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-The Project Gutenberg eBook, Thibaut und Savigny, Edited by Jacques Stern
-
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
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-
-
-
-
-Title: Thibaut und Savigny
- Zum 100jährigen Gedächtnis des Kampfes um ein einheitliches bürgerliches Recht für Deutschland
-
-
-Editor: Jacques Stern
-
-Release Date: January 1, 2016 [eBook #50813]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-
-***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK THIBAUT UND SAVIGNY***
-
-
-E-text prepared by Norbert H. Langkau, Heike Leichsenring, and the Online
-Distributed Proofreading Team (http://www.pgdp.net)
-
-
-
-Anmerkungen zur Transkription:
-
- Mit ~ umschlossene Texte sind im Original in einer anderen
- Schriftart (Antiqua) als der Haupttext (Fraktur) gedruckt.
- Im Original sind auch die Abkürzung "Dr." und römische
- Zahlen in Antiqua gedruckt; dies wurde für die elektronische
- Fassung nicht übernommen.
-
- Umschließungen mit * zeigen "gesperrt" gedruckten Text an,
- Umschließungen mit _ kursiven Text.
-
- Griechischer Text wurde transliteriert und ist mit = umschlossen.
-
- Eine Liste mit Korrekturen finden Sie am Ende des Buchs.
-
-
-
-
-
-THIBAUT UND SAVIGNY.
-
-Zum 100jährigen Gedächtnis
-des Kampfes um ein einheitliches bürgerliches Recht
-für Deutschland.
-
-1814. * 1914.
-
-Die Originalschriften
-in ursprünglicher Fassung mit Nachträgen,
-Urteilen der Zeitgenossen und einer Einleitung
-herausgegeben
-
-von
-
-~DR.~ JACQUES STERN,
-Amtsrichter in Berlin.
-
-
-
-
-
-
-
-Berlin, 1914.
-Verlag von Franz Vahlen
-~W~ 9, Linkstr. 16.
-
-
- Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte,
- doch der Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit.
-
- *Schiller*
-
- (aus einem unvollendeten Gedicht von
- Deutscher Größe, 1801).
-
-
-
-
-Vorrede.
-
-
-Klassische Schriften der Wissenschaft haben zunächst geschichtliche
-Bedeutung, indem sie uns die Auffassungen der Vergangenheit kennen
-lehren und damit die Keime der Gegenwart aufdecken. Darüber hinaus aber
-haben sie bleibenden Wert, soweit sie allgemeine, von Zeit und Ort
-unabhängige Gedanken enthalten.
-
-Die Streitschrift *Savignys*, des größten deutschen Juristen im
-19. Jahrhundert, »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und
-Rechtswissenschaft«, veranlaßt durch *Thibauts* Schrift »Über
-die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
-Deutschland«, gehört schon wegen ihrer programmatischen Bedeutung
-für die »historische Schule« zu den klassischen Schriften der
-Rechtswissenschaft. Die Kodifikation, die vor 100 Jahren Thibaut
-erstrebt und Savigny bekämpft hat, und zwar nicht bloß für *seine*
-Zeit, was im Gegensatze zur herrschenden Meinung über die alte und
-bedeutsame Streitfrage *in diesem Buche bewiesen* werden soll, ist um
-die Wende des 19. Jahrhunderts durch die Schaffung des Bürgerlichen
-Gesetzbuchs für das Deutsche Reich zur Wirklichkeit geworden. Trotzdem
-bleibt Savignys Gelegenheitsschrift mit ihrer »in der Geschichte
-vielleicht einzig dastehenden Wirkung« (Jhering zum Gedächtnis
-Savignys in den Jahrbüchern für Dogmatik V, 362) eben wegen der
-in ihr enthaltenen allgemeinen Gedanken von dauerndem Werte. Aber
-auch Thibauts Schrift ist mehr als ein interessantes Dokument der
-Zeitgeschichte. Nicht bloß als unmittelbare Veranlassung der Arbeit
-Savignys wird sie, untrennbar von dieser, fortleben, sondern als
-das Beste und Nachhaltigste, was über den Nutzen einer Kodifikation
-geschrieben worden ist.
-
-In den Kämpfen der Gegenwart um die Grundfragen der Rechtswissenschaft
-greift man mit Recht immer wieder auf Savignys Programmschrift zurück;
-auch an Rückblicken auf Thibauts Abhandlung fehlt es hierbei nicht. Es
-ist daher nicht bloß ein Akt der Pietät, durch den der Juristenstand
-sich selber ehrt, wenn er die Erinnerung an seine Führer, insbesondere
-an den denkwürdigen Streit zwischen Thibaut und Savigny durch die
-Verbreitung ihrer eigenen Worte wach erhält, sondern von unmittelbarem
-praktischen Werte, beide Schriften vollständig im Original zur Hand zu
-haben.
-
-Die Jünger der Rechtswissenschaft hören zwar auch heute schon in
-den ersten Anfängen ihres Studiums die Namen Savigny und Thibaut
-und die Titel ihrer beiden Schriften, zu Gesicht bekommen oder
-gar gelesen haben sie aber nur verschwindend wenige unter unseren
-heutigen deutschen Juristen. Es ist ein schlechter Trost, daß von
-dem gleichen Schicksal die übrigen klassischen Werke der deutschen
-Rechtswissenschaft nicht minder als die des Auslands betroffen werden.
-Und doch liegt in ihnen ein Bildungsmittel ersten Ranges für die
-juristische Jugend, dessen Wertschätzung unsere Zeit beinahe verlernt
-hat. Der einstige Leiter des Reichsjustizamts und nachmalige preußische
-Kultusminister Bosse schildert mit dem Gefühl der Dankbarkeit, wie ihn
-im Jahre 1854 kurz nach seinem Eintritt in den praktischen Justizdienst
-ein älterer Richter auf Savignys Schrift aufmerksam gemacht und welch
-tiefen Eindruck nach Form und Inhalt er von ihr empfangen habe. (Vgl.
-Bosse, Über Savignys Schrift »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung
-und Rechtswissenschaft.« Im Hinblick auf die Herstellung eines
-deutschen bürgerlichen Gesetzbuches. Deutsche Revue, 25. Jahrgang
-[1900] S. 7 ff.)
-
-Wer dafür eintritt, daß der Sinn für das Große und Allgemeine nicht
-im täglichen Getriebe juristischer Spezialarbeit untergehe, der wird
-das beste Mittel zu diesem Ziele in den Schriften der *Klassiker der
-Rechtswissenschaft* finden und schon die juristische Jugend auf sie
-hinweisen. Aus dem Kreise dieser Werke eignen sich die beiden im
-engsten Zusammenhange stehenden und darum hier vereinigten Schriften
-Thibauts und Savignys im Kampfe um ein einheitliches bürgerliches
-Recht für Deutschland wegen ihres Gegenstandes ganz besonders für den
-Anfänger. Dieser durch die Klarheit der Darstellung und die Schönheit
-der Sprache in einen ästhetisch würdigen Rahmen gestellte Gegenstand
-gibt ihnen aber auch, was schon einige der ersten Kritiker Thibauts
-hervorgehoben haben (Jenaische Allgem. Literatur-Zeitung 1814 Nr. 185;
-Wiener Allgem. Literatur-Zeitung 1814 Nr. 98), ein Anrecht auf das
-Interesse jedes gebildeten Deutschen. Klingt doch zudem durch diese
-Schriften der Ton der echten Vaterlandsliebe, wie sie mit fortreißender
-Gewalt in jener großen Zeit zum Durchbruch kam, da Deutschland sich aus
-seiner tiefen Erniedrigung erhob.
-
-Besonderer Beachtung wert sind auch die schönen Worte, die Thibaut
-dem Verhältnis zwischen Fürst und Volk in Deutschland widmet --
-noch unter dem frischen Eindruck des Heimgangs Carl Friedrichs,
-des um die Entwicklung seines Landes hochverdienten Herrschers,
-der »Zierde *Badens*«. Vornehmlich seiner Fürsorge verdankte die
-alte Universität am Neckar nach ihrem Verfalle während der letzten
-Pfälzer-Zeit die Epoche neuen Glanzes trotz einer Zeit des Krieges und
-der Unruhe. Von *Heidelberg* ging Thibauts patriotischer Ruf durch
-das befreite Deutschland und Heidelberg wurde der Mittelpunkt dieses
-wissenschaftlich und kulturgeschichtlich bedeutungsvollen Streites;
-hier ließ Savigny seine Gegenschrift erscheinen und hier legte Thibaut
-in den Heidelbergischen Jahrbüchern seine weiteren Äußerungen in dieser
-Frage nieder.
-
-Um die Wirkung auf die Zeitgenossen möglichst rein zu vergegenwärtigen,
-sind beide Schriften in erster Ausgabe wortgetreu zum Abdruck gebracht.
-Dem gleichen Zwecke, dem besseren Verständnisse, aber auch zunutze
-der juristischen Literaturgeschichte dient die *Wiedergabe wichtiger
-Stimmen der Zeit, und zwar in einer bisher noch nicht erreichten
-Vollständigkeit*. Die Zusätze der Streitschriften in späteren Ausgaben
-sind besonders zusammengestellt.
-
-Noch einem anderen, gerade von Savigny wiederholt und mit Nachdruck
-als erstrebenswert bezeichneten Ziele (vgl. System des heutigen
-Römischen Rechts, Vorrede S. XX ff.) bringt uns die Beschäftigung mit
-den grundlegenden Werken der Rechtswissenschaft näher: der Herstellung
-der ursprünglichen und natürlichen Einheit von Theorie und Praxis.
-(Vgl. hierzu die Vorrede meiner »Einführung in die gerichtliche
-Praxis«, Berlin 1914.) Auch heute noch, wie zu Savignys Zeiten, ja
-sogar mehr noch als damals, krankt unser durch die Veränderung der
-wirtschaftlichen Verhältnisse, die Fortschritte der Technik und des
-Verkehrs, sowie mancherlei sonstige Einflüsse in neue Bahnen gelenktes
-Rechtsleben an der unnatürlichen Kluft zwischen beiden Richtungen,
-die nach seinen Worten die Gefahr in sich birgt, daß die Theorie zu
-einem leeren Spiel, die Praxis zu einem bloßen Handwerk herabsinke.
-Jetzt, wo wir im Bürgerlichen Gesetzbuch eine feste Grundlage unseres
-Privatrechts haben, ist es an der Zeit, der Arbeit am Speziellen
-zugunsten der Beschäftigung mit dem Grundlegenden, Allgemeinen
-eine Schranke zu setzen. Die Zukunft der Rechtsentwicklung und des
-Rechtsunterrichts in Deutschland liegt in einer die rechtsschöpferische
-Kraft von Theorie und Praxis fördernden Verbindung dieser beiden Teile
-eines Ganzen.
-
- Berlin, im Juni 1914.
-
- ~Dr.~ *Jacques Stern*.
-
- *Bemerkung*: Die in [Anmerkung Transkription: doppelte eckige]
- Klammern gesetzten Zahlen bei den Schriften Thibauts und Savignys
- bedeuten die Seiten der ersten Ausgaben. Die kleinen [Anmerkung
- Transkription: in einfache runde Klammern gesetzten] Zahlen im
- Text der Thibautschen Schrift verweisen auf die Nachträge (Abt.
- II Nr. 1). Die Noten unter dem Text sind nach den Seiten des
- vorliegenden Abdrucks nummeriert.
-
-
-
-
-Inhaltsverzeichnis.
-
-
- *Einleitung.*
-
- 1. Der wissenschaftliche Streit zwischen Thibaut und Savigny und
- seine weitere Entwicklung 8
-
- 2. Biographisches 26
-
- 3. Bibliographisches 32
-
- *I. Abteilung.*
-
- 1. *Thibaut*, Über die Notwendigkeit eines allgemeinen
- bürgerlichen Rechts für Deutschland. 1814 35
-
- 2. *Savigny*, Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und
- Rechtswissenschaft. 1814 69
-
- *II. Abteilung.*
-
- 1. Thibauts Nachträge zu seiner Schrift. 2. Ausgabe. 1814 167
-
- 2. Thibauts Besprechung (Antikritik) der Schrift Savignys. 1814 174
-
- 3. Urteile der Zeitgenossen zu den Streitschriften Thibauts und
- Savignys. 1814-1818 185
-
- 4. Anselm von Feuerbachs Urteil. 1816 195
-
- 5. Savignys Nachträge zu seiner Schrift. 2. Auflage. 1828 202
-
- 6. Bemerkungen 235
-
-
-
-
-Einleitung.
-
-
-1. Der wissenschaftliche Streit zwischen Thibaut und Savigny und seine
-weitere Entwicklung.
-
-Vor hundert Jahren, am 19. Juni 1814, acht Monate nach der Leipziger
-Völkerschlacht, noch nicht drei Monate nach dem Einzuge der Verbündeten
-in Paris, schrieb Anton Friedrich Justus *Thibaut*, Professor des
-Rechts in Heidelberg, die Vorrede zu seiner Flugschrift Ȇber die
-Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland«.
-Diesen geschichtlichen Hintergrund und seinen inneren Zusammenhang
-mit den Äußerungen deutschen Geisteslebens muß man von vornherein im
-Auge behalten, will man Erfolg und Wirkung der Arbeit Thibauts recht
-verstehen.
-
-Der Gedanke eines gemeinsamen deutschen bürgerlichen Rechts war nicht
-neu. Aus der großen Zahl seiner Vertreter seit der Mitte des 17.
-Jahrhunderts ragen die Namen *Conrings*, des Begründers der deutschen
-Rechtsgeschichte, *Leibniz'*, des großen Polyhistors, *Thomasius'*,
-des Naturrechtslehrers, hervor. (Das Naturrecht strebte aber nach
-einzelstaatlicher Kodifikation.) Das 18. Jahrhundert zeigt das gleiche
-Bild. So handelt z. B. im Jahre 1781 der Leipziger Christian Gottlob
-Biener in seinen »Bedenklichkeiten bei Verbannung der ursprünglich
-fremden Rechte aus Deutschland und Einführung eines allgemeinen
-deutschen National-Gesetzbuches« im § 6 »Von der Notwendigkeit eines
-allgemeinen Gesetzbuches im heiligen römischen Reiche«. Zu Anfang des
-19. Jahrhunderts hatte die Kodifikationsidee ihre Freunde unter den
-verschiedenen Geistesrichtungen: Staatsmänner, Dichter, Gelehrte,
-zumal Juristen der Theorie und Praxis traten für sie ein.[A] Aber den
-rechten Wiederhall, das allgemeine Interesse erweckte erst Thibaut
-mit seiner Schrift; er hatte den geeigneten Zeitpunkt erfaßt und die
-richtige Form gefunden. Die Idee selber lag wieder einmal im Zuge
-der Zeit, gewissermaßen in der Luft. Leicht faßlich, das Fachmäßige
-möglichst meidend, getragen vom Schwunge nationaler Begeisterung, der
-den Verfasser beim Schreiben, die Zeitgenossen beim Lesen mit sich
-riß, hat Thibauts Schrift das Verdienst, die Gründe für die Einheit
-der Gesetzgebung (ȟber ihre Notwendigkeit ist nach Thibauts Schrift
-fast nichts mehr zu sagen« -- äußerte ein Kritiker in der Jenaischen
-Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 217) vollständig und fortwirkend bis auf
-das Bürgerliche Gesetzbuch unserer Zeit zusammengefaßt zu haben. Ihr
-weiteres Verdienst liegt in der -- wenn auch nur äußeren -- Anregung
-zu Savignys Gegenschrift »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung
-und Rechtswissenschaft.« Im schweren Rüstzeug der Wissenschaft,
-mit objektiver Ruhe und souveräner Beherrschung des Stoffes einem
-Wunsche der Zeit mit schroffer Verneinung entgegentretend ist diese
-Arbeit die erste programmatische Äußerung einer Richtung, die, unter
-Verdrängung der bis dahin herrschenden nicht bloß der Wissenschaft,
-sondern auch der Praxis verderblichen naturrechtlichen Anschauungen,
-der Rechtswissenschaft neue zu glänzender Entwicklung führende Wege
-gewiesen hat.
-
-Veranlaßt zur Abfassung seiner Schrift »Über die Notwendigkeit eines
-allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland« wurde *Thibaut*,
-der bereits früher gelegentlich in seinen Schriften (so in der
-»Juristischen Enzyklopädie und Methodologie«, Altona 1797, § 102)
-für den gleichen Gedanken eingetreten war, durch das Erscheinen des
-Buches »Über den Code Napoleon und dessen Einführung in Deutschland«
-(Hannover, bei den Gebr. Hahn, 1814, XVI u. 319 S. 8^o) von dem
-hannoverschen Staatsmann August Wilhelm Rehberg (Besprechungen in der
-Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 1; Jenaische Allg. Lit.
-Ztg. 1814 Nr. 79 bis 81). Thibaut schrieb in den Heidelbergischen
-Jahrbüchern der Litteratur (1814 Nr. 1 und 2) eine ausführliche
-Rezension[B] dieses gegen das französische Gesetzbuch weniger mit
-juristischen, als mit politischen Waffen (den »sehr finstren Ideen«
-Rehbergs) vorgehenden, die Rückkehr zu den alten Verhältnissen
-predigenden und jede Kodifikation verwerfenden Buches. Im letzten
-Punkte, wie auch z. B. Johann Georg Schlossers Vorschlag und Versuch
-einer Verbesserung des deutschen bürgerlichen Rechts ohne Abschaffung
-des römischen Gesetzbuchs, Leipzig 1777, und seine Briefe über die
-Gesetzgebung, Frankfurt 1789, ein Vorläufer von Savignys Schrift!
-Thibauts Rezension, die zunächst ohne Nennung seines Namens erschien,
-von ihm aber bald als seine Arbeit anerkannt wurde, verteidigt gegen
-Rehberg das französische Gesetzbuch an zahlreichen Beispielen, um an
-anderen dessen große Schwächen nachzuweisen, und gelangt schließlich
-in beredten Worten zur Forderung eines deutschen Nationalgesetzbuchs.
-Diesen wichtigen Gegenstand entwickelte Thibaut dann in seiner Schrift
-»Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
-Deutschland« und zwar, wie er in der Vorrede sagt, der Aufforderung
-achtungswerter Männer folgend. Über die Entstehung der Schrift, von
-der sich eine Selbstanzeige in Nr. 33 der Heidelbergischen Jahrbücher
-der Litteratur 1814 befindet, berichtet Thibaut selbst (Über die
-sogenannte historische und nicht-historische Rechtsschule, Archiv für
-die civilistische Praxis, Bd. 21 [1838] S. 393 f.): »Im Jahre 1814,
-als ich viele deutsche Soldaten, welche auf Paris marschiren wollten,
-mit frohen Hoffnungen im Quartier hatte, war mein Geist sehr bewegt.
-Viele Freunde meines Vaterlandes lebten und webten damals mit mir
-in dem Gedanken an die Möglichkeit einer gründlichen Verbesserung
-unsres rechtlichen Zustandes, und so schrieb ich, -- höchstens nur
-in vierzehn Tagen, -- recht aus der vollen Wärme meines Herzens eine
-kleine Schrift über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen
-Rechts für Deutschland, worin ich zu zeigen suchte: unser positives
-Recht, namentlich das Justinianeische, sey weder materiell noch formell
-unsern jetzigen Völkern anpassend, und den Deutschen könne nichts
-heilsamer seyn, als ein, durch Benutzung der Kräfte der gebildetsten
-Rechtsgelehrten verfaßtes bürgerliches Recht für ganz Deutschland,
-wobei aber doch jedes Land für das Wenige, was seine Localität
-erfordre, seine Eigenheiten behalten möge.«
-
-Der *Gedankengang* der Thibautschen Schrift ist folgender:
-
-Ausgehend davon, daß Deutschland auch nach seiner jetzt errungenen
-Befreiung die volle politische Einheit nicht finden werde, sieht
-Thibaut in dieser dem Nationalcharakter angepaßten Zersplitterung
-eine Quelle für den Reichtum des Mannigfaltigen und Eigentümlichen,
-vorausgesetzt, daß sich die Landesfürsten in die kleineren Verhältnisse
-ihrer Staaten zu schicken wissen. Alsbald wendet er sich von diesen
-politischen Betrachtungen, die zum Teil auf berechtigten Widerstand
-stießen (»Gott verhüte eine so wenig enge Verbindung der einzelnen
-Staaten, als wir in den letzten Jahrhunderten hatten«, sagte ein
-Kritiker in der Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 152),
-unter Berufung auf seine langjährige Tätigkeit als Zivilist dem
-Wunsche nach einer Neugestaltung des bürgerlichen Rechtes zu,
-worunter er das Privat- und Kriminalrecht, sowie den Prozeß versteht.
-Nirgends in Deutschland sei den an jede Gesetzgebung zu stellenden
-zwei Anforderungen formeller und materieller Vollkommenheit
-(gemeint sind klare und erschöpfende Bestimmungen, sowie eine
-zweckmäßige Anordnung der Rechtsverhältnisse) genügt: unser ganzes
-einheimisches Recht sei ein endloser Wust einander widerstreitender,
-vernichtender, buntscheckiger Bestimmungen, ganz dazu geartet, die
-Deutschen von einander zu trennen und den Richtern und Anwälten die
-gründliche Kenntnis des Rechts unmöglich zu machen. Dazu komme seine
-Unvollständigkeit, so daß meist auf das rezipierte römische und
-kanonische Recht zurückgegriffen werden müsse. Im römischen Recht,
-dessen Größe und Bedeutung für die juristische Schulung anzuerkennen
-sei, hätten wir ein Gesetzbuch, dessen (authentischen) Text wir
-nicht besäßen und dessen zahlreiche Lesarten zu einer Unsicherheit
-des Rechtszustandes führten. Vor allem aber fehle uns wegen der
-Verschiedenheit der römischen und deutschen Rechtsanschauungen der
-Schlüssel zu der ganzen Kompilation. Ein deutsches Nationalgesetzbuch
-werde in wissenschaftlicher Beziehung (damit beginnt Thibaut »den
-Gelehrten zu gefallen«!) die Übersicht über das ganze Recht gewähren
-und im akademischen Unterricht die Darstellung des praktischen Rechts
-ermöglichen. Es werde aber auch das »Glück der Bürger« begründen,
-für deren Verkehr die örtliche Kollision der Gesetze eine Plage sei
-und die Einheit der Zivilgesetze eine Notwendigkeit bilde. Eine
-gute Gesetzgebung sei freilich das schwerste unter allen Geschäften
-und nicht von Einzelstaaten oder Einzelnen, vielmehr nur durch
-das Zusammenwirken der namhaftesten Kräfte zu erreichen -- unter
-feierlicher Garantie der auswärtigen großen alliierten Mächte. Diese
-letzte Forderung ist Thibaut bereits von manchen Zeitgenossen mit
-Recht verdacht worden. (Vgl. die Besprechungen in der Jenaischen Allg.
-Lit. Ztg. 1814 Nr. 185, in der Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig,
-1814 Stück 267 und in der Wiener Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 98.) Den
-möglichen Einwendungen gegen die Forderung eines Nationalgesetzbuches
--- heimlichen (Beschränkung der Landesfürsten, Furcht vor Neuerungen
-und Umwälzungen) und öffentlichen (Berücksichtigung der örtlich
-verschiedenen Verhältnisse, Heiligkeit des Herkömmlichen),
-schließlich solchen wegen der Kosten und der langen Dauer eines
-derartigen Gesetzgebungsunternehmens (die er auf zwei bis vier Jahre
-veranschlagt!) -- sucht Thibaut im Schlußteile der Schrift von
-vornherein zu begegnen.
-
-Thibauts Schrift hat ihren Zweck nicht erreicht; sie konnte es wohl
-auch nicht, wie die rechtlichen (wissenschaftlichen und praktischen)
-Verhältnisse und die politischen Dinge in dem durch Kriege geschwächten
-und innere Gegensätze zerrissenen Deutschland damals lagen, und
-Savignys literarisch weit höher stehende, ihrem Verfasser in diesem
-Betracht den Sieg sichernde Gegenschrift ist, darüber kann kein
-Zweifel sein, ohne Einfluß auf Thibauts Mißerfolg gewesen. Bereits
-im Jahre 1816 schrieb Savigny (Zeitschrift für geschichtliche
-Rechtswissenschaft Bd. 3 S. 11): »Im Ernst wird Niemand behaupten, daß
-ohne jene Stimmen ein allgemeines Gesetzbuch wahrscheinlich zu Stande
-gekommen wäre.« Aber was Thibaut, wie vor ihm kein anderer erreicht
-hat, war, wie gesagt, die Erweckung des allgemeinen Interesses für
-die Frage eines einheitlichen deutschen Gesetzbuchs, dessen nationale
-und praktische Bedeutung er richtig erkannt und hervorgehoben hat,
-und die bis dahin nirgends so vollständig gegebene, auch in der
-Entstehungsgeschichte unseres Bürgerlichen Gesetzbuchs durchweg und
-im wesentlichen unverändert verwertete Zusammenstellung aller für
-die zivilistische Rechtseinheit anzuführenden Gründe. (Vgl. hierzu
-Brunner, Die Rechtseinheit, Akademische Festrede, Berlin 1877, und
-Vierhaus, Die Entstehungsgeschichte des Entwurfs eines Bürgerlichen
-Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, Berlin 1888.) Seine Irrtümer liegen
-hauptsächlich in der Verkennung der damaligen Zeitverhältnisse, in der
-Überschätzung der Bedeutung einer Kodifikation für Rechtswissenschaft
-und Rechtsstudium und in der Unterschätzung der Schwierigkeiten
-bei Ausarbeitung eines Gesetzbuchs, insbesondere hinsichtlich der
-Zeitdauer, des Arbeitsplans und der Zusammensetzung der Kommission.
-
-Angeregt durch Thibauts Schrift trat *Savigny* mit seinen längst
-gefaßten und ausgereiften, die Lehre der historischen Schule bildenden
-Gedanken anstatt in der üblichen wissenschaftlichen Form zuerst in
-der einer Gelegenheitsschrift hervor, die aber eben wegen dieser
-gekennzeichneten Eigenschaft der Gedanken keinen der sonst den
-Schriften dieser Art zumeist anhaftenden Mängel aufweist. (Vgl. auch
-Savignys Vorrede zur 2. Ausgabe der Schrift vom »Beruf«.)
-
-Über die Entstehung der Savignyschen Arbeit schrieb Niebuhr, der
-ausgezeichnete Staatsmann und Altertumsforscher, am 1. November 1814 an
-seine Seelenfreundin Dora Hensler: »Savigny hat eine der Thibautschen
-Schrift ganz entgegengesetzte geschrieben: er hat, nach meiner Meinung,
-sehr zart und milde gegen Thibaut geschrieben und mit Wärme das
-Verdienst seiner Opposition gegen die Einführung des Code Napoléon
-anerkannt. Ich wollte, daß Jemand Thibaut zur Ruhe reden könnte. Mir
-ist dieser Streit schmerzlich. Savigny ist äußerst tätig und in einer
-Regsamkeit wie fast nie.« (Lebensnachrichten über Barthold Georg
-Niebuhr, Hamburg 1838, 2. Bd. S. 125.)
-
-Am gleichen Tage schrieb Jacob an Wilhelm Grimm: »Du wirst von Savigny
-seine Schrift über Gesetzgebung erhalten haben, die mir gar wohl
-gefallen hat, in unsere Meinungen stimmt und sie bestätigt.... Es ist
-mir gar lieb, daß Savigny diese Abhandlung geschrieben hat, sie ist
-auch ganz wie er.« (Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm,
-Weimar 1881, S. 371, 372, 398, 470.)
-
-Bevor wir auf den Inhalt der Schrift Savignys näher eingehen, sei
-gleichsam als erster Wegweiser durch ihre vielfach verschlungenen
-Gedankengänge der Worte Rudolf v. Jherings, seines größten Schülers
-und späteren machtvollen Bekämpfers, gedacht: »Die dauernde Bedeutung
-jener Schrift liegt in dem Apparat allgemeiner Ideen, den Savigny
-gegen seine Gegner in Bewegung zu setzen für nötig hält: eine Theorie
-über die geschichtliche Natur des Rechts, verbunden mit einer Skizze
-der Hauptmomente in der Entwickelungsgeschichte des Rechts, und als
-»geschichtliche« Auffassung gegenübergestellt der bisher herrschenden
-rationalistischen Auffassung.« (Jahrbücher für Dogmatik V, 364.)
-
-Der *Gedankengang* der Savignyschen in zwölf Kapitel gegliederten
-Schrift läßt sich dahin zusammenfassen:
-
-In der Einleitung sagt Savigny, daß er den Streit um ein
-gemeinschaftliches Gesetzbuch für Deutschland als einen friedlichen
-und nicht als feindlichen führen wolle. Die Bestrebungen auf
-Vereinheitlichung des bürgerlichen Rechts seien auf zwei durch
-das Natur- oder Vernunftrecht vermittelte irrige Auffassungen
-zurückzuführen: einmal auf die ungeschichtliche Richtung der
-Aufklärungsperiode, sodann auf jene Ansicht von der Entstehung alles
-positiven Rechts, nach welcher im normalen Zustande *alles Recht aus
-Gesetzen*, d. h. ausdrücklichen Vorschriften der höchsten Staatsgewalt
-entsteht und die Rechtswissenschaft lediglich den Inhalt der Gesetze
-zum Gegenstande hat.
-
-So kommt er auf die Frage nach der Entstehung des positiven Rechts
-(Kap. 2). Bereits zu Beginn urkundlicher Geschichte hat nach ihm
-das Recht kein selbständiges Dasein für sich; es ist dem Volke
-eigentümlich, so wie seine Sprache, Sitte, Verfassung. Zu einem Ganzen
-verknüpft werden sie durch die gemeinsame Überzeugung des Volkes
-(gleichbedeutend mit dem, von Savigny in seiner Schrift jedoch noch
-nicht gebrauchten, Ausdruck »Volksgeist«), das gleiche Gefühl innerer
-Notwendigkeit, welches den Gedanken einer zufälligen und willkürlichen
-Entstehung des Rechts ausschließt. Ursprünglich verkörpern sich die
-Regeln des Rechts in symbolischen Handlungen der Völker. Aber auch
-für das Recht gibt es, hierin ebenfalls der Sprache vergleichbar,
-keinen Augenblick absoluten Stillstandes. Es ist mit Notwendigkeit
-derselben Bewegung und Entwickelung unterworfen, wie jede andere
-Richtung des Volkes. Diese Sätze, in denen der Grundgedanken Savignys
-und damit auch das Glaubensbekenntnis der historischen Schule liegt,
-waren, wie Windscheid sagt, eine Offenbarung für ihre Zeit, sie sind
-auch heute trotz mannigfacher Angriffe gegen die historische Schule
-unerschüttert. Bei steigender Kultur, mit der Ausgestaltung rechtlicher
-Einzelheiten und der Bildung eines besonderen Juristenstandes,
-fällt, wie Savigny weiter lehrt, dies gemeinsame Bewußtsein, diese
-gemeinsame Überzeugung des Volkes als Ganzen dem Bewußtsein der
-Juristen anheim, von welchen das Volk nunmehr in dieser Funktion
-repräsentiert wird. Auch jetzt bleibt aber das Recht noch ein Teil des
-gesamten Volkslebens (»politisches Element des Rechts«) im Gegensatze
-zum abgesonderten wissenschaftlichen Leben des Rechts (»technisches
-Element des Rechts«). Nach Savigny, der als seine Vorläufer Gustav
-Hugo ([+] 1844) und Justus Möser ([+] 1794) bezeichnet, entsteht das
-Recht also erst durch Sitte und Volksglaube (»als Gewohnheitsrecht«),
-dann durch Jurisprudenz, überall also durch innere, stillwirkende
-Kräfte, nicht durch die Willkür eines Gesetzgebers. Freilich ist der
-Einfluß der Gesetzgebung, fremden Rechts, örtlicher oder anderer
-Verhältnisse nicht ausgeschlossen. Dieser Einfluß der *Gesetzgebung*
-auf das bürgerliche Recht (Kap. 3) kann nach Savigny auf dreierlei
-Gründen beruhen: erstens dem Willen des Gesetzgebers zur Erreichung
-höherer politischer Zwecke; zweitens der Beseitigung vorhandener
-rechtlicher Zweifel und Unklarheiten; drittens (von den beiden ersten
-Gründen ganz verschieden) der *Kodifikation* des gesamten, auf seine
-Brauchbarkeit zu untersuchenden Rechtsvorrats. Die Kodifikation kann
-von Staats wegen oder von einzelnen Rechtsgelehrten vorgenommen werden;
-sie bezweckt einmal höchste Rechtsgewißheit, sodann Besserung und
-Berichtigung der äußeren Grenzen der Gültigkeit infolge der Ersetzung
-der verschiedenen Lokalrechte durch ein allgemeines Nationalrecht.
-Dieser zweite (äußere) Vorteil wird später in besonderer Anwendung auf
-Deutschland näher betrachtet (Kap. 5). Der erste (innere) Vorteil der
-größeren Rechtsgewißheit, den Savigny im Anschluß an die Meinung des
-englischen Philosophen und Lordkanzlers Francis Bacon (von Verulam [+]
-1626) näher betrachtet, hängt von der Vortrefflichkeit der Ausführung
-ab. Was beibehalten werden soll, muß gründlich erkannt und richtig
-ausgesprochen werden. Nach seiten des Stoffs sei Vollständigkeit des
-Gesetzbuchs, aber nicht durch Kasuistik, sondern durch Erkenntnis
-der leitenden Grundsätze (sie gebe der juristischen Arbeit den
-wissenschaftlichen Charakter) zu erstreben; nach seiten der Form
-(Darstellung, Sprache des Gesetzes) sei die Schwierigkeit nicht minder
-groß. Hiernach werde nur in sehr wenigen Zeiten, die er in solche
-jugendlicher Völker, mittlere und sinkende scheidet, die Fähigkeit zur
-Schaffung eines vortrefflichen Gesetzbuchs vorhanden sein. »Also bleibt
-nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige, welche gerade für das Recht,
-obgleich nicht notwendig auch in anderer Rücksicht, als Gipfel der
-Bildung gelten kann. Allein eine solche Zeit hat für sich selbst nicht
-das Bedürfnis eines Gesetzbuchs; sie würde es nur veranstalten können
-für eine folgende schlechtere Zeit, gleichsam Wintervorräte sammlend.
-Zu einer solchen Vorsorge aber für Kinder und Enkel ist selten ein
-Zeitalter aufgelegt.«
-
-Seine bisher entwickelten Theorien sucht Savigny nun durch Anwendung
-auf das römische Recht (Kap. 4) und das »Bürgerliche Recht in
-Deutschland« (Kap. 5) klarer und überzeugender zu machen. Der große
-Kenner des römischen Rechts und seiner Geschichte hat in dem 4.
-Kapitel einen Glanzpunkt seiner Schrift geschaffen. Im 5. Kapitel
-werden zunächst die Klagen über den Rechtszustand in Deutschland als
-unbegründet bezeichnet: An der übermäßig langen Dauer der Prozesse sei
-nicht das bürgerliche Recht, sondern das schlechte Prozeßverfahren
-schuld; die große Verschiedenheit der Landesrechte sei kein Mangel,
-sondern ein die Individualisierung der Rechtsbildung fördernder
-Vorzug. Den Mittelpunkt der Schrift bildet das 6. Kapitel »Unser Beruf
-zur Gesetzgebung«. An der Ehe und dem Eigentum als Repräsentanten
-des auch den Nichtjuristen interessierenden Familienrechts und des
-der juristischen Technik allein überlassenen Vermögensrechts zeigt
-Savigny, daß die Fähigkeit zu gesetzgeberischen Reformen von der
-Ausbildung unserer juristischen Technik abhänge. Der für den Juristen
-unentbehrliche zweifache, historische und systematische, Sinn sei
-im 18. Jahrhundert selten; eine gute Darstellung des »Systems des
-Römisch-Deutschen Rechts« in Buchform gebe es nicht; die deutsche
-juristische Literatur habe mit der allgemeinen literarischen Bildung
-nicht Schritt gehalten. Der Zeit, die zwar Spuren eines lebendigeren
-Geistes in der Rechtswissenschaft erkennen lasse, sei hiernach die
-Fähigkeit zur Schaffung eines guten Gesetzbuchs abzusprechen. Um so
-mehr, als es wie an der Beherrschung des Stoffs, so auch an der der
-Sprache des Gesetzes mangele. Die drei neuen Gesetzbücher, der ~Code
-civil~, das Allgemeine Preußische Landrecht und das Österreichische
-Gesetzbuch, werden zum Beweise seiner Theorie im 7. Kapitel (der
-schwächsten Partie der Schrift) einer Kritik unterzogen, die ungünstig
-ausfällt: noch am besten kommt das preußische Gesetzbuch davon, am
-schlechtesten das französische. (Das Tribunal von Montpellier wird
-wegen seines Ausspruchs über die Rechtsunsicherheit als Folge der
-zweifelhaften Natur des subsidiären Rechts und seines Vorschlags
-zur Abhilfe *ohne* ein Gesetzbuch gelobt.) So gelangt Savigny zu
-nachstehenden Schlußfolgerungen, je nachdem in einem Lande keine
-Gesetzbücher -- wie im Gebiet des gemeinen Rechts -- (Kap. 8)
-oder bereits solche vorhanden sind (Kap. 9). Dort habe sich die
-Gesetzgebung für das bürgerliche Recht auf die Entscheidung von
-Kontroversen und die Verzeichnung alter Gewohnheiten zu beschränken,
-hier seien die bestehenden Gesetzbücher (abgesehen vom ~Code civil~,
-einer überstandenen politischen Krankheit) nicht abzuschaffen. Das
-Rechtsstudium sei in beiden Fällen das gleiche. *Dort* werde der
-Juristenstand, geschult an einer nach historischer Methode entwickelten
-Rechtswissenschaft wieder »ein Subjekt für lebendiges Gewohnheitsrecht«
-werden. »Der Zustand klarer, anschaulicher Besonnenheit, welcher dem
-Recht jugendlicher Völker eigen zu sein pflegt, wird sich mit der Höhe
-wissenschaftlicher Ausbildung vereinigen. Dann kann auch für zukünftige
-schwächere Zeiten gesorgt werden, und ob dieses durch Gesetzbücher oder
-in anderer Form besser geschehe, wird dann Zeit sein zu beraten. Daß
-dieser Zustand jemals eintreten werde, sage ich nicht: dieses hangt von
-der Vereinigung der seltensten und glücklichsten Umstände ab.« *Hier*
-seien nach wie vor das alte Recht und seine Quellen geschichtlich zu
-erforschen und zu lehren. Das einigende Band des deutschen Rechts
-erblickt Savigny in den Universitäten (Kap. 10). »Thibauts Vorschlag«
-ist das 11. Kapitel gewidmet. Mit Thibaut, der sich zu Recht als
-Vaterlandsfreund bezeichne, erstrebe er als gleiches Ziel die Grundlage
-eines sicheren Rechts, die Gemeinschaft der Nation und Konzentration
-ihrer wissenschaftlichen Bestrebungen auf dasselbe Objekt -- aber
-mit verschiedenen Mitteln: Nicht durch Schaffung eines Gesetzbuchs,
-wie Thibaut wolle, sondern durch eine organisch fortschreitende
-Rechtswissenschaft sei dem Übel, das nicht in den Rechtsquellen,
-sondern in uns liege, zu steuern. Auch in der praktischen Ausführung
-seines Gedankens seien Irrtümer Thibauts nachzuweisen: die von ihm
-angenommene kurze Dauer der Abfassung, die Herstellung durch ein
-Kollegium statt durch *einen* Mann, die zwar notwendige, aber mangels
-einer geeigneten Gesetzessprache nicht zu erreichende Popularität des
-Werkes. Der Schluß (Kap. 12) gibt eine kurze Zusammenfassung, die in
-eine Lobpreisung der deutschen Rechtswissenschaft aus Melanchthons
-Munde ausläuft.
-
-Der *ewige Wert* der Schrift Savignys als programmatischer Äußerung
-der historischen Rechtsschule und damit zugleich als Ausgangspunkt
-für eine neue Grundlegung der Rechtswissenschaft mit Wirkung über
-diese hinaus auf die Gesamtheit der Geisteswissenschaften ist bereits
-hervorgehoben. Die wesentlichsten Irrtümer der Savignyschen Schrift
-liegen gerade in der Behandlung der *Gesetzgebungsfrage*. Sie stehen
-mit den eigentlichen Lehren der historischen Rechtsschule nur in loser
-Verbindung (vom »Einfluß der Gesetzgebung auf das Fortschreiten des
-Rechts« handelt Savigny selbst im System des heutigen Römischen Rechts
-I § 13) und lassen sich zum Teil aus den Zeitverhältnissen erklären.
-Daher sollen sie gleich jetzt betrachtet werden, ehe ein Blick auf
-Ursprung und weitere Entwickelung der historischen Schule geworfen wird.
-
-Der Zusammenhang der Ausführungen, in denen Savigny *seiner* Zeit --
-wohl mit Recht -- den Beruf zur Gesetzgebung (womit die für unsere
-Betrachtung allein wesentliche Kodifikation des bürgerlichen Rechts im
-Gegensatze zur Einzelgesetzgebung[C] gemeint ist) abspricht (Kap. 3 und
-6), zwingt zu dem Schlusse, daß er diese Fähigkeit -- sicherlich zu
-Unrecht -- allgemein für *jedes* Volk und *jede* Zeit verneint: ihm ist
-die Kodifikation ein Hemmnis organischer Rechtsentwickelung.
-
-Wir stehen hier vor einer alten und bedeutsamen Streitfrage. Sie ist
-nur in letzterem Sinne zu beantworten. Sie konnte nur entstehen, weil
-Savigny mehrere zur Gesetzgebungsfrage gehörende und deshalb zwar
-zusammenhängende, aber doch verschiedene Gegenstände in engem Rahmen
-gemeinsam behandelt hat. (Vgl. hierzu L. Spiegel, Gesetz und Recht,
-München u. Leipzig 1913, S. 77 ff.)
-
-Die *herrschende* Meinung, wonach Savigny in der *Streitschrift*
-lediglich *seiner* Zeit die Fähigkeit zur Gesetzgebung im Sinne einer
-Kodifikation des gesamten Vorrats an bürgerlichem Recht abspreche,
-stützt sich insbesondere auf den Titel seiner Schrift und auf
-Wendungen, wie »unsre Zeit«, »unser Beruf« »wir« ... Damit ist aber von
-Savigny nur gemeint, daß seiner Zeit ganz besonders diese Fähigkeit
-mangele. Anders ist namentlich die oben wiedergegebene Stelle, die von
-der Eignung einer Zeit zur Gesetzgebung handelt, nicht zu verstehen,
-die einzige, die Wilhelm Grimm tadelnswert findet, weil sie die
-Hoffnung hinter sich läßt (s. u. Abt. II, 3): »daß dieser Zustand
-*jemals* eintreten werde, sage ich nicht« (S. 134, 25, 160 der ersten
-Ausgabe). Die hier gegebene Auslegung, wonach Savigny ein Gegner jeder
-Kodifikation ist und sie nur unter ganz ausnahmsweisen Bedingungen
-für ausführbar erklärt, ist bereits von Gierke, Landsberg (bezüglich
-der Einzelgesetzgebung abweichend) u. a. vertreten worden. (Vgl.
-Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft III, 2 S. 202.)
-Im folgenden soll ein *Beweis* für ihre Richtigkeit geführt werden:
-
-Unter allen seinen Kritikern, mit denen sich Savigny in den »Stimmen
-für und wider neue Gesetzbücher« (s. u. Abt. II, 5) auseinandersetzt,
-spendet er *Schrader*, dem durch die Ausführungen Savignys über die
-Trefflichkeit des Prätorischen Edikts angeregten Verfasser der Schrift
-»Die Prätorischen Edikte der Römer auf unsere Verhältnisse übertragen,
-ein Hauptmittel unser Recht allmählich gut und volksmäßig zu bilden«,
-Weimar 1815, die höchste Anerkennung. Bei Schrader findet sich nun
-nachstehende kurze Inhaltsangabe der Savignyschen Schrift: »~_Sie
-zeigt hauptsächlich, wie der Rechtszustand bei den Völkern sich zu
-entwickeln pflege; wie schwer es überall sei, ihn durch Gesetzgebung
-löblichen Absichten gemäß zu ordnen; wie wenig dieses besonders bei
-uns möchte erreicht werden können. Das Resultat geht dahin, daß den
-dringenden Bedürfnissen in Beziehung auf den Prozeß durch Gesetze
-abgeholfen; im Übrigen aber, da vom Mangel an genauer Rechtskenntnis,
-an wahrer Beherrschung unseres mannigfachen rechtlichen Stoffes, die
-meisten Fehler herrühren, das Rechtsstudium recht tüchtig getrieben
-werde; und die gesetzgebende Behörde nur durch einzelne Entscheidungen
-eingreife._~« Schrader, der, wie er von sich sagt, in den allgemeinen
-Grundlagen »am Meisten mit Savigny übereinstimmt«, faßt seine eigenen
-Ausführungen dahin zusammen, »~_daß Gesetzbücher zu erlassen, eine
-sehr bedenkliche, kaum je zu empfehlende Unternehmung ist_~; daß
-dieselbe außerdem auf keinen Fall die fortlaufende Leitung der
-Selbstbildung des Rechts überflüssig macht. Diese ~_kann_~ durch stete
-Tätigkeit der Gesetzgebung mittelst einzelner Verordnungen erfolgen;
-aber zweckmäßiger möchte dazu eine ~_besondere Einrichtung_~ sein«
-(womit er -- übrigens eine von Savigny zu Unrecht als praktisch
-bezeichnete Idee -- die Einrichtung rechtsbildender Behörden nach Art
-des römischen Prätors meint). *Es ist ausgeschlossen, daß Schrader in
-der obigen, jeden Zweifel ausschließenden Inhaltsangabe bei dieser
-grundlegenden Frage Savigny falsch verstanden hat, ohne daß dieser es
-gerügt hätte.* Hinzu kommt jene Äußerung *Wilhelm Grimms* in seiner
-durch Savigny, seinen Freund, selbst angeregten Rezension der Schrift
-im Rheinischen Merkur. Weiter *Gönners* Worte in seiner Gegenschrift
-»Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit«, Erlangen
-1815 S. 4: »Doch muß ich aufrichtig bekennen, daß die ganze Tendenz
-seiner Schrift jenes harte Urteil über unsre Zeiten sehr mildert,
-denn in seiner ganz eigentümlichen Ansicht von Gesetzgebung spricht
-er *allen* Zeiten den Beruf dazu ab.« So also haben drei besonders
-beachtliche Zeitgenossen Savigny verstanden. Und nun *Savignys* eigene
-Worte zu dem Schraderschen Buche: »Der Verfasser geht von der richtigen
-Bemerkung aus, daß die geschichtliche Bildung des Rechts, die auch von
-ihm angenommen wird, keineswegs so mißverstanden werden dürfe, als
-solle der Staat sich gar nicht um das Recht im allgemeinen bekümmern.
-Nur die gewöhnliche Art, wie der Staat darauf einzuwirken pflege,
-durch eigentliche Gesetzgebung nämlich, sei in den meisten Fällen
-unzweckmäßig, selbst da, wo sich stehende Gesetzkommissionen finden.«
-(S. u. Abt. II, 5. Vgl. auch die Kritik der Schraderschen Schrift in
-den Heidelb. Jahrbüchern 1816 S. 1049.) Weiter sagt Savigny gegen
-Gönner (Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft Bd. 1 S. 373
-ff.): »Ich habe vielmehr schon in meiner früheren Schrift anerkannt,
-daß unter gewissen Bedingungen die Abfassung eines Gesetzbuchs sehr
-wohltätig sei und alle Billigung verdiene.... Ich glaube, daß die
-unzeitige Abfassung eines Gesetzbuchs durch die Willkürlichkeit der
-Entstehung und durch das Zerreißen der geschichtlichen Fäden dem
-Despotismus in hohem Grade förderlich sein kann.« Hält man alle
-diese Momente zusammen, so hat man geradezu eine *authentische
-Interpretation* Savignys in dem von uns behaupteten Sinne zu seinen
-Ausführungen in der Kampfschrift vor sich, die Veranlassung zu dieser
-bedeutsamen Streitfrage gegeben haben. Noch deutlicher spricht sich
-Savigny in der Zusammenfassung am Schlusse der »Stimmen« aus, doch soll
-darauf nicht eingegangen werden, weil man in diesen Ausführungen auch
-nur eine Modifikation oder Weiterbildung seiner Ansicht aus der Schrift
-vom »Beruf« finden könnte.
-
-Wir kommen nunmehr zu der Erörterung der einzelnen Irrtümer Savignys
-in der Kodifikationsfrage. Savigny denkt offenbar an ein vollkommenes,
-ideales Gesetzbuch, das es, von Menschen und für Menschen verfaßt, nie
-und nirgends geben kann. Er verkennt die national-politische Bedeutung
-der Rechtseinheit unter dem Gesichtspunkt der Rechtspflege als einer
-der wesentlichsten Staatsaufgaben; er verkennt ferner die (von Thibaut
-mit Recht betonte) praktische Seite der Rechtseinheit für Rechtsleben
-und Verkehr; er verkennt endlich die Kraft der durch die historische
-Richtung auf eine neue Grundlage gestellten Rechtswissenschaft, wenn
-er von ihr die Herbeiführung eines einheitlichen Rechts erwartet, von
-einer Kodifikation aber ihren Verfall befürchtet. Die geschichtliche
-Entwickelung Deutschlands seit jenen Tagen, die uns den Norddeutschen
-Bund, dann das neue Deutsche Reich gebracht hat, zeigt als Folge das
-Bild einer fortschreitenden Rechtseinheit. Und schließlich erstand als
-Erfüllung des seit Thibaut nicht mehr zur Ruhe gekommenen, auch vom
-Deutschen Juristentage mit Eifer ausgesprochenen Wunsches -- auf der
-Grundlage des Gesetzes vom 20. Dezember 1873 (Änderung des Art. 4 der
-Reichsverfassung, wodurch die Zuständigkeit des Reichs auf das gesamte
-bürgerliche Recht ausgedehnt wurde,) -- das Bürgerliche Gesetzbuch
-vom 18. August 1896. Sein erfolgreiches Dasein, nicht minder wie die
-gesetzgeberische Tätigkeit der anderen großen Kulturstaaten im 19.
-Jahrhundert ist eine Widerlegung der Savignyschen Lehren, soweit sie
-sich gegen eine Kodifikation überhaupt richten. --
-
-Das Bild, das wir aus Savignys Schrift vom Wesen der historischen
-Rechtsschule erhalten, bedarf noch der Ergänzung sowohl hinsichtlich
-des Ursprungs, als auch der Fortentwickelung ihrer Lehre. Entsprechend
-dem Zwecke dieser Einleitung kann jedoch hier nur eine kurze Skizze
-gegeben werden.
-
-Als die eigentlichen Gründungsschriften der historischen
-Rechtsschule sind die durch Thibaut veranlaßte Streitschrift
-und der Einführungsartikel der »Zeitschrift für geschichtliche
-Rechtswissenschaft« (1815) anzusehen, die ergänzt werden durch die
-erwähnte Erwiderung Savignys auf Gönners Streitschrift -- s. u.
-Abt. II, 3 -- und den Aufsatz Savignys »Stimmen für und wider neue
-Gesetzbücher« (Bd. 3 ebenda) -- s. u. Abt. II, 5.
-
-Auch Savigny hatte, wie wohl jeder Schöpfer auf dem Gebiete der
-Wissenschaft, Vorläufer und Anreger. Sein unmittelbarer Vorläufer in
-der *historisch-empirischen*, das Naturrecht verwerfenden Methode
-war der Göttinger Professor Gustav Hugo (1764-1844). Der Gedanke der
-Entstehung des Rechts aus dem »Volksgeist« hat Anklänge besonders bei
-Montesquieu (~Esprit des lois XIX~, 5, wo vom ~esprit de la nation~
-die Rede ist) und dem englischen Philosophen Edmund Burke ([+] 1797),
-sowie bei den deutschen *Romantikern*, die auf *Herder* fußend
-Sprache und Recht in ihrer Entwickelung einander gleich setzten und
-das Volkstümliche zu begreifen und zu erforschen suchten. Herder,
-dieser großer Anreger und Bahnbrecher moderner Geisteskultur, ist,
-das verdient besonders betont zu werden, auf die *beiden* Gegner in
-der Kodifikationsfrage, Thibaut und Savigny, von Einfluß gewesen: in
-den Schriften der Zeit (bei Karl Ernst Schmid und B. W. Pfeiffer)
-wird er auch als Förderer des Gedankens eines Nationalgesetzbuchs
-in Anspruch genommen. Der Streit, ob der für die historische Schule
-charakteristische Ausdruck »*Volksgeist*« über Hegel (vgl. namentlich
-dessen »Grundlinien der Philosophie des Rechts«) und Puchta (Das
-Gewohnheitsrecht Bd. I) in die späteren Schriften Savignys (System
-des heutigen römischen Rechts I, § 7) gekommen ist, oder ob ihn
-Savigny einem anderen entnommen hat, ist müßig. (Thibaut gebraucht
-ihn vor Savigny und zwar in der 1. Ausgabe »Geist des Volkes«, in
-der 2. Ausgabe an einer anderen Stelle »Volksgeist«, ebenso in den
-Heidelbergischen Jahrbüchern 1815 Nr. 42 -- vgl. hierzu, sowie über die
-Geschichte des Begriffes »Volksgeist« v. Möller, Die Entstehung des
-Dogmas von dem Ursprung des Rechts aus dem Volksgeist, Mitteilungen
-des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 1909, S. 1 ff.
-und Kantorowicz, Volksgeist und historische Rechtsschule, Historische
-Zeitschrift, München und Berlin, Bd. 108 S. 295 ff.). Denn der
-Ausdruck »Volksgeist« *lief damals allgemein um* und findet sich
-vielfach in der Bedeutung von Volksbewußtsein, Volksstimmung gerade
-in Schriften der Zeit, sogar in Zeitungen und Flugschriften (vgl. z.
-B. Rheinischen Merkur von 1815 Nr. 225, 226, 245 und die Schrift von
-F. W. Grävell, Drei Briefe über Preßfreiheit und Volksgeist, Berlin
-1815, besprochen in der Jenaischen Allg. Lit. Ztg. 1815 Nr. 29);
-sachlich ist er jedenfalls identisch mit der Savignyschen Wendung vom
-»gemeinsamen Bewußtsein des Volkes«. Es zeigt sich auch hier wieder,
-wie wichtig die Heranziehung der Zeitverhältnisse für die Aufhellung
-wissenschaftlicher Zusammenhänge ist. Unter dem Einfluß der Romantik
-bekamen alle Wissenschaften einen historischen Zug. Antiphilosophisch
-war die historische Schule aber nicht. (Vgl. auch die Vorrede zur 2.
-Ausgabe der Schrift vom »Beruf«.) Ihre Bekämpfung des Naturrechts
-rechtfertigt diese Bezeichnung keineswegs. Sie steht vielmehr unter dem
-direkten Einfluß *Schellings*, der nachhaltig auf Savigny gewirkt hat.
-Ganz frei von naturrechtlichen Elementen ist übrigens Savignys Lehre
-auch nicht: beginnend mit dem Volksgeist als Quelle des Rechts und der
-hiermit sehr wohl zu vereinbarenden Annahme einer gemeinmenschlichen
-Rechtsidee (Rechtsgedanke) und der Möglichkeit eines Widerspruchs
-des geltenden Rechts mit ihren Postulaten bis zur Stabilisierung der
-Wissenschaft und der Praxis als rechtserzeugender Potenzen. (Vgl. meine
-Schrift »Rechtsphilosophie und Rechtswissenschaft«, Berlin 1904, S.
-36 ff.) Den wissenschaftlichen Gegensatz zwischen der historischen
-Rechtsschule und der naturrechtlichen, der Kodifikation günstigen
-Richtung auf den politischen Gegensatz zwischen Konservatismus und
-Liberalismus zurückzuführen, wie es zuweilen im Hinblick auf Savignys
-streng konservative Gesinnung geschieht, ist innerlich unbegründet.
-Außer auf der historisch-empirischen und der romantischen Auffassung
-beruht die historische Schule weiter auf der *evolutionistischen*, d.
-h. der Betrachtung der Dinge unter dem Gesichtspunkt der Entwickelung.
-Gerade damals trat der französische Naturforscher Lamarck ([+] 1829),
-der größte Vorläufer Darwins, mit seinen evolutionistischen Lehren
-auf dem Gebiete der Naturwissenschaft hervor. Diese verschiedenen
-Quellen, aus denen Savigny, wie es Landsberg a. a. O. S. 207 ff. in
-verdienstvoller Weise darstellt, für die Bildung seiner Idee wohl
-teils bewußt, teils unbewußt geschöpft hat, zeigen, daß seine, gleich
-vielen anderen für die Wissenschaft bahnbrechenden Gedanken, wie wir
-es oben auch bei Thibauts Idee gesehen haben, damals sozusagen in der
-Luft lagen und nur des Mannes harrten, der die Fähigkeit hatte, sie in
-feste Form zu bringen. In ihrem Kern haben sie sich, allen Angriffen
-zum Trotz, von den wohl jeder Lehre auf geisteswissenschaftlichem
-Gebiet in ihren Anfängen anhaftenden Unklarheiten und Einseitigkeiten
-befreit, siegreich behauptet. Es waren vor allem -- von ganz
-verschiedenen Standpunkten aus -- Hegel (Grundlinien der Philosophie
-des Rechts; zur Gesetzgebungsfrage wichtig § 211 a. E.), Kirchmann (Die
-Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft), Jhering (Der Zweck
-im Recht), Stammler (Wirtschaft und Recht nach der materialistischen
-Geschichtsauffassung), die als bedeutendste Bekämpfer der historischen
-Rechtsschule auftraten.
-
-Das praktische Moment, das Recht der Gegenwart, das lebende Recht,
-der Einfluß von Wirtschaft und Kultur überhaupt haben in der neueren
-historischen Richtung, deren Begründer Jhering wurde, ihre verdiente
-Berücksichtigung gefunden. In jüngster Zeit sind dann von einem
-Anhänger der an das Naturrecht anknüpfenden Freirechtsschule, die für
-eine freiere Stellung des Richters gegenüber dem Gesetze eintritt,
-maßlos-heftige Angriffe gegen Savigny, »den Vater des juristischen
-Historismus und der Begriffsjurisprudenz, den Gegner der gegenwärtigen
-deutschen Rechtswissenschaft und der Kultur überhaupt« und zwar unter
-Verneinung des Wertes der Geschichte für die wissenschaftliche
-Erkenntnis des Rechts erhoben worden. (Kantorowicz, Was ist uns
-Savigny? in Recht und Wirtschaft, 1. Jahrgang S. 47 ff. und 76 ff.;
-auch gesondert erschienen). Diese durch eine glänzende Sprache
-bestechende Abhandlung wird aber den festgefügten, in hundertjährigem
-Bestand erprobten Gedankenbau der historischen Schule um so weniger
-erschüttern können, als sie allzu deutlich das Kennzeichen der
-Einseitigkeit ihrer rationalistisch-teleologischen Rechtsbetrachtung an
-sich trägt. (Entgegnungen insbesondere von Landsberg im Jurist. Lit.
-Blatt 1912 S. 54 f. und von Manigk, Was ist uns Savigny? Recht und
-Wirtschaft, 1. Jahrgang, S. 174 ff. und 199 ff., weiter ausgeführt in
-seinem Buche Savigny und der Modernismus im Recht, Berlin 1914.)
-
-
-2. Biographisches.
-
-I. *Anton* Friedrich Justus *Thibaut* wurde am 4. Januar 1772 zu Hameln
-als Sohn eines aus reformierter Réfugiéfamilie stammenden hannoverschen
-Majors geboren. Seine Mutter Ulrike Antoinette Grupen war die Tochter
-des Germanisten und Publizisten Christian Ulrich Grupen. Ursprünglich
-galt Thibauts Neigung dem Forstfache; dann studierte er die Rechte
-in Göttingen (1792), Königsberg (1793), wo er Kant hörte, und Kiel
-(1794). An dieser Universität promovierte er im November 1795 (im Jahre
-1796?) mit der Schrift ~De genuina iuris personarum et rerum indole
-veroque huius divisionis pretio~ zum Doktor, habilitierte sich 1796,
-wurde 1798 außerordentlicher, 1801 ordentlicher Professor und ging
-1802 nach Jena. Hier trat er in Beziehungen zu Goethe und Schiller,
-in dessen Gartenhaus Thibauts Hauptwerk »System des Pandektenrechts«
-entstand. Verheiratet war Thibaut mit einer Tochter des Kieler
-Philosophieprofessors Ehlers. Seit 1806 lehrte er in Heidelberg. Zur
-neuen Blüte dieser Universität hat Thibaut wesentlich beigetragen; er
-hat sie auch eine Zeitlang in der Badischen Kammer vertreten; 1834
-wurde er Mitglied des Bundesschiedsgerichts. Er starb am 28. März 1840
-in Heidelberg.
-
-Thibaut, der zu den Begründern der neueren deutschen Rechtswissenschaft
-zu rechnen ist, war ein geborener Zivilist mit praktischem Blick,
-der die philosophischen Grundlagen des Rechts nicht preisgeben
-wollte, und doch, wie er selbst betont, keineswegs ein Verächter
-der Rechtsgeschichte. Als Universitätslehrer war er von bedeutender
-Wirkung, wobei ihm sein vorzüglicher Vortrag und seine eindrucksvolle
-Erscheinung zustatten kam. (Er soll entfernte Ähnlichkeit mit Savigny
-gehabt haben -- Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm, Weimar
-1881, S. 56). Er war ein vielseitig gebildeter Mann. Die schöne
-Literatur kannte er nach allen Richtungen. Die Musik hat er, auch
-wissenschaftlich, in beachtenswerter Weise, namentlich durch das Buch
-»Über Reinheit der Tonkunst« gefördert. Seine musikgeschichtlich höchst
-wertvolle Sammlung ist von der Königlich Bayrischen Staatsbibliothek
-erworben worden. (Den »Katalog der Bibliothek von Anton Friedrich
-Justus Thibaut, welche vom 16. November 1840 an in Heidelberg
-öffentlich versteigert werden soll«, Heidelberg 1840, besitzt die
-Berliner Königliche Bibliothek.)
-
-Thibauts wichtigste juristische *Schriften* sind: Enzyklopädie und
-Methodologie, Altona 1797; Versuche über einzelne Teile der Theorie
-des Rechts, Jena 1798 u. 1801; Theorie der logischen Auslegung des
-Römischen Rechts, Altona 1799; Beiträge zur Kritik der Feuerbachschen
-Theorie über die Grundbegriffe des peinlichen Rechts, Hamburg 1802;
-Über Besitz und Verjährung, Jena 1802; System des Pandektenrechts,
-Jena 1803 (9 Auflagen), das erste von der Legalordnung absehende,
-praktisch brauchbare Pandektensystem, welches die geltend gewordene
-Systematik Heises (eines Kollegen Thibauts) unmittelbar vorbereitete;
-Civilistische Abhandlungen, Heidelberg 1814, worin die Streitschrift
-als 19. Abhdlg. enthalten ist; ferner zahlreiche Aufsätze in den
-Heidelbergischen Jahrbüchern und im Archiv für die zivilistische
-Praxis, in dessen Redaktion Thibaut mit dem 5. Bande eintrat. In
-diesem Archiv ist seine für die Geschichte des Schulenstreits wichtige
-Abhandlung Ȇber die sogenannte historische und nicht-historische
-Rechtsschule« Bd. 21 (1838), S. 391 ff. und seine letzte Arbeit (aus
-der Besitzlehre) Bd. 23 (1840), S. 167 ff. mit Nachruf von Mittermaier
-enthalten.
-
-*Literatur*: Allgemeine Deutsche Biographie, Leipzig, Bd. 37, 737 ff.;
-Weechs Badische Biographieen, 2. Teil, Heidelberg 1875, S. 345 ff.;
-Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, München und
-Berlin 1910, Bd. III, 2 S. 69 ff.; an allen drei Stellen finden sich
-weitere Literaturangaben.
-
-II. *Friedrich* Karl von *Savigny* wurde am 21. Februar 1779 in
-Frankfurt a. M. geboren. Er entstammte einer alt-adligen lothringischen
-Réfugié-Familie. (Der Name Savigny ist auf der ersten Silbe zu betonen,
-also Sávigny, nicht Savígny -- vgl. Brandenburgia, 19. Jahrgang S.
-384.) Ein kurz gefaßtes, lateinisch geschriebenes von Savigny der
-Marburger Juristen-Fakultät eingereichtes ~curriculum vitae~ ist
-abgedruckt in v. Stintzing, Friedrich Karl von Savigny (Preußische
-Jahrbücher Bd. 9 S. 121 ff., vgl. S. 134, auch gesondert erschienen).
-Der Großvater Savignys war Pfalz-Zweibrückischer Kabinetsminister;
-von der Großmutter stammte außer anderem Grundbesitz das Gut Trages
-(Drachenhaus) bei Gelnhausen, wo Savigny sich vielfach aufhielt.
-Savignys Vater Christian Karl Ludwig v. Savigny war Regierungsrat in
-gleichen Diensten, später vertrat er mehrere oberrheinische Fürsten
-in Frankfurt a. M. Savignys Mutter war die geistig hochstehende
-Henriette Philippine Groos, Tochter des Pfalz-Zweibrückischen
-Geheimen Rats Groos. Mit dreizehn Jahren verwaist, wurde Savigny im
-Hause seines Vormundes, gleichzeitig eines Freundes und entfernten
-Verwandten seines Vaters, von Neurath, der Rat am Reichskammergericht
-in Wetzlar war, erzogen. Sechzehn Jahre alt, begann er (1795) die
-juristischen Studien in Marburg. Dort war es der philologisch gebildete
-Professor Ph. Friedrich Weis, ein Anhänger der eleganten (positiven)
-Rechtsschule, der Savigny auf das römische Recht hinlenkte und die
-Anregung zu Savignys späterem Meisterwerke »Geschichte des Römischen
-Rechts im Mittelalter« gab, in dessen Vorrede der Verfasser dankbar
-auf seinen früheren Lehrer hinweist. Im Winter 1796 studierte Savigny
-in Göttingen; im Winter 1797 ging er wieder nach Marburg, wo er bis
-zum Juli 1799 blieb. Es folgte dann eine einjährige Reise durch
-verschiedene deutsche Staaten, von der die Reisebriefe erhalten sind
-(Vgl. Stoll, Friedrich Karl von Savignys sächsische Studienreise
-1799 bis 1800, Leipzig 1891). In Marburg vollendete Savigny seine
-Studien und erhielt am 31. Oktober 1800 die juristische Doktorwürde.
-Seine Dissertation und erste Schrift handelt ~de concursu delictorum
-formali~ (Vermischte Schriften Bd. 4, S. 74 ff.). Kurz darauf begann er
-mit einer Vorlesung über Strafrecht seine Lehrtätigkeit als Marburger
-Privatdozent, schon im Anfang von Erfolg begleitet. Bald wandte er sich
-dem Zivilrecht zu. Durch seine Vorlesung über die letzten zehn Bücher
-der Pandekten kam er zu eingehender Beschäftigung mit der Besitzlehre:
-Zu Beginn des Jahres 1803 erschien »Das Recht des Besitzes, eine
-zivilistische Abhandlung.« Diese (32) + 495 Seiten umfassende
-Schrift, die erste, die nach historisch-systematischer Methode die
-römisch-rechtlichen Quellen von ihren Modifikationen durch Gesetzgebung
-und Praxis schied, gleichzeitig auch das Gelehrte mit dem Praktischen
-verband, dazu in klarer Darstellung und schöner Sprache abgefaßt war,
-eröffnete eine neue Epoche der Rechtswissenschaft. Savigny trat damit
-in die Reihe der ersten Zivilisten. So äußerte sich Thibaut in einer
-begeisterten Besprechung des Savignyschen Buches (Allg. Lit. Ztg.,
-Halle und Leipzig, 1804 Nr. 41 bis 43). Im Jahre 1803 wurde Savigny
-außerordentlicher Professor in Marburg.
-
-Durch seine Vermählung mit Kunigunde Brentano (17. April 1804; vgl.
-das Zitat am Schlusse der Literaturangabe) trat Savigny in noch engere
-Beziehungen zum Romantikerkreise, namentlich zum Geschwisterpaar
-Clemens und Bettina Brentano, deren Schwager er jetzt wurde, und zu der
-Dichterin Karoline von Günderode. Es fehlte nicht an Gegensätzen in
-der Charakteranlage zwischen Savigny und den Brentanos. Dazu kam, daß
-er Protestant, die Familie Brentano katholisch war; seine Kinder ließ
-Savigny, der religiös positiv war, katholisch erziehen.
-
-Wegen einer mehrjährigen Studienreise zur Beschaffung
-rechtsgeschichtlichen Materials, die ihn Ende 1804 auch nach Paris
-führte, wohin ihm Jacob Grimm folgte, lehnte er eine Berufung als
-Ordinarius nach Heidelberg ab; doch hat er sich wohl darum bemüht,
-daß Heise, der nachmalige Schöpfer der modernen Pandektensystematik,
-und Thibaut dorthin kamen. Nach Beendigung seiner Reise wurde
-Savigny (1808) von der bayrischen Regierung als Ordinarius an die
-Universität Landshut berufen, wo auch der Kriminalist Feuerbach und
-Gönner, Savignys späterer Gegner in der Gesetzgebungsfrage, wirkten.
-Über seine anregende akademische Wirksamkeit aus der Zeit seines
-zweijährigen Landshuter Aufenthalts finden sich interessante Zeugnisse
-in Bettinas Briefen (Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, Bd. 2).
-
-Die Gründung der Universität Berlin führte Savigny im Frühling 1810
-auf den dortigen Lehrstuhl des römischen Rechts. Der Erfolg blieb ihm,
-der schon, rein äußerlich betrachtet, eine bedeutende Erscheinung war,
-auch in Berlin in einem Kreise auserlesener Männer treu. Bei der ersten
-Rektorwahl standen sich der Philosoph Fichte, dessen »Reden an die
-Deutsche Nation« (1808/09) den Befreiungskampf vorbereitet hatten, und
-Savigny gegenüber: Fichte wurde mit einer geringen Mehrheit der erste
-Rektor der Berliner Universität. Als ihn Meinungsverschiedenheiten über
-die akademische Disziplin zum Rücktritt veranlaßten, berief der König
-am 16. April 1812 aus besonderem Vertrauen Savigny zum Rektor. Das Jahr
-1814 brachte dann die Streitschrift und gleichzeitige Programmschrift
-der historischen Schule »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und
-Rechtswissenschaft«. 1815 folgte die Gründung der »Zeitschrift für
-geschichtliche Rechtswissenschaft«, deren erste Herausgeber Savigny,
-Eichhorn und Göschen waren. Im gleichen Jahre erschien der 1. Band
-der »Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter«, dem bis 1831
-noch weitere 5 Bände folgten (die 2. Auflage umfaßt 7 Bände). Dies
-Hauptwerk Savignys behandelt in seinem ersten Teile das römische Recht
-als Ergebnis geschichtlicher Entwicklung in den sechs Jahrhunderten
-vor dem Glossator Irnerius ([+] 1140), während der zweite Teil mehr
-eine Geschichte der Literatur des römischen Rechts in den vier
-Jahrhunderten nach Irnerius gibt. Als Niebuhr im Jahre 1816 in Verona
-die Handschrift der Institutionen des Gajus fand, erkannte man den
-Zusammenhang dieses namentlich durch die Aufhellung der römischen
-Rechtspflege wissenschaftlich hochbedeutenden Fundes mit dem durch das
-Aufblühen der historischen Schule geweckten Sinn für die Erforschung
-der Rechtsquellen. Ohne Savigny hätten wir den Gajus nicht, schrieb
-Hugo im Jahre 1818. Erwähnt seien hier auch Savignys Abhandlung
-»Der zehente Mai 1788«, durch die er seiner Verehrung zu Hugos
-fünfzigjährigem Doktor-Jubiläum Ausdruck gab, sowie die Aufsätze über
-»Niebuhr« und die »Rechtsgeschichte des Adels.« Zur Überraschung und
-Freude der Juristenwelt erschienen dann im Jahre 1840 die ersten drei
-Bände des »Systems des heutigen Römischen Rechts«, in dessen Vorrede
-Savigny zu den Angriffen auf die historische Schule Stellung nahm und
-für die Herstellung der Einheit zwischen Theorie und Praxis erneut
-mit Wärme eintrat. 1841 folgten zwei weitere Bände dieses Werkes. Ein
-entscheidendes, für die weitere wissenschaftliche Tätigkeit Savignys
-aber verhängnisvolles Ereignis trat im Jahre 1842 ein: Savigny übernahm
-das von König Friedrich Wilhelm IV., seinem Gönner und einstigen
-Schüler, eigens für ihn gegründete Ministerium für die Revision der
-Gesetzgebung. Daraus ergab sich die Niederlegung der Professur. Seine
-sechsjährige Ministerzeit, die mit den Märzereignissen des Jahres 1848
-ihr Ende erreichte, war eine Enttäuschung. In den Jahren 1847 bis 1853
-erschienen der 6. bis 10. Band des Systems, das (auf die Allgemeinen
-Lehren und Teile des Obligationenrechts beschränkt) ebenso wie die
-Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter ein Bruchstück geblieben
-ist.
-
-Am 25. Oktober 1861 beendete Savigny sein von Anbeginn an im Zeichen
-des Glücks stehendes, an Erfolgen ungewöhnlich reiches Leben, das in
-mancherlei Hinsicht den von Jhering (a. a. O., S. 354 ff.) gezogenen
-und durchgeführten Vergleich mit dem Leben Goethes, eines Sohnes der
-gleichen Vaterstadt, gerechtfertigt erscheinen läßt. Wenige Wochen nach
-Savignys Tode wurde bei der Gedächtnisfeier der Berliner Juristischen
-Gesellschaft der Beschluß verkündet, das Andenken des großen
-Rechtslehrers durch eine Stiftung zu ehren. Diese trat unter dem Namen
-»Savigny-Stiftung« im Jahre 1863 ins Leben und verfolgt insbesondere
-den Zweck, wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiete des Rechts der
-verschiedenen Nationen zu fördern. Die hundertjährige Wiederkehr seines
-Geburtstages am 21. Februar 1879 gab Gelegenheit, das Andenken Savignys
-in großartiger Weise zu feiern.
-
-*Literatur*: v. Stintzing, Friedrich Karl von Savigny (Preußische
-Jahrbücher Bd. 9 (1862), S. 121 bis 168, auch gesondert erschienen);
-Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 30, S. 425 ff. mit Literaturangaben;
-Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, München und
-Berlin 1910, Bd. III, 2 S. 186 ff.; Eduard Müller, Friedrich Karl von
-Savigny, Leipzig 1906 (Heft 9 der Sammlung »Männer der Wissenschaft«),
-beide gleichfalls mit Literaturangaben; O. Liebmann, Die juristische
-Fakultät der Universität Berlin, Berlin 1910. Über die Nachkommen
-Savignys vgl. Familiengeschichtliche Blätter, Leipzig, 9. Jahrgang
-(1911), S. 145.
-
-
-3. Bibliographisches.
-
-Die erste Ausgabe von *Thibauts* Schrift Ȇber die Notwendigkeit
-eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland«, 8^o, 67 S.,
-deren Titelblatt unten wiedergegeben ist, erschien im Jahre 1814 in
-Heidelberg bey Mohr und Zimmer. Noch in demselben Jahre veröffentlichte
-Thibaut in seinen »Civilistischen Abhandlungen« (ebenda, 1814. Vorrede
-»im August 1814«) als XIX. Abhandlung (S. 404 bis 466) eine durch
-Zusätze vermehrte zweite Bearbeitung dieser Schrift; in den Heidelb.
-Jahrbüchern 1814 Nr. 48 spricht Thibaut von einer »zweiten vermehrten
-Ausgabe«. Im Jahre 1840 (kurz nach Thibauts Tode) erschien ebenda (J.
-C. B. Mohr) eine dritte Ausgabe »Abgedruckt nach der in den *Civilist.
-Abhandlungen* des Verf. als XIX. Abhandl. viel vermehrten *zweiten*
-Bearbeitung dieser Schrift. Nebst Zugabe der darauf Bezug habenden
-Rezensionen des Verf. aus den Heidelb. Jahrb. d. Liter. der Jahre 1814,
-1815 u. 1816«. Es sind dies die Rezensionen des Rehbergschen Buches
-»Über den Code Napoleon und dessen Einführung in Deutschland« (Heidelb.
-Jahrb. 1814 Nr. 1 u. 2, S. 1 bis 32), der Savignyschen Schrift »Vom
-Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft« (1814 Nr.
-59, S. 929 ff., unten abgedruckt Abt. II, 2), des Pfeifferschen Buches
-»Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für deutsche Staaten« (1816
-Nr. 13, S. 193 ff.), des Gönnerschen Buches »Über Gesetzgebung und
-Rechtswissenschaft in unsrer Zeit« (1815 Nr. 40, S. 625 ff.) und des
-Savignyschen Programmaufsatzes »Über den Zweck dieser Zeitschrift« --
-Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, herausgegeben von
-C. F. v. Savigny, C. F. Eichhorn und J. F. L. Göschen, Band I, Heft I
-(ebenda 1815 Nr. 42, S. 657 bis 661).
-
-Die erste Ausgabe von *Savignys* Schrift »Vom Beruf unsrer Zeit für
-Gesetzgebung und Rechtswissenschaft«, gr. 8^o, (4) + 162 S., deren
-Titelblatt ebenfalls unten abgedruckt ist, erschien im Jahre 1814 auch
-in Heidelberg, bey Mohr und Zimmer. Im Jahre 1828 erschien die zweite,
-vermehrte Auflage (Heidelberg bey J. C. B. Mohr). Sie enthält eine
-Vorrede, den völlig unveränderten Abdruck der Schrift und zwei Beilagen
-(Savignys Abhandlung »Stimmen für und wider neue Gesetzbücher«, aus der
-Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft Bd. III, 1 bis 52 und
-das Urteil des Tribunals von Montpellier über den Entwurf zum Code).
-S. unten Abt. II, 5. Eine dritte unveränderte Auflage erfolgte im
-Jahre 1840 (Heidelberg bei J. C. B. Mohr). Nach dieser dritten Auflage
-veranstaltete die Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
-(Paul Siebeck) Freiburg i. B. 1892 einen Neudruck.
-
-Von Übersetzungen sind zu erwähnen: ~Of the vocation of our age for
-legislation and jurisprudence, translated from the German of Frederick
-Charles von Savigny by Abraham Hayward, London (1831), printed by
-Littlewood u. Co., Old Bailey (not for sale).~ ~Savigny (De) Fed.
-Carlo, La vocazione del nostro secolo per la legislazione e la
-giurisprudenza, con introduzione e discorso sugli scritti di lui e
-sulla scuola storica di Gius. Tedeschi, Verona (Antonelli) 1857.~ (Eine
-französische Übersetzung scheint nicht vorhanden zu sein; bei ~Michaud,
-Biographie universelle ancienne et moderne, Paris, Vol. 38~ ist keine
-erwähnt, auch die Pariser National-Bibliothek besitzt keine.)
-
-Savignys Schrift ist *nach* der 2. (erweiterten) Ausgabe von Thibaut
-im Oktober 1814 erschienen. Dies ergibt sich aus einer Vergleichung
-der Daten der Thibautschen Vorreden mit denen der Briefe Niebuhrs
-und Grimms, ferner aus der eigenen Bemerkung Thibauts am Anfange
-seiner Besprechung der Savignyschen Schrift in den Heidelbergischen
-Jahrbüchern der Literatur 1814 Nr. 59. Savigny zitiert aber nur die 1.
-Ausgabe von Thibaut.
-
-Im folgenden ist der Text der Erstausgaben beider Streitschriften
-wörtlich abgedruckt. Auch Orthographie und Interpunktion sind
-beibehalten. Die in Klammern gesetzten Zahlen bedeuten die Seiten
-der ersten Ausgaben, besonders zur Erleichterung des Nachschlagens
-späterer Zitate. Offenbare Druckfehler -- so auf S. 33 bei Thibaut:
-noch Hert, statt nach Hert, auf S. 14 bei Savigny: nach (statt noch)
-einiger näheren Bestimmungen, S. 60 diesen (statt diese) allgemeinen
-Lehren -- sind verbessert. Scheinbare Druckfehler, die auf Irrtümer
-oder Ungenauigkeiten der Verfasser zurückzuführen sind, sind
-beibehalten.
-
-
-
-
- Ueber
- die Nothwendigkeit
- eines
- allgemeinen
- bürgerlichen Rechts
- für
- Deutschland.
-
- Von
-
- A. F. J. Thibaut,
-
- Hofrat und Professor des Rechts in Heidelberg; Correspondenten
- der Kaiserl. Gesetzgebungs-Commission in Petersburg.
-
- Heidelberg,
- bey Mohr und Zimmer.
-
- 1814.
-
-
-[[3]] Ich habe kürzlich in einer Recension (Heidelberg. Jahrb. 1814.
-S. 1-32.) über die Nothwendigkeit allgemeiner Deutscher bürgerlicher
-Gesetze beyläufig manches geäußert, was achtungswerthe Männer
-veranlaßte, mich aufzufordern, in einer besondern Abhandlung diesen
-wichtigen Gegenstand sorgfältiger zu entwickeln. So ungern ich nun
-auch in dem leicht verrinnenden Strom der Flugschriften etwas von dem
-Meinigen sehe, und so wenig ich auch Ursach habe, zu glauben, daß
-man auf meine Stimme sonderlich achten werde: so schien mir doch der
-jetzige wichtige Augenblick von der Art zu seyn, daß Schüchternheit
-und Zurückgezogenheit nicht zu dem Drange der Umstände passen möchten,
-daß vielmehr jeder nachdenkende Mann für das Gute und Große laut
-zu[[4]] reden habe, insofern irgend gehofft werden kann, durch einen
-ersten Anstoß viele Kräfte in das Leben hervor zu rufen. Nur durch
-diese Rücksicht veranlaßt, entwarf ich die folgenden Zeilen. Sie
-können leicht Staatsmännern und Gelehrten mißfallen, und dagegen werde
-ich nichts einwenden. Aber den Ruhm lasse ich mir nicht rauben, daß
-ich als warmer Freund meines Vaterlandes geredet habe; und in diesen
-Gesinnungen werde ich nie einem Andern nachstehen.
-
-Uebrigens ist keine Zeile der folgenden Blätter durch irgend eine
-Empfindlichkeit veranlaßt. Nie hat mich ein Staatsmann beleidigt, und
-in Beziehung auf meine Person sind mir verfehlte Wünsche so gut wie
-fremd. Das Glück gab mir mehr als ich verdiene; nie strebte ich nach
-Höherem; und meine Zufriedenheit wird ungetrübt bleiben, wenn auch
-ferner Niemand zwischen mich und die Sonne in die Mitte tritt.(1)
-
- Heidelberg den 19. Junius 1814.
-
- A. T.
-
-
-[[5]] Deutschland hat jetzt durch Befreyung seines Bodens zwar seine
-Ehre gerettet, und sich die Möglichkeit einer glücklichen Zukunft
-errungen; allein es stehen der Erreichung eines auch nur mittelmäßigen
-Glücks noch so viele mögliche Hindernisse entgegen, daß man mit einer
-Art eigensinnigen Glaubens die Hoffnung festhalten muß, um nicht durch
-bange Ahndungen getroffen zu werden. Denn wie man auch die Deutschen
-im Gegensatz der Besiegten empor heben mag, immer bleibt es gewiß, daß
-ein Theil unsres Volks, besonders in den Höheren und Mittelständen,
-des Deutschen Namens unwürdig ist; daß unsre Beamten vielfach durch
-das feine Gift des Französischen Beyspiels und Einflusses verdorben
-wurden; daß Kleinlichkeit und beschränkter Eigennutz zum Theil
-auch den Besseren nicht fremd sind, und daß so jetzt wieder sehr
-leicht geschehen könnte, was in stürmischen Zeiten nur zu leicht
-geschieht,[[6]] nämlich daß die rechtlichen Männer nach unten
-gedrückt werden, oder sich mürrisch in eine schuldlose Unthätigkeit
-zurückziehen, daß der Hefen der Nation sich nach oben drängt, und daß
-unsre Fürsten, schlecht berathen und geleitet, auch mit dem besten
-Willen nicht im Stande seyn werden, den Theil des Volks zu befriedigen,
-wegen dessen das Regieren allein Werth hat. Diese Möglichkeiten werden
-dadurch noch vermehrt, daß unter unsern kräftigen und rechtlichen
-Männern da und dort immer mehr eine überspannte Gutmüthigkeit empor
-kommt, welche das Unmögliche ungestüm fordert, sich in politischen
-und ästhetischen Träumereyen erschöpft, über dem Seichten das
-Tiefe vergißt, und so den beschränkten und verdorbenen Weltmännern
-der niederen Art die beste Gelegenheit gibt, mit scheinbar weiser
-Bedachtsamkeit alles Schlechte und Kleinliche vom Untergange zu retten.
-Auch stehen wir jetzt mehr, wie jemals, auf dem Punkt, daß uns die
-Schlauen, durch eine frische Erfahrung unterstützt, mit frohem Bedauren
-auf den Unsegen des Wechsels und der Neuerungen verweisen können.
-
-[[7]] So viel ist auf allen Fall schon jetzt entschieden, daß
-Deutschland nach wie vor den Vortheilen einer unbedingten Einheit zu
-entsagen hat, und sich in eine Reihe bloß äußerlich verbundener kleiner
-Staaten auflösen wird. Darüber zu klagen wäre wahrlich unüberlegt und
-ungerecht. Denn wenn man nicht die überspannte Forderung machen will,
-daß alle andern Völker, im unbedingten Vertrauen auf die Rechtlichkeit
-unsrer Regierung, alle menschlichen Nebenrücksichten dem Abstracten
-opfernd, bloß im Interesse der Deutschen handeln sollen, so erscheint
-jene Vereinzelung und Zerstückelung als fast nothwendig; auch
-verspricht sie auf den möglichen Fall so viele bedeutende Vortheile,
-daß schwerlich ein Politiker im Stande seyn wird, zu beweisen, die
-volle Einheit nutze den Deutschen mehr, als jene Vereinzelung. Der
-Zustand großer Staaten ist immer eine Art unnatürlicher Spannung und
-Erschöpfung. Ein warmes Leben nur an Einem Punkt; ein einförmiges
-Streben nur zu Einem Ziele; ein stetes Unterdrücken des Individuellen,
-Mannigfaltigen einer einzigen gemeinen Sache wegen; und im Grunde keine
-ganz innige Verbindung[[8]] zwischen dem Regenten und Unterthanen!
-In einem Bunde kleiner Staaten hat dagegen die Eigenthümlichkeit
-des Einzelnen freyen Spielraum, das Mannigfaltige kann sich ins
-Unendliche ausbilden, und die Verbindung zwischen dem Volk und
-Regenten ist weit inniger und lebendiger. Auch lege man nicht zu viel
-Gewicht darauf, daß große einfache Staaten den kriegerischen Muth
-des Einzelnen besonders heben. Denn wenn ein kleines Volk sittlich
-erzogen, weise regiert, und seiner Verfassung geneigt gemacht ward,
-so hat es sich immer durch kriegerische Rüstigkeit und Kraft ganz
-vorzüglich ausgezeichnet, und die überwiegende Macht großer Staaten
-lag dann immer nur in der Ueberzahl ihrer Streitenden. Ohnehin dürfen
-die Deutschen nicht vergessen, wie sehr jene Zersplitterung ihrem
-Character anpaßt, wenigstens wie jetzt die Nation sich ausgebildet hat.
-Ueberall widerstreitende Elemente, welche verbunden sich aufreiben
-könnten, aber neben einander gestellt sich wetteifernd zu dem Höheren
-treiben, und unendlich viel Mannigfaltiges, Eigenthümliches wecken
-und nähren werden! Mit diesem Reichthum des Mannigfaltigen[[9]]
-werden die Deutschen stets einen ausgezeichneten Platz unter den
-Völkern behaupten, während leicht alles zur Plattheit und Stumpfheit
-herabsinken könnte, wenn es der allmächtigen Hand eines Einzigen
-gelänge, die Deutschen Völker zu einer vollen politischen Einheit zu
-stimmen.
-
-Allein wenn man auch im Ganzen über jene Vereinzelungen getröstet
-ist,(2) so darf doch nicht vergessen werden, daß dieser Zustand
-möglicher Weise die größten Gefahren droht, wenn unsre Regenten das
-Eigenthümliche ihrer Lage übersehen sollten; wenn sie die nothwendigen
-Uebel großer Staaten unbedachtsam nachahmten; wenn sie dem Volke
-durch eine sinnlose Hofpracht Achtung einzuflößen suchten, Statt sich
-dieselbe auf dem besseren Wege einer thätigen, milden, kräftigen
-Regierung zu verschaffen, und nur allein darauf ausgingen, ohne
-freundliche Verbindung mit den Nachbarstaaten die Erreichung großer
-Zwecke kümmerlich durch die kleinen Mittel abgeschiedener eigner
-Kräfte zu versuchen. Grade von dieser Seite drohen uns aber unendliche
-Gefahren, und wenn unsre Fürsten den Einflüsterungen derer trauen,
-welche jetzt ihrer Stimme[[10]] leicht das mehrste Gewicht geben
-könnten, so werden die rechtlichen und kräftigen Männer der Nation
-wenig Grund haben, mit heiterem Vertrauen der Zukunft entgegen zu sehen.
-
-Es ist nicht meines Berufs, unsre künftigen politischen Verhältnisse
-von dieser Seite zu beleuchten; aber dazu bin ich lange genug
-thätiger Civilist gewesen, um ohne Unbescheidenheit in diesem großen,
-verhängnisvollen Augenblick meine Wünsche über unsre künftigen
-bürgerlichen Verhältnisse äußern zu dürfen. Und in der That ist dieß
-auch die Seite, welche am mehrsten hervorgehoben zu werden verdient.
-Denn in Beziehung auf politische Organisationen(3) ist schon so viel
-vorgearbeitet, daß die Wahl des Zweckmäßigen mehr nur noch von dem
-guten Willen, als der Anstrengung des Verstandes abhängt; aber in
-bürgerlicher, privat-rechtlicher Hinsicht thut es Noth, daß über
-die frostigen herrschenden Ansichten ein warmer Hauch gehe, um das
-Erstarrte aufzulösen, und alles in das Leben hervorzurufen, was unter
-den Händen gewöhnlicher Staatskünstler wie eine todte Masse auf den
-heiligsten Verhältnissen des Bürgers lastet.
-
-[[11]] Mehrere Zeichen der Zeit zwingen mich fast, die folgenden
-Wünsche schnell zu äußern. Die Deutschen sind in dem letzten Jahre aus
-einem langen Schlummer erwacht. Alle Stände haben der guten Sache mit
-einer Kraft und Eintracht gedient, welche fast beyspiellos genannt
-werden kann, und unsre Fürsten haben ein Uebermaß von Gründen erhalten,
-um sich zu überzeugen, daß die Deutschen ein edles, kräftiges,
-hochherziges Volk sind, welches nicht bloß auf die Gerechtigkeit,
-sondern auch auf die Dankbarkeit seiner Regierungen lauten Anspruch
-machen darf, also auch darauf, daß man diesen herrlichen Augenblick
-benutze, um endlich alte Mißbräuche zu zerstören, und durch neue weise
-bürgerliche Einrichtungen das Glück des Einzelnen fest zu begründen.
-Aber grade in diesem Augenblick, und nachdem die zahllosen Gebrechen
-unsrer früheren bürgerlichen Verfassung von vielen unsrer ersten
-Rechtsgelehrten längst anerkannt waren, grade in diesem Augenblick
-hat man an vielen Orten nichts eiliger zu thun gehabt, als das krause
-Gemisch des alten Wirrwarrs gegen das eingeführte neueste Recht mit
-einem schneidenden Machtwort[[12]] wieder herzustellen, jeden kleinen
-Staat zu organisiren, als ob er mit der ganzen Welt durch keinen
-Faden zusammen hänge, und den kleinen eignen Kräften unbesorgt das
-Unglaubliche zuzutrauen. Die Theorie ist dabey denn auch nicht müßig
-geblieben, und aus dem Munde eines geistvollen, edeln Schriftstellers
-haben wir laut vernehmen müssen, daß es genüge, wenn man den Deutschen
-zu seinen alten Gewohnheiten zurückführe, und sich allenfalls da und
-dort eine Besserung im Einzelnen vorbehalte.
-
-Ich bin dagegen der Meynung, daß unser bürgerliches Recht (worunter ich
-hier stets das Privat- und Criminal-Recht, und den Proceß verstehen
-werde) eine gänzliche schnelle Umänderung bedarf, und daß die Deutschen
-nicht anders in ihren bürgerlichen Verhältnissen glücklich werden
-können, als wenn alle Deutschen Regierungen mit vereinten Kräften die
-Abfassung eines, der Willkühr der einzelnen Regierungen entzogenen, für
-ganz Deutschland erlassenen Gesetzbuchs zu bewirken suchen.
-
-Man kann und muß an jede Gesetzgebung zwey Forderungen machen: daß
-sie formell und[[13]] materiell vollkommen sey; also daß sie ihre
-Bestimmungen klar, unzweydeutig und erschöpfend aufstelle, und daß
-sie die bürgerlichen Einrichtungen weise und zweckmäßig, ganz nach
-den Bedürfnissen der Unterthanen, anordne. Leider gibt es aber kein
-einziges Deutsches Reichsland, wo auch nur Eine dieser Forderungen
-halb befriedigt ist. Unsre altdeutschen Gesetzbücher, deren es in
-vielen Ländern noch wieder ein buntes Allerley gibt, sprechen wohl da
-und dort den einfachen germanischen Sinn kräftig aus, und ließen sich
-insofern für einzelne Rechtsfragen bey einer neuen Gesetzgebung sehr
-gut benutzen. Allein daß sie häufig den Bedürfnissen unsrer Zeit nicht
-entsprechen, überall die Spuren alter Rohheit und Kurzsichtigkeit an
-sich tragen, und in keinem Fall als allgemeine, umfassende Gesetzbücher
-gelten können, darüber war und ist unter den Kennern nur Eine Stimme.
-Was sich sonst noch von einheimischen Particular-Gesetzen an sie
-schließt -- die Landesherrlichen Verordnungen, -- hat zwar häufig
-über diese oder jene einzelne Einrichtung etwas Gutes nachgetragen;
-aber alles ist doch in der Regel ein furchtsames Bessern im[[14]]
-Kleinen, und die ganze verwirrte Masse wird mehrentheils durch sich
-selbst erdrückt. Von unsern alten durchsichtigen Reichsgesetzen läßt
-sich höchstens nur behaupten, daß sie wenige zweckmäßige Anordnungen,
-z. B. für Vormundschaften und den Proceß enthalten; aber eigentliche
-Gesetzbücher sind sie nicht, die einzige Carolina abgerechnet, deren
-Unzweckmäßigkeit für die jetzige Zeit so anerkannt ist, daß selbst
-die Freunde des Unwandelbaren die unbedingte Nothwendigkeit neuer
-Criminal-Gesetze zugeben mußten. So ist also unser ganzes einheimisches
-Recht ein endloser Wust einander widerstreitender, vernichtender,
-buntschäckiger Bestimmungen, ganz dazu geartet, die Deutschen von
-einander zu trennen, und den Richtern und Anwälden die gründliche
-Kenntniß des Rechts unmöglich zu machen. Aber auch eine vollendete
-Kenntniß dieses chaotischen Allerley führt nicht weit. Denn unser
-ganzes einheimisches Recht ist so unvollständig und leer, daß von
-hundert Rechtsfragen immer wenigstens neunzig aus den recipirten
-fremden Gesetzbüchern, dem Kanonischen und Römischen Recht, entschieden
-werden müssen. Grade hier erreicht aber[[15]] das Ungemach den höchsten
-Gipfel. Das Kanonische Recht, so weit es nicht auf die Katholische
-Kirchenverfassung, sondern auf andre bürgerliche Einrichtungen geht,
-ist nicht des Nennens werth; ein Haufen dunkler, verstümmelter,
-unvollständiger Bestimmungen, zum Theil durch schlechte Ansichten
-der alten Ausleger des Römischen Rechts veranlaßt, und so despotisch
-in Ansehung des Einflusses der geistlichen Macht auf weltliche
-Angelegenheiten, daß kein weiser Regent sich ganz demselben fügen
-kann. Die letzte und hauptsächlichste Rechtsquelle bleibt daher für
-uns das Römische Gesetzbuch, also das Werk einer uns sehr ungleichen
-fremden Nation aus der Periode des tiefsten Verfalls derselben, die
-Spuren dieses Verfalls auf jeder Seite an sich tragend! Man muß ganz in
-leidenschaftlicher Einseitigkeit verfangen seyn, wenn man die Deutschen
-wegen der Annahme dieses mißrathenen Werkes glücklich preist, und
-dessen fernere Beybehaltung im Ernst anempfiehlt. Unendlich vollständig
-ist es zwar, aber etwa in eben dem Sinne, wie man die Deutschen
-unendlich reich nennen kann, weil ihnen alle Schätze unter ihrem Boden
-bis zum[[16]] Mittelpunkt der Erde gehören. Wenn sich nur alles ohne
-Kosten ausgraben ließe: da liegt die leidige Schwierigkeit! Und so
-denn auch bey dem Römischen Recht! Es läßt sich nicht bezweifeln, daß
-tief gelehrte, scharfsinnige, unermüdete Juristen über jede Theorie
-etwas Erschöpfendes aus den zerrissenen Fragmenten dieses Gesetzbuchs
-zusammentragen können, und daß wir vielleicht nach tausend Jahren so
-glücklich sind, über jede der tausend wichtigen Lehren, welche noch
-zur Zeit im Dunkeln liegen, ein classisches, erschöpfendes Werk zu
-erhalten. Allein den Unterthanen liegt nichts daran, daß gute Ideen
-sicher in gedruckten Werken aufbewahrt werden, sondern daß das Recht
-lebendig in den Köpfen der Richter und Anwälde wohne, und daß es
-diesen möglich sey, sich umfassende Rechtskenntnisse zu erwerben.
-Dieß wird aber bey dem Römischen Recht stets unmöglich bleiben. Die
-ganze Compilation ist zu dunkel, zu flüchtig gearbeitet, und der
-wahre Schlüssel dazu wird uns ewig fehlen. Denn wir besitzen nicht
-die Römischen Volks-Ideen, welche den Römern unendlich vieles leicht
-verständlich machen mußten, was uns ein Räthsel[[17]] ist; etwa wie
-neuerlich viele seichte Französische Juristen mit Leichtigkeit den
-Code von der rechten Seite ansahen, wo die Deutsche Gründlichkeit
-mit schwerfälliger Arbeit immer das Ziel verfehlte. Wir müssen
-folglich überall auf einen tüchtigen gelehrten Apparat bedacht seyn,
-und da werden denn, bey der Mannigfaltigkeit und Dürftigkeit der
-historischen Quellen, die Erörterungen so weitschichtig, verwickelt,
-und mehrentheils so gewagt, daß kein Practiker im Stande ist, sich
-die entdeckten Schätze gehörig anzueignen. Gibt es doch sogar keinen
-Professor der Pandekten in ganz Deutschland, welcher sich nachrühmen
-könnte, daß es ihm möglich gewesen sey, alle einzelnen Lehren
-seines beschränkten Fachs historisch-dogmatisch aus den Quellen zu
-studieren, oder vollständig zu durchdenken. Aber laßt uns auch nur noch
-offenherzig gestehen: das Römische Recht wird nie zur vollen Klarheit
-und Gewißheit erhoben werden. Denn die Erklärungsquellen fehlen uns
-bey jeder Gelegenheit, und der ganze Wust jämmerlich zerstückelter
-Fragmente führt in ein solches Labyrinth gewagter, schwankender
-Voraussetzungen, daß der Ausleger selten einen ganz festen[[18]] Boden
-gewinnen kann, der nächste beste Ausleger also immer wieder angelockt
-wird, neue Ideen zu versuchen, und die bisherigen umzuwerfen. Wir haben
-ja darüber recht grüne Erfahrungen an einigen neueren trefflichen
-Werken, welche schwerlich so bald wieder ihres Gleichen finden werden,
-und doch auf der Stelle den lebhaftesten Angriffen ausgesetzt waren,
-ohne sich in der gemeinen Meynung eines vollständigen Sieges erfreuen
-zu können. Was aber vor allem dem Römischen Recht entgegensteht, ist
-die innere Schlechtigkeit seiner mehrsten Bestimmungen, besonders
-in Beziehung auf Deutschland. Zwar hat *Leibnitz* durch seine fast
-leidenschaftlichen Aeußerungen über das Genie der Römischen Juristen
-ein heiliges Staunen bey Vielen veranlaßt; allein jene Aeußerungen
-gingen mehr nur auf das Formelle, und beziehen sich keineswegs auf das
-ganze Gesetzbuch. In jener Hinsicht sind sie freylich wahr, treffen
-aber auch insofern nicht das vorhin Gesagte. Denn alles, was man den
-classischen Juristen zugestehen kann und muß, ist eine hohe Consequenz,
-und eine ungemeine Leichtigkeit in der Anwendung allgemeiner[[19]]
-positiver Rechtssätze auf die feinsten, verwickeltsten Einzelnheiten.
-Allein zu leugnen ist es auch nicht, daß sie später immer mehr in eine
-schwankende Billigkeit geriethen, und daß ihr Scharfsinn im Grunde der
-wahren Rechtsweisheit eben so viel schadete, als nutzte. Denn überall
-standen sie unter dem Zwange positiver Grundlagen aus der Periode
-der Barbarey, und da ward dann durch folgerechte Auslegung das Uebel
-nicht gemindert, sondern gemehrt. So kann man z. B. die Theorie
-der Classiker über väterliche Gewalt und Erbrecht ein Meisterstück
-juristischer Consequenz und Zergliederungskunst nennen; aber man muß
-auch hinzusetzen: wehe der Nation, wo die Juristen dazu verurtheilt
-sind, an solchen rohen, einseitigen Grundlagen ihren Scharfsinn zu
-üben! Und was hilft uns auch alle Weisheit der Classiker, da ihre
-Ideen nicht rein auf uns gekommen sind; da die späteren Kaiserlichen
-Constitutionen fast jede einzelne Rechtslehre mißhandelt und verbildet
-haben; und da nun das Ganze als ein wahrhaft gräßliches Gemisch
-kluger und toller, consequenter und inconsequenter Bestimmungen vor
-uns liegt! Dieß trifft nicht[[20]] bloß eine zahllose Menge kleiner
-Rechtssätze, sondern große Rechtsmassen, welche als die Grundsteine
-des ganzen bürgerlichen Rechts gelten können, namentlich die Lehre
-von der elterlichen Gewalt, der Sicherheit des Eigenthums, dem
-Hypotheken-Wesen, dem Erbrecht, und der Verjährung.(4)
-
-Wären aber auch alle diese Vorwürfe ungegründet, so bleibt doch noch
-immer der, alles denkbare Schlechte übertreffende Umstand übrig, daß
-wir -- unglaublicher Weise -- in dem Römischen Recht ein Gesetzbuch
-haben, dessen Text wir nicht besitzen, und dessen Inhalt insofern einem
-Irrlicht zu vergleichen ist. Kein authentischer oder patentisirter Text
-ist aufgenommen, sondern das ideale Recht, wie man es nennen möchte,
-welches sich in den, ganz verschieden lautenden vorhandenen zahllosen
-Handschriften vorfindet. Die Masse dieser Varianten ist nun aber
-ungeheuer. Bloß in der Gebauerschen Ausgabe nimmt ihr Abdruck so viel
-Raum ein, als ein Viertheil des Textes; und doch ist es bekannt genug,
-daß bey dieser Ausgabe nicht der hundertste Theil der unentbehrlichen
-Hülfsmittel[[21]] benutzt ist. Wie ein Gelehrter nur ein Paar Wochen
-lang gute Handschriften oder Ausgaben vergleicht, entdecken sich immer
-neue überraschende Varianten, und es läßt sich gar nicht bezweifeln,
-daß ein guter Theil herkömmlicher Rechtsansichten über den Haufen
-geworfen werden müßte, wenn unsre *Cramer* und *Savigny* so glücklich
-wären, zehn Jahre zu Rom an der Stelle zu sitzen, wo *Brenkmann* nach
-dem Maaß seiner Kräfte der guten Sache zu dienen suchte. Also hängt
-das Glück unsrer Bürger davon ab, ob unsre Gelehrten in Rom und
-Paris liberal behandelt werden, und fleißig sammeln, oder nicht!(5)
-Und wenn wir denn endlich das ersehnte Ziel erreicht hätten, wenn
-die Varianten aller Handschriften und Ausgaben zu Einem großen Berge
-zusammengefahren wären, was würde dann der Erfolg seyn? Die geschickte
-Auswahl aus verschiedenen Lesarten hängt in der Regel vom bloßen Gefühl
-ab, und die Wahl läßt sich selten streng rechtfertigen. Da werden
-also die critischen Zänkereyen bis ins Unendliche vervielfältigt
-werden, zumal da wir guten Rechtsgelehrten nichts so sehr lieben,
-als die Meynungen Andrer, eben weil sie von Andern herrühren,[[22]]
-außerordentlich bedenklich zu finden, und zu der Eröffnung einer neuen
-Instanz alle Kräfte aufzubieten. Die Praktiker müssen aber bey solchen
-hochgelehrten Streitigkeiten, wie Buridans geduldiges Thier zwischen
-seinen beyden Heubündeln, mit unbewegtem Kopf in der Mitte stehen
-bleiben, oder sich entschließen, ihre Richter so in Bewegung zu setzen,
-wie jener Franzose den lieben Gott, indem er für den Deutschen Gott in
-Hannover ein Deutsches A B C kaufte, und es mit der Bitte gen Himmel
-hielt: mach dir selbst ein Vater unser daraus! -- Wäre dieß alles
-nicht, wie würde es dann auch möglich gewesen seyn, daß edle Deutsche
-Rechtsgelehrte es über sich hätten erhalten können, in den Zeiten der
-Schmach und Unterdrückung dennoch ihrem Vaterlande die Annahme des
-Neu-Französischen Civil-Rechts in vollem Ernste zu empfehlen?
-
-Freylich ist es nicht zu leugnen, daß die Einführung des Römischen
-Rechts unserm gelehrten Treiben vielfach sehr förderlich war, besonders
-dem Studio der Philologie und Geschichte, und daß die ganze große
-räthselhafte Masse dem Scharfsinn und der Combinations-Gabe der
-Juristen immer[[23]] viel Gelegenheit gab, und geben wird, sich zu üben
-und zu verherrlichen. Allein der Bürger wird immer darauf bestehen
-dürfen, daß er nun einmal nicht für den Juristen geschaffen ist, so
-wenig als für die Lehrer der Chirurgie, um an sich lebendigen Leibes
-anatomische Versuche anstellen zu lassen. Alle eure Gelehrsamkeit,
-alle eure Varianten und Conjecturen, -- alles dieß hat die friedliche
-Sicherheit des Bürgers tausendfältig gestört, und nur den Anwälden
-die Taschen gefüllt. Das Bürgerglück frägt nicht nach gelehrten
-Advocaten, und wir würden dem Himmel inbrünstig zu danken haben, wenn
-es durch einfache Gesetze herausgebracht würde, daß unsre Anwälde ganz
-der Gelehrsamkeit entrathen könnten, wie wir auch allen Grund hätten,
-überselig zu seyn, wenn unsre Aerzte mit sechs Universal-Arzeneyen
-alle Krankheiten mechanisch zu heilen vermöchten. Für wahre
-wissenschaftliche Thätigkeit giebt es immer so viele Gegenstände, daß
-man nie genöthigt seyn wird, Knoten zu schürzen, um sie nachher lösen
-zu können. Aber ich behaupte noch mehr: eure beste Gelehrsamkeit hat
-für das bürgerliche Wesen den wahren ächten juristischen Sinn von
-jeher nicht[[24]] belebt, sondern getödtet. Die Masse des Positiven
-und Historischen ist zu ungeheuer. Der gewöhnliche Jurist, dem doch
-das Glück der Bürger in der Regel überlassen bleibt, kann diese Massen
-nur nothdürftig mit dem Gedächtniß festhalten, aber nie geistvoll
-verarbeiten. Daraus entsteht denn eine Hölzernheit und Aengstlichkeit,
-welche Erbarmen erregt, und am Ende liegt immer ein alter Tröster
-im Hintergrunde, woraus mechanisch der nöthige Rath geschöpft wird.
-Man vergleiche nur die Anwälde in England, wo man durch Römische
-Alterthümer und Varianten wenig geängstigt wird, mit unsern belobten
-Rechtsfreunden. Dort ist alles Leben und frische Eigenthümlichkeit,
-während bey uns in den mehrsten Ländern alles auf hölzerne Füße
-gestellt ist, und so matt und pedantisch einherschleicht, daß man
-am Ende kaum umhin kann, den Rabulisten, welche vom Positiven und
-Gelehrten nichts kennen, aber lustig in das weite Meer hinaussteuren,
-vorzugsweise geneigt zu werden.
-
-Nehmen wir nun dieß alles zusammen, so muß jedem Vaterlandsfreunde der
-Wunsch sich aufdrängen, daß ein einfaches Gesetzbuch, das[[25]] Werk
-eigner Kraft und Thätigkeit, endlich unsern bürgerlichen Zustand, den
-Bedürfnissen des Volks gemäß, gehörig begründen und befestigen möge,
-und daß ein patriotischer Verein aller Deutschen Regierungen dem ganzen
-Reich die Wohlthaten einer gleichen bürgerlichen Verfassung auf ewige
-Zeiten angedeihen lasse. Ich will versuchen, zuerst die Vortheile
-dieser großen Neuerung anschaulich zu machen, und dann dasjenige zu
-beseitigen, was man etwa gegen ihre Ausführbarkeit einwenden könnte.
-
-Zuerst, den Gelehrten zu gefallen, die Sache nur von der
-wissenschaftlichen Seite betrachtet: welcher unendliche Gewinn für
-die wahre, höhere Bildung der Diener des Rechts, der Lehrer und
-Lernenden! Bisher war es unmöglich, daß irgend Jemand, und wäre er
-auch der fleißigste Theoretiker gewesen, das ganze Recht übersehen,
-und mit Geist gründlich durchdringen konnte. Jeder hatte höchstens
-nur seine starken Seiten; an tausend Orten Nacht und Finsterniß! Von
-den unschätzbaren Vortheilen des Uebersehens der Wechselwirkung aller
-einzelnen Glieder der Rechtswissenschaft ist uns nichts zu Theil
-geworden. Ein[[26]] einfaches National-Gesetzbuch, mit Deutscher
-Kraft im Deutschen Geist gearbeitet, wird dagegen jedem auch nur
-mittelmäßigen Kopfe in allen seinen Theilen zugänglich seyn, und
-unsre Anwälde und Richter werden dadurch endlich in die Lage kommen,
-daß ihnen für jeden Fall das Recht lebendig gegenwärtig ist. Auch
-läßt sich nur bey einem solchen Gesetzbuch eine wahre Fortbildung der
-Rechtsansichten als möglich denken. Mit unsern bisherigen gelehrten
-Erörterungen haben wir uns zwar immer tiefer in Philologie und
-Geschichte hineingewühlt, aber der kräftige Sinn für Recht und Unrecht,
-für die Bedürfnisse des Volks, für ehrwürdige Einfalt und Strenge der
-Gesetze, ist bey diesem mühseligen Treiben immer stumpfer geworden.
-Was hätte sich auch für jene Fortbildung thun lassen, da die mehrsten
-Theile unsres positiven Rechts durch und durch verdorben sind, da wir
-ihre Gründe selten genau kennen, und da so auf der einen Seite keine
-Hoffnung der Besserung, und auf der andern Seite wenig Gelegenheit zu
-belebenden Erörterungen war! Wäre dagegen ein kräftiges einheimisches
-Gesetzbuch das Gemeingut Aller, wäre es von anerkannt bedeutenden[[27]]
-Staatsmännern und Gelehrten verfaßt, nach reifer Prüfung und voller
-Benutzung des öffentlichen Urtheils, und wären dann auch dessen
-Gründe mit unbedingter Offenheit zur allgemeinen Kenntniß gebracht,
-so würde nun die wahre Rechtswissenschaft, d. h. die philosophirende,
-sich leicht und frey bewegen können, und Jeder würde Gelegenheit und
-Hoffnung haben, zur fernern Vervollkommnung dieses großen Nationalwerks
-mitzuwirken. Auch wäre es unschätzbar, daß nun alle Deutschen
-Rechtsgelehrten einen gleichen Gegenstand ihrer Untersuchungen
-hätten, und durch stete Mittheilung ihrer Ideen über dasselbe Werk
-sich wechselseitig heben und unterstützen könnten, daß also die
-trostlosen Winkelpfuschereyen, unter denen bisher unsre zahllosen
-Particular-Gesetze daniederlagen, im Wesentlichen ganz aufhörten.
-
-Sieht man aber auf den academischen Unterricht, so ist der Gewinn
-ebenfalls unermeßlich. Bisher war das, doch immer höchst wichtige
-Particular-Recht nirgend der Gegenstand gründlicher Vorträge auf den
-Academien, konnte es nicht seyn, und wird es nie werden. Denn unsre
-Academien bleiben gewiß, wie es heiß zu wünschen ist, allgemeine[[28]]
-Bildungsanstalten für ganz Deutschland, und werden nie zu bloßen
-Landesanstalten herabsinken, wo alles unter der Abgeschiedenheit und
-Kleinlichkeit verkümmern muß. Wie kann aber hier jemals ein wahrer
-Eifer der Lehrer für das einheimische Landrecht entstehen, da sie immer
-bey Vorträgen über allgemeineres Recht auf ein weit größeres Publicum
-rechnen können, besonders insofern, als sie schriftstellerische
-Arbeiten unternehmen? Auch wird sich jeder Lehrer besserer Art die
-goldene Aussicht erhalten wollen, in andern Freyhäfen eine freundliche
-Aufnahme zu finden, wenn seine bisherige Stelle ihm mißfällt,
-also nicht zu viel aufladen, was die Freyzügigkeit beschwerlich
-machen könnte. So hat denn bisher über dem Particular-Recht in
-wissenschaftlicher Hinsicht eine schwarze Nacht gelegen, und der junge
-Practiker mußte sich darin immer durch eigne Kraft zu orientiren
-suchen; ein unglückliches Geschäft, welches selten gerieth, da die
-Particular-Gesetze zu zerstreut und mannigfaltig sind, und da selten
-in einem Lande auch nur zehn practische Juristen das Glück haben, eine
-vollständige Sammlung jener Gesetze zusammenbringen[[29]] zu können. So
-schloß sich denn in der Regel an die vornehme academische Bildung eine
-ungeheure Lücke, welche nur nach mannigfaltigem Wagen und Umhertappen
-einigermaßen ausgefüllt werden konnte. Mit einem allgemeinen Gesetzbuch
-wären dagegen Theorie und Praxis in die unmittelbarste Verbindung
-gebracht, und die gelehrten academischen Juristen würden unter den
-Practikern ein Wort mitreden dürfen, während sie jetzt überall mit
-ihrem gemeinen Recht in der Luft hängen.
-
-Aber auch noch von einer andern Seite würde ein solches einfaches
-National-Gesetzbuch dazu beytragen, daß der, so wichtige practische
-Sinn unsrer Lernenden mehr geschärft werden könnte. Jetzt erschöpft
-sich alles im Auswendiglernen zahlloser verwirrter Gesetze,
-Definitionen, Distinctionen, und historischer Notizen. Für
-Wohlredenheit, für Gewandtheit im Angreifen und Vertheidigen, für
-Ausbildung des Talents, einer Rechtssache gleich vom Anfange an den
-besten Wurf zu geben, für die Kunst, Geschäfte vorsichtig einzurichten,
-für dialektische Schärfe und Schnellkraft, -- für das alles geschieht
-mehrentheils nichts, und kann bey der gelehrten Ueberfüllung
-nichts[[30]] Genügendes geschehen. So werden daher unsre Entlassenen in
-die Welt hinaus gestoßen, um selbst durch Fallen das Gehen zu lernen;
-und so muß man noch dem Himmel danken, wenn nur nachher in einer
-langen Reihe von Jahren die Hälfte desjenigen, was ein geschickter
-academischer Unterricht in kurzer Zeit leicht mittheilen könnte,
-mühselig errungen wird. Wodurch sind auch die classischen Juristen
-der Römer so groß geworden? Nicht durch endlose Ableitung dunkler
-Rechtssätze aus Griechischen und Römischen Alterthümern; sondern
-dadurch, daß einfache vaterländische Gesetze die Grundlage ihrer
-Auslegungen waren, und daß so ungehindert für volle Gewandtheit des
-Geistes alles Mögliche geschehen konnte. Auf jeder der Rechtsschulen zu
-Rom, Berytus und Constantinopel gab es nur zwey ordentliche Professoren
-des Rechts, aber eine Menge von Griechischen und Römischen Rhetoren und
-Grammatikern; und wenn damals Staatswissenschaften und Naturrecht schon
-so durchgearbeitet gewesen wären, wie jetzt, so würden wir gewiß, Statt
-Eines Professors der Philosophie, weit mehrere den Juristen beygegeben
-finden.(6)
-
-[[31]] Mehr als Alles ist es aber in Beziehung auf die
-wissenschaftliche Bildung, daß mit der Einführung eines neuen weisen
-National-Gesetzbuchs der academische Rechtsunterricht in allen Theilen
-geistvoll werden kann. Jetzt ist nur zu vieles todt und abschreckend.
-Die schlechte Beschaffenheit unsrer bisherigen Gesetze hat die Folge
-gehabt, daß Niemand im gemeinen Leben den gangbaren Rechtszustand
-mit Gefallen betrachten, und sich dabey verweilen mag. Man läßt das
-krause Unwesen fortlaufen, wie es Gott gefällt, und bekümmert sich
-nicht darum. So betreten denn unsre Anfänger die Academien, ohne je
-über Gegenstände ihres Fachs auch nur entfernt nachgedacht zu haben,
-und die Lehrer des Rechts sind nie so glücklich, wie die Lehrer der
-Theologie und Medizin, daß sie ihre Vorträge an eine warme natürliche
-Vorstellungsart, und lebhafte gemeine Begriffe anknüpfen können. Unsre
-Naturrechte sind nicht dazu geschaffen, den civilistischen Verstand
-aufzuschließen und groß zu bereichern; und wären sie auch ganz, was sie
-seyn sollten, so würden sie doch das Interesse für das Positive nicht
-heben. Denn dieß schwarze, unübersehbare Allerley läßt sich[[32]] nur
-in einzelnen kleinen Theilen aufhellen, und mit der Philosophie in
-Eintracht bringen. Das Mehrste muß mit dem bloßen Gedächtniß aufgefaßt,
-und knechtisch angenommen werden, weil es nun einmal so ist; und
-daher führt hier die gespannteste Unverdrossenheit den Studierenden
-nie zu dem regen Eifer, und der innigen Anhänglichkeit an sein Fach,
-wodurch sich tüchtig gebildete Aerzte, Theologen und Physiker so
-oft auszeichnen. Wären wir dagegen so glücklich, ein gut gerathenes
-Gesetzbuch zu besitzen, welches wir mit gerechtem Stolz das Werk unsrer
-eignen Kraft nennen könnten, und dessen Segen sich in der Erfahrung
-klar erkennen ließe: so würde der Anfänger mit fruchtbaren Begriffen
-des gemeinen Lebens die Academie betreten, und die philosophischen und
-positiv-rechtlichen Vorträge würden, Statt sich einander zu zerstören,
-in steter wohlthätiger Wechselwirkung erhalten werden können.(7)
-
-Sehen wir nun ferner auf das Glück der Bürger, so kann es gar
-keinen Zweifel leiden, daß ein solches einfaches Gesetzbuch für
-ganz Deutschland die schönste Gabe des Himmels genannt zu werden
-verdiente. Schon die bloße Einheit wäre[[33]] unschätzbar. Wenn auch
-eine politische Trennung Statt finden muß und soll, so sind doch die
-Deutschen hoch dabey interessirt, daß ein brüderlicher gleicher Sinn
-sie ewig verbinde, und daß nie wieder eine fremde Macht den einen Theil
-Deutschlands gegen den andern mißbrauche. Gleiche Gesetze erzeugen
-aber gleiche Sitten und Gewohnheiten, und diese Gleichheit hat immer
-zauberischen Einfluß auf Völkerliebe und Völkertreue gehabt. Außerdem
-macht der bürgerliche Verkehr jene Einheit fast zu einer schreyenden
-Nothwendigkeit. Unsre Deutschen Länder können allein durch einen
-lebhaften, inneren, wechselseitigen Verkehr ihren Wohlstand erhalten,
-und von dem schneidenden Volks-Egoismus, den der Französische Code
-ausspricht, darf bey uns durchaus nichts gehört werden. Ist also
-keine Gleichheit des Rechts, so entsteht das fürchterliche Unwesen
-der Collision der Gesetze, wobey denn noch wieder der leidige Umstand
-eintritt, daß es, nach *Hert*, wenigstens hundert und drey und dreyßig
-Streitfragen über jene Collision gibt, die armen Unterthanen also bey
-ihrem Verkehr in solche ewige Stockungen gerathen, und in ein solches
-Labyrinth von Unsicherheit[[34]] und Schwanken verstrickt werden, daß
-ihr ärgster Feind sie nicht übler berathen könnte. Die Einheit des
-Rechts würde dagegen den Weg des Bürgers von dem einen Lande in das
-andre eben und sicher machen, und schlechte Anwälde würden nicht mehr
-Gelegenheit finden, bey dem Verkauf ihrer Rechtsgeheimnisse die armen
-Ausländer schändlich auszusaugen und zu mißhandeln.
-
-Betrachten wir nun aber noch das Recht in seinem innern Seyn und Wesen,
-so muß sich dem Unpartheyischen von selbst die Ueberzeugung aufdringen,
-daß ein weises, tief durchdachtes, einfaches und geistvolles Gesetzbuch
-grade dasjenige ist, was der Deutsche Bürger zu seiner Stärkung und
-Erhebung unentbehrlich bedarf, damit die politische Zersplitterung,
-und die mit derselben unzertrennlich verknüpften Kleinlichkeiten ein
-tüchtiges Gegengewicht erhalten; und daß in der Regel kein einzelner
-Regent im Stande seyn wird, ein solches Gesetzbuch durch seine Diener
-entwerfen zu lassen. Es ist wahr, wir haben in Deutschland viele
-treffliche, geübte, erfahrene Beamte; aber fast immer nur für das,
-was im weiteren Sinne *Verwaltung* zu nennen ist,[[35]] also für
-Anwendung bestehender Gesetze. Männer, welche der Gesetzgebung, und
-insbesondere der allgemeinen, abstracten Gesetzgebung gewachsen sind,
-gibt es sehr wenige, selbst im gelehrten Stande. Dieß darf auch nicht
-befremden, und ist kein Vorwurf, welcher irgend eine Bitterkeit mit
-sich führt. Denn eine gute Gesetzgebung ist das schwerste unter allen
-Geschäften. Es gehört dazu ein reiner, großer, männlicher, edler Sinn;
-eine unbedingte Festigkeit, damit man sich nicht durch falsches
-Erbarmen und kleinliche Nebenrücksichten überraschen lasse, und eine
-unendliche Umsicht und Mannigfaltigkeit der Kenntnisse. Wo solche
-Bedingungen gefordert werden, da darf ein Einzelner, da dürfen Wenige
-Einzelne sich nicht anmaßen, daß sie die Weisheit für alle Andern
-besitzen, sondern die Kräfte vieler der Ersten müssen vereinigt werden,
-damit durch eine große Wechselwirkung etwas Gediegenes und Geründetes
-vollbracht werde. Kein Deutsches Justiz-Ministerium wird, wenn es mit
-bescheidener Wahrhaftigkeit reden will, behaupten mögen, daß ihm die
-Fähigkeit beywohne, auch nur eine einzige der vielen Hauptlehren des
-bürgerlichen[[36]] Rechts so untadelhaft zu bearbeiten, daß das Werk
-kühn, nicht etwa den Advocaten und Richtern dieses Landes, sondern
-öffentlich den besseren Deutschen Rechtsgelehrten zur Prüfung vorgelegt
-werden dürfte. Auch der Geschickteste versuche, nur über Kleinigkeiten
-ein Gesetz zu entwerfen. Die Umfrage bey Andern, wie die spätere
-Erfahrung, wird immer seine Begriffe mannigfaltig berichtigen; und wer
-hier allein, oder nur mit wenigen Gehülfen wirkt, den wird sein Werk
-nach kurzer Zeit immer wieder zum Theil gereuen.
-
-Aber es muß noch hinzugesetzt werden: die Begriffe über Gesetzgebung
-sind bey vielen Deutschen Staatsbeamten allmählig, und besonders in
-der letzter Zeit der Auflösung und Umkehrung, vielfach im höchsten
-Grade schief und despotisch geworden; und dieses Uebel wird eher
-zu- als abnehmen, wenn die Particular-Gesetzgebungen, welche als solche
-von der öffentlichen Stimme wenig zu fürchten haben, auch fernerhin
-an den unglücklichen Bürgern leichtsinnig ihre Versuche im Dunkeln
-anstellen. Ich brauche nur das Beyspiel eines bedeutenden verstorbenen
-Staatsmannes[[37]] anzuführen, welcher unlängst in einem Deutschen
-Lande im Fach der Gesetzgebung kräftig wirkte. Er war ein Mann von
-festem Sinn, vieler Rechtlichkeit, großem Scharfblick, arbeitsam über
-alle Begriffe, und reich an Landeskenntnissen wie Wenige. In einem
-großen Collegio, als thätiger Gehülfe Vieler, aber auch nur auf seine
-Stimme beschränkt, würde er der Segen des Landes gewesen seyn. Allein
-er überhob sich seiner Kräfte, wollte für Viele und über Viele hinüber
-den rechten Verstand haben;(8) und da erfolgte denn ein Rechts-Jammer,
-worunter das ganze Land tief gebeugt ward. Ewige Neuerungen und
-Umwälzungen; reine Unwahrheiten in sogenannten authentischen
-Auslegungen; Erklärungen, welche als Muster der Dunkelheit gelten
-können; so wie, der ungehinderten Kühnheit wegen, eine Menge ganz
-verkehrter Ansichten und Grundsätze! Als von der Möglichkeit der
-Einführung des Code Napoleon die Rede war, stellte ich ihm einmal vor:
-er möge einen bekannten schändlichen Artikel über uneheliche Kinder
-nicht durchlassen; ferner den Art. 1649, wonach bey öffentlichen
-Auctionen die heimlichen Mängel[[38]] ungestraft mit in den Kauf gehen,
-als das Product eines groben Mißverstandes streichen; und endlich nicht
-mit dem Art. 1139 verordnen, daß bey der Verabredung einer bestimmten
-Zahlungszeit der Verzug doch nicht anders angenommen werden solle,
-als wenn namentlich ausgemacht sey, das Nichtzahlen solle als Verzug
-gelten, indem sich dieß ja von selbst verstehe, und der Bürger nie
-durch willkührliche, unnütze Formen geplagt werden dürfe. Allein die
-Antwort war: ~ad~ 1) Gottes Weltordnung sey auch unvollkommen; ~ad~ 2)
-das werde zu viel Ueberlauf in den Gerichten machen; und ~ad~ 3) wenn
-der Unterthan das neue Gesetzbuch gehörig einlerne, so wisse er ja,
-was er zu thun und zu lassen habe. Man denke sich einen Gesetzgeber
-nur mit diesen drey Grundsätzen: wir können ohne Noth zerstören, weil
-dieß auch Blitze und Erdbeben unter Gottes Augen thun; wir können den
-Betrogenen verderben lassen, wenn auf diese Art die Gerichte mehr Ruhe
-haben; und wir können dem Bürger muthwillig Lasten aufladen, weil er
-sie aus dem (mühseligen, und oft unmöglichen) Studio der Gesetze kennen
-lernen kann: man denke sich einen[[39]] Gesetzgeber nur mit diesen
-drey Grundsätzen thätig wirkend; welches Elend und Verderben an allen
-Enden! Und solchen Jammer haben wir neuerlich viel erdulden müssen,
-nicht durch den Willen unsrer guten Fürsten, welche außer Stande sind,
-die Verwickelungen der bürgerlichen Verhältnisse ganz zu durchschauen,
-sondern durch die Selbstsucht und die Halsstarrigkeit landesherrlicher
-Diener; und dieß in einer Zeit, wo man Gottes Engel vom Himmel hätte
-rufen mögen, um die Millionen Thränen zu trocknen, welche Noth und
-Elend, Schmach und Schande den rechtlichen Deutschen, vom Höchsten bis
-zum Niedrigsten, auspreßten!
-
-Und wer wagt es zu sagen: es gibt unter uns nur *wenige* Staatsmänner
-mit solchen verkehrten Grundsätzen, mit dieser Beschränktheit,
-Eigenwilligkeit, diesem unglücklichen, verzehrenden Dünkel? Ihre
-Zahl ist wahrlich nicht klein, und daneben gibt es noch so viele
-Unwissenheit, so viele muthwillige Verstocktheit in alten Vorurtheilen,
-so viele Lahmheit und Schlaffheit, daß es ein seltenes Glück seyn wird,
-wenn ein Deutscher Fürst sich sagen darf: ich kann mich für das[[40]]
-große Fach der Gesetzgebung meinen Räthen sicher anvertrauen; und dieß
-um so mehr, da bey der Vereinigung der Diener eines einzigen Herrn gar
-zu leicht das Ansehn des Einen die übrigen zur Nachgiebigkeit verführt,
-und so in der Regel an keine volle Freyheit der Stimmen zu denken ist.
-Diese Freyheit, und eine durchdringende Allseitigkeit der Ueberlegung
-wird erst durch die Vereinigung Vieler aus allen Ländern erwirkt werden
-können; und dann mag auch ein verkehrter Kopf, oder ein sittlich
-Verdorbener mit unter laufen. Denn das ist grade der himmlische
-Segen großer collegialischer Verhandlungen: die Schaam, diese große
-Schutzwehr menschlicher Freyheit, wodurch auch der Hebel der Publicität
-so allmächtig wirkt, bändigt hier immer die Schlechtigkeit des
-Einzelnen. Alle werden durch die Kräfte Aller unglaublich ermuntert und
-gehoben; und durch ein geduldiges Erwägen aller Bedenken und Einwürfe
-schleifen sich am Ende die sämmtlichen Ecken so glatt herunter, daß das
-vollendete Werk in der Regel und im Ganzen (und auf mehr als dieses:
-im Ganzen darf man nie Anspruch machen!) den Beyfall jedes einzelnen
-Stimmenden haben wird.(9)
-
-[[41]] Uebrigens bedarf es kaum einer Erinnerung, daß ein solches
-Gesetzbuch, wie es durch gemeinsames Wirken entstand, auch nur durch
-eben ein solches nachher erforderlichen Falls gebessert werden
-darf. Denn ohne dieß würde natürlich die beabsichtigte Einheit nur
-kurze Zeit bestehen, und der böse Wille würde sich überall durch
-schnelles Niederreißen zu rächen suchen. Die Sache müßte also wie
-ein Völkervertrag unter feyerlicher Garantie der auswärtigen großen
-alliirten Mächte behandelt werden. Man braucht auch nicht zu fürchten,
-daß die künftige Bewirkung nothwendiger Aenderungen eben so viele
-Weitläuftigkeiten veranlassen werde, als die jetzige Abfassung des
-Gesetzbuchs. Denn die Haupttheile des Gesetzbuchs werden in der Regel
-unangetastet bleiben, und die nöthigen Aenderungen im Zweifel immer aus
-der Praxis, oder wissenschaftlichen Arbeiten so klar hervorgehen, daß
-darüber nicht viel zu rechten seyn kann.(10)
-
-Inzwischen ist mit Sicherheit darauf zu zählen, daß die bisher
-entwickelten Gedanken da und dort großen Widerspruch finden werden.
-Ich muß mich daher auf die möglichen Haupteinwürfe etwas[[42]] näher
-einlassen,(11) wobey ich jedoch die schwierigen Seelen sich selbst
-überlassen muß, welche gegen alles bloß deswegen zu warnen pflegen,
-weil es Diesem oder Jenem mißfallen könnte. Denn dieses theilweise
-Mißfallen ist nun einmal bey jedem Dinge unabwendlich, und würde nicht
-zu vermeiden seyn, auch wenn ein Engel alles eingerichtet hätte.
-Auf die Mehrzahl, und auf den besseren, gediegenen Theil der Nation
-kommt es hier also an; und dieser wird gewiß nicht dadurch im Guten
-wankend gemacht werden, weil nicht alles gleich idealisch werden,
-oder nicht unbedingt einem Jeden gefallen will. Es geht hier, wie
-mit den Beschlüssen der Majorität eines Collegii. In der Regel wird
-dadurch gewiß das Bessere getroffen; und daher ist der Ueberstimmte ein
-Verräther an der guten Sache, und wird dafür gehalten, wenn er sich
-nicht fügen will, oder hinterrückisch durch heimliche Verbindungen
-zu hintertreiben sucht, was er auf dem graden Wege der Rechtlichkeit
-anzugreifen hat, oder auf sich beruhen lassen soll.
-
-Jene Haupteinwendungen nun möchte ich in heimliche und öffentliche
-eintheilen. Unter den letzten verstehe ich die, welche man als
-rechtlicher[[43]] Mann ohne Erröthen vor aller Welt aussprechen darf;
-unter den ersten aber diejenigen, deren man sich vielleicht hin und
-wieder im Finstern bedienen möchte, um die Fürsten zu täuschen, und von
-der Wahrheit abzulenken, welche aber, laut ausgesprochen, den Warnenden
-der allgemeinen Verachtung aller Rechtlichen preiß geben.
-
-Die heimlichen Einwendungen sind nun: ein solches Gesetzbuch lähme die
-Macht, und hemme die Freyheit des einzelnen Landesfürsten; man müsse
-sich jetzt in diesen schweren Zeiten aller Neuerungen enthalten; jede
-Umwälzung der Rechtsverfassung rege das wilde Gemüth des Volks auf,
-könne leicht Aufstand veranlassen, und am Ende Deutschland in eben den
-Strudel hineinziehen, woraus sich Frankreich in diesem Augenblick kaum
-gerettet habe.
-
-Mit dem ersten Bedenken ist nun wohl ganz leicht fertig zu werden.
-Denn edeln Deutschen Fürsten ist es nie darauf angekommen, daß die
-Unterthanen von Woche zu Woche so recht weidlich herumregiert werden,
-und immer Sporn und Zügel des schlechten Reiters fühlen; sondern daß
-sie sich unter weisen, festen Gesetzen der verdienten[[44]] Ruhe
-erfreuen, und wo möglich ungehindert und ungeschüttelt ihr Wesen
-treu, ehrlich, und altherkömmlich für sich treiben. So werden denn
-edle Fürsten dem Schöpfer danken, wenn ihrem Lande ein bürgerliches
-Gesetzbuch zu Theil werden kann, welches daurende Ruhe und Sicherheit,
-und gute Verhältnisse zu den Nachbarn verspricht. Auch bleibt ja für
-die Regiersucht, wenn dieß Ungethüm wohl gepflegt fortleben soll, noch
-genug Thätigkeit übrig, theils in Beziehung auf die ganze Verwaltung,
-theils insofern nach den obigen Vorschlägen den Landesregenten, und
-etwa mitregierenden Ständen, die ganze Gesetzgebung im Fach der
-Finanzen, der Oekonomie, und der allgemeinen und besonderen Polizey
-ungekränkt verbleibt. Und wäre es auch eine Art von Herabsetzung,
-daß der Regent nach jenem Plan nicht grade alles kann, was ihm seine
-Willkühr eingibt, so läßt sich diese Herabsetzung für gute Fürsten gar
-nicht abwenden, und sie selbst werden dieselbe herbeywünschen. Denn der
-rechtliche Fürst beugt sich gern unter die Gesetze der Zweckmäßigkeit,
-und würde sich für den Glücklichsten halten, wenn in keinem Zweige
-der Verwaltung etwas mehr zu[[45]] ändern übrig wäre. Der kleinlichen
-Räthe, welche sich gar zu gern hervorthun, und ihre beschränkten
-Ansichten recht oft ~in anima vili~ (an den Unterthanen) probiren
-möchten, wird es zwar immer genug geben; aber gegen sie kann das Volk
-den Fürsten selbst, wenn er seine wahre Hoheit erkennt, getrost zu
-Hülfe rufen.
-
-Die übrigen Einwendungen sind bedenklicher, weil sie tückisch sind, und
-in diesen Zeiten überstandener, und doch zum Theil wieder drohender
-wilder Stürme ein erschrecktes, unerfahrnes Gemüth leicht ergreifen
-könnten, auch der Verläumder fast immer darauf rechnen kann, daß
-dieß und jenes hängen bleibt. Tückisch sind aber jene Einwendungen
-mit Rücksicht auf Deutschland im höchsten Grade. Kein Volk der Erde
-gibt es, welches so geneigt ist, seiner althergebrachten Verfassung
-willfährig anzuhängen, und seinen Fürsten getreu zu bleiben, als das
-biedere Volk der Deutschen. Ein Deutscher Fürst braucht, man möchte
-sagen, nur halb seine Pflicht zu thun, nur von Zeit zu Zeit dem
-Volk redlich seine Theilnahme zu beweisen, nur im Ganzen Recht und
-Gerechtigkeit gut zu handhaben, um der allgemeinen Liebe[[46]] und
-Anhänglichkeit gewiß zu seyn. Der erhabene Fürst, dessen frisches
-Grab Badens Einwohner als die Ruhestätte eines Heiligen verehren,
-und dessen Andenken nie unter ihnen erlöschen wird, stand ruhig und
-unbesorgt, von den wildesten Volksstürmen umgeben, als angebeteter
-Freund unter seinen Unterthanen; und es hätte nicht einmal seiner
-unübertrefflichen, weisen Regierung bedurft, um auf die Treue des
-Volks bauen zu können. Der Deutsche weiß zu gut, was er von jeher
-seinen Fürsten zu danken hatte, und kennt die Gründe, warum er ihnen
-ferner vertrauen, und sie in Ehren halten soll. Unsre Fürsten werden
-im freundlichen Wohlstande gebohren und erzogen; keine der Reibungen
-verfinstert ihr Gemüth, wodurch der Unterthan, und besonders der
-Staatsdiener, im Gedränge des mühvollen Lebens so tausendfältig
-ergriffen, abgestumpft, verbittert, und in seinen Grundsätzen
-wankend gemacht wird. Jeder von ihnen kann sich durch die erhebende
-Rückerinnerung an die Thaten großer Ahnherrn im Guten bestärken,
-und überall aus der Geschichte seines eignen Landes lernen, welchen
-Segen ein guter Fürst durch Mäßigkeit, Kraft, Klugheit[[47]] und
-Gerechtigkeit über sein Volk verbreitet. Daher ist denn auch bey uns
-das Volk tief von dem lebendigen Glauben durchdrungen, daß wahrer
-Adel, Lauterkeit der Denkart, und das, was Vornehmheit im edleren
-Sinne genannt zu werden verdient, also Wohlwollen gegen Jedermann,
-Verachtung alles Kleinlichen, Unbestechlichkeit und Parteylosigkeit das
-Gemüth seiner Fürsten über alle Gemeinheit hinweghebe; und daher hat
-das Volk immer mit freudigem Herzen Gut und Blut geopfert, um die Ehre
-seiner Fürsten zu behaupten, und Schaden von ihnen abzuwenden.(12) Und
-wo geschah dieß mehr, als grade in diesem Augenblick heldenmüthiger
-Volksanstrengung, und allgemeiner Ergebung? Es gehört mehr als Bosheit
-dazu, wenn man selbst noch in solchen Zeiten den Fürsten von seinem
-Volke abwendig zu machen, ihn mit Mißtrauen und Besorgniß zu erfüllen
-sucht. Aber grade dieß haben wir jetzt am mehrsten zu fürchten. Denn
--- es muß laut gesagt werden! -- die Verdorbenheit und Kleinlichkeit
-eines Theils der Staatsdiener mancher Länder nimmt immer mehr überhand.
-Nur zu gern möchte das lose Gesindel die zeitlichen Segnungen[[48]]
-des Regierens an sich reißen, die Kraft des Fürsten lähmen, und so
-wie der Sturmwind im Lande umherfahren; unbewacht an allen Enden
-herrschen und quälen, und eigner Gemeinheit, Eitelkeit, und Habsucht
-alle Zügel schießen lassen. Da muß denn die reine Seele des Fürsten
-durch Mißtrauen vergiftet werden; da muß man alles aufbieten, daß
-schlechte Umgebungen die Einwirkung der Edeln des Volks unmöglich
-machen; und es muß künstlich darauf angelegt werden, daß sich der Herr
-des Landes in Prunk und Tand, in Sinnlichkeit und Trägheit ersäufe,
-damit nun andre im Stillen das Ruder des Staats ergreifen, und mit
-ihrer Sippschaft von oben nach unten das Land durchfegen können, wie
-es ihnen gefällt. Das ist es, was unsre Fürsten zu fürchten haben,
-und mehr als je! Denn nicht so viel ist es zu beklagen, daß jüngst
-ein eisernes Geschick uns Freunde, Väter und Kinder raubte, und die
-Blüthe unsres Wohlstandes zerstörte, als vielmehr, daß uns bis auf
-das Mark ein verzehrendes Gift eingeflößt ward, welches alles zu
-vernichten drohet, wenn nicht kräftige Gegenmittel schnell angewandt
-werden. Nicht haben sie es verstanden, die Schlechten[[49]] und Eiteln,
-dem unbändigen Weltzerstörer seine guten Eigenschaften abzulernen,
-seine Thatkraft, seine Besonnenheit, und seinen Ernst; aber das
-gelang ihnen meisterhaft, durch die Betrachtung seiner Fehler, und
-unverständige Nachahmungssucht, alles Verderbliche und Ehrlose in sich
-aufzuregen, und zu befestigen. Daher diese herbe Menschenverachtung;
-dieses pöbelhafte Reiben an den gebeugten höheren Ständen; diese
-frostige, rücksichtlose Behandlung des(13) Unterthanen; diese Hudeleyen
-verdienter Beamten; diese Schonung und Emporhebung der Schlechten, als
-brauchbarer Werkzeuge zu beliebigen Zwecken; diese wechselseitige
-Gönnerschaft unter allen denen, welche auf den möglichen Fall durch
-ihre Bosheit einander möchten schaden können; und vor allen Dingen
-dieses heillose Bestreben, alle Regierungsmaßregeln des Schrecklichen
-nachzuahmen, welche nur insofern zu rechtfertigen waren, als ein Mensch
-ohne sittliche Haltung, ohne wahre Größe, und ohne ererbten Namen das
-Wagstück zu bestehen suchte, eine eitle, untreue, verwilderte Nation
-zu bändigen, und zum sklavischen Werkzeuge seiner[[50]] tobenden Laune
-zu machen. Unter diesen Menschen, und unter ihnen allein,(14) haben
-unsre Fürsten ihre Feinde zu suchen. Nur daher jener vielfach nicht
-zu verkennende Mißmuth, und jene Freudenlosigkeit vieler im Volke,
-genährt durch die beklemmende Nebenbetrachtung, daß die Schamlosen,
-welche bisher bey uns dem fremden Unwesen laut huldigten, sich nun
-heuchlerisch in Unschuld waschen, ihr Brandmal verdeckend überall
-wieder einschleichen, und dann den Treuen und Rechtlichen durch schnöde
-Zurücksetzung und Mißhandlung den irdischen Lohn der Tugend reichlich
-zutheilen werden. Aber Gottes Allmacht wird es geben, daß unsre Fürsten
-bald ganz die Netze gewahren, welche man ihnen zu legen sucht. Auf die
-Biederkeit des Volks können sie dann, wie auf einen Felsen, bauen, und
-jede weise Neuerung wird nur noch dazu beytragen, die Unterthanen in
-den Gesinnungen der Treue und inniger Fürstenliebe zu befestigen.
