Natur sein, welche den mysteriösen Namen Metaphysik -führt.</p> - -<p>Auch die Materialisten sind einseitig versessen auf ihre -»Materie« wie die Idealisten auf ihre »Idee«. Streit und -Zank ist Wirrsal, nur Friede bringt Licht. Der Gegensatz -zwischen dem Materiellen und Ideellen findet in dem Akquisit -der Philosophie seine Versöhnung, welche lehrt, daß wir in -allen Unterscheidungen mäßig sein müssen, weil weder unser -Denkinstrument, noch die anderweitige Natur zu extravaganten -Unterschieden berechtigt. Um Licht in die Streitfrage zu -bringen, bedarf es nur der Einsicht, daß die Ideen, welche -die Natur in den Menschenköpfen entwickelt, wenn auch kein -Material für unsere Hände, so doch ein Material für unsere -Erkenntnis sind.</p> - -<p>Stoffe, Kräfte, Ideen, Vorstellungen, Begriffe, Urteile, -Schlüsse, Kenntnisse und Erkenntnisse wollen gemäß der Aufklärung, -welche die Philosophie zutage förderte, als Verschiedenheiten -oder Mannigfaltigkeiten <em class="gesperrt">einer</em> monistischen -Gattung erkannt sein. Die Verschiedenheit dieser Dinge widerspricht -ebensowenig der Einheit, als die Einheit der Verschiedenheit -widerspricht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_150">[150]</a></span></p> - -<p>Um den Wurm und den Elefanten, das niedrigste und -das höchste Tier, Vegetabilisches und Animalisches, Anorganisches -und Organisches als Glieder einer Art oder Gattung -verständnisinnig zu verbinden, ist die Allmählichkeit, die -Stufenordnung der Natur, sind die Übergänge, die Mitteldinge -und Mittelbegriffe vornehmlich zu beachten. Die Embryologie, -welche zeigt, wie das animalische Leben des höchsten -Tieres <em class="gesperrt">die Stufen der Tiergattung</em> durchläuft, hat das -Verständnis <em class="gesperrt">der gemeinschaftlichen Art aller Tiere</em> -besonders gefördert.</p> - -<p>Was Darwin für die Tierwelt begreifen lehrte, daß es -innerhalb derselben keine grundverschiedenen Arten gebe, lehrt -die Philosophie in betreff des Kosmos. Die Erkenntnis des -letzteren wird gehindert durch die Gewohnheit, zwischen Materie -und Geist einen unmäßigen Unterschied zu machen.</p> - -<p>Vorstehende Lehre erhält einen prägnanten Ausdruck im -Titel des achten Abschnitts »Die Erkenntnis ist materiell«.</p> - -<p>Gemäß der neueren Naturwissenschaft löst sich das ganze -Dasein in Bewegung auf. So viel ist ohnehin längst bekannt -und notorisch, daß selbst die Felsen nicht stillstehen, sondern -immer in Tätigkeit, im Entstehen und Vergehen sind.</p> - -<p>Die Erkenntnis, der Intellekt, ist ein tätiger Gegenstand, -eine gegenständliche Tätigkeit, wie der Sonnenschein, wie der -Wasserfluß, wie der wachsende Baum, wie der verwitternde -Stein oder irgendein anderes Naturphänomen. Auch ist -die Erkenntnis, ist das Denken, welches im Menschenkopf, -gleichviel ob willkürlich oder unwillkürlich, vorgeht, <em class="gesperrt">eine -Wahrnehmung</em>, eine Wahrnehmung von ebenso unzweifelhafter -Gewißheit, als die allermateriellste. Daß wir die erkennende, -denkende, intellektuelle Tätigkeit durch den inneren -Sinn und nicht durch den äußeren wahrnehmen, kann unsere -Behauptung von der sinnlichen Wahrnehmbarkeit der Sache -nicht im geringsten erschüttern. Ob der Stein äußerlich vorhanden -und das Denken innerlich – was ändert diese kleine -Differenz an der unverrückbaren Tatsache, daß beide Wahrnehmungen<span class="pagenum"><a id="Seite_151">[151]</a></span> -gleicher Art, und zwar sinnlicher Art sind? Warum -soll nicht die Denktätigkeit mit der Herztätigkeit in dieselbe -Kategorie gehören? Und wenn der Herzschlag auch ein innerer -und der Zungenschlag der Nachtigall ein äußerer, was kann -uns hindern, diese beiden so sehr differenten Schläge unter -der höheren Einheit natürlicher oder materieller Vorgänge -zusammenzufassen? Wenn also die Herzfunktion mit dem -Namen einer materiellen beehrt werden darf, warum nicht -die Hirnfunktion?<a id="FNAnker_14_14"></a><a href="#Fussnote_14_14" class="fnanchor">[14]</a></p> - -<p>Nicht nur Tastbarkeiten sind »Dinge«, auch Sonnenstrahlen -und Blumendüfte gehören in diese Kategorie, und Erkenntnisse -nicht minder. Aber alle diese »Dinge« sind nur relative -Dinge, insofern sie Eigenschaften des Einen und Absoluten -sind, welches das einzige Ding, das »Ding an sich« -ist, einem jeden wohlbekannt unter dem Namen Universum -oder Kosmos.</p> - -<p>Dietzgen betrachtet nun im neunten Abschnitt, um sich mit -der schulmäßigen Logik abzufinden, die »vier logischen Grundgesetze«, -das Gesetz der Identität, des Widerspruchs, des -ausgeschlossenen Dritten und des zureichenden Grundes. Er -bedient sich hierzu eines Lehrbuchs des berühmten Wiener -Pädagogen Dittes, des damals freigeistigsten unter den führenden -Schulmännern deutscher Zunge. Zu den traditionellen -»vier logischen Grundgesetzen« bemerkt Dietzgen unter anderem:</p> - -<p>Wenn das erste Gesetz lehrt: die Dinge sind sich selbst -gleich, so lehrt nun die Dialektik in ihrem ersten Paragraph: -die Dinge sind nicht nur sich selbst gleich und einerlei vom -Anfang bis zum Ende, sondern haben auch die widerspruchvolle -Natur, einerlei und doch durchaus mannigfaltig zu -sein. Insofern es ein Denkgesetz ist, daß wir uns mittels -des Gedankens ein möglichst treffliches Bild von den Dingen -machen, müssen wir uns auch von dem Denkgesetz belehren -lassen, wie alle Dinge und Vorgänge ohne Ausnahme keine<span class="pagenum"><a id="Seite_152">[152]</a></span> -von jedem Standpunkt aus sich gleichbleibende Dinge sind, -sondern der Farbe jener Seide gleichen, die, obschon sie sich -selbst gleich oder einerlei bleibt, dennoch sehr ungleich in -den verschiedensten Schattierungen schillert. Die Dinge, wozu -das denkende Ding oder der menschliche Intellekt mitgehört, -sind sowenig nur einerlei, von Anfang bis Ende, daß sie -in der Tat und Wahrheit gar keinen Anfang und kein Ende -haben, sondern als Naturerscheinungen, als Erscheinungen -der endlosen Natur <em class="gesperrt">scheinen</em> sie nur Anfang und Ende zu -haben, während es in Wahrheit nur Verwandlungen sind, -die zeitweise aus dem Unendlichen auftauchen und wieder -darin verschwinden.</p> - -<p>Die anfang- und endlose natürliche Wahrheit oder wahre -Natur ist so widerspruchvoll beschaffen, daß sie nur in -<em class="gesperrt">Erscheinungen</em> sich äußert, welche dennoch durchaus wahr -sind. Der alten Logik erscheint dieser Widerspruch unsinnig. -Sie steift sich auf ihr erstes, zweites und drittes Gesetz, auf -ihre Einerleiheit, ihre Widerspruchlosigkeit und auf das ausgeschlossene -Dritte, welches entweder krumm oder gerade, -entweder kalt oder warm sein muß und alles Dazwischenliegende -ausschließt. Sie hat recht! Im Hausgebrauch muß -man mit Gedanken und Worten so entschieden verfahren. -Jedoch ist es zugleich zweckmäßig, sich vom Akquisit der -Philosophie belehren zu lassen, wie es in der Wirklichkeit -und Wahrheit nicht so exakt, nicht so ganz idealiter zugeht. -Die logischen Gesetze denken von den Gedanken und ihren -Formen und Anwendungen ganz richtig; aber sie erschöpfen -das Richtige des Denkens und seiner Gedanken nicht; es entgeht -ihnen das Bewußtsein von der Unerschöpflichkeit aller -natürlichen Schöpfungen, wozu das Objekt der Logik, das -menschliche Erkenntnisvermögen mitgehört. Dies Objekt ist -nicht vom Himmel gefallen, sondern ist ein endlicher Teil -des Unendlichen, welcher tatsächlich die widerspruchvolle -Natur besitzt, in, mit und an seinem besonderen logischen -Naturell das allgemeine Naturwesen zu haben, welches über<span class="pagenum"><a id="Seite_153">[153]</a></span> -alle Logik erhaben ist. Die unendliche Natursubstanz ist ein -durchaus bewegliches Element, darin alles Feste auftaucht -und untergeht und deshalb wohl vorübergehend etwas Festes -und zugleich schließlich doch nichts Festes ist.</p> - -<p>Erwägen wir nun noch kurz das vierte Grundgesetz der -Logik, demnach alles und jedes seinen zureichenden Grund -haben muß. Auch dieses Gesetz ist wohl achtbar und ehrenswert; -aber dennoch sehr unzulänglich, indem zu der Frage, -wie wir die Welt zu denken haben und wie das höchst entwickelte -Denkvermögen beschaffen ist, nunmehr die Antwort -gehört: die Welt, worin alles seinen zureichenden Grund hat, -ist dennoch mitsamt dem Bewußtsein oder Denkvermögen, -wie ein anfang- und endloses, so auch ein <em class="gesperrt">grundloses</em>, das -heißt ein in sich und durch sich selbst begründetes Wesen. -Der Satz vom zureichenden Grunde gilt nur für die menschliche -Bildmacherei. In unseren logischen Weltbildern muß -alles seinen zureichenden Grund haben; das Original jedoch, -der universale Kosmos hat keinen Grund, er ist sich selbst -Grund und Folge, Ursache und Wirkung. Zu verstehen, daß -alle Gründe auf dem Grundlosen fußen, ist eine erhebliche -dialektische Kenntnis, welche den Grundsatz von der Notwendigkeit -des zureichenden Grundes erst ins rechte Licht rückt.</p> - -<p>Formaliter muß alles seine Ursache und seinen Grund -haben; realiter jedoch hat jedes Ding nicht einen Grund, -sondern unendlich viele Gründe. Nicht nur Vater und Mutter -ist der Grund und die Ursache meines Daseins, sondern auch -Groß- und Urgroßeltern, nebst der Luft, die sie geatmet, der -Nahrung, die sie genossen, der Erde, auf der sie gewandelt, -der Sonne, welche die Erde bescheint, usw. Kein Ding, kein -Prozeß, keine Veränderung ist der <em class="gesperrt">zureichende</em> Grund eines -anderen, vielmehr begründet sich alles und jedes mittels -des Universums, welches <em class="gesperrt">absolut</em> ist.</p> - -<p>Indem die alte Logik das Denken dem anderweitigen Sein -gegenübersetzte, hat sie den <em class="gesperrt">Zusammenhang der Gegensätze</em> -vergessen, vergessen, wie das Denken als eine Form,<span class="pagenum"><a id="Seite_154">[154]</a></span> -eine Art, eine Individualität ist, welches in die Gattung -des Seins gehört, wie der Fisch in die Gattung des Fleisches, -die Nacht in die Gattung des Tages, die Kunst in die Natur, -das Wort zur Tat und der Tod zum Leben gehört.</p> - -<p>Weil also die alte Logik mit ihren vier Grundsätzen zu -borniert war, mußte von ihrer Fortentwicklung die Dialektik -erzeugt werden, welche das Akquisit der Philosophie ist. Diese -also erweiterte Denklehre begreift das Universum als das -wahrhaft Universale oder Unendliche, worin alle Widersprüche -im Mutterschoß der Versöhnung schlummern. Ob die neue -Logik mit der alten <em class="gesperrt">einen</em> Namen oder die aparte Benennung -der Erkenntnistheorie oder Dialektik führen soll, ist ein -Wortstreit, der einfach durch Opportunität zu entscheiden ist.</p> - -<p>Die Abschnitte zehn und elf, »Die Funktion der Erkenntnis -auf religiösem Gebiet« und »Die Kategorie der Ursache und -Wirkung ist ein Hilfsmittel der Erkenntnis«, lehnen an Aussprüche -des Psychologen Lazarus an, dessen Arbeiten (wie -auch die von seinem Kollegen und Schwager Steinthal) Dietzgen -sehr wertschätzte, weshalb er gegen manches Unzutreffende -in Lazarus' Aussprüchen polemisierte. Doch von größerer Bedeutung -ist für uns der zwölfte Abschnitt »Geist und Materie -– was ist das Primäre?«</p> - -<p>Das Akquisit der Philosophie gipfelt in dieser Erkenntnis, -daß die Welt mannigfaltig und daß die Mannigfaltigkeit -eins ist in ihrem gemeinschaftlichen weltlichen Naturell. Die -Wissenschaften müssen uns ihre Objekte in dieser widerspruchvollen -Weise darstellen, weil eben alle Dinge in diesem Widerspruche -tatsächlich leben. Was die Museumszoologen und Herbariumsbotaniker -auf dem <em class="gesperrt">räumlichen</em> Gebiet der Tier- und -Pflanzenwelt getan haben, akzeptieren die Darwinianer unter -Zuziehung der <em class="gesperrt">zeitlichen</em> Mannigfaltigkeit derselben Gebiete; -die einen wie die anderen kategorisieren, klassifizieren, -systematisieren. Dasselbe tun die Chemiker mit Kräften und -Stoffen und Hegel mit den kategorischen Verhältnissen von -Sein und Nichts, Quantität und Qualität, Substanz und<span class="pagenum"><a id="Seite_155">[155]</a></span> -Akzidenz, Ding und Eigenschaft, Ursache und Wirkung usw. -Er läßt alles ineinander überlaufen, werden, fließen, sich -bewegen, und tut sehr recht daran. Die ganze Welt bewegt -sich und gehört zusammen.</p> - -<p>Was jedoch Hegel verfehlte und wir zusetzen, besteht in -der weiter gewonnenen Einsicht, daß der Fluß und die Beweglichkeit -der namhaft aufgeführten Denkkategorien nur ein -Exempel ist für die notwendige Beweglichkeit und den Ineinanderfluß -aller Gedanken und Begriffe, welche selbst nur -ein Exempel und Abbild des universalen Lebens sind, sein -sollen und wollen.