-
-Unter den Einwendungen, welche sich von rechtlichen Männern erwarten
-lassen, möchte vielleicht[[51]] die scheinbarste diese seyn: das Recht
-müsse sich nach dem besondern Geist des Volks, nach Zeit, Ort und
-Umständen richten, und insofern führe ein allgemeines bürgerliches
-Gesetzbuch für alle Deutschen zu einem verderblichen, unnatürlichen
-Zwange. Für diese Einwendung lassen sich freylich viele Gewährsmänner
-nennen. Wie oft haben wir nicht seit *Montesquieu* davon reden
-gehört, daß das Recht klüglich nach den Umständen, nach dem Boden,
-dem Clima, dem Character der Nation, so wie nach tausend andern
-Dingen zu modificiren sey? Ist man ja sogar mit diesen vorsichtigen
-Berücksichtigungen wohl dahin gekommen, am Ende alles Denkbare für
-so eben recht, oder nicht eben für Unrecht zu erklären, weil es
-sich finden will, daß auch das Tolleste da und dort seine Anhänger
-hatte. Allein, -- man verzeihe mir die Stärke des Ausdrucks! -- ich
-kann in solchen Ansichten fast nur Verkehrtheit, und Mangel tiefer
-rechtlicher Gefühle entdecken. Das Mehrste dabey ist nichts, als
-reine Vermengung gewöhnlicher Folgen einer Erscheinung mit dem, was
-nach[[52]] der Vernunft seyn kann, und seyn sollte. Folgt der Mensch
-seinen Launen, seiner Beschränktheit, und jedem ersten leisen Anstoß,
-wie es gewöhnlich ist, und erwachsen daraus am Ende Grundsätze und
-Einrichtungen, so erklärt sich der Erfolg zwar recht leicht; aber
-damit ist er nicht gerechtfertigt. Die vier Haupt-Temperamente, welche
-man nach unsern Seelenlehren unterscheiden soll, führen, ungeleitet
-und ungehemmt, auch zu ganz verschiedenen Handlungsweisen; aber
-keine Sittenlehre wird sich dadurch in der ehrwürdigen Einfalt ihrer
-Vorschriften stören lassen. Wenn auch dem Cholerischen die Vermeidung
-des Zorns schwerer wird, als dem Phlegmatiker, so muß er doch seinen
-Kopf brechen lernen, und der Phlegmatiker alle Kräfte aufbieten, um
-die muntre Thätigkeit des Sanguinikers nachzuahmen. So soll auch das
-äußere Recht darauf angelegt seyn, die Menschen zu vereinigen, und
-sie nicht in ihren schlaffen Angewohnheiten zu befestigen, oder ihren
-Schlechtigkeiten zu schmeicheln, sondern sie zur vollen Besonnenheit
-zu bringen, und aus dem Pfuhl elender Selbstischkeit[[53]] und
-Kleinlichkeit herauszureißen. Wenn daher auch in einer despotischen
-Verfassung die Diener ebenfalls geneigt werden, den Unterthanen zu
-mißhandeln, und deswegen bey einer solchen Verfassung selbst der
-bürgerliche Proceß leicht in das Willkührliche geht; wenn kleinliche
-Menschen gekräuselte Gesetze lieben, und die sittenlosen Männer einer
-benachbarten Nation sich nicht anders beglückt fühlen, als wenn sie
-einen gesetzlichen Freybrief zur Unzucht haben: so kann das ernste
-Recht nur darüber trauren, daß es Hindernisse findet; aber es muß,
-der Vernunft wegen, durchgreifen, und wird sich nicht in seinen
-nothwendigen Einrichtungen stören lassen. Zwar können besondere
-Umstände besondere Gesetze erheischen, wie es namentlich in Betreff
-der ökonomischen, und der Polizey-Gesetze oft der Fall ist. Allein die
-bürgerlichen Gesetze, im Ganzen nur auf das menschliche Herz, auf
-Verstand und Vernunft gegründet, werden sehr selten in der Lage seyn,
-daß sie sich nach den Umständen beugen müssen; und wenn auch da und
-dort kleine Unbequemlichkeiten aus der Einheit entstehen sollten,[[54]]
-so wiegen die zahllosen Vortheile dieser Einheit alle jene Beschwerden
-überreichlich wieder auf. Man überdenke nur die einzelnen Theile des
-bürgerlichen Rechts! Viele derselben sind so zu sagen nur eine Art
-reiner juristischer Mathematik, worauf keine Localität irgend einen
-entscheidenden Einfluß haben kann, wie die Lehre vom Eigenthum, dem
-Erbrecht, den Hypotheken, den Verträgen, und was zum allgemeinen Theil
-der Rechtswissenschaft gehört. Und selbst in den Lehren, worauf schon
-mehr die menschliche Individualität einzuwirken scheint, wird man in
-der Regel immer finden, daß Eine Ansicht die bessere ist, sofern man
-nicht in kahlen formellen Demonstrationen, sondern, wie es seyn soll,
-in einer weisen Abwägung aller Gründe des Zweckmäßigen und Zuträglichen
-die gesetzgebende Thätigkeit zu erhalten sucht. So kann z. B. über die
-Grenzen der Ehescheidungen und der väterlichen Gewalt viel hin und her
-gestritten werden; aber Niemand wird doch am Ende behaupten mögen, daß
-es darüber verschiedene Systeme geben müsse, wenn auch Dieser und Jener
-hier in Zweifeln hängen bleiben, und es[[55]] nicht wagen mag, sich
-grade unbedingt und um jeden Preis für die Eine Ansicht zu erklären.
-Mit einem, bloß die Deutschen betreffenden Gesetzbuch hat es in dieser
-Hinsicht ohnehin wenig Noth. Denn wenn auch politische Interessen
-gewisse Scheidungen hervorgebracht haben, so ist doch der Stamm
-überall derselbe; überall der gleiche treue Sinn; überall unter den
-Besseren gleicher Abscheu gegen Verzerrung, Ziererey und Falschheit;
-und die kräftigen, freundlichen Nord-Deutschen werden gewiß stets die
-brüderliche Liebe zu rühmen wissen, womit sie überall das tüchtige,
-heitere Volk der Süd-Deutschen in den letzten Zeiten an seinem Heerde
-empfangen hat.
-
-Es muß aber die Sache noch weiter getrieben werden. Die belobten
-Rechtsverschiedenheiten, worauf die Bedenklichen so vieles Gewicht
-legen, sind nicht einmal Folgen natürlicher Anlagen und örtlicher
-Verhältnisse, sondern die Folgen unkluger Abgeschiedenheit und
-unüberlegter Willkühr, wenigstens in unzähligen Fällen. Wie man den
-Schritt in Deutschland etwas zu weit macht, so[[56]] steht man auf
-anderem Rechtsboden; das ist wahr, und schon von *Voltaire* bemerkt.
-Allein wo liegt der Grund? Doch wohl nicht darin, daß auf dieser Seite
-eines Bachs die Sonne ganz anders scheint, als auf der andern; sondern
-darin, daß kein Gesetzverfasser mit dem Nachbarn zu Rath gesessen, und
-Jeder fein sittlich und bürgerlich seine eigne Wirthschaft für sich im
-Stillen getrieben hat. Damit haben wir denn ein endloses Rechtsgewirr
-bekommen, wie uns auch eben daher der Segen hundert verschiedener
-Ellen und Wagengleise zu Theil geworden ist. So ist z. B. die Lehre
-von der Intestaterbfolge die einfachste von der Welt, im Ganzen von
-keinen Oertlichkeiten abhängig, sondern von dem einfachen Gedanken,
-daß der Gesetzgeber an der Stelle des Verstorbenen so theilen soll,
-wie dieser theilen durfte, und wahrscheinlich selbst würde getheilt
-haben. Und dennoch haben wir darüber in unserm Vaterlande wenigstens
-tausend verschiedene Local-Rechte. Bloß in den Herzogthümern Schleswig
-und Holstein gibt es in dieser Hinsicht so viele abweichende Statute
-und Gewohnheiten, daß in Kiel ein eignes bedeutendes[[57]] Collegium
-darüber gelesen werden muß, während das Oesterreichische Gesetzbuch mit
-seiner schönen Gediegenheit und Einfalt die ganze Sache für ein weites
-Reich mit wenig klaren Artikeln ins Reine gebracht hat. Jeder Tag giebt
-davon neue Beweise. Ueber die zweckmäßige Einrichtung eines Leihhauses
-vereinigten sich die verständigen Männer der Nation wohl sehr leicht
-Eines Beschlusses; aber man hat neuerlich auch darüber die wohlweisen
-Stadträthe nur so in Gottes Namen für sich handeln lassen, und damit
-sind denn gleich mehr als tausend, vielfach sehr schlechte Variationen
-über dasselbe Thema erfolgt.
-
-Freylich wird es nicht abzuwenden seyn, daß in den einzelnen Ländern
-da und dort eine Besonderheit als solche beyzubehalten ist, z. B. in
-Ansehung der Bauergüter, gewisser Grunddienstbarkeiten, u. dgl.; allein
-daraus folgt nichts, als daß man sie beybehalten mag, keineswegs aber,
-daß das große Werk dadurch in seinem Lauf gehemmt werden muß. Solche
-Dinge lassen sich gar leicht ausscheiden, wenn man nur ehrlich und
-männlich[[58]] zu Werke geht, und nicht, wie auf den alten hochseligen
-Reichstagen, durch ewige Häckeleyen und engherzige Zweifelsucht alles
-muthwillig zu trüben und zu verwirren bemüht ist.
-
-Ein zweyter, von vielen Seiten zu erwartender Haupteinwand wird die
-Heiligkeit des Herkömmlichen zur Grundlage nehmen. Man muß möglichst
-alle Umwälzungen vermeiden; das Bestehende ehren, weil es dem Bürger
-geläufig, und in sofern werth geworden ist; und selbst die anerkannten
-Vorurtheile des Bürgers schonen, weil es einmal außer der menschlichen
-Macht liegt, sie ganz zu überwältigen! So wird es von vielen Seiten
-her lauten, und ich bin auch gar nicht gemeynt, im Allgemeinen solche
-Ansichten zu bestreiten; aber ich behaupte, daß sie dermalen wenig
-oder gar nicht passen, und daß sich unter jene patriarchalische
-Rechtsweisheit mehrentheils viel Unlauteres und Unverständiges zu
-verstecken pflegt.
-
-Leichtsinnige Aenderungen sind immer verderblich, und der Character des
-Volks gewinnt an Kraft und Gediegenheit über die Maaße, wenn[[59]] die
-Nachkommen fest und ehrbar auf eben dem Wege einhergehen, worauf ihre
-Ahnen Glück und Zufriedenheit fanden. Das ist wahr, und verdiente recht
-oft wiederholt zu werden, wenn nicht in den neueren Zeiten schon ohne
-alle wissenschaftlichen Ermahnungen so viele blutige Thränen darüber
-geflossen wären, daß Niemand heute wußte, wem er morgen angehören,
-und was ihm der Wirbelwind der Gesetzmachereyen am folgenden Tage
-lassen, oder rauben werde. Allein grade jene Unwandelbarkeit, jene
-segenvolle Stimmung des Volks zur Ehrfurcht gegen das Alterthum, kann
-erst durch ein allgemeines Gesetzbuch erreicht werden, welches aus
-der ganzen Nationalkraft hervorging, und ein Ehrenwerk genannt zu
-werden verdient. Läßt man uns dagegen jetzt bey dem bisherigen Recht,
-so bleibt uns das Schlechte, Unnatürliche, unsrer Eigenthümlichkeit
-vielfach Widerstreitende; und die Flickereyen von Jahr zu Jahr werden
-kein Ende nehmen. Gebt uns also ein solches gediegenes Ehrenwerk, und
-vor Allem in dieser Zeit, wo die Gemüther für das Große mehr wie je
-aufgeregt[[60]] sind; wo jeder rechtliche Bürger die Neigung hat, treu
-zu dulden und zu handeln, um doch wenigstens den Nachkommen ein gutes
-Erbe zu hinterlassen. Ein solches Werk, in solcher Zeit geschaffen,
-wird unsern Kindern und Kindeskindern ein Heiligthum werden, und so,
-aber auch nur so allein, wird es endlich gelingen, unserm Volke die
-Stetigkeit und feste Haltung zu geben, welche ihm in jeder Hinsicht so
-sehr anpaßt.
-
-Man thue aber bey dem Verehren des Herkömmlichen der Sache nicht
-zu viel! Die wuchernden Ortsgebräuche und Gewohnheiten sind nur zu
-oft bloße Rechtsfaulheit, wobey es eines leisen Anstoßes bedarf,
-damit der Schritt zu einem andern Ziel gelenkt werde, und wobey
-der bessernde Gesetzgeber auf eben den Dank rechnen kann, der dem
-Wundarzt zu Theil wird, wenn er den Furchtsamen nach langem Sträuben
-durch einen leichten Schnitt von fressenden Qualen befreyte. Das
-~sapere aude!~ gilt auch hier, und vielleicht mehr, als irgendwo. Der
-gewöhnliche[[61]] Unterthan kann das Rechtsgewirr, dessen Gründe,
-Vortheile und Nachtheile, nicht übersehen, oder mag sich zu dem
-Ende nicht anstrengen. Er sucht daher in allen bedeutenden Fällen
-die Hülfe eines Rechtsfreundes; und ein solcher muß es ja wohl so
-recht eigentlich verstehen! Diesem wird dann blindlings gefolgt, wie
-sauer es auch dem Berathenen ankommen mag; und in der Art schleppt
-man sich von einem Tage zum andern. Was aber so wohl recht passen,
-und den Bedürfnissen des Einzelnen am besten zusagen möchte, darauf
-sieht die vorsehende Praxis nicht gern, sondern mehr auf schnelle
-Abfertigung des Rathbedürftigen, und auf ein einfaches Formular für
-Jedermann, damit der Rathende ja nicht genöthigt werde, viel von
-seinen Verstandeskräften abzureiben, und nahrhafte Kunden über der
-Vielheit fahren zu lassen. Man kann in dieser Hinsicht Cicero's
-Spöttereyen in der Rede ~pro Murena~ als lautere Wahrheiten(15) gelten
-lassen. Noch kürzlich ist mir ein Fall der Art vorgekommen, daß über
-zweyhundert Ehepaare in Betreff ihrer, vertragsmäßig zu bestimmenden
-Güterrechte[[62]] eintönig nach demselben Formular bedient wurden. Zwar
-wollte es da und dort nicht recht einleuchten, daß z. B. eine reiche,
-feine Frau mit einem rohen Verschwender in die engste Gütergemeinschaft
-gebracht wurde; aber der bedachtsame Rechtshelfer hatte nun einmal
-von nichts Anderm wissen wollen, und so mußte es ja doch wohl das
-Beste seyn. So ging jedes Paar mit seinem, anständig eingelösten Bogen
-davon, und konnte sich am Ende doch wenigstens damit trösten, daß alles
-Getränk eine besondere Güte hat, wenn man recht etwas Ordentliches
-dafür bezahlen mußte.
-
-Freylich wird es nun auch wohl hier oder dort der Fall seyn, daß
-einzelnen Gewohnheitssündern das herkömmliche Schlechte gar zu lieb
-und bequem geworden ist, besonders insofern bedenkliche Rechtskenner
-vom alten Schlage ihnen mit weisem Rath zur Seite stehen. Allein
-darauf muß man nun einmal in unserm lieben Vaterlande rechnen, daß
-einzelne Originale solcher Art niemals aussterben. Das Uebel hebt
-sich[[63]] indeß leicht, wenn man den Ton des Amtmanns in Gellerts
-Fabeln zu treffen weiß. Und dazu hat man jetzt ein doppeltes Recht.
-Als man,(16) den Degen halb gezogen, die Deutschen liebreich
-ermahnte, den Französischen Code anzunehmen, da wußten sich die
-altdeutschen, ehrwürdigen, heilsamen Einrichtungen nicht schnell genug
-zurückzuziehen, als ob sie nie da gewesen wären, und von Widerbellern
-ward wenig gehört. Die Stimme einheimischer Vernunft kann also
-jetzt wenigstens so viel Achtung und Folgsamkeit verlangen, als die
-fremde Unverschämtheit, und es würde unserm Volke zur ewigen Schande
-gereichen, wenn der verständige, wohlwollende Vaterlandsfreund nicht
-durchsetzen könnte, was dem, bloß listigen, tückischen Ausländer ohne
-große Mühe gelang.(17)
-
-Noch könnte man vielleicht ferner einwenden: die Abfassung eines
-solchen Gesetzbuchs über Privat-, Criminal- und Proceß-Recht durch eine
-so große Versammlung, wozu jedes Land wenigstens einige Mitglieder
-zu ernennen habe, müsse[[64]] höchst langwierig und kostbar werden.
-Allein nur die Kleingeistigkeit kann einen solchen Einwand machen. Die
-Summe der Kraft, welche auf ein solches Werk zu verwenden ist, beträgt
-nicht ein Tausendtheil dessen, was man zusetzen muß, wenn ferner in
-jedem Lande, wie bisher, ein neues Gesetz das andre verdrängt, und
-damit sogar noch die bloße Rechtsanwendung grenzenlos schwierig und
-kostbar gemacht wird. Auch läßt sich darauf rechnen, daß die Vollendung
-des Werks in zwey, drey, vier Jahren geschehen kann, da wir in dem
-Preussischen und Oesterreichischen Gesetzbuch, dem Französischen
-Code, und in dem, was neuerlich in Sachsen und Bayern vollbracht ist,
-so höchst lehrreiche Vorarbeiten haben, daß Vieles schon jetzt als
-abgethan angesehen werden kann. Die Kosten sind aber wohl nicht des
-Nennens werth, und werden für jedes Land schwerlich mehr betragen, als
-der Unterhalt einiger berühmten Schauspieler und Schauspielerinnen.
-Sollte indeß irgend ein Oberrechner darauf beharren, daß seine Casse
-zu solchen Zwecken nichts hergeben könne, so werden die Richter[[65]]
-und Anwälde des Landes, wenn sie ihren wahren Vortheil verstehen,
-gern bereit seyn, die kleine Ausgabe aus dem Ihrigen zu bestreiten.
-Denn wie unendlich war der geschickte practische Jurist bisher
-dadurch beschränkt, daß er mit seinem Wissen in andern Ländern nichts
-anfangen konnte, und daher oft lebenslänglich gebückt und gedrückt
-auf der Erdscholle stehen bleiben mußte, wo ihn das Schicksal auf
-die Welt geworfen hatte! Ein gleiches bürgerliches Deutsches Recht
-würde auch diese Beschwerde heben, den Fürsten die Wahl brauchbarer
-Diener erleichtern, und verdiente Männer gegen die Mißhandlungen des
-Nepotismus und der Aristocratie in die gehörige Sicherheit setzen.
-
-Eine sehr große Schwierigkeit bleibt indeß auf jeden Fall in der,
-schon lange herkömmlichen Widerspenstigkeit der Beschränkten und
-Selbstsüchtigen grade bey solchen Gelegenheiten, wo davon die Rede ist,
-daß etwas Tüchtiges und Großes ins Werk gerichtet werden müsse. Wie
-weit es Deutsche Schwäche in dieser Hinsicht getrieben[[66]] hat, und
-treiben konnte, zeigen die alten Reichstagsverhandlungen, welche fast
-nur an die Polnischen Reichstage erinnern. Inzwischen darf man nicht
-vergessen, wie eigenthümlich grade der jetzige Augenblick ist, und wie
-viele Gründe es gibt, wenigstens dießmal auf etwas Außerordentliches zu
-rechnen. Alle Völker Deutscher Abkunft haben sich in diesen Zeiten mit
-herzlicher Liebe vereinigt, und wo man hinblickt, da findet man unter
-ihnen die Feinde versöhnt, und die Freunde inniger als je verbunden.
-Durch ihren Muth und ihre Ausdauer ist glücklich gelungen, was noch
-vor einem Jahr unglaublich schien, und Jeden beseelt der Wunsch, daß
-dieser große Augenblick über alle Deutschen Brüder für viele Jahre
-seinen Segen verbreite. Unsre Regenten können daher den letzten Act
-nicht so kahl enden, daß sie dem Volk die Ehre lassen, alle alten
-Schlechtigkeiten durch grenzenlose Opfer wieder erlangt zu haben.
-Es muß, -- nicht mit tändelnder Ziererey, welche sich an der Schale
-erschöpft, sondern mit Mannskraft, welche das Wesen zu durchdringen
-vermag, -- etwas Großes, Edles, Erhebendes geschehen, damit[[67]] den
-Kämpfern ein würdiger Lohn ihrer Arbeit zu Theil werde; damit sie
-ferner ihren Fürsten als Männern vertrauen. Die Volksstimme wird sich
-in dieser Hinsicht nicht beschwichtigen lassen, und die Gewalt der
-Zeit wird unwiderstehlich von unten nach oben wirken, wenn es in den
-Köpfen beschränkter Räthe nicht von selbst aufthauen will. Auch können
-die edeln Deutschen Fürsten und Staatsmänner, denen ungebührliche
-Schwierigkeiten gemacht werden, sicher auf den Schutz der großen
-Monarchen rechnen, welche jetzt der Welt den Frieden gegeben haben,
-und schon insofern, als sie für das Glück der Urheber alles Uebels mit
-seltener Großmuth das Aeußerste thaten, gewiß nicht unterlassen werden,
-unser edles Volk, dem sie einen wesentlichen Theil ihrer Fortschritte
-verdanken, mit Rath und That kräftig zu unterstützen.(18)
-
-
-
-
- Vom
- Beruf unsrer Zeit
- für
- Gesetzgebung
- und
- Rechtswissenschaft.
-
- Von
-
- ~D.~ Friedrich Carl von Savigny,
-
- ordentl. Professor der Rechte an der Königl. Universität zu Berlin,
- und ordentl. Mitglied der Königl. Akademie der
- Wissenschaften daselbst.
-
- Heidelberg,
- bey Mohr und Zimmer.
-
- 1814.
-
-
-Inhalt.
-
- Seite
-
- 1) Einleitung (1) 72
-
- 2) Entstehung des positiven Rechts (8) 75
-
- 3) Gesetze und Rechtsbücher (16) 80
-
- 4) Römisches Recht (27) 87
-
- 5) Bürgerliches Recht in Deutschland (37) 92
-
- 6) Unser Beruf zur Gesetzgebung (45) 97
-
- 7) Die drey neuen Gesetzbücher (54) 102
-
- 8) Was wir thun sollen wo keine Gesetzbücher sind (111) 136
-
- 9) Was bey vorhandenen Gesetzbüchern zu thun ist (135) 150
-
- 10) Das Gemeinsame (151) 160
-
- 11) Thibauts Vorschlag (155) 162
-
- 12) Schluß (161) 166
-
-
-1.
-
-Einleitung.
-
-[[1]] In vielen deutschen Ländern hat jetzt ein äußeres Bedürfniß die
-Frage nach der besten Einrichtung des bürgerlichen Rechts angeregt,
-und so ist diese Frage, welche unsere Staaten lange Zeit auf sich
-beruhen lassen konnten, zur gemeinsamen Berathung der Staatsmänner
-und der Gelehrten gediehen. Aber noch ein edlerer Grund als das bloße
-Bedürfniß hat zu dieser öffentlichen Berathung gewirkt: das Gefühl,
-daß in der abgewendeten Unterdrückung der deutschen Nation eine
-dringende Aufforderung an jede lebendige Kraft liegt, sich dieser
-Zeit nicht unwerth zu zeigen. Darum ist es nicht Anmaaßung, sondern
-recht und gut, wenn jeder, der ein Herz hat für seinen Beruf, und
-eine klare Anschauung von demselben, diese Anschauung öffentlich
-mittheilt, und[[2]] die Rechtsgelehrten dürfen darin am wenigsten
-zurück bleiben. Denn gerade im bürgerlichen Rechte ist der Unterschied
-der gegenwärtigen und der vergangenen Zeit recht augenscheinlich. Ohne
-Zweifel kann auch hierin im einzelnen noch viel Verkehrtes geschehen
-aus Unverstand oder bösem Willen. Aber die erste Frage darf doch wieder
-seyn: was ist recht und gut? Die Sache trägt doch wieder ihren Zweck
-und ihre Bestimmung in sich selbst, die Fürsten können wieder thun
-nach ihrer Ueberzeugung, und ihre Ehre setzen in das gemeine Wohl.
-Das wird von der vergangenen Zeit niemand behaupten. Als der Code in
-Deutschland eindrang, und krebsartig immer weiter fraß, war von inneren
-Gründen nicht die Rede, kaum hie und da in leeren Phrasen: ein äußerer
-Zweck bestimmte alles, dem eigenen Werthe des Gesetzbuchs völlig fremd,
-ein an sich selbst heilloses Verhältniß, selbst abgesehen davon,
-daß es der verderblichste unter allen Zwecken war. Darum war es bis
-jetzt fruchtlos darüber zu reden. Die in dieser Zeit geredet haben,
-waren theils eigennützig der schlechten Sache hingegeben, theils in
-unbegreiflicher Gutmüthigkeit von ihr bethört, die meisten blos zur
-Ausführung mitwirkend als Geschäftsmänner, ohne sich in ein Urtheil
-einzulassen: einzelne ehrenwerthe Stimmen ließen sich hören, strafend
-und warnend, andere andeutend und winkend, an Erfolg aber konnte
-keiner denken. Daß wieder eine Verschiedenheit der Meynungen[[3]]
-wirksam werden, daß wieder Streit und Zweifel entstehen kann über die
-Entscheidung, gehört zu den Wohlthaten, womit uns jetzt Gott gesegnet
-hat, denn nur aus dieser Entzweyung kann eine lebendige und feste
-Einheit hervorgehen, die Einheit der Ueberzeugung, nach welcher wir in
-allen geistigen Dingen zu streben durch unsre Natur gedrungen sind.
-
-Aber es giebt einen zweyfachen Streit, einen feindlichen und einen
-friedlichen. Jenen führen wir, wo wir Ziel und Zweck verwerflich
-finden, diesen wo wir Mittel suchen zu gemeinsamen löblichen Zwecken.
-Jener wäre auch jetzt noch, da nicht mehr vom Code die Rede ist, an
-seiner Stelle, denn Einer behaupten wollte, jetzt sey die rechte Zeit,
-wo alle einzelne Staaten in Deutschland sich fest abschließen müßten:
-dazu sey auch das Recht gut zu gebrauchen, und jede Regierung müsse
-für ein recht eigenthümliches Gesetzbuch sorgen, um auch hierin alles
-gemeinsame aufzuheben, was an den Zusammenhang der Nation erinnern
-könnte. Diese Ansicht ist nichts weniger als willkührlich ersonnen,
-vielmehr sind ihr manche Regierungen offenbar günstig: wohl aber
-hindert eine gewisse Scheu, sie jetzt laut werden zu lassen, und ich
-wüßte nicht, daß sie in Schriften für das bürgerliche Recht benutzt
-worden wäre. Ganz anders ist es mit den Vorschlägen, die bis jetzt
-für dieses kund geworden sind, denn mit ihnen ist, wo wir[[4]] nicht
-übereinstimmen, ein friedlicher Streit möglich, und ein solcher führt,
-wo nicht zur Vereinigung der Streitenden, doch zu besserer Einsicht im
-Ganzen.
-
-Von zwey Meynungen über die Einrichtung des bürgerlichen Rechts,
-die mir bekannt geworden sind, geht die eine auf Herstellung des
-alten Zustandes[1], die zweyte auf Annahme eines gemeinschaftlichen
-Gesetzbuches für die Deutschen Staaten[2]. Zur Erläuterung dieser
-zweyten Meynung sind gleich hier einige Bemerkungen nöthig, indem sie
-in einem doppelten historischen Zusammenhang betrachtet werden muß.
-
-Erstens nämlich steht sie in Verbindung mit vielen ähnlichen
-Vorschlägen und Versuchen seit der Mitte des achtzehnten
-Jahrhunderts. In dieser Zeit hatte sich durch ganz Europa ein völlig
-unerleuchteter Bildungstrieb geregt. Sinn und Gefühl für die Größe
-und Eigenthümlichkeit anderer Zeiten, so wie für die naturgemäße
-Entwicklung der Völker und Verfassungen, also alles was die Geschichte
-heilsam und fruchtbar machen muß, war verloren: an die Stelle
-getreten war eine gränzenlose Erwartung von der[[5]] gegenwärtigen
-Zeit, die man keinesweges zu etwas geringerem berufen glaubte, als
-zur wirklichen Darstellung einer absoluten Vollkommenheit. Dieser
-Trieb äußerte sich nach allen Richtungen: was er in Religion und
-Staatsverfassung gewirkt hat, ist bekannt, und es ist unverkennbar, wie
-er hier durch eine natürliche Gegenwirkung aller Orten einer neuen,
-lebendigeren Liebe die Stäte bereiten mußte. Auch im bürgerlichen
-Rechte war er thätig. Man verlangte neue Gesetzbücher, die durch ihre
-Vollständigkeit der Rechtspflege eine mechanische Sicherheit gewähren
-sollten, indem der Richter, alles eigenen Urtheils überhoben, blos
-auf die buchstäbliche Anwendung beschränkt wäre: zugleich sollten sie
-sich aller historischen Eigenthümlichkeit enthalten, und in reiner
-Abstraction für alle Völker und alle Zeiten gleiche Brauchbarkeit
-haben. Es würde sehr irrig seyn, jenen Trieb und diese Anwendungen
-desselben einzelnen Irrlehrern zuzuschreiben: es war, nur mit sehr
-achtungswerten Ausnahmen, die Meynung der Völker. Darum stand es nicht
-in der Macht der Regierungen, allen Anwendungen auszuweichen, und
-die bloße Milderung und Beschränkung derselben konnte oft schon als
-sehr verdienstlich und als Beweis innerer Kraft gelten. Vergleichen
-wir mit diesen vergangenen Zuständen die gegenwärtige Zeit, so dürfen
-wir uns freuen. Geschichtlicher Sinn ist überall erwacht, und neben
-diesem hat jener bodenlose Hochmuth[[6]] keinen Raum. Und wenn auch
-angehende Schriftsteller oft noch einen ähnlichen Anlauf nehmen, so ist
-es doch gar nicht mehr herrschender Geist. Auch in den oben genannten
-Vorschlägen von Gesetzbüchern ist zum Theil diese erfreuliche
-Vergleichung bewährt. Frey von jenen übertriebenen Ansprüchen gehen
-sie auf ein bestimmtes praktisches Ziel, und auch ihre Motive stehen
-auf festem Boden. Das Durchlaufen jener Periode aber gewährt uns den
-großen Vortheil, daß wir ihre Erfahrungen zu Rathe ziehen können. Aus
-den Ansichten derselben sind nach einander Gesetzbücher für drey große
-Staaten hervor gegangen. Diese, und zum Theil ihre Wirkungen, liegen
-vor uns, und es würde unverzeihlich seyn, die Lehre zu verschmähen, die
-sie uns aufmunternd oder warnend geben können.
-
-Zweytens stehen jene Vorschläge in Verbindung mit einer allgemeinen
-Ansicht von der Entstehung alles positiven Rechts, die von jeher
-bey der großen Mehrzahl der deutschen Juristen herrschend war.
-Nach ihr entsteht im normalen Zustande alles Recht aus Gesetzen,
-d. h. ausdrücklichen Vorschriften der höchsten Staatsgewalt. Die
-Rechtswissenschaft hat lediglich den Inhalt der Gesetze zum Gegenstand.
-Demnach ist die Gesetzgebung selbst, so wie die Rechtswissenschaft,
-von ganz zufälligem, wechselndem Inhalt, und es ist sehr möglich,
-daß das Recht von morgen dem von heute gar nicht ähnlich sieht.
-Ein[[7]] vollständiges Gesetzbuch ist demnach das höchste Bedürfniß,
-und nur bey einem lückenhaften Zustande desselben kann man in die
-traurige Nothwendigkeit kommen, sich mit Gewohnheitsrecht, als einer
-schwankenden Ergänzung, behelfen zu müssen. Diese Ansicht ist viel
-älter als die oben dargestellte, beide haben sich auf manchen Punkten
-feindlich berührt, weit öfter aber sehr gut vertragen. Als Vermittlung
-diente häufig die Ueberzeugung, daß es ein praktisches Naturrecht oder
-Vernunftrecht gebe, eine ideale Gesetzgebung für alle Zeiten und alle
-Fälle gültig, die wir nur zu entdecken brauchten, um das positive Recht
-für immer zu vollenden.
-
-Ob diese Ansicht von der Entstehung des positiven Rechts Realität habe,
-wird sich aus der folgenden Untersuchung ergeben.
-
-
-2.
-
-Entstehung des positiven Rechts.
-
-[[8]] Wir befragen zuerst die Geschichte, wie sich bey Völkern edler
-Stämme das Recht wirklich entwickelt hat: dem Urtheil, was hieran gut,
-vielleicht nothwendig, oder aber tadelnswerth seyn möge, ist damit
-keinesweges vorgegriffen.
-
-Wo wir zuerst urkundliche Geschichte finden, hat das bürgerliche Recht
-schon einen bestimmten Character, dem Volk eigenthümlich, so wie
-seine Sprache, Sitte, Verfassung. Ja diese Erscheinungen haben kein
-abgesondertes Daseyn, es sind nur einzelne Kräfte und Thätigkeiten
-des einen Volkes, in der Natur untrennbar verbunden, und nur unsrer
-Betrachtung als besondere Eigenschaften erscheinend. Was sie zu einem
-Ganzen verknüpft, ist die gemeinsame Ueberzeugung des Volkes, das
-gleiche Gefühl innerer Nothwendigkeit, welches allen Gedanken an
-zufällige und willkührliche Entstehung ausschließt.
-
-Wie diese eigenthümlichen Functionen der Völker, wodurch sie selbst
-erst zu Individuen werden, entstanden sind, diese Frage ist auf
-geschichtlichem Wege nicht zu beantworten. In neueren Zeiten ist
-die Ansicht herrschend gewesen, daß alles zuerst in[[9]] einem
-thierähnlichen Zustand gelebt habe, und von da durch allmähliche
-Entwicklung zu einem leidlichen Daseyn, bis endlich zu der Höhe
-gekommen sey, auf welcher wir jetzt stehen. Wir können diese Ansicht
-unberührt lassen, und uns auf die Thatsache jenes ersten urkundlichen
-Zustandes des bürgerlichen Rechts beschränken. Wir wollen versuchen,
-einige allgemeine Züge dieser Periode darzustellen, in welcher das
-Recht wie die Sprache im Bewußtseyn des Volkes lebt.
-
-Diese Jugendzeit der Völker ist arm an Begriffen, aber sie genießt
-ein klares Bewußtseyn ihrer Zustände und Verhältnisse, sie fühlt und
-durchlebt diese ganz und vollständig, während wir, in unsrem künstlich
-verwickelten Daseyn, von unserm eigenen Reichthum überwältigt sind,
-anstatt ihn zu genießen und zu beherrschen. Jener klare, naturgemäße
-Zustand bewährt sich vorzüglich auch im bürgerlichen Rechte, und so
-wie für jeden einzelnen Menschen seine Familienverhältnisse und sein
-Grundbesitz durch eigene Würdigung bedeutender werden, so ist aus
-gleichem Grunde möglich, daß die Regeln des Privatrechts selbst zu
-den Gegenständen des Volksglaubens gehören. Allein jene geistigen
-Functionen bedürfen eines körperlichen Daseyns, um festgehalten
-zu werden. Ein solcher Körper ist für die Sprache ihre stete,
-ununterbrochene Uebung, für die Verfassung sind es die sichtbaren
-öffentlichen Gewalten, was vertritt aber diese Stelle[[10]] bey
-dem bürgerlichen Rechte? In unsren Zeiten sind es ausgesprochene
-Grundsätze, durch Schrift und mündliche Rede mitgetheilt. Diese Art
-der Festhaltung aber setzt eine bedeutende Abstraction voraus, und
-ist darum in jener jugendlichen Zeit nicht möglich. Dagegen finden
-wir hier überall symbolische Handlungen, wo Rechtsverhältnisse
-entstehen oder untergehen sollen. Die sinnliche Anschaulichkeit dieser
-Handlungen ist es, was äußerlich das Recht in bestimmter Gestalt
-festhält, und ihr Ernst und ihre Würde entspricht der Bedeutsamkeit
-der Rechtsverhältnisse selbst, welche schon als dieser Periode
-eigenthümlich bemerkt worden ist. In dem ausgedehnten Gebrauch
-solcher förmlichen Handlungen kommen z. B. die germanischen Stämme
-mit den altitalischen überein, nur daß bey diesen letzten die Formen
-selbst bestimmter und geregelter erscheinen, was mit den städtischen
-Verfassungen zusammen hangen kann. Man kann diese förmlichen Handlungen
-als die eigentliche Grammatik des Rechts in dieser Periode betrachten,
-und es ist sehr bedeutend, daß das Hauptgeschäft der älteren
-Römischen Juristen in der Erhaltung und genauen Anwendung derselben
-bestand. Wir in neueren Zeiten haben sie häufig als Barbarey und
-Aberglauben verachtet, und uns sehr groß damit gedünkt, daß wir sie
-nicht haben, ohne zu bedenken, daß auch wir überall mit juristischen
-Formen versorgt sind, denen nur gerade die Hauptvortheile der alten
-Formen abgehen,[[11]] die Anschaulichkeit nämlich und der allgemeine
-Volksglaube, während die unsrigen von jedem als etwas willkührliches
-und darum als eine Last empfunden werden. In solchen einseitigen
-Betrachtungen früher Zeiten sind wir den Reisenden ähnlich, die in
-Frankreich mit großer Verwunderung bemerken, daß kleine Kinder, ja ganz
-gemeine Leute, recht fertig französisch reden.
-
-Aber dieser organische Zusammenhang des Rechts mit dem Wesen und
-Character des Volkes bewährt sich auch im Fortgang der Zeiten, und auch
-hierin ist es der Sprache zu vergleichen. So wie für diese, giebt es
-auch für das Recht keinen Augenblick eines absoluten Stillstandes, es
-ist derselben Bewegung und Entwicklung unterworfen, wie jede andere
-Richtung des Volkes, und auch diese Entwicklung steht unter demselben
-Gesetz innerer Nothwendigkeit, wie jene früheste Erscheinung. Das
-Recht wächst also mit dem Volke fort, bildet sich aus mit diesem, und
-stirbt endlich ab, so wie das Volk seine Eigenthümlichkeit verliert.
-Allein diese innere Fortbildung auch in der Zeit der Cultur hat für die
-Betrachtung eine große Schwierigkeit. Es ist nämlich oben behauptet
-worden, daß der eigentliche Sitz des Rechts das gemeinsame Bewußtseyn
-des Volkes sey. Dieses läßt sich z. B. im Römischen Rechte für die
-Grundzüge desselben, die allgemeine Natur der Ehe, des Eigenthums u.
-s. w. recht wohl denken, aber für das unermeßliche[[12]] Detail, wovon
-wir in den Pandekten einen Auszug besitzen, muß es jeder für ganz
-unmöglich erkennen. Diese Schwierigkeit führt uns auf eine neue Ansicht
-der Entwicklung des Rechts. Bey steigender Cultur nämlich sondern sich
-alle Thätigkeiten des Volkes immer mehr, und was sonst gemeinschaftlich
-betrieben wurde, fällt jetzt einzelnen Ständen anheim. Als ein solcher
-abgesonderter Stand erscheinen nunmehr auch die Juristen. Das Recht
-bildet sich nunmehr in der Sprache aus, es nimmt eine wissenschaftlich
-Richtung, und wie es vorher im Bewußtseyn des gesammten Volkes lebte,
-so fällt es jetzt dem Bewußtseyn der Juristen anheim, von welchen
-das Volk nunmehr in dieser Function repräsentirt wird. Das Daseyn
-des Rechts ist von nun an künstlicher und verwickelter, indem es ein
-doppeltes Leben hat, einmal als Theil des ganzen Volkslebens, was es
-zu seyn nicht aufhört, dann als besondere Wissenschaft in den Händen
-der Juristen. Aus dem Zusammenwirken dieses doppelten Lebensprincips
-erklären sich alle spätere Erscheinungen, und es ist nunmehr
-begreiflich, wie auch jenes ungeheure Detail ganz auf organische
-Weise, ohne eigentliche Willkühr und Absicht, entstehen konnte. Der
-Kürze wegen nennen wir künftig den Zusammenhang des Rechts mit dem
-allgemeinen Volksleben das *politische* Element, das abgesonderte
-wissenschaftliche Leben des Rechts aber das *technische* Element
-desselben.
-
-[[13]]In verschiedenen Zeiten also wird bey demselben Volke das Recht
-natürliches Recht (in einem andern Sinn als unser Naturrecht) oder
-gelehrtes Recht seyn, je nachdem das eine oder das andere Princip
-überwiegt, wobey eine scharfe Gränzbestimmung von selbst als unmöglich
-erscheint. Bey republikanischer Verfassung wird das politische Princip
-länger als in monarchischen Staaten unmittelbaren Einfluß behalten
-können, und besonders in der Römischen Republik wirkten viele Gründe
-zusammen, diesen Einfluß noch bey steigender Cultur lebendig zu
-erhalten. Aber in allen Zeiten und Verfassungen zeigt sich dieser
-Einfluß noch in einzelnen Anwendungen, da wo in engeren Kreisen ein
-oft wiederkehrendes gleiches Bedürfniß auch ein gemeinsames Bewußtseyn
-des Volkes selbst möglich macht. So wird sich in den meisten Städten
-für Dienstboten und Miethwohnungen ein besonderes Recht bilden und
-erhalten, gleich unabhängig von ausdrücklichen Gesetzen und von
-wissenschaftlicher Jurisprudenz: es sind dieses einzelne Ueberreste
-der früheren allgemeinen Rechtsbildung. Vor der großen Umwälzung fast
-aller Verfassungen, die wir erlebt haben, waren in kleineren Deutschen
-Staaten diese Fälle weit häufiger als jetzt, indem sich Stücke
-altgermanischer Verfassungen häufig durch alle Revolutionen hindurch
-gerettet hatten.
-
-Die Summe dieser Ansicht also ist, daß alles Recht auf die Weise
-entsteht, welche der herrschende,[[14]] nicht ganz passende,
-Sprachgebrauch als *Gewohnheitsrecht* bezeichnet, d. h. daß es
-erst durch Sitte und Volksglaube, dann durch Jurisprudenz erzeugt
-wird, überall also durch innere, stillwirkende Kräfte, nicht durch
-die Willkühr eines Gesetzgebers. Dieser Zustand ist bis jetzt nur
-historisch aufgestellt worden, ob er löblich und wünschenswerth ist,
-wird die folgende Untersuchung zeigen. Aber auch als historische
-Ansicht bedarf dieser Zustand noch einiger näheren Bestimmungen. Zuerst
-ist dabey eine ganz ungestörte einheimische Entwicklung vorausgesetzt
-worden; der Einfluß früher Berührung mit fremdem Rechte wird weiter
-unten an dem Beyspiel von Deutschland klar werden. Eben so wird sich
-zeigen, daß allerdings ein theilweiser Einfluß der Gesetzgebung auf
-bürgerliches Recht, bald löblich, bald tadelnswerth, statt finden
-kann. Endlich finden sich große Verschiedenheiten in den Gränzen der
-Gültigkeit und Anwendung des Rechts. Wie nämlich dasselbe Volk sich in
-viele Stämme verzweigt, Staaten sich vereinigen oder zerfallen, so muß
-bald dasselbe Recht mehreren unabhängigen Staaten gemein seyn, bald in
-verschiedenen Theilen desselben Staates, neben gleichen Grundzügen des
-Rechts, eine große Mannichfaltigkeit einzelner Bestimmungen gelten.
-
-Unter den Deutschen Juristen hat *Hugo* das große Verdienst, in den
-meisten seiner Schriften die herrschenden Ansichten gründlich bekämpft
-zu haben[3].[[15]] Hohe Ehre gebührt auch hierin dem Andenken *Mösers*,
-der mit großartigem Sinn überall die Geschichte zu deuten suchte, oft
-auch in Beziehung auf bürgerliches Recht; daß dieses Beyspiel den
-Juristen größtentheils unbemerkt geblieben ist, war zu erwarten, da
-er nicht zünftig war und weder Vorlesungen gehalten, noch Lehrbücher
-geschrieben hat.
-
-
-3.
-
-Gesetze und Rechtsbücher.
-
-[[16]] Der Einfluß eigentlicher Gesetzgebung auf bürgerliches Recht ist
-in einzelnen Stücken desselben nicht selten, aber die Gründe dieses
-Einflusses sind sehr verschiedener Art. Zunächst kann nämlich gerade
-die Abänderung des bestehenden Rechts Absicht des Gesetzgebers seyn,
-weil höhere politische Zwecke dieses fordern. Wenn in unsren Tagen
-Nichtjuristen von dem Bedürfniß neuer Gesetzgebung sprechen, so ist
-gewöhnlich blos dieses gemeynt, wovon die Bestimmung der gutsherrlichen
-Rechte eines der wichtigsten Beispiele ist. Auch die Geschichte des
-Römischen Rechts liefert Beyspiele dieser Art, wenige aus der freyen
-Republik, unter August die wichtige ~Lex Iulia et Papia Poppaea~, seit
-den christlichen Kaisern eine große Anzahl. Daß die Gesetze dieser Art
-leicht eine fruchtlose Corruption des Rechts sind, und daß gerade in
-ihnen die höchste Sparsamkeit nöthig ist, wird jedem einleuchten, der
-die Geschichte zu Rathe zieht. Die technische Seite des Rechts wird
-bey ihnen bloß für die Form, und für den Zusammenhang mit dem ganzen
-übrigen Rechte in Anspruch genommen, welcher Zusammenhang diesen Theil
-der[[17]] Gesetzgebung schwieriger macht, als er gewöhnlich gedacht
-zu werden pflegt. Weit unbedenklicher ist ein zweyter Einfluß der
-Gesetzgebung auf das bürgerliche Recht. Einzelne Rechtssätze nämlich
-können zweifelhaft seyn, oder sie können ihrer Natur nach schwankende,
-unbestimmte Gränzen haben, wie z. B. alle Verjährung, während die
-Rechtspflege durchaus scharfe Gränzen fodert. Hier kann allerdings eine
-Art von Gesetzgebung eintreten, welche der Gewohnheit zu Hülfe kommt,
-jene Zweifel und diese Unbestimmtheiten entfernt, und so das wirkliche
-Recht, den eigentlichen Willen des Volks, zu Tage fördert, und rein
-erhält. Die Römische Verfassung hatte für diesen Zweck eine treffliche
-Einrichtung in den Edicten der Prätoren, eine Einrichtung, welche auch
-in monarchischen Staaten unter gewissen Bedingungen statt finden könnte.
-
-Aber diese Arten eines theilweisen Einflusses sind gar nicht gemeynt,
-wenn so wie in unsern Tagen von dem Bedürfniß allgemeiner Gesetzbücher
-die Rede ist. Hier ist vielmehr folgendes gemeynt. Der Staat soll
-seinen gesammten Rechtsvorrath untersuchen und schriftlich aufzeichnen
-lassen, so daß dieses Buch nunmehr als einzige Rechtsquelle gelte,
-alles andere aber, was bisher etwa gegolten hat, nicht mehr gelte.
-Zuvörderst läßt sich fragen, woher diesem Gesetzbuch der Inhalt kommen
-solle. Nach einer oben dargestellten Ansicht ist von vielen behauptet
-worden, das allgemeine[[18]] Vernunftrecht, ohne Rücksicht auf etwas
-bestehendes, solle diesen Inhalt bestimmen. Die aber mit der Ausführung
-zu thun hatten, oder sonst das Recht praktisch kannten, haben sich
-dieser großsprechenden, völlig hohlen Ansicht leicht enthalten, und
-man ist darüber einig gewesen, das ohnehin bestehende Recht solle hier
-aufgezeichnet werden, nur mit den Abänderungen und Verbesserungen,
-welche aus politischen Gründen nöthig seyn möchten. Daß dieses gerade
-bei den neueren Gesetzbüchern die herrschende Ansicht war, wird sich
-unten zeigen. Demnach hätte das Gesetzbuch einen doppelten Inhalt:
-theils das bisherige Recht, theils neue Gesetze. Was diese letzten
-betrifft, so ist es offenbar zufällig, daß sie bey Gelegenheit des
-Gesetzbuchs vorkommen, sie könnten auch zu jeder anderen Zeit einzeln
-gegeben werden, und eben so könnte zur Zeit des Gesetzbuchs kein
-Bedürfniß derselben vorhanden seyn. In Deutschland besonders würden
-diese neuen Gesetze oft nur scheinbar vorkommen, da das, was einem
-Lande neu wäre, in einem andern meist schon gegolten haben würde, so
-daß nicht von neuem, sondern von schon bestehendem Rechte verwandter
-Stämme die Rede wäre, nur mit veränderten Gränzen der Anwendung. Um
-also unsere Untersuchung nicht zu verwirren, wollen wir die neuen
-Gesetze ganz bey Seite setzen, und blos auf den wesentlichen und
-Hauptinhalt des Gesetzbuchs sehen. Demnach müssen wir das Gesetzbuch
-als Aufzeichnung[[19]] des gesammten bestehenden Rechts denken, mit
-ausschließender Gültigkeit vom Staate selbst versehen.
-
-Daß wir dieses letzte als wesentlich bey einer Unternehmung dieser Art
-voraussetzen, ist in unsren schreibthätigen Zeiten natürlich, da bey
-der Menge von Schriftstellern und dem schnellen Wechsel der Bücher und
-ihres Ansehens, kein einzelnes Buch einen überwiegenden und dauernden
-Einfluß anders als durch die Gewalt des Staates erhalten kann. An sich
-aber läßt es sich gar wohl denken, daß diese Arbeit ohne Aufforderung
-und ohne Bestätigung des Staates von einzelnen Rechtsgelehrten
-vollbracht würde. Im altgermanischen Rechte war dieses häufig der
-Fall, und wir würden viele Mühe gehabt haben, unsren Vorfahren den
-Unterschied eines Rechtsbuchs als einer Privatarbeit von einem wahren
-Gesetzbuche deutlich zu machen, den wir uns als so natürlich und
-wesentlich denken. Wir bleiben aber jetzt bey dem Begriffe stehen,
-welcher unsren Zeiten angemessen ist. Jedoch ist es klar, daß der
-Unterschied lediglich in der Veranlassung und Bestätigung von Seiten
-des Staates liegt, nicht in der Natur der Arbeit selbst, denn diese
-ist auf jeden Fall ganz technisch und fällt als solche den Juristen
-anheim, indem bey dem Inhalte des Gesetzbuchs, den wir voraussetzen,
-das politische Element des Rechts längst ausgewirkt hat, und blos diese
-Wirkung zu erkennen und auszusprechen[[20]] ist, welches Geschäft zur
-juristischen Technik gehört.
-
-Die Forderungen an ein solches Gesetzbuch und die Erwartungen von
-demselben sind von zweyerley Art. Für den innern Zustand des Rechts
-soll dadurch die höchste Rechtsgewißheit entstehen, und damit die
-höchste Sicherheit gleichförmiger Anwendung. Die äußeren Gränzen der
-Gültigkeit sollen dadurch gebessert und berichtigt werden, indem an die
-Stelle verschiedener Localrechte ein allgemeines Nationalrecht treten
-soll. Wir beschränken uns hier noch auf den ersten Vortheil, indem
-von dem zweyten besser unten in besonderer Anwendung auf Deutschland
-geredet werden wird.
-
-Daß jener innere Vortheil von der Vortrefflichkeit der Ausführung
-abhange, leuchtet jedem sogleich ein, und es ist also von dieser
-Seite eben so viel zu verlieren als zu gewinnen möglich. Sehr
-merkwürdig ist, was *Baco* aus der Fülle seines Geistes und seiner
-Erfahrung über diese Arbeit sagt[4]. Er will, daß sie nicht ohne
-dringendes Bedürfniß geschehe, dann aber mit besonderer Sorgfalt für
-die bisher gültigen Rechtsquellen: zunächst durch wörtliche Aufnahme
-alles anwendbaren aus ihnen, dann indem sie im Ganzen aufbewahrt und
-fortwährend zu Rathe[[21]] gezogen werden. Vorzüglich aber soll diese
-Arbeit nur in solchen Zeiten unternommen werden, die an Bildung und
-Sachkenntniß höher stehen, als die vorhergehenden, denn es sey sehr
-traurig, wenn durch die Unkunde der gegenwärtigen Zeit die Werke
-der Vorzeit verstümmelt werden sollten[5]. Worauf es dabey ankommt,
-ist nicht schwer zu sagen: das vorhandene, was nicht geändert,
-sondern beybehalten werden soll, muß gründlich erkannt und richtig
-ausgesprochen werden. Jenes betrifft den Stoff, dieses die Form.
-
-In Ansehung des Stoffs ist die wichtigste und schwierigste Aufgabe die
-Vollständigkeit des Gesetzbuchs, und es kommt nur darauf an, diese
-Aufgabe, worin Alle einstimmen, recht zu verstehen. Das Gesetzbuch
-nämlich soll, da es einzige Rechtsquelle zu seyn bestimmt ist, auch
-in der That für jeden vorkommenden Fall im voraus die Entscheidung
-enthalten. Dieses hat man häufig so gedacht, als ob es möglich und
-gut wäre, die einzelnen Fälle als solche durch Erfahrung vollständig
-kennen zu lernen, und dann jeden durch eine entsprechende Stelle
-des Gesetzbuchs zu entscheiden. Allein wer mit Aufmerksamkeit[[22]]
-Rechtsfälle beobachtet hat, wird leicht einsehen, daß dieses
-Unternehmen deshalb fruchtlos bleiben muß, weil es für die Erzeugung
-der Verschiedenheiten wirklicher Fälle schlechthin keine Gränze
-giebt. Auch hat man gerade in den allerneuesten Gesetzbüchern allen
-Schein eines Bestrebens nach dieser materiellen Vollständigkeit
-völlig aufgegeben, ohne jedoch etwas anderes an die Stelle derselben
-zu setzen. Allein es giebt allerdings eine solche Vollständigkeit in
-anderer Art, wie sich durch einen Kunstausdruck der Geometrie klar
-machen läßt. In jedem Dreyeck nämlich giebt es gewisse Bestimmungen,
-aus deren Verbindung zugleich alle übrige mit Nothwendigkeit folgen:
-durch diese, z. B. durch zwey Seiten und den zwischenliegenden Winkel,
-ist das Dreyeck *gegeben*. Auf ähnliche Weise hat jeder Theil unsres
-Rechts solche Stücke, wodurch die übrigen gegeben sind: wir können
-sie die leitenden Grundsätze nennen. Diese heraus zu fühlen, und von
-ihnen ausgehend den innern Zusammenhang und die Art der Verwandtschaft
-aller juristischen Begriffe und Sätze zu erkennen, gehört eben zu
-den schwersten Aufgaben unsrer Wissenschaft, ja es ist eigentlich
-dasjenige, was unsrer Arbeit den wissenschaftlichen Character giebt.
-Entsteht nun das Gesetzbuch in einer Zeit, welche dieser Kunst
-nicht mächtig ist, so sind folgende Uebel ganz unvermeidlich. Die
-Rechtspflege wird scheinbar durch das Gesetzbuch, in der That aber
-durch etwas anderes,[[23]] was außer dem Gesetzbuch liegt, als der
-wahrhaft regierenden Rechtsquelle, beherrscht werden. Dieser falsche
-Schein aber ist höchst verderblich. Denn das Gesetzbuch wird unfehlbar
-durch seine Neuheit, seine Verwandtschaft mit herrschenden Begriffen
-der Zeit, und sein äußeres Gewicht alle Aufmerksamkeit auf sich
-und von der wahren Rechtsquelle ablenken, so daß diese in dunklem,
-unbemerktem Daseyn gerade der geistigen Kräfte der Nation entbehren
-wird, wodurch sie allein in einen löblichen Zustand kommen könnte. Daß
-diese Gefahr nicht grundlos ist, wird unten aus der Betrachtung der
-neuen Gesetzbücher klar werden, und es wird sich zeigen, daß nicht
-blos der einzelne Inhalt, sondern selbst der Begriff und die allgemeine
-Natur dieser eigentlich regierenden Rechtsquelle verkannt wird, wie
-sie denn unter den verschiedensten Namen, bald als Naturrecht, bald
-als ~jurisprudence~, bald als Rechtsanalogie vorkommt. Kommt nun
-zu dieser mangelnden Erkenntniß der leitenden Grundsätze das oben
-beschriebene Bestreben nach materieller Vollständigkeit hinzu, so
-werden sich sehr häufig die einzelnen Entscheidungen, den Verfassern
-unbemerkt, durchkreuzen und widersprechen, was erst allmählich durch
-die Anwendung, und bey gedankenlosem Zustand der Rechtspflege auch hier
-nicht, offenbar werden wird[6]. Dieser Erfolg ist gleich[[24]] für die
-Gegenwart unvermeidlich, wenn auf diese Weise ein Zeitalter ohne innern
-Beruf seine Ansicht des Rechts durch das Ansehen der Gesetzgebung
-fixiert; eben so nachtheilig aber ist die Wirkung auf die folgende
-Zeit. Denn wenn in dieser günstigere Bedingungen für die Behandlung
-des Rechts eintreten, so ist nichts förderlicher, als die vielseitige
-Berührung mit früheren einsichtsvollen Zeiten: das Gesetzbuch aber
-steht nun in der Mitte und hemmt und erschwert diese Berührung auf
-allen Seiten. Ohnehin liegt in der einseitigen Beschäftigung mit einem
-gegebenen positiven Rechte die Gefahr, von dem bloßen Buchstaben
-überwältigt zu werden[7], und jedes Erfrischungsmittel muß dagegen
-sehr willkommen seyn: das mittelmäßige Gesetzbuch aber muß mehr als
-alles andere diese Herrschaft einer unlebendigen Ansicht des Rechts
-befestigen.
-
-Außer dem Stoff muß aber auch die Form des Gesetzbuchs in Erwägung
-gezogen werden, denn der Verfasser des Gesetzbuchs kann das Recht,
-welches er bearbeitet, völlig durchdrungen haben, und seine Arbeit
-wird dennoch ihren Zweck verfehlen, wenn er nicht[[25]] zugleich die
-Fähigkeit der Darstellung hat. Wie diese Darstellung beschaffen seyn
-müsse, läßt sich leichter in gelungenen oder verfehlten Anwendungen
-fühlen, als durch allgemeine Regeln aussprechen. Gewöhnlich fordert
-man, daß sich die Sprache der Gesetze durch besondere Kürze auszeichne.
-Allerdings kann Kürze große Wirkung thun, wie sich durch das Beyspiel
-Römischer Volksschlüsse und des Römischen Edicts anschaulich machen
-läßt. Allein es giebt auch eine trockene, nichtssagende Kürze, zu
-welcher derjenige kommt, der die Sprache als Werkzeug nicht zu führen
-versteht, und die durchaus ohne Wirkung bleibt; in den Gesetzen und
-Urkunden des Mittelalters finden sich davon Beyspiele in Menge. Auf der
-andern Seite kann Weitläufigkeit in Rechtsquellen völlig verwerflich,
-ja ganz unerträglich seyn, wie in vielen Constitutionen von Justinian
-und in den meisten Novellen des Theodosischen Codex: allein es giebt
-auch eine geistvolle und sehr wirksame Weitläufigkeit, und in vielen
-Stellen der Pandekten ist diese unverkennbar.
-
-Fassen wir dasjenige, was hier über die Bedingungen eines
-vortrefflichen Gesetzbuchs gesagt worden ist, zusammen, so ist es klar,
-daß nur in sehr wenigen Zeiten die Fähigkeit dazu vorhanden seyn wird.
-Bey jugendlichen Völkern findet sich zwar die bestimmteste Anschauung
-ihres Rechts, aber den Gesetzbüchern fehlt es an Sprache und logischer
-Kunst, und[[26]] das Beste können sie meist nicht sagen, so daß sie oft
-kein individuelles Bild geben, während ihr Stoff höchst individuell
-ist. Beyspiele sind die schon angeführten Gesetze des Mittelalters, und
-wenn wir die zwölf Tafeln ganz vor uns hätten, würden wir vielleicht
-nur in geringerem Grade etwas ähnliches empfinden. In sinkenden Zeiten
-dagegen fehlt es meist an allem, an Kenntniß des Stoffs wie an Sprache.
-Also bleibt nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige, welche gerade
-für das Recht, obgleich nicht nothwendig auch in anderer Rücksicht,
-als Gipfel der Bildung gelten kann. Allein eine solche Zeit hat für
-sich selbst nicht das Bedürfniß eines Gesetzbuchs; sie würde es nur
-veranstalten können für eine folgende schlechtere Zeit, gleichsam
-Wintervorräthe sammlend. Zu einer solchen Vorsorge aber für Kinder und
-Enkel ist selten ein Zeitalter aufgelegt.
-
-
-4.
-
-Römisches Recht.
-
-[[27]] Diese allgemeinen Ansichten von Entstehung des Rechts und von
-Gesetzbüchern werden durch die Anwendung auf Römisches Recht und auf
-das Recht in Deutschland klarer und überzeugender werden.
-
-Die Vertheidiger des Römischen Rechts haben nicht selten den Werth
-desselben darin gesetzt, daß es die ewigen Regeln der Gerechtigkeit
-in vorzüglicher Reinheit enthalte, und so gleichsam selbst als ein
-sanctionirtes Naturrecht zu betrachten sey. Erkundigt man sich
-genauer, so wird freylich wieder der größte Theil als Beschränktheit
-und Spitzfindigkeit aufgegeben, und die Bewunderung bleibt meist auf
-der Theorie der Contracte haften: wenn man hier die Stipulationen und
-einigen andern Aberglauben abrechne, so sey im übrigen die Billigkeit
-dieses Rechts über die Maaßen groß, ja es sey zu nennen ~l'expression
-des sentimens mis par Dieu même dans le coeur des hommes~[8]. Allein
-gerade dieses übrig bleibende materielle des Römischen Rechts, was man
-so für seine wahre Vortrefflichkeit ausgiebt, ist so allgemeiner Natur,
-daß es meist schon[[28]] durch gesunden Verstand ohne alle juristische
-Bildung gefunden werden könnte, und um einen so leichten Gewinn lohnt
-es sich nicht, Gesetze und Juristen von zweytausend Jahren her zu
-unsrer Hülfe zu bemühen. Wir wollen versuchen, das eigenthümliche
-des Römischen Rechts etwas genauer ins Auge zu fassen. Daß es damit
-eine andere als die hier angedeutete Bedeutung habe, läßt sich im
-Voraus schon darum vermuthen, weil es das einzige Recht eines großen,
-lange bestehenden Volkes ist, welches eine ganz nationale, ungestörte
-Entwicklung gehabt hat, und zugleich in allen Perioden dieses Volkes
-mit vorzüglicher Liebe gepflegt worden ist.
-
-Betrachten wir zuerst die Justinianischen Rechtsbücher, also diejenige
-Form, in welcher das Römische Recht zu den neueren Staaten in Europa
-gekommen ist, so ist in ihnen eine Zeit des Verfalls nicht zu
-verkennen. Der Mittelpunkt dieser Rechtsbücher ist eine Compilation
-aus Schriften einer classischen Zeit, die als verloren und jetzt
-unerreichbar dasteht, und *Justinian* selbst hat dessen kein Hehl.
-Diese classische Zeit also, die des *Papinian* und *Ulpian* ist es,
-worauf wir unsre Blicke zu richten haben, und wir wollen versuchen, von
-der Art und Weise dieser Juristen ein Bild zu entwerfen.
-
-Es ist oben (S. 22) gezeigt worden, daß in unsrer Wissenschaft aller
-Erfolg auf dem Besitz der leitenden Grundsätze beruhe, und gerade
-dieser Besitz[[29]] ist es, der die Größe der Römischen Juristen
-begründet. Die Begriffe und Sätze ihrer Wissenschaft erscheinen ihnen
-nicht wie durch ihre Willkühr hervorgebracht, es sind wirkliche Wesen,
-deren Daseyn und deren Genealogie ihnen durch langen vertrauten
-Umgang bekannt geworden ist. Darum eben hat ihr ganzes Verfahren eine
-Sicherheit, wie sie sich sonst außer der Mathematik nicht findet, und
-man kann ohne Uebertreibung sagen, daß sie mit ihren Begriffen rechnen.
-Diese Methode aber ist keinesweges das ausschließende Eigenthum
-eines oder weniger großen Schriftsteller, sie ist vielmehr Gemeingut
-Aller, und obgleich unter sie ein sehr verschiedenes Maaß glücklicher
-Anwendung vertheilt war, so ist doch die Methode überall dieselbe.
-Selbst wenn wir ihre Schriften vollständig vor uns hätten, würden wir
-darin weit weniger Individualität finden, als in irgend einer andern
-Literatur, sie alle arbeiten gewissermaaßen an einem und demselben
-großen Werke, und die Idee, welche der Compilation der Pandekten
-zum Grunde liegt, ist darum nicht völlig zu verwerfen. Wie tief bey
-den Römischen Juristen diese Gemeinschaft des wissenschaftlichen
-Besitzes gegründet ist, zeigt sich auch darin, daß sie auf die äußeren
-Mittel dieser Gemeinschaft geringen Werth legen; so z. B. sind ihre
-Definitionen größtentheils sehr unvollkommen, ohne daß die Schärfe
-und Sicherheit der Begriffe im geringsten darunter leidet. Dagegen
-steht ihnen[[30]] ein viel wichtigeres, mehr unwillkührliches Mittel
-zu Gebot, eine treffliche Kunstsprache, die mit der Wissenschaft so
-zusammenfällt, daß beide ein unauflösliches Ganze zu bilden scheinen.
-Mit diesen Vorzügen aber könnte sich eine schneidende Einseitigkeit
-sehr wohl vertragen. Das Recht nämlich hat kein Daseyn für sich,
-sein Wesen vielmehr ist das Leben der Menschen selbst, von einer
-besondern Seite angesehen. Wenn sich nun die Wissenschaft des Rechts
-von diesem ihrem Objecte ablöst, so wird die wissenschaftliche
-Thätigkeit ihren einseitigen Weg fortgehen können, ohne von einer
-entsprechenden Anschauung der Rechtsverhältnisse selbst begleitet
-zu seyn; die Wissenschaft wird alsdann einen hohen Grad formeller
-Ausbildung erlangen können, und doch alle eigentliche Realität
-entbehren. Aber gerade von dieser Seite erscheint die Methode der
-Römischen Juristen am vortrefflichsten. Haben sie einen Rechtsfall zu
-beurtheilen, so gehen sie von der lebendigsten Anschauung desselben
-aus, und wir sehen vor unsern Augen das ganze Verhältniß Schritt vor
-Schritt entstehen und sich verändern. Es ist nun, als ob dieser Fall
-der Anfangspunkt der ganzen Wissenschaft wäre, welche von hier aus
-erfunden werden sollte. So ist ihnen Theorie und Praxis eigentlich gar
-nicht verschieden, ihre Theorie ist bis zur unmittelbarsten Anwendung
-durchgebildet, und ihre Praxis wird stets durch wissenschaftliche
-Behandlung geadelt. In jedem[[31]] Grundsatz sehen sie zugleich
-einen Fall der Anwendung, in jedem Rechtsfall zugleich die Regel,
-wodurch er bestimmt wird, und in der Leichtigkeit, womit sie so vom
-allgemeinen zum besondern und vom besondern zum allgemeinen übergehen,
-ist ihre Meisterschaft unverkennbar. Und in dieser Methode, das Recht
-zu finden und zu weisen, haben sie ihren eigenthümlichsten Werth,
-darin den germanischen Schöffen unähnlich, daß ihre Kunst zugleich zu
-wissenschaftlicher Erkenntniß und Mittheilung ausgebildet ist, doch
-ohne die Anschaulichkeit und Lebendigkeit einzubüßen, welche früheren
-Zeitaltern eigen zu seyn pflegen.
-
-Diese hohe Bildung der Rechtswissenschaft bey den Römern im Anfang
-des dritten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung ist etwas so
-merkwürdiges, daß wir auch die Geschichte derselben in Betracht ziehen
-müssen. Es würde sehr irrig seyn, wenn man dieselbe als die reine
-Erfindung eines sehr begünstigten Zeitalters, ohne Zusammenhang mit
-der Vorzeit, halten wollte. Vielmehr war der Stoff ihrer Wissenschaft
-den Juristen dieser Zeit schon gegeben, größtentheils noch aus der
-Zeit der freyen Republik. Aber nicht blos dieser Stoff, sondern
-auch jene bewundernswürdige Methode selbst hatte ihre Wurzel in der
-Zeit der Freyheit. Was nämlich Rom groß gemacht hat, war der rege,
-lebendige, politische Sinn, womit dieses Volk die Formen seiner
-Verfassung stets[[32]] auf solche Weise zu verjüngen bereit war,
-daß das neue blos zur Entwicklung des alten diente, dieses richtige
-Ebenmaaß der beharrlichen und der fortbewegenden Kräfte. Dieser Sinn
-war in der Verfassung wie im bürgerlichen Rechte wirksam, aber dort
-war er schon vor dem Ende der Republik erloschen, während er hier
-noch Jahrhunderte lang fortwirken konnte, weil hier nicht dieselben
-Gründe der Corruption statt fanden wie in der Verfassung. Also auch im
-bürgerlichen Rechte war der allgemeine Römische Character sichtbar,
-das Festhalten am Herkömmlichen, ohne sich durch dasselbe zu binden,
-wenn es einer neuen, volksmäßig herrschenden Ansicht nicht mehr
-entsprach. Darum zeigt die Geschichte des Römischen Rechts bis zur
-classischen Zeit überall allmähliche, völlig organische Entwicklung.
-Entsteht eine neue Rechtsform, so wird dieselbe unmittelbar an
-eine alte, bestehende angeknüpft, und ihr so die Bestimmtheit und
-Ausbildung derselben zugewendet. Dieses ist der Begriff der Fiction,
-für die Entwicklung des Römischen Rechts höchst wichtig und von den
-Neueren oft lächerlich verkannt: so die ~bonorum possessio~ neben der
-~hereditas~, die ~publiciana actio~ neben der ~rei vindicatio~, die
-~actiones utiles~ neben den ~directae~. Und indem auf diese Weise das
-juristische Denken von der größten Einfachheit zur mannichfaltigsten
-Ausbildung ganz stetig und ohne äußere Störung oder Unterbrechung
-fortschritt, wurde[[33]] den Römischen Juristen auch in der späteren
-Zeit die vollendete Herrschaft über ihren Stoff möglich, die wir
-an ihnen bewundern. So wie nun oben bemerkt worden ist, daß die
-Rechtswissenschaft in ihrer classischen Zeit Gemeingut der Juristen
-war, so erkennen wir jetzt auch eine ähnliche Gemeinschaft zwischen den
-verschiedensten Zeitaltern, und wir sind genöthigt, das juristische
-Genie, wodurch die Trefflichkeit des Römischen Rechts bestimmt worden
-ist, nicht einem einzelnen Zeitalter, sondern der Nation überhaupt
-zuzuschreiben. Allein wenn wir auf die literarische Ausbildung sehen,
-durch welche allein dem Römischen Recht eine bleibende Wirkung auf
-andere Völker und Zeiten gesichert werden konnte, so müssen wir das
-Zeitalter des *Papinian* und *Ulpian* als das vornehmste erkennen, und
-wenn wir juristische Bücher aus der Zeit des *Cicero* oder des *August*
-übrig hätten, so würden wir schwerlich die Unvollkommenheit derselben
-neben jenem Zeitalter verkennen können, so wichtig sie auch für unsere
-Kenntniß seyn müßten.
-
-Aus dieser Darstellung ist von selbst klar, daß das Römische Recht
-sich fast ganz von innen heraus, als Gewohnheitsrecht, gebildet hat,
-und die genauere Geschichte desselben lehrt, wie gering im Ganzen
-der Einfluß eigentlicher Gesetze geblieben ist, so lange das Recht
-in einem lebendigen Zustande war. Auch für[[34]] dasjenige, was oben
-über das Bedürfniß eines Gesetzbuchs gesagt wurde, ist die Geschichte
-des Römischen Rechts sehr lehrreich. So lange das Recht in lebendigem
-Fortschreiten war, wurde kein Gesetzbuch nöthig gefunden, selbst da
-nicht, als die Umstände dafür am günstigsten waren. Nämlich zur Zeit
-der classischen Juristen hätte es keine Schwierigkeit gemacht, ein
-treffliches Gesetzbuch zu verfassen. Auch waren die drey berühmtesten
-Juristen, *Papinian*, *Ulpian* und *Paulus* ~praefecti praetorio~;
-diesen fehlte es sicher weder an Interesse für das Recht, noch an
-Macht, ein Gesetzbuch zu veranlassen, wenn sie es gut oder nöthig
-fanden: dennoch sehen wir keine Spur von einem solchen Versuche. Aber
-als früher *Cäsar* im Gefühl seiner Kraft und der Schlechtigkeit des
-Zeitalters nur seinen Willen in Rom gelten lassen wollte, soll er auch
-auf ein Gesetzbuch in unserm Sinne bedacht gewesen seyn[9]. Und als im
-sechsten Jahrhundert alles geistige Leben erstorben war, suchte man
-Trümmer aus besseren Zeiten zusammen, um dem Bedürfniß des Augenblicks
-abzuhelfen. So entstanden in einem kurzen Zeitraum verschiedene
-Römische Gesetzbücher: das Edict des *Theoderich*, das Westgothische
-Breviarium[[35]], der sogenannte *Papian*, und die Rechtsbücher von
-*Justinian*. Schwerlich hätten sich Bücher über Römisches Recht
-erhalten, wenn nicht diese Gesetzbücher gewesen wären, und schwerlich
-hätte Römisches Recht im neueren Europa Eingang gefunden, wären nicht
-unter diesen Gesetzbüchern die von *Justinian* gewesen, in welchen
-unter jenen allein der Geist des Römischen Rechts erkennbar ist. Der
-Gedanke zu diesen Gesetzbüchern aber ist augenscheinlich nur durch den
-äußersten Verfall des Rechts herbeygeführt worden.
-
-Ueber den materiellen Werth des Römischen Rechts können die Meynungen
-sehr verschieden seyn, aber über die hier dargestellte Meisterschaft in
-der juristischen Methode sind ohne Zweifel alle einig, welche hierin
-eine Stimme haben. Eine solche Stimme aber kann offenbar nur denjenigen
-zukommen, welche unbefangen und mit literarischem Sinn die Quellen des
-Römischen Rechts lesen. Die es blos aus Compendien oder Vorlesungen
-kennen, also von Hörensagen, selbst wenn sie einzelne Beweisstellen
-nachgeschlagen haben mögen, haben keine Stimme: für sie ist jegliche
-Ansicht möglich, unter andern die eines trefflichen Französischen
-Redners. Dieser behauptet, das Römische Recht habe zur Zeit der alten
-Juristen aus einer unzählbaren Menge einzelner Entscheidungen und
-Regeln bestanden, die ein Menschenleben nicht habe erfassen können:
-unter *Justinian*[[36]] aber »~la législation romaine sortit du
-chaos~,« und sein Werk war das am wenigsten unvollkommene, bis in dem
-Code Napoleon ein ganz vollkommenes erschien[10].
-
-
-5.
-
-Bürgerliches Recht in Deutschland.
-
-[[37]] Bis auf sehr neue Zeiten war in ganz Deutschland ein
-gleichförmiges bürgerliches Recht unter dem Namen des *gemeinen Rechts*
-in Uebung, durch Landesrechte mehr oder weniger modificirt, aber
-nirgends in allen seinen Theilen außer Kraft gesetzt. Die Hauptquelle
-dieses gemeinen Rechts waren die Rechtsbücher von *Justinian*, deren
-bloße Anwendung auf Deutschland indessen von selbst schon wichtige
-Modificationen herbeigeführt hatte. Diesem gemeinen Rechte war
-von jeher die wissenschaftliche Thätigkeit der deutschen Juristen
-größtentheils zugewendet. Aber eben über dieses fremde Element unsers
-Rechts sind auch schon längst bittere Klagen erhoben worden. Das
-Römische Recht soll uns unsre Nationalität entzogen haben, und nur
-die ausschließende Beschäftigung unsrer Juristen mit demselben soll
-das einheimische Recht gehindert haben, eine eben so selbstständige
-und wissenschaftliche Ausbildung zu erlangen. Beschwerden dieser Art
-haben schon darin etwas leeres und grundloses, daß sie als zufällig und
-willkührlich voraussetzen, was ohne innere Nothwendigkeit nimmermehr
-geschehen oder doch nicht bleibend geworden wäre. Auch liegt überhaupt
-eine abgeschlossene[[38]] nationale Entwicklung, wie die der Alten,
-nicht auf dem Wege, welchen die Natur den neueren Völkern angewiesen
-hat; wie ihre Religion nicht Eigenthum der Völker ist, ihre Literatur
-eben so wenig frey von den mächtigsten äußeren Einflüssen, so scheint
-ihnen auch ein fremdes und gemeinsames bürgerliches Recht nicht
-unnatürlich. Ja sogar nicht blos fremd überhaupt war dieser Einfluß auf
-Bildung und Literatur, sondern größtentheils Römisch, eben so Römisch
-als jener Einfluß auf unser Recht. Allein in diesem Falle liegt noch
-ein besonderer Irrthum bey jener Ansicht zum Grunde. Nämlich auch
-ohne Einmischung des Römischen wäre eine ungestörte Ausbildung des
-Deutschen Rechts dennoch unmöglich gewesen, indem alle die Bedingungen
-fehlten, welche in Rom das bürgerliche Recht so sehr begünstigt
-hatten. Dahin gehörte zuerst die unverrückte Localität, indem Rom,
-ursprünglich der Staat selbst, bis zum Untergang des westlichen
-Reichs der Mittelpunkt desselben blieb, während die Deutschen Stämme
-auswanderten, unterjochten und unterjocht wurden, so daß das Recht
-unter alle vertheilt war, aber nirgends eine unverrückte Stelle, noch
-weniger einen einzelnen Mittelpunkt fand. Dann haben schon sehr frühe
-die Deutschen Stämme Revolutionen erfahren von so durchgreifender Art,
-wie sie die ganze Römische Geschichte nicht kennt. Denn selbst die
-Aenderungen der Verfassung unter *August* und unter[[39]] *Constantin*
-wirkten auf das bürgerliche Recht nicht unmittelbar und ließen selbst
-Grundbegriffe des öffentlichen Rechts, wie z. B. den der Civität,
-unberührt. In Deutschland dagegen, als das Lehenwesen ganz ausgebildet
-war, blieb von der alten Nation eigentlich nichts mehr übrig, alles
-bis auf Formen und Namen war von Grund aus verändert, und diese
-gänzliche Umwälzung war schon entschieden, als das Römische Recht
-Eingang fand.
-
-Im vorigen Abschnitt ist gezeigt worden, wie wichtig das Römische
-Recht als Muster juristischer Methode sey: für Deutschland ist es nun
-auch historisch, durch sein Verhältniß zum gemeinen Recht, von großer
-Wichtigkeit. Es ist ganz falsch, wenn man diese historische Wichtigkeit
-des Römischen Rechts auf die Fälle einschränken wollte, welche
-unmittelbar aus demselben entschieden werden. Nicht nur ist in den
-Landesrechten selbst sehr vieles blos Römisches Recht und nur in seinem
-ursprünglichen Römischen Zusammenhang verständlich, sondern auch da,
-wo man absichtlich seine Bestimmungen verlassen hat, hat es häufig die
-Richtung und Ansicht des neu eingeführten Rechts bestimmt, so daß die
-Aufgabe, die durch dieses neue Recht gelöst werden soll, ohne Römisches
-Recht gar nicht verstanden werden kann. Diese historische Wichtigkeit
-aber theilt mit dem Römischen Recht das Deutsche, welches überall in
-den Landesrechten erhalten ist, so daß diese ohne Zurückführung[[40]]
-auf die gemeinsame Quelle unverständlich bleiben müssen.
-
-Gegen diesen nicht wenig verwickelten Zustand der Rechtsquellen in
-Deutschland, wie er aus der Verbindung des schon an sich sehr zusammen
-gesetzten gemeinen Rechts mit den Landesrechten hervorgieng, sind
-die größten Klagen geführt worden. Diejenigen, welche das Studium
-betreffen, werden besser unten ihre Stelle finden: einige aber
-betreffen die Rechtspflege selbst.
-
-*Erstlich* soll dadurch die übermäßig lange Dauer der Prozesse in
-vielen Deutschen Ländern bewirkt worden seyn. Dieses Uebel selbst wird
-niemand abläugnen oder für unbedeutend erklären können, aber man thut
-den Richtern in solchen Ländern in der That zu viel Ehre an, wenn man
-glaubt, auf das ängstliche Grübeln über der schweren Theorie werde so
-viele Zeit verwendet. Ueber diese Theorie hilft das erste Compendium
-oder Handbuch hinweg, welches zur Hand ist: schlecht vielleicht,
-aber gewiß mit nicht mehr Aufwand von Zeit als das vortrefflichste
-Gesetzbuch. Jenes Uebel entspringt vorzüglich aus der heillosen
-Prozeßform vieler Länder, und deren Reform gehört allerdings zu den
-dringendsten Bedürfnissen: die Quellen des bürgerlichen Rechts sind
-daran schuldlos. Daß dem so ist, wird jeder Unbefangene zugeben,
-welcher Acten aufmerksam gelesen hat. Auch die Erfahrung einzelner
-Länder spricht dafür, so z. B. war[[41]] schon längst in Hessen
-die Rechtspflege gut und schnell, obgleich da gerade in demselben
-Verhältniß gemeines Recht und Landesrecht galt, wie in den Ländern, in
-welchen die Prozesse nicht zu Ende gehen.
-
-*Zweytens* klagt man über die große Verschiedenheit der Landesrechte,
-und diese Klage geht noch weiter als auf das Verhältniß verschiedener
-Deutscher Länder, da häufig auch in demselben Lande Provinzen und
-Städte wiederum besonderes Recht haben. Daß durch diese Verschiedenheit
-die Rechtspflege selbst leide und der Verkehr erschwert werde, hat man
-häufig gesagt, aber keine Erfahrung spricht dafür, und der wahre Grund
-ist wohl meist ein anderer. Er besteht in der unbeschreiblichen Gewalt,
-welche die bloße Idee der Gleichförmigkeit nach allen Richtungen nun
-schon so lange in Europa ausübt: eine Gewalt, gegen deren Mißbrauch
-schon *Montesquieu* warnt[11]. Es lohnt wohl der Mühe, diese
-Gleichförmigkeit in dieser besondern Anwendung näher zu betrachten.
-Das wichtigste, was man für die Gleichförmigkeit des Rechts sagt, ist
-dieses: die Liebe zum gemeinsamen Vaterland werde durch sie erhöht,
-durch die Mannichfaltigkeit der Particularrechte aber geschwächt. Ist
-diese Voraussetzung[[42]] wahr, so wird jeder wohlgesinnte Deutsche
-wünschen, daß Deutschland in allen seinen Theilen gleiches Recht
-genießen möge. Aber eben diese Voraussetzung ist nun der Gegenstand
-unsrer Prüfung.
-
-In jedem organischen Wesen, also auch im Staate, beruht die Gesundheit
-darauf, daß beides, das Ganze und jeder Theil, im Gleichgewicht
-stehe, daß jedem sein Recht widerfahre. Daß ein Bürger, eine Stadt,
-eine Provinz den Staat vergessen, dem sie angehören, ist eine
-sehr gewöhnliche Erscheinung, und jeder wird diesen Zustand für
-unnatürlich und krankhaft erkennen. Aber eben so kann die lebendige
-Liebe zum Ganzen blos aus der lebendigen Theilnahme an allen einzelnen
-Verhältnissen hervorgehen, und nur wer seinem Hause tüchtig vorsteht,
-wird ein trefflicher Bürger seyn. Darum ist es ein Irrthum, zu glauben,
-das Allgemeine werde an Leben gewinnen durch die Vernichtung aller
-individuellen Verhältnisse. Könnte in jedem Stande, in jeder Stadt,
-ja in jedem Dorfe ein eigenthümliches Selbstgefühl erzeugt werden, so
-würde aus diesem erhöhten und vervielfältigten individuellen Leben
-auch das Ganze neue Kraft gewinnen. Darum, wenn von dem Einfluß des
-bürgerlichen Rechts auf das Vaterlandsgefühl die Rede ist, so darf
-nicht geradezu das besondere Recht einzelner Provinzen und Städte für
-nachtheilig gehalten werden. Lob in dieser Beziehung[[43]] verdient
-das bürgerliche Recht, insoferne es das Gefühl und Bewußtseyn des
-Volkes berührt oder zu berühren fähig ist: Tadel, wenn es als etwas
-fremdartiges, aus Willkühr entstandenes, das Volk ohne Theilnahme läßt.
-Jenes aber wird öfter und leichter bey besonderen Rechten einzelner
-Landstriche der Fall seyn, obgleich gewiß nicht jedes Stadtrecht etwas
-wahrhaft volksmäßiges seyn wird. Ja für diesen politischen Zweck
-scheint kein Zustand des bürgerlichen Rechts günstiger, als der,
-welcher vormals in Deutschland allgemein war: große Mannichfaltigkeit
-und Eigenthümlichkeit im einzelnen, aber als Grundlage überall
-das gemeine Recht, welches alle Deutschen Volksstämme stets an
-ihre unauflösliche Einheit erinnerte. Das verderblichste aber von
-diesem Standpuncte aus ist leichte und willkührliche Aenderung des
-bürgerlichen Rechts, und selbst wenn durch dieselbe für Einfachheit
-und Bequemlichkeit gut gesorgt wäre, so könnte dieser Gewinn gegen
-jenen politischen Nachtheil nicht in Betracht kommen. Was so vor
-unsern Augen von Menschenhänden gemacht ist, wird im Gefühl des Volkes
-stets von demjenigen unterschieden werden, dessen Entstehung nicht
-eben so sichtbar und greiflich ist, und wenn wir in unserm löblichen
-Eifer diese Unterscheidung ein blindes Vorurtheil schelten, so sollten
-wir nicht vergessen, daß aller Glaube und alles Gefühl für das was
-nicht[[44]] unsres gleichen ist, sondern höher als wir, auf einer
-ähnlichen Sinnesart beruht. Eine solche Verwandtschaft könnte uns über
-die Verwerflichkeit jener Unterscheidung wohl zweifelhaft machen[12].
-
-
-6.
-
-Unser Beruf zur Gesetzgebung.
-
-[[45]] Von den Gründen, auf welche das Bedürfniß eines Gesetzbuchs
-für Deutschland gebaut zu werden pflegt, ist im vorigen Abschnitt
-gesprochen worden: wir haben jetzt die Fähigkeit zu dieser Arbeit zu
-untersuchen. Sollte es an dieser fehlen, so müßte durch ein Gesetzbuch
-unser Zustand, den wir bessern wollen, nothwendig verschlimmert werden.
-
-*Baco* forderte, daß die Zeit, in welcher ein Gesetzbuch gemacht werde,
-an Einsicht die vorhergehenden Zeiten übertreffe, wovon die nothwendige
-Folge ist, daß manchem Zeitalter, welches in anderer Rücksicht für
-gebildet gelten mag, gerade diese Fähigkeit abgesprochen werden muß.
-In den neuesten Zeiten haben sich besonders die Gegner des Römischen
-Rechts über solche Ansichten nicht selten entrüstet: denn die Vernunft
-sey allen Völkern und allen Zeiten gemein, und da wir überdem die
-Erfahrung voriger Zeiten benutzen können, so müsse unfehlbar, was wir
-verfertigen, besser als alles vorige werden. Aber eben diese Meynung,
-daß jedes Zeitalter zu allem berufen sey, ist das verderblichste
-Vorurtheil. In den schönen Künsten müssen wir wohl das Gegentheil
-anerkennen,[[46]] warum wollen wir uns nicht dasselbe gefallen lassen,
-wo von Bildung des Staates und des Rechts die Rede ist?
-
-Sehen wir auf die Erwartungen der Nichtjuristen von einem Gesetzbuch,
-so sind diese sehr verschieden nach den verschiedenen Gegenständen des
-Rechts, und auch hierin zeigt sich das zweyfache Element alles Rechts,
-welches ich oben das politische und das technische genannt habe. An
-einigen Gegenständen nehmen sie unmittelbar lebhaften Antheil, andere
-werden als gleichgültig der juristischen Technik allein überlassen:
-jenes ist mehr im Familienrecht, dieses mehr im Vermögensrecht der
-Fall, am meisten in den allgemeinen Grundlagen desselben[13]. Wir
-wollen als Repräsentanten dieser verschiedenartigen Gegenstände die Ehe
-und das Eigenthum wählen, was aber von ihnen gesagt werden wird, soll
-zugleich für die ganze Classe gelten, wozu sie gehören.
-
-Die Ehe gehört nur zur Hälfte dem Rechte an, zur Hälfte aber der
-Sitte, und jedes Eherecht ist unverständlich, welches nicht in
-Verbindung mit dieser seiner nothwendigen Ergänzung betrachtet wird.
-Nun ist in neueren Zeiten aus[[47]] Gründen, die mit der Geschichte
-der christlichen Kirche zusammenhangen, die nichtjuristische Ansicht
-dieses Verhältnisses theils flach, theils im höchsten Grade schwankend
-und unbestimmt geworden, und jene Flachheit, wie dieses Schwanken,
-haben sich dem Recht der Ehe mitgetheilt. Wer die Gesetzgebung und
-das practische Recht in Ehesachen aufmerksam betrachtet, wird darüber
-keinen Zweifel haben. Diejenigen nun, welche glauben, daß jedes
-Uebel nur auf ein abhelfendes Gesetz warte, um dann auf der Stelle
-zu verschwinden, werden diesen traurigen Zustand gern anerkennen, um
-dadurch das Bedürfniß einer kräftigen, durchgreifenden Gesetzgebung
-in helles Licht zu setzen. Aber eben die Hoffnung, die sie hierin
-auf Gesetze bauen, halte ich für ganz grundlos. Ist einmal in der
-allgemeinen Ansicht eine bestimmte und löbliche Richtung sichtbar,
-so kann diese durch Gesetzgebung kräftig unterstützt werden, aber
-hervorgebracht wird sie durch diese nicht, und wo sie gänzlich fehlt,
-wird jeder Versuch einer erschöpfenden Gesetzgebung den gegenwärtigen
-Zustand nur noch schwankender machen und die Heilung erschweren.
-
-Wir betrachten ferner diejenigen Gegenstände, welche (wie das
-Eigenthum) im nichtjuristischen Publikum mit Gleichgültigkeit
-betrachtet werden, und wovon selbst Juristen urtheilen, daß sie unter
-allen Umständen dieselben seyn können[14], so daß sie lediglich[[48]]
-der juristischen Technik anheim fallen. Daß wir diese Ansicht von
-ihnen haben, ist eigentlich selbst schon Zeichen eines öffentlichen
-Zustandes, welchem die rechtsbildende Kraft fehlt; denn wo diese
-lebendig ist, werden alle diese Verhältnisse nichts weniger als
-gleichgültig, sondern vielmehr ganz eigenthümlich und nothwendig
-seyn, wie die Geschichte jedes ursprünglichen Rechts beweist. Jenen
-Zustand aber als den unsrigen vorausgesetzt, wird unsre Fähigkeit zur
-Gesetzgebung von dem Werthe und der Ausbildung unsrer juristischen
-Technik abhangen, und auf diese muß demnach unsre Untersuchung zunächst
-gerichtet seyn.
-
-Unglücklicherweise nun ist das ganze achtzehente Jahrhundert in
-Deutschland sehr arm an großen Juristen gewesen. Fleißige Männer
-zwar fanden sich in Menge, von welchen sehr schätzbare Vorarbeiten
-gethan wurden, aber weiter als zu Vorarbeiten kam es selten. Ein
-zweyfacher Sinn ist dem Juristen unentbehrlich: der historische,
-um das eigenthümliche jedes Zeitalters und jeder Rechtsform scharf
-aufzufassen, und der systematische, um jeden Begriff und jeden Satz
-in lebendiger Verbindung und Wechselwirkung mit dem Ganzen anzusehen,
-d. h. in dem Verhältniß, welches das allein wahre und natürliche
-ist. Dieser zweyfache wissenschaftliche Sinn findet sich ungemein
-wenig in den Juristen des achtzehenten Jahrhunderts, und vorzüglich
-ein vielfältiges flaches Bestreben in der Philosophie wirkte sehr
-ungünstig. Ueber[[49]] die Zeit, in welcher man selbst lebt, ist ein
-sicheres Urtheil sehr schwer: doch, wenn nicht alle Zeichen trügen,
-ist ein lebendigerer Geist in unsre Wissenschaft gekommen, der sie
-künftig wieder zu einer eigenthümlichen Bildung erheben kann. Nur
-fertig geworden ist von dieser Bildung noch sehr wenig, und aus
-diesem Grunde läugne ich unsre Fähigkeit, ein löbliches Gesetzbuch
-hervorzubringen. Viele mögen dieses Urtheil für übertrieben halten,
-aber diese fordere ich auf, mir unter der nicht geringen Zahl von
-Systemen des Römisch-Deutschen Rechts eines zu zeigen, welches nicht
-etwa blos zu diesem oder jenem besondern Zwecke nützlich dienen könne,
-denn deren haben wir viele, sondern welches als Buch vortrefflich sey;
-dieses Lob aber wird nur dann gelten können, wenn die Darstellung
-eine eigene, selbstständige Form hat, und zugleich den Stoff zu
-lebendiger Anschauung bringt. So z. B. im Römischen Rechte würde es
-darauf ankommen, daß die Methode der alten Juristen, der Geist, der
-in den Pandekten lebt, erkennbar wäre, und ich würde mich sehr freuen,
-dasjenige unsrer Systeme kennen zu lernen, worin dieses der Fall seyn
-möchte. Hat nun diese Arbeit bey vielem Fleiße und guten Talenten bis
-jetzt nicht gelingen wollen, so behaupte ich, daß in unsrer Zeit ein
-gutes Gesetzbuch noch nicht möglich ist, denn für dieses ist die Arbeit
-nicht anders, nur schwerer. Es giebt noch eine andere Probe für unsre
-Fähigkeit: vergleichen wir unsre[[50]] juristische Literatur mit der
-literarischen Bildung der Deutschen überhaupt, und sehen wir zu, ob
-jene mit dieser gleichen Schritt gehalten hat, das Urtheil wird nicht
-günstig ausfallen, und wir werden ein ganz anderes Verhältniß finden,
-als das der Römischen Juristen zur Literatur der Römer. In dieser
-Ansicht liegt keine Herabsetzung, denn unsre Aufgabe ist in der That
-sehr groß, ohne Vergleichung schwerer als die der Römischen Juristen
-war. Aber eben die Größe dieser Aufgabe sollen wir nicht verkennen
-aus Bequemlichkeit oder Eigendünkel, wir sollen nicht am Ziel zu seyn
-glauben, wenn wir noch weit davon entfernt sind.
-
-Haben wir nun in der That nicht was nöthig ist, damit ein gutes
-Gesetzbuch entstehe, so dürfen wir nicht glauben, daß das wirkliche
-Unternehmen eben nichts weiter seyn würde, als eine fehlgeschlagene
-Hoffnung, die uns im schlimmsten Fall nur nicht weiter gebracht
-hätte. Von der großen Gefahr, die unvermeidlich eintritt, wenn der
-Zustand einer sehr mangelhaften unbegründeten Kenntniß durch äußere
-Autorität fixiert wird, ist schon oben (S. 22) gesprochen worden,
-und diese Gefahr würde hier um so größer seyn, je allgemeiner die
-Unternehmung wäre und je mehr sie mit dem erwachenden Nationalinteresse
-in Verbindung gebracht würde. Nahe liegende Beyspiele geben in
-solchen Dingen oft ein weniger deutliches Bild: ich will also, um
-anschaulich[[51]] zu machen, was auf solche Weise entstehen kann, an
-die Zeit nach der Auflösung des weströmischen Reichs erinnern, wo eben
-so ein unvollkommner Zustand der Rechtskenntniß fixirt worden ist (S.
-34). Der einzige Fall, der hier eine Vergleichung darbietet, ist das
-Edict des Ostgothischen Theoderich, weil hier allein das vorhandene
-Recht in einer eigenen, neuen Form dargestellt werden sollte. Ich bin
-weit entfernt zu glauben, daß, was wir hervorbringen könnten, diesem
-Edict völlig gleich sehen würde, denn der Unterschied der Zeiten ist
-in der That sehr groß: die Römer im Jahr 500 hatten Mühe zu sagen
-was sie dachten, wir verstehen gewissermaaßen zu schreiben: ferner
-gab es damals gar keine juristische Schriftsteller, wir haben daran
-keinen Mangel. Allein darin ist die Aehnlichkeit unverkennbar, daß
-dort ein historischer Stoff dargestellt werden sollte, den man nicht
-übersah und nicht regieren konnte, und den wir Mühe haben in dieser
-Darstellung wieder zu erkennen. Und darin ist der Nachteil entschieden
-auf unsrer Seite, daß im Jahr 500 nichts zu verderben war. In unsrer
-Zeit dagegen ist ein lebendiges Bestreben nicht abzuläugnen, und
-niemand kann wissen, wie viel besseres wir der Zukunft entziehen, indem
-wir gegenwärtige Mängel befestigen. Denn »~ut corpora lente augescunt,
-cito extinguuntur; sic ingenia studiaque oppresseris facilius quam
-revocaveris~.«[15]
-
-[[52]] Ein wichtiger Punkt ist noch zu bedenken, die Sprache nämlich.
-Ich frage jeden, der für würdigen, angemessenen Ausdruck Sinn hat,
-und der die Sprache nicht als eine gemeine Geräthschaft, sondern als
-Kunstmittel betrachtet, ob wir eine Sprache haben, in welcher ein
-Gesetzbuch geschrieben werden könnte. Ich bin weit entfernt, die
-Kraft der edlen Deutschen Sprache selbst in Zweifel zu ziehen; aber
-eben daß sie jetzt nicht dazu taugt, ist mir ein Zeichen mehr, daß
-wir in diesem Kreise des Denkens zurück sind. Kommt nur erst unsre
-Wissenschaft weiter, so wird man sehen, wie unsre Sprache durch
-frische, ursprüngliche Lebenskraft förderlich seyn wird. Noch mehr,
-ich glaube wir sind in diesem Stücke noch in neueren Zeiten rückwärts
-gegangen. Ich kenne aus dem achtzehenten Jahrhundert kein Deutsches
-Gesetz, welches in Ernst und Kraft des Ausdrucks mit der peinlichen
-Gerichtsordnung Karls des fünften verglichen werden könnte.
-
-Ich weiß, was man auf diese Gründe antworten kann, selbst wenn man sie
-alle zugiebt: die Kraft des menschlichen Geistes sey unendlich, und
-bey redlichem Streben könne auch jetzt plötzlich ein Werk hervorgehen,
-woran von allen diesen Mängeln keiner verspürt würde. Wohl: der
-Versuch steht jedem frey, an Aufmerksamkeit fehlt es unsrer Zeit nicht,
-und es hat keine Gefahr, daß das wirkliche Gelingen übersehen werde.
-
-[[53]] Ich habe bis jetzt die Fähigkeit unsrer Zeit zu einer
-allgemeinen Gesetzgebung untersucht, als ob dergleichen noch nicht
-unternommen worden wäre. Ich wende mich jetzt zu den Gesetzbüchern,
-welche die neueste Zeit wirklich hervorgebracht hat.
-
-
-7.
-
-Die drey neuen Gesetzbücher.
-
-[[54]] Die vollständige Kritik eines Gesetzbuchs, die von größerem
-Umfang seyn muß, als das Gesetzbuch selbst, kann eben deshalb in den
-Gränzen einer kleinen Schrift nicht versucht werden. Auch kommt es hier
-auf diese Gesetzbücher nicht sowohl in ihrem Werthe im einzelnen an,
-als in der Wahrscheinlichkeit, die sie uns für oder wider das Gelingen
-einer neuen Unternehmung dieser Art darbieten. Sie sind nämlich
-sämtlich aus demjenigen Zustande juristischer Bildung hervorgegangen,
-für welchen oben die Fähigkeit zur Verfertigung eines guten Gesetzbuchs
-verneint worden ist, und sie werden folglich historisch zur Bestätigung
-oder Widerlegung unsrer Behauptung dienen können. Ich stelle den Code
-Napoleon zuerst, weil über ihn allein ausführliche Verhandlungen
-bekannt gemacht sind, welche recht unmittelbar zu unsrem Zwecke führen
-können.[16]
-
-[[55]] Bey dem Code sind die politischen Elemente der Gesetzgebung
-vor den technischen von Einfluß gewesen, und er hat deshalb in dem
-bestehenden Rechte mehr als die deutschen Gesetzbücher geändert. Die
-Gründe und die Natur dieses überwiegenden Einflusses sind neuerlich in
-einer sehr geistreichen Schrift so gründlich dargestellt worden[17],
-daß ich mich begnügen kann, ihre Ansichten hier kurz zusammen zu
-fassen. Die Revolution nämlich hatte zugleich mit der alten Verfassung
-auch einen großen Theil des bürgerlichen Rechts vernichtet, beides
-mehr aus blindem Trieb gegen das bestehende und in ausschweifenden,
-sinnlosen Erwartungen von einer unbestimmten Zukunft, als von dem
-Wahn eines bestimmten, für trefflich gehaltenen Zustandes geleitet.
-Als nun Bonaparte alles unter militärischen Despotismus zwang, hielt
-er den Theil der Revolution, der ihm diente, und die Rückkehr der
-alten Verfassung ausschloß, begierig fest, das übrige, was nun schon
-Alle anekelte, und was ihm selbst entgegen gewesen wäre, sollte
-verschwinden, nur war dies nicht überall möglich, da[[56]] die Wirkung
-der vergangenen Jahre auf Bildung, Sitten und Gesinnungen nicht
-auszulöschen war. Diese halbe Rückkehr zu den vorigen ruhigen Zuständen
-war allerdings wohlthätig, und sie gab dem Gesetzbuch, das in dieser
-Zeit entstand, seine Hauptrichtung. Aber diese Rückkehr war Ermüdung
-und Ueberdruß, nicht der Sieg edlerer Kräfte und Gesinnungen, auch
-wäre für diese in dem öffentlichen Zustand, der sich nun zur Plage
-von Europa bildete, kein Raum gewesen. Diese innere Bodenlosigkeit
-ist in den Discussionen des Staatsraths unverkennbar, und muß auf
-jeden aufmerksamen Leser einen trostlosen Eindruck machen. Dazu kam
-nun der unmittelbare Einfluß der Staatsverfassung. Diese war, als
-der Code gemacht wurde, der Theorie nach republikanisch im Sinn der
-Revolution, in der That aber neigte sich schon alles zu dem später
-entwickelten Despotismus. Daher entstand in den Grundsätzen selbst
-Schwanken und Veränderlichkeit, so z. B. erklärte Bonaparte selbst
-1803 im Staatsrathe dieselben Familienfideicommisse für schädlich,
-unsittlich und unvernünftig[18], welche 1806 wieder eingeführt und
-1807 in den Code aufgenommen wurden. Weit gefährlicher aber für die
-Gesinnung war es, daß durch diesen schnellen[[57]] Wechsel der letzte
-so oft beschworene Gegenstand des Glaubens und der Verehrung wieder
-vernichtet wurde, und daß Ausdrücke und Formen nunmehr beständig mit
-den Begriffen in Widerspruch kamen, wodurch in den Meisten auch der
-letzte Rest von Wahrheit und sittlicher Haltung verschwinden mußte. Es
-würde schwer seyn, einen öffentlichen Zustand zu erfinden, welcher für
-die Gesetzgebung nachtheiliger als dieser wirkliche wäre. Auch blickt
-bey den Franzosen selbst nicht selten durch die stehenden Lobpreisungen
-ein Gefühl dieses unseeligen Zustandes und der Unvollkommenheit der
-auf denselben gegründeten Arbeit hervor[19]. Für Deutschland aber,
-das der Fluch dieser Revolution nicht getroffen hatte, war der Code,
-der Frankreich einen Theil des Weges zurück führte, vielmehr ein
-Schritt vorwärts in den Zustand der Revolution hinein, folglich
-verderblicher und heilloser als für Frankreich selbst[20]. -- Doch
-alle diese Ansichten haben glücklicherweise für uns Deutsche nur noch
-ein historisches Interesse. Napoleon zwar hatte es anders gemeynt.
-Ihm diente der Code als ein Band mehr, die Völker zu umschlingen, und
-darum[[58]] wäre er für uns verderblich und abscheulich gewesen, selbst
-wenn er allen innern Werth gehabt hätte, der ihm fehlt. Von dieser
-Schmach sind wir erlöst, und es wird bald wenig mehr davon übrig seyn,
-als die Erinnerung, daß so manche Deutsche Juristen, selbst ohne allen
-äußeren Beruf, recht vergnügt mit diesem Instrument gespielt, und uns
-Heil verkündigt haben von dem was uns zu verderben bestimmt war. Jetzt
-hat der Code eine andere Stellung gegen Europa angenommen, und wir
-können ihn ruhig und unparteyisch als ein Gesetzbuch für Frankreich
-beurtheilen.
-
-Wir betrachten nunmehr den technischen Theil des Code, welcher gedacht
-werden könnte ohne alle Revolution, indem er schon bestehendes Recht
-enthält[21]. Dieses bestehende Recht aber ist theils Römisches, theils
-Französisches (~coutumes~), so daß auch dieser Theil des Code in jedem
-einzelnen Stücke von Frankreich zur Hälfte neues Recht einführte, und
-nirgends willkommen war[22]; derselbe Erfolg würde bey einem ähnlichen
-Versuche in Deutschland unvermeidlich seyn. Davon abgesehen, wenden
-wir uns nun zur Arbeit selbst. Es ist selbst in Deutschland[[59]]
-nicht selten der Ernst und die Gründlichkeit gerühmt worden, womit
-man diese Arbeit betrieben habe[23]. Daß die vier Redactoren mit der
-Grundlage des ganzen (dem ~projet de code civil~) in wenigen Monaten
-zu Stande kamen, war freylich nicht zu läugnen: aber alles, was hier
-mangeln mochte, sollte in der Discussion des Staatsraths, diesem
-Stolze der Französischen Administration, vollendet worden seyn. Daß
-in dieser Discussion öfters auch gute Gedanken vorkamen, ist wahr,
-aber den allgemeinen Character derselben hat *Thibaut* sehr richtig in
-oberflächliches Hin- und Herreden und Durcheinandertappen gesetzt[24].
-Doch, was hier die Hauptsache ist, das eigentlich technische, wovon der
-wahre Werth abhieng, ist so gut als gar nicht zur Sprache gekommen.
-Und wie konnte es auch anders seyn! Einem sehr zahlreichen und sehr
-gemischten Collegium konnten wohl Fragen begreiflich gemacht werden,
-wie diese, ob der Vater seine Tochter ausstatten müsse, und ob der
-Kauf wegen großer Läsion angefochten werden könne, aber die allgemeine
-Theorie des Sachenrechts und der Obligationen ist nun einmal nicht
-ohne wissenschaftliche Vorbereitung zu verstehen, ja sie[[60]]
-konnte nicht einmal zur Sprache kommen bey einer Discussion, die
-den Entwurf blos nach der Reihe der einzelnen Artikel prüfte, ohne
-den Inhalt und die Behandlung ganzer Abschnitte zu untersuchen. So
-ist es denn gekommen, daß z. B. die Discussion über die Anfechtung
-des Kaufs wenigstens viermal so stark ist, als die über die zwey
-ersten Kapitel der Verträge[25]. Und doch wird mir jeder Sachkundige
-zugeben, daß für den Werth und die Brauchbarkeit des Gesetzbuchs
-überhaupt jene isolirte Fragen gegen diese allgemeinen Lehren ganz
-unbedeutend sind. Der Staatsrath also hat an dem Code, soweit er
-technisch ist, keinen Theil, und der Code ist und bleibt die sehr
-schnelle Arbeit der bekannten Redactoren, eigentlicher Juristen. Und
-wie stand nun die Rechtswissenschaft in Frankreich, als diese Männer
-sich bildeten? Es ist allgemein bekannt, daß für das Römische Recht
-Pothier der Leitstern der neuern Französischen Juristen ist, und
-daß seine Schriften den unmittelbarsten Einfluß auf den Code gehabt
-haben. Ich bin weit entfernt, Pothier gering zu schätzen, vielmehr
-wäre die Jurisprudenz eines Volkes, worin er einer von vielen wäre,
-recht gut berathen. Aber eine juristische Literatur, in welcher er
-allein steht,[[61]] und fast als Quelle verehrt und studiert wird,
-muß doch Mitleid erregen. Betrachten wir ferner diese juristische
-Gelehrsamkeit, wie sie in unläugbaren Thatsachen vor uns liegt, so
-ist sie in der That merkwürdig. Sehr bedeutend sind schon solche
-Erscheinungen wie *Desquiron*[26], der von einem Römischen Juristen
-*Justus Lipsius* bald nach den zwölf Tafeln und von dem berühmten
-*Sicardus* unter Theodosius II., Verfasser des Codex Theodosianus,
-erzählt; selbst solche Monstrositäten verstatten einen Schluß auf
-den mittleren Durchschnitt des wissenschaftlichen Zustandes. Allein
-wir wollen uns unmittelbar an die Verfasser des Gesetzbuchs wenden,
-an *Bigot-Preameneu*, *Portalis* und *Maleville*. Von den gelehrten
-Ansichten des ersten ist bereits oben (35) eine Probe vorgekommen.
-Von Portalis mag die folgende Probe genügen. Der ~art~ 6. enthält die
-Regel: ~jus publicum privatorum pactis mutari non potest~. Man hatte
-den Einwurf gemacht, ~jus publicum~ heiße nicht das Recht was den
-Staat interessirt, sondern jedes Gesetz ohne Unterschied, jedes ~jus
-publice stabilitum~. Darauf antwortet *Portalis*[27]: im allgemeinen
-seyen[[62]] beide Bedeutungen des Worts zuzugeben, aber es frage sich,
-was es eben in dieser Stelle des Römischen Rechts heiße. »~Or, voici
-comment est conçu le sommaire de la loi 31^{me} au Digeste de pactis:
-contra tenorem legis privatam utilitatem continentis pacisci licet....
-Ainsi, le droit public est ce qui intéresse plus directement la société
-que les particuliers.~« Ich will nicht davon reden, daß hier ~jus
-publicum~ oberflächlich und schief verstanden ist, aber ich frage:
-was lag bey dieser allgemeinen Regel daran, wie sich die Römer eine
-ähnliche Regel dachten? und wenn daran etwas lag, wie war es möglich,
-den Sprachgebrauch der Römer aus einer Stelle des *Bartolus* (denn von
-diesem ist das ~summarium~) darzuthun, d. h. diesen mit den Römischen
-Juristen für Eine Masse zu halten? Das heißt doch wohl ~tamquam e
-vinculis sermocinari~! *Maleville* zeigt sich in seinem Buche durchaus
-als ein ehrenwerther und verständiger Mann: aber einige Spuren seiner
-juristischen Gelehrsamkeit sind um so entscheidender, da er gerade
-unter die Repräsentanten des Römischen Rechts bey der Redaction des
-Code gehörte. So z. B. giebt er eine kleine Uebersicht der Geschichte
-der Usucapion und der ~res mancipi~, die einzig in ihrer Art ist[28]:
-so[[63]] lange die Römer nur kleines und nahes Landeigenthum hatten,
-sagt er, waren zwey Jahre zur Verjährung hinreichend, als sie aber
-in den Provinzen, also in großer Entfernung von Rom, Land erwarben,
-wurden zehen Jahre erfodert (die ~longi temporis praescriptio~). ~Res
-mancipi~ hießen die Italischen Grundstücke und alle bewegliche Sachen,
-bey beweglichen Sachen gieng durch bloße Tradition Eigenthum über und
-Usucapion ging nur auf ~res mancipi~; bey ~res nec mancipi~ aber, d. h.
-bey Provinzialgrundstücken, gab es eine ~longi temporis praescriptio~,
-wozu kein Titel gehörte; der Inhaber derselben hieß ~dominus
-bonitarius~. An einer andern Stelle ist von der *Justinianischen*
-Usucapion die Rede: man müsse unterscheiden zwischen dem Diebe selbst
-und dem dritten, welcher von dem Diebe kaufe, jener brauche 30 Jahre,
-bey diesem komme die ~L. un. C. de usuc. transform.~ in Anwendung,
-also dreyjährige Verjährung[29], ganz als ob von ~res furtiva~ bey den
-Römern niemals die Rede gewesen wäre. Ein anderer sehr merkwürdiger
-Fall betrifft *Portalis* und *Maleville* zugleich. Bey der Ehescheidung
-nämlich wird beständig Römisches Recht mit zur Sprache gebracht,
-aber *Portalis* und *Maleville* gehen aus von einer Geschichte der
-Römischen Ehescheidung, welche nicht etwa blos falsch,[[64]] sondern
-ganz unmöglich ist; so z. B. glauben beide, die Ehe habe nicht von
-einem Ehegatten einseitig, sondern nur durch Uebereinkunft getrennt
-werden können, wodurch in der That das ganze Recht der Pandekten,
-ja selbst das von *Justinian* über diesen Gegenstand, vollkommen
-sinnlos wird; selbst die Scheidung durch Uebereinkunft sey bey den
-Römern blos eine Folge der irrigen Ansicht, daß die Ehe mit anderen
-Contracten auf gleicher Linie stehe[30]! Und dieses betraf hier nicht
-etwa eine geschichtliche Curiosität, sondern Grundsätze, welche auf
-die Discussion unmittelbaren Einfluß hatten, wie denn z. B. gerade das
-unverständigste in der ganzen Geschichte der Römischen Ehescheidung
-zum allgemeinen Ekel in den Art. 230 aufgenommen ist. Dieser Zustand
-juristischer Gelehrsamkeit aber ist nicht als Hochmuth oder Verstockung
-auszulegen; bey den Debatten über die Rescission des Kaufs führte einem
-Staatsrath der Zufall die Dissertation von *Thomasius* über die ~L.
-2. C. de resc. vend.~ in die Hände, und es ist ordentlich rührend zu
-sehen, mit welchem Erstaunen diese Schrift aufgenommen, excerpirt und
-discutirt wird[31]. Mit ähnlicher und besserer Gelehrsamkeit[[65]]
-könnten wir freilich noch in anderen Materien dienen! auch kann man
-dieser literarischen Unschuld keine nationale Parteylichkeit vorwerfen,
-denn bekanntlich lebten in Frankreich im 16ten Jahrhundert einige
-Leute, von denen man noch jetzt Römisches Recht lernen kann. Aber ich
-selbst habe einen juristischen Professor in Paris sagen hören, die
-Werke des *Cujaz* dürften zwar in einer sehr vollständigen Bibliothek
-nicht fehlen, gebraucht würden sie indessen nicht mehr, weil alles gute
-aus ihnen bey *Pothier* stehe.
-
-So viel von dem Boden, worauf der Code gewachsen ist, nun von der
-Frucht selbst. Materielle Vollständigkeit lag nicht im Plane, es kam
-daher auf folgende drey Stücke an: Auswahl der Gegenstände, Auswahl der
-Bestimmungen über jeden Gegenstand, und Verhältniß zu demjenigen, was
-~in subsidium~ gelten sollte, wo der Code nicht zureichen würde. --
-Die Auswahl der Gegenstände war für den praktisch gebildeten Juristen
-das leichteste, aber gerade diese ist hier so ungeschickt ausgefallen,
-daß für die Anwendung die fühlbarsten Lücken im großen entstehen.
-Nicht Erfahrung und praktischer Sinn hat sie bestimmt, sondern der
-Anstoß, welchen herkömmliche Lehrart gegeben hatte, und geht man
-weiter zurück, so wird man häufig finden, daß wichtige Gegenstände
-blos deswegen fehlen, weil sie auch gar nicht oder nur beyläufig in
-*Justinians* Institutionen vorkommen, die ja so vielen neueren Systemen
-oft unbemerkt[[66]] zum Grunde liegen[32]. Doch dieser Mangel kann uns
-gleichgültiger seyn, da er in jedem künftigen Fall leicht zu vermeiden
-wäre.
-
-Weit wichtiger in dieser Rücksicht, und weit schwerer an sich, ist die
-Auswahl der Bestimmungen über die wirklich abgehandelten Gegenstände,
-also das Finden der Regel, wodurch künftig die Masse des einzelnen
-regiert werden soll. Hier kam es darauf an, selbst im Besitz der
-leitenden Grundsätze zu seyn, worauf alle Sicherheit und Wirksamkeit
-im Geschäft des Juristen beruht (22), und worin die Römer so groß
-als Muster vor uns stehen. Gerade von dieser Seite aber erscheint
-die Arbeit der Franzosen am allertraurigsten, wie nunmehr in einigen
-Beyspielen gezeigt werden soll.
-
-Ein Hauptfehler, der überall fühlbar wird, ist dieser. Die Theorie des
-Vermögensrechts ist im Ganzen die Römische. Bekanntlich beruht aber
-das Römische Vermögensrecht auf zwey Grundbegriffen, der dinglichen
-Rechte nämlich und der Obligationen, und jeder weiß, wie viel die Römer
-mit der Schärfe und Bestimmtheit dieser Begriffe ausrichten. Diese
-Grundbegriffe nun sind hier nicht etwa blos nirgends definirt, was ich
-gar nicht tadeln wollte, sondern sie kennen sie gar nicht in dieser
-Allgemeinheit, und diese[[67]] Unkunde verbreitet über das ganze Werk
-mehr Dämmerung, als man glauben sollte. Allein dieser Punkt, so wichtig
-er ist, bleibt doch zu sehr im allgemeinen stehen; die Lehre von der
-Ungültigkeit juristischer Handlungen in Anwendung auf die Verträge, auf
-die ~actes de l'etat civil~ und auf die Ehe, wird Gelegenheit geben,
-mehr in das besondere einzugehen. Für die Ungültigkeit der Verträge
-hat das Römische Recht den bekannten Unterschied von ~ipso jure~ und
-~per exceptionem~, der im alten Recht mit der höchsten Bestimmtheit
-ausgebildet war, und noch im *Justinianischen* Recht wohl mehr, als
-man gewöhnlich annimmt, wirksam geblieben ist. Im Code kommt ein
-Gegensatz von ~convention nulle de plein droit~ und ~action en nullité
-ou en rescision~ vor (~a.~ 1117). Ob die Verfasser diesen Gegensatz
-für einerley mit jenem Römischen gehalten haben, kann uns gleichgültig
-seyn: aber sehr wichtig ist es, daß die Theorie dieser indirecten
-Ungültigkeit (durch ~action en nullité~) ganz unbestimmt gelassen
-ist. Es kommt fast nichts davon vor, als die Zeit der Verjährung
-(~a.~ 1304), während sehr viele und sehr wichtige Verschiedenheiten
-der Wirkung gerade so noch jetzt statt finden können, wie sie bey
-den Römern statt fanden, also auf irgend eine Weise bestimmt werden
-mußten, da die Sache einmal angeregt war. -- Für die ~actes de
-l'état civil~ ist eine Menge von Förmlichkeiten vorgeschrieben, die
-ihrer[[68]] Natur nach ganz willkührlich sind (~L. 1. T. 2. Ch. 1.~).
-Aber eben deshalb war es doppelt nöthig zu bestimmen, was für Folgen
-die Vernachlässigung dieser Formen haben sollte. Mehrere Gerichtshöfe
-machten auf diese Nothwendigkeit aufmerksam[33], dennoch enthält der
-Code davon gar nichts. Man sollte nun denken, in Paris sey man über die
-Sache selbst so sicher und einig gewesen, daß man eine ausdrückliche
-Bestimmung für überflüssig gehalten hätte; keinesweges. *Cambaceres*
-nimmt an, die Nichtbeobachtung jeder Form erzeuge Nullität, d. h. sie
-vernichte alle Beweiskraft der Urkunde. *Tronchet* dagegen meynt, bey
-Geburt und Tod komme auf die Formen gar nichts an, und Falsum allein
-könne entkräften: bey Ehe hingegen, lasse sich allerdings eine solche
-Nullität wegen fehlender Form denken.[34] *Simeon* aber nimmt an, die
-nichtbeobachtete Form entkräfte niemals den Beweis, also auch nicht
-bey Ehe.[35] Ist nun diese Meynung richtig, so gehörten alle diese
-Formen gar nicht in den Code, sondern in die bloße Instruction der
-Beamten, die Fassung des Code also spricht eigentlich gegen diese
-Meynung. Die Sache ist aber um so schlimmer, da diese Formen bey den
-Todtenlisten wenigstens[[69]] in Paris ganz unausführbar sind, und
-auch in den Provinzen ihre Aufrechthaltung nur gewünscht wird.[36] --
-Noch weit wichtiger aber ist die Lehre von der Ungültigkeit der Ehe.
-Das Römische Recht hatte hier einen sehr einfachen und sehr klaren Weg
-eingeschlagen. Fehlte eine Bedingung gültiger Ehe, so hieß es: ~non
-est matrimonium~, und auf dieses Nichtdaseyn konnte sich zu jeder Zeit
-jeder berufen, der Lust dazu hatte; eine besondere Klage zur Aufhebung
-war nicht nöthig, ja nicht denkbar, also gab es auch keine Verjährung
-noch andere Beschränkung dieses Rechts. Diese Einfachheit genügte,
-weil für jeden andern Fall die einseitige Ehescheidung aushalf; daß
-man in unsern Zeiten damit nicht auskam, war natürlich, und man konnte
-also außer den Fällen jener Nullität (welche ich die Römische Nullität
-nennen will) noch ein besonderes Recht auf Anfechtung aufstellen, was
-man (da es auf das Wort nicht ankommt) immerhin ~action en nullité~
-nennen mochte. Wie verhält sich nun dazu der Code? er nimmt zweyerlei
-Nullitäten an, absolute und relative (~L. 1. T. 5. Ch. 4.~). Dieses
-möchte man wohl gerade für den hier beschriebenen Gegensatz halten,
-so daß z. B. Vernachlässigung der Trauungsform eine Römische Nullität
-wäre. Genau so versteht es auch *Portalis*[37], der eben für diesen
-speciellen Fall[[70]] die wahre, ächte Nullität mit lebhaften Farben
-ausmahlt. Allein *Maleville* nimmt die Römische Nullität (das ~non est
-matrimonium~) außer allen diesen Anfechtungsrechten (~mariage qui peut
-être cassé~) und verschieden von denselben an, so daß es dreyerley
-gäbe: 1. ~non est matrimonium~; 2. absolute Nullität des Code; 3.
-relative Nullität[38]. Auch bey ~N.~ 2 läßt sich wohl etwas denken,
-nämlich es wäre ein Klagerecht auf Vernichtung, was jeder hätte, aber
-doch ein bloßes Klagerecht, so daß ohne alle Klage, und wenn z. B. ein
-Ehegatte gestorben wäre, die Ehe mit allen Folgen gültig bliebe; nur
-wäre das freylich eine überflüssige Subtilität. Aber noch verwickelter
-ist die Ansicht von *Maleville* in dem speciellen Fall, wenn die
-Trauungsform fehlt. Diese Ehe, sagt der Art. 191. ~_peut_ être attaqué~
-von jedermann; aber Art. 193. läßt merken, es werde Fälle dieser Art
-geben, in welchen die Ehe nicht werde aufgehoben werden, doch ohne
-diese Fälle zu nennen. Aus beiden Stellen zieht *Maleville* folgendes
-Resultat[39]: die Ehe ~peut être attaqué~, d. h. man kann auf Aufhebung
-klagen, das Gesetz verwehrt die Klage nicht, aber was der Richter
-thun will, ist seine Sache, oder mit andern Worten, die Aufhebung der
-Ehe hangt von der[[71]] Willkühr des Richters ab. Das wäre folglich
-noch eine vierte Art der Ungültigkeit, verschieden von den drey oben
-angegebenen. Schwerlich giebt es einen Fall, in welchem richterliche
-Willkühr gefährlicher und unpassender ist als in diesem. Ob sie gilt,
-steht freylich dahin, denn das Gesetz sagt davon eigentlich nichts,
-und zwey Redactoren haben darüber, wie ich gezeigt habe, ganz entgegen
-gesetzte Meynungen. Aus zwey Gründen aber wird diese Ungewißheit noch
-besonders hart: erstlich, weil sich in Paris (und wahrscheinlich
-nicht bloß da) die meisten Armen der Kosten wegen gar nicht trauen
-lassen[40], zweytens weil die Form der Trauung selbst eine höchst
-schwankende Bedingung in sich faßt. Nämlich die Trauung muß nothwendig
-von dem ~officier du domicile~ eines der beyden Ehegatten geschehen, so
-daß nicht einmal Delegation zulässig ist[41]. Aber das ~domicile~ ist
-hier nicht das sonst gewöhnliche (Art. 102), sondern ein besonderes,
-für die Trauung allein erfundenes, nämlich Aufenthalt von 6 Monaten
-(Art. 74), so daß man nicht einmal zwischen beiden Arten von ~domicile~
-zu diesem Zwecke die Wahl hat[42]. Wie oft nun muß es bey manchen
-Gewerben zweifelhaft seyn, ob man auch bey dem besten[[72]] Willen
-den rechten Beamten getroffen hat! In jedem Falle dieser Art aber ist
-das ganze Schicksal einer Familie der völlig blinden Willkühr eines
-Gerichts überlassen, welchem bey keiner möglichen Entscheidung ein
-Vorwurf gemacht werden kann, da jede Entscheidung die angesehensten
-Autoritäten für sich hat. Und der erste Grund dieses heillosen
-Schwankens ist, daß man nicht von einem bestimmten, entscheidenden
-Begriffe ausgegangen ist, sondern sich in steter Verwirrung zwischen
-wahrer Nullität und Anfechtungsrecht hin und her bewegt hat, ohne
-jemals aus der Unklarheit heraus kommen zu können[43], wodurch die
-gänzliche Unnützlichkeit der Staatsrathsdiscussionen in technischen
-Dingen recht anschaulich wird. Bey den Römern waren solche Dinge gar
-nicht möglich, und es war diese Unmöglichkeit nicht etwa der Gipfel
-ihrer Kunst, sondern der erste Anfang: das heißt, sie waren Männer vom
-Fach, während diese Redactoren und Staatsräthe reden und schreiben
-wie Dilettanten[[73]], oder mit anderen Worten, jene brauchten kein
-Gesetzbuch, diese sollten keines machen wollen. Noch wird durch diesen
-Fall recht anschaulich, was oben über die Gefährlichkeit unnöthiger
-und unberufener Gesetzgebung gesagt worden ist. Eine Verwirrung
-der Begriffe, wie die hier beschriebene, kann viele Jahre da seyn,
-unbemerkt und unschädlich, weil sich durch Gebrauch das alles in ein
-gewisses leidliches Gleichgewicht gesetzt hat. Aber jetzt wird sie
-gesetzlich ausgesprochen, und wohl gar durch Discussionen ohne Erfolg
-zur allgemeinen Kenntniß gebracht, und nun wird sie gefährlich, nun
-wird sie in der Hand des Ungerechten ein Mittel, Andere zu bestricken
-und zu übervortheilen. Dieses wäre eine politische Deutung der Regel:
-~omnis definitio in jure civili periculosa est~.
-
-Zuletzt ist noch bey dem Code über dasjenige zu sprechen, was ~in
-subsidium~ gelten soll, wo er nicht zureicht. Ueber den Umfang und
-die Wichtigkeit desselben haben sich die Franzosen nicht getäuscht,
-sie haben eingesehen, daß eigentlich die allerwenigsten Rechtsfälle
-unmittelbar durch eine Stelle des Code entschieden werden können, daß
-also fast überall jenes unbekannte das wahrhaft entscheidende seyn
-müsse[44]. Aber über die Natur desselben erklären[[74]] sie sich etwas
-mannichfaltig, sie behandeln es wie eine unbestimmte Größe, welche
-viele Werthe haben kann. Als solche Werthe nämlich kommen vor[45]: 1.
-~équité naturelle~, ~loi naturelle~; 2. Römisches Recht; 3. die alten
-~coutumes~; 4. ~usages~, ~exemples~, ~décisions~, ~jurisprudence~; 5.
-~droit commun~[46]; 6. ~principes généraux~, ~maximes~, ~doctrine~,
-~science~. Ueber das Verhältniß dieser sehr verschiedenen Werthe zu
-einander wird gar nichts gesagt, außer einmal, daß das Naturrecht
-nur ~in subsidium~ gelte, wenn selbst ~usage~ und ~doctrine~ nicht
-ausreiche[47]. Wir wollen es versuchen, bestimmte Resultate hieraus zu
-ziehen.
-
-Zuvörderst ist es auffallend, daß Eine Art der Ergänzung gar nicht
-vorkommt, die organische nämlich, welche von einem gegebenen Punkt
-(also von einem Grundsatz des Gesetzbuchs) mit wissenschaftlicher
-Sicherheit auf einen nicht gegebenen schließt. Unsere Juristen haben
-davon unter den Namen Analogie[[75]] und ~argumentum legis~ etwas
-beschränkte Begriffe, und auch bey den Franzosen findet sich einmal
-beyläufig eine Ahnung davon[48]. Aber daß nicht eigentlich Gebrauch
-davon gemacht wird, ist wohl nicht zufällig. Dieses Verfahren setzt
-in dem Gesetzbuch selbst eine organische Einheit voraus. An eine
-solche aber ist hier auch nicht entfernt zu denken, weder materiell,
-noch formell. Nicht materiell, denn der Code enthält blos mechanisch
-vermengt die Resultate der Revolution und das vorige Recht (S. 56), ja
-auch das vorige Recht ist in ihm nichts in sich verbundenes, da er eine
-~transaction~ zwischen Römischem Recht und ~coutumes~ seyn soll, wie
-öfters von ihm gerühmt worden ist. Formelle Einheit würde er seyn, wenn
-er von den Juristen, seinen Verfassern, durch die verarbeitende Kraft
-des Gedankens zu einem logischen Ganzen geworden wäre, aber daß man
-sich nicht so hoch verstiegen hat, wird durch die bisherige Darstellung
-klar geworden seyn. Demnach blieb freylich nichts übrig, als eine
-Ergänzung von außen zu suchen.
-
-Die oben angegebenen Ergänzungsmittel, welche[[76]] bey den
-französischen Schriftstellern selbst vorkommen, lassen sich noch sehr
-reduciren. Das Naturrecht ist wohl mehr zum Staat als zu ernstlichem
-Gebrauch mit aufgeführt; wo von besondern Anwendungen die Rede ist,
-wird keine Notiz davon genommen, und nur in Deutschland hat man
-den Zustand der Französischen Richter wegen des freyen Gebrauchs
-dieser Rechtsquelle glücklich gepriesen[49]; ich wünschte aber wohl
-gegenwärtig zu seyn, wenn ein Französisches Gericht nach dem Naturrecht
-entscheidet, ob eine Ehe wegen unvollkommener Form der Trauung ungültig
-ist. Die übrigen Stücke kommen zurück auf diese zwey: 1. bisheriges
-Recht; 2. wissenschaftliche Theorie. Diese sind nun einzeln zu prüfen.
-
-Das bisherige Recht ist bekanntlich nicht blos, wo es dem Code
-widerspricht, sondern in allen Materien, die der Code berührt,
-aufgehoben (Art. 4), also so gut als überall. Indessen sind die
-Franzosen über die Bedeutung dieser Aufhebung mehr im klaren, als die
-Deutschen Juristen, welche aus Haß oder Neigung gegen das Römische
-Recht viel darüber gestritten haben. Jene nehmen an, das Römische
-Recht sowohl als die ~coutumes~ zu befolgen, sey dem Richter erlaubt,
-aber es sey ihm nicht geboten, und zwar habe das den Sinn, daß ein
-richterliches[[77]] Urtheil nicht deswegen cassirt werden könne,
-weil es diesen Rechtsquellen widerspreche[50]. Dasselbe gilt nun
-auch vom vormaligen Gerichtsgebrauch[51], wie denn unzähligemal die
-alte ~jurisprudence~ als Quelle angeführt wird. Ohne Zweifel denkt
-man sich das nicht so, daß jeder Richter in einem Fall, den der Code
-unentschieden läßt, zwischen Römischem Recht und irgend einer ~coutume~
-wählen dürfe, denn sonst wäre die Willkühr zu ungeheuer, sondern jeder
-soll das Recht befolgen, was in dieser Gegend vormals galt, d. h.
-entweder Römisches Recht, durch den alten Gerichtsgebrauch modificirt,
-oder eine specielle ~coutume~ mit derselben Modification. Die
-nothwendige Folge davon wird wiederum eine große Rechtsverschiedenheit
-in den Sprengeln der einzelnen Appellationsgerichte seyn, und diese
-Verschiedenheit wird jetzt, wo sie in der Stille, gegen die Absicht des
-Gesetzes, und mit Verwirrung der vorigen Gränzen statt finden muß, ein
-wahres Uebel seyn, was sie vormals nicht war. Dabey wird aber schon der
-günstige Fall vorausgesetzt, daß die Gerichte auf diese regelmäßige
-Weise von der Erlaubniß jener entfernten Rechtsquellen Gebrauch machen
-wollen. Aber wer bürgt dafür, da es ihnen nicht geboten ist? Wenn also
-in einem[[78]] Rechtsfall ein Gericht vorzieht, irgend eine beliebige
-~équité~ oder ~loi naturelle~ anzuwenden aus besonderer Ueberzeugung,
-oder als Vorwand einer Ungerechtigkeit, so kann ihm durchaus kein
-Vorwurf gemacht werden, denn das Gesetz läßt dieses alles gelten.
-Man sage nicht, das Cassationsgericht werde die künftige Praxis in
-Ordnung, ja sogar in Gleichförmigkeit erhalten: das Cassationsgericht
-soll ja blos cassiren, wo gegen ein Gesetz des Code oder ein neueres
-Gesetz gesprochen wird: der Spruch für oder wider ~loi naturelle~,
-Römisches Recht, ~coutume~ oder ~jurisprudence~ liegt also ganz außer
-der Wirksamkeit jenes Gerichtshofes. Endlich ist auch noch der wichtige
-Umstand zu bemerken, daß in allen aus der Revolution hervorgegangenen
-Stücken des Code das vorige Recht gar keinen Schutz gegen die blindeste
-Willkühr gewährt. Auch dafür mag wiederum das oben gewählte Beyspiel
-von Ungültigkeit der Ehe zur Erläuterung dienen. Das zweite, was als
-Supplement des Code gelten kann, ist die wissenschaftliche Theorie.
-*Portalis* beschreibt diese einmal sehr prächtig: sie sey wie das Meer,
-die Gesetze seyen die Ufer[52]. In Frankreich hat es nun freylich mit
-diesem Meere nicht viel zu bedeuten, denn eine Rechtswissenschaft,
-die nicht auf dem Boden gründlich historischer Kenntniß ruht,[[79]]
-versieht eigentlich nur Schreibersdienst bey dem Gerichtsgebrauch. So
-ist es in Frankreich in der That, und eine von dem Gerichtsgebrauch
-verschiedene Theorie existirt da eigentlich nicht, so daß alles, was
-über die Unsicherheit des praktischen Rechts gesagt worden ist, auch
-die Theorie trifft. Die Lehranstalten allein haben ihrer Natur nach
-eine ganz theoretische Form: von diesen wird im folgenden Abschnitt
-bequemer gesprochen werden können.
-
-Allerdings können einige Umstände eintreten, wodurch der Zustand der
-praktischen Rechtspflege günstiger ausfällt, als hier angedeutet worden
-ist. Durch Unkenntniß und Geistesträgheit kann es dahin kommen, daß
-einzelne Quellen und Schriftsteller in vielen Gerichten gleichförmig
-befolgt werden, so z. B. kann man die ~coutume~ von Paris mit ihrem
-Commentator *Ferriere* weit und breit bequem finden, auch wo sie
-sonst nicht gegolten hat. Auch mögen in der alten ~jurisprudence~ gar
-manche Sätze ziemlich allgemein angenommen gewesen seyn. Vielleicht
-ist es etwas der Art, was man sich unter dem oben genannten ~droit
-commun~ (S. 74) denkt. Ferner muß man nicht glauben, daß gerade alle
-hier genannte Uebel als solche empfunden werden müssen; die Römer des
-vierten und fünften Jahrhunderts nach Christus haben auch nicht daran
-gedacht, daß wir sie wegen ihres tiefen Verfalls bedauern würden. Im
-Ganzen aber ist doch nicht zu läugnen,[[80]] daß ein Zustand sehr
-großer Rechtsungewißheit zu befürchten ist. Dieser Zustand nun ist
-unerträglich; denn ob an verschiedenen Orten verschiedenes Recht
-gilt, daran liegt wenig, aber wenn für einen gegebenen einzelnen Fall
-das Recht dem Zufall und der Willkühr preis gegeben ist, so ist das
-schlimmste eingetreten, was für die Rechtspflege gedacht werden kann,
-und dieses Uebel wird gewiß von jedem empfunden.
-
-Es verdient die rühmlichste Anerkennung, daß in Frankreich wenigstens
-Eine wahre und gründliche Stimme über das, was man thun wollte, gehört
-worden ist: aber diese Stimme ist verhallt ohne Spur einer Wirkung. Das
-Tribunal von Montpellier spricht über den künftigen Gerichtsgebrauch,
-wodurch der Code ergänzt werden soll, also[53]: »~Mais quelle
-jurisprudence! n'ayant d'autre règle que l'arbitraire sur l'immensité
-d'objets à co-ordonner au systême de la législation nouvelle, à quelle
-unité, à quel concert faudrait-il s'attendre de la part d'une pareille
-jurisprudence, ouvrage de tant de juges et de tant de tribunaux, dont
-l'opinion ébranlée, par les secousses révolutionnaires, serait encore
-si diversement modifiée! quelle serait enfin le régulateur de cette
-jurisprudence disparate, qui devrait nécessairement se composer[[81]]
-de jugemens non sujets à cassation, puisqu'ils ne reposeraient pas sur
-la base fixe des lois, mais sur des principes indéterminés d'équité,
-sur des usages vagues, sur des idées logiciennes, et, pour tout dire en
-un mot, sur l'arbitraire! A un systême incomplet de législation, serait
-donc joint pour supplément une jurisprudence défectueuse.~« Diesem
-Uebel zu begegnen, heißt es weiter, könne man zwey Wege einschlagen.
-Entweder den Code blos betrachten als Institutionen, und ihm ein
-zweytes, ausführlicheres Werk beygeben, was den Zweck von Justinians
-Pandekten und Codex hätte. Oder man könnte zweytens und besser als
-Regel das bisherige, verschiedene Recht bestehen lassen, und blos in
-einzelnen bestimmten Stücken neues und gleichförmiges Recht durch ganz
-Frankreich einführen, das heißt also, kein Gesetzbuch machen. Dieses
-ist der eigentliche Vorschlag, und die ganze Art, wie er ausgeführt und
-begründet wird, ist so gediegen und ächt praktisch, daß man in dieser
-Umgebung durch so frische Gedanken zwiefach erfreut wird.
-
-Ich wende mich nun zum Preußischen Landrecht. Zur Geschichte desselben
-dienen zunächst die officiellen Bekanntmachungen über diesen
-Gegenstand[54], dann[[82]] einige Stellen aus *Kleins* Schriften[55],
-der wichtigste Beytrag aber von *Simon* ist erst 1811 durch folgende
-Veranlassung erschienen[56]. Die Materialien der gesammten neuen
-Gesetzgebung nämlich sind noch größtentheils vorhanden; diese zu
-ordnen und dadurch erst brauchbar zu machen, wurde dem eben genannten
-Rechtsgelehrten übertragen, und dessen Bericht über dieses Geschäft
-giebt eine so gründliche und vollständige Geschichte der ganzen
-Unternehmung, daß dagegen die bisherigen Nachrichten fragmentarisch
-und zum Theil unzuverlässig erscheinen. Es ist nicht möglich, in
-dieser trefflichen Schrift zu sehen, wie durch vereinte und stets
-wiederholte Arbeit der eigentlichen Redactoren, der Gesetzcommission,
-der Landescollegien, der ständischen Deputirten, und vieler Gelehrten
-und Geschäftsmänner aus allen Theilen von Deutschland das Landrecht
-entstanden ist, ohne vor[[83]] dem Ernst und der Ausdauer, die darin
-bewiesen worden sind, große Achtung zu empfinden; die Seele des
-Ganzen aber war der geistreiche *Suarez*, durch welchen Einheit in
-der Wirksamkeit so vieler und verschiedener Mitarbeiter erhalten
-wurde. Gleich von dieser Seite wird kein Unbefangener den Code mit dem
-Landrecht vergleichen wollen: nicht blos die Gewissenhaftigkeit und
-Liebe zur Sache, die den besseren Deutschen natürlich ist, erklärt
-diesen Unterschied, sondern auch die ganz verschiedene äußere Lage,
-aus welcher beide Gesetzbücher hervorgiengen: der Code sollte schnell
-fertig seyn, um manches drückende Uebel aus der Revolution zu mildern,
-und um alles auf gleichen Fuß zu setzen, während das Landrecht blos
-mit dem Zweck und dem Gefühl, etwas treffliches zu leisten, ohne
-äußere Noth, die dazu drang, bearbeitet wurde. Was ich als einen
-zweyten großen Vorzug des Landrechts betrachte, ist das Verhältniß
-desselben zu den localen Quellen; es sollte blos als subsidiarisches
-Recht an die Stelle des »Römischen, gemeinen Sachsen- und andrer
-fremden subsidiarischen Rechte und Gesetze treten«[57], und alle
-Provincialrechte sollten fort bestehen, aber auch binnen drey Jahren zu
-besonderen Gesetzbüchern verarbeitet werden[58]. Andere[[84]] werden
-dieses Verhältniß vielmehr als eine Unvollkommenheit des Landrechts
-betrachten.
-
-Sehen wir aber auf die innere Entstehung des Landrechts, so wird auch
-dadurch unsre Ansicht bestätigt, nach welcher in dieser Zeit kein
-Gesetzbuch unternommen werden sollte. Der Plan, nach welchem gearbeitet
-wurde, liegt vor Aller Augen. Das Justinianische Recht sollte
-dergestalt Grundlage des Ganzen seyn, daß davon nur aus besonderen
-Gründen abgewichen werden sollte. Diese Gründe wurden darin gesetzt,
-wenn ein Satz des Römischen Rechts aus der stoischen Philosophie,
-oder der besondern Verfassung, z. B. der Politik der Kaiser, oder
-aus den spitzfindigen Fictionen und Subtilitäten der alten Juristen
-entstanden wäre[59]. Dadurch zerfällt das Römische Recht im Verhältniß
-zum Landrecht in zwey Theile, einen anwendbaren als Regel, und einen
-unanwendbaren als Ausnahme, und es entstand die doppelte Aufgabe, die
-Ausnahme gehörig abzusondern, und die Regel gründlich zu verstehen.
-Nämlich was in der That auf stoischer Philosophie oder[[85]] besonderer
-Verfassung beruht, und was eine verwerfliche Subtilität ist, kann
-offenbar nur von einer sehr gründlichen Rechtsgeschichte aus erkannt
-werden; dieselbe geschichtliche Kenntniß und zugleich ein lebendiges
-Quellenstudium ist nöthig, wenn das anwendbare recht verstanden und
-zu wirklicher Anwendung ersprieslich verarbeitet werden soll. Ob nun
-die Schulen von *Nettelbladt* und *Darjes*, in welchen gewiß die
-Meisten gebildet worden sind, die auf das Landrecht großen Einfluß
-gehabt haben, im Besitz dieser geschichtlichen Kenntnisse und dieses
-Quellenstudiums waren, überlasse ich jedem aus den Schriften dieser
-Schulen und ihrer Meister zu beurtheilen[60]. Der Anfang des Ganzen
-sollte ein vollständiger Auszug der Justinianischen Rechtsbücher seyn.
-Dazu war Anfangs an *Schlosser* der Antrag gemacht worden, mit welchem
-man aber über die Bedingungen nicht einig werden konnte[61]. Der Auszug
-selbst wurde nun von ~D.~ *Volkmar* nach einem systematischen Plane
-von *Suarez* gemacht; zur Kontrolle der Vollständigkeit verfertigte
-*Volkmar* ein Verzeichniß aller Stellen des ~Corpus juris~ nach Ordnung
-der Quellen, so daß bey jeder Stelle bemerkt wurde, wo sie in jenem
-Systeme vorkomme,[[86]] oder warum sie da fehle. Dieser systematische
-Auszug wurde dann von *Volkmar* und *Pachaly* verarbeitet, welche
-Verarbeitung als das erste Material der eigentlichen Redaktion
-anzusehen ist[62]. Dieses Material ist allerdings unglaublich oft
-geprüft und wieder bearbeitet worden, und gewiß ist im Landrecht davon
-sehr wenig unmittelbar übrig geblieben. Aber nicht blos hangt in der
-Richtung jedes Geschäfts von großem Umfang ungemein viel von dem
-ersten Anstoß ab, sondern gerade hier konnte gar vieles beynahe nur in
-dieser ersten Grundlage geschehen, und was von *Volkmar* gethan und
-unterlassen worden ist, muß wohl für alle nachfolgende Arbeiten sehr
-bestimmend gewesen seyn. Sollte dieser überwiegende Einfluß vermieden
-werden, so hätte ein Anderer, unabhängig von *Volkmars* Arbeit, und
-unmittelbar aus den Quellen selbst, das erste Material nochmals
-aufstellen müssen, und darin allein hätte eine durchgreifende Probe
-für *Volkmars* Arbeit, was die Kenntniß und den Gebrauch der Quellen
-betrifft, bestehen können. Dieses ist nicht geschehen, alle folgende
-Revisionen sind wahrscheinlich hierauf am wenigsten gerichtet gewesen,
-und so steht *Volkmars* Arbeit sehr allein, obgleich man ihn blos als
-Sammler betrachtet, auch nicht vorzüglich geschätzt[[87]] zu haben
-scheint[63]. Gerade für diese Stelle wäre ein Mann von Geist und
-Gelehrsamkeit sehr wünschenswerth gewesen, und es wäre interessant,
-wenn man wenigstens nach einzelnen Proben vergleichen könnte, wie
-*Schlosser* die Aufgabe gelöst haben würde. Vielleicht lag aber in dem
-Mechanismus des ganzen Geschäfts ein Grund, warum dieser Auftrag für
-einen Mann von Bedeutung und Selbstständigkeit nicht passend gewesen
-wäre.
-
-Sieht man auf das Resultat, wie es vor uns liegt, so ist ein bestimmtes
-Urtheil schwerer als bey dem Code, weil die Verhandlungen, woraus
-dieses Resultat hervorgegangen ist, nicht bekannt gemacht sind. Auch
-scheint es, daß der Plan des Werks, so wie der ganzen Rechtspflege,
-die darauf gegründet werden sollte, nicht immer derselbe gewesen
-ist. Ursprünglich hatte unläugbar Friedrich II. die Absicht, daß das
-Gesetzbuch höchst einfach, populär und zugleich materiell vollständig
-seyn sollte, so daß das Geschäft des Richters in einer Art mechanischer
-Anwendung[[88]] bestehen könnte[64]. Diesem gemäß verbot er schlechthin
-alle Interpretation, und wollte, daß bey unzulänglichen oder
-zweifelhaften Gesetzen, in jedem einzelnen Fall bey der gesetzgebenden
-Gewalt angefragt würde[65]. Auch noch im Entwurf des Gesetzbuchs ist
-die Interpretation dem Richter eigentlich ganz untersagt, und alles
-an die Gesetzcommission auch für einzelne Fälle gewiesen[66]. Ganz
-anders nach dem Landrechte; dieses will, daß der Richter auch auf
-den Grund des Gesetzes sehe, vorzüglich aber, daß er jeden Fall, für
-welchen er kein Gesetz findet, nach den allgemeinen Grundsätzen des
-Gesetzbuchs und nach den Gesetzen ähnlicher Fälle entscheide[67]; die
-Anfrage bey der Gesetzcommission war schon dadurch äußerst beschränkt
-und selbst wo sie statt fand, war doch nur der anfragende Richter
-an den Ausspruch gebunden, und es galten Rechtsmittel[[89]] gegen
-das Urtheil[68]. In der neuesten Ausgabe des Landrechts aber ist
-auch diese beschränkte Anfrage aufgehoben, und die Interpretation
-des Richters für jede Art von Fällen gestattet[69]. Dadurch ist denn
-allerdings die ganze Lage des Richters anders, als Friedrich II. sie
-gedacht zu haben scheint, und dem ganzen Richteramte wird dadurch ein
-mehr wissenschaftlicher und weniger mechanischer Character zuerkannt.
-Dennoch ist dieses nur eine einzelne Abweichung von der Regel, es
-soll offenbar nur von den als selten gedachten Ausnahmen gelten, in
-welchen ein unmittelbar bestimmendes Gesetz fehlen würde, ja ein
-Fall dieser Art soll, sobald er vorkommt, angezeigt und durch ein
-neues Gesetz entschieden werden[70]. Die eigentliche Tendenz des
-bestehenden Gesetzes selbst also geht auch jetzt noch darauf, daß
-die einzelnen Rechtsfälle als solche vollständig aufgezählt, und
-einzeln entschieden werden. Und gerade darin ist die Methode des
-Landrechts der oben beschriebenen, welche wir in den übrig gebliebenen
-Schriften der Römischen Juristen finden, entgegen gesetzt; nicht zum
-Vortheil des Landrechts, wie es mir scheint.[[90]] Bey den Römern
-beruht alles darauf, daß der Jurist durch den lebendigen Besitz des
-Rechtssystems in den Stand gesetzt wird, für jeden gegebenen Fall das
-Recht zu finden. Dazu führt die scharfe, individuelle Anschauung der
-einzelnen Rechtsverhältnisse, so wie die sichere Kenntniß der leitenden
-Grundsätze, ihres Zusammenhangs und ihrer Unterordnung, und wo wir
-bey ihnen Rechtsfälle in der bedingtesten Anwendung finden, dienen
-sie doch stets als verkörperter Ausdruck jenes allgemeinen. Diesen
-Unterschied wird mir jeder zugeben, der das Landrecht unbefangen mit
-den Pandekten vergleicht, und eine solche Vergleichung ist hier gewiß
-zulässig, da ja nicht von eigenthümlicher Römischer Verfassung,
-sondern von allgemeiner Methode die Rede ist. Was insbesondere die
-scharfe, individuelle Auffassung der Begriffe betrifft, so ist der
-nicht seltene Mangel derselben im Landrecht weniger auffallend und
-fühlbar, weil eben die materielle Vollständigkeit des Details ihrer
-Natur nach dahin strebt, diese Lücke auszufüllen. Was aber die
-praktischen Regeln selbst, als den eigentlichen Zweck jedes Gesetzbuchs
-anlangt, so ist die Folge des hier beschriebenen Characters, daß
-die meisten Bestimmungen des Landrechts weder die Höhe allgemeiner,
-leitender Grundsätze, noch die Anschaulichkeit des individuellen
-erreichen, sondern zwischen beiden Endpunkten in der Mitte schweben,
-während die Römer beide in ihrer naturgemäßen Verknüpfung[[91]]
-besitzen. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß eine große,
-vielleicht unübersteigliche Schwierigkeit in der gegenwärtigen Stufe
-der deutschen Sprache lag, welche überhaupt nicht juristisch, und am
-wenigsten für Gesetzgebung, ausgebildet ist; wie sehr dadurch die
-lebendige Darstellung individueller Rechtsverhältnisse erschwert, ja
-unmöglich gemacht wird, kann jeder finden, der irgend einen eigenen
-Versuch der Art, z. B. eine Uebersetzung aus den Pandekten, unternehmen
-will. Ja hierin hatten sogar die Franzosen in der größeren Bestimmtheit
-der Formen und in der lateinischen Abstammung ihrer Sprache vor uns
-einen großen Vorzug: daß sie ihn nicht besser benutzt haben, erklärt
-sich aus dem oben dargestellten traurigen Zustand ihrer Sachkenntniß.
--- Man würde diese Bemerkungen sehr misverstehen, wenn man sie so
-deuten wollte, als ob die Verfasser des Landrechts gegen das künftige
-wissenschaftliche Studium desselben gleichgültig gewesen wären, was gar
-nicht meine Meynung ist. Sehr merkwürdig ist in dieser Rücksicht die
-bekannte Preisaufgabe von 1788[71], welche ein Lehrbuch in zwey Theilen
-forderte, deren erster ein aus dem Gesetzbuch selbst abstrahirtes
-Naturrecht, der zweite einen Auszug des positiven Rechts selbst
-enthalten sollte. Man hat diese Ansicht des[[92]] Naturrechts mitunter
-sehr vornehm angelassen und ihr damit Unrecht gethan; offenbar sollte
-unter diesem Namen dasjenige dargestellt werden, was der Gesetzgeber
-selbst in seinen Gesetzen für allgemein und nicht für positiv ansehe,
-eine interessante historische Aufgabe, der des Römischen jus gentium
-ganz ähnlich. Also gering geschätzt hatte man die wissenschaftliche
-Kenntniß des praktischen Rechts keinesweges, vielmehr erkennt das
-Landrecht in seiner neuesten Gestalt das dringende Bedürfniß dieser
-wissenschaftlichen Kenntniß an: aber es ist unverkennbar, daß ein
-innerer Widerstreit zwischen dieser Anerkennung und der Construction
-des Werkes selbst obwaltet, indem diese Construction selbst nach der
-ursprünglichen Idee von Friedrich II. hinneigt, woraus sie ja auch
-hervorgegangen ist.
-
-Jede Regierung ist zu tadeln, welche die Einsichten ihres Zeitalters
-nicht kennt oder verschmäht. Von dieser Seite aber ist die Preussische
-Gesetzgebung gewiß keinem Vorwurf ausgesetzt. Die Stimme nicht blos
-der eigenen Geschäftsmänner, sondern aller Deutschen Gelehrten[72],
-ist aufgerufen und gehört worden, und jeder unbefangene Beobachter
-wird einräumen, daß, was gethan und unterlassen worden ist, dem Sinn
-und der Einsicht des Zeitalters vollkommen[[93]] entsprach. Selbst die
-bedeutendste Stimme, welche sich gleichzeitig dagegen erhoben hat[73],
-beweist mehr für als wider diese Behauptung. Ich verkenne nicht, wie
-viel treffliches in *Schlossers* Ansichten und Urtheilen enthalten
-ist, allein das beste darin betrifft den allgemeinen politischen
-Character unsrer Zeiten, und mit den eigenthümlichen Bedürfnissen des
-bürgerlichen Rechts war er selbst keineswegs im reinen. Dieses erhellt
-theils aus der von ihm entworfenen Einleitung eines Gesetzbuchs[74],
-theils und noch weit mehr aus seinem Plan, das ~corpus juris~ auf ein
-~caput mortuum~ eigentlicher Gesetze von weniger als zehn Bogen zu
-reduciren[75]. Daß es ihm an Sinn für das rechte nicht fehlte, zeigt
-sein geistreicher und durchaus vortrefflicher Aufsatz über das Studium
-des reinen Römischen Rechts[76].
-
-Ein vollständiges Urtheil über das technische des Landrechts würde erst
-dann möglich seyn, wenn die oben erwähnten Materialien verarbeitet
-und zur allgemeinen[[94]] Kenntniß gebracht würden. Alles, was für
-Erhaltung und Verbreitung wichtiger geschichtlicher Quellen geschieht,
-verdient ehrenvolle Anerkennung; so die Organisation jener Materialien,
-welche von dem Chef der Preussischen Justiz, dem Herrn Justizminister
-*von Kircheisen*, verfügt und dann aufs trefflichste ausgeführt worden
-ist. Allein noch ist zu hoffen, daß dasselbe liberale Interesse an
-der innern Geschichte des Landrechts auch die Bekanntmachung eines
-zweckmäßigen Auszugs aus denselben veranlassen wird. Zu befürchten ist
-dabey gewiß nichts, denn was mit solchem Ernst gethan worden ist, kann
-sehr ruhig jedem Urtheil entgegen sehen. Daß auf diesem Wege, selbst
-von dem zugegebenen Gesichtspunkte des Ganzen aus, manches einzelne als
-unhaltbar erkannt werden könnte, ist wahr, aber dieses würde offenbar
-ein sehr glücklicher Erfolg seyn, denn jeder Gesetzgebung ist ein
-solches Mittel zu wünschen, wodurch sie von innen heraus gereinigt
-werden kann. Diese Materialien müssen ungleich lehrreicher seyn als
-die gedruckten über den Code, denn diese betreffen doch meist nur den
-Uebergang vom ~projet~ zum Code, über die Entstehung des ~projet~
-selbst, was bey weitem die Hauptsache ist, geben sie keine Aufschlüsse,
-man müßte denn die leere Declamation der meisten Reden für solche
-Aufschlüsse halten wollen; jene Materialien dagegen würden bis auf
-die erste Entstehung der Gedanken zurück führen können. Ein[[95]]
-besonderer Vortheil aber würde darin bestehen, daß das Landrecht
-dadurch ein geschichtliches und literarisches Leben erhalten würde,
-welches ihm bis jetzt ganz fehlt. Damit, daß es von einseitigen Gegnern
-ungerecht leiden könnte, hat es keine Noth, denn unter den geistreichen
-und gebildeten Männern, auf deren Anzahl die Preußische Justiz stolz
-seyn darf, würden sich gewiß Mehrere finden, die ein solches Unrecht
-abzuwehren vermöchten.
-
-Die Geschichte des Oesterreichischen Gesetzbuchs[77] hat mit der des
-Preussischen Landrechts die Aehnlichkeit, daß zu beiden der erste
-Anstoß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gegeben worden ist[78],
-so daß eben derselbe Zustand der Deutschen juristischen Literatur
-auf beyde einwirken konnte. Die Grundlage war eine handschriftliche
-Arbeit von acht starken Folianten, größtentheils aus den Commentatoren
-des Römischen Rechts gezogen, und schon im Jahre 1767 vollendet.
-Hieraus machte *Horten* einen Auszug, welcher von *Martini* zu einem
-Gesetzbuche verarbeitet wurde; diese Arbeit von *Martini* wurde dann
-öffentlich bekannt gemacht, und von den[[96]] Oesterreichischen
-Landescollegien und Universitäten geprüft und beurtheilt[79], aus
-welcher Revision endlich das gegenwärtige Gesetzbuch entstanden ist.
-Die Mitwirkung der Rechtsgelehrten des übrigen Deutschlands scheint
-sehr unbedeutend gewesen zu seyn, ja man scheint sie nicht für sehr
-wünschenswerth gehalten zu haben, theils wegen des schlechten Erfolgs
-einer Preisaufgabe über den Wucher, theils weil das Preussische
-Landrecht schon solche Beyträge erhalten hatte, die also in ihm
-zugleich mit benutzt werden konnten, deshalb sind nicht so, wie im
-Preussischen, für die Beurtheilung öffentlich Preise ausgesetzt
-worden[80]. Daß man keine Preise aussetzte, konnte sehr gute Gründe
-haben, aber auch ohne Preise waren Gutachten und Urtheile leicht zu
-erlangen, nur war freylich bey dem sehr geringen literarischen Verkehr
-des übrigen Deutschlands mit Oesterreich der bloße Abdruck des Entwurfs
-nicht hinreichend; ein Circular an alle Deutsche Universitäten wäre
-gewiß nicht ohne Erfolg geblieben. So ist diese Unternehmung, die ihrer
-Natur nach nur auf den wissenschaftlichen Zustand der ganzen Nation
-gegründet werden konnte, als ein gewöhnliches Geschäft des einzelnen
-Landes[[97]] vollführt worden, und jede Absonderung dieser Art ist für
-den Erfolg, wenn gleich nicht entscheidend, doch immer sehr gefährlich.
-
-Was den Stoff betrifft, so könnte man nach den Vorschriften der
-Kaiserin Maria Theresia eine größere Originalität als im Preussischen
-Rechte erwarten, da die Verfasser sich nicht an das Römische Recht
-binden, sondern überall die natürliche Billigkeit walten lassen
-sollten[81]. Allein was über die Entstehung der ersten Grundlage
-aus den Commentatoren gesagt worden ist, so wie die Betrachtung des
-Gesetzbuchs selbst, zeigt, daß dennoch aus derselben Quelle, nur noch
-weniger rein und unmittelbar, als bey dem Landrecht geschöpft worden
-ist. In der Behandlung zeigt sich sogleich der Hauptunterschied, daß
-man im Oesterreichischen Gesetzbuch nicht so, wie im Preussischen,
-die Rechtsfälle selbst zu erschöpfen, sondern nur die Begriffe
-der Rechtsverhältnisse und die allgemeinsten Regeln für dieselben
-aufzustellen gesucht hat[82]. In der ganzen Form und Anlage ist das
-Werk einem etwas ausführlichen Institutionencompendium sehr ähnlich.
-Die Ausführung soll nun theils für die Begriffe (das formelle oder
-theoretische), theils für die praktischen Regeln besonders geprüft
-werden.
-
-[[98]] Daß die Begriffe der Rechtsverhältnisse bey einem Werk von
-diesem Plan und Umfang vorzugsweise wichtig seyn müssen, leuchtet von
-selbst ein; im Preussischen Landrecht treten sie wegen des Reichthums
-an praktischen Regeln mehr zurück, und ihre fehlerhafte Behandlung
-ist weniger nachtheilig. Und gerade von dieser Seite ist gar vieles
-gegen das Oesterreichische Gesetzbuch einzuwenden. Die Begriffe der
-Rechte nämlich sind theils zu allgemein und unbestimmt, theils zu
-sehr auf den bloßen Buchstaben des Römischen Rechts, oder auch auf
-das Misverständniß neuerer Commentatoren desselben gegründet, was bey
-gründlicher Quellenkenntniß nicht möglich gewesen wäre. Beiderley
-Fehler hat das Gesetzbuch nicht blos mit dem Landrecht gemein (welchem
-sie, wie schon bemerkt ist, weniger schaden), sondern noch vor
-demselben voraus, wie nunmehr in einigen Beyspielen gezeigt werden
-soll. Von der Construction der Begriffe selbst aber ist hier die Rede,
-nicht von Definitionen, denen als bloßen Symptomen jener Construction
-nur ein bedingter und untergeordneter Werth zugeschrieben werden muß,
-und welche nur in dieser Beziehung und nicht um ihrer selbst willen,
-Gegenstand der folgenden Beurtheilung seyn werden. -- Zuvörderst
-ist schon oben (S. 66) bey dem Code bemerkt worden, wie wichtig
-und überall eingreifend im Römischen Rechte die höchst bestimmten
-Begriffe von dinglichen Rechten und Obligationen sind. Dasselbe[[99]]
-gilt vom Begriff des ~Status~. Hier nun liegt die Unterscheidung von
-Personenrechten und Sachenrechten zum Grunde (§. 14. 15), die aber
-weder auf Römische, noch auf irgend eine andere Weise bestimmt gedacht
-sind. Das Landrecht (I. 2. §. 122-130) ist darin genauer. -- Der
-Begriff der Sache (§. 285 vgl. §. 303) wird in solcher Allgemeinheit
-genommen, daß kaum etwas ist, was nicht Sache heißen könnte: Künste,
-Wissenschaften, Fertigkeiten, Begriffe sind insgesammt Sachen in diesem
-allgemeinen Sinne. Nun werden aber unmittelbar auf den Begriff der
-Sache zwey der allerwichtigsten Rechtsbegriffe gegründet: Besitz (§.
-309) und Eigenthum (§. 353. 354). Allein es ist einleuchtend, daß eben
-dadurch diese Begriffe durchaus gestaltlos und unbrauchbar werden; so
-müßten wir z. B. nach §. 309 einem Gelehrten den juristischen Besitz
-seiner Wissenschaft zuschreiben, denn er hat sie in seiner Macht, und
-er hat den Willen, sie zu behalten. Unvermerkt wird deshalb in der
-Behandlung dieser Lehren ein engerer, nirgends bestimmter Begriff von
-Sache untergelegt, allein auch dieser stillschweigend eingeführte
-Begriff ist nicht zulänglich, denn nach ihm müßte es doch noch z.
-B. an einer Forderung (~obligatio~) Besitz und Eigenthum geben, was
-zwar uneigentlich gesagt werden kann, wozu aber die ganze Theorie von
-Besitz und Eigenthum gar nicht paßt. Das Landrecht (I. 2. § 3) hilft
-hier durch einen besonders[[100]] aufgestellten engeren Begriff der
-Sachen, worauf sich nachher die Rechtsverhältnisse beziehen. Ein noch
-allgemeinerer Nachtheil jenes unbrauchbaren Begriffs der Sache zeigt
-sich schon bey der Eintheilung der Sachenrechte in dingliche und
-persönliche (§. 307): zu den dinglichen werden die bekannten fünf Arten
-gerechnet, Besitz, Eigenthum, Pfand, Dienstbarkeit und Erbrecht (§.
-308), deren Zusammenstellung allein schon hinreicht, jeden bestimmten
-Gattungsbegriff ganz unmöglich zu machen. -- Die Objecte der Ersitzung
-werden so allgemein angegeben (§. 1455), daß man viele Rechte, z. B.
-Forderungen, darunter rechnen müßte, auf welche doch diese Art des
-Erwerbs nur auf sehr gezwungene und überflüssige Weise angewendet
-werden könnte, eine Anwendung, die wahrscheinlich gar nicht einmal
-gemeynt ist. Das Landrecht (I. 9) verhütet diesen Zweifel dadurch, daß
-es die ganze Lehre unter den Erwerbungen des Eigenthums abhandelt. --
-Unter den persönlichen Servituten werden das Recht des Gebrauchs und
-das der Fruchtnießung dadurch unterschieden, daß jenes auf das bloße
-Bedürfniß des Berechtigten beschränkt seyn soll, dieses aber nicht
-(§. 504. 509). Der praktische Sinn davon ist dieser, daß Verträge und
-Testamente, wenn sie von einem Recht des Gebrauchs reden, von einem
-solchen auf das Bedürfniß beschränkten Nutzungsrecht ausgelegt werden
-sollen. Allein diese Interpretation ist gewiß nicht natürlich,[[101]]
-da es gar nicht gewöhnlich ist, gerade dieses mit dem Worte Gebrauch
-zu bezeichnen. Wie dieser Begriff entstanden ist, kann nicht
-zweifelhaft seyn; es ist der ~usus~, im Gegensatz des ~ususfructus~,
-aber nicht der ~usus~ der Römischen Juristen selbst, sondern der,
-welcher in unsern Compendien bis auf die neuesten Zeiten fälschlich
-angenommen war. Die Römer verstehen unter ~usus~ den Gebrauch ohne
-allen Fruchtgenuß, z. B. bey einem Pferde das Reiten und Fahren, aber
-nicht die Füllen und das Miethgeld. Nur wenn aus Versehen ein ~usus~
-an einer solchen Sache gegeben ist, an welcher ganz oder zum Theil
-dieser reine Gebrauch unmöglich ist, interpretiren sie ausnahmsweise
-den ~usus~ wie vollen oder theilweisen ~ususfructus~, indem sie
-nothgedrungen annehmen, daß man sich schlecht ausgedrückt habe, weshalb
-durch Interpretation nachgeholfen werden müsse. Das eigenthümliche
-Daseyn dieses ~usus~ beruht auf Römischem Sprachgebrauch, und da
-wir kein Wort von entsprechender Bestimmtheit haben, so schlägt das
-Landrecht den richtigern Weg ein, den ~usus~ ganz zu ignoriren, und
-außer dem Nießbrauch zuerst im allgemeinen zu bemerken, daß man auch
-nach Belieben eingeschränkte Nutzungsrechte geben könne (I. 21. §.
-227), dann aber solche Fälle dieser Art abzuhandeln, die noch bey uns
-gewöhnlich sind. -- Den Unterschied des Vormundes vom Curator (§.
-188) möchte man auf den ersten Blick darin[[102]] setzen, daß jener
-auf Minderjährige, dieser auf alle übrige Hülfsbedürftige bezogen
-würde. Diese Terminologie wäre zwar neu und dem Gesetzbuch eigen, doch
-tadellos. So ist es aber nicht, denn auch Minderjährige erhalten sehr
-oft einen Curator, und nicht einen Vormund (§. 270-272). Unverkennbar
-ist dieses aus dem Römischen Rechte beybehalten, das ja auch häufig
-dem Pupillen einen blosen Curator giebt: nur daß hier überhaupt an
-die Stelle der Pupillen mit Recht alle Minderjährige getreten sind.
-Allein das Römische Recht hat zu dieser scharfen Unterscheidung der
-Tutel und Curatel einen besonderen Grund. Der Tutor nämlich ist ihm
-diejenige Person, durch deren ~auctoritas~ der sonst zum Handeln
-unfähige Pupill ergänzt werden kann, während jeder Curator nichts als
-gemeiner Verwalter fremder Rechte ist. Das also ist das eigenthümliche
-und wichtige des Römischen Tutors, daß mit seiner Hülfe für den
-Pupillen Mancipationen, Stipulationen, Vindicationen u. s. w. möglich
-sind, welche Handlungen durch freye Stellvertreter, also auch durch
-Curatoren, gar nicht vorgenommen werden können. Der Schlüssel der
-ganzen Tutel also, insofern sie etwas eigenthümliches, von der Curatel
-verschiedenes war, lag in der Regel: ~per extraneam personam nihil
-adquiri (neque alienari) potest~[83]; diese Regel wurde[[103]] zwar
-später auf civile Handlungen beschränkt[84], aber bey diesen erhielt
-sie sich noch in *Justinians* Zeit, wie die angeführten Stellen seiner
-Rechtsbücher beweisen. Wir dagegen in unserm praktischen Rechte,
-haben davon keine Spur mehr, also auch keinen Grund, zwischen Tutor
-und Curator die Römische Gränze zu behalten, die für uns ihren Sinn
-verloren hat. Das Gesetzbuch sucht nun gleich bey der ersten Einführung
-des Vormundes (§. 188) die Fälle auszuschließen, in welchen der
-Pfleger eines Minderjährigen blos Curator heißt; dieses geschieht
-durch die Bestimmung: »Ein Vormund hat *vorzüglich für die Person* des
-Minderjährigen zu sorgen, zugleich aber dessen Vermögen zu verwalten.«
-In der vorzugsweisen Beziehung auf die Person also (obgleich nach §.
-282 dieselbe Beziehung auch bey Curatoren statt finden kann) läge
-das unterscheidende des Vormundes. Dieses ist nun unverkennbar die
-Römische Regel: ~personae, non rei vel causae (tutor) datur~[85],
-die in unsern neueren Compendien ganz auf dieselbe Weise wie in dem
-Gesetzbuch modificirt worden ist, weil man sich doch nicht verbergen
-konnte, daß der Tutor allerdings auch mit dem Vermögen einiges Geschäft
-habe[86].[[104]] Ganz consequent wird daher dem Vormund das Recht
-und die Verbindlichkeit der Erziehung »gleich dem Vater« übertragen
-(§. 216), wobey er nur in wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten
-an die Genehmigung des Gerichts gebunden ist. Allein der Sinn jener
-Römischen Regel ist ein ganz anderer: die ~persona~, von welcher darin
-gesprochen wird, ist die juristische Persönlichkeit des Pupillen, die
-Fähigkeit desselben zu förmlichen Handlungen. Diese Fähigkeit für alle
-Anwendungen zu ergänzen (will die Stelle sagen) ist der Hauptberuf des
-Tutors, darum muß sich sein Amt allgemein auf alle Theile des Vermögens
-erstrecken, und kann nicht auf einzelne Rechtsverhältnisse des Pupillen
-beschränkt werden. Darum hat denn auch der Römische Tutor mit der
-Erziehung des Pupillen durchaus gar nichts zu schaffen, sondern über
-diese verfügt der Prätor ganz frey nach den Umständen, wobei zufällig
-seine Wahl auf den Tutor wie auf jeden Andern fallen kann[87]. Man wird
-dagegen einwenden, eben diesen Satz des Römischen Rechts habe man aus
-guten Gründen abändern wollen. Wohl: aber der übrige Zusammenhang macht
-dabey eine nicht geringe Schwierigkeit. Denn das Gesetzbuch hat aus dem
-Römischen Rechte das strenge Recht der nächsten Verwandten auf ~tutela
-legitima~ angenommen (§.[[105]] 198), und diese allgemeine Gewalt des
-künftigen Intestaterben[88] über die Person des Minderjährigen ist sehr
-bedenklich. Man braucht nicht gerade den äußersten Fall anzunehmen,
-daß der Vormund den Mündel umbringt, um ihn zu beerben: auch in vielen
-anderen unbemerkteren Fällen wird in der persönlichen Leitung und
-Erziehung das Interesse des Mündels von dem seines künftigen Erben
-sehr verschieden seyn. Dagegen schützen weder die gesetzlichen Gründe
-der Unfähigkeit zur Vormundschaft (§. 191. 193), die immer sehr selten
-nachzuweisen seyn werden, noch die Genehmigung des Gerichts, die ja
-nur in bedenklichen Angelegenheiten eingeholt zu werden braucht (§.
-216), noch endlich die Anzeige, die hinterher von wirklichem Misbrauch
-der Gewalt gemacht werden kann (§. 217). In diesem Fall ist der
-organische Zusammenhang verschiedener Rechtssätze recht merkwürdig.
-Das Römische Recht macht seine ~tutela legitima~ dadurch unschädlich,
-daß es die Erziehung davon absondert: der Hauptberuf des Tutors
-ist der, zu auctoriren, und gewiß ist von keinem Menschen weniger
-als von dem künftigen Erben zu befürchten, daß er in leichtsinnige
-Veräußerungen[[106]] oder Versprechungen einwilligen werde. Nach
-dem Preussischen Landrecht bestimmt auf gleiche Weise, wie nach dem
-Römischen Rechte, das Gericht unmittelbar den Erzieher, ohne an den
-Vormund gebunden zu seyn (II. 18. §. 320); und überdem gilt gar kein
-Recht bestimmter Verwandten auf ~tutela legitima~ (II. 18. §. 194), was
-unsrer heutigen Ansicht der Vormundschaft gewiß angemessen ist. Auch in
-Bestimmung des Begriffs der Vormundschaft geht das Landrecht freyer zu
-Werke: Vormund heißt ihm derjenige, welcher alle, Curator der, welcher
-nur gewisse Angelegenheiten zu besorgen hat (II. 18. §. 3. 4). Dabey
-ist die Römische Terminologie mit Recht ganz verlassen, dafür aber
-innerer Zusammenhang erlangt. So z. B. hat nun auch der Wahnsinnige
-einen Vormund (II. 18. §. 12), der nach dem Oesterreichischen
-Gesetzbuch nur einen Curator hat (§. 270). Dieses folgt darin dem
-Römischen Rechte; aber der Grund des Römischen Rechts, den Schutz der
-Pupillen von dem der Wahnsinnigen streng zu unterscheiden, lag darin,
-daß bey Pupillen und nicht auch bey Wahnsinnigen eine ~auctoritas~
-möglich war, und dieser Grund existirt nicht mehr. Daß Dinge solcher
-Art geringfügig und unbedeutend seyen, wird niemand behaupten, der
-aufmerksam den großen Einfluß dieser Verknüpfung und Bezeichnung der
-Begriffe auf die Rechtssätze selbst beobachtet hat.
-
-Bisher ist von der Construction der Begriffe im[[107]]
-Oesterreichischen Gesetzbuch die Rede gewesen, und nur beyläufig
-auch von praktischen Sätzen, insofern nämlich jene Construction
-unmittelbaren Einfluß auf dieselben ausgeübt hat. Nun ist noch
-besonders von den praktischen Sätzen zu sprechen. Es ist schon bemerkt
-worden, daß die materielle Vollständigkeit, welche im Preussischen
-Landrechte gesucht war, hier gar nicht zur Aufgabe gehörte: die
-Entscheidung der einzelnen Rechtsfälle wird demnach meistens, so
-wie bey dem Code (S. 73), nicht unmittelbar durch das Gesetzbuch
-bestimmt werden können, und das außer ihm liegende, wodurch sie in
-der That bestimmt werden wird, verdient auch hier die allergrößte
-Aufmerksamkeit. Das Gesetzbuch selbst (§. 7) schreibt eine doppelte
-Quelle dieser Ergänzung vor: zunächst die wirklich im Gesetzbuch
-enthaltene Entscheidung ähnlicher Fälle, und, wo diese nicht ausreicht,
-das Naturrecht. Allein die erste Quelle wird wenig sichere Hülfe geben:
-denn materieller Reichthum des Gesetzbuchs war, wie schon bemerkt,
-gar nicht gesucht, und von der formellen Unzulänglichkeit desselben
-ist so eben ausführlich die Rede gewesen. Die zweyte Quelle aber
-(das Naturrecht) ist selbst von den würdigen Männern, welche zuletzt
-zur Entstehung des Gesetzbuchs mitgewirkt haben, als sehr gefährlich
-für die Rechtspflege anerkannt[89]. Der Erfolg wird also auch[[108]]
-hier, wie bey dem Code, ein ganz anderer seyn, als ihn das Gesetzbuch
-anzunehmen scheint, indem unvermeidlich und ganz in der Stille die
-wissenschaftliche Theorie den Einfluß auf die Rechtspflege behaupten
-wird, den ihr das Gesetzbuch zu entziehen bestimmt war. Ob also die
-wirklich verbreitete Theorie gut oder schlecht ist, davon wird in der
-That das meiste abhangen, und der Zustand der Lehranstalten (wovon
-der folgende Abschnitt reden soll) wird für die Rechtspflege noch in
-ganz anderer Rücksicht, als wegen der bloßen Kenntniß des Gesetzbuches
-selbst, entscheidend seyn.
-
-Ist dieses Urtheil über die drey neuen Gesetzbücher gegründet, so
-liegt darin eine Bestätigung meiner Ansicht, daß die gegenwärtige Zeit
-keinen Beruf hat, ein Gesetzbuch zu unternehmen: und gewiß eine sehr
-starke Bestätigung. Denn wie viel die Franzosen durch Gewandtheit
-und Leichtigkeit im praktischen Leben auszurichten vermögen, ist uns
-allen oft genug wiederholt worden: welche Zeiträume hindurch von
-verdienten, einsichtsvollen Männern an den Deutschen Gesetzbüchern
-mit ernstlichem Eifer gearbeitet worden ist, wissen wir. Ist also
-durch so verschiedenartige Bemühungen das Ziel dennoch nicht erreicht
-worden, so muß es in der juristischen Bildung eines ganzen[[109]]
-Zeitalters Hindernisse geben können, welche nicht zu übersteigen sind.
-Diese Ueberzeugung aber ist entscheidend, da ohne Zweifel die eifrigen
-Freunde der Gesetzbücher die Bürgschaft eines glücklichen Erfolgs blos
-in ihrem lebhaften Bestreben nach diesem Gegenstande finden, was doch
-nach jenen Erfahrungen nicht hinreichend ist. Es würde also nur noch
-darauf ankommen, die gegenwärtige Bildung der Rechtswissenschaft mit
-derjenigen zu vergleichen, aus welcher die vorhandenen Gesetzbücher
-hervorgegangen sind: und bey unbefangener Selbstprüfung müssen wir
-bekennen, daß beide vielleicht wohl dem Grade nach, aber nicht
-generisch verschieden sind.
-
-Alle diese Erinnerungen übrigens betreffen nicht etwa einzelne Mängel,
-durch deren Verbesserung dem Ganzen leicht ein wahrhaft treffliches
-und genügendes Daseyn verschafft werden könnte: sie betreffen vielmehr
-den Character des Ganzen selbst, und alles einzelne, was herausgehoben
-worden ist, sollte blos dazu dienen, diesen allgemeinen Charakter
-anschaulich zu machen, und ein Urtheil über denselben zu begründen.
-Anderer Meynung ist ein neuerer Schriftsteller[90], welcher von dem
-Code glaubt, die wenigen Flecken, welche denselben verunstalten,
-könnten leicht abgewischt werden, worauf er allerdings zu einer
-dankenswerthen Wohlthat werden würde. Allein[[110]] es sey uns diese
-fremde Weisheit überflüssig, denn, sagt er, »wir haben kürzlich
-ein bürgerliches Gesetzbuch in Oesterreich erhalten, welches dem
-Französischen wenigstens an die Seite gesetzt werden kann und für uns
-den Vorzug hat, ohne alle weitere Vorbereitung in ganz Deutschland
-anwendbar zu seyn.« Sein Rath geht dahin, daß dieses Gesetzbuch
-augenblicklich angenommen, und dann den Regierungen überlassen
-werde, ihre Vorschläge einzelner Abänderungen einer Gesetzcommission
-vorzulegen. Diese Ansicht scheint mir schon aus sich selbst und ohne
-Prüfung des innern Werthes der Gesetzbücher widerlegt werden zu können:
-denn wenn es wahr wäre, daß der Code vortrefflich und mit geringen
-Modificationen eine Wohlthat, das sehr verschiedene Oesterreichische
-Gesetzbuch aber auch vortrefflich, ja noch besser und völlig anwendbar
-wäre, so müßte den Gesetzbüchern überhaupt eine völlig fabrikmäßige
-Vortrefflichkeit zugeschrieben werden, und es wäre unmöglich, sie für
-etwas großes und höchst wünschenswerthes zu halten.
-
-
-8.
-
-*Was wir thun sollen wo keine Gesetzbücher sind.*
-
-[[111]]Bey der Untersuchung dessen, was geschehen soll, müssen vor
-allem diejenigen Länder, in welchen bis jetzt gemeines Recht und
-Landesrecht (nur etwa unterbrochen durch die kurze Herrschaft des Code)
-galt, von denen getrennt werden, welche bereits unter einheimischen
-Gesetzbüchern leben.
-
-In den Ländern des gemeinen Rechts wird, so wie überall, ein löblicher
-Zustand des bürgerlichen Rechts von drey Stücken abhängig seyn:
-erstlich einer zureichenden Rechtsquelle, dann einem zuverlässigen
-Personal, endlich einer zweckmäßigen Form des Prozesses. Ich werde in
-der Folge auf diese drey Stücke zurückkommen, um die Zulänglichkeit
-meines Plans darnach zu prüfen.
-
-Was zuerst die Rechtsquelle anlangt, wozu eben das neu einzuführende
-Gesetzbuch bestimmt seyn sollte, so würde nach meiner Ueberzeugung
-wieder einzuführen seyn an die Stelle des Code, oder beyzubehalten, wo
-der Code nicht galt, dieselbe Verbindung des gemeinen Rechts und der
-Landesrechte, welche früher in ganz Deutschland herrschend war: diese
-Rechtsquelle halte ich für hinreichend, ja für vortrefflich,[[112]]
-sobald die Rechtswissenschaft thut, was ihres Amtes ist, und was nur
-durch sie geschehen kann.
-
-Betrachten wir nämlich unsern Zustand, wie er in der That ist, so
-finden wir uns mitten in einer ungeheuern Masse juristischer Begriffe
-und Ansichten, die sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt
-und angehäuft haben[91]. Wie die Sache jetzt steht, besitzen und
-beherrschen wir diesen Stoff nicht, sondern wir werden von ihm bestimmt
-und getrieben nicht wie wir wollen. Darauf gründen sich alle Klagen
-über unsern Rechtszustand, deren Gerechtigkeit ich nicht verkenne,
-und daher ist alles Rufen nach Gesetzbüchern entstanden. Dieser
-Stoff umgiebt und bestimmt uns auf allen Seiten, oft ohne daß wir
-es wissen: man könnte darauf denken, ihn zu vernichten, indem man
-alle historische Fäden zu durchschneiden und ein ganz neues Leben
-zu beginnen versuchte, aber auch diese Unternehmung würde auf einer
-Selbsttäuschung beruhen. Denn es ist unmöglich, die Ansicht und Bildung
-der jetztlebenden Rechtsgelehrten zu vernichten: unmöglich, die Natur
-der bestehenden Rechtsverhältnisse umzuwandeln; und auf diese doppelte
-Unmöglichkeit gründet sich der unauflösliche organische Zusammenhang
-der Geschlechter und Zeitalter, zwischen welchen nur Entwicklung
-aber[[113]] nicht absolutes Ende und absoluter Anfang gedacht werden
-kann. Insbesondere damit, daß einzelne, ja viele Rechtssätze abgeändert
-werden, ist für diesen Zweck gar nichts gethan: denn, wie schon oben
-bemerkt worden ist (S. 39), die Richtung der Gedanken, die Fragen
-und Aufgaben werden auch da noch durch den vorhergehenden Zustand
-bestimmt seyn, und die Herrschaft der Vergangenheit über die Gegenwart
-wird sich auch da äußern können, wo sich die Gegenwart absichtlich
-der Vergangenheit entgegen setzt. Dieser überwiegende Einfluß des
-bestehenden Stoffs also ist auf keine Weise vermeidlich: aber er wird
-uns verderblich seyn, solange wir ihm bewußtlos dienen, wohlthätig,
-wenn wir ihm eine lebendig bildende Kraft entgegen setzen, durch
-historische Ergründung ihn unterwerfen, und so den ganzen Reichthum
-der vergangenen Geschlechter uns aneignen. Wir haben also nur die
-Wahl, ob wir wollen, nach *Baco's* Ausdruck, ~sermocinari tamquam e
-vinculis,~ oder ob eine gründliche Rechtswissenschaft uns lehren soll,
-diesen historischen Stoff frey als unser Werkzeug zu gebrauchen: ein
-drittes giebt es nicht. Bey dieser Wahl möchte die Wissenschaftlichkeit
-schon von selbst, als der edlere Theil, für sich gewinnen: aber
-es kommen noch besondere Gründe aus unsrer Lage hinzu. Zuerst die
-allgemeine wissenschaftliche Richtung, die den Deutschen natürlich
-ist, und wodurch sie es andern Nationen in vielen[[114]] Dingen
-zuvor zu thun berufen sind: dann auch manches in unsren politischen
-Verhältnissen. Darum wird nicht die Erfahrung anderer Nationen oder
-Zeiten zur Widerlegung angeführt werden können, nicht der Zustand des
-bürgerlichen Rechts in England, noch der bey unsren Vorfahren. Was
-unsre Vorfahren betrifft, so hat *Möser* in einem trefflichen Aufsatz
-den Unterschied zwischen dem, was er Willkühr, und was er Weisheit
-nennt, entwickelt[92]: bey jener konnte Freiheit und Gerechtigkeit
-bestehen, solange ebenbürtige genosse Richter urtheilten, wir können
-Weisheit durchaus nicht entbehren. Als Surrogat derselben verdient in
-dieser Rücksicht selbst das Hangen an mittelmäßigen Autoritäten (so
-schlecht dieses in anderer Rücksicht ist) alle Achtung[93], und kann
-als ein Schutzmittel gegen die verderbliche Verwechslung von Willkühr
-und Weisheit dienen.
-
-Erst wenn wir durch ernstliches Studium vollständigere Kenntniß
-erworben, vorzüglich aber unsren geschichtlichen und politischen Sinn
-mehr geschärft haben, wird ein wahres Urtheil über den überlieferten
-Stoff möglich seyn. Bis dahin dürfte es gerathener seyn, etwas zu
-zweifeln, ehe wir vorhandenes für schlaffe Angewohnheit, unkluge
-Abgeschiedenheit[[115]] und blose Rechtsfaulheit halten[94]: vorzüglich
-aber mit der Anwendung des wundärztlichen Messers[95] auf unsern
-Rechtszustand zu zögern. Wir könnten dabey leicht auf gesundes Fleisch
-treffen, das wir nicht kennen, und so gegen die Zukunft die schwerste
-aller Verantwortungen auf uns laden. Auch ist der geschichtliche
-Sinn der einzige Schutz gegen eine Art der Selbsttäuschung, die sich
-in einzelnen Menschen, wie in ganzen Völkern und Zeitaltern, immer
-wiederholt, indem wir nämlich dasjenige, was uns eigen ist, für
-allgemein menschlich halten. So hatte man ehemals aus den Institutionen
-mit Weglassung einiger hervorstehenden Eigenthümlichkeiten ein
-Naturrecht gemacht, was man für unmittelbaren Ausspruch der Vernunft
-hielt: jetzt ist niemand, der nicht über dieses Verfahren Mitleid
-empfände, aber wir sehen noch täglich Leute, die ihre juristischen
-Begriffe und Meynungen blos deshalb für rein vernünftig halten,
-weil sie deren Abstammung nicht kennen. Sobald wir uns nicht unsres
-individuellen Zusammenhangs mit dem großen Ganzen der Welt und ihrer
-Geschichte bewußt werden, müssen wir nothwendig unsre Gedanken in einem
-falschen Lichte von Allgemeinheit und Ursprünglichkeit erblicken.
-Dagegen schützt nur der geschichtliche Sinn, welchen gegen uns selbst
-zu kehren gerade die schwerste Anwendung ist.
-
-[[116]] Man könnte versucht seyn, die Nothwendigkeit dieser
-historischen Ergründung des Stoffs, in welchem wir unwillkührlich
-befangen sind, zwar für unsre Lage zuzugeben, aber zugleich für ein
-Uebel zu halten, indem dadurch Kräfte in Anspruch genommen werden,
-die zu nützlicheren Zwecken verwendet werden könnten. Diese Ansicht
-wäre traurig, weil sie das Gefühl eines unvermeidlichen Uebels
-erregen würde, aber wir können uns damit trösten, daß sie falsch ist.
-Vielmehr ist diese Nothwendigkeit auch an sich für ein großes Gut zu
-achten. In der Geschichte aller bedeutenden Völker nämlich finden wir
-einen Uebergang von beschränkter, aber frischer und lebensvoller,
-Individualität zu unbestimmter Allgemeinheit. Auf diesem Wege
-geht auch das bürgerliche Recht, und auch in ihm kann zuletzt das
-Bewußtseyn der Volkseigentümlichkeit verloren gehen: so geschieht es,
-wenn bejahrte Völker darüber nachdenken, wie viele Eigenheiten ihres
-Rechts sich bereits abgeschliffen haben, daß sie leicht zu dem so
-eben dargestellten Irrthum kommen, indem sie ihr ganzes noch übriges
-Recht für ein ~jus quod naturalis ratio apud omnes homines constituit~
-halten. Daß damit zugleich der eigenthümliche Vorzug verloren geht,
-welchen das Recht in frühen Zeiten hat (S. 9), ist unverkennbar. Zu
-diesem vergangenen Zustande zurück zu kehren, würde ein fruchtloser
-und thörichter Rath seyn: aber etwas anderes[[117]] ist es, den
-eigenen Werth desselben in frischer Anschauung gegenwärtig erhalten,
-und sich so vor der Einseitigkeit der Gegenwart bewahren, welches
-allerdings möglich und heilsam ist. Wenn überhaupt die Geschichte auch
-im Jünglingsalter der Völker eine edle Lehrerin ist, so hat sie in
-Zeitaltern, wie das unsrige, noch ein anderes und heiligeres Amt. Denn
-nur durch sie kann der lebendige Zusammenhang mit den ursprünglichen
-Zuständen der Völker erhalten werden, und der Verlust dieses
-Zusammenhangs muß jedem Volk den besten Theil seines geistigen Lebens
-entziehen.
-
-Dasjenige also, wodurch nach dieser Ansicht das gemeine Recht und die
-Landesrechte als Rechtsquellen wahrhaft brauchbar und tadellos werden
-sollen, ist die strenge historische Methode der Rechtswissenschaft.
-Der Charakter derselben besteht nicht, wie einige neuere Gegner
-unbegreiflicherweise gesagt haben, in ausschließender Anpreisung
-des Römischen Rechts: auch nicht darin, daß sie die unbedingte
-Beybehaltung irgend eines gegebenen Stoffs verlangte, was sie vielmehr
-gerade verhüten will, wie sich dieses oben bey der Beurtheilung des
-Oesterreichischen Gesetzbuchs gezeigt hat. Ihr Bestreben geht vielmehr
-dahin, jeden gegebenen Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen, und
-so sein organisches Princip zu entdecken, wodurch sich von selbst
-das, was noch Leben hat, von demjenigen absondern muß, was schon
-abgestorben[[118]] ist, und nur noch der Geschichte angehört. Der Stoff
-aber der Rechtswissenschaft, welcher auf diese Weise behandelt werden
-soll, ist für das gemeine Recht dreyfach, woraus sich drey Haupttheile
-unsrer Rechtswissenschaft ergeben: Römisches Recht, Germanisches Recht,
-und neuere Modifikationen beider Rechte. Das Römische Recht hat, wie
-schon oben bemerkt worden, außer seiner historischen Wichtigkeit noch
-den Vorzug, durch seine hohe Bildung als Vorbild und Muster unsrer
-wissenschaftlichen Arbeiten dienen zu können. Dieser Vorzug fehlt
-dem Germanischen Rechte, aber es hat dafür einen andern, welcher
-jenem nicht weicht. Es hangt nämlich unmittelbar und volksmäßig mit
-uns zusammen, und dadurch, daß die meisten ursprünglichen Formen
-wirklich verschwunden sind, dürfen wir uns hierin nicht irre machen
-lassen. Denn der nationale Grund dieser Formen, die Richtung woraus
-sie hervor giengen, überlebt die Formen selbst, und es ist nicht
-vorher zu bestimmen, wie viel von altgermanischen Einrichtungen, wie
-in Verfassung so im bürgerlichen Recht, wieder erweckt werden kann.
-Freylich nicht dem Buchstaben, sondern dem Geiste nach, aber den
-ursprünglichen Geist lernt man nur kennen aus dem alten Buchstaben.
-Endlich die Modification beider ursprünglichen Rechte ist gleichfalls
-nicht zu vernachlässigen. Auf dem langen Wege nämlich, welchen jene
-ursprünglichen Rechte bis zu uns gehen mußten,[[119]] hat sich
-natürlich vieles ganz anders gestaltet und entwickelt, theils nach
-wirklich volksmäßigem Bedürfniß, theils auf mehr literarische Weise,
-unter den Händen der Juristen. Dieses letzte ist hier überwiegend, und
-die Grundlage davon ist eine Geschichte unsrer Rechtswissenschaft vom
-Mittelalter herab. Ein vorzügliches Bestreben dieses dritten Theiles
-unsrer Wissenschaft muß darauf gerichtet seyn, den gegenwärtigen
-Zustand des Rechts allmählich von demjenigen zu reinigen, was durch
-bloße Unkunde und Dumpfheit literarisch schlechter Zeiten, ohne alles
-wahrhaft praktische Bedürfniß, hervorgebracht worden ist.
-
-Es kann nicht meine Absicht seyn, diese historische Behandlung aller
-Theile unsres Rechts hier in einer ausführlichen Methodik darzustellen;
-allein über das Römische Recht muß noch einiges hinzugefügt werden,
-da gerade dessen Behandlung neuerlich in Frage gekommen ist. Was ich
-für den einzig möglichen Standpunkt dieses Studiums halte, wird aus
-der oben gegebenen Darstellung des Römischen Rechts einleuchtend seyn:
-es ist das Recht der Pandekten, von welchem aus dann die Uebergänge
-zu den neueren Modificationen bis *Justinian* zu bestimmen sind.
-Willkührlich wird diese Ansicht niemand finden, welcher bedenkt, daß
-schon *Justinian* sie gehabt hat, und daß sie wenigstens dem Namen nach
-dem Hauptunterricht auf Universitäten, und den ausführlichsten[[120]]
-Werken über das Römische Recht seit Jahrhunderten zum Grunde liegt.
-Wie nun die alten Juristen zu studieren sind, läßt sich leicht sagen,
-obgleich schwer ohne wirkliche Probe anschaulich machen: sie sollen
-nicht blos die Schule hüten, sondern wieder belebt werden: wir sollen
-uns in sie hinein lesen und denken, wie in andere mit Sinn gelesene
-Schriftsteller, sollen ihnen ihre Weise ablernen, und so dahin kommen,
-in ihrer Art und von ihrem Standpunkt aus selbst zu erfinden und
-so ihre unterbrochene Arbeit in gewissem Sinne fortzusetzen. Daß
-dieses möglich ist, gehört zu meinen lebendigsten Ueberzeugungen. Die
-erste Bedingung dazu ist freylich eine gründliche Rechtsgeschichte,
-und, was aus dieser folgt, die völlige Gewöhnung, jeden Begriff
-und jeden Satz sogleich von seinem geschichtlichen Standpunkte aus
-anzusehen. Viel ist hierin noch zu leisten: aber wer bedenkt, was unsre
-Rechtsgeschichte vor fünf und zwanzig Jahren war, und wie vieles nun
-in Kenntniß und Behandlung, hauptsächlich durch *Hugos* Verdienst,
-anders geworden ist, der kann auch für die Folge den besten Hoffnungen
-Raum geben. Wer nun auf diese Weise in den Quellen des Römischen
-Rechts wahrhaft einheimisch geworden ist, dem wird das Studium unsrer
-neuern juristischen Literatur, vom Mittelalter bis auf uns herab,
-zwar noch Arbeit und oft unerfreuliche Arbeit geben, aber er wird
-dadurch nur noch seine Ansichten vervollständigen und auf[[121]] keine
-Weise irre gemacht werden können, also keine innere Schwierigkeit
-darin finden; wer dagegen das Römische Recht nicht so an der Wurzel
-angreift, der wird fast unvermeidlich durch jene neuere Literatur
-immer mehr in Schwanken und Unsicherheit gerathen, er müßte sie denn
-im Ganzen ignoriren, und es dem Zufall überlassen, welches einzelne,
-neue, vielleicht sehr flache Resultat dieser literarischen Entwicklung
-auf ihn einwirken soll, und hierin ist allerdings in den neuesten
-Zeiten viel geleistet worden. Die hier angedeutete literarische
-Ausfüllung indessen gehört zur allmählichen Vollendung und nicht zum
-nothwendigen Grund des Studiums. Der Grund aber muß allerdings in den
-Vorträgen der Universitäten gelegt werden, und dazu dürften anderthalb
-bis zwey Jahre (die man ja auch bis jetzt darauf zu verwenden
-pflegte) hinreichend seyn. Nämlich hinreichend nicht zu vollendeter
-Gelehrsamkeit, was ohnehin kein vernünftiger Mensch von irgend einem
-Universitätsunterricht verlangen wird: wohl aber hinreichend, um in den
-Quellen zu Hause zu seyn, um sie selbst lesen zu können, und um neuere
-Schriftsteller unabhängig und mit eigenem Urtheil zu lesen, und ihnen
-nicht mehr preis gegeben zu seyn. Es ist einleuchtend, daß dagegen die
-Erfahrung eines wirklichen Unterrichts nicht angeführt werden kann,
-sobald in diesem Unterricht die unmittelbare Einführung in die Quellen
-gar nicht versucht worden ist.
-
-[[122]] In neueren Zeiten sind über die Bedingungen unsres Studiums
-zwey von dieser Ansicht abweichende, völlig entgegengesetzte Meynungen
-gehört worden. *Thibaut* nämlich[96] stellt die Schwierigkeit desselben
-fast schauderhaft dar, und so, daß allerdings jedem, der es unternehmen
-wollte, der Muth entfallen müßte; so z. B. sollen wir vielleicht
-erst nach tausend Jahren so glücklich seyn, über alle Lehren des
-Römischen Rechts erschöpfende Werke zu erhalten. Das ist zu wenig
-oder zu viel, je nachdem man es nimmt. Ganz erschöpfen und völlig
-abthun, so daß kein Weiterkommen möglich wäre, läßt sich eine würdige
-historische Aufgabe niemals, auch nicht in tausend Jahren; aber um zu
-sicherer Anschauung und zur Möglichkeit unmittelbarer, verständiger
-Anwendung des Römischen Rechts zu gelangen, brauchen wir so lange
-Zeit nicht, dies ist größtentheils schon jetzt möglich, obgleich mit
-stetem Fortschreiten nach innen, was ich unsrer Wissenschaft nicht
-zum Tadel, sondern zu wahrer Ehre rechne. Es kommt alles auf die Art
-an, wie das Studium behandelt wird. Vor hundert Jahren hat man in
-Deutschland viel mehr Mühe und Zeit an das Römische Recht gesetzt als
-jetzt, und es ist unläugbar, daß man in eigentlicher Kenntniß nicht
-so weit kommen konnte, als es jetzt[[123]] bey guten Lehrern möglich
-ist. Vollends mit den kritischen Schwierigkeiten, die *Thibaut*
-für ganz unübersteiglich erklärt[97], hat es so große Noth nicht.
-Wer es recht angreift, kann sich mit einer ganz schlechten Ausgabe
-der Pandekten in die Methode der Römischen Juristen einstudieren:
-es werden ihm zwar manche Irrthümer im einzelnen übrig bleiben,
-aber auch diese wird er größtentheils bey etwas kritischem Sinn mit
-Hülfe von drey, vier Ausgaben, wie sie jeder leicht finden kann,
-mit Sicherheit zu berichtigen im Stande sey. Auch hierin sind zwey
-Dinge gänzlich verwechselt: dasjenige nämlich, was zur allmählichen
-und ganz erschöpfenden Entwicklung einer großen historischen Aufgabe
-allerdings gehört, mit dem was nothwendige Bedingung eines unmittelbar
-möglichen, in gewissem Sinne befriedigenden Grades sicherer Kenntniß
-ist. Alles, was hier *Thibaut* über die Unsicherheit unsres Textes
-sagt, gilt eben so von unsren heiligen Büchern; auch da wird die
-Kritik niemals ein Ende finden, aber wer überhaupt Nahrung und Freude
-in ihnen finden kann, wird dadurch gewiß nicht gestört werden. --
-Eine gerade entgegen gesetzte und viel verbreitetere Ansicht geht
-darauf, daß das Römische Recht viel leichter genommen werden könne und
-müsse, und daß nur wenig Zeit darauf[[124]] zu wenden sey. Dieses ist
-theils behauptet, theils (wie sich noch unten zeigen wird) praktisch
-ausgeführt worden, besonders wo bey eingeführten neuen Gesetzbüchern
-das Römische Recht bloßes Hülfsstudium werden sollte; desgleichen wenn
-von der Bildung künftiger Gesetzgeber die Rede war. Zu diesen Zwecken,
-glaubte man, sey das mühselige Detail entbehrlich, man könne sich mit
-dem, was man den *Geist* dieses Rechts nannte, begnügen. Dieser Geist
-nun besteht in dem, was sonst Institutionen heißt und was zum ersten
-Orientiren ganz gute Dienste leisten kann: die allgemeinsten Begriffe
-und Sätze ohne kritische Prüfung, ohne Anwendung und besonders ohne
-Quellenanschauung, wodurch alles erst wahres Leben erhält. Dieses nun
-ist ganz umsonst, und wenn man nicht mehr thun will, so ist selbst
-diese wenige Zeit völlig verloren: der einzige Nutzen, den ein solches
-Studium haben kann, ist die Erhaltung des Namens und der äußeren Form
-unsrer Wissenschaft, wodurch vielleicht in einer künftigen, besseren
-Zeit ihre Wiederbelebung erleichtert werden kann. Ganz heillos ist
-besonders die Ansicht, als ob ein künftiger Gesetzgeber, für welchen
-doch überhaupt dieser Stoff als wichtig und bildend anerkannt wird,
-mit einer solchen leichten, vornehmen Kenntniß, wofür das französische
-teinture die glücklichste Bezeichnung ist, auskommen könnte. Gerade
-für diese Anwendung auf eigene, neue Production ist noch weit mehr
-gründliche[[125]] Kenntniß nöthig, als für das gewöhnliche Geschäft
-des Juristen; man muß über den Buchstaben des historischen Materials
-sehr Herr geworden seyn, um dasselbe frey als Werkzeug zur Darstellung
-neuer Formen gebrauchen zu können, sonst ist das ~sermocinari tamquam
-e vinculis~ unvermeidlich. Jene verkehrte Ansicht ließe sich auf die
-Sprache ungefähr so anwenden, als ob man zwar für den Umgang und das
-gemeine Leben den Reichthum, die Kraft und die Fülle der Sprache
-kennen müßte, für die Poesie aber mit oberflächlicher Kenntniß genug
-haben könnte.
-
-Was nun hier von dem Studium des Rechts verlangt worden ist, soll
-nicht etwa in Büchern aufbewahrt, auch nicht einzelnen Gelehrten
-anvertraut, sondern Gemeingut aller Juristen werden, die mit Ernst und
-mit offenem Sinn für ihren Beruf arbeiten wollen. Es soll also eine
-lebendige Schule entstehen, so wie sämmtliche Römische Juristen, nicht
-blos die Sabinianer und eben so die Proculianer für sich, in der That
-Eine große Schule gebildet haben. Auch können nur aus einer solchen
-über die Gesammtheit der Juristen verbreiteten lebendigen Bearbeitung
-selbst die Wenigen hervorgehen, die durch ihren Geist zu eigentlicher
-Erfindung berufen sind, und es ist ein schädliches Vorurtheil, als
-ob diese sich immer finden würden, der Zustand der Schule möchte
-seyn welcher er wollte. Das Beyspiel von *Montesquieu* [[126]] ist
-in diesem Stück sehr lehrreich; niemand kann die unabhängige Kraft
-verkennen, womit er sich von der Beschränktheit seiner Zeit und
-Nation frey zu erhalten gestrebt hat: nun war er Jurist vom Handwerk
-und in einem ~pays de droit écrit~, auch haben die Römer keinen
-eifrigern Verehrer als ihn gehabt, so daß es ihm an Veranlassung und
-Neigung, Römisches Recht zu kennen, nicht fehlen konnte; dennoch waren
-seine Kenntnisse hierin sehr mittelmäßig, und ganze Stücke seines
-Werkes werden dadurch völlig bodenlos, wovon seine Geschichte des
-Römischen Erbrechts[98] als Beyspiel dienen kann. Dies war die Folge
-der gänzlichen Nullität der juristischen Schule seiner Zeit, welche
-er nicht zu überwinden vermochte. Ueberhaupt wird sich Jeder durch
-gründliches Studium der Literargeschichte überzeugen, wie weniges
-in ihren Erscheinungen ganz den einzelnen Individuen, unabhängig
-von den Kräften und Bestrebungen des Zeitalters und der Nation, mit
-Wahrheit zugeschrieben werden kann. -- Aber diese Gemeinschaft unsrer
-Wissenschaft soll nicht blos unter den Juristen von gelehrtem Beruf,
-den Lehrern und Schriftstellern, statt finden, sondern auch unter den
-praktischen Rechtsgelehrten. Und eben diese Annäherung der Theorie
-und Praxis ist es, wovon die eigentliche Besserung der Rechtspflege
-ausgehen muß, und worin wir vorzüglich[[127]] von den Römern zu
-lernen haben: auch unsere Theorie muß praktischer und unsere Praxis
-wissenschaftlicher werden, als sie bisher war. *Leibniz* urtheilte,
-daß unter den juristischen Schriftstellern fast nur die Verfasser
-von Consilien die Rechtswissenschaft wahrhaft erweiterten und durch
-Beobachtung neuer Fälle bereicherten[99]: zugleich wünscht er, daß
-eine Gesellschaft von etwa 30 Juristen neue Pandekten als Auszug alles
-wahrhaft praktischen und eigenthümlichen in neueren Schriftstellern
-verfassen möchte[100]. Unabhängig von *Leibniz,* aber in ähnlichem
-Sinne, schlägt *Möser* vor, durch planmäßige Sammlung wirklicher
-Rechtsfälle eines Landes neue Pandekten anzulegen[101]. Beides sehr
-schön; nur ist eine nothwendige Bedingung nicht mit in Rechnung
-gebracht, die Fähigkeit nämlich wahre Erfahrungen zu machen. Denn man
-muß das klare, lebendige Bewußtseyn des Ganzen stets gegenwärtig haben,
-um von dem individuellen Fall wirklich lernen zu können, und es ist
-also wieder nur der theoretische, wissenschaftliche Sinn, wodurch auch
-die Praxis erst fruchtbar und lehrreich erscheint. Allerdings ist in
-dem Mannichfaltigen die Einheit enthalten, aber wir sehen sie darin
-nicht, wenn wir nicht den ausgebildeten Sinn für dieselbe[[128]] mit
-hinzu bringen: ja, wir werden ohne diesen Sinn die individuelle Gestalt
-des Mannichfaltigen selbst nicht mit Sicherheit unterscheiden. Darum
-hat in den Pandekten jeder Rechtsfall eine bestimmte Individualität:
-dagegen, wenn man Urtheilssprüche des achten und neunten Jahrhunderts
-liest, so lautet einer wie der andere, und es ist, als wenn sich
-nur immer derselbe Rechtsfall wiederholt hätte. Nicht als ob in der
-That die Verhältnisse selbst bis zu diesem Grad der Einförmigkeit
-herabgesunken wären; aber die Fähigkeit der Unterscheidung war
-verloren, und je mehr diese fehlt, desto unmöglicher ist sicheres und
-gleiches Recht. Ein treffliches Mittel zu dieser Annäherung der Theorie
-und Praxis würde ein zweckmäßiger Verkehr der Juristenfakultäten mit
-den Gerichtshöfen seyn, welcher neuerlich vorgeschlagen ist[102]. Die
-Juristenfakultäten als Spruchcollegien konnten dazu dienen, und thaten
-es wohl ursprünglich nach ihrer Weise: aber nachdem sie zu allgemeinen
-Urtheilsfabriken geworden, mußte ihre Arbeit meist handwerksmäßiger
-ausfallen, als die der bessern Gerichte, ja es stand nun bey alten
-Fakultäten nicht mehr in der Macht einsichtsvoller Mitglieder, dieses
-Verhältniß zu reinigen; nicht zu gedenken, daß durch die nothwendige
-Uebung dieses unersprieslichen Handwerks der gelehrten Jurisprudenz
-die[[129]] besten Kräfte entzogen wurden und zum Theil noch entzogen
-werden. Zugleich ist diese Verknüpfung der Praxis mit einer lebendigen,
-sich stets fortbildenden Theorie das einzige Mittel, geistreiche
-Menschen für den Richterberuf wahrhaft zu gewinnen. Zwar Ehre und
-Rechtlichkeit kann der Richterstand auch ohne dieses haben, auch kann
-er sich fortwährend bilden durch Beschäftigungen außer seinem Beruf,
-wie sie jeden nach seiner Eigenthümlichkeit vorzugsweise ansprechen:
-aber ganz anders wird es seyn, wenn der eigene Beruf selbst durch
-seinen Zusammenhang mit dem Ganzen einen wissenschaftlichen Character
-annimmt, und selbst zu einem Bildungsmittel wird. Ein solcher Zustand
-allein wird alle Forderungen befriedigen können: der Einzelne wird
-nicht als bloßes Werkzeug dienen, sondern in freyem, würdigem Berufe
-leben, und die Rechtslehre wird wahre, kunstmäßige Vollendung erhalten.
-Auch die Franzosen haben dieses Bedürfniß anerkannt, nur freylich auf
-ihre eigene etwas unedle Weise.[103] Das nachtheiligste Verhältniß in
-dieser Rücksicht ist unläugbar dasjenige, worin der Richter darauf
-beschränkt seyn[[130]] soll, einen gegebenen Buchstaben, den er nicht
-interpretiren darf, mechanisch anzuwenden: betrachtet man dieses
-Verhältniß als den äußersten Punkt auf einer Seite, so würde das
-entgegen gesetzte äußerste darin bestehen, daß für jeden Rechtsfall der
-Richter das Recht zu finden hätte, wobey durch die Sicherheit einer
-streng wissenschaftlichen Methode dennoch alle Willkühr ausgeschlossen
-wäre. Zu diesem zweyten Endpunkte aber ist wenigstens eine Annäherung
-möglich, und in ihm wäre die älteste Deutsche Gerichtsverfassung in
-verjüngter Form wieder erweckt.
-
-Ich bin oben von einem dreyfachen Bedürfniß ausgegangen: Rechtsquelle,
-Personal, und Prozeßform, alle in löblichem Zustande. Wie die
-Rechtsquelle auf gründlicher und verbreiteter Wissenschaft beruhen
-solle, ist gezeigt worden: desgleichen wie eben dadurch das Personal
-der Rechtspflege für diesen Beruf wahrhaft gewonnen werden könne.
-Allein beides wird allerdings nicht zureichen, wenn die Form des
-Prozesses schlecht ist. Von dieser Seite aber bedürfen manche Deutsche
-Länder einer schnellen und gründlichen Hülfe. Die allgemeinsten
-Gebrechen sind: Anarchie der Advokaten, Misbrauch der Fristen und ihrer
-Verlängerungen, Vervielfältigung der Instanzen und vorzüglich der
-Aktenversendung, die auf verständige Weise angewendet die trefflichsten
-Dienste leisten würde. Dagegen muß allerdings durch Gesetzgebung
-geholfen werden: auch ist gemeinsame Berathung[[131]] und Mittheilung
-der Deutschen Länder hierüber sehr wünschenswerth. Nur ist nicht
-nothwendig, daß gerade Eine allgemeine Form sogleich überall eingeführt
-werde. Mögen doch verschiedene Erfahrungen gemacht werden, was sich als
-das beste bewährt, wird dann wohl allgemeinen Eingang finden. Zwischen
-dem Preussischen und dem bisherigen gemeinen Prozeß, deren Idee man als
-entgegengesetzt betrachten kann, liegen noch manche Abstufungen in der
-Mitte, über deren Werth wohl nur Erfahrung entscheiden kann.
-
-Nach dieser Ansicht also würde in den Ländern des gemeinen Rechts zwar
-kein Gesetzbuch gemacht werden: aber die bürgerliche Gesetzgebung
-überhaupt ist damit keinesweges für entbehrlich erklärt. Außer den
-Gesetzen von politischem Grunde (welche nicht hierher gehören), würde
-sie ein doppeltes Object haben können: Entscheidung von Controversen,
-und Verzeichnis alter Gewohnheiten. Mit der gesetzlichen Entscheidung
-von Controversen wäre ein Haupteinwurf beseitigt, wodurch man bisher
-die praktische Anwendbarkeit des Römischen Rechts ohne weitere
-Untersuchung zu widerlegen geglaubt hat. Ueberdem ist es aber mit
-diesen Controversen so schlimm in der That nicht. Man muß erstlich
-nicht gerade alles für controvers halten, woran sich irgend einmal
-Unwissenheit oder Geistlosigkeit versucht hat, ohne sonderlichen
-Eingang zu finden. Zweytens braucht sich[[132]] die Gesetzgebung
-auch mit solchen Controversen nicht zu bemühen, die zwar in unsern
-Lehrbüchern stehen, aber in der Praxis sehr selten vorkommen.
-Rechnet man beide Fälle ab, so bleibt allerdings noch manches zu
-thun übrig, allein der Code Napoleon, so jung er ist, kann sich
-darin schon recht gut neben dem Römischen Rechte sehen lassen. Diese
-Controversen indessen wären vielleicht besser in Form provisorischer
-Verfügungen oder Anweisungen an die Gerichte zu entscheiden, als
-durch eigentliche Gesetze, indem durch jene der möglichen besseren
-Ergründung durch Theorie weniger vorgegriffen würde. -- Das zweyte
-Objekt der Gesetzgebung wäre die Verzeichnung des Gewohnheitsrechts,
-über welches auf diese Weise eine ähnliche Aufsicht wie in Rom durch
-das Edict ausgeübt würde. Man darf nicht glauben, daß so das bisher
-bestrittene Gesetzbuch doch wieder zugelassen würde, nur unter anderem
-Namen: der Unterschied betrifft vielmehr gerade das Wesen der Sache.
-Nämlich in dieses Gewohnheitsrecht wird nur dasjenige aufgenommen, was
-durch wirkliche Uebung entschieden ist, und dieses wird ohne Zweifel
-jetzt, da man diese Entscheidung vor sich hat, völlig begriffen: das
-Gesetzbuch dagegen ist genöthigt, über alles zu sprechen, auch wenn
-kein Trieb dazu da ist, und keine specielle Anschauung dazu fähig
-macht, blos in Erwartung künftiger möglicher Fälle. Daß über die Art
-der Ausführung dieser übrig bleibenden[[133]] Zweige bürgerlicher
-Gesetzgebung hier nicht gesprochen werden kann, wird jedem von selbst
-einleuchten.
-
-Ich habe bis jetzt für die Länder des gemeinen Rechts untersucht,
-welcher Weg für das bürgerliche Recht zunächst zu betreten ist,
-wenn dasselbe in einen löblichen Zustand kommen soll. Ich will noch
-das höhere Ziel hinzufügen, dessen Möglichkeit auf demselben Wege
-liegt. Ist einmal Rechtswissenschaft auf die hier beschriebene Weise
-Gemeingut der Juristen geworden, so haben wir in dem Stand der Juristen
-wiederum ein Subject für lebendiges Gewohnheitsrecht, also für
-wahren Fortschritt, gewonnen; von diesem Gewohnheitsrecht war unser
-Gerichtsgebrauch nur ein kümmerliches Surrogat, am kümmerlichsten der
-Gerichtsgebrauch der Juristenfakultäten. Der historische Stoff des
-Rechts, der uns jetzt überall hemmt, wird dann von uns durchdrungen
-seyn und uns bereichern. Wir werden dann ein eigenes, nationales Recht
-haben, und eine mächtig wirksame Sprache wird ihm nicht fehlen. Das
-Römische Recht können wir dann der Geschichte übergeben, und wir werden
-nicht blos eine schwache Nachahmung Römischer Bildung, sondern eine
-ganz eigene und neue Bildung haben. Wir werden etwas höheres erreicht
-haben, als blos sichere und schnelle Rechtspflege: der Zustand klarer,
-anschaulicher Besonnenheit, welcher dem Recht jugendlicher Völker
-eigen zu seyn pflegt, wird sich[[134]] mit der Höhe wissenschaftlicher
-Ausbildung vereinigen. Dann kann auch für zukünftige schwächere Zeiten
-gesorgt werden, und ob dieses durch Gesetzbücher oder in anderer
-Form besser geschehe, wird dann Zeit seyn zu berathen. Daß dieser
-Zustand jemals eintreten werde, sage ich nicht: dieses hangt von der
-Vereinigung der seltensten und glücklichsten Umstände ab. Was wir
-Juristen hinzu bringen können, ist offener Sinn, und treue tüchtige
-Arbeit: haben wir diese gethan, so mögen wir den Erfolg ruhig abwarten,
-vor allem aber uns hüten, dasjenige zu zerstören, was näher zu jenem
-Ziele führen kann.
-
-Als das Jüdische Volk am Berge Sinai das göttliche Gesetz nicht
-erwarten konnte, machte es aus Ungeduld ein goldenes Kalb, und darüber
-wurden die wahren Gesetztafeln zerschlagen.
-
-
-9.
-
-*Was bey vorhandenen Gesetzbüchern zu thun ist.*
-
-[[135]] Ich komme nun zu den Deutschen Ländern, in welchen Gesetzbücher
-schon vorhanden sind: es versteht sich, daß darunter nur das
-Preussische Landrecht und das Oesterreichische Gesetzbuch gedacht
-werden kann, nicht der Code, welcher als eine überstandene politische
-Krankheit betrachtet werden muß, wovon wir freylich noch manche Uebel
-nachempfinden werden.
-
-Ueber jene Deutschen Gesetzbücher nun habe ich meine Meynung schon
-geäußert; aber man würde mich misverstehen, wenn man diese Meynung
-so deuten wollte, als ob damit die Abschaffung der Gesetzbücher für
-etwas wünschenswerthes erklärt wäre. Diese sind vielmehr als eigene,
-neue Thatsachen in der Geschichte des Rechts zu behandeln, und
-ihre Aufhebung würde nicht nur unvermeidlich große Verwirrung zur
-Folge haben, sondern es müßte auch nachtheilig auf den öffentlichen
-Geist wirken, wenn dasjenige, was mit der besten Absicht und großer
-Anstrengung kaum vollendet war, plötzlich zurückgenommen werden sollte.
-Auch tritt ein großer Theil des Uebels, welches aus einem allgemeinen
-Gesetzbuche folgen würde, bey ihnen nicht ein, so lange in[[136]]
-andern Deutschen Ländern das gemeine Recht fortdauert. Also von
-Aufhebung ist nicht die Rede, wohl aber ist ernstlich zu bedenken, wie
-die Uebel vermieden werden können, die bey unrichtiger Behandlung der
-Gesetzbücher eintreten dürften.
-
-Wen nämlich dasjenige, was über die Natur und Entstehung unsrer
-Gesetzbücher gesagt worden ist, überzeugt hat, der wird nicht
-zweifeln, daß dasselbe historisch begründete Rechtsstudium, welches
-vor ihrer Einführung nothwendig war, auch durch sie nicht im
-geringsten entbehrlicher geworden ist, und daß insbesondere gar nichts
-geleistet wird, wenn man glaubt, sich um ihretwillen nun mit einer
-oberflächlichen Darstellung des bisherigen Rechts behelfen zu können.
-Diese fortdauernde Nothwendigkeit ist für die unmittelbare Anwendung
-dringender bey dem Oesterreichischen Gesetzbuch (S. 108): aber sie
-ist aus anderen Gründen auch bey dem Preussischen Landrecht nicht
-geringer. Die häufig gehegte Erwartung also, daß das Rechtsstudium
-dadurch leichter und einfacher werden könne, ist irrig: soll es nicht
-schlecht und für den gegebenen Rechtszustand unzureichend werden (denn
-alsdann ist jeder Grad der Vereinfachung möglich), so bleibt alle
-vorige Arbeit, und es kommt noch eine neue hinzu, die wegen Zerstörung
-der ursprünglichen Form unerfreulicher ist, als die vorige. Aber
-nicht blos für die gründliche Kenntniß und Anwendung der Gesetzbücher
-ist das vorige[[137]] Studium unentbehrlich, sondern auch für ihre
-Fortbildung und Vervollkommnung, die doch jeder für nothwendig erkennen
-wird, er mag auch den Werth derselben noch so hoch anschlagen. Denn
-die Gesetzbücher selbst sind auf theoretischem Wege entstanden, und
-nur auf diesem Wege können sie mit Sicherheit geprüft, gereinigt und
-vervollkommt werden. Für diese Arbeit scheint ein bloßes Collegium von
-Geschäftsmännern, die durch ihren Beruf und die Menge übriger Arbeiten
-ihren lebendigen Verkehr mit der Theorie zu beschränken genöthigt sind,
-nicht hinreichend. Auch die fortgesetzte Prüfung des Gesetzbuchs durch
-Achtsamkeit der Gerichte auf die Anwendung ist zwar vortrefflich, aber
-nicht hinlänglich: viele Mängel werden auf diesem Wege entdeckt werden
-können, dennoch bleibt der Weg selbst zufällig, und eben so viele
-Mängel können von ihm unberührt bleiben. Die Theorie steht zur Praxis
-nicht ganz in demselben Verhältniß, wie ein Rechnungsexempel zu seiner
-Probe.
-
-Es ist interessant, zu betrachten, wie man in den Staaten, worin
-Gesetzbücher eingeführt sind, das Studium angesehen und geordnet
-hat. Dabey mag denn auch wieder der Zustand der Dinge in Frankreich,
-und zwar die gegenwärtige Einrichtung der Pariser Rechtsschule, in
-Betracht kommen[104]. Zu dieser[[138]] Schule gehören drey Professoren
-für den Code, einer für den Prozeß, einer für das Römische Recht, und
-diese sollen sich in jeder Rechtsschule finden; aber Paris hat noch
-außerdem zwey besondere Lehrstellen, für den ~code civil approfondi~
-und für den ~code de commerce.~ Criminalrecht und Criminalprozeß,
-Rechtsgeschichte und altfranzösisches Recht werden nicht gelesen. Jeder
-Professor hält stets Einen Cursus, welcher einjährig ist (mit Abzug von
-3 Monaten Ferien in Paris, an andern Orten aber nur von 2 Monaten), und
-wöchentlich aus drey anderthalbstündigen Vorlesungen besteht: dieser
-Umfang ist bey allen Vorlesungen derselbe. Der Code also wird in drey
-solchen Cursen gelehrt, indem jeder Lehrer nur ein Drittheil des Ganzen
-abhandelt. Jeder Professor hat einen suppléant, der für ihn eintritt,
-wenn er zu lesen verhindert ist. Das Römische Recht las *Berthelot*
-über die Institutionen des *Heineccius,* denen er eine französische
-Uebersetzung beygegeben hatte, damit die Zuhörer sie verstehen
-könnten; seit *Berthelots* Tode liest es dessen bisheriger suppléant
-*Blondeau*, aber, was man nicht glauben sollte, über den Code, indem
-er bey jedem Artikel die Abweichungen bemerkt. Der Baccalaureus muß
-zwey Jahre, der Licentiat drey, der Doctor vier Jahre studiert haben;
-dem ersten ist der Cursus des Römischen Rechts vorgeschrieben, für
-den zweyten ist dessen Wiederholung eigenem Gutdünken überlassen,
-dem[[139]] dritten ist diese Wiederholung wiederum vorgeschrieben: was
-aber wohlgemerkt immer nur die Wiederholung derselben Institutionen
-bey demselben Lehrer ist. Es wird nicht nöthig seyn, nach dem, was
-bisher ausgeführt worden ist, noch besondere Grunde gegen diesen
-Studienplan vorzubringen; aber besonders merkwürdig ist der greifliche
-Zirkel, worin man sich befindet. Die Redactoren selbst haben oft
-erklärt, daß der Code zur Anwendung nicht hinreiche, sondern für
-diese die Ergänzung durch Wissenschaft nothwendig sey. Und doch dreht
-sich der wissenschaftliche Unterricht wieder ganz um den Code, denn
-das wenige Römische Recht ist gar nicht zu rechnen. Welches ist denn
-also die factische Grundlage dieser Wissenschaft? ohne Zweifel der
-Gerichtsgebrauch, derselbe Gerichtsgebrauch, dessen Verschiedenheit
-aufzuheben das wichtigste Bestreben schien, und der durch Auflösung der
-alten Gerichte und Vermischung ihrer Sprengel alle Haltung verloren
-hat! Daß nun ein solcher Zustand nicht stehen bleibt, sondern immer
-weiter rückwärts führt, ist handgreiflich. Es liegt in der Natur, daß
-in jedem Zeitalter der Zustand der Rechtswissenschaft durch den Wert
-desjenigen bestimmt wird, was dieses Zeitalter als nächstes Object
-des Studiums in der That (wenn gleich nicht immer den Worten nach)
-betrachtet und behandelt; stets wird die Rechtswissenschaft etwas und
-vielleicht viel tiefer stehen, als dieses Object. So z. B. hatten die
-ersten[[140]] Glossatoren den Vortheil, daß sie aus den Quellen selbst
-zu schöpfen genöthigt waren, diese waren also ihr Object; Bartolus
-dagegen hatte schon die Schriften der Glossatoren zum Object, die sich
-nunmehr zwischen die gegenwärtigen Juristen und die Quellen gestellt
-hatten, und dieses ist ein Hauptgrund, warum die Schule des Bartolus
-so viel schlechter ist, als die der Glossatoren. Derselbe Rückschritt
-wird überall statt finden, wo nicht der Grundsatz befolgt wird, jeden
-Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen, welcher Grundsatz oben als der
-Character der historischen Methode angegeben worden ist. So denn auch
-bey dem Code; wenn z. B. einer der Redactoren auch die übertriebenste
-Meynung vom Werthe des Code hegte, so würde er doch im Vertrauen
-bekennen, daß er selbst höher stehe, als dieses sein Werk: er würde
-einräumen, daß er selbst seine Bildung unabhängig von dem Code erhalten
-habe, und daß die gegenwärtige Generation, die durch den Code erzogen
-werden soll, nicht auf den Punkt kommen würde, worauf er selbst steht,
-und worauf er fähig war, ein solches Werk hervorzubringen. Diese
-einfache Ueberlegung wird dasselbe Resultat überall haben, wo man mit
-Einführung des neuen Gesetzbuchs zugleich das vorige Studium zerstört,
-gleichsam die Brücke hinter sich abwerfend, auf welcher man über den
-Strom gekommen ist.
-
-Die neue Oesterreichische Studienordnung (von[[141]] 1810) verbindet
-das juridische und politische Studium zu einem Ganzen[105], welches in
-vier Jahren dergestalt geendigt wird, daß diese ganze Zeit hindurch
-täglich drey Stunden den Vorlesungen bestimmt sind[106]. Jeder
-Lehrgegenstand wird nur einmal gehört. Deutsches Recht kommt nicht
-vor, ohne Zweifel deshalb, weil es auch vor dem neuen Gesetzbuch
-in Oesterreich wenig verbreitet war[107]. Dagegen wird allerdings
-Römisches Recht gelehrt, und die Gründe, welche die Aufnahme desselben
-in den Lehrplan bewirkt haben, sind die trefflichsten und liberalsten.
-Der erste ist die Entstehung des neuen Gesetzbuchs aus dem Römischen
-Recht: der zweyte, daß das bisherige gemeine Recht (und besonders
-der Römische Theil desselben) zu jeder positiven Rechtswissenschaft
-in einem ähnlichen Verhältniß stehe, wie die alten Sprachen zur
-allgemeinen Bildung: nämlich als das eigentlich gelehrte Element,
-wodurch unser Fach zur Wissenschaft werde, und zugleich als das[[142]]
-Gemeinsame unter den Juristen verschiedener Völker[108]. Diese Ansicht,
-die ohne Zweifel die der Studiencommission selbst ist[109], verdient
-gewiß den größten Beyfall: allein ob die gewählten Mittel zu diesem
-anerkannten Zweck hinreichen, muß ich bezweifeln. Zwar soll der Lehrer
-des Römischen Rechts eine Geschichte desselben voraus schicken, und
-dahin trachten, daß der Zuhörer »das System desselben in seinen
-Grundzügen und aus seinen Quellen kennen lerne«[110]: allein bey der
-vorgeschriebenen beschränkten Zeit ist es ganz unmöglich, mehr als
-gewöhnliche Institutionen vorzutragen, da für das ganze Fach nur eine
-halbjährige Vorlesung von zwey Stunden täglich (nach schriftlichen
-Nachrichten eigentlich neun Stunden die Woche) bestimmt ist, also
-genau dieselbe Zeit wie in Paris. Was in einer so kurzen Zeit möglich
-ist, kann jeder leicht berechnen: auch ist bereits ein Lehrbuch für
-die Vorlesungen nach diesem Plane erschienen[111], an welchem deutlich
-zu sehen ist, wie unbefriedigend dieser Unterricht bleiben muß, und
-gewiß ohne Schuld des Verfassers, dessen Fleiß und Kenntniß neuerer
-Fortschritte der Rechtswissenschaft[[143]] vielmehr das beste Lob
-verdient. Es käme nur darauf an, sich von der Unzulänglichkeit dieses
-Planes zu überzeugen, und dabey die Erfahrung anderer Deutschen Länder
-unbefangen zu Rathe zu ziehen: an Mitteln zu einer andern Einrichtung
-würde es nicht fehlen, am wenigsten an Zeit. Der Plan ist darauf
-berechnet, daß jeder Studierende täglich drey Stunden höre; nimmt man
-anstatt dessen fünf Stunden an, so werden in vier Jahren 16 einfache
-Collegien gewonnen, und es können dann nicht nur alle zum gelehrten
-Studium unentbehrliche Fächer, sondern auch die Hauptvorlesungen
-bey mehreren Lehrern gehört werden, wodurch erst rechtes Leben in
-den Unterricht der Universitäten kommt. Zwar glaubte man, daß fünf
-Stunden täglich nach der Localität zu viel sey, indem es z. B. zu viel
-Anstrengung kosten würde, drey Stunden ununterbrochen zu hören[112]:
-allein ich berufe mich auch hierüber auf die Erfahrung anderer
-Deutschen Universitäten, wo dieses niemals die geringste Schwierigkeit
-macht. Davon, daß es Universitäten giebt, wo manche Studenten 10-11
-Stunden täglich hören, will ich nicht sprechen, denn dieses wird auch
-dort für einen sehr schädlichen Misbrauch erkannt, dem man entgegen zu
-arbeiten sucht.
-
-[[144]] In den Preußischen Staaten ist auch seit Einführung des
-Landrechts niemals eine Studienordnung vorgeschrieben worden, und diese
-durch alte Erfahrung Deutscher Universitäten bewährte Freyheit ist
-stets unversehrt geblieben. Auch die Anzahl der Lehrer, wie sie vorher
-durch das gemeine Recht nöthig war, ist nicht vermindert worden, und
-die Curatoren der Universitäten haben niemals in den Lehrern oder den
-Studierenden die Meynung erregt, als wäre ein Theil der vorher nöthigen
-Vorlesungen für entbehrlich zu achten. Ursprünglich hielt man es für
-räthlich, daß auf jeder Universität wenigstens Eine Hauptstelle für das
-Preußische Recht bestimmt würde, und es wurde ein ansehnlicher Preiß
-für das beste Lehrbuch ausgesetzt[113]. Allein selbst dieses wurde in
-der Folge nicht mehr befördert, wie denn die Universität zu Berlin das
-Preußische Recht bis jetzt nicht gelehrt hat. Dieselbe Ansicht liegt
-den eingeführten Prüfungen zum Grunde, indem die erste Prüfung, bey
-dem Eintritt in wirkliche Geschäfte, blos auf gemeines Recht gerichtet
-wird: die nächste Zeit ist nun für die unmittelbar praktische Bildung
-des Rechtsgelehrten bestimmt[114], und erst die nun folgenden zwey
-Prüfungen[[145]] haben auch das Landrecht zum Gegenstande, jedoch ohne
-daß das gemeine Recht dabey ausgeschlossen wäre. Offenbar ist also
-gegenwärtig die Bildung des Juristen, als aus zwey Hälften bestehend,
-gedacht, so daß die erste Hälfte (die Universität) nur die gelehrte
-Grundlage, die zweyte dagegen die Kenntniß des Landrechts, die des
-Preußischen Prozesses, und die praktische Fertigkeit zur Aufgabe hat.
-Dafür, daß die erste Hälfte nicht aus Bequemlichkeit verkürzt werde,
-hat man nicht durch eine specielle Studienordnung gesorgt, wohl aber
-erstlich durch das vorgeschriebene Triennium[115], so daß die Anwendung
-dieser Zeit, wie billig, der eigenen Wahl und dem Rathe der Lehrer
-überlassen blieb; zweytens durch die Vorschrift, bey der Zulassung
-zum Staatsdienste auch auf das Zeugniß der Universitätslehrer, und
-selbst auf das frühere Schulzeugniß, Rücksicht zu nehmen[116]. Man
-muß bedenken, mit welchem Ernst und welcher Anstrengung das Landrecht
-gemacht worden ist, um die ganze Achtung zu empfinden, welche diesem
-Verfahren der Preußischen Regierung gebührt. Denn auch bey der
-festen Ueberzeugung, daß das neu eingeführte ein unbedingter[[146]]
-Fortschritt sey, hat sie dennoch mit edler Scheu sich enthalten, der
-fest gewurzelten wissenschaftlichen Gewohnheit zu gebieten, die durch
-das Bedürfniß und die Einsicht der Zeiten allmählich entstanden und
-entwickelt war. Rühmliche Erwähnung verdient auch der gründliche
-Sinn des Kammergerichts, auf dessen Veranlassung im Jahr 1801. den
-juristischen Fakultäten der Gebrauch lateinischer Lehrbücher empfohlen
-wurde, weil seit Einführung der Deutschen Lehrbücher die juristische
-Kunstsprache den Juristen weniger geläufig war[117]; noch sicherer und
-vollständiger als durch Lehrbücher dürfte freylich dieser Zweck durch
-die Quellen selbst erreicht werden. -- Was insbesondere die Vorlesungen
-über das Landrecht betrifft, so glaube ich allerdings, daß diese in der
-gegenwärtigen Lage besser nicht gehalten werden, indem zum praktischen
-Bedürfniß die spätere Einübung hinreicht, eine wissenschaftliche
-Seite aber dem Gegenstande abzugewinnen, aus Mangel an speciellen
-geschichtlichen Quellen, schwer seyn dürfte. Anders würde es vielleicht
-seyn, wenn der oben (S. 94) ausgesprochene Wunsch öffentlicher
-Mittheilung von Materialien des Landrechts in Erfüllung gehen sollte.
-
-Betrachten wir nun nochmals die drey genannten Gesetzbücher im
-Zusammenhang, und in besonderer Beziehung auf das Studium des Rechts,
-so ist[[147]] einleuchtend, daß ein eigenthümliches wissenschaftliches
-Leben aus ihnen nicht entspringen kann, und daß sich auch neben ihnen
-wissenschaftlicher Geist nur in dem Maaße lebendig erhalten wird, als
-die geschichtlichen Quellen dieser Gesetzbücher selbst fortwährend
-Gegenstand aller juristischen Studien bleiben. Derselbe Fall aber
-müßte unfehlbar eintreten, wenn wir ein Gesetzbuch für Deutschland
-aufstellen wollten. *Thibaut*, welcher dieses anräth, will, wie
-sich bey ihm von selbst versteht, nicht die Wissenschaftlichkeit
-aufheben, vielmehr hofft er gerade für diese großen Gewinn. Welches
-nun die Basis der künftigen Rechtsstudien seyn soll, ob (wie in
-Preußen) die alten Quellen, oder (wie in Frankreich und Oesterreich)
-das neue Gesetzbuch selbst, sagt er nicht deutlich, doch scheint
-mehr das letzte seine Meynung[118]. Ist aber dieses der Fall, so
-fordere ich jeden auf, bey sich zu erwägen, ob auf eines der drey
-schon vorhandenen neuen Gesetzbücher, unabhängig von den Quellen
-des bisherigen Rechts und dieser Gesetzbücher selbst, eine wirklich
-lebendige Rechtswissenschaft möglicherweise gegründet werden könne.
-Wer aber dieses nicht für möglich erkennt, der kann es auch nicht für
-das vorgeschlagene Gesetzbuch behaupten. Denn ich halte es, aus den
-oben entwickelten Gründen, für ganz unmöglich, daß dasselbe von den
-bisherigen[[148]] Gesetzbüchern nicht blos durch Vermeidung einzelner
-Mängel (was allerdings gedacht werden kann), sondern generisch
-verschieden ausfalle; ohne eine solche generische Verschiedenheit
-aber wird die Untauglichkeit zu Begründung einer selbstständigen
-Rechtswissenschaft stets dieselbe seyn. Was alsdann eintreten wird,
-läßt sich leicht vorhersehen. Wir werden entweder gar keine juristische
-Literatur haben, oder (was wahrscheinlicher ist) eine so flache,
-fabrikmäßige, unerträgliche, wie sie uns unter der Herrschaft des Code
-zu überschütten angefangen hatte, und wir werden dann alle Nachtheile
-eines cultivirten, verwickelten, auf literarisches Bedürfniß gebauten
-Zustandes empfinden, ohne durch die eigenthümlichen Vortheile desselben
-entschädigt zu werden. Ja, um alles mit Einem Worte zu sagen, es
-könnte leicht kommen, daß der Zustand des bürgerlichen Rechts bey
-uns schlechter würde, als er in Frankreich ist; denn das Streben
-nach wissenschaftlicher Begründung gehört nicht zu den nationalen
-Bedürfnissen der Franzosen, wohl aber zu den unsrigen, und ein so tief
-wurzelndes Bedürfniß läßt sich nicht ungestraft hintansetzen.
-
-Wollte man dagegegen die Rechtswissenschaft auch neben dem neuen
-Gesetzbuch auf die alten Quellen gründen, so würden die oben[119]
-angegebenen Schwierigkeiten eintreten, und man würde das Studium,
-anstatt es zu vereinfachen, vielmehr verwickeln[[149]] und weniger
-belohnend einrichten, also dem wahren Zwecke gerade entgegen arbeiten.
-Man möchte etwa glauben, der Erfolg würde ganz derselbe seyn, wie er
-bey einem ähnlichen Verfahren in den Preussischen Staaten wirklich vor
-Augen liegt, wo gewiß das Personal der Rechtspflege trefflich ist und
-allgemeine Achtung genießt und verdient; aber auch diese Erwartung
-halte ich für eine leere Täuschung. Denn zwey Umstände dürfen dabey
-nicht übersehen werden, die den Erfolg in anderen Deutschen Ländern
-leicht ungünstiger bestimmen dürften: erstlich, daß der allgemeine
-Character der Preußischen Einrichtungen auch dieser einzelnen
-Einrichtung zusagt, und ihre Ausführung in gesundem Zustande erhält,
-was sich in anderen Deutschen Ländern schwerlich so zeigen würde:
-zweytens aber und weit mehr dieses, daß selbst in den Preussischen
-Staaten die Lage des Rechts durch das vorgeschlagene Gesetzbuch der
-übrigen Deutschen Länder anders werden würde. Denn die Bildung der
-Preußischen Juristen wird begründet auf den Universitäten, also durch
-die Quellen des gemeinen Rechts: das Studium auf den Universitäten also
-macht mit dem der übrigen Deutschen Ein Ganzes aus. Es ist aber nicht
-zu bestimmen, wie viel Lebenskraft dieses Studium noch dadurch zieht,
-daß seine Quellen im übrigen Deutschland geltendes Recht sind, und wie
-ihm allmählich Kraft und Leben schwinden würde, wenn diese Quellen
-überall unmittelbar[[150]] zu gelten aufhören sollten. Dann also würde
-durch das Deutsche Gesetzbuch selbst für die Preussischen Staaten das
-Studium entkräftet seyn, und gegen dieses zu befürchtende Uebel kann
-uns begreiflich die Erfahrung nicht sicher stellen, die bis jetzt der
-Preussische Staat gemacht hat.
-
-
-10.
-
-Das Gemeinsame.
-
-[[151]] Die Folge dieser Ansichten ist, daß das wissenschaftliche
-Studium des Rechts, als welchem alle Erhaltung und Veredlung desselben
-obliegt, in beiderley Ländern, denen die Gesetzbücher haben, und
-die sie nicht haben, dasselbe seyn müsse. Ja nicht auf das gemeine
-Recht allein beschränke ich diese Gemeinschaft, sie muß vielmehr auch
-auf die Landesrechte erstreckt werden aus zwey Gründen. Erstlich
-weil die Landesrechte großentheils nur durch Vergleichung und durch
-Zurückführung auf alte nationale Wurzeln verstanden werden können:
-zweytens weil schon an sich alles geschichtliche der einzelnen
-Deutschen Länder für die ganze Nation ein natürliches Interesse hat.
-Daß die Landesrechte bisher am wenigsten auf diese Weise behandelt
-worden sind, wird niemand läugnen[120]; aber viele Gründe lassen für
-die Zukunft allgemeinere Theilnahme an der vaterländischen Geschichte
-hoffen, und davon wird auch das Studium der Landesrechte belebt werden,
-die eben so wenig als das gemeine Recht dem blosen Handwerk anheim
-fallen dürfen. Und so führt unsre Ansicht auf einem anderen[[152]] Wege
-zu demselben Ziel, welchem die Freunde des allgemeinen Gesetzbuchs
-nachstreben, aus dem bürgerlichen Recht nämlich eine gemeinsame
-Angelegenheit der Nation, und damit zugleich eine neue Befestigung
-ihrer Einheit zu machen; nur führt unsre Ansicht vollständiger dahin,
-indem sie in der That alle Deutschen Lande umfaßt, während durch das
-vorgeschlagene Gesetzbuch Deutschland in drey große Ländermassen
-zerfallen würde, die durch das bürgerliche Recht sogar schärfer als
-vorhin geschieden wären: Oesterreich nämlich, Preußen, und die Länder
-des Gesetzbuchs[121].
-
-Daß nun diese Gemeinschaft des bürgerlichen Rechts in allen wirklichen
-Einrichtungen anerkannt und vorausgesetzt werde, halte ich eben
-wegen jener durch sie mit zu begründenden Vereinigung für eine der
-wichtigsten Angelegenheiten der Nation. Wie es keine Preussische
-und Bairische Sprache oder Literatur giebt, sondern eine Deutsche,
-so ist es auch mit den Urquellen unsres Rechts und mit deren
-geschichtlicher[[153]] Erforschung; daß es so ist, hat kein Fürst mit
-Willkühr gemacht, und keiner kann es hindern, nur kann es verkannt
-werden: aber jeder Irrthum über das, was wahrhaft der Nation angehört,
-und fälschlich als dem einzelnen Stamme eigen behandelt wird, bringt
-Verderben.
-
-Sehen wir nun um uns, und suchen ein Mittel, wodurch dieses gemeinsame
-Studium äußerlich begründet und befördert werden könne, so finden wir
-ein solches, nicht mit Willkühr ersonnen, sondern durch das Bedürfniß
-der Nation seit Jahrhunderten bereitet, in den Universitäten. Die
-tiefere Begründung unsres Rechts, und vorzüglich des vaterländischen,
-für welches noch am meisten zu thun ist, ist von ihnen zu erwarten,
-aber auch mit Ernst zu fordern. Allein damit sie diesem Beruf ganz
-genügen könnten, müßte ein Wunsch erfüllt werden, in welchen gewiß
-auch diejenigen herzlich einstimmen werden, welchen bis jetzt unsre
-Ansicht entgegen gesetzt war. Oesterreich, Baiern und Würtemberg,
-diese trefflichen, gediegenen Deutschen Stämme, stehen (theils von
-jeher, theils gegenwärtig) mit dem übrigen Deutschland nicht in
-dem vielseitigen Verkehr des Universitätsunterrichts, welcher den
-übrigen Ländern so großen Vortheil bringt; theils Gewohnheit, theils
-beschränkende Gesetze hemmen diesen Verkehr. Die Erfahrung dieser
-letzten Zeit hat gezeigt, welches Zutrauen die Deutschen Völker zu
-einander fassen dürfen,[[154]] und wie nur in der innigsten Vereinigung
-ihr Heil ist. Darum scheint es an der Zeit, daß jener Verkehr nicht
-nur völlig frey gestattet, sondern auf alle Weise begünstigt und
-befördert werde: für gefährlich kann ihn jetzt niemand halten, und wie
-er wohlthätig für die Verbrüderung der Völker wirken könne, muß jedem
-einleuchten. Aber nicht blos politisch würde dieser unbeschränkte und
-vielseitige Verkehr höchst wichtig seyn, sondern auch noch mehr für
-den innern, wissenschaftlichen Werth der Lehranstalten selbst. Wie
-sich bey dem allgemeinen Welthandel ein irriges Münzsystem einzelner
-Staaten nicht halten kann, ohne bald in schlimmen Folgen empfunden und
-entdeckt zu werden, so würde eine mangelhafte Einrichtung einzelner
-Universitäten durch diesen erwünschten Verkehr bald erkannt und
-verbessert werden können; alle Universitäten würden sich gegenseitig
-halten und heben, und die Erfahrung einer jeden würde ein Gemeingut
-aller werden.
-
-
-11.
-
-Thibauts Vorschlag.
-
-[[155]] *Thibaut* versichert im Eingang seiner Schrift, daß er als
-warmer Freund seines Vaterlandes rede, und gewiß, er hat ein Recht,
-dieses zu sagen. Denn er hat zur Zeit des Code in einer Reihe von
-Recensionen auf die Würde der Deutschen Jurisprudenz gehalten,
-während Manche die neue Weisheit, Manche selbst die Herrschaft,
-wozu diese führte, mit thörichtem Jubel begrüßten. Auch das Ziel
-seines Vorschlags, die festere, innigere Vereinigung der Nation,
-bestätigt diese gute Gesinnung, die ich mit Freuden anerkenne. Bis
-auf diesen Punkt also sind wir einig, und darum ist unser Streit kein
-feindseeliger, uns liegt derselbe Zweck ernsthaft am Herzen, und wir
-berathen und besprechen uns über die Mittel. Aber freylich über diese
-Mittel sind unsre Ansichten sehr entgegen gesetzt. Vieles davon ist
-schon oben im Zusammenhang dieser Schrift abgehandelt worden, der
-eigentliche Vorschlag selbst ist nun noch zu prüfen.
-
-*Thibaut* nimmt an, das vorgeschlagene Gesetzbuch könne in zwey, drey,
-vier Jahren gemacht werden[122], nicht als bloser Behelf, sondern
-als ein[[156]] Ehrenwerk, welches als Heiligthum auf Kinder und
-Kindeskinder vererbt werden möge[123], und woran auch in Zukunft nur
-noch in einzelnen Stellen nachzubessern seyn würde[124]. Für leicht
-hält er die Arbeit keinesweges, vielmehr für das schwerste unter
-allen Geschäften[125]. Natürlicherweise ist die Hauptfrage die, wer
-dieses Werk machen soll, und dabey ist es höchst wichtig, daß wir
-uns nicht durch übertriebene Erwartungen von der Gegenwart täuschen
-lassen, sondern ruhig und unparteyisch überschlagen, welche Kräfte uns
-zu Gebote stehen. Dieses hat auch *Thibaut* gethan; auf zwey Classen
-von Arbeitern müssen wir rechnen, Geschäftsmänner und Juristen von
-gelehrtem Beruf, und beide verlangt, wie sich von selbst versteht, auch
-er. Aber von den Geschäftsmännern im einzelnen ist seine Erwartung sehr
-mäßig[126], und auch auf die Gelehrten setzt er nach einigen Äußerungen
-keine übertriebene Hoffnung[127]. Eben deshalb fordert er eine
-collegialische Verhandlung: nicht Einer, auch nicht Wenige, sondern
-Viele und aus allen Ländern sollen das Gesetzbuch machen[128].
-
-Allerdings giebt es Geschäfte im Leben, worin sechs Menschen genau
-sechsmal so viel ausrichten als Einer, andere worin sie sogar mehr,
-noch andere[[157]] dagegen worin sie weit weniger als dieses leisten.
-Das Gesetzbuch nun ist eine solche Arbeit, worin die vereinigte Kraft
-Vieler keinesweges eine nach Verhältniß erhöhte Kraft seyn würde. Noch
-mehr: es wird als ein löbliches, treffliches Werk auf diesem Wege gar
-nicht entstehen können, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es
-nach seiner Natur weder eine einzelne Bestimmung, noch ein Aggregat
-solcher einzelnen Bestimmungen ist, sondern ein organisches Ganze. Ein
-Richtercollegium z. B. ist deshalb möglich, weil über Condemnation
-oder Absolution in jedem einzelnen Fall die Stimmen abgegeben und
-gezählt werden können. Daß damit die Verfertigung des Gesetzbuchs keine
-Aehnlichkeit hat, leuchtet von selbst ein. Ich komme auf dasjenige
-zurück, was oben erörtert worden ist. Unter den Römern zur Zeit des
-*Papinian* war ein Gesetzbuch möglich, weil ihre gesammte juristische
-Literatur selbst ein organisches Ganze war: man könnte (mit einem
-Kunstausdruck der neueren Juristen) sagen, daß damals die einzelnen
-Juristen fungible Personen waren. In einer solchen Lage gab es sogar
-mehrere Wege, die zu einem guten Gesetzbuch führen konnten: entweder
-Einer konnte es machen, und die Andern konnten hinterher einzelne
-Mängel verbessern, was deswegen möglich war, weil in der That jeder
-einzelne als Repräsentant ihrer juristischen Bildung überhaupt gelten
-konnte: oder auch Mehrere konnten, unabhängig[[158]] von einander,
-jeder das Ganze ausarbeiten, und durch Vergleichung und Verbindung
-dieser Werke würde ein neues entstanden seyn, vollkommner als jedes
-einzelne, aber mit jedem gleichartig.
-
-Nun bitte ich jeden, mit diesem Zustand den unsrigen zu vergleichen,
-der jenem gerade hierin völlig entgegen gesetzt ist. Um mit
-dem geringeren anzufangen, wähle jeder in Gedanken eine Anzahl
-der jetztlebenden Juristen aus, und frage sich, ob aus deren
-gemeinschaftlicher Arbeit auch nur ein System des bestehenden Rechts
-hervorgehen könne: er wird sich bald von der völligen Unmöglichkeit
-überzeugen. Daß aber ein Gesetzbuch eine viel größere Arbeit ist, und
-daß von ihm besondere ein höherer Grad organischer Einheit verlangt
-werden muß, wird gewiß niemand läugnen. In der That also würde das
-Gesetzbuch, wenn es nicht durch blos mechanische Zusammensetzung
-unlebendig und darum völlig verwerflich seyn soll, doch nicht von jenem
-Collegium gemacht werden können, sondern nur von einem Einzelnen; die
-übrigen aber würden nur untergeordnete Dienste leisten können, indem
-sie bey einzelnen Zweifeln Rath und Gutachten ertheilten, oder die
-fertige Arbeit durch Entdeckung einzelner Mängel zu reinigen suchten.
-Wer uns aber dieses zugiebt, der muß für die gegenwärtige Zeit an der
-Möglichkeit überhaupt verzweifeln; denn eben jenen einzelnen, den
-wahren Gesetzgeber, zu finden, ist ganz unmöglich,[[159]] weil wegen
-der völligen Ungleichartigkeit der individuellen Bildung und Kenntniß
-unsrer Juristen kein einzelner als Repräsentant der Gattung betrachtet
-werden kann.
-
-Wer auch nach dieser Betrachtung noch an die Möglichkeit einer wirklich
-collegialischen Verfertigung des Gesetzbuchs glauben möchte, der wolle
-doch die Discussionen des Französischen Staatsraths, die *Thibaut*
-so treffend geschildert hat[129], auch nur in einem einzelnen
-Abschnitt durchlesen. Ich zweifle nicht, daß unsre Discussionen in
-manchen Stücken besser seyn würden; aber, auf die Gefahr hin, der
-Parteylichkeit für die Franzosen beschuldigt zu werden, kann ich die
-Ueberzeugung nicht verbergen, daß die unsrigen in anderer Rücksicht
-hinter diesem Vorbild zurück bleiben dürften.
-
-Es ist oft verlangt worden, daß ein Gesetzbuch populär seyn solle, und
-auch *Thibaut* kommt einmal auf diese Forderung zurück[130]. Recht
-verstanden, ist diese Forderung wohl zuzugeben. Die Sprache nämlich,
-die das wirksamste Mittel ist, wodurch Ein Geist zum andern kommen
-kann, hemmt und beschränkt auch diesen geistigen Verkehr vielfältig;
-oft wird der beste Theil des Gedankens von diesem Medium absorbirt,
-wegen der Ungeschicklichkeit entweder des Redenden, oder des Hörers.
-Aber durch[[160]] Naturanlage oder Kunst kann dieses Medium so
-unterworfen werden, daß beiderley Ungeschicklichkeit nicht mehr im Wege
-steht. Der Gedanke schreitet dann weg über die verschiedene Art und
-Bildung der hörenden Individuen, und ergreift sie in dem gemeinsamen
-geistigen Mittelpunkt. Dann kommt es, daß die Hohen befriedigt werden,
-während auch den Geringen alles klar ist: beide sehen den Gedanken über
-sich als etwas höheres, bildendes, und beiden ist er erreichbar. So ist
-irgendwo ein wunderthätiges Christusbild gewesen, das die Eigenschaft
-hatte, eine Hand breit höher zu seyn, als der größte Mann, der sich
-daran stellen mochte: kam aber ein Mann von mäßiger Größe, oder ein
-kleiner, so war der Unterschied dennoch derselbe, nicht größer.
-Diesen einfältigen, einzig populären Styl sehen wir (um nur von der
-einheimischen Literatur zu reden) in unsren besseren Chroniken, aber er
-kann auch in mancherley anderen Arten erscheinen. Wenn wir ihn einmal
-wieder finden, dann wird manches treffliche möglich seyn, unter andern
-eine gute Geschichtschreibung, und unter andern auch ein populäres
-Gesetzbuch.
-
-
-12.
-
-Schluß.
-
-[[161]] Ich fasse nochmals in kurzen Worten zusammen, worin meine
-Ansicht mit der Ansicht der Freunde eines Gesetzbuchs übereinstimmt,
-und worin sich beide unterscheiden.
-
-In dem Zweck sind wir einig: wir wollen Grundlage eines sicheren
-Rechts, sicher gegen Eingriff der Willkühr und ungerechter Gesinnung;
-desgleichen Gemeinschaft der Nation und Concentration ihrer
-wissenschaftlichen Bestrebungen auf dasselbe Object. Für diesen Zweck
-verlangen sie ein Gesetzbuch, was aber die gewünschte Einheit nur für
-die Hälfte von Deutschland hervorbringen, die andere Hälfte dagegen
-schärfer als vorher absondern würde. Ich sehe das rechte Mittel in
-einer organisch fortschreitenden Rechtswissenschaft, die der ganzen
-Nation gemein seyn kann.
-
-Auch in der Beurtheilung des gegenwärtigen Zustandes treffen wir
-überein, denn wir erkennen ihn beide für mangelhaft. Sie aber sehen den
-Grund des Uebels in den Rechtsquellen, und glauben durch ein Gesetzbuch
-zu helfen: ich finde ihn vielmehr in uns, und glaube, daß wir eben
-deshalb zu einem Gesetzbuch nicht berufen sind.
-
-[[162]] Wie in unsrer Zeit gesprochen sind die Worte eines der edelsten
-Deutschen des sechzehnten Jahrhunderts[131]:
-
- ~Nam nihi aspicienti legum libros, et cognita pericula Germaniae,
- saepe totum corpus cohorrescit, cum reputo quanta incommoda
- secutura sint, si Germania propter bella amitteret hanc eruditam
- doctrinam juris et hoc curiae ornamentum ... Non igitur deterreamur
- periculis, non frangamur animis,.... nec possessionem studii nostri
- deseramus. -- -- Itaque Deus flectat animos principum ac potentum
- ad hujus doctrinae conservationem, magnopere decet optare bonos et
- prudentes. Nam hac remota, ne dici potest quanta in aulis tyrannis,
- in judiciis barbaries, denique confusio in tota civili vita
- secutura esset, quam ut Deus prohibeat, ex animo petamus.~
-
-
-
-
-II. Abteilung.
-
-
-1. Thibauts Nachträge zu seiner Schrift. 2. Ausgabe. 1814.
-
-Bald nach der 1. Ausgabe erschien Thibauts Streitschrift in seinen
-»Civilistischen Abhandlungen« (Heidelberg bey Mohr und Zimmer, 1814,
-Vorrede vom August 1814) S. 404 bis 466 als die 19. von 20 Abhandlungen
-in erweiterter Fassung (2. Ausgabe).
-
-
-Neunzehnte Abhandlung.
-
-Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
-Deutschland.
-
-Vor einiger Zeit gab ich eine kleine Flugschrift heraus, welche die
-Rubrik dieser Abhandlung als Titel führt, und durch folgende Vorrede
-begleitet ist:
-
-(Es folgt dann die oben abgedruckte Vorrede zur 1. Fassung. Die
-Nachträge -- »Zusätze« -- sind nachstehend wortgetreu abgedruckt;
-Zusatz 1 bezieht sich auf die Vorrede, die übrigen auf die Schrift
-selbst; es sind auch sonstige Änderungen mitaufgenommen.
-
-Der 6. und 7. Zusatz findet sich bereits wörtlich in der erwähnten,
-2½ Druckseiten umfassenden *Selbstanzeige* Thibauts, Heidelb. Jahrb.
-1814 Nr. 33.)
-
- * * * * *
-
-*1. Zusatz*: So viel ich von allen Seiten vernehme, hat die Schrift
-vielen von denen gefallen, um deren Beyfall es mir besonders zu
-thun war, d. h. Männern, welche warme Vaterlandsliebe zu schätzen
-wissen, die Bedürfnisse der Nation kennen, und das kräftige, freye
-Wort in Ehren halten, wenn es nicht leichtsinnig mit unerreichbaren
-Idealen spielt. Da kleine Schriften dieser Art gewöhnlich in kurzer
-Zeit verloren gehen, und ich doch die längere Erhaltung derselben zu
-wünschen Ursach habe, so nehme ich sie hiemit in diese größere Schrift
-auf, mit einer ziemlichen Reihe von Zusätzen vermehrt, welche in
-mehrerer Hinsicht für meinen Hauptgedanken von Bedeutung sind. In der
-Gesellschaft exegetischer Abhandlungen über das römische Recht wird
-denn diese Abhandlung auch den Lesern, welche sonst nichts von meinen
-Schriften kennen, zum Beweise dienen, daß ich dem Römischen Recht nicht
-deswegen abhold bin, weil ich gelehrte Nachforschungen über dasselbe
-gescheuet habe.
-
-*2. Zusatz*: oder sein muß,
-
-*3. Zusatz*: (z. B. die Nothwendigkeit ständischer Verfassung)
-
-*4. Zusatz*: Was eigentlich für Deutschland vom Römischen Recht
-unbedingten Werth hat, sind nur die, ich möchte sagen, exegetischen
-Theile desselben; aber im Grunde auch nur insofern, als sie zum Muster
-dienen können, keineswegs aber als Gesetze. Die große Masse seiner
-Erörterungen nämlich, welche in Beziehung auf den Sinn und Umfang der
-einzelnen Servituten, Legate, und Verträge in den Pandekten und dem
-Codex vorkommt, enthält einen Schatz geistvoller und scharfsinniger
-Erörterungen; aber im Ganzen doch nur in dem Sinn, daß gezeigt wird,
-was unter einem *Römischen* Worte nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
-in allen möglichen Beziehungen zu verstehen sey. So lernen wir denn
-wohl, was ~usus~, ~habitatio~ und ~supellex~ bey den Römern hieß;
-aber was nun unsre Worte: Gebrauch, Wohnung und Hausrath bezeichnen,
-darüber kann uns kein römischer Classiker Aufschluß geben; und es
-hat daher unsrer juristischen Gewandtheit und Eigenthümlichkeit
-unendlich geschadet, daß wir, unbekümmert um unsre Worte und die
-feinen Schattirungen unsrer Wortbedeutungen, alles nach den Römischen
-Entscheidungen maßen, grade als ob die juristischen Classiker der Römer
-auf die Anfragen Deutscher Bürger geantwortet hätten. Der eigentlich
-legislative Theil des Römischen Rechts paßt uns aber gar nicht an, auch
-wo man ihn nicht grade schlecht und dem Römischen Volksgeist gemäß
-nennen wollte. Der deutsche Sinn ist immer auf das Feste, Mäßige,
-Einfache gegangen; auf billige, sittliche, häusliche Verhältnisse;
-Gleichheit der Geschlechter; wohlwollende, achtungsvolle Behandlung der
-Weiber, besonders der Mütter und Wittwen; weise und kräftige Einwirkung
-der Obrigkeit in allen Verhältnissen, wo man ihrer bedarf; Einfachheit
-der Verpflichtungsarten, aber auch dagegen Sicherheit des Eigenthums
-und der Hypotheken durch wohlgeordnete, offenkundige Staatsanstalten.
-Ganz anders war der Geist des Römers. Ganze Massen des ältern Rechts
-lassen sich auf militairisch-republicanischen Mannstrotz, Stolz
-und Egoismus, und eine Art militairischer Steifheit und Pedanterey
-zurückführen. Daher diese unerhörte Despotie des Hausvaters; diese
-Entfernung aller mütterlichen Gewalt; diese harte Zurücksetzung der
-Weiber bey der Erbfolge; dieser fast gänzliche Mangel obrigkeitlicher
-Aufsicht bey Vormundschaftsangelegenheiten; diese grenzenlose Neigung,
-alle Geschäfte in strikte Formeln einzukleiden, und die Verträge von
-allen Seiten einzuengen, während da, wo von der Sicherheit gegen
-Dritte, und von der Sicherheit Dritter die Rede ist, nirgend eine
-mitwirkende Staatsanstalt hülfreich erscheint. Unter den Kaisern ist
-an allen diesen und ähnlichen Dingen nun zwar vielfach herumgefeilt;
-aber eine wesentliche Umwandlung ist nie erfolgt, ja es ist später
-sogar manches noch verschlimmert, wie das Hypotheken-System; und so
-hat denn die Deutsche Praxis sich damit begnügen müssen, da und dort
-noch ein Stückchen wegzustehlen, ohne je zu der Einfalt und Festigkeit
-zu gelangen, welche unserm Charakter allein anpaßt, und ohne unsre
-Eigenthümlichkeit frey ausbilden zu können. Unsre Hausväter haben
-noch immer zu viel Rechte; unsre Wittwen sind häufig viel zu sehr
-zurückgesetzt; unsre Sicherheits-Anstalten sind durch das Einwirken
-Römischer Privilegien überall durchlöchert, und unsre Grundsätze
-über die Heiligkeit der Verträge haben über viele feinere Folgesätze
-des Römischen Contracten-Systems (z. B. in Beziehung auf die ~pacta
-adjecta~) nie den Sieg davon getragen. Jeder denkende Germanist wird es
-einräumen, daß die feinen Verfälschungen, welche Römische Begriffe in
-die unsrigen gebracht haben, fast zahllos sind. Was uns würde anpassend
-gewesen seyn, das ist zum Theil die alte Römische Strenge; das alte
-Hypotheken-System, insofern es keine Privilegien kannte; und jene hohe
-Achtung gegen die Person des Bürgers, welche sich in Beziehung auf
-Criminal-Sachen, und in Ansehung der Freyheit der Emigration so laut
-aussprach. Allein grade diese herrlichen hellen Punkte wurden unter
-den Kaisern in Nacht und Finsterniß gehüllt; und so wird denn kein
-Deutscher Mann, dem der Himmel in diesen Zeiten der Abspannung und
-Demüthigung milde Deutsche Kraft und Einfalt erhalten hat, irgend eine
-Hauptlehre des Römischen Rechts entdecken können, von der er behaupten
-möchte, daß sie ächten Deutschen Sinn zu beleben und zu befestigen im
-Stande sey.
-
-*5. Zusatz*: nicht; und bey dem Allen ist ein fester Boden auch
-nicht einmal mit voller Sicherheit zu gewinnen. Denn schon in den
-Handschriften findet sich viel critische Willkühr, und noch mehr in den
-Ausgaben, ohne daß ein strenger Beweis möglich ist, weil fast alle,
-von den Herausgebern benutzten Handschriften unbekannt, oder verloren
-gegangen sind. Für Kenner brauche ich in dieser Hinsicht nur an die
-*Haloandrischen* Ausgaben der Institutionen, der Pandekten und des
-Codex zu erinnern, worin im Ganzen eine gewisse critische Willkühr
-klar am Tage liegt, ohne daß man sie je in dem einzelnen Fall streng
-erweisen kann.
-
-*6. Zusatz*: Daß jene, grade in der Periode des Verfalls der Römischen
-Rechtswissenschaft emporgekommenen Rechtsschulen durch die große Menge
-ihrer Lehrer der Rhetorik und Grammatik der Rechtsgelehrsamkeit nicht
-aufgeholfen haben, ist freylich wahr. Allein was ließ sich in dieser
-Periode der Entkräftung durchsetzen? So viel läßt sich indeß immer mit
-Sicherheit behaupten, daß auch nicht einmal das geleistet seyn würde,
-was *Justinianus* vollbrachte, wenn auf den damaligen Rechtsschulen
-das Positive so ins Unendliche gegangen wäre, als bei uns, und daß
-die Juristen vom gänzlichen Untergange gerettet wurden, weil ihr
-einheimisches Recht dem Handwerk wenig zu thun gab, und die lebhafte
-Mitwirkung vieler Rhetoren und Grammatiker immer ein mächtiger Damm
-gegen volle Barbarey blieb.
-
-*7. Zusatz*: Man fürchte auch nicht, daß das Studium der Philologie
-und Rechtsgeschichte, dessen Unentbehrlichkeit ich gern zugebe, bey
-einem einfachen National-Gesetzbuch irgend einige Gefahr laufe. Es
-wird vielmehr bedeutend gewinnen, wenn man nur die Sache von der
-rechten Seite ansieht, und gehörig behandelt. Belehrende und erhebende
-Geschichts- und Alterthumsforschungen sind nicht das mikrologische
-Zusammenscharren und Zergliedern jeder Kleinigkeit, sondern das
-Bestreben, das Lehrreiche und Fruchtbare kräftig herauszuheben, und
-für menschliche Zwecke in einen lichtvollen Zusammenhang zu bringen.
-Wozu führt uns aber in dieser Hinsicht unser ganzes juridisches
-Sprach- und Antiquitäten-Wesen? An ein mißrathenes, verwirrtes,
-grenzenlos verwickeltes Gesetzbuch geschmiedet, müssen wir Riesenkräfte
-zusetzen, um chaotische Details zu erklären, welche dem gesetzgebenden
-Verstande wenig Nahrung geben; und bei dem allen ist doch der Blick nur
-höchst beschränkt auf eine Kleinigkeit gerichtet. Ein recht thätiger
-Gelehrter kann ein ganzes Jahr gebrauchen, um die Schicksale der
-Römischen Intestat-Erbfolge und Concurslehre gehörig aus den Quellen
-
-zu prüfen, und dreyßig Stunden, um darüber das wesentliche Resultat
-seiner Forschungen in Vorlesungen mitzutheilen. Aber was ist am Ende
-der Gewinn für den denkenden Rechtsforscher? Nichts, als auf der
-einen Seite, daß man ein altes, für die Periode roher Mannskraft
-passendes, sehr kurzsichtig gefaßtes Gesetz erst recht buchstäblich
-handhabte, aber dann durch zahllose Beschränkungen am Ende ganz zum
-Fallen brachte; und auf der andern Seite, daß die kräftige ältere
-Ansicht über die Nothwendigkeit unbedingter Sicherheit erst da und
-dort durch Politik und Schwäche beschränkt ward, daß eine Sünde zur
-andern führte, und daß am Ende das ganze Hypotheken-System sich durch
-sich selbst zerstörte. Ein geistvoller Lehrer könnte das, was von
-dem allen zur Belebung des rechtlichen Verstandes gebraucht werden
-kann, in wenig Stunden entwickeln; aber jetzt bedarf es zur Erklärung
-des Positiven eines solchen Wustes zahlloser Details, daß man fast
-vor den Bäumen den Wald nicht zu sehen bekommt. Dafür muß man denn
-entbehren, was grade unentbehrlich ist. Denn das ist nicht die wahre
-belebende Rechtsgeschichte, welche mit gefesseltem Blick auf der
-Geschichte Eines Volkes ruhet, aus dieser alle Kleinigkeiten engherzig
-herauspflückt, und mit ihrer Mikrologie der Dissertation eines großen
-Praktikers über das: ~et cetera~ gleicht. Wie man den Europäischen
-Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt, und ihr Innerstes
-umgekehrt wissen wollen, den Rath geben sollte, nur außer Europa ihr
-Heil zu versuchen: so sollten auch unsre Rechtsgeschichten, um wahrhaft
-pragmatisch zu werden, groß und kräftig die Gesetzgebungen aller andern
-alten und neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über die
-Rechtsverfassung der Perser und Chinesen würden in unsern Studirenden
-mehr wahren juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen
-Pfuschereyen, denen die Intestat-Erbfolge von *Augustus* bis
-*Justinianus* unterlag. Hätten wir daher ein einfaches einheimisches
-Gesetzbuch, so könnte die Zeit, welche jetzt auf tödtende, ermüdende
-historische Erörterungen zu verwenden ist, grade der ächten, belebenden
-Rechtsgeschichte gewidmet werden. Auch für die Philologie würde auf
-diese Art mehr geschehen können. Alle jetzigen Philologen werden es
-bezeugen können, daß ihnen unsre jungen Juristen nicht viel Freude
-machen; und wir Rechtsgelehrten wissen den Grund am besten. Wo sollten
-junge Gemüther noch ungeschwächte Kraft für das philologische Studium
-her bekommen, wenn wir Rechtslehrer ihnen erst die Schwungfedern
-in einer Sündfluth wunderlicher Gesetze gebadet haben? Man gebe
-uns dagegen ein einfaches, unserm Volkssinn entsprechendes, in
-vaterländischer, kräftiger Sprache entworfenes Gesetzbuch: dann werden
-unsre Regierungen ohne Ungerechtigkeit verlangen können, daß jeder
-junge Jurist, welcher sich zum Examen stellt, die Griechischen Redner
-und seinen Cicero gründlich müsse studirt haben; und dann werden
-unsre Juristen-Facultäten auch die Freude haben, daß ihre Candidaten,
-nach dem neulichen Beispiel der trefflichen Studenten in Oxford,
-durchreisenden hohen Häuptern mit Lateinischen und Griechischen Oden
-andienen können.
-
-*8. Zusatz*: haben, oder wagte wenigstens allein zu handeln, wo der
-Einzelne sich allein nie alles zutrauen soll;
-
-*9. Zusatz*: Erwägen wir aber noch genauer die Vortheile des
-Zusammenwirkens gelehrter und geübter Rechtskenner aus allen Deutschen
-Reichsländern, so wird es fast unwidersprechlich, daß nur eine solche
-Versammlung im Stande ist, alles Gute zu vereinigen, und allem
-Schlechten ein Ende zu machen. Wenn ein deutsches National-Gesetzbuch
-das Resultat der National-Kraft seyn soll, so muß dabey durchaus
-benutzt werden, was bisher in jedem Lande für Gesetzgebung geschah.
-Kein Land kann zwar in dieser Hinsicht etwas Vollendetes aufweisen;
-aber einzelne gute Ideen finden sich doch zerstreut überall; und
-es gibt gewiß kein Particular-Recht, selbst so weit es durch
-gelegentliche landesherrliche Verordnungen ausgebildet ist, worin
-nicht sehr nutzbare, weise, originelle Ideen vorkommen. Dieß weiß
-jeder Facultist, welcher nur zufällig bei Acten-Arbeiten etwas von den
-Local-Rechten erfuhr. Einzelne gelehrte Germanisten können sich aber
-diese Schätze nicht gründlich zu eigen machen. Die Masse des Ganzen
-ist zu unermeßlich, und zum Theil unverständlich, sofern man nicht die
-Praxis des Particular-Rechts beobachtet hat, und mit der Geschichte
-des Landes aufs innigste vertraut ist. Stellen also unsre Regenten
-aus jedem Lande einen erfahrenen Kenner des Rechtes dieses Landes zu
-der großen Versammlung, so würde nun eine erschöpfende Austauschung
-guter Ideen Statt finden, und eine reiche Erfahrung zum gemeinsamen
-Zweck weise benutzt werden können. Vielleicht noch heilsamer würde es
-aber seyn, daß nun auf diese Weise auch die Fehler sich an einander
-abschleifen werden. Wir müssen es zugestehen: schon unter den Römischen
-Kaisern, und eben so sehr in dem neueren Europa, ist der Sinn für
-kräftige Einfalt des Rechts immer mehr abgestorben, und alles ist von
-Tage zu Tage mehr und mehr durch furchtsame Ausnahmen, Beschränkungen
-und Billigkeitssätze so herabgestimmt, daß die vielfache Kleinlichkeit
-unsers National-Characters gewiß in mancher Hinsicht unsrer
-bürgerlichen Rechtsverfassung zugeschrieben werden muß.[D] Laßt jetzt
-einmal Deputirte aus allen Ländern ihre mitgebrachten Kleinlichkeiten
-gegen einander legen: dieses Heer von Eigenthumsbeschränkungen; dieses
-bunte Gewirr endloser Concurs-Privilegien, und diese Unermeßlichkeit
-mannigfaltiger Verjährungsfristen, der kein Gedächtniß gewachsen
-ist. Da werden alle nothwendig von Staunen und Widerwillen ergriffen
-werden, und es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit zu erwarten, daß das
-Uebermaaß allen die Augen öffnen, und alle zu einer weisen, einfachen
-Gesetzgebung zwingen wird, wobei Jeder seine Kleinlichkeiten aufgibt,
-um von denen des Andern befreyt zu werden. Da wäre denn die Einfalt
-errungen, deren wir mehr bedürfen, als viele andere Völker. Denn unsre
-politische Trennung, und die Beschränktheit der Kraft der einzelnen
-Regenten, muß mannigfaltige Kleinlichkeiten, und eine politische
-Gedrücktheit zur Folge haben, wodurch wir leicht zu einer gewissen
-Aengstlichkeit und Kleinherzigkeit gestimmt werden können. Gebt also
-dem Bürger das unschätzbare Glück, daß er unter dem Schutz kräftiger,
-ungekünstelter Gesetze in allen Beziehungen frey, sicher und trotzig
-gegen seinen Mitbürger auftreten, und ohne alle Aengstlichkeit und
-Nächstenfurcht sich des Seinigen als Familienvater, Eigenthümer und
-Geschäftsmann erfreuen kann. Das wird den ächten germanischen Sinn
-wieder aufregen, dem Staat rüstige Vertheidiger schaffen, und uns von
-den zahlreichen Ausgeburten befreyen, welche bisher so recht eigentlich
-darauf ausgingen, alle französische Zierereyen und Verzerrungen bey
-unserm Volke einheimisch zu machen.
-
-*10. Zusatz*: Mehr Unwandelbarkeit wird zwar unser Recht dadurch
-bekommen, auch da, wo Aenderungen nöthig sind. Allein darüber braucht
-man nicht zu erschrecken. Denn so werden wir auch umgekehrt von dem
-weit größeren Uebel unausgesetzter leichtsinniger Aenderungen befreyt.
-Eine gewisse Unbeweglichkeit der Gesetzgebung hat immer mehr genutzt,
-als geschadet, und die Engländer haben gewiß eben daher einen Theil
-ihrer Gediegenheit und Kraft, daß Aenderungen der Gesetze selten bey
-ihnen sind, und daß das Parlament nicht gleich durch jeden ersten
-Zweifel einzelner Richter sich zu Neuerungen verleiten läßt.
-
-*11.* »Ich muß daher auf die möglichen Haupteinwürfe etwas näher
-eingehen,« (*Aenderung*).
-
-*12. Zusatz*: abzuwenden, selbst wo es durch bittre Erfahrungen in
-seinen Hoffnungen getäuscht war.
-
-*13.* »der« statt »des« (*Aenderung*).
-
-*14. Zusatz*: und in den, von ihnen erlernten Gesinnungen,
-
-*15.* »Wahrheit« statt »Wahrheiten« (*Aenderung*).
-
-*16. Zusatz*: Als man, da und dort den Degen halb gezogen,
-
-*17. Zusatz*: gelang, und bey daurendem Glück unfehlbar ganz gelungen
-seyn würde.
-
-*18. Zusatz*: Am wenigsten lasse man sich aber dadurch irre machen,
-daß die gänzliche Umänderung unsers bürgerlichen Rechts unter den
-eigentlich gelehrten Rechtskennern vielleicht die mehrsten Widersacher
-finden wird. Das wird stets so bleiben; und jetzt ist es gar nicht
-anders zu erwarten. Bittre Worte müssen darüber gesagt werden; aber
-die Wahrheitsliebe macht diese Bitterkeit zur Pflicht. Was hat denn
-in diesen dürren Jahren die Nation von den Gelehrten an Unterstützung
-erhalten, von ihnen, denen die ganze Welt zum Broderwerb offen steht,
-und denen die Freymüthigkeit um so mehr obgelegen hätte, da sie mehr,
-wie Andre, die Fähigkeit besitzen, auf eine feine und geschickte Art
-der Wahrheit gebührend zu huldigen? Fast nirgend entdecken wir, auf
-unsre letzte Vergangenheit zurücksehend, gelehrte Catonen; aber leider
-genug Feige, Eitle, niedrige Kriecher und Schmeichler, und eigennützige
-Gelegenheitsmacher, zum Theil mit grenzenloser Schamlosigkeit, so daß
-es zur ewigen Warnung wohl der Mühe werth wäre, alle Elendigkeiten,
-wodurch unsre Gelehrten in diesen Zeiten ihr Vaterland schändeten,
-in einer derben Chronik der Nachwelt zu überliefern. Lassen wir aber
-auch diese Trostlosigkeiten auf sich beruhen: für kräftige Umwälzungen
-wird die Mehrzahl der eleganten Juristen nie gestimmt seyn. Keiner von
-ihnen übersieht in der Regel das ganze Recht; wenigen von ihnen werden
-die Bedürfnisse des Volks durch Beobachtung klar, und die mächtige
-Triebfeder des Eigennutzes wird keinen in Bewegung setzen, vielmehr
-wird es immer vortheilhafter für sie seyn, die mühsam errungenen
-critisch-historischen Schätze in gehöriger Sicherheit zu halten, und
-gegen bessernde Einrichtungen zu kämpfen, damit ihnen nicht die Pflicht
-werde, den neuen Menschen anzuziehen. Welche Erfahrungen haben wir in
-dieser Hinsicht gehabt! *Luther* erkannte es, daß das kanonische Recht
-den Protestanten durchaus nicht anpaßte. Nach wiederholtem Eifern
-verbrannte er dasselbe öffentlich vor den Thoren von Wittenberg.
-Aber grade die gelehrten protestantischen Juristen wurden seine
-ärgsten Widersacher, und am Ende mußte er sich selbst noch wieder zu
-Vorlesungen über das verhaßte Gesetzbuch verstehen, um doch wenigstens
-gegen die gröbsten Mißbräuche kräftig warnen zu können. Auch edle
-Triebfedern mögen hier zur Einseitigkeit führen; aber die Einseitigkeit
-bleibt was sie ist. Ein geistvoller, tief gelehrter Rechtskenner,
-welcher die schwersten Untersuchungen mit brennender Lust und Liebe
-zur Sache, und einer glücklichen Gewandtheit anstellt, setzt nur zu
-leicht voraus, daß sein Publicum durch ihn entzündet werde, und daß
-am Ende vielleicht Jedermann sich auf die Höhe des Meisters schwinge.
-Allein prüft nur nachher, was euren Zuhörern, auch den Besten, hängen
-geblieben ist, und wie sich in der Folge der Lehrling macht, wenn
-er sich eine Weile durch das schwerfällige und quälende bürgerliche
-Leben hindurch gearbeitet hat. Da wird auf die rosenrothen Hoffnungen
-des Meisters eine finstre Demuth folgen, und da wird die Ueberzeugung
-unvermeidlich werden, daß nur die Rechtswissenschaft der Verbreitung
-und voller Wirksamkeit fähig seyn kann, welche dem gemeinen Verstande
-auf dem graden Wege zugänglich ist, und in dem gemeinen Verstande die
-hauptsächlichsten Grundlagen für ihre Lehren hat. Das kann man freylich
-zugeben, daß wir *vielleicht* künftig für Abfassung eines neuen
-Gesetzbuchs noch fähiger werden, als wir jetzt sind; allein vielfach
-gesunken, und gegen ferneres Sinken keineswegs gesichert, könnten
-wir auch leicht das umgekehrte Schicksal haben; und so darf denn die
-jetzige Generation verlangen, daß man sie nicht ungewissen Hoffnungen
-opfere, und daß man zunächst für ihr Glück, als die sicherste Grundlage
-des Glückes der Nachkommen, gebührende Sorge trage.
-
-
-2. Thibauts Besprechung (Antikritik) der Schrift Savignys.
-
-Aus den Heidelbergischen Jahrbüchern der Litteratur. 1814. No. 59.
-
- Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Von
- ~D.~ *Friedrich Carl von Savigny*, ordentl. Prof. des Rechts
- zu Berlin, und ordentl. Mitglied der Königl. Akademie der
- Wissenschaften daselbst. Heidelberg bey Mohr und Zimmer. 1814.
- 162 S. gr. 8.
-
-Als ich vor nicht langer Zeit einige Zusätze zu meiner kurz vorher
-erschienenen Abhandlung: *Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen
-bürgerlichen Rechts für Deutschland* herausgab, fügte ich die
-Wahrsagung hinzu, daß mein Vorschlag unter den eigentlich gelehrten
-Romanisten unfehlbar die mehrsten Widersacher finden werde.[E] Meine
-innigste Ueberzeugung zwang mich, darüber auch bittere Worte fallen zu
-lassen, wobey ich jedoch natürlich nicht an Herrn *von Savigny* dachte
-und denken konnte, da das ganze Publikum mit mir seinen Namen nicht
-ohne die höchste Achtung ausspricht, sowohl in Beziehung auf ächte
-Gelehrsamkeit, Tiefe und Helle des Geistes, als auch mit Rücksicht
-auf jene männliche Ruhe, Kraft und Unparteylichkeit, ohne welche in
-keinem practischen Fach etwas Gediegenes vollendet werden kann. Allein
-bey folgenden Worten hatte ich ihn, wie wenige Andre, doch ahndend im
-Sinn: »Auch edle Triebfedern mögen hier zur Einseitigkeit führen; aber
-die Einseitigkeit bleibt was sie ist. Ein geistvoller, tief gelehrter
-Rechtskenner, welcher die schwersten Untersuchungen mit brennender Lust
-und Liebe zur Sache, und einer glücklichen Gewandtheit anstellt, setzt
-nur zu leicht voraus, daß sein Publikum durch ihn entzündet werde,
-und daß am Ende vielleicht Jedermann sich auf die Höhe des Meisters
-schwinge. Allein prüft nur nachher, was euren Zuhörern, auch den
-besten, hängen geblieben ist, und wie sich in der Folge der Lehrling
-macht, wenn er sich eine Weile durch das schwerfällige und quälende
-bürgerliche Leben hindurch gearbeitet hat. Da wird auf die rosenrothen
-Hoffnungen des Meisters eine finstre Demuth folgen, und da wird die
-Ueberzeugung unvermeidlich werden, daß nur die Rechtswissenschaft der
-Verbreitung und voller Wirksamkeit fähig seyn kann, welche dem gemeinen
-Verstande auf dem graden Wege zugänglich ist, und in dem gemeinen
-Verstande die hauptsächlichsten Grundlagen für ihre Lehren hat. Das
-kann man freylich zugeben, daß wir *vielleicht* künftig für die
-Abfassung eines neuen Gesetzbuchs noch fähiger werden, als wir jetzt
-sind; allein vielfach gesunken, und gegen ferneres Sinken keineswegs
-gesichert, könnten wir auch leicht das umgekehrte Schicksal haben;
-und so darf denn die jetzige Generation verlangen, daß man sie nicht
-ungewissen Hoffnungen opfere, und daß man zunächst für ihr Glück, als
-die sicherste Grundlage des Glücks der Nachkommen, gebührende Sorge
-trage.«
-
-Diese Ahndung hat mich nun nicht betrogen, und es freut mich in
-sofern aufs innigste, als jede vollendet dargestellte Ansicht eines
-classischen Schriftstellers immer ihren hohen Werth hat. Herr v. S.
-sucht nämlich in der vorliegenden Schrift auszuführen, daß das jetzige
-Zeitalter sowohl formell, in Beziehung auf die Sprache, als materiell,
-in Rücksicht des innern Zusammenhangs und der Vollständigkeit
-der civilistischen Grundsätze, zu einer brauchbaren bürgerlichen
-Gesetzgebung unfähig sey. Zum Zweck dieser Behauptung hat der Verf.