</p> - -<p>Die idealistischen Philosophen, die alle wesentlichen Beiträge -zu dieser schließlichen Spezialkenntnis geliefert haben, -sind doch alle noch mehr oder minder in dem Wahne befangen, -der Denkprozeß sei der wahre Prozeß und das wahre -Original, die Natur oder das materielle Universum, nur ein -sekundäres Phänomen. Jetzt ist nun zu begreifen, daß der -phänomenale kosmische Zusammenhang, die universale lebendige -Welt, die Wahrheit und das Leben ist.</p> - -<p>Die zwei folgenden Abschnitte – dreizehn und vierzehn – -sind der Frage gewidmet, »Inwieweit die Zweifel an der -Möglichkeit einer klaren und deutlichen Erkenntnis überwunden -sind« und »Über den Unterschied zwischen zweifelhaften -und evidenten Erkenntnissen«.</p> - -<p><em class="antiqua">Ad</em> 1 gelangt Dietzgen zum Resultat:</p> - -<p>Das Universum ist da, und zu seinem Dasein gehört alles; -nichts oder kein Ding ist davon ausgeschlossen, am wenigsten -die Erkenntnis. Letztere ist also nicht nur möglich, sondern -ein Faktum, welches dazu noch durch den Begriff des allervollkommensten -Wesens bewiesen wird.</p> - -<p>Das muß uns doch über den Zweifel der Kritiker und -speziell auch über den Kantschen Kritizismus oder besser Dualismus -hinweghelfen. Kant hat das Dogma von der Möglichkeit -der Erkenntnis nicht so unbesehen hinnehmen, sondern -untersuchen wollen. Er hat dann entdeckt, daß wir rechtmäßig<span class="pagenum"><a id="Seite_156">[156]</a></span> -erkennen können unter der Bedingung, daß wir mit der Erkenntnis -auf dem Felde der gemeinen Erfahrung bleiben, das -heißt im physischen Universum, und nicht ins metaphysische -Himmelreich abschweifen. Er hat aber nicht erkannt, daß die -metaphysisch-himmlische Gegend, von der er abrät, zu unserer -Zeit eine abgetane Sache sein würde.</p> - -<p>Er läßt diese überschwengliche Möglichkeit noch bestehen -und rät wohl ab, mit der Erkenntnis dorthin zu gehen, aber -nicht, daß wir auch mit der <em class="gesperrt">Ahnung</em> dort wegbleiben sollen. -Kant haspelt zwischen dem »Ding als Erscheinung« und dem -»Ding an sich«. Jenes ist irdisch und läßt sich erkennen, dies -ist übermenschlich und darf geglaubt und geahnt werden. Mit -dieser Lehre macht er wiederum die Erkenntnis, das Objekt -der neueren Philosophie, zu einem problematischen Wesen, -das uns auffordert, darüber weiter zu philosophieren.</p> - -<p>Das ist geschehen, und ist es jetzt das Akquisit der Philosophie, -»klar und deutlich« zu wissen und von der Erkenntnis -zu erkennen, daß sie nicht nur ein Stück ist in dieser Welt -der Erscheinungen, sondern ein wahres Stück der Generalwahrheit, -welch letztere keine andere Wahrheit über sich noch -neben sich hat und das allervollkommenste Wesen ist.</p> - -<p><em class="antiqua">Ad 2.</em> Um aus dem Erkenntnisproblem klug zu werden, -müssen wir davon ablassen, den Blick auf <em class="gesperrt">einzelne</em> Meinungen, -Gedanken, Kenntnisse oder Erkenntnisse zu richten; -wir müssen uns vielmehr den Erkenntnisprozeß im großen -ganzen ansehen. Da gewahren wir die Entwicklung vom -Zweifel zur Evidenz, von den irrigen zu wahren Erkenntnissen. -Da gewahren wir aber auch, wie töricht es gewesen, -von dem Gegensatz zwischen Wahrheit und Irrtum eine so -überspannte Vorstellung gehabt zu haben.</p> - -<p>Wer die Erkenntnis sucht, die wahre und evidente, findet -sie nicht in Jerusalem, nicht in Jericho, auch nicht im Geiste; -in keiner Einzelheit, sondern im Universum.</p> - -<p>Da geht das Erkannte aus dem Unerkannten so allmählich -und stufenweise hervor, daß gar kein Anfang zu ermitteln;<span class="pagenum"><a id="Seite_157">[157]</a></span> -sie wird und erwächst, ist halb irrig und halb trefflich und -wird evident und evidenter; aber sowenig es jemals eine -absolut irrige, sowenig kann es jemals eine absolut wahre -Erkenntnis geben; absolut, fest, unvergänglich und unerschütterlich -ist nur das Weltganze, aber keine Spezialität.</p> - -<p>Ein <em class="gesperrt">Schlußwort</em> unseres Autors ist der <em class="gesperrt">Bejahung des -Seins</em> gewidmet:</p> - -<p>Das Begreifen, das Vermögen zu begreifen, war der modernen -Menschheit von abergläubischen Altvordern als Ding -einer »anderen Welt« überkommen. Der Wahn einer »anderen -Welt« jedoch ist ein metaphysischer Wahn, der den Begriff -des Seienden in Mißhelligkeiten brachte.</p> - -<p>Das philosophische Akquisit versichert und beweist uns, daß -es <em class="gesperrt">nur eine</em> Welt gibt, daß diese Welt der Inbegriff alles -Seins ist, daß dies Dasein wohl unendlich viele Arten hat, -aber alle Arten dennoch von einer gemeinsamen natürlichen -Natur sind. So hat die Philosophie den Begriff des Seienden -zu einem einhelligen Begriff gemacht und mit der metaphysischen -Mißhelligkeit auch die Metaphysik überwunden.</p> - -<p>Das Sein, das allgemeine, hat nur eine Qualität: die -natürliche des allgemeinen Daseins. Zugleich aber ist diese -Eigenschaft der Inbegriff aller besonderen Qualitäten. Wie -der Begriff des Krautes alle Kräuter umfaßt, auch die Unkräuter, -so umfaßt der Begriff des Seienden nicht nur alles, -was ist, sondern auch, was nicht ist, was einstmals war und -künftig sein wird.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_158">[158]</a></span></p> - -<h2 id="XI">XI.<br /> -Dietzgens pädagogische und Lebensweisheit.</h2> -</div> - -<p>Der dritte Band von Josef Dietzgens Sämtlichen Schriften -führt den Titel »Erkenntnis und Wahrheit«, weil er eine -erweiterte Ausgabe des gleichnamigen Buches ist, das Eugen -Dietzgen im Jahre 1908 – zum zwanzigsten Todestag seines -Vaters – erscheinen ließ; es ist eine Sammlung von Briefen, -Zeitschriftartikeln und kleinen Aufsätzen vermischten, teils -philosophischen, teils nationalökonomischen, teils feuilletonistischen -Inhalts; ein anderer Teil ist speziell der Propaganda -des Sozialismus gewidmet. (»Zehn Briefe über Sozialismus -an eine Jugendfreundin«.) Eine auszugsweise Wiedergabe -des dritten Bandes in der vorliegenden Publikation erübrigt -sich, weil unseres Autors naturmonistische Denklehre und -Weltanschauung, deren Verbreitung dieses Büchlein dienen -soll, in den die ersten zwei Bände umfassenden Schriften -enthalten und in den sie resümierenden Abschnitten dieses -Buches dargelegt ist. Wer die ersten zwei Bände studiert hat, -wird an den vermischten Schriften des dritten Bandes um -so größeres Vergnügen finden, als die Lektüre desselben dem -mit des Autors Philosophie nunmehr Vertrauten keine schwere -Denkarbeit fortan auferlegt, sondern ihn befähigt, die Wirksamkeit -von Josef Dietzgens Lehren in ihrer Anwendung -auf das allgemeine Denkgebiet wie auf die Lebenspraxis, -einschließlich der politischen Taktik, zu beobachten.</p> - -<p>Wenn der Marxist Josef Dietzgen nationalökonomische -Themata behandelt, über die soziale Frage spricht und über -den Sozialismus, ist es naturgemäß etwas anderes und etwas -<em class="gesperrt">mehr</em> – zumindest durch die philosophische Beleuchtung –, -als was der <em class="gesperrt">Nur</em>marxist zu geben hat, wenn ihm weder -Poesie die Flügel beschwingt, noch Philosophie den Horizont -erweitert. Der Monismus des Alls, der Universalzusammenhang,<span class="pagenum"><a id="Seite_159">[159]</a></span> -wie ihn Dietzgen lehrt, ist bisher von der sozialdemokratischen -Partei so gut wie gar nicht fruktifiziert worden, -obwohl unser Autor am Schluß seiner Vorrede zum »Akquisit« -ausdrücklich darauf hingewiesen hat, wie »der Zusammenhang -und Ineinanderfluß der Dinge auch auf die Frage -von >mein und dein< einen mächtigen und klärenden Bezug -hat«. So vernachlässigte man bisher in der sozialdemokratischen -Partei eins der ausgiebigsten Mittel zur Vertiefung -sozialistischer Erkenntnis: die Übertragung der monistischen -Lehre auf das soziale Gebiet, auf das Verhältnis der Menschen -zueinander.</p> - -<p>Kein Autor ist besser geeignet, als Dietzgen, Sozialisten -zu Monisten – wenn sie es noch nicht sind – und aus -Monisten Sozialisten zu machen. Letzteres gilt nicht zum -wenigsten vom dritten Band, dessen sämtliche Stücke, was -kaum besonders hervorgehoben zu werden braucht, in der Auffassung -wie im Stil sich durch die Originalität, die unserem -Autor überhaupt zu eigen ist, auszeichnen und Anregung -zum Selbstdenken reichlichst bieten.</p> - -<p>Als von einer in hervorragender Weise wertvollen Gabe -darf hierbei die Rede sein von den »Privatbriefen Josef -Dietzgens an seinen Sohn in Amerika« (1880 bis 1884), die -den dritten Band eröffnen, nebst dem Geleitwort Eugen -Dietzgens hierzu. Es ist anzunehmen, daß jeder, der für den -Philosophen Josef Dietzgen Interesse gewonnen hat, sich -freuen wird, daß ihm Gelegenheit geboten ist, den merkwürdigen -Menschen etwas näher kennen zu lernen, aus dessen -»Autodidaktenfeder« die unvergleichlich schönen und erhabenen -Preisungen der Einheit des Alls geflossen sind. In Verbindung -mit dem den ersten Band einleitenden Lebensabriß -Josef Dietzgens durch seinen Sohn Eugen geben jene Privatbriefe -des Vaters an ihn ein völlig klares Bild des seltenen -Mannes, der seine Handwerker-Mußestunden der Lösung -schwierigster philosophischer Probleme erfolgreich gewidmet -hat; und sie zeigen uns nicht nur das unablässige Ringen<span class="pagenum"><a id="Seite_160">[160]</a></span> -des <em class="gesperrt">Philosophen</em> um die Erkenntnis, sondern auch den -<em class="gesperrt">Menschen</em> Josef Dietzgen und besonders ihn als Familienvater -und Musterpädagogen; wir sehen, wie er seine und der -Seinigen Existenzfrage ventiliert und sie in großzügiger Weise -zu lösen versteht – kurz, einen Denker, den die Theorien nicht -für die Praxis verdorben hatten.</p> - -<p>Josef Dietzgen, der Arbeiterphilosoph, war dreimal in -Amerika; von Juni 1849 bis Herbst 1851, von 1859 bis -1861 und von Ende Juni 1884 bis zu seinem am 15. April -1888 erfolgten Tode.</p> - -<p>Im Frühjahr 1880 schickte er seinen ältesten Sohn Eugen, -nachdem dieser mit dem Reifezeugnis für die Prima das -Progymnasium seiner Heimat Siegburg absolviert hatte, als -»Quartiermacher« für die Familie nach den Vereinigten -Staaten. Der junge Mann wäre lieber daheim geblieben, -um das Gymnasialabiturientenexamen zu machen, die Universität -zu beziehen und Gymnasiallehrer zu werden. Der -Vater aber riet ihm, nach Amerika auf »die Hochschule des -Lebens« zu gehen; dort könnte er sich eine bessere Existenz -gründen und zugleich die jüngeren Geschwister mitversorgen -helfen, um deren Zukunft Josef Dietzgen sehr besorgt war, -weil sein kleinbürgerliches Geschäft, eine Lohgerberei, von -Jahr zu Jahr durch kapitalistische Konkurrenz uneinträglicher -wurde. Eugen sollte in Amerika irgendeinen kaufmännischen -oder technischen Erwerbszweig erlernen; in einigen Jahren -wollte der Vater mit den anderen Kindern nachfolgen und -ihn eventuell mit dem Rest seines Vermögens bei Begründung -eines eigenen Geschäfts unterstützen.</p> - -<p>Dieser Plan wurde mit glänzendem Erfolg durchgeführt.</p> - -<p>Aus den Briefen des Vaters an den Sohn (1880 bis 1884) -sollen hier einige der wichtigsten Stellen mitgeteilt werden. -Wir lernen aus ihnen den ganzen <em class="gesperrt">Josef Dietzgen</em> kennen: -wie er schafft, für seine Familie sorgt, seine Kinder erzieht, -und wie er das Martyrium des philosophischen Forschers -trägt, der in seiner schwierigen Denkarbeit durch die Notwendigkeit,<span class="pagenum"><a id="Seite_161">[161]</a></span> -zunächst die materielle Existenz der Seinigen -sicherzustellen, sich zeitweilig gehindert sieht, aber keine der -beiden unerläßlichen Aufgaben über der anderen vergißt.</p> - -<p>Voll Rührung und Bewunderung liest man diese Briefe, -die uns <em class="gesperrt">die pädagogische Kunst und die Lebensweisheit -Josef Dietzgens</em> zeigen, in zweiter Linie aber auch -allen denen von Nutzen sein werden, die – ohne die väterliche -Fürsorge eines so weisen Ratgebers – das Experiment -unternehmen, im fernen Ausland ihr Glück zu suchen.</p> - -<p>Der hier vorliegende Auszug bildet etwa den vierten Teil der -im dritten Band der »Sämtlichen Schriften Josef Dietzgens« -abgedruckten »Privatbriefe an den Sohn in Amerika«.