-die Hauptmängel des Code Napoléon, des neuen Preußischen und des
-Oesterreichischen Gesetzbuchs kurz hervorgehoben. Vor allen Dingen
-hält er die, so unentbehrliche organische Einheit des Gesetzbuchs für
-unmöglich, wenn das Werk, wie ich vorgeschlagen hatte, einer großen
-Versammlung von Rechtsgelehrten aus allen Deutschen Reichsländern
-übertragen werde. Sein Vorschlag geht demnach dahin: das Römische
-Recht soll überall allgemeine, subsidiaire Rechtsquelle bleiben,
-auch wo die neuen, beyzubehaltenden, Gesetzbücher eingeführt sind;
-aber eine geistvolle historische Behandlung soll demselben das, bis
-jetzt fehlende Leben geben; man soll allmählig dessen Controversen,
-wenigstens durch vorläufige Verfügungen, entscheiden, und auf den
-Deutschen Academien, von denen aller Zwang zu entfernen ist, auch die
-Deutschen Statutargesetzgebungen zum Gegenstande academischer Vorträge
-machen. -- Ein genauerer Auszug der Ideen des Verf. ist hier unnöthig,
-und unmöglich. Denn wer die Arbeit eines solchen Schriftstellers über
-einen solchen Gegenstand ungelesen lassen kann, dem ist doch nicht
-zu helfen; und den großen Reichthum der Erörterungen, welche uns der
-Verf. in einer gedrängten trefflichen Sprache gegeben hat, können bloße
-Umrisse auf keine Weise anschaulich machen. Es muß hier also jenen
-Andeutungen unmittelbar die Beurtheilung selbst folgen.
-
-Diese Beurtheilung setzt mich nun aber in einige Verlegenheit. Hätte
-mich der Verf. für seine Ansichten gewonnen, so würde es wohl als die
-beste unparteyische Critik gelten können, wenn ich hiemit meine eignen
-früheren Vorschläge zurücknähme. Allein ich bin in der Hauptsache
-nicht durch ihn bekehrt, so gern ich auch die Zurechtweisung eines
-solchen Schriftstellers benutzt hätte; und so bleibt mir denn nur die
-Wahl, entweder aufs Neue für meine Ansicht zu sprechen, oder, als
-Mit-Redacteur dieser Jahrbücher, Dritte zu Schiedsrichtern zwischen
-dem Verf. und mir aufzurufen. Zu dem Letzten bin ich aber wieder außer
-Stande. Denn unter unsern thätigen Mitarbeitern im juridischen Fach
-kenne ich nur drey, denen ich in dieser Sache ein Urtheil zutrauen
-möchte, und von allen dreyen weiß ich gewiß, daß sie in der Hauptsache
-für meine Ansicht sprechen werden. Es ist aber wohl natürlich, daß ich
-mein eigenes Lob in diesen Jahrbüchern nicht anders aufnehme, als wenn
-es mir ein Recensent unerwartet aufdrängt. So bleibt mir denn nichts
-übrig, als meine offene Replik die Stelle einer Beurtheilung vertreten
-zu lassen. Der Verf., welcher mir das, aus seinem Munde doppelt
-erfreuliche Lob gibt, daß ich auch in den Zeiten der Noth als warmer
-Freund des Vaterlandes der Wahrheit öffentlich gehuldigt habe, wird
-gewiß, von gleichen Gesinnungen beseelt, eine solche Replik auf allen
-Fall lieber sehen, als gänzliches Schweigen in diesen Jahrbüchern.
-
-Die Hauptfragen unter uns sind diese: ist ein neues einheimisches
-gemeines bürgerliches Recht dringendes Bedürfniß der Deutschen? Läßt
-sich darauf rechnen, daß wir fähig sind, ein neues Gesetzbuch zu
-schaffen, welches unsern Rechtszustand gründlich bessert? und führen
-die Vorschläge des Verf. vielleicht am leichtesten und sichersten zu
-diesem Ziele? Ich muß die ersten beyden Fragen nach wie vor bejahen,
-die letzte Frage aber verneinen. Folgendes mag und muß darüber an
-diesem Orte genügen.
-
-Ein neues einheimisches gemeines Recht scheint mir aus dem doppelten
-Grunde dringendes Bedürfniß, theils weil ohne dies keine wahre
-National-Einheit, und Einfachheit der Rechtsverfassung möglich ist,
-theils weil unser bisheriges gemeines Reichsrecht, in sofern es
-bedeutend ist, d. h. das Römische Recht, die Haupterfordernisse eines
-guten Gesetzbuchs der Deutschen nicht hat.
-
-Ueber den ersten Punct habe ich mich schon in meiner früheren
-Abhandlung ausführlich erklärt, und ich finde mich nicht widerlegt,
-wenn der Verf. S. 42. 43 dagegen dies erinnert: »In jedem organischen
-Wesen, also auch im Staate, beruht die Gesundheit darauf, daß beydes,
-das Ganze und jeder Theil, im Gleichgewicht stehe, daß jedem sein
-Recht widerfahre. Daß ein Bürger, eine Stadt, eine Provinz den Staat
-vergessen, dem sie angehören, ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung,
-und jeder wird diesen Zustand für unnatürlich und krankhaft erkennen.
-Aber eben so kann die lebendige Liebe zum Ganzen bloß aus der
-lebendigen Theilnahme an allen einzelnen Verhältnissen hervorgehen,
-und nur wer seinem Hause tüchtig vorsteht, wird ein trefflicher
-Bürger seyn. Darum ist es ein Irrthum, zu glauben, das Allgemeine
-werde an Leben gewinnen durch die Vernichtung aller individuellen
-Verhältnisse. Könnte in jedem Stande, in jeder Stadt, ja in jedem Dorfe
-ein eigenthümliches Selbstgefühl erzeugt werden, so würde aus diesem
-erhöhten und vervielfältigten individuellen Leben auch das Ganze neue
-Kraft gewinnen. Darum, wenn von dem Einfluß des bürgerlichen Rechts auf
-das Vaterlandsgefühl die Rede ist, so darf nicht geradezu das besondere
-Recht einzelner Provinzen und Städte für nachtheilig gehalten werden.
-Lob in dieser Beziehung verdient das bürgerliche Recht, in soferne es
-das Gefühl und Bewußtseyn des Volkes berührt oder zu berühren fähig
-ist; Tadel, wenn es als etwas fremdartiges, aus Willkühr entstandenes,
-das Volk ohne Theilnahme läßt. Jenes aber wird öfter und leichter bey
-besonderen Rechten einzelner Landstriche der Fall seyn, obgleich gewiß
-nicht jedes Stadtrecht etwas wahrhaft volksmäßiges seyn wird. Ja für
-diesen politischen Zweck scheint kein Zustand des bürgerlichen Rechts
-günstiger, als der, welcher vormals in Deutschland allgemein war: große
-Mannigfaltigkeit und Eigenthümlichkeit im Einzelnen, aber als Grundlage
-überall das gemeine Recht, welches alle Deutschen Volksstämme stets an
-ihre unauflösliche Einheit erinnerte.«
-
-Ich selbst habe im Anfange meiner Abhandlung erklärt, wie sehr
-ich die Vortheile der Eigenthümlichkeit und Mannigfaltigkeit der
-einzelnen Deutschen Länder zu erkennen weiß, und bin daher auch
-wohl von dem unbedachtsamen Haufen unsrer Politiker, welche nur das
-Sturmlaufen verstehen, recht grämlich beurtheilt worden, -- mir zur
-Freude und Genugthuung. Auch habe ich es laut anerkannt, daß ich die
-bürgerliche Einheit keineswegs wünsche, wo entschiedene Oertlichkeiten
-derselben entgegenstehen. Allein eine solche Mannigfaltigkeit und
-Einheit, wie sie unser Verf. nach dem Obigen wünscht, scheint mir
-die Nation noch tiefer in ihre bisherige grenzenlose Ohnmacht und
-Zersplitterung herabzustoßen. Wenn das, was grade die Menschen am
-mehrsten zusammenhält, -- das lebendige Wesen des täglichen Thuns und
-Treibens, so recht buntschäckig und launevoll werden soll: wo wird dann
-der brüderliche, gleiche Volkssinn dadurch Nahrung finden, daß jeder
-den Trost hat, im Nothfall werde auch noch wohl einmal die Definition
-oder Entscheidung eines leidigen fremden Gesetzbuchs für einzelne Fälle
-durchgreifend werden, wie z. B. ein feiner Satz über die ~petitio
-hereditatis~, während nach den originellen Statutar-Rechten auf
-dieser Seite eines Deutschen Berges die Frauen als Intestat-Erbinnen
-ihres Mannes neben den Vettern nichts bekommen, und auf jener Seite
-den Kindern vorgehen? Ich muß es wiederholen, und ich weiß, daß
-viele Deutsche Männer von einfachem, kräftigem Sinn auf meiner Seite
-stehen: es ziemt dem Deutschen, dem Nachbarn seine Launen, Moden und
-Gefühle zu lassen, und es soll hoch und in Ehren gehalten werden,
-was überall das unerklärbare Angebohrne Eigenthümliches geschaffen
-hat: aber Bescheidenheit und Vaterlandsliebe sollen sich fügen und
-schicken, wo die Ueberlegung zu richtigen *Begriffen* kommen kann;
-wo leichter Verkehr den Segen der Einfachheit unwidersprechlich
-macht; wo bey der Vielfachheit in der Regel ein Theil offenbar
-irrt: und dies ist grade bey unsern bürgerlichen Einrichtungen der
-Fall. Der Wunsch, ein sicheres Eigenthum zu haben; die häuslichen
-Verhältnisse und Intestat-Erbrechte nach den, überall im Ganzen
-gleichen verwandtschaftlichen und ehelichen Neigungen eingerichtet
-zu sehen; sich auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
-fester Rechte zu erfreuen; an allen Seiten Sicherheitsformen zu haben,
-aber lästiger Formalien überhoben zu seyn, -- über diese und tausend
-andre Dinge des bürgerlichen Rechts werden die Einwohner Deutschlands
-nur Eine Stimme haben, wenn sie gehörig angeregt und belehrt werden;
-und selbst ein Befehl könnte hier genügen, wie manche der Länder
-zeigen, wo neuerlich ohne alle Schonung das Neu-Französische Recht
-unbedingt eingeführt ward, und wo die juristische Einheit sich sehr
-leicht machte, ohne daß dennoch im Uebrigen die Local-Originalitäten
-irgend verwischt wurden. Aber das weiß ich freylich, daß man bey uns
-mehr, als bey andern Nationen, die Nothwendigkeit des zufälligen Seyns
-zu construiren versteht. Wie *Kant* einmal gegen die Philosophen
-bemerkt, daß sie ~a priori~ nach dem hinzielen, was sie sich vorher ~a
-posteriori~ aufgesteckt haben, so kann man auch mit allem Recht sagen,
-daß unsre klügelnden Juristen und Politiker, besonders seit der, aus
-den neueren Revolutionen erfolgten Abspannung und Kleinmüthigkeit,
-alles zu rechtfertigen und zu beschönigen suchen, was sich nun einmal
-zufällig so oder so gemacht hat. Allein das wird doch Niemand zeigen
-können, daß es nicht unendlich wünschenswerth wäre, wenn das Volk
-den Muth faßte, sich da, wo alle thätigen Verhältnisse durch, und in
-einander greifen, der alles verwirrenden bisherigen Vielfältigkeiten
-zu entschlagen; in Betreff des Rechten gleich zu denken und zu
-handeln; und nur da den Eigenthümlichkeiten Raum zu geben, wo sie
-den vernünftigen Nachbarn nicht stören, oder gar erfreuen können.
-Die Behauptung der inneren Notwendigkeit der Buntschäckigkeit unsers
-bisherigen Rechts wird schon durch die Unendlichkeit des Allerley von
-selbst widerlegt. Denn es findet sich in den nächsten Berührungen,
-unter völlig gleichen Umständen, auf allen Seiten, und bestätigt so,
-was die tägliche Erfahrung über die Seelenlosigkeit des größten Theiles
-unsres Rechts handgreiflich lehrt, nämlich, daß nicht Naturkräfte und
-Ideen die steten Triebfedern dabey sind, sondern oft bloß zufällige
-Entschlüsse, Mangel an Umsicht und Ueberlegung, und dann im Vollenden
-die trockne, endlose grammatische Auslegung, welche verurtheilt ist,
-aus den kümmerlichen Aehren die tauben Körner auszudreschen. Mit
-voller Ueberlegung hat die Deutsche Nation nie geschaffen, was ihre
-Glieder jetzt trennt und verwirrt; und so soll man denn mit aller Macht
-Heilmittel herbeyschaffen, nicht aber den Kranken glauben machen, daß
-seine Pein so recht das wahre Gutbefinden und Wohlbehagen sey.
-
-Daß nun aber Justinians Sammlungen *als Gesetzbuch* ein gänzlich
-mißrathenes Werk sind, bleibt unwidersprechlich, obgleich man dem Verf.
-gern zugeben kann (und dies habe ich immer getan), daß die Römischen
-Classiker große Anlagen für tiefe und umfassende Ansichten hatten.
-Denn das Ganze ist nun einmal durch schlaffe Barbaren verkrüppelt
-und verbildet; voll der ärgsten Widersprüche; fast nirgend auf
-weise legislative Grundsätze gebauet; wegen der Vielfachheit bloßer
-Einzelnheiten ohne deutliche Gründe unendlich lückenhaft; unserem
-Volks-Charakter nicht zusagend; und dunkel und räthselhaft an allen
-Enden. Meinem Vorwurf, daß wir nicht einmal einen festen Text besitzen,
-und denselben aus zahllosen Varianten bilden müssen, begegnet zwar
-der Verf. dadurch, daß er meint, drey bis vier Ausgaben könnten einen
-Mann von kritischem Sinn schon ziemlich zum Ziele führen, und das
-Ganze werde die fortschreitende Wissenschaft schon vollenden; wobey
-er denn noch daran erinnert, daß ja die Unsicherheit des Textes
-auch bey unsern heiligen Büchern Statt finde (S. 123). Allein mein
-Vorwurf wird dadurch nicht entkräftet. Die Gesetze greifen mit allen
-ihren feinsten Einzelnheiten in das wirkliche Leben, und da gibt es
-kein Beruhigtseyn *im Ganzen*. Man muß alles Kleinere wissen. Wer
-also auch die vier Ausgaben von *Contius*, *Russardus*, *Pacius* und
-*Gothofredus* zur Hand hat (ein seltener Fall!), und dann doch erwarten
-muß, daß die nächste beste andre Ausgabe, z. B. von *Baudoza*, wieder
-ihre eignen Lesarten habe, der kann unmöglich beruhigt seyn. Von dem
-Fortschreiten der Wissenschaft erwarte man aber nie eine Vollendung.
-Was bisher seit acht Jahrhunderten, durch alle Zeiten der Kraft und
-Arbeitsamkeit nicht geschehen ist, das wird ferner himmelfest auch
-unterbleiben. Die Arbeit ist zu ungeheuer und die Richtung der neueren
-Zeit wird sie den Gelehrten immer unerträglicher machen, wenn auch
-wohl da und dort ein glänzendes Probestückchen erscheinen möchte. Die
-Vergleichung mit der Bibel scheint aber weder passend, noch tröstend
-zu seyn. Denn ihre Varianten lassen dem Glauben seine Freyheit, und
-im Glauben kann das Vielfache unbeschadet neben einander bestehen. Im
-Fach des äußern Rechts dagegen läßt sich nur Ein Gesetz denken, und da
-beruhet immer das Glück des Bürgers darauf, ob man ihn nach dieser oder
-jener Variante behandelt. Auch ist bey der Bibel der Nothstand, daß
-eine neue Offenbarung nicht verlangt werden kann, während es bey einem
-menschlichen Gesetzbuch eine Schande der Regierung genannt werden muß,
-wenn sie einen verwilderten, der gesetzlichen Besserung fähigen Text
-seinem eignen Schicksal überläßt. Zur Bestärkung meiner Klagen will
-ich hier nur noch daran erinnern, daß *Jauch* einen ganzen Oktav-Band
-über die, in den Pandekten zu setzenden oder zu streichenden Negationen
-geschrieben hat, und daß man mit einigen hundert gesetzgebenden ~*non*~
-mehr oder minder die ganze Welt umkehren kann.
-
-Daß wir jetzt zur Abfassung eines neuen Gesetzbuchs unfähig sind,
-scheint mir die Geschichte der bisherigen jüngsten Gesetzbücher eben
-so wenig zu beweisen, als ich aus der Geschichte der Schlacht von
-Jena beweisen möchte, es hätten den Preußen die Feldzüge von 1813 und
-1814 mißlingen müssen. Der ~Code Napoléon~ kann hier gar nicht in
-Betracht kommen. Denn wenn die Franzosen der jüngsten Zeit ihre eignen
-classischen älteren Juristen kaum dem Namen nach kannten, so lag die
-bürgerliche Gesetzgebung ganz außer ihrer Sphäre. Eben so wenig bietet
-das neue Preußische und Oesterreichische Gesetzbuch entscheidende
-Abschreckungsgründe dar. Beyde fanden ihre Veranlassung in der Periode
-unsrer, auch in wissenschaftlicher Hinsicht größten Schlaffheit,
-und bey beyden waren nur wenig bedeutende Männer thätig mitwirkend,
-besonders bey dem Oesterreichischen Gesetzbuch, dessen Verfasser
-nirgend in Deutschland nach Hülfe suchten. Dennoch ist nach meiner
-innigsten Ueberzeugung eben dieses Gesetzbuch durch seine Bündigkeit,
-und seine einfachen, kräftigen, eigenthümlichen Ansichten höchst
-merkwürdig, und könnte, -- obgleich ich dessen unbedingte Annahme in
-Deutschland nicht mit Andern wünschen möchte, -- als Grundlage der
-Discussion bey einem neuen Gesetzbuch unvergleichliche Dienste leisten.
-Zu tadeln ist daran gewiß noch viel, so wie auch das sorgfältigst
-gearbeitete neue Gesetzbuch noch allerley zu erinnern übrig lassen
-würde. Aber warum will man denn vorzugsweise alles herabsetzen, und
-mißtrauisch gegen alles machen, was unsre eigne Kraft schaffte, und
-schaffen kann? Es ist wahr: wir werden das neue Gesetzbuch nicht
-durchaus so naiv und wundervoll klar und kräftig schreiben, wie
-es *Luther* und *Logau* hätten schreiben können, und der Lücken,
-Dunkelheiten und Inconsequenzen werden auch noch wohl da und dort
-vorkommen. Allein wer darüber klagt, der sollte doch nicht vergessen,
-daß die Sprache des Codex fast durchaus nichts, daß die Sprache der
-Novellen gar nichts taugt, daß selbst die, überall räthselhaften
-Pandekten keinen, einer Gesetzgebung würdigen Styl enthalten, und daß
-das ganze Justinianeische Gesetzbuch mit Inconsequenzen, Lücken und
-schlechten Rechtssätzen übersäet ist. Wenn also der Verfasser S. 115
-gegen die chirurgische Behandlungsart, welche ich für nothwendig halte,
-einwendet: »wir könnten dabey leicht auf gesundes Fleisch treffen,
-das wir nicht kennen, und so gegen die Zukunft die schwerste aller
-Verantwortungen auf uns laden«, so erwiedere ich: laßt uns dennoch
-den alten Krebs ausschneiden; es wird schon junges besseres Fleisch
-nachwachsen, und wir werden eher und sicherer ganz geheilt, als wenn
-man durch die Wissenschaft die bösen Säfte künstlich zu vertheilen,
-oder allmählig abzuleiten sucht.
-
-Darauf, daß eine große Versammlung bedeutender Rechtsgelehrten aus
-allen Deutschen Ländern das Werk vollende, muß ich aber noch immer
-besonderes Gewicht legen, obgleich ich gern einräume (was ich auch
-nie leugnete), daß erst Einzelne der Bedeutendsten die Grundlagen
-auszuarbeiten haben. Aber die Vollendung ist das Werk keines Einzelnen,
-und so wird denn, der Provocation des Verfassers ungeachtet, schwerlich
-ein einzelner Privat-Mann den Entwurf eines Civil-Gesetzbuchs allein
-wagen, oder jemals allein etwas damit ausrichten. Betrieben unsre
-Deutschen Regenten die Sache wieder kümmerlich, wie früher so manche
-andre wichtige Staatsangelegenheit, so würde ich gern der Erste seyn,
-um das neue Werk mit einer rüstigen Strafrede anzufallen. Allein
-benutzt nur diesen seltenen Augenblick des warmen Eifers und der
-Verträglichkeit der Völker; wendet nur etwas Ehrenwerthes auf das
-heilsame Werk; vereinigt die Kräfte der jetzigen besten Theoretiker,
-und gebt ihnen aus jedem Lande zum Mitgehülfen einen erfahrnen Kenner
-des Landrechts, nicht nach der mißlichen Wahl der Höfe, sondern
-allein nach dem Urtheil der, auf ihre Eidespflicht angerufenen
-höheren Landesgerichte; und behandelt das Ganze von oben als eine
-der wichtigsten National-Angelegenheiten, mit Regsamkeit, Kraft und
-Ehrerbietung: dann wird schon etwas Musterhaftes vollbracht werden,
-und zum Tadeln wird nicht mehr Veranlassung seyn, als bey den besten
-andern bisherigen menschlichen Werken. Hätten wir doch im Fach der
-Rechtswissenschaft einen *Göthe*, welcher uns recht klar darlegen
-könnte, wie wir, gleich seinem *Hermann*, von Haus aus ängstlich,
-und uns selbst mißtrauend, unsre besten Kräfte verkennen, aber des
-höheren Fluges nicht unfähig sind, wenn unsre Kraft geweckt, und
-unser Selbstvertrauen belebt wird: dann würde schon die Ueberzeugung
-herrschend werden, daß wir auch im Fach der Gesetzgebung nicht bey
-fremden Völkern zu betteln brauchten, und ein Gesetzbuch vollenden
-könnten, hinter dem auf allen Fall unser bisheriges Recht weit
-zurückstehen müßte!
-
-Für den eignen Plan des Verfassers habe ich alle Achtung, in sofern
-er ein Ausdruck seines herrlichen wissenschaftlichen Eifers, und
-seines wohlbegründeten Selbstgefühls ist; aber in Beziehung auf die
-Außenwelt kann ich ihn durchaus nicht billigen. Die historische
-Rechtswissenschaft als solche kann nur das Gute fördern und vollenden,
-wenn sie in der Lage ist, von weisen Grundlagen auszugehen, und deren
-Wirkungskreis zu erweitern. Allein in dieser Lage sind wir bey dem
-Römischen Rechte nicht. Ueberall in den Hauptlehren unglückliche
-positive Grundgedanken; überall verwirrte räthselhafte Details; überall
-ein willkürliches, oft rasendes Hineinfahren gelegentlicher Eigenmacht,
-und eine Masse von Folgesätzen des Kampfes der Billigkeit, und des
-Edicts mit dem strengen Rechte, ohne daß Justinianus es verstanden hat,
-das Ganze zu einer gleichartigen Masse zu bilden! Bey diesen zahllosen,
-ungeheuren Gebrechen könnte die historische Rechtswissenschaft nur in
-sofern wohlthätig werden, als sie, eine neue Gesetzgebung verlangend,
-sich sorgfältig bemühte, alle jene Gebrechen als solche zur Lehre und
-Warnung hinzustellen; aber ihre bloßen klaren Entwickelungen werden
-das Volk nicht glücklicher machen, sondern ihm nur sein Unglück noch
-anschaulicher darstellen.
-
-Es bleibt daneben aber noch das zweyte trostlose Hauptübel, daß alle
-Wissenschaft uns nicht zu der Gewißheit führen kann, welche einem guten
-Rechtszustande nothwendig ist. Denn der Text des Justinianeischen
-Rechts ist nun einmal durch und durch ungewiß und zweydeutig, und die
-Zahl der räthselhaften Fragmente ist unendlich. Daß mit jedem Tage
-immer mehr gute neue Ideen zum Vorschein kommen werden, läßt sich
-freylich erwarten: aber ich muß nochmals wiederholen, was ich schon vor
-sechszehn Jahren gesagt habe: der eigentliche Rechtszustand gewinnt
-nicht dadurch, daß immer mehr Gutes in die Bücher hineinkommt, sondern
-nur durch die allgemeine lebendige Verbreitung in den Köpfen; nicht
-dadurch, daß Professoren ihre Lieblingslehren munter vortragen, sondern
-dadurch, daß die Richter und Anwälde sich des Besten ganz bemächtigen,
-und bemächtigen können. Von diesem Ziele werden wir aber immer weiter
-abkommen. Je verfeinerter bey einem solchen chaotischen Gesetzzustande
-die Wissenschaft wird, desto mehr bekommen die Zweifler und
-Streitsüchtigen Gelegenheit, immer neue Ideen zu wagen, und alles zu
-verwirren; auch wird die Masse des Wissenwürdigen immer unermeßlicher.
-Freylich kann ein partieller Eifer auf eine sehr glänzende Weise
-hervorgebracht werden; aber das Ganze wird damit nicht gefördert. So
-ist z. B. das classische Werk des Verf. über den Besitz allgemein mit
-dem größten Eifer studirt; aber dafür sind die unschätzbaren ~errores
-pragmaticorum~ von *Faber* desto weniger gelesen; und so wird es mit
-jedem Tage weiter gehen, ohne daß doch jemals die alte Litteratur durch
-die neue entbehrlich werden wird.
-
-Die Wissenschaft wird also die Zweifel und Controversen nicht genügend
-heben können, und daher will auch der Verf. eine Mitwirkung der
-Regierungen durch provisorische Verfügungen. Allein das wäre nach
-meiner Ueberzeugung das größte Unglück. Denn zu solchen Verfügungen
-gehören große theoretische Kenntnisse, welche sich in den einzelnen
-Deutschen Justiz-Ministerien nur selten finden werden, und man kann
-daher mit voller Sicherheit behaupten, daß das Römisch-Deutsche
-Recht in den kläglichsten Zustand der Hölzernheit, Verwirrung und
-Inconsequenz kommen würde, wenn alle einzelnen Regierungen nach dem
-Maaß ihrer Kräfte und Einsichten daran herumarbeiteten; besonders
-da die Verrückung Eines Satzes leicht auch die Aenderung eines
-zweyten und dritten zur Folge haben muß, und da die gewöhnlichen
-Gelegenheits-Gesetzgeber selten wahrnehmen, wie eingreifend einzelne
-Sätze sind, wenn man sie folgerecht durchführte. Wenn also auch jetzt
-die Freunde des Römischen Rechts zur vorläufigen Beruhigung der Gegner
-auf die heilbringende Hülfe der Regierungen hindeuten, so werden sie
-doch nachher selbst im Einzelnen immer bedenklich, und mit Recht, gegen
-Aenderungen warnen, und sich das wissenschaftliche Steuerruder nicht
-aus der Hand winden lassen; und so kommen wir denn mit den Vorschlägen
-des Verfassers zu dem Dilemma: wirkt man von oben, so taugt es nichts;
-wirkt man aber bloß durch die Wissenschaft, so ist das Volk dem
-Verderben und der Ungewißheit preis gegeben.
-
-Uebrigens kann niemand mehr, wie ich, den unschätzbaren Werth einer
-geistvollen historischen Behandlung des Rechts erkennen, und die
-Rechtsgelehrten verehren, welche in den neuesten Zeiten dieser
-Behandlungsart wieder Eingang verschafft haben. Auch bin ich
-überzeugt, daß von dieser Seite noch unendlich viel Gutes geschehen
-kann. Allein an eine historische Wiedergeburt und Erlösung glaube ich
-nicht; und nebenbey kann ich auch nicht die Besorgniß unterdrücken,
-daß unsre Wissenschaft von dieser Seite sehr leicht verfälscht
-werden könnte. Was die älteren Französischen Juristen bis auf *J.
-Gothofredus*, was die besseren Holländer, was unsre *Heineccius* und
-*Ritter* geleistet haben, wird im Ganzen nie übertroffen werden; und
-doch blieb unsre Rechtswissenschaft schlecht, verwirrt und ungewiß.
-Daß man mehr Geist und Haltung in unsre Rechtsgeschichten bringen
-wird, kann keinen Zweifel leiden. Allein das alles wird nur das Ganze
-im Allgemeinen betreffen, aber nicht das endlose feinere Detail,
-welches dem Richter eben so nahe liegt, als das Allgemeine. Wir nehmen
-zwar immer mehr die Wendung, daß wir eine Einheit der Gründe und des
-Geistes herauszubringen, und alle Einzelnheiten darauf zurückzuführen
-suchen. Aber wir werden vergebens mit dem Unmöglichen ringen. Noch nie
-hat sich ein positives bürgerliches Recht aus einfachen, nothwendigen
-Elementen consequent herausgebildet. Die zufällige Wortfassung eines
-Gesetzes wird oft für Jahrhunderte entscheidend, wie schon die zwölf
-Tafeln zeigen; und wenn alle Arten der guten und schlechten Köpfe
-tausend Jahre an einer Rechtsverfassung herumgepfuscht haben, so
-kann auch nicht entfernt an eine organische Einheit gedacht werden.
-Selbst die Praxis ist nur zu oft ein blindes Werkzeug des Zufalls, so
-schön es auch klingt, daß es mit dem Recht gut stehe, wenn es sich
-nur von selbst mache; daher auch die classischen Juristen der Römer
-sich mehrfach über schlechte Rechtssätze ihrer Praxis aufgehalten
-haben (z. B. ~L. 6. §. 2 si servit. vindic. L. 9. de religiosis~).
-Das Schlimmste ist aber: eine Rechtsverfassung, welche sich von Jahr
-zu Jahr durch Einwirkung aller möglichen Zufälligkeiten ausbildet,
-sinkt allmählig in Ansehung ihrer *Gründe* in den dicksten Nebel; und
-wenn dann noch dazu, wie bey dem Römischen Recht, die Urkunden der
-Geschichte unsicher, verdorben, oder ganz verloren sind, so müssen sich
-die historischen Erörterungen, welche das Feine und Einzelne, also
-recht das Practische betreffen, in schwankende Voraussetzungen und
-Vermuthungen auflösen; wobey denn unser, leider nicht zu verkennender
-Hang für das Hineinlegen unsrer Eigenthümlichkeit in das Alterthum,
-und für künstliche Zusammenhäufung vornehmer Träumereyen, so recht
-nach Lust und Gefallen alles unter das gelbe Glaß bringen kann. Je
-eifriger dann herüber und hinüber gestrebt wird, desto größer muß für
-das Practische die Ueberlast und die Verwirrung werden. Ich will den
-Verf. nur an das unvergleichliche Werk unsres *Niebuhr* erinnern. Laßt
-dieses Werk ganz vollendet werden, und sich auch über die Einzelnheiten
-unsrer Rechtsgeschichte verbreiten: was wird der Erfolg seyn? Der große
-Haufen wird es anstaunen und nicht verstehen; die Mittelköpfe werden
-es loben, etwa wie der Furchtsame im Dunkeln singt, und wenig Nutzen
-daraus ziehen; und wenn es möglich wäre, daß Männer mit solcher fast
-unglaublicher Gelehrsamkeit, mit dieser Tiefe und Fülle des Geistes,
-und dieser kritischen Kühnheit neben *Niebuhr* auftreten könnten,
-so würde der ganze Stoff so in Schwanken, und die Untersuchung in
-solche Tiefen gerathen, daß für die Praxis die ganze Masse eben so ein
-todter Stoff werden würde, als manche der besten Streitschriften der
-Alt-Italiänischen Philologen und Rechts-Historiker.
-
-Ich denke daher: haltet die Rechtsgeschichte, und vor allen Dingen
-die Geschichte des, doch immer vorzüglich bedeutenden Römischen
-Rechts in den höchsten Ehren, damit philosophische Armuth uns niemals
-verkleinliche, und damit wir mit den vielfachen Veranlassungen unsres
-neu-europäischen Zustandes vertraut bleiben. Allein überschätzt die
-Geschichte nicht, damit in Ansehung ihrer nicht auch Statt finde,
-was gewöhnlich das wahre Glück des einzelnen Menschen zerstört,
-nämlich, daß er in wehmüthigen Rückerinnerungen an Zeiten, welche
-nicht besser waren, als die jetzigen, träumend lebt, und darüber das
-Gute der Gegenwart übersieht und unbenutzt läßt. Der Rückblick auf
-die Werke der vergangenen Zeit mag unsre Begriffe schärfen, unsre
-Einbildungskraft beleben und veredeln; aber wir müssen Muth und Willen
-behalten, durch unsre eigne Kraft die wesentlichen Grundlagen unsres
-Glückes zu schaffen; und erst dann wird es recht mit uns werden, wenn
-wir das Alterthum, so weit es gewiß ist, also im Großen und im Ganzen,
-uns lebhaft vergewärtigen, aber im Uebrigen für die Einrichtung der
-Wirklichkeit unsrer Kraft mit heiterer Zuversicht vertrauen. Und dazu
-kann uns unsre eigne Geschichte alle Gründe der Aufmunterung geben,
-namentlich für das Fach des äußeren Rechts. Denn wenn wir unparteyisch
-erwägen wollen, welche Geisteskraft und Consequenz sich z. B. in
-dem System des Katholicismus ausgedrückt hat, in dem Lehns-System,
-in unserm Wechsel- und Bauern-Recht, und in einer Menge politischer
-Einrichtungen: so bleibt auch dem neueren Europa sein großes,
-eigenthümliches Verdienst, welches ohne Zweifel noch unendlich größer
-gewesen seyn würde, wenn wir uns nicht von allen Seiten durch fremde
-Begriffe hätten überraschen und unterjochen lassen; und es verdient
-wahrlich nicht den Namen eines unüberlegten Wagstücks, wenn wir, mit
-Deutscher Gediegenheit, einträchtig und eifrig, unsern Rechtszustand
-nach unsern Anlagen und Bedürfnissen männlich zu bestimmen suchen.
-
-Der Verf. hat auf der letzten Seite seiner Schrift einige Auszüge aus
-*Melanchthons* Reden gegeben, welche den Wunsch, daß das Römische
-Recht als Schutzwehr gegen Barbarey beybehalten werden möge, lebhaft
-aussprechen. Für die wilde, ungebildete Zeit des 16ten Jahrhunderts
-mag dies gern als lautere Wahrheit gelten; aber keineswegs für den
-inneren Werth der Justinianeischen Compilation. Ich will darüber auch
-zum Beschluß etwas Merkwürdiges anführen, nämlich eine Aeußerung
-von *Muretus*, welcher, mit den Schriften der großen Italiänischen
-und Französischen Juristen bekannt, und nachdem er selbst über die
-Pandekten ausführliche Vorlesungen gehalten hatte, im Jahr 1580 von Rom
-aus Folgendes (~opp. T. 4. p. 191 sqq.~) einem Freunde schrieb: ~»Ex
-omnibus veterum scriptorum monumentis, Paule Sacrate, nulla pejus ab
-hominibus imperitis ac temerariis flagitiosiusque tractata sunt, quam
-ea, quibus jus civile populi Romani continebatur. Nam cum extitisset
-antiquitus magna quaedam vis hominum eruditorum, qui leges, senatus
-consulta, plebiscita, edicta magistratuum et urbana et provincialia
-tum copiosis et uberibus tum mundissimo ac nitidissimo orationis
-genere scriptis commentariis illustrassent; jamque immensi operis
-videretur, eorum omnium scripta pervolvere; arduum etiam et difficile
-in crebris, ut fit, eorum dissensionibus, quid optimum ac verissimum
-esset, judicare: ei malo mederi cupiens imperator Justinianus negotium
-Triboniano et aliquot aliis dedit, ut ex eorum scriptis ea tantum
-excerperent, quae utilia essent quaeque in judiciis obtinerent: quae
-cum in unum corpus, resectis ceteris, ordine digessissent, sola
-tererentur studiosorum manibus eisque laborem minuerent ac levarent.
-At illi, hac potestate accepta, non ut ille Horatianus agricola, qui
-inutiles ramos falce amputans feliciores inserit, sed ut milites
-accepte signo ad oppidum aliquod diripiendum ac depraedandum, per
-medium jus civile grassantes et, ut quidque obvium erat, lacerantes,
-mutilantes, trucidantes, brevi tempore exhibuerunt nobis veteres
-jurisconsultos, instar Deiphobi,~
-
- ~*laceros crudeliter ora,*~
- ~*Ora manusque ambas;*~
-
-~quamque disciplinam perpurgandam ac perpoliendam susceperant, eam
-ita deformarunt, ut vix ulla amplius ejus imago superesset. Quam
-enim hanc infelicitatem esse dicemus, quod, cum hoc jus ex legibus,
-senatus consultis, plebiscitis, edictis magistratuum, constitutionibus
-principum, responsis prudentum constare dicatur, hodie in libris
-juris nulla lex extat, nullum senatus consultum, integrum saltem et
-=holoklêron=, nullum plebiscitum; edicti perpetui paucae quaedam, ut
-ex naufragio, tabulae; ipsae principum constitutiones multis locis
-decurtatae et ha =êkrôtêriasmenai=; prudentum autem scripta ita
-distracta, dilacerata, divulsa, ut in eis vetus illa Hippolyti fabula
-renovata videatur. Itaque hodie non aliter jus civile discere cogimur,
-quam si, sublatis et extinctis omnibus Aristotelis et Aristoteleorum
-interpretum scriptis, fragmenta tantum quaedam reperirentur, e
-variis Alexandri, Themistii, Simplicii, Philiponi et aliorum
-decerpta commentariis, ex quibus utcunque in communes locos digestis
-Aristoteleam philosophiam discere juberemur.~«
-
-
-3. Urteile der Zeitgenossen zu den Streitschriften Thibauts und
-Savignys.[F] 1814-1818.
-
-
- 1. *Besprechungen von Thibauts Schrift (Originalausgabe und
- erweiterter Abdruck in Thibauts Civilistischen Abhandlungen,
- Heidelberg 1814, S. 404 bis 466).*
-
-~a~) Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, Jena und Leipzig, 1814 Nr.
-185 mit der Unterschrift R. V. K.
-
-Sowohl früher, als in der neuesten Zeit, haben auch andere Stimmen sich
-schon über diesen Gegenstand vernehmen lassen; noch nie aber ist dies
-auf eine so überzeugende, Geist und Herz so eindringlich in Anspruch
-nehmende Weise geschehen, als in diesen wenigen, aber inhaltschweren
-Bogen.... Eifrigen Widerspruch aber wird hin und wieder des Vfs. Urteil
-über unsere hauptsächlichste Rechtsquelle, nämlich über das römische
-Recht, finden.... Einen der größten Mängel, wenn gleich nur relativen,
-unseres bisherigen Rechtes hat der Vf. viel zu wenig herausgehoben,
-*den* nämlich, daß es ein *fremdes* Recht ist.... Sind wir denn aber so
-ganz unfähig zu einer selbständigen Vereinigung, daß es selbst *hiezu*
-der Hilfe und Garantie fremder Mächte bedürfen sollte?
-
-
-~b~) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1814 Stück 152,
-153. Für Thibaut. Es handele sich um einen seit 50 bis 100 Jahren laut
-gewordenen »Volkswunsch«.
-
-Ebenda, Stück 267.
-
-In einer sinnigen Abhandlung, kurz und kräftig, wie es sein muß,
-wenn man einen großen allgemeinen Eindruck machen will, zeigt Herr
-*Thibaut* die Notwendigkeit eines allgemeinen Rechts. Die unheilbaren
-Gebrechen der römischen Gesetzbücher werden in ihrem ganzen Umfange
-enthüllt; an dem französischen Gesetzbuch hätte auch wohl seine geheime
-Grundlage: Conscription und Enregistrement entdeckt werden müssen....
-Die Einwendungen gegen ein deutsches Gesetzbuch werden siegreich
-beantwortet. Bei der Entwicklung seiner Vorteile hätten wir mehr Tiefe
-erwartet. Die Vorteile für die Gelehrten und Akademieen sind zuerst
-genannt, da es doch nur Nebenvorteile sind. Sein Nutzen für die Bürger
-wird bloß darin gesetzt, daß es dem Unwesen der Collisionen steuere,
-daß es der politischen Zersplitterung und dem Kleinigkeitsgeiste
-das Gegengewicht halte und daß in den einzelnen Ländern nichts
-Vollkommenes zu erwarten sei. Es hat uns endlich weh getan, in dieser
-sonst schätzbaren Schrift die Meinung zu finden: Die Erlassung des
-Gesetzbuches müsse wie ein Völkervertrag unter feierlicher Garantie der
-auswärtigen alliirten Mächte behandelt werden.
-
-
-~c~) Wiener Allgemeine Literatur-Zeitung, Wien, 1814 Nr. 98 (Xxxx).
-
-Diese Vorfrage (die politische, s. o. S. 12) abgerechnet, müssen wir
-gestehen, daß der Hr. Verf. seine Materie auf die gründlichste Art
-abgehandelt hat. Seine gehaltvolle Schrift ist eine um so erfreulichere
-Erscheinung, als es nach der Flut der Ideale, womit wir bisher
-überschwemmt worden sind, gewaltig Not tut, wieder einmal Etwas zu
-vernehmen, das uns in das Reich der Wirklichkeit zurücklenkt. Die
-Abhandlung hat nicht bloß für den gegenwärtigen Zeitpunkt ein hohes
-Interesse, sondern auch für die Folge einen bleibenden Wert, da sie
-nebst dem eigentlichen Thema noch mehrere andere Gegenstände berührt,
-die dem Freunde der Rechtswissenschaft von hoher Wichtigkeit sind. Wenn
-wir auch voraussetzen können, daß ihre inhaltsschweren Worte bereits
-die rege Teilnahme aller deutschen Biedermänner gefesselt haben, und
-die kräftige Schrift in den Händen der Meisten unserer Leser sein
-werde, so halten wir es doch nicht für überflüssig, bei der Analyse
-derselben noch einige Zeit zu verweilen. Die in ihr ausgesprochenen
-Wahrheiten können nicht oft genug wiederholt werden, und wenn es auch
-nicht nötig ist, sie in den deutschen Erbländern des österreichischen
-Kaiserstaates in Anregung zu bringen, da sich dieselben bereits eines
-allgemeinen bürgerlichen und peinlichen Gesetzbuches erfreuen, das,
-bis auf die noch nicht revidierte Prozeßordnung, allgemein als ein
-Muster der Vortrefflichkeit anerkannt wird, -- so sind dieselben doch
-für Deutschland im Allgemeinen von zu hohem Interesse, als daß sie
-in dem mächtigsten Bestandteile dieses Reichs nicht einer besonderen
-Beachtung würdig gehalten werden sollten.... Die Vorteile, welche
-aus der Einführung eines Nationalgesetzbuches für den Gelehrten,
-für den akademischen Unterricht, für die Schärfung des, bis jetzt
-auf den deutschen Universitäten vernachlässigten praktischen Sinnes
-in den Studirenden, für den ausübenden Juristen, und vorzüglich für
-das Glück der Bürger entspringen müssen, können wohl nicht mehr
-einleuchtender erwiesen werden, als es in dieser kleinen, aber sehr
-gehaltvollen Abhandlung geschehen ist.... Rühmlich ist die Kühnheit,
-mit welcher der Hr. Verf. gegen Vorurteile und Mißbräuche zu Felde
-zieht, besonders da er nicht verkennt, wie sehr er den Widerspruch,
-vorzüglich der eingewurzelten Selbstsucht auf sich ziehen wird. Er ist
-auf die Vorwürfe der einseitigen Verehrer des Pandektenrechts, deren
-Zorn er besonders durch seine Ausfälle auf ihr mit ausschließender
-Liebe gepflegtes Schoßkind rege gemacht haben muß, so wie auf
-die Bedenklichkeiten in Voraus gefaßt, welche von heimlichen und
-öffentlichen Widersachern gegen die Abfassung eines deutschen
-Gesetzbuches in Anregung gebracht werden könnten. Er begegnet ihren
-Einwendungen durch eine Reihe sehr scharfsinniger Bemerkungen, die
-in mehr als einer Hinsicht, allgemein beherzigt zu werden verdienen,
-deren Anführung wir jedoch hier um so billiger übergehen können, als
-wir erwarten, daß die schätzbare Abhandlung des Herrn Thibaut nicht
-nur von jedem Freunde der positiven Rechtswissenschaft und Politik,
-sondern auch von jedem deutschen Manne werde gelesen werden, für den
-das künftige Schicksal des Vaterlandes Interesse hat.
-
-
-~d~) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1816 Stück 34, 35.
-
-Für Thibaut. Rezensent vermißt zwei Betrachtungen bei Thibaut:
-Die allgemeine Rechtsuniformirung würde auch für die *Herrscher*
-Deutschlands ersprießlich sein, weil sie den Ländertausch (eine
-politisch-militärische Notwendigkeit) erleichtere. Sodann: Mit welchem
-Teile des Ganzen soll der Anfang gemacht werden? Rezensent schlägt vor:
-Mit den Bestimmungen über Handel, Literatur und Kunst. Die schwierigste
-Frage wird übrigens immer die sein: Ob in dem gegenwärtigen Zustande
-Deutschlands die Niedersetzung einer solchen allgemeinen deutschen
-Gesetzgebungscommission politisch möglich sei? Daß sie nicht politisch
-wahrscheinlich ist, folgt aus der Möglichkeit obiger Frage.
-
-
-~e~) Karl Albert von Kamptz, Jahrbücher für die Preußische
-Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, 3. Band, Berlin
-1814, S. 395.
-
-Eine kurze Inhaltsangabe der zusammen besprochenen Streitschriften von
-Thibaut und Savigny. »Die Gründe beider Rechtsgelehrten sind aber so
-wenig eines kurzen Auszugs fähig, als die lichtvollen Bemerkungen des
-Herrn von Savigny über das Preußische allgemeine Landrecht.«
-
-
- 2. *Besprechungen von Savignys Schrift.*
-
-~a~) Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur, Heidelberg, 1814 Nr. 59
-(von *Thibaut*, oben abgedruckt Abt. II, 2).
-
-
-~b~) Göttingische Gelehrte Anzeigen, Göttingen, 1814 Stück 194 (von
-*Hugo*).
-
-Hugo erinnert an seine zustimmende Kritik von Schlossers Briefen über
-die Gesetzgebung, die sich im Jahre 1789 gegen die Schaffung eines
-Preußischen Gesetzbuchs aussprachen.... Wie freute sich nun Rezensent,
-als er von seinem Freunde *Savigny* erfuhr, daß dieser, trotz seiner
-Beschäftigung mit den gelehrtesten Untersuchungen über die Geschichte
-des Römischen Rechts im Mittelalter, doch in einer eigenen Schrift
-die Wissenschaft gegen die Gesetzbücher retten wolle! Und wie freute
-er sich, als er nun das Buch las und ganz *Savigny* darin fand! »*Den
-sollt ihr hören*« möchte er Juristen und Nichtjuristen zurufen, und
-für diejenigen, die sich etwa wundern möchten, wie Rez. das Herz habe,
-ein Buch so zu loben, worin seiner so sehr in Ehren gedacht wird, will
-er nur gleich hinzusetzen, daß ihm noch nie eine Anerkennung dessen,
-was er nun schon ein Vierteljahrhundert für die Wissenschaft zu tun
-gestrebt hat, so angenehm gewesen ist, als diese.
-
-
-~c~) Wiener Allgemeine Literatur-Zeitung, Wien, 1814 Nr. 98. (Hß.)
-
-Die Meinung (Thibauts) hat wohl die Stimme der Zeitgenossen für sich,
-deren Mut, Hoffnung und Selbstvertrauen, durch die riesenhaften Erfolge
-ihrer Anstrengungen belebt, nichts für unmöglich, wenig für bedenklich
-hält; doch gebührt *Savignys* Schrift der Vorzug einer größern
-Eigentümlichkeit der Gründe, und einer sorgfältigern Ausführung....
-Rez. muß offenherzig gestehen, daß ihn *Savignys* Gründe nicht
-überzeugt haben.... Daß unsere Zeit dazu nicht reif sei, könnte nur die
-Tat beweisen. Wir rufen vielmehr im festen Vertrauen auf die Kraft der
-Völker und den guten Willen der Herrscher: *Jetzt oder nie!*
-
-
-~d~) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1815 Stück 222
-bis 223.
-
-Daß über die Schrift des *Hn. von Savigny* als anstrebend gegen den
-Zeitgeist und gegen die Überzeugung nicht bloß der Menge, sondern auch
-aller ausübenden Rechtsgelehrten und aufgeklärten Staatsmänner nicht
-vorteilhaft geurteilt wurde, war sehr natürlich, und Rezensent, der
-Hn. v. S. aufrichtig hochachtet, hätte gewünscht, *daß die Schrift
-ungedruckt geblieben wäre*.
-
-
-~e~) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1815 Stück 234. Vom Beruf
-unserer Zeit für (?) Gesetzgebung und Rechtswissenschaft.
-
-... Sieht man nun auf den *Titel* des Buches zurück, so muß man dem
-Verf. die Billigkeit der sogenannten Halbscheidsurtheil nachrühmen:
-denn von den beiden *Berufen*, welche dort erwähnt sind, spricht
-er unserer Zeit nur den ersten ab, und läßt ihr den zweiten. Die
-Schrift liest sich übrigens, das um die Bilder schwebende *Helldunkel*
-abgerechnet, angenehm und ist fast splendid gedruckt.
-
-
-~f~) Vgl. oben zu 1 ~e~.
-
-
-~g~) Äußerungen von *Niebuhr* und *Jacob Grimm* s. o. S. 14. *Anselm v.
-Feuerbachs* Urteil ist wegen der ihm zukommenden besonderen Bedeutung
-unten Abt. II, 4 im Zusammenhange abgedruckt.
-
-
- 3. *Nicolaus Thaddäus v. Gönner, Direktor des Appellationsgerichts
- und Mitglied der Gesetzkommission in München, Über Gesetzgebung
- und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit (Beiträge zur neuen
- Gesetzgebung in den Staaten des teutschen Bundes), Erlangen 1815*,
- 291 S. (Vgl. unten Abt. II, 5).
-
-Das gegen Savigny gerichtete, teilweise in verletzendem Tone
-geschriebene Buch enthält dieselben Abschnitte wie Savignys Schrift.
-An die Stelle der bisherigen Rechtsquellen sollen nach Gönners
-Vorschlag Gesetzbücher treten, aber jeder größere deutsche Staat soll
-sein eigenes haben. (Vgl. Ludwig Spiegel, Savignys Beruf und Gönners
-Gegenschrift, Vierte Abhandlung in Spiegels Gesetz und Recht, München
-und Leipzig 1913).
-
-
-Besprechungen hierzu:
-
-
-~a~) Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (herausgegeben
-von Savigny, Eichhorn und Göschen), Band 1, Berlin 1815, Nr. 17 (von
-*Savigny*, wieder abgedruckt in dessen Vermischten Schriften 5. Band,
-Berlin 1850, S. 115 ff.).
-
-Die heillosesten Ansichten und Grundsätze, die unter Bonapartes
-Herrschaft in Deutschland gedeihen konnten, und die allen Gutgesinnten
-ein Greuel sind, werden hier ohne Scheu ausgelegt, und mit der
-Verteidigung der Gesetzbücher gegen das geschichtliche Recht in
-Verbindung gebracht.... Die Regierungen werden gewarnt gegen die
-historische Methode, deren Bekenner ihnen das Recht der Gesetzgebung
-entziehen, und es in die Hände des Volks und der Juristen als
-Volksrepräsentanten spielen wollen (auf diesen Punkt von Bedeutung
-geht Savigny ausführlich ein).... Nimmt man hinzu, daß nach unserm
-Verf. das Gesetzbuch die eigentliche Grundlage alles wissenschaftlichen
-Rechtsstudiums sein soll, so ist die unvermeidliche Folge seines
-Vorschlags, und ohne Zweifel auch die deutlich gedachte Absicht
-desselben, daß in dem Recht sowohl als in dem Rechtsstudium der
-Deutschen alles Gemeinsame aufhöre. Ein solcher Vorschlag kann Jedem,
-der das Deutsche Vaterland liebt, schon um dieser Vaterlandsliebe
-willen nicht anders, als sehr schmerzlich sein: er ist aber auch an
-sich, für das Recht jedes einzelnen Staates verderblich. (Diese
-abgerissenen Sätze aus der umfangreichen und für die Grundlehren der
-historischen Schule wichtigen Rezension Savignys müssen hier genügen).
-
-
-~b~) Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur, Heidelberg, 1815 Nr. 40
-(von *Thibaut*).
-
-... Als Mitherausgeber unserer Jahrbücher bin ich nun bei diesem Streit
-abermals in eben der Verlegenheit, worüber ich früher (Heidelb. Jahrb.
-1814 S. 931 -- gemeint ist die Rezension über Savignys »Beruf«) klagte,
-und noch mehr als damals. Denn durch mich ist hauptsächlich der Streit
-veranlaßt, und fast alles, was Hr. v. G. gegen meinen, mir sonst so
-teuren Gegner gesagt hat, stimmt im Wesentlichen mit meinen innigsten
-Überzeugungen überein. Vielfach von dem Verf. gelobt (und wahrlich weit
-über mein Verdienst!) stehe ich hier demnach als parteiischer Richter
-in der Mitte, und ich würde es nicht verantworten können, wenn ich
-durch irgend ein Urteil die vorläufige Ansicht der Leser zu bestimmen
-suchte. Ich muß mich daher auf eine bloße Inhaltsanzeige beschränken,
-welche auch nur in kurzen Andeutungen zu bestehen braucht. Denn die,
-welche im Stande sind, diesen großen Streit zu beurteilen, werden sich
-doch nicht dazu verstehen, die Arbeit eines solchen Schriftstellers
-blos nach den Auszügen eines andern zu benutzen; und für die Neugier
-der übrigen Leser sind kurze Andeutungen mehr als hinreichend. Nur
-über Einen Punkt will ich mich näher erklären, weil ich dabei der
-Angegriffene bin, und insofern auf die Billigung aller Leser rechnen
-kann, wenn ich mich selbst frei und offen meiner eigenen Sache annehme.
-(Es folgt die Inhaltsangabe.) Der Eine Hauptpunkt, wogegen ich mich
-aber, wie gesagt, erklären muß, ist die Behauptung des Verf. (S. 274,
-275), daß ein allgemeines Deutsches bürgerliches Gesetzbuch sich nicht
-denken lasse, weil Deutschland ein bloßer Bundesstaat sei, und die
-Selbständigkeit der einzelnen Staaten es nicht vertrage, von einem
-Gesetzbuch regiert zu werden, welches von dem Bunde als einer *obersten
-Gewalt* ausging. Er begnügt sich also damit, die Hoffnung zu machen,
-daß einige der größeren Staaten nach Österreich und Preußen mit gutem
-Beispiel vorangehen, und die übrigen nicht lange zurückbleiben werden.
-Auf solche Art werde sich nach und nach in den Hauptbestimmungen eine
-materielle Gleichförmigkeit der Civilgesetzgebungen bilden, wobei dann
-kleine Abweichungen der Nationalität nicht schaden würden.
-
-Nach den in Deutschland so beliebten, immer mehr aufblühenden
-Grundsätzen des Territorial-Egoismus läßt sich gegen jene Ideen
-des Verf. freilich nichts einwenden. Allein die Nation, als Ganzes
-betrachtet, und insofern sie die neumodische Souverainität in Ansehung
-ihrer angeblichen Segnungen nicht anerkennen mag und kann, wird
-schwerlich jene tröstenden Hoffnungen des Verf. beruhigend finden.
-Durch zufälliges Zusammentreffen und Nachahmen machte sich ja bei uns
-nie etwas bedeutend Gutes, und wenn jetzt die Theorie sich mehr als
-jemals, für das Princip des Isolirens ausspricht, so wird die Praxis,
--- welche im Politischen stets noch despotischer und kleinlicher war,
-als die Theorie, -- das Arge schnell zum Aergsten fortbilden. Der
-Begriff eines bloßen Bundesstaates im schlaffen jetzigen Sinn kann
-nichts weiter beweisen, als daß ein einzelnes Bundesland in Ansehung
-der vielen Gegenstände, worüber die Bundesversammlung keine Gewalt
-hat, sich nicht den Befehlen dieser Versammlung zu unterwerfen braucht.
-Allein wer wollte es für eine Nichtigkeit und Unmöglichkeit erklären,
-wenn alle deutschen Regierungen zusammenträten, und ihre gemeinsame
-Kraft der Einführung eines gleichförmigen bürgerlichen Rechts widmeten?
-Die unermeßlichen Vortheile einer solchen gleichförmigen Verfassung hat
-Herr v. G. in seiner Schrift überall selbst anerkannt und mit lebhaften
-Farben geschildert. Treffender wäre es also gewesen, wenn Er als ein,
-für keinen einzelnen Bundesstaat besonders gestimmter Deutscher,
-philosophirend die rechtliche Einheit dringend empfohlen, und höchstens
-nur als Kenner der Vergangenheit und Gegenwart hinzugesetzt hätte:
-unsere Vorschläge und Wünsche werden auch in dieser Hinsicht leere
-Luftschlösser bleiben. Denn wenige einzelne deutsche Staaten meinen
-es ehrlich mit einander, und es läßt sich die Zahl schwerer Opfer gar
-nicht berechnen, welche noch zu bringen sind, um deutsche Gesinnungen
-in der That und Wahrheit allgemeinherrschend zu machen.
-
-
-~c~) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1815 Stück 232
-bis 235.
-
-Die Besprechung nimmt zu den Schriften Thibauts und Savignys Stellung
-in einem für Savigny günstigen Sinne.
-
-
-~d~) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1815 Stück 235.
-
-Es ist Pflicht und Schmuck aller gelehrten Journale, sich
-auszusprechen, und die Stimmen mehrer einzelner Gelehrten in sich
-zu sammeln über die neue, zwischen Hrn. v. Savigny auf der einen,
-Hrn. v. Gönner, Schmid und Thibaut auf der andern Seite entstandene
-Streitfrage. -- Der Rezensent, der im römischen Recht die unerläßliche
-Grundlage jedes Rechtsstudiums erblickt, tritt im Übrigen im
-Wesentlichen Gönner gegen Savigny bei.
-
-
-~e~) Göttingische Gelehrte Anzeigen, Göttingen, 1815 Stück 108 (von
-*Hugo*).
-
-Für die Leser unserer Anzeigen, welche sich etwa aus St. 194 im
-vorigen Jahrgange der Schrift von *Savigny*: Vom Beruf unserer Zeit
-für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft erinnern, bedarf es eigentlich
-nur der ganz kurzen Angabe, daß hier die eilf Abschnitte jenes Buchs,
-vom ersten bis zum letzten, widerlegt werden sollen, daß Herr v. G.
-sich der »Deutschen« Gelehrten, welche ein Gesetzbuch forderten,
-gegen diesen »romanistischen« annimmt, ihm alle Begriffe von Recht
-und Gesetzgebung abspricht, ihm Schuld gibt S. 88, daß er auch die
-Bildungsgeschichte des Römischen Rechts historisch unrichtig darstelle
-usw. Die Meinung des Rez. hierüber werden sie wohl nicht erst zu wissen
-verlangen. *Savigny*, den einen bloßen Romanisten nennen zu hören,
-besonders seit der Erscheinung seines oben S. 85 angezeigten Buches
-(gemeint ist die Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter),
-erbaulich ist, gehört, wie ihm oft genug zu Gemüte geführt wird, zur
-historischen Schule, und in welchem Verhältnisse Rez. zu dieser steht,
-ist im Buche selbst S. 44 klar zu lesen, damit nicht etwa Jemand das
-Verdienst von *Savigny* zu hoch anschlage und ihm in dieser Schule mehr
-als eine höchst untergeordnete Stelle anweise....
-
-
-~f~) Rheinischer Merkur, Koblenz, 1815 Nr. 245. G(rimm).
-(Wiederabgedruckt in Wilhelm Grimm's Kleineren Schriften Bd. 1
-(Berlin 1881) S. 549 ff. unter dem Titel Ȇber Gesetzgebung und
-Rechtswissenschaft in unserer Zeit«). Vgl. auch Briefwechsel zwischen
-Jacob und Wilhelm Grimm, Weimar 1881, S. 459: Wilhelm an Jacob Grimm,
-2.6.1815, »Ich habe nur in dieser Zeit eine Rezension von Gönners
-Schrift gegen Savigny für den Merkur geschrieben, wozu er mich
-aufforderte.«
-
-Für Savigny (dessen Schrift inhaltlich kurz wiedergegeben wird)
-gegen Gönner. -- (Gönners Schrift) ist weder geistreich noch gewandt
-geschrieben, vielmehr gemein und sich wiederholend; nur einige
-Gifttropfen sind mit hineingeschlossen, welche die Reinheit der
-Gesinnung am Gegner beflecken sollen, dagegen ist sie vollständig und
-bietet überall eine freche Stirn.... (Das Recht geht nach Gönner)
-*einzig vom Herrscher und dessen Einzelwillen aus*.... Dieser
-Streit ist nicht bloß ein wissenschaftlicher, der sich überlassen
-bleiben könnte, sondern er geht auf etwas allgemein Menschliches,
-und insofern gehört er in dieses öffentliche, die freien Rechte der
-Völker verteidigende Blatt.... *Ein teutsches* Vaterland kennt dieser
-Geist nicht, nur selbständige und unabhängige Staaten, deren jeder
-sein *besonderes* Gesetzbuch haben muß; und er rühmt selbst diesen
-dauerhaften Zustand. (Vgl. oben S. 20.)
-
-
-~g~) *Kamptz*, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung,
-Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, 6. Band, Berlin 1815, S. 174.
-
-
- 4. *Karl Ernst Schmid, Herzoglich Sächsischer Geheimer Rat und
- Vicepräsident der Landesregierung zu Hildburghausen, Deutschlands
- Wiedergeburt, Ein politischer Versuch, Jena 1814, 425 S.,
- Abschnitt VI: Einheit der bürgerlichen und peinlichen Gesetze.*
- (Vgl. oben S. 73 u. 135.)
-
-Für Thibaut. 2 Besprechungen in der Jenaischen Allgemeinen
-Literatur-Zeitung 1814 Nr. 220 bis 224 (die erste, ~PN~ gezeichnet,
-gegen Thibaut), ferner Besprechungen in der Allgemeinen
-Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1814 Stück 286, 287 und in der
-Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1814 Nr. 183.
-
-
- 5. *B. W. Pfeiffer, Kurfürstl. Hessischer Regierungsrat zu Cassel,
- Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für Teutsche Staaten,
- Göttingen 1815*, 221 S. (Vgl. unten Abt. II, 5).
-
-Für Thibaut. *Pfeiffer* schlägt vor: Das Werk damit zu beginnen, daß
-allen bisherigen Rechtsnormen, und ganz vorzüglich dem Corpus juris der
-Römer, das gesetzliche Ansehen entzogen werde; alsdann aber aus dem
-reichhaltigen Stoffe, welchen sie enthalten, ein einfaches und bündiges
-neues Gesetzbuch zu bilden, das jedoch nur neu in Rücksicht der Form
-ist, alt seinem Inhalte nach.
-
-Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816
-Nr. 13 (von *Thibaut*).... Daß Rezensent in Ansehung der Gebrechen
-unseres Rechtszustandes und der Notwendigkeit eines neuen allgemeinen
-bürgerlichen Rechts ganz mit Hr. Pf. gleichdenkt, ist bekannt. Allein
-in Ansehung der Art der Ausführung des Werks kann Rez. die Pläne des
-Verf. unmöglich billigen. (Thibaut erklärt sich insbesondere gegen
-den Verfasser insofern, als dieser alle naturrechtlichen Sätze aus
-dem Gesetzbuch ausscheiden will, ferner unser bestehendes Recht als
-im Ganzen unabänderlich ansieht, endlich die Redaktion des Ganzen nur
-Einem Einzigen übertragen will.) ... Allein wir reden hier von einem
-Werke, welches dem bürgerlichen Leben des Volks auf viele Jahrhunderte
-zur Grundlage dienen soll ... Übrigens stimmt Rez. dem Verf. ganz
-bei, wenn er es für höchst wahrscheinlich hält, daß die Regierungen
-der Deutschen Länder sich zur Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs
-*nicht* verbinden werden, und daß so über kurz oder lang jedes einzelne
-Land sein eigenes Particular-Recht bekommen wird. Damit ist denn
-natürlich auch die Rechtswissenschaft zu Grunde gerichtet und man wird
-dann den Freunden der Wissenschaft, welche jetzt für das Alte kämpfen,
-auch wieder sagen können, was man so oft sagen muß: Gott bewahre uns
-vor unseren Freunden! Indes wünscht Rezensent doch, daß man für den
-Notfall noch einen Mittelgedanken im Leben erhalte, nämlich daß man
-nahe bei einander liegende Länder zur Einführung eines gleichförmigen
-bürgerlichen Rechts zu bewegen suche, z. B. Baiern, Würtemberg, Baden
-und Darmstadt. Nicht allein der bürgerliche Verkehr macht dies im
-höchsten Grade rätlich, sondern auch der Umstand, daß selten ein
-einzelnes deutsches Land im Stande ist, ein vollendetes bürgerliches
-Recht durch die Kräfte seiner eigenen Rechtsgelehrten zu schaffen.
-
-
- 6. *Ludwig Harscher von Almendingen, Politische Ansichten über
- Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, 1. Abteilung,
- 1814* (ohne Ort und Namen des Verfassers); *2. Abteilung,
- Wiesbaden 1814*, zusammen 448 S. (Der Verfasser war Prozessualist
- und Kriminalist, dann Richter und Staatsmann im Nassauischen.)
- (Vgl. unten Abt. II, 5.)
-
-Gegen Thibauts Vorschlag S. 354 ff. Daß die Ausführung desselben,
-welcher Gottlob nicht geringe Schwierigkeiten im Wege stehen, ein
-ungeheures Nationalunglück sein würde, leuchtet dem schlichten
-Menschenverstand des gewöhnlichen Geschäftsmannes ein. Die Bekämpfung
-jenes Vorschlages wäre daher nicht nötig, wenn es nicht viele
-Menschen gäbe, welche lieber dem Wort eines berühmten akademischen
-Gelehrten, als ihren fünf Sinnen glauben. Für diese Menschen sind
-folgende Bemerkungen niedergeschrieben. -- Der Verfasser wendet sich
-namentlich gegen Thibauts Forderung, daß *alle* deutsche Staaten *ein
-und dasselbe* Gesetzbuch erhalten müssen; es wäre nur eine von außen
-aufgedrungene Form; öffentlich-rechtliche und örtliche Bedürfnisse
-seien in den einzelnen Staaten von verschiedenem Einfluß auf das
-bürgerliche Recht; besonders in der *Kriminalgesetzgebung* seien
-die für ein Volk passenden Bestimmungen nicht auch für ein anderes
-geeignet; mit dem eigenen *inneren* Leben der einzelnen föderalisierten
-Staaten Deutschlands sei ein von *außen her* gegebenes einförmiges
-unabänderliches bürgerliches Recht schlechterdings unvereinbar.
-
-Besprechungen im Rheinischen Merkur 1814 No. 100 und in den Heidelb.
-Jahrbüchern 1815 No. 28 bis 30.
-
-
- 7. *Eduard Schrader, Professor des Civilrechts und Obertribunal-Rat
- in Tübingen, Die Prätorischen Edicte der Römer auf unsere
- Verhältnisse übertragen, ein Hauptmittel unser Recht allmälich
- gut und volksmäßig zu bilden, Weimar 1815, 144 S.* (Vgl. unten
- Abt. II, 5.) Für Savigny. (Vgl. oben S. 20.)
-
-Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816 Nr.
-66 (für Thibaut).
-
-
- 8. ~*Carol. Eduard. Morstadt, Dissertatio juridica, qua disquiritur
- num Germanorum jureconsulti novo legum civilium codici condendo
- idonei sint censendi, Heidelbergae 1815, 48 pag.*~
-
-(Der Verfasser war später Professor in Heidelberg, bekannt durch seine
-unselige Lebensführung.)
-
-Für Thibaut.
-
-
- 9. *Anselm Ritter von Feuerbach, Einige Worte über historische
- Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche Gesetzgebung. Eine
- Vorrede. (Aus Borst's Schrift: über die Beweislast besonders
- abgedruckt.) Bamberg und Leipzig 1816, 24 S.* (Vgl. unten Abt. II,
- 5.)
-
-Das Urteil des Kriminalisten *Feuerbach*, des nächst Savigny
-bedeutendsten Juristen der Zeit, ist unten Abt. II, 4 im Zusammenhange
-abgedruckt.
-
-Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816 Nr.
-46 (von *Thibaut*).
-
-
- 10. *Karl Schildener, ordentl. Professor der Rechte in Greifswald,
- Begünstigt die Haupteigenschaft im gesellschaftlichen Character
- der Deutschen die Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs zu
- jetziger Zeit? Rede nach öffentlicher Übernahme des Rektorats der
- Universität am 11. Mai 1815, Greifswaldisches Academisches Archiv,
- 1. Band, Greifswald 1817*, S. 1 bis 28.
-
-Für Thibaut.
-
-
- 11. *Gespräche über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in
- Teutschland. Veranlaßt durch den Streit zwischen A. F. J.
- Thibaut und F. C. v. Savigny und gehalten im Frühjahr 1815. Aus
- den Papieren eines vieljährigen practischen Rechtsgelehrten
- herausgegeben von ~Dr.~ N. Schlichtegroll, München 1818, 80 S.*
-
-Die drei Gespräche sind betitelt: Thibaut, Savigny, Der Freyherr
-(gemeint ist ein Staatsmann, der Vertreter aller vier Fakultäten zur
-Aburteilung des Streites versammelt). Die Entscheidung fällt zu Gunsten
-von Thibaut. Die den Gesprächen angehängte »Übersicht der wichtigsten
-über die Streitfrage: ob ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für
-Teutschland zu wünschen sei, in den letzten vier Jahren erschienenen
-Schriften« ist bei der vorstehenden Zusammenstellung teilweise benutzt
-(Siehe auch die kurze Übersicht bei *Schrader*, a. a. O., S. 3 Anm. und
-namentlich *Savignys* »Stimmen« unten Abt. II, 5).
-
-
- 12. *F. A. Freiherr von Ende, Kgl. Würtbg. Staatsminister, Vermischte
- Juristische Abhandlungen, Hannover 1816, Abhdlg. 24, S. 303
- ff: Ist die Einführung eines allgemeinen Gesetzbuchs für ganz
- Teutschland ausführbar und wünschenswert?*
-
-Das *Dafür* ist so oft vorgetragen, daß eine Wiederholung desselben
-überflüssig wäre.... Ich zweifle sehr, daß ein allgemeines Gesetzbuch
-der Wunsch der teutschen Nation im Ganzen ist, und es je sein wird. --
-Der Verfasser beruft sich zur Begründung der Nachteile auf Möser, der
-vor dem Generalisieren warnte.
-
-
-4. Anselm von Feuerbachs Urteil. 1816.
-
-Aus der von dem Kriminalisten Feuerbach (1775 bis 1833) verfaßten
-Vorrede zu der Schrift des Bamberger Stadtgerichtsassessors Nepomuk
-Borst, Über die Beweislast im Civilprozeß, Bamberg und Leipzig 1816.
-Die Vorrede ist auch gesondert erschienen unter dem Titel: Einige
-Worte über historische Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche
-Gesetzgebung, Bamberg und Leipzig 1816, 24 S. (Wiederabgedruckt in
-Feuerbachs kleinen Schriften vermischten Inhalts, Nürnberg 1833, S.
-133-151.) Vgl. unten Abt. II, 5.
-
- * * * * *
-
-Diesen Zustand der Dinge (gemeint ist der Gegensatz zwischen dem
-Theoretiker mit seiner Kenntnis nur des toten und dem Praktiker
-mit seiner Kenntnis nur des lebenden Rechts) scheint man bey
-Entscheidung des neulichen, vielfach merkwürdigen Streits über das
-Bedürfniß und den Werth einheimisch deutscher Gesetzgebung[G], nicht
-gehörig erwogen zu haben. Bekanntlich wurde unser Zeitalter, --
-nachdem man demselben die Fähigkeit, sein geltendes Recht, gereinigt
-von alterthümlichem Ueberfluß und neuen Mißbräuchen in einem mit
-sich selbst übereinstimmenden Gesetzbuche darzustellen, geradezu
-abgesprochen hatte, -- mit seinen Erwartungen und Wünschen von der
-gesetzgebenden Gewalt hinweg an die Rechtsgelehrten gewiesen, welche
-durch fortgesetzte Bildung des gelehrten Rechts, und zwar nach
-reingeschichtlicher Methode, ausschließend berufen seyen, im Lauf einer
-nicht zu bestimmenden Zeit allem Bedürfnisse abzuhelfen. Das Recht
-werde überall (und dieß ist ganz unbestreitbar) aus dem Geiste des
-Volks gebohren, falle aber, sobald es zu gewissen Jahren und Kräften
-gekommen, den Rechtsgelehrten und der sich selbst überlassenen freyen
-Wissenschaft ausschließend als Pflegkind anheim, wie denn das römische
-Recht nicht durch Gesetzgebung, sondern durch Rechtsgelehrte zu seiner
-Vollkommenheit gediehen sey. Ein deutsches Gesetzbuch (abgesehen, daß
-dasselbe nur als Urkundenbuch unserer Unwissenheit und Geistesarmuth
-dienen werde) könne daher nichts anderes wirken, als die Wissenschaft
-in ihren Schritten aufzuhalten und die Nachkommenschaft wohlthätiger
-Entdeckungen zu berauben.
-
-Ob hinter dem eifrigen Bemühen, womit von einigen der
-ausgezeichnetesten Gelehrten der römischen Schule, dem lauten Nothruf
-nach einem einheimischen Rechtsbuche niederschlagend begegnet wurde,
-nicht insgeheim, diesen würdigen Männern selbst unbewußt, ein
-Argument versteckt liege, demjenigen ähnlich, womit wohl auch schon
-von Kriegsgelehrten die Nothwendigkeit des Kriegs behauptet wurde,
-weil nämlich sonst die Kriegswissenschaft untergehen werde[H]: mag
-ununtersucht bleiben, weil die Entscheidung unerheblich ist. Wie
-die Schlußfolge selbst offen ausgesprochen vorliegt, darf diese
-nur zergliedert werden, und man sieht bald, daß ihre Stärke auf
-einer Vermischung verschiedenartiger Begriffe, Voraussetzungen und
-Bedingungen ruht, wodurch der Schein entsteht, als wenn was von dem
-Einen in Wahrheit gilt, auch von dem Anderen gelte.
-
-Als ein Hauptgrund für das Bedürfniß einer einheimisch deutschen
-Gesetzgebung wurde geltend gemacht, daß die *gesetzliche Grundlage*
-unseres Rechtszustandes aus den ungleichartigsten, mit sich selbst
-streitenden Bestandtheilen zusammengesetzt sey; daß die Bücher, welche
-für uns *Gesetzbücher* geworden, als Rechtsbücher fremder Völker, nach
-fremden Gebräuchen und oft unbekannten oder nicht mehr vorhandenen
-Einrichtungen und Zwecken, in fremden Begriffen wie mit fremden Worten
-zu uns sprechen, und daß das Gebäude des Rechtssystems, welches wir
-das unsrige nennen, zum größten Theil unter dem Schutt einer längst
-untergegangenen Zeit begraben liegt, so daß es der mühseligsten
-Zurüstungen und der fortgesetzten Bemühungen eines Menschenlebens
-bedarf, um den Schutt aufzuräumen, die Trümmern hervorzugraben und
-dann die Bruch-Enden zu errathen, bey denen sie wohl oder übel sich
-wieder zusammenfügen lassen. Ist diese Anschuldigung gegründet (und
-wer vermag sie zu läugnen?) so ist nicht zu verstehen, wie die
-Rechtswissenschaft Gebrechen zu tilgen vermöge, welche die Gesetzgebung
-belasten. Mag die ihrem freyen Gang überlassene Rechtswissenschaft
-graben und wühlen, entdecken und aufklären, zur Wahrscheinlichkeit
-oder Gewißheit bringen, so viel sie wolle, so darf sie den Bann-Kreis
-jener Gesetzbücher nicht überschreiten und ist daher schlechterdings
-unvermögend, einen Zustand, von dem sie selbst bedrückt wird und den
-sie ohne Empörung gegen die eigne Gottheit nicht von sich abschütteln
-kann, zu bessern oder nur um eine Linie breit von der Stelle zu rücken.
-Daß unsere Rechtswissenschaft *Rechtsgelehrsamkeit* und ihrem Wesen
-nach, wenigstens zum allergrößten Theil *historisch-antiquarisch*
-ist, darf niemand verkennen, noch unsern Rechtsgelehrten zum Vorwurf
-anrechnen. Auch wird die geschichtliche Erforschung des Rechts und
-seiner Entwickelung (sogar in *weit mehr umfassender Beziehung*, als
-in welcher dieselbe von unsern reingeschichtlichen Rechtsgelehrten
-dermalen empfohlen und betrieben wird) unter jeder Voraussetzung ein
-nicht nur für den Gesetzgeber unentbehrlicher, sondern für jeden zum
-Höhern gebildeten Geist würdiger Gegenstand des Wissens seyn. Aber daß
-unsre Rechtswissenschaft, *selbst in ihrer unmittelbaren Beziehung
-auf das Leben*, historisch-antiquarisch ist, daß sie dieses nach
-dermaliger Beschaffenheit der Rechtsquellen sein *muß*: das ist eben
-das Uebel, dem nun einmal durch diese geschichtliche Rechtswissenschaft
-selbst eben so wenig abzuhelfen ist, als eine Krankheit durch weitere
-Vervollkommnung eben dieser Krankheit gleichsam aus sich selbst heraus
-geheilt werden mag. Jeder seiner Zeit gemäße Rechtszustand und jede
-denselben darstellende Gesetzgebung ist in so ferne nothwendiger
-Weise geschichtlich, als die Gegenwart immer durch die Vergangenheit,
-der jetzige Zustand durch eine Reihe vorhergehender bestimmt wird.
-Allein das ist das ganz eigenthümliche unsres Rechtszustandes,
-daß die Geschichte des Rechts, welches wir das *unsrige* nennen,
-gleichwohl *nicht* bey *uns* und bis auf *unsre Zeit* herab, sondern
-bey einem fremden untergegangenen Volke bereits vor weit mehr als
-tausend Jahren *abgelaufen* ist; daß man von da nicht *vorwärts*[I],
-sondern an dem dünnen, oft zerreissenden Faden der Geschichte,
-Sprach- und Alterthumskunde wieder um mehr als Ein Jahrtausend forschend
-*rückwärts* gehen muß, um, wenn man klar oder halbklar eingesehen
-was in der ersten Hälfte des VI. Jahrhunderts bey den Römern als
-Recht gegolten habe, nun erst zu wissen, wie unsere Richter im XIX.
-Jahrhundert den Deutschen ihr Recht sprechen sollen.
-
-Es ist nichts unbestrittener als eben dasjenige, worauf von den
-Widersachern eines einheimisch deutschen Gesetzbuchs mit ganz
-besonderem Nachdrucke gedrungen wird, gleichsam als wäre es je von
-Verständigen bestritten worden, nämlich: daß alles auf Entwickelung
-und Darstellung des *volksthümlichen, in das Leben der Nation*
-übergegangenen Rechts ankomme. Das ist nur das Unbegreifliche, wie
-gerade die historische Rechtswissenschaft, welche Alles in Allem
-seyn soll, mit Entwickelung und Bildung dieses lebenden Rechts,
-das unbekümmert um das Gelehrtenwesen und um Entdeckungen in dem
-Alterthum früherer Jahrtausende, seines Weges geht und immer nur
-seine gegenwärtigen Bedürfnisse befragt, -- in irgend einem nahen
-ursächlichen Zusammenhang stehe? Was, wenn auch alle Geister der
-alten Römerwelt aus ihren Gräbern heraufbeschworen würden, um über
-alles klärliche Antwort zu geben und von der Mutter Carmenta bis zu
-Justinian herab die ganze Rechtsgeschichte aufs wahrhafteste im
-bündigsten Zusammenhange zu erzählen, -- was hiedurch so Großes für
-die Verbesserung unseres gegenwärtigen Rechtszustandes gewonnen sey?
-Die Geschichte erklärt, wie Etwas nach und nach *geworden*; *wie*
-und *was* dieses Etwas *sey*, lehrt die Geschichte nicht. Was der
-Geschichte angehört ist schon dem Leben abgestorben. Oder ist etwa
-*das* Recht, welches die geschichtliche Rechtswissenschaft lehrt,
-wirklich das volksthümliche, lebende? -- Was ist bey *uns* wirklich
-Rechtens? was ist von dem Fremden einheimisch geworden? wie hat es
-sich, vermischt mit deutschem Saft und Blute, umgestaltet? in welcher
-Form steht es jetzt da, lebt und wirkt es? Hierüber vermag die
-geschichtliche Rechtswissenschaft entweder keine oder nur abgebrochene
-Antwort zu geben, und in jedem Fall liegt das Orakel, welches hierauf
-antwortet, weit näher, als daß dasselbe erst auf einem Umweg, der durch
-Jahrtausende hindurchgeht, gesucht werden müßte. Abgeschiedene Geister
-kehren leibhaft nimmermehr zurück, und daher wird insbesondere die
-Geschichte des Rechts, werde ihre Erforschung auch noch Jahrhunderte
-fortgesetzt, mehr nicht seyn und bleiben, als eine Zusammenstellung
-größerer oder kleinerer Bruchstücke, welche da und dort aus dem Dunkel
-der Zeiten hervortreten und deren Bedeutung und Zusammenhang oft nicht
-zu erkennen, sondern nur muthmaßlich zu errathen ist. Wenn also das
-Heil unseres Rechtszustandes von der Wiederherstellung eines Gewebes
-abhängt, welches zwar die Zeit gewoben, aber auch, wenigstens für
-unsere Erkenntniß, wieder zerrissen und in alle Winde gestreut hat,
-wehe! dann ist dessen Verbesserung auf die Ewigkeit verschoben.
-
-Was in jener Ansicht am meisten auffällt, ist das Unpassende einer
-Vergleichung zwischen dem alten römischen Recht und unserem heutigen
-römisch-canonisch-deutschen Rechte, besonders die Fehlerhaftigkeit
-des Schlusses von dem was der römische Rechtsgelehrte der Fortbildung
-des römischen Rechtszustandes *war*, auf das was unsere deutschen
-Rechtsgelehrten, wenn man diese nur nicht durch Gesetze in ihren
-Forschungen hemme, dereinst dem deutschen Rechtszustande werden
-*könnten*. Schon die große Verschiedenheit zwischen der römischen
-aristokratisch-demokratischen Verfassung und unsern heutigen
-Monarchien, die eigenthümliche Vollmacht der Magistrate und die
-ausgedehnte Gewalt des Gerichtsbrauchs, der Einfluß auf das Edict
-jener Magistrate und auf diesen Gerichtsbrauch, wodurch der
-römische Rechtsgelehrte mittelbar und zwar unter der Form einer
-höheren Autorität, mithin wirklich *gesetzgebend* (wiewohl nicht
-auf den Comitien, noch in unserer Art Gesetze zu geben) auf den
-Rechtszustand einwirkte: dieses und anderes dergleichen stumpft
-schon gar sehr die Schärfe jener Vergleichung ab. Jedoch hievon
-abgesehen ist einleuchtend, daß der römische Rechtsgelehrte und seine
-Rechtswissenschaft äußerlich und innerlich etwas ganz *anderes*
-war, als *unsre* Rechtsgelehrte und *unsre* Rechtswissenschaft, so
-lange ihre jetzigen Quellen fortdauern, jemals werden können. Der
-römische Rechtsgelehrte saß bekanntlich nicht als Geschichts- und
-Alterthumsforscher hinter alten Denkmälern und Manuscripten, sondern
-auf dem Marktplatz, oder zu Haus unter den Clienten, oder auf dem
-Gerichtsstuhl oder in dessen Nähe; sein Wissen war Erkenntniß aus
-dem Buche des bürgerlichen Lebens, und er hatte weit weniger zu
-lesen und zu lernen als zu beobachten, zu denken, zu urtheilen und
-zu schließen. Aus der Erforschung hetrurischer, altitalischer,
-griechischer Alterthümer sog das römische Recht seine Lebenssäfte
-nicht, obgleich diese Alterthümer dem Römer weit näher lagen als uns
-die seinigen; Alterthumskunde war der Grammatik zugewiesen. Das konnte
-auch wohl geschehen; denn der Römer hatte nicht erst den Rechtsleichnam
-eines vor einem Jahrtausend untergegangenen Volks zu zergliedern, um
-denselben bey sich von neuem künstlich zusammenzusetzen und wieder
-zum Scheinleben aufzuwecken. Wo Er stand und ging war er bey sich zu
-Hause; was Er umfaßte, was Ihn durchdrang, war *seine* Zeit und die
-*Gegenwart* mit ihrem Haben und Bedürfen; was Er erkannte, bearbeitete,
-gestaltete, war *sein* und *seines* Volkes Recht. Und so ward das
-römische Recht nicht durch Geschichte, Alterthumskunde, Kritik und
-Grammatik, als geschichtliche Rechtswissenschaft, sondern durch
-Erfahrung, Philosophie und Logik zur Reife gebracht.
-
-Können die Pfleger der deutschen Rechtsgelehrsamkeit uns die gründliche
-Verheissung geben, eben das und eben so uns zu werden, was und wie es
-der Römer seinem Volke war? Wohlan! dann wollen wir uns des Wunsches
-nach einem einheimischen Gesetzbuche oder (weil man bey deutschen
-Angelegenheiten in der Mehrzahl sprechen muß) nach einheimischen
-*Gesetzbüchern* gern entschlagen. Allein umsonst! Um jenes zu
-werden, müßte erst unsere Rechtswissenschaft aufgehört haben, zu
-seyn was sie ist, -- eine historisch-antiquarische Wissenschaft; und
-damit diese etwas anderes seyn könnte als sie ist, müßten wir erst
-gerade eben dasjenige besitzen, dessen Besitz uns, wie gesagt wird,
-durch fortgesetztes historisch-antiquarisches Forschen entbehrlich
-gemacht werden soll: -- ein einheimisches, den Bedürfnissen der Zeit
-anpassendes, in sich selbst übereinstimmendes, mit gesetzlicher Kraft
-ausgestattetes Rechtsbuch. Ein solches hatte der Römer in seinen XII
-Tafeln, späterhin in seinem Edict. Und eben weil er es hatte, weil sein
-Recht auf einheimischem Boden aus Einer Herzwurzel hervorwuchs, darum
-konnte dieses unter der Jahrhunderte lang fortgesetzten Pflege des
-stets auf die Wirklichkeit hingewendeten philosophischen Geistes und
-logischen Verstandes, zu jenem kräftigen Stamm mit reichen Aesten in
-die Breite und Höhe wachsen.
-
-Als man von einem deutschen Gesetzbuch für deutsche Völker sprach,
-dachte man nicht an ein Werk despotischer Willkühr, welche aus sich
-selbst das Recht erst mache, und dasselbe, wenn es nach Laune fertig
-geworden, dem Volk als Joch über den Hals lege; auch dachte man nicht
-an ein von der Vernunft mit Idealen erzeugtes, auf Wolken gebohrnes
-Götterkind, welches, nachdem es die vergangenen Jahrhunderte aus
-dem Buche der Zeit weggestrichen, kecken Geistes über die Gegenwart
-hinweg in neue noch unerschaffene Jahrhunderte hinüberspringe[J]. Die
-Foderungen waren weder so gemein, noch so überspannt. Man wollte nicht
-mehr, als was die Römer gethan, da sie ihre XII Tafeln verfaßten, mit
-dem einzigen Unterschied, daß nach dem Zustand unserer geselligen und
-geistigen Bildung, und nach der großen Verschiedenheit der Elemente,
-welche auf die Fortbildung unseres Rechtszustandes eingewirkt haben,
-die deutschen Rechte nicht in dem Raum von zwölf römischen Tafeln Platz
-genug finden. Mit einem bloßen *Aufschreiben* des vorhandenen Rechts
-war es aber freylich selbst bey diesen kleinen XII Tafeln auch nicht
-gethan. Waren die Römer, wie aus *Niebuhrs* Forschungen erhellet, durch
-Kasten getrennt, lebten Patrizier und Plebejer nach verschiedenen
-Rechten, vielleicht auch die Plebejer selbst, je nach Verschiedenheit
-ihrer Volksabstammung wieder unter sich nach verschiedenen Volks- und
-Stammsgewohnheiten (wie späterhin die Barbaren in den neugestifteten
-germanischen Reichen); so mußten, nach dem Ausdrucke des *Livius*[K],
-diese Verschiedenheiten gegen einander ausgeglichen, mit einander in
-ein übereinstimmendes Ganze verschmolzen, mithin mußte auf der einen
-Seite weggenommen, auf der andern zugelegt, dort etwas aufgehoben,
-hier etwas beygefügt, dort das Widerstreitende durch ein Drittes
-vermittelt, alles dem gegenwärtigen Zeitbedürfniß mit Weisheit angepaßt
-werden. Daß die Zehnmänner das bürgerliche Recht ohne weiteres nur
-so hingeschrieben haben, wie sie es eben fanden, widerstreitet aller
-Geschichte[L]. Daß ihnen das Volk die gesetzgebende Weisheit zum
-Verbrechen angerechnet, darüber schweigt die Geschichte. Ob die Römer,
-ehe sie ihre Wünsche geltend machten, zuvor noch eine gründliche
-Selbstprüfung über ihre Fähigkeit zu einer Gesetzgebung angestellt
-haben? ob die Unbehülflichkeit ihrer Sprache und die Aussicht auf eine
-erst künftige Veredlung derselben, als ein Zweifelsgrund gegen das
-Unternehmen auch bey ihnen[M] angeführt worden ist? ob die verstockten
-Patrizier das dringende Begehren des Volks unter anderem auch damit
-abzulehnen versuchten, daß sie ihm vorgestellt: -- all ihr Klagen
-und Verlangen beruhe auf einem Mißverstande, wenn sie von Gesetzen
-foderten, was die Rechtswissenschaft allein nach Jahrhunderten ohnehin
-schon leisten werde; man möge den Rechtsgelehrten in ihrer Mitte nur
-Zeit lassen, die heiligen Rechtsbücher der Etrusker, die Alterthümer
-der Lateiner, Oenotrer, Sabeller, Sikuler und, weil offenbar viel
-Griechisches eingedrungen, die Rechtsgeschichte der Griechen durch
-Großgriechenland hindurch nach Athen hinüber und von da, wo möglich,
-bis in die Zeiten von Kekrops hinauf mit der Fackel der Kritik und
-Geschichte beleuchtend zu verfolgen; dann werde alles von selbst sich
-machen: -- ob dieses oder ähnliches gesagt worden? darüber schweigt
-ebenfalls die Geschichte. Was aber, wenn es gesagt worden wäre, der
-kerngesunde Römerverstand würde erwiedert haben, ist zu errathen nicht
-schwer.
-
-
-5. Savignys Nachträge zu seiner Schrift. 1828.
-
-
-Vorrede der zweyten Ausgabe.
-
-Die erste Ausgabe der gegenwärtigen Schrift erschien im J. 1814,
-zu einer Zeit, welche jedem, der sie mit vollem Bewußtseyn erlebt
-hat, unvergeßlich seyn muß. Jahre hindurch waren die Bande, welche
-unser Deutsches Vaterland an fremde Willkühr knüpften, immer fester
-angezogen worden, und es war deutlich einzusehen, daß unser Schicksal,
-wenn die Absichten des Unterdrückers zur vollen Ausführung kamen,
-mit der Vernichtung unsrer Nationalität enden mußte. Die großen
-Schicksale, durch welche die fremde Herrschaft zertrümmert wurde,
-wendeten dieses herbe Loos von unsrem Vaterland ab, und das Gefühl
-dankbarer Freude, welches damals durch die Befreyung von der größten
-aller Gefahren allgemein erregt wurde, sollte wohl bey Allen als
-eine heilige Erinnerung bewahrt werden. Damals war es wieder möglich
-geworden, über öffentliche Dinge nach freyer Überzeugung öffentlich
-zu reden, und der durch die ganze durchlebte[[IV]] Zeit überall
-aufgeregte Sinn machte dieses Geschäft anziehender und dankbarer,
-als es in gewöhnlichen Zeiten zu seyn pflegt. So trat damals ein
-ausgezeichneter Rechtsgelehrter mit dem Vorschlag auf, ein gemeinsames
-bürgerliches Gesetzbuch für Deutschland abzufassen, und dadurch die
-politisch so wichtige Einheit der Deutschen, zugleich aber auch
-die Rechtspflege und die Rechtswissenschaft zu fördern. Von dem
-Congreß, der eben damals in Wien zusammentrat, erwartete man, er
-werde wohl auf solche patriotische Vorschläge einzugehen geneigt
-seyn. Dieses waren die äußeren Umstände, welche mich bewogen, in
-der gegenwärtigen Schrift auch meine Stimme über die wichtige Sache
-abzugeben. Diese Veranlassung, so wie die lebhaft erregte Zeit worin
-die Schrift erschien, sind darin unverkennbar, und hätte ich erst
-jetzt über diese Frage zu reden gehabt, so würde es ohne Zweifel in
-sehr verschiedener Weise geschehen seyn, obgleich in der Sache selbst
-meine Überzeugungen nicht nur dieselben geblieben sind, sondern sich
-auch durch fortgesetztes Nachdenken und manche nicht unbedeutende
-Erfahrungen noch mehr begründet haben. Es konnte daher in Frage kommen,
-diese Schrift durch Änderungen und Zusätze in eine solche Gestalt zu
-bringen, worin sie etwa jetzt hätte erscheinen können. Allein bey
-diesem Verfahren war keine Gränze zu finden, ja es hätte eigentlich auf
-die gänzliche Vernichtung der früheren Schrift, und die Abfassung einer
-neuen geführt. Deshalb habe ich einen völlig unveränderten Abdruck, wie
-er gegenwärtig erfolgt, für zweckmäßiger gehalten. Über[[V]] einige
-Stellen jedoch finde ich hier eine besondere Erklärung nöthig.
-
-S. 48 ist die Rede von der nicht glücklichen Bearbeitung der
-Rechtswissenschaft im achtzehnten Jahrhundert, und es wird dabey auch
-die ungünstige Einwirkung eines vielfältigen flachen Bestrebens in der
-Philosophie erwähnt. Diese Stelle haben Manche als ein absprechendes
-Urtheil über philosophische Bestrebungen in der Rechtswissenschaft
-überhaupt verstanden. Mir unbegreiflich; denn nach dem ganzen
-Zusammenhang war lediglich die Rede theils von der unglücklichen
-Anwendung Wolfischer Philosophie auf die Rechtswissenschaft, theils von
-der Einwirkung der späteren Popularphilosophen. Diese Bestrebungen aber
-dürften auch wohl gegenwärtig kaum Anhänger und Vertheidiger finden.
-
-Im siebenten Abschnitt ist ein sehr ungünstiges Urtheil über die
-Französischen Juristen der neuesten Zeiten niedergelegt. Nun sind zwar
-die einzelnen dort zusammengestellten Thatsachen ganz richtig, und
-auch an dem Tadel derselben läßt sich nicht füglich Etwas mindern:
-dennoch ist das darauf gebaute Totalurtheil völlig einseitig und
-ungerecht, indem Eine höchst achtbare Seite der juristischen Literatur
-unsrer Nachbaren mit Stillschweigen übergangen wird. Die Ursache
-dieser Einseitigkeit lag theils in der aufgeregten Stimmung gegen
-diese Nachbaren, die in jenem Zeitpunkt so natürlich war, theils in
-meiner unvollständigen Kenntniß ihrer Literatur, und ich benutze
-gerne diese Gelegenheit, jenes zugefügte Unrecht durch ein offenes
-Bekenntniß[[VI]] gut zu machen[132]. Die Sache ist nämlich die, daß
-allerdings die gelehrte Seite der Rechtswissenschaft, und die mit ihr
-zusammenhängenden Kenntnisse, seit langer Zeit in Frankreich sehr
-vernachlässigt waren, obgleich auch hierin eine Anzahl jüngerer Männer
-in den neuesten Zeiten rühmlichen Eifer an den Tag gelegt haben[133].
-Dagegen hat bey ihnen die praktische Rechtswissenschaft einen hohen
-Grad von Bildung erlangt und behauptet, und der darauf gegründete
-Theil ihrer Literatur verdient die größte Achtung, und könnte mit
-wesentlichem Vortheil von uns benutzt werden. So zum Beispiel
-enthalten die Schriften von Merlin, sowohl das ~Répertoire~, als die
-~Questions~ wahre Muster gründlicher, scharfsinniger, geschmackvoller
-Behandlung von Rechtsfällen, und unsre praktisch-juristische Literatur
-steht hierin der Französischen bey Weitem nach. Der Grund dieser
-ihrer Trefflichkeit, neben den oben erwähnten Mängeln, liegt theils
-in dem praktischen Geschick der Nation, theils in den Formen ihres
-Prozesses, welche dem ausgezeichneten Talent Spielraum und Reiz in
-hohem Grad gewähren, anstatt daß bey uns Richter und Sachwalter
-ihr Geschäft in wenig anregender Unbemerktheit betreiben. Dagegen
-bin ich weit entfernt, dem Code an diesen Vorzügen den geringsten
-Antheil zuzuschreiben, und was sie Gutes haben,[[VII]] das haben sie
-*ungeachtet* des Code, nicht *durch* denselben. Alles also, was gegen
-diesen in meiner Schrift gesagt ist, muß ich noch jetzt für wahr
-erklären. Und eben so das nachtheilige Urtheil über ihre Rechtsschulen,
-deren Einrichtung gewiß jede freye Entwicklung der Rechtswissenschaft
-in Frankreich hemmt. Ich sage dieses um so zuversichtlicher, als mir
-dieses Urtheil durch die Stimme sehr achtbarer und einsichtsvoller
-Franzosen bestätigt worden ist[134].
-
-S. 138. Was hier von Blondeau's Darstellungsart des Römischen Rechts
-erzählt wird, scheint, nach späteren Nachrichten, auf einem bloßen
-Misverständniß zu beruhen. -- S. 144-146. Was hier über das juristische
-Studium auf Preussischen Universitäten gesagt ist, hat sich seit jener
-Zeit einigermaßen geändert. Über das Landrecht sind seit mehreren
-Jahren Vorlesungen gehalten worden, auch von mir selbst, wobey ich die
-handschriftlichen Materialien des Landrechts habe benutzen können.
-Sogar ist neuerlich der Besuch solcher Vorlesungen, jedoch ohne Abbruch
-der gelehrten Rechtsstudien, als nothwendig vorgeschrieben worden,
-und schon das erste Examen wird jetzt mit darauf gerichtet. Dann hat
-neuerlich der gegenwärtige Herr Justizminister die Benutzung der
-Materialien zur öffentlichen Mittheilung gestattet[[VIII]], einige
-ausgezeichnete Rechtsgelehrte sind jetzt damit beschäftigt, und so wird
-der von mir S. 94 ausgesprochene lebhafte Wunsch auf die erfreulichste
-Weise in Erfüllung gehen.
-
-S. 153. Hier ist der Wunsch ausgesprochen, daß die Hemmungen des
-Verkehrs zwischen den Universitäten verschiedener Deutscher Länder
-weggeräumt werden möchten. Es ist bekannt, daß seitdem, und ganz
-neuerlich von der Bairischen Regierung, sehr Vieles für diesen
-wichtigen Zweck gethan worden ist.
-
-In der gegenwärtigen Ausgabe hat meine Schrift zwey Beylagen erhalten.
-
-Die erste Beylage ist eigentlich eine Fortsetzung der Schrift selbst,
-und gehört also wesentlich an diese Stelle. Dasselbe zwar könnte man
-auch noch von einer andern Abhandlung in der Zeitschrift sagen, von der
-Recension über Gönner, B. 1. Nr. 17. Allein diese Abhandlung mußte,
-nach der Art, wie sie veranlaßt wurde, großentheils den Charakter
-einer persönlichen Polemik annehmen, und so wenig ich hiervon, auch
-bey der ruhigsten Betrachtung, Etwas als ungerecht zurückzunehmen
-Ursache finde, so fühle ich doch auch keine Neigung, diesen durch
-zufällige Umstände herbeygeführten Streit nach Ablauf vieler Jahre,
-und nach dem Tode des Gegners, durch neuen Abdruck aufzufrischen.
-Allerdings betrifft Vieles auch in dieser Recension das Allgemeine des
-damaligen Streits; demjenigen aber, welcher vollständige Akten liebt,
-bleibt es ja unbenommen, sie in der Zeitschrift selbst aufzusuchen.
--- In dieser ersten Beylage ist nur Eine Stelle, worüber ich jetzt
-Etwas hinzuzusetzen finde; es ist[[IX]] die Stelle S. 166, worin ich
-gegen den oberflächlichen Gebrauch der Universalrechtsgeschichte
-gewarnt habe. Diese Stelle ist mitunter so gedeutet worden, als ob
-ich die Universalrechtsgeschichte überhaupt verwerfen wollte. Wer
-sie jedoch mit unbefangener Wahrheitsliebe lesen will, der muß ein
-solches Mißverständniß ganz unbegreiflich finden. Auch weiß ich in der
-That kein neues Wort hinzuzusetzen, um mich gegen diese Misdeutung zu
-verwahren.
-
-Die zweyte Beylage enthält das Urtheil eines französischen Gerichtshofs
-über den Entwurf zum Code, welches in meiner Schrift S. 80 angeführt
-und gerühmt ist. Ich habe es jetzt abdrucken lassen, weil die
-französische Sammlung worin es bekannt gemacht wurde, gewiß nur dem
-kleineren Theil meiner Leser zugänglich ist.
-
-
-Erste Beylage.
-
-Stimmen für und wider neue Gesetzbücher.
-
-Von *Savigny*.
-
- (Abgedruckt aus der Zeitschrift für geschichtliche
- Rechtswissenschaft, herausgegeben von *F. C. von Savigny*, *C. F.
- Eichhorn* und *J. F. L. Göschen*. B. 3. Heft 1. Berlin 1816. 8. S.
- 1-52.)
-
-[[163]] Wird ein wissenschaftlicher Streit lebhaft und mit
-allgemeinerer Theilnahme geführt, so pflegt er neben großen Vortheilen
-auch nicht geringe Gefahren mit sich zu führen. Daß jede Meynung im
-Angesicht bestimmter Gegner vollständiger ausgebildet und fester
-begründet wird, ist gewiß der Wahrheit förderlich, aber gar leicht
-verliert der Streitende die Unbefangenheit, die allein der eigenen
-und der fremden Meynung in allen Theilen und Wendungen Gerechtigkeit
-wiederfahren lassen kann. So geschieht es, daß oft in demselben Maaße,
-in welchem die Gegenstände selbst deutlicher werden, die Sehkraft
-gerade derjenigen getrübt wird, von welchen die Meynung der übrigen
-geleitet und bestimmt werden soll.
-
-Diese guten und schlimmen Folgen mögen auch bey dem Streite eingetreten
-seyn, der seit einigen Jahren über die Frage geführt worden ist,
-wie unsere deutschen Staaten das bürgerliche Recht zweckmäßig zu
-behandeln haben. Was ist dabey nun aber zu thun? Sollen wir schweigen,
-damit die Leidenschaften sich legen, schweigen, bis wieder alles
-gleichgültig über die Sache geworden ist? Mit nichten. Aber sorgfältig
-bedenken sollen wir jene vorhin erwähnte Gefahr, und strenge seyn
-gegen uns selbst und gegen andere. Denn in der eigenen, wie in der
-entgegengesetzten Meynung, läßt sich wohl unterscheiden, was zu ihr
-nach ihrer Natur gehört, von dem was Parteylichkeit hinzugefügt hat.
-Überall, wo eine Schwäche der eigenen Meynung oder eine Stärke der
-fremden umgangen oder verschwiegen wird, da ist es nicht mehr die
-Meynung, welche redet oder verschweigt, sondern die Parteylichkeit,
-und so bewußtlos wir auch seyn mögen bey dem Spiel, welches diese
-Parteylichkeit mit uns treibt, so ist doch das Spiel selbst immer
-verwerflich, und wir thun wohl, ihm überall nachzuspüren, in uns selbst
-wie in unsern Gegnern.
-
-[[164]] Dieses Vorwort sollte den Gesichtspunct angeben, von welchem
-der folgende Aufsatz angesehen zu werden wünscht. Es soll in diesem
-Aufsatz eine Übersicht gegeben werden über die verschiedenen Meynungen
-und Äußerungen, die seit der Erscheinung meiner Schrift (1814) über
-die Sache laut geworden sind, wobey ich mich aber weder zu absoluter
-Vollständigkeit, noch zu strenger chronologischer Folge anheischig
-mache.
-
-
-~A.~ Stimmen *für* neue Gesetzbücher[135].
-
-
-1. Thibaut.
-
- Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
- Deutschland, zweyte Ausgabe, in: Civilistische Abhandlungen.
- Heidelberg 1814. 8. Seite 404 fg.
-
- Heidelbergische Jahrbücher
-
- 1814 S. 929 fg.
- 1815 S. 625 fg. S. 657 fg
- 1816 S. 193 fg.
-
-Daß die früheren Behauptungen des Vfs. von der wünschenswerthen
-Einheit des Rechts durch ganz Deutschland, von der Nothwendigkeit
-neuer Gesetzbücher u. s. w. hier wiederholt und bekräftigt werden,
-versteht sich von selbst. Auch sollen hier nur diejenigen Äußerungen
-herausgehoben werden, die entweder selbst neu sind, oder doch zu neuen
-Entwicklungen Gelegenheit geben können.
-
-So wird hier gegen die Meynung gestritten, nach welcher das Recht
-eine unveränderliche, unbewegliche Natur haben solle: das Recht, wird
-gesagt, sey vielmehr zu allen Zeiten veränderlich gewesen, und es
-sey verderblich, dasselbe jetzt fest bannen zu wollen[136]. Allein
-Unbeweglichkeit des Rechts ist in der That niemals behauptet worden.
-Auch der menschliche Leib ist nicht unveränderlich, sondern wächst und
-entwickelt sich unaufhörlich; und so betrachte ich das Recht jedes
-Volkes, wie ein Glied an dem Leibe desselben, nur nicht wie ein Kleid,
-das willkührlich gemacht worden ist, und eben so willkührlich abgelegt
-und gegen ein anderes vertauscht werden kann.
-
-Eine neue auffallende Aussicht eröffnet der Vf. der Rechtsgeschichte.
-Sobald wir nur einmal von der Noth des gemeinen Rechts befreyt wären,
-würde nach seiner Meynung die[[165]] Rechtsgeschichte, nicht mehr auf
-ein einzelnes Volk beschränkt, alle Völker umfassen können. »Denn
-das ist nicht die wahre belebende Rechtsgeschichte (sagt er), welche
-mit gefesseltem Blick auf der Geschichte Eines Volkes ruht, aus
-dieser alle Kleinigkeiten herauspflückt, und mit ihrer Mikrologie der
-Dissertation eines großen Praktikers über das: ~et cetera~ gleicht.
-Wie man den Europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig
-berührt, und ihr Innerstes umgekehrt wissen wollen, den Rath geben
-sollte, nur außer Europa ihr Heil zu versuchen: so sollten auch unsre
-Rechtsgeschichten, um wahrhaft pragmatisch zu werden, groß und kräftig
-die Gesetzgebungen aller andern alten und neuen Völker umfassen.
-Zehn geistvolle Vorlesungen über die Rechtsverfassung der Perser
-und Chinesen würden in unsern Studierenden mehr wahren juristischen
-Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereyen, denen
-die Intestaterbfolge von Augustus bis Justinianus unterlag«[137].
-Ausführlicher ist diese Forderung einer Universalrechtsgeschichte
-schon früher von *Feuerbach* ausgesprochen worden[138]. Etwas Wahres
-liegt in dieser Ansicht, aber so dargestellt, wie es von *Feuerbach*
-und noch mehr von *Thibaut* geschehen ist, muß es zu argem Irrthum
-verleiten. Zuvörderst ist keine Verwechslung verderblicher, als die
-der Mikrologie mit specieller Detailkenntniß. Mikrologie nämlich muß
-jeder vernünftige Mensch gering schätzen, aber genaue und strenge
-Detailkenntniß ist in aller Geschichte so wenig entbehrlich, daß sie
-vielmehr das einzige ist, was der Geschichte ihren Werth sichern kann.
-Eine Rechtsgeschichte, die nicht auf dieser gründlichen Erforschung des
-Einzelnen beruht, kann unter dem Namen großer und kräftiger Ansichten
-nichts anderes geben, als ein allgemeines und flaches Räsonnement
-über halbwahre Thatsachen, und ein solches Verfahren halte ich für
-so leer und fruchtlos, daß ich daneben einer ganz rohen Empirie den
-Vorzug einräume. Daraus folgt, daß wenigstens der Römischen und
-Deutschen Rechtsgeschichte die Zeit und Kraft nicht würde abgespart
-werden können, welche auf das Persische und Chinesische Recht zu
-verwenden wäre. Außerdem aber ist wohl zu bedenken, daß es für das
-Recht der allermeisten Völker und Zeiten an allem irgend brauchbaren
-geschichtlichen Material fehlen muß. Wir können im allgemeinen gute
-Nachrichten von dem Zustand eines Volkes haben, während wir über die
-Verfassung und das bürgerliche Recht desselben wenig wahres wissen:
-denn diese Gegenstände fordern einen geübten Blick, und wer sie[[166]]
-ohne diesen darzustellen unternimmt, der wird meist das eigentlich
-wahre und lehrreiche übersehen, wie wir dieses gar nicht blos an
-Reisebeschreibern gewahr werden, sondern selbst an einheimischen
-Geschichtschreibern, die aus Mangel an eigener Sachkenntnis den Leser
-oft mehr verwirren als belehren. Endlich muß ich besonders gegen
-die Unparteylichkeit protestiren, womit die Rechtsgeschichte aller
-Völker als ungefähr gleich interessant und lehrreich dargestellt wird.
-Abgesehen davon, daß hier eben so wie in andern Dingen die Virtuosität
-mancher Völker einen nicht geringen Unterschied macht, wie denn z. B.
-die Betrachtung Griechischer Kunstwerke den Kunstsinn mehr entwickeln
-wird, als die der Chinesischen -- davon abgesehen, ist ein anderer
-Unterschied ganz entscheidend. Auch hierin kommt nämlich alles auf
-die Grundfrage an, ob (wie ich glaube) das Recht, welches mit einer
-Nation geboren ist, und eben so das ursprünglich fremde, was aber
-viele Jahrhunderte in ihr gelebt hat, ein Stück ihres eigenen Wesens
-geworden ist, oder ob (nach der Lehre der Gegner) jeder Augenblick
-fragen kann und darf, welches Recht im nächsten Augenblick gelten
-solle, so daß bey dieser Überlegung die Gesetzbücher aller Zeiten und
-Völker zu gleichmäßiger beliebiger Auswahl vor uns ausgebreitet liegen
-sollen. Von meinem Standpunct aus würde demnach der Rechtsgeschichte
-verschiedener Völker eine sehr ungleiche Wichtigkeit zugeschrieben
-werden müssen. Das wichtigste nämlich ist und bleibt die Geschichte der
-uns angehörigen Rechte, d. h. der Germanischen Rechte, des Römischen
-und des Canonischen Rechts: wobey jedoch zu bedenken ist, daß das
-Germanische Recht wissenschaftlich keinesweges auf das in Deutschland
-geltende zu beschränken ist, sondern vielmehr alle Germanische Stämme
-umfaßt. Die Rechte der ganz fremden Nationen aber haben wieder ein
-sehr ungleichartiges Interesse für uns, je nachdem der Zustand
-dieser Völker mit dem unsrigen mehr oder weniger Verwandtschaft hat,
-so daß uns deshalb das Recht aller christlich Europäischen Nationen
-von nicht Germanischem Stamme, dieser fremden Abstammung ungeachtet,
-viel näher angeht, als die Rechte orientalischer Völker. *Es versteht
-sich aber von selbst, daß hier blos von einem verschiedenen Grad des
-Interesse die Rede ist, und daß schlechthin keine Kenntniß dieser
-Art, wenn sie nur eine wirkliche Kenntniß ist, gering geachtet
-werden soll.* Sind diese Ansichten richtig, so folgt daraus, daß in
-unsrer Art, die Rechtsgeschichte zu behandeln, ein sehr fühlbarer
-Mangel allerdings statt findet, indem das Recht der verschiedenen
-Europäischen Nationen, besonders derjenigen, welche Germanischer
-Abkunft sind, nicht vernachlässigt werden sollte. Denn erstens ist,
-dieses zu lebendiger, fruchtbarer Kenntniß zu bringen, möglich, und
-zweytens liegt es unserm eigenen[[167]] Rechtszustand so nahe, daß
-dieser nur in Verbindung damit allseitig erkannt werden kann. Es wäre
-zu wünschen, daß selbst auf unsern Universitäten die Gelegenheit zu
-solchen Vorlesungen nicht fehlen möchte, und daß junge tüchtige Männer
-von den Regierungen dazu ausersehen und unterstützt würden. Eine
-unerläßliche Forderung aber müßte seyn, daß solche Männer nicht blos
-durch gründliches Quellenstudium, sondern zugleich durch den Aufenthalt
-in England, Dänemark, Schweden u. s. w. sich gebildet hätten, wodurch
-allein ihre Kenntniß Leben und Anschaulichkeit gewinnen könnte. Wie
-viel bey dieser Erweiterung der Rechtsgeschichte auch die allgemeine
-Völkergeschichte gewinnen müßte, ist einleuchtend: aber auch Thibaut,
-und wer sonst von der Gesetzgebung alles Heil erwartet, müßte in diesen
-Wunsch einstimmen. Denn auch für die Gesetzgebung würde es gewiß ein
-wesentlicher Vortheil seyn, wenn Männer daran arbeiteten, die ihren
-Gesichtskreis durch so vielseitige Rechtsanschauung erweitert hätten.
-
-Mehrmals hat Thibaut aufmerksam darauf gemacht, daß die Masse, die wir
-zu bearbeiten haben, stets anwächst, und daß es also immer schwerer,
-ja dem Einzelnen unmöglich werde, diese Masse, sowohl was die Quellen,
-als was die Literatur betrifft, vollständig zu verarbeiten[139]. Diese
-Klage ist gegründet, und jeder, der gewissenhaft arbeitet, wird sich
-oft durch diesen Zustand gedrückt fühlen. Aber wie war es möglich, zu
-übersehen, daß dieser Zustand gerade auch die gründliche Abfassung
-neuer Gesetzbücher hemmt, also ein sehr wichtiger Grund gegen Thibauts
-Aufforderung zu einem allgemeinen Gesetzbuche ist? Wir können uns doch
-nicht anmaaßen, in einem Fache, das sich so ins Einzelne ausgebildet
-hat, wie das bürgerliche Recht, alles durch gute Einfälle vortrefflich
-entscheiden zu wollen, wir können des guten Rathes der Zeitgenossen
-und der Vorfahren doch nicht entbehren, was auch Thibauts Meynung gar
-nicht ist. Bey jenem Zustand der Quellen und der Literatur aber kann
-es gar leicht kommen, daß uns in gar vielen Stücken die einzig rechte,
-längst gefundene Ansicht (die gar nicht immer die herrschende oder
-bekannteste ist) entgieng, nicht weil wir ihre Richtigkeit verkannten,
-sondern lediglich weil sie uns der Zufall nicht vor die Augen führte.
-Wollen wir aufrichtig seyn, so müssen wir gestehen, daß der oben
-bemerkte Zustand keiner der beyden Meynungen ein neues Gewicht giebt,
-weil er für beide gleich unbequem und hinderlich ist. Darum scheint
-es räthlich, dabey unsern Streit zu vergessen, und uns brüderlich zu
-berathen, wie dem Übel abzuhelfen seyn möchte, das wir nicht[[168]]
-hervorgebracht und nicht zu verantworten haben. Ich werde am Schlusse
-dieses Aufsatzes meine Gedanken hierüber mittheilen.
-
-Manche neue Äußerungen Thibauts verdienen wieder ungetheilten Beyfall.
-So diese Stelle: »Betrieben unsre Deutschen Regenten die Sache wieder
-kümmerlich, wie früher so manche andre wichtige Staatsangelegenheit,
-so würde ich gern der Erste seyn, um das neue Werk mit einer rüstigen
-Strafrede anzufallen«[140]. Eben so der Wunsch, daß in Ermanglung eines
-allgemeinen Deutschen Gesetzbuches doch lieber von mehrern Staaten
-gemeinschaftlich, als von jedem einzeln, ein Gesetzbuch gemacht werden
-möchte. »Nicht allein der bürgerliche Verkehr macht dies im höchsten
-Grade räthlich, sondern auch der Umstand, daß selten ein einzelnes
-Deutsches Land im Stande ist, ein vollendetes bürgerliches Recht durch
-die Kräfte seiner eignen Rechtsgelehrten zu schaffen«[141].
-
-Etwas deutlicher, als früher, erklärt sich jetzt Thibaut über die
-Art, wie er sich die collegialische Mitwirkung bey Abfassung eines
-Gesetzbuchs denkt: es soll nämlich über einzelne, vorgelegte Fragen
-votirt werden[142]. Dieses ist allerdings sehr begreiflich, aber auf
-diese Weise entsteht kein Buch. Die Hauptsache ist und bleibt die
-Redaction des Ganzen, und diese würde doch immer einem Einzelnen anheim
-fallen müssen, obgleich sie nachher von Andern geprüft und verbessert
-werden könnte.
-
-Thibaut vermuthet, es werde in Deutschland kein allgemeines
-Gesetzbuch zu Stande kommen, vielmehr werde jedes Land sein eigenes
-Particularrecht bekommen (welches freylich der traurigste Erfolg
-seyn würde). »Damit ist denn« fügt er hinzu »natürlich auch die
-Rechtswissenschaft zu Grunde gerichtet, und man wird dann den Freunden
-der Wissenschaft, welche jetzt für das Alte kämpfen, auch wieder sagen
-können, was man so oft sagen muß: Gott bewahre uns nur vor unsern
-Freunden«[143]. Das klingt beynahe so, als ob die Stimmen, welche gegen
-ein allgemeines Gesetzbuch sich erhoben haben, die Abfassung desselben
-gehindert und dagegen eine Geneigtheit für besondere Gesetzbücher
-hervorgebracht hätten. Doch mag dieses blos im Ausdruck liegen, denn
-im Ernst wird niemand behaupten, daß ohne jene Stimmen ein allgemeines
-Gesetzbuch wahrscheinlich zu Stande gekommen wäre. Das Streben mancher
-Regierungen, alles gemeinsame von sich abzuhalten, ist schwerlich durch
-jene Schriften erzeugt worden,[[169]] ja wenn diese Schriften wirklich
-hätten zu ihrer Kenntniß kommen und ihren Beyfall erhalten können, was
-sehr zu bezweifeln ist, so würde ihre Wirkung gerade darin bestanden
-haben, das willkührliche Fixiren von Particularrechten der einzelnen
-Staaten vor allem andern zu verhindern.
-
-
-2. Feuerbach.
-
- Vorrede zu: *Nepomuk Borst*, die Beweislast im Civilprozeß. Bamberg
- und Leipzig. 1816. 8.
-
-Die Entscheidung oder Vermittlung des Streits, sagt F., solle in
-diesen wenigen Worten nicht versucht werden; allein er halte es für
-recht und gut, daß in einer solchen Sache jeder seine Gesinnung
-öffentlich ausspreche[144]: welcher Äußerung gewiß jeder Unbefangene
-vollen Beyfall geben wird. Darin ist F. mit mir einverstanden, ja er
-hält es für etwas nie bestrittenes, »daß alles auf Entwickelung und
-Darstellung des volksthümlichen, in das Leben der Nation übergegangenen
-Rechts ankomme« (S. XVI.). Nur findet er es unbegreiflich, was die
-*Geschichte* mit der Erforschung dieses gegebenen, im Volk lebenden
-Rechtes zu thun habe. »Die Geschichte erklärt, wie Etwas nach und nach
-*geworden*; *wie* und *was* dieses Etwas *sey*, lehrt die Geschichte
-nicht. Was der Geschichte angehört, ist schon dem Leben abgestorben«
-u. s. w. (S. XVII.). Diese Ansicht der Geschichte ist sehr befremdend.
-Ist es denn möglich, die Gegenwart eines organischen Zustandes anders
-zu begreifen, als in Verbindung mit seiner Vergangenheit, d. h. anders,
-als auf genetische Weise? Ein trefflicher Schriftsteller drückt dieses
-also aus: »Aus demjenigen, was einst als Recht *gegolten hat*, ist
-hervorgegangen das jetzt geltende Recht, und dieses ist nur darum das,
-was es ist und wie es ist, weil das Alte, indem es *veraltete*, das
-Neue geboren hat. In der Vergangenheit von Jahrtausenden liegt der Keim
-zu der Gesetzgebung, der wir jetzo dienen. Der Keim mußte verwesen,
-damit die Frucht entstände: kann ich aber das Daseyn der Frucht
-begreifen, ohne von ihrem Seyn zu ihrem Werden und von ihrem Werden
-zum letzten Grund ihres Werdens zurückzugehen? Nur der Geisterpöbel
-steht gaffend vor dem, was ist, und sieht nichts weiter und will nichts
-weiter sehen, als daß es ist: aber das *wie?* und das *warum?* hat
-jeder Geist von besserer Art sich vorbehalten«[145].
-
-Offenbar liegt jener neuesten Äußerung Feuerbachs dieselbe Verwechslung
-zum Grunde, die auch schon bey andern Schriftstellern vorgekommen ist:
-die Verwechslung nämlich der[[170]] geschichtlichen Ansicht des Rechts
-mit einer besondern Vorliebe für das Alterthümliche vor der Gegenwart,
-oder gar des Römischen vor dem Vaterländischen.
-
-Zuletzt werden die Gegner der Gesetzbücher durch das Beyspiel der
-Römer beschämt, die durch gesunden Verstand geleitet, ihre zwölf
-Tafeln niedergeschrieben hätten, ohne sich durch die Bedenklichkeiten
-stören zu lassen, die jetzt den neuen Gesetzbüchern entgegengestellt
-würden (S. XXII-XXVI). Hält man damit zusammen, was vorher (S. VI-X)
-über das unpraktische unsrer theoretischen Juristen gesagt wird, so
-sollte man denken, der ganze Streit werde geführt zwischen Praktikern,
-die Gesetzbücher verlangten, und Theoretikern, die aus unpraktischem
-Sinn sie verweigerten. Aber das ist eben unser Unglück, daß uns die
-wahren Praktiker fehlen, indem unsre Praktiker größtentheils doch
-wieder nichts sind, als Theoretiker, die nur meist auf halbem Wege
-stehen geblieben sind. Darin eben war es zur Zeit der zwölf Tafeln
-ganz anders, indem damals niemand das Recht niederschrieb, als wer die
-anschaulichste, lebendigste Kenntniß davon hatte, und indem nicht mehr
-niedergeschrieben wurde, als was Gegenstand unmittelbarer Anschauung
-und Erfahrung seyn konnte. Aber wie wir jetzt stehen, können wir kein
-Gesetzbuch machen, das etwas anderes wäre, als eine wissenschaftliche
-Arbeit, so daß unsere Gesetzbücher im günstigsten Fall von den
-eigenthümlichen Gebrechen unsres in Abstractionen lebenden Zeitalters
-nicht werden frey bleiben können. Darum scheint es denn in der That
-nicht ganz passend, sich auf die zwölf Tafeln zu berufen, wenn die
-Räthlichkeit neuer Gesetzbücher durch Beyspiele aus der Vergangenheit
-ausgemittelt werden soll. Soll dieser Weg eingeschlagen werden, so ist
-es offenbar passender, das Beyspiel aus einem dem unsrigen verwandten
-Zustand herzunehmen. Ich wähle dazu das Bairische Criminalgesetzbuch
-vom J. 1813[146].
-
-Nachdem zu diesem Gesetzbuch eine große Menge von Materialien aller
-Art gesammelt, auch ein erster Versuch mislungen war, wurde im J. 1804
-*Feuerbach* mit dieser Arbeit beauftragt. Der von demselben abgefaßte
-Entwurf wurde zuerst von einer eigenen Gesetzcommission, dann von einer
-Commission des geheimen Raths, endlich von dem versammelten geheimen
-Rathe geprüft und verbessert, und so nach neun Jahren das Resultat
-dieser vielseitigen ernstlichen Bemühungen zum Gesetzbuch erhoben[147].
-Es war also gewiß nichts[[171]] versäumt worden, was dem wichtigen
-Werk die höchste Vollendung geben konnte, weder in der wiederholten
-sorgfältigen Prüfung, noch in der Abfassung des Entwurfs, indem diese
-dem Manne aufgetragen war, der in seinem Fache geradezu den ersten
-Ruf genoß, einen Ruf, wie er im Civilrecht keinem einzelnen unter
-den jetzt lebenden Gelehrten zu Theil geworden ist. Wir haben keine
-genaue Nachricht von dem Verfahren bey Abfassung der zwölf Tafeln,
-aber wir können mit Sicherheit annehmen, daß so viel Vorsicht dabey
-nicht angewendet worden ist. Und was ist nun das spätere Schicksal
-jenes Gesetzbuchs vom J. 1813 gewesen[148]? Es sind bis jetzt zu
-demselben, theils im Regierungsblatt, theils in besonderen Abdrücken,
-*Ein Hundert und Eilf* abändernde Novellen erschienen, deren eine
-(vom 25. März 1816) die Lehre vom Diebstahl ganz neu bestimmt: die
-gänzliche Umarbeitung der Lehre von Unterschlagung und Betrug war
-noch nicht erschienen, circulirte aber unter den Mitgliedern der
-Gesetzcommission. Daß eine so plötzliche Rechtsabwechslung kein
-glücklicher Zustand ist, wird jeder zugeben. Und ferner, wie man
-auch über Gesetzbücher denken möge, wird man einräumen müssen, daß
-hier von zwey Dingen eines wahr seyn muß. Entweder nämlich ist Grund
-zu dieser schnell durchgreifenden Änderung gewesen oder nicht. Im
-ersten Fall hat denn also ein Gesetzbuch, ungeachtet der großen oben
-bemerkten Vorsichtsmaaßregeln, in diesem Grade mislingen können. Im
-zweyten Fall hat man ganz willkührlich ein gutes Gesetz gleich nach
-seiner Einführung preis gegeben, ohne Rücksicht auf die Sicherheit
-und Festigkeit des Rechts, die dadurch aufs äußerste gefährdet werden
-mußte[149]. Welcher dieser beiden Fälle nun auch der wahre seyn mag
-(worüber ich mich alles Urtheils enthalte), so scheint in der That
-eine Zeit, in welcher einer derselben eintreten konnte, keinen Beruf
-zur Abfassung eines Gesetzbuchs zu haben. Und was soll man dazu sagen,
-wenn bey solchen Erfahrungen *Thibaut* die Hoffnung hegen kann,
-das Gesetzbuch, welches er fordert, werde viele Jahrhunderte dem
-bürgerlichen Leben zur Grundlage dienen[150]! Wird man etwa erwiedern,
-bey dem künftigen Gesetzbuch müsse alles vortrefflich gemacht werden,
-was bey jenem versehen worden, und die Regierungen, die bis jetzt
-wohl willkührlichen Änderungen allzu leicht Raum gegeben hätten,
-müßten von nun an die höchste Beharrlichkeit im Festhalten[[172]]
-des Aufgestellten beweisen? Aber dann kann ich mich nicht enthalten,
-an *Thibauts* eigene Worte zu denken: »In der That! es veranlaßt
-sehr trübe Gedanken, wenn man täglich sehen muß, wie unsre mehrsten
-politischen Ansichten auf Träumereyen hinausgehen. Man ersinnt sich
-recht etwas Ideales, macht nur die einzige kleine Voraussetzung, daß
-die Weisen und Gerechten die Vollstreckung besorgen, und dann geht
-alles in Lust und Freude von Statten«[151].
-
-
-3. Pfeiffer.
-
- Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für Teutsche Staaten, von
- ~D.~ B. W. Pfeiffer, Kurf. Hessischem Regierungsrath zu Cassel.
- Göttingen 1815. 8.
-
-Es ist ungemein erfreulich, daß in diesem Buche ein erfahrner
-praktischer Jurist seine Stimme in dieser wichtigen Sache hat abgeben
-wollen, indem die Vielseitigkeit der Ansichten dadurch sehr befördert
-werden muß. Vor allem verdient es ehrenvolle Erwähnung, daß der
-Verfasser die Unentbehrlichkeit der gelehrten Bildung selbst für
-den praktischen Zweck anerkennt (S. 5 und 84 fg.), und daß er bey
-Begründung des neuen Rechtszustandes hierauf besondere Rücksicht
-genommen wissen will. Und gewiß, der Verfasser hatte darüber ein sehr
-gültiges Urtheil, indem er selbst eine gründliche gelehrte Bildung in
-seinem Fach durch geschätzte Schriften bewährt hat, und indem er zur
-Westphälischen Zeit in der Lage gewesen ist, zu bemerken, wie traurig
-der Zustand eines Rechts ist, welches auf blos mechanische Weise zum
-Zweck der äußeren Nothdurft hinlänglich erlernt werden kann (S. 65. 66).
-
-Das eigenthümliche seines Vorschlags, wodurch dieser Zweck mit dem
-der Rechtseinheit u. s. w. verbunden werden soll, besteht darin: alle
-bisher geltende Rechtsquellen, auch das Gewohnheitsrecht, sollen
-abgeschafft und durch ein neues Gesetzbuch ersetzt werden; dieses
-Gesetzbuch soll im Ganzen auf das jetzt geltende Recht gebaut seyn,
-soll nur allgemeine und nur positive (nicht schon naturrechtliche)
-Grundsätze enthalten, soll aber dennoch ganz vollständig seyn, um, wie
-schon bemerkt, alle anderen Quellen entbehrlich machen zu können (S.
-62-64, S. 78). Eigentlich heißt das also nur so viel: das Gesetzbuch
-soll nicht ausführlich seyn, wie das Preußische Landrecht, sondern
-kurz, wie das Österreichische Gesetzbuch: etwas neues in dem ganzen
-Plane, wovon also auch ganz eigene Früchte zu hoffen wären, kann ich
-nicht entdecken. Auch hier also bleiben die allgemeinen Gegengründe
-bestehen: daß wir auf keine Weise ausgerüstet sind, ein solches
-Gesetzbuch[[173]] zu machen[152], daß das wissenschaftliche Leben des
-Rechts untergehen wird, und daß das Gesetzbuch zum Behuf der Anwendung
-doch wieder eine unsichtbare Umgebung von Gerichtsgebrauch, Doctrin
-oder wie man es sonst benennen will, erhalten muß, die dann das
-eigentlich herrschende seyn wird, die sich aber auf eine zufällige,
-willkührliche, bewußtlose Weise bilden wird, während sie jetzt in dem
-Zusammenhang mit früheren Jahrhunderten eine herrliche Lebenswurzel
-findet. Eine solche geistige, unsichtbare Umgebung ist überall, auch
-bey dem reichhaltigsten und durchgreifendsten Gesetzbuch der wahre
-Sitz des lebenden Rechts, und es ist unbegreiflich, wie der Vf. (S.
-47. 50) Hugo's Behauptung, daß es so sey, für etwas ganz eigenes
-und unerhörtes hat halten können. Das Preußische Landrecht z. B.
-verbietet ausdrücklich alle dem Gesetz derogirende Gewohnheiten, und
-insbesondere alle Rücksicht auf den Gerichtsgebrauch[153], und dennoch,
-so neu dieses Gesetzbuch auch ist, hat sich durch die Anwendung in
-den Gerichten so vieles modificirt, ergänzt, anders gestellt, daß das
-geschriebene Landrecht mit dem in den Preussischen Gerichten lebenden
-Recht keineswegs identisch ist. So ist es überall und so muß es
-überall bleiben, nur wird darin ein großer Unterschied seyn, ob jene
-unsichtbare Umgebung mehr im Gerichtsgebrauch, oder in der allgemeinen
-Volkssitte, oder in der Lehre der Schulen, oder in der Lehre der
-Schriftsteller, und hier wieder der gelehrten oder blos praktischen
-besteht. Jede Einseitigkeit hierin ist nachtheilig, und das gehörige
-Gleichgewicht und die Wechselwirkung dieser Kräfte (wozu aber auch
-Berührung und Gemeinschaft gehört) ist allein ein gesunder Zustand. Das
-schlimmste aber ist, sich über die Unvermeidlichkeit dieses Zustandes
-zu täuschen, und von der vermeynten Vortrefflichkeit irgend eines neuen
-Gesetzbuchs sich zu der Meynung verleiten zu lassen, daß dasselbe in
-Wahrheit das Recht unmittelbar und ausschließend beherrschen werde.
-
-[[174]] In einem zweyten Abschnitt (»Grundlinien einer neuen
-Civilgesetzgebung«) giebt der Vf. Vorschläge zu neuen Gesetzen
-über diejenigen Gegenstände, in welchen er neue Bestimmungen für
-besonders nöthig hält. Dieser specielle Theil des Werks verdient
-große Aufmerksamkeit: er macht nämlich recht anschaulich, wie wenig
-wir, auch politisch betrachtet, in der Lage sind, die Abfassung
-neuer Gesetzbücher wünschen zu können. Und wie könnte es auch anders
-seyn! Mehr als ein halbes Jahrhundert hat eine trostlose Aufklärerey
-den politischen wie den religiösen Glauben wankend gemacht. Nachdem
-sie lange Zeit durch Milde und Freundlichkeit alle Herzen gewonnen
-hatte, hat sie dann, in ihrem innern Wesen stets dieselbe, in der
-Französischen Revolution und in Buonapartes Despotismus sich etwas
-herb erwiesen: diese Revolution und die Folgen dieses Despotismus
-hat Deutschland großentheils auch äußerlich, weit mehr aber auf
-geistige Weise mit durchlebt. Und so stehen wir jetzt in allgemeiner
-Ungewißheit: bürgerliche und kirchliche Verfassung sind aus allen Fugen
-gewichen, und auch die ordnende Sitte der Privatverhältnisse hat dem
-allgemeinen Schwanken nicht entgehen können. Viel guter Wille hat sich
-im einzelnen dabey erhalten: alles fühlt das drückende dieses Zustandes
-und die Sehnsucht nach einem besseren. Und einen solchen Zustand
-des Übergangs wollten wir durch geschriebene Buchstaben fixiren auf
-Jahrhunderte? Man wird sagen, gerade dieses Schwanken müsse gehoben
-werden durch eine feste, vorgeschriebene Regel. Nichts ist eitler
-als diese Hoffnung. Erstlich muß die vollkommenste Regel fruchtlos
-bleiben, so lange ihr nicht eine entschiedene Richtung im Volk, eine
-Empfänglichkeit dafür, entgegen kommt: der gute Wille, die unbestimmte
-Sehnsucht nach einem bessern Zustand, ist dazu nicht hinreichend.
-Zweytens wer soll diese Regel finden? jene Verwirrung der Begriffe und
-Grundsätze, als Folge der durchlebten inneren und äußeren Revolutionen
-findet sich keinesweges blos im Volk, sondern gerade auch bey denen,
-welche das Gesetzbuch zu machen hätten. Man versuche es nur, ein
-Collegium zu diesem Zweck zu bilden, und man wird fühlen, wie rathlos
-gerade in den wichtigsten Dingen die Ansichten durch einander laufen
-werden. Dagegen dann kein Stimmenzählen helfen!
-
-Einige Beyspiele aus den Vorschlägen des Verfs. mögen das Gesagte
-anschaulicher machen. Kirchenbücher läßt er sich S. 132. 133 höchstens
-aus Noth gefallen: eigentlich aber sollen sie illiberal seyn, weil
-nicht auch Juden, Türken und Heiden darin stehen können. Am besten
-wäre es daher, wenn die Gerichtsschreiber der untern Justizbehörden
-die Geburts- und Sterbelisten führten. -- Allerdings ist der abstracte
-Begriff des Staates von dem der Kirche verschieden: aber soll uns
-dieser Abstraction zu Gefallen nun auch noch das wenige[[175]] an
-Würde, was sich hie und da in unsern öffentlichen Verhältnissen
-erhalten hat, genommen werden? Nicht zu gedenken, daß jene Listen sehr
-gewiß von den Schreibern der Untergerichte liederlich und schlecht
-geführt werden würden, ohne Vergleich schlechter, als es jemals von den
-Geistlichen zu befürchten ist.
-
-Eben so wird es S. 135. 138 als Überrest von Barbarey verworfen,
-zwischen Einheimischen und Fremden, noch mehr aber, zwischen Christen
-und Juden einigen Unterschied machen zu wollen. -- Dieses hängt damit
-zusammen, daß wir schon lange den Begriff des Bürgers eigentlich ganz
-verloren haben, und nur noch von Menschen und Unterthanen wissen
-wollen. Diese Ansicht hatte sich einestheils durch eine mißverstandene,
-übel angewendete Humanität eingeschmeichelt: anderntheils war den
-Regierungen der überall gleichförmige und passive Begriff des
-Unterthans viel bequemer und angenehmer, als der des Bürgers. Aber wie
-ohne eigentliche, wahre Bürger ein gesunder kräftiger Staat bestehen
-könne, ist nicht wohl abzusehen, und wer dieses einräumt, wird auch
-die Aufstellung sichtbarer Gränzen zwischen Bürgern und Fremden nicht
-absolut verwerfen können. Härte und Unmenschlichkeit freylich soll in
-keinem Fall geduldet werden. Auch in Rom durfte man die Peregrinen
-bekanntlich nicht todt schlagen, ja sie hatten ziemlich frühe einen
-eigenen Prätor. Von unmittelbarer Nachahmung kann hier freylich gar
-nicht die Rede seyn, auch ist schon das Verhältniß der christlich
-Europäischen Staaten zu einander ganz eigener Art. Aber auch hier ist
-die Vernichtung aller Gränze ganz unnatürlich. Vollends die Juden sind
-und bleiben uns ihrem innern Wesen nach Fremdlinge, und dieses zu
-verkennen konnte uns nur die unglückseligste Verwirrung politischer
-Begriffe verleiten; nicht zu gedenken, daß diese bürgerliche und
-politische Gleichstellung, so menschenfreundlich sie gemeynt seyn mag,
-dem Erfolg nach nichts weniger als wohlthätig ist, indem sie nur dazu
-dienen kann, die unglückselige Nationalexistenz der Juden zu erhalten
-und wo möglich noch auszubreiten.
-
-Der Ehe soll nach S. 142. 143 die bürgerliche Form der Trauung
-eigentlich allein natürlich seyn. Da die Ehe indessen auch noch eine
-moralische Seite habe, und wegen unsrer Gewöhnung, wird nebenher auch
-noch die kirchliche Form zugelassen, jedoch nur als durch kirchliche
-Verordnungen vorgeschrieben, welche festsetzen: »daß zu der in dem
-Gesetzbuch bestimmten bürgerlichen Form die hergebrachte kirchliche
-als wesentlich hinzukomme«. Das bürgerliche Recht müßte also wohl
-consequenterweise eine Ehe ohne kirchliche Trauung anerkennen, und nur
-die Kirche könnte etwa in einem solchen Fall strafen oder auch ihre
-Einwilligung versagen. Doch dem sey wie ihm wolle, und die Wirkung des
-Grundsatzes[[176]] mag noch so sehr gemildert seyn, so ist es doch
-immer ein merkwürdiges Beyspiel, wie weit sehr wackere Männer geführt
-werden können, wenn sie die Bestimmung aller menschlichen Verhältnisse
-von oben herab als das naturgemäße ansehen. Zwar in Ländern, welche
-bisher unter dem Code gelebt haben, mag jener Vorschlag des Vfs.
-weniger auffallen. Aber man denke sich nun ein Deutsches Land, worin
-der Code nicht galt, dessen Einwohner also nie etwas anderes als
-kirchliche Trauung gekannt haben, gewiß ohne jemals das Bedürfniß einer
-Änderung hierin zu empfinden. In einem solchen Lande soll nun daneben
-die bürgerliche Trauung eingeführt werden, und zwar als die Hauptsache,
-vielleicht gar so, daß die Ehe durch sie allein schon rechtsbeständig
-werden kann: und so soll ein solches Land, einer bloßen Abstraction
-zu Gefallen, dieses Stück der Revolution noch hintennach zu genießen
-bekommen! Daß dadurch das Wesen der Ehe, als eines (vor allem andern)
-christlichen Verhältnisses verkannt und beeinträchtigt wird, ist
-freylich die Hauptsache; aber selbst wer hierüber anders und neutraler
-dächte, müßte doch solche Vorschläge schon aus allgemeinen Gründen
-bedenklich finden. In unsrem Leben hat sich so wenig alte, unantastbare
-Sitte und würdige Form erhalten, daß wir wahrlich nicht Ursache haben,
-das wenige, was sich noch gerettet haben mag, hintanzusetzen.
-
-Die Ehescheidung durch gemeinsamen Willen soll nach S. 151 frey gegeben
-werden, noch freyer als im Preussischen Recht, und nur an erschwerende
-Formen gebunden. Dabey liegt ohne Zweifel die sehr verbreitete Ansicht
-zum Grunde, daß das Recht überhaupt für nichts anderes zu sorgen
-habe, als für die höchste Freyheit der Einzelnen, gleich als ob die
-Idee der Ehe nicht auch ihr Daseyn und ihr Recht haben müßte. Doch
-dieses auseinander zu setzen, würde hier zu weit führen. Aber auch
-rein praktisch genommen wird für die allermeisten Ehescheidungen
-gerade durch diese Leichtigkeit erst das Bedürfniß entstehen. Sehr
-selten ist eine wahre innere Nothwendigkeit vorhanden, fast überall
-entsteht das Bedürfniß blos daher, daß einer der Ehegatten, oder auch
-beide nicht den ernsten Willen haben, sich selbst etwas zuzumuthen:
-und gerade diese Stimmung kann gewiß nicht sicherer befördert werden,
-als durch ein Gesetz, welches die absolute Willkühr der Scheidung
-festsetzt. Darüber hat Erfahrung entschieden, ja es ist Erfahrung, daß
-da, wo freye Ehescheidung gilt, gar manche Ehe mit Rücksicht darauf
-leichtsinniger geschlossen wird.
-
-Der Familienrath des Code war bekanntlich das Stück desselben, worüber
-sich viele Deutsche Juristen vor Bewunderung gar nicht zu lassen
-wußten. Es ist daher sehr merkwürdig, daß hier S. 164 aus Erfahrung
-die gänzliche Unbrauchbarkeit[[177]] dieses Instituts bezeugt wird.
-Der eigene Vorschlag des Vfs. aber (S. 167) ist so künstlich und
-zusammengesetzt, daß ich ihn für noch unausführbarer halte. Schwerlich
-wird dem Vormundschaftswesen anders gründlich geholfen werden können,
-als in Verbindung mit Entwicklungen unsrer Communalverfassungen,
-die auch in jeder andern Rücksicht höchst wünschenswerth und nichts
-weniger als Luftschlösser sind. Es kommt also auch hier darauf an, ob
-wir, so lange uns die dazu nöthigen Einrichtungen fehlen, irgend eine
-Regel fixiren wollen, die zu keinem rechten Ziel führen kann, und die
-bey einer gründlichen Verbesserung unsres übrigen Zustandes als ganz
-untauglich wird verworfen werden müssen.