</p> - -<p class="date"> -27. Mai 1880. -</p> - -<p>Hoffentlich sind bei Ankunft dieses die Gemütsmucken so -ziemlich überwunden und die Seele wieder frisch. Ohne alles -Weh kann so etwas nicht hergehen. Gefühle hat und muß -der Mensch haben, aber sie müssen dem Verstand unterworfen -werden. Wenn Dir also, lieber Eugen, für den Augenblick -die Fremde nicht blitzt und schimmert und wenig Anregung -bieten will, wenn Dir die fremden Menschen nicht -gefallen wollen und nur immer an die Lieben und Bekannten -traurig erinnern, die Du zurückgelassen, dann vertreibe Dir -und kannst Du Dir die Traurigkeit recht schnell mit dem -Gedanken vertreiben, daß es eben nur Stimmung, vorübergehende -Stimmung ist; daß das, was Dir monatelang ein -guter Plan geschienen hat, nicht durch eine momentane Gemütsfarbe -schlecht werden kann.</p> - -<p>Schiffe Dich nur getrost auf meine Verantwortung ein. -Wenn Du Dir Land und Leute angesehen und dann zurückverlangst, -werde ich jederzeit alles tun, was möglich ist, um -Deine Wünsche zu befriedigen. Wenn mich aber meine Hoffnung -nicht trügt, wirst Du Quartiermacher für uns alle -sein. Sieh her! Der Gedanke, daß Du eine Mission hast, -muß Dir Mut machen. Und es ist eine ernste Mission. Was<span class="pagenum"><a id="Seite_162">[162]</a></span> -hilft uns alle Schönheit des Vaterlandes, wenn es das tägliche -Brot nicht geben will. Mit diesem Gedanken mußt und -kannst Du der Fremde, den fremden Menschen, dem fremden -Sonnenschein, den fremden Häusern, Zimmern und Eckchen, -worin Du Dich kauern mußt, Poesie, Romantik abgewinnen. -Ich habe immer viel davon gehabt, und Du hast auch davon, -ich weiß es, hast von mir davon geerbt. Poesie und -Romantik verklären das Leben unendlich, verklären den -Genuß wie die Entbehrung. Nimm sie zur Hilfe, lieber -Eugen, und lebe wohl und schreibe oft und ausführlich.</p> - -<p class="date"> -23. Juni 1880. -</p> - -<p>… Du mußt auch wissen, daß die Leute in den großen -Städten und im bewegten Leben ihren Nebenmenschen nicht -so sanguinisch entgegenkommen wie die Dorfbewohner. Diese -lieben und verehren den Fremden, und jene vermuten einen -Gauner, bis er sich <em class="gesperrt">selbst</em> ehrsam gemacht hat … Einen -Rat, den ich nicht oft genug wiederholen kann, den Dir -aber auch die Verhältnisse jeden Tag predigen: nur möglichst -wenig Prätension! Davon bringen alle Grünen zu -viel nach Amerika.</p> - -<p>… Man muß auch zu genießen verstehen, dann ist das -Genuß, was sonst Widerwärtigkeit. Du müßtest nur wissen, -wie elende dreijährige Handlangerdienste die Lehrlinge hier -in Deutschland leisten müssen, um Dich als Amerikaner -glücklich zu fühlen. Ich bin der Meinung, daß Du dort -Deine Lehre in der Hälfte der Zeit absolvierst.<a id="FNAnker_15_15"></a><a href="#Fussnote_15_15" class="fnanchor">[15]</a></p> - -<p class="date"> -4. Juli 1880. -</p> - -<p>… Daß Du Dich einsam fühlst in diesem interessierten -großstädtischen Getriebe, ist sehr natürlich. Ich hoffe aber -sehr, daß sich dies auch in kurzer Zeit bessern wird; und<span class="pagenum"><a id="Seite_163">[163]</a></span> -bis zur Ankunft dieses, denke ich, wirst Du schon hin und -wieder Bekanntschaft machen, die Dein Gemütsleben stärkt -und die Trennung von Deinen Lieben in der Heimat erleichtert. -Gerade solche Trennung und entferntes Voneinanderleben -läßt den gemütvollen Menschen den Wert eines -innigen Familienlebens empfinden; es soll uns alle in dem -Vorhaben bestärken, dasselbe zu pflegen und recht fest zusammen -zu streben. Aber zu diesem Zweck will durchaus -die ökonomische Frage – diesmal die Familienökonomie – -befriedigend gelöst sein. Mit diesem Gedanken, daß Du mir -helfen willst dazu, werden wir hoffentlich unseren Zweck und -unsere Wiedervereinigung erreichen …</p> - -<p>Du mußt Dir etwas angelegen sein lassen, K.<a id="FNAnker_16_16"></a><a href="#Fussnote_16_16" class="fnanchor">[16]</a> für Dich -einzunehmen. Darfst nicht verlangen, daß er entgegenkommen -oder sich irgend bequemen soll; nur immer denken: die Reihe -ist an mir. Also nähere Dich wiederholt und unablässig; -und scheint es Dir, als würdest Du abgewiesen, glaube nicht -daran. Aus seinen Briefen hast Du ja ersehen, daß er mir -gewogen, und bin ich überzeugt, wenn für irgend einen, -tut er auch etwas für Dich, um meinetwillen. Diesen Glauben -mußt Du haben, daran nicht kleinmütig werden, dann wirst -Du auch reüssieren. Du darfst die Charaktere der Menschen -nicht ändern wollen, sondern nur suchen, Deinen eigenen -geschmeidig dem notwendigen Bedürfnis zu akkomodieren …</p> - -<p>Dein ganzes Lernen kann zunächst in nichts bestehen wie im -Umgang, besonders mit Englisch redenden Menschen. Pflege -speziell den Verkehr mit K.s Kindern und den Damen im Hause.</p> - -<p>Auch wenn Du zurückkehrst, wird der Amerikanismus sein -Gutes haben. Man lernt dort wenigstens gewöhnlich den -deutschen Humbug der Vornehmtuerei verachten und sein -Glück nicht im Dekorum, sondern in sich selbst suchen. Wenn -wir hier nur über das lächerliche Dekorum weg wären, dann -könnten wir alle hier und überall leicht und glücklich leben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_164">[164]</a></span></p> - -<p>Meine Überzeugung ist und bleibt: wenn Du nur kurze -Zeit Dich im amerikanischen Geschäft umgesehen, wirst Du -Deine Kenntnisse und Lebensstellung nicht mit einem hiesigen -Gymnasiallehrer vertauschen wollen.</p> - -<p class="date"> -1. August 1880. -</p> - -<p>Kommt nun der Herbst, wirst Du drüben auch das schönste -Klima der Welt kennen lernen.</p> - -<p>Weil Du die antiamerikanischen Reden des Bodenseers -so gläubig und antiamerikanisch aufgenommen, glaubte ich -schließen zu müssen, daß Deine Stimmung antiamerikanisch -geworden. Ich habe vor einigen Jahren eine Reisebeschreibung -über die Vereinigten Staaten gelesen, in der alles, was -ich selber dort erfahren und das mein Wohlgefallen erregt -hatte, ganz wahrheitsgetreu geschildert und doch im abfälligsten -Sinne beurteilt wurde. Die Sache hat mich damals -königlich amüsiert, und erzähle ich es nur, um zu sagen und -zu zeigen, wie natürlich es ist, daß alle Objekte subjektiv angeschaut -werden. So ist es auch mit dem Kaufmannsstand: -hüben wie drüben. Übrigens solche Leute wie Deine Reisegefährten, -die großartig auftreten und nichts hinter sich haben, -da ist Europa voll von, und ich bin überzeugt, daß der insoweit -ehrenhaftere Charakter des Amerikaners, der die Bläherei -nicht kennt, aber auch nichts davon ahnt, daß irgendeine -Arbeit oder ein Erwerb unehrenhafter sein könnte wie -die gedankenlose Wichtigtuerei, bei näherer Bekanntschaft Dir -besser zusagt.</p> - -<p class="date"> -10. August 1880. -</p> - -<p>Die Welt ist überall schön, und wenn Du Dich ein wenig -heimisch in Amerika gemacht, wird es Dir sicherlich dort gefallen. -Deine Aufgabe ist gar nicht groß; nur sorgen, daß -Du lernst, in irgendeiner Weise Dein Brot verdienen, dann -habe ich die Kraft, Dir das weitere Verdienen leicht zu machen, -und da ich Dich nun bis dahin unterstütze, so ist ja gar keine -Ursache zum Zagen. Von ein paar Wochen der Einsamkeit -im Menschenmeer von New York mußt Du Dich nicht unterkriegen<span class="pagenum"><a id="Seite_165">[165]</a></span> -lassen. Mit Mut und Sparsamkeit haben wir beide -zusammen alle Mittel, um die Verhältnisse zu bändigen.<a id="FNAnker_17_17"></a><a href="#Fussnote_17_17" class="fnanchor">[17]</a> -Leiste Dir etwas mehr Zerstreuung, benutze die Abende, um -Bekannte aus der hiesigen Gegend, deren es genug dort gibt, -aufzusuchen. Nimm Anteil an allem und an allen, an der -Welt und nicht nur an Siegburg oder an irgendeinem anderen -Krähwinkel.</p> - -<p class="date"> -29. August 1880. -</p> - -<p>Der Schritt, den wir beide getan, war in Anbetracht unserer -Verhältnisse <em class="gesperrt">notwendig</em>. Wenn Du Dir das zu Herzen -nimmst, kannst Du sehr leicht sentimentale »Gedanken« – -wäre ich da oder dort, hätte ich dies oder das ergriffen – -aus dem Sinn schlagen. Die Welt ist überall schön und -poetisch, und die Erwerbsverhältnisse sind in Amerika weit -schöner wie hier; sie aber bilden die <em class="gesperrt">Grundlage</em> alles Hohen -und Schönen.</p> - -<p class="date"> -5. September 1880. -</p> - -<p>Noch ist unser Vermögen so viel, daß, wenn wir uns als -<em class="gesperrt">Proletarier</em> betrachten, es leicht wird, uns eine ganz erträgliche -Proletarierexistenz zu schaffen. Wenn wir uns aber -zur begüterten Klasse zählen und danach wirtschaften wollen, -geraten wir in eine Lage, aus der es keine Rettung gibt. -Meine Kinder sind für diese Erkenntnis zu kurzsichtig, darum -habe ich die Pflicht, entsprechend zu handeln. Du sollst mir -helfen, lieber Eugen, und wenn Du die Vereinigten Staaten -kennen gelernt hast, wirst Du sagen, daß Du kannst … -Auch was Ohm Philipp vorgeschlagen, wäre nicht gänzlich<span class="pagenum"><a id="Seite_166">[166]</a></span> -verfehlt. Wenn Du dort in ein paar Monaten die Schriftsetzerei -erlerntest, könnten wir uns ganz leicht irgendwo ein -Zeitungsunternehmen erwerben. Kurz, Mannigfaltiges sehen -und lernen laß nur Deine Aufgabe sein; dann wirst Du nach -zwei bis drei Jahren selber sagen, daß Du besser daran bist -wie ein deutscher Gymnasiallehrer. Das sind ja doch meist -arme, höchst einseitige, geknechtete Menschen, die über ihre -erbärmliche Gelehrsamkeit kaum hinaussehen.</p> - -<p class="date"> -26. September 1880. -</p> - -<p>… Sehe mit Vergnügen, daß Du Dich daran gemacht, -praktisch anzugreifen (in K.s Fabrikgeschäft). Daß Dir die -Handarbeit für den Anfang schwer wird und Energie kostet, -kann ich mir lebhaft denken. Nur Mut und Ausdauer! Wenn -Du die rechte Einsicht hast, wie wertvoll es für das Leben -der Zukunft ist, nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit -Hand und Arm in die Räder der Volkswirtschaft eingreifen -zu können, wie solche mannigfaltige Übung für die verschiedensten -Lebenslagen geschickt macht, eine wie große Unabhängigkeit -daraus resultiert, dann muß Dir das die Pein -versüßen. Du hast ein gutes Beispiel an Haug. Wenn der -nur im Polytechnikum und nicht auch in der Werkstätte gebildet -wäre, würde es ihm nicht so leicht werden, von Siegburg -nach Philadelphia überzusiedeln. Du sollst gewiß nicht -das Taglöhnern lernen, sondern nur die Fähigkeit, ein halbes -Handtagewerk zu leisten; das macht geschickt, hundert Dinge -anzugreifen, denen der beste Federfuchser wie ein Tölpel -gegenübersteht …</p> - -<p class="date"> -3. Oktober 1880. -</p> - -<p>Laß Dir nur ja recht angelegen sein, K. in jeder Beziehung -zu befriedigen und ihn und seine Angehörigen<a id="FNAnker_18_18"></a><a href="#Fussnote_18_18" class="fnanchor">[18]</a> möglichst -für Dich einzunehmen. In solchen Verhältnissen mußt -Du etwaige Widerwärtigkeiten und Antipathien durch ernsten<span class="pagenum"><a id="Seite_167">[167]</a></span> -Willen zu überwinden suchen mit dem Gedanken, daß alles -Unangenehme wenigstens ebensoviel subjektiv als objektiv ist. -Man kann ja sowenig die Verhältnisse als die Menschen nach -<em class="gesperrt">Wunsch</em> ändern, sondern muß sie nehmen, wie sie eben sind, -und aus allem das Beste zu machen streben …</p> - -<p>Immer in der Gegenwart an alle Möglichkeiten der Zukunft -denken, aber doch die Gegenwart und <em class="gesperrt">dreimal</em> die -Gegenwart warm halten …</p> - -<p>Offenheit und Zutraulichkeit im Verkehr mit K. glaube -ich Dir nicht genug empfehlen zu können. Niemals verschlossene -Zurückhaltung; die führt zu nichts Gutem; lieber -Bruch.</p> - -<p class="date"> -16. Oktober 1880. -</p> - -<p>Dein Gedanke, eventuell auch Anstreicher und Dekorateur -werden zu können, hat mich froh gemacht. Der Reichtum -aller Länder entwickelt sich stark und der Amerikas doppelt -schnell; das sichert dem dekorativen Bedürfnis eine steigende -Zukunft. Die Kunst soll dem Menschen dienen, mithin praktische -Verwendung finden. Wenn Du Dich auf solchem -gleichsam handwerkmäßigem Wege zum Künstler ausbilden -kannst, das wäre ein rechter Weg. Aber nur ja nicht voreilig! -Der kaufmännische Weg, auf dem Du gegenwärtig -wandelst, gehört mit dazu und würde auch dazu später -unberechenbare Vorteile gewähren. Ebenso der Umgang mit -der Färberei in K.s Fabrik.</p> - -<p>Versäume nichts, wo es etwas zu lernen gibt. Auch den -mechanischen, maschinellen Teil betrachte nicht als außerhalb -der Sphäre. In der modernen Industrie hängt alles -mit den Maschinen zusammen. Denke nicht, ich mute Dir -zuviel zu. Nur ein paar Handtäste, eben wissen, wie man -eine Sache angreift, ist oft von großem Wert.</p> - -<p>Nun möchte ich Dir noch warm empfehlen, unter allen -Umständen wahre Bildung, nicht die mit Gänsefüßchen, nicht -die »Bildung«, hochzuhalten und besonders in Amerika nicht -zu vergessen, daß man schachern soll für das Leben, aber<span class="pagenum"><a id="Seite_168">[168]</a></span> -nicht leben für den Schacher. Auch im Urteil gegen und -über Deine Umgebung nie hart, sondern stets human zu -sein. Um liebenswürdig zu handeln, muß man liebenswürdig -denken; Tugenden und Fehler stecken immer ineinander; auch -der Bösewicht ist ein guter Kerl, und der Gerechte sündigt -des Tages siebenmal.</p> - -<p>Mich verfolgt seit früher Jugend ein logisches Problem, -»die letzten Fragen alles Wissens«. Das sitzt mir wie ein -Stein im Kopf. Wenn im Laufe meiner vergangenen Jahre -die Not herantrat, konnte ich es auf ein paar Jahre verlieren; -aber nach hergestellter Ordnung der Dinge kam es -immer wieder, und immer verstärkter und klarer, so daß -mir erst in den letzten Jahren die Überzeugung gewachsen -ist, es sei meine Lebensaufgabe, sowohl innerer Seelenfriede -wie die sittliche Pflicht fordern Hingabe und Arbeit für dasselbe. -Daher kommt es auch, daß ich immer danach strebe, -einen Associé zu finden, der mir helfen soll, die ökonomische -Bürde zu tragen. Daher meine Unfähigkeit, das Detailgeschäft -hier ohne Hilfe zu betreiben. Mein Sinnen geht -überall dahin, den Kopf leer zu halten, damit ich dem Problem -nachhängen kann. Seit den letzten Jahren bin ich gar -übel daran, es steht mit mir auf und geht mit mir schlafen, -und die leiblichen Sorgen gestatten mir doch keine Ruhe, -um viel daran zu tun.</p> - -<p class="date"> -23. November 1880. -</p> - -<p>Du hast sicher noch zuviel des verkehrten europäischen -Spleens im Kopf. Eugen! Eugen! sei klug! Ich helfe gern, -doch hilf Du auch. Verschiedenen Arbeiten einen verschiedenen -Rang beilegen und nicht das für das Höchste halten, -was just der Zweck erfordert – ohne weitere Rücksicht –, -das ist ein heilloser europäischer Spleen, der noch von der -alten Gewohnheit herrührt, das Volk in Herren und Knechte -einzuteilen. Ich merke, Du bist unwillig und räsonierst in -Dir über Dinge, die doch gar natürlich sind und nicht anders -sein können. Daß K. seinen Sohn protegiert und ihm mehr<span class="pagenum"><a id="Seite_169">[169]</a></span> -glaubt wie Dir, auch dessen Fehler leichter übersieht wie die -Deinigen, ist gar zu natürlich. Du läßt Dich zuviel von -Deinen Sympathien und Antipathien mitnehmen. Dem muß -man widerstehen. Wenn K.s Sohn auch mürrisch und launisch -ist, laß ihn sein; es ist nicht Deine Aufgabe, ihn zu -ändern, sondern zu ertragen und das möglichst Beste daraus -zu machen.</p> - -<p>Du scheinst auch überempfindlich zu sein. Denke doch, daß -die Leute uns nichts schuldig sind und es immerhin für den -Anfang angenehmer für Dich ist, unter Bekannten als unter -Wildfremden zu sein. Ist K. einsilbig und verschlossen, nun, -das ist eben seine Weise; die legt er ja nicht an, Dich zu -verletzen, und kannst nicht verlangen, daß er sie um Deinetwillen -ablegt. Ich weiß, die Amerikaner sind übermäßig von -sich eingenommen und sehen auf Europa und speziell auf die -Deutschen übermütig herab. Das kränkt anfangs, aber Du -mußt überwinden und das Heilmittel in Dir, nicht an anderen -suchen. Stolz und selbstbewußt, das ist recht und dabei doch -zart sein. Dir selber nichts vergeben und anderen alles.</p> - -<p>Das kleine mobile Vermögen, das ich noch besitze, sind -Blutstropfen, die wohl müssen zu Rat gehalten werden. -Wenn Du von K. aufbrichst, darf es nicht im Trotz geschehen; -nicht Dich überwerfen mit K., kein unartiges Wort: -<em class="antiqua">suaviter in modo, fortiter in re</em>! Wenn Du so handelst, -bin ich bei Dir bis zum letzten Cent. Aber nur nicht rappelig! -Versuch es noch ernstlicher mit dem jungen K. als -bisher. Nimm Dir vor, durch ein hartes Wort Dich nicht -aus dem Konzept bringen zu lassen. Ist er unartig, die Unartigkeit -fällt auf ihn zurück – sei Du deshalb doppelt -artiger. Zeige Dich immer unabhängig, dabei nie beleidigt; -Du mußt Deinen Stolz demütigen um der Sache willen, -und ihn doch behalten und ihn gebrauchen, <em class="gesperrt">wenn Du die -Macht hast</em>; aber nie etwas wollen, was man nicht kann. -Das Recht ist nur ein Begriff, aber das Faktum die Wahrheit -– also immer nach dem Faktischen handeln, nie nach<span class="pagenum"><a id="Seite_170">[170]</a></span> -Gefühlen und Reizbarkeiten. Sprich Dich mit K. aus. Sage -ihm alles, was Du auf dem Herzen hast, mit Abwälzung -alles Kleinlichen. Strebe unabhängig und selbständig nach -Deinem Zweck, welcher vorerst nur dahin geht, eine Stellung -zu haben, worin Du 6 oder 8 Dollar wöchentlich verdienst; -kannst Du das nicht beim jetzigen Prinzipal, bei K. erreichen, -dann gebe Dir wohl den Anschein der Geduld, aber strebe -ungeduldig danach, anderweitig Dein Heil zu versuchen, und -benachrichtige mich zur rechten Zeit, daß ich Dir Geld schicke.</p> - -<p class="date"> -5. Februar 1881. -</p> - -<p>Bemühe Dich nur, Deinen Prinzipalen gegenüber und bei -Deinen Mitgehilfen alle etwaigen Antipathien zu überwinden. -Lasse Dir angelegen sein, nicht nur durch Leistungen, sondern -auch durch artige Worte Dich festzusetzen in Deiner -Stellung. Wenn letzteres zu guten Leistungen hinzukommt, -ist es ungemein wirksam. Wenn Du nach höherem Lohn -strebst, so tue das nur, insofern alle anderen Verhältnisse -zusagen, mit der größten Delikatesse. Wenn Du die deutsche -Demut mit der amerikanischen Independenz in geschickter -Weise zu verbinden weißt, das macht den Kapitalkerl!</p> - -<p>Ein ordentliches Salär ist eine schöne Sache, jedoch rate -ich, lasse Dir noch mehr angelegen sein, in das Geschäft, -das Du da gefunden, nun auch richtig hineinzukommen: -vom Verkäufer im Innern auch zum Verkäufer nach außen -zu gelangen, Waren, Kundschaft und Buchführung kennen -zu lernen. Aber Eile mit Weile!</p> - -<p class="date"> -30. März 1881. -</p> - -<p>… Mit dem Gedanken, daß der erste Verkäufer nicht mehr -versteht und tut wie Du und doch ein vierfaches Salär erhält, -darfst Du Dir Deine Stellung nicht verleiden lassen. -Wie mancher Sekondeleutnant ist ein ebenso tüchtiger und -noch viel kapablerer Militär wie der General, und muß doch -seine Zeit abwarten. Wenn auch noch etwas Geld draufgeht, -laß Dich nicht kümmern, der sichere Gang ist der vorzüglichere.<span class="pagenum"><a id="Seite_171">[171]</a></span> -Du solltest der Prinzipalität in Bescheidenheit die -Vorstellung machen, daß Du Dir gerne gerade bei ihr eine -Zukunft erarbeiten möchtest, daß sie Dir aber wenigstens -genug zahlen möchte für Dein notdürftiges Auskommen, denn -es sei Dir peinlich, jetzt noch um Geld nach Hause zu schreiben, -und Deine Kasse sei zur Neige. Wenn Du es dann -bis zu 15 Dollar wöchentlich gebracht hast und findest die -Vorrückung zu langsam, so wirst Du leichter bei irgendeinem -Konkurrenten der Firma ankommen. Das längere Fungieren -aber scheint mir erste Bedingung. Bist Du einmal -außer Stellung, so ist es zehnfach schwerer ankommen.</p> - -<p class="date"> -25. April 1881. -</p> - -<p>… Das Schwerste ist jetzt überwunden. Nach drei Monaten -trägst Du nochmals auf Gehaltserhöhung an, und schon nach -zwei, wenn Du fühlst, daß Du an Fähigkeiten und Leistungen -Fortschritte machst, würde ich die Prinzipale in bescheidenster -Weise bitten, Dein ernstes Streben mit ein paar Dollars -wöchentlich zu encouragieren. Aber es so machen wie diesmal, -mußt Du künftig vermeiden. Ich merke schon, Du hast -von mir geerbt; mir wird es auch schwer, den Stolz zu -beugen und mit guten Worten und Bitten das zu erbetteln, -was ich für mein Recht halte. Aber der richtige, der erfolgreiche -Weg ist es nicht, wenn man – so wie Du getan – -und ich habe es auch schon mehr so gemacht – dem guten -Freunde die Pistole auf die Brust setzt. Nimm Dir ernstlich -vor, solche delikate Fragen nächstens weniger ernst und dringlich, -sondern mit lächelnder Lippe und jüdischer Zähigkeit -zum Austrag zu bringen.</p> - -<p class="date"> -15. Juli 1881. -</p> - -<p>Strebe möglichst mit Behaglichkeit. Ein beruhigtes, wenn -auch frugales Unterkommen, welches Interesse für alles -Schöne, Wahre und Gute übrig läßt, ist jeder auch noch -so fruchtbaren Jagd nach Geld und Gut vorzuziehen. Ich -hoffe wohl und freue mich, wenn das amerikanische Klima<span class="pagenum"><a id="Seite_172">[172]</a></span> -Dich so weit ansteckt, daß Du erwerbslustig und -fähig wirst, -weil das Erwerben das <em class="antiqua">Sine qua non</em> von allem ist; aber ich -hoffe, daß Du Dein besseres Sein darin nicht aufgehen läßt.</p> - -<p class="date"> -3. August 1881. -</p> - -<p>Du mußt vor allem streben, Dich und Deine subjektiven -Anschauungen beherrschen zu lernen und Deiner Zukunft -oder Vernunft – wie man es nennen will – die momentanen -Gefühle zu opfern. Die Klugheit erfordert durchaus, -sich der Kunst zu bemeistern, allen Persönlichkeiten, auf deren -Umgang Du angewiesen bist, liebenswürdig zu erscheinen, -ohne deshalb auf den eigenen Charakter und die eigenen -Rechte zu verzichten. Dabei halte immer fest, daß ein Recht, -wozu die Macht fehlt, Dich in Besitz zu setzen, nur ein ideales -Recht ist, dem die »Wirklichkeit« fehlt, das man also nicht -hat oder doch nur im Kopfe hat, aber erst durch zweckmäßige -Handlung verwirklichen kann.</p> - -<p>Deine Gedanken hängen wohl immer noch mehr und lieber -an der Vergangenheit wie an der Zukunft? Das kommt aber -daher, daß Du in der Heimat ganz und gar ein nur ideales -Leben geführt hast. Du hast die Menschen und Verhältnisse -hier nur von der schönen, gemütlichen Seite gesehen.</p> - -<p>Ich würde bedauern, wenn es anders wäre, aber auch -wenn Du den Revers zu spät sähest. Was in Amerika so -offen zutage liegt: der abgöttische Tanz um das eigene Ich, -das ist hier noch mehr verbrämt mit Sitten und Phrasen, -mit Überbleibseln der Vergangenheit. Aber unter der Maske -der Verwandtschaft, Freundschaft, der Lieb und Treu kommt -doch auch hier immer nackter und nackter das wahre Gesicht -des Eigennutzes zum Vorschein. Die Bande der Familie, der -Freundschaft und Liebe werden täglich mehr zu losen Bändchen, -zu Flitter an der Frage nach »barer Zahlung«. Ich -bin kein Pessimist. Die bösen Erfahrungen, die ich mit Geschwistern, -Verwandten und Freunden gemacht, haben mir -nie die Liebe rauben können, – aber nur darum nicht, weil<span class="pagenum"><a id="Seite_173">[173]</a></span> -ich weiß, daß es so kommen muß, daß die einzelnen Menschen -keine Schuld tragen, sondern nur die bösen Verhältnisse, -daß nur die kapitalistische Produktion das Gift bringt. -Darum ist denn auch mein Haß nicht gegen die Eigennützigen -gerichtet, sondern gegen den Eigennutz; darum erwarte -ich keine Besserung von der Moralpredigt, sondern -von der Entwicklung der ökonomischen Verhältnisse. Der -handgreifliche, fortwährende Aufschwung der Produktion erlöst -die Menschen von der Armut, von der Erbsünde und -vom Teufel.</p> - -<p class="date"> -17. September 1881. -</p> - -<p>… Was Dich für das Geschäft (in dem Du jetzt arbeitest: -Instrumente für Ingenieure und Architekten) schätzenswert -macht, sind besonders – denke ich – die guten Vorkenntnisse, -welche Dich befähigen, leichter mit den mathematischen -Instrumenten Dich bekannt zu machen; und ohne eingehende -Bekanntschaft mit dem Gebrauch und Zweck der Dinge kann -man unmöglich ein <em class="gesperrt">guter</em> Verkäufer werden. Ich erinnere -mich aus meinem früheren Geschäft in Winterscheid, daß -die Reisenden kamen und Kaffee verkauften. Wenn ich dann -fragte, wo der Kaffee herkommt, dann wußten sie nur, daß -er in Amsterdam gekauft war und Cheribon, Java und -Menado genannt wurde; aber wie die Holländer dazu gekommen, -ob er privatim aufgekauft wurde an den Produktionsplätzen, -oder ob es eine Aktiengesellschaft sei, welche die -Auktionen in Holland veranstaltete, oder ob die Sache Regierungsangelegenheit, -davon wußten die Pomadenhengste -nie etwas. Und ich habe mich damals schon sehr über solche -Unwissenheit mokiert, da sich die Leute doch gerade diese und -keine andere Sache zum Geschäft machten. Möchte Dir deshalb -anraten, Dich eingehend nach dem Gebrauch, nach Herkommen, -Geschichte und allem, was Du über Deine Geschäftsartikel -erfahren kannst, angelegentlichst zu erkundigen. Nur -wenn man etwas weiß, kann man auch etwas sprechen, das -nicht fade und trivial ist …</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_174">[174]</a></span></p> - -<p class="date"> -22. September 1881. -</p> - -<p>So angenehm, wie unter guten Umständen das Leben in -einem kleinen deutschen Landstädtchen ist, so heillos verpestet -ist die Luft darin, wenn der »Kampf ums Dasein« gefordert -wird.