-
-Im Hypothekenrecht (S. 179) spricht der Vf., so wie alle, die in diesen
-Zeiten der Sache erwähnt haben, für die unbeschränkte mechanische
-Erleichterung des Realcredits, und es ist ihm nur um die Mittel zu
-diesem Zweck zu thun. Ich verkenne gar nicht die Mängel des Römischen
-Hypothekenwesens, besonders wie es durch neuere Constitutionen
-ausgebildet worden ist: aber es ist mir unbegreiflich, und kein
-sonderliches Zeichen für den praktisch-politischen Sinn, aus welchem
-die Vorschläge zu neuen Gesetzgebungen hervorzugehen pflegen, daß man
-so ganz mit sich im reinen zu seyn scheint, obgleich darüber sehr im
-Großen bedenkliche Erfahrungen gemacht sind. Dennoch scheint man gar
-keine Ahnung davon zu haben, wie wesentlich durch unser ausgebildetes
-Hypothekenwesen das Grundeigenthum modificirt wird, und ob eine
-solche Verwandlung des Grundeigenthums in bloßen Geldreichthum, eine
-solche Ausmünzung des Bodens (denn das ist es bey großer Vollendung
-der Anstalt) wünschenswerth seyn möchte. Man übersieht, daß dadurch
-ähnliche Verhältnisse wie durch ein Papiergeld hervorgebracht werden,
-welches letzte doch nun auch nicht mehr für die höchste Vollendung
-eines glücklichen Zustandes gehalten werden wird. Diese Bemerkungen
-sollen gar nicht der Beybehaltung des Justinianischen Hypothekenwesens
-das Wort reden, auch nicht den Weg, den man in neueren Zeiten
-eingeschlagen hat, unbedingt widerrathen, sondern nur darauf aufmerksam
-machen, daß es bey der Einrichtung des Hypothekenwesens noch auf andere
-Dinge ankomme, als welche von unsren Legislatoren berücksichtigt zu
-werden pflegen. Wenn man die Vorschläge derselben liest, sollte man
-denken, dasselbe Hypothekenrecht tauge für alle Zustände der Völker:
-überall, in der Schweiz wie in China, in Rußland wie in Frankreich
-komme es nur darauf an, die bekannten Grundsätze der Publicität und
-Specialität anzuwenden, dann bleibe nichts mehr zu wünschen übrig.
-Diese blos formelle Behandlung der Gesetzgebung ist es, die ich
-durchaus für verderblich halte, und in diesem Sinne ist schon oben (S.
-13. 14.)[[178]] darüber geklagt worden, daß unsre Praktiker viel zu
-sehr Theoretiker sind.
-
-Die Intestaterbfolge ist bekanntlich für unsre Rechtspolitiker eine
-besonders beliebte Materie, und sie nimmt auch hier S. 186 und folg.
-eine bedeutende Stelle ein. Der Vf. fordert, daß sie einfach und
-gerecht eingerichtet werde, die Unbrauchbarkeit des Römischen Rechts
-scheint er als ganz unzweifelhaft vorauszusetzen, und das Preussische
-soll hierin um gar nichts besser seyn, dagegen das Österreichische
-allein den Ansprüchen der Vernunft Genüge leisten. Ich habe nie
-begreifen können, warum die Novelle 118 in diesen neuesten Zeiten
-so schnöde angesehen worden ist. Leicht zu übersehen ist ihre
-Erbfolgeordnung gewiß, und ein wirklicher Zweifel in der Anwendung
-derselben gehört sicher zu den großen Seltenheiten, während z. B.
-nach dem Französischen Recht, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, in
-ganz einfachen, täglich vorkommenden Fällen, unauflösliche Zweifel
-entstanden sind. Was die Gerechtigkeit betrifft, so müßte es freylich
-jeder anstößig finden, wenn ein Gesetz die Kinder ausschließen und
-entfernte Verwandte berufen wollte. Aber in der Novelle ist das
-bekanntlich auch nicht der Fall: ihre Ungerechtigkeit soll besonders
-darin bestehen, daß sie die Halbgeschwister den vollbürtigen
-Geschwistern nachsetzt. Wie ist es aber möglich, dieses eine
-Ungerechtigkeit zu nennen! hier, wo alles auf individuellen, höchst
-verschiedenen Verhältnissen beruht! Vielleicht finden sich eben so
-viele Fälle, worin der Verstorbene, wenn er befragt worden wäre, einen
-Unterschied zwischen beiden Arten der Geschwister gemacht hätte, als
-wo es nicht der Fall gewesen wäre, und keine von beiden Entscheidungen
-läßt sich aus allgemeinen Gründen ableiten. Der große Beyfall, welchen
-die Österreichische Erbfolgeordnung gefunden hat, gründet sich auf
-nichts anderes, als auf die einfachere Formel, in welche sie gefaßt
-werden kann, also auf ihre Symmetrie; und gesetzt selbst, daß dieses
-in der That ein Vorzug genannt werden könnte, so sind gewiß die
-Nachtheile einer gänzlichen Umänderung der bisher bestehenden Erbfolge
-ein viel zu theurer Preiß für jenen Gewinn. Auch dieser Ansicht der
-Intestaterbfolge liegt also die oben gerügte formelle Behandlung der
-Gesetzgebung zum Grunde.
-
-Diese Bemerkungen über die einzelnen Vorschläge des Vfs. sind übrigens
-gar nicht als individuell gegen ihn gerichtet zu betrachten. Was hier
-getadelt worden ist, gründet sich auf den Weg, den uns im allgemeinen
-das Schicksal geführt hat. Nur verkennen sollen wir nicht, daß es
-so ist, und sollen uns nicht zu Meistern der künftigen Jahrhunderte
-aufwerfen, da uns die politische Einsicht und Bildung gebricht, um nur
-unsren eigenen gegenwärtigen Zustand recht zu übersehen und zu regieren.
-
-
-[[179]] 4. Almendingen.
-
- Politische Ansichten über Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und
- Zukunft, von Harscher von Almendingen. Erster Bd. Wiesbaden 1814.
- 8. S. 354 fg.
-
-Vortrefflich setzt der Verf. auseinander, daß der Rechtszustand
-der Deutschen Länder des gemeinen Rechts nur in der Beschreibung
-fürchterlich aussehe, und daß die eigentliche Noth in dem Mangel an
-tüchtigen Justizbeamten bestehe (S. 366); eben so zeigt er auf die
-überzeugendste Weise, wie wenig bey der großen Verschiedenheit der
-Zustände und Bedürfnisse die Gleichförmigkeit des bürgerlichen sowohl
-als des Criminalrechts wünschenswerth sey (S. 357 fg.). Das innere
-Leben eines Volks, die Lebensweise eines Landes (S. 357) soll das Recht
-bestimmen. Nach so schönen Worten erwartet man, daß in der That das
-geschichtlich begründete Recht hier einen warmen Vertheidiger finden
-müsse. Keinesweges! Nur die Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs
-für ganz Deutschland, welche von *Thibaut* und *Schmid* verlangt
-wurde, soll hier bekämpft werden: für jeden einzelnen Deutschen Staat
-dagegen ist »die Abfassung eines bürgerlichen Gesetzbuchs ein höchst
-dringendes Bedürfniß« (S. 356), denn hier ist die Mannichfaltigkeit des
-bürgerlichen Rechts in verschiedenen Theilen des Staats ein drückendes,
-unerträgliches Übel, dem nicht schnell genug gesteuert werden kann. Als
-Mittelglied für einen so ungeheuern Widerspruch dient die Verwechslung
-des *Volks* mit dem *Staate*. »Vollendete Gesetze sind die schönen und
-freien Formen des innern Lebens eines *Volks*: sie gehen aus ihm hervor
-und bestehen mit dem sie zeugenden Princip. Von aussen aufgedrungene
-Formen dagegen würken dem innern Leben entgegen. Was wäre aber ein
-allgemeines Deutsches stereotypisches Gesetzbuch für die einzelnen
-*föderalisirten Staaten* anders, als eine von aussen aufgedrungene
-Form?« (S. 357). Also enthält jeder Bundesstaat ein eigenes Volk,
-welches sich wie überhaupt, so auch in seinem Recht durch ein eigenes
-Gesetzbuch, wie billig abschließt, und welchem die Rechtsgemeinschaft
-mit den übrigen Staaten eine von aussen aufgedrungene Form seyn
-würde, so gut als die mit Frankreich oder Rußland! Aber was haben die
-Beschlüsse des Wiener Congresses, was die früheren Ländervereinigungen
-durch Erbschaft, Säcularisation u. s. w. mit der Volkseinheit zu
-schaffen? sind dadurch Völker gebildet und Völker begränzt worden? Noch
-unbegreiflicher aber ist es, daß von der nothwendigen Mannichfaltigkeit
-des Rechts in den einzelnen Staaten gar nicht die Rede ist, gleich
-als ob Lage und Zustand des Volks hier überall gleich und nur
-zwischen mehreren Staaten verschieden wäre. Alles was der Verf. über
-diese Mannichfaltigkeit im Widerstreit gegen ein[[180]] allgemeines
-Deutsches Gesetzbuch sagt, gilt ebensowohl gegen Bairische, Nassauische
-Gesetzbücher u. s. w., besonders wenn sie nach der jetzt herrschenden
-Ansicht keine Localrechte neben sich dulden wollen.
-
-Das letzte Resultat also, worauf dieser Schriftsteller führt,
-ist freylich viel bedauernswerther als das, worauf *Thibaut* und
-*Schmid* hinarbeiteten. Was diese wollten, war zwar dem Rechtszustand
-nachtheilig, aber die Idee einer Vereinigung aller Deutschen zu dem
-gemeinsamen Werk war schon an sich trefflich, und auch die Ausführung
-konnte von dieser Seite manche gute Folge haben. Was aus jenem
-Plane hervorgeht, ist dem Recht nicht weniger nachtheilig, als ein
-allgemeines Gesetzbuch, und zugleich politisch höchst verderblich, als
-ein neues Trennungsmittel für die Deutschen, welche (großenteils sehr
-zufällig und willkührlich) verschiedenen Bundesstaaten zugetheilt sind.
-
-
-5. Einige Ungenannte.
-
-Diesen verdankt man einige gar nicht unwichtige Entdeckungen. So ist
-zuerst von einem Ungenannten die eigentliche Gefährlichkeit eines
-gelehrten Juristenstandes an das Licht gezogen worden. »Daß deutsche
-Fürsten (sagt er) ihre Völker blos der so gerühmten Gesetzgebung der
-*repräsentirenden Juristen*, oder juristischen Braminen Preiß geben
-sollten, welche ihre Sanskritsprache verewigen, ganz still und leise
-überall im Stillen herrschen, das Mark des Volkes aussaugen, und sich
-wie die Rabbiner der Juden zu Gesetz- und Sittenlehrern stempeln
-möchten, läßt sich nicht erwarten«[154]. Wenn die gelehrte Jurisprudenz
-ein Weg zum Mark des Volkes wäre, würde sie wahrscheinlich mehr
-Anhänger finden als jetzt!
-
-Ein anderer Ungenannter[155] hat Untersuchungen über die Eigenschaften
-guter Gesetzgeber angestellt. Er geht, einstimmig mit mir, davon
-aus, daß in einem neuen Gesetzbuch vorzugsweise das jetzt geltende
-Recht berücksichtigt werden müsse. Da sich nun dieses »nicht an der
-Hand der Geschichte« gebildet habe, sondern »gerade durch recht
-unhistorische Juristen, so dürfte doch wohl nichts inconsequenter
-seyn, als echt geschichtlich gebildete Juristen bei der Redaction des
-Gesetzbuchs zu Rathe zu ziehen« (S. 206). (Nach dieser Ansicht scheint
-das historische Studium keinen andern Gegenstand zu haben, als die
-Thaten der -- *Historiker*, und eine Kriegsgeschichte[[181]] z. B.
-müßte etwas ganz widersinniges seyn.) Daraus folgt denn, daß bei der
-Abfassung eines Gesetzbuchs »gerade die historische Bildung ... nicht
-nöthig, sogar nicht einmal nützlich, vielmehr schädlich seyn dürfte
-... Gerade ein recht unhistorischer Jurist, der durch die Ausübung das
-noch geltende von dem nicht mehr geltenden zu unterscheiden gelernt
-hätte, würde hier an dem rechten Orte seyn.« Nach dieser Entdeckung
-freylich dürfen wir um tüchtige Verfasser eines Gesetzbuchs nicht mehr
-verlegen seyn, denn die hier beschriebene ächte Unabhängigkeit von
-schädlichen historischen Kenntnissen ist in unsrer Zeit so häufig, daß
-von dieser Seite her der Beruf derselben für die Gesetzgebung sich auf
-das Glänzendste rechtfertiget. Man muß indessen nicht glauben, daß
-es mit der Unwissenheit allein, so gut und nöthig diese ist, gethan
-sey, denn sie liefert nur gleichsam die Materialien, die Form aber
-giebt -- die Philosophie! Nämlich unser praktisches Recht ist ein
-»unzusammenhängendes Gemisch.... welchem die leitenden Principien ...
-blos durch die Philosophie gegeben werden können, d. h. dadurch« (was
-nun folgt ist also unläugbar eine Definition der Philosophie) »daß ein
-philosophischer Kopf das Gemisch zusammenstellt, das leitende Princip
-zu der größern Masse des Gemisches findet, und die geringere Masse in
-das Princip einzwängt, darnach beschneidet und umformt.« Höchst naiv
-ist auch noch der Beweis, daß das gemeine Deutsche Recht gar nichts zu
-unsrer juristischen Bildung beitragen könne. »Die römischen Juristen
-(heißt es S. 209) studierten kein gemeines deutsches Recht, und waren
-doch die gebildetsten. Die juristische Bildung kann also von daher
-nicht kommen, wohl aber die Verbildung.«
-
-Gerade das Gegentheil meynt ein anderer Recensent[156], welcher
-für den Juristen durchaus nichts höheres anerkennt, als das reine
-Römerrecht. Dieses soll man ihm nicht antasten, sonst hat man es mit
-ihm zu thun! Läßt man es ihm aber als vornehmsten Gegenstand des
-Universitätsunterrichts gelten, muß jeder Jurist es hören und wird
-jeder daraus examinirt, so läßt er sich dann auch neue Gesetzbücher
-sehr gerne gefallen: nur müssen die Gesetzgeber auch große Civilisten
-seyn! Davon daß das Römische Recht gerade auch für uns etwas geworden
-ist, und besonders davon, daß es auch noch ein Deutsches Recht giebt,
-welches zu unsrem eigensten Wesen gehört, erscheint hier keine Ahnung.
-Nur daß das unschuldige Spiel mit dem Römerrecht nicht gestört werde!
-Man sieht,[[182]] wie verschieden die Anfangspuncte seyn können, von
-welchen ausgehend man doch am Ende wieder in dem gemeinsamen Gefallen
-an Gesetzbüchern zusammentrifft.
-
-
-~B.~ Stimmen der *Gegner* neuer Gesetzbücher.
-
-
-1. Hugo.
-
-Dieser, der älteste und standhafteste Vertheidiger der geschichtlichen
-Bildung des Rechts, hat auch neuerlich wieder in mehreren
-Recensionen[157] diese Ansicht zu entwickeln und gegen ihre Widersacher
-zu sichern versucht. Jede dieser neuen Darstellungen der längst
-bekannten Ansicht liest man wieder mit einem eigenen Interesse, indem
-die Frische des Ausdrucks, so wie die Heiterkeit und Unbefangenheit
-der Gedanken erfreuliche Zeichen sind, daß die Ansicht selbst hier
-nicht als ein todter Besitz aus früherer Zeit fortdauert, sondern recht
-eigentlich die Seele der wissenschaftlichen Gedanken, Kenntnisse und
-Erfahrungen des Vfs. ist.
-
-
-2. Einige Ungenannte.
-
-Höchst erfreulich sind die Stimmen zweier Recensenten, die, wie es
-scheint, gar nicht der Schule angehören, auch gar nicht von dem
-Interesse der Wissenschaft ausgehen, sondern von Lebenserfahrung und
-praktischem Bedürfniß, und von diesem Standpunct aus der Abfassung von
-Gesetzbüchern aufs bestimmteste widersprechen.
-
-Der eine derselben[158] rügt die handgreifliche Uebertreibung, womit
-die Folgen der mannichfaltigen Rechte in Deutschland geschildert
-zu werden pflegen. Die wenigsten Menschen, wird hier richtig
-bemerkt, erfahren etwas genaueres über den Inhalt ihres eigenen
-bürgerlichen Rechts, sie werden sich also mit den Bewohnern anderer
-Gegenden durch gemeinsames Recht eben so wenig verbrüdert, als durch
-Rechtsverschiedenheit von ihnen getrennt fühlen. »Der Ärger, den der
-Beisizzer einer Juristen-Facultät, die von allen Seiten her Acten
-bekömmt, über die Mannichfaltigkeit des Rechts hat, und welchen
-Rec. auch recht gut kennt, ist gewiß kein universeller Deutscher
-National-Ärger.« Mit demselben praktischen Sinne werden dann die großen
-Nachtheile einer Gesetzgebung bemerkt, welche das Recht aller Orten
-gleich zu machen bestimmt seyn sollte, so wie die unübersteiglichen
-Schwierigkeiten der Ausführung.
-
-[[183]] Noch ausführlicher geht ein anderer[159] auf diese Ansicht
-ein, indem er bemerkt, wie täuschend die Vorteile und wie reell
-die Uebel seyen, die wir von einer durchgreifenden Änderung und
-Gleichstellung des gesammten bürgerlichen Rechts zu erwarten haben. Die
-Ruhe und Unbefangenheit, womit dieses entwickelt wird, ist besonders
-bemerkenswerth, und die Uebereinstimmung in der Ansicht selbst ist mir
-hier um so erfreulicher, da eben dieser Recensent gewiß nichts weniger
-als parteyisch für mich und meine Schrift gestimmt erscheint.
-
-
-3. Schrader.
-
- Die Prätorischen Edicte der Römer auf unsere Verhältnisse
- übertragen von ~D.~ Ed. Schrader, Professor des Civilrechts und
- Obertribunalrath in Tübingen. Weimar 1815. 8.
-
-Ich stelle diese Schrift absichtlich zuletzt, abgesondert von
-den übrigen, weil sie an eigenen und neuen Gedanken bey weitem
-die reichhaltigste ist. Der Vf. geht von der richtigen Bemerkung
-aus, daß die geschichtliche Bildung des Rechts, die auch von ihm
-angenommen wird, keinesweges so misverstanden werden dürfe, als solle
-der Staat sich gar nicht um das Recht im allgemeinen bekümmern.
-Nur die gewöhnliche Art, wie der Staat darauf einzuwirken pflege,
-durch eigentliche Gesetzgebung nämlich, sey in den meisten Fällen
-unzweckmäßig, selbst da wo sich stehende Gesetzcommissionen finden.
-Durch Gesetze nämlich geschehe für das bürgerliche Recht bald zu
-viel, bald zu wenig (S. 73); zu viel, wenn man sich einmal zur
-Abfassung eines Gesetzbuchs entschließe, welches auch der Vf. für
-sehr nachtheilig hält; zu wenig, indem außer dem Fall einer solchen
-außerordentlichen Anstrengung gewöhnlich gar nichts geschehe, und
-gar keine fortgehende Aufsicht auf das Recht in allen seinen Theilen
-ausgeübt wurde. Er erwägt das Beyspiel der Römer, welche (seit den
-zwölf Tafeln) durch Volksschlüsse nur wenig am bürgerlichen Recht
-änderten, dagegen in ihren Edicten eine fortlaufende, jährlich
-revidierte, höchst wohlthätige Controlle ihres gesammten bürgerlichen
-Rechts besaßen. Eine ähnliche Einrichtung, verschieden von der
-eigentlichen Gesetzgebung, wird hier vorgeschlagen.
-
-Jeder Deutsche Staat nämlich soll zu diesem Zweck alle zehen Jahre
-ein Collegium bilden, welches nur Ein Jahr lang versammelt bleibt
-(S. 111), und in dieser Zeit eine Art von Prätorischem Edict abfaßt.
-Das Collegium erhält den Justizminister[[184]] zum Präsidenten, und
-außerdem einen Deputierten der Landstände zum Mitglied, dann aber
-noch fünf andere aus fünf verschiedenen Ständen gewählte Mitglieder
-(S. 91 fg. S. 102 fg.). Einer nämlich repräsentirt die Richter,
-ein zweyter die Advokaten der höheren Gerichte: ebenso einer die
-Richter, ein anderer die Advocaten der Untergerichte: endlich ein
-fünfter die juristischen Theoretiker. Jeder dieser Stände schlägt
-drey Candidaten vor, woraus die Regierung einen wählt. In größeren
-Staaten soll die Zahl der gewählten Mitglieder durch Verdoppelung oder
-Verdreyfachung auf Zehen oder Funfzehen gebracht werden. Wird nach
-einem Jahrzehend ein neues Collegium gebildet, so muß die kleinere
-Hälfte des vorhergehenden darin sitzen (S. 92. 112. 130). Mehrere
-kleinere Staaten können ein solches Collegium gemeinschaftlich bilden
-(S. 122). (Vielleicht wäre doch ein etwas größerer Antheil der
-Theoretiker wünschenswerth, die ja auch dann noch, wie billig, sehr in
-der Minorität bleiben würden. Dieses scheint nöthig, nicht sowohl um
-der Theorie mehr Gewicht gegen die Stimme der Praktiker zu geben, als
-um der Einseitigkeit zu entgehen, die unvermeidlich eintreten wird,
-wenn nur ein einziger Theoretiker zugezogen wird: die individuelle
-wissenschaftliche Ansicht desselben würde ein sehr nachtheiliges
-Übergewicht in der Versammlung haben, welches nur dadurch vermieden
-werden kann, daß in der Versammlung selbst mehrere wissenschaftliche
-Stimmen gehört werden).
-
-In diesem Edict soll das jetzt bestehende Recht geändert werden können,
-jedoch nur wenn zwey Drittheile der Stimmen die Änderung verlangen (S.
-86. 89). Künftige, mit Einwilligung der Landstände gemachte Gesetze,
-dürfen erst geändert werden, wenn sie 100 Jahre alt sind (S. 88).
-Innerhalb der nächsten hundert Jahre darf überhaupt kein anderer
-Rechtssatz neueingeführt werden, als welcher schon in irgendeinem
-andern Deutschen Lande Gültigkeit gehabt hat (S. 89).
-
-Durch eine solche Einrichtung, wie der Verf. sehr richtig bemerkt,
-würde der große Vortheil erreicht werden, daß man nicht wie bei einem
-Gesetzbuch zu einer äußern Vollständigkeit genöthigt wäre, sondern
-nur über dasjenige sprechen würde, wozu gerade jetzt Bedürfniß und
-Kenntniß vorhanden wäre (S. 58): dadurch würde diese Arbeit Leben und
-Anschaulichkeit gewinnen, während unsre modernen Gesetzbücher mehr den
-Charakter von Compendien haben. Allerdings wäre zu befürchten, daß das
-Collegium, seinen wahren Beruf verkennend, doch wieder etwas machen
-möchte, das einem Gesetzbuch ähnlich wäre; dieser Gefahr soll begegnet
-werden, theils durch die oben erwähnten Einschränkungen, theils durch
-ein besonderes Gewicht, welches (S. 107) dem Veto eingeräumt wird.
-
-[[185]] Die größte Billigung verdient der Wunsch (S. 94), daß alle
-Protokolle gedruckt werden möchten: sehr richtig bemerkt der Vf., daß
-dadurch die Achtung gegen das so gegründete Recht vielmehr erhöht als
-vermindert werden würde. Zugleich würde dieses das sicherste Mittel
-seyn, in der Zwischenzeit von einem Collegium zum anderen brauchbare
-Beyträge zu neuen Verbesserungen zu erhalten. Solche offen dargelegte
-Gründe und Gegengründe müssen ungleich mehr wahren Antheil erwecken,
-als eine allgemeine empfehlende Entwicklung, worin aller Zweifel und
-Widerspruch gleisnerisch zugedeckt wird. Wie viel lehrreicher sind
-nicht bey dem Französischen Gesetzbuch die Protokolle des Staatsraths,
-als die aufgeblasenen, schmeichlerischen Reden, nach welchen man bey
-einem Gesetz über das Eigenthum glauben könnte, den Franzosen würden
-so eben alle Sachen geschenkt, über deren Eigenthum das Gesetz Regeln
-aufstellt.
-
-Über die Art, wie ein Referent bestellt werden soll, und über die
-Geschäftsführung selbst, werden S. 103 u. fg. ausführliche Regeln
-gegeben, die aber wohl nur dazu dienen sollen, die Ausführbarkeit
-anschaulicher zu machen. Denn feste Regeln dieser Art für immer
-vorzuschreiben, dürfte wohl nicht rathsam seyn, da nach der
-Persönlichkeit der Mitglieder gar verschiedene Einrichtungen zweckmäßig
-seyn können.
-
-Um den Zusammenhang des Rechts zwischen den verschiedenen Deutschen
-Staaten zu erhalten, wünscht der Vf. S. 123, daß abwechselnd mit
-den schon erwähnten Collegien der einzelnen Staaten ein allgemeines
-Collegium für ganz Deutschland zusammen treten möchte. Allein das
-Verhältniß dieser Versammlung zu denen der einzelnen Staaten bestimmt
-er so künstlich, daß die Ausführung wohl kaum für möglich gehalten
-werden kann. Vielleicht wäre es zweckmäßiger, für einen recht
-vielseitigen Verkehr zwischen den einzelnen Staaten in Ansehung ihrer
-Rechtsbildung zu sorgen.
-
-Wie das allgemeine Deutsche Collegium, so halte ich auch die oben
-erwähnten Zeitbestimmungen von 100 Jahren für unpassend. Solche
-Bestimmungen gehören kaum in Zeiten wie die waren, worin unsre alten
-Kirchen von vielen Geschlechtern nacheinander und stets nach demselben
-Plan fortgebaut wurden: unsere ephemere Zeit scheint dafür am wenigsten
-geeignet.
-
-In der ganzen Schrift herrscht ein so gesunder praktischer Sinn, die
-Vorschläge des Verfassers sind so gut begründet, seine Erwartungen
-von dem Erfolg sind so besonnen und so frey von Übertreibung, daß ihm
-selbst Andersdenkende ihre Theilnahme nicht werden versagen können. Es
-ist sehr merkwürdig, daß diese Schrift gerade aus Würtemberg kommt,
-aus einem Lande, dessen Einwohner sich vorzugsweise entwickelter
-politischer Einsichten und Erfahrungen rühmen können. Man[[186]]
-sage nicht, ein akademischer Lehrer wie der Vf. sey blos Bürger der
-Gelehrtenrepublik und der Staat um ihn her wirke wenig auf ihn ein.
-Dieses ist überall falsch, und bei dieser Schrift würde es doppelt
-unrichtig seyn, da dieselbe durch handschriftliche Mittheilung an
-erfahrne und einsichtsvolle Geschäftsmänner geprüft und geläutert
-worden ist.
-
- * * * * *
-
-Vielleicht ist es nicht überflüssig, am Schluß dieser literarischen
-Übersicht einige Resultate kurz zusammen zu stellen, wie sie gerade in
-diesem Zusammenhang recht klar hervortreten.
-
-1. Die Besserung unsres Rechtszustandes, die man von einem Gesetzbuch
-erwartet, soll theils eine materiale seyn, theils eine formale.
-
-Die materiale Besserung soll diejenigen Theile unsres Zustandes
-betreffen, worin wir uns (theils in der That, theils wie man behauptet)
-nicht sonderlich wohl befinden. Dagegen ist schon früher bemerkt
-worden, es fehle uns theils an der nöthigen Einsicht, um das rechte
-mit Sicherheit zu treffen, theils an den nothwendigen Bedingungen
-in der Sitte des Volks und in den Verfassungen, ohne welche keine
-Empfänglichkeit für einen gründlich guten Zustand vorhanden ist.
-In welchem Sinne dieser Einwurf gemeynt ist, habe ich oben bey der
-Beurtheilung des Pfeifferschen Werks deutlich zu machen gesucht. Ist
-der Einwurf gegründet, so folgt daraus, daß wir jetzt zwar im einzelnen
-nachhelfen, aber nichts durchgreifendes und bleibendes gründen können.
-
-Die formale Besserung soll uns anstatt eines undeutlichen, verwirrten,
-an allen Enden zerstreuten Rechts, wofür man das unsrige ausgiebt, ein
-klares, übersehbares und zusammenhängendes Recht geben. Dagegen ist
-erinnert worden, daß wir gar nicht die Fähigkeit haben, eine solche
-Aufgabe zu lösen, und daß wir einem äußeren, oberflächlichen Schein
-von Vollkommenheit nachjagend das innere Wesen unsres Rechts verderben
-würden.
-
-Dieses ganze Bestreben aber unsren Rechtszustand so durch einen
-großen Schlag von oben herab zu verbessern, was ist es anders als
-Eine Äußerung mehr von der unglücklichen Richtung, die nun schon so
-lange das öffentliche Leben durchzogen hat, von der Richtung *alles zu
-regieren, und immer mehr regieren zu wollen*? Diese Regierungssucht
-hat fast jeder unter uns, da wo er gerade regiert wird, schon recht
-schmerzlich empfunden, und selbst diejenigen, welche am lebhaftesten
-für Gesetzbücher kämpfen, sind gewiß schon oft, wo ihnen diese Sucht
-in der Administration, der Polizey, den Finanzen u. s. w. entgegen
-trat, recht ernstlich darüber entrüstet[[187]] gewesen. Hier aber,
-wo sie in ihrem Fach die Regierungen berathen wollen, wo sie sich
-selbst in Gedanken an die Stelle derselben setzen, hier ist das alles
-vergessen, und sie glauben, daß mit Verordnen und Regieren der Welt
-von Grund aus geholfen werden könne. Daß sie dabey die edelste Absicht
-haben, versteht sich: aber gewiß auch die meisten, die uns in andern
-Fächern mit übermäßigem Regieren das Leben verbittern, meynen es recht
-gut mit uns, und rechnen ehrlich auf unsren Dank.
-
-2. Wichtiger als alle Vorschriften seyn können, ist der Geist und die
-Bildung des Juristenstandes. Gewiß hat die unglückliche, verwirrende
-Zeit, die wir durchlebt haben, sehr traurig auf den öffentlichen
-Geist gewirkt, und nichts ist verderblicher, als sich hierüber zu
-täuschen. Auch verdient gerade *Thibaut* das Lob, daß er, ferne
-von der Gleisnerey mancher anderen Schriftsteller, diese Übel der
-Zeit mit edlem Ernst gerügt hat. Was haben nun wir Juristen, woran
-wir uns im Ganzen halten und empor heben können? was in England
-hilft und in den alten Freystaaten half, sind eingewohnte freye
-Staatsformen, nebst einem Erbgut von Volkssitte, die gerade aus ihrer
-Abgeschlossenheit frische Lebenskraft zieht; diese Mittel haben wir
-nicht. Was uns im Großen und Ganzen am meisten helfen kann, ist
-allein ein *wissenschaftlicher Geist*, der das Geschäft des Juristen,
-auch das gewöhnliche praktische Geschäft, zu veredeln im Stande
-ist. Weit entfernt also, daß die Gegner der Gesetzbücher dem Volk
-anmuthen sollten, für die Probestücke der Professoren und Advocaten zu
-leben,[160] fordern sie vielmehr einen wissenschaftlichen Character
-des Rechts als das erste und wichtigste, gerade weil dieses allein der
-Ausübung des Rechts eine edle und haltbare Grundlage geben kann.
-
-Freylich wollen auch die Freunde der Gesetzbücher die Wissenschaft
-gerne befördern, ja sie soll erst recht in Blüthe kommen, wenn wir nur
-erst Gesetzbücher haben! Wenn uns aber, wie billig, die Sache mehr am
-Herzen liegt, als unsere Einbildungen, so laßt uns doch unbefangen
-dahin sehen, wo der Versuch mit neuen Gesetzbüchern wirklich gemacht
-ist, und wir werden uns überzeugen müssen, daß da das Recht an
-wissenschaftlichem Leben verloren, und daß es sich dem bloßen Handwerk
-genähert hat. Wollen wir aber ungeachtet dieser Erfahrungen behaupten,
-bei einem neuen Versuch werde gerade das Gegentheil erfolgen,
-heißt denn das nicht Luftschlösser bauen, und die Lehre muthwillig
-verschmähen, die uns große Erfahrungen darbieten?
-
-[[188]] Schlimmer aber und ganz unbegreiflich ist der Weg, den das
-neueste Bairische Criminalrecht eingeschlagen hat. Hier ist nämlich
-in einer eigenen Verordnung ausdrücklich verboten, einen Commentar
-über das Gesetzbuch zu schreiben, und mündliche Vorlesungen anders
-als über das Gesetzbuch selbst zu halten[161], wie denn bekanntlich
-schon Kaiser Justinianus ähnliches verordnet hatte. Ich weiß, was
-man dafür sagen kann: die Gesetze sollen weder durch Tadel um ihre
-Autorität, noch durch verschiedene Auslegung um ihre Gewißheit gebracht
-werden. Aber welche Geistlosigkeit der Juristen daraus hervorgehen
-muß, liegt am Tage. In Justinians Reich konnte ein solches Gesetz mit
-Erfolg ausgeführt werden, aber in einem einzelnen Deutschen Lande,
-bey dem allgemeinen Verkehr der Gedanken und der Literatur ist der
-Zweck nicht einmahl erreichbar, den man sich dabey als wünschenswerth
-vorsetzen möchte. Auch in eine Zeit geistiger Erstarrung mag ein
-solches Gesetz noch wohl passen, aber völlig fremdartig steht es da in
-einer überbeweglichen Zeit wie die unsrige, deren Beweglichkeit sich
-gerade an demselben Gesetzbuch[162] auf die merkwürdigste Weise bereits
-offenbart hat.
-
-3. Ich bin weit entfernt zu wünschen, daß der Staat bei der
-Rechtsbildung ein unthätiger Zuschauer seyn soll. Es giebt sogar mehr
-als eine Art, wie er dabey auf die wohlthätigste Weise thätig seyn kann.
-
-Vor allem ist es die Sache des Staats, dafür zu sorgen, daß es der
-inneren rechtsbildenden Kraft nicht an zweckmäßig eingerichteten
-Organen fehle. Diesen Dienst leistete den Römern ihre Prätur: eben
-dahin gehört der oben dargestellte Vorschlag von Schrader für unsre
-Zeit. Soll aber dieser Vorschlag wahre Früchte tragen, so gehört dazu,
-daß überhaupt die öffentliche Meynung, über Personen sowohl als über
-Einrichtungen, fester und gründlicher werde, was wie bey jeder Kraft
-nur durch Übung bewirkt werden kann; dazu kann eine Entwicklung der
-Verfassung besonders förderlich seyn.
-
-Aber es giebt noch andere Arten, wie der Staat auch unmittelbar auf
-den Zustand des Rechts einwirken kann, ohne das Recht selbst in seinem
-Gang zu stören. Wenn sich nämlich in einer langen Reihe von Jahren eine
-Masse einzelner Verordnungen gesammelt hat, so sind darunter gewiß
-viele,[[189]] die eine blos vorübergehende Gültigkeit haben sollten:
-viele andere werden zufällig in Vergessenheit gerathen, andere durch
-Gebrauch abgeschafft oder modificirt seyn; noch andere, wirklich
-geltende, werden vor der Masse des veralteten leicht übersehen werden.
-So wird es oft vom Zufall abhängen, ob eine ältere Verordnung entdeckt
-und angewendet wird oder nicht. Diese Art der Rechtsungewißheit, die
-gewiß niemand loben wird, kann auf einem sehr sicheren Wege gehoben
-werden. Sämmtliche Gerichte und administrirende Behörden des Landes
-nämlich können aufgefordert werden, darüber zu berichten, welche
-Verordnungen nach ihrer Geschäftserfahrung noch geltend geblieben
-sind. Aus diesen Berichten wird es nicht schwer seyn, einen Auszug des
-noch geltenden zu machen, welcher dann mit ausschließender Gültigkeit
-von neuem als Gesetz vorgeschrieben werden kann. Einem solchen ~Codex
-Constitutionum~ stehen die Gründe nicht im Wege, die der Abfassung
-von Gesetzbüchern im gewöhnlichen Sinn entgegen gesetzt worden sind:
-denn was so auf dem Wege der Gesetzgebung entstanden ist, kann ganz
-unbedenklich auf demselben Wege reformirt werden. Der seltene Fall, in
-welchem eine ältere Verordnung in einzelnen Gegenden zur Bildung eines
-eigenthümlichen Gewohnheitsrechts Veranlassung gegeben hätte, könnte
-noch eine abweichende Behandlung bewirken.
-
-Wenn z. B. auf diese Weise das ~Corpus Constitutionum Marchicarum~ von
-Mylius mit seinen sämmtlichen Continuationen umgearbeitet würde, so
-würde dieses jeder Preussische Geschäftsmann höchst wohlthätig finden,
-und auch der strengste Vertheidiger des geschichtlichen Rechts würde
-dagegen nichts einwenden können.
-
-4. Es ist oben (S. 8 u. 9), einstimmend mit *Thibaut*, die große
-Schwierigkeit bemerkt worden, die für uns aus der immer wachsenden
-Masse des historischen und literarischen Materials unsres Rechts
-entsteht; eine Schwierigkeit, gleich groß für die Gesetzgebung, wie
-für das Studium, für den Lehrer und den Schriftsteller, wie für den
-gründlichen, gewissenhaften Richter. Der Hauptgrund dieses Übels liegt
-aber darin, daß die Arbeiten der juristischen Schriftsteller zu wenig
-auf ein bestimmtes, großes Ziel planmäßig hingerichtet waren. Wir haben
-eine ungeheure Menge Compendien, Observationen, einzelne Abhandlungen
-u. s. w., aber eigentliche Bücher, die als integrirende Theile eines
-wissenschaftlichen Abschlusses (nach den Einsichten eines gegebenen
-Zeitalters) betrachtet werden könnten, haben wir verhältnißmäßig sehr
-wenige, und wie vieles hätte dafür geschehen können, wenn das, was
-in jenen einzeln versplitterten Kräften gut und fruchtbar war, auf
-einfache und wesentliche Zwecke concentrirt worden wäre. Vor mehreren
-Jahren sollte in einem großen Deutschen Staate ein neues Gesetzbuch
-gemacht werden, und man hatte dabey[[190]] den Plan, das Römische
-Recht als Subsidiarrecht gelten zu lassen. Vergebens sah man sich nach
-einem ausführlichen Handbuch des Römischen Rechts um, welches den
-praktischen Juristen zu ihrer Belehrung hätte empfohlen werden können.
-Deshalb sollte damals ein solches Handbuch veranlaßt werden, welches
-jedoch so wie die ganze damals unternommene Abfassung des Gesetzbuchs,
-unterblieb. Ein solches Handbuch nun ist es, was wir in allen Theilen
-unsres Rechts, am meisten im Römischen Recht, bedürfen und vermissen.
-Soll es gründlich gemacht werden, so übersteigt es die Kräfte eines
-Einzelnen, aber durch gemeinsame Arbeit aller, die inneren Beruf dazu
-haben, könnte es in einigen Jahren wohl zu Stande kommen. Der Weg zur
-Ausführung wäre dieser. Nach einem einfachen, leicht übersehbaren
-Plan würde eine tabellarische Übersicht aller Gegenstände entworfen.
-Hieraus wählte sich jeder Theilnehmer diejenigen aus, wofür er am
-meisten vorgearbeitet hätte. Jede einzelne Arbeit müßte enthalten:
-1. Rechtsgeschichte ganz im Detail, und besonders mit vollständiger
-Zusammenstellung der Quellen. 2. Dogmatik, gleichfalls durch Quellen
-vollständig begründet, und verbunden mit Erklärung dieser Quellen, so
-viel dazu nöthig. 3. Literatur, und zwar mit Angabe des Inhalts und
-mit Beurtheilung, sowohl was die zusammenhängenden Schriften über das
-Ganze, als was einzelne zerstreute Bemerkungen betrifft. 4. Endlich
-wären auch politische Ansichten, Wünsche und Vorschläge, obgleich
-nicht so dringendes Bedürfniß, dennoch keinesweges ausgeschlossen.
-Die Reihe von Werken verschiedener Verfasser, die auf diese Weise
-entstehen würde, wäre durch die gemeinschaftliche zusammenhängende
-Aufgabe zugleich als Ein großes Werk zu betrachten, welches Verhältniß
-schon durch die ähnliche äußere Einrichtung bezeichnet werden könnte.
-Man wende nicht ein, daß wegen der verschiedenen Ansicht und Richtung
-der Verfasser nur ein täuschender Schein von Einheit in jenen Werken
-entstehen, und daß die Erreichung des Zwecks bey jedem einzelnen
-Werk sehr zufällig und zweifelhaft seyn würde. Wenn jeder nicht nur
-mit Ernst, sondern auch mit einiger Selbstverläugnung arbeitet, wird
-dieses keinesweges der Fall seyn. Es müßte nämlich ausdrücklich
-zur Aufgabe gemacht werden, daß das rein factische, ausgemachte,
-allgemeingültige auf eine sichtbare Weise von dem getrennt würde, was
-jeder als neue, individuelle Ansicht, als bloße Hypothese, zuzugeben
-gut fände, eine Bemühung, die selbst dem Gelingen jeder Arbeit an sich
-und ohne Rücksicht auf jenen gemeinsamen Zweck förderlich seyn könnte.
-Freylich wird es auch bey dieser Vorsicht nicht fehlen, daß uns manche
-Arbeiten großenteils mislungen und ungenügend erscheinen werden:
-dennoch wird im schlimmsten Fall durch die bloße Zusammenstellung
-der Quellen und der Literatur unglaublich viel[[191]] gewonnen, und
-für jede künftige, bessere Arbeit vorbereitet seyn. Gerade das, was
-jetzt das abschreckendste ist, die Masse des factischen, wird dadurch
-bezwingbar geworden seyn. Auch versteht es sich, daß jeder Mitarbeiter
-die einzelnen Bemerkungen und Ausführungen, die er für die Werke der
-übrigen vorräthig hätte, diesen überlassen würde, besonders aber
-die Literarnotizen, die in ihre Materien gehörten. Damit für die
-Literatur die möglichste Vollständigkeit erreicht würde, müßte jeder
-das Verzeichniß der Schriften, die ihm für sein Werk bekannt sind, zur
-Kenntniß der übrigen bringen, so daß es durch diese vervollständigt
-werden könnte. -- Ein solches Unternehmen müßte unfehlbar gelingen,
-wenn es nur ohne Selbstsucht und persönliche Anmaßung, mit reiner
-Liebe zur Sache angegriffen würde. Es wäre ein schönes Beispiel
-von Gemeingeist, wenn tüchtige Juristen der verschiedensten
-Ansichten, Freunde und Gegner neuer Gesetzbücher, zu diesem Zwecke
-zusammentreten wollten, und *Thibauts* vorzügliche Theilnahme würde,
-wie in jeder Rücksicht, so besonders auch aus diesem Grund, von
-großer Wichtigkeit seyn. Man hat oft mit Recht geklagt, daß sich die
-Deutschen, auseinander gehalten durch leere, gehässige Einbildungen,
-zu nichts gemeinschaftlichem entschließen wollten: hier ist etwas
-gemeinschaftliches, daß recht eigentlich unsres Berufs ist, und wozu
-wir der Mitwirkung der Regierungen gar nicht oder nur sehr beyläufig
-bedürfen. Der Gesetzgebung wird dadurch eben so gut vorgearbeitet, als
-der Wissenschaft, und auch diejenigen, welche von Gesetzbüchern das
-Heil erwarten, müssen ihr Ziel dadurch gefördert sehen.
-
-
-Zweyte Beylage.
-
- ~Analyse des observations des tribunaux d'appel et du tribunal de
- cassation sur le projet de code civil~ (von ~Crussaire~). ~Paris
- 1802. 4. p. 5-9.~
-
-~[[192]] MONTPELLIER. Il faut au Code un caractère de simplicité que
-n'offre pas le projet: jamais la France ne fut dans une situation plus
-heureuse pour recevoir une législation simple.~
-
-~Dans l'état où la législation projettée se présente, les formes y
-semblent quelquefois un peu trop compliquées. Il est à craindre qu'en
-trompant le voeu exprimé dans le Discours préliminaire, le fisc n'ait
-autant à gagner que le justiciable à perdre.~
-
-~Quant aux choses, les circonstances et les localités sont et doivent
-être la règle nécessaire et le motif déterminant de la loi; telles
-sont, par exemple, les lois agraires, toutes celles qui ont trait à
-l'agriculture, aux servitudes réelles, services fonciers, etc. Ces
-lois sont tellement modifiées par les localités, que celles qui sont
-appropriées à une contrée, pays plat, ne conviennent pas souvent à la
-contrée voisine, pays montagneux.~
-
-~D'après ces principes, comment concevoir un systême de législation
-uniforme sur l'usage des eaux pour l'irrigation des terres, et
-l'exploitation des usines, sans nulle distinction, entre les propriétés
-et contre l'usage des lieux, qui ne se règle pas toujours d'après
-l'utilité (ainsi que l'établit le projet); mais bien d'après la
-propriété qui en est acquise exclusivement, à ceux qui sont en droit de
-s'en servir.~
-
-~Le même inconvenient se présente à l'égard de l'exploitation, et la
-durée des baux à ferme et à cheptel qui, dans certains pays, comportent
-*équitablement* des stipulations que le projet de code proscrit.~
-
-~Il en est de même des servitudes rurales dont l'usage, non moins
-fréquent que varié, ne peut pas sans doute s'arranger,[[193]] comme
-dans le projet de code, dans le cadre d'un *systême uniforme*.
-Les exceptions doivent être à côté de la règle, et dictées par la
-connaissance exacte des localités.~
-
-~Dire que la disposition générale du projet de code pourvoit à ces
-inconvéniens, en laissant les anciens usages derrière les nouvelles
-lois, ce n'est pas se pénétrer assez de la difficulté à l'égard de
-tous les cas. Il y a aussi d'autres usages généraux qui ont divisés la
-France en deux grandes parties, en pays de droit écrit, et en pays de
-coutume; ces usages se confondent, par le projet de code, dans l'unité
-du même systême; c'est, dit-on, une *transaction* entre *le droit écrit
-et les coutumes*.~
-
-~Pour apprécier cette *transaction* et les avantages qui doivent en
-résulter pour l'un et l'autre pays, il faut faire quelques remarques:~
-
-~1. Ce qui s'est trouvé réformé par la force des choses, et par la
-constitution même, n'a pu faire l'objet de cette transaction.~
-
-~D'un autre côté, dans les lois romaines, comme dans les coutumes,
-il faut distinguer celles qui ont pour fondement le droit naturel et
-l'équité, de celles qui tiennent à la fois à l'ordre naturel et civil,
-ainsi qu'à l'ordre politique; aux simples rapports des individus entre
-eux, et à ces mêmes rapports compliqués, avec ceux de la société; les
-premières, d'une équité évidente, ne peuvent pas être maniées au gré du
-législateur; les autres se prêtent à l'esprit de systême qui crée les
-différentes combinaisons, parmi lesquelles le législateur peut choisir
-celui qui lui paraît le plus convenable.~
-
-~C'est ainsi que les rédacteurs du projet de code ont eu à choisir
-entre les dispositions du *droit écrit* et les dispositions du *droit
-coutumier*, principalement sur les points systématiques *de la
-puissance paternelle, des tutelles, minorités et interdictions, des
-successions, des donations entre-vifs ou à cause de mort, des droits
-des époux dans le contrat de mariage, des prescriptions etc.*; c'est là
-où l'on met le droit romain plus aux prises et en oppositions avec les
-coutumes, et où l'on a pu le faire *transiger*.~
-
-~Mais qu'a-t-il été accordé ou soustrait au *droit écrit*? Qu'a-t-il
-été accordé ou soustrait au *droit coutumier*?~
-
-~Quant à la *puissance paternelle*, la coutume obtient de l'affaiblir
-en plaçant à côté d'elle la communauté de biens entre époux; ce qui met
-en opposition, dans un ménage, le *crédit* d'un époux avec l'autorité
-de l'autre; autorité qui perd presque toute la force qu'elle tient du
-droit écrit, par l'avantage accordé à la coutume d'ôter aux pères la
-faculté d'exhéréder leurs enfans, de disposer librement de leurs biens,
-et d'ôter aux enfans le droit d'exiger des pères un établissement
-convenable.~
-
-~[[194]] Si, dans les *tutelles*, le *droit écrit* l'a emporté dans
-sa disposition peu convenable à nos usages concernant la division de
-la tutelle en quatre espèces, la coutume a triomphé dans les points
-bien plus essentiels où elle ne laisse pas distinguer entre tuteur et
-curateur, ni entre pupille, et mineur ou adulte, elle a triomphé encore
-en mettant, à la place de l'interdiction pour cause de prodigalité, la
-disposition officieuse si peu propre à la remplacer.~
-
-~Dans les *successions* on ne trouve plus ces grands traits de la
-législation romaine, qui ne déférait l'hérédité qu'à un seul titre
-universel par la volonté de l'homme, et à défaut par la disposition
-de la loi; principe simple dont les avantages étaient sentis dans la
-pratique.~
-
-~En écartant ce principe, la coutume fait concourir à la fois la
-succession légitime avec la succession testamentaire; et il y a tout
-autant de titres universels qu'il y a de dispositions sur des portions
-de biens par quelques actes que ce soit. Le partage en deux lignes pour
-les ascendans et les collatéraux, contrarie, dans la plupart des cas,
-l'équitable disposition du droit écrit, en faisant passer les diens
-dans les familles étrangères; systême qui, par la prolongation des deux
-lignes à l'infini, priva les époux de tous les avantages que le droit
-écrit leur ménageait sur leur succession réciproque.~
-
-~Il est vrai que ce droit paraît avoir été adopté pour les
-*prescriptions*; mais ces règles qui ne font que compliquer mal à
-propos les dispositions, n'auraient pas dû être maintenues.~
-
-~Ce serait donc ainsi qu'on aurait fait transiger les deux droits en
-laissant, à l'empire de la coutume, la presque totalité des points
-sur lesquels elle pourrait être en concurrence avec le droit romain,
-et en abandonnant au droit écrit les autres points qui sont de peu
-d'importance droit d'ailleurs qui était modifié par les coutumes
-particulières qui y dérogeaient, ou y ajoutaient selon les convenances
-ou les localités.~
-
-~Ainsi, tel pourra être le sort de ces pays que, par le nouveau systême
-de législation, ils seront frustrés à la fois et des dispositions
-du droit écrit, et de celles de leur coutume particulière, qui leur
-étaient convenables; et qu'ils recevront, à la place de ces lois qu'ils
-avaient choisies, des dispositions coutumières qui ne leur conviennent
-pas, et des dispositions du droit écrit déjà par eux rejettées ou
-modifiées.~
-
-~Mais, quelles que soient les nouvelles lois qui seront données à la
-France, le législateur ne doit pas moins se tenir en garde contre les
-effets de la rétroactivité, et contre les inconvéniens du point de
-rencontre des nouvelles lois[[195]] avec les lois anciennes, pour le
-prévenir, autant qu'il est possible, ou les corriger sans blesser la
-justice et l'équité.~
-
-~Le projet de Code qui établit en principe *que la loi ne dispose que
-pour l'avenir, et qu'elle n'a point d'effet rétroactif*, manquera
-le but au moins sur divers cas: par exemple, à l'égard du cours
-d'eau, dont l'ancien droit ne permettait pas l'usage an propriétaire
-riverain, sur le seul fondement de son utilité particulière, lorsque
-l'usage exclusif en était légitimement acquis à d'autres propriétaires
-ou possesseurs d'usine; c'est ainsi que l'ancien propriétaire se
-trouverait dépouillé, en vertu de la loi nouvelle, d'un droit acquis
-depuis des siècles, et après avoir fait, sous la foi de l'ancienne loi,
-des constructions qui lui deviendraient inutiles après la perte de son
-droit.~
-
-~Le tribunal de Montpellier desire aussi que le législateur s'explique
-enfin sur le vrai sens et sur l'effet que doit avoir le décret du.....
-septembre 1791, qui déclare non écrites toutes clauses insérées aux
-actes, et qui seraient contraires aux moeurs, ou aux lois nouvelles, à
-la liberté religieuse, naturelle et civile, et à celle de se marier ou
-remarier; et la loi des 24. octobre et 14. novembre 1792, qui prohibe
-les substitutions pour l'avenir, abolit celles qui se trouvaient alors
-établies, et maintient l'effet de celles seulement qui étaient ouvertes
-à cette époque.~
-
-~Les tribunaux ont pensé que le législateur n'avait pas vu d'effets
-rétroactifs dans ces deux lois; cependant le tribunal de cassation
-croit y voir ce vice. Le projet de Code ne règle rien à cet égard: or,
-il serait à désirer que le législateur s'expliquât pour faire cesser ce
-conflit, et les incertitudes qui en résultent.~
-
-~Ici, les lacunes qui résulteront de l'abrogation des lois anciennes,
-générales ou particulières, et locales, présenteront une foule de
-difficultés à la sagacité du législateur.~
-
-~Ainsi, régler les rapports, combler les lacunes, régulariser les
-effets compliqués des anciennes et nouvelles lois; suppléer à leur
-silence, pénétrer leur obscurité, telle est la tâche immense qu'imposé
-le perfectionnement du grand ouvrage de la législation nouvelle.~
-
-~C'est cette tâche que les rédacteurs du projet semblent renvoyer
-à l'arbitrage des juges pour la remplir, à mesure qu'ils feront
-l'application des lois aux cas particuliers; et telle serait la
-jurisprudence qu'on entend placer à côté du sanctuaire des lois!~
-
-~Mais quelle jurisprudence! n'ayant d'autre règle que l'arbitraire
-sur l'immensité d'objets à co-ordonner au systême de législation
-nouvelle, à quelle unité, à quel concert faudrait-il s'attendre de
-la part d'une pareille jurisprudence, ouvrage de tant de juges et de
-tant de tribunaux, dont[[196]] l'opinion ébranlée, par les secousses
-révolutionnaires, serait encore si diversement modifiée! quel serait
-enfin le régulateur de cette jurisprudence disparate, qui devrait
-nécessairement se composer de jugemens non sujets à cassation,
-puisqu'ils ne reposeraient pas sur la base fixe des lois, mais sur des
-principes indéterminés d'équité, sur des usages vagues, sur des idées
-logiciennes, et, pour tout dire en un mot, sur l'arbitraire!~
-
-~A un systême incomplet de législation, serait donc joint pour
-supplément une jurisprudence défectueuse.~
-
-~Pour l'éviter, le législateur pourrait tourner ses vues sur son propre
-ouvrage, le compléter lui-même autant que possible, et ne considérer
-le projet de Code que comme *les Institutes du droit français*, à
-l'instar des institutes de JUSTINIEN à l'égard du droit romain. Comme
-ces dernières, le projet de Code contiendrait les principes généraux
-du droit, et, pour ainsi dire, le texte des lois. Le commentaire, le
-développement et les détails sur chaque matière devraient être l'objet
-de tout autant de traités séparés, comme ils le sont à-peu-près dans le
-Code et dans le Digeste du droit romain.~
-
-~Une autre méthode pourrait peut-être conduire le législateur à un
-résultat non moins heureux, quoiqu'avec moins d'effort, de travail et
-de secousses; si l'unité, dans le systême législatif, est d'une utilité
-si évidente qu'elle doit être envisagée comme un dogme politique dont
-il ne peut pas être permis de s'écarter, il est certain aussi que la
-France, telle qu'elle est aujourd'hui, est un état trop étendu pour que
-la différence des climats n'en nécessite une dans certaines lois, que
-la nature des choses et celle du sol modifient nécessairement.~
-
-~Ainsi, *laisser subsister les différences locales* en tout ce qu'elles
-ne choquent pas l'esprit général et *ramener le reste à l'uniformité*,
-telle paraît être la tâche du législateur.~
-
-~Pour atteindre ce but, faut-il tout détruire, abroger toutes les lois
-anciennes pour tout récréer? Il paraît plus simple et plus naturel de
-maintenir l'ancien systême, en y dérogeant sur les points qui doivent
-être ramenés à l'unité et à l'uniformité, et surtout ceux dont notre
-nouvelle situation politique demande la modification ou la réforme.~
-
-~Quant à ces derniers points, l'ouvrage paraît déjà porté à sa
-perfection dans le livre premier du projet du Code, sur l'état des
-personnes, et dans les différentes lois rendues par nos assemblées
-nationales.~
-
-~A l'égard des autres points, sur lesquels doivent tomber le changement
-et la réforme nécessités par l'unité du systême, il semble qu'on ne
-peut pas s'y méprendre, et qu'ils ne se présentent pas en si grand
-nombre. En effet, en laissant de[[197]] côté toutes les dispositions ou
-principes du droit naturel, appelés *la raison écrite*, dont l'équité
-évidente s'allie avec tous les systêmes législatifs, il ne resterait
-précisement que les points de droit ou les matières que nous avons
-appelées plus haut *systématiques*, parce que leur règle est moins dans
-l'invariable nature que dans la variable combinaison des convenances
-particulières et générales.~
-
-~D'après ce plan, qui paraît si simple, les matières à traiter dans le
-nouveau Code se réduiraient à-peu-près à *la puissance paternelle, et
-aux obligations des pères envers leurs enfans; aux tutelles, minorités,
-et interdictions, aux successions et aux donations entre-vifs, ou à
-cause de mort, aux droits des époux dans les contrats de mariage, aux
-hypothèques, aux ventes forcées, et aux prescriptions*.~
-
-~Toutes les autres matières pourraient ainsi rester à leur place,
-et avec leur force dans le dépôt des anciennes lois; et ces lois,
-soit générales, soit particulières ou locales, continueraient d'être
-exécutées comme auparavant dans tout ce qui n'y aurait pas été dérogé
-par la loi nouvelle du Code.~
-
-~Cette méthode pourrait réunir les deux objets d'importance majeure que
-le législateur doit avoir principalement en vue, l'utilité générale de
-l'unité du systême avec les convenances particulières des localités.
-Ainsi, le contact des lois anciennes et nouvelles dans un nombre de
-points infiniment moindres, faciliterait davantage leur cohérence et
-leur liaison. Avec beaucoup moins d'efforts, la législation serait plus
-complète et la jurisprudence plus certaine. La règle ne manquerait pas
-au juge, et la contravention aux lois aurait un correctif. Au lieu de
-détruire, on ne ferait, pour ainsi dire, que réparer, et le changement
-paraîtrait moins une innovation qu'une conservation de ce qu'il n'est
-pas nécessaire de détruire, et une amélioration de ce qu'il est utile
-de réformer ou de modifier.~
-
-~Tel paraît être le modèle du Code que réclame la situation actuelle
-de la France. On le croit tracé en entier dans la maxime rappelée dans
-le discours préliminaire du projet, où il est dit: *Qu'il est utile de
-conserver tout ce qu'il n'est pas nécessaire de détruire.* En effet,
-les changemens dans les lois ne sauraient être trop réfléchis, et ils
-ne peuvent être justifiés que par une utilité évidente: *in rebus novis
-constituendis*, dit la loi romaine, puisée dans les écrits de Platon,
-*evidens debet esse utilitas ut recedatur ab eo jure quod diu aequum
-visum est*.~
-
-
-6. Bemerkungen.
-
-S. 14. *Savigny* hat auch in späterer Zeit trotz zahlreicher
-Widersacher an den Grundauffassungen seiner Streitschrift
-*festgehalten*. (Vgl. die Vorrede zur 2. Ausgabe vom Jahre 1828.)
-So war es auch weiterhin. In der Bibliothek des Preußischen
-Justizministeriums befindet sich ein Exemplar von Savignys
-Streitschrift (3. Aufl. 1840), auf dessen erster freier Seite mit Tinte
-geschrieben, nach der Schrift zu schließen, von der Hand Savignys (über
-seine Ministertätigkeit s. o. S. 31) folgende Worte stehen: =hames de
-g'eimes; ai de lês, augasdeo=. ~Plut. instit. Lacon. c. 15.~ -- 24.
-Dez. 47.« -- Sinngemäß übersetzt bedeutet diese Stelle: »*Wir sind noch
-rüstig; wenn Du willst, versuch' es!*« Sie ist in dorischem Dialekt
-abgefaßt und der Abhandlung »Die alten Gebräuche der Lacedämonier«
-(~Instituta Laconica~) aus Plutarchs Moralisch-philosophischen Werken
-(~Moralia~) entnommen. Der Zusammenhang ist dort folgender: »An
-gewissen Festen wurden (in Sparta) nach dem dreifachen Alter drei Chöre
-errichtet. Das Chor der Greise sang zuerst: »»Wir waren einst rüstige
-Jünglinge.«« Darauf antwortete das Chor der jungen Männer: »»Wir sind
-es noch, wenn Du willst, versuch' es.«« Zuletzt sang das Chor der
-Knaben: »»Wir werden einst noch viel besser sein.«« (Übersetzung von J.
-F. S. Kaltwasser, Wien und Prag 1797, 2. Bd. S. 202.)
-
-S. 19. Wegen der Einzelgesetzgebung siehe S. 148, 149.
-
-S. 20. Für unsere Ansicht sprechen auch *Hugos* Worte S. 187. Wegen
-weiterer Literatur zu der Streitfrage vgl. Brinz, Die Savignyfeier
-am 21. Februar 1879, in der Kritischen Vierteljahresschrift für
-Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Bd. 21, München 1879, S. 485 ff.,
-auch Bd. 22, S. 161 ff.
-
-S. 22. Zur »Geschichte der privatrechtlichen Kodifikationsbestrebungen
-in Deutschland« vgl. auch die Abhandlung von E. *Schwartz*, Archiv für
-Bürgerliches Recht, Berlin, Bd. 1 (1889), S. 1 ff. mit Bemerkungen
-über die Streitschriften Thibauts und Savignys. Erwähnt sei noch die
-Bemerkung Gierkes (unten S. 237, N. 38 u. 80) zu Anton *Christs*
-Schrift Über deutsche Nationalgesetzgebung, Karlsruhe 1842, daß
-hier zuerst die Kodifikation aus geschichtlichen und organischen
-Gesichtspunkten begründet werde.
-
-S. 23. Über den Einführungsartikel der Zeitschrift *Savignys* hat
-*Thibaut* in den Heidelbergischen Jahrbüchern 1815 Nr. 42 eine
-beachtenswerte Rezension geschrieben, in der er »den anzüglichen
-Namen ungeschichtliche Schule verbittet«. *Savigny* sagt dort: »Die
-geschichtliche Schule nimmt an, der Stoff des Rechts sei durch die
-gesamte Vergangenheit der Nation gegeben, doch nicht durch Willkür, so
-daß er zufällig dieser oder ein anderer sein könnte, sondern aus dem
-innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen.«
-
-
-S. 23. Vgl. *Herders* Gedicht »An den Kaiser« (Joseph II.). 1780. »Gib
-uns,.... Ein Deutsches Vaterland, Und *Ein* Gesetz....«
-
-S. 24. Zu dem Ausdruck »Volksgeist« vgl. auch die Wendung *Feuerbachs*
-S. 195.
-
-S. 24. Wegen der Stellung der historischen Schule zur Philosophie s. S.
-99 und 202.
-
-S. 25. Ein alter Vorwurf gegen *Savigny* ist seine Überschätzung des
-Gewohnheitsrechts.
-
-S. 31. Über Beziehungen *Savignys* zu Goethe vgl. z. B. Eckermanns
-Gespräche mit Goethe, 6. April 1829 (»unser trefflicher Savigny«).
-
-S. 32. Aus der Bibliothek *Savignys* befinden sich viele alte und
-seltene Werke romanistischen Inhalts auf Grund seines Vermächtnisses
-in der Berliner Königlichen Bibliothek. Vgl. Verzeichnis der der
-Königlichen Bibliothek vermachten Werke Savignys.
-
-S. 33. Aus den Vorräten der 3. Auflage *Savignys* wurde 1878 eine
-zweite (Titel-)Ausgabe veranstaltet.
-
-S. 33, 34. Um wirkliche Druckfehler aus dem Texte der Schrift
-*Savignys* möglichst auszumerzen, sind alle drei zu seinen Lebzeiten
-erschienenen Ausgaben verglichen worden. Da die 2. und 3. Ausgabe einen
-völlig unveränderten Abdruck der Schrift enthalten soll (s. Vorrede der
-2. Ausgabe), ist von einer Zusammenstellung der Textabweichungen, die
-nur auf Druckfehlern beruhen können, abgesehen.
-
-S. 41. *Thibaut* meint mit den Worten »aus dem Munde eines geistvollen,
-edeln Schriftstellers« offenbar August Wilhelm *Rehberg*, dessen Werk
-über den Code Napoleon die Veranlassung zu der Rezension Thibauts
-in den Heidelbergischen Jahrbüchern 1814 Nr. 1 u. 2 und weiter zu
-Thibauts Flugschrift wurde. Vgl. Landsberg, Geschichte der Deutschen
-Rechtswissenschaft, III, 2, Noten, S. 32 Nr. 20 und brieflich.
-Eine Stütze dieser Ansicht finde ich darin, daß Thibaut in dieser
-Rezension sich ganz ähnlicher Wendungen bedient, wie an unserer Stelle
-(»geistvolle Arbeiten des Verfassers; er macht Gewohnheit und Herkommen
-zur Grundlage aller bürgerlichen Einrichtungen; er tadelt, daß der Code
-es nicht bei dem chaotischen Allerlei der verschiedenen Ortsgebräuche
-bewenden ließ«), daß Thibaut es ferner absichtlich vermeidet (vgl.
-seine Vorrede), den Namen Rehberg zu nennen. Eine weitere oben S.
-10 nicht erwähnte Besprechung des Rehbergschen Buches befindet sich
-übrigens in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen 1814 S. 33.
-
-S. 46. Gegen »Trivialitäten« und »Übertreibungen« in *Thibauts* Schrift
-(S. 23, 25, 28, 12, 64, 34 der 1. Ausgabe) wendet sich Immanuel
-*Bekker*, Über den Streit der historischen und der filosofischen
-Rechtsschule, Heidelberg 1886; später milder in »Vier Pandektisten«,
-Heidelberg 1903. Siehe auch *Savignys* Schrift S. 122 (1. Ausgabe).
-
-S. 53. Wer unter dem »bedeutenden verstorbenen Staatsmann« zu verstehen
-ist, ist nicht sicher festzustellen. Vielleicht ist damit nach einer
-(brieflich geäußerten) Vermutung des Herrn Professors ~Dr.~ Ernst
-Landsberg der am 17. November 1813 gestorbene Geheime Rat Johann
-Nikolaus Friedrich *Brauer* gemeint, ein altbewährter Ratgeber Carl
-Friedrichs von Baden. Brauer wurde außer anderen gesetzgeberischen
-Arbeiten die Bearbeitung und Einführung des Code Napoleon in Baden
-übertragen.
-
-S. 55. Die Stelle vom Völkervertrag beurteilt *Meinecke*, Weltbürgertum
-und Nationalstaat, München und Berlin 1908, S. 195 wegen des damaligen
-Nationalgefühls milder, als es oben geschehen ist.
-
-S. 58. Carl Friedrich von Baden, seit 1738 Markgraf, seit 1803
-Kurfürst, seit 1806 Großherzog, ist am 11. Juni 1811 gestorben.
-
-S. 63. Die Beibehaltung der Besonderheiten erinnert an die im
-Einführungsgesetz des Bürgerlichen Gesetzbuchs Art. 55-152 enthaltene
-Verlustliste der Deutschen Rechtseinheit.
-
-S. 88. Die Stelle »weit weniger Individualität« bezeichnet *Bekker*, a.
-a. O., S. 9 als »fast unbegreiflich«. Vgl. auch die Wendung »fungible
-Personen« S. 163.
-
-S. 91, 92 (163). Hiergegen wendet sich *M. A. von Bethmann-Hollweg*,
-Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft als Aufgabe unserer Zeit,
-Bonn 1876, S. 7 ff.: *Savigny* bedenke nicht, daß die Römer ihr
-gesamtes Recht schon in frühester Zeit in den Zwölf Tafeln als Gesetz
-verzeichnet haben und daß dieses bis auf Justinian den festen Kern des
-Rechtssystems bildete. Diese Schrift verdient auch sonst wegen ihrer
-mehrfachen Rückblicke auf den Streit zwischen *Thibaut* und *Savigny*
-unsere Beachtung.
-
-S. 105. Vgl. S. 229.
-
-S. 118. Das Zitat aus dem Ausspruch des Tribunals von Montpellier ist
-nicht ganz genau. Siehe S. 229, ferner S. 203 (ungünstiges Urteil über
-die französischen Juristen).
-
-S. 119. *Savigny* schreibt Suarez statt Svarez. Der Verfasser des
-Preußischen Landrechts lebte von 1746 bis 1798 (Biographie von *Adolf
-Stölzel*, Berlin 1885).
-
-S. 132. J. A. Hellfeld (Jena), ~Jurisprudentia forensis secundum
-Pandectarum ordinem~.
-
-S. 140, 141. Diese Reinigung richtete sich tatsächlich gegen den
-»germanischen Einschlag«, den das römische Recht im Laufe seiner
-Entwicklung -- teilweise durch das Verdienst der Naturrechtler --
-erfahren hatte. *Gierke* (Die historische Rechtsschule und die
-Germanisten, Berlin 1903, S. 10 ff.) erblickt hierin die »wirkliche
-Sünde der historischen Rechtsschule«, die »ihrem eignen Prinzip untreu«
-wurde. Damit hängt auch die Verschärfung des Gegensatzes zwischen
-Romanisten und Germanisten zusammen.
-
-S. 153. Vgl. S. 204.
-
-S. 156, 157. Vgl. S. 204.
-
-S. 161. Vgl. S. 204.
-
-S. 166. Zwischen ~Itaque~ und ~Deus~ ist ~ut~ ausgefallen. ~Ph.
-Melanthonis opera, Halis Saxonum 1843, XI, 350.~
-
-S. 170. Vgl. Savignys Gegenäußerung über die Bedeutung der
-Rechtsgeschichte S. 206, 207.
-
-S. 170. Die Sätze *Thibauts* von der Rechtsgeschichte bis zu den »zehn
-geistvollen Vorlesungen« dienten dem Hegelianer und erbitterten Gegner
-Savignys *Eduard Gans*, Professor der Rechte in Berlin, als Motto zu
-seinem »Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung«, 4 Bde., Berlin,
-Stuttgart und Tübingen 1824 bis 1835.
-
-S. 185. Von den damals erschienenen anonymen Schriften sei noch erwähnt
-»Blicke auf die juristische Praxis in Beziehung auf das künftige
-Gesetzbuch für Deutschland«, 1817 (für Thibaut). Hingewiesen sei
-auch noch auf *Unterholzners* Vorrede zu seinem »Entwurf zu einem
-Lehrgebäude des bei den Römern geltenden bürgerlichen Rechts«, Breslau
-1817 (gegen die Kodifikation für Savigny).
-
-S. 195. *Feuerbach* schreibt *Thiebaut* statt Thibaut. In seinen
-Kleinen Schriften vermischten Inhalts bemerkt er, daß das Thema seines
-Aufsatzes später am vollständigsten erörtert wurde von ~Meijer de la
-Codification en général, et de celle de l'Angleterre en particulier.
-Amsterdam 1830~.
-
-S. 198. Mutter Carmenta, die Weissagegöttin, bei Dichtern Künderin von
-Roms Größe.
-
-S. 202. Unter dem »ausgezeichneten Rechtsgelehrten« ist natürlich
-*Thibaut* zu verstehen.
-
-S. 206. Wegen *Thibauts* Abhandlungen in den Heidelbergischen
-Jahrbüchern s. S. 32.
-
-S. 221. Mit dem Zitat aus der Jenaischen Literatur-Zeitung 1814 ist
-die S. 191 erwähnte Rezension des *Schmid*'schen Buches Deutschlands
-Wiedergeburt gemeint.
-
-
-
-
-Nachwort.
-
-
-In den Tagen, da die Schlußzeilen dieses mit der Erinnerung an die
-große Zeit der Freiheitskriege verknüpften Buches geschrieben sind,
-steht Deutschland im Kampfe gegen eine Welt von Feinden. Was unsere
-Vorfahren in den Jahren 1813/15 erkämpft und vorbereitet, was unsere
-Väter 1870/71 errungen und verwirklicht haben, das neue Deutsche
-Reich, es muß 1914 verteidigt werden gegen die Neider seiner Macht und
-seines Ansehens auf allen Gebieten menschlicher Entwicklung, gegen
-Kulturfeinde, denen Mißgunst, Rache und Profitgier über alles gehen. In
-wunderbarer Einigkeit steht ganz Deutschland geschart um seinen Kaiser.
-Der Geist von 1914, dies einmütige Aufwallen der Volksseele, dies
-Bestreben jedes einzelnen, sofern er nicht dem Vaterlande unmittelbar
-mit der Waffe dient, als Glied *eines* Organismus seine Kräfte zum
-Wohle des Ganzen möglichst nutzbringend zu betätigen, so daß sich wie
-von selbst neue zweckbewußte Organisationen unseres Gemeinschaftslebens
-gestalten, wird in der Geschichte fortleben als eine noch nie gesehene
-gewaltige Erscheinung, als eigentümliches Kennzeichen unserer Zeit:
-*Mehr als die Waffen schlägt der Geist die Schlachten. Deutschlands
-Wille zum Siege ist die Gewähr seines Sieges.*
-
- *Berlin*, im August 1914.
-
- ~Dr. Jacques Stern~.
-
-
-
-
-Im gleichen Verlage sind erschienen:
-
-
- Einführung in die gerichtliche Praxis.
-
- Ein Buch für Referendare und Studierende.
-
- Von
-
- ~Dr.~ Jacques Stern,
-
- Amtsrichter am Amtsgericht Berlin-Mitte.
-
- 1914. Geheftet 9 M., gebunden 10 M.
-
-*Prof. ~Dr.~ Heilfron* schreibt über dies Buch im »Recht«, Jahrgang
-1914, Nr. 11:
-
- Der Verfasser hat sich um die juristische Jugend ein zweifelloses
- Verdienst erworben. Es kann nicht nur den Referendaren empfohlen
- werden, vor jeder Station den betreffenden Abschnitt durchzuarbeiten,
- sondern auch die Studenten werden an der Hand des Werkes die ihnen
- leider so häufig mangelnde Verbindung mit der Praxis herzustellen
- vermögen.
-
-
- Arrest und einstweilige Verfügungen
-
- nach der Deutschen Zivilprozeßordnung.
-
- Von
-
- ~Dr.~ Jacques Stern,
-
- Amtsrichter am Amtsgericht Berlin-Mitte.
-
- 1912. Geheftet 3 M.
-
-*Warneyer* schreibt über dies Buch in der »Deutschen Juristen-Zeitung«,
-Jahrgang 1912, Nr. 22:
-
- Die Arbeit erreicht ihren Zweck im vollsten Maße. Übersichtlich
- gegliedert, behandelt sie zunächst das materielle und formelle
- Arrestrecht, sodann Voraussetzungen und Inhalt der einstweiligen
- Verfügungen, sowie das Verfahren bei diesen, endlich die Rückgabe der
- Sicherheiten und die Schadensersatzpflicht wegen ungerechtfertigter
- Anordnungen. Auch wo man dem Verfasser nicht folgen kann, weiß er
- seine Meinung geschickt zu begründen.
-
- Druck von Gebhardt, Jahn & Landt G. m. b. H., Berlin-Schöneberg.
-
-
-
-
-Mit Buchstaben indizierte Fußnoten:
-
-[A] Als einer von »Teutschlands Ansprüchen«, als Forderung der
-»künftigen teutschen Verfassung«, als Verlangen der »Volksstimmung«
-kommt eine »gleiche Gerechtigkeitspflege«, ein »gleiches Recht« z. B.
-im Rheinischen Merkur wiederholt zum Ausdruck (Nr. 76 vom 23. Juni
-1814, Nr. 105 vom 20. August 1814, Nr. 219 vom 7. April 1815). Groß
-war auch die Zahl der ohne Nennung des Verfassers erschienenen, außer
-anderen Reformen auch ein einheitliches bürgerliches Recht erstrebenden
-Flugschriften und Bücher. Genannt seien: Was war Deutschland? Was ist
-es jetzt? Was darf es von der Zukunft hoffen? Germanien 1813, 48 S.
-(Vgl. z. B. Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 102 u. 103,
-Wiener Allg. Lit. Ztg., Wien, 1814 Nr. 46 u. Heidelb. Jahrb. 1814 Nr.
-38). Geburt, Taten und Ende des Rheinbundes, kein Roman, sondern eine
-wahre Geschichte, mit einigen bloß in schwachen Umrissen hingeworfenen
-Ideen zur künftigen Regeneration einer deutschen Staatsverfassung an
-das Licht gestellt von einem deutschen Patrioten in der Wüste des
-unterjochten Deutschlands, Germanien 1813, 80 S. (Vgl. Allg. Lit.
-Ztg. u. Wiener Allg. Lit. Ztg., ebenda, sowie Jenaische Allg. Lit.
-Ztg. 1814 Nr. 78). Was hat Deutschland von seinen erhabenen Rettern
-zu erwarten, was hat es zu wünschen? 1814 (ohne Druckort), 27 (nicht
-72) S. (Vgl. Jenaische Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 190.) Ideen über die
-Bildung eines freyen germanischen Staatenbundes nebst einem Anhang über
-einen ähnlichen italischen Bund -- Von dem Verfasser der Ideen über das
-Gleichgewicht von Europa, 1814 (ohne Druckort), 272 S. (Vgl. ebenda
-Nr. 217). Was können die verschiedenen Völkerstämme Teutschlands in
-Rücksicht ihrer inneren Verhältnisse von ihren Regenten verlangen und
-begehren? Germanien 1814. (Vgl. B. W. Pfeiffers Ideen zu einer neuen
-Civil-Gesetzgebung, S. 7; unten Abt. II, 3 u. 5.)
-
-[B] Vgl. auch das zeitlich nach Thibauts Schrift erschienene Buch
-von H. R. Brinkmann, Über den Wert des bürgerlichen Gesetzbuchs der
-Franzosen, mit besonderer Rücksicht auf die Schrift des Herrn geheimen
-Kabinetsraths Rehberg über dasselbe, sowie auf unsere jetzigen
-Bedürfnisse in der Gesetzgebung, Göttingen 1814 (Besprechungen in der
-Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig 1814, Stück 226 bis 228; Jenaische
-Allg. Lit. Ztg. 1815 Nr. 144; Leipziger Lit. Ztg. 1816 Nr. 26,
-Göttingische Gelehrte Anzeigen 1814 Stück 154).
-
-[C] Savignys Stellung zur bürgerlich-rechtlichen *Einzelgesetzgebung*
-ist diese: er ist nicht etwa ein Anhänger der Einzelgesetzgebung
-schlechtweg im Gegensatze zur Kodifikation. Vielmehr ist er, wenn wir
-seine Gruppierung der Einzelgesetzgebung zugrunde legen, Gegner auch
-der Einzelgesetzgebung, soweit sie der organischen Rechtsentwickelung
-entgegentritt: Gesetze von politischem Grunde betrachtet er als
-Ausnahme und notwendiges Übel; die Entscheidung von Kontroversen
-und die Verzeichnung alter Gewohnheiten ist nach ihm ein Objekt
-der Gesetzgebung, doch ist ihm sogar hier ein anderer Weg als die
-eigentliche Gesetzgebung lieber.
-
-[D] Beyspiele habe ich schon oben (civilist. Abhdlgn.) S. 305 bis 311
-gegeben.
-
-[E] Meine civilist. Abhandl. S. 463-466.
-
-[F] Obige Zusammenstellung macht natürlich keinen Anspruch auf absolute
-Vollständigkeit. Immerhin sind hier *in einem bisher nicht erreichten
-Umfange* wissenschaftliche Stimmen zum Streite zwischen Thibaut und
-Savigny vereinigt.
-
-[G] Zwischen Hrn. v. *Savigny* und *Thiebaut*. Was später geschehen,
-hat wenig zur Schlichtung, desto mehr zur Erhitzung des Streits
-beigetragen. Auf der Seite des zuletzt genannten Gelehrten stehen
-übrigens nicht blos diejenigen, welche in der Rechtswissenschaft mehr
-als das Geschichtliche suchen, sondern auch ausgezeichnete Männer
-der reingeschichtlichen Methode. Mein ehrwürdiger Freund, Etatsrath
-Ritter *Cramer* zu Kiel, wird mir verzeihen, wenn ich hier seinen
-Namen nenne und dem Publikum verrathe, daß Er es vorzüglich war, der
-mich gegen die Behauptungen des von uns gemeinschaftlich verehrten
-*v. Savigny* in Harnisch zu bringen und zu freundschaftlichem Kampf
-hinauszuführen gesucht hat. Vieles was den Freuden des geistigen
-Wirkens wenig zusagt, hinderte mich seither, an dieser Angelegenheit
-Theil zu nehmen. Und auch jetzt will ich nicht so angesehen seyn, als
-traute ich mir zu, durch die wenigen Worte, die ich hier zu sagen habe,
-den Streit zu schlichten oder zu vermitteln. *Solons* weises Gesetz,
-wonach jeder gute Bürger verpflichtet war, bey entstandener Partheiung
-seine Gesinnungen öffentlich auszusprechen, sollte vorzüglich in dem
-gelehrten Freistaat und geistigen Tugendbund (oder wie man sonst den
-heiligen Verein für Recht und Wahrheit nennen mag, in welchem ohne
-Heimlichkeit und ohne Schwur Tausende sich Brüder nennen) als eines der
-ersten Grundgesetze gelten. Ich ergreife die gegenwärtige Gelegenheit
-nur dazu, um dieses Gesetz zu erfüllen, und die Parthey bestimmt
-zu bezeichnen, auf deren Seite ich zu finden bin. -- Einige sagen
-vielleicht hierauf spottend: »das haben wir längst gewußt!« Indessen
-hat auch dieses mir nichts zu bedeuten.
-
-[H] Hierin löst sich das meiste von demjenigen auf, was Hr. Prof.
-*Meister* zu Breslau für das römische Recht und dessen Beibehaltung
-einige Zeit vor jenem Streit zwischen *Thiebaut* und *v. Savigny*
-geschrieben hat.
-
-[I] Denn die Geschichte der *Aufnahme* des römischen Rechts, zuerst im
-Einzelnen blos der Materie nach, dann der Form nach im Ganzen, wird
-wohl nicht gegen das oben stehende geltend gemacht werden wollen.
-Ueberdieß läßt sich bestimmt voraussagen, daß diese Geschichte immer
-nur über Manches im Allgemeinen, allein nur über Weniges im Einzelnen
-werde Licht verbreiten können.
-
-[J] Und doch wurde von den Gegnern über Gesetze und Gesetzgebung gerade
-so gesprochen, als hätte man jenes oder dieses gedacht. An ein von dem
-Feuerlande bis nach Kamtschatka allgemeingültiges *gesetzgebendes*
-Naturrecht glaubt man schon lange nicht mehr. Daß aber das Gesetzgeben
-mit dem Despotismus so nahe verwandt sey, daß man *Cäsars* bekanntes
-Vorhaben, ohne weiteres unter den Beweisen seines Strebens nach
-Gewaltherrschaft anführen dürfe, hat man früher noch nie geglaubt, und
-glauben sehr viele noch nicht, wiewohl es seitdem behauptet worden ist.
-
-[K] ~Jura aequare.~ -- Ich schreibe diese Vorrede entfernt von meinen
-Papieren und habe *Livius* so eben nicht bey der Hand, um die Stelle
-näher zu bezeichnen.
-
-[L] Jedes Volk, sobald dasselbe so weit gekommen, seine Rechte in einem
-Gesetzbuche schriftlich darzustellen, änderte und besserte zugleich
-sein Recht. War das Volk aus mehreren kleineren Stämmen mit eignen
-Rechtsgewohnheiten zusammengeflossen, so galt es auch bey Abfassung
-des Rechtsbuchs, vor allem diese Verschiedenheiten in Einstimmung zu
-bringen und aus dem vorhandenen Stoff ein Gemeinsames zu schaffen.
-Abgesehen von den späteren Zusätzen der Könige und des Clerus, enthielt
-schwerlich irgend eines der sogenannten Gesetze der Barbaren, selbst
-in der ursprünglichen Gestalt, ganz reines Gewohnheitsrecht ohne allen
-Einfluß der gesetzgebenden Weisheit dieser Zeit. Was der große König
-*Alfred* in der Einleitung zu seinem Rechtsbuche sagt: ~Ego Alfredus
-Rex in unum colligi et litteris consignari jussi, *multa eorum quae
-parentes nostri observabant, quae mihi placebant, et multa eorum
-quae mihi non placebant rejeci* cum meo sapienti Concilio, et alio
-modo jussi observari~: dieses thaten und dachten, in größerem oder
-geringerem Umfang, besser oder schlechter, gewiß alle, die berufen
-waren, ihres Volkes Rechte in Gesetzen zu verfassen. Das: ~quae mihi
-placebant~, bedeutet aber freylich nicht so viel als: ~car tel est
-notre plaisir~, sondern hat ungefähr denselben Sinn, in welchem König
-*Egica* durch Betrachtungen über Geist und Zweck aller Gesetze das
-westgothische Gesetzbuch einleitet, wenn er sagt: ~Lex erit secundum
-naturam, secundum consuetudinem civitatis, loco temporique conveniens,
-justa et aequabilia praescribens, congruens, honesta et digna, utilis,
-necessaria.~ (~*Canciani* Vol. IV. p. 63. et 247.~)
-
-[M] Wie bey uns, denen ins Angesicht behauptet wurde, keines der
-neueren Gesetzbücher sey an Würde und Kraft des Gesetz-Styls auch nur
-mit der *Halsgerichtsordnung* Kaisers *Karl V.* zu vergleichen. Wenn
-einmal unsere Gesetzbücher ein paar Jahrhunderte alt geworden sind,
-so werden sie unsern Nachkommen wahrscheinlich eben so ehrwürdig und
-gravitätisch klingen, wie uns jetzt die Karolina.
-
-
-
-Mit Zahlen indizierte Fußnoten:
-
-[1] *Rehberg* über den Code Napoleon. Hannover 1814.
-
-[2] *K. E. Schmid* Deutschlands Wiedergeburt. Jena 1814. S. 135 &c.
-*Thibaut* über die Nothwendigkeit eines allg. bürgerlichen Rechts für
-Deutschland. Heidelberg 1814. Jener wünscht für den Augenblick Annahme
-des Oesterreichischen Gesetzbuchs, dieser sogleich ein neues.
-
-[3] Vorzüglich in der Encyclopädie ~ed.~ 4. §. 21. 22. Naturrecht ~ed.~
-3. §. 130. Civilist. Magazin B. 4. ~Num.~ 4.
-
-[4] ~*Baco* de fontibus juris, aphor. 59-64 (de augmentis scient. L. 8
-C. 3).~
-
-[5] ~l. c. aph. 64. »Optandum esset, ut hujusmodi legum instauratio
-illis temporibus suscipiatur, quae antiquioribus, quorum acta et opera
-tractant, literis et rerum cognitione praestiterint ... Infelix res
-namque est, cum ex judicio et delectu aetatis minus prudentis et e
-ditae antiquorum opera mutilantur et recomponuntur.«~
-
-[6] *Hugo* Naturrecht §. 130 N. 7. »Wenn alle Rechtsfragen von oben
-herab entschieden werden sollten, so würde es solcher Entscheidungen so
-viele geben, daß es kaum möglich wäre, sie alle zu kennen, und für die
-unentschiedenen Fälle, deren doch immer noch genug übrig blieben, gäbe
-es nur um so mehr widersprechende Analogien.«
-
-[7] ~*Baco* de augm. scient. L. 8. C. 3. »Jurisconsulti autem....
-tanquam e vinculis sermocinantur.«~
-
-[8] ~Motifs de la loi du 3. Sept. 1807~ vor dem ~Code Nap. ed. Paris
-1807. 8. p. IX.~ (*von Bigot-Preameneu*).
-
-[9] ~_Sueton._ Caesar. C. 44. Jus civile ad certum modum redigere,
-atque ex immensa diffusaque legum copia, optima quaeque et necessaria
-in paucissimos conferre libros.~
-
-[10] ~Motifs de la loi du 3. Sept. 1807~ vor den Ausgaben des Code seit
-1807, von *Bigot-Preameneu*.
-
-[11] ~*_Montesquieu_* XXIX. 18.~
-
-[12] Man vergleiche was über die Gleichförmigkeit des Rechts *Rehberg*
-über den Code Nap. S. 33 und f., so wie über die wichtigen Folgen der
-gänzlichen Umwandlung des Rechts derselbe S. 57 u. f. sagt.
-
-[13] Die Discussionen des französischen Staatsraths über den Code geben
-eine bequeme Uebersicht über das Verhältniß dieser Theile: bey jenen
-konnten die Nichtjuristen kein Ende finden, von diesen war oft gar
-nicht die Rede.
-
-[14] *Thibaut* a. a. O. ~p.~ 54.
-
-[15] ~*Tacitus*, Agricola C. 3.~
-
-[16] Ich werde dabey auf folgende Schriften verweisen: ~Conférence du
-code civil avec la discussion ... du conseil d'état et du tribunat.
-Paris Didot 1805. 8. vol. in 12.~ -- ~Code civil suivi de l'exposé des
-motifs~ (die Reden im ~corps legislatif~). ~Paris Didot 1804. 8. vol.
-in 12.~ -- (~*Crussaire*~) ~Analyse des observations des[55] tribunaux
-d'appel et du tribunal de cassation sur le projet de code civil. Paris
-1802. 4.~ -- ~*Maleville* analyse raisonnée de la discussion du code
-civil, ed. 2. Paris 1807. 4. vol. in 8.~ Der ~Code~ und das ~Projet de
-code civil~ sind ohnehin bekannt.]
-
-[17] *Rehberg* über den Code Napoleon. Hannover 1814. 8.
-
-[18] ~Conférence T. 4. p. 126.~ »~Ces substitutions étaient contraires
-à l'intérêt de l'agriculture, aux bonnes moeurs, à la raison; personne
-ne pense à les rétablir.~«
-
-[19] Einige Stellen s. bey *Rehberg* S. 141. 163. 177. 187.
-
-[20] Dieses sind im wesentlichen die Ansichten von *Rehberg*, und ich
-sehe nicht, wie man diesen ungerechte Bitterkeit vorwerfen kann: die
-Anwendung auf manche einzelne Stellen läßt sich freylich bestreiten.
-
-[21] Die Beurtheilung des Code von dieser Seite lag außer *Rehbergs*
-Zweck. Viel treffliches hierüber enthält *Thibauts* Rec. von *Rehbergs*
-Schrift in den Heidelb. Jahrb. 1814. Jan. S. 1 u. f.
-
-[22] Vgl. hierüber die ungemein vortrefflichen Bemerkungen des
-Appellationsgerichts von Montpellier bey ~*Crussaire* p. 5-9~.
-
-[23] Z. B. von *Seidensticker* Einleitung in den Codex Napoleon S.
-221-224.
-
-[24] Heidelb. Jahrb. 1814. Jan. S. 12.
-
-[25] Jene, über ~art.~ 1674-1685, steht ~conférence T. 6. p. 43-94~,
-diese über ~a.~ 1101-1133, ~T. 5. p. 1-21~, und davon nimmt der Text
-wenigstens die Hälfte ein.
-
-[26] ~*Desquiron* esprit des Institutes de Justinien conféré avec le
-code Nap. Paris Renaudière, 1807. 2 vol. 4.~, in der historischen
-Einleitung.
-
-[27] ~Moniteur an X. N. 86. p. 339.~ Die Rede gehört zu den nachher
-unterdrückten Verhandlungen.
-
-[28] ~*Maleville* analyse T. 4. p. 358. 359.~
-
-[29] ~l. c. p. 407.~
-
-[30] ~Conférence T. 2 p. 123. 124. 136.~ Der Irrthum von *Emmery* ~p.~
-139 ist um einige Grade geringer.
-
-[31] ~Conférence T. 6 p. 44.~
-
-[32] Beyspiele wichtiger Materien, die im Code ganz oder größtentheils
-fehlen, stehen in den *Heidelb. Jahrb.* 1814 Januar S. 13.
-
-[33] Lyon und Rouen, bey ~*_Crussaire_* p. 43. 52.~
-
-[34] ~Conférence T. 1. p. 204. 267.~
-
-[35] ~Motifs T. 2. p. 115.~
-
-[36] ~*_Maleville_* T. 1. p. 104.~
-
-[37] ~Motifs T. 2. p. 255.~
-
-[38] ~*_Maleville_* T. 1. p. 165.~
-
-[39] ~*_Maleville_* T. 1. p. 206.~
-
-[40] ~*_Maleville_* T. 1. p. 327.~
-
-[41] ~*_Maleville_* T. 1. p. 96.~
-
-[42] ~*_Maleville_* T. 1. p. 182.~
-
-[43] Die vergeblichen Bemühungen stehen ~conférence T. 2. p. 79-90~.
-Der Gipfel der Verwirrung ist in der Bemerkung von *Tronchet* ~p. 84~
-~que jamais le mariage n'est nul de plein droit; il y a toujours un
-titre et une apparence qu'il faut détruire~. Wenn jemand mein Haus
-besitzt, so giebt es auch ~une apparence à détruire~, (etwas blos
-factisches), dazu dient die Vindication; aber sein angebliches *Recht*
-des Eigenthums ist dennoch ~nul de plein droit~, d. h. es ist gar nicht
-da, und dieses aufzuheben brauche ich keine Klage. Bey Testamenten läßt
-es sich durch den Gegensatz der alten Nullität wegen eines präterirten
-Sohnes, und der ~querela inofficiosi~, recht deutlich machen.
-
-[44] *Portalis* in ~conférence T. 1. p. 29.~; *Boulay* im ~Moniteur an
-X. N. 86. p. 343~. »~On sait que jamais, ou presque[[74]
-jamais, dans aucun procès, on ne peut citer un texte bien clair et bien
-précis de loi, en sorte que ce n'est jamais que par le bon sens et par
-l'équité que l'on peut décider.~«]
-
-[45] ~Conférence T. 1. p. 27. 29.~ ~Motifs T. 2. p. 17. 18.~
-~*_Maleville_* T. 1. p. 13.~ ~Projet, discours préliminaire p. XI. XII.
-XIII.~
-
-[46] *Bonaparte* in ~conférence T. 2. p. 327~. ~Avis du conseil d'état~
-im ~Bulletin des lois~ und bey ~*_Locré_* T. 3. p. 104~, »~les divers
-cas que la loi ... a laissés à la disposition des principes généraux et
-du droit commun.~«
-
-[47] ~Projet l. c.~
-
-[48] ~Projet, discours préliminaire, p. XIX.~ »~Dans cette immensité
-d'objets divers, qui composent les matières civiles, et dont le
-jugement, dans le plus grand nombre des cas, est moins l'application
-d'un texte précis que la combinaison de plusieurs textes qui conduisent
-à la décision bien plus qu'ils ne la renferment, on ne peut pas plus se
-passer de jurisprudence que de lois.~«
-
-[49] *Schmid* Einleitung in das bürgerl. Recht des Franz. Reichs B. 1.
-S. 21-23. 373. 374.
-
-[50] ~*_Maleville_* T. 4. p. 414-417.~
-
-[51] ~*_Locré_* T. 3. p. 443 ed. Paris 1805. 8.~
-
-[52] ~Moniteur an X. p. 337.~
-
-[53] ~*_Crussaire_* p. 8.~
-
-[54] Cabinetsordre von 1780 vor dem ~Corpus juris Fridericianum~ B. 1.
-Berlin 1781. 8. -- Die Vorerinnerungen vor dem Entwurf des Gesetzbuchs
-Th. 1. Abth. 1. und Th. 2. Abth. 1. und 3. -- Cabinetsordre von 1786 in
-*Kleins* Annalen Th. I. S. XLIX. -- Publicationspatente von 1791 und
-1794 vor dem Gesetzbuch (1791) und dem Landrecht (1794).
-
-[55] *Kleins* Annalen B. 1. und B. 8., gleich im Anfang beider Bände.
--- *Kleins* Selbstbiographie. Berlin 1806. 8. S. 47.
-
-[56] Bericht des Justizcommissarius *Simon* üb. Redaktion der
-Materialien der preuss. Gesetzgebung, in *Mathis* jur. Monatsschrift
-B. 11 Heft 3. S. 191 bis 286 nebst einem Konspektus der Materialien.
--- Die Materialien zum Landrecht allein (ohne die Gerichtsordnung)
-betragen 1500-2000 einzelne Stücke in 88 Folianten.
-
-[57] Publicationspatent §. 1.
-
-[58] Dieses ist indessen für Ostpreussen etwas später geschehen
-(Ostpreussisches Provinzialrecht. Berlin 1801. 8), für die übrigen
-Provinzen gar nicht. Es gilt also da das besondere Recht in seiner
-alten Form.
-
-[59] Entwurf des Gesetzbuchs Th. 1. Abth. 1. S. 5. 6. *Kleins* Annalen
-B. 8. S. XXVI-XXIX. *Simon* S. 197-199. Mehrere der wichtigsten
-Neuerungen wurden noch in der allerletzten Revision des Landrechts
-weggelassen. *Simon* S. 235.
-
-[60] *Hugo* über Daniel *Nettelbladt*, civilist. Magazin B. 2 ~N.~ 1.
-
-[61] *Simon* S. 198.
-
-[62] *Simon* S. 200-202.
-
-[63] *Simon* S. 202. -- Von *Volkmar* existiren folgende Schriften:
-1) ~De condictionum indole. Hal. 1777.~ (*Simon* S. 200). 2) ~De
-intestatorum Atheniensium hereditatibus. Traj. ad Viad. 1778.~
-(*Schott* Critik. B. 10. S. 79). 3) Erörterung der Begriffe Erbschaft
-~ex asse~ &c. Breslau 1780. (~ib.~ S. 82). 4) ~Varia quae ad leges
-Romuleas et magistratus pertinent. Vratislav. 1779. 8.~ 5) Ueber
-ursprüngliche Menschenrechte. Breslau 1793. 8. (*Ersch* Literatur der
-Jurisprud. S. 272). Ich kenne davon nur die vierte, und diese ist
-allerdings wenig bedeutend.
-
-[64] Cabinetsordre von 1780 S. XII. XIII. »Wenn Ich ... Meinen
-Endzweck .. erlange, so werden freylich viele Rechtsgelehrten bey der
-Simplifikation dieser Sache ihr geheimnißvolles Ansehen verlieren,
-um ihren ganzen Subtilitäten-Kram gebracht, und das ganze Corps der
-bisherigen Advokaten unnütz werden. Allein ich werde dagegen.... desto
-mehr geschickte Kaufleute, Fabrikanten und Künstler gewärtigen können,
-von welchen sich der Staat mehr Nutzen zu versprechen hat.«
-
-[65] a. a. O. S. XIII.
-
-[66] Entwurf Einl. §. 34-36.
-
-[67] Landrecht Einl. §. 46. 49.
-
-[68] Landrecht Einl. §. 47. 48.
-
-[69] Erster Anhang zum Landrecht. Berlin 1803. §. 2.
-
-[70] Landrecht Einl. §. 50.
-
-[71] Entwurf Th. 2 Abth. 3. Vorerinnerung.
-
-[72] Bey *Simon* S. 213. 220 stehen die Namen derer, welche Bemerkungen
-eingesandt, und welche Preise erhalten haben.
-
-[73] *Schlossers* Briefe über die Gesetzgebung &c. Frankfurt 1789, und:
-Fünfter Brief &c. Frankfurt 1790. 8.
-
-[74] Briefe S. 246.
-
-[75] *Schlossers* Vorschlag und Versuch einer Verbesserung des
-Deutschen bürgerlichen Rechts &c. Leipzig 1777. 8. -- *Schlossers*
-Briefe S. 46. 342. in welcher letzten Stelle er sogar Westphals
-Schriften als sehr brauchbar für diesen Zweck rühmt.
-
-[76] In *Hugos* civilist. Magazin B. 1. ~N.~ 6. (1790).
-
-[77] Die Nachrichten darüber sind genommen aus *Zeillers* Vorbereitung
-zur neuesten Oesterreichischen Gesetzkunde. Wien und Triest 1810. Bd.
-1. S. 19-30.
-
-[78] Nämlich 1746 zur Preussischen, 1753 zur Oesterreichischen
-Gesetzgebung. *Simon* S. 194. *Zeiller* S. 19.
-
-[79] *Zeiller* S. 23. 26-30.
-
-[80] *Zeiller* S. 27. 28.
-
-[81] *Zeiller* S. 24.
-
-[82] Die drey Theile des Gesetzbuchs enthalten zusammen 561 Seiten,
-sehr weitläufig gedruckt.
-
-[83] ~§. 5 I. per quas pers.~
-
-[84] ~§. I. cit., L. 53 D. de adqu. rer. dom.~
-
-[85] ~_L._ 14 D. de testam. tut.~
-
-[86] ~*_Hellfeld_* §. 1298~ »~Ipsa vero tutela consistit in defensione
-personae pupilli principaliter, et secundario in defensione bonorum
-pupillarium.~«
-
-[87] ~*_Digest._* lib. 27 tit. 2.~
-
-[88] Nämlich nach Römischem Rechte war allgemein und absichtlich der
-Intestaterbe zur Tutel berufen; im Oesterreichischen Gesetzbuch kann
-es wegen der Linealerbfolge kommen, daß der Intestaterbe und der zur
-Vormundschaft berufene nächste Verwandte verschiedene Personen sind, in
-den meisten Fällen aber wird es auch hier dieselbe Person seyn.
-
-[89] *Zeiller* a. a. O., S. 38. »Da nun aber auf dem philosophischen
-Gebiete jedermann nach seiner Ueberzeugung urtheilet; so ist leicht
-zu erachten, daß die Urtheile oft nach einer eingebildeten Billigkeit
-(~aequitas cerebrina~) und im Grunde nach Willkühr gefället werden.«
-
-[90] *K. E. Schmid* Deutschlands Wiedergeburt, S. 131. 134. 135.
-
-[91] Vergl. *Rehberg* über den Code Napoleon S. 8-10.
-
-[92] Ueber die Art und Weise, wie unsre Vorfahren die Processe
-abgekürzet haben; patriotische Phantasien Th. 1. ~N.~ 51.
-
-[93] *Mösers* Schreiben eines alten Rechtsgelehrten über das sogenannte
-Allegiren, a. a. O. Th. 1. ~N.~ 22.
-
-[94] *Thibaut* a. a. O., S. 52. 55. 60.
-
-[95] *Thibaut* S. 60.
-
-[96] a. a. O., S. 15-22.
-
-[97] a. a. O., S. 20. 21.
-
-[98] ~Esprit des lois liv. 27.~
-
-[99] ~Nova methodus. P. 2. §. 82.~
-
-[100] ~l. c. §. 85-90.~
-
-[101] *Mösers* Vorschlag zu einer Sammlung einheimischer Rechtsfälle;
-patriot. Phantasien Th. 2. ~N.~ 53. (3te Ausgabe ~N.~ 44).
-
-[102] *Schmid* Deutschlands Wiedergeburt, S. 278. 279.
-
-[103] ~Projet de code civil p. XIII. »Dans l'état de nos sociétés, il
-est trop heureux que la jurisprudence forme une science qui puisse
-fixer le talent, flatter l'amour propre et réveiller l'émulation.« --
-P. XIV. »On ne saurait comprendre combien cette habitude de science et
-de raison adoucit et règle le pouvoir.«~
-
-[104] Ich benutze die handschriftliche und mündliche Mittheilung eines
-Doctors dieser Rechtsschule.
-
-[105] Als Quellen sind hierüber benutzt worden: Instruction zur
-Ausführung des Lehrplanes &c. im 35ten Bande von K. *Franz* I.
-Gesetzsammlung. -- A. *von Heß* encycl. methodol. Einleitung in das
-juridisch-politische Studium. Wien u. Triest 1813. 8. Dem Vf. sind
-laut S. 9. die Acten über den Studienplan mitgetheilt worden, so daß
-seine Darstellung der Gründe desselben gewissermaaßen als officiell zu
-betrachten ist.
-
-[106] *Heß* §. 39.
-
-[107] *Heß* §. 13.
-
-[108] *Heß* §. 16.
-
-[109] s. v. S. 141. Note 1.
-
-[110] *Heß* §. 40. 41.
-
-[111] *Kaufmann* Anfangsgründe des Römischen Privatrechts. Erste
-Abtheilung. Wien u. Triest 1814. 8.
-
-[112] *Eggers* Anhang zu *Heß* S. 93.
-
-[113] Vorerinnerung zum Entwurf des Gesetzbuchs Th. 2. Abth. 3.
-
-[114] Ein sehr lehrreicher Aufsatz hierüber von dem Hrn. Justizminister
-*von Kircheisen* steht in *Mathis* jurist. Monatsschrift B. 4. S. 65.
-
-[115] Die Rescripte hierüber von 1804. 1809 und 1812 sind an folgenden
-Orten zu finden: *Mathis* Monatsschrift Bd. 1 S. 56. 61.; B. 8. S. 352.
-462. *Kamptz* Monatsschrift Heft 1 S. 18.
-
-[116] *Rescript* von 1813. in *Kamptz* Monatsschrift Heft 3. S. 14.
-
-[117] *Stengels* Beyträge B. 13. S. 214. 218.
-
-[118] *Thibaut* a. a. O., S. 29-32.
-
-[119] Abschn. 8.
-
-[120] *Thibaut* a. a. O., S. 27. 28.
-
-[121] Nämlich die gegenwärtigen Vorschläge eines neu einzuführenden
-Gesetzbuchs sind lediglich veranlaßt durch den Zustand der Länder,
-worin bis jetzt das gemeine Recht oder der Code galt, und ich habe
-stillschweigend angenommen, daß der Vorschlag selbst nicht weiter gehe
-als diese seine Veranlassung. Sollte aber auch Oesterreich und Preussen
-darin mitbegriffen seyn, so wäre allerdings von der politischen Seite
-diese Vollständigkeit sehr zu loben, aber für diese Länder selbst wäre
-wohl zu bedenken, was oben (Abschn. 8.) in anderer Rücksicht gegen die
-Abschaffung ihrer Gesetzbücher gesagt worden ist.
-
-[122] A. a. O. S. 64.
-
-[123] S. 59. 60.
-
-[124] S. 41.
-
-[125] S. 35.
-
-[126] S. 36-39.
-
-[127] S. 17. 29.
-
-[128] S. 35. 36. 40.
-
-[129] s. o. S. 59.
-
-[130] A. a. O. S. 23.
-
-[131] ~*_Melanchthon_*, oratio de dignitate legum; in select. declamat.
-T. 1. Servestae 1587. p. 247~ und ~Or. de vita *_Irnerii_* et
-*_Bartoli_*. T. 2. p. 411.~
-
-[132] Zum Theil war dieses schon bey einer andern Gelegenheit von mir
-geschehen. Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft B. 4. S.
-488-490.
-
-[133] Vgl. Zeitschrift &c. a. a. O. S. 482 fg.
-
-[134] Was ich hier zur Erklärung meines einseitigen Urtheils über
-die französische Jurisprudenz aus den Umständen, unter welchen meine
-Schrift zuerst erschien, gesagt habe, ist auf sehr billige Weise
-anerkannt in einer französischen Recension, welche überhaupt jenen
-wissenschaftlichen Streit sehr treffend darstellt. (~Le Globe T. V. N.
-59. 1827. 18. Août~).
-
-[135] Die ausführlichste Schrift, welche hierher gehört (von *Gönner*),
-ist schon früher in dieser Zeitschrift angezeigt worden (B. 1. S. 373
-u. fg.).
-
-[136] Heidelb. Jahrb. 1815. S. 659.
-
-[137] Civilist. Abhandl. S. 433.
-
-[138] Vorrede zu *Unterholzners* juristischen Abhandlungen. München
-1810. S. XII-XVII.
-
-[139] Civilist. Abhandl. S. 416. Heidelb. Jb. 1814. S. 940.
-
-[140] Heidelb. Jahrb. 1814. S. 938.
-
-[141] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 200.
-
-[142] a. a. O. S. 198-200.
-
-[143] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 200.
-
-[144] Vorrede S. XI.
-
-[145] *Feuerbach* über Philosophie und Empirie. Landshut 1804. 8. S. 43.
-
-[146] Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern. München 1813.
-(das Promulgationspatent ist vom 16. Mai 1813). Anmerkungen zum
-Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern. B. 1. 2. München 1813. B.
-3. 1814. 8.
-
-[147] Anmerkungen B. 1. S. 12-19.
-
-[148] Ich nehme diese Nachricht aus dem Brief eines Bairischen
-Advocaten vom 22. Mai 1816.
-
-[149] Durch diese Erfahrung wäre denn also buchstäblich in Erfüllung
-gegangen, was ich in dieser Zeitschrift (B. 1. S. 421, 422), ohne
-diesen Fall zu kennen, ganz im allgemeinen vorhergesagt habe.
-
-[150] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 199.
-
-[151] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 199.
-
-[152] Der Vrf. sucht durch angeführte Stellen aus verschiedenen
-Jahrhunderten S. 43. 44 darzuthun, die Klage über Unfähigkeit sey
-ungegründet, denn sie sey zu allen Zeiten dieselbe gewesen: daraus
-scheint denn hervorzugehen, es sey zu allen Zeiten ein gleiches und
-zwar sehr großes Maas von Gelehrsamkeit da gewesen, und immer habe
-es einige hypochondrische Leute gegeben, die geklagt hätten. Ob dem
-so ist, mag jeder entscheiden, der die Literargeschichte kennt;
-aber unter jenen Stellen ist gerade die entscheidendste, die des
-*Donellus* nämlich, sehr übel gewählt, denn *Donellus* klagt daselbst
-gar nicht über seine Zeitgenossen, sondern über die vorhergehende
-Schule der Bartolisten, denen er mit Recht den Mangel humanistischer
-Kenntnisse vorwirft. Offenbar will er also das vergangene Jahrhundert
-in Vergleichung mit dem seinigen herabsetzen, also gerade sein eigenes
-Zeitalter rühmen.
-
-[153] Publicationspatent § 7: Einleitung § 6.
-
-[154] Gründe für und wider die mündliche öffentliche Rechtspflege.
-Mainz 1816. 8. S. 32 (Anmerkung des Herausgebers).
-
-[155] Der Recensent meiner Schrift vom Beruf &c. Hallische Lit. Zeit.
-1815. October S. 201-211.
-
-[156] Leipz. Lit. Zeit. 1815. September, Nr. 235. (Recension von
-Gönners Schrift.)
-
-[157] Besonders Gött. Anzeigen 1814. St. 194 u. 1815 St. 108.
-
-[158] Jenaische Lit. Zeit. 1814. B. 4. S. 327. 328.
-
-[159] Leipziger Lit. Zeit. 1815. Septemb. St. 234.
-
-[160] Heidelb. Jahrb. 1815. S. 661.
-
-[161] Bairische Verordnung vom 19. Okt. 1813 vor dem erstem Band
-der Anmerkungen zum Strafgesetzbuche S. III. »Hierbei ist es auch
-Unser ausdrücklicher Befehl, daß außer dieser von Uns selbst
-angeordneten Darstellung durchaus von keinem andern Staatsdiener oder
-Privatgelehrten ein Kommentar über das Strafgesetzbuch in Druck gegeben
-werde« u. s. w.
-
-[162] s. o. S. 14-16.
-
-
-
-
- * * * * * *
-
-
-
-
-Anmerkungen zur Transkription:
-
-Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt. Im Übrigen wurden
-Inkonsistenzen in der Interpunktion und Schreibweise einzelner Wörter
-belassen, da solche auch schon im Original absichtlich belassen wurden
-(siehe Einleitung).
-
-Bei der Transkription vorgenommene Änderungen:
-
-- "ausdrucklichen" in "ausdrücklichen";
-- "Stabilierung" in "Stabilisierung";
-- "Halbscheidsurthel" in "Halbscheidsurtheil";
-- "ursachlichen" in "ursächlichen";
-- "Plane" (im Kontext von "die Plane des Verf.") in Pläne.
-
-
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-
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-
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-<h1>The Project Gutenberg eBook, Thibaut und Savigny, Edited by Jacques Stern</h1>
-<p>This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States
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-restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it
-under the terms of the Project Gutenberg License included with this
-eBook or online at <a
-href="http://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you are not
-located in the United States, you'll have to check the laws of the
-country where you are located before using this ebook.</p>
-<p>Title: Thibaut und Savigny</p>
-<p> Zum 100jährigen Gedächtnis des Kampfes um ein einheitliches bürgerliches Recht für Deutschland</p>
-<p>Editor: Jacques Stern</p>
-<p>Release Date: January 1, 2016 [eBook #50813]</p>
-<p>Language: German</p>
-<p>Character set encoding: ISO-8859-1</p>
-<p>***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK THIBAUT UND SAVIGNY***</p>
-<p>&nbsp;</p>
-<h3 class="pg">E-text prepared by Norbert H. Langkau, Heike Leichsenring,<br />
- and the Online Distributed Proofreading Team<br />
- (http://www.pgdp.net)</h3>
-<p>&nbsp;</p>
-<div class="tnote">
-<p class="noindent">Anmerkungen zur Transkription:</p>
-
-<p class="noindent f80">In <span class="antiqua">Sans-Serif</span> dargestellte Texte sind auch im Original in einer anderen Schriftart
-(Antiqua) als der Haupttext (Fraktur) gedruckt. </p>
-
-<p class="noindent f80">Eine Liste mit Korrekturen finden Sie am
-<a href="#tnpart2">Ende des Buchs</a>).</p>
-</div>
-<p>&nbsp;</p>
-<hr class="full" />
-<p>&nbsp;</p>
-<p>&nbsp;</p>
-<p>&nbsp;</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_1" id="Page_1">[Pg 1]</a></p>
-
-
-<h1>Thibaut und Savigny.<br /><br />
-
-<span class="f90">Zum 100jährigen Gedächtnis<br />
-des Kampfes um ein einheitliches bürgerliches Recht<br />
-für Deutschland.</span><br /><br />
-
-<span class="f80 nostyle">1814. * 1914.</span><br /><br />
-
-<span class="f80">Die Originalschriften</span><br />
-
-<span class="f70 nostyle">in ursprünglicher Fassung mit Nachträgen,<br />
-Urteilen der Zeitgenossen und einer Einleitung</span></h1>
-
-<p class="center">herausgegeben<br /><br />
-
-von<br /><br />
-
-<span class="large">Dr. Jacques Stern,</span><br />
-Amtsrichter in Berlin.</p>
-
-
-<p class="f80 center">Berlin, 1914.</p>
-<p class="f80 center">Verlag von Franz Vahlen<br />
-<span class="antiqua">W</span> 9, Linkstr. 16.</p>
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_2" id="Page_2">[Pg 2]</a></p>
-
-
-<div class="poem">
-<p>Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte,</p>
-<p>doch der Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit.</p>
-</div>
-
-<div class="poem2">
-<p class="gesperrt">Schiller</p>
-
-<p>(aus einem unvollendeten Gedicht von<br />
-Deutscher Größe, 1801).</p>
-</div>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_3" id="Page_3">[Pg 3]</a></p>
-
-<h2>Vorrede.</h2>
-
-<p>Klassische Schriften der Wissenschaft haben zunächst geschichtliche
-Bedeutung, indem sie uns die Auffassungen der Vergangenheit
-kennen lehren und damit die Keime der Gegenwart aufdecken.
-Darüber hinaus aber haben sie bleibenden Wert, soweit sie allgemeine,
-von Zeit und Ort unabhängige Gedanken enthalten.</p>
-
-<p>Die Streitschrift <cite>Savignys</cite>, des größten deutschen Juristen
-im 19. Jahrhundert, »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung
-und Rechtswissenschaft«, veranlaßt durch <cite>Thibauts</cite> Schrift
-»Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts
-für Deutschland«, gehört schon wegen ihrer programmatischen
-Bedeutung für die »historische Schule« zu den klassischen Schriften
-der Rechtswissenschaft. Die Kodifikation, die vor 100 Jahren
-Thibaut erstrebt und Savigny bekämpft hat, und zwar nicht bloß
-für <em>seine</em> Zeit, was im Gegensatze zur herrschenden Meinung
-über die alte und bedeutsame Streitfrage <em>in diesem Buche
-bewiesen</em> werden soll, ist um die Wende des 19. Jahrhunderts
-durch die Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche
-Reich zur Wirklichkeit geworden. Trotzdem bleibt Savignys
-Gelegenheitsschrift mit ihrer »in der Geschichte vielleicht einzig
-dastehenden Wirkung« (Jhering zum Gedächtnis Savignys in den
-Jahrbüchern für Dogmatik V, 362) eben wegen der in ihr enthaltenen
-allgemeinen Gedanken von dauerndem Werte. Aber
-auch Thibauts Schrift ist mehr als ein interessantes Dokument
-der Zeitgeschichte. Nicht bloß als unmittelbare Veranlassung der
-Arbeit Savignys wird sie, untrennbar von dieser, fortleben, sondern
-als das Beste und Nachhaltigste, was über den Nutzen einer
-Kodifikation geschrieben worden ist.</p>
-
-<p>In den Kämpfen der Gegenwart um die Grundfragen der
-Rechtswissenschaft greift man mit Recht immer wieder auf
-Savignys Programmschrift zurück; auch an Rückblicken auf Thibauts
-Abhandlung fehlt es hierbei nicht. Es ist daher nicht bloß ein
-Akt der Pietät, durch den der Juristenstand sich selber ehrt, wenn<a class="pagenum" name="Page_4" id="Page_4">[Pg 4]</a>
-er die Erinnerung an seine Führer, insbesondere an den denkwürdigen
-Streit zwischen Thibaut und Savigny durch die Verbreitung
-ihrer eigenen Worte wach erhält, sondern von unmittelbarem
-praktischen Werte, beide Schriften vollständig im Original
-zur Hand zu haben.</p>
-
-<p>Die Jünger der Rechtswissenschaft hören zwar auch heute
-schon in den ersten Anfängen ihres Studiums die Namen Savigny
-und Thibaut und die Titel ihrer beiden Schriften, zu Gesicht
-bekommen oder gar gelesen haben sie aber nur verschwindend
-wenige unter unseren heutigen deutschen Juristen. Es ist ein
-schlechter Trost, daß von dem gleichen Schicksal die übrigen
-klassischen Werke der deutschen Rechtswissenschaft nicht minder
-als die des Auslands betroffen werden. Und doch liegt in ihnen
-ein Bildungsmittel ersten Ranges für die juristische Jugend, dessen
-Wertschätzung unsere Zeit beinahe verlernt hat. Der einstige Leiter
-des Reichsjustizamts und nachmalige preußische Kultusminister
-Bosse schildert mit dem Gefühl der Dankbarkeit, wie ihn im
-Jahre 1854 kurz nach seinem Eintritt in den praktischen Justizdienst
-ein älterer Richter auf Savignys Schrift aufmerksam
-gemacht und welch tiefen Eindruck nach Form und Inhalt er von
-ihr empfangen habe. (Vgl. Bosse, Über Savignys Schrift »Vom
-Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft.« Im
-Hinblick auf die Herstellung eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches.
-Deutsche Revue, 25. Jahrgang [1900] S. 7 ff.)</p>
-
-<p>Wer dafür eintritt, daß der Sinn für das Große und Allgemeine
-nicht im täglichen Getriebe juristischer Spezialarbeit
-untergehe, der wird das beste Mittel zu diesem Ziele in den
-Schriften der <em>Klassiker der Rechtswissenschaft</em> finden und
-schon die juristische Jugend auf sie hinweisen. Aus dem Kreise
-dieser Werke eignen sich die beiden im engsten Zusammenhange
-stehenden und darum hier vereinigten Schriften Thibauts und
-Savignys im Kampfe um ein einheitliches bürgerliches Recht
-für Deutschland wegen ihres Gegenstandes ganz besonders für
-den Anfänger. Dieser durch die Klarheit der Darstellung und
-die Schönheit der Sprache in einen ästhetisch würdigen Rahmen
-gestellte Gegenstand gibt ihnen aber auch, was schon einige der
-ersten Kritiker Thibauts hervorgehoben haben (Jenaische Allgem.<a class="pagenum" name="Page_5" id="Page_5">[Pg 5]</a>
-Literatur-Zeitung 1814 Nr. 185; Wiener Allgem. Literatur-Zeitung
-1814 Nr. 98), ein Anrecht auf das Interesse jedes gebildeten
-Deutschen. Klingt doch zudem durch diese Schriften der Ton der
-echten Vaterlandsliebe, wie sie mit fortreißender Gewalt in jener
-großen Zeit zum Durchbruch kam, da Deutschland sich aus seiner
-tiefen Erniedrigung erhob.</p>
-
-<p>Besonderer Beachtung wert sind auch die schönen Worte,
-die Thibaut dem Verhältnis zwischen Fürst und Volk in Deutschland
-widmet &ndash; noch unter dem frischen Eindruck des Heimgangs
-Carl Friedrichs, des um die Entwicklung seines Landes hochverdienten
-Herrschers, der »Zierde <em>Badens</em>«. Vornehmlich seiner
-Fürsorge verdankte die alte Universität am Neckar nach ihrem
-Verfalle während der letzten Pfälzer-Zeit die Epoche neuen Glanzes
-trotz einer Zeit des Krieges und der Unruhe. Von <em>Heidelberg</em>
-ging Thibauts patriotischer Ruf durch das befreite Deutschland
-und Heidelberg wurde der Mittelpunkt dieses wissenschaftlich und
-kulturgeschichtlich bedeutungsvollen Streites; hier ließ Savigny
-seine Gegenschrift erscheinen und hier legte Thibaut in den
-Heidelbergischen Jahrbüchern seine weiteren Äußerungen in dieser
-Frage nieder.</p>
-
-<p>Um die Wirkung auf die Zeitgenossen möglichst rein zu vergegenwärtigen,
-sind beide Schriften in erster Ausgabe wortgetreu
-zum Abdruck gebracht. Dem gleichen Zwecke, dem besseren Verständnisse,
-aber auch zunutze der juristischen Literaturgeschichte
-dient die <em>Wiedergabe wichtiger Stimmen der Zeit, und
-zwar in einer bisher noch nicht erreichten Vollständigkeit</em>.
-Die Zusätze der Streitschriften in späteren Ausgaben sind
-besonders zusammengestellt.</p>
-
-<p>Noch einem anderen, gerade von Savigny wiederholt und
-mit Nachdruck als erstrebenswert bezeichneten Ziele (vgl. System
-des heutigen Römischen Rechts, Vorrede S. XX ff.) bringt uns
-die Beschäftigung mit den grundlegenden Werken der Rechtswissenschaft
-näher: der Herstellung der ursprünglichen und natürlichen
-Einheit von Theorie und Praxis. (Vgl. hierzu die Vorrede
-meiner »Einführung in die gerichtliche Praxis«, Berlin 1914.)
-Auch heute noch, wie zu Savignys Zeiten, ja sogar mehr noch
-als damals, krankt unser durch die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse<a class="pagenum" name="Page_6" id="Page_6">[Pg 6]</a>, die Fortschritte der Technik und des Verkehrs,
-sowie mancherlei sonstige Einflüsse in neue Bahnen gelenktes
-Rechtsleben an der unnatürlichen Kluft zwischen beiden Richtungen,
-die nach seinen Worten die Gefahr in sich birgt, daß die Theorie
-zu einem leeren Spiel, die Praxis zu einem bloßen Handwerk
-herabsinke. Jetzt, wo wir im Bürgerlichen Gesetzbuch eine feste
-Grundlage unseres Privatrechts haben, ist es an der Zeit, der
-Arbeit am Speziellen zugunsten der Beschäftigung mit dem Grundlegenden,
-Allgemeinen eine Schranke zu setzen. Die Zukunft der
-Rechtsentwicklung und des Rechtsunterrichts in Deutschland liegt
-in einer die rechtsschöpferische Kraft von Theorie und Praxis
-fördernden Verbindung dieser beiden Teile eines Ganzen.</p>
-
-<p>Berlin, im Juni 1914.</p>
-
-<p class="poem2"><span class="antiqua">Dr.</span> <span class="gesperrt">Jacques Stern</span>.</p>
-
-<p class="block f90"><span class="gesperrt">Bemerkung</span>: Die in Klammern gesetzten Zahlen bei den Schriften Thibauts
-und Savignys bedeuten die Seiten der ersten Ausgaben. Die kleinen
-Zahlen im Text der Thibautschen Schrift verweisen auf die Nachträge
-(Abt. II Nr. <a href="#Page_167">1</a>). Die Noten unter dem Text sind nach den Seiten des
-vorliegenden Abdrucks nummeriert.</p>
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_7" id="Page_7">[Pg 7]</a></p>
-
-<h2>Inhaltsverzeichnis.</h2>
-
-<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis zur gesamten Sammlung">
-<tr>
- <td class="tdl" colspan="3">Einleitung.</td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">1.</td>
- <td>Der wissenschaftliche Streit zwischen Thibaut und Savigny und
- seine weitere Entwicklung</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_8">8</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">2.</td>
- <td>Biographisches</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_26">26</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">3.</td>
- <td>Bibliographisches</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_32">32</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdl" colspan="3">I. Abteilung.</td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">1.</td>
- <td><cite>Thibaut</cite>, Über die Notwendigkeit eines allgemeinen
- bürgerlichen Rechts für Deutschland. 1814 </td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_35">35</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">2.</td>
- <td><cite>Savigny</cite>, Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und
- Rechtswissenschaft. 1814</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_69">69</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdl" colspan="3">II. Abteilung.</td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">1.</td>
- <td>Thibauts Nachträge zu seiner Schrift. 2. Ausgabe. 1814</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_167">167</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">2.</td>
- <td>Thibauts Besprechung (Antikritik) der Schrift Savignys. 1814</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_174">174</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">3.</td>
- <td>Urteile der Zeitgenossen zu den Streitschriften Thibauts und
- Savignys. 1814-1818</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_185">185</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">4.</td>
- <td>Anselm von Feuerbachs Urteil. 1816</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_195">195</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">5.</td>
- <td>Savignys Nachträge zu seiner Schrift. 2. Auflage. 1828</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_202">202</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">6.</td>
- <td>Bemerkungen</td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_235">235</a></td>
-</tr>
-</table>
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_8" id="Page_8">[Pg 8]</a></p>
-
-<h2>Einleitung.</h2>
-
-<h3>1. Der wissenschaftliche Streit zwischen Thibaut und
-Savigny und seine weitere Entwicklung.</h3>
-
-<p>Vor hundert Jahren, am 19. Juni 1814, acht Monate nach
-der Leipziger Völkerschlacht, noch nicht drei Monate nach dem
-Einzuge der Verbündeten in Paris, schrieb Anton Friedrich
-Justus <cite>Thibaut</cite>, Professor des Rechts in Heidelberg, die Vorrede
-zu seiner Flugschrift Ȇber die Notwendigkeit eines allgemeinen
-bürgerlichen Rechts für Deutschland«. Diesen geschichtlichen
-Hintergrund und seinen inneren Zusammenhang mit den
-Äußerungen deutschen Geisteslebens muß man von vornherein
-im Auge behalten, will man Erfolg und Wirkung der Arbeit
-Thibauts recht verstehen.</p>
-
-<p>Der Gedanke eines gemeinsamen deutschen bürgerlichen Rechts
-war nicht neu. Aus der großen Zahl seiner Vertreter seit der
-Mitte des 17. Jahrhunderts ragen die Namen <cite>Conrings</cite>, des
-Begründers der deutschen Rechtsgeschichte, <cite>Leibniz'</cite>, des großen
-Polyhistors, <cite>Thomasius'</cite>, des Naturrechtslehrers, hervor. (Das
-Naturrecht strebte aber nach einzelstaatlicher Kodifikation.) Das
-18. Jahrhundert zeigt das gleiche Bild. So handelt z. B. im
-Jahre 1781 der Leipziger Christian Gottlob Biener in seinen
-»Bedenklichkeiten bei Verbannung der ursprünglich fremden Rechte
-aus Deutschland und Einführung eines allgemeinen deutschen
-National-Gesetzbuches« im § 6 »Von der Notwendigkeit eines
-allgemeinen Gesetzbuches im heiligen römischen Reiche«. Zu
-Anfang des 19. Jahrhunderts hatte die Kodifikationsidee ihre
-Freunde unter den verschiedenen Geistesrichtungen: Staatsmänner,
-Dichter, Gelehrte, zumal Juristen der Theorie und Praxis traten
-für sie ein.<a name="FNanchor_A_1" id="FNanchor_A_1" href="#Fn_A_1" class="fnanchor">A</a> Aber den rechten Wiederhall, das allgemeine<a class="pagenum" name="Page_9" id="Page_9">[Pg 9]</a>
-Interesse erweckte erst Thibaut mit seiner Schrift; er hatte den
-geeigneten Zeitpunkt erfaßt und die richtige Form gefunden. Die
-Idee selber lag wieder einmal im Zuge der Zeit, gewissermaßen in
-der Luft. Leicht faßlich, das Fachmäßige möglichst meidend, getragen
-vom Schwunge nationaler Begeisterung, der den Verfasser beim
-Schreiben, die Zeitgenossen beim Lesen mit sich riß, hat Thibauts
-Schrift das Verdienst, die Gründe für die Einheit der Gesetzgebung
-(ȟber ihre Notwendigkeit ist nach Thibauts Schrift fast
-nichts mehr zu sagen« &ndash; äußerte ein Kritiker in der Jenaischen
-Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 217) vollständig und fortwirkend bis auf
-das Bürgerliche Gesetzbuch unserer Zeit zusammengefaßt zu haben.
-Ihr weiteres Verdienst liegt in der &ndash; wenn auch nur äußeren
-&ndash; Anregung zu Savignys Gegenschrift »Vom Beruf unsrer
-Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft.« Im schweren
-Rüstzeug der Wissenschaft, mit objektiver Ruhe und souveräner
-Beherrschung des Stoffes einem Wunsche der Zeit mit schroffer Verneinung
-entgegentretend ist diese Arbeit die erste programmatische
-Äußerung einer Richtung, die, unter Verdrängung der bis dahin
-herrschenden nicht bloß der Wissenschaft, sondern auch der Praxis
-verderblichen naturrechtlichen Anschauungen, der Rechtswissenschaft
-neue zu glänzender Entwicklung führende Wege gewiesen hat.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_10" id="Page_10">[Pg 10]</a></p>
-
-<p>Veranlaßt zur Abfassung seiner Schrift »Über die Notwendigkeit
-eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland« wurde
-<cite>Thibaut</cite>, der bereits früher gelegentlich in seinen Schriften (so
-in der »Juristischen Enzyklopädie und Methodologie«, Altona
-1797, § 102) für den gleichen Gedanken eingetreten war, durch
-das Erscheinen des Buches Ȇber den Code Napoleon und dessen
-Einführung in Deutschland« (Hannover, bei den Gebr. Hahn,
-1814, XVI u. 319 S. 8<sup>o</sup>) von dem hannoverschen Staatsmann
-August Wilhelm Rehberg (Besprechungen in der Allg. Lit. Ztg.,
-Halle und Leipzig, 1814 Nr. 1; Jenaische Allg. Lit. Ztg. 1814
-Nr. 79 bis 81). Thibaut schrieb in den Heidelbergischen Jahrbüchern
-der Litteratur (1814 Nr. 1 und 2) eine ausführliche
-Rezension<a name="FNanchor_B_2" id="FNanchor_B_2" href="#Fn_B_2" class="fnanchor">B</a> dieses gegen das französische Gesetzbuch weniger
-mit juristischen, als mit politischen Waffen (den »sehr finstren
-Ideen« Rehbergs) vorgehenden, die Rückkehr zu den alten Verhältnissen
-predigenden und jede Kodifikation verwerfenden Buches.
-Im letzten Punkte, wie auch z. B. Johann Georg Schlossers Vorschlag
-und Versuch einer Verbesserung des deutschen bürgerlichen
-Rechts ohne Abschaffung des römischen Gesetzbuchs, Leipzig 1777,
-und seine Briefe über die Gesetzgebung, Frankfurt 1789, ein Vorläufer
-von Savignys Schrift! Thibauts Rezension, die zunächst
-ohne Nennung seines Namens erschien, von ihm aber bald als
-seine Arbeit anerkannt wurde, verteidigt gegen Rehberg das
-französische Gesetzbuch an zahlreichen Beispielen, um an anderen
-dessen große Schwächen nachzuweisen, und gelangt schließlich in
-beredten Worten zur Forderung eines deutschen Nationalgesetzbuchs.
-Diesen wichtigen Gegenstand entwickelte Thibaut dann in
-seiner Schrift »Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen
-Rechts für Deutschland« und zwar, wie er in der Vorrede
-sagt, der Aufforderung achtungswerter Männer folgend.<span class="pagenum"><a name="Page_11" id="Page_11">[Pg 11]</a></span>
-Über die Entstehung der Schrift, von der sich eine Selbstanzeige
-in Nr. 33 der Heidelbergischen Jahrbücher der Litteratur 1814
-befindet, berichtet Thibaut selbst (Über die sogenannte historische
-und nicht-historische Rechtsschule, Archiv für die civilistische
-Praxis, Bd. 21 [1838] S. 393 f.): »Im Jahre 1814, als ich
-viele deutsche Soldaten, welche auf Paris marschiren wollten,
-mit frohen Hoffnungen im Quartier hatte, war mein Geist sehr
-bewegt. Viele Freunde meines Vaterlandes lebten und webten
-damals mit mir in dem Gedanken an die Möglichkeit einer
-gründlichen Verbesserung unsres rechtlichen Zustandes, und so
-schrieb ich, &ndash; höchstens nur in vierzehn Tagen, &ndash; recht aus der
-vollen Wärme meines Herzens eine kleine Schrift über die Notwendigkeit
-eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland,
-worin ich zu zeigen suchte: unser positives Recht, namentlich das
-Justinianeische, sey weder materiell noch formell unsern jetzigen
-Völkern anpassend, und den Deutschen könne nichts heilsamer
-seyn, als ein, durch Benutzung der Kräfte der gebildetsten Rechtsgelehrten
-verfaßtes bürgerliches Recht für ganz Deutschland, wobei
-aber doch jedes Land für das Wenige, was seine Localität
-erfordre, seine Eigenheiten behalten möge.«</p>
-
-<p>Der <em>Gedankengang</em> der Thibautschen Schrift ist folgender:</p>
-
-<p>Ausgehend davon, daß Deutschland auch nach seiner jetzt
-errungenen Befreiung die volle politische Einheit nicht finden
-werde, sieht Thibaut in dieser dem Nationalcharakter angepaßten
-Zersplitterung eine Quelle für den Reichtum des Mannigfaltigen
-und Eigentümlichen, vorausgesetzt, daß sich die Landesfürsten in
-die kleineren Verhältnisse ihrer Staaten zu schicken wissen. Alsbald
-wendet er sich von diesen politischen Betrachtungen, die
-zum Teil auf berechtigten Widerstand stießen (»Gott verhüte eine
-so wenig enge Verbindung der einzelnen Staaten, als wir in
-den letzten Jahrhunderten hatten«, sagte ein Kritiker in der Allg.
-Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 152), unter Berufung
-auf seine langjährige Tätigkeit als Zivilist dem Wunsche nach
-einer Neugestaltung des bürgerlichen Rechtes zu, worunter er
-das Privat- und Kriminalrecht, sowie den Prozeß versteht.
-Nirgends in Deutschland sei den an jede Gesetzgebung zu stellenden
-zwei Anforderungen formeller und materieller Vollkommenheit<a class="pagenum" name="Page_12" id="Page_12">[Pg 12]</a> (gemeint sind klare und erschöpfende Bestimmungen, sowie
-eine zweckmäßige Anordnung der Rechtsverhältnisse) genügt:
-unser ganzes einheimisches Recht sei ein endloser Wust einander
-widerstreitender, vernichtender, buntscheckiger Bestimmungen, ganz
-dazu geartet, die Deutschen von einander zu trennen und den
-Richtern und Anwälten die gründliche Kenntnis des Rechts unmöglich
-zu machen. Dazu komme seine Unvollständigkeit, so daß
-meist auf das rezipierte römische und kanonische Recht zurückgegriffen
-werden müsse. Im römischen Recht, dessen Größe und
-Bedeutung für die juristische Schulung anzuerkennen sei, hätten
-wir ein Gesetzbuch, dessen (authentischen) Text wir nicht besäßen
-und dessen zahlreiche Lesarten zu einer Unsicherheit des Rechtszustandes
-führten. Vor allem aber fehle uns wegen der Verschiedenheit
-der römischen und deutschen Rechtsanschauungen der
-Schlüssel zu der ganzen Kompilation. Ein deutsches Nationalgesetzbuch
-werde in wissenschaftlicher Beziehung (damit beginnt
-Thibaut »den Gelehrten zu gefallen«!) die Übersicht über das
-ganze Recht gewähren und im akademischen Unterricht die Darstellung
-des praktischen Rechts ermöglichen. Es werde aber auch
-das »Glück der Bürger« begründen, für deren Verkehr die örtliche
-Kollision der Gesetze eine Plage sei und die Einheit der
-Zivilgesetze eine Notwendigkeit bilde. Eine gute Gesetzgebung
-sei freilich das schwerste unter allen Geschäften und nicht von
-Einzelstaaten oder Einzelnen, vielmehr nur durch das Zusammenwirken
-der namhaftesten Kräfte zu erreichen &ndash; unter feierlicher
-Garantie der auswärtigen großen alliierten Mächte. Diese letzte
-Forderung ist Thibaut bereits von manchen Zeitgenossen mit
-Recht verdacht worden. (Vgl. die Besprechungen in der Jenaischen
-Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 185, in der Allg. Lit. Ztg., Halle und
-Leipzig, 1814 Stück 267 und in der Wiener Allg. Lit. Ztg. 1814
-Nr. 98.) Den möglichen Einwendungen gegen die Forderung
-eines Nationalgesetzbuches &ndash; heimlichen (Beschränkung der
-Landesfürsten, Furcht vor Neuerungen und Umwälzungen) und
-öffentlichen (Berücksichtigung der örtlich verschiedenen Verhältnisse,
-Heiligkeit des Herkömmlichen), schließlich solchen wegen
-der Kosten und der langen Dauer eines derartigen Gesetzgebungsunternehmens
-(die er auf zwei bis vier Jahre veranschlagt!) &ndash;<a class="pagenum" name="Page_13" id="Page_13">[Pg 13]</a>
-sucht Thibaut im Schlußteile der Schrift von vornherein zu
-begegnen.</p>
-
-<p>Thibauts Schrift hat ihren Zweck nicht erreicht; sie konnte
-es wohl auch nicht, wie die rechtlichen (wissenschaftlichen und
-praktischen) Verhältnisse und die politischen Dinge in dem durch
-Kriege geschwächten und innere Gegensätze zerrissenen Deutschland
-damals lagen, und Savignys literarisch weit höher stehende,
-ihrem Verfasser in diesem Betracht den Sieg sichernde Gegenschrift
-ist, darüber kann kein Zweifel sein, ohne Einfluß auf
-Thibauts Mißerfolg gewesen. Bereits im Jahre 1816 schrieb
-Savigny (Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft Bd. 3
-S. 11): »Im Ernst wird Niemand behaupten, daß ohne jene
-Stimmen ein allgemeines Gesetzbuch wahrscheinlich zu Stande gekommen
-wäre.« Aber was Thibaut, wie vor ihm kein anderer
-erreicht hat, war, wie gesagt, die Erweckung des allgemeinen
-Interesses für die Frage eines einheitlichen deutschen Gesetzbuchs,
-dessen nationale und praktische Bedeutung er richtig erkannt und
-hervorgehoben hat, und die bis dahin nirgends so vollständig
-gegebene, auch in der Entstehungsgeschichte unseres Bürgerlichen
-Gesetzbuchs durchweg und im wesentlichen unverändert verwertete
-Zusammenstellung aller für die zivilistische Rechtseinheit anzuführenden
-Gründe. (Vgl. hierzu Brunner, Die Rechtseinheit,
-Akademische Festrede, Berlin 1877, und Vierhaus, Die Entstehungsgeschichte
-des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das
-Deutsche Reich, Berlin 1888.) Seine Irrtümer liegen hauptsächlich
-in der Verkennung der damaligen Zeitverhältnisse, in der
-Überschätzung der Bedeutung einer Kodifikation für Rechtswissenschaft
-und Rechtsstudium und in der Unterschätzung der Schwierigkeiten
-bei Ausarbeitung eines Gesetzbuchs, insbesondere hinsichtlich
-der Zeitdauer, des Arbeitsplans und der Zusammensetzung
-der Kommission.</p>
-
-<p>Angeregt durch Thibauts Schrift trat <cite>Savigny</cite> mit seinen
-längst gefaßten und ausgereiften, die Lehre der historischen Schule
-bildenden Gedanken anstatt in der üblichen wissenschaftlichen
-Form zuerst in der einer Gelegenheitsschrift hervor, die aber
-eben wegen dieser gekennzeichneten Eigenschaft der Gedanken
-keinen der sonst den Schriften dieser Art zumeist anhaftenden<a class="pagenum" name="Page_14" id="Page_14">[Pg 14]</a>
-Mängel aufweist. (Vgl. auch Savignys Vorrede zur 2. Ausgabe
-der Schrift vom »Beruf«.)</p>
-
-<p>Über die Entstehung der Savignyschen Arbeit schrieb Niebuhr,
-der ausgezeichnete Staatsmann und Altertumsforscher, am 1. November
-1814 an seine Seelenfreundin Dora Hensler: »Savigny
-hat eine der Thibautschen Schrift ganz entgegengesetzte geschrieben:
-er hat, nach meiner Meinung, sehr zart und milde gegen Thibaut
-geschrieben und mit Wärme das Verdienst seiner Opposition gegen
-die Einführung des Code Napoléon anerkannt. Ich wollte, daß
-Jemand Thibaut zur Ruhe reden könnte. Mir ist dieser Streit
-schmerzlich. Savigny ist äußerst tätig und in einer Regsamkeit
-wie fast nie.« (Lebensnachrichten über Barthold Georg Niebuhr,
-Hamburg 1838, 2. Bd. S. 125.)</p>
-
-<p>Am gleichen Tage schrieb Jacob an Wilhelm Grimm: »Du
-wirst von Savigny seine Schrift über Gesetzgebung erhalten
-haben, die mir gar wohl gefallen hat, in unsere Meinungen
-stimmt und sie bestätigt.... Es ist mir gar lieb, daß Savigny
-diese Abhandlung geschrieben hat, sie ist auch ganz wie er.«
-(Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm, Weimar 1881,
-S. 371, 372, 398, 470.)</p>
-
-<p>Bevor wir auf den Inhalt der Schrift Savignys näher
-eingehen, sei gleichsam als erster Wegweiser durch ihre vielfach
-verschlungenen Gedankengänge der Worte Rudolf v. Jherings,
-seines größten Schülers und späteren machtvollen Bekämpfers,
-gedacht: »Die dauernde Bedeutung jener Schrift liegt in dem
-Apparat allgemeiner Ideen, den Savigny gegen seine Gegner
-in Bewegung zu setzen für nötig hält: eine Theorie über die
-geschichtliche Natur des Rechts, verbunden mit einer Skizze der
-Hauptmomente in der Entwickelungsgeschichte des Rechts, und als
-»geschichtliche« Auffassung gegenübergestellt der bisher herrschenden
-rationalistischen Auffassung.« (Jahrbücher für Dogmatik
-V, 364.)</p>
-
-<p>Der <em>Gedankengang</em> der Savignyschen in zwölf Kapitel
-gegliederten Schrift läßt sich dahin zusammenfassen:</p>
-
-<p>In der Einleitung sagt Savigny, daß er den Streit um ein
-gemeinschaftliches Gesetzbuch für Deutschland als einen friedlichen
-und nicht als feindlichen führen wolle. Die Bestrebungen auf<a class="pagenum" name="Page_15" id="Page_15">[Pg 15]</a>
-Vereinheitlichung des bürgerlichen Rechts seien auf zwei durch
-das Natur- oder Vernunftrecht vermittelte irrige Auffassungen
-zurückzuführen: einmal auf die ungeschichtliche Richtung der Aufklärungsperiode,
-sodann auf jene Ansicht von der Entstehung
-alles positiven Rechts, nach welcher im normalen Zustande <em>alles
-Recht aus Gesetzen</em>, d. h. ausdrücklichen Vorschriften der höchsten
-Staatsgewalt entsteht und die Rechtswissenschaft lediglich den
-Inhalt der Gesetze zum Gegenstande hat.</p>
-
-<p>So kommt er auf die Frage nach der Entstehung des
-positiven Rechts (Kap. 2). Bereits zu Beginn urkundlicher Geschichte
-hat nach ihm das Recht kein selbständiges Dasein für sich;
-es ist dem Volke eigentümlich, so wie seine Sprache, Sitte, Verfassung.