</p> - -<p>Du schreibst, daß Du gern an das ideale Leben zurückdenkst, -das Du hier geführt. Es wäre schade, wenn es anders -wäre, doch auch schade, wenn eine krankhafte Sehnsucht -Dir den Reiz der Gegenwart verkümmerte und Dein Streben -erschlaffte. Muß gestehen, ich habe in diesem Punkte so etwas -Furcht und Sorge um Dich und freue mich deshalb ungemein, -wenn ich aus Deinen Briefen zuweilen sehen kann, -daß Dein Gemüt heiter und Deine Stimmung durchgehends -energisch ist. Sentimentale Augenblicke hat jeder. Du mußt -Dir einmal klar vorstellen, worin der Reiz des hiesigen Lebens -denn eigentlich besteht. Von den Leuten nach Herkommen, -Stand und Aufführung gekannt zu sein und dadurch Achtung, -Vorzug, Teilnahme und Entgegenkommen zu genießen, -das ist gleichsam eine Würze des Lebens, die einen Pulsschlag -hineinbringt, der gewiß nicht zu verachten ist. Aber -solche Ingredienzien sind auch nur wirksam, wenn der <em class="gesperrt">Stoff</em> -gut ist, dem sie beigemischt werden. Um diesen Stoff zu erhalten -– erhalten im Sinne von konservieren <em class="gesperrt">und</em> erwerben -– bist Du hinausgegangen, und wenn Du nun auch -von der Würze einstweilen viel entbehren mußt, so sollst Du -doch nicht verkennen, daß man, wenn nur der Lebens<em class="gesperrt">stoff</em> -gegeben ist, sich das andere auch anderswo leicht verschaffen -kann.</p> - -<p class="date"> -25. November 1881. -</p> - -<p>Vivat der Stadtreisende! Soeben die briefliche Nachricht -empfangen, daß sich Deine Andeutungen per Postkarte bestätigt -haben.</p> - -<p>Jetzt, lieber Junge, sind wir wieder alle auf dem Damm. -Wenn man weiß zu erwerben, ist dies mehr wert als Vermögen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_175">[175]</a></span></p> - -<p>Über den neuen Wirkungskreis, den Du errungen, freue -ich mich noch mehr wie über die Gehaltsaufbesserung, doch -ist auch letztere ganz erfreulich.</p> - -<p>Was wird das für eine Freude sein, wenn Du einmal -heimkehrst und wir uns alle wiedersehen! Das Schönste aber, -was ich mir denken kann, ist, wenn Du uns alle mitnehmen -kannst, ohne daß wir beladen sind mit einer ängstlichen Sorge -um die Zukunft. Aber auch jetzt bin ich schon froh. Das -Glück haben nicht viele Familien, daß sie stets zusammenbleiben -können.</p> - -<p>Unser Gehilfe Knöfel ist nach der Heimat gewesen. Hat -von dort geschrieben, ob er zurückkehren könne. Ich habe -ihm dann einen annehmbaren Vorschlag gemacht. Er ist -wiedergekommen, hat vier Tage gesoffen und zwei gearbeitet, -und sich nun entschlossen, nach Amerika zu gehen. Wahrscheinlich -wird er nach sechs oder acht Tagen von hier abreisen. -Wenn er nach New York kommt, wird er Dich jedenfalls -aufsuchen. Sein Geist ist stark, aber das Fleisch ist -schwach. Ich glaube, daß er drüben seine paar hundert Mark -verduseln und dann ein guter Arbeiter sein wird.</p> - -<p class="date"> -22. Dezember 1881. -</p> - -<p>… Daß die Amerikaner angespannter arbeiten wie die -Leute hier, weiß ich wohl aus eigener Erfahrung; aber was -die Entschädigung durch Vergnügen anbelangt, dünkt mir -doch, daß diese Sucht hier noch schlimmer ist. Die Bierbank -und öde Gesellschaft ist wohl nirgends mehr gepflegt wie in -unserem deutschen Philisterium. New York und die Großstädte -machen eine Ausnahme, sonst im Innern des Landes -ist nach meiner Erfahrung der Amerikaner ein sehr ernster -Mann, der mehr die Einsamkeit liebt und pflegt wie irgendeine -andere Nation.</p> - -<p>Leider lebt in aller Welt die Volksmasse noch immer in -einer geistigen Wüste. Mit der Tatsache, daß Du an Deiner -inneren Ausbildung mehr arbeiten möchtest, als Dir die<span class="pagenum"><a id="Seite_176">[176]</a></span> -Stellung vergönnt, mußt Du Dich eben abfinden, so gut es -angeht. Es ist das ein Weltleiden. Darum war bisher auch -alle geistige Entwicklung hauptsächlich das Werk der bevorzugten -Klassen, und fand die aristokratische Konstitution der -Gesellschaft früher auch ihre Berechtigung darin, daß die -Masse arbeiten mußte, damit die wenigen Muße hatten zur -Förderung der Kultur. Jetzt darf auch die Masse Muße -fordern, weil eben die Kultur so weit gediehen ist, daß der -nötige Proviant in einem Viertel der alten Zeit beschafft -werden kann.</p> - -<p>Das Reisen im Staate New York muß Dir doch Vergnügen -machen. Die Natur ist da ja wirklich besonders schön, -namentlich zwischen Albany und Buffalo sind sehr schöne -felsige Gebirgspartien. Aber auch die Gegend am Hudson -hat mir gefallen. Empfehle Dir, Washington Irvings »Sketchbook« -zu lesen, und wenn Du etwas Ernstes studieren willst, -rate Dir sehr an, Dich mit der Literaturgeschichte aller Zeiten -und Völker zu beschäftigen. Die englische Literatur, die -Dir am leichtesten zugänglich, ist wohl die schönste von allen; -aber natürlich hat jedes Volk seine besonderen reizvollen -Eigentümlichkeiten. Mit Zeitungen und dergleichen rate ich -Dir nicht, die schöne gute Zeit zu vertrödeln.</p> - -<p class="date"> -1. Januar 1882. -</p> - -<p>Lege auch einen Abschnitt aus der »Kölnischen Zeitung« -bei, aus dem Du lernst, wie überfüllt alles und wie schwer -hier das Fortkommen für die jungen Leute ist.</p> - -<p>Du kannst Dir kaum denken, wie deprimierend das auf -den Charakter der jungen Leute wirkt, so bis an die dreißig -Jahre herumzulungern, äußerlich den hoffnungsvollen Mann -spielen zu müssen, und inwendig einen Placken an den anderen -setzen, um nur die Blöße decken zu können. So sind viele Siegburger -Apotheker geworden und finden sich nicht besonders -wohl dabei. Ohne die Fonds, eine eigene Apotheke erwerben -zu können, soll das Fach sehr schlechte Stellungen bieten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_177">[177]</a></span></p> - -<p>»<em class="antiqua">Homo sum</em>«<a id="FNAnker_19_19"></a><a href="#Fussnote_19_19" class="fnanchor">[19]</a> habe in den Weihnachtstagen gelesen und -mich recht dabei amüsiert. Verstand dadurch auch um so viel -besser die Philosophie Deines letzten Briefes. Es ist mir sehr -lieb, wenn Du Dich derart über Deine innersten Gedanken -öfters aussprichst. Dergleichen vermindert den Raum, der -zwischen uns liegt.</p> - -<p>Der Anachoret Paulus hat mir viel Vergnügen gemacht, -aber auch die Episode zwischen Polykarp und Vater und -Mutter.</p> - -<p>Die freiwillige Armut und Abstinenz hat gewiß ihre gute -Seite, nur mußt Du Dich erinnern, daß sie aus der heidnischen -Völlerei hervorgegangen, und daß die Armut so einseitig -ist wie die Völlerei, die Wahrheit oder Vernunft nun -aber die Umfassung beider Extreme erfordert, nicht: entweder -– oder, sondern: sowohl – als auch. Sowohl reich wie -arm. Wir wollen unsere Begierden mäßigen, unsere Lebensart -auf das einfachste reduzieren, ohne zu vergessen, daß -solche Reduktion den Zweck hat, uns reicher zu machen, -reicher sowohl an materiellen wie an geistigen Gütern. Beide -Güterarten gehören durchaus zusammen und sind nur Formen -oder Arten eines Guts, des Guten schlechthin.</p> - -<p class="date"> -16. Januar 1882. -</p> - -<p>Ich wünschte besonders, daß der Eindruck, den »<em class="antiqua">Homo -sum</em>« auf Dich gemacht, etwas haften bliebe, das heißt die -Erkenntnis, daß eine gewisse Abstinenz zur Erreichung einer -befriedigenden Seelenstimmung unumgänglich ist. Du sollst -die Welt und das Vergnügen nicht meiden, aber auch die -Einsamkeit nicht. Der Wechsel zwischen beiden gewährt den -<em class="gesperrt">höchsten</em> Genuß.</p> - -<p>Der Kunstsinn liegt bei Euch drüben in Amerika noch -im argen; hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch sehr -gehoben und wird voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten<span class="pagenum"><a id="Seite_178">[178]</a></span> -riesig steigen, weil nirgends der Reichtum so zunimmt -wie dort. Und Reichtum muß und wird immer danach streben, -seinen Genuß durch die Kunst zu erhöhen. Deshalb -glaube ich, daß eine kunsthandwerkmäßige Ausbildung für -eine amerikanische Zukunft zweckmäßig sein könnte …</p> - -<p class="date"> -20. Februar 1882. -</p> - -<p>Möchte jetzt gern einmal von Dir hören, ob Du auch -schon das erworben hast, was ich immer als mein bestes -Akquisit von meiner ersten amerikanischen Tour betrachtet -habe: das Gefühl, mit einem Lande und mit Verhältnissen -bekannt geworden zu sein, wo man die hier allgemein so -schwer drückenden Sorgen für das tägliche Brot auf die -leichte Schulter nehmen kann. Wenn das ist, dann hast Du -viel, unendlich viel, etwas gewonnen, was ein Vermögen -wert ist.</p> - -<p class="date"> -3. April 1882. -</p> - -<p>Deine letzten Nachrichten haben mir nicht nur viel Sorge -gemacht, sondern waren mir besonders unerfreulich, weil ich -sehe, daß Du einen so großen Leichtsinn hast, wie ich nie -vermutet habe. Die zwölf Dollar pro Woche, die Du errungen, -waren nötig zur Existenz, und so das Notwendige -aufs Spiel setzen, um ein übriges zu gewinnen, ist unverantwortlich. -Ich wünsche nur, daß die Sache sich besser gestaltet, -wie meine Liebe zu Dir mich fürchten läßt. Also -fünfzig Dollar Schulden hast Du schon bei Sorge und zehrst -wahrscheinlich auf Kredit! Das kann nur gut enden, wenn -Du nicht manchen Tag nach einem neuen Unterkommen zu -suchen brauchst. Denke und hoffe optimistisch, aber handle -pessimistisch. Wenn Du etwas von meiner Kraft hättest, dann -würdest Du sofort Deine Ausgaben auf das Allernotwendigste -einschränken, buchstäblich von Brot und Wasser leben -und möglichst schnell in Arbeit treten, gleichviel ob man -zwanzig oder nur drei Dollar dafür zahlt. Solche Handlungsweise -würde von Verstand zeugen, aber große Ansprüche<span class="pagenum"><a id="Seite_179">[179]</a></span> -machen, die man nicht zu erringen und zu bestreiten -weiß, ist eine törichte, eitle Kaprice. Weißt Du auch, daß ich -froh wäre, wenn ich den Wert von zwölf Dollar wöchentlich -nicht nur für mich, sondern für uns alle hier zu verzehren -hätte? Solange Du mir nicht sagen kannst: »ich habe -hundert Dollar für einen Notpfennig zurückgelegt«, so lange -schelte ich dich leichtfertig.</p> - -<p class="date"> -18. April 1882. -</p> - -<p>… In solchen Lebenslagen wie gegenwärtig mußt Du auf -die gewohnheitsmäßige Befriedigung Deiner Lebensbedürfnisse -verzichten können, nach Pittsburg und dem Westen per -Emigrantenzug fahren und aus der Tasche von Wurst und -Brot zehren. Ich habe das xmal wochenlang getan und bin -dabei so heiter geblieben, als wenn ich an der Table d'hote -gespeist hätte. Im Gegenteil. Die Kraft der Entsagung ist -ein wirksames Gegenmittel gegen die Bedrückung des Gemüts, -welche die sorgenvolle, prekäre Lage notwendig mitbringt.</p> - -<p class="date"> -26. April 1882. -</p> - -<p>Wir haben die Karte empfangen, worin Du Dein neues -Engagement anzeigst. Es hat also gut gegangen; aber doch -wünschte ich, daß Du so viel Freiheit über Dich selbst gewönnest, -um einzusehen, daß man zeitweise seinen Gefühlen -mehr Zwang antun muß.</p> - -<p>… Dein stolzer, unabhängiger Sinn ist mir sehr lieb -und wert, aber um ihn zu realisieren, um wahrhaft unabhängig -zu werden, mußt Du auch das dialektische Gegenteil, -den unterwürfigen Sinn üben und pflegen. Es ist das -wohl ein Widerspruch, aber ein durchaus sinniger, wie das -reale Leben ihn überall fordert.</p> - -<p>Dafür, daß Du mich so fleißig über die Einzelheiten Deiner -Krisis unterrichtet hast, bin ich Dir noch besonders dankbar. -Es hat mich das wohl für einzelne Tage und Stunden -recht besorgt gemacht, auch wohl eine schlaflose Nacht verschuldet, -aber im ganzen sehe ich doch, daß die Situation<span class="pagenum"><a id="Seite_180">[180]</a></span> -nicht so schlimm ist, daß Deine Aussichten mannigfaltiger -sind, wie ich sie mir anfangs vorstellte. Laß uns nur recht -fest zusammenhalten, und wir werden alle Hindernisse überwinden …</p> - -<p class="date"> -14. Juni 1882. -</p> - -<p>Herrschaft über die Natur ist der Adel des Menschen. -Ursprünglich Tier, wird er Mensch und Herr erst dadurch, -daß er dem Naturwalten hinter die Schliche kommt. Der -Zweck aller Kultur geht dahin, die natürliche Abhängigkeit -zu besiegen und Herr zu werden. Nur innerhalb gewisser -Schranken kann das gelingen. Auch wenn die Menschheit -das Errungene in der Zukunft verzehnfacht und verhundertfacht, -verbleibt sie in natürlicher Abhängigkeit. Die menschliche -Herrschaft kann immer nur eine vernünftig beschränkte -sein.</p> - -<p>Was also die Aufgabe des ganzen Geschlechts, ist auch -Deine persönliche, individuelle Aufgabe: Du willst und sollst -Herr Deines Geschicks werden. Obgleich Du Momente hast, -wo Du Dich jetzt schon als solcher fühlst, wirst Du auch -Momente haben, wo Du Deine Untertänigkeit empfindlich -merkst. Also bist Du soviel Knecht wie Herr, jedes relativ, -das heißt einer, der sich emporarbeiten will, der dies Streben -als hoch und hehr erkennt, ohne zu verkennen, daß er nie -einen absoluten Gipfel erreichen kann.</p> - -<p>Wenn nun die Menschheit des geistigen Scharfsinns zum -Kulturfortschritt bedarf, so kannst Du im Verkehr mit den -Widerwärtigkeiten der List nicht entraten. Weder der Wunsch, -frei, noch das empfindliche Gefühl, Knecht zu sein, kann -Dich aus Stricken und Banden erlösen: es gehört die »kluge« -Tat dazu.</p> - -<p>Die Sklaverei (im wörtlichsten Sinne) nennt Hegel eine -»List der Vernunft« und meint damit, sie sei notwendig gewesen, -um die Menschen mit der Peitsche zur Arbeit anzuhalten, -weil sie ursprünglich eben Tiere sind, die der Zuchtrute -bedürfen. Und Aristoteles erklärt bekanntlich, daß erst,<span class="pagenum"><a id="Seite_181">[181]</a></span> -wenn die Weberschiffchen ohne Menschenhand und von selbst -hin und her schnellten, an Abschaffung der Sklaverei zu denken -sei. Jetzt erst, wo die Weberschiffchen angefangen haben, -von selbst zu laufen, und die Ziegelsteine fast ohne Arbeit -gebacken werden, heute also, wo der Reichtum überhandnehmen -will und die tierische Plackerei immer mehr durch -die Kultur beseitigt werden kann, ist die Forderung nach -allgemeiner Freiheit berechtigt.</p> - -<p>Ich halte diesen breiten Sermon, weil ich Dir eindringlich -zureden möchte, in der jetzigen Periode Deines individuellen -Lebens List, Klugheit und Verschlagenheit nicht gering -zu achten. Nur dadurch kannst Du ein »freier Mann« -werden, der seine Absicht jedem offen und ehrlich ins Gesicht -sagen darf. Um eben die Geradheit zu erreichen, ist -Dir einstweilen die Hinterlist eine sittliche Notwendigkeit. -Ich fürchte immer, Dein Naturell möchte Dich verleiten, -im Freiheitsdrang die Notwendigkeit der Beschränkung und -Abstinenz zu übersehen.</p> - -<p class="date"> -23. August 1882. -</p> - -<p>Ich für meinen Teil bin zwar eingenommen für das Land -(der Vereinigten Staaten), aber nicht, weil ich die dortigen -Verhältnisse so sympathisch finde, sondern weil mir die hiesigen -schändlich versumpft und beengt vorkommen. Dort hat -man der absoluten Gewalt der Natur, der eisernen Notwendigkeit -in die Augen zu sehen und mit ihr zu kämpfen, -hier sind es Schrullen und Vorurteile, feudale und chinesische -Zöpfe und anerzogene Nichtswürdigkeiten, die den Geist versklaven. -Doch daraus, daß so viele verfehlte Existenzen dort -herumlaufen, sollst Du Dir kein Vorurteil wider das Land -und seine Verhältnisse bilden. Was meinst Du wohl, wie -viele unbefriedigte Leute es denn hier gibt? Den prekären -Zuständen, wie sie dort herrschen und wie sie die Großindustrie -mitbringt, gehen wir hier eiligen Schrittes entgegen. -Amerika ist uns darin wohl sehr voraus. Dafür hat es -aber auch durch den Reichtum seiner Natur und primitiven<span class="pagenum"><a id="Seite_182">[182]</a></span> -Kultur viel mehr Zwischenräume für den Mittelstand, dem -wir angehören und in dem wir uns möglichst lange erhalten -wollen. Mit der Zeit muß derselbe allerdings <em class="antiqua">nolens volens</em> -hier wie dort ins Proletariat hinabsteigen. Aber unterdessen -haben auch die untersten Volksklassen so viel gewonnen, daß -die Sache weniger betrübt ist. Wir gehören deshalb praktisch -zur Mittelklasse und theoretisch zum Proletariat. Soll ich -mich hier tatenlos hinuntersinken lassen, wenn ich vorsehe, -daß drüben die Kampfverhältnisse günstiger sind?</p> - -<p>Ich möchte Dir gern meine Überzeugung übertragen, damit -Du wo mit dem Leibe auch mit der Seele stehest. Das -Staatsproletariat ist eine erbärmliche Sklaverei. Zwar ist -das sicherste hier wohl der Staatsdienst, aber ich fürchte, -Du siehst ihn mit zu idealen Augen. Wenn Du als Gymnasiallehrer -hier Deinem Herrn und Meister so viel Opposition -gezeigt hättest wie bei K. & E., dann wärst Du am -Ende Deines Lateins, aber gründlicher am Ende wie dort, -wenn Du auch vollkommen mit den New-Yorker Herren zerfällst. -Zudem ist es viel leichter, einen herrischen Privatmann -mit einem schmeichelhaften Worte zu befriedigen, als -ein herrisches System, das nur mit Deiner völligen Unterwerfung -auf Lebensdauer zufrieden ist. Lieber Eugen, besieh -Dir Dein Verhältnis genau, und dann wirst Du – nach -meiner Ansicht der Sache von hier aus – jubeln, daß Du -so weit vorgerückt bist …</p> - -<p class="date"> -25. November 1882. -</p> - -<p>… Richte Deine Aufmerksamkeit weit mehr auf den sicheren, -steten Gang als auf großen Erfolg. Auch sitzt in dem vielen -Hab und Gut gar nicht das Glück; eine bescheidene Existenz -ist alles, wonach wir streben wollen. Im Hinblick auf den -Reichtum, welchen die menschliche Entwicklung uns ganz -von selbst in den Schoß wirft, dürfen wir dem Gang der -Dinge mit der größten Genügsamkeit zusehen. Ich meine -damit die Produktivkraft der Arbeit, welche sich durch die -industriellen Fortschritte stetig mehrt; damit mehrt sich also<span class="pagenum"><a id="Seite_183">[183]</a></span> -auch das lebendige Vermögen des einzelnen, mittels seiner -Arbeit die Bedürfnisse zu befriedigen, wenn auch sein totes -Vermögen, sein »Kapital« sich nicht mehrt. Weil man aber -durch die Abhängigkeit vom Kapitalisten sehr leicht aufs -Trockene und ins Elend versetzt werden kann, darum ist es -von allerhöchster Bedeutung, so viel Stock (Vorrat. D. H.) -zu besitzen, um unter allen Umständen seine Arbeitskraft in -Gang erhalten zu können. Deshalb ist es für uns jetzt so -überaus wichtig, sorgsam zu wachen, daß unser kleiner Fonds -erhalten bleibt. Ich freue mich ungemein auf Deine Herkunft -im nächsten Sommer, damit wir uns gründlich verständigen …</p> - -<p class="date"> -9. März 1883. -</p> - -<p>… Eine besondere Freude macht es mir, daß ich es fertig -gebracht, gemäß Deinen Auslassungen, Dich für meine heiligsten -Gedanken, für meine neue und hohe Weltanschauung -zu interessieren. Dadurch hat uns die Trennung und Entfernung -nicht entfremdet, sondern im höchsten Grade genähert. -Bleibe, lieber Eugen, der Wissenschaft anhänglich! Werde -kein Bücherwurm, aber ein Liebhaber der Bücher zum Zweck -ihrer praktischen Anwendung im Leben!</p> - -<p class="date"> -15. März 1883. -</p> - -<p>… Der Familienzusammenhang ist mir wie Dir teuer und -wert und möchte ich uns allen gewiß die Freude des Wiedersehens -gönnen. Jedoch geht das materielle Gedeihen allen Gemütsbedürfnissen -vor. Besser, wir sind in fünf Weltteile zerstreut, -wenn es jedem gut geht, als im Elend vereinigt. Bedenke -wohl und ernstlich, wie der Unbemittelte, besonders im -alten Europa, ein elender Sklave ist. Du lebst an einer Stelle, -wo der Pulsschlag der Welt recht fühlbar ist, und begreifst -meine Vorsicht leicht; Deine Geschwister hier leben idyllisch, -sanguinisch wie die Kinder der Welt vor dem Jüngsten Tage. -Ich kann ihnen keine Angst anpredigen, weil ich realiter zu -nachgiebig bin, und weil ihre Umgebung, die Siegburger Dorfgemütlichkeit, -die wahre Not des Lebens zu sehr verhüllt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_184">[184]</a></span></p> - -<p class="date"> -19. September 1883. -</p> - -<p>In Ermangelung eines sozialen Staates wollen wir (Vater -und Kinder) wenigstens unter uns Kommunisten sein in beschränktem -Maße, für den Notfall, und nicht utopistisch. Du -sollst – nach meiner Denkart – im allgemeinen, im großen -ganzen egoistisch für Dich und Deine Zukunft sorgen, aber -nebenbei auch der allgemeinen Menschenliebe Rechnung tragen. -Die faktischen Weltverhältnisse beruhen noch auf dem Egoismus -gar ausschließlich, und über das Faktische darf sich auch -kein Idealist hinwegsetzen, sonst ist er Utopist …</p> - -<p class="date"> -16. November 1883. -</p> - -<p>Du sprichst von dem unmoralischen Ton in der Familie -M., der Dich und auch Eduard S. chokierte. Ich kann mir -dabei nichts anderes denken, als daß die Ablösung der Bande, -welche Bürgermeister, Pastor und Nachbarschaft dem Dorfmenschen -auflegen, verstärkt durch die Fesseln ökonomischer -Dürftigkeit und das Gefühl niedriger sozialer Stellung, daß -der Wegfall dieser Banden die Emporkömmlinge dort drüben -außer Rand und Band bringt. Ob sie sich da nun mit äußerem -Flitter behangen, bleibt ihnen doch das Gefühl der Niedrigkeit, -welches sie sich durch Anmaßung ausreden möchten. Ist -es so? Nun, das sollte Dich nicht antipathisch stimmen. »Alles -erklären, heißt alles verzeihen.« Wenn Du von Dir ein höheres -Bewußtsein hegen kannst, so freue Dich dessen, aber halte auch -gewärtig, daß Du in dieser so sehr verbesserungsbedürftigen -Welt immer Resignation üben und Dein Licht in etwa unter -den Scheffel halten mußt.</p> - -<p class="date"> -6. Dezember 1883. -</p> - -<p>… Wenn ich nicht gerade dem Elend ins Auge sehen -muß, und <em class="gesperrt">nur eben</em>, <em class="gesperrt">wenn noch so arm</em>, leben kann, bin -ich durch mein heiteres Gemüt ungemein reich und besitze -eine unverwüstliche Munterkeit.</p> - -<p>Auch Deine entschiedene Sprache, mit der Du von neuen -Geschäftsunternehmungen abrätst, hat mir wohl getan. Mir<span class="pagenum"><a id="Seite_185">[185]</a></span> -tut nichts wohler, als wenn Ihr alle mitratet bei Gestaltung -der Zukunft; nur muß es kein Rat sein, wie ihn Deine -Schwestern gewöhnlich im Vorrat haben, die alles abweisen, -aber nichts Neues an die Stelle setzen; immer bleiben wollen, -wie sie sind, ohne der Zukunft Rechnung zu tragen. Sie raten -nur negativ: »Tu nicht! Tu nicht!«</p> - -<p>Im Briefe vom 22. November sagst Du: »Bin schlimmsten -Falls niemals um mein Brot verlegen.« Dies Wort hat mich -sehr erfreut. Wenn Du Dich etwas mit der politischen Ökonomie -bekannt gemacht hast, wirst Du einsehen: was heute -ein Kapital ist, ist morgen keins mehr. Ich bin Kleinbürger -von Geburt und Stand. Wenn ich kein Betriebskapital habe, -bin ich am Ende meines Lateins. Darum möchte ich sehen, -daß meine Kinder sich nicht auf ein kleines und unzulängliches -Kapitälchen, das mit der Entwicklung der Dinge immer -noch unzulänglicher wird, stützen sollten, sondern auf ihre -Arbeitskraft. Im Anschluß an konkurrenzfähiges Kapital sich -eine günstige Lohnstellung suchen, ist zeitgemäßer als die kleine -unzulängliche Selbständigkeit. Ich spreche Dir ja meine Gedanken -in den »Logischen Briefen« aus.</p> - -<p class="date"> -25. Januar 1884. -</p> - -<p>Ich will Dich gewiß nicht abhalten, wenn Du die Gelegenheit -hast, ein eigenes Geschäft zu akquirieren, sondern -nur anraten, den unvermeidlichen Drang dahin zu mäßigen -durch die Erkenntnis, daß das Kleingetriebe dem Untergang -gewidmet ist; der dienende Anschluß an eine große Firma -ist freier, leichter, lohnender wie die Kleinkrämerei. Solche -Selbständigkeit ist doch eine sehr relative, besonders wenn die -Konkurrenz ihr das Leben sauer macht. Ich glaube gern, -daß Du von meinem Charakter ein gut Stück geerbt hast, -wodurch es Dir schwer wird, auf Gleichberechtigung zu verzichten. -Indes ist das nun einmal nicht anders in unseren -Tagen des Privatbesitzes und daraus folgenden Standesunterschiedes. -Wer kein großes Vermögen hat, kein Kapitalist -ist, ist unfrei geboren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_186">[186]</a></span></p> - -<p>Ich glaube, wir, ich, Du und Deine Geschwister, werden -am besten fahren, wenn wir in etwa resignieren und uns -als das betrachten, was wir auch in der Tat sind, als Proletarier, -die der Regel nach nicht imstande sind, sich aus ihrer -Klasse herauszuarbeiten, sondern ein hoffnungsvolles Leben -nur finden können im politischen Streben nach der Emanzipation -der gesamten Arbeiterklasse. Der Mensch tut gut, -nicht zu hoch hinauszufliegen und sein Streben mit seinen -Mitteln in Einklang zu halten. Demnach schlage ich vor, -daß wir unser kleines Vermögen nicht gebrauchen, um Reichtümer -zu erwerben – insofern diese zu den Trauben gehören, -die zu hoch hängen –, sondern als Notanker für unabsehbare -Unglücksfälle.</p> - -<p>Bei solcher Lage der Dinge müssen wir »dienen«. Nun -sind nach meiner Erfahrung die Vereinigten Staaten der Ort, -wo die Bitterkeiten des Unvermeidlichen noch am leidlichsten -sind.