-Zu einem Ganzen verknüpft werden sie durch die gemeinsame
-Überzeugung des Volkes (gleichbedeutend mit dem, von
-Savigny in seiner Schrift jedoch noch nicht gebrauchten, Ausdruck
-»Volksgeist«), das gleiche Gefühl innerer Notwendigkeit,
-welches den Gedanken einer zufälligen und willkürlichen Entstehung
-des Rechts ausschließt. Ursprünglich verkörpern sich die Regeln
-des Rechts in symbolischen Handlungen der Völker. Aber auch
-für das Recht gibt es, hierin ebenfalls der Sprache vergleichbar,
-keinen Augenblick absoluten Stillstandes. Es ist mit Notwendigkeit
-derselben Bewegung und Entwickelung unterworfen, wie jede
-andere Richtung des Volkes. Diese Sätze, in denen der Grundgedanken
-Savignys und damit auch das Glaubensbekenntnis
-der historischen Schule liegt, waren, wie Windscheid sagt, eine
-Offenbarung für ihre Zeit, sie sind auch heute trotz mannigfacher
-Angriffe gegen die historische Schule unerschüttert. Bei steigender
-Kultur, mit der Ausgestaltung rechtlicher Einzelheiten und der
-Bildung eines besonderen Juristenstandes, fällt, wie Savigny
-weiter lehrt, dies gemeinsame Bewußtsein, diese gemeinsame
-Überzeugung des Volkes als Ganzen dem Bewußtsein der Juristen
-anheim, von welchen das Volk nunmehr in dieser Funktion
-repräsentiert wird. Auch jetzt bleibt aber das Recht noch ein
-Teil des gesamten Volkslebens (»politisches Element des Rechts«)
-im Gegensatze zum abgesonderten wissenschaftlichen Leben des
-Rechts (»technisches Element des Rechts«). Nach Savigny,
-der als seine Vorläufer Gustav Hugo (&dagger; 1844) und Justus Möser<a class="pagenum" name="Page_16" id="Page_16">[Pg 16]</a>
-(&dagger; 1794) bezeichnet, entsteht das Recht also erst durch Sitte und
-Volksglaube (»als Gewohnheitsrecht«), dann durch Jurisprudenz,
-überall also durch innere, stillwirkende Kräfte, nicht durch die
-Willkür eines Gesetzgebers. Freilich ist der Einfluß der Gesetzgebung,
-fremden Rechts, örtlicher oder anderer Verhältnisse nicht
-ausgeschlossen. Dieser Einfluß der <em>Gesetzgebung</em> auf das
-bürgerliche Recht (Kap. 3) kann nach Savigny auf dreierlei
-Gründen beruhen: erstens dem Willen des Gesetzgebers zur Erreichung
-höherer politischer Zwecke; zweitens der Beseitigung
-vorhandener rechtlicher Zweifel und Unklarheiten; drittens (von
-den beiden ersten Gründen ganz verschieden) der <em>Kodifikation</em>
-des gesamten, auf seine Brauchbarkeit zu untersuchenden Rechtsvorrats.
-Die Kodifikation kann von Staats wegen oder von
-einzelnen Rechtsgelehrten vorgenommen werden; sie bezweckt einmal
-höchste Rechtsgewißheit, sodann Besserung und Berichtigung
-der äußeren Grenzen der Gültigkeit infolge der Ersetzung der
-verschiedenen Lokalrechte durch ein allgemeines Nationalrecht.
-Dieser zweite (äußere) Vorteil wird später in besonderer Anwendung
-auf Deutschland näher betrachtet (Kap. 5). Der erste (innere)
-Vorteil der größeren Rechtsgewißheit, den Savigny im Anschluß
-an die Meinung des englischen Philosophen und Lordkanzlers
-Francis Bacon (von Verulam &dagger; 1626) näher betrachtet, hängt
-von der Vortrefflichkeit der Ausführung ab. Was beibehalten
-werden soll, muß gründlich erkannt und richtig ausgesprochen
-werden. Nach seiten des Stoffs sei Vollständigkeit des Gesetzbuchs,
-aber nicht durch Kasuistik, sondern durch Erkenntnis der
-leitenden Grundsätze (sie gebe der juristischen Arbeit den wissenschaftlichen
-Charakter) zu erstreben; nach seiten der Form (Darstellung,
-Sprache des Gesetzes) sei die Schwierigkeit nicht minder
-groß. Hiernach werde nur in sehr wenigen Zeiten, die er in
-solche jugendlicher Völker, mittlere und sinkende scheidet, die
-Fähigkeit zur Schaffung eines vortrefflichen Gesetzbuchs vorhanden
-sein. »Also bleibt nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige, welche
-gerade für das Recht, obgleich nicht notwendig auch in anderer
-Rücksicht, als Gipfel der Bildung gelten kann. Allein eine solche
-Zeit hat für sich selbst nicht das Bedürfnis eines Gesetzbuchs;
-sie würde es nur veranstalten können für eine folgende schlechtere<a class="pagenum" name="Page_17" id="Page_17">[Pg 17]</a>
-Zeit, gleichsam Wintervorräte sammlend. Zu einer solchen Vorsorge
-aber für Kinder und Enkel ist selten ein Zeitalter aufgelegt.«</p>
-
-<p>Seine bisher entwickelten Theorien sucht Savigny nun durch
-Anwendung auf das römische Recht (Kap. 4) und das »Bürgerliche
-Recht in Deutschland« (Kap. 5) klarer und überzeugender zu
-machen. Der große Kenner des römischen Rechts und seiner
-Geschichte hat in dem 4. Kapitel einen Glanzpunkt seiner Schrift
-geschaffen. Im 5. Kapitel werden zunächst die Klagen über den
-Rechtszustand in Deutschland als unbegründet bezeichnet: An der
-übermäßig langen Dauer der Prozesse sei nicht das bürgerliche
-Recht, sondern das schlechte Prozeßverfahren schuld; die große
-Verschiedenheit der Landesrechte sei kein Mangel, sondern ein
-die Individualisierung der Rechtsbildung fördernder Vorzug.
-Den Mittelpunkt der Schrift bildet das 6. Kapitel »Unser Beruf
-zur Gesetzgebung«. An der Ehe und dem Eigentum als Repräsentanten
-des auch den Nichtjuristen interessierenden Familienrechts
-und des der juristischen Technik allein überlassenen Vermögensrechts
-zeigt Savigny, daß die Fähigkeit zu gesetzgeberischen
-Reformen von der Ausbildung unserer juristischen Technik abhänge.
-Der für den Juristen unentbehrliche zweifache, historische und
-systematische, Sinn sei im 18. Jahrhundert selten; eine gute
-Darstellung des »Systems des Römisch-Deutschen Rechts« in
-Buchform gebe es nicht; die deutsche juristische Literatur habe
-mit der allgemeinen literarischen Bildung nicht Schritt gehalten.
-Der Zeit, die zwar Spuren eines lebendigeren Geistes in der
-Rechtswissenschaft erkennen lasse, sei hiernach die Fähigkeit
-zur Schaffung eines guten Gesetzbuchs abzusprechen. Um so
-mehr, als es wie an der Beherrschung des Stoffs, so auch
-an der der Sprache des Gesetzes mangele. Die drei neuen
-Gesetzbücher, der <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Code civil</span>, das Allgemeine Preußische Landrecht
-und das Österreichische Gesetzbuch, werden zum Beweise seiner
-Theorie im 7. Kapitel (der schwächsten Partie der Schrift) einer
-Kritik unterzogen, die ungünstig ausfällt: noch am besten kommt
-das preußische Gesetzbuch davon, am schlechtesten das französische.
-(Das Tribunal von Montpellier wird wegen seines Ausspruchs
-über die Rechtsunsicherheit als Folge der zweifelhaften Natur des
-subsidiären Rechts und seines Vorschlags zur Abhilfe <em>ohne</em><a class="pagenum" name="Page_18" id="Page_18">[Pg 18]</a>
-ein Gesetzbuch gelobt.) So gelangt Savigny zu nachstehenden
-Schlußfolgerungen, je nachdem in einem Lande keine Gesetzbücher
-&ndash; wie im Gebiet des gemeinen Rechts &ndash; (Kap. 8) oder bereits
-solche vorhanden sind (Kap. 9). Dort habe sich die Gesetzgebung
-für das bürgerliche Recht auf die Entscheidung von Kontroversen
-und die Verzeichnung alter Gewohnheiten zu beschränken,
-hier seien die bestehenden Gesetzbücher (abgesehen vom <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Code civil</span>,
-einer überstandenen politischen Krankheit) nicht abzuschaffen.
-Das Rechtsstudium sei in beiden Fällen das gleiche. <em>Dort</em>
-werde der Juristenstand, geschult an einer nach historischer Methode
-entwickelten Rechtswissenschaft wieder »ein Subjekt für lebendiges
-Gewohnheitsrecht« werden. »Der Zustand klarer, anschaulicher
-Besonnenheit, welcher dem Recht jugendlicher Völker eigen zu
-sein pflegt, wird sich mit der Höhe wissenschaftlicher Ausbildung
-vereinigen. Dann kann auch für zukünftige schwächere Zeiten
-gesorgt werden, und ob dieses durch Gesetzbücher oder in anderer
-Form besser geschehe, wird dann Zeit sein zu beraten. Daß
-dieser Zustand jemals eintreten werde, sage ich nicht: dieses
-hangt von der Vereinigung der seltensten und glücklichsten Umstände
-ab.« <em>Hier</em> seien nach wie vor das alte Recht und seine
-Quellen geschichtlich zu erforschen und zu lehren. Das einigende
-Band des deutschen Rechts erblickt Savigny in den Universitäten
-(Kap. 10). »Thibauts Vorschlag« ist das 11. Kapitel gewidmet.
-Mit Thibaut, der sich zu Recht als Vaterlandsfreund bezeichne,
-erstrebe er als gleiches Ziel die Grundlage eines sicheren Rechts,
-die Gemeinschaft der Nation und Konzentration ihrer wissenschaftlichen
-Bestrebungen auf dasselbe Objekt &ndash; aber mit verschiedenen
-Mitteln: Nicht durch Schaffung eines Gesetzbuchs,
-wie Thibaut wolle, sondern durch eine organisch fortschreitende
-Rechtswissenschaft sei dem Übel, das nicht in den Rechtsquellen,
-sondern in uns liege, zu steuern. Auch in der praktischen Ausführung
-seines Gedankens seien Irrtümer Thibauts nachzuweisen:
-die von ihm angenommene kurze Dauer der Abfassung, die Herstellung
-durch ein Kollegium statt durch <em>einen</em> Mann, die zwar
-notwendige, aber mangels einer geeigneten Gesetzessprache nicht
-zu erreichende Popularität des Werkes. Der Schluß (Kap. 12)
-gibt eine kurze Zusammenfassung, die in eine Lobpreisung der<a class="pagenum" name="Page_19" id="Page_19">[Pg 19]</a>
-deutschen Rechtswissenschaft aus Melanchthons Munde ausläuft.</p>
-
-<p>Der <em>ewige Wert</em> der Schrift Savignys als programmatischer
-Äußerung der historischen Rechtsschule und damit zugleich als
-Ausgangspunkt für eine neue Grundlegung der Rechtswissenschaft
-mit Wirkung über diese hinaus auf die Gesamtheit der
-Geisteswissenschaften ist bereits hervorgehoben. Die wesentlichsten
-Irrtümer der Savignyschen Schrift liegen gerade in der Behandlung
-der <em>Gesetzgebungsfrage</em>. Sie stehen mit den eigentlichen
-Lehren der historischen Rechtsschule nur in loser Verbindung
-(vom »Einfluß der Gesetzgebung auf das Fortschreiten
-des Rechts« handelt Savigny selbst im System des heutigen
-Römischen Rechts I § 13) und lassen sich zum Teil aus den Zeitverhältnissen
-erklären. Daher sollen sie gleich jetzt betrachtet
-werden, ehe ein Blick auf Ursprung und weitere Entwickelung
-der historischen Schule geworfen wird.</p>
-
-<p>Der Zusammenhang der Ausführungen, in denen Savigny
-<em>seiner</em> Zeit &ndash; wohl mit Recht &ndash; den Beruf zur Gesetzgebung
-(womit die für unsere Betrachtung allein wesentliche Kodifikation
-des bürgerlichen Rechts im Gegensatze zur Einzelgesetzgebung<a name="FNanchor_C_3" id="FNanchor_C_3" href="#Fn_C_3" class="fnanchor">C</a>
-gemeint ist) abspricht (Kap. 3 und 6), zwingt zu dem Schlusse,
-daß er diese Fähigkeit &ndash; sicherlich zu Unrecht &ndash; allgemein für
-<em>jedes</em> Volk und <em>jede</em> Zeit verneint: ihm ist die Kodifikation ein
-Hemmnis organischer Rechtsentwickelung.</p>
-
-<p>Wir stehen hier vor einer alten und bedeutsamen Streitfrage.
-Sie ist nur in letzterem Sinne zu beantworten. Sie konnte nur
-entstehen, weil Savigny mehrere zur Gesetzgebungsfrage gehörende
-und deshalb zwar zusammenhängende, aber doch verschiedene Gegenstände
-in engem Rahmen gemeinsam behandelt hat. (Vgl. hierzu
-L. Spiegel, Gesetz und Recht, München u. Leipzig 1913, S. 77 ff.)</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_20" id="Page_20">[Pg 20]</a></p>
-
-<p>Die <em>herrschende</em> Meinung, wonach Savigny in der <em>Streitschrift</em>
-lediglich <em>seiner</em> Zeit die Fähigkeit zur Gesetzgebung im
-Sinne einer Kodifikation des gesamten Vorrats an bürgerlichem
-Recht abspreche, stützt sich insbesondere auf den Titel seiner
-Schrift und auf Wendungen, wie »unsre Zeit«, »unser Beruf«
-»wir« ... Damit ist aber von Savigny nur gemeint, daß
-seiner Zeit ganz besonders diese Fähigkeit mangele. Anders ist
-namentlich die oben wiedergegebene Stelle, die von der Eignung
-einer Zeit zur Gesetzgebung handelt, nicht zu verstehen, die einzige,
-die Wilhelm Grimm tadelnswert findet, weil sie die Hoffnung
-hinter sich läßt (s. u. Abt. II, <a href="#Page_174">3</a>): »daß dieser Zustand <em>jemals</em>
-eintreten werde, sage ich nicht« (S. <a href="#savigny_134">134</a>, <a href="#savigny_25">25</a>, <a href="#savigny_134">160</a> der ersten Ausgabe).
-Die hier gegebene Auslegung, wonach Savigny ein
-Gegner jeder Kodifikation ist und sie nur unter ganz ausnahmsweisen
-Bedingungen für ausführbar erklärt, ist bereits von
-Gierke, Landsberg (bezüglich der Einzelgesetzgebung abweichend)
-u. a. vertreten worden. (Vgl. Landsberg, Geschichte der deutschen
-Rechtswissenschaft III, 2 S. 202.) Im folgenden soll ein <em>Beweis</em>
-für ihre Richtigkeit geführt werden:</p>
-
-<p>Unter allen seinen Kritikern, mit denen sich Savigny in
-den »Stimmen für und wider neue Gesetzbücher« (s. u. Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>)
-auseinandersetzt, spendet er <cite>Schrader</cite>, dem durch die Ausführungen
-Savignys über die Trefflichkeit des Prätorischen Edikts
-angeregten Verfasser der Schrift »Die Prätorischen Edikte der
-Römer auf unsere Verhältnisse übertragen, ein Hauptmittel unser
-Recht allmählich gut und volksmäßig zu bilden«, Weimar 1815,
-die höchste Anerkennung. Bei Schrader findet sich nun nachstehende
-kurze Inhaltsangabe der Savignyschen Schrift: »<span class="antiqua2">Sie
-zeigt hauptsächlich, wie der Rechtszustand bei den Völkern
-sich zu entwickeln pflege; wie schwer es überall sei, ihn durch
-Gesetzgebung löblichen Absichten gemäß zu ordnen; wie wenig
-dieses besonders bei uns möchte erreicht werden können. Das
-Resultat geht dahin, daß den dringenden Bedürfnissen in Beziehung
-auf den Prozeß durch Gesetze abgeholfen; im Übrigen
-aber, da vom Mangel an genauer Rechtskenntnis, an wahrer
-Beherrschung unseres mannigfachen rechtlichen Stoffes, die
-meisten Fehler herrühren, das Rechtsstudium recht tüchtig getrieben werde; und die gesetzgebende Behörde nur durch einzelne
-Entscheidungen eingreife.</span>« Schrader, der, wie er von
-sich sagt, in den allgemeinen Grundlagen »am Meisten mit
-Savigny übereinstimmt«, faßt seine eigenen Ausführungen dahin
-zusammen, »<span class="antiqua2">daß Gesetzbücher zu erlassen, eine sehr bedenkliche,
-kaum je zu empfehlende Unternehmung ist</span>; daß dieselbe außerdem
-auf keinen Fall die fortlaufende Leitung der Selbstbildung
-des Rechts überflüssig macht. Diese <span class="antiqua2">kann</span> durch stete Tätigkeit
-der Gesetzgebung mittelst einzelner Verordnungen erfolgen; aber
-zweckmäßiger möchte dazu eine <span class="antiqua2">besondere Einrichtung</span> sein« (womit
-er &ndash; übrigens eine von Savigny zu Unrecht als praktisch bezeichnete
-Idee &ndash; die Einrichtung rechtsbildender Behörden nach
-Art des römischen Prätors meint). <em>Es ist ausgeschlossen,
-daß Schrader in der obigen, jeden Zweifel ausschließenden
-Inhaltsangabe bei dieser grundlegenden
-Frage Savigny falsch verstanden hat, ohne daß dieser
-es gerügt hätte.</em> Hinzu kommt jene Äußerung <cite>Wilhelm
-Grimms</cite> in seiner durch Savigny, seinen Freund, selbst angeregten
-Rezension der Schrift im Rheinischen Merkur. Weiter
-<cite>Gönners</cite> Worte in seiner Gegenschrift »Über Gesetzgebung und
-Rechtswissenschaft in unsrer Zeit«, Erlangen 1815 S. 4: »Doch
-muß ich aufrichtig bekennen, daß die ganze Tendenz seiner Schrift
-jenes harte Urteil über unsre Zeiten sehr mildert, denn in seiner
-ganz eigentümlichen Ansicht von Gesetzgebung spricht er <em>allen</em>
-Zeiten den Beruf dazu ab.« So also haben drei besonders beachtliche
-Zeitgenossen Savigny verstanden. Und nun <cite>Savignys</cite>
-eigene Worte zu dem Schraderschen Buche: »Der Verfasser geht
-von der richtigen Bemerkung aus, daß die geschichtliche Bildung
-des Rechts, die auch von ihm angenommen wird, keineswegs so
-mißverstanden werden dürfe, als solle der Staat sich gar nicht
-um das Recht im allgemeinen bekümmern. Nur die gewöhnliche
-Art, wie der Staat darauf einzuwirken pflege, durch eigentliche
-Gesetzgebung nämlich, sei in den meisten Fällen unzweckmäßig,
-selbst da, wo sich stehende Gesetzkommissionen finden.« (S. u.
-Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>. Vgl. auch die Kritik der Schraderschen Schrift in den
-Heidelb. Jahrbüchern 1816 S. 1049.) Weiter sagt Savigny gegen
-Gönner (Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft Bd. 1 S. 373 ff.):<a class="pagenum" name="Page_22" id="Page_22">[Pg 22]</a>
-»Ich habe vielmehr schon in meiner früheren Schrift anerkannt,
-daß unter gewissen Bedingungen die Abfassung eines Gesetzbuchs
-sehr wohltätig sei und alle Billigung verdiene.... Ich glaube,
-daß die unzeitige Abfassung eines Gesetzbuchs durch die Willkürlichkeit
-der Entstehung und durch das Zerreißen der geschichtlichen
-Fäden dem Despotismus in hohem Grade förderlich sein kann.«
-Hält man alle diese Momente zusammen, so hat man geradezu
-eine <em>authentische Interpretation</em> Savignys in dem von uns
-behaupteten Sinne zu seinen Ausführungen in der Kampfschrift
-vor sich, die Veranlassung zu dieser bedeutsamen Streitfrage gegeben
-haben. Noch deutlicher spricht sich Savigny in der Zusammenfassung
-am Schlusse der »Stimmen« aus, doch soll darauf
-nicht eingegangen werden, weil man in diesen Ausführungen auch
-nur eine Modifikation oder Weiterbildung seiner Ansicht aus der
-Schrift vom »Beruf« finden könnte.</p>
-
-<p>Wir kommen nunmehr zu der Erörterung der einzelnen
-Irrtümer Savignys in der Kodifikationsfrage. Savigny denkt
-offenbar an ein vollkommenes, ideales Gesetzbuch, das es, von
-Menschen und für Menschen verfaßt, nie und nirgends geben
-kann. Er verkennt die national-politische Bedeutung der Rechtseinheit
-unter dem Gesichtspunkt der Rechtspflege als einer der
-wesentlichsten Staatsaufgaben; er verkennt ferner die (von Thibaut
-mit Recht betonte) praktische Seite der Rechtseinheit für Rechtsleben
-und Verkehr; er verkennt endlich die Kraft der durch die
-historische Richtung auf eine neue Grundlage gestellten Rechtswissenschaft,
-wenn er von ihr die Herbeiführung eines einheitlichen Rechts
-erwartet, von einer Kodifikation aber ihren Verfall befürchtet.
-Die geschichtliche Entwickelung Deutschlands seit jenen Tagen,
-die uns den Norddeutschen Bund, dann das neue Deutsche Reich
-gebracht hat, zeigt als Folge das Bild einer fortschreitenden
-Rechtseinheit. Und schließlich erstand als Erfüllung des seit
-Thibaut nicht mehr zur Ruhe gekommenen, auch vom Deutschen
-Juristentage mit Eifer ausgesprochenen Wunsches &ndash; auf der
-Grundlage des Gesetzes vom 20. Dezember 1873 (Änderung des
-Art. 4 der Reichsverfassung, wodurch die Zuständigkeit des Reichs
-auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt wurde,) &ndash; das
-Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896. Sein erfolgreiches<a class="pagenum" name="Page_23" id="Page_23">[Pg 23]</a>
-Dasein, nicht minder wie die gesetzgeberische Tätigkeit der anderen
-großen Kulturstaaten im 19. Jahrhundert ist eine Widerlegung
-der Savignyschen Lehren, soweit sie sich gegen eine Kodifikation
-überhaupt richten. &ndash;</p>
-
-<p>Das Bild, das wir aus Savignys Schrift vom Wesen der
-historischen Rechtsschule erhalten, bedarf noch der Ergänzung
-sowohl hinsichtlich des Ursprungs, als auch der Fortentwickelung
-ihrer Lehre. Entsprechend dem Zwecke dieser Einleitung kann
-jedoch hier nur eine kurze Skizze gegeben werden.</p>
-
-<p>Als die eigentlichen Gründungsschriften der historischen
-Rechtsschule sind die durch Thibaut veranlaßte Streitschrift und
-der Einführungsartikel der »Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft«
-(1815) anzusehen, die ergänzt werden durch die
-erwähnte Erwiderung Savignys auf Gönners Streitschrift &ndash; s.
-u. Abt. II, <a href="#Page_185">3</a> &ndash; und den Aufsatz Savignys »Stimmen für und
-wider neue Gesetzbücher« (Bd. 3 ebenda) &ndash; s. u. Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>.</p>
-
-<p>Auch Savigny hatte, wie wohl jeder Schöpfer auf dem
-Gebiete der Wissenschaft, Vorläufer und Anreger. Sein unmittelbarer
-Vorläufer in der <em>historisch-empirischen</em>, das Naturrecht
-verwerfenden Methode war der Göttinger Professor Gustav Hugo
-(1764-1844). Der Gedanke der Entstehung des Rechts aus
-dem »Volksgeist« hat Anklänge besonders bei Montesquieu (<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Esprit
-des lois XIX</span>, 5, wo vom <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">esprit de la nation</span> die Rede ist) und dem
-englischen Philosophen Edmund Burke (&dagger; 1797), sowie bei den
-deutschen <em>Romantikern</em>, die auf <cite>Herder</cite> fußend Sprache und
-Recht in ihrer Entwickelung einander gleich setzten und das
-Volkstümliche zu begreifen und zu erforschen suchten. Herder,
-dieser großer Anreger und Bahnbrecher moderner Geisteskultur,
-ist, das verdient besonders betont zu werden, auf die <em>beiden</em>
-Gegner in der Kodifikationsfrage, Thibaut und Savigny, von
-Einfluß gewesen: in den Schriften der Zeit (bei Karl Ernst
-Schmid und B. W. Pfeiffer) wird er auch als Förderer des
-Gedankens eines Nationalgesetzbuchs in Anspruch genommen.
-Der Streit, ob der für die historische Schule charakteristische
-Ausdruck »<em>Volksgeist</em>« über Hegel (vgl. namentlich dessen
-»Grundlinien der Philosophie des Rechts«) und Puchta (Das
-Gewohnheitsrecht Bd. I) in die späteren Schriften Savignys (System<a class="pagenum" name="Page_24" id="Page_24">[Pg 24]</a>
-des heutigen römischen Rechts I, § 7) gekommen ist, oder ob ihn
-Savigny einem anderen entnommen hat, ist müßig. (Thibaut gebraucht
-ihn vor Savigny und zwar in der 1. Ausgabe »Geist
-des Volkes«, in der 2. Ausgabe an einer anderen Stelle »Volksgeist«,
-ebenso in den Heidelbergischen Jahrbüchern 1815 Nr. 42
-&ndash; vgl. hierzu, sowie über die Geschichte des Begriffes »Volksgeist«
-v. Möller, Die Entstehung des Dogmas von dem Ursprung
-des Rechts aus dem Volksgeist, Mitteilungen des Instituts für
-österreichische Geschichtsforschung, 1909, S. 1 ff. und Kantorowicz,
-Volksgeist und historische Rechtsschule, Historische Zeitschrift,
-München und Berlin, Bd. 108 S. 295 ff.). Denn der Ausdruck
-»Volksgeist« <em>lief damals allgemein um</em> und findet sich vielfach
-in der Bedeutung von Volksbewußtsein, Volksstimmung gerade
-in Schriften der Zeit, sogar in Zeitungen und Flugschriften (vgl.
-z. B. Rheinischen Merkur von 1815 Nr. 225, 226, 245 und die
-Schrift von F. W. Grävell, Drei Briefe über Preßfreiheit und
-Volksgeist, Berlin 1815, besprochen in der Jenaischen Allg. Lit.
-Ztg. 1815 Nr. 29); sachlich ist er jedenfalls identisch mit der
-Savignyschen Wendung vom »gemeinsamen Bewußtsein des
-Volkes«. Es zeigt sich auch hier wieder, wie wichtig die Heranziehung
-der Zeitverhältnisse für die Aufhellung wissenschaftlicher
-Zusammenhänge ist. Unter dem Einfluß der Romantik bekamen
-alle Wissenschaften einen historischen Zug. Antiphilosophisch war
-die historische Schule aber nicht. (Vgl. auch die Vorrede zur 2. Ausgabe
-der Schrift vom »Beruf«.) Ihre Bekämpfung des Naturrechts
-rechtfertigt diese Bezeichnung keineswegs. Sie steht vielmehr
-unter dem direkten Einfluß <cite>Schellings</cite>, der nachhaltig auf
-Savigny gewirkt hat. Ganz frei von naturrechtlichen Elementen
-ist übrigens Savignys Lehre auch nicht: beginnend mit dem
-Volksgeist als Quelle des Rechts und der hiermit sehr wohl zu
-vereinbarenden Annahme einer gemeinmenschlichen Rechtsidee
-(Rechtsgedanke) und der Möglichkeit eines Widerspruchs des
-geltenden Rechts mit ihren Postulaten bis zur Stabilisierung der
-Wissenschaft und der Praxis als rechtserzeugender Potenzen. (Vgl.
-meine Schrift »Rechtsphilosophie und Rechtswissenschaft«, Berlin
-1904, S. 36 ff.) Den wissenschaftlichen Gegensatz zwischen der historischen
-Rechtsschule und der naturrechtlichen, der Kodifikation günstigen<a class="pagenum" name="Page_25" id="Page_25">[Pg 25]</a>
-Richtung auf den politischen Gegensatz zwischen Konservatismus und
-Liberalismus zurückzuführen, wie es zuweilen im Hinblick auf
-Savignys streng konservative Gesinnung geschieht, ist innerlich unbegründet.
-Außer auf der historisch-empirischen und der romantischen
-Auffassung beruht die historische Schule weiter auf der
-<em>evolutionistischen</em>, d. h. der Betrachtung der Dinge unter
-dem Gesichtspunkt der Entwickelung. Gerade damals trat der
-französische Naturforscher Lamarck (&dagger; 1829), der größte Vorläufer
-Darwins, mit seinen evolutionistischen Lehren auf dem Gebiete
-der Naturwissenschaft hervor. Diese verschiedenen Quellen, aus
-denen Savigny, wie es Landsberg a. a. O. S. 207 ff. in verdienstvoller
-Weise darstellt, für die Bildung seiner Idee wohl teils
-bewußt, teils unbewußt geschöpft hat, zeigen, daß seine, gleich
-vielen anderen für die Wissenschaft bahnbrechenden Gedanken,
-wie wir es oben auch bei Thibauts Idee gesehen haben, damals
-sozusagen in der Luft lagen und nur des Mannes harrten,
-der die Fähigkeit hatte, sie in feste Form zu bringen. In ihrem
-Kern haben sie sich, allen Angriffen zum Trotz, von den wohl
-jeder Lehre auf geisteswissenschaftlichem Gebiet in ihren Anfängen
-anhaftenden Unklarheiten und Einseitigkeiten befreit, siegreich behauptet.
-Es waren vor allem &ndash; von ganz verschiedenen Standpunkten
-aus &ndash; Hegel (Grundlinien der Philosophie des Rechts;
-zur Gesetzgebungsfrage wichtig § 211 a. E.), Kirchmann (Die
-Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft), Jhering (Der
-Zweck im Recht), Stammler (Wirtschaft und Recht nach der
-materialistischen Geschichtsauffassung), die als bedeutendste Bekämpfer
-der historischen Rechtsschule auftraten.</p>
-
-<p>Das praktische Moment, das Recht der Gegenwart, das lebende
-Recht, der Einfluß von Wirtschaft und Kultur überhaupt haben in
-der neueren historischen Richtung, deren Begründer Jhering wurde,
-ihre verdiente Berücksichtigung gefunden. In jüngster Zeit sind dann
-von einem Anhänger der an das Naturrecht anknüpfenden Freirechtsschule,
-die für eine freiere Stellung des Richters gegenüber dem
-Gesetze eintritt, maßlos-heftige Angriffe gegen Savigny, »den Vater
-des juristischen Historismus und der Begriffsjurisprudenz, den
-Gegner der gegenwärtigen deutschen Rechtswissenschaft und der
-Kultur überhaupt« und zwar unter Verneinung des Wertes der<a class="pagenum" name="Page_26" id="Page_26">[Pg 26]</a>
-Geschichte für die wissenschaftliche Erkenntnis des Rechts erhoben
-worden. (Kantorowicz, Was ist uns Savigny? in Recht und Wirtschaft,
-1. Jahrgang S. 47 ff. und 76 ff.; auch gesondert erschienen).
-Diese durch eine glänzende Sprache bestechende Abhandlung wird
-aber den festgefügten, in hundertjährigem Bestand erprobten Gedankenbau
-der historischen Schule um so weniger erschüttern können,
-als sie allzu deutlich das Kennzeichen der Einseitigkeit ihrer rationalistisch-teleologischen
-Rechtsbetrachtung an sich trägt. (Entgegnungen
-insbesondere von Landsberg im Jurist. Lit. Blatt 1912 S. 54 f.
-und von Manigk, Was ist uns Savigny? Recht und Wirtschaft,
-1. Jahrgang, S. 174 ff. und 199 ff., weiter ausgeführt in seinem
-Buche Savigny und der Modernismus im Recht, Berlin 1914.)</p>
-
-
-<h3>2. Biographisches.</h3>
-
-<p>I. <cite>Anton</cite> Friedrich Justus <cite>Thibaut</cite> wurde am 4. Januar
-1772 zu Hameln als Sohn eines aus reformierter Réfugiéfamilie
-stammenden hannoverschen Majors geboren. Seine Mutter Ulrike
-Antoinette Grupen war die Tochter des Germanisten und Publizisten
-Christian Ulrich Grupen. Ursprünglich galt Thibauts Neigung
-dem Forstfache; dann studierte er die Rechte in Göttingen
-(1792), Königsberg (1793), wo er Kant hörte, und Kiel (1794).
-An dieser Universität promovierte er im November 1795 (im Jahre
-1796?) mit der Schrift <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">De genuina iuris personarum et rerum
-indole veroque huius divisionis pretio</span> zum Doktor, habilitierte
-sich 1796, wurde 1798 außerordentlicher, 1801 ordentlicher Professor
-und ging 1802 nach Jena. Hier trat er in Beziehungen zu Goethe
-und Schiller, in dessen Gartenhaus Thibauts Hauptwerk »System
-des Pandektenrechts« entstand. Verheiratet war Thibaut mit einer
-Tochter des Kieler Philosophieprofessors Ehlers. Seit 1806
-lehrte er in Heidelberg. Zur neuen Blüte dieser Universität hat
-Thibaut wesentlich beigetragen; er hat sie auch eine Zeitlang
-in der Badischen Kammer vertreten; 1834 wurde er Mitglied
-des Bundesschiedsgerichts. Er starb am 28. März 1840 in
-Heidelberg.</p>
-
-<p>Thibaut, der zu den Begründern der neueren deutschen
-Rechtswissenschaft zu rechnen ist, war ein geborener Zivilist mit
-praktischem Blick, der die philosophischen Grundlagen des Rechts<a class="pagenum" name="Page_27" id="Page_27">[Pg 27]</a>
-nicht preisgeben wollte, und doch, wie er selbst betont, keineswegs
-ein Verächter der Rechtsgeschichte. Als Universitätslehrer
-war er von bedeutender Wirkung, wobei ihm sein vorzüglicher
-Vortrag und seine eindrucksvolle Erscheinung zustatten kam.
-(Er soll entfernte Ähnlichkeit mit Savigny gehabt haben &ndash;
-Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm, Weimar 1881,
-S. 56). Er war ein vielseitig gebildeter Mann. Die schöne
-Literatur kannte er nach allen Richtungen. Die Musik hat er,
-auch wissenschaftlich, in beachtenswerter Weise, namentlich durch
-das Buch »Über Reinheit der Tonkunst« gefördert. Seine musikgeschichtlich
-höchst wertvolle Sammlung ist von der Königlich
-Bayrischen Staatsbibliothek erworben worden. (Den »Katalog
-der Bibliothek von Anton Friedrich Justus Thibaut, welche vom
-16. November 1840 an in Heidelberg öffentlich versteigert werden
-soll«, Heidelberg 1840, besitzt die Berliner Königliche Bibliothek.)</p>
-
-<p>Thibauts wichtigste juristische <em>Schriften</em> sind: Enzyklopädie
-und Methodologie, Altona 1797; Versuche über einzelne Teile
-der Theorie des Rechts, Jena 1798 u. 1801; Theorie der logischen
-Auslegung des Römischen Rechts, Altona 1799; Beiträge zur
-Kritik der Feuerbachschen Theorie über die Grundbegriffe des
-peinlichen Rechts, Hamburg 1802; Über Besitz und Verjährung,
-Jena 1802; System des Pandektenrechts, Jena 1803 (9 Auflagen),
-das erste von der Legalordnung absehende, praktisch brauchbare
-Pandektensystem, welches die geltend gewordene Systematik Heises
-(eines Kollegen Thibauts) unmittelbar vorbereitete; Civilistische
-Abhandlungen, Heidelberg 1814, worin die Streitschrift als
-19. Abhdlg. enthalten ist; ferner zahlreiche Aufsätze in den
-Heidelbergischen Jahrbüchern und im Archiv für die zivilistische
-Praxis, in dessen Redaktion Thibaut mit dem 5. Bande eintrat.
-In diesem Archiv ist seine für die Geschichte des Schulenstreits
-wichtige Abhandlung Ȇber die sogenannte historische und nicht-historische
-Rechtsschule« Bd. 21 (1838), S. 391 ff. und seine letzte
-Arbeit (aus der Besitzlehre) Bd. 23 (1840), S. 167 ff. mit Nachruf
-von Mittermaier enthalten.</p>
-
-<p><span class="gesperrt">Literatur</span>: Allgemeine Deutsche Biographie, Leipzig, Bd. 37,
-737 ff.; Weechs Badische Biographieen, 2. Teil, Heidelberg 1875,
-S. 345 ff.; Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft,<a class="pagenum" name="Page_28" id="Page_28">[Pg 28]</a>
-München und Berlin 1910, Bd. III, 2 S. 69 ff.; an allen drei
-Stellen finden sich weitere Literaturangaben.</p>
-
-<p>II. <cite>Friedrich</cite> Karl von <cite>Savigny</cite> wurde am 21. Februar
-1779 in Frankfurt a. M. geboren. Er entstammte einer alt-adligen
-lothringischen Réfugié-Familie. (Der Name Savigny
-ist auf der ersten Silbe zu betonen, also Sávigny, nicht Savígny
-&ndash; vgl. Brandenburgia, 19. Jahrgang S. 384.) Ein kurz gefaßtes,
-lateinisch geschriebenes von Savigny der Marburger
-Juristen-Fakultät eingereichtes <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">curriculum vitae</span> ist abgedruckt in
-v. Stintzing, Friedrich Karl von Savigny (Preußische Jahrbücher
-Bd. 9 S. 121 ff., vgl. S. 134, auch gesondert erschienen). Der
-Großvater Savignys war Pfalz-Zweibrückischer Kabinetsminister;
-von der Großmutter stammte außer anderem Grundbesitz das
-Gut Trages (Drachenhaus) bei Gelnhausen, wo Savigny sich
-vielfach aufhielt. Savignys Vater Christian Karl Ludwig
-v. Savigny war Regierungsrat in gleichen Diensten, später vertrat
-er mehrere oberrheinische Fürsten in Frankfurt a. M.
-Savignys Mutter war die geistig hochstehende Henriette Philippine
-Groos, Tochter des Pfalz-Zweibrückischen Geheimen Rats
-Groos. Mit dreizehn Jahren verwaist, wurde Savigny im Hause
-seines Vormundes, gleichzeitig eines Freundes und entfernten
-Verwandten seines Vaters, von Neurath, der Rat am Reichskammergericht
-in Wetzlar war, erzogen. Sechzehn Jahre alt,
-begann er (1795) die juristischen Studien in Marburg. Dort
-war es der philologisch gebildete Professor Ph. Friedrich Weis,
-ein Anhänger der eleganten (positiven) Rechtsschule, der Savigny
-auf das römische Recht hinlenkte und die Anregung zu Savignys
-späterem Meisterwerke »Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter«
-gab, in dessen Vorrede der Verfasser dankbar auf seinen
-früheren Lehrer hinweist. Im Winter 1796 studierte Savigny
-in Göttingen; im Winter 1797 ging er wieder nach Marburg,
-wo er bis zum Juli 1799 blieb. Es folgte dann eine einjährige
-Reise durch verschiedene deutsche Staaten, von der die Reisebriefe
-erhalten sind (Vgl. Stoll, Friedrich Karl von Savignys sächsische
-Studienreise 1799 bis 1800, Leipzig 1891). In Marburg vollendete
-Savigny seine Studien und erhielt am 31. Oktober 1800
-die juristische Doktorwürde. Seine Dissertation und erste Schrift<a class="pagenum" name="Page_29" id="Page_29">[Pg 29]</a>
-handelt <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">de concursu delictorum formali</span> (Vermischte Schriften
-Bd. 4, S. 74 ff.). Kurz darauf begann er mit einer Vorlesung
-über Strafrecht seine Lehrtätigkeit als Marburger Privatdozent,
-schon im Anfang von Erfolg begleitet. Bald wandte er sich
-dem Zivilrecht zu. Durch seine Vorlesung über die letzten zehn
-Bücher der Pandekten kam er zu eingehender Beschäftigung mit
-der Besitzlehre: Zu Beginn des Jahres 1803 erschien »Das Recht
-des Besitzes, eine zivilistische Abhandlung.« Diese (32) +
-495 Seiten umfassende Schrift, die erste, die nach historisch-systematischer
-Methode die römisch-rechtlichen Quellen von ihren
-Modifikationen durch Gesetzgebung und Praxis schied, gleichzeitig
-auch das Gelehrte mit dem Praktischen verband, dazu in klarer
-Darstellung und schöner Sprache abgefaßt war, eröffnete eine
-neue Epoche der Rechtswissenschaft. Savigny trat damit in die
-Reihe der ersten Zivilisten. So äußerte sich Thibaut in einer
-begeisterten Besprechung des Savignyschen Buches (Allg. Lit. Ztg.,
-Halle und Leipzig, 1804 Nr. 41 bis 43). Im Jahre 1803 wurde
-Savigny außerordentlicher Professor in Marburg.</p>
-
-<p>Durch seine Vermählung mit Kunigunde Brentano (17. April
-1804; vgl. das Zitat am Schlusse der Literaturangabe) trat
-Savigny in noch engere Beziehungen zum Romantikerkreise,
-namentlich zum Geschwisterpaar Clemens und Bettina Brentano,
-deren Schwager er jetzt wurde, und zu der Dichterin Karoline
-von Günderode. Es fehlte nicht an Gegensätzen in der Charakteranlage
-zwischen Savigny und den Brentanos. Dazu kam, daß
-er Protestant, die Familie Brentano katholisch war; seine Kinder
-ließ Savigny, der religiös positiv war, katholisch erziehen.</p>
-
-<p>Wegen einer mehrjährigen Studienreise zur Beschaffung
-rechtsgeschichtlichen Materials, die ihn Ende 1804 auch nach
-Paris führte, wohin ihm Jacob Grimm folgte, lehnte er eine
-Berufung als Ordinarius nach Heidelberg ab; doch hat er sich
-wohl darum bemüht, daß Heise, der nachmalige Schöpfer der
-modernen Pandektensystematik, und Thibaut dorthin kamen. Nach
-Beendigung seiner Reise wurde Savigny (1808) von der bayrischen
-Regierung als Ordinarius an die Universität Landshut berufen,
-wo auch der Kriminalist Feuerbach und Gönner, Savignys
-späterer Gegner in der Gesetzgebungsfrage, wirkten. Über seine<a class="pagenum" name="Page_30" id="Page_30">[Pg 30]</a>
-anregende akademische Wirksamkeit aus der Zeit seines zweijährigen
-Landshuter Aufenthalts finden sich interessante Zeugnisse
-in Bettinas Briefen (Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, Bd. 2).</p>
-
-<p>Die Gründung der Universität Berlin führte Savigny im
-Frühling 1810 auf den dortigen Lehrstuhl des römischen Rechts.
-Der Erfolg blieb ihm, der schon, rein äußerlich betrachtet, eine
-bedeutende Erscheinung war, auch in Berlin in einem Kreise auserlesener
-Männer treu. Bei der ersten Rektorwahl standen sich der
-Philosoph Fichte, dessen »Reden an die Deutsche Nation« (1808/09)
-den Befreiungskampf vorbereitet hatten, und Savigny gegenüber:
-Fichte wurde mit einer geringen Mehrheit der erste Rektor der
-Berliner Universität. Als ihn Meinungsverschiedenheiten über
-die akademische Disziplin zum Rücktritt veranlaßten, berief der
-König am 16. April 1812 aus besonderem Vertrauen Savigny
-zum Rektor. Das Jahr 1814 brachte dann die Streitschrift und
-gleichzeitige Programmschrift der historischen Schule »Vom Beruf
-unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft«. 1815
-folgte die Gründung der »Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft«,
-deren erste Herausgeber Savigny, Eichhorn und
-Göschen waren. Im gleichen Jahre erschien der 1. Band der
-»Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter«, dem bis 1831
-noch weitere 5 Bände folgten (die 2. Auflage umfaßt 7 Bände).
-Dies Hauptwerk Savignys behandelt in seinem ersten Teile das
-römische Recht als Ergebnis geschichtlicher Entwicklung in den
-sechs Jahrhunderten vor dem Glossator Irnerius (&dagger; 1140),
-während der zweite Teil mehr eine Geschichte der Literatur des
-römischen Rechts in den vier Jahrhunderten nach Irnerius gibt.
-Als Niebuhr im Jahre 1816 in Verona die Handschrift der
-Institutionen des Gajus fand, erkannte man den Zusammenhang
-dieses namentlich durch die Aufhellung der römischen Rechtspflege
-wissenschaftlich hochbedeutenden Fundes mit dem durch das
-Aufblühen der historischen Schule geweckten Sinn für die Erforschung
-der Rechtsquellen. Ohne Savigny hätten wir den
-Gajus nicht, schrieb Hugo im Jahre 1818. Erwähnt seien hier
-auch Savignys Abhandlung »Der zehente Mai 1788«, durch die
-er seiner Verehrung zu Hugos fünfzigjährigem Doktor-Jubiläum
-Ausdruck gab, sowie die Aufsätze über »Niebuhr« und die<a class="pagenum" name="Page_31" id="Page_31">[Pg 31]</a>
-»Rechtsgeschichte des Adels.« Zur Überraschung und Freude der
-Juristenwelt erschienen dann im Jahre 1840 die ersten drei Bände
-des »Systems des heutigen Römischen Rechts«, in dessen Vorrede
-Savigny zu den Angriffen auf die historische Schule Stellung
-nahm und für die Herstellung der Einheit zwischen Theorie und
-Praxis erneut mit Wärme eintrat. 1841 folgten zwei weitere Bände
-dieses Werkes. Ein entscheidendes, für die weitere wissenschaftliche
-Tätigkeit Savignys aber verhängnisvolles Ereignis trat im
-Jahre 1842 ein: Savigny übernahm das von König Friedrich
-Wilhelm IV., seinem Gönner und einstigen Schüler, eigens für
-ihn gegründete Ministerium für die Revision der Gesetzgebung.
-Daraus ergab sich die Niederlegung der Professur. Seine sechsjährige
-Ministerzeit, die mit den Märzereignissen des Jahres 1848
-ihr Ende erreichte, war eine Enttäuschung. In den Jahren 1847
-bis 1853 erschienen der 6. bis 10. Band des Systems, das (auf
-die Allgemeinen Lehren und Teile des Obligationenrechts beschränkt)
-ebenso wie die Geschichte des Römischen Rechts im
-Mittelalter ein Bruchstück geblieben ist.</p>
-
-<p>Am 25. Oktober 1861 beendete Savigny sein von Anbeginn
-an im Zeichen des Glücks stehendes, an Erfolgen ungewöhnlich
-reiches Leben, das in mancherlei Hinsicht den von Jhering
-(a. a. O., S. 354 ff.) gezogenen und durchgeführten Vergleich
-mit dem Leben Goethes, eines Sohnes der gleichen Vaterstadt,
-gerechtfertigt erscheinen läßt. Wenige Wochen nach Savignys
-Tode wurde bei der Gedächtnisfeier der Berliner Juristischen
-Gesellschaft der Beschluß verkündet, das Andenken des großen
-Rechtslehrers durch eine Stiftung zu ehren. Diese trat unter
-dem Namen »Savigny-Stiftung« im Jahre 1863 ins Leben und
-verfolgt insbesondere den Zweck, wissenschaftliche Arbeiten auf
-dem Gebiete des Rechts der verschiedenen Nationen zu fördern.
-Die hundertjährige Wiederkehr seines Geburtstages am 21. Februar
-1879 gab Gelegenheit, das Andenken Savignys in großartiger
-Weise zu feiern.</p>
-
-<p><span class="gesperrt">Literatur</span>: v. Stintzing, Friedrich Karl von Savigny (Preußische
-Jahrbücher Bd. 9 (1862), S. 121 bis 168, auch gesondert
-erschienen); Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 30, S. 425 ff.
-mit Literaturangaben; Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechts<a class="pagenum" name="Page_32" id="Page_32">[Pg 32]</a>wissenschaft, München und Berlin 1910, Bd. III, 2 S. 186 ff.; Eduard
-Müller, Friedrich Karl von Savigny, Leipzig 1906 (Heft 9 der
-Sammlung »Männer der Wissenschaft«), beide gleichfalls mit
-Literaturangaben; O. Liebmann, Die juristische Fakultät der
-Universität Berlin, Berlin 1910. Über die Nachkommen Savignys
-vgl. Familiengeschichtliche Blätter, Leipzig, 9. Jahrgang (1911),
-S. 145.</p>
-
-
-<h3>3. Bibliographisches.</h3>
-
-<p>Die erste Ausgabe von <cite>Thibauts</cite> Schrift Ȇber die Notwendigkeit
-eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland«,
-8<sup>o</sup>, 67 S., deren Titelblatt unten wiedergegeben ist, erschien im
-Jahre 1814 in Heidelberg bey Mohr und Zimmer. Noch in
-demselben Jahre veröffentlichte Thibaut in seinen »Civilistischen
-Abhandlungen« (ebenda, 1814. Vorrede »im August 1814«) als
-XIX. Abhandlung (S. 404 bis 466) eine durch Zusätze vermehrte
-zweite Bearbeitung dieser Schrift; in den Heidelb. Jahrbüchern
-1814 Nr. 48 spricht Thibaut von einer »zweiten vermehrten Ausgabe«.
-Im Jahre 1840 (kurz nach Thibauts Tode) erschien ebenda
-(J. C. B. Mohr) eine dritte Ausgabe »Abgedruckt nach der in den
-<cite>Civilist. Abhandlungen</cite> des Verf. als XIX. Abhandl. viel vermehrten
-<em>zweiten</em> Bearbeitung dieser Schrift. Nebst Zugabe der
-darauf Bezug habenden Rezensionen des Verf. aus den Heidelb.
-Jahrb. d. Liter. der Jahre 1814, 1815 u. 1816«. Es sind dies die
-Rezensionen des Rehbergschen Buches Ȇber den Code Napoleon
-und dessen Einführung in Deutschland« (Heidelb. Jahrb. 1814 Nr. 1
-u. 2, S. 1 bis 32), der Savignyschen Schrift »Vom Beruf unsrer
-Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft« (1814 Nr. 59,
-S. 929 ff., unten abgedruckt Abt. II, <a href="#Page_174">2</a>), des Pfeifferschen Buches
-»Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für deutsche Staaten«
-(1816 Nr. 13, S. 193 ff.), des Gönnerschen Buches »Über Gesetzgebung
-und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit« (1815 Nr. 40,
-S. 625 ff.) und des Savignyschen Programmaufsatzes Ȇber den
-Zweck dieser Zeitschrift« &ndash; Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft,
-herausgegeben von C. F. v. Savigny, C. F. Eichhorn
-und J. F. L. Göschen, Band I, Heft I (ebenda 1815 Nr. 42, S. 657
-bis 661).</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_33" id="Page_33">[Pg 33]</a></p>
-
-<p>Die erste Ausgabe von <cite>Savignys</cite> Schrift »Vom Beruf
-unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft«, gr. 8<sup>o</sup>, (4)
-+ 162 S., deren Titelblatt ebenfalls unten abgedruckt ist, erschien
-im Jahre 1814 auch in Heidelberg, bey Mohr und Zimmer.
-Im Jahre 1828 erschien die zweite, vermehrte Auflage (Heidelberg
-bey J. C. B. Mohr). Sie enthält eine Vorrede, den völlig
-unveränderten Abdruck der Schrift und zwei Beilagen (Savignys
-Abhandlung »Stimmen für und wider neue Gesetzbücher«, aus
-der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft Bd. III, 1 bis 52
-und das Urteil des Tribunals von Montpellier über den Entwurf
-zum Code). S. unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>. Eine dritte unveränderte Auflage
-erfolgte im Jahre 1840 (Heidelberg bei J. C. B. Mohr).
-Nach dieser dritten Auflage veranstaltete die Akademische Verlagsbuchhandlung
-von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Freiburg i. B.
-1892 einen Neudruck.</p>
-
-<p>Von Übersetzungen sind zu erwähnen: <span class="antiqua" lang="en" xml:lang="en">Of the vocation of
-our age for legislation and jurisprudence, translated from the
-German of Frederick Charles von Savigny by Abraham Hayward,
-London (1831), printed by Littlewood u. Co., Old Bailey (not for
-sale).</span> <span class="antiqua" lang="it" xml:lang="it">Savigny (De) Fed. Carlo, La vocazione del nostro secolo
-per la legislazione e la giurisprudenza, con introduzione e discorso
-sugli scritti di lui e sulla scuola storica di Gius. Tedeschi, Verona
-(Antonelli) 1857.</span> (Eine französische Übersetzung scheint nicht vorhanden
-zu sein; bei <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Michaud, Biographie universelle ancienne et
-moderne, Paris, Vol. 38</span> ist keine erwähnt, auch die Pariser National-Bibliothek
-besitzt keine.)</p>
-
-<p>Savignys Schrift ist <em>nach</em> der 2. (erweiterten) Ausgabe von
-Thibaut im Oktober 1814 erschienen. Dies ergibt sich aus einer
-Vergleichung der Daten der Thibautschen Vorreden mit denen
-der Briefe Niebuhrs und Grimms, ferner aus der eigenen Bemerkung
-Thibauts am Anfange seiner Besprechung der Savignyschen
-Schrift in den Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur 1814
-Nr. 59. Savigny zitiert aber nur die 1. Ausgabe von Thibaut.</p>
-
-<p>Im folgenden ist der Text der Erstausgaben beider Streitschriften
-wörtlich abgedruckt. Auch Orthographie und Interpunktion
-sind beibehalten. Die in Klammern gesetzten Zahlen<a class="pagenum" name="Page_34" id="Page_34">[Pg 34]</a>
-bedeuten die Seiten der ersten Ausgaben, besonders zur Erleichterung des Nachschlagens späterer Zitate. Offenbare Druckfehler
-&ndash; so auf S. <a href="#thibaut_33">33</a> bei Thibaut: noch Hert, statt nach Hert, auf
-S. <a href="#savigny_14">14</a> bei Savigny: nach (statt noch) einiger näheren Bestimmungen,
-S. <a href="#savigny_60">60</a> diesen (statt diese) allgemeinen Lehren &ndash; sind
-verbessert. Scheinbare Druckfehler, die auf Irrtümer oder Ungenauigkeiten
-der Verfasser zurückzuführen sind, sind beibehalten.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_35" id="Page_35">[Pg 35]</a></p>
-
-
-
-<h2>
-<span class="f70 nostyle">Ueber</span><br />
-<span class="f90 nostyle">die Nothwendigkeit</span><br />
-<span class="f70 nostyle">eines</span><br />
-<span class="f90 nostyle">allgemeinen</span><br />
-bürgerlichen Rechts<br />
-<span class="f70 nostyle">für</span><br />
-<span class="f90 gesperrt">Deutschland.</span></h2>
-
-<p class="center"><span class="f80">Von</span><br /><br />
-
-<span class="gesperrt"> A. F. J. Thibaut,</span><br /><br />
-
- <span class="f80">Hofrat und Professor des Rechts in Heidelberg; Correspondenten<br />
- der Kaiserl. Gesetzgebungs-Commission in Petersburg.</span></p>
-
-<p class="f90 center gesperrt">Heidelberg,<br />
-bey Mohr und Zimmer.</p>
-
-<p class="center mb2">1814.</p>
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_36" id="Page_36">[Pg 36]</a></p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_37" id="Page_37">[Pg 37]</a></p>
-
-<p class="noindent"><a name="thibaut_3" id="thibaut_3" class="f70">[3]</a></p>
-<p class="cap">Ich habe kürzlich in einer Recension (Heidelberg. Jahrb.
-1814. S. 1-32.) über die Nothwendigkeit allgemeiner Deutscher
-bürgerlicher Gesetze beyläufig manches geäußert, was achtungswerthe
-Männer veranlaßte, mich aufzufordern, in einer besondern
-Abhandlung diesen wichtigen Gegenstand sorgfältiger zu entwickeln.
-So ungern ich nun auch in dem leicht verrinnenden
-Strom der Flugschriften etwas von dem Meinigen sehe, und so
-wenig ich auch Ursach habe, zu glauben, daß man auf meine
-Stimme sonderlich achten werde: so schien mir doch der jetzige
-wichtige Augenblick von der Art zu seyn, daß Schüchternheit und
-Zurückgezogenheit nicht zu dem Drange der Umstände passen
-möchten, daß vielmehr jeder nachdenkende Mann für das Gute
-und Große laut zu<a name="thibaut_4" id="thibaut_4" class="f70">[4]</a> reden habe, insofern irgend gehofft werden
-kann, durch einen ersten Anstoß viele Kräfte in das Leben hervor
-zu rufen. Nur durch diese Rücksicht veranlaßt, entwarf ich die
-folgenden Zeilen. Sie können leicht Staatsmännern und Gelehrten
-mißfallen, und dagegen werde ich nichts einwenden. Aber
-den Ruhm lasse ich mir nicht rauben, daß ich als warmer Freund
-meines Vaterlandes geredet habe; und in diesen Gesinnungen
-werde ich nie einem Andern nachstehen.</p>
-
-<p>Uebrigens ist keine Zeile der folgenden Blätter durch irgend
-eine Empfindlichkeit veranlaßt. Nie hat mich ein Staatsmann
-beleidigt, und in Beziehung auf meine Person sind mir verfehlte
-Wünsche so gut wie fremd. Das Glück gab mir mehr als ich
-verdiene; nie strebte ich nach Höherem; und meine Zufriedenheit
-wird ungetrübt bleiben, wenn auch ferner Niemand zwischen mich
-und die Sonne in die Mitte tritt.<a name="an_zus_1" id="an_zus_1" href="#zus_1" class="fnanchor">1</a></p>
-
-<p>Heidelberg den 19. Junius 1814.</p>
-
-<p class="poem2">A. T.</p>
-
-<hr class="hr45" />
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_38" id="Page_38">[Pg 38]</a></p>
-
-
-<p class="noindent"><a name="thibaut_5" id="thibaut_5" class="f70">[5]</a> </p>
-<p class="cap"> Deutschland hat jetzt durch Befreyung seines Bodens zwar
-seine Ehre gerettet, und sich die Möglichkeit einer glücklichen Zukunft
-errungen; allein es stehen der Erreichung eines auch nur mittelmäßigen
-Glücks noch so viele mögliche Hindernisse entgegen, daß
-man mit einer Art eigensinnigen Glaubens die Hoffnung festhalten
-muß, um nicht durch bange Ahndungen getroffen zu
-werden. Denn wie man auch die Deutschen im Gegensatz der
-Besiegten empor heben mag, immer bleibt es gewiß, daß ein
-Theil unsres Volks, besonders in den Höheren und Mittelständen,
-des Deutschen Namens unwürdig ist; daß unsre Beamten vielfach
-durch das feine Gift des Französischen Beyspiels und Einflusses
-verdorben wurden; daß Kleinlichkeit und beschränkter Eigennutz
-zum Theil auch den Besseren nicht fremd sind, und daß so jetzt
-wieder sehr leicht geschehen könnte, was in stürmischen Zeiten
-nur zu leicht geschieht,<a name="thibaut_6" id="thibaut_6" class="f70">[6]</a> nämlich daß die rechtlichen Männer
-nach unten gedrückt werden, oder sich mürrisch in eine schuldlose
-Unthätigkeit zurückziehen, daß der Hefen der Nation sich nach
-oben drängt, und daß unsre Fürsten, schlecht berathen und geleitet,
-auch mit dem besten Willen nicht im Stande seyn werden,
-den Theil des Volks zu befriedigen, wegen dessen das Regieren
-allein Werth hat. Diese Möglichkeiten werden dadurch noch
-vermehrt, daß unter unsern kräftigen und rechtlichen Männern
-da und dort immer mehr eine überspannte Gutmüthigkeit empor
-kommt, welche das Unmögliche ungestüm fordert, sich in politischen
-und ästhetischen Träumereyen erschöpft, über dem Seichten
-das Tiefe vergißt, und so den beschränkten und verdorbenen
-Weltmännern der niederen Art die beste Gelegenheit gibt, mit
-scheinbar weiser Bedachtsamkeit alles Schlechte und Kleinliche
-vom Untergange zu retten. Auch stehen wir jetzt mehr, wie
-jemals, auf dem Punkt, daß uns die Schlauen, durch eine frische
-Erfahrung unterstützt, mit frohem Bedauren auf den Unsegen des
-Wechsels und der Neuerungen verweisen können.</p>
-
-<p><a name="thibaut_7" id="thibaut_7" class="f70">[7]</a> So viel ist auf allen Fall schon jetzt entschieden, daß
-Deutschland nach wie vor den Vortheilen einer unbedingten<a class="pagenum" name="Page_39" id="Page_39">[Pg 39]</a>
-Einheit zu entsagen hat, und sich in eine Reihe bloß äußerlich
-verbundener kleiner Staaten auflösen wird. Darüber zu klagen
-wäre wahrlich unüberlegt und ungerecht. Denn wenn man nicht
-die überspannte Forderung machen will, daß alle andern Völker,
-im unbedingten Vertrauen auf die Rechtlichkeit unsrer Regierung,
-alle menschlichen Nebenrücksichten dem Abstracten opfernd, bloß
-im Interesse der Deutschen handeln sollen, so erscheint jene Vereinzelung
-und Zerstückelung als fast nothwendig; auch verspricht
-sie auf den möglichen Fall so viele bedeutende Vortheile, daß
-schwerlich ein Politiker im Stande seyn wird, zu beweisen, die
-volle Einheit nutze den Deutschen mehr, als jene Vereinzelung.
-Der Zustand großer Staaten ist immer eine Art unnatürlicher
-Spannung und Erschöpfung. Ein warmes Leben nur an Einem
-Punkt; ein einförmiges Streben nur zu Einem Ziele; ein stetes
-Unterdrücken des Individuellen, Mannigfaltigen einer einzigen
-gemeinen Sache wegen; und im Grunde keine ganz innige Verbindung<a name="thibaut_8" id="thibaut_8" class="f70">[8]</a>
-zwischen dem Regenten und Unterthanen! In einem
-Bunde kleiner Staaten hat dagegen die Eigenthümlichkeit des
-Einzelnen freyen Spielraum, das Mannigfaltige kann sich ins
-Unendliche ausbilden, und die Verbindung zwischen dem Volk
-und Regenten ist weit inniger und lebendiger. Auch lege man
-nicht zu viel Gewicht darauf, daß große einfache Staaten den
-kriegerischen Muth des Einzelnen besonders heben. Denn wenn
-ein kleines Volk sittlich erzogen, weise regiert, und seiner Verfassung
-geneigt gemacht ward, so hat es sich immer durch
-kriegerische Rüstigkeit und Kraft ganz vorzüglich ausgezeichnet,
-und die überwiegende Macht großer Staaten lag dann immer
-nur in der Ueberzahl ihrer Streitenden. Ohnehin dürfen die
-Deutschen nicht vergessen, wie sehr jene Zersplitterung ihrem
-Character anpaßt, wenigstens wie jetzt die Nation sich ausgebildet
-hat. Ueberall widerstreitende Elemente, welche verbunden
-sich aufreiben könnten, aber neben einander gestellt sich wetteifernd
-zu dem Höheren treiben, und unendlich viel Mannigfaltiges,
-Eigenthümliches wecken und nähren werden! Mit diesem Reichthum
-des Mannigfaltigen<a name="thibaut_9" id="thibaut_9" class="f70">[9]</a> werden die Deutschen stets einen
-ausgezeichneten Platz unter den Völkern behaupten, während leicht
-alles zur Plattheit und Stumpfheit herabsinken könnte, wenn es<a class="pagenum" name="Page_40" id="Page_40">[Pg 40]</a>
-der allmächtigen Hand eines Einzigen gelänge, die Deutschen
-Völker zu einer vollen politischen Einheit zu stimmen.</p>
-
-<p>Allein wenn man auch im Ganzen über jene Vereinzelungen
-getröstet ist,<a name="an_zus_2" id="an_zus_2" href="#zus_2" class="fnanchor">2</a> so darf doch nicht vergessen werden, daß dieser Zustand
-möglicher Weise die größten Gefahren droht, wenn unsre
-Regenten das Eigenthümliche ihrer Lage übersehen sollten; wenn
-sie die nothwendigen Uebel großer Staaten unbedachtsam nachahmten;
-wenn sie dem Volke durch eine sinnlose Hofpracht Achtung
-einzuflößen suchten, Statt sich dieselbe auf dem besseren Wege
-einer thätigen, milden, kräftigen Regierung zu verschaffen, und
-nur allein darauf ausgingen, ohne freundliche Verbindung mit
-den Nachbarstaaten die Erreichung großer Zwecke kümmerlich durch
-die kleinen Mittel abgeschiedener eigner Kräfte zu versuchen. Grade
-von dieser Seite drohen uns aber unendliche Gefahren, und wenn
-unsre Fürsten den Einflüsterungen derer trauen, welche jetzt ihrer
-Stimme<a name="thibaut_10" id="thibaut_10" class="f70">[10]</a> leicht das mehrste Gewicht geben könnten, so werden
-die rechtlichen und kräftigen Männer der Nation wenig Grund
-haben, mit heiterem Vertrauen der Zukunft entgegen zu sehen.</p>
-
-<p>Es ist nicht meines Berufs, unsre künftigen politischen Verhältnisse
-von dieser Seite zu beleuchten; aber dazu bin ich lange
-genug thätiger Civilist gewesen, um ohne Unbescheidenheit in
-diesem großen, verhängnisvollen Augenblick meine Wünsche über
-unsre künftigen bürgerlichen Verhältnisse äußern zu dürfen. Und
-in der That ist dieß auch die Seite, welche am mehrsten hervorgehoben
-zu werden verdient. Denn in Beziehung auf politische
-Organisationen<a name="an_zus_3" id="an_zus_3" href="#zus_3" class="fnanchor">3</a> ist schon so viel vorgearbeitet, daß die Wahl des
-Zweckmäßigen mehr nur noch von dem guten Willen, als der
-Anstrengung des Verstandes abhängt; aber in bürgerlicher,
-privat-rechtlicher Hinsicht thut es Noth, daß über die frostigen
-herrschenden Ansichten ein warmer Hauch gehe, um das Erstarrte
-aufzulösen, und alles in das Leben hervorzurufen, was unter
-den Händen gewöhnlicher Staatskünstler wie eine todte Masse
-auf den heiligsten Verhältnissen des Bürgers lastet.</p>
-
-<p><a name="thibaut_11" id="thibaut_11" class="f70">[11]</a> Mehrere Zeichen der Zeit zwingen mich fast, die folgenden
-Wünsche schnell zu äußern. Die Deutschen sind in dem letzten
-Jahre aus einem langen Schlummer erwacht. Alle Stände
-haben der guten Sache mit einer Kraft und Eintracht gedient,<a class="pagenum" name="Page_41" id="Page_41">[Pg 41]</a>
-welche fast beyspiellos genannt werden kann, und unsre Fürsten
-haben ein Uebermaß von Gründen erhalten, um sich zu überzeugen,
-daß die Deutschen ein edles, kräftiges, hochherziges Volk
-sind, welches nicht bloß auf die Gerechtigkeit, sondern auch auf
-die Dankbarkeit seiner Regierungen lauten Anspruch machen darf,
-also auch darauf, daß man diesen herrlichen Augenblick benutze,
-um endlich alte Mißbräuche zu zerstören, und durch neue weise
-bürgerliche Einrichtungen das Glück des Einzelnen fest zu begründen.
-Aber grade in diesem Augenblick, und nachdem die
-zahllosen Gebrechen unsrer früheren bürgerlichen Verfassung von
-vielen unsrer ersten Rechtsgelehrten längst anerkannt waren, grade
-in diesem Augenblick hat man an vielen Orten nichts eiliger zu
-thun gehabt, als das krause Gemisch des alten Wirrwarrs gegen
-das eingeführte neueste Recht mit einem schneidenden Machtwort<a name="thibaut_12" id="thibaut_12" class="f70">[12]</a>
-wieder herzustellen, jeden kleinen Staat zu organisiren, als ob
-er mit der ganzen Welt durch keinen Faden zusammen hänge,
-und den kleinen eignen Kräften unbesorgt das Unglaubliche zuzutrauen.
-Die Theorie ist dabey denn auch nicht müßig geblieben,
-und aus dem Munde eines geistvollen, edeln Schriftstellers
-haben wir laut vernehmen müssen, daß es genüge, wenn
-man den Deutschen zu seinen alten Gewohnheiten zurückführe, und
-sich allenfalls da und dort eine Besserung im Einzelnen vorbehalte.</p>
-
-<p>Ich bin dagegen der Meynung, daß unser bürgerliches Recht
-(worunter ich hier stets das Privat- und Criminal-Recht, und
-den Proceß verstehen werde) eine gänzliche schnelle Umänderung
-bedarf, und daß die Deutschen nicht anders in ihren bürgerlichen
-Verhältnissen glücklich werden können, als wenn alle Deutschen
-Regierungen mit vereinten Kräften die Abfassung eines, der
-Willkühr der einzelnen Regierungen entzogenen, für ganz Deutschland
-erlassenen Gesetzbuchs zu bewirken suchen.</p>
-
-<p>Man kann und muß an jede Gesetzgebung zwey Forderungen
-machen: daß sie formell und<a name="thibaut_13" id="thibaut_13" class="f70">[13]</a> materiell vollkommen sey; also
-daß sie ihre Bestimmungen klar, unzweydeutig und erschöpfend
-aufstelle, und daß sie die bürgerlichen Einrichtungen weise und
-zweckmäßig, ganz nach den Bedürfnissen der Unterthanen, anordne.
-Leider gibt es aber kein einziges Deutsches Reichsland,
-wo auch nur Eine dieser Forderungen halb befriedigt ist. Unsre<a class="pagenum" name="Page_42" id="Page_42">[Pg 42]</a>
-altdeutschen Gesetzbücher, deren es in vielen Ländern noch wieder
-ein buntes Allerley gibt, sprechen wohl da und dort den einfachen
-germanischen Sinn kräftig aus, und ließen sich insofern
-für einzelne Rechtsfragen bey einer neuen Gesetzgebung sehr gut
-benutzen. Allein daß sie häufig den Bedürfnissen unsrer Zeit
-nicht entsprechen, überall die Spuren alter Rohheit und Kurzsichtigkeit
-an sich tragen, und in keinem Fall als allgemeine,
-umfassende Gesetzbücher gelten können, darüber war und ist unter
-den Kennern nur Eine Stimme. Was sich sonst noch von einheimischen
-Particular-Gesetzen an sie schließt &ndash; die Landesherrlichen
-Verordnungen, &ndash; hat zwar häufig über diese oder jene
-einzelne Einrichtung etwas Gutes nachgetragen; aber alles ist
-doch in der Regel ein furchtsames Bessern im<a name="thibaut_14" id="thibaut_14" class="f70">[14]</a> Kleinen, und
-die ganze verwirrte Masse wird mehrentheils durch sich selbst
-erdrückt. Von unsern alten durchsichtigen Reichsgesetzen läßt sich
-höchstens nur behaupten, daß sie wenige zweckmäßige Anordnungen,
-z. B. für Vormundschaften und den Proceß enthalten; aber eigentliche
-Gesetzbücher sind sie nicht, die einzige Carolina abgerechnet,
-deren Unzweckmäßigkeit für die jetzige Zeit so anerkannt ist, daß
-selbst die Freunde des Unwandelbaren die unbedingte Nothwendigkeit
-neuer Criminal-Gesetze zugeben mußten. So ist also
-unser ganzes einheimisches Recht ein endloser Wust einander
-widerstreitender, vernichtender, buntschäckiger Bestimmungen, ganz
-dazu geartet, die Deutschen von einander zu trennen, und den
-Richtern und Anwälden die gründliche Kenntniß des Rechts unmöglich
-zu machen. Aber auch eine vollendete Kenntniß dieses
-chaotischen Allerley führt nicht weit. Denn unser ganzes einheimisches
-Recht ist so unvollständig und leer, daß von hundert
-Rechtsfragen immer wenigstens neunzig aus den recipirten fremden
-Gesetzbüchern, dem Kanonischen und Römischen Recht, entschieden
-werden müssen. Grade hier erreicht aber<a name="thibaut_15" id="thibaut_15" class="f70">[15]</a> das Ungemach den
-höchsten Gipfel. Das Kanonische Recht, so weit es nicht auf
-die Katholische Kirchenverfassung, sondern auf andre bürgerliche
-Einrichtungen geht, ist nicht des Nennens werth; ein Haufen
-dunkler, verstümmelter, unvollständiger Bestimmungen, zum Theil
-durch schlechte Ansichten der alten Ausleger des Römischen Rechts
-veranlaßt, und so despotisch in Ansehung des Einflusses der<a class="pagenum" name="Page_43" id="Page_43">[Pg 43]</a>
-geistlichen Macht auf weltliche Angelegenheiten, daß kein weiser
-Regent sich ganz demselben fügen kann. Die letzte und hauptsächlichste
-Rechtsquelle bleibt daher für uns das Römische Gesetzbuch,
-also das Werk einer uns sehr ungleichen fremden Nation
-aus der Periode des tiefsten Verfalls derselben, die Spuren dieses
-Verfalls auf jeder Seite an sich tragend! Man muß ganz in
-leidenschaftlicher Einseitigkeit verfangen seyn, wenn man die
-Deutschen wegen der Annahme dieses mißrathenen Werkes glücklich
-preist, und dessen fernere Beybehaltung im Ernst anempfiehlt.
-Unendlich vollständig ist es zwar, aber etwa in eben dem Sinne,
-wie man die Deutschen unendlich reich nennen kann, weil ihnen
-alle Schätze unter ihrem Boden bis zum<a name="thibaut_16" id="thibaut_16" class="f70">[16]</a> Mittelpunkt der
-Erde gehören. Wenn sich nur alles ohne Kosten ausgraben
-ließe: da liegt die leidige Schwierigkeit! Und so denn auch bey
-dem Römischen Recht! Es läßt sich nicht bezweifeln, daß tief
-gelehrte, scharfsinnige, unermüdete Juristen über jede Theorie
-etwas Erschöpfendes aus den zerrissenen Fragmenten dieses
-Gesetzbuchs zusammentragen können, und daß wir vielleicht nach
-tausend Jahren so glücklich sind, über jede der tausend wichtigen
-Lehren, welche noch zur Zeit im Dunkeln liegen, ein classisches,
-erschöpfendes Werk zu erhalten. Allein den Unterthanen liegt
-nichts daran, daß gute Ideen sicher in gedruckten Werken aufbewahrt
-werden, sondern daß das Recht lebendig in den Köpfen
-der Richter und Anwälde wohne, und daß es diesen möglich sey,
-sich umfassende Rechtskenntnisse zu erwerben. Dieß wird aber
-bey dem Römischen Recht stets unmöglich bleiben. Die ganze
-Compilation ist zu dunkel, zu flüchtig gearbeitet, und der wahre
-Schlüssel dazu wird uns ewig fehlen. Denn wir besitzen nicht
-die Römischen Volks-Ideen, welche den Römern unendlich vieles
-leicht verständlich machen mußten, was uns ein Räthsel<a name="thibaut_17" id="thibaut_17" class="f70">[17]</a> ist;
-etwa wie neuerlich viele seichte Französische Juristen mit Leichtigkeit
-den Code von der rechten Seite ansahen, wo die Deutsche
-Gründlichkeit mit schwerfälliger Arbeit immer das Ziel verfehlte.
-Wir müssen folglich überall auf einen tüchtigen gelehrten Apparat
-bedacht seyn, und da werden denn, bey der Mannigfaltigkeit und
-Dürftigkeit der historischen Quellen, die Erörterungen so weitschichtig,
-verwickelt, und mehrentheils so gewagt, daß kein Practiker<a class="pagenum" name="Page_44" id="Page_44">[Pg 44]</a>
-im Stande ist, sich die entdeckten Schätze gehörig anzueignen.
-Gibt es doch sogar keinen Professor der Pandekten in ganz
-Deutschland, welcher sich nachrühmen könnte, daß es ihm möglich
-gewesen sey, alle einzelnen Lehren seines beschränkten Fachs
-historisch-dogmatisch aus den Quellen zu studieren, oder vollständig
-zu durchdenken. Aber laßt uns auch nur noch offenherzig
-gestehen: das Römische Recht wird nie zur vollen Klarheit
-und Gewißheit erhoben werden. Denn die Erklärungsquellen
-fehlen uns bey jeder Gelegenheit, und der ganze Wust jämmerlich
-zerstückelter Fragmente führt in ein solches Labyrinth gewagter,
-schwankender Voraussetzungen, daß der Ausleger selten
-einen ganz festen<a name="thibaut_18" id="thibaut_18" class="f70">[18]</a> Boden gewinnen kann, der nächste beste
-Ausleger also immer wieder angelockt wird, neue Ideen zu versuchen,
-und die bisherigen umzuwerfen. Wir haben ja darüber
-recht grüne Erfahrungen an einigen neueren trefflichen Werken,
-welche schwerlich so bald wieder ihres Gleichen finden werden,
-und doch auf der Stelle den lebhaftesten Angriffen ausgesetzt
-waren, ohne sich in der gemeinen Meynung eines vollständigen
-Sieges erfreuen zu können. Was aber vor allem dem Römischen
-Recht entgegensteht, ist die innere Schlechtigkeit seiner mehrsten
-Bestimmungen, besonders in Beziehung auf Deutschland. Zwar
-hat <cite>Leibnitz</cite> durch seine fast leidenschaftlichen Aeußerungen über
-das Genie der Römischen Juristen ein heiliges Staunen bey
-Vielen veranlaßt; allein jene Aeußerungen gingen mehr nur auf
-das Formelle, und beziehen sich keineswegs auf das ganze Gesetzbuch.
-In jener Hinsicht sind sie freylich wahr, treffen aber auch
-insofern nicht das vorhin Gesagte. Denn alles, was man den
-classischen Juristen zugestehen kann und muß, ist eine hohe
-Consequenz, und eine ungemeine Leichtigkeit in der Anwendung
-allgemeiner<a name="thibaut_19" id="thibaut_19" class="f70">[19]</a> positiver Rechtssätze auf die feinsten, verwickeltsten
-Einzelnheiten. Allein zu leugnen ist es auch nicht, daß sie später
-immer mehr in eine schwankende Billigkeit geriethen, und daß
-ihr Scharfsinn im Grunde der wahren Rechtsweisheit eben so
-viel schadete, als nutzte. Denn überall standen sie unter dem
-Zwange positiver Grundlagen aus der Periode der Barbarey,
-und da ward dann durch folgerechte Auslegung das Uebel nicht
-gemindert, sondern gemehrt. So kann man z. B. die Theorie<a class="pagenum" name="Page_45" id="Page_45">[Pg 45]</a>
-der Classiker über väterliche Gewalt und Erbrecht ein Meisterstück
-juristischer Consequenz und Zergliederungskunst nennen;
-aber man muß auch hinzusetzen: wehe der Nation, wo die
-Juristen dazu verurtheilt sind, an solchen rohen, einseitigen
-Grundlagen ihren Scharfsinn zu üben! Und was hilft uns auch
-alle Weisheit der Classiker, da ihre Ideen nicht rein auf uns
-gekommen sind; da die späteren Kaiserlichen Constitutionen fast
-jede einzelne Rechtslehre mißhandelt und verbildet haben; und
-da nun das Ganze als ein wahrhaft gräßliches Gemisch kluger
-und toller, consequenter und inconsequenter Bestimmungen vor
-uns liegt! Dieß trifft nicht<a name="thibaut_20" id="thibaut_20" class="f70">[20]</a> bloß eine zahllose Menge kleiner
-Rechtssätze, sondern große Rechtsmassen, welche als die Grundsteine
-des ganzen bürgerlichen Rechts gelten können, namentlich
-die Lehre von der elterlichen Gewalt, der Sicherheit des
-Eigenthums, dem Hypotheken-Wesen, dem Erbrecht, und der
-Verjährung.<a name="an_zus_4" id="an_zus_4" href="#zus_4" class="fnanchor">4</a></p>
-
-<p>Wären aber auch alle diese Vorwürfe ungegründet, so bleibt
-doch noch immer der, alles denkbare Schlechte übertreffende
-Umstand übrig, daß wir &ndash; unglaublicher Weise &ndash; in dem
-Römischen Recht ein Gesetzbuch haben, dessen Text wir nicht besitzen,
-und dessen Inhalt insofern einem Irrlicht zu vergleichen
-ist. Kein authentischer oder patentisirter Text ist aufgenommen,
-sondern das ideale Recht, wie man es nennen möchte, welches
-sich in den, ganz verschieden lautenden vorhandenen zahllosen
-Handschriften vorfindet. Die Masse dieser Varianten ist nun
-aber ungeheuer. Bloß in der Gebauerschen Ausgabe nimmt ihr
-Abdruck so viel Raum ein, als ein Viertheil des Textes; und
-doch ist es bekannt genug, daß bey dieser Ausgabe nicht der
-hundertste Theil der unentbehrlichen Hülfsmittel<a name="thibaut_21" id="thibaut_21" class="f70">[21]</a> benutzt ist.
-Wie ein Gelehrter nur ein Paar Wochen lang gute Handschriften
-oder Ausgaben vergleicht, entdecken sich immer neue überraschende
-Varianten, und es läßt sich gar nicht bezweifeln, daß ein guter
-Theil herkömmlicher Rechtsansichten über den Haufen geworfen
-werden müßte, wenn unsre <cite>Cramer</cite> und <cite>Savigny</cite> so glücklich
-wären, zehn Jahre zu Rom an der Stelle zu sitzen, wo <cite>Brenkmann</cite>
-nach dem Maaß seiner Kräfte der guten Sache zu dienen
-suchte. Also hängt das Glück unsrer Bürger davon ab, ob unsre<a class="pagenum" name="Page_46" id="Page_46">[Pg 46]</a>
-Gelehrten in Rom und Paris liberal behandelt werden, und
-fleißig sammeln, oder nicht!<a name="an_zus_5" id="an_zus_5" href="#zus_5" class="fnanchor">5</a> Und wenn wir denn endlich das
-ersehnte Ziel erreicht hätten, wenn die Varianten aller Handschriften
-und Ausgaben zu Einem großen Berge zusammengefahren
-wären, was würde dann der Erfolg seyn? Die geschickte
-Auswahl aus verschiedenen Lesarten hängt in der Regel vom
-bloßen Gefühl ab, und die Wahl läßt sich selten streng rechtfertigen.
-Da werden also die critischen Zänkereyen bis ins
-Unendliche vervielfältigt werden, zumal da wir guten Rechtsgelehrten
-nichts so sehr lieben, als die Meynungen Andrer, eben
-weil sie von Andern herrühren,<a name="thibaut_22" id="thibaut_22" class="f70">[22]</a> außerordentlich bedenklich
-zu finden, und zu der Eröffnung einer neuen Instanz alle Kräfte
-aufzubieten. Die Praktiker müssen aber bey solchen hochgelehrten
-Streitigkeiten, wie Buridans geduldiges Thier zwischen seinen
-beyden Heubündeln, mit unbewegtem Kopf in der Mitte stehen
-bleiben, oder sich entschließen, ihre Richter so in Bewegung zu
-setzen, wie jener Franzose den lieben Gott, indem er für den
-Deutschen Gott in Hannover ein Deutsches A&nbsp;B&nbsp;C kaufte, und
-es mit der Bitte gen Himmel hielt: mach dir selbst ein Vater
-unser daraus! &ndash; Wäre dieß alles nicht, wie würde es dann
-auch möglich gewesen seyn, daß edle Deutsche Rechtsgelehrte es
-über sich hätten erhalten können, in den Zeiten der Schmach
-und Unterdrückung dennoch ihrem Vaterlande die Annahme des
-Neu-Französischen Civil-Rechts in vollem Ernste zu empfehlen?</p>
-
-<p>Freylich ist es nicht zu leugnen, daß die Einführung des
-Römischen Rechts unserm gelehrten Treiben vielfach sehr förderlich
-war, besonders dem Studio der Philologie und Geschichte,
-und daß die ganze große räthselhafte Masse dem Scharfsinn und
-der Combinations-Gabe der Juristen immer<a name="thibaut_23" id="thibaut_23" class="f70">[23]</a> viel Gelegenheit
-gab, und geben wird, sich zu üben und zu verherrlichen. Allein
-der Bürger wird immer darauf bestehen dürfen, daß er nun
-einmal nicht für den Juristen geschaffen ist, so wenig als für die
-Lehrer der Chirurgie, um an sich lebendigen Leibes anatomische
-Versuche anstellen zu lassen. Alle eure Gelehrsamkeit, alle eure
-Varianten und Conjecturen, &ndash; alles dieß hat die friedliche
-Sicherheit des Bürgers tausendfältig gestört, und nur den Anwälden
-die Taschen gefüllt. Das Bürgerglück frägt nicht nach<a class="pagenum" name="Page_47" id="Page_47">[Pg 47]</a>
-gelehrten Advocaten, und wir würden dem Himmel inbrünstig zu
-danken haben, wenn es durch einfache Gesetze herausgebracht
-würde, daß unsre Anwälde ganz der Gelehrsamkeit entrathen
-könnten, wie wir auch allen Grund hätten, überselig zu seyn,
-wenn unsre Aerzte mit sechs Universal-Arzeneyen alle Krankheiten
-mechanisch zu heilen vermöchten. Für wahre wissenschaftliche
-Thätigkeit giebt es immer so viele Gegenstände, daß man nie
-genöthigt seyn wird, Knoten zu schürzen, um sie nachher lösen
-zu können. Aber ich behaupte noch mehr: eure beste Gelehrsamkeit
-hat für das bürgerliche Wesen den wahren ächten juristischen
-Sinn von jeher nicht<a name="thibaut_24" id="thibaut_24" class="f70">[24]</a> belebt, sondern getödtet. Die
-Masse des Positiven und Historischen ist zu ungeheuer. Der gewöhnliche
-Jurist, dem doch das Glück der Bürger in der Regel
-überlassen bleibt, kann diese Massen nur nothdürftig mit dem
-Gedächtniß festhalten, aber nie geistvoll verarbeiten. Daraus
-entsteht denn eine Hölzernheit und Aengstlichkeit, welche Erbarmen
-erregt, und am Ende liegt immer ein alter Tröster im Hintergrunde,
-woraus mechanisch der nöthige Rath geschöpft wird.
-Man vergleiche nur die Anwälde in England, wo man durch
-Römische Alterthümer und Varianten wenig geängstigt wird, mit
-unsern belobten Rechtsfreunden. Dort ist alles Leben und frische
-Eigenthümlichkeit, während bey uns in den mehrsten Ländern alles
-auf hölzerne Füße gestellt ist, und so matt und pedantisch einherschleicht,
-daß man am Ende kaum umhin kann, den Rabulisten, welche
-vom Positiven und Gelehrten nichts kennen, aber lustig in das
-weite Meer hinaussteuren, vorzugsweise geneigt zu werden.</p>
-
-<p>Nehmen wir nun dieß alles zusammen, so muß jedem Vaterlandsfreunde
-der Wunsch sich aufdrängen, daß ein einfaches
-Gesetzbuch, das<a name="thibaut_25" id="thibaut_25" class="f70">[25]</a> Werk eigner Kraft und Thätigkeit, endlich
-unsern bürgerlichen Zustand, den Bedürfnissen des Volks gemäß,
-gehörig begründen und befestigen möge, und daß ein patriotischer
-Verein aller Deutschen Regierungen dem ganzen Reich die Wohlthaten
-einer gleichen bürgerlichen Verfassung auf ewige Zeiten
-angedeihen lasse. Ich will versuchen, zuerst die Vortheile dieser
-großen Neuerung anschaulich zu machen, und dann dasjenige zu
-beseitigen, was man etwa gegen ihre Ausführbarkeit einwenden
-könnte.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_48" id="Page_48">[Pg 48]</a></p>
-
-<p>Zuerst, den Gelehrten zu gefallen, die Sache nur von der
-wissenschaftlichen Seite betrachtet: welcher unendliche Gewinn
-für die wahre, höhere Bildung der Diener des Rechts, der
-Lehrer und Lernenden! Bisher war es unmöglich, daß irgend
-Jemand, und wäre er auch der fleißigste Theoretiker gewesen,
-das ganze Recht übersehen, und mit Geist gründlich durchdringen
-konnte. Jeder hatte höchstens nur seine starken Seiten; an
-tausend Orten Nacht und Finsterniß! Von den unschätzbaren
-Vortheilen des Uebersehens der Wechselwirkung aller einzelnen
-Glieder der Rechtswissenschaft ist uns nichts zu Theil geworden.
-Ein<a name="thibaut_26" id="thibaut_26" class="f70">[26]</a> einfaches National-Gesetzbuch, mit Deutscher Kraft im
-Deutschen Geist gearbeitet, wird dagegen jedem auch nur mittelmäßigen
-Kopfe in allen seinen Theilen zugänglich seyn, und unsre
-Anwälde und Richter werden dadurch endlich in die Lage kommen,
-daß ihnen für jeden Fall das Recht lebendig gegenwärtig ist.
-Auch läßt sich nur bey einem solchen Gesetzbuch eine wahre
-Fortbildung der Rechtsansichten als möglich denken. Mit unsern
-bisherigen gelehrten Erörterungen haben wir uns zwar immer
-tiefer in Philologie und Geschichte hineingewühlt, aber der kräftige
-Sinn für Recht und Unrecht, für die Bedürfnisse des Volks,
-für ehrwürdige Einfalt und Strenge der Gesetze, ist bey diesem
-mühseligen Treiben immer stumpfer geworden. Was hätte sich
-auch für jene Fortbildung thun lassen, da die mehrsten Theile
-unsres positiven Rechts durch und durch verdorben sind, da wir
-ihre Gründe selten genau kennen, und da so auf der einen
-Seite keine Hoffnung der Besserung, und auf der andern Seite
-wenig Gelegenheit zu belebenden Erörterungen war! Wäre dagegen
-ein kräftiges einheimisches Gesetzbuch das Gemeingut
-Aller, wäre es von anerkannt bedeutenden<a name="thibaut_27" id="thibaut_27" class="f70">[27]</a> Staatsmännern und
-Gelehrten verfaßt, nach reifer Prüfung und voller Benutzung
-des öffentlichen Urtheils, und wären dann auch dessen Gründe
-mit unbedingter Offenheit zur allgemeinen Kenntniß gebracht,
-so würde nun die wahre Rechtswissenschaft, d. h. die philosophirende,
-sich leicht und frey bewegen können, und Jeder würde
-Gelegenheit und Hoffnung haben, zur fernern Vervollkommnung
-dieses großen Nationalwerks mitzuwirken. Auch wäre es unschätzbar,
-daß nun alle Deutschen Rechtsgelehrten einen gleichen<a class="pagenum" name="Page_49" id="Page_49">[Pg 49]</a>
-Gegenstand ihrer Untersuchungen hätten, und durch stete Mittheilung
-ihrer Ideen über dasselbe Werk sich wechselseitig heben
-und unterstützen könnten, daß also die trostlosen Winkelpfuschereyen,
-unter denen bisher unsre zahllosen Particular-Gesetze daniederlagen,
-im Wesentlichen ganz aufhörten.</p>
-
-<p>Sieht man aber auf den academischen Unterricht, so ist der
-Gewinn ebenfalls unermeßlich. Bisher war das, doch immer
-höchst wichtige Particular-Recht nirgend der Gegenstand gründlicher
-Vorträge auf den Academien, konnte es nicht seyn, und wird
-es nie werden. Denn unsre Academien bleiben gewiß, wie es
-heiß zu wünschen ist, allgemeine<a name="thibaut_28" id="thibaut_28" class="f70">[28]</a> Bildungsanstalten für ganz
-Deutschland, und werden nie zu bloßen Landesanstalten herabsinken,
-wo alles unter der Abgeschiedenheit und Kleinlichkeit
-verkümmern muß. Wie kann aber hier jemals ein wahrer Eifer
-der Lehrer für das einheimische Landrecht entstehen, da sie immer
-bey Vorträgen über allgemeineres Recht auf ein weit größeres
-Publicum rechnen können, besonders insofern, als sie schriftstellerische
-Arbeiten unternehmen? Auch wird sich jeder Lehrer
-besserer Art die goldene Aussicht erhalten wollen, in andern
-Freyhäfen eine freundliche Aufnahme zu finden, wenn seine bisherige
-Stelle ihm mißfällt, also nicht zu viel aufladen, was die
-Freyzügigkeit beschwerlich machen könnte. So hat denn bisher
-über dem Particular-Recht in wissenschaftlicher Hinsicht eine
-schwarze Nacht gelegen, und der junge Practiker mußte sich darin
-immer durch eigne Kraft zu orientiren suchen; ein unglückliches
-Geschäft, welches selten gerieth, da die Particular-Gesetze zu
-zerstreut und mannigfaltig sind, und da selten in einem Lande
-auch nur zehn practische Juristen das Glück haben, eine vollständige
-Sammlung jener Gesetze zusammenbringen<a name="thibaut_29" id="thibaut_29" class="f70">[29]</a> zu können.
-So schloß sich denn in der Regel an die vornehme academische
-Bildung eine ungeheure Lücke, welche nur nach mannigfaltigem
-Wagen und Umhertappen einigermaßen ausgefüllt werden konnte.
-Mit einem allgemeinen Gesetzbuch wären dagegen Theorie und
-Praxis in die unmittelbarste Verbindung gebracht, und die
-gelehrten academischen Juristen würden unter den Practikern ein
-Wort mitreden dürfen, während sie jetzt überall mit ihrem gemeinen
-Recht in der Luft hängen.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_50" id="Page_50">[Pg 50]</a></p>
-
-<p>Aber auch noch von einer andern Seite würde ein solches
-einfaches National-Gesetzbuch dazu beytragen, daß der, so wichtige
-practische Sinn unsrer Lernenden mehr geschärft werden könnte.
-Jetzt erschöpft sich alles im Auswendiglernen zahlloser verwirrter
-Gesetze, Definitionen, Distinctionen, und historischer Notizen. Für
-Wohlredenheit, für Gewandtheit im Angreifen und Vertheidigen,
-für Ausbildung des Talents, einer Rechtssache gleich vom Anfange
-an den besten Wurf zu geben, für die Kunst, Geschäfte vorsichtig
-einzurichten, für dialektische Schärfe und Schnellkraft, &ndash; für das
-alles geschieht mehrentheils nichts, und kann bey der gelehrten
-Ueberfüllung nichts<a name="thibaut_30" id="thibaut_30" class="f70">[30]</a> Genügendes geschehen. So werden
-daher unsre Entlassenen in die Welt hinaus gestoßen, um selbst
-durch Fallen das Gehen zu lernen; und so muß man noch dem
-Himmel danken, wenn nur nachher in einer langen Reihe von
-Jahren die Hälfte desjenigen, was ein geschickter academischer
-Unterricht in kurzer Zeit leicht mittheilen könnte, mühselig errungen
-wird. Wodurch sind auch die classischen Juristen der Römer so
-groß geworden? Nicht durch endlose Ableitung dunkler Rechtssätze
-aus Griechischen und Römischen Alterthümern; sondern
-dadurch, daß einfache vaterländische Gesetze die Grundlage ihrer
-Auslegungen waren, und daß so ungehindert für volle Gewandtheit
-des Geistes alles Mögliche geschehen konnte. Auf jeder der
-Rechtsschulen zu Rom, Berytus und Constantinopel gab es nur
-zwey ordentliche Professoren des Rechts, aber eine Menge von
-Griechischen und Römischen Rhetoren und Grammatikern; und
-wenn damals Staatswissenschaften und Naturrecht schon so durchgearbeitet
-gewesen wären, wie jetzt, so würden wir gewiß, Statt
-Eines Professors der Philosophie, weit mehrere den Juristen
-beygegeben finden.<a name="an_zus_6" id="an_zus_6" href="#zus_6" class="fnanchor">6</a></p>
-
-<p><a name="thibaut_31" id="thibaut_31" class="f70">[31]</a> Mehr als Alles ist es aber in Beziehung auf die wissenschaftliche
-Bildung, daß mit der Einführung eines neuen weisen
-National-Gesetzbuchs der academische Rechtsunterricht in allen
-Theilen geistvoll werden kann. Jetzt ist nur zu vieles todt und
-abschreckend. Die schlechte Beschaffenheit unsrer bisherigen Gesetze
-hat die Folge gehabt, daß Niemand im gemeinen Leben den
-gangbaren Rechtszustand mit Gefallen betrachten, und sich dabey
-verweilen mag. Man läßt das krause Unwesen fortlaufen, wie<a class="pagenum" name="Page_51" id="Page_51">[Pg 51]</a>
-es Gott gefällt, und bekümmert sich nicht darum. So betreten
-denn unsre Anfänger die Academien, ohne je über Gegenstände
-ihres Fachs auch nur entfernt nachgedacht zu haben, und die
-Lehrer des Rechts sind nie so glücklich, wie die Lehrer der
-Theologie und Medizin, daß sie ihre Vorträge an eine warme
-natürliche Vorstellungsart, und lebhafte gemeine Begriffe anknüpfen
-können. Unsre Naturrechte sind nicht dazu geschaffen,
-den civilistischen Verstand aufzuschließen und groß zu bereichern;
-und wären sie auch ganz, was sie seyn sollten, so würden sie
-doch das Interesse für das Positive nicht heben. Denn dieß
-schwarze, unübersehbare Allerley läßt sich<a name="thibaut_32" id="thibaut_32" class="f70">[32]</a> nur in einzelnen
-kleinen Theilen aufhellen, und mit der Philosophie in Eintracht
-bringen. Das Mehrste muß mit dem bloßen Gedächtniß aufgefaßt,
-und knechtisch angenommen werden, weil es nun einmal
-so ist; und daher führt hier die gespannteste Unverdrossenheit den
-Studierenden nie zu dem regen Eifer, und der innigen Anhänglichkeit
-an sein Fach, wodurch sich tüchtig gebildete Aerzte,
-Theologen und Physiker so oft auszeichnen. Wären wir dagegen
-so glücklich, ein gut gerathenes Gesetzbuch zu besitzen, welches wir
-mit gerechtem Stolz das Werk unsrer eignen Kraft nennen könnten,
-und dessen Segen sich in der Erfahrung klar erkennen ließe: so
-würde der Anfänger mit fruchtbaren Begriffen des gemeinen
-Lebens die Academie betreten, und die philosophischen und
-positiv-rechtlichen Vorträge würden, Statt sich einander zu zerstören,
-in steter wohlthätiger Wechselwirkung erhalten werden
-können.<a name="an_zus_7" id="an_zus_7" href="#zus_7" class="fnanchor">7</a></p>
-
-<p>Sehen wir nun ferner auf das Glück der Bürger, so kann
-es gar keinen Zweifel leiden, daß ein solches einfaches Gesetzbuch
-für ganz Deutschland die schönste Gabe des Himmels genannt
-zu werden verdiente. Schon die bloße Einheit wäre<a name="thibaut_33" id="thibaut_33" class="f70">[33]</a> unschätzbar.
-Wenn auch eine politische Trennung Statt finden muß
-und soll, so sind doch die Deutschen hoch dabey interessirt, daß
-ein brüderlicher gleicher Sinn sie ewig verbinde, und daß nie
-wieder eine fremde Macht den einen Theil Deutschlands gegen
-den andern mißbrauche. Gleiche Gesetze erzeugen aber gleiche
-Sitten und Gewohnheiten, und diese Gleichheit hat immer
-zauberischen Einfluß auf Völkerliebe und Völkertreue gehabt.<a class="pagenum" name="Page_52" id="Page_52">[Pg 52]</a>
-Außerdem macht der bürgerliche Verkehr jene Einheit fast zu
-einer schreyenden Nothwendigkeit. Unsre Deutschen Länder können
-allein durch einen lebhaften, inneren, wechselseitigen Verkehr
-ihren Wohlstand erhalten, und von dem schneidenden Volks-Egoismus,
-den der Französische Code ausspricht, darf bey uns
-durchaus nichts gehört werden. Ist also keine Gleichheit des
-Rechts, so entsteht das fürchterliche Unwesen der Collision der
-Gesetze, wobey denn noch wieder der leidige Umstand eintritt,
-daß es, nach <cite>Hert</cite>, wenigstens hundert und drey und dreyßig
-Streitfragen über jene Collision gibt, die armen Unterthanen also
-bey ihrem Verkehr in solche ewige Stockungen gerathen, und in
-ein solches Labyrinth von Unsicherheit<a name="thibaut_34" id="thibaut_34" class="f70">[34]</a> und Schwanken verstrickt
-werden, daß ihr ärgster Feind sie nicht übler berathen könnte.
-Die Einheit des Rechts würde dagegen den Weg des Bürgers
-von dem einen Lande in das andre eben und sicher machen, und
-schlechte Anwälde würden nicht mehr Gelegenheit finden, bey dem
-Verkauf ihrer Rechtsgeheimnisse die armen Ausländer schändlich
-auszusaugen und zu mißhandeln.</p>
-
-<p>Betrachten wir nun aber noch das Recht in seinem innern
-Seyn und Wesen, so muß sich dem Unpartheyischen von selbst
-die Ueberzeugung aufdringen, daß ein weises, tief durchdachtes,
-einfaches und geistvolles Gesetzbuch grade dasjenige ist, was der
-Deutsche Bürger zu seiner Stärkung und Erhebung unentbehrlich
-bedarf, damit die politische Zersplitterung, und die mit derselben
-unzertrennlich verknüpften Kleinlichkeiten ein tüchtiges Gegengewicht
-erhalten; und daß in der Regel kein einzelner Regent
-im Stande seyn wird, ein solches Gesetzbuch durch seine Diener
-entwerfen zu lassen. Es ist wahr, wir haben in Deutschland
-viele treffliche, geübte, erfahrene Beamte; aber fast immer nur
-für das, was im weiteren Sinne <em>Verwaltung</em> zu nennen ist,<a name="thibaut_35" id="thibaut_35" class="f70">[35]</a>
-also für Anwendung bestehender Gesetze. Männer, welche der
-Gesetzgebung, und insbesondere der allgemeinen, abstracten Gesetzgebung
-gewachsen sind, gibt es sehr wenige, selbst im gelehrten
-Stande. Dieß darf auch nicht befremden, und ist kein Vorwurf,
-welcher irgend eine Bitterkeit mit sich führt. Denn eine gute
-Gesetzgebung ist das schwerste unter allen Geschäften. Es gehört
-dazu ein reiner, großer, männlicher, edler Sinn; eine unbedingte<a class="pagenum" name="Page_53" id="Page_53">[Pg 53]</a>
-Festigkeit, damit man sich nicht durch falsches Erbarmen und
-kleinliche Nebenrücksichten überraschen lasse, und eine unendliche
-Umsicht und Mannigfaltigkeit der Kenntnisse. Wo solche Bedingungen
-gefordert werden, da darf ein Einzelner, da dürfen
-Wenige Einzelne sich nicht anmaßen, daß sie die Weisheit für
-alle Andern besitzen, sondern die Kräfte vieler der Ersten müssen
-vereinigt werden, damit durch eine große Wechselwirkung etwas
-Gediegenes und Geründetes vollbracht werde. Kein Deutsches
-Justiz-Ministerium wird, wenn es mit bescheidener Wahrhaftigkeit
-reden will, behaupten mögen, daß ihm die Fähigkeit beywohne,
-auch nur eine einzige der vielen Hauptlehren des bürgerlichen<a name="thibaut_36" id="thibaut_36" class="f70">[36]</a>
-Rechts so untadelhaft zu bearbeiten, daß das Werk kühn, nicht
-etwa den Advocaten und Richtern dieses Landes, sondern öffentlich
-den besseren Deutschen Rechtsgelehrten zur Prüfung vorgelegt
-werden dürfte. Auch der Geschickteste versuche, nur über Kleinigkeiten
-ein Gesetz zu entwerfen. Die Umfrage bey Andern, wie
-die spätere Erfahrung, wird immer seine Begriffe mannigfaltig
-berichtigen; und wer hier allein, oder nur mit wenigen Gehülfen
-wirkt, den wird sein Werk nach kurzer Zeit immer wieder zum
-Theil gereuen.</p>
-
-<p>Aber es muß noch hinzugesetzt werden: die Begriffe über
-Gesetzgebung sind bey vielen Deutschen Staatsbeamten allmählig,
-und besonders in der letzter Zeit der Auflösung und Umkehrung,
-vielfach im höchsten Grade schief und despotisch geworden; und
-dieses Uebel wird eher zu- als abnehmen, wenn die Particular-Gesetzgebungen,
-welche als solche von der öffentlichen Stimme
-wenig zu fürchten haben, auch fernerhin an den unglücklichen
-Bürgern leichtsinnig ihre Versuche im Dunkeln anstellen. Ich
-brauche nur das Beyspiel eines bedeutenden verstorbenen Staatsmannes<a name="thibaut_37" id="thibaut_37" class="f70">[37]</a>
-anzuführen, welcher unlängst in einem Deutschen
-Lande im Fach der Gesetzgebung kräftig wirkte. Er war ein
-Mann von festem Sinn, vieler Rechtlichkeit, großem Scharfblick,
-arbeitsam über alle Begriffe, und reich an Landeskenntnissen wie
-Wenige. In einem großen Collegio, als thätiger Gehülfe Vieler,
-aber auch nur auf seine Stimme beschränkt, würde er der Segen
-des Landes gewesen seyn. Allein er überhob sich seiner Kräfte,
-wollte für Viele und über Viele hinüber den rechten Verstand<a class="pagenum" name="Page_54" id="Page_54">[Pg 54]</a>
-haben;<a name="an_zus_8" id="an_zus_8" href="#zus_8" class="fnanchor">8</a> und da erfolgte denn ein Rechts-Jammer, worunter
-das ganze Land tief gebeugt ward. Ewige Neuerungen und
-Umwälzungen; reine Unwahrheiten in sogenannten authentischen
-Auslegungen; Erklärungen, welche als Muster der Dunkelheit
-gelten können; so wie, der ungehinderten Kühnheit wegen, eine
-Menge ganz verkehrter Ansichten und Grundsätze! Als von der
-Möglichkeit der Einführung des Code Napoleon die Rede war,
-stellte ich ihm einmal vor: er möge einen bekannten schändlichen
-Artikel über uneheliche Kinder nicht durchlassen; ferner den
-Art. 1649, wonach bey öffentlichen Auctionen die heimlichen
-Mängel<a name="thibaut_38" id="thibaut_38" class="f70">[38]</a> ungestraft mit in den Kauf gehen, als das Product
-eines groben Mißverstandes streichen; und endlich nicht mit dem
-Art. 1139 verordnen, daß bey der Verabredung einer bestimmten
-Zahlungszeit der Verzug doch nicht anders angenommen werden
-solle, als wenn namentlich ausgemacht sey, das Nichtzahlen solle
-als Verzug gelten, indem sich dieß ja von selbst verstehe, und
-der Bürger nie durch willkührliche, unnütze Formen geplagt
-werden dürfe. Allein die Antwort war: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ad</span> 1) Gottes Weltordnung
-sey auch unvollkommen; <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ad</span> 2) das werde zu viel Ueberlauf
-in den Gerichten machen; und <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ad</span> 3) wenn der Unterthan
-das neue Gesetzbuch gehörig einlerne, so wisse er ja, was er zu
-thun und zu lassen habe. Man denke sich einen Gesetzgeber nur
-mit diesen drey Grundsätzen: wir können ohne Noth zerstören,
-weil dieß auch Blitze und Erdbeben unter Gottes Augen thun;
-wir können den Betrogenen verderben lassen, wenn auf diese
-Art die Gerichte mehr Ruhe haben; und wir können dem Bürger
-muthwillig Lasten aufladen, weil er sie aus dem (mühseligen,
-und oft unmöglichen) Studio der Gesetze kennen lernen kann:
-man denke sich einen<a name="thibaut_39" id="thibaut_39" class="f70">[39]</a> Gesetzgeber nur mit diesen drey Grundsätzen
-thätig wirkend; welches Elend und Verderben an allen
-Enden! Und solchen Jammer haben wir neuerlich viel erdulden
-müssen, nicht durch den Willen unsrer guten Fürsten, welche
-außer Stande sind, die Verwickelungen der bürgerlichen Verhältnisse
-ganz zu durchschauen, sondern durch die Selbstsucht und
-die Halsstarrigkeit landesherrlicher Diener; und dieß in einer
-Zeit, wo man Gottes Engel vom Himmel hätte rufen mögen,
-um die Millionen Thränen zu trocknen, welche Noth und Elend,<a class="pagenum" name="Page_55" id="Page_55">[Pg 55]</a>
-Schmach und Schande den rechtlichen Deutschen, vom Höchsten
-bis zum Niedrigsten, auspreßten!</p>
-
-<p>Und wer wagt es zu sagen: es gibt unter uns nur <em>wenige</em>
-Staatsmänner mit solchen verkehrten Grundsätzen, mit dieser
-Beschränktheit, Eigenwilligkeit, diesem unglücklichen, verzehrenden
-Dünkel? Ihre Zahl ist wahrlich nicht klein, und daneben gibt
-es noch so viele Unwissenheit, so viele muthwillige Verstocktheit
-in alten Vorurtheilen, so viele Lahmheit und Schlaffheit, daß
-es ein seltenes Glück seyn wird, wenn ein Deutscher Fürst sich
-sagen darf: ich kann mich für das<a name="thibaut_40" id="thibaut_40" class="f70">[40]</a> große Fach der Gesetzgebung
-meinen Räthen sicher anvertrauen; und dieß um so mehr,
-da bey der Vereinigung der Diener eines einzigen Herrn gar
-zu leicht das Ansehn des Einen die übrigen zur Nachgiebigkeit
-verführt, und so in der Regel an keine volle Freyheit der Stimmen
-zu denken ist. Diese Freyheit, und eine durchdringende Allseitigkeit
-der Ueberlegung wird erst durch die Vereinigung Vieler aus allen
-Ländern erwirkt werden können; und dann mag auch ein verkehrter
-Kopf, oder ein sittlich Verdorbener mit unter laufen. Denn
-das ist grade der himmlische Segen großer collegialischer Verhandlungen:
-die Schaam, diese große Schutzwehr menschlicher
-Freyheit, wodurch auch der Hebel der Publicität so allmächtig
-wirkt, bändigt hier immer die Schlechtigkeit des Einzelnen. Alle
-werden durch die Kräfte Aller unglaublich ermuntert und gehoben;
-und durch ein geduldiges Erwägen aller Bedenken und
-Einwürfe schleifen sich am Ende die sämmtlichen Ecken so glatt
-herunter, daß das vollendete Werk in der Regel und im Ganzen
-(und auf mehr als dieses: im Ganzen darf man nie Anspruch
-machen!) den Beyfall jedes einzelnen Stimmenden haben wird.<a name="an_zus_9" id="an_zus_9" href="#zus_9" class="fnanchor">9</a></p>
-
-<p><a name="thibaut_41" id="thibaut_41" class="f70">[41]</a> Uebrigens bedarf es kaum einer Erinnerung, daß ein
-solches Gesetzbuch, wie es durch gemeinsames Wirken entstand, auch
-nur durch eben ein solches nachher erforderlichen Falls gebessert
-werden darf. Denn ohne dieß würde natürlich die beabsichtigte
-Einheit nur kurze Zeit bestehen, und der böse Wille würde sich
-überall durch schnelles Niederreißen zu rächen suchen. Die Sache
-müßte also wie ein Völkervertrag unter feyerlicher Garantie der
-auswärtigen großen alliirten Mächte behandelt werden. Man
-braucht auch nicht zu fürchten, daß die künftige Bewirkung noth<a class="pagenum" name="Page_56" id="Page_56">[Pg 56]</a>wendiger Aenderungen eben so viele Weitläuftigkeiten veranlassen
-werde, als die jetzige Abfassung des Gesetzbuchs. Denn
-die Haupttheile des Gesetzbuchs werden in der Regel unangetastet
-bleiben, und die nöthigen Aenderungen im Zweifel immer aus
-der Praxis, oder wissenschaftlichen Arbeiten so klar hervorgehen,
-daß darüber nicht viel zu rechten seyn kann.<a name="an_zus_10" id="an_zus_10" href="#zus_10" class="fnanchor">10</a></p>
-
-<p>Inzwischen ist mit Sicherheit darauf zu zählen, daß die
-bisher entwickelten Gedanken da und dort großen Widerspruch
-finden werden. Ich muß mich daher auf die möglichen Haupteinwürfe
-etwas<a name="thibaut_42" id="thibaut_42" class="f70">[42]</a> näher einlassen,<a name="an_zus_11" id="an_zus_11" href="#zus_11" class="fnanchor">11</a> wobey ich jedoch die
-schwierigen Seelen sich selbst überlassen muß, welche gegen alles
-bloß deswegen zu warnen pflegen, weil es Diesem oder Jenem
-mißfallen könnte. Denn dieses theilweise Mißfallen ist nun einmal
-bey jedem Dinge unabwendlich, und würde nicht zu vermeiden
-seyn, auch wenn ein Engel alles eingerichtet hätte. Auf
-die Mehrzahl, und auf den besseren, gediegenen Theil der Nation
-kommt es hier also an; und dieser wird gewiß nicht dadurch im
-Guten wankend gemacht werden, weil nicht alles gleich idealisch
-werden, oder nicht unbedingt einem Jeden gefallen will. Es
-geht hier, wie mit den Beschlüssen der Majorität eines Collegii.
-In der Regel wird dadurch gewiß das Bessere getroffen; und
-daher ist der Ueberstimmte ein Verräther an der guten Sache,
-und wird dafür gehalten, wenn er sich nicht fügen will, oder
-hinterrückisch durch heimliche Verbindungen zu hintertreiben sucht,
-was er auf dem graden Wege der Rechtlichkeit anzugreifen hat,
-oder auf sich beruhen lassen soll.</p>
-
-<p>Jene Haupteinwendungen nun möchte ich in heimliche und
-öffentliche eintheilen. Unter den letzten verstehe ich die, welche
-man als rechtlicher<a name="thibaut_43" id="thibaut_43" class="f70">[43]</a> Mann ohne Erröthen vor aller Welt
-aussprechen darf; unter den ersten aber diejenigen, deren man
-sich vielleicht hin und wieder im Finstern bedienen möchte, um
-die Fürsten zu täuschen, und von der Wahrheit abzulenken, welche
-aber, laut ausgesprochen, den Warnenden der allgemeinen Verachtung
-aller Rechtlichen preiß geben.</p>
-
-<p>Die heimlichen Einwendungen sind nun: ein solches Gesetzbuch
-lähme die Macht, und hemme die Freyheit des einzelnen
-Landesfürsten; man müsse sich jetzt in diesen schweren Zeiten<a class="pagenum" name="Page_57" id="Page_57">[Pg 57]</a>
-aller Neuerungen enthalten; jede Umwälzung der Rechtsverfassung
-rege das wilde Gemüth des Volks auf, könne leicht
-Aufstand veranlassen, und am Ende Deutschland in eben den
-Strudel hineinziehen, woraus sich Frankreich in diesem Augenblick
-kaum gerettet habe.</p>
-
-<p>Mit dem ersten Bedenken ist nun wohl ganz leicht fertig
-zu werden. Denn edeln Deutschen Fürsten ist es nie darauf
-angekommen, daß die Unterthanen von Woche zu Woche so recht
-weidlich herumregiert werden, und immer Sporn und Zügel des
-schlechten Reiters fühlen; sondern daß sie sich unter weisen,
-festen Gesetzen der verdienten<a name="thibaut_44" id="thibaut_44" class="f70">[44]</a> Ruhe erfreuen, und wo möglich
-ungehindert und ungeschüttelt ihr Wesen treu, ehrlich, und altherkömmlich
-für sich treiben. So werden denn edle Fürsten dem
-Schöpfer danken, wenn ihrem Lande ein bürgerliches Gesetzbuch
-zu Theil werden kann, welches daurende Ruhe und Sicherheit,
-und gute Verhältnisse zu den Nachbarn verspricht. Auch bleibt
-ja für die Regiersucht, wenn dieß Ungethüm wohl gepflegt fortleben
-soll, noch genug Thätigkeit übrig, theils in Beziehung auf
-die ganze Verwaltung, theils insofern nach den obigen Vorschlägen
-den Landesregenten, und etwa mitregierenden Ständen,
-die ganze Gesetzgebung im Fach der Finanzen, der Oekonomie,
-und der allgemeinen und besonderen Polizey ungekränkt verbleibt.
-Und wäre es auch eine Art von Herabsetzung, daß der Regent
-nach jenem Plan nicht grade alles kann, was ihm seine Willkühr
-eingibt, so läßt sich diese Herabsetzung für gute Fürsten gar nicht
-abwenden, und sie selbst werden dieselbe herbeywünschen. Denn
-der rechtliche Fürst beugt sich gern unter die Gesetze der Zweckmäßigkeit,
-und würde sich für den Glücklichsten halten, wenn in
-keinem Zweige der Verwaltung etwas mehr zu<a name="thibaut_45" id="thibaut_45" class="f70">[45]</a> ändern übrig
-wäre. Der kleinlichen Räthe, welche sich gar zu gern hervorthun,
-und ihre beschränkten Ansichten recht oft <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">in anima vili</span> (an den
-Unterthanen) probiren möchten, wird es zwar immer genug
-geben; aber gegen sie kann das Volk den Fürsten selbst, wenn
-er seine wahre Hoheit erkennt, getrost zu Hülfe rufen.</p>
-
-<p>Die übrigen Einwendungen sind bedenklicher, weil sie tückisch
-sind, und in diesen Zeiten überstandener, und doch zum Theil
-wieder drohender wilder Stürme ein erschrecktes, unerfahrnes<a class="pagenum" name="Page_58" id="Page_58">[Pg 58]</a>
-Gemüth leicht ergreifen könnten, auch der Verläumder fast immer
-darauf rechnen kann, daß dieß und jenes hängen bleibt. Tückisch
-sind aber jene Einwendungen mit Rücksicht auf Deutschland im
-höchsten Grade. Kein Volk der Erde gibt es, welches so geneigt
-ist, seiner althergebrachten Verfassung willfährig anzuhängen,
-und seinen Fürsten getreu zu bleiben, als das biedere Volk der
-Deutschen. Ein Deutscher Fürst braucht, man möchte sagen,
-nur halb seine Pflicht zu thun, nur von Zeit zu Zeit dem Volk
-redlich seine Theilnahme zu beweisen, nur im Ganzen Recht und
-Gerechtigkeit gut zu handhaben, um der allgemeinen Liebe<a name="thibaut_46" id="thibaut_46" class="f70">[46]</a>
-und Anhänglichkeit gewiß zu seyn. Der erhabene Fürst, dessen
-frisches Grab Badens Einwohner als die Ruhestätte eines Heiligen
-verehren, und dessen Andenken nie unter ihnen erlöschen wird,
-stand ruhig und unbesorgt, von den wildesten Volksstürmen umgeben,
-als angebeteter Freund unter seinen Unterthanen; und es
-hätte nicht einmal seiner unübertrefflichen, weisen Regierung
-bedurft, um auf die Treue des Volks bauen zu können. Der
-Deutsche weiß zu gut, was er von jeher seinen Fürsten zu danken
-hatte, und kennt die Gründe, warum er ihnen ferner vertrauen,
-und sie in Ehren halten soll. Unsre Fürsten werden im freundlichen
-Wohlstande gebohren und erzogen; keine der Reibungen
-verfinstert ihr Gemüth, wodurch der Unterthan, und besonders der
-Staatsdiener, im Gedränge des mühvollen Lebens so tausendfältig
-ergriffen, abgestumpft, verbittert, und in seinen Grundsätzen
-wankend gemacht wird. Jeder von ihnen kann sich durch
-die erhebende Rückerinnerung an die Thaten großer Ahnherrn
-im Guten bestärken, und überall aus der Geschichte seines eignen
-Landes lernen, welchen Segen ein guter Fürst durch Mäßigkeit,
-Kraft, Klugheit<a name="thibaut_47" id="thibaut_47" class="f70">[47]</a> und Gerechtigkeit über sein Volk verbreitet.
-Daher ist denn auch bey uns das Volk tief von dem lebendigen
-Glauben durchdrungen, daß wahrer Adel, Lauterkeit der Denkart,
-und das, was Vornehmheit im edleren Sinne genannt zu werden
-verdient, also Wohlwollen gegen Jedermann, Verachtung alles
-Kleinlichen, Unbestechlichkeit und Parteylosigkeit das Gemüth seiner
-Fürsten über alle Gemeinheit hinweghebe; und daher hat das
-Volk immer mit freudigem Herzen Gut und Blut geopfert, um
-die Ehre seiner Fürsten zu behaupten, und Schaden von ihnen<a class="pagenum" name="Page_59" id="Page_59">[Pg 59]</a>
-abzuwenden.<a name="an_zus_12" id="an_zus_12" href="#zus_12" class="fnanchor">12</a> Und wo geschah dieß mehr, als grade in diesem
-Augenblick heldenmüthiger Volksanstrengung, und allgemeiner
-Ergebung? Es gehört mehr als Bosheit dazu, wenn man selbst
-noch in solchen Zeiten den Fürsten von seinem Volke abwendig
-zu machen, ihn mit Mißtrauen und Besorgniß zu erfüllen sucht.
-Aber grade dieß haben wir jetzt am mehrsten zu fürchten. Denn
-&ndash; es muß laut gesagt werden! &ndash; die Verdorbenheit und Kleinlichkeit
-eines Theils der Staatsdiener mancher Länder nimmt
-immer mehr überhand. Nur zu gern möchte das lose Gesindel
-die zeitlichen Segnungen<a name="thibaut_48" id="thibaut_48" class="f70">[48]</a> des Regierens an sich reißen, die Kraft
-des Fürsten lähmen, und so wie der Sturmwind im Lande umherfahren;
-unbewacht an allen Enden herrschen und quälen, und
-eigner Gemeinheit, Eitelkeit, und Habsucht alle Zügel schießen
-lassen. Da muß denn die reine Seele des Fürsten durch Mißtrauen
-vergiftet werden; da muß man alles aufbieten, daß schlechte
-Umgebungen die Einwirkung der Edeln des Volks unmöglich
-machen; und es muß künstlich darauf angelegt werden, daß sich
-der Herr des Landes in Prunk und Tand, in Sinnlichkeit und
-Trägheit ersäufe, damit nun andre im Stillen das Ruder des
-Staats ergreifen, und mit ihrer Sippschaft von oben nach unten
-das Land durchfegen können, wie es ihnen gefällt. Das ist es,
-was unsre Fürsten zu fürchten haben, und mehr als je! Denn
-nicht so viel ist es zu beklagen, daß jüngst ein eisernes Geschick
-uns Freunde, Väter und Kinder raubte, und die Blüthe unsres
-Wohlstandes zerstörte, als vielmehr, daß uns bis auf das Mark
-ein verzehrendes Gift eingeflößt ward, welches alles zu vernichten
-drohet, wenn nicht kräftige Gegenmittel schnell angewandt werden.
-Nicht haben sie es verstanden, die Schlechten<a name="thibaut_49" id="thibaut_49" class="f70">[49]</a> und Eiteln,
-dem unbändigen Weltzerstörer seine guten Eigenschaften abzulernen,
-seine Thatkraft, seine Besonnenheit, und seinen Ernst;
-aber das gelang ihnen meisterhaft, durch die Betrachtung seiner
-Fehler, und unverständige Nachahmungssucht, alles Verderbliche
-und Ehrlose in sich aufzuregen, und zu befestigen. Daher diese
-herbe Menschenverachtung; dieses pöbelhafte Reiben an den gebeugten
-höheren Ständen; diese frostige, rücksichtlose Behandlung
-des<a name="an_zus_13" id="an_zus_13" href="#zus_13" class="fnanchor">13</a> Unterthanen; diese Hudeleyen verdienter Beamten; diese
-Schonung und Emporhebung der Schlechten, als brauchbarer<a class="pagenum" name="Page_60" id="Page_60">[Pg 60]</a>
-Werkzeuge zu beliebigen Zwecken; diese wechselseitige Gönnerschaft
-unter allen denen, welche auf den möglichen Fall durch
-ihre Bosheit einander möchten schaden können; und vor allen
-Dingen dieses heillose Bestreben, alle Regierungsmaßregeln des
-Schrecklichen nachzuahmen, welche nur insofern zu rechtfertigen
-waren, als ein Mensch ohne sittliche Haltung, ohne wahre Größe,
-und ohne ererbten Namen das Wagstück zu bestehen suchte, eine
-eitle, untreue, verwilderte Nation zu bändigen, und zum sklavischen
-Werkzeuge seiner<a name="thibaut_50" id="thibaut_50" class="f70">[50]</a> tobenden Laune zu machen. Unter diesen
-Menschen, und unter ihnen allein,<a name="an_zus_14" id="an_zus_14" href="#zus_14" class="fnanchor">14</a> haben unsre Fürsten ihre
-Feinde zu suchen. Nur daher jener vielfach nicht zu verkennende
-Mißmuth, und jene Freudenlosigkeit vieler im Volke, genährt
-durch die beklemmende Nebenbetrachtung, daß die Schamlosen,
-welche bisher bey uns dem fremden Unwesen laut huldigten,
-sich nun heuchlerisch in Unschuld waschen, ihr Brandmal verdeckend
-überall wieder einschleichen, und dann den Treuen und
-Rechtlichen durch schnöde Zurücksetzung und Mißhandlung den
-irdischen Lohn der Tugend reichlich zutheilen werden. Aber
-Gottes Allmacht wird es geben, daß unsre Fürsten bald ganz
-die Netze gewahren, welche man ihnen zu legen sucht. Auf die
-Biederkeit des Volks können sie dann, wie auf einen Felsen,
-bauen, und jede weise Neuerung wird nur noch dazu beytragen,
-die Unterthanen in den Gesinnungen der Treue und inniger
-Fürstenliebe zu befestigen.</p>
-
-<p>Unter den Einwendungen, welche sich von rechtlichen Männern
-erwarten lassen, möchte vielleicht<a name="thibaut_51" id="thibaut_51" class="f70">[51]</a> die scheinbarste diese seyn:
-das Recht müsse sich nach dem besondern Geist des Volks, nach
-Zeit, Ort und Umständen richten, und insofern führe ein allgemeines
-bürgerliches Gesetzbuch für alle Deutschen zu einem verderblichen,
-unnatürlichen Zwange. Für diese Einwendung lassen
-sich freylich viele Gewährsmänner nennen. Wie oft haben wir
-nicht seit <cite>Montesquieu</cite> davon reden gehört, daß das Recht
-klüglich nach den Umständen, nach dem Boden, dem Clima, dem
-Character der Nation, so wie nach tausend andern Dingen zu
-modificiren sey? Ist man ja sogar mit diesen vorsichtigen Berücksichtigungen
-wohl dahin gekommen, am Ende alles Denkbare
-für so eben recht, oder nicht eben für Unrecht zu erklären, weil<a class="pagenum" name="Page_61" id="Page_61">[Pg 61]</a>
-es sich finden will, daß auch das Tolleste da und dort seine Anhänger
-hatte. Allein, &ndash; man verzeihe mir die Stärke des Ausdrucks!
-&ndash; ich kann in solchen Ansichten fast nur Verkehrtheit,
-und Mangel tiefer rechtlicher Gefühle entdecken. Das Mehrste
-dabey ist nichts, als reine Vermengung gewöhnlicher Folgen einer
-Erscheinung mit dem, was nach<a name="thibaut_52" id="thibaut_52" class="f70">[52]</a> der Vernunft seyn kann,
-und seyn sollte. Folgt der Mensch seinen Launen, seiner Beschränktheit,
-und jedem ersten leisen Anstoß, wie es gewöhnlich
-ist, und erwachsen daraus am Ende Grundsätze und Einrichtungen,
-so erklärt sich der Erfolg zwar recht leicht; aber damit ist er
-nicht gerechtfertigt. Die vier Haupt-Temperamente, welche man
-nach unsern Seelenlehren unterscheiden soll, führen, ungeleitet
-und ungehemmt, auch zu ganz verschiedenen Handlungsweisen;
-aber keine Sittenlehre wird sich dadurch in der ehrwürdigen
-Einfalt ihrer Vorschriften stören lassen. Wenn auch dem Cholerischen
-die Vermeidung des Zorns schwerer wird, als dem Phlegmatiker,
-so muß er doch seinen Kopf brechen lernen, und der Phlegmatiker
-alle Kräfte aufbieten, um die muntre Thätigkeit des
-Sanguinikers nachzuahmen. So soll auch das äußere Recht
-darauf angelegt seyn, die Menschen zu vereinigen, und sie nicht
-in ihren schlaffen Angewohnheiten zu befestigen, oder ihren
-Schlechtigkeiten zu schmeicheln, sondern sie zur vollen Besonnenheit
-zu bringen, und aus dem Pfuhl elender Selbstischkeit<a name="thibaut_53" id="thibaut_53" class="f70">[53]</a>
-und Kleinlichkeit herauszureißen. Wenn daher auch in einer
-despotischen Verfassung die Diener ebenfalls geneigt werden,
-den Unterthanen zu mißhandeln, und deswegen bey einer
-solchen Verfassung selbst der bürgerliche Proceß leicht in
-das Willkührliche geht; wenn kleinliche Menschen gekräuselte
-Gesetze lieben, und die sittenlosen Männer einer benachbarten
-Nation sich nicht anders beglückt fühlen, als wenn sie einen gesetzlichen
-Freybrief zur Unzucht haben: so kann das ernste Recht
-nur darüber trauren, daß es Hindernisse findet; aber es muß,
-der Vernunft wegen, durchgreifen, und wird sich nicht in seinen
-nothwendigen Einrichtungen stören lassen. Zwar können besondere
-Umstände besondere Gesetze erheischen, wie es namentlich in
-Betreff der ökonomischen, und der Polizey-Gesetze oft der Fall
-ist. Allein die bürgerlichen Gesetze, im Ganzen nur auf das<a class="pagenum" name="Page_62" id="Page_62">[Pg 62]</a>
-menschliche Herz, auf Verstand und Vernunft gegründet, werden
-sehr selten in der Lage seyn, daß sie sich nach den Umständen
-beugen müssen; und wenn auch da und dort kleine Unbequemlichkeiten
-aus der Einheit entstehen sollten,<a name="thibaut_54" id="thibaut_54" class="f70">[54]</a> so wiegen die
-zahllosen Vortheile dieser Einheit alle jene Beschwerden überreichlich
-wieder auf. Man überdenke nur die einzelnen Theile
-des bürgerlichen Rechts! Viele derselben sind so zu sagen nur
-eine Art reiner juristischer Mathematik, worauf keine Localität
-irgend einen entscheidenden Einfluß haben kann, wie die Lehre
-vom Eigenthum, dem Erbrecht, den Hypotheken, den Verträgen,
-und was zum allgemeinen Theil der Rechtswissenschaft gehört.
-Und selbst in den Lehren, worauf schon mehr die menschliche
-Individualität einzuwirken scheint, wird man in der Regel immer
-finden, daß Eine Ansicht die bessere ist, sofern man nicht in kahlen
-formellen Demonstrationen, sondern, wie es seyn soll, in einer
-weisen Abwägung aller Gründe des Zweckmäßigen und Zuträglichen
-die gesetzgebende Thätigkeit zu erhalten sucht. So kann
-z. B. über die Grenzen der Ehescheidungen und der väterlichen
-Gewalt viel hin und her gestritten werden; aber Niemand wird
-doch am Ende behaupten mögen, daß es darüber verschiedene
-Systeme geben müsse, wenn auch Dieser und Jener hier in
-Zweifeln hängen bleiben, und es<a name="thibaut_55" id="thibaut_55" class="f70">[55]</a> nicht wagen mag, sich
-grade unbedingt und um jeden Preis für die Eine Ansicht zu
-erklären. Mit einem, bloß die Deutschen betreffenden Gesetzbuch
-hat es in dieser Hinsicht ohnehin wenig Noth. Denn wenn auch
-politische Interessen gewisse Scheidungen hervorgebracht haben,
-so ist doch der Stamm überall derselbe; überall der gleiche treue
-Sinn; überall unter den Besseren gleicher Abscheu gegen Verzerrung,
-Ziererey und Falschheit; und die kräftigen, freundlichen
-Nord-Deutschen werden gewiß stets die brüderliche Liebe zu
-rühmen wissen, womit sie überall das tüchtige, heitere Volk der
-Süd-Deutschen in den letzten Zeiten an seinem Heerde empfangen
-hat.</p>
-
-<p>Es muß aber die Sache noch weiter getrieben werden. Die
-belobten Rechtsverschiedenheiten, worauf die Bedenklichen so
-vieles Gewicht legen, sind nicht einmal Folgen natürlicher Anlagen
-und örtlicher Verhältnisse, sondern die Folgen unkluger<a class="pagenum" name="Page_63" id="Page_63">[Pg 63]</a>
-Abgeschiedenheit und unüberlegter Willkühr, wenigstens in unzähligen
-Fällen. Wie man den Schritt in Deutschland etwas
-zu weit macht, so<a name="thibaut_56" id="thibaut_56" class="f70">[56]</a> steht man auf anderem Rechtsboden; das
-ist wahr, und schon von <cite>Voltaire</cite> bemerkt. Allein wo liegt der
-Grund? Doch wohl nicht darin, daß auf dieser Seite eines
-Bachs die Sonne ganz anders scheint, als auf der andern;
-sondern darin, daß kein Gesetzverfasser mit dem Nachbarn zu
-Rath gesessen, und Jeder fein sittlich und bürgerlich seine eigne
-Wirthschaft für sich im Stillen getrieben hat. Damit haben wir
-denn ein endloses Rechtsgewirr bekommen, wie uns auch eben
-daher der Segen hundert verschiedener Ellen und Wagengleise
-zu Theil geworden ist. So ist z. B. die Lehre von der Intestaterbfolge
-die einfachste von der Welt, im Ganzen von keinen
-Oertlichkeiten abhängig, sondern von dem einfachen Gedanken,
-daß der Gesetzgeber an der Stelle des Verstorbenen so theilen
-soll, wie dieser theilen durfte, und wahrscheinlich selbst würde
-getheilt haben. Und dennoch haben wir darüber in unserm
-Vaterlande wenigstens tausend verschiedene Local-Rechte. Bloß
-in den Herzogthümern Schleswig und Holstein gibt es in dieser
-Hinsicht so viele abweichende Statute und Gewohnheiten, daß in
-Kiel ein eignes bedeutendes<a name="thibaut_57" id="thibaut_57" class="f70">[57]</a> Collegium darüber gelesen
-werden muß, während das Oesterreichische Gesetzbuch mit seiner
-schönen Gediegenheit und Einfalt die ganze Sache für ein weites
-Reich mit wenig klaren Artikeln ins Reine gebracht hat. Jeder
-Tag giebt davon neue Beweise. Ueber die zweckmäßige Einrichtung
-eines Leihhauses vereinigten sich die verständigen Männer
-der Nation wohl sehr leicht Eines Beschlusses; aber man hat
-neuerlich auch darüber die wohlweisen Stadträthe nur so in
-Gottes Namen für sich handeln lassen, und damit sind denn
-gleich mehr als tausend, vielfach sehr schlechte Variationen über
-dasselbe Thema erfolgt.</p>
-
-<p>Freylich wird es nicht abzuwenden seyn, daß in den einzelnen
-Ländern da und dort eine Besonderheit als solche beyzubehalten
-ist, z. B. in Ansehung der Bauergüter, gewisser Grunddienstbarkeiten,
-u. dgl.; allein daraus folgt nichts, als daß man
-sie beybehalten mag, keineswegs aber, daß das große Werk dadurch
-in seinem Lauf gehemmt werden muß. Solche Dinge<a class="pagenum" name="Page_64" id="Page_64">[Pg 64]</a>
-lassen sich gar leicht ausscheiden, wenn man nur ehrlich und
-männlich<a name="thibaut_58" id="thibaut_58" class="f70">[58]</a> zu Werke geht, und nicht, wie auf den alten hochseligen
-Reichstagen, durch ewige Häckeleyen und engherzige Zweifelsucht
-alles muthwillig zu trüben und zu verwirren bemüht ist.</p>
-
-<p>Ein zweyter, von vielen Seiten zu erwartender Haupteinwand
-wird die Heiligkeit des Herkömmlichen zur Grundlage nehmen.
-Man muß möglichst alle Umwälzungen vermeiden; das Bestehende
-ehren, weil es dem Bürger geläufig, und in sofern werth geworden
-ist; und selbst die anerkannten Vorurtheile des Bürgers
-schonen, weil es einmal außer der menschlichen Macht liegt, sie
-ganz zu überwältigen! So wird es von vielen Seiten her
-lauten, und ich bin auch gar nicht gemeynt, im Allgemeinen solche
-Ansichten zu bestreiten; aber ich behaupte, daß sie dermalen wenig
-oder gar nicht passen, und daß sich unter jene patriarchalische
-Rechtsweisheit mehrentheils viel Unlauteres und Unverständiges
-zu verstecken pflegt.</p>
-
-<p>Leichtsinnige Aenderungen sind immer verderblich, und der
-Character des Volks gewinnt an Kraft und Gediegenheit über
-die Maaße, wenn<a name="thibaut_59" id="thibaut_59" class="f70">[59]</a> die Nachkommen fest und ehrbar auf eben
-dem Wege einhergehen, worauf ihre Ahnen Glück und Zufriedenheit
-fanden. Das ist wahr, und verdiente recht oft wiederholt zu
-werden, wenn nicht in den neueren Zeiten schon ohne alle
-wissenschaftlichen Ermahnungen so viele blutige Thränen darüber
-geflossen wären, daß Niemand heute wußte, wem er morgen
-angehören, und was ihm der Wirbelwind der Gesetzmachereyen
-am folgenden Tage lassen, oder rauben werde. Allein grade
-jene Unwandelbarkeit, jene segenvolle Stimmung des Volks zur
-Ehrfurcht gegen das Alterthum, kann erst durch ein allgemeines
-Gesetzbuch erreicht werden, welches aus der ganzen Nationalkraft
-hervorging, und ein Ehrenwerk genannt zu werden verdient.
-Läßt man uns dagegen jetzt bey dem bisherigen Recht, so bleibt
-uns das Schlechte, Unnatürliche, unsrer Eigenthümlichkeit vielfach
-Widerstreitende; und die Flickereyen von Jahr zu Jahr werden
-kein Ende nehmen. Gebt uns also ein solches gediegenes Ehrenwerk,
-und vor Allem in dieser Zeit, wo die Gemüther für das
-Große mehr wie je aufgeregt<a name="thibaut_60" id="thibaut_60" class="f70">[60]</a> sind; wo jeder rechtliche
-Bürger die Neigung hat, treu zu dulden und zu handeln, um<a class="pagenum" name="Page_65" id="Page_65">[Pg 65]</a>
-doch wenigstens den Nachkommen ein gutes Erbe zu hinterlassen.
-Ein solches Werk, in solcher Zeit geschaffen, wird unsern Kindern
-und Kindeskindern ein Heiligthum werden, und so, aber auch
-nur so allein, wird es endlich gelingen, unserm Volke die Stetigkeit
-und feste Haltung zu geben, welche ihm in jeder Hinsicht so sehr
-anpaßt.</p>
-
-<p>Man thue aber bey dem Verehren des Herkömmlichen der
-Sache nicht zu viel! Die wuchernden Ortsgebräuche und Gewohnheiten
-sind nur zu oft bloße Rechtsfaulheit, wobey es eines leisen
-Anstoßes bedarf, damit der Schritt zu einem andern Ziel gelenkt
-werde, und wobey der bessernde Gesetzgeber auf eben den Dank
-rechnen kann, der dem Wundarzt zu Theil wird, wenn er den
-Furchtsamen nach langem Sträuben durch einen leichten Schnitt
-von fressenden Qualen befreyte. Das <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">sapere aude!</span> gilt auch
-hier, und vielleicht mehr, als irgendwo. Der gewöhnliche<a name="thibaut_61" id="thibaut_61" class="f70">[61]</a>
-Unterthan kann das Rechtsgewirr, dessen Gründe, Vortheile und
-Nachtheile, nicht übersehen, oder mag sich zu dem Ende nicht
-anstrengen. Er sucht daher in allen bedeutenden Fällen die
-Hülfe eines Rechtsfreundes; und ein solcher muß es ja wohl
-so recht eigentlich verstehen! Diesem wird dann blindlings gefolgt,
-wie sauer es auch dem Berathenen ankommen mag; und
-in der Art schleppt man sich von einem Tage zum andern. Was
-aber so wohl recht passen, und den Bedürfnissen des Einzelnen
-am besten zusagen möchte, darauf sieht die vorsehende Praxis
-nicht gern, sondern mehr auf schnelle Abfertigung des Rathbedürftigen,
-und auf ein einfaches Formular für Jedermann,
-damit der Rathende ja nicht genöthigt werde, viel von seinen
-Verstandeskräften abzureiben, und nahrhafte Kunden über der
-Vielheit fahren zu lassen. Man kann in dieser Hinsicht Cicero's
-Spöttereyen in der Rede <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">pro Murena</span> als lautere Wahrheiten<a name="an_zus_15" id="an_zus_15" href="#zus_15" class="fnanchor">15</a>
-gelten lassen. Noch kürzlich ist mir ein Fall der Art vorgekommen,
-daß über zweyhundert Ehepaare in Betreff ihrer,
-vertragsmäßig zu bestimmenden Güterrechte<a name="thibaut_62" id="thibaut_62" class="f70">[62]</a> eintönig nach
-demselben Formular bedient wurden. Zwar wollte es da und
-dort nicht recht einleuchten, daß z. B. eine reiche, feine Frau mit
-einem rohen Verschwender in die engste Gütergemeinschaft gebracht
-wurde; aber der bedachtsame Rechtshelfer hatte nun einmal von<a class="pagenum" name="Page_66" id="Page_66">[Pg 66]</a>
-nichts Anderm wissen wollen, und so mußte es ja doch wohl das
-Beste seyn. So ging jedes Paar mit seinem, anständig eingelösten
-Bogen davon, und konnte sich am Ende doch wenigstens damit
-trösten, daß alles Getränk eine besondere Güte hat, wenn man
-recht etwas Ordentliches dafür bezahlen mußte.</p>
-
-<p>Freylich wird es nun auch wohl hier oder dort der Fall
-seyn, daß einzelnen Gewohnheitssündern das herkömmliche Schlechte
-gar zu lieb und bequem geworden ist, besonders insofern bedenkliche
-Rechtskenner vom alten Schlage ihnen mit weisem Rath
-zur Seite stehen. Allein darauf muß man nun einmal in unserm
-lieben Vaterlande rechnen, daß einzelne Originale solcher Art
-niemals aussterben. Das Uebel hebt sich<a name="thibaut_63" id="thibaut_63" class="f70">[63]</a> indeß leicht, wenn
-man den Ton des Amtmanns in Gellerts Fabeln zu treffen
-weiß. Und dazu hat man jetzt ein doppeltes Recht. Als man,<a name="an_zus_16" id="an_zus_16" href="#zus_16" class="fnanchor">16</a>
-den Degen halb gezogen, die Deutschen liebreich ermahnte, den
-Französischen Code anzunehmen, da wußten sich die altdeutschen,
-ehrwürdigen, heilsamen Einrichtungen nicht schnell genug zurückzuziehen,
-als ob sie nie da gewesen wären, und von Widerbellern
-ward wenig gehört. Die Stimme einheimischer Vernunft kann
-also jetzt wenigstens so viel Achtung und Folgsamkeit verlangen,
-als die fremde Unverschämtheit, und es würde unserm Volke zur
-ewigen Schande gereichen, wenn der verständige, wohlwollende
-Vaterlandsfreund nicht durchsetzen könnte, was dem, bloß listigen,
-tückischen Ausländer ohne große Mühe gelang.<a name="an_zus_17" id="an_zus_17" href="#zus_17" class="fnanchor">17</a></p>
-
-<p>Noch könnte man vielleicht ferner einwenden: die Abfassung
-eines solchen Gesetzbuchs über Privat-, Criminal- und Proceß-Recht
-durch eine so große Versammlung, wozu jedes Land wenigstens
-einige Mitglieder zu ernennen habe, müsse<a name="thibaut_64" id="thibaut_64" class="f70">[64]</a> höchst
-langwierig und kostbar werden. Allein nur die Kleingeistigkeit
-kann einen solchen Einwand machen. Die Summe der Kraft,
-welche auf ein solches Werk zu verwenden ist, beträgt nicht ein
-Tausendtheil dessen, was man zusetzen muß, wenn ferner in
-jedem Lande, wie bisher, ein neues Gesetz das andre verdrängt,
-und damit sogar noch die bloße Rechtsanwendung grenzenlos
-schwierig und kostbar gemacht wird. Auch läßt sich darauf rechnen,
-daß die Vollendung des Werks in zwey, drey, vier Jahren geschehen
-kann, da wir in dem Preussischen und Oesterreichischen<a class="pagenum" name="Page_67" id="Page_67">[Pg 67]</a>
-Gesetzbuch, dem Französischen Code, und in dem, was neuerlich
-in Sachsen und Bayern vollbracht ist, so höchst lehrreiche Vorarbeiten
-haben, daß Vieles schon jetzt als abgethan angesehen
-werden kann. Die Kosten sind aber wohl nicht des Nennens
-werth, und werden für jedes Land schwerlich mehr betragen, als
-der Unterhalt einiger berühmten Schauspieler und Schauspielerinnen.