</p> - -<p class="date"> -17. März 1884. -</p> - -<p>Auf Deinen Brief aus Buffalo, worin Du gegen meinen -Rat polemisierst, Resignation zu üben wider den Trieb, ein -reicher Mann zu werden, hätte ich viel zu sagen, was aber -doch überflüssig ist, indem Du, trotz Deiner Polemik, mich -doch verstanden hast.</p> - -<p>Ich will Dich gewiß nicht veranlassen, <em class="gesperrt">absolut</em> zu resignieren, -sondern möchte nur, daß der Begriff der ökonomischen -Entwicklung diesen Trieb insoweit mäßige, als zu erkennen -ist, <em class="gesperrt">daß der Regel nach</em> nichts zu holen ist; wenn Dir aber -das <em class="gesperrt">Glück</em> zwischen die Beine läuft, werde ich gewiß einverstanden -sein, wenn Du recht wacker für ein Stück Kapital -arbeitest.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"></div> - -<div class="footnotes"> -<h2 id="FOOTNOTES">Fußnoten</h2> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_1_1"></a><a href="#FNAnker_1_1"><span class="label">[1]</span></a> Verlag der Dietzgenschen Philosophie. München 1911.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_2_2"></a><a href="#FNAnker_2_2"><span class="label">[2]</span></a> Siehe hierzu die Abhandlung <em class="gesperrt">Eugen Dietzgens</em> »Dietzgen -und Kant« im Vorwort (S. 4 bis 40) zu seinem »Dietzgen-Brevier -für Naturmonisten«. München 1915, Verlag der Dietzgenschen -Philosophie.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_3_3"></a><a href="#FNAnker_3_3"><span class="label">[3]</span></a> Dialektik = Entwicklungslehre durch Aussöhnen aller Gegensätzlichkeit -in einer Einheit und durch Fortschreiten im stets neu -sich bildenden Gegensatzkampf zur immer höheren Aussöhnung -und Einheit.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_4_4"></a><a href="#FNAnker_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Die gründlichste philosophische Unterweisung über den »Universalzusammenhang« -findet der Leser in den »Logischen Briefen«, -1. Teil, 2. Band, der »Sämtlichen Schriften Josef Dietzgens«.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_5_5"></a><a href="#FNAnker_5_5"><span class="label">[5]</span></a> Auf die nahe Verwandtschaft des erkenntnistheoretischen -Standpunktes von Dietzgen mit den Anschauungen von Ernst -Mach und seiner Anhänger hat Max Adler schon 1907 in der -Neuen Zeit aufmerksam gemacht. Machs Lehrkern habe Dietzgen -schon 1868 gleichsam vorweggenommen. (Christian Eckert in -Schmollers Jahrbuch, Heft 1, 1914.) -</p> -<p> -Später (1911 und 1913) hat Gustav Eckstein in Aufsätzen der -Leipziger Volkszeitung und des Vorwärts die erkenntnistheoretische -Harmonie von Dietzgen und Mach beziehungsweise Stallo -gewürdigt. -</p> -<p> -Es steht übrigens fest, daß die genannten Gelehrten zur Zeit -der Veröffentlichung ihrer Theorien von Dietzgen nichts wußten. -Bis vor fünf Jahren war der bloße Name Josef Dietzgen an -den Universitäten nur sehr wenigen bekannt.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_6_6"></a><a href="#FNAnker_6_6"><span class="label">[6]</span></a> Eine Ausnahme machte inzwischen <em class="antiqua">Dr.</em> K. Österreich in seiner -Ausgabe des 4. Bandes (1916) von Überweg-Heinzes Geschichte -der Philosophie.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_7_7"></a><a href="#FNAnker_7_7"><span class="label">[7]</span></a> In dem von mir übersetzten Buche von Morris Hillquit, -New York, »Der Sozialismus, seine Theorie und seine Praxis« -(München 1911, E. Reinhardt) behandelt das dritte Kapitel -»Sozialismus und Ethik«, Seite 28 bis 50.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_8_8"></a><a href="#FNAnker_8_8"><span class="label">[8]</span></a> Kant sagt: »Ich nehme an, daß es wirklich reine moralische -Gesetze gebe, die völlig <em class="antiqua">a priori</em> (ohne Rücksicht auf empirische -Bewegungsgründe, das ist Glückseligkeit) das Tun und Lassen, -das ist den Gebrauch der Freiheit eines vernünftigen Wesens -überhaupt bestimmen, und daß diese Gesetze <em class="gesperrt">schlechterdings</em> -(nicht bloß hypothetisch unter Voraussetzung anderer empirischer -Zwecke) gebieten und also in aller Absicht notwendig sind.« – -Sein »kategorischer Imperativ« lautet: »Handle so, daß die -Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen -Gesetzgebung gelten könne.« -</p> -<p> -Woran Sozialisten, angesichts der aus den Verschiedenheiten -der <em class="gesperrt">Klasseninteressen</em> resultierenden Differenzen der »Maxime -des Willens«, die im vorigen Zitat gedachten »reinen moralischen -Gesetze« – die jeder normale Mensch angeblich aus seinem -Innern (ohne sinnliche Erfahrung) schöpft – zu erkennen vermögen, -ist ein Rätsel, dessen Lösung die Revisionisten uns bisher -vorenthalten haben. Wenn Kants ethisches Grundgesetz richtig -wäre, müßten doch die Wilden schon unsere wichtigsten heutigen -Moralanschauungen gehabt haben – ganz zu schweigen von der -Sklavenhalterzeit, von der feudalen und von der kapitalistischen -Welt. Steht doch sogar der letzteren moralisches Empfinden – -soweit es den Gütererwerb durch Verelendung der Massen betrifft -– in krassem Gegensatz zu dem unsrigen. -</p> -<p> -Professor Oswald Külpe sagt in seiner Darstellung und Würdigung -Kants (Aus Natur und Geisteswelt, 146. Band, Seite 121) -in bezug auf Kants Moralgebot: Liebe aus Neigung kann nicht -geboten werden, sondern nur die praktische Liebe, das Wohltun -aus Pflicht, wenn selbst unbezwingliche Abneigung der Ausführung -dieser Pflicht entgegensteht. Auf solche Beispiele zielt das -bekannte Epigramm von Schiller: -</p> -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Gern dien' ich den Freunden, doch tu ich es lieber mit Neigung,<br /></span> -<span class="i0">Und so wurmt es mich oft, daß ich nicht tugendhaft bin.<br /></span> -<span class="i0">Da ist kein anderer Rat, du mußt suchen sie zu verachten,<br /></span> -<span class="i0">Und mit Abscheu alsdann tun, was die Pflicht dir gebeut.<br /></span> -</div></div> -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_9_9"></a><a href="#FNAnker_9_9"><span class="label">[9]</span></a> In den letzten Jahren haben allerdings die Ergebnisse der -Erdbebenforschungen die alte Theorie von ehedem »feuerflüssigen« -Gehalt des Erdinnern erheblich diskreditiert.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_10_10"></a><a href="#FNAnker_10_10"><span class="label">[10]</span></a> Dialektik im Sinne Dietzgens heißt soviel wie die Erkenntnislehre, -welche sich gründet auf der erfahrungsmäßig nachgewiesenen -Versöhnung des Kardinalgegensatzes zwischen Materie -und Geist in der Einheit des natürlichen Universalzusammenhanges. -Dieser bildet die absolut einheitliche Gattung, innerhalb -welcher alle Gegensätze notwendig nur relativ gegensätzliche -Arten sind. -</p> -<p> -Durch solche Überwindung der Gegensätzlichkeit zwischen Materialismus -und Idealismus verwandelt sich die bislang mit -Recht als sophistisch diskreditierte Dialektik in eine streng monistische -Logik und Entwicklungslehre, die auf erfahrungsmäßig -kontrollierbare und daher wissenschaftlich überzeugende Weise -fortschreitend immer besser mit jeder dualistischen Unlogik zu -räumen versteht. -</p> -<p> -Noch Hegels Dialektik (Entwicklungslehre im stets sich erneuernden -Gegensatzkampf zur immer höheren Einheit) nahm -ihren letzten Ausgang von unvermittelter Begriffsarbeit, welche -sich mit ihrem objektiven Arbeitsmaterial in keiner Einheit zu -versöhnen vermochte, weil ihr die Erkenntnis der genannten -letzten Einheit mangelte und daher auch nicht zur Überwindung -des Gegensatzes zwischen Objekt und Subjekt fortschreiten konnte.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_11_11"></a><a href="#FNAnker_11_11"><span class="label">[11]</span></a> Ich existiere, daher denke ich.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_12_12"></a><a href="#FNAnker_12_12"><span class="label">[12]</span></a> Erst neulich wurde in den »Sozialistischen Monatsheften« -erklärt, es sei ganz und gar nicht Aufgabe der Partei, diese oder -jene Weltanschauung zu fördern. -</p> -<p> -Ähnlich gleichgültig verhält sich <em class="gesperrt">Kautsky</em> gegenüber einer durch -erfahrungsmäßige Erkenntniskritik begründeten Weltanschauung -und Denkmethode für die proletarische Bewegung, indem er im -»Kampf« vom 1. Juli 1909 schreibt: »Marx hat keine Philosophie, -sondern das Ende aller Philosophie verkündet. Der Marxismus -will dem Proletariat die Einsicht in die Bedingungen, den Gang -und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung beibringen, -wie das Kommunistische Manifest sagt. Der Ausgangspunkt -dabei ist die Erkenntnis, daß nicht das Bewußtsein der -Menschen ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein -ihr Bewußtsein bestimmt. Ob man diese Auffassung auf den -Materialismus des achtzehnten Jahrhunderts oder den Machismus -oder den Dietzgenschen dialektischen Materialismus oder -sonstwie stützt, ist ja für die Klarheit und Einheitlichkeit unseres -Denkens nicht ganz gleichgültig, aber eine Frage, die für die -Klarheit und Einheitlichkeit der <em class="gesperrt">Partei</em> ganz belanglos ist.«</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_13_13"></a><a href="#FNAnker_13_13"><span class="label">[13]</span></a> Mit großem Erfolg haben die Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften -ihren Lohn, Tantieme genannt, in den letzten Jahren, -und ganz besonders wieder 1913/14, erhöht. Auf Grund der Einnahmen -aus der <em class="gesperrt">Tantiemesteuer</em> berechnet die »Frankfurter -Zeitung« für das Fiskaljahr 1913/14 versteuerte Tantiemen von -88,38 Millionen Mark gegen 79,38 Millionen für das Jahr 1912/13, -71,50 Millionen für 1911/12, 65,39 Millionen für 1910/11, 59,30 -Millionen für 1909/10 und 41,01 Millionen Mark für 1908/09. -<em class="gesperrt">Seit 1908/09 hat sich die Jahreseinnahme der Aufsichtsräte -mehr als verdoppelt</em>, die Aufsichtsratstantiemen -sind erheblich schneller gestiegen als die Dividenden der Aktionäre. -Von einer Steigerung der Arbeitsleistung der Aufsichtsräte kann -dabei keine Rede sein, schon weil das Aufsichtsratsamt in den -meisten Fällen überhaupt mit keiner ernsthaften Arbeit verknüpft -ist. (»Vorwärts«.)</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_14_14"></a><a href="#FNAnker_14_14"><span class="label">[14]</span></a> Siehe hierzu das Zitat aus Verworn, Seite 25.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_15_15"></a><a href="#FNAnker_15_15"><span class="label">[15]</span></a> Lehrlingskontrakt (wie in Deutschland) kennt man in den -Vereinigten Staaten nicht; auch gibt es keine »unentgeltliche« Lehrzeit; -jeder Lehrling erhält Bezahlung und avanciert nach Maßgabe -seiner Fähigkeiten und der eintretenden Vakanzen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_16_16"></a><a href="#FNAnker_16_16"><span class="label">[16]</span></a> Freund des Vater Dietzgen, in dessen Geschäft und Fabrik -Eugen als Volontär aufgenommen wurde.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_17_17"></a><a href="#FNAnker_17_17"><span class="label">[17]</span></a> An manchen Stellen dieser Korrespondenz ist zu beachten, -daß J. D. die Vereinigten Staaten vor Einsetzen der großkapitalistischen -Periode kennen lernte, als sie tatsächlich das Eldorado -des Kleinbürgertums waren. Dies hat sich inzwischen sehr verändert, -so daß der Unterschied zwischen der Union und Deutschland -von Jahr zu Jahr geringer wird. Auch heute noch sind zu -Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs die Chancen zum Fortkommen -drüben bessere als in Europa, dafür aber um so verzweifelter und -schlechter während einer Periode wirtschaftlichen Niedergangs.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_18_18"></a><a href="#FNAnker_18_18"><span class="label">[18]</span></a> Der junge Dietzgen wurde vom Fabrikherrn K., einem alten -Freunde und Gesinnungsgenossen Josef Dietzgens, in Pension -genommen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_19_19"></a><a href="#FNAnker_19_19"><span class="label">[19]</span></a> Von Georg Ebers. Der Sohn hatte geschrieben, daß er dies -Buch gelesen.</p></div> -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p class="h2">Verlag der Dietzgenschen Philosophie in München</p> -</div> - -<p class="center">Durch jede Buchhandlung (nicht von der Verlagsfirma -direkt) beziehbar:</p> - -<p class="h2">Josef Dietzgens sämtliche Schriften</p> - -<p class="center">Drei Leinenbände M. 12.– München 1911.