-Sollte indeß irgend ein Oberrechner darauf beharren, daß seine
-Casse zu solchen Zwecken nichts hergeben könne, so werden die Richter<a name="thibaut_65" id="thibaut_65" class="f70">[65]</a>
-und Anwälde des Landes, wenn sie ihren wahren Vortheil
-verstehen, gern bereit seyn, die kleine Ausgabe aus dem Ihrigen
-zu bestreiten. Denn wie unendlich war der geschickte practische
-Jurist bisher dadurch beschränkt, daß er mit seinem Wissen in
-andern Ländern nichts anfangen konnte, und daher oft lebenslänglich
-gebückt und gedrückt auf der Erdscholle stehen bleiben
-mußte, wo ihn das Schicksal auf die Welt geworfen hatte! Ein
-gleiches bürgerliches Deutsches Recht würde auch diese Beschwerde
-heben, den Fürsten die Wahl brauchbarer Diener erleichtern, und
-verdiente Männer gegen die Mißhandlungen des Nepotismus und
-der Aristocratie in die gehörige Sicherheit setzen.</p>
-
-<p>Eine sehr große Schwierigkeit bleibt indeß auf jeden Fall
-in der, schon lange herkömmlichen Widerspenstigkeit der Beschränkten
-und Selbstsüchtigen grade bey solchen Gelegenheiten,
-wo davon die Rede ist, daß etwas Tüchtiges und Großes ins
-Werk gerichtet werden müsse. Wie weit es Deutsche Schwäche
-in dieser Hinsicht getrieben<a name="thibaut_66" id="thibaut_66" class="f70">[66]</a> hat, und treiben konnte, zeigen
-die alten Reichstagsverhandlungen, welche fast nur an die Polnischen
-Reichstage erinnern. Inzwischen darf man nicht vergessen,
-wie eigenthümlich grade der jetzige Augenblick ist, und wie viele
-Gründe es gibt, wenigstens dießmal auf etwas Außerordentliches
-zu rechnen. Alle Völker Deutscher Abkunft haben sich in diesen
-Zeiten mit herzlicher Liebe vereinigt, und wo man hinblickt, da
-findet man unter ihnen die Feinde versöhnt, und die Freunde
-inniger als je verbunden. Durch ihren Muth und ihre Ausdauer
-ist glücklich gelungen, was noch vor einem Jahr unglaublich
-schien, und Jeden beseelt der Wunsch, daß dieser große Augenblick
-über alle Deutschen Brüder für viele Jahre seinen Segen
-verbreite. Unsre Regenten können daher den letzten Act nicht so<a class="pagenum" name="Page_68" id="Page_68">[Pg 68]</a>
-kahl enden, daß sie dem Volk die Ehre lassen, alle alten Schlechtigkeiten
-durch grenzenlose Opfer wieder erlangt zu haben. Es
-muß, &ndash; nicht mit tändelnder Ziererey, welche sich an der Schale
-erschöpft, sondern mit Mannskraft, welche das Wesen zu durchdringen
-vermag, &ndash; etwas Großes, Edles, Erhebendes geschehen,
-damit<a name="thibaut_67" id="thibaut_67" class="f70">[67]</a> den Kämpfern ein würdiger Lohn ihrer Arbeit zu
-Theil werde; damit sie ferner ihren Fürsten als Männern vertrauen.
-Die Volksstimme wird sich in dieser Hinsicht nicht
-beschwichtigen lassen, und die Gewalt der Zeit wird unwiderstehlich
-von unten nach oben wirken, wenn es in den Köpfen beschränkter
-Räthe nicht von selbst aufthauen will. Auch können die edeln
-Deutschen Fürsten und Staatsmänner, denen ungebührliche
-Schwierigkeiten gemacht werden, sicher auf den Schutz der großen
-Monarchen rechnen, welche jetzt der Welt den Frieden gegeben
-haben, und schon insofern, als sie für das Glück der Urheber
-alles Uebels mit seltener Großmuth das Aeußerste thaten, gewiß
-nicht unterlassen werden, unser edles Volk, dem sie einen wesentlichen
-Theil ihrer Fortschritte verdanken, mit Rath und That
-kräftig zu unterstützen.<a name="an_zus_18" id="an_zus_18" href="#zus_18" class="fnanchor">18</a></p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_69" id="Page_69">[Pg 69]</a></p>
-
-<h2><span class="f70 nostyle">Vom</span><br />
-<span class="f80 nostyle gesperrt">Beruf unsrer Zeit</span><br />
-<span class="f70 nostyle">für</span><br />
-<span class="f90">Gesetzgebung</span><br />
-<span class="f70 nostyle">und</span><br />
-Rechtswissenschaft.</h2>
-
-<p class="center mb2"><span class="f80">Von</span><br /><br />
-
-<span class="antiqua">D.</span> Friedrich Carl von Savigny,<br /><br />
-
-<span class="f80">ordentl. Professor der Rechte an der Königl. Universität zu Berlin,<br />
-und ordentl. Mitglied der Königl. Akademie der<br />
-Wissenschaften daselbst.</span></p>
-
-<p class="f90 center gesperrt">Heidelberg,<br />
-bey Mohr und Zimmer.</p>
-
-<p class="f90 center mb2">1814.</p>
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_70" id="Page_70">[Pg 70]</a><a class="pagenum" name="Page_71" id="Page_71">[Pg 71]</a></p>
-
-
-
-<h3>Inhalt.</h3>
-
-<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis Savigny">
-<tr>
- <td colspan="4" class="tdr"> Seite</td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">1)</td>
- <td>Einleitung</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_1">(1)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_72">72</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">2)</td>
- <td>Entstehung des positiven Rechts</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_8">(8)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_75">75</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">3)</td>
- <td>Gesetze und Rechtsbücher</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_16">(16)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_80">80</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">4)</td>
- <td>Römisches Recht</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_27">(27)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_87">87</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">5)</td>
- <td>Bürgerliches Recht in Deutschland</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_37">(37)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_92">92</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">6)</td>
- <td>Unser Beruf zur Gesetzgebung</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_45">(45)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_97">97</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">7)</td>
- <td>Die drey neuen Gesetzbücher</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_54">(54)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_102">102</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">8)</td>
- <td>Was wir thun sollen wo keine Gesetzbücher sind</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_111">(111)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_136">136</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">9)</td>
- <td>Was bey vorhandenen Gesetzbüchern zu thun ist</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_135">(135)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_150">150</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">10)</td>
- <td>Das Gemeinsame</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_151">(151)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_160">160</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">11)</td>
- <td>Thibauts Vorschlag</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_155">(155)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_162">162</a></td>
-</tr>
-<tr>
- <td class="tdr">12)</td>
- <td>Schluß</td>
- <td class="tdr"><a href="#savigny_161">(161)</a></td>
- <td class="tdr"><a href="#Page_166">166</a></td>
-</tr>
-</table>
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_72" id="Page_72">[Pg 72]</a></p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">1.<br />
-
-Einleitung.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_1" id="savigny_1" class="f70">[1]</a></p>
-<p class="cap"> In vielen deutschen Ländern hat jetzt ein äußeres Bedürfniß
-die Frage nach der besten Einrichtung des bürgerlichen Rechts angeregt,
-und so ist diese Frage, welche unsere Staaten lange Zeit
-auf sich beruhen lassen konnten, zur gemeinsamen Berathung der
-Staatsmänner und der Gelehrten gediehen. Aber noch ein edlerer
-Grund als das bloße Bedürfniß hat zu dieser öffentlichen
-Berathung gewirkt: das Gefühl, daß in der abgewendeten Unterdrückung
-der deutschen Nation eine dringende Aufforderung an
-jede lebendige Kraft liegt, sich dieser Zeit nicht unwerth zu
-zeigen. Darum ist es nicht Anmaaßung, sondern recht und gut,
-wenn jeder, der ein Herz hat für seinen Beruf, und eine klare
-Anschauung von demselben, diese Anschauung öffentlich mittheilt,
-und<a name="savigny_2" id="savigny_2" class="f70">[2]</a> die Rechtsgelehrten dürfen darin am wenigsten zurück
-bleiben. Denn gerade im bürgerlichen Rechte ist der Unterschied
-der gegenwärtigen und der vergangenen Zeit recht augenscheinlich.
-Ohne Zweifel kann auch hierin im einzelnen noch viel Verkehrtes
-geschehen aus Unverstand oder bösem Willen. Aber die erste
-Frage darf doch wieder seyn: was ist recht und gut? Die Sache
-trägt doch wieder ihren Zweck und ihre Bestimmung in sich selbst,
-die Fürsten können wieder thun nach ihrer Ueberzeugung, und
-ihre Ehre setzen in das gemeine Wohl. Das wird von der vergangenen
-Zeit niemand behaupten. Als der Code in Deutschland
-eindrang, und krebsartig immer weiter fraß, war von
-inneren Gründen nicht die Rede, kaum hie und da in leeren
-Phrasen: ein äußerer Zweck bestimmte alles, dem eigenen Werthe
-des Gesetzbuchs völlig fremd, ein an sich selbst heilloses Verhältniß,
-selbst abgesehen davon, daß es der verderblichste unter allen
-Zwecken war. Darum war es bis jetzt fruchtlos darüber zu
-reden. Die in dieser Zeit geredet haben, waren theils eigennützig
-der schlechten Sache hingegeben, theils in unbegreiflicher
-Gutmüthigkeit von ihr bethört, die meisten blos zur Ausführung
-mitwirkend als Geschäftsmänner, ohne sich in ein Urtheil einzu<a class="pagenum" name="Page_73" id="Page_73">[Pg 73]</a>lassen: einzelne ehrenwerthe Stimmen ließen sich hören, strafend
-und warnend, andere andeutend und winkend, an Erfolg aber
-konnte keiner denken. Daß wieder eine Verschiedenheit der
-Meynungen<a name="savigny_3" id="savigny_3" class="f70">[3]</a> wirksam werden, daß wieder Streit und Zweifel
-entstehen kann über die Entscheidung, gehört zu den Wohlthaten,
-womit uns jetzt Gott gesegnet hat, denn nur aus dieser
-Entzweyung kann eine lebendige und feste Einheit hervorgehen,
-die Einheit der Ueberzeugung, nach welcher wir in allen geistigen
-Dingen zu streben durch unsre Natur gedrungen sind.</p>
-
-<p>Aber es giebt einen zweyfachen Streit, einen feindlichen
-und einen friedlichen. Jenen führen wir, wo wir Ziel und
-Zweck verwerflich finden, diesen wo wir Mittel suchen zu gemeinsamen
-löblichen Zwecken. Jener wäre auch jetzt noch, da
-nicht mehr vom Code die Rede ist, an seiner Stelle, denn Einer
-behaupten wollte, jetzt sey die rechte Zeit, wo alle einzelne
-Staaten in Deutschland sich fest abschließen müßten: dazu sey
-auch das Recht gut zu gebrauchen, und jede Regierung müsse
-für ein recht eigenthümliches Gesetzbuch sorgen, um auch hierin
-alles gemeinsame aufzuheben, was an den Zusammenhang der
-Nation erinnern könnte. Diese Ansicht ist nichts weniger als
-willkührlich ersonnen, vielmehr sind ihr manche Regierungen offenbar
-günstig: wohl aber hindert eine gewisse Scheu, sie jetzt laut
-werden zu lassen, und ich wüßte nicht, daß sie in Schriften für
-das bürgerliche Recht benutzt worden wäre. Ganz anders ist es
-mit den Vorschlägen, die bis jetzt für dieses kund geworden sind,
-denn mit ihnen ist, wo wir<a name="savigny_4" id="savigny_4" class="f70">[4]</a> nicht übereinstimmen, ein friedlicher
-Streit möglich, und ein solcher führt, wo nicht zur Vereinigung
-der Streitenden, doch zu besserer Einsicht im Ganzen.</p>
-
-<p>Von zwey Meynungen über die Einrichtung des bürgerlichen
-Rechts, die mir bekannt geworden sind, geht die eine auf Herstellung
-des alten Zustandes<a name="FNanchor_1_14" id="FNanchor_1_14" href="#Fn_1_14" class="fnanchor">1</a>, die zweyte auf Annahme eines
-gemeinschaftlichen Gesetzbuches für die Deutschen Staaten<a name="FNanchor_2_15" id="FNanchor_2_15" href="#Fn_2_15" class="fnanchor">2</a>. Zur
-Erläuterung dieser zweyten Meynung sind gleich hier einige Bemerkungen
-nöthig, indem sie in einem doppelten historischen Zusammenhang
-betrachtet werden muß.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_74" id="Page_74">[Pg 74]</a></p>
-
-<p>Erstens nämlich steht sie in Verbindung mit vielen ähnlichen
-Vorschlägen und Versuchen seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts.
-In dieser Zeit hatte sich durch ganz Europa ein
-völlig unerleuchteter Bildungstrieb geregt. Sinn und Gefühl
-für die Größe und Eigenthümlichkeit anderer Zeiten, so wie für
-die naturgemäße Entwicklung der Völker und Verfassungen, also
-alles was die Geschichte heilsam und fruchtbar machen muß, war
-verloren: an die Stelle getreten war eine gränzenlose Erwartung
-von der<a name="savigny_5" id="savigny_5" class="f70">[5]</a> gegenwärtigen Zeit, die man keinesweges zu etwas
-geringerem berufen glaubte, als zur wirklichen Darstellung einer
-absoluten Vollkommenheit. Dieser Trieb äußerte sich nach allen
-Richtungen: was er in Religion und Staatsverfassung gewirkt
-hat, ist bekannt, und es ist unverkennbar, wie er hier durch eine
-natürliche Gegenwirkung aller Orten einer neuen, lebendigeren
-Liebe die Stäte bereiten mußte. Auch im bürgerlichen Rechte
-war er thätig. Man verlangte neue Gesetzbücher, die durch ihre
-Vollständigkeit der Rechtspflege eine mechanische Sicherheit gewähren
-sollten, indem der Richter, alles eigenen Urtheils überhoben,
-blos auf die buchstäbliche Anwendung beschränkt wäre:
-zugleich sollten sie sich aller historischen Eigenthümlichkeit enthalten,
-und in reiner Abstraction für alle Völker und alle Zeiten
-gleiche Brauchbarkeit haben. Es würde sehr irrig seyn, jenen
-Trieb und diese Anwendungen desselben einzelnen Irrlehrern zuzuschreiben:
-es war, nur mit sehr achtungswerten Ausnahmen,
-die Meynung der Völker. Darum stand es nicht in der Macht
-der Regierungen, allen Anwendungen auszuweichen, und die
-bloße Milderung und Beschränkung derselben konnte oft schon
-als sehr verdienstlich und als Beweis innerer Kraft gelten.
-Vergleichen wir mit diesen vergangenen Zuständen die gegenwärtige
-Zeit, so dürfen wir uns freuen. Geschichtlicher Sinn
-ist überall erwacht, und neben diesem hat jener bodenlose Hochmuth<a name="savigny_6" id="savigny_6" class="f70">[6]</a>
-keinen Raum. Und wenn auch angehende Schriftsteller oft
-noch einen ähnlichen Anlauf nehmen, so ist es doch gar nicht
-mehr herrschender Geist. Auch in den oben genannten Vorschlägen<a class="pagenum" name="Page_75" id="Page_75">[Pg 75]</a> von Gesetzbüchern ist zum Theil diese erfreuliche Vergleichung
-bewährt. Frey von jenen übertriebenen Ansprüchen
-gehen sie auf ein bestimmtes praktisches Ziel, und auch ihre Motive
-stehen auf festem Boden. Das Durchlaufen jener Periode
-aber gewährt uns den großen Vortheil, daß wir ihre Erfahrungen
-zu Rathe ziehen können. Aus den Ansichten derselben sind
-nach einander Gesetzbücher für drey große Staaten hervor gegangen.
-Diese, und zum Theil ihre Wirkungen, liegen vor uns,
-und es würde unverzeihlich seyn, die Lehre zu verschmähen, die
-sie uns aufmunternd oder warnend geben können.</p>
-
-<p>Zweytens stehen jene Vorschläge in Verbindung mit einer
-allgemeinen Ansicht von der Entstehung alles positiven Rechts,
-die von jeher bey der großen Mehrzahl der deutschen Juristen
-herrschend war. Nach ihr entsteht im normalen Zustande alles
-Recht aus Gesetzen, d. h. ausdrücklichen Vorschriften der höchsten
-Staatsgewalt. Die Rechtswissenschaft hat lediglich den Inhalt
-der Gesetze zum Gegenstand. Demnach ist die Gesetzgebung selbst,
-so wie die Rechtswissenschaft, von ganz zufälligem, wechselndem
-Inhalt, und es ist sehr möglich, daß das Recht von morgen dem
-von heute gar nicht ähnlich sieht. Ein<a name="savigny_7" id="savigny_7" class="f70">[7]</a> vollständiges Gesetzbuch
-ist demnach das höchste Bedürfniß, und nur bey einem lückenhaften
-Zustande desselben kann man in die traurige Nothwendigkeit
-kommen, sich mit Gewohnheitsrecht, als einer schwankenden
-Ergänzung, behelfen zu müssen. Diese Ansicht ist viel älter als
-die oben dargestellte, beide haben sich auf manchen Punkten
-feindlich berührt, weit öfter aber sehr gut vertragen. Als Vermittlung
-diente häufig die Ueberzeugung, daß es ein praktisches
-Naturrecht oder Vernunftrecht gebe, eine ideale Gesetzgebung für
-alle Zeiten und alle Fälle gültig, die wir nur zu entdecken
-brauchten, um das positive Recht für immer zu vollenden.</p>
-
-<p>Ob diese Ansicht von der Entstehung des positiven Rechts
-Realität habe, wird sich aus der folgenden Untersuchung ergeben.</p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">2.<br />
-
-Entstehung des positiven Rechts.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_8" id="savigny_8" class="f70">[8]</a></p>
-<p class="cap"> Wir befragen zuerst die Geschichte, wie sich bey Völkern
-edler Stämme das Recht wirklich entwickelt hat: dem Urtheil, was<a class="pagenum" name="Page_76" id="Page_76">[Pg 76]</a>
-hieran gut, vielleicht nothwendig, oder aber tadelnswerth seyn
-möge, ist damit keinesweges vorgegriffen.</p>
-
-<p>Wo wir zuerst urkundliche Geschichte finden, hat das bürgerliche
-Recht schon einen bestimmten Character, dem Volk eigenthümlich,
-so wie seine Sprache, Sitte, Verfassung. Ja diese
-Erscheinungen haben kein abgesondertes Daseyn, es sind nur
-einzelne Kräfte und Thätigkeiten des einen Volkes, in der Natur
-untrennbar verbunden, und nur unsrer Betrachtung als besondere
-Eigenschaften erscheinend. Was sie zu einem Ganzen verknüpft,
-ist die gemeinsame Ueberzeugung des Volkes, das gleiche Gefühl
-innerer Nothwendigkeit, welches allen Gedanken an zufällige und
-willkührliche Entstehung ausschließt.</p>
-
-<p>Wie diese eigenthümlichen Functionen der Völker, wodurch
-sie selbst erst zu Individuen werden, entstanden sind, diese Frage
-ist auf geschichtlichem Wege nicht zu beantworten. In neueren
-Zeiten ist die Ansicht herrschend gewesen, daß alles zuerst in<a name="savigny_9" id="savigny_9" class="f70">[9]</a>
-einem thierähnlichen Zustand gelebt habe, und von da durch allmähliche
-Entwicklung zu einem leidlichen Daseyn, bis endlich zu
-der Höhe gekommen sey, auf welcher wir jetzt stehen. Wir
-können diese Ansicht unberührt lassen, und uns auf die Thatsache
-jenes ersten urkundlichen Zustandes des bürgerlichen Rechts beschränken.
-Wir wollen versuchen, einige allgemeine Züge dieser
-Periode darzustellen, in welcher das Recht wie die Sprache im
-Bewußtseyn des Volkes lebt.</p>
-
-<p>Diese Jugendzeit der Völker ist arm an Begriffen, aber sie
-genießt ein klares Bewußtseyn ihrer Zustände und Verhältnisse,
-sie fühlt und durchlebt diese ganz und vollständig, während wir,
-in unsrem künstlich verwickelten Daseyn, von unserm eigenen
-Reichthum überwältigt sind, anstatt ihn zu genießen und zu beherrschen.
-Jener klare, naturgemäße Zustand bewährt sich vorzüglich
-auch im bürgerlichen Rechte, und so wie für jeden einzelnen
-Menschen seine Familienverhältnisse und sein Grundbesitz durch
-eigene Würdigung bedeutender werden, so ist aus gleichem Grunde
-möglich, daß die Regeln des Privatrechts selbst zu den Gegenständen
-des Volksglaubens gehören. Allein jene geistigen Functionen
-bedürfen eines körperlichen Daseyns, um festgehalten zu
-werden. Ein solcher Körper ist für die Sprache ihre stete, un<a class="pagenum" name="Page_77" id="Page_77">[Pg 77]</a>unterbrochene Uebung, für die Verfassung sind es die sichtbaren
-öffentlichen Gewalten, was vertritt aber diese Stelle<a name="savigny_10" id="savigny_10" class="f70">[10]</a> bey dem
-bürgerlichen Rechte? In unsren Zeiten sind es ausgesprochene
-Grundsätze, durch Schrift und mündliche Rede mitgetheilt. Diese
-Art der Festhaltung aber setzt eine bedeutende Abstraction voraus,
-und ist darum in jener jugendlichen Zeit nicht möglich.
-Dagegen finden wir hier überall symbolische Handlungen, wo
-Rechtsverhältnisse entstehen oder untergehen sollen. Die sinnliche
-Anschaulichkeit dieser Handlungen ist es, was äußerlich das Recht
-in bestimmter Gestalt festhält, und ihr Ernst und ihre Würde
-entspricht der Bedeutsamkeit der Rechtsverhältnisse selbst, welche
-schon als dieser Periode eigenthümlich bemerkt worden ist. In
-dem ausgedehnten Gebrauch solcher förmlichen Handlungen
-kommen z. B. die germanischen Stämme mit den altitalischen
-überein, nur daß bey diesen letzten die Formen selbst bestimmter
-und geregelter erscheinen, was mit den städtischen Verfassungen
-zusammen hangen kann. Man kann diese förmlichen Handlungen
-als die eigentliche Grammatik des Rechts in dieser Periode betrachten,
-und es ist sehr bedeutend, daß das Hauptgeschäft der
-älteren Römischen Juristen in der Erhaltung und genauen Anwendung
-derselben bestand. Wir in neueren Zeiten haben sie
-häufig als Barbarey und Aberglauben verachtet, und uns sehr
-groß damit gedünkt, daß wir sie nicht haben, ohne zu bedenken,
-daß auch wir überall mit juristischen Formen versorgt sind, denen
-nur gerade die Hauptvortheile der alten Formen abgehen,<a name="savigny_11" id="savigny_11" class="f70">[11]</a>
-die Anschaulichkeit nämlich und der allgemeine Volksglaube,
-während die unsrigen von jedem als etwas willkührliches und
-darum als eine Last empfunden werden. In solchen einseitigen
-Betrachtungen früher Zeiten sind wir den Reisenden ähnlich, die
-in Frankreich mit großer Verwunderung bemerken, daß kleine
-Kinder, ja ganz gemeine Leute, recht fertig französisch reden.</p>
-
-<p>Aber dieser organische Zusammenhang des Rechts mit dem
-Wesen und Character des Volkes bewährt sich auch im Fortgang
-der Zeiten, und auch hierin ist es der Sprache zu vergleichen.
-So wie für diese, giebt es auch für das Recht keinen Augenblick
-eines absoluten Stillstandes, es ist derselben Bewegung und Entwicklung
-unterworfen, wie jede andere Richtung des Volkes, und<a class="pagenum" name="Page_78" id="Page_78">[Pg 78]</a>
-auch diese Entwicklung steht unter demselben Gesetz innerer Nothwendigkeit,
-wie jene früheste Erscheinung. Das Recht wächst
-also mit dem Volke fort, bildet sich aus mit diesem, und stirbt endlich
-ab, so wie das Volk seine Eigenthümlichkeit verliert. Allein
-diese innere Fortbildung auch in der Zeit der Cultur hat für die
-Betrachtung eine große Schwierigkeit. Es ist nämlich oben behauptet
-worden, daß der eigentliche Sitz des Rechts das gemeinsame
-Bewußtseyn des Volkes sey. Dieses läßt sich z. B. im
-Römischen Rechte für die Grundzüge desselben, die allgemeine
-Natur der Ehe, des Eigenthums u. s. w. recht wohl denken,
-aber für das unermeßliche<a name="savigny_12" id="savigny_12" class="f70">[12]</a> Detail, wovon wir in den
-Pandekten einen Auszug besitzen, muß es jeder für ganz unmöglich
-erkennen. Diese Schwierigkeit führt uns auf eine neue Ansicht
-der Entwicklung des Rechts. Bey steigender Cultur nämlich
-sondern sich alle Thätigkeiten des Volkes immer mehr, und
-was sonst gemeinschaftlich betrieben wurde, fällt jetzt einzelnen
-Ständen anheim. Als ein solcher abgesonderter Stand erscheinen
-nunmehr auch die Juristen. Das Recht bildet sich nunmehr in
-der Sprache aus, es nimmt eine wissenschaftlich Richtung, und
-wie es vorher im Bewußtseyn des gesammten Volkes lebte, so
-fällt es jetzt dem Bewußtseyn der Juristen anheim, von welchen
-das Volk nunmehr in dieser Function repräsentirt wird. Das
-Daseyn des Rechts ist von nun an künstlicher und verwickelter,
-indem es ein doppeltes Leben hat, einmal als Theil des ganzen
-Volkslebens, was es zu seyn nicht aufhört, dann als besondere
-Wissenschaft in den Händen der Juristen. Aus dem Zusammenwirken
-dieses doppelten Lebensprincips erklären sich alle spätere
-Erscheinungen, und es ist nunmehr begreiflich, wie auch jenes
-ungeheure Detail ganz auf organische Weise, ohne eigentliche
-Willkühr und Absicht, entstehen konnte. Der Kürze wegen nennen
-wir künftig den Zusammenhang des Rechts mit dem allgemeinen
-Volksleben das <em>politische</em> Element, das abgesonderte wissenschaftliche
-Leben des Rechts aber das <em>technische</em> Element
-desselben.</p>
-
-<p><a name="savigny_13" id="savigny_13" class="f70">[13]</a>In verschiedenen Zeiten also wird bey demselben Volke das
-Recht natürliches Recht (in einem andern Sinn als unser Naturrecht)
-oder gelehrtes Recht seyn, je nachdem das eine oder das<a class="pagenum" name="Page_79" id="Page_79">[Pg 79]</a>
-andere Princip überwiegt, wobey eine scharfe Gränzbestimmung
-von selbst als unmöglich erscheint. Bey republikanischer Verfassung
-wird das politische Princip länger als in monarchischen
-Staaten unmittelbaren Einfluß behalten können, und besonders
-in der Römischen Republik wirkten viele Gründe zusammen,
-diesen Einfluß noch bey steigender Cultur lebendig zu erhalten.
-Aber in allen Zeiten und Verfassungen zeigt sich dieser Einfluß
-noch in einzelnen Anwendungen, da wo in engeren Kreisen ein
-oft wiederkehrendes gleiches Bedürfniß auch ein gemeinsames
-Bewußtseyn des Volkes selbst möglich macht. So wird sich in
-den meisten Städten für Dienstboten und Miethwohnungen ein
-besonderes Recht bilden und erhalten, gleich unabhängig von
-ausdrücklichen Gesetzen und von wissenschaftlicher Jurisprudenz:
-es sind dieses einzelne Ueberreste der früheren allgemeinen Rechtsbildung.
-Vor der großen Umwälzung fast aller Verfassungen,
-die wir erlebt haben, waren in kleineren Deutschen Staaten
-diese Fälle weit häufiger als jetzt, indem sich Stücke altgermanischer
-Verfassungen häufig durch alle Revolutionen hindurch gerettet
-hatten.</p>
-
-<p>Die Summe dieser Ansicht also ist, daß alles Recht auf die
-Weise entsteht, welche der herrschende,<a name="savigny_14" id="savigny_14" class="f70">[14]</a> nicht ganz passende,
-Sprachgebrauch als <em>Gewohnheitsrecht</em> bezeichnet, d. h. daß
-es erst durch Sitte und Volksglaube, dann durch Jurisprudenz erzeugt
-wird, überall also durch innere, stillwirkende Kräfte, nicht durch
-die Willkühr eines Gesetzgebers. Dieser Zustand ist bis jetzt nur
-historisch aufgestellt worden, ob er löblich und wünschenswerth
-ist, wird die folgende Untersuchung zeigen. Aber auch als
-historische Ansicht bedarf dieser Zustand noch einiger näheren Bestimmungen.
-Zuerst ist dabey eine ganz ungestörte einheimische
-Entwicklung vorausgesetzt worden; der Einfluß früher Berührung
-mit fremdem Rechte wird weiter unten an dem Beyspiel von
-Deutschland klar werden. Eben so wird sich zeigen, daß allerdings
-ein theilweiser Einfluß der Gesetzgebung auf bürgerliches
-Recht, bald löblich, bald tadelnswerth, statt finden kann. Endlich
-finden sich große Verschiedenheiten in den Gränzen der Gültigkeit
-und Anwendung des Rechts. Wie nämlich dasselbe Volk
-sich in viele Stämme verzweigt, Staaten sich vereinigen oder zer<a class="pagenum" name="Page_80" id="Page_80">[Pg 80]</a>fallen, so muß bald dasselbe Recht mehreren unabhängigen Staaten
-gemein seyn, bald in verschiedenen Theilen desselben Staates,
-neben gleichen Grundzügen des Rechts, eine große Mannichfaltigkeit
-einzelner Bestimmungen gelten.</p>
-
-<p>Unter den Deutschen Juristen hat <cite>Hugo</cite> das große Verdienst,
-in den meisten seiner Schriften die herrschenden Ansichten
-gründlich bekämpft zu haben<a name="FNanchor_3_16" id="FNanchor_3_16" href="#Fn_3_16" class="fnanchor">3</a>.<a name="savigny_15" id="savigny_15" class="f70">[15]</a> Hohe Ehre gebührt auch hierin
-dem Andenken <cite>Mösers</cite>, der mit großartigem Sinn überall die
-Geschichte zu deuten suchte, oft auch in Beziehung auf bürgerliches
-Recht; daß dieses Beyspiel den Juristen größtentheils unbemerkt
-geblieben ist, war zu erwarten, da er nicht zünftig war
-und weder Vorlesungen gehalten, noch Lehrbücher geschrieben hat.</p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">3.<br />
-
-Gesetze und Rechtsbücher.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_16" id="savigny_16" class="f70">[16]</a></p>
-<p class="cap"> Der Einfluß eigentlicher Gesetzgebung auf bürgerliches
-Recht ist in einzelnen Stücken desselben nicht selten, aber die
-Gründe dieses Einflusses sind sehr verschiedener Art. Zunächst kann
-nämlich gerade die Abänderung des bestehenden Rechts Absicht
-des Gesetzgebers seyn, weil höhere politische Zwecke dieses fordern.
-Wenn in unsren Tagen Nichtjuristen von dem Bedürfniß neuer
-Gesetzgebung sprechen, so ist gewöhnlich blos dieses gemeynt,
-wovon die Bestimmung der gutsherrlichen Rechte eines der wichtigsten
-Beispiele ist. Auch die Geschichte des Römischen Rechts
-liefert Beyspiele dieser Art, wenige aus der freyen Republik,
-unter August die wichtige <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Lex Iulia et Papia Poppaea</span>, seit den
-christlichen Kaisern eine große Anzahl. Daß die Gesetze dieser
-Art leicht eine fruchtlose Corruption des Rechts sind, und daß
-gerade in ihnen die höchste Sparsamkeit nöthig ist, wird jedem
-einleuchten, der die Geschichte zu Rathe zieht. Die technische
-Seite des Rechts wird bey ihnen bloß für die Form, und für
-den Zusammenhang mit dem ganzen übrigen Rechte in Anspruch
-genommen, welcher Zusammenhang diesen Theil der<a name="savigny_17" id="savigny_17" class="f70">[17]</a> Gesetzgebung
-schwieriger macht, als er gewöhnlich gedacht zu werden<a class="pagenum" name="Page_81" id="Page_81">[Pg 81]</a>
-pflegt. Weit unbedenklicher ist ein zweyter Einfluß der Gesetzgebung
-auf das bürgerliche Recht. Einzelne Rechtssätze nämlich
-können zweifelhaft seyn, oder sie können ihrer Natur nach schwankende,
-unbestimmte Gränzen haben, wie z. B. alle Verjährung,
-während die Rechtspflege durchaus scharfe Gränzen fodert.
-Hier kann allerdings eine Art von Gesetzgebung eintreten, welche
-der Gewohnheit zu Hülfe kommt, jene Zweifel und diese Unbestimmtheiten
-entfernt, und so das wirkliche Recht, den eigentlichen
-Willen des Volks, zu Tage fördert, und rein erhält. Die
-Römische Verfassung hatte für diesen Zweck eine treffliche Einrichtung
-in den Edicten der Prätoren, eine Einrichtung, welche
-auch in monarchischen Staaten unter gewissen Bedingungen statt
-finden könnte.</p>
-
-<p>Aber diese Arten eines theilweisen Einflusses sind gar nicht
-gemeynt, wenn so wie in unsern Tagen von dem Bedürfniß allgemeiner
-Gesetzbücher die Rede ist. Hier ist vielmehr folgendes
-gemeynt. Der Staat soll seinen gesammten Rechtsvorrath untersuchen
-und schriftlich aufzeichnen lassen, so daß dieses Buch nunmehr
-als einzige Rechtsquelle gelte, alles andere aber, was bisher
-etwa gegolten hat, nicht mehr gelte. Zuvörderst läßt sich
-fragen, woher diesem Gesetzbuch der Inhalt kommen solle. Nach
-einer oben dargestellten Ansicht ist von vielen behauptet worden,
-das allgemeine<a name="savigny_18" id="savigny_18" class="f70">[18]</a> Vernunftrecht, ohne Rücksicht auf etwas
-bestehendes, solle diesen Inhalt bestimmen. Die aber mit der
-Ausführung zu thun hatten, oder sonst das Recht praktisch
-kannten, haben sich dieser großsprechenden, völlig hohlen Ansicht
-leicht enthalten, und man ist darüber einig gewesen, das ohnehin
-bestehende Recht solle hier aufgezeichnet werden, nur mit den
-Abänderungen und Verbesserungen, welche aus politischen Gründen
-nöthig seyn möchten. Daß dieses gerade bei den neueren
-Gesetzbüchern die herrschende Ansicht war, wird sich unten zeigen.
-Demnach hätte das Gesetzbuch einen doppelten Inhalt: theils
-das bisherige Recht, theils neue Gesetze. Was diese letzten betrifft,
-so ist es offenbar zufällig, daß sie bey Gelegenheit des
-Gesetzbuchs vorkommen, sie könnten auch zu jeder anderen Zeit
-einzeln gegeben werden, und eben so könnte zur Zeit des Gesetzbuchs
-kein Bedürfniß derselben vorhanden seyn. In Deutschland<a class="pagenum" name="Page_82" id="Page_82">[Pg 82]</a>
-besonders würden diese neuen Gesetze oft nur scheinbar vorkommen,
-da das, was einem Lande neu wäre, in einem andern meist
-schon gegolten haben würde, so daß nicht von neuem, sondern
-von schon bestehendem Rechte verwandter Stämme die Rede
-wäre, nur mit veränderten Gränzen der Anwendung. Um also
-unsere Untersuchung nicht zu verwirren, wollen wir die neuen
-Gesetze ganz bey Seite setzen, und blos auf den wesentlichen und
-Hauptinhalt des Gesetzbuchs sehen. Demnach müssen wir das
-Gesetzbuch als Aufzeichnung<a name="savigny_19" id="savigny_19" class="f70">[19]</a> des gesammten bestehenden
-Rechts denken, mit ausschließender Gültigkeit vom Staate selbst
-versehen.</p>
-
-<p>Daß wir dieses letzte als wesentlich bey einer Unternehmung
-dieser Art voraussetzen, ist in unsren schreibthätigen Zeiten natürlich,
-da bey der Menge von Schriftstellern und dem schnellen
-Wechsel der Bücher und ihres Ansehens, kein einzelnes Buch
-einen überwiegenden und dauernden Einfluß anders als durch
-die Gewalt des Staates erhalten kann. An sich aber läßt es
-sich gar wohl denken, daß diese Arbeit ohne Aufforderung und
-ohne Bestätigung des Staates von einzelnen Rechtsgelehrten
-vollbracht würde. Im altgermanischen Rechte war dieses häufig
-der Fall, und wir würden viele Mühe gehabt haben, unsren
-Vorfahren den Unterschied eines Rechtsbuchs als einer Privatarbeit
-von einem wahren Gesetzbuche deutlich zu machen, den
-wir uns als so natürlich und wesentlich denken. Wir bleiben
-aber jetzt bey dem Begriffe stehen, welcher unsren Zeiten angemessen
-ist. Jedoch ist es klar, daß der Unterschied lediglich in
-der Veranlassung und Bestätigung von Seiten des Staates liegt,
-nicht in der Natur der Arbeit selbst, denn diese ist auf jeden
-Fall ganz technisch und fällt als solche den Juristen anheim, indem
-bey dem Inhalte des Gesetzbuchs, den wir voraussetzen, das
-politische Element des Rechts längst ausgewirkt hat, und blos
-diese Wirkung zu erkennen und auszusprechen<a name="savigny_20" id="savigny_20" class="f70">[20]</a> ist, welches
-Geschäft zur juristischen Technik gehört.</p>
-
-<p>Die Forderungen an ein solches Gesetzbuch und die Erwartungen
-von demselben sind von zweyerley Art. Für den
-innern Zustand des Rechts soll dadurch die höchste Rechtsgewißheit
-entstehen, und damit die höchste Sicherheit gleichförmiger<a class="pagenum" name="Page_83" id="Page_83">[Pg 83]</a>
-Anwendung. Die äußeren Gränzen der Gültigkeit sollen dadurch
-gebessert und berichtigt werden, indem an die Stelle verschiedener
-Localrechte ein allgemeines Nationalrecht treten soll. Wir beschränken
-uns hier noch auf den ersten Vortheil, indem von dem
-zweyten besser unten in besonderer Anwendung auf Deutschland
-geredet werden wird.</p>
-
-<p>Daß jener innere Vortheil von der Vortrefflichkeit der Ausführung
-abhange, leuchtet jedem sogleich ein, und es ist also von
-dieser Seite eben so viel zu verlieren als zu gewinnen möglich.
-Sehr merkwürdig ist, was <cite>Baco</cite> aus der Fülle seines Geistes
-und seiner Erfahrung über diese Arbeit sagt<a name="FNanchor_4_17" id="FNanchor_4_17" href="#Fn_4_17" class="fnanchor">4</a>. Er will, daß
-sie nicht ohne dringendes Bedürfniß geschehe, dann aber mit besonderer
-Sorgfalt für die bisher gültigen Rechtsquellen: zunächst
-durch wörtliche Aufnahme alles anwendbaren aus ihnen, dann
-indem sie im Ganzen aufbewahrt und fortwährend zu Rathe<a name="savigny_21" id="savigny_21" class="f70">[21]</a>
-gezogen werden. Vorzüglich aber soll diese Arbeit nur in solchen
-Zeiten unternommen werden, die an Bildung und Sachkenntniß
-höher stehen, als die vorhergehenden, denn es sey sehr traurig,
-wenn durch die Unkunde der gegenwärtigen Zeit die Werke der
-Vorzeit verstümmelt werden sollten<a name="FNanchor_5_18" id="FNanchor_5_18" href="#Fn_5_18" class="fnanchor">5</a>. Worauf es dabey ankommt,
-ist nicht schwer zu sagen: das vorhandene, was nicht
-geändert, sondern beybehalten werden soll, muß gründlich erkannt
-und richtig ausgesprochen werden. Jenes betrifft den Stoff,
-dieses die Form.</p>
-
-<p>In Ansehung des Stoffs ist die wichtigste und schwierigste
-Aufgabe die Vollständigkeit des Gesetzbuchs, und es kommt nur
-darauf an, diese Aufgabe, worin Alle einstimmen, recht zu verstehen.
-Das Gesetzbuch nämlich soll, da es einzige Rechtsquelle
-zu seyn bestimmt ist, auch in der That für jeden vorkommenden
-Fall im voraus die Entscheidung enthalten. Dieses hat man<a class="pagenum" name="Page_84" id="Page_84">[Pg 84]</a>
-häufig so gedacht, als ob es möglich und gut wäre, die einzelnen
-Fälle als solche durch Erfahrung vollständig kennen zu
-lernen, und dann jeden durch eine entsprechende Stelle des Gesetzbuchs
-zu entscheiden. Allein wer mit Aufmerksamkeit<a name="savigny_22" id="savigny_22" class="f70">[22]</a>
-Rechtsfälle beobachtet hat, wird leicht einsehen, daß dieses Unternehmen
-deshalb fruchtlos bleiben muß, weil es für die Erzeugung
-der Verschiedenheiten wirklicher Fälle schlechthin keine
-Gränze giebt. Auch hat man gerade in den allerneuesten Gesetzbüchern
-allen Schein eines Bestrebens nach dieser materiellen
-Vollständigkeit völlig aufgegeben, ohne jedoch etwas anderes an
-die Stelle derselben zu setzen. Allein es giebt allerdings eine
-solche Vollständigkeit in anderer Art, wie sich durch einen Kunstausdruck
-der Geometrie klar machen läßt. In jedem Dreyeck
-nämlich giebt es gewisse Bestimmungen, aus deren Verbindung
-zugleich alle übrige mit Nothwendigkeit folgen: durch diese,
-z. B. durch zwey Seiten und den zwischenliegenden Winkel, ist
-das Dreyeck <em>gegeben</em>. Auf ähnliche Weise hat jeder Theil
-unsres Rechts solche Stücke, wodurch die übrigen gegeben sind:
-wir können sie die leitenden Grundsätze nennen. Diese heraus
-zu fühlen, und von ihnen ausgehend den innern Zusammenhang
-und die Art der Verwandtschaft aller juristischen Begriffe und
-Sätze zu erkennen, gehört eben zu den schwersten Aufgaben
-unsrer Wissenschaft, ja es ist eigentlich dasjenige, was unsrer
-Arbeit den wissenschaftlichen Character giebt. Entsteht nun das
-Gesetzbuch in einer Zeit, welche dieser Kunst nicht mächtig ist,
-so sind folgende Uebel ganz unvermeidlich. Die Rechtspflege
-wird scheinbar durch das Gesetzbuch, in der That aber durch etwas
-anderes,<a name="savigny_23" id="savigny_23" class="f70">[23]</a> was außer dem Gesetzbuch liegt, als der wahrhaft
-regierenden Rechtsquelle, beherrscht werden. Dieser falsche Schein
-aber ist höchst verderblich. Denn das Gesetzbuch wird unfehlbar
-durch seine Neuheit, seine Verwandtschaft mit herrschenden Begriffen
-der Zeit, und sein äußeres Gewicht alle Aufmerksamkeit
-auf sich und von der wahren Rechtsquelle ablenken, so daß diese
-in dunklem, unbemerktem Daseyn gerade der geistigen Kräfte der
-Nation entbehren wird, wodurch sie allein in einen löblichen
-Zustand kommen könnte. Daß diese Gefahr nicht grundlos ist,
-wird unten aus der Betrachtung der neuen Gesetzbücher klar<a class="pagenum" name="Page_85" id="Page_85">[Pg 85]</a>
-werden, und es wird sich zeigen, daß nicht blos der einzelne
-Inhalt, sondern selbst der Begriff und die allgemeine Natur
-dieser eigentlich regierenden Rechtsquelle verkannt wird, wie sie
-denn unter den verschiedensten Namen, bald als Naturrecht, bald
-als <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">jurisprudence</span>, bald als Rechtsanalogie vorkommt. Kommt
-nun zu dieser mangelnden Erkenntniß der leitenden Grundsätze
-das oben beschriebene Bestreben nach materieller Vollständigkeit
-hinzu, so werden sich sehr häufig die einzelnen Entscheidungen,
-den Verfassern unbemerkt, durchkreuzen und widersprechen, was
-erst allmählich durch die Anwendung, und bey gedankenlosem
-Zustand der Rechtspflege auch hier nicht, offenbar werden wird<a name="FNanchor_6_19" id="FNanchor_6_19" href="#Fn_6_19" class="fnanchor">6</a>.
-Dieser Erfolg ist gleich<a name="savigny_24" id="savigny_24" class="f70">[24]</a> für die Gegenwart unvermeidlich,
-wenn auf diese Weise ein Zeitalter ohne innern Beruf seine
-Ansicht des Rechts durch das Ansehen der Gesetzgebung fixiert;
-eben so nachtheilig aber ist die Wirkung auf die folgende Zeit.
-Denn wenn in dieser günstigere Bedingungen für die Behandlung
-des Rechts eintreten, so ist nichts förderlicher, als die vielseitige
-Berührung mit früheren einsichtsvollen Zeiten: das Gesetzbuch
-aber steht nun in der Mitte und hemmt und erschwert
-diese Berührung auf allen Seiten. Ohnehin liegt in der einseitigen
-Beschäftigung mit einem gegebenen positiven Rechte die
-Gefahr, von dem bloßen Buchstaben überwältigt zu werden<a name="FNanchor_7_20" id="FNanchor_7_20" href="#Fn_7_20" class="fnanchor">7</a>,
-und jedes Erfrischungsmittel muß dagegen sehr willkommen seyn:
-das mittelmäßige Gesetzbuch aber muß mehr als alles andere
-diese Herrschaft einer unlebendigen Ansicht des Rechts befestigen.</p>
-
-<p>Außer dem Stoff muß aber auch die Form des Gesetzbuchs
-in Erwägung gezogen werden, denn der Verfasser des Gesetzbuchs
-kann das Recht, welches er bearbeitet, völlig durchdrungen haben,
-und seine Arbeit wird dennoch ihren Zweck verfehlen, wenn er
-nicht<a name="savigny_25" id="savigny_25" class="f70">[25]</a> zugleich die Fähigkeit der Darstellung hat. Wie diese<a class="pagenum" name="Page_86" id="Page_86">[Pg 86]</a>
-Darstellung beschaffen seyn müsse, läßt sich leichter in gelungenen
-oder verfehlten Anwendungen fühlen, als durch allgemeine Regeln
-aussprechen. Gewöhnlich fordert man, daß sich die Sprache
-der Gesetze durch besondere Kürze auszeichne. Allerdings kann
-Kürze große Wirkung thun, wie sich durch das Beyspiel Römischer
-Volksschlüsse und des Römischen Edicts anschaulich machen
-läßt. Allein es giebt auch eine trockene, nichtssagende Kürze,
-zu welcher derjenige kommt, der die Sprache als Werkzeug nicht
-zu führen versteht, und die durchaus ohne Wirkung bleibt; in
-den Gesetzen und Urkunden des Mittelalters finden sich davon
-Beyspiele in Menge. Auf der andern Seite kann Weitläufigkeit
-in Rechtsquellen völlig verwerflich, ja ganz unerträglich seyn,
-wie in vielen Constitutionen von Justinian und in den meisten
-Novellen des Theodosischen Codex: allein es giebt auch eine geistvolle
-und sehr wirksame Weitläufigkeit, und in vielen Stellen
-der Pandekten ist diese unverkennbar.</p>
-
-<p>Fassen wir dasjenige, was hier über die Bedingungen eines
-vortrefflichen Gesetzbuchs gesagt worden ist, zusammen, so ist es
-klar, daß nur in sehr wenigen Zeiten die Fähigkeit dazu vorhanden
-seyn wird. Bey jugendlichen Völkern findet sich zwar
-die bestimmteste Anschauung ihres Rechts, aber den Gesetzbüchern
-fehlt es an Sprache und logischer Kunst, und<a name="savigny_26" id="savigny_26" class="f70">[26]</a> das Beste
-können sie meist nicht sagen, so daß sie oft kein individuelles
-Bild geben, während ihr Stoff höchst individuell ist. Beyspiele
-sind die schon angeführten Gesetze des Mittelalters, und wenn
-wir die zwölf Tafeln ganz vor uns hätten, würden wir vielleicht
-nur in geringerem Grade etwas ähnliches empfinden. In
-sinkenden Zeiten dagegen fehlt es meist an allem, an Kenntniß
-des Stoffs wie an Sprache. Also bleibt nur eine mittlere Zeit
-übrig, diejenige, welche gerade für das Recht, obgleich nicht
-nothwendig auch in anderer Rücksicht, als Gipfel der Bildung
-gelten kann. Allein eine solche Zeit hat für sich selbst nicht das
-Bedürfniß eines Gesetzbuchs; sie würde es nur veranstalten
-können für eine folgende schlechtere Zeit, gleichsam Wintervorräthe
-sammlend. Zu einer solchen Vorsorge aber für Kinder
-und Enkel ist selten ein Zeitalter aufgelegt.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_87" id="Page_87">[Pg 87]</a></p>
-
-<h3 class="gs">4.<br />
-
-Römisches Recht.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_27" id="savigny_27" class="f70">[27]</a></p>
-<p class="cap"> Diese allgemeinen Ansichten von Entstehung des Rechts
-und von Gesetzbüchern werden durch die Anwendung auf Römisches
-Recht und auf das Recht in Deutschland klarer und überzeugender
-werden.</p>
-
-<p>Die Vertheidiger des Römischen Rechts haben nicht selten
-den Werth desselben darin gesetzt, daß es die ewigen Regeln der
-Gerechtigkeit in vorzüglicher Reinheit enthalte, und so gleichsam
-selbst als ein sanctionirtes Naturrecht zu betrachten sey. Erkundigt
-man sich genauer, so wird freylich wieder der größte
-Theil als Beschränktheit und Spitzfindigkeit aufgegeben, und die
-Bewunderung bleibt meist auf der Theorie der Contracte haften:
-wenn man hier die Stipulationen und einigen andern Aberglauben
-abrechne, so sey im übrigen die Billigkeit dieses Rechts
-über die Maaßen groß, ja es sey zu nennen <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">l'expression des
-sentimens mis par Dieu même dans le coeur des hommes</span><a name="FNanchor_8_21" id="FNanchor_8_21" href="#Fn_8_21" class="fnanchor">8</a>.
-Allein gerade dieses übrig bleibende materielle des Römischen
-Rechts, was man so für seine wahre Vortrefflichkeit ausgiebt,
-ist so allgemeiner Natur, daß es meist schon<a name="savigny_28" id="savigny_28" class="f70">[28]</a> durch gesunden
-Verstand ohne alle juristische Bildung gefunden werden könnte,
-und um einen so leichten Gewinn lohnt es sich nicht, Gesetze
-und Juristen von zweytausend Jahren her zu unsrer Hülfe zu
-bemühen. Wir wollen versuchen, das eigenthümliche des Römischen
-Rechts etwas genauer ins Auge zu fassen. Daß es damit eine
-andere als die hier angedeutete Bedeutung habe, läßt sich im
-Voraus schon darum vermuthen, weil es das einzige Recht eines
-großen, lange bestehenden Volkes ist, welches eine ganz nationale,
-ungestörte Entwicklung gehabt hat, und zugleich in allen Perioden
-dieses Volkes mit vorzüglicher Liebe gepflegt worden ist.</p>
-
-<p>Betrachten wir zuerst die Justinianischen Rechtsbücher, also
-diejenige Form, in welcher das Römische Recht zu den neueren
-Staaten in Europa gekommen ist, so ist in ihnen eine Zeit des
-Verfalls nicht zu verkennen. Der Mittelpunkt dieser Rechts<a class="pagenum" name="Page_88" id="Page_88">[Pg 88]</a>bücher ist eine Compilation aus Schriften einer classischen Zeit,
-die als verloren und jetzt unerreichbar dasteht, und <cite>Justinian</cite>
-selbst hat dessen kein Hehl. Diese classische Zeit also, die des
-<cite>Papinian</cite> und <cite>Ulpian</cite> ist es, worauf wir unsre Blicke zu
-richten haben, und wir wollen versuchen, von der Art und Weise
-dieser Juristen ein Bild zu entwerfen.</p>
-
-<p>Es ist oben (S. <a href="#savigny_22">22</a>) gezeigt worden, daß in unsrer Wissenschaft
-aller Erfolg auf dem Besitz der leitenden Grundsätze
-beruhe, und gerade dieser Besitz<a name="savigny_29" id="savigny_29" class="f70">[29]</a> ist es, der die Größe der
-Römischen Juristen begründet. Die Begriffe und Sätze ihrer
-Wissenschaft erscheinen ihnen nicht wie durch ihre Willkühr hervorgebracht,
-es sind wirkliche Wesen, deren Daseyn und deren
-Genealogie ihnen durch langen vertrauten Umgang bekannt geworden
-ist. Darum eben hat ihr ganzes Verfahren eine Sicherheit,
-wie sie sich sonst außer der Mathematik nicht findet, und
-man kann ohne Uebertreibung sagen, daß sie mit ihren Begriffen
-rechnen. Diese Methode aber ist keinesweges das ausschließende
-Eigenthum eines oder weniger großen Schriftsteller, sie ist vielmehr
-Gemeingut Aller, und obgleich unter sie ein sehr verschiedenes
-Maaß glücklicher Anwendung vertheilt war, so ist doch die
-Methode überall dieselbe. Selbst wenn wir ihre Schriften vollständig
-vor uns hätten, würden wir darin weit weniger Individualität
-finden, als in irgend einer andern Literatur, sie alle
-arbeiten gewissermaaßen an einem und demselben großen Werke,
-und die Idee, welche der Compilation der Pandekten zum Grunde
-liegt, ist darum nicht völlig zu verwerfen. Wie tief bey den
-Römischen Juristen diese Gemeinschaft des wissenschaftlichen Besitzes
-gegründet ist, zeigt sich auch darin, daß sie auf die äußeren
-Mittel dieser Gemeinschaft geringen Werth legen; so z. B. sind
-ihre Definitionen größtentheils sehr unvollkommen, ohne daß die
-Schärfe und Sicherheit der Begriffe im geringsten darunter leidet.
-Dagegen steht ihnen<a name="savigny_30" id="savigny_30" class="f70">[30]</a> ein viel wichtigeres, mehr unwillkührliches
-Mittel zu Gebot, eine treffliche Kunstsprache, die mit der
-Wissenschaft so zusammenfällt, daß beide ein unauflösliches Ganze
-zu bilden scheinen. Mit diesen Vorzügen aber könnte sich eine
-schneidende Einseitigkeit sehr wohl vertragen. Das Recht nämlich
-hat kein Daseyn für sich, sein Wesen vielmehr ist das Leben<a class="pagenum" name="Page_89" id="Page_89">[Pg 89]</a>
-der Menschen selbst, von einer besondern Seite angesehen. Wenn
-sich nun die Wissenschaft des Rechts von diesem ihrem Objecte
-ablöst, so wird die wissenschaftliche Thätigkeit ihren einseitigen
-Weg fortgehen können, ohne von einer entsprechenden Anschauung
-der Rechtsverhältnisse selbst begleitet zu seyn; die Wissenschaft
-wird alsdann einen hohen Grad formeller Ausbildung erlangen
-können, und doch alle eigentliche Realität entbehren. Aber gerade
-von dieser Seite erscheint die Methode der Römischen Juristen
-am vortrefflichsten. Haben sie einen Rechtsfall zu beurtheilen,
-so gehen sie von der lebendigsten Anschauung desselben aus, und
-wir sehen vor unsern Augen das ganze Verhältniß Schritt vor
-Schritt entstehen und sich verändern. Es ist nun, als ob dieser
-Fall der Anfangspunkt der ganzen Wissenschaft wäre, welche von
-hier aus erfunden werden sollte. So ist ihnen Theorie und
-Praxis eigentlich gar nicht verschieden, ihre Theorie ist bis zur
-unmittelbarsten Anwendung durchgebildet, und ihre Praxis wird
-stets durch wissenschaftliche Behandlung geadelt. In jedem<a name="savigny_31" id="savigny_31" class="f70">[31]</a>
-Grundsatz sehen sie zugleich einen Fall der Anwendung, in jedem
-Rechtsfall zugleich die Regel, wodurch er bestimmt wird, und in
-der Leichtigkeit, womit sie so vom allgemeinen zum besondern
-und vom besondern zum allgemeinen übergehen, ist ihre Meisterschaft
-unverkennbar. Und in dieser Methode, das Recht zu
-finden und zu weisen, haben sie ihren eigenthümlichsten Werth,
-darin den germanischen Schöffen unähnlich, daß ihre Kunst zugleich
-zu wissenschaftlicher Erkenntniß und Mittheilung ausgebildet
-ist, doch ohne die Anschaulichkeit und Lebendigkeit einzubüßen,
-welche früheren Zeitaltern eigen zu seyn pflegen.</p>
-
-<p>Diese hohe Bildung der Rechtswissenschaft bey den Römern
-im Anfang des dritten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung ist
-etwas so merkwürdiges, daß wir auch die Geschichte derselben in
-Betracht ziehen müssen. Es würde sehr irrig seyn, wenn man
-dieselbe als die reine Erfindung eines sehr begünstigten Zeitalters,
-ohne Zusammenhang mit der Vorzeit, halten wollte. Vielmehr
-war der Stoff ihrer Wissenschaft den Juristen dieser Zeit
-schon gegeben, größtentheils noch aus der Zeit der freyen Republik.
-Aber nicht blos dieser Stoff, sondern auch jene bewundernswürdige
-Methode selbst hatte ihre Wurzel in der Zeit der Frey<a class="pagenum" name="Page_90" id="Page_90">[Pg 90]</a>heit. Was nämlich Rom groß gemacht hat, war der rege,
-lebendige, politische Sinn, womit dieses Volk die Formen seiner
-Verfassung stets<a name="savigny_32" id="savigny_32" class="f70">[32]</a> auf solche Weise zu verjüngen bereit war,
-daß das neue blos zur Entwicklung des alten diente, dieses
-richtige Ebenmaaß der beharrlichen und der fortbewegenden
-Kräfte. Dieser Sinn war in der Verfassung wie im bürgerlichen
-Rechte wirksam, aber dort war er schon vor dem Ende
-der Republik erloschen, während er hier noch Jahrhunderte lang
-fortwirken konnte, weil hier nicht dieselben Gründe der Corruption
-statt fanden wie in der Verfassung. Also auch im bürgerlichen
-Rechte war der allgemeine Römische Character sichtbar,
-das Festhalten am Herkömmlichen, ohne sich durch dasselbe zu
-binden, wenn es einer neuen, volksmäßig herrschenden Ansicht
-nicht mehr entsprach. Darum zeigt die Geschichte des Römischen
-Rechts bis zur classischen Zeit überall allmähliche, völlig organische
-Entwicklung. Entsteht eine neue Rechtsform, so wird dieselbe
-unmittelbar an eine alte, bestehende angeknüpft, und ihr so die
-Bestimmtheit und Ausbildung derselben zugewendet. Dieses ist
-der Begriff der Fiction, für die Entwicklung des Römischen
-Rechts höchst wichtig und von den Neueren oft lächerlich verkannt:
-so die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">bonorum possessio</span> neben der <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">hereditas</span>, die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">publiciana
-actio</span> neben der <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">rei vindicatio</span>, die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">actiones utiles</span> neben den
-<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">directae</span>. Und indem auf diese Weise das juristische Denken von
-der größten Einfachheit zur mannichfaltigsten Ausbildung ganz
-stetig und ohne äußere Störung oder Unterbrechung fortschritt,
-wurde<a name="savigny_33" id="savigny_33" class="f70">[33]</a> den Römischen Juristen auch in der späteren Zeit
-die vollendete Herrschaft über ihren Stoff möglich, die wir an
-ihnen bewundern. So wie nun oben bemerkt worden ist, daß
-die Rechtswissenschaft in ihrer classischen Zeit Gemeingut der
-Juristen war, so erkennen wir jetzt auch eine ähnliche Gemeinschaft
-zwischen den verschiedensten Zeitaltern, und wir sind genöthigt,
-das juristische Genie, wodurch die Trefflichkeit des Römischen
-Rechts bestimmt worden ist, nicht einem einzelnen Zeitalter,
-sondern der Nation überhaupt zuzuschreiben. Allein wenn wir
-auf die literarische Ausbildung sehen, durch welche allein dem
-Römischen Recht eine bleibende Wirkung auf andere Völker und
-Zeiten gesichert werden konnte, so müssen wir das Zeitalter des<a class="pagenum" name="Page_91" id="Page_91">[Pg 91]</a>
-<cite>Papinian</cite> und <cite>Ulpian</cite> als das vornehmste erkennen, und wenn
-wir juristische Bücher aus der Zeit des <cite>Cicero</cite> oder des <cite>August</cite>
-übrig hätten, so würden wir schwerlich die Unvollkommenheit
-derselben neben jenem Zeitalter verkennen können, so wichtig sie
-auch für unsere Kenntniß seyn müßten.</p>
-
-<p>Aus dieser Darstellung ist von selbst klar, daß das Römische
-Recht sich fast ganz von innen heraus, als Gewohnheitsrecht,
-gebildet hat, und die genauere Geschichte desselben lehrt, wie
-gering im Ganzen der Einfluß eigentlicher Gesetze geblieben ist,
-so lange das Recht in einem lebendigen Zustande war. Auch
-für<a name="savigny_34" id="savigny_34" class="f70">[34]</a> dasjenige, was oben über das Bedürfniß eines Gesetzbuchs
-gesagt wurde, ist die Geschichte des Römischen Rechts sehr
-lehrreich. So lange das Recht in lebendigem Fortschreiten war,
-wurde kein Gesetzbuch nöthig gefunden, selbst da nicht, als die
-Umstände dafür am günstigsten waren. Nämlich zur Zeit der
-classischen Juristen hätte es keine Schwierigkeit gemacht, ein treffliches
-Gesetzbuch zu verfassen. Auch waren die drey berühmtesten
-Juristen, <cite>Papinian</cite>, <cite>Ulpian</cite> und <cite>Paulus</cite> <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">praefecti praetorio</span>;
-diesen fehlte es sicher weder an Interesse für das Recht, noch an
-Macht, ein Gesetzbuch zu veranlassen, wenn sie es gut oder nöthig
-fanden: dennoch sehen wir keine Spur von einem solchen Versuche.
-Aber als früher <cite>Cäsar</cite> im Gefühl seiner Kraft und der
-Schlechtigkeit des Zeitalters nur seinen Willen in Rom gelten
-lassen wollte, soll er auch auf ein Gesetzbuch in unserm Sinne
-bedacht gewesen seyn<a name="FNanchor_9_22" id="FNanchor_9_22" href="#Fn_9_22" class="fnanchor">9</a>. Und als im sechsten Jahrhundert alles
-geistige Leben erstorben war, suchte man Trümmer aus besseren
-Zeiten zusammen, um dem Bedürfniß des Augenblicks abzuhelfen.
-So entstanden in einem kurzen Zeitraum verschiedene Römische
-Gesetzbücher: das Edict des <cite>Theoderich</cite>, das Westgothische
-Breviarium<a name="savigny_35" id="savigny_35" class="f70">[35]</a>, der sogenannte <cite>Papian</cite>, und die Rechtsbücher
-von <cite>Justinian</cite>. Schwerlich hätten sich Bücher über Römisches
-Recht erhalten, wenn nicht diese Gesetzbücher gewesen wären,
-und schwerlich hätte Römisches Recht im neueren Europa Eingang
-gefunden, wären nicht unter diesen Gesetzbüchern die von<a class="pagenum" name="Page_92" id="Page_92">[Pg 92]</a>
-<cite>Justinian</cite> gewesen, in welchen unter jenen allein der Geist des
-Römischen Rechts erkennbar ist. Der Gedanke zu diesen Gesetzbüchern
-aber ist augenscheinlich nur durch den äußersten Verfall
-des Rechts herbeygeführt worden.</p>
-
-<p>Ueber den materiellen Werth des Römischen Rechts können
-die Meynungen sehr verschieden seyn, aber über die hier dargestellte
-Meisterschaft in der juristischen Methode sind ohne Zweifel
-alle einig, welche hierin eine Stimme haben. Eine solche Stimme
-aber kann offenbar nur denjenigen zukommen, welche unbefangen
-und mit literarischem Sinn die Quellen des Römischen Rechts
-lesen. Die es blos aus Compendien oder Vorlesungen kennen,
-also von Hörensagen, selbst wenn sie einzelne Beweisstellen nachgeschlagen
-haben mögen, haben keine Stimme: für sie ist jegliche
-Ansicht möglich, unter andern die eines trefflichen Französischen
-Redners. Dieser behauptet, das Römische Recht habe zur Zeit
-der alten Juristen aus einer unzählbaren Menge einzelner Entscheidungen
-und Regeln bestanden, die ein Menschenleben nicht
-habe erfassen können: unter <cite>Justinian</cite><a name="savigny_36" id="savigny_36" class="f70">[36]</a> aber »<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">la législation
-romaine sortit du chaos</span>,« und sein Werk war das am wenigsten
-unvollkommene, bis in dem Code Napoleon ein ganz vollkommenes
-erschien<a name="FNanchor_10_23" id="FNanchor_10_23" href="#Fn_10_23" class="fnanchor">10</a>.</p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">5.<br />
-
-Bürgerliches Recht in Deutschland.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_37" id="savigny_37" class="f70">[37]</a></p>
-<p class="cap"> Bishr neue Zeiten war in ganz Deutschland ein
-gleichförmiges bürgerliches Recht unter dem Namen des <em>gemeinen
-Rechts</em> in Uebung, durch Landesrechte mehr oder weniger modificirt,
-aber nirgends in allen seinen Theilen außer Kraft gesetzt.
-Die Hauptquelle dieses gemeinen Rechts waren die Rechtsbücher
-von <cite>Justinian</cite>, deren bloße Anwendung auf Deutschland
-indessen von selbst schon wichtige Modificationen herbeigeführt
-hatte. Diesem gemeinen Rechte war von jeher die wissenschaftliche
-Thätigkeit der deutschen Juristen größtentheils zuge<a class="pagenum" name="Page_93" id="Page_93">[Pg 93]</a>wendet. Aber eben über dieses fremde Element unsers Rechts
-sind auch schon längst bittere Klagen erhoben worden. Das
-Römische Recht soll uns unsre Nationalität entzogen haben, und
-nur die ausschließende Beschäftigung unsrer Juristen mit demselben
-soll das einheimische Recht gehindert haben, eine eben so
-selbstständige und wissenschaftliche Ausbildung zu erlangen. Beschwerden
-dieser Art haben schon darin etwas leeres und grundloses,
-daß sie als zufällig und willkührlich voraussetzen, was
-ohne innere Nothwendigkeit nimmermehr geschehen oder doch nicht
-bleibend geworden wäre. Auch liegt überhaupt eine abgeschlossene<a name="savigny_38" id="savigny_38" class="f70">[38]</a>
-nationale Entwicklung, wie die der Alten, nicht auf
-dem Wege, welchen die Natur den neueren Völkern angewiesen
-hat; wie ihre Religion nicht Eigenthum der Völker ist, ihre
-Literatur eben so wenig frey von den mächtigsten äußeren Einflüssen,
-so scheint ihnen auch ein fremdes und gemeinsames bürgerliches
-Recht nicht unnatürlich. Ja sogar nicht blos fremd
-überhaupt war dieser Einfluß auf Bildung und Literatur, sondern
-größtentheils Römisch, eben so Römisch als jener Einfluß
-auf unser Recht. Allein in diesem Falle liegt noch ein besonderer
-Irrthum bey jener Ansicht zum Grunde. Nämlich auch
-ohne Einmischung des Römischen wäre eine ungestörte Ausbildung
-des Deutschen Rechts dennoch unmöglich gewesen, indem
-alle die Bedingungen fehlten, welche in Rom das bürgerliche
-Recht so sehr begünstigt hatten. Dahin gehörte zuerst die unverrückte
-Localität, indem Rom, ursprünglich der Staat selbst,
-bis zum Untergang des westlichen Reichs der Mittelpunkt desselben
-blieb, während die Deutschen Stämme auswanderten,
-unterjochten und unterjocht wurden, so daß das Recht unter alle
-vertheilt war, aber nirgends eine unverrückte Stelle, noch weniger
-einen einzelnen Mittelpunkt fand. Dann haben schon sehr frühe
-die Deutschen Stämme Revolutionen erfahren von so durchgreifender
-Art, wie sie die ganze Römische Geschichte nicht kennt.
-Denn selbst die Aenderungen der Verfassung unter <cite>August</cite> und
-unter<a name="savigny_39" id="savigny_39" class="f70">[39]</a> <cite>Constantin</cite> wirkten auf das bürgerliche Recht
-nicht unmittelbar und ließen selbst Grundbegriffe des öffentlichen
-Rechts, wie z. B. den der Civität, unberührt. In Deutschland
-dagegen, als das Lehenwesen ganz ausgebildet war, blieb von<a class="pagenum" name="Page_94" id="Page_94">[Pg 94]</a>
-der alten Nation eigentlich nichts mehr übrig, alles bis auf
-Formen und Namen war von Grund aus verändert, und diese
-gänzliche Umwälzung war schon entschieden, als das Römische
-Recht Eingang fand.</p>
-
-<p>Im vorigen Abschnitt ist gezeigt worden, wie wichtig das
-Römische Recht als Muster juristischer Methode sey: für Deutschland
-ist es nun auch historisch, durch sein Verhältniß zum gemeinen
-Recht, von großer Wichtigkeit. Es ist ganz falsch, wenn
-man diese historische Wichtigkeit des Römischen Rechts auf die
-Fälle einschränken wollte, welche unmittelbar aus demselben entschieden
-werden. Nicht nur ist in den Landesrechten selbst sehr
-vieles blos Römisches Recht und nur in seinem ursprünglichen
-Römischen Zusammenhang verständlich, sondern auch da, wo
-man absichtlich seine Bestimmungen verlassen hat, hat es häufig
-die Richtung und Ansicht des neu eingeführten Rechts bestimmt,
-so daß die Aufgabe, die durch dieses neue Recht gelöst werden
-soll, ohne Römisches Recht gar nicht verstanden werden kann.
-Diese historische Wichtigkeit aber theilt mit dem Römischen Recht
-das Deutsche, welches überall in den Landesrechten erhalten ist,
-so daß diese ohne Zurückführung<a name="savigny_40" id="savigny_40" class="f70">[40]</a> auf die gemeinsame
-Quelle unverständlich bleiben müssen.</p>
-
-<p>Gegen diesen nicht wenig verwickelten Zustand der Rechtsquellen
-in Deutschland, wie er aus der Verbindung des schon
-an sich sehr zusammen gesetzten gemeinen Rechts mit den
-Landesrechten hervorgieng, sind die größten Klagen geführt
-worden. Diejenigen, welche das Studium betreffen, werden besser
-unten ihre Stelle finden: einige aber betreffen die Rechtspflege
-selbst.</p>
-
-<p><em>Erstlich</em> soll dadurch die übermäßig lange Dauer der Prozesse
-in vielen Deutschen Ländern bewirkt worden seyn. Dieses
-Uebel selbst wird niemand abläugnen oder für unbedeutend erklären
-können, aber man thut den Richtern in solchen Ländern
-in der That zu viel Ehre an, wenn man glaubt, auf das ängstliche
-Grübeln über der schweren Theorie werde so viele Zeit
-verwendet. Ueber diese Theorie hilft das erste Compendium oder
-Handbuch hinweg, welches zur Hand ist: schlecht vielleicht, aber
-gewiß mit nicht mehr Aufwand von Zeit als das vortrefflichste<a class="pagenum" name="Page_95" id="Page_95">[Pg 95]</a>
-Gesetzbuch. Jenes Uebel entspringt vorzüglich aus der heillosen
-Prozeßform vieler Länder, und deren Reform gehört allerdings
-zu den dringendsten Bedürfnissen: die Quellen des bürgerlichen
-Rechts sind daran schuldlos. Daß dem so ist, wird jeder Unbefangene
-zugeben, welcher Acten aufmerksam gelesen hat. Auch
-die Erfahrung einzelner Länder spricht dafür, so z. B. war<a name="savigny_41" id="savigny_41" class="f70">[41]</a>
-schon längst in Hessen die Rechtspflege gut und schnell, obgleich
-da gerade in demselben Verhältniß gemeines Recht und Landesrecht
-galt, wie in den Ländern, in welchen die Prozesse nicht zu
-Ende gehen.</p>
-
-<p><em>Zweytens</em> klagt man über die große Verschiedenheit der
-Landesrechte, und diese Klage geht noch weiter als auf das Verhältniß
-verschiedener Deutscher Länder, da häufig auch in demselben
-Lande Provinzen und Städte wiederum besonderes Recht
-haben. Daß durch diese Verschiedenheit die Rechtspflege selbst
-leide und der Verkehr erschwert werde, hat man häufig gesagt,
-aber keine Erfahrung spricht dafür, und der wahre Grund ist
-wohl meist ein anderer. Er besteht in der unbeschreiblichen Gewalt,
-welche die bloße Idee der Gleichförmigkeit nach allen
-Richtungen nun schon so lange in Europa ausübt: eine Gewalt,
-gegen deren Mißbrauch schon <cite>Montesquieu</cite> warnt<a name="FNanchor_11_24" id="FNanchor_11_24" href="#Fn_11_24" class="fnanchor">11</a>. Es
-lohnt wohl der Mühe, diese Gleichförmigkeit in dieser besondern
-Anwendung näher zu betrachten. Das wichtigste, was man für
-die Gleichförmigkeit des Rechts sagt, ist dieses: die Liebe zum
-gemeinsamen Vaterland werde durch sie erhöht, durch die
-Mannichfaltigkeit der Particularrechte aber geschwächt. Ist diese
-Voraussetzung<a name="savigny_42" id="savigny_42" class="f70">[42]</a> wahr, so wird jeder wohlgesinnte Deutsche
-wünschen, daß Deutschland in allen seinen Theilen gleiches Recht
-genießen möge. Aber eben diese Voraussetzung ist nun der
-Gegenstand unsrer Prüfung.</p>
-
-<p>In jedem organischen Wesen, also auch im Staate, beruht
-die Gesundheit darauf, daß beides, das Ganze und jeder Theil,
-im Gleichgewicht stehe, daß jedem sein Recht widerfahre. Daß
-ein Bürger, eine Stadt, eine Provinz den Staat vergessen, dem
-sie angehören, ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung, und jeder<a class="pagenum" name="Page_96" id="Page_96">[Pg 96]</a>
-wird diesen Zustand für unnatürlich und krankhaft erkennen.
-Aber eben so kann die lebendige Liebe zum Ganzen blos aus
-der lebendigen Theilnahme an allen einzelnen Verhältnissen hervorgehen,
-und nur wer seinem Hause tüchtig vorsteht, wird ein
-trefflicher Bürger seyn. Darum ist es ein Irrthum, zu glauben,
-das Allgemeine werde an Leben gewinnen durch die Vernichtung
-aller individuellen Verhältnisse. Könnte in jedem Stande, in
-jeder Stadt, ja in jedem Dorfe ein eigenthümliches Selbstgefühl
-erzeugt werden, so würde aus diesem erhöhten und vervielfältigten
-individuellen Leben auch das Ganze neue Kraft gewinnen.
-Darum, wenn von dem Einfluß des bürgerlichen Rechts
-auf das Vaterlandsgefühl die Rede ist, so darf nicht geradezu
-das besondere Recht einzelner Provinzen und Städte für nachtheilig
-gehalten werden. Lob in dieser Beziehung<a name="savigny_43" id="savigny_43" class="f70">[43]</a> verdient
-das bürgerliche Recht, insoferne es das Gefühl und Bewußtseyn
-des Volkes berührt oder zu berühren fähig ist: Tadel, wenn es
-als etwas fremdartiges, aus Willkühr entstandenes, das Volk
-ohne Theilnahme läßt. Jenes aber wird öfter und leichter bey
-besonderen Rechten einzelner Landstriche der Fall seyn, obgleich
-gewiß nicht jedes Stadtrecht etwas wahrhaft volksmäßiges seyn
-wird. Ja für diesen politischen Zweck scheint kein Zustand des
-bürgerlichen Rechts günstiger, als der, welcher vormals in
-Deutschland allgemein war: große Mannichfaltigkeit und Eigenthümlichkeit
-im einzelnen, aber als Grundlage überall das gemeine
-Recht, welches alle Deutschen Volksstämme stets an ihre
-unauflösliche Einheit erinnerte. Das verderblichste aber von
-diesem Standpuncte aus ist leichte und willkührliche Aenderung
-des bürgerlichen Rechts, und selbst wenn durch dieselbe für Einfachheit
-und Bequemlichkeit gut gesorgt wäre, so könnte dieser
-Gewinn gegen jenen politischen Nachtheil nicht in Betracht
-kommen. Was so vor unsern Augen von Menschenhänden gemacht
-ist, wird im Gefühl des Volkes stets von demjenigen
-unterschieden werden, dessen Entstehung nicht eben so sichtbar
-und greiflich ist, und wenn wir in unserm löblichen Eifer diese
-Unterscheidung ein blindes Vorurtheil schelten, so sollten wir
-nicht vergessen, daß aller Glaube und alles Gefühl für das was
-nicht<a name="savigny_44" id="savigny_44" class="f70">[44]</a> unsres gleichen ist, sondern höher als wir, auf einer<a class="pagenum" name="Page_97" id="Page_97">[Pg 97]</a>
-ähnlichen Sinnesart beruht. Eine solche Verwandtschaft könnte
-uns über die Verwerflichkeit jener Unterscheidung wohl zweifelhaft
-machen<a name="FNanchor_12_25" id="FNanchor_12_25" href="#Fn_12_25" class="fnanchor">12</a>.</p>
-
-
-
-<h3 class="gs">6.<br />
-
-Unser Beruf zur Gesetzgebung.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_45" id="savigny_45" class="f70">[45]</a></p>
-<p class="cap"> Von den Gründen, auf welche das Bedürfniß eines Gesetzbuchs
-für Deutschland gebaut zu werden pflegt, ist im vorigen Abschnitt
-gesprochen worden: wir haben jetzt die Fähigkeit zu dieser
-Arbeit zu untersuchen. Sollte es an dieser fehlen, so müßte
-durch ein Gesetzbuch unser Zustand, den wir bessern wollen, nothwendig
-verschlimmert werden.</p>
-
-<p><cite>Baco</cite> forderte, daß die Zeit, in welcher ein Gesetzbuch gemacht
-werde, an Einsicht die vorhergehenden Zeiten übertreffe,
-wovon die nothwendige Folge ist, daß manchem Zeitalter, welches
-in anderer Rücksicht für gebildet gelten mag, gerade diese Fähigkeit
-abgesprochen werden muß. In den neuesten Zeiten haben
-sich besonders die Gegner des Römischen Rechts über solche Ansichten
-nicht selten entrüstet: denn die Vernunft sey allen Völkern
-und allen Zeiten gemein, und da wir überdem die Erfahrung
-voriger Zeiten benutzen können, so müsse unfehlbar, was wir verfertigen,
-besser als alles vorige werden. Aber eben diese Meynung,
-daß jedes Zeitalter zu allem berufen sey, ist das verderblichste
-Vorurtheil. In den schönen Künsten müssen wir wohl
-das Gegentheil anerkennen,<a name="savigny_46" id="savigny_46" class="f70">[46]</a> warum wollen wir uns nicht
-dasselbe gefallen lassen, wo von Bildung des Staates und des
-Rechts die Rede ist?</p>
-
-<p>Sehen wir auf die Erwartungen der Nichtjuristen von einem
-Gesetzbuch, so sind diese sehr verschieden nach den verschiedenen
-Gegenständen des Rechts, und auch hierin zeigt sich das zweyfache
-Element alles Rechts, welches ich oben das politische und
-das technische genannt habe. An einigen Gegenständen nehmen
-sie unmittelbar lebhaften Antheil, andere werden als gleichgültig
-der juristischen Technik allein überlassen: jenes ist mehr im<a class="pagenum" name="Page_98" id="Page_98">[Pg 98]</a>
-Familienrecht, dieses mehr im Vermögensrecht der Fall, am
-meisten in den allgemeinen Grundlagen desselben<a name="FNanchor_13_26" id="FNanchor_13_26" href="#Fn_13_26" class="fnanchor">13</a>. Wir wollen
-als Repräsentanten dieser verschiedenartigen Gegenstände die Ehe
-und das Eigenthum wählen, was aber von ihnen gesagt werden
-wird, soll zugleich für die ganze Classe gelten, wozu sie gehören.</p>
-
-<p>Die Ehe gehört nur zur Hälfte dem Rechte an, zur Hälfte
-aber der Sitte, und jedes Eherecht ist unverständlich, welches
-nicht in Verbindung mit dieser seiner nothwendigen Ergänzung betrachtet
-wird. Nun ist in neueren Zeiten aus<a name="savigny_47" id="savigny_47" class="f70">[47]</a> Gründen,
-die mit der Geschichte der christlichen Kirche zusammenhangen,
-die nichtjuristische Ansicht dieses Verhältnisses theils flach, theils
-im höchsten Grade schwankend und unbestimmt geworden, und
-jene Flachheit, wie dieses Schwanken, haben sich dem Recht der
-Ehe mitgetheilt. Wer die Gesetzgebung und das practische Recht
-in Ehesachen aufmerksam betrachtet, wird darüber keinen Zweifel
-haben. Diejenigen nun, welche glauben, daß jedes Uebel nur
-auf ein abhelfendes Gesetz warte, um dann auf der Stelle zu
-verschwinden, werden diesen traurigen Zustand gern anerkennen,
-um dadurch das Bedürfniß einer kräftigen, durchgreifenden Gesetzgebung
-in helles Licht zu setzen. Aber eben die Hoffnung,
-die sie hierin auf Gesetze bauen, halte ich für ganz grundlos.
-Ist einmal in der allgemeinen Ansicht eine bestimmte und löbliche
-Richtung sichtbar, so kann diese durch Gesetzgebung kräftig
-unterstützt werden, aber hervorgebracht wird sie durch diese nicht,
-und wo sie gänzlich fehlt, wird jeder Versuch einer erschöpfenden
-Gesetzgebung den gegenwärtigen Zustand nur noch schwankender
-machen und die Heilung erschweren.</p>
-
-<p>Wir betrachten ferner diejenigen Gegenstände, welche (wie
-das Eigenthum) im nichtjuristischen Publikum mit Gleichgültigkeit
-betrachtet werden, und wovon selbst Juristen urtheilen, daß
-sie unter allen Umständen dieselben seyn können<a name="FNanchor_14_27" id="FNanchor_14_27" href="#Fn_14_27" class="fnanchor">14</a>, so daß sie lediglich<a name="savigny_48" id="savigny_48" class="f70">[48]</a>
-der juristischen Technik anheim fallen. Daß wir diese
-Ansicht von ihnen haben, ist eigentlich selbst schon Zeichen eines<a class="pagenum" name="Page_99" id="Page_99">[Pg 99]</a>
-öffentlichen Zustandes, welchem die rechtsbildende Kraft fehlt;
-denn wo diese lebendig ist, werden alle diese Verhältnisse nichts
-weniger als gleichgültig, sondern vielmehr ganz eigenthümlich
-und nothwendig seyn, wie die Geschichte jedes ursprünglichen
-Rechts beweist. Jenen Zustand aber als den unsrigen vorausgesetzt,
-wird unsre Fähigkeit zur Gesetzgebung von dem Werthe
-und der Ausbildung unsrer juristischen Technik abhangen, und
-auf diese muß demnach unsre Untersuchung zunächst gerichtet seyn.</p>
-
-<p>Unglücklicherweise nun ist das ganze achtzehente Jahrhundert
-in Deutschland sehr arm an großen Juristen gewesen. Fleißige
-Männer zwar fanden sich in Menge, von welchen sehr schätzbare
-Vorarbeiten gethan wurden, aber weiter als zu Vorarbeiten kam
-es selten. Ein zweyfacher Sinn ist dem Juristen unentbehrlich:
-der historische, um das eigenthümliche jedes Zeitalters und jeder
-Rechtsform scharf aufzufassen, und der systematische, um jeden
-Begriff und jeden Satz in lebendiger Verbindung und Wechselwirkung
-mit dem Ganzen anzusehen, d. h. in dem Verhältniß,
-welches das allein wahre und natürliche ist. Dieser zweyfache
-wissenschaftliche Sinn findet sich ungemein wenig in den Juristen
-des achtzehenten Jahrhunderts, und vorzüglich ein vielfältiges
-flaches Bestreben in der Philosophie wirkte sehr ungünstig.
-Ueber<a name="savigny_49" id="savigny_49" class="f70">[49]</a> die Zeit, in welcher man selbst lebt, ist ein sicheres
-Urtheil sehr schwer: doch, wenn nicht alle Zeichen trügen, ist ein
-lebendigerer Geist in unsre Wissenschaft gekommen, der sie künftig
-wieder zu einer eigenthümlichen Bildung erheben kann. Nur
-fertig geworden ist von dieser Bildung noch sehr wenig, und aus
-diesem Grunde läugne ich unsre Fähigkeit, ein löbliches Gesetzbuch
-hervorzubringen. Viele mögen dieses Urtheil für übertrieben
-halten, aber diese fordere ich auf, mir unter der nicht
-geringen Zahl von Systemen des Römisch-Deutschen Rechts eines
-zu zeigen, welches nicht etwa blos zu diesem oder jenem besondern
-Zwecke nützlich dienen könne, denn deren haben wir viele,
-sondern welches als Buch vortrefflich sey; dieses Lob aber wird
-nur dann gelten können, wenn die Darstellung eine eigene, selbstständige
-Form hat, und zugleich den Stoff zu lebendiger Anschauung
-bringt. So z. B. im Römischen Rechte würde es
-darauf ankommen, daß die Methode der alten Juristen, der Geist,<a class="pagenum" name="Page_100" id="Page_100">[Pg 100]</a>
-der in den Pandekten lebt, erkennbar wäre, und ich würde mich
-sehr freuen, dasjenige unsrer Systeme kennen zu lernen, worin
-dieses der Fall seyn möchte. Hat nun diese Arbeit bey vielem
-Fleiße und guten Talenten bis jetzt nicht gelingen wollen, so
-behaupte ich, daß in unsrer Zeit ein gutes Gesetzbuch noch nicht
-möglich ist, denn für dieses ist die Arbeit nicht anders, nur
-schwerer. Es giebt noch eine andere Probe für unsre Fähigkeit:
-vergleichen wir unsre<a name="savigny_50" id="savigny_50" class="f70">[50]</a> juristische Literatur mit der literarischen
-Bildung der Deutschen überhaupt, und sehen wir zu, ob jene
-mit dieser gleichen Schritt gehalten hat, das Urtheil wird nicht
-günstig ausfallen, und wir werden ein ganz anderes Verhältniß
-finden, als das der Römischen Juristen zur Literatur der Römer.
-In dieser Ansicht liegt keine Herabsetzung, denn unsre Aufgabe
-ist in der That sehr groß, ohne Vergleichung schwerer
-als die der Römischen Juristen war. Aber eben die Größe
-dieser Aufgabe sollen wir nicht verkennen aus Bequemlichkeit
-oder Eigendünkel, wir sollen nicht am Ziel zu seyn glauben, wenn
-wir noch weit davon entfernt sind.</p>
-
-<p>Haben wir nun in der That nicht was nöthig ist, damit
-ein gutes Gesetzbuch entstehe, so dürfen wir nicht glauben, daß
-das wirkliche Unternehmen eben nichts weiter seyn würde, als
-eine fehlgeschlagene Hoffnung, die uns im schlimmsten Fall nur
-nicht weiter gebracht hätte. Von der großen Gefahr, die unvermeidlich
-eintritt, wenn der Zustand einer sehr mangelhaften unbegründeten
-Kenntniß durch äußere Autorität fixiert wird, ist
-schon oben (S. <a href="#savigny_22">22</a>) gesprochen worden, und diese Gefahr würde
-hier um so größer seyn, je allgemeiner die Unternehmung wäre
-und je mehr sie mit dem erwachenden Nationalinteresse in Verbindung
-gebracht würde. Nahe liegende Beyspiele geben in
-solchen Dingen oft ein weniger deutliches Bild: ich will also,
-um anschaulich<a name="savigny_51" id="savigny_51" class="f70">[51]</a> zu machen, was auf solche Weise entstehen
-kann, an die Zeit nach der Auflösung des weströmischen
-Reichs erinnern, wo eben so ein unvollkommner Zustand der
-Rechtskenntniß fixirt worden ist (S. <a href="#savigny_34">34</a>). Der einzige Fall, der
-hier eine Vergleichung darbietet, ist das Edict des Ostgothischen
-Theoderich, weil hier allein das vorhandene Recht in einer eigenen,
-neuen Form dargestellt werden sollte. Ich bin weit entfernt zu<a class="pagenum" name="Page_101" id="Page_101">[Pg 101]</a>
-glauben, daß, was wir hervorbringen könnten, diesem Edict völlig
-gleich sehen würde, denn der Unterschied der Zeiten ist in der
-That sehr groß: die Römer im Jahr 500 hatten Mühe zu sagen
-was sie dachten, wir verstehen gewissermaaßen zu schreiben: ferner
-gab es damals gar keine juristische Schriftsteller, wir haben
-daran keinen Mangel. Allein darin ist die Aehnlichkeit unverkennbar,
-daß dort ein historischer Stoff dargestellt werden sollte,
-den man nicht übersah und nicht regieren konnte, und den wir
-Mühe haben in dieser Darstellung wieder zu erkennen. Und
-darin ist der Nachteil entschieden auf unsrer Seite, daß im Jahr
-500 nichts zu verderben war. In unsrer Zeit dagegen ist ein
-lebendiges Bestreben nicht abzuläugnen, und niemand kann wissen,
-wie viel besseres wir der Zukunft entziehen, indem wir gegenwärtige
-Mängel befestigen. Denn »<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ut corpora lente augescunt,
-cito extinguuntur; sic ingenia studiaque oppresseris facilius quam
-revocaveris</span>.«<a name="FNanchor_15_28" id="FNanchor_15_28" href="#Fn_15_28" class="fnanchor">15</a></p>
-
-<p><a name="savigny_52" id="savigny_52" class="f70">[52]</a> Ein wichtiger Punkt ist noch zu bedenken, die Sprache
-nämlich. Ich frage jeden, der für würdigen, angemessenen Ausdruck
-Sinn hat, und der die Sprache nicht als eine gemeine Geräthschaft,
-sondern als Kunstmittel betrachtet, ob wir eine Sprache
-haben, in welcher ein Gesetzbuch geschrieben werden könnte. Ich
-bin weit entfernt, die Kraft der edlen Deutschen Sprache selbst
-in Zweifel zu ziehen; aber eben daß sie jetzt nicht dazu taugt,
-ist mir ein Zeichen mehr, daß wir in diesem Kreise des Denkens
-zurück sind. Kommt nur erst unsre Wissenschaft weiter, so wird
-man sehen, wie unsre Sprache durch frische, ursprüngliche Lebenskraft
-förderlich seyn wird. Noch mehr, ich glaube wir sind in
-diesem Stücke noch in neueren Zeiten rückwärts gegangen. Ich
-kenne aus dem achtzehenten Jahrhundert kein Deutsches Gesetz,
-welches in Ernst und Kraft des Ausdrucks mit der peinlichen
-Gerichtsordnung Karls des fünften verglichen werden könnte.</p>
-
-<p>Ich weiß, was man auf diese Gründe antworten kann,
-selbst wenn man sie alle zugiebt: die Kraft des menschlichen
-Geistes sey unendlich, und bey redlichem Streben könne auch
-jetzt plötzlich ein Werk hervorgehen, woran von allen diesen<a class="pagenum" name="Page_102" id="Page_102">[Pg 102]</a>
-Mängeln keiner verspürt würde. Wohl: der Versuch steht jedem
-frey, an Aufmerksamkeit fehlt es unsrer Zeit nicht, und es hat
-keine Gefahr, daß das wirkliche Gelingen übersehen werde.</p>
-
-<p><a name="savigny_53" id="savigny_53" class="f70">[53]</a> Ich habe bis jetzt die Fähigkeit unsrer Zeit zu einer allgemeinen
-Gesetzgebung untersucht, als ob dergleichen noch nicht
-unternommen worden wäre. Ich wende mich jetzt zu den Gesetzbüchern,
-welche die neueste Zeit wirklich hervorgebracht hat.</p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">7.<br/>
-
-Die drey neuen Gesetzbücher.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_54" id="savigny_54" class="f70">[54]</a></p>
-<p class="cap"> Die vollständige Kritik eines Gesetzbuchs, die von größerem
-Umfang seyn muß, als das Gesetzbuch selbst, kann eben deshalb
-in den Gränzen einer kleinen Schrift nicht versucht werden. Auch
-kommt es hier auf diese Gesetzbücher nicht sowohl in ihrem
-Werthe im einzelnen an, als in der Wahrscheinlichkeit, die sie
-uns für oder wider das Gelingen einer neuen Unternehmung
-dieser Art darbieten. Sie sind nämlich sämtlich aus demjenigen
-Zustande juristischer Bildung hervorgegangen, für welchen oben die
-Fähigkeit zur Verfertigung eines guten Gesetzbuchs verneint
-worden ist, und sie werden folglich historisch zur Bestätigung
-oder Widerlegung unsrer Behauptung dienen können. Ich stelle
-den Code Napoleon zuerst, weil über ihn allein ausführliche
-Verhandlungen bekannt gemacht sind, welche recht unmittelbar
-zu unsrem Zwecke führen können.<a name="FNanchor_16_29" id="FNanchor_16_29" href="#Fn_16_29" class="fnanchor">16</a></p>
-
-<p><a name="savigny_55" id="savigny_55" class="f70">[55]</a> Bey dem Code sind die politischen Elemente der Gesetzgebung
-vor den technischen von Einfluß gewesen, und er hat
-deshalb in dem bestehenden Rechte mehr als die deutschen Gesetzbücher
-geändert. Die Gründe und die Natur dieses überwiegenden
-Einflusses sind neuerlich in einer sehr geistreichen<a class="pagenum" name="Page_103" id="Page_103">[Pg 103]</a>
-Schrift so gründlich dargestellt worden<a name="FNanchor_17_30" id="FNanchor_17_30" href="#Fn_17_30" class="fnanchor">17</a>, daß ich mich begnügen
-kann, ihre Ansichten hier kurz zusammen zu fassen. Die Revolution
-nämlich hatte zugleich mit der alten Verfassung auch einen
-großen Theil des bürgerlichen Rechts vernichtet, beides mehr aus
-blindem Trieb gegen das bestehende und in ausschweifenden,
-sinnlosen Erwartungen von einer unbestimmten Zukunft, als von
-dem Wahn eines bestimmten, für trefflich gehaltenen Zustandes
-geleitet. Als nun Bonaparte alles unter militärischen Despotismus
-zwang, hielt er den Theil der Revolution, der ihm diente,
-und die Rückkehr der alten Verfassung ausschloß, begierig fest,
-das übrige, was nun schon Alle anekelte, und was ihm selbst
-entgegen gewesen wäre, sollte verschwinden, nur war dies nicht
-überall möglich, da<a name="savigny_56" id="savigny_56" class="f70">[56]</a> die Wirkung der vergangenen Jahre
-auf Bildung, Sitten und Gesinnungen nicht auszulöschen war.
-Diese halbe Rückkehr zu den vorigen ruhigen Zuständen war
-allerdings wohlthätig, und sie gab dem Gesetzbuch, das in dieser
-Zeit entstand, seine Hauptrichtung. Aber diese Rückkehr war
-Ermüdung und Ueberdruß, nicht der Sieg edlerer Kräfte und
-Gesinnungen, auch wäre für diese in dem öffentlichen Zustand,
-der sich nun zur Plage von Europa bildete, kein Raum gewesen.
-Diese innere Bodenlosigkeit ist in den Discussionen des Staatsraths
-unverkennbar, und muß auf jeden aufmerksamen Leser
-einen trostlosen Eindruck machen. Dazu kam nun der unmittelbare
-Einfluß der Staatsverfassung. Diese war, als der Code
-gemacht wurde, der Theorie nach republikanisch im Sinn der
-Revolution, in der That aber neigte sich schon alles zu dem
-später entwickelten Despotismus. Daher entstand in den Grundsätzen
-selbst Schwanken und Veränderlichkeit, so z. B. erklärte
-Bonaparte selbst 1803 im Staatsrathe dieselben Familienfideicommisse
-für schädlich, unsittlich und unvernünftig<a name="FNanchor_18_31" id="FNanchor_18_31" href="#Fn_18_31" class="fnanchor">18</a>, welche 1806
-wieder eingeführt und 1807 in den Code aufgenommen wurden.
-Weit gefährlicher aber für die Gesinnung war es, daß durch
-diesen schnellen<a name="savigny_57" id="savigny_57" class="f70">[57]</a> Wechsel der letzte so oft beschworene Gegen<a class="pagenum" name="Page_104" id="Page_104">[Pg 104]</a>stand des Glaubens und der Verehrung wieder vernichtet wurde,
-und daß Ausdrücke und Formen nunmehr beständig mit den Begriffen
-in Widerspruch kamen, wodurch in den Meisten auch der
-letzte Rest von Wahrheit und sittlicher Haltung verschwinden
-mußte. Es würde schwer seyn, einen öffentlichen Zustand zu erfinden,
-welcher für die Gesetzgebung nachtheiliger als dieser wirkliche
-wäre. Auch blickt bey den Franzosen selbst nicht selten
-durch die stehenden Lobpreisungen ein Gefühl dieses unseeligen
-Zustandes und der Unvollkommenheit der auf denselben gegründeten
-Arbeit hervor<a name="FNanchor_19_32" id="FNanchor_19_32" href="#Fn_19_32" class="fnanchor">19</a>. Für Deutschland aber, das der Fluch
-dieser Revolution nicht getroffen hatte, war der Code, der Frankreich
-einen Theil des Weges zurück führte, vielmehr ein Schritt
-vorwärts in den Zustand der Revolution hinein, folglich verderblicher
-und heilloser als für Frankreich selbst<a name="FNanchor_20_33" id="FNanchor_20_33" href="#Fn_20_33" class="fnanchor">20</a>. &ndash; Doch alle
-diese Ansichten haben glücklicherweise für uns Deutsche nur noch
-ein historisches Interesse. Napoleon zwar hatte es anders gemeynt.
-Ihm diente der Code als ein Band mehr, die Völker
-zu umschlingen, und darum<a name="savigny_58" id="savigny_58" class="f70">[58]</a> wäre er für uns verderblich und
-abscheulich gewesen, selbst wenn er allen innern Werth gehabt
-hätte, der ihm fehlt. Von dieser Schmach sind wir erlöst, und
-es wird bald wenig mehr davon übrig seyn, als die Erinnerung,
-daß so manche Deutsche Juristen, selbst ohne allen äußeren Beruf,
-recht vergnügt mit diesem Instrument gespielt, und uns Heil verkündigt
-haben von dem was uns zu verderben bestimmt war.
-Jetzt hat der Code eine andere Stellung gegen Europa angenommen,
-und wir können ihn ruhig und unparteyisch als ein
-Gesetzbuch für Frankreich beurtheilen.</p>
-
-<p>Wir betrachten nunmehr den technischen Theil des Code,
-welcher gedacht werden könnte ohne alle Revolution, indem er
-schon bestehendes Recht enthält<a name="FNanchor_21_34" id="FNanchor_21_34" href="#Fn_21_34" class="fnanchor">21</a>. Dieses bestehende Recht aber<a class="pagenum" name="Page_105" id="Page_105">[Pg 105]</a>
-ist theils Römisches, theils Französisches (<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">coutumes</span>), so daß auch
-dieser Theil des Code in jedem einzelnen Stücke von Frankreich
-zur Hälfte neues Recht einführte, und nirgends willkommen war<a name="FNanchor_22_35" id="FNanchor_22_35" href="#Fn_22_35" class="fnanchor">22</a>;
-derselbe Erfolg würde bey einem ähnlichen Versuche in Deutschland
-unvermeidlich seyn. Davon abgesehen, wenden wir uns
-nun zur Arbeit selbst. Es ist selbst in Deutschland<a name="savigny_59" id="savigny_59" class="f70">[59]</a> nicht
-selten der Ernst und die Gründlichkeit gerühmt worden, womit
-man diese Arbeit betrieben habe<a name="FNanchor_23_36" id="FNanchor_23_36" href="#Fn_23_36" class="fnanchor">23</a>. Daß die vier Redactoren
-mit der Grundlage des ganzen (dem <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">projet de code civil</span>) in
-wenigen Monaten zu Stande kamen, war freylich nicht zu läugnen:
-aber alles, was hier mangeln mochte, sollte in der Discussion
-des Staatsraths, diesem Stolze der Französischen Administration,
-vollendet worden seyn. Daß in dieser Discussion öfters auch gute
-Gedanken vorkamen, ist wahr, aber den allgemeinen Character
-derselben hat <cite>Thibaut</cite> sehr richtig in oberflächliches Hin- und
-Herreden und Durcheinandertappen gesetzt<a name="FNanchor_24_37" id="FNanchor_24_37" href="#Fn_24_37" class="fnanchor">24</a>. Doch, was hier die
-Hauptsache ist, das eigentlich technische, wovon der wahre Werth
-abhieng, ist so gut als gar nicht zur Sprache gekommen. Und
-wie konnte es auch anders seyn! Einem sehr zahlreichen und sehr
-gemischten Collegium konnten wohl Fragen begreiflich gemacht
-werden, wie diese, ob der Vater seine Tochter ausstatten müsse,
-und ob der Kauf wegen großer Läsion angefochten werden könne,
-aber die allgemeine Theorie des Sachenrechts und der Obligationen
-ist nun einmal nicht ohne wissenschaftliche Vorbereitung zu verstehen,
-ja sie<a name="savigny_60" id="savigny_60" class="f70">[60]</a> konnte nicht einmal zur Sprache kommen bey
-einer Discussion, die den Entwurf blos nach der Reihe der einzelnen
-Artikel prüfte, ohne den Inhalt und die Behandlung
-ganzer Abschnitte zu untersuchen. So ist es denn gekommen,
-daß z. B. die Discussion über die Anfechtung des Kaufs wenigstens
-viermal so stark ist, als die über die zwey ersten Kapitel der
-Verträge<a name="FNanchor_25_38" id="FNanchor_25_38" href="#Fn_25_38" class="fnanchor">25</a>. Und doch wird mir jeder Sachkundige zugeben, daß<a class="pagenum" name="Page_106" id="Page_106">[Pg 106]</a>
-für den Werth und die Brauchbarkeit des Gesetzbuchs überhaupt
-jene isolirte Fragen gegen diese allgemeinen Lehren ganz unbedeutend
-sind. Der Staatsrath also hat an dem Code, soweit er
-technisch ist, keinen Theil, und der Code ist und bleibt die sehr
-schnelle Arbeit der bekannten Redactoren, eigentlicher Juristen.
-Und wie stand nun die Rechtswissenschaft in Frankreich, als diese
-Männer sich bildeten? Es ist allgemein bekannt, daß für das
-Römische Recht Pothier der Leitstern der neuern Französischen
-Juristen ist, und daß seine Schriften den unmittelbarsten Einfluß
-auf den Code gehabt haben. Ich bin weit entfernt, Pothier
-gering zu schätzen, vielmehr wäre die Jurisprudenz eines Volkes,
-worin er einer von vielen wäre, recht gut berathen. Aber eine
-juristische Literatur, in welcher er allein steht,<a name="savigny_61" id="savigny_61" class="f70">[61]</a> und fast als Quelle
-verehrt und studiert wird, muß doch Mitleid erregen. Betrachten
-wir ferner diese juristische Gelehrsamkeit, wie sie in unläugbaren
-Thatsachen vor uns liegt, so ist sie in der That merkwürdig.
-Sehr bedeutend sind schon solche Erscheinungen wie <cite>Desquiron</cite><a name="FNanchor_26_39" id="FNanchor_26_39" href="#Fn_26_39" class="fnanchor">26</a>,
-der von einem Römischen Juristen <cite>Justus Lipsius</cite> bald nach
-den zwölf Tafeln und von dem berühmten <cite>Sicardus</cite> unter
-Theodosius II., Verfasser des Codex Theodosianus, erzählt; selbst
-solche Monstrositäten verstatten einen Schluß auf den mittleren
-Durchschnitt des wissenschaftlichen Zustandes. Allein wir wollen
-uns unmittelbar an die Verfasser des Gesetzbuchs wenden, an
-<cite>Bigot-Preameneu</cite>, <cite>Portalis</cite> und <cite>Maleville</cite>. Von den
-gelehrten Ansichten des ersten ist bereits oben (<a href="#savigny_35">35</a>) eine Probe
-vorgekommen. Von Portalis mag die folgende Probe genügen.
-Der <span class="antiqua">art</span> 6. enthält die Regel: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">jus publicum privatorum pactis
-mutari non potest</span>. Man hatte den Einwurf gemacht, <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">jus publicum</span>
-heiße nicht das Recht was den Staat interessirt, sondern jedes
-Gesetz ohne Unterschied, jedes <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">jus publice stabilitum</span>. Darauf antwortet
-<cite>Portalis</cite><a name="FNanchor_27_40" id="FNanchor_27_40" href="#Fn_27_40" class="fnanchor">27</a>: im allgemeinen seyen<a name="savigny_62" id="savigny_62" class="f70">[62]</a> beide Bedeutungen
-des Worts zuzugeben, aber es frage sich, was es eben in dieser
-Stelle des Römischen Rechts heiße. »<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Or, voici comment est conçu<a class="pagenum" name="Page_107" id="Page_107">[Pg 107]</a>
-le sommaire de la loi 31<sup>me</sup> au Digeste de pactis: contra tenorem
-legis privatam utilitatem continentis pacisci licet.... Ainsi, le
-droit public est ce qui intéresse plus directement la société que
-les particuliers.</span>« Ich will nicht davon reden, daß hier <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">jus publicum</span>
-oberflächlich und schief verstanden ist, aber ich frage: was lag
-bey dieser allgemeinen Regel daran, wie sich die Römer eine
-ähnliche Regel dachten? und wenn daran etwas lag, wie war es
-möglich, den Sprachgebrauch der Römer aus einer Stelle des
-<cite>Bartolus</cite> (denn von diesem ist das <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">summarium</span>) darzuthun,
-d. h. diesen mit den Römischen Juristen für Eine Masse zu halten?
-Das heißt doch wohl <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">tamquam e vinculis sermocinari</span>! <cite>Maleville</cite>
-zeigt sich in seinem Buche durchaus als ein ehrenwerther und
-verständiger Mann: aber einige Spuren seiner juristischen Gelehrsamkeit
-sind um so entscheidender, da er gerade unter die
-Repräsentanten des Römischen Rechts bey der Redaction des
-Code gehörte. So z. B. giebt er eine kleine Uebersicht der Geschichte
-der Usucapion und der <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">res mancipi</span>, die einzig in ihrer
-Art ist<a name="FNanchor_28_41" id="FNanchor_28_41" href="#Fn_28_41" class="fnanchor">28</a>: so<a name="savigny_63" id="savigny_63" class="f70">[63]</a> lange die Römer nur kleines und nahes Landeigenthum
-hatten, sagt er, waren zwey Jahre zur Verjährung
-hinreichend, als sie aber in den Provinzen, also in großer Entfernung
-von Rom, Land erwarben, wurden zehen Jahre erfodert
-(die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">longi temporis praescriptio</span>). <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Res mancipi</span> hießen die Italischen
-Grundstücke und alle bewegliche Sachen, bey beweglichen Sachen
-gieng durch bloße Tradition Eigenthum über und Usucapion ging
-nur auf <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">res mancipi</span>; bey <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">res nec mancipi</span> aber, d. h. bey Provinzialgrundstücken,
-gab es eine <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">longi temporis praescriptio</span>, wozu
-kein Titel gehörte; der Inhaber derselben hieß <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">dominus bonitarius</span>.
-An einer andern Stelle ist von der <cite>Justinianischen</cite> Usucapion
-die Rede: man müsse unterscheiden zwischen dem Diebe selbst und
-dem dritten, welcher von dem Diebe kaufe, jener brauche 30 Jahre,
-bey diesem komme die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">L. un. C. de usuc. transform.</span> in Anwendung,
-also dreyjährige Verjährung<a name="FNanchor_29_42" id="FNanchor_29_42" href="#Fn_29_42" class="fnanchor">29</a>, ganz als ob von <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">res furtiva</span> bey
-den Römern niemals die Rede gewesen wäre. Ein anderer sehr
-merkwürdiger Fall betrifft <cite>Portalis</cite> und <cite>Maleville</cite> zugleich.
-Bey der Ehescheidung nämlich wird beständig Römisches Recht<a class="pagenum" name="Page_108" id="Page_108">[Pg 108]</a>
-mit zur Sprache gebracht, aber <cite>Portalis</cite> und <cite>Maleville</cite>
-gehen aus von einer Geschichte der Römischen Ehescheidung, welche
-nicht etwa blos falsch,<a name="savigny_64" id="savigny_64" class="f70">[64]</a> sondern ganz unmöglich ist; so z. B.
-glauben beide, die Ehe habe nicht von einem Ehegatten einseitig,
-sondern nur durch Uebereinkunft getrennt werden können, wodurch
-in der That das ganze Recht der Pandekten, ja selbst das
-von <cite>Justinian</cite> über diesen Gegenstand, vollkommen sinnlos wird;
-selbst die Scheidung durch Uebereinkunft sey bey den Römern
-blos eine Folge der irrigen Ansicht, daß die Ehe mit anderen
-Contracten auf gleicher Linie stehe<a name="FNanchor_30_43" id="FNanchor_30_43" href="#Fn_30_43" class="fnanchor">30</a>! Und dieses betraf hier
-nicht etwa eine geschichtliche Curiosität, sondern Grundsätze, welche
-auf die Discussion unmittelbaren Einfluß hatten, wie denn z. B.
-gerade das unverständigste in der ganzen Geschichte der Römischen
-Ehescheidung zum allgemeinen Ekel in den Art. 230 aufgenommen
-ist. Dieser Zustand juristischer Gelehrsamkeit aber ist nicht als
-Hochmuth oder Verstockung auszulegen; bey den Debatten über
-die Rescission des Kaufs führte einem Staatsrath der Zufall die
-Dissertation von <cite>Thomasius</cite> über die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">L. 2. C. de resc. vend.</span> in
-die Hände, und es ist ordentlich rührend zu sehen, mit welchem
-Erstaunen diese Schrift aufgenommen, excerpirt und discutirt
-wird<a name="FNanchor_31_44" id="FNanchor_31_44" href="#Fn_31_44" class="fnanchor">31</a>. Mit ähnlicher und besserer Gelehrsamkeit<a name="savigny_65" id="savigny_65" class="f70">[65]</a> könnten
-wir freilich noch in anderen Materien dienen! auch kann man
-dieser literarischen Unschuld keine nationale Parteylichkeit vorwerfen,
-denn bekanntlich lebten in Frankreich im 16ten Jahrhundert
-einige Leute, von denen man noch jetzt Römisches Recht
-lernen kann. Aber ich selbst habe einen juristischen Professor in
-Paris sagen hören, die Werke des <cite>Cujaz</cite> dürften zwar in einer
-sehr vollständigen Bibliothek nicht fehlen, gebraucht würden sie
-indessen nicht mehr, weil alles gute aus ihnen bey <cite>Pothier</cite> stehe.</p>
-
-<p>So viel von dem Boden, worauf der Code gewachsen ist,
-nun von der Frucht selbst. Materielle Vollständigkeit lag nicht
-im Plane, es kam daher auf folgende drey Stücke an: Auswahl
-der Gegenstände, Auswahl der Bestimmungen über jeden Gegenstand,
-und Verhältniß zu demjenigen, was <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">in subsidium</span> gelten<a class="pagenum" name="Page_109" id="Page_109">[Pg 109]</a>
-sollte, wo der Code nicht zureichen würde. &ndash; Die Auswahl der
-Gegenstände war für den praktisch gebildeten Juristen das leichteste,
-aber gerade diese ist hier so ungeschickt ausgefallen, daß für die
-Anwendung die fühlbarsten Lücken im großen entstehen. Nicht
-Erfahrung und praktischer Sinn hat sie bestimmt, sondern der
-Anstoß, welchen herkömmliche Lehrart gegeben hatte, und geht
-man weiter zurück, so wird man häufig finden, daß wichtige
-Gegenstände blos deswegen fehlen, weil sie auch gar nicht oder
-nur beyläufig in <cite>Justinians</cite> Institutionen vorkommen, die ja
-so vielen neueren Systemen oft unbemerkt<a name="savigny_66" id="savigny_66" class="f70">[66]</a> zum Grunde
-liegen<a name="FNanchor_32_45" id="FNanchor_32_45" href="#Fn_32_45" class="fnanchor">32</a>. Doch dieser Mangel kann uns gleichgültiger seyn, da
-er in jedem künftigen Fall leicht zu vermeiden wäre.</p>
-
-<p>Weit wichtiger in dieser Rücksicht, und weit schwerer an sich,
-ist die Auswahl der Bestimmungen über die wirklich abgehandelten
-Gegenstände, also das Finden der Regel, wodurch künftig die
-Masse des einzelnen regiert werden soll. Hier kam es darauf
-an, selbst im Besitz der leitenden Grundsätze zu seyn, worauf alle
-Sicherheit und Wirksamkeit im Geschäft des Juristen beruht (22),
-und worin die Römer so groß als Muster vor uns stehen. Gerade
-von dieser Seite aber erscheint die Arbeit der Franzosen am
-allertraurigsten, wie nunmehr in einigen Beyspielen gezeigt
-werden soll.</p>
-
-<p>Ein Hauptfehler, der überall fühlbar wird, ist dieser. Die
-Theorie des Vermögensrechts ist im Ganzen die Römische. Bekanntlich
-beruht aber das Römische Vermögensrecht auf zwey
-Grundbegriffen, der dinglichen Rechte nämlich und der Obligationen,
-und jeder weiß, wie viel die Römer mit der Schärfe
-und Bestimmtheit dieser Begriffe ausrichten. Diese Grundbegriffe
-nun sind hier nicht etwa blos nirgends definirt, was ich gar
-nicht tadeln wollte, sondern sie kennen sie gar nicht in dieser
-Allgemeinheit, und diese<a name="savigny_67" id="savigny_67" class="f70">[67]</a> Unkunde verbreitet über das ganze
-Werk mehr Dämmerung, als man glauben sollte. Allein dieser
-Punkt, so wichtig er ist, bleibt doch zu sehr im allgemeinen
-stehen; die Lehre von der Ungültigkeit juristischer Handlungen
-in Anwendung auf die Verträge, auf die <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">actes de l'etat civil</span><a class="pagenum" name="Page_110" id="Page_110">[Pg 110]</a>
-und auf die Ehe, wird Gelegenheit geben, mehr in das besondere
-einzugehen. Für die Ungültigkeit der Verträge hat das Römische
-Recht den bekannten Unterschied von <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ipso jure</span> und <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">per exceptionem</span>,
-der im alten Recht mit der höchsten Bestimmtheit
-ausgebildet war, und noch im <cite>Justinianischen</cite> Recht wohl
-mehr, als man gewöhnlich annimmt, wirksam geblieben ist. Im
-Code kommt ein Gegensatz von <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">convention nulle de plein droit</span>
-und <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">action en nullité ou en rescision</span> vor (<span class="antiqua">a.</span> 1117). Ob die
-Verfasser diesen Gegensatz für einerley mit jenem Römischen gehalten
-haben, kann uns gleichgültig seyn: aber sehr wichtig ist
-es, daß die Theorie dieser indirecten Ungültigkeit (durch <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">action
-en nullité</span>) ganz unbestimmt gelassen ist. Es kommt fast nichts
-davon vor, als die Zeit der Verjährung (<span class="antiqua">a.</span> 1304), während sehr
-viele und sehr wichtige Verschiedenheiten der Wirkung gerade so
-noch jetzt statt finden können, wie sie bey den Römern statt
-fanden, also auf irgend eine Weise bestimmt werden mußten, da
-die Sache einmal angeregt war. &ndash; Für die <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">actes de l'état civil</span>
-ist eine Menge von Förmlichkeiten vorgeschrieben, die ihrer<a name="savigny_68" id="savigny_68" class="f70">[68]</a>
-Natur nach ganz willkührlich sind (<span class="antiqua">L. 1. T. 2. Ch. 1.</span>). Aber
-eben deshalb war es doppelt nöthig zu bestimmen, was für
-Folgen die Vernachlässigung dieser Formen haben sollte. Mehrere
-Gerichtshöfe machten auf diese Nothwendigkeit aufmerksam<a name="FNanchor_33_46" id="FNanchor_33_46" href="#Fn_33_46" class="fnanchor">33</a>,
-dennoch enthält der Code davon gar nichts. Man sollte nun
-denken, in Paris sey man über die Sache selbst so sicher und
-einig gewesen, daß man eine ausdrückliche Bestimmung für überflüssig
-gehalten hätte; keinesweges. <cite>Cambaceres</cite> nimmt an,
-die Nichtbeobachtung jeder Form erzeuge Nullität, d. h. sie vernichte
-alle Beweiskraft der Urkunde. <cite>Tronchet</cite> dagegen meynt,
-bey Geburt und Tod komme auf die Formen gar nichts an,
-und Falsum allein könne entkräften: bey Ehe hingegen, lasse sich
-allerdings eine solche Nullität wegen fehlender Form denken.<a name="FNanchor_34_47" id="FNanchor_34_47" href="#Fn_34_47" class="fnanchor">34</a>
-<cite>Simeon</cite> aber nimmt an, die nichtbeobachtete Form entkräfte
-niemals den Beweis, also auch nicht bey Ehe.<a name="FNanchor_35_48" id="FNanchor_35_48" href="#Fn_35_48" class="fnanchor">35</a> Ist nun diese
-Meynung richtig, so gehörten alle diese Formen gar nicht in<a class="pagenum" name="Page_111" id="Page_111">[Pg 111]</a>
-den Code, sondern in die bloße Instruction der Beamten, die
-Fassung des Code also spricht eigentlich gegen diese Meynung.
-Die Sache ist aber um so schlimmer, da diese Formen bey den
-Todtenlisten wenigstens<a name="savigny_69" id="savigny_69" class="f70">[69]</a> in Paris ganz unausführbar sind,
-und auch in den Provinzen ihre Aufrechthaltung nur gewünscht
-wird.<a name="FNanchor_36_49" id="FNanchor_36_49" href="#Fn_36_49" class="fnanchor">36</a> &ndash; Noch weit wichtiger aber ist die Lehre von der Ungültigkeit
-der Ehe. Das Römische Recht hatte hier einen sehr
-einfachen und sehr klaren Weg eingeschlagen. Fehlte eine Bedingung
-gültiger Ehe, so hieß es: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">non est matrimonium</span>, und
-auf dieses Nichtdaseyn konnte sich zu jeder Zeit jeder berufen,
-der Lust dazu hatte; eine besondere Klage zur Aufhebung war
-nicht nöthig, ja nicht denkbar, also gab es auch keine Verjährung
-noch andere Beschränkung dieses Rechts. Diese Einfachheit genügte,
-weil für jeden andern Fall die einseitige Ehescheidung
-aushalf; daß man in unsern Zeiten damit nicht auskam, war
-natürlich, und man konnte also außer den Fällen jener Nullität
-(welche ich die Römische Nullität nennen will) noch ein besonderes
-Recht auf Anfechtung aufstellen, was man (da es auf das Wort
-nicht ankommt) immerhin <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">action en nullité</span> nennen mochte. Wie
-verhält sich nun dazu der Code? er nimmt zweyerlei Nullitäten
-an, absolute und relative (<span class="antiqua">L. 1. T. 5. Ch. 4.</span>). Dieses möchte man
-wohl gerade für den hier beschriebenen Gegensatz halten, so daß
-z. B. Vernachlässigung der Trauungsform eine Römische Nullität
-wäre. Genau so versteht es auch <cite>Portalis</cite><a name="FNanchor_37_50" id="FNanchor_37_50" href="#Fn_37_50" class="fnanchor">37</a>, der eben für
-diesen speciellen Fall<a name="savigny_70" id="savigny_70" class="f70">[70]</a> die wahre, ächte Nullität mit lebhaften
-Farben ausmahlt. Allein <cite>Maleville</cite> nimmt die Römische
-Nullität (das <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">non est matrimonium</span>) außer allen diesen Anfechtungsrechten
-(<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">mariage qui peut être cassé</span>) und verschieden von
-denselben an, so daß es dreyerley gäbe: 1. <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">non est matrimonium</span>;
-2. absolute Nullität des Code; 3. relative Nullität<a name="FNanchor_38_51" id="FNanchor_38_51" href="#Fn_38_51" class="fnanchor">38</a>. Auch bey
-<span class="antiqua">N.</span> 2 läßt sich wohl etwas denken, nämlich es wäre ein Klagerecht
-auf Vernichtung, was jeder hätte, aber doch ein bloßes
-Klagerecht, so daß ohne alle Klage, und wenn z. B. ein Ehegatte
-gestorben wäre, die Ehe mit allen Folgen gültig bliebe;<a class="pagenum" name="Page_112" id="Page_112">[Pg 112]</a>
-nur wäre das freylich eine überflüssige Subtilität. Aber noch
-verwickelter ist die Ansicht von <cite>Maleville</cite> in dem speciellen
-Fall, wenn die Trauungsform fehlt. Diese Ehe, sagt der Art. 191.
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><i>peut</i> être attaqué</span> von jedermann; aber Art. 193. läßt merken, es
-werde Fälle dieser Art geben, in welchen die Ehe nicht werde
-aufgehoben werden, doch ohne diese Fälle zu nennen. Aus beiden
-Stellen zieht <cite>Maleville</cite> folgendes Resultat<a name="FNanchor_39_52" id="FNanchor_39_52" href="#Fn_39_52" class="fnanchor">39</a>: die Ehe <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">peut
-être attaqué</span>, d. h. man kann auf Aufhebung klagen, das Gesetz
-verwehrt die Klage nicht, aber was der Richter thun will, ist
-seine Sache, oder mit andern Worten, die Aufhebung der Ehe
-hangt von der<a name="savigny_71" id="savigny_71" class="f70">[71]</a> Willkühr des Richters ab. Das wäre folglich
-noch eine vierte Art der Ungültigkeit, verschieden von den
-drey oben angegebenen. Schwerlich giebt es einen Fall, in
-welchem richterliche Willkühr gefährlicher und unpassender ist als
-in diesem. Ob sie gilt, steht freylich dahin, denn das Gesetz sagt
-davon eigentlich nichts, und zwey Redactoren haben darüber, wie
-ich gezeigt habe, ganz entgegen gesetzte Meynungen. Aus zwey
-Gründen aber wird diese Ungewißheit noch besonders hart: erstlich,
-weil sich in Paris (und wahrscheinlich nicht bloß da) die
-meisten Armen der Kosten wegen gar nicht trauen lassen<a name="FNanchor_40_53" id="FNanchor_40_53" href="#Fn_40_53" class="fnanchor">40</a>, zweytens
-weil die Form der Trauung selbst eine höchst schwankende Bedingung
-in sich faßt. Nämlich die Trauung muß nothwendig von
-dem <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">officier du domicile</span> eines der beyden Ehegatten geschehen,
-so daß nicht einmal Delegation zulässig ist<a name="FNanchor_41_54" id="FNanchor_41_54" href="#Fn_41_54" class="fnanchor">41</a>. Aber das <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">domicile</span>
-ist hier nicht das sonst gewöhnliche (Art. 102), sondern ein besonderes,
-für die Trauung allein erfundenes, nämlich Aufenthalt
-von 6 Monaten (Art. 74), so daß man nicht einmal zwischen
-beiden Arten von <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">domicile</span> zu diesem Zwecke die Wahl hat<a name="FNanchor_42_55" id="FNanchor_42_55" href="#Fn_42_55" class="fnanchor">42</a>.
-Wie oft nun muß es bey manchen Gewerben zweifelhaft seyn,
-ob man auch bey dem besten<a name="savigny_72" id="savigny_72" class="f70">[72]</a> Willen den rechten Beamten
-getroffen hat! In jedem Falle dieser Art aber ist das ganze
-Schicksal einer Familie der völlig blinden Willkühr eines Gerichts
-überlassen, welchem bey keiner möglichen Entscheidung ein Vor<a class="pagenum" name="Page_113" id="Page_113">[Pg 113]</a>wurf gemacht werden kann, da jede Entscheidung die angesehensten
-Autoritäten für sich hat. Und der erste Grund dieses heillosen
-Schwankens ist, daß man nicht von einem bestimmten, entscheidenden
-Begriffe ausgegangen ist, sondern sich in steter Verwirrung
-zwischen wahrer Nullität und Anfechtungsrecht hin und her bewegt
-hat, ohne jemals aus der Unklarheit heraus kommen zu
-können<a name="FNanchor_43_56" id="FNanchor_43_56" href="#Fn_43_56" class="fnanchor">43</a>, wodurch die gänzliche Unnützlichkeit der Staatsrathsdiscussionen
-in technischen Dingen recht anschaulich wird. Bey
-den Römern waren solche Dinge gar nicht möglich, und es war
-diese Unmöglichkeit nicht etwa der Gipfel ihrer Kunst, sondern
-der erste Anfang: das heißt, sie waren Männer vom Fach, während
-diese Redactoren und Staatsräthe reden und schreiben wie Dilettanten<a name="savigny_73" id="savigny_73" class="f70">[73]</a>,
-oder mit anderen Worten, jene brauchten kein Gesetzbuch,
-diese sollten keines machen wollen. Noch wird durch
-diesen Fall recht anschaulich, was oben über die Gefährlichkeit
-unnöthiger und unberufener Gesetzgebung gesagt worden ist.
-Eine Verwirrung der Begriffe, wie die hier beschriebene, kann
-viele Jahre da seyn, unbemerkt und unschädlich, weil sich durch
-Gebrauch das alles in ein gewisses leidliches Gleichgewicht gesetzt
-hat. Aber jetzt wird sie gesetzlich ausgesprochen, und wohl
-gar durch Discussionen ohne Erfolg zur allgemeinen Kenntniß
-gebracht, und nun wird sie gefährlich, nun wird sie in der Hand
-des Ungerechten ein Mittel, Andere zu bestricken und zu übervortheilen.
-Dieses wäre eine politische Deutung der Regel:
-<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">omnis definitio in jure civili periculosa est</span>.</p>
-
-<p>Zuletzt ist noch bey dem Code über dasjenige zu sprechen,
-was <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">in subsidium</span> gelten soll, wo er nicht zureicht. Ueber den
-Umfang und die Wichtigkeit desselben haben sich die Franzosen
-nicht getäuscht, sie haben eingesehen, daß eigentlich die aller<a class="pagenum" name="Page_114" id="Page_114">[Pg 114]</a>wenigsten Rechtsfälle unmittelbar durch eine Stelle des Code
-entschieden werden können, daß also fast überall jenes unbekannte
-das wahrhaft entscheidende seyn müsse<a name="FNanchor_44_57" id="FNanchor_44_57" href="#Fn_44_57" class="fnanchor">44</a>. Aber über die Natur
-desselben erklären<a name="savigny_74" id="savigny_74" class="f70">[74]</a> sie sich etwas mannichfaltig, sie behandeln
-es wie eine unbestimmte Größe, welche viele Werthe haben kann.
-Als solche Werthe nämlich kommen vor<a name="FNanchor_45_58" id="FNanchor_45_58" href="#Fn_45_58" class="fnanchor">45</a>: 1. <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">équité naturelle</span>,
-<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">loi naturelle</span>; 2. Römisches Recht; 3. die alten <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">coutumes</span>; 4. <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">usages</span>,
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">exemples</span>, <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">décisions</span>,
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">jurisprudence</span>; 5. <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">droit commun</span><a name="FNanchor_46_59" id="FNanchor_46_59" href="#Fn_46_59" class="fnanchor">46</a>;
-6. <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">principes
-généraux</span>, <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">maximes</span>, <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">doctrine</span>,
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">science</span>. Ueber das Verhältniß dieser
-sehr verschiedenen Werthe zu einander wird gar nichts gesagt,
-außer einmal, daß das Naturrecht nur <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">in subsidium</span> gelte, wenn
-selbst <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"> usage</span> und <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">doctrine</span> nicht ausreiche<a name="FNanchor_47_60" id="FNanchor_47_60" href="#Fn_47_60" class="fnanchor">47</a>. Wir wollen es versuchen,
-bestimmte Resultate hieraus zu ziehen.</p>
-
-<p>Zuvörderst ist es auffallend, daß Eine Art der Ergänzung
-gar nicht vorkommt, die organische nämlich, welche von einem
-gegebenen Punkt (also von einem Grundsatz des Gesetzbuchs) mit
-wissenschaftlicher Sicherheit auf einen nicht gegebenen schließt.
-Unsere Juristen haben davon unter den Namen Analogie<a name="savigny_75" id="savigny_75" class="f70">[75]</a>
-und <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">argumentum legis</span> etwas beschränkte Begriffe, und auch bey
-den Franzosen findet sich einmal beyläufig eine Ahnung davon<a name="FNanchor_48_61" id="FNanchor_48_61" href="#Fn_48_61" class="fnanchor">48</a>.
-Aber daß nicht eigentlich Gebrauch davon gemacht wird, ist wohl<a class="pagenum" name="Page_115" id="Page_115">[Pg 115]</a>
-nicht zufällig. Dieses Verfahren setzt in dem Gesetzbuch selbst
-eine organische Einheit voraus. An eine solche aber ist hier
-auch nicht entfernt zu denken, weder materiell, noch formell.
-Nicht materiell, denn der Code enthält blos mechanisch vermengt
-die Resultate der Revolution und das vorige Recht (S. <a href="#savigny_56">56</a>), ja
-auch das vorige Recht ist in ihm nichts in sich verbundenes, da
-er eine <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">transaction</span> zwischen Römischem Recht und <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">coutumes</span> seyn
-soll, wie öfters von ihm gerühmt worden ist. Formelle Einheit
-würde er seyn, wenn er von den Juristen, seinen Verfassern,
-durch die verarbeitende Kraft des Gedankens zu einem logischen
-Ganzen geworden wäre, aber daß man sich nicht so hoch verstiegen
-hat, wird durch die bisherige Darstellung klar geworden
-seyn. Demnach blieb freylich nichts übrig, als eine Ergänzung
-von außen zu suchen.</p>
-
-<p>Die oben angegebenen Ergänzungsmittel, welche<a name="savigny_76" id="savigny_76" class="f70">[76]</a> bey
-den französischen Schriftstellern selbst vorkommen, lassen sich noch
-sehr reduciren. Das Naturrecht ist wohl mehr zum Staat als
-zu ernstlichem Gebrauch mit aufgeführt; wo von besondern Anwendungen
-die Rede ist, wird keine Notiz davon genommen, und
-nur in Deutschland hat man den Zustand der Französischen
-Richter wegen des freyen Gebrauchs dieser Rechtsquelle glücklich
-gepriesen<a name="FNanchor_49_62" id="FNanchor_49_62" href="#Fn_49_62" class="fnanchor">49</a>; ich wünschte aber wohl gegenwärtig zu seyn, wenn
-ein Französisches Gericht nach dem Naturrecht entscheidet, ob eine
-Ehe wegen unvollkommener Form der Trauung ungültig ist.
-Die übrigen Stücke kommen zurück auf diese zwey: 1. bisheriges
-Recht; 2. wissenschaftliche Theorie. Diese sind nun einzeln zu
-prüfen.</p>
-
-<p>Das bisherige Recht ist bekanntlich nicht blos, wo es dem
-Code widerspricht, sondern in allen Materien, die der Code berührt,
-aufgehoben (Art. 4), also so gut als überall. Indessen
-sind die Franzosen über die Bedeutung dieser Aufhebung mehr
-im klaren, als die Deutschen Juristen, welche aus Haß oder
-Neigung gegen das Römische Recht viel darüber gestritten haben.
-Jene nehmen an, das Römische Recht sowohl als die <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">coutumes</span>
-zu befolgen, sey dem Richter erlaubt, aber es sey ihm nicht ge<a class="pagenum" name="Page_116" id="Page_116">[Pg 116]</a>boten, und zwar habe das den Sinn, daß ein richterliches<a name="savigny_77" id="savigny_77" class="f70">[77]</a>
-Urtheil nicht deswegen cassirt werden könne, weil es diesen
-Rechtsquellen widerspreche<a name="FNanchor_50_63" id="FNanchor_50_63" href="#Fn_50_63" class="fnanchor">50</a>. Dasselbe gilt nun auch vom vormaligen
-Gerichtsgebrauch<a name="FNanchor_51_64" id="FNanchor_51_64" href="#Fn_51_64" class="fnanchor">51</a>, wie denn unzähligemal die alte
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">jurisprudence</span> als Quelle angeführt wird. Ohne Zweifel denkt
-man sich das nicht so, daß jeder Richter in einem Fall, den der
-Code unentschieden läßt, zwischen Römischem Recht und irgend
-einer <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">coutume</span> wählen dürfe, denn sonst wäre die Willkühr zu
-ungeheuer, sondern jeder soll das Recht befolgen, was in dieser
-Gegend vormals galt, d. h. entweder Römisches Recht, durch
-den alten Gerichtsgebrauch modificirt, oder eine specielle <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">coutume</span>
-mit derselben Modification. Die nothwendige Folge davon wird
-wiederum eine große Rechtsverschiedenheit in den Sprengeln der
-einzelnen Appellationsgerichte seyn, und diese Verschiedenheit wird
-jetzt, wo sie in der Stille, gegen die Absicht des Gesetzes, und
-mit Verwirrung der vorigen Gränzen statt finden muß, ein wahres
-Uebel seyn, was sie vormals nicht war. Dabey wird aber schon
-der günstige Fall vorausgesetzt, daß die Gerichte auf diese regelmäßige
-Weise von der Erlaubniß jener entfernten Rechtsquellen
-Gebrauch machen wollen. Aber wer bürgt dafür, da es ihnen
-nicht geboten ist? Wenn also in einem<a name="savigny_78" id="savigny_78" class="f70">[78]</a> Rechtsfall ein Gericht
-vorzieht, irgend eine beliebige <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">équité</span> oder <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">loi naturelle</span> anzuwenden
-aus besonderer Ueberzeugung, oder als Vorwand einer Ungerechtigkeit,
-so kann ihm durchaus kein Vorwurf gemacht werden,
-denn das Gesetz läßt dieses alles gelten. Man sage nicht, das
-Cassationsgericht werde die künftige Praxis in Ordnung, ja sogar
-in Gleichförmigkeit erhalten: das Cassationsgericht soll ja blos
-cassiren, wo gegen ein Gesetz des Code oder ein neueres Gesetz
-gesprochen wird: der Spruch für oder wider <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">loi naturelle</span>, Römisches
-Recht, <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">coutume</span> oder <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">jurisprudence</span> liegt also ganz außer der
-Wirksamkeit jenes Gerichtshofes. Endlich ist auch noch der wichtige
-Umstand zu bemerken, daß in allen aus der Revolution hervorgegangenen
-Stücken des Code das vorige Recht gar keinen Schutz gegen die
-blindeste Willkühr gewährt. Auch dafür mag wiederum das oben gewählte
-Beyspiel von Ungültigkeit der Ehe zur Erläuterung dienen.<a class="pagenum" name="Page_117" id="Page_117">[Pg 117]</a>
-Das zweite, was als Supplement des Code gelten kann,
-ist die wissenschaftliche Theorie. <cite>Portalis</cite> beschreibt diese einmal
-sehr prächtig: sie sey wie das Meer, die Gesetze seyen die
-Ufer<a name="FNanchor_52_65" id="FNanchor_52_65" href="#Fn_52_65" class="fnanchor">52</a>. In Frankreich hat es nun freylich mit diesem Meere
-nicht viel zu bedeuten, denn eine Rechtswissenschaft, die nicht
-auf dem Boden gründlich historischer Kenntniß ruht,<a name="savigny_79" id="savigny_79" class="f70">[79]</a> versieht
-eigentlich nur Schreibersdienst bey dem Gerichtsgebrauch. So
-ist es in Frankreich in der That, und eine von dem Gerichtsgebrauch
-verschiedene Theorie existirt da eigentlich nicht, so daß
-alles, was über die Unsicherheit des praktischen Rechts gesagt
-worden ist, auch die Theorie trifft. Die Lehranstalten allein
-haben ihrer Natur nach eine ganz theoretische Form: von diesen
-wird im folgenden Abschnitt bequemer gesprochen werden können.</p>
-
-<p>Allerdings können einige Umstände eintreten, wodurch der
-Zustand der praktischen Rechtspflege günstiger ausfällt, als hier
-angedeutet worden ist. Durch Unkenntniß und Geistesträgheit
-kann es dahin kommen, daß einzelne Quellen und Schriftsteller
-in vielen Gerichten gleichförmig befolgt werden, so z. B. kann
-man die <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">coutume</span> von Paris mit ihrem Commentator <cite>Ferriere</cite>
-weit und breit bequem finden, auch wo sie sonst nicht gegolten
-hat. Auch mögen in der alten <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">jurisprudence</span> gar manche Sätze
-ziemlich allgemein angenommen gewesen seyn. Vielleicht ist es
-etwas der Art, was man sich unter dem oben genannten <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">droit
-commun</span> (S. <a href="#savigny_74">74</a>) denkt. Ferner muß man nicht glauben, daß
-gerade alle hier genannte Uebel als solche empfunden werden
-müssen; die Römer des vierten und fünften Jahrhunderts nach
-Christus haben auch nicht daran gedacht, daß wir sie wegen ihres
-tiefen Verfalls bedauern würden. Im Ganzen aber ist doch nicht
-zu läugnen,<a name="savigny_80" id="savigny_80" class="f70">[80]</a> daß ein Zustand sehr großer Rechtsungewißheit
-zu befürchten ist. Dieser Zustand nun ist unerträglich; denn ob
-an verschiedenen Orten verschiedenes Recht gilt, daran liegt
-wenig, aber wenn für einen gegebenen einzelnen Fall das Recht
-dem Zufall und der Willkühr preis gegeben ist, so ist das schlimmste
-eingetreten, was für die Rechtspflege gedacht werden kann, und
-dieses Uebel wird gewiß von jedem empfunden.</p>
-
-<p>Es verdient die rühmlichste Anerkennung, daß in Frankreich<a class="pagenum" name="Page_118" id="Page_118">[Pg 118]</a>
-wenigstens Eine wahre und gründliche Stimme über das, was
-man thun wollte, gehört worden ist: aber diese Stimme ist verhallt
-ohne Spur einer Wirkung. Das Tribunal von Montpellier
-spricht über den künftigen Gerichtsgebrauch, wodurch der Code
-ergänzt werden soll, also<a name="FNanchor_53_66" id="FNanchor_53_66" href="#Fn_53_66" class="fnanchor">53</a>: »<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Mais quelle jurisprudence! n'ayant d'autre
-règle que l'arbitraire sur l'immensité d'objets à co-ordonner au
-systême de la législation nouvelle, à quelle unité, à quel concert
-faudrait-il s'attendre de la part d'une pareille jurisprudence, ouvrage
-de tant de juges et de tant de tribunaux, dont l'opinion ébranlée,
-par les secousses révolutionnaires, serait encore si diversement
-modifiée! quelle serait enfin le régulateur de cette jurisprudence
-disparate, qui devrait nécessairement se composer<a name="savigny_81" id="savigny_81" class="f70">[81]</a> de jugemens
-non sujets à cassation, puisqu'ils ne reposeraient pas sur la base
-fixe des lois, mais sur des principes indéterminés d'équité, sur des
-usages vagues, sur des idées logiciennes, et, pour tout dire en un mot,
-sur l'arbitraire! A un systême incomplet de législation, serait donc
-joint pour supplément une jurisprudence défectueuse.</span>« Diesem Uebel
-zu begegnen, heißt es weiter, könne man zwey Wege einschlagen.