</p> - -<p>Erster Band: <b>Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit und -Kleinere Schriften.</b> Ein Abriß von Josef Dietzgens Leben von -Eugen Dietzgen. Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit. (Eine -abermalige Kritik der reinen und praktischen Vernunft.) Die -Religion der Sozialdemokratie. Sozialdemokratische Philosophie. -Das Unbegreifliche. Die Grenzen der Erkenntnis. Unsere Professoren -auf den Grenzen der Erkenntnis.</p> - -<p>Zweiter Band: <b>Das Akquisit der Philosophie.</b> Einführung -in die Denklehre und Weltanschauung Josef Dietzgens von Eugen -Dietzgen. Briefe über Logik, speziell demokratisch-proletarische -Logik. (39 Briefe.) Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet -der Erkenntnistheorie. Das Akquisit der Philosophie.</p> - -<p>Dritter Band: <b>Erkenntnis und Wahrheit.</b> Aus Josef Dietzgens -Privatbriefen an seinen Sohn in Amerika. 22 Aufsätze und -10 »Briefe über Sozialismus an eine Freundin«.</p> - -<p class="center larger">Von den Einzelschriften sind noch vorrätig:</p> - -<div class="hang"> - -<p><b>Das Wesen der menschlichen Kopfarbeit.</b> M. 1.50, -gebd. M. 2.–</p> - -<p><b>Erkenntnis und Wahrheit.</b> M. 2.–, gebd. M. 2.50.</p> - -<p><b>Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet der Erkenntnistheorie.</b> -Brosch. M. 1.–</p> - -<p><b>Sozialdemokratische Philosophie.</b> Brosch. 75 Pf.</p> - -<p><b>Die Religion der Sozialdemokratie.</b> Brosch. 50 Pf.</p> - -<p><b>Die Zukunft der Sozialdemokratie.</b> Brosch. 50 Pf.</p></div> - -<hr class="chap" /> - -<p class="h2">Verlag der Dietzgenschen Philosophie in München</p> - -<p class="h2">Ernst Untermann: Dialektisches</p> - -<p class="center">Volkstümliche Vorträge -aus dem Gebiete des proletarischen Monismus.</p> - -<p>Aus dem Inhalte heben wir hervor: 1. Was die Handlungen -der Menschen bestimmt und warum sich die Dinge ändern. – -2. Der menschliche Geist ist ein natürliches Produkt des Weltalls. -– 3. Marxismus, Darwinismus, dialektischer Monismus. – -4. Tier- und Menschengesellschaften. – 5. Biologische und ökonomische -Arbeitsteilung. – 6. Antonio Labriola und Josef Dietzgen. -Ein Vergleich zwischen dem historischen Materialismus und dem -dialektischen Monismus.</p> - -<p>142 Seiten, broschiert M. 1.–, gebunden M. 1.20.</p> - -<p class="h2">Henriette Roland-Holst:<br /> -Josef Dietzgens Philosophie</p> - -<p class="center">gemeinverständlich erläutert in ihrer Bedeutung für das -Proletariat.</p> - -<p class="center">München 1910. 91 Seiten, broschiert M. 1.–</p> - -<p>Diese Schrift dürfte sich vorzüglich eignen zur Einführung in -die Denklehre und Weltanschauung des Arbeiterphilosophen. Die -Verfasserin sagt in ihrer Vorrede unter anderem: »Ich habe mich -in dieser Arbeit darauf beschränkt, erstens das Verhältnis Dietzgens -zum historischen Materialismus und dessen Grundlagen zu -untersuchen, zweitens die Bedeutung seiner Lehren für den politischen, -sozialen und geistigen Kampf des Proletariats zu skizzieren. -Ich habe geglaubt, dieser Untersuchung eine verhältnismäßig -ausführliche Zusammenfassung der Grundgedanken des -dialektischen Materialismus, die, soweit ich weiß, bisher fehlt, -vorausschicken zu müssen. Soviel wie möglich habe ich mich dabei -an die eigenen Worte Dietzgens gehalten, damit seine klare, populäre, -durchaus originelle und anregende Darstellungsweise dem -Leser tunlichst erhalten bleibe.«</p> - -<p class="h2">Dietzgen-Brevier für Naturmonisten</p> - -<p class="center">Herausgegeben und beantwortet von <b>Eugen Dietzgen</b>.</p> - -<p class="center">Mit ausführlichem Sachregister.</p> - -<p class="center">München 1915. 429 Seiten, elegant in Leder gebunden M. 4.–</p> - -<hr class="chap" /> - -<p class="h2">Inhalt der Internationalen Bibliothek.</p> - -<p class="center">(Die fehlenden Nummern sind vergriffen.)</p> - -<div class="hang"> - -<p>1 <b><em class="antiqua">Dr.</em> S. Tschulok, Entwicklungstheorie.</b> -(Darwins Lehre.) Mit 49 Abbildungen -im Text. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>2 <b>Karl Kautsky, Karl Marx' Oekonomische -Lehren.</b> 14. Aufl. Geb. M. 2.–</p> - -<p>5 <b>Karl Kautsky, Thomas More und -seine Utopie.</b> 3. Auflage. Geb. M. 3.–</p> - -<p>6 <b>A. Bebel, Charles Fourier. Sein Leben -und seine Theorien.</b> 3. Aufl. Geb. M. 2.50.</p> - -<p>8 <b>J. Stern, Die Philosophie Spinozas.</b> -Mit Porträt Spinozas. 3. Aufl. Geb. M. 2.–</p> - -<p>9 <b>A. Bebel, Die Frau und der Sozialismus.</b> -140. Tausend. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>10 <b>Lillagaray, Die Geschichte der -Kommune von 1871.</b> 4. Auflage. Illustrierte -Ausgabe. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>11 <b>Friedrich Engels, Der Ursprung -der Familie, des Privateigentums -und des Staates.</b> 14. Auflage. Gebunden -M. 1.50.</p> - -<p>12 <b>Karl Marx, Das Elend der Philosophie.</b> -Antwort auf Proudhons »Philosophie -des Elends«. 5. Aufl. Geb. M. 2.–</p> - -<p>13 <b>Karl Kautsky, Das Erfurter Programm</b> -in seinem grundsätzlichen Teile. -11. Auflage. Gebunden M. 2.–</p> - -<p>14 <b>Friedrich Engels, Die Lage der -arbeitenden Klasse in England.</b> -4. Auflage. Gebunden M. 2.50.</p> - -<p>16 <b><em class="antiqua">Dr.</em> F. B. Simon, Die Gesundheitspflege -des Weibes.</b> 8. Auflage. Mit -34 Abbildungen im Text und einer farbigen -Tafel. Gebunden M. 2.50.</p> - -<p>17 <b>Franz Mehring, Die Lessing-Legende.</b> -3. Auflage. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>18 <b><em class="antiqua">Dr.</em> H. Lux, Etienne Cabet</b> und der -Ikarische Kommunismus. Gebunden M. 2.–</p> - -<p>21 <b>Friedrich Engels, Herrn Eugen -Dührings Umwälzung der Wissenschaft.</b> -8. Auflage. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>24 <b>Karl Marx, Revolution u. Konter-Revolution -in Deutschland.</b> 3. Auflage. -Gebunden M. 2.–</p> - -<p>26 <em class="antiqua">a</em>, <em class="antiqua">b</em>, <em class="antiqua">c</em> <b><em class="antiqua">Dr.</em> A. Dodel, Aus Leben und -Wissenschaft.</b> Gesammelte Vorträge und -Aufsätze. In drei Teilen.</p> - -<p>26 <em class="antiqua">a</em> <b>– Leben u. Tod.</b> 4. Aufl. Geb. M. 2.–</p> - -<p>26 <em class="antiqua">b</em> <b>– Kleinere Aufsätze und Vorträge.</b> -4. Auflage. Gebunden M. 2.–</p> - -<p>26 <em class="antiqua">c</em> <b>– Moses oder Darwin?</b> Eine Schulfrage. -11. Auflage. Gebunden M. 1.50.</p> - -<p>27 <b>Lindemann (C. Hugo), Städteverwaltung -und Munizipal-Sozialismus -in England.</b> 2. Auflage. Mit -einem neuen Vorwort. Gebunden M. 2.50.</p> - -<p>30 <b>Karl Marx, Zur Kritik der politischen -Oekonomie.</b> 3. Auflage. Gebunden -M. 2.50.</p> - -<p>33 <b>Leo Deutsch, Sechzehn Jahre in -Sibirien.</b> Mit 7 Porträts und 6 Illustrationen. -10. Tausend. Gebunden M. 3.50.</p> - -<p>35 <b>Karl Marx, Theorien über den -Mehrwert.</b> Aus dem nachgelassenen -Manuskript »Zur Kritik der politischen -Oekonomie« von Karl Marx. Herausgegeben -von Karl Kautsky. Erster Band. -2. Auflage. Gebunden M. 6.–</p> - -<p>36 <b>– –</b>, Zweiter Band, erster Teil. 2. Auflage. -Gebunden M. 5.–</p> - -<p>37 <b>– –</b>, Zweiter Band, zweiter Teil. -2. Auflage. Preis gebunden M. 5.50.</p> - -<p>37 <em class="antiqua">a</em> <b>– –,</b> Dritter Band. Gebunden M. 8.–</p> - -<p>38 <b>Karl Kautsky, Ethik und materialistische -Geschichtsauffassung.</b> 6. und -7. Tausend. Gebunden M. 1.50.</p> - -<p>39 <b>Hillquit, Geschichte des Sozialismus -in den Vereinigten Staaten.</b> -Gebunden M. 3.–</p> - -<p>40 <b>K. A. Pashitnow, Die Tage der arbeitenden -Klasse in Rußland.</b> Uebersetzt -von M. Nachimson. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>41 <b>Leo Deutsch, Viermal entflohen.</b> -4. und 5. Tausend. Gebunden M. 2.–</p> - -<p>42 <b>Peter Maßlow, Die Agrarfrage -in Rußland.</b> Die bäuerliche Wirtschaftsform -und die ländlichen Arbeiter. Uebersetzung -von M. Nachimson. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>43 <b>Paul Louis, Geschichte des Sozialismus -in Frankreich.</b> Aus dem -Französischen übertragen von Hermann -Wendel. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>44 <b>Ed. Bernstein, Sozialismus und -Demokratie in der großen englischen -Revolution.</b> Illustrierte Ausgabe. -Gebunden M. 4.–</p> - -<p>45 <b>Karl Kautsky, Der Ursprung des -Christentums.</b> Eine historische Untersuchung. -5. und 6. Tausend. Gebunden -M. 5.75.</p> - -<p>46 <b>L. B. Boudin, Das theoretische -System von Karl Marx.</b> Aus dem -Englischen übersetzt von Luise Kautsky. -Mit einem Vorwort zur deutschen Ausgabe -von Karl Kautsky. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>47 <b>K. Kautsky, Vorläufer des neueren -Sozialismus.</b> 4. Auflage. Erster Band: -Kommunistische Bewegungen im Mittelalter. -Gebunden M. 3.–</p> - -<p>48 – –, Zweiter Band: Der Kommunismus -in der deutschen Reformation. Geb. M. 3.–</p> - -<p>49 <b>Ph. Buonarroti, Babeuf und die -Verschwörung für die Gleichheit.</b> -Uebersetzt und eingeleitet von Anna und -Wilhelm Blos. Gebunden M. 2.50.</p> - -<p>50 <b>Karl Kautsky, Vermehrung und -Entwicklung in Natur und Gesellschaft.</b> -Gebunden M. 2.–</p> - -<p>51 <b>Paul Louis, Geschichte der Gewerkschaftsbewegung -in Frankreich</b> -(1789 bis 1912). Autorisierte Übersetzung -von Hedwig Kurucz-Eckstein. Herausgegeben -und mit einer Einleitung versehen -von <em class="antiqua">Dr.</em> G. Eckstein. Gebunden M. 3.–</p> - -<p>52 <b>Joseph Salvioli, Der Kapitalismus -im Altertum.</b> Studien über die -römische Wirtschaftsgeschichte. Nach dem -Französischen übersetzt von Karl Kautsky -jun. Mit einem Vorwort von Karl Kautsky. -Gebunden M. 3.–</p> - -<p>53 <b>Max Adler, Marxistische Probleme.</b> -Beiträge zur Theorie der materialistischen -Geschichtsauffassung. Gebunden M. 3.50.</p> - -<p>54 <b>Laufenberg, Der politische Streik.</b> -Gebunden M. 2.50.</p> - -<p>55 <b>Emile Vandervelde, Neutrale und -sozialistische Genossenschaftsbewegung.</b> -Gebunden M. 1.50.</p> - -<p>56 <b>Max Adler, Wegweiser.</b> Studien zur -Geistesgeschichte des Sozialismus. Gebunden -M. 2.50.</p> - -<p>57 <b>Gust. Noske, Kolonialpolitik und -Sozialdemokratie.</b> Gebunden M. 2.–</p> - -<p>58 <b>A. Hepner, Josef Dietzgens Philosophische -Lehren.</b> Gebunden M. 2.50.</p></div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"></div> - -<div class="transnote"> - -<p class="h2" id="tnextra">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde korrigiert.</p> - -<p>Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.</p> - -<p>Korrekturen:</p> -<div class="corr"> -<p> -S. 64: vertrakten → vertrackten<br /> -derselbe ihrem <a href="#corr064">vertrackten</a> Sinne wie ein unnatürliches</p> -<p> -S. 108: ihr → ihre<br /> -menschlichen Handlungen <a href="#corr108">ihre</a> wahre Begründung</p> -<p> -S. 143: Ende → Enden<br /> -daß alle vermeintlichen Anfänge und <a href="#corr143">Enden</a></p> -<p> -S. 144: kam → kann<br /> -beseelt mit Fug und Recht darstellen <a href="#corr144">kann</a></p> -</div> -</div> - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Josef Dietzgens philosophische Lehren, by -Adolf Hepner - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK JOSEF DIETZGENS *** - -***** This file should be named 50574-h.htm or 50574-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/0/5/7/50574/ - -Produced by Alexander Bauer and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit http://pglaf.org - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. -To donate, please visit: http://pglaf.org/donate - - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic -works. - -Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm -concept of a library of electronic works that could be freely shared -with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project -Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. - - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. -unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/50574-h/images/cover.jpg b/old/50574-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 28f14b6..0000000 --- a/old/50574-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/50574-h/images/portrait.jpg b/old/50574-h/images/portrait.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index fbbf4c3..0000000 --- a/old/50574-h/images/portrait.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/50574-h/images/signet.png b/old/50574-h/images/signet.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 2eaa064..0000000 --- a/old/50574-h/images/signet.png +++ /dev/null |