-Entweder den Code blos betrachten als Institutionen, und ihm ein
-zweytes, ausführlicheres Werk beygeben, was den Zweck von
-Justinians Pandekten und Codex hätte. Oder man könnte zweytens
-und besser als Regel das bisherige, verschiedene Recht bestehen
-lassen, und blos in einzelnen bestimmten Stücken neues und gleichförmiges
-Recht durch ganz Frankreich einführen, das heißt also,
-kein Gesetzbuch machen. Dieses ist der eigentliche Vorschlag, und
-die ganze Art, wie er ausgeführt und begründet wird, ist so gediegen
-und ächt praktisch, daß man in dieser Umgebung durch
-so frische Gedanken zwiefach erfreut wird.</p>
-
-<p>Ich wende mich nun zum Preußischen Landrecht. Zur Geschichte
-desselben dienen zunächst die officiellen Bekanntmachungen
-über diesen Gegenstand<a name="FNanchor_54_67" id="FNanchor_54_67" href="#Fn_54_67" class="fnanchor">54</a>, dann<a name="savigny_82" id="savigny_82" class="f70">[82]</a> einige Stellen aus <cite>Kleins</cite><a class="pagenum" name="Page_119" id="Page_119">[Pg 119]</a>
-Schriften<a name="FNanchor_55_68" id="FNanchor_55_68" href="#Fn_55_68" class="fnanchor">55</a>, der wichtigste Beytrag aber von <cite>Simon</cite> ist erst
-1811 durch folgende Veranlassung erschienen<a name="FNanchor_56_69" id="FNanchor_56_69" href="#Fn_56_69" class="fnanchor">56</a>. Die Materialien
-der gesammten neuen Gesetzgebung nämlich sind noch größtentheils
-vorhanden; diese zu ordnen und dadurch erst brauchbar zu machen,
-wurde dem eben genannten Rechtsgelehrten übertragen, und dessen
-Bericht über dieses Geschäft giebt eine so gründliche und vollständige
-Geschichte der ganzen Unternehmung, daß dagegen die
-bisherigen Nachrichten fragmentarisch und zum Theil unzuverlässig
-erscheinen. Es ist nicht möglich, in dieser trefflichen Schrift
-zu sehen, wie durch vereinte und stets wiederholte Arbeit der
-eigentlichen Redactoren, der Gesetzcommission, der Landescollegien,
-der ständischen Deputirten, und vieler Gelehrten und Geschäftsmänner
-aus allen Theilen von Deutschland das Landrecht entstanden
-ist, ohne vor<a name="savigny_83" id="savigny_83" class="f70">[83]</a> dem Ernst und der Ausdauer, die darin
-bewiesen worden sind, große Achtung zu empfinden; die Seele
-des Ganzen aber war der geistreiche <cite>Suarez</cite>, durch welchen
-Einheit in der Wirksamkeit so vieler und verschiedener Mitarbeiter
-erhalten wurde. Gleich von dieser Seite wird kein Unbefangener
-den Code mit dem Landrecht vergleichen wollen: nicht blos die
-Gewissenhaftigkeit und Liebe zur Sache, die den besseren Deutschen
-natürlich ist, erklärt diesen Unterschied, sondern auch die ganz
-verschiedene äußere Lage, aus welcher beide Gesetzbücher hervorgiengen:
-der Code sollte schnell fertig seyn, um manches drückende
-Uebel aus der Revolution zu mildern, und um alles auf gleichen
-Fuß zu setzen, während das Landrecht blos mit dem Zweck und
-dem Gefühl, etwas treffliches zu leisten, ohne äußere Noth, die
-dazu drang, bearbeitet wurde. Was ich als einen zweyten großen
-Vorzug des Landrechts betrachte, ist das Verhältniß desselben zu
-den localen Quellen; es sollte blos als subsidiarisches Recht an die
-Stelle des »Römischen, gemeinen Sachsen- und andrer fremden<a class="pagenum" name="Page_120" id="Page_120">[Pg 120]</a>
-subsidiarischen Rechte und Gesetze treten«<a name="FNanchor_57_70" id="FNanchor_57_70" href="#Fn_57_70" class="fnanchor">57</a>, und alle Provincialrechte
-sollten fort bestehen, aber auch binnen drey Jahren zu
-besonderen Gesetzbüchern verarbeitet werden<a name="FNanchor_58_71" id="FNanchor_58_71" href="#Fn_58_71" class="fnanchor">58</a>. Andere<a name="savigny_84" id="savigny_84" class="f70">[84]</a> werden
-dieses Verhältniß vielmehr als eine Unvollkommenheit des Landrechts
-betrachten.</p>
-
-<p>Sehen wir aber auf die innere Entstehung des Landrechts,
-so wird auch dadurch unsre Ansicht bestätigt, nach welcher in
-dieser Zeit kein Gesetzbuch unternommen werden sollte. Der
-Plan, nach welchem gearbeitet wurde, liegt vor Aller Augen.
-Das Justinianische Recht sollte dergestalt Grundlage des Ganzen
-seyn, daß davon nur aus besonderen Gründen abgewichen werden
-sollte. Diese Gründe wurden darin gesetzt, wenn ein Satz des
-Römischen Rechts aus der stoischen Philosophie, oder der besondern
-Verfassung, z. B. der Politik der Kaiser, oder aus den spitzfindigen
-Fictionen und Subtilitäten der alten Juristen entstanden
-wäre<a name="FNanchor_59_72" id="FNanchor_59_72" href="#Fn_59_72" class="fnanchor">59</a>. Dadurch zerfällt das Römische Recht im
-Verhältniß zum Landrecht in zwey Theile, einen anwendbaren
-als Regel, und einen unanwendbaren als Ausnahme, und es
-entstand die doppelte Aufgabe, die Ausnahme gehörig abzusondern,
-und die Regel gründlich zu verstehen. Nämlich was
-in der That auf stoischer Philosophie oder<a name="savigny_85" id="savigny_85" class="f70">[85]</a> besonderer Verfassung
-beruht, und was eine verwerfliche Subtilität ist, kann offenbar
-nur von einer sehr gründlichen Rechtsgeschichte aus erkannt
-werden; dieselbe geschichtliche Kenntniß und zugleich ein lebendiges
-Quellenstudium ist nöthig, wenn das anwendbare recht verstanden
-und zu wirklicher Anwendung ersprieslich verarbeitet werden soll.
-Ob nun die Schulen von <cite>Nettelbladt</cite> und <cite>Darjes</cite>, in welchen
-gewiß die Meisten gebildet worden sind, die auf das Landrecht
-großen Einfluß gehabt haben, im Besitz dieser geschichtlichen Kenntnisse
-und dieses Quellenstudiums waren, überlasse ich jedem aus<a class="pagenum" name="Page_121" id="Page_121">[Pg 121]</a>
-den Schriften dieser Schulen und ihrer Meister zu beurtheilen<a name="FNanchor_60_73" id="FNanchor_60_73" href="#Fn_60_73" class="fnanchor">60</a>.
-Der Anfang des Ganzen sollte ein vollständiger Auszug der
-Justinianischen Rechtsbücher seyn. Dazu war Anfangs an
-<cite>Schlosser</cite> der Antrag gemacht worden, mit welchem man aber
-über die Bedingungen nicht einig werden konnte<a name="FNanchor_61_74" id="FNanchor_61_74" href="#Fn_61_74" class="fnanchor">61</a>. Der Auszug
-selbst wurde nun von <span class="antiqua">D.</span> <cite>Volkmar</cite> nach einem systematischen
-Plane von <cite>Suarez</cite> gemacht; zur Kontrolle der Vollständigkeit
-verfertigte <cite>Volkmar</cite> ein Verzeichniß aller Stellen des <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Corpus
-juris</span> nach Ordnung der Quellen, so daß bey jeder Stelle bemerkt
-wurde, wo sie in jenem Systeme vorkomme,<a name="savigny_86" id="savigny_86" class="f70">[86]</a> oder warum sie
-da fehle. Dieser systematische Auszug wurde dann von <cite>Volkmar</cite>
-und <cite>Pachaly</cite> verarbeitet, welche Verarbeitung als das erste
-Material der eigentlichen Redaktion anzusehen ist<a name="FNanchor_62_75" id="FNanchor_62_75" href="#Fn_62_75" class="fnanchor">62</a>. Dieses
-Material ist allerdings unglaublich oft geprüft und wieder bearbeitet
-worden, und gewiß ist im Landrecht davon sehr wenig
-unmittelbar übrig geblieben. Aber nicht blos hangt in der
-Richtung jedes Geschäfts von großem Umfang ungemein viel von
-dem ersten Anstoß ab, sondern gerade hier konnte gar vieles
-beynahe nur in dieser ersten Grundlage geschehen, und was von
-<cite>Volkmar</cite> gethan und unterlassen worden ist, muß wohl für
-alle nachfolgende Arbeiten sehr bestimmend gewesen seyn. Sollte
-dieser überwiegende Einfluß vermieden werden, so hätte ein
-Anderer, unabhängig von <cite>Volkmars</cite> Arbeit, und unmittelbar
-aus den Quellen selbst, das erste Material nochmals aufstellen
-müssen, und darin allein hätte eine durchgreifende Probe für
-<cite>Volkmars</cite> Arbeit, was die Kenntniß und den Gebrauch der
-Quellen betrifft, bestehen können. Dieses ist nicht geschehen,
-alle folgende Revisionen sind wahrscheinlich hierauf am wenigsten
-gerichtet gewesen, und so steht <cite>Volkmars</cite> Arbeit sehr allein,
-obgleich man ihn blos als Sammler betrachtet, auch nicht vorzüglich
-geschätzt<a name="savigny_87" id="savigny_87" class="f70">[87]</a> zu haben scheint<a name="FNanchor_63_76" id="FNanchor_63_76" href="#Fn_63_76" class="fnanchor">63</a>. Gerade für diese Stelle<a class="pagenum" name="Page_122" id="Page_122">[Pg 122]</a>
-wäre ein Mann von Geist und Gelehrsamkeit sehr wünschenswerth
-gewesen, und es wäre interessant, wenn man wenigstens
-nach einzelnen Proben vergleichen könnte, wie <cite>Schlosser</cite> die
-Aufgabe gelöst haben würde. Vielleicht lag aber in dem Mechanismus
-des ganzen Geschäfts ein Grund, warum dieser Auftrag
-für einen Mann von Bedeutung und Selbstständigkeit nicht passend
-gewesen wäre.</p>
-
-<p>Sieht man auf das Resultat, wie es vor uns liegt, so ist
-ein bestimmtes Urtheil schwerer als bey dem Code, weil die Verhandlungen,
-woraus dieses Resultat hervorgegangen ist, nicht
-bekannt gemacht sind. Auch scheint es, daß der Plan des Werks,
-so wie der ganzen Rechtspflege, die darauf gegründet werden
-sollte, nicht immer derselbe gewesen ist. Ursprünglich hatte unläugbar
-Friedrich II. die Absicht, daß das Gesetzbuch höchst einfach,
-populär und zugleich materiell vollständig seyn sollte, so daß das
-Geschäft des Richters in einer Art mechanischer Anwendung<a name="savigny_88" id="savigny_88" class="f70">[88]</a>
-bestehen könnte<a name="FNanchor_64_77" id="FNanchor_64_77" href="#Fn_64_77" class="fnanchor">64</a>. Diesem gemäß verbot er schlechthin alle Interpretation,
-und wollte, daß bey unzulänglichen oder zweifelhaften
-Gesetzen, in jedem einzelnen Fall bey der gesetzgebenden Gewalt
-angefragt würde<a name="FNanchor_65_78" id="FNanchor_65_78" href="#Fn_65_78" class="fnanchor">65</a>. Auch noch im Entwurf des Gesetzbuchs ist
-die Interpretation dem Richter eigentlich ganz untersagt, und
-alles an die Gesetzcommission auch für einzelne Fälle gewiesen<a name="FNanchor_66_79" id="FNanchor_66_79" href="#Fn_66_79" class="fnanchor">66</a>.
-Ganz anders nach dem Landrechte; dieses will, daß der Richter
-auch auf den Grund des Gesetzes sehe, vorzüglich aber, daß er
-jeden Fall, für welchen er kein Gesetz findet, nach den allgemeinen<a class="pagenum" name="Page_123" id="Page_123">[Pg 123]</a>
-Grundsätzen des Gesetzbuchs und nach den Gesetzen ähnlicher
-Fälle entscheide<a name="FNanchor_67_80" id="FNanchor_67_80" href="#Fn_67_80" class="fnanchor">67</a>; die Anfrage bey der Gesetzcommission war
-schon dadurch äußerst beschränkt und selbst wo sie statt fand, war
-doch nur der anfragende Richter an den Ausspruch gebunden,
-und es galten Rechtsmittel<a name="savigny_89" id="savigny_89" class="f70">[89]</a> gegen das Urtheil<a name="FNanchor_68_81" id="FNanchor_68_81" href="#Fn_68_81" class="fnanchor">68</a>. In der
-neuesten Ausgabe des Landrechts aber ist auch diese beschränkte
-Anfrage aufgehoben, und die Interpretation des Richters für
-jede Art von Fällen gestattet<a name="FNanchor_69_82" id="FNanchor_69_82" href="#Fn_69_82" class="fnanchor">69</a>. Dadurch ist denn allerdings die
-ganze Lage des Richters anders, als Friedrich II. sie gedacht zu
-haben scheint, und dem ganzen Richteramte wird dadurch ein
-mehr wissenschaftlicher und weniger mechanischer Character zuerkannt.
-Dennoch ist dieses nur eine einzelne Abweichung von
-der Regel, es soll offenbar nur von den als selten gedachten
-Ausnahmen gelten, in welchen ein unmittelbar bestimmendes
-Gesetz fehlen würde, ja ein Fall dieser Art soll, sobald er vorkommt,
-angezeigt und durch ein neues Gesetz entschieden werden<a name="FNanchor_70_83" id="FNanchor_70_83" href="#Fn_70_83" class="fnanchor">70</a>.
-Die eigentliche Tendenz des bestehenden Gesetzes selbst also geht
-auch jetzt noch darauf, daß die einzelnen Rechtsfälle als solche
-vollständig aufgezählt, und einzeln entschieden werden. Und
-gerade darin ist die Methode des Landrechts der oben beschriebenen,
-welche wir in den übrig gebliebenen Schriften der Römischen
-Juristen finden, entgegen gesetzt; nicht zum Vortheil des
-Landrechts, wie es mir scheint.<a name="savigny_90" id="savigny_90" class="f70">[90]</a> Bey den Römern beruht alles
-darauf, daß der Jurist durch den lebendigen Besitz des Rechtssystems
-in den Stand gesetzt wird, für jeden gegebenen Fall das
-Recht zu finden. Dazu führt die scharfe, individuelle Anschauung
-der einzelnen Rechtsverhältnisse, so wie die sichere Kenntniß
-der leitenden Grundsätze, ihres Zusammenhangs und ihrer Unterordnung,
-und wo wir bey ihnen Rechtsfälle in der bedingtesten
-Anwendung finden, dienen sie doch stets als verkörperter Ausdruck
-jenes allgemeinen. Diesen Unterschied wird mir jeder zugeben,
-der das Landrecht unbefangen mit den Pandekten vergleicht, und
-eine solche Vergleichung ist hier gewiß zulässig, da ja nicht von<a class="pagenum" name="Page_124" id="Page_124">[Pg 124]</a>
-eigenthümlicher Römischer Verfassung, sondern von allgemeiner
-Methode die Rede ist. Was insbesondere die scharfe, individuelle
-Auffassung der Begriffe betrifft, so ist der nicht seltene Mangel
-derselben im Landrecht weniger auffallend und fühlbar, weil eben
-die materielle Vollständigkeit des Details ihrer Natur nach dahin
-strebt, diese Lücke auszufüllen. Was aber die praktischen Regeln
-selbst, als den eigentlichen Zweck jedes Gesetzbuchs anlangt, so
-ist die Folge des hier beschriebenen Characters, daß die meisten
-Bestimmungen des Landrechts weder die Höhe allgemeiner,
-leitender Grundsätze, noch die Anschaulichkeit des individuellen
-erreichen, sondern zwischen beiden Endpunkten in der Mitte
-schweben, während die Römer beide in ihrer naturgemäßen Verknüpfung<a name="savigny_91" id="savigny_91" class="f70">[91]</a>
-besitzen. Es darf aber auch nicht übersehen werden,
-daß eine große, vielleicht unübersteigliche Schwierigkeit in der
-gegenwärtigen Stufe der deutschen Sprache lag, welche überhaupt
-nicht juristisch, und am wenigsten für Gesetzgebung, ausgebildet
-ist; wie sehr dadurch die lebendige Darstellung individueller
-Rechtsverhältnisse erschwert, ja unmöglich gemacht wird, kann
-jeder finden, der irgend einen eigenen Versuch der Art, z. B.
-eine Uebersetzung aus den Pandekten, unternehmen will. Ja
-hierin hatten sogar die Franzosen in der größeren Bestimmtheit
-der Formen und in der lateinischen Abstammung ihrer Sprache
-vor uns einen großen Vorzug: daß sie ihn nicht besser benutzt
-haben, erklärt sich aus dem oben dargestellten traurigen Zustand
-ihrer Sachkenntniß. &ndash; Man würde diese Bemerkungen sehr misverstehen,
-wenn man sie so deuten wollte, als ob die Verfasser
-des Landrechts gegen das künftige wissenschaftliche Studium
-desselben gleichgültig gewesen wären, was gar nicht meine
-Meynung ist. Sehr merkwürdig ist in dieser Rücksicht die bekannte
-Preisaufgabe von 1788<a name="FNanchor_71_84" id="FNanchor_71_84" href="#Fn_71_84" class="fnanchor">71</a>, welche ein Lehrbuch in zwey
-Theilen forderte, deren erster ein aus dem Gesetzbuch selbst abstrahirtes
-Naturrecht, der zweite einen Auszug des positiven
-Rechts selbst enthalten sollte. Man hat diese Ansicht des<a name="savigny_92" id="savigny_92" class="f70">[92]</a>
-Naturrechts mitunter sehr vornehm angelassen und ihr damit
-Unrecht gethan; offenbar sollte unter diesem Namen dasjenige<a class="pagenum" name="Page_125" id="Page_125">[Pg 125]</a>
-dargestellt werden, was der Gesetzgeber selbst in seinen Gesetzen
-für allgemein und nicht für positiv ansehe, eine interessante
-historische Aufgabe, der des Römischen jus gentium ganz ähnlich.
-Also gering geschätzt hatte man die wissenschaftliche Kenntniß
-des praktischen Rechts keinesweges, vielmehr erkennt das Landrecht
-in seiner neuesten Gestalt das dringende Bedürfniß dieser
-wissenschaftlichen Kenntniß an: aber es ist unverkennbar, daß
-ein innerer Widerstreit zwischen dieser Anerkennung und der
-Construction des Werkes selbst obwaltet, indem diese Construction
-selbst nach der ursprünglichen Idee von Friedrich II. hinneigt,
-woraus sie ja auch hervorgegangen ist.</p>
-
-<p>Jede Regierung ist zu tadeln, welche die Einsichten ihres
-Zeitalters nicht kennt oder verschmäht. Von dieser Seite aber
-ist die Preussische Gesetzgebung gewiß keinem Vorwurf ausgesetzt.
-Die Stimme nicht blos der eigenen Geschäftsmänner, sondern
-aller Deutschen Gelehrten<a name="FNanchor_72_85" id="FNanchor_72_85" href="#Fn_72_85" class="fnanchor">72</a>, ist aufgerufen und gehört worden,
-und jeder unbefangene Beobachter wird einräumen, daß, was
-gethan und unterlassen worden ist, dem Sinn und der Einsicht
-des Zeitalters vollkommen<a name="savigny_93" id="savigny_93" class="f70">[93]</a> entsprach. Selbst die bedeutendste
-Stimme, welche sich gleichzeitig dagegen erhoben hat<a name="FNanchor_73_86" id="FNanchor_73_86" href="#Fn_73_86" class="fnanchor">73</a>, beweist
-mehr für als wider diese Behauptung. Ich verkenne nicht, wie
-viel treffliches in <cite>Schlossers</cite> Ansichten und Urtheilen enthalten
-ist, allein das beste darin betrifft den allgemeinen politischen
-Character unsrer Zeiten, und mit den eigenthümlichen Bedürfnissen
-des bürgerlichen Rechts war er selbst keineswegs im reinen.
-Dieses erhellt theils aus der von ihm entworfenen Einleitung
-eines Gesetzbuchs<a name="FNanchor_74_87" id="FNanchor_74_87" href="#Fn_74_87" class="fnanchor">74</a>, theils und noch weit mehr aus seinem Plan,
-das <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">corpus juris</span> auf ein <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">caput mortuum</span> eigentlicher Gesetze von
-weniger als zehn Bogen zu reduciren<a name="FNanchor_75_88" id="FNanchor_75_88" href="#Fn_75_88" class="fnanchor">75</a>. Daß es ihm an Sinn<a class="pagenum" name="Page_126" id="Page_126">[Pg 126]</a>
-für das rechte nicht fehlte, zeigt sein geistreicher und durchaus
-vortrefflicher Aufsatz über das Studium des reinen Römischen
-Rechts<a name="FNanchor_76_89" id="FNanchor_76_89" href="#Fn_76_89" class="fnanchor">76</a>.</p>
-
-<p>Ein vollständiges Urtheil über das technische des Landrechts
-würde erst dann möglich seyn, wenn die oben erwähnten Materialien
-verarbeitet und zur allgemeinen<a name="savigny_94" id="savigny_94" class="f70">[94]</a> Kenntniß gebracht würden.
-Alles, was für Erhaltung und Verbreitung wichtiger geschichtlicher
-Quellen geschieht, verdient ehrenvolle Anerkennung; so die
-Organisation jener Materialien, welche von dem Chef der
-Preussischen Justiz, dem Herrn Justizminister <cite>von Kircheisen</cite>,
-verfügt und dann aufs trefflichste ausgeführt worden ist. Allein
-noch ist zu hoffen, daß dasselbe liberale Interesse an der innern
-Geschichte des Landrechts auch die Bekanntmachung eines zweckmäßigen
-Auszugs aus denselben veranlassen wird. Zu befürchten
-ist dabey gewiß nichts, denn was mit solchem Ernst gethan
-worden ist, kann sehr ruhig jedem Urtheil entgegen sehen. Daß
-auf diesem Wege, selbst von dem zugegebenen Gesichtspunkte des
-Ganzen aus, manches einzelne als unhaltbar erkannt werden
-könnte, ist wahr, aber dieses würde offenbar ein sehr glücklicher
-Erfolg seyn, denn jeder Gesetzgebung ist ein solches Mittel zu
-wünschen, wodurch sie von innen heraus gereinigt werden kann.
-Diese Materialien müssen ungleich lehrreicher seyn als die gedruckten
-über den Code, denn diese betreffen doch meist nur den
-Uebergang vom <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">projet</span> zum Code, über die Entstehung des <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">projet</span>
-selbst, was bey weitem die Hauptsache ist, geben sie keine Aufschlüsse,
-man müßte denn die leere Declamation der meisten
-Reden für solche Aufschlüsse halten wollen; jene Materialien
-dagegen würden bis auf die erste Entstehung der Gedanken
-zurück führen können. Ein<a name="savigny_95" id="savigny_95" class="f70">[95]</a> besonderer Vortheil aber würde
-darin bestehen, daß das Landrecht dadurch ein geschichtliches und
-literarisches Leben erhalten würde, welches ihm bis jetzt ganz
-fehlt. Damit, daß es von einseitigen Gegnern ungerecht leiden
-könnte, hat es keine Noth, denn unter den geistreichen und gebildeten
-Männern, auf deren Anzahl die Preußische Justiz stolz
-seyn darf, würden sich gewiß Mehrere finden, die ein solches
-Unrecht abzuwehren vermöchten.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_127" id="Page_127">[Pg 127]</a></p>
-
-<p>Die Geschichte des Oesterreichischen Gesetzbuchs<a name="FNanchor_77_90" id="FNanchor_77_90" href="#Fn_77_90" class="fnanchor">77</a> hat mit
-der des Preussischen Landrechts die Aehnlichkeit, daß zu beiden
-der erste Anstoß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gegeben
-worden ist<a name="FNanchor_78_91" id="FNanchor_78_91" href="#Fn_78_91" class="fnanchor">78</a>, so daß eben derselbe Zustand der Deutschen juristischen
-Literatur auf beyde einwirken konnte. Die Grundlage war eine
-handschriftliche Arbeit von acht starken Folianten, größtentheils
-aus den Commentatoren des Römischen Rechts gezogen, und
-schon im Jahre 1767 vollendet. Hieraus machte <cite>Horten</cite> einen
-Auszug, welcher von <cite>Martini</cite> zu einem Gesetzbuche verarbeitet
-wurde; diese Arbeit von <cite>Martini</cite> wurde dann öffentlich bekannt
-gemacht, und von den<a name="savigny_96" id="savigny_96" class="f70">[96]</a> Oesterreichischen Landescollegien und
-Universitäten geprüft und beurtheilt<a name="FNanchor_79_92" id="FNanchor_79_92" href="#Fn_79_92" class="fnanchor">79</a>, aus welcher Revision
-endlich das gegenwärtige Gesetzbuch entstanden ist. Die Mitwirkung
-der Rechtsgelehrten des übrigen Deutschlands scheint
-sehr unbedeutend gewesen zu seyn, ja man scheint sie nicht für
-sehr wünschenswerth gehalten zu haben, theils wegen des schlechten
-Erfolgs einer Preisaufgabe über den Wucher, theils weil das
-Preussische Landrecht schon solche Beyträge erhalten hatte, die
-also in ihm zugleich mit benutzt werden konnten, deshalb sind
-nicht so, wie im Preussischen, für die Beurtheilung öffentlich
-Preise ausgesetzt worden<a name="FNanchor_80_93" id="FNanchor_80_93" href="#Fn_80_93" class="fnanchor">80</a>. Daß man keine Preise aussetzte,
-konnte sehr gute Gründe haben, aber auch ohne Preise waren
-Gutachten und Urtheile leicht zu erlangen, nur war freylich bey
-dem sehr geringen literarischen Verkehr des übrigen Deutschlands
-mit Oesterreich der bloße Abdruck des Entwurfs nicht hinreichend;
-ein Circular an alle Deutsche Universitäten wäre gewiß nicht
-ohne Erfolg geblieben. So ist diese Unternehmung, die ihrer
-Natur nach nur auf den wissenschaftlichen Zustand der ganzen
-Nation gegründet werden konnte, als ein gewöhnliches Geschäft
-des einzelnen Landes<a name="savigny_97" id="savigny_97" class="f70">[97]</a> vollführt worden, und jede Absonderung
-dieser Art ist für den Erfolg, wenn gleich nicht entscheidend,
-doch immer sehr gefährlich.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_128" id="Page_128">[Pg 128]</a></p>
-
-<p>Was den Stoff betrifft, so könnte man nach den Vorschriften
-der Kaiserin Maria Theresia eine größere Originalität als im
-Preussischen Rechte erwarten, da die Verfasser sich nicht an das
-Römische Recht binden, sondern überall die natürliche Billigkeit
-walten lassen sollten<a name="FNanchor_81_94" id="FNanchor_81_94" href="#Fn_81_94" class="fnanchor">81</a>. Allein was über die Entstehung der
-ersten Grundlage aus den Commentatoren gesagt worden ist, so
-wie die Betrachtung des Gesetzbuchs selbst, zeigt, daß dennoch
-aus derselben Quelle, nur noch weniger rein und unmittelbar,
-als bey dem Landrecht geschöpft worden ist. In der Behandlung
-zeigt sich sogleich der Hauptunterschied, daß man im Oesterreichischen
-Gesetzbuch nicht so, wie im Preussischen, die Rechtsfälle
-selbst zu erschöpfen, sondern nur die Begriffe der Rechtsverhältnisse
-und die allgemeinsten Regeln für dieselben aufzustellen gesucht
-hat<a name="FNanchor_82_95" id="FNanchor_82_95" href="#Fn_82_95" class="fnanchor">82</a>. In der ganzen Form und Anlage ist das Werk einem
-etwas ausführlichen Institutionencompendium sehr ähnlich. Die
-Ausführung soll nun theils für die Begriffe (das formelle oder
-theoretische), theils für die praktischen Regeln besonders geprüft
-werden.</p>
-
-<p><a name="savigny_98" id="savigny_98" class="f70">[98]</a> Daß die Begriffe der Rechtsverhältnisse bey einem Werk
-von diesem Plan und Umfang vorzugsweise wichtig seyn müssen,
-leuchtet von selbst ein; im Preussischen Landrecht treten sie wegen
-des Reichthums an praktischen Regeln mehr zurück, und ihre
-fehlerhafte Behandlung ist weniger nachtheilig. Und gerade von
-dieser Seite ist gar vieles gegen das Oesterreichische Gesetzbuch
-einzuwenden. Die Begriffe der Rechte nämlich sind theils zu
-allgemein und unbestimmt, theils zu sehr auf den bloßen Buchstaben
-des Römischen Rechts, oder auch auf das Misverständniß
-neuerer Commentatoren desselben gegründet, was bey gründlicher
-Quellenkenntniß nicht möglich gewesen wäre. Beiderley Fehler
-hat das Gesetzbuch nicht blos mit dem Landrecht gemein (welchem
-sie, wie schon bemerkt ist, weniger schaden), sondern noch vor
-demselben voraus, wie nunmehr in einigen Beyspielen gezeigt
-werden soll. Von der Construction der Begriffe selbst aber ist
-hier die Rede, nicht von Definitionen, denen als bloßen Symptomen<a class="pagenum" name="Page_129" id="Page_129">[Pg 129]</a>
-jener Construction nur ein bedingter und untergeordneter Werth
-zugeschrieben werden muß, und welche nur in dieser Beziehung
-und nicht um ihrer selbst willen, Gegenstand der folgenden Beurtheilung
-seyn werden. &ndash; Zuvörderst ist schon oben (S. <a href="#savigny_66">66</a>)
-bey dem Code bemerkt worden, wie wichtig und überall eingreifend
-im Römischen Rechte die höchst bestimmten Begriffe von dinglichen
-Rechten und Obligationen sind. Dasselbe<a name="savigny_99" id="savigny_99" class="f70">[99]</a> gilt vom
-Begriff des <span class="antiqua">Status</span>. Hier nun liegt die Unterscheidung von
-Personenrechten und Sachenrechten zum Grunde (§. 14. 15), die
-aber weder auf Römische, noch auf irgend eine andere Weise
-bestimmt gedacht sind. Das Landrecht (I. 2. §. 122-130) ist
-darin genauer. &ndash; Der Begriff der Sache (§. 285 vgl. §. 303)
-wird in solcher Allgemeinheit genommen, daß kaum etwas ist,
-was nicht Sache heißen könnte: Künste, Wissenschaften, Fertigkeiten,
-Begriffe sind insgesammt Sachen in diesem allgemeinen
-Sinne. Nun werden aber unmittelbar auf den Begriff der Sache
-zwey der allerwichtigsten Rechtsbegriffe gegründet: Besitz (§. 309)
-und Eigenthum (§. 353. 354). Allein es ist einleuchtend, daß
-eben dadurch diese Begriffe durchaus gestaltlos und unbrauchbar
-werden; so müßten wir z. B. nach §. 309 einem Gelehrten den
-juristischen Besitz seiner Wissenschaft zuschreiben, denn er hat sie
-in seiner Macht, und er hat den Willen, sie zu behalten. Unvermerkt
-wird deshalb in der Behandlung dieser Lehren ein
-engerer, nirgends bestimmter Begriff von Sache untergelegt, allein
-auch dieser stillschweigend eingeführte Begriff ist nicht zulänglich,
-denn nach ihm müßte es doch noch z. B. an einer Forderung
-(<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">obligatio</span>) Besitz und Eigenthum geben, was zwar uneigentlich
-gesagt werden kann, wozu aber die ganze Theorie von Besitz
-und Eigenthum gar nicht paßt. Das Landrecht (I. 2. § 3) hilft
-hier durch einen besonders<a name="savigny_100" id="savigny_100" class="f70">[100]</a> aufgestellten engeren Begriff der
-Sachen, worauf sich nachher die Rechtsverhältnisse beziehen. Ein
-noch allgemeinerer Nachtheil jenes unbrauchbaren Begriffs der
-Sache zeigt sich schon bey der Eintheilung der Sachenrechte in
-dingliche und persönliche (§. 307): zu den dinglichen werden die
-bekannten fünf Arten gerechnet, Besitz, Eigenthum, Pfand, Dienstbarkeit
-und Erbrecht (§. 308), deren Zusammenstellung allein schon
-hinreicht, jeden bestimmten Gattungsbegriff ganz unmöglich zu<a class="pagenum" name="Page_130" id="Page_130">[Pg 130]</a>
-machen. &ndash; Die Objecte der Ersitzung werden so allgemein angegeben
-(§. 1455), daß man viele Rechte, z. B. Forderungen,
-darunter rechnen müßte, auf welche doch diese Art des Erwerbs
-nur auf sehr gezwungene und überflüssige Weise angewendet
-werden könnte, eine Anwendung, die wahrscheinlich gar nicht
-einmal gemeynt ist. Das Landrecht (I. 9) verhütet diesen Zweifel
-dadurch, daß es die ganze Lehre unter den Erwerbungen des
-Eigenthums abhandelt. &ndash; Unter den persönlichen Servituten
-werden das Recht des Gebrauchs und das der Fruchtnießung
-dadurch unterschieden, daß jenes auf das bloße Bedürfniß des
-Berechtigten beschränkt seyn soll, dieses aber nicht (§. 504. 509).
-Der praktische Sinn davon ist dieser, daß Verträge und Testamente,
-wenn sie von einem Recht des Gebrauchs reden, von
-einem solchen auf das Bedürfniß beschränkten Nutzungsrecht ausgelegt
-werden sollen. Allein diese Interpretation ist gewiß nicht
-natürlich,<a name="savigny_101" id="savigny_101" class="f70">[101]</a> da es gar nicht gewöhnlich ist, gerade dieses mit
-dem Worte Gebrauch zu bezeichnen. Wie dieser Begriff entstanden
-ist, kann nicht zweifelhaft seyn; es ist der <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span>, im Gegensatz
-des <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ususfructus</span>, aber nicht der <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span> der Römischen Juristen
-selbst, sondern der, welcher in unsern Compendien bis auf die
-neuesten Zeiten fälschlich angenommen war. Die Römer verstehen
-unter <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span> den Gebrauch ohne allen Fruchtgenuß, z. B.
-bey einem Pferde das Reiten und Fahren, aber nicht die Füllen
-und das Miethgeld. Nur wenn aus Versehen ein <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span> an einer
-solchen Sache gegeben ist, an welcher ganz oder zum Theil dieser
-reine Gebrauch unmöglich ist, interpretiren sie ausnahmsweise
-den <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span> wie vollen oder theilweisen <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ususfructus</span>, indem sie nothgedrungen
-annehmen, daß man sich schlecht ausgedrückt habe,
-weshalb durch Interpretation nachgeholfen werden müsse. Das
-eigenthümliche Daseyn dieses <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span> beruht auf Römischem Sprachgebrauch,
-und da wir kein Wort von entsprechender Bestimmtheit
-haben, so schlägt das Landrecht den richtigern Weg ein, den <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span>
-ganz zu ignoriren, und außer dem Nießbrauch zuerst im allgemeinen
-zu bemerken, daß man auch nach Belieben eingeschränkte
-Nutzungsrechte geben könne (I. 21. §. 227), dann aber solche Fälle
-dieser Art abzuhandeln, die noch bey uns gewöhnlich sind. &ndash;
-Den Unterschied des Vormundes vom Curator (§. 188) möchte<a class="pagenum" name="Page_131" id="Page_131">[Pg 131]</a>
-man auf den ersten Blick darin<a name="savigny_102" id="savigny_102" class="f70">[102]</a> setzen, daß jener auf
-Minderjährige, dieser auf alle übrige Hülfsbedürftige bezogen
-würde. Diese Terminologie wäre zwar neu und dem Gesetzbuch
-eigen, doch tadellos. So ist es aber nicht, denn auch Minderjährige
-erhalten sehr oft einen Curator, und nicht einen Vormund
-(§. 270-272). Unverkennbar ist dieses aus dem Römischen
-Rechte beybehalten, das ja auch häufig dem Pupillen einen blosen
-Curator giebt: nur daß hier überhaupt an die Stelle der Pupillen
-mit Recht alle Minderjährige getreten sind. Allein das Römische
-Recht hat zu dieser scharfen Unterscheidung der Tutel und Curatel
-einen besonderen Grund. Der Tutor nämlich ist ihm diejenige
-Person, durch deren <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">auctoritas</span> der sonst zum Handeln unfähige
-Pupill ergänzt werden kann, während jeder Curator nichts als
-gemeiner Verwalter fremder Rechte ist. Das also ist das eigenthümliche
-und wichtige des Römischen Tutors, daß mit seiner
-Hülfe für den Pupillen Mancipationen, Stipulationen, Vindicationen
-u. s. w. möglich sind, welche Handlungen durch freye
-Stellvertreter, also auch durch Curatoren, gar nicht vorgenommen
-werden können. Der Schlüssel der ganzen Tutel also, insofern
-sie etwas eigenthümliches, von der Curatel verschiedenes war,
-lag in der Regel: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">per extraneam personam nihil adquiri (neque
-alienari) potest</span><a name="FNanchor_83_96" id="FNanchor_83_96" href="#Fn_83_96" class="fnanchor">83</a>; diese Regel wurde<a name="savigny_103" id="savigny_103" class="f70">[103]</a> zwar später auf civile
-Handlungen beschränkt<a name="FNanchor_84_97" id="FNanchor_84_97" href="#Fn_84_97" class="fnanchor">84</a>, aber bey diesen erhielt sie sich noch in
-<cite>Justinians</cite> Zeit, wie die angeführten Stellen seiner Rechtsbücher
-beweisen. Wir dagegen in unserm praktischen Rechte,
-haben davon keine Spur mehr, also auch keinen Grund, zwischen
-Tutor und Curator die Römische Gränze zu behalten, die für
-uns ihren Sinn verloren hat. Das Gesetzbuch sucht nun gleich
-bey der ersten Einführung des Vormundes (§. 188) die Fälle
-auszuschließen, in welchen der Pfleger eines Minderjährigen blos
-Curator heißt; dieses geschieht durch die Bestimmung: »Ein Vormund
-hat <em>vorzüglich für die Person</em> des Minderjährigen zu
-sorgen, zugleich aber dessen Vermögen zu verwalten.« In der
-vorzugsweisen Beziehung auf die Person also (obgleich nach §. 282
-dieselbe Beziehung auch bey Curatoren statt finden kann) läge<a class="pagenum" name="Page_132" id="Page_132">[Pg 132]</a>
-das unterscheidende des Vormundes. Dieses ist nun unverkennbar
-die Römische Regel: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">personae, non rei vel causae (tutor) datur</span><a name="FNanchor_85_98" id="FNanchor_85_98" href="#Fn_85_98" class="fnanchor">85</a>,
-die in unsern neueren Compendien ganz auf dieselbe Weise wie
-in dem Gesetzbuch modificirt worden ist, weil man sich doch nicht
-verbergen konnte, daß der Tutor allerdings auch mit dem Vermögen
-einiges Geschäft habe<a name="FNanchor_86_99" id="FNanchor_86_99" href="#Fn_86_99" class="fnanchor">86</a>.<a name="savigny_104" id="savigny_104" class="f70">[104]</a> Ganz consequent wird daher
-dem Vormund das Recht und die Verbindlichkeit der Erziehung
-»gleich dem Vater« übertragen (§. 216), wobey er nur
-in wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten an die Genehmigung
-des Gerichts gebunden ist. Allein der Sinn jener Römischen
-Regel ist ein ganz anderer: die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">persona</span>, von welcher darin gesprochen
-wird, ist die juristische Persönlichkeit des Pupillen, die
-Fähigkeit desselben zu förmlichen Handlungen. Diese Fähigkeit
-für alle Anwendungen zu ergänzen (will die Stelle sagen) ist der
-Hauptberuf des Tutors, darum muß sich sein Amt allgemein auf
-alle Theile des Vermögens erstrecken, und kann nicht auf einzelne
-Rechtsverhältnisse des Pupillen beschränkt werden. Darum hat
-denn auch der Römische Tutor mit der Erziehung des Pupillen
-durchaus gar nichts zu schaffen, sondern über diese verfügt der
-Prätor ganz frey nach den Umständen, wobei zufällig seine Wahl
-auf den Tutor wie auf jeden Andern fallen kann<a name="FNanchor_87_100" id="FNanchor_87_100" href="#Fn_87_100" class="fnanchor">87</a>. Man wird
-dagegen einwenden, eben diesen Satz des Römischen Rechts habe
-man aus guten Gründen abändern wollen. Wohl: aber der
-übrige Zusammenhang macht dabey eine nicht geringe Schwierigkeit.
-Denn das Gesetzbuch hat aus dem Römischen Rechte das
-strenge Recht der nächsten Verwandten auf <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">tutela legitima</span> angenommen
-(§.<a name="savigny_105" id="savigny_105" class="f70">[105]</a> 198), und diese allgemeine Gewalt des künftigen
-Intestaterben<a name="FNanchor_88_101" id="FNanchor_88_101" href="#Fn_88_101" class="fnanchor">88</a> über die Person des Minderjährigen ist sehr bedenklich.
-Man braucht nicht gerade den äußersten Fall anzu<a class="pagenum" name="Page_133" id="Page_133">[Pg 133]</a>nehmen, daß der Vormund den Mündel umbringt, um ihn zu
-beerben: auch in vielen anderen unbemerkteren Fällen wird in
-der persönlichen Leitung und Erziehung das Interesse des Mündels
-von dem seines künftigen Erben sehr verschieden seyn. Dagegen
-schützen weder die gesetzlichen Gründe der Unfähigkeit zur Vormundschaft
-(§. 191. 193), die immer sehr selten nachzuweisen seyn
-werden, noch die Genehmigung des Gerichts, die ja nur in bedenklichen
-Angelegenheiten eingeholt zu werden braucht (§. 216),
-noch endlich die Anzeige, die hinterher von wirklichem Misbrauch
-der Gewalt gemacht werden kann (§. 217). In diesem Fall ist
-der organische Zusammenhang verschiedener Rechtssätze recht merkwürdig.
-Das Römische Recht macht seine <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">tutela legitima</span> dadurch
-unschädlich, daß es die Erziehung davon absondert: der Hauptberuf
-des Tutors ist der, zu auctoriren, und gewiß ist von keinem
-Menschen weniger als von dem künftigen Erben zu befürchten,
-daß er in leichtsinnige Veräußerungen<a name="savigny_106" id="savigny_106" class="f70">[106]</a> oder Versprechungen
-einwilligen werde. Nach dem Preussischen Landrecht bestimmt
-auf gleiche Weise, wie nach dem Römischen Rechte, das Gericht
-unmittelbar den Erzieher, ohne an den Vormund gebunden zu
-seyn (II. 18. §. 320); und überdem gilt gar kein Recht bestimmter
-Verwandten auf <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">tutela legitima</span> (II. 18. §. 194), was unsrer heutigen
-Ansicht der Vormundschaft gewiß angemessen ist. Auch in Bestimmung
-des Begriffs der Vormundschaft geht das Landrecht
-freyer zu Werke: Vormund heißt ihm derjenige, welcher alle,
-Curator der, welcher nur gewisse Angelegenheiten zu besorgen
-hat (II. 18. §. 3. 4). Dabey ist die Römische Terminologie mit
-Recht ganz verlassen, dafür aber innerer Zusammenhang erlangt.
-So z. B. hat nun auch der Wahnsinnige einen Vormund (II. 18.
-§. 12), der nach dem Oesterreichischen Gesetzbuch nur einen Curator
-hat (§. 270). Dieses folgt darin dem Römischen Rechte; aber
-der Grund des Römischen Rechts, den Schutz der Pupillen von
-dem der Wahnsinnigen streng zu unterscheiden, lag darin, daß
-bey Pupillen und nicht auch bey Wahnsinnigen eine <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">auctoritas</span>
-möglich war, und dieser Grund existirt nicht mehr. Daß Dinge solcher
-Art geringfügig und unbedeutend seyen, wird niemand behaupten,
-der aufmerksam den großen Einfluß dieser Verknüpfung und Bezeichnung
-der Begriffe auf die Rechtssätze selbst beobachtet hat.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_134" id="Page_134">[Pg 134]</a></p>
-
-<p>Bisher ist von der Construction der Begriffe im<a name="savigny_107" id="savigny_107" class="f70">[107]</a> Oesterreichischen
-Gesetzbuch die Rede gewesen, und nur beyläufig auch
-von praktischen Sätzen, insofern nämlich jene Construction unmittelbaren
-Einfluß auf dieselben ausgeübt hat. Nun ist noch
-besonders von den praktischen Sätzen zu sprechen. Es ist schon
-bemerkt worden, daß die materielle Vollständigkeit, welche im
-Preussischen Landrechte gesucht war, hier gar nicht zur Aufgabe
-gehörte: die Entscheidung der einzelnen Rechtsfälle wird demnach
-meistens, so wie bey dem Code (S. <a href="#savigny_73">73</a>), nicht unmittelbar durch
-das Gesetzbuch bestimmt werden können, und das außer ihm
-liegende, wodurch sie in der That bestimmt werden wird, verdient
-auch hier die allergrößte Aufmerksamkeit. Das Gesetzbuch selbst
-(§. 7) schreibt eine doppelte Quelle dieser Ergänzung vor: zunächst
-die wirklich im Gesetzbuch enthaltene Entscheidung ähnlicher Fälle,
-und, wo diese nicht ausreicht, das Naturrecht. Allein die erste
-Quelle wird wenig sichere Hülfe geben: denn materieller Reichthum
-des Gesetzbuchs war, wie schon bemerkt, gar nicht gesucht,
-und von der formellen Unzulänglichkeit desselben ist so eben ausführlich
-die Rede gewesen. Die zweyte Quelle aber (das Naturrecht)
-ist selbst von den würdigen Männern, welche zuletzt zur
-Entstehung des Gesetzbuchs mitgewirkt haben, als sehr gefährlich
-für die Rechtspflege anerkannt<a name="FNanchor_89_102" id="FNanchor_89_102" href="#Fn_89_102" class="fnanchor">89</a>. Der Erfolg wird also auch<a name="savigny_108" id="savigny_108" class="f70">[108]</a>
-hier, wie bey dem Code, ein ganz anderer seyn, als ihn
-das Gesetzbuch anzunehmen scheint, indem unvermeidlich und ganz
-in der Stille die wissenschaftliche Theorie den Einfluß auf die
-Rechtspflege behaupten wird, den ihr das Gesetzbuch zu entziehen
-bestimmt war. Ob also die wirklich verbreitete Theorie gut oder
-schlecht ist, davon wird in der That das meiste abhangen, und
-der Zustand der Lehranstalten (wovon der folgende Abschnitt
-reden soll) wird für die Rechtspflege noch in ganz anderer Rücksicht,
-als wegen der bloßen Kenntniß des Gesetzbuches selbst,
-entscheidend seyn.</p>
-
-<p>Ist dieses Urtheil über die drey neuen Gesetzbücher gegründet,<a class="pagenum" name="Page_135" id="Page_135">[Pg 135]</a>
-so liegt darin eine Bestätigung meiner Ansicht, daß die gegenwärtige
-Zeit keinen Beruf hat, ein Gesetzbuch zu unternehmen:
-und gewiß eine sehr starke Bestätigung. Denn wie viel die
-Franzosen durch Gewandtheit und Leichtigkeit im praktischen
-Leben auszurichten vermögen, ist uns allen oft genug wiederholt
-worden: welche Zeiträume hindurch von verdienten, einsichtsvollen
-Männern an den Deutschen Gesetzbüchern mit ernstlichem Eifer
-gearbeitet worden ist, wissen wir. Ist also durch so verschiedenartige
-Bemühungen das Ziel dennoch nicht erreicht worden, so
-muß es in der juristischen Bildung eines ganzen<a name="savigny_109" id="savigny_109" class="f70">[109]</a> Zeitalters
-Hindernisse geben können, welche nicht zu übersteigen sind. Diese
-Ueberzeugung aber ist entscheidend, da ohne Zweifel die eifrigen
-Freunde der Gesetzbücher die Bürgschaft eines glücklichen Erfolgs
-blos in ihrem lebhaften Bestreben nach diesem Gegenstande finden,
-was doch nach jenen Erfahrungen nicht hinreichend ist. Es
-würde also nur noch darauf ankommen, die gegenwärtige Bildung
-der Rechtswissenschaft mit derjenigen zu vergleichen, aus welcher
-die vorhandenen Gesetzbücher hervorgegangen sind: und bey unbefangener
-Selbstprüfung müssen wir bekennen, daß beide vielleicht
-wohl dem Grade nach, aber nicht generisch verschieden sind.</p>
-
-<p>Alle diese Erinnerungen übrigens betreffen nicht etwa einzelne
-Mängel, durch deren Verbesserung dem Ganzen leicht ein wahrhaft
-treffliches und genügendes Daseyn verschafft werden könnte:
-sie betreffen vielmehr den Character des Ganzen selbst, und alles
-einzelne, was herausgehoben worden ist, sollte blos dazu dienen,
-diesen allgemeinen Charakter anschaulich zu machen, und ein
-Urtheil über denselben zu begründen. Anderer Meynung ist ein
-neuerer Schriftsteller<a name="FNanchor_90_103" id="FNanchor_90_103" href="#Fn_90_103" class="fnanchor">90</a>, welcher von dem Code glaubt, die wenigen
-Flecken, welche denselben verunstalten, könnten leicht abgewischt
-werden, worauf er allerdings zu einer dankenswerthen Wohlthat
-werden würde. Allein<a name="savigny_110" id="savigny_110" class="f70">[110]</a> es sey uns diese fremde Weisheit
-überflüssig, denn, sagt er, »wir haben kürzlich ein bürgerliches
-Gesetzbuch in Oesterreich erhalten, welches dem Französischen
-wenigstens an die Seite gesetzt werden kann und für uns den
-Vorzug hat, ohne alle weitere Vorbereitung in ganz Deutschland
-anwendbar zu seyn.« Sein Rath geht dahin, daß dieses Gesetz<a class="pagenum" name="Page_136" id="Page_136">[Pg 136]</a>buch augenblicklich angenommen, und dann den Regierungen
-überlassen werde, ihre Vorschläge einzelner Abänderungen einer
-Gesetzcommission vorzulegen. Diese Ansicht scheint mir schon aus
-sich selbst und ohne Prüfung des innern Werthes der Gesetzbücher
-widerlegt werden zu können: denn wenn es wahr wäre,
-daß der Code vortrefflich und mit geringen Modificationen eine
-Wohlthat, das sehr verschiedene Oesterreichische Gesetzbuch aber
-auch vortrefflich, ja noch besser und völlig anwendbar wäre, so
-müßte den Gesetzbüchern überhaupt eine völlig fabrikmäßige Vortrefflichkeit
-zugeschrieben werden, und es wäre unmöglich, sie für
-etwas großes und höchst wünschenswerthes zu halten.</p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">8.<br/>
-
-Was wir thun sollen wo keine Gesetzbücher sind.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_111" id="savigny_111" class="f70">[111]</a></p>
-<p class="cap"> Bey der Untersuchung dessen, was geschehen soll,
-müssen vor allem diejenigen Länder, in welchen bis jetzt gemeines
-Recht und Landesrecht (nur etwa unterbrochen durch die kurze
-Herrschaft des Code) galt, von denen getrennt werden, welche
-bereits unter einheimischen Gesetzbüchern leben.</p>
-
-<p>In den Ländern des gemeinen Rechts wird, so wie überall,
-ein löblicher Zustand des bürgerlichen Rechts von drey Stücken
-abhängig seyn: erstlich einer zureichenden Rechtsquelle, dann
-einem zuverlässigen Personal, endlich einer zweckmäßigen Form
-des Prozesses. Ich werde in der Folge auf diese drey Stücke
-zurückkommen, um die Zulänglichkeit meines Plans darnach zu
-prüfen.</p>
-
-<p>Was zuerst die Rechtsquelle anlangt, wozu eben das neu
-einzuführende Gesetzbuch bestimmt seyn sollte, so würde nach
-meiner Ueberzeugung wieder einzuführen seyn an die Stelle des Code,
-oder beyzubehalten, wo der Code nicht galt, dieselbe Verbindung
-des gemeinen Rechts und der Landesrechte, welche früher in ganz
-Deutschland herrschend war: diese Rechtsquelle halte ich für hinreichend,
-ja für vortrefflich,<a name="savigny_112" id="savigny_112" class="f70">[112]</a> sobald die Rechtswissenschaft
-thut, was ihres Amtes ist, und was nur durch sie geschehen kann.</p>
-
-<p>Betrachten wir nämlich unsern Zustand, wie er in der That
-ist, so finden wir uns mitten in einer ungeheuern Masse juristi<a class="pagenum" name="Page_137" id="Page_137">[Pg 137]</a>scher Begriffe und Ansichten, die sich von Geschlecht zu Geschlecht
-fortgeerbt und angehäuft haben<a name="FNanchor_91_104" id="FNanchor_91_104" href="#Fn_91_104" class="fnanchor">91</a>. Wie die Sache jetzt steht, besitzen
-und beherrschen wir diesen Stoff nicht, sondern wir werden
-von ihm bestimmt und getrieben nicht wie wir wollen. Darauf
-gründen sich alle Klagen über unsern Rechtszustand, deren Gerechtigkeit
-ich nicht verkenne, und daher ist alles Rufen nach
-Gesetzbüchern entstanden. Dieser Stoff umgiebt und bestimmt
-uns auf allen Seiten, oft ohne daß wir es wissen: man könnte
-darauf denken, ihn zu vernichten, indem man alle historische
-Fäden zu durchschneiden und ein ganz neues Leben zu beginnen
-versuchte, aber auch diese Unternehmung würde auf einer Selbsttäuschung
-beruhen. Denn es ist unmöglich, die Ansicht und
-Bildung der jetztlebenden Rechtsgelehrten zu vernichten: unmöglich,
-die Natur der bestehenden Rechtsverhältnisse umzuwandeln;
-und auf diese doppelte Unmöglichkeit gründet sich der unauflösliche
-organische Zusammenhang der Geschlechter und Zeitalter,
-zwischen welchen nur Entwicklung aber<a name="savigny_113" id="savigny_113" class="f70">[113]</a> nicht absolutes Ende
-und absoluter Anfang gedacht werden kann. Insbesondere damit,
-daß einzelne, ja viele Rechtssätze abgeändert werden, ist für
-diesen Zweck gar nichts gethan: denn, wie schon oben bemerkt
-worden ist (S. <a href="#savigny_39">39</a>), die Richtung der Gedanken, die Fragen und
-Aufgaben werden auch da noch durch den vorhergehenden Zustand
-bestimmt seyn, und die Herrschaft der Vergangenheit über die
-Gegenwart wird sich auch da äußern können, wo sich die Gegenwart
-absichtlich der Vergangenheit entgegen setzt. Dieser überwiegende
-Einfluß des bestehenden Stoffs also ist auf keine Weise
-vermeidlich: aber er wird uns verderblich seyn, solange wir ihm
-bewußtlos dienen, wohlthätig, wenn wir ihm eine lebendig bildende
-Kraft entgegen setzen, durch historische Ergründung ihn
-unterwerfen, und so den ganzen Reichthum der vergangenen Geschlechter
-uns aneignen. Wir haben also nur die Wahl, ob wir
-wollen, nach <cite>Baco's</cite> Ausdruck, <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">sermocinari tamquam e vinculis,</span>
-oder ob eine gründliche Rechtswissenschaft uns lehren soll, diesen
-historischen Stoff frey als unser Werkzeug zu gebrauchen: ein
-drittes giebt es nicht. Bey dieser Wahl möchte die Wissenschaftlichkeit
-schon von selbst, als der edlere Theil, für sich gewinnen:<a class="pagenum" name="Page_138" id="Page_138">[Pg 138]</a>
-aber es kommen noch besondere Gründe aus unsrer Lage hinzu.
-Zuerst die allgemeine wissenschaftliche Richtung, die den Deutschen
-natürlich ist, und wodurch sie es andern Nationen in vielen<a name="savigny_114" id="savigny_114" class="f70">[114]</a>
-Dingen zuvor zu thun berufen sind: dann auch manches in
-unsren politischen Verhältnissen. Darum wird nicht die Erfahrung
-anderer Nationen oder Zeiten zur Widerlegung angeführt
-werden können, nicht der Zustand des bürgerlichen Rechts in
-England, noch der bey unsren Vorfahren. Was unsre Vorfahren
-betrifft, so hat <cite>Möser</cite> in einem trefflichen Aufsatz den Unterschied
-zwischen dem, was er Willkühr, und was er Weisheit
-nennt, entwickelt<a name="FNanchor_92_105" id="FNanchor_92_105" href="#Fn_92_105" class="fnanchor">92</a>: bey jener konnte Freiheit und Gerechtigkeit
-bestehen, solange ebenbürtige genosse Richter urtheilten, wir
-können Weisheit durchaus nicht entbehren. Als Surrogat derselben
-verdient in dieser Rücksicht selbst das Hangen an mittelmäßigen
-Autoritäten (so schlecht dieses in anderer Rücksicht ist)
-alle Achtung<a name="FNanchor_93_106" id="FNanchor_93_106" href="#Fn_93_106" class="fnanchor">93</a>, und kann als ein Schutzmittel gegen die verderbliche
-Verwechslung von Willkühr und Weisheit dienen.</p>
-
-<p>Erst wenn wir durch ernstliches Studium vollständigere
-Kenntniß erworben, vorzüglich aber unsren geschichtlichen und
-politischen Sinn mehr geschärft haben, wird ein wahres Urtheil
-über den überlieferten Stoff möglich seyn. Bis dahin dürfte es
-gerathener seyn, etwas zu zweifeln, ehe wir vorhandenes für
-schlaffe Angewohnheit, unkluge Abgeschiedenheit<a name="savigny_115" id="savigny_115" class="f70">[115]</a> und blose
-Rechtsfaulheit halten<a name="FNanchor_94_107" id="FNanchor_94_107" href="#Fn_94_107" class="fnanchor">94</a>: vorzüglich aber mit der Anwendung des
-wundärztlichen Messers<a name="FNanchor_95_108" id="FNanchor_95_108" href="#Fn_95_108" class="fnanchor">95</a> auf unsern Rechtszustand zu zögern.
-Wir könnten dabey leicht auf gesundes Fleisch treffen, das wir
-nicht kennen, und so gegen die Zukunft die schwerste aller Verantwortungen
-auf uns laden. Auch ist der geschichtliche Sinn
-der einzige Schutz gegen eine Art der Selbsttäuschung, die sich
-in einzelnen Menschen, wie in ganzen Völkern und Zeitaltern,
-immer wiederholt, indem wir nämlich dasjenige, was uns eigen<a class="pagenum" name="Page_139" id="Page_139">[Pg 139]</a>
-ist, für allgemein menschlich halten. So hatte man ehemals aus
-den Institutionen mit Weglassung einiger hervorstehenden Eigenthümlichkeiten
-ein Naturrecht gemacht, was man für unmittelbaren
-Ausspruch der Vernunft hielt: jetzt ist niemand, der nicht
-über dieses Verfahren Mitleid empfände, aber wir sehen noch
-täglich Leute, die ihre juristischen Begriffe und Meynungen blos
-deshalb für rein vernünftig halten, weil sie deren Abstammung
-nicht kennen. Sobald wir uns nicht unsres individuellen Zusammenhangs
-mit dem großen Ganzen der Welt und ihrer Geschichte
-bewußt werden, müssen wir nothwendig unsre Gedanken
-in einem falschen Lichte von Allgemeinheit und Ursprünglichkeit
-erblicken. Dagegen schützt nur der geschichtliche Sinn, welchen
-gegen uns selbst zu kehren gerade die schwerste Anwendung ist.</p>
-
-<p><a name="savigny_116" id="savigny_116" class="f70">[116]</a> Man könnte versucht seyn, die Nothwendigkeit dieser historischen
-Ergründung des Stoffs, in welchem wir unwillkührlich befangen
-sind, zwar für unsre Lage zuzugeben, aber zugleich für
-ein Uebel zu halten, indem dadurch Kräfte in Anspruch genommen
-werden, die zu nützlicheren Zwecken verwendet werden könnten.
-Diese Ansicht wäre traurig, weil sie das Gefühl eines unvermeidlichen
-Uebels erregen würde, aber wir können uns damit
-trösten, daß sie falsch ist. Vielmehr ist diese Nothwendigkeit auch
-an sich für ein großes Gut zu achten. In der Geschichte aller
-bedeutenden Völker nämlich finden wir einen Uebergang von beschränkter,
-aber frischer und lebensvoller, Individualität zu unbestimmter
-Allgemeinheit. Auf diesem Wege geht auch das
-bürgerliche Recht, und auch in ihm kann zuletzt das Bewußtseyn
-der Volkseigentümlichkeit verloren gehen: so geschieht es, wenn
-bejahrte Völker darüber nachdenken, wie viele Eigenheiten ihres
-Rechts sich bereits abgeschliffen haben, daß sie leicht zu dem so
-eben dargestellten Irrthum kommen, indem sie ihr ganzes noch
-übriges Recht für ein <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">jus quod naturalis ratio apud omnes homines
-constituit</span> halten. Daß damit zugleich der eigenthümliche Vorzug
-verloren geht, welchen das Recht in frühen Zeiten hat (S. <a href="#savigny_9">9</a>),
-ist unverkennbar. Zu diesem vergangenen Zustande zurück zu
-kehren, würde ein fruchtloser und thörichter Rath seyn: aber
-etwas anderes<a name="savigny_117" id="savigny_117" class="f70">[117]</a> ist es, den eigenen Werth desselben in
-frischer Anschauung gegenwärtig erhalten, und sich so vor der<a class="pagenum" name="Page_140" id="Page_140">[Pg 140]</a>
-Einseitigkeit der Gegenwart bewahren, welches allerdings möglich
-und heilsam ist. Wenn überhaupt die Geschichte auch im Jünglingsalter
-der Völker eine edle Lehrerin ist, so hat sie in Zeitaltern,
-wie das unsrige, noch ein anderes und heiligeres Amt.
-Denn nur durch sie kann der lebendige Zusammenhang mit den
-ursprünglichen Zuständen der Völker erhalten werden, und der
-Verlust dieses Zusammenhangs muß jedem Volk den besten Theil
-seines geistigen Lebens entziehen.</p>
-
-<p>Dasjenige also, wodurch nach dieser Ansicht das gemeine
-Recht und die Landesrechte als Rechtsquellen wahrhaft brauchbar
-und tadellos werden sollen, ist die strenge historische Methode
-der Rechtswissenschaft. Der Charakter derselben besteht nicht,
-wie einige neuere Gegner unbegreiflicherweise gesagt haben, in
-ausschließender Anpreisung des Römischen Rechts: auch nicht
-darin, daß sie die unbedingte Beybehaltung irgend eines gegebenen
-Stoffs verlangte, was sie vielmehr gerade verhüten will, wie sich
-dieses oben bey der Beurtheilung des Oesterreichischen Gesetzbuchs
-gezeigt hat. Ihr Bestreben geht vielmehr dahin, jeden gegebenen
-Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen, und so sein organisches
-Princip zu entdecken, wodurch sich von selbst das, was noch Leben
-hat, von demjenigen absondern muß, was schon abgestorben<a name="savigny_118" id="savigny_118" class="f70">[118]</a>
-ist, und nur noch der Geschichte angehört. Der Stoff aber der
-Rechtswissenschaft, welcher auf diese Weise behandelt werden soll,
-ist für das gemeine Recht dreyfach, woraus sich drey Haupttheile
-unsrer Rechtswissenschaft ergeben: Römisches Recht, Germanisches
-Recht, und neuere Modifikationen beider Rechte. Das Römische
-Recht hat, wie schon oben bemerkt worden, außer seiner historischen
-Wichtigkeit noch den Vorzug, durch seine hohe Bildung als Vorbild
-und Muster unsrer wissenschaftlichen Arbeiten dienen zu
-können. Dieser Vorzug fehlt dem Germanischen Rechte, aber es
-hat dafür einen andern, welcher jenem nicht weicht. Es hangt
-nämlich unmittelbar und volksmäßig mit uns zusammen, und
-dadurch, daß die meisten ursprünglichen Formen wirklich verschwunden
-sind, dürfen wir uns hierin nicht irre machen lassen.
-Denn der nationale Grund dieser Formen, die Richtung woraus
-sie hervor giengen, überlebt die Formen selbst, und es ist nicht
-vorher zu bestimmen, wie viel von altgermanischen Einrichtungen,<a class="pagenum" name="Page_141" id="Page_141">[Pg 141]</a>
-wie in Verfassung so im bürgerlichen Recht, wieder erweckt werden
-kann. Freylich nicht dem Buchstaben, sondern dem Geiste nach,
-aber den ursprünglichen Geist lernt man nur kennen aus dem
-alten Buchstaben. Endlich die Modification beider ursprünglichen
-Rechte ist gleichfalls nicht zu vernachlässigen. Auf dem langen
-Wege nämlich, welchen jene ursprünglichen Rechte bis zu uns
-gehen mußten,<a name="savigny_119" id="savigny_119" class="f70">[119]</a> hat sich natürlich vieles ganz anders gestaltet
-und entwickelt, theils nach wirklich volksmäßigem Bedürfniß,
-theils auf mehr literarische Weise, unter den Händen der Juristen.
-Dieses letzte ist hier überwiegend, und die Grundlage davon ist
-eine Geschichte unsrer Rechtswissenschaft vom Mittelalter herab.
-Ein vorzügliches Bestreben dieses dritten Theiles unsrer Wissenschaft
-muß darauf gerichtet seyn, den gegenwärtigen Zustand des
-Rechts allmählich von demjenigen zu reinigen, was durch bloße
-Unkunde und Dumpfheit literarisch schlechter Zeiten, ohne alles
-wahrhaft praktische Bedürfniß, hervorgebracht worden ist.</p>
-
-<p>Es kann nicht meine Absicht seyn, diese historische Behandlung
-aller Theile unsres Rechts hier in einer ausführlichen
-Methodik darzustellen; allein über das Römische Recht muß noch
-einiges hinzugefügt werden, da gerade dessen Behandlung neuerlich
-in Frage gekommen ist. Was ich für den einzig möglichen
-Standpunkt dieses Studiums halte, wird aus der oben gegebenen
-Darstellung des Römischen Rechts einleuchtend seyn: es ist das
-Recht der Pandekten, von welchem aus dann die Uebergänge zu
-den neueren Modificationen bis <cite>Justinian</cite> zu bestimmen sind.
-Willkührlich wird diese Ansicht niemand finden, welcher bedenkt,
-daß schon <cite>Justinian</cite> sie gehabt hat, und daß sie wenigstens
-dem Namen nach dem Hauptunterricht auf Universitäten, und
-den ausführlichsten<a name="savigny_120" id="savigny_120" class="f70">[120]</a> Werken über das Römische Recht seit
-Jahrhunderten zum Grunde liegt. Wie nun die alten Juristen
-zu studieren sind, läßt sich leicht sagen, obgleich schwer ohne
-wirkliche Probe anschaulich machen: sie sollen nicht blos die Schule
-hüten, sondern wieder belebt werden: wir sollen uns in sie hinein
-lesen und denken, wie in andere mit Sinn gelesene Schriftsteller,
-sollen ihnen ihre Weise ablernen, und so dahin kommen, in ihrer
-Art und von ihrem Standpunkt aus selbst zu erfinden und so
-ihre unterbrochene Arbeit in gewissem Sinne fortzusetzen. Daß<a class="pagenum" name="Page_142" id="Page_142">[Pg 142]</a>
-dieses möglich ist, gehört zu meinen lebendigsten Ueberzeugungen.
-Die erste Bedingung dazu ist freylich eine gründliche Rechtsgeschichte,
-und, was aus dieser folgt, die völlige Gewöhnung,
-jeden Begriff und jeden Satz sogleich von seinem geschichtlichen
-Standpunkte aus anzusehen. Viel ist hierin noch zu leisten: aber
-wer bedenkt, was unsre Rechtsgeschichte vor fünf und zwanzig
-Jahren war, und wie vieles nun in Kenntniß und Behandlung,
-hauptsächlich durch <cite>Hugos</cite> Verdienst, anders geworden ist, der
-kann auch für die Folge den besten Hoffnungen Raum geben.
-Wer nun auf diese Weise in den Quellen des Römischen Rechts
-wahrhaft einheimisch geworden ist, dem wird das Studium unsrer
-neuern juristischen Literatur, vom Mittelalter bis auf uns herab,
-zwar noch Arbeit und oft unerfreuliche Arbeit geben, aber er
-wird dadurch nur noch seine Ansichten vervollständigen und auf<a name="savigny_121" id="savigny_121" class="f70">[121]</a>
-keine Weise irre gemacht werden können, also keine innere
-Schwierigkeit darin finden; wer dagegen das Römische Recht
-nicht so an der Wurzel angreift, der wird fast unvermeidlich
-durch jene neuere Literatur immer mehr in Schwanken und Unsicherheit
-gerathen, er müßte sie denn im Ganzen ignoriren, und
-es dem Zufall überlassen, welches einzelne, neue, vielleicht sehr
-flache Resultat dieser literarischen Entwicklung auf ihn einwirken
-soll, und hierin ist allerdings in den neuesten Zeiten viel geleistet
-worden. Die hier angedeutete literarische Ausfüllung indessen
-gehört zur allmählichen Vollendung und nicht zum nothwendigen
-Grund des Studiums. Der Grund aber muß allerdings in den
-Vorträgen der Universitäten gelegt werden, und dazu dürften
-anderthalb bis zwey Jahre (die man ja auch bis jetzt darauf
-zu verwenden pflegte) hinreichend seyn. Nämlich hinreichend
-nicht zu vollendeter Gelehrsamkeit, was ohnehin kein vernünftiger
-Mensch von irgend einem Universitätsunterricht verlangen wird:
-wohl aber hinreichend, um in den Quellen zu Hause zu seyn,
-um sie selbst lesen zu können, und um neuere Schriftsteller unabhängig
-und mit eigenem Urtheil zu lesen, und ihnen nicht mehr
-preis gegeben zu seyn. Es ist einleuchtend, daß dagegen die
-Erfahrung eines wirklichen Unterrichts nicht angeführt werden
-kann, sobald in diesem Unterricht die unmittelbare Einführung
-in die Quellen gar nicht versucht worden ist.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_143" id="Page_143">[Pg 143]</a></p>
-
-<p><a name="savigny_122" id="savigny_122" class="f70">[122]</a> In neueren Zeiten sind über die Bedingungen unsres
-Studiums zwey von dieser Ansicht abweichende, völlig entgegengesetzte
-Meynungen gehört worden. <cite>Thibaut</cite> nämlich<a name="FNanchor_96_109" id="FNanchor_96_109" href="#Fn_96_109" class="fnanchor">96</a> stellt
-die Schwierigkeit desselben fast schauderhaft dar, und so, daß
-allerdings jedem, der es unternehmen wollte, der Muth entfallen
-müßte; so z. B. sollen wir vielleicht erst nach tausend Jahren so
-glücklich seyn, über alle Lehren des Römischen Rechts erschöpfende
-Werke zu erhalten. Das ist zu wenig oder zu viel, je nachdem
-man es nimmt. Ganz erschöpfen und völlig abthun, so daß kein
-Weiterkommen möglich wäre, läßt sich eine würdige historische
-Aufgabe niemals, auch nicht in tausend Jahren; aber um zu
-sicherer Anschauung und zur Möglichkeit unmittelbarer, verständiger
-Anwendung des Römischen Rechts zu gelangen, brauchen
-wir so lange Zeit nicht, dies ist größtentheils schon jetzt möglich,
-obgleich mit stetem Fortschreiten nach innen, was ich unsrer
-Wissenschaft nicht zum Tadel, sondern zu wahrer Ehre rechne.
-Es kommt alles auf die Art an, wie das Studium behandelt
-wird. Vor hundert Jahren hat man in Deutschland viel mehr
-Mühe und Zeit an das Römische Recht gesetzt als jetzt, und es
-ist unläugbar, daß man in eigentlicher Kenntniß nicht so weit
-kommen konnte, als es jetzt<a name="savigny_123" id="savigny_123" class="f70">[123]</a> bey guten Lehrern möglich ist.
-Vollends mit den kritischen Schwierigkeiten, die <cite>Thibaut</cite> für
-ganz unübersteiglich erklärt<a name="FNanchor_97_110" id="FNanchor_97_110" href="#Fn_97_110" class="fnanchor">97</a>, hat es so große Noth nicht. Wer
-es recht angreift, kann sich mit einer ganz schlechten Ausgabe der
-Pandekten in die Methode der Römischen Juristen einstudieren:
-es werden ihm zwar manche Irrthümer im einzelnen übrig bleiben,
-aber auch diese wird er größtentheils bey etwas kritischem Sinn
-mit Hülfe von drey, vier Ausgaben, wie sie jeder leicht finden
-kann, mit Sicherheit zu berichtigen im Stande sey. Auch hierin
-sind zwey Dinge gänzlich verwechselt: dasjenige nämlich, was
-zur allmählichen und ganz erschöpfenden Entwicklung einer großen
-historischen Aufgabe allerdings gehört, mit dem was nothwendige
-Bedingung eines unmittelbar möglichen, in gewissem Sinne befriedigenden
-Grades sicherer Kenntniß ist. Alles, was hier<a class="pagenum" name="Page_144" id="Page_144">[Pg 144]</a>
-<cite>Thibaut</cite> über die Unsicherheit unsres Textes sagt, gilt eben so
-von unsren heiligen Büchern; auch da wird die Kritik niemals
-ein Ende finden, aber wer überhaupt Nahrung und Freude in
-ihnen finden kann, wird dadurch gewiß nicht gestört werden. &ndash;
-Eine gerade entgegen gesetzte und viel verbreitetere Ansicht geht
-darauf, daß das Römische Recht viel leichter genommen werden
-könne und müsse, und daß nur wenig Zeit darauf<a name="savigny_124" id="savigny_124" class="f70">[124]</a> zu
-wenden sey. Dieses ist theils behauptet, theils (wie sich noch
-unten zeigen wird) praktisch ausgeführt worden, besonders wo
-bey eingeführten neuen Gesetzbüchern das Römische Recht bloßes
-Hülfsstudium werden sollte; desgleichen wenn von der Bildung
-künftiger Gesetzgeber die Rede war. Zu diesen Zwecken, glaubte
-man, sey das mühselige Detail entbehrlich, man könne sich mit
-dem, was man den <em>Geist</em> dieses Rechts nannte, begnügen. Dieser
-Geist nun besteht in dem, was sonst Institutionen heißt und was
-zum ersten Orientiren ganz gute Dienste leisten kann: die allgemeinsten
-Begriffe und Sätze ohne kritische Prüfung, ohne Anwendung
-und besonders ohne Quellenanschauung, wodurch alles
-erst wahres Leben erhält. Dieses nun ist ganz umsonst, und
-wenn man nicht mehr thun will, so ist selbst diese wenige Zeit
-völlig verloren: der einzige Nutzen, den ein solches Studium
-haben kann, ist die Erhaltung des Namens und der äußeren
-Form unsrer Wissenschaft, wodurch vielleicht in einer künftigen,
-besseren Zeit ihre Wiederbelebung erleichtert werden kann. Ganz
-heillos ist besonders die Ansicht, als ob ein künftiger Gesetzgeber,
-für welchen doch überhaupt dieser Stoff als wichtig und bildend
-anerkannt wird, mit einer solchen leichten, vornehmen Kenntniß,
-wofür das französische teinture die glücklichste Bezeichnung ist,
-auskommen könnte. Gerade für diese Anwendung auf eigene,
-neue Production ist noch weit mehr gründliche<a name="savigny_125" id="savigny_125" class="f70">[125]</a> Kenntniß
-nöthig, als für das gewöhnliche Geschäft des Juristen; man muß
-über den Buchstaben des historischen Materials sehr Herr geworden
-seyn, um dasselbe frey als Werkzeug zur Darstellung
-neuer Formen gebrauchen zu können, sonst ist das <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">sermocinari
-tamquam e vinculis</span> unvermeidlich. Jene verkehrte Ansicht ließe
-sich auf die Sprache ungefähr so anwenden, als ob man zwar
-für den Umgang und das gemeine Leben den Reichthum, die<a class="pagenum" name="Page_145" id="Page_145">[Pg 145]</a>
-Kraft und die Fülle der Sprache kennen müßte, für die Poesie
-aber mit oberflächlicher Kenntniß genug haben könnte.</p>
-
-<p>Was nun hier von dem Studium des Rechts verlangt worden
-ist, soll nicht etwa in Büchern aufbewahrt, auch nicht einzelnen
-Gelehrten anvertraut, sondern Gemeingut aller Juristen werden,
-die mit Ernst und mit offenem Sinn für ihren Beruf arbeiten
-wollen. Es soll also eine lebendige Schule entstehen, so wie
-sämmtliche Römische Juristen, nicht blos die Sabinianer und eben
-so die Proculianer für sich, in der That Eine große Schule gebildet
-haben. Auch können nur aus einer solchen über die Gesammtheit
-der Juristen verbreiteten lebendigen Bearbeitung selbst
-die Wenigen hervorgehen, die durch ihren Geist zu eigentlicher
-Erfindung berufen sind, und es ist ein schädliches Vorurtheil, als
-ob diese sich immer finden würden, der Zustand der Schule möchte
-seyn welcher er wollte. Das Beyspiel von <cite>Montesquieu</cite><a name="savigny_126" id="savigny_126" class="f70">[126]</a>
-ist in diesem Stück sehr lehrreich; niemand kann die unabhängige
-Kraft verkennen, womit er sich von der Beschränktheit seiner Zeit
-und Nation frey zu erhalten gestrebt hat: nun war er Jurist
-vom Handwerk und in einem <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">pays de droit écrit</span>, auch haben die
-Römer keinen eifrigern Verehrer als ihn gehabt, so daß es ihm
-an Veranlassung und Neigung, Römisches Recht zu kennen, nicht
-fehlen konnte; dennoch waren seine Kenntnisse hierin sehr mittelmäßig,
-und ganze Stücke seines Werkes werden dadurch völlig
-bodenlos, wovon seine Geschichte des Römischen Erbrechts<a name="FNanchor_98_111" id="FNanchor_98_111" href="#Fn_98_111" class="fnanchor">98</a> als
-Beyspiel dienen kann. Dies war die Folge der gänzlichen Nullität
-der juristischen Schule seiner Zeit, welche er nicht zu überwinden
-vermochte. Ueberhaupt wird sich Jeder durch gründliches Studium
-der Literargeschichte überzeugen, wie weniges in ihren Erscheinungen
-ganz den einzelnen Individuen, unabhängig von den
-Kräften und Bestrebungen des Zeitalters und der Nation, mit
-Wahrheit zugeschrieben werden kann. &ndash; Aber diese Gemeinschaft
-unsrer Wissenschaft soll nicht blos unter den Juristen von gelehrtem
-Beruf, den Lehrern und Schriftstellern, statt finden, sondern
-auch unter den praktischen Rechtsgelehrten. Und eben diese
-Annäherung der Theorie und Praxis ist es, wovon die eigentliche<a class="pagenum" name="Page_146" id="Page_146">[Pg 146]</a>
-Besserung der Rechtspflege ausgehen muß, und worin wir vorzüglich<a name="savigny_127" id="savigny_127" class="f70">[127]</a>
-von den Römern zu lernen haben: auch unsere
-Theorie muß praktischer und unsere Praxis wissenschaftlicher werden,
-als sie bisher war. <cite>Leibniz</cite> urtheilte, daß unter den juristischen
-Schriftstellern fast nur die Verfasser von Consilien die Rechtswissenschaft
-wahrhaft erweiterten und durch Beobachtung neuer
-Fälle bereicherten<a name="FNanchor_99_112" id="FNanchor_99_112" href="#Fn_99_112" class="fnanchor">99</a>: zugleich wünscht er, daß eine Gesellschaft
-von etwa 30 Juristen neue Pandekten als Auszug alles wahrhaft
-praktischen und eigenthümlichen in neueren Schriftstellern verfassen
-möchte<a name="FNanchor_100_113" id="FNanchor_100_113" href="#Fn_100_113" class="fnanchor">100</a>. Unabhängig von <cite>Leibniz</cite>, aber in ähnlichem Sinne,
-schlägt <cite>Möser</cite> vor, durch planmäßige Sammlung wirklicher Rechtsfälle
-eines Landes neue Pandekten anzulegen<a name="FNanchor_101_114" id="FNanchor_101_114" href="#Fn_101_114" class="fnanchor">101</a>. Beides sehr
-schön; nur ist eine nothwendige Bedingung nicht mit in Rechnung
-gebracht, die Fähigkeit nämlich wahre Erfahrungen zu machen.
-Denn man muß das klare, lebendige Bewußtseyn des Ganzen
-stets gegenwärtig haben, um von dem individuellen Fall wirklich
-lernen zu können, und es ist also wieder nur der theoretische,
-wissenschaftliche Sinn, wodurch auch die Praxis erst fruchtbar
-und lehrreich erscheint. Allerdings ist in dem Mannichfaltigen
-die Einheit enthalten, aber wir sehen sie darin nicht, wenn wir
-nicht den ausgebildeten Sinn für dieselbe<a name="savigny_128" id="savigny_128" class="f70">[128]</a> mit hinzu bringen:
-ja, wir werden ohne diesen Sinn die individuelle Gestalt des
-Mannichfaltigen selbst nicht mit Sicherheit unterscheiden. Darum
-hat in den Pandekten jeder Rechtsfall eine bestimmte Individualität:
-dagegen, wenn man Urtheilssprüche des achten und neunten
-Jahrhunderts liest, so lautet einer wie der andere, und es ist,
-als wenn sich nur immer derselbe Rechtsfall wiederholt hätte.
-Nicht als ob in der That die Verhältnisse selbst bis zu diesem
-Grad der Einförmigkeit herabgesunken wären; aber die Fähigkeit
-der Unterscheidung war verloren, und je mehr diese fehlt, desto
-unmöglicher ist sicheres und gleiches Recht. Ein treffliches Mittel
-zu dieser Annäherung der Theorie und Praxis würde ein zweckmäßiger
-Verkehr der Juristenfakultäten mit den Gerichtshöfen<a class="pagenum" name="Page_147" id="Page_147">[Pg 147]</a>
-seyn, welcher neuerlich vorgeschlagen ist<a name="FNanchor_102_115" id="FNanchor_102_115" href="#Fn_102_115" class="fnanchor">102</a>. Die Juristenfakultäten
-als Spruchcollegien konnten dazu dienen, und thaten es wohl ursprünglich
-nach ihrer Weise: aber nachdem sie zu allgemeinen
-Urtheilsfabriken geworden, mußte ihre Arbeit meist handwerksmäßiger
-ausfallen, als die der bessern Gerichte, ja es stand nun
-bey alten Fakultäten nicht mehr in der Macht einsichtsvoller Mitglieder,
-dieses Verhältniß zu reinigen; nicht zu gedenken, daß
-durch die nothwendige Uebung dieses unersprieslichen Handwerks
-der gelehrten Jurisprudenz die<a name="savigny_129" id="savigny_129" class="f70">[129]</a> besten Kräfte entzogen
-wurden und zum Theil noch entzogen werden. Zugleich ist diese
-Verknüpfung der Praxis mit einer lebendigen, sich stets fortbildenden
-Theorie das einzige Mittel, geistreiche Menschen für
-den Richterberuf wahrhaft zu gewinnen. Zwar Ehre und Rechtlichkeit
-kann der Richterstand auch ohne dieses haben, auch kann
-er sich fortwährend bilden durch Beschäftigungen außer seinem
-Beruf, wie sie jeden nach seiner Eigenthümlichkeit vorzugsweise
-ansprechen: aber ganz anders wird es seyn, wenn der eigene
-Beruf selbst durch seinen Zusammenhang mit dem Ganzen einen
-wissenschaftlichen Character annimmt, und selbst zu einem Bildungsmittel
-wird. Ein solcher Zustand allein wird alle Forderungen
-befriedigen können: der Einzelne wird nicht als bloßes Werkzeug
-dienen, sondern in freyem, würdigem Berufe leben, und die Rechtslehre
-wird wahre, kunstmäßige Vollendung erhalten. Auch die
-Franzosen haben dieses Bedürfniß anerkannt, nur freylich auf
-ihre eigene etwas unedle Weise.<a name="FNanchor_103_116" id="FNanchor_103_116" href="#Fn_103_116" class="fnanchor">103</a> Das nachtheiligste Verhältniß
-in dieser Rücksicht ist unläugbar dasjenige, worin der Richter
-darauf beschränkt seyn<a name="savigny_130" id="savigny_130" class="f70">[130]</a> soll, einen gegebenen Buchstaben,
-den er nicht interpretiren darf, mechanisch anzuwenden: betrachtet
-man dieses Verhältniß als den äußersten Punkt auf einer Seite,
-so würde das entgegen gesetzte äußerste darin bestehen, daß für
-jeden Rechtsfall der Richter das Recht zu finden hätte, wobey<a class="pagenum" name="Page_148" id="Page_148">[Pg 148]</a>
-durch die Sicherheit einer streng wissenschaftlichen Methode dennoch
-alle Willkühr ausgeschlossen wäre. Zu diesem zweyten Endpunkte
-aber ist wenigstens eine Annäherung möglich, und in ihm
-wäre die älteste Deutsche Gerichtsverfassung in verjüngter Form
-wieder erweckt.</p>
-
-<p>Ich bin oben von einem dreyfachen Bedürfniß ausgegangen:
-Rechtsquelle, Personal, und Prozeßform, alle in löblichem Zustande.
-Wie die Rechtsquelle auf gründlicher und verbreiteter
-Wissenschaft beruhen solle, ist gezeigt worden: desgleichen wie
-eben dadurch das Personal der Rechtspflege für diesen Beruf
-wahrhaft gewonnen werden könne. Allein beides wird allerdings
-nicht zureichen, wenn die Form des Prozesses schlecht ist. Von
-dieser Seite aber bedürfen manche Deutsche Länder einer schnellen
-und gründlichen Hülfe. Die allgemeinsten Gebrechen sind:
-Anarchie der Advokaten, Misbrauch der Fristen und ihrer Verlängerungen,
-Vervielfältigung der Instanzen und vorzüglich der
-Aktenversendung, die auf verständige Weise angewendet die trefflichsten
-Dienste leisten würde. Dagegen muß allerdings durch
-Gesetzgebung geholfen werden: auch ist gemeinsame Berathung<a name="savigny_131" id="savigny_131" class="f70">[131]</a>
-und Mittheilung der Deutschen Länder hierüber sehr
-wünschenswerth. Nur ist nicht nothwendig, daß gerade Eine allgemeine
-Form sogleich überall eingeführt werde. Mögen doch
-verschiedene Erfahrungen gemacht werden, was sich als das beste
-bewährt, wird dann wohl allgemeinen Eingang finden. Zwischen
-dem Preussischen und dem bisherigen gemeinen Prozeß, deren
-Idee man als entgegengesetzt betrachten kann, liegen noch manche
-Abstufungen in der Mitte, über deren Werth wohl nur Erfahrung
-entscheiden kann.</p>
-
-<p>Nach dieser Ansicht also würde in den Ländern des gemeinen
-Rechts zwar kein Gesetzbuch gemacht werden: aber die bürgerliche
-Gesetzgebung überhaupt ist damit keinesweges für entbehrlich erklärt.
-Außer den Gesetzen von politischem Grunde (welche nicht
-hierher gehören), würde sie ein doppeltes Object haben können:
-Entscheidung von Controversen, und Verzeichnis alter Gewohnheiten.
-Mit der gesetzlichen Entscheidung von Controversen wäre
-ein Haupteinwurf beseitigt, wodurch man bisher die praktische
-Anwendbarkeit des Römischen Rechts ohne weitere Untersuchung<a class="pagenum" name="Page_149" id="Page_149">[Pg 149]</a>
-zu widerlegen geglaubt hat. Ueberdem ist es aber mit diesen
-Controversen so schlimm in der That nicht. Man muß erstlich
-nicht gerade alles für controvers halten, woran sich irgend einmal
-Unwissenheit oder Geistlosigkeit versucht hat, ohne sonderlichen
-Eingang zu finden. Zweytens braucht sich<a name="savigny_132" id="savigny_132" class="f70">[132]</a> die Gesetzgebung
-auch mit solchen Controversen nicht zu bemühen, die zwar in
-unsern Lehrbüchern stehen, aber in der Praxis sehr selten vorkommen.
-Rechnet man beide Fälle ab, so bleibt allerdings noch
-manches zu thun übrig, allein der Code Napoleon, so jung er ist,
-kann sich darin schon recht gut neben dem Römischen Rechte sehen
-lassen. Diese Controversen indessen wären vielleicht besser in Form
-provisorischer Verfügungen oder Anweisungen an die Gerichte zu
-entscheiden, als durch eigentliche Gesetze, indem durch jene der
-möglichen besseren Ergründung durch Theorie weniger vorgegriffen
-würde. &ndash; Das zweyte Objekt der Gesetzgebung wäre die Verzeichnung
-des Gewohnheitsrechts, über welches auf diese Weise
-eine ähnliche Aufsicht wie in Rom durch das Edict ausgeübt würde.
-Man darf nicht glauben, daß so das bisher bestrittene Gesetzbuch
-doch wieder zugelassen würde, nur unter anderem Namen: der
-Unterschied betrifft vielmehr gerade das Wesen der Sache. Nämlich
-in dieses Gewohnheitsrecht wird nur dasjenige aufgenommen, was
-durch wirkliche Uebung entschieden ist, und dieses wird ohne Zweifel
-jetzt, da man diese Entscheidung vor sich hat, völlig begriffen: das
-Gesetzbuch dagegen ist genöthigt, über alles zu sprechen, auch wenn
-kein Trieb dazu da ist, und keine specielle Anschauung dazu fähig
-macht, blos in Erwartung künftiger möglicher Fälle. Daß über
-die Art der Ausführung dieser übrig bleibenden<a name="savigny_133" id="savigny_133" class="f70">[133]</a> Zweige
-bürgerlicher Gesetzgebung hier nicht gesprochen werden kann, wird
-jedem von selbst einleuchten.</p>
-
-<p>Ich habe bis jetzt für die Länder des gemeinen Rechts untersucht,
-welcher Weg für das bürgerliche Recht zunächst zu betreten
-ist, wenn dasselbe in einen löblichen Zustand kommen soll. Ich
-will noch das höhere Ziel hinzufügen, dessen Möglichkeit auf demselben
-Wege liegt. Ist einmal Rechtswissenschaft auf die hier
-beschriebene Weise Gemeingut der Juristen geworden, so haben
-wir in dem Stand der Juristen wiederum ein Subject für lebendiges
-Gewohnheitsrecht, also für wahren Fortschritt, gewonnen; von<a class="pagenum" name="Page_150" id="Page_150">[Pg 150]</a>
-diesem Gewohnheitsrecht war unser Gerichtsgebrauch nur ein
-kümmerliches Surrogat, am kümmerlichsten der Gerichtsgebrauch
-der Juristenfakultäten. Der historische Stoff des Rechts, der uns
-jetzt überall hemmt, wird dann von uns durchdrungen seyn und
-uns bereichern. Wir werden dann ein eigenes, nationales Recht
-haben, und eine mächtig wirksame Sprache wird ihm nicht fehlen.
-Das Römische Recht können wir dann der Geschichte übergeben,
-und wir werden nicht blos eine schwache Nachahmung Römischer
-Bildung, sondern eine ganz eigene und neue Bildung haben. Wir
-werden etwas höheres erreicht haben, als blos sichere und schnelle
-Rechtspflege: der Zustand klarer, anschaulicher Besonnenheit, welcher
-dem Recht jugendlicher Völker eigen zu seyn pflegt, wird sich<a name="savigny_134" id="savigny_134" class="f70">[134]</a>
-mit der Höhe wissenschaftlicher Ausbildung vereinigen. Dann
-kann auch für zukünftige schwächere Zeiten gesorgt werden, und
-ob dieses durch Gesetzbücher oder in anderer Form besser geschehe,
-wird dann Zeit seyn zu berathen. Daß dieser Zustand jemals
-eintreten werde, sage ich nicht: dieses hangt von der Vereinigung
-der seltensten und glücklichsten Umstände ab. Was wir Juristen
-hinzu bringen können, ist offener Sinn, und treue tüchtige Arbeit:
-haben wir diese gethan, so mögen wir den Erfolg ruhig abwarten,
-vor allem aber uns hüten, dasjenige zu zerstören, was näher zu
-jenem Ziele führen kann.</p>
-
-<p>Als das Jüdische Volk am Berge Sinai das göttliche Gesetz
-nicht erwarten konnte, machte es aus Ungeduld ein goldenes
-Kalb, und darüber wurden die wahren Gesetztafeln zerschlagen.</p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">9.<br/>
-
-Was bey vorhandenen Gesetzbüchern zu thun ist.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_135" id="savigny_135" class="f70">[135]</a></p>
-<p class="cap"> Ich komme nun zu den Deutschen Ländern, in welchen
-Gesetzbücher schon vorhanden sind: es versteht sich, daß darunter
-nur das Preussische Landrecht und das Oesterreichische Gesetzbuch
-gedacht werden kann, nicht der Code, welcher als eine überstandene
-politische Krankheit betrachtet werden muß, wovon wir
-freylich noch manche Uebel nachempfinden werden.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_151" id="Page_151">[Pg 151]</a></p>
-
-<p>Ueber jene Deutschen Gesetzbücher nun habe ich meine
-Meynung schon geäußert; aber man würde mich misverstehen,
-wenn man diese Meynung so deuten wollte, als ob damit die
-Abschaffung der Gesetzbücher für etwas wünschenswerthes erklärt
-wäre. Diese sind vielmehr als eigene, neue Thatsachen in der
-Geschichte des Rechts zu behandeln, und ihre Aufhebung würde
-nicht nur unvermeidlich große Verwirrung zur Folge haben,
-sondern es müßte auch nachtheilig auf den öffentlichen Geist
-wirken, wenn dasjenige, was mit der besten Absicht und großer
-Anstrengung kaum vollendet war, plötzlich zurückgenommen werden
-sollte. Auch tritt ein großer Theil des Uebels, welches aus
-einem allgemeinen Gesetzbuche folgen würde, bey ihnen nicht ein,
-so lange in<a name="savigny_136" id="savigny_136" class="f70">[136]</a> andern Deutschen Ländern das gemeine Recht
-fortdauert. Also von Aufhebung ist nicht die Rede, wohl aber
-ist ernstlich zu bedenken, wie die Uebel vermieden werden können,
-die bey unrichtiger Behandlung der Gesetzbücher eintreten dürften.</p>
-
-<p>Wen nämlich dasjenige, was über die Natur und Entstehung
-unsrer Gesetzbücher gesagt worden ist, überzeugt hat, der
-wird nicht zweifeln, daß dasselbe historisch begründete Rechtsstudium,
-welches vor ihrer Einführung nothwendig war, auch
-durch sie nicht im geringsten entbehrlicher geworden ist, und daß
-insbesondere gar nichts geleistet wird, wenn man glaubt, sich um
-ihretwillen nun mit einer oberflächlichen Darstellung des bisherigen
-Rechts behelfen zu können. Diese fortdauernde Nothwendigkeit
-ist für die unmittelbare Anwendung dringender bey
-dem Oesterreichischen Gesetzbuch (S. <a href="#savigny_108">108</a>): aber sie ist aus anderen
-Gründen auch bey dem Preussischen Landrecht nicht geringer.
-Die häufig gehegte Erwartung also, daß das Rechtsstudium dadurch
-leichter und einfacher werden könne, ist irrig: soll es nicht
-schlecht und für den gegebenen Rechtszustand unzureichend werden
-(denn alsdann ist jeder Grad der Vereinfachung möglich), so
-bleibt alle vorige Arbeit, und es kommt noch eine neue hinzu,
-die wegen Zerstörung der ursprünglichen Form unerfreulicher ist,
-als die vorige. Aber nicht blos für die gründliche Kenntniß
-und Anwendung der Gesetzbücher ist das vorige<a name="savigny_137" id="savigny_137" class="f70">[137]</a> Studium
-unentbehrlich, sondern auch für ihre Fortbildung und Vervollkommnung,
-die doch jeder für nothwendig erkennen wird, er mag<a class="pagenum" name="Page_152" id="Page_152">[Pg 152]</a>
-auch den Werth derselben noch so hoch anschlagen. Denn die
-Gesetzbücher selbst sind auf theoretischem Wege entstanden, und
-nur auf diesem Wege können sie mit Sicherheit geprüft, gereinigt
-und vervollkommt werden. Für diese Arbeit scheint ein bloßes
-Collegium von Geschäftsmännern, die durch ihren Beruf und die
-Menge übriger Arbeiten ihren lebendigen Verkehr mit der Theorie
-zu beschränken genöthigt sind, nicht hinreichend. Auch die fortgesetzte
-Prüfung des Gesetzbuchs durch Achtsamkeit der Gerichte
-auf die Anwendung ist zwar vortrefflich, aber nicht hinlänglich:
-viele Mängel werden auf diesem Wege entdeckt werden können,
-dennoch bleibt der Weg selbst zufällig, und eben so viele Mängel
-können von ihm unberührt bleiben. Die Theorie steht zur Praxis
-nicht ganz in demselben Verhältniß, wie ein Rechnungsexempel
-zu seiner Probe.</p>
-
-<p>Es ist interessant, zu betrachten, wie man in den Staaten,
-worin Gesetzbücher eingeführt sind, das Studium angesehen und
-geordnet hat. Dabey mag denn auch wieder der Zustand der
-Dinge in Frankreich, und zwar die gegenwärtige Einrichtung der
-Pariser Rechtsschule, in Betracht kommen<a name="FNanchor_104_117" id="FNanchor_104_117" href="#Fn_104_117" class="fnanchor">104</a>. Zu dieser<a name="savigny_138" id="savigny_138" class="f70">[138]</a>
-Schule gehören drey Professoren für den Code, einer für den
-Prozeß, einer für das Römische Recht, und diese sollen sich in
-jeder Rechtsschule finden; aber Paris hat noch außerdem zwey
-besondere Lehrstellen, für den <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">code civil approfondi</span> und für den
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">code de commerce.</span> Criminalrecht und Criminalprozeß, Rechtsgeschichte
-und altfranzösisches Recht werden nicht gelesen. Jeder
-Professor hält stets Einen Cursus, welcher einjährig ist (mit Abzug
-von 3 Monaten Ferien in Paris, an andern Orten aber nur
-von 2 Monaten), und wöchentlich aus drey anderthalbstündigen
-Vorlesungen besteht: dieser Umfang ist bey allen Vorlesungen derselbe.
-Der Code also wird in drey solchen Cursen gelehrt, indem
-jeder Lehrer nur ein Drittheil des Ganzen abhandelt. Jeder
-Professor hat einen suppléant, der für ihn eintritt, wenn er zu
-lesen verhindert ist. Das Römische Recht las <cite>Berthelot</cite> über
-die Institutionen des <cite>Heineccius</cite>, denen er eine französische
-Uebersetzung beygegeben hatte, damit die Zuhörer sie verstehen<a class="pagenum" name="Page_153" id="Page_153">[Pg 153]</a>
-könnten; seit <cite>Berthelots</cite> Tode liest es dessen bisheriger
-suppléant <cite>Blondeau</cite>, aber, was man nicht glauben sollte,
-über den Code, indem er bey jedem Artikel die Abweichungen
-bemerkt. Der Baccalaureus muß zwey Jahre, der Licentiat
-drey, der Doctor vier Jahre studiert haben; dem ersten
-ist der Cursus des Römischen Rechts vorgeschrieben, für den
-zweyten ist dessen Wiederholung eigenem Gutdünken überlassen,
-dem<a name="savigny_139" id="savigny_139" class="f70">[139]</a> dritten ist diese Wiederholung wiederum vorgeschrieben:
-was aber wohlgemerkt immer nur die Wiederholung derselben
-Institutionen bey demselben Lehrer ist. Es wird nicht nöthig
-seyn, nach dem, was bisher ausgeführt worden ist, noch besondere
-Grunde gegen diesen Studienplan vorzubringen; aber besonders
-merkwürdig ist der greifliche Zirkel, worin man sich befindet.
-Die Redactoren selbst haben oft erklärt, daß der Code zur Anwendung
-nicht hinreiche, sondern für diese die Ergänzung durch
-Wissenschaft nothwendig sey. Und doch dreht sich der wissenschaftliche
-Unterricht wieder ganz um den Code, denn das wenige
-Römische Recht ist gar nicht zu rechnen. Welches ist denn also
-die factische Grundlage dieser Wissenschaft? ohne Zweifel der
-Gerichtsgebrauch, derselbe Gerichtsgebrauch, dessen Verschiedenheit
-aufzuheben das wichtigste Bestreben schien, und der durch Auflösung
-der alten Gerichte und Vermischung ihrer Sprengel alle
-Haltung verloren hat! Daß nun ein solcher Zustand nicht stehen
-bleibt, sondern immer weiter rückwärts führt, ist handgreiflich.
-Es liegt in der Natur, daß in jedem Zeitalter der Zustand der
-Rechtswissenschaft durch den Wert desjenigen bestimmt wird,
-was dieses Zeitalter als nächstes Object des Studiums in der
-That (wenn gleich nicht immer den Worten nach) betrachtet und
-behandelt; stets wird die Rechtswissenschaft etwas und vielleicht
-viel tiefer stehen, als dieses Object. So z. B. hatten die ersten<a name="savigny_140" id="savigny_140" class="f70">[140]</a>
-Glossatoren den Vortheil, daß sie aus den Quellen selbst
-zu schöpfen genöthigt waren, diese waren also ihr Object;
-Bartolus dagegen hatte schon die Schriften der Glossatoren zum
-Object, die sich nunmehr zwischen die gegenwärtigen Juristen
-und die Quellen gestellt hatten, und dieses ist ein Hauptgrund,
-warum die Schule des Bartolus so viel schlechter ist, als die
-der Glossatoren. Derselbe Rückschritt wird überall statt finden,<a class="pagenum" name="Page_154" id="Page_154">[Pg 154]</a>
-wo nicht der Grundsatz befolgt wird, jeden Stoff bis zu seiner
-Wurzel zu verfolgen, welcher Grundsatz oben als der Character
-der historischen Methode angegeben worden ist. So denn auch
-bey dem Code; wenn z. B. einer der Redactoren auch die übertriebenste
-Meynung vom Werthe des Code hegte, so würde er
-doch im Vertrauen bekennen, daß er selbst höher stehe, als dieses
-sein Werk: er würde einräumen, daß er selbst seine Bildung unabhängig
-von dem Code erhalten habe, und daß die gegenwärtige
-Generation, die durch den Code erzogen werden soll, nicht auf
-den Punkt kommen würde, worauf er selbst steht, und worauf
-er fähig war, ein solches Werk hervorzubringen. Diese einfache
-Ueberlegung wird dasselbe Resultat überall haben, wo man mit
-Einführung des neuen Gesetzbuchs zugleich das vorige Studium
-zerstört, gleichsam die Brücke hinter sich abwerfend, auf welcher
-man über den Strom gekommen ist.</p>
-
-<p>Die neue Oesterreichische Studienordnung (von<a name="savigny_141" id="savigny_141" class="f70">[141]</a> 1810)
-verbindet das juridische und politische Studium zu einem Ganzen<a name="FNanchor_105_118" id="FNanchor_105_118" href="#Fn_105_118" class="fnanchor">105</a>,
-welches in vier Jahren dergestalt geendigt wird, daß diese ganze
-Zeit hindurch täglich drey Stunden den Vorlesungen bestimmt
-sind<a name="FNanchor_106_119" id="FNanchor_106_119" href="#Fn_106_119" class="fnanchor">106</a>. Jeder Lehrgegenstand wird nur einmal gehört. Deutsches
-Recht kommt nicht vor, ohne Zweifel deshalb, weil es auch vor
-dem neuen Gesetzbuch in Oesterreich wenig verbreitet war<a name="FNanchor_107_120" id="FNanchor_107_120" href="#Fn_107_120" class="fnanchor">107</a>. Dagegen
-wird allerdings Römisches Recht gelehrt, und die Gründe,
-welche die Aufnahme desselben in den Lehrplan bewirkt haben,
-sind die trefflichsten und liberalsten. Der erste ist die Entstehung
-des neuen Gesetzbuchs aus dem Römischen Recht: der zweyte,
-daß das bisherige gemeine Recht (und besonders der Römische
-Theil desselben) zu jeder positiven Rechtswissenschaft in einem
-ähnlichen Verhältniß stehe, wie die alten Sprachen zur allgemeinen
-Bildung: nämlich als das eigentlich gelehrte Element, wodurch<a class="pagenum" name="Page_155" id="Page_155">[Pg 155]</a>
-unser Fach zur Wissenschaft werde, und zugleich als das<a name="savigny_142" id="savigny_142" class="f70">[142]</a>
-Gemeinsame unter den Juristen verschiedener Völker<a name="FNanchor_108_121" id="FNanchor_108_121" href="#Fn_108_121" class="fnanchor">108</a>. Diese Ansicht,
-die ohne Zweifel die der Studiencommission selbst ist<a name="FNanchor_109_122" id="FNanchor_109_122" href="#Fn_109_122" class="fnanchor">109</a>,
-verdient gewiß den größten Beyfall: allein ob die gewählten
-Mittel zu diesem anerkannten Zweck hinreichen, muß ich bezweifeln.
-Zwar soll der Lehrer des Römischen Rechts eine Geschichte desselben
-voraus schicken, und dahin trachten, daß der Zuhörer »das System
-desselben in seinen Grundzügen und aus seinen Quellen kennen
-lerne«<a name="FNanchor_110_123" id="FNanchor_110_123" href="#Fn_110_123" class="fnanchor">110</a>: allein bey der vorgeschriebenen beschränkten Zeit ist es
-ganz unmöglich, mehr als gewöhnliche Institutionen vorzutragen,
-da für das ganze Fach nur eine halbjährige Vorlesung von zwey
-Stunden täglich (nach schriftlichen Nachrichten eigentlich neun
-Stunden die Woche) bestimmt ist, also genau dieselbe Zeit wie
-in Paris. Was in einer so kurzen Zeit möglich ist, kann jeder
-leicht berechnen: auch ist bereits ein Lehrbuch für die Vorlesungen
-nach diesem Plane erschienen<a name="FNanchor_111_124" id="FNanchor_111_124" href="#Fn_111_124" class="fnanchor">111</a>, an welchem deutlich zu sehen ist,
-wie unbefriedigend dieser Unterricht bleiben muß, und gewiß
-ohne Schuld des Verfassers, dessen Fleiß und Kenntniß neuerer
-Fortschritte der Rechtswissenschaft<a name="savigny_143" id="savigny_143" class="f70">[143]</a> vielmehr das beste Lob
-verdient. Es käme nur darauf an, sich von der Unzulänglichkeit
-dieses Planes zu überzeugen, und dabey die Erfahrung anderer
-Deutschen Länder unbefangen zu Rathe zu ziehen: an Mitteln
-zu einer andern Einrichtung würde es nicht fehlen, am wenigsten
-an Zeit. Der Plan ist darauf berechnet, daß jeder Studierende
-täglich drey Stunden höre; nimmt man anstatt dessen fünf
-Stunden an, so werden in vier Jahren 16 einfache Collegien
-gewonnen, und es können dann nicht nur alle zum gelehrten
-Studium unentbehrliche Fächer, sondern auch die Hauptvorlesungen
-bey mehreren Lehrern gehört werden, wodurch erst rechtes Leben
-in den Unterricht der Universitäten kommt. Zwar glaubte man,
-daß fünf Stunden täglich nach der Localität zu viel sey, indem
-es z. B. zu viel Anstrengung kosten würde, drey Stunden un<a class="pagenum" name="Page_156" id="Page_156">[Pg 156]</a>unterbrochen zu hören<a name="FNanchor_112_125" id="FNanchor_112_125" href="#Fn_112_125" class="fnanchor">112</a>: allein ich berufe mich auch hierüber auf
-die Erfahrung anderer Deutschen Universitäten, wo dieses niemals
-die geringste Schwierigkeit macht. Davon, daß es Universitäten
-giebt, wo manche Studenten 10-11 Stunden täglich hören, will
-ich nicht sprechen, denn dieses wird auch dort für einen sehr
-schädlichen Misbrauch erkannt, dem man entgegen zu arbeiten sucht.</p>
-
-<p><a name="savigny_144" id="savigny_144" class="f70">[144]</a> In den Preußischen Staaten ist auch seit Einführung
-des Landrechts niemals eine Studienordnung vorgeschrieben
-worden, und diese durch alte Erfahrung Deutscher Universitäten
-bewährte Freyheit ist stets unversehrt geblieben. Auch die Anzahl
-der Lehrer, wie sie vorher durch das gemeine Recht nöthig
-war, ist nicht vermindert worden, und die Curatoren der Universitäten
-haben niemals in den Lehrern oder den Studierenden
-die Meynung erregt, als wäre ein Theil der vorher nöthigen
-Vorlesungen für entbehrlich zu achten. Ursprünglich hielt man
-es für räthlich, daß auf jeder Universität wenigstens Eine Hauptstelle
-für das Preußische Recht bestimmt würde, und es wurde
-ein ansehnlicher Preiß für das beste Lehrbuch ausgesetzt<a name="FNanchor_113_126" id="FNanchor_113_126" href="#Fn_113_126" class="fnanchor">113</a>. Allein
-selbst dieses wurde in der Folge nicht mehr befördert, wie denn
-die Universität zu Berlin das Preußische Recht bis jetzt nicht
-gelehrt hat. Dieselbe Ansicht liegt den eingeführten Prüfungen
-zum Grunde, indem die erste Prüfung, bey dem Eintritt in wirkliche
-Geschäfte, blos auf gemeines Recht gerichtet wird: die nächste
-Zeit ist nun für die unmittelbar praktische Bildung des Rechtsgelehrten
-bestimmt<a name="FNanchor_114_127" id="FNanchor_114_127" href="#Fn_114_127" class="fnanchor">114</a>, und erst die nun folgenden zwey Prüfungen<a name="savigny_145" id="savigny_145" class="f70">[145]</a>
-haben auch das Landrecht zum Gegenstande, jedoch ohne
-daß das gemeine Recht dabey ausgeschlossen wäre. Offenbar
-ist also gegenwärtig die Bildung des Juristen, als aus zwey
-Hälften bestehend, gedacht, so daß die erste Hälfte (die Universität)
-nur die gelehrte Grundlage, die zweyte dagegen die
-Kenntniß des Landrechts, die des Preußischen Prozesses, und die
-praktische Fertigkeit zur Aufgabe hat. Dafür, daß die erste Hälfte
-nicht aus Bequemlichkeit verkürzt werde, hat man nicht durch eine<a class="pagenum" name="Page_157" id="Page_157">[Pg 157]</a>
-specielle Studienordnung gesorgt, wohl aber erstlich durch das
-vorgeschriebene Triennium<a name="FNanchor_115_128" id="FNanchor_115_128" href="#Fn_115_128" class="fnanchor">115</a>, so daß die Anwendung dieser Zeit,
-wie billig, der eigenen Wahl und dem Rathe der Lehrer überlassen
-blieb; zweytens durch die Vorschrift, bey der Zulassung
-zum Staatsdienste auch auf das Zeugniß der Universitätslehrer,
-und selbst auf das frühere Schulzeugniß, Rücksicht zu nehmen<a name="FNanchor_116_129" id="FNanchor_116_129" href="#Fn_116_129" class="fnanchor">116</a>.
-Man muß bedenken, mit welchem Ernst und welcher Anstrengung
-das Landrecht gemacht worden ist, um die ganze Achtung zu
-empfinden, welche diesem Verfahren der Preußischen Regierung
-gebührt. Denn auch bey der festen Ueberzeugung, daß das neu
-eingeführte ein unbedingter<a name="savigny_146" id="savigny_146" class="f70">[146]</a> Fortschritt sey, hat sie dennoch
-mit edler Scheu sich enthalten, der fest gewurzelten wissenschaftlichen
-Gewohnheit zu gebieten, die durch das Bedürfniß und die
-Einsicht der Zeiten allmählich entstanden und entwickelt war.
-Rühmliche Erwähnung verdient auch der gründliche Sinn des
-Kammergerichts, auf dessen Veranlassung im Jahr 1801. den
-juristischen Fakultäten der Gebrauch lateinischer Lehrbücher
-empfohlen wurde, weil seit Einführung der Deutschen Lehrbücher
-die juristische Kunstsprache den Juristen weniger geläufig war<a name="FNanchor_117_130" id="FNanchor_117_130" href="#Fn_117_130" class="fnanchor">117</a>;
-noch sicherer und vollständiger als durch Lehrbücher dürfte freylich
-dieser Zweck durch die Quellen selbst erreicht werden. &ndash; Was
-insbesondere die Vorlesungen über das Landrecht betrifft, so
-glaube ich allerdings, daß diese in der gegenwärtigen Lage besser
-nicht gehalten werden, indem zum praktischen Bedürfniß die spätere
-Einübung hinreicht, eine wissenschaftliche Seite aber dem Gegenstande
-abzugewinnen, aus Mangel an speciellen geschichtlichen
-Quellen, schwer seyn dürfte. Anders würde es vielleicht seyn,
-wenn der oben (S. <a href="#savigny_94">94</a>) ausgesprochene Wunsch öffentlicher Mittheilung
-von Materialien des Landrechts in Erfüllung gehen sollte.</p>
-
-<p>Betrachten wir nun nochmals die drey genannten Gesetzbücher
-im Zusammenhang, und in besonderer Beziehung auf das
-Studium des Rechts, so ist<a name="savigny_147" id="savigny_147" class="f70">[147]</a> einleuchtend, daß ein eigen<a class="pagenum" name="Page_158" id="Page_158">[Pg 158]</a>thümliches wissenschaftliches Leben aus ihnen nicht entspringen
-kann, und daß sich auch neben ihnen wissenschaftlicher Geist nur
-in dem Maaße lebendig erhalten wird, als die geschichtlichen
-Quellen dieser Gesetzbücher selbst fortwährend Gegenstand aller
-juristischen Studien bleiben. Derselbe Fall aber müßte unfehlbar
-eintreten, wenn wir ein Gesetzbuch für Deutschland aufstellen
-wollten. <cite>Thibaut</cite>, welcher dieses anräth, will, wie sich bey
-ihm von selbst versteht, nicht die Wissenschaftlichkeit aufheben,
-vielmehr hofft er gerade für diese großen Gewinn. Welches nun
-die Basis der künftigen Rechtsstudien seyn soll, ob (wie in
-Preußen) die alten Quellen, oder (wie in Frankreich und Oesterreich)
-das neue Gesetzbuch selbst, sagt er nicht deutlich, doch
-scheint mehr das letzte seine Meynung<a name="FNanchor_118_131" id="FNanchor_118_131" href="#Fn_118_131" class="fnanchor">118</a>. Ist aber dieses der
-Fall, so fordere ich jeden auf, bey sich zu erwägen, ob auf eines
-der drey schon vorhandenen neuen Gesetzbücher, unabhängig von
-den Quellen des bisherigen Rechts und dieser Gesetzbücher selbst,
-eine wirklich lebendige Rechtswissenschaft möglicherweise gegründet
-werden könne. Wer aber dieses nicht für möglich erkennt, der
-kann es auch nicht für das vorgeschlagene Gesetzbuch behaupten.
-Denn ich halte es, aus den oben entwickelten Gründen, für ganz
-unmöglich, daß dasselbe von den bisherigen<a name="savigny_148" id="savigny_148" class="f70">[148]</a> Gesetzbüchern
-nicht blos durch Vermeidung einzelner Mängel (was allerdings
-gedacht werden kann), sondern generisch verschieden ausfalle;
-ohne eine solche generische Verschiedenheit aber wird die Untauglichkeit
-zu Begründung einer selbstständigen Rechtswissenschaft
-stets dieselbe seyn. Was alsdann eintreten wird, läßt sich leicht
-vorhersehen. Wir werden entweder gar keine juristische Literatur
-haben, oder (was wahrscheinlicher ist) eine so flache, fabrikmäßige,
-unerträgliche, wie sie uns unter der Herrschaft des Code zu überschütten
-angefangen hatte, und wir werden dann alle Nachtheile
-eines cultivirten, verwickelten, auf literarisches Bedürfniß gebauten
-Zustandes empfinden, ohne durch die eigenthümlichen
-Vortheile desselben entschädigt zu werden. Ja, um alles mit
-Einem Worte zu sagen, es könnte leicht kommen, daß der Zustand
-des bürgerlichen Rechts bey uns schlechter würde, als er in<a class="pagenum" name="Page_159" id="Page_159">[Pg 159]</a>
-Frankreich ist; denn das Streben nach wissenschaftlicher Begründung
-gehört nicht zu den nationalen Bedürfnissen der
-Franzosen, wohl aber zu den unsrigen, und ein so tief wurzelndes
-Bedürfniß läßt sich nicht ungestraft hintansetzen.</p>
-
-<p>Wollte man dagegegen die Rechtswissenschaft auch neben dem
-neuen Gesetzbuch auf die alten Quellen gründen, so würden die
-oben<a name="FNanchor_119_132" id="FNanchor_119_132" href="#Fn_119_132" class="fnanchor">119</a> angegebenen Schwierigkeiten eintreten, und man würde
-das Studium, anstatt es zu vereinfachen, vielmehr verwickeln<a name="savigny_149" id="savigny_149" class="f70">[149]</a>
-und weniger belohnend einrichten, also dem wahren Zwecke gerade
-entgegen arbeiten. Man möchte etwa glauben, der Erfolg würde
-ganz derselbe seyn, wie er bey einem ähnlichen Verfahren in den
-Preussischen Staaten wirklich vor Augen liegt, wo gewiß das
-Personal der Rechtspflege trefflich ist und allgemeine Achtung
-genießt und verdient; aber auch diese Erwartung halte ich für
-eine leere Täuschung. Denn zwey Umstände dürfen dabey nicht
-übersehen werden, die den Erfolg in anderen Deutschen Ländern
-leicht ungünstiger bestimmen dürften: erstlich, daß der allgemeine
-Character der Preußischen Einrichtungen auch dieser einzelnen
-Einrichtung zusagt, und ihre Ausführung in gesundem Zustande
-erhält, was sich in anderen Deutschen Ländern schwerlich so zeigen
-würde: zweytens aber und weit mehr dieses, daß selbst in den
-Preussischen Staaten die Lage des Rechts durch das vorgeschlagene
-Gesetzbuch der übrigen Deutschen Länder anders werden würde.
-Denn die Bildung der Preußischen Juristen wird begründet auf
-den Universitäten, also durch die Quellen des gemeinen Rechts:
-das Studium auf den Universitäten also macht mit dem der
-übrigen Deutschen Ein Ganzes aus. Es ist aber nicht zu bestimmen,
-wie viel Lebenskraft dieses Studium noch dadurch zieht,
-daß seine Quellen im übrigen Deutschland geltendes Recht sind,
-und wie ihm allmählich Kraft und Leben schwinden würde, wenn
-diese Quellen überall unmittelbar<a name="savigny_150" id="savigny_150" class="f70">[150]</a> zu gelten aufhören sollten.
-Dann also würde durch das Deutsche Gesetzbuch selbst für die
-Preussischen Staaten das Studium entkräftet seyn, und gegen
-dieses zu befürchtende Uebel kann uns begreiflich die Erfahrung
-nicht sicher stellen, die bis jetzt der Preussische Staat gemacht hat.</p>
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_160" id="Page_160">[Pg 160]</a></p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">10.<br />
-
-Das Gemeinsame.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_151" id="savigny_151" class="f70">[151]</a></p>
-<p class="cap"> Die Folge dieser Ansichten ist, daß das wissenschaftliche
-Studium des Rechts, als welchem alle Erhaltung und Veredlung
-desselben obliegt, in beiderley Ländern, denen die Gesetzbücher
-haben, und die sie nicht haben, dasselbe seyn müsse. Ja
-nicht auf das gemeine Recht allein beschränke ich diese Gemeinschaft,
-sie muß vielmehr auch auf die Landesrechte erstreckt werden
-aus zwey Gründen. Erstlich weil die Landesrechte großentheils
-nur durch Vergleichung und durch Zurückführung auf alte nationale
-Wurzeln verstanden werden können: zweytens weil schon an sich
-alles geschichtliche der einzelnen Deutschen Länder für die ganze
-Nation ein natürliches Interesse hat. Daß die Landesrechte bisher
-am wenigsten auf diese Weise behandelt worden sind, wird
-niemand läugnen<a name="FNanchor_120_133" id="FNanchor_120_133" href="#Fn_120_133" class="fnanchor">120</a>; aber viele Gründe lassen für die Zukunft
-allgemeinere Theilnahme an der vaterländischen Geschichte hoffen,
-und davon wird auch das Studium der Landesrechte belebt werden,
-die eben so wenig als das gemeine Recht dem blosen Handwerk
-anheim fallen dürfen. Und so führt unsre Ansicht auf einem anderen<a name="savigny_152" id="savigny_152" class="f70">[152]</a>
-Wege zu demselben Ziel, welchem die Freunde des
-allgemeinen Gesetzbuchs nachstreben, aus dem bürgerlichen Recht
-nämlich eine gemeinsame Angelegenheit der Nation, und damit zugleich
-eine neue Befestigung ihrer Einheit zu machen; nur führt unsre
-Ansicht vollständiger dahin, indem sie in der That alle Deutschen
-Lande umfaßt, während durch das vorgeschlagene Gesetzbuch Deutschland
-in drey große Ländermassen zerfallen würde, die durch das
-bürgerliche Recht sogar schärfer als vorhin geschieden wären:
-Oesterreich nämlich, Preußen, und die Länder des Gesetzbuchs<a name="FNanchor_121_134" id="FNanchor_121_134" href="#Fn_121_134" class="fnanchor">121</a>.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_161" id="Page_161">[Pg 161]</a></p>
-
-<p>Daß nun diese Gemeinschaft des bürgerlichen Rechts in
-allen wirklichen Einrichtungen anerkannt und vorausgesetzt werde,
-halte ich eben wegen jener durch sie mit zu begründenden Vereinigung
-für eine der wichtigsten Angelegenheiten der Nation.
-Wie es keine Preussische und Bairische Sprache oder Literatur
-giebt, sondern eine Deutsche, so ist es auch mit den Urquellen
-unsres Rechts und mit deren geschichtlicher<a name="savigny_153" id="savigny_153" class="f70">[153]</a> Erforschung;
-daß es so ist, hat kein Fürst mit Willkühr gemacht, und keiner
-kann es hindern, nur kann es verkannt werden: aber jeder
-Irrthum über das, was wahrhaft der Nation angehört, und
-fälschlich als dem einzelnen Stamme eigen behandelt wird, bringt
-Verderben.</p>
-
-<p>Sehen wir nun um uns, und suchen ein Mittel, wodurch
-dieses gemeinsame Studium äußerlich begründet und befördert
-werden könne, so finden wir ein solches, nicht mit Willkühr ersonnen,
-sondern durch das Bedürfniß der Nation seit Jahrhunderten
-bereitet, in den Universitäten. Die tiefere Begründung
-unsres Rechts, und vorzüglich des vaterländischen, für welches
-noch am meisten zu thun ist, ist von ihnen zu erwarten, aber
-auch mit Ernst zu fordern. Allein damit sie diesem Beruf ganz
-genügen könnten, müßte ein Wunsch erfüllt werden, in welchen
-gewiß auch diejenigen herzlich einstimmen werden, welchen bis
-jetzt unsre Ansicht entgegen gesetzt war. Oesterreich, Baiern und
-Würtemberg, diese trefflichen, gediegenen Deutschen Stämme,
-stehen (theils von jeher, theils gegenwärtig) mit dem übrigen
-Deutschland nicht in dem vielseitigen Verkehr des Universitätsunterrichts,
-welcher den übrigen Ländern so großen Vortheil
-bringt; theils Gewohnheit, theils beschränkende Gesetze hemmen
-diesen Verkehr. Die Erfahrung dieser letzten Zeit hat gezeigt,
-welches Zutrauen die Deutschen Völker zu einander fassen dürfen,<a name="savigny_154" id="savigny_154" class="f70">[154]</a>
-und wie nur in der innigsten Vereinigung ihr Heil
-ist. Darum scheint es an der Zeit, daß jener Verkehr nicht nur
-völlig frey gestattet, sondern auf alle Weise begünstigt und befördert
-werde: für gefährlich kann ihn jetzt niemand halten, und
-wie er wohlthätig für die Verbrüderung der Völker wirken könne,
-muß jedem einleuchten. Aber nicht blos politisch würde dieser
-unbeschränkte und vielseitige Verkehr höchst wichtig seyn, sondern<a class="pagenum" name="Page_162" id="Page_162">[Pg 162]</a>
-auch noch mehr für den innern, wissenschaftlichen Werth der
-Lehranstalten selbst. Wie sich bey dem allgemeinen Welthandel
-ein irriges Münzsystem einzelner Staaten nicht halten kann, ohne
-bald in schlimmen Folgen empfunden und entdeckt zu werden, so
-würde eine mangelhafte Einrichtung einzelner Universitäten durch
-diesen erwünschten Verkehr bald erkannt und verbessert werden
-können; alle Universitäten würden sich gegenseitig halten und
-heben, und die Erfahrung einer jeden würde ein Gemeingut
-aller werden.</p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">11.<br />
-
-Thibauts Vorschlag.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_155" id="savigny_155" class="f70">[155]</a></p>
-<p class="cap"> <cite>Thibaut</cite> versichert im Eingang seiner Schrift, daß
-er als warmer Freund seines Vaterlandes rede, und gewiß, er
-hat ein Recht, dieses zu sagen. Denn er hat zur Zeit des Code
-in einer Reihe von Recensionen auf die Würde der Deutschen
-Jurisprudenz gehalten, während Manche die neue Weisheit,
-Manche selbst die Herrschaft, wozu diese führte, mit thörichtem
-Jubel begrüßten. Auch das Ziel seines Vorschlags, die festere,
-innigere Vereinigung der Nation, bestätigt diese gute Gesinnung,
-die ich mit Freuden anerkenne. Bis auf diesen Punkt also sind
-wir einig, und darum ist unser Streit kein feindseeliger, uns
-liegt derselbe Zweck ernsthaft am Herzen, und wir berathen und
-besprechen uns über die Mittel. Aber freylich über diese Mittel
-sind unsre Ansichten sehr entgegen gesetzt. Vieles davon ist schon
-oben im Zusammenhang dieser Schrift abgehandelt worden, der
-eigentliche Vorschlag selbst ist nun noch zu prüfen.</p>
-
-<p><cite>Thibaut</cite> nimmt an, das vorgeschlagene Gesetzbuch könne in
-zwey, drey, vier Jahren gemacht werden<a name="FNanchor_122_135" id="FNanchor_122_135" href="#Fn_122_135" class="fnanchor">122</a>, nicht als bloser Behelf,
-sondern als ein<a name="savigny_156" id="savigny_156" class="f70">[156]</a> Ehrenwerk, welches als Heiligthum auf
-Kinder und Kindeskinder vererbt werden möge<a name="FNanchor_123_136" id="FNanchor_123_136" href="#Fn_123_136" class="fnanchor">123</a>, und woran
-auch in Zukunft nur noch in einzelnen Stellen nachzubessern seyn
-würde<a name="FNanchor_124_137" id="FNanchor_124_137" href="#Fn_124_137" class="fnanchor">124</a>. Für leicht hält er die Arbeit keinesweges, vielmehr für<a class="pagenum" name="Page_163" id="Page_163">[Pg 163]</a>
-das schwerste unter allen Geschäften<a name="FNanchor_125_138" id="FNanchor_125_138" href="#Fn_125_138" class="fnanchor">125</a>. Natürlicherweise ist die
-Hauptfrage die, wer dieses Werk machen soll, und dabey ist es
-höchst wichtig, daß wir uns nicht durch übertriebene Erwartungen
-von der Gegenwart täuschen lassen, sondern ruhig und unparteyisch
-überschlagen, welche Kräfte uns zu Gebote stehen. Dieses hat
-auch <cite>Thibaut</cite> gethan; auf zwey Classen von Arbeitern müssen
-wir rechnen, Geschäftsmänner und Juristen von gelehrtem Beruf,
-und beide verlangt, wie sich von selbst versteht, auch er. Aber
-von den Geschäftsmännern im einzelnen ist seine Erwartung sehr
-mäßig<a name="FNanchor_126_139" id="FNanchor_126_139" href="#Fn_126_139" class="fnanchor">126</a>, und auch auf die Gelehrten setzt er nach einigen Äußerungen
-keine übertriebene Hoffnung<a name="FNanchor_127_140" id="FNanchor_127_140" href="#Fn_127_140" class="fnanchor">127</a>. Eben deshalb fordert er
-eine collegialische Verhandlung: nicht Einer, auch nicht Wenige,
-sondern Viele und aus allen Ländern sollen das Gesetzbuch
-machen<a name="FNanchor_128_141" id="FNanchor_128_141" href="#Fn_128_141" class="fnanchor">128</a>.</p>
-
-<p>Allerdings giebt es Geschäfte im Leben, worin sechs Menschen
-genau sechsmal so viel ausrichten als Einer, andere worin sie
-sogar mehr, noch andere<a name="savigny_157" id="savigny_157" class="f70">[157]</a> dagegen worin sie weit weniger
-als dieses leisten. Das Gesetzbuch nun ist eine solche Arbeit,
-worin die vereinigte Kraft Vieler keinesweges eine nach Verhältniß
-erhöhte Kraft seyn würde. Noch mehr: es wird als
-ein löbliches, treffliches Werk auf diesem Wege gar nicht entstehen
-können, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es
-nach seiner Natur weder eine einzelne Bestimmung, noch ein
-Aggregat solcher einzelnen Bestimmungen ist, sondern ein organisches
-Ganze. Ein Richtercollegium z. B. ist deshalb möglich, weil
-über Condemnation oder Absolution in jedem einzelnen Fall die
-Stimmen abgegeben und gezählt werden können. Daß damit
-die Verfertigung des Gesetzbuchs keine Aehnlichkeit hat, leuchtet
-von selbst ein. Ich komme auf dasjenige zurück, was oben erörtert
-worden ist. Unter den Römern zur Zeit des <cite>Papinian</cite> war
-ein Gesetzbuch möglich, weil ihre gesammte juristische Literatur selbst
-ein organisches Ganze war: man könnte (mit einem Kunstausdruck
-der neueren Juristen) sagen, daß damals die einzelnen Juristen
-fungible Personen waren. In einer solchen Lage gab es sogar mehrere<a class="pagenum" name="Page_164" id="Page_164">[Pg 164]</a>
-Wege, die zu einem guten Gesetzbuch führen konnten: entweder
-Einer konnte es machen, und die Andern konnten hinterher einzelne
-Mängel verbessern, was deswegen möglich war, weil in der That
-jeder einzelne als Repräsentant ihrer juristischen Bildung überhaupt
-gelten konnte: oder auch Mehrere konnten, unabhängig<a name="savigny_158" id="savigny_158" class="f70">[158]</a>
-von einander, jeder das Ganze ausarbeiten, und durch Vergleichung
-und Verbindung dieser Werke würde ein neues entstanden
-seyn, vollkommner als jedes einzelne, aber mit jedem gleichartig.</p>
-
-<p>Nun bitte ich jeden, mit diesem Zustand den unsrigen zu
-vergleichen, der jenem gerade hierin völlig entgegen gesetzt ist.
-Um mit dem geringeren anzufangen, wähle jeder in Gedanken
-eine Anzahl der jetztlebenden Juristen aus, und frage sich, ob aus
-deren gemeinschaftlicher Arbeit auch nur ein System des bestehenden
-Rechts hervorgehen könne: er wird sich bald von der
-völligen Unmöglichkeit überzeugen. Daß aber ein Gesetzbuch eine
-viel größere Arbeit ist, und daß von ihm besondere ein höherer
-Grad organischer Einheit verlangt werden muß, wird gewiß
-niemand läugnen. In der That also würde das Gesetzbuch,
-wenn es nicht durch blos mechanische Zusammensetzung unlebendig
-und darum völlig verwerflich seyn soll, doch nicht von jenem
-Collegium gemacht werden können, sondern nur von einem Einzelnen;
-die übrigen aber würden nur untergeordnete Dienste
-leisten können, indem sie bey einzelnen Zweifeln Rath und Gutachten
-ertheilten, oder die fertige Arbeit durch Entdeckung einzelner
-Mängel zu reinigen suchten. Wer uns aber dieses zugiebt,
-der muß für die gegenwärtige Zeit an der Möglichkeit überhaupt
-verzweifeln; denn eben jenen einzelnen, den wahren Gesetzgeber,
-zu finden, ist ganz unmöglich,<a name="savigny_159" id="savigny_159" class="f70">[159]</a> weil wegen der völligen
-Ungleichartigkeit der individuellen Bildung und Kenntniß unsrer
-Juristen kein einzelner als Repräsentant der Gattung betrachtet
-werden kann.</p>
-
-<p>Wer auch nach dieser Betrachtung noch an die Möglichkeit
-einer wirklich collegialischen Verfertigung des Gesetzbuchs glauben
-möchte, der wolle doch die Discussionen des Französischen Staatsraths,
-die <cite>Thibaut</cite> so treffend geschildert hat<a name="FNanchor_129_142" id="FNanchor_129_142" href="#Fn_129_142" class="fnanchor">129</a>, auch nur in<a class="pagenum" name="Page_165" id="Page_165">[Pg 165]</a>
-einem einzelnen Abschnitt durchlesen. Ich zweifle nicht, daß
-unsre Discussionen in manchen Stücken besser seyn würden; aber,
-auf die Gefahr hin, der Parteylichkeit für die Franzosen beschuldigt
-zu werden, kann ich die Ueberzeugung nicht verbergen,
-daß die unsrigen in anderer Rücksicht hinter diesem Vorbild zurück
-bleiben dürften.</p>
-
-<p>Es ist oft verlangt worden, daß ein Gesetzbuch populär seyn
-solle, und auch <cite>Thibaut</cite> kommt einmal auf diese Forderung
-zurück<a name="FNanchor_130_143" id="FNanchor_130_143" href="#Fn_130_143" class="fnanchor">130</a>. Recht verstanden, ist diese Forderung wohl zuzugeben.
-Die Sprache nämlich, die das wirksamste Mittel ist, wodurch
-Ein Geist zum andern kommen kann, hemmt und beschränkt auch
-diesen geistigen Verkehr vielfältig; oft wird der beste Theil des
-Gedankens von diesem Medium absorbirt, wegen der Ungeschicklichkeit
-entweder des Redenden, oder des Hörers. Aber durch<a name="savigny_160" id="savigny_160" class="f70">[160]</a>
-Naturanlage oder Kunst kann dieses Medium so unterworfen
-werden, daß beiderley Ungeschicklichkeit nicht mehr im
-Wege steht. Der Gedanke schreitet dann weg über die verschiedene
-Art und Bildung der hörenden Individuen, und ergreift
-sie in dem gemeinsamen geistigen Mittelpunkt. Dann kommt es,
-daß die Hohen befriedigt werden, während auch den Geringen
-alles klar ist: beide sehen den Gedanken über sich als etwas
-höheres, bildendes, und beiden ist er erreichbar. So ist irgendwo
-ein wunderthätiges Christusbild gewesen, das die Eigenschaft
-hatte, eine Hand breit höher zu seyn, als der größte Mann, der
-sich daran stellen mochte: kam aber ein Mann von mäßiger
-Größe, oder ein kleiner, so war der Unterschied dennoch derselbe,
-nicht größer. Diesen einfältigen, einzig populären Styl sehen
-wir (um nur von der einheimischen Literatur zu reden) in unsren
-besseren Chroniken, aber er kann auch in mancherley anderen
-Arten erscheinen. Wenn wir ihn einmal wieder finden, dann
-wird manches treffliche möglich seyn, unter andern eine gute
-Geschichtschreibung, und unter andern auch ein populäres
-Gesetzbuch.</p>
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_166" id="Page_166">[Pg 166]</a></p>
-
-
-
-
-<h3 class="gs">12.<br />
-
-Schluß.</h3>
-
-
-<p class="noindent"><a name="savigny_161" id="savigny_161" class="f70">[161]</a></p>
-<p class="cap">Ich fasse nochmals in kurzen Worten zusammen, worin
-meine Ansicht mit der Ansicht der Freunde eines Gesetzbuchs
-übereinstimmt, und worin sich beide unterscheiden.</p>
-
-<p>In dem Zweck sind wir einig: wir wollen Grundlage eines
-sicheren Rechts, sicher gegen Eingriff der Willkühr und ungerechter
-Gesinnung; desgleichen Gemeinschaft der Nation und Concentration
-ihrer wissenschaftlichen Bestrebungen auf dasselbe Object. Für
-diesen Zweck verlangen sie ein Gesetzbuch, was aber die gewünschte
-Einheit nur für die Hälfte von Deutschland hervorbringen,
-die andere Hälfte dagegen schärfer als vorher absondern
-würde. Ich sehe das rechte Mittel in einer organisch fortschreitenden
-Rechtswissenschaft, die der ganzen Nation gemein
-seyn kann.</p>
-
-<p>Auch in der Beurtheilung des gegenwärtigen Zustandes
-treffen wir überein, denn wir erkennen ihn beide für mangelhaft.
-Sie aber sehen den Grund des Uebels in den Rechtsquellen,
-und glauben durch ein Gesetzbuch zu helfen: ich finde ihn vielmehr
-in uns, und glaube, daß wir eben deshalb zu einem Gesetzbuch
-nicht berufen sind.</p>
-
-<p><a name="savigny_162" id="savigny_162" class="f70">[162]</a> Wie in unsrer Zeit gesprochen sind die Worte eines
-der edelsten Deutschen des sechzehnten Jahrhunderts<a name="FNanchor_131_144" id="FNanchor_131_144" href="#Fn_131_144" class="fnanchor">131</a>:</p>
-
-<p class="posth6_2 antiqua" lang="la" xml:lang="la">Nam nihi aspicienti legum libros, et cognita pericula Germaniae,
-saepe totum corpus cohorrescit, cum reputo quanta
-incommoda secutura sint, si Germania propter bella amitteret
-hanc eruditam doctrinam juris et hoc curiae ornamentum ...
-Non igitur deterreamur periculis, non frangamur animis,....
-nec possessionem studii nostri deseramus. &ndash; &ndash; Itaque
-Deus flectat animos principum ac potentum ad hujus doctrinae
-conservationem, magnopere decet optare bonos et prudentes.
-Nam hac remota, ne dici potest quanta in aulis tyrannis, in
-judiciis barbaries, denique confusio in tota civili vita secutura
-esset, quam ut Deus prohibeat, ex animo petamus.</p>
-
-
-
-
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_167" id="Page_167">[Pg 167]</a></p>
-<h2>II. Abteilung.</h2>
-
-<h3>1. Thibauts Nachträge zu seiner Schrift. 2. Ausgabe. 1814.</h3>
-
-
-<p>Bald nach der 1. Ausgabe erschien Thibauts Streitschrift in seinen
-»Civilistischen Abhandlungen« (Heidelberg bey Mohr und Zimmer, 1814, Vorrede
-vom August 1814) S. 404 bis 466 als die 19. von 20 Abhandlungen in erweiterter
-Fassung (2. Ausgabe).</p>
-
-
-<p class="center gesperrt p2">Neunzehnte Abhandlung.<br />
-
-Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts
-für Deutschland.</p>
-
-<p>Vor einiger Zeit gab ich eine kleine Flugschrift heraus, welche die Rubrik
-dieser Abhandlung als Titel führt, und durch folgende Vorrede begleitet ist:</p>
-
-<p>(Es folgt dann die oben abgedruckte Vorrede zur 1. Fassung. Die Nachträge
-&ndash; »Zusätze« &ndash; sind nachstehend wortgetreu abgedruckt; Zusatz 1 bezieht sich auf die
-Vorrede, die übrigen auf die Schrift selbst; es sind auch sonstige Änderungen
-mitaufgenommen.</p>
-
-<p>Der 6. und 7. Zusatz findet sich bereits wörtlich in der erwähnten,
-2-1/2 Druckseiten umfassenden <cite>Selbstanzeige</cite> Thibauts, Heidelb. Jahrb. 1814
-Nr. 33.)</p>
-
-<hr class="hr45" />
-
-<p><a name="zus_1" id="zus_1" href="#an_zus_1">1. Zusatz</a>: So viel ich von allen Seiten vernehme, hat die Schrift vielen
-von denen gefallen, um deren Beyfall es mir besonders zu thun war, d. h.
-Männern, welche warme Vaterlandsliebe zu schätzen wissen, die Bedürfnisse der
-Nation kennen, und das kräftige, freye Wort in Ehren halten, wenn es nicht
-leichtsinnig mit unerreichbaren Idealen spielt. Da kleine Schriften dieser Art
-gewöhnlich in kurzer Zeit verloren gehen, und ich doch die längere Erhaltung
-derselben zu wünschen Ursach habe, so nehme ich sie hiemit in diese größere
-Schrift auf, mit einer ziemlichen Reihe von Zusätzen vermehrt, welche in mehrerer
-Hinsicht für meinen Hauptgedanken von Bedeutung sind. In der Gesellschaft
-exegetischer Abhandlungen über das römische Recht wird denn diese Abhandlung
-auch den Lesern, welche sonst nichts von meinen Schriften kennen, zum Beweise
-dienen, daß ich dem Römischen Recht nicht deswegen abhold bin, weil ich gelehrte
-Nachforschungen über dasselbe gescheuet habe.</p>
-
-<p><a name="zus_2" id="zus_2" href="#an_zus_2">2. Zusatz</a>: oder sein muß,</p>
-
-<p><a name="zus_3" id="zus_3" href="#an_zus_3">3. Zusatz</a>: (z. B. die Nothwendigkeit ständischer Verfassung)</p>
-
-<p><a name="zus_4" id="zus_4" href="#an_zus_4">4. Zusatz</a>: Was eigentlich für Deutschland vom Römischen Recht unbedingten
-Werth hat, sind nur die, ich möchte sagen, exegetischen Theile desselben;
-aber im Grunde auch nur insofern, als sie zum Muster dienen können, keineswegs
-aber als Gesetze. Die große Masse seiner Erörterungen nämlich, welche in
-Beziehung auf den Sinn und Umfang der einzelnen Servituten, Legate, und
-Verträge in den Pandekten und dem Codex vorkommt, enthält einen Schatz<a class="pagenum" name="Page_168" id="Page_168">[Pg 168]</a>
-geistvoller und scharfsinniger Erörterungen; aber im Ganzen doch nur in dem
-Sinn, daß gezeigt wird, was unter einem <em>Römischen</em> Worte nach dem gewöhnlichen
-Sprachgebrauch in allen möglichen Beziehungen zu verstehen sey. So
-lernen wir denn wohl, was <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">usus</span>, <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">habitatio</span> und <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">supellex</span> bey den Römern hieß;
-aber was nun unsre Worte: Gebrauch, Wohnung und Hausrath bezeichnen,
-darüber kann uns kein römischer Classiker Aufschluß geben; und es hat daher
-unsrer juristischen Gewandtheit und Eigenthümlichkeit unendlich geschadet, daß
-wir, unbekümmert um unsre Worte und die feinen Schattirungen unsrer Wortbedeutungen,
-alles nach den Römischen Entscheidungen maßen, grade als ob die
-juristischen Classiker der Römer auf die Anfragen Deutscher Bürger geantwortet
-hätten. Der eigentlich legislative Theil des Römischen Rechts paßt uns aber
-gar nicht an, auch wo man ihn nicht grade schlecht und dem Römischen Volksgeist
-gemäß nennen wollte. Der deutsche Sinn ist immer auf das Feste, Mäßige,
-Einfache gegangen; auf billige, sittliche, häusliche Verhältnisse; Gleichheit der
-Geschlechter; wohlwollende, achtungsvolle Behandlung der Weiber, besonders der
-Mütter und Wittwen; weise und kräftige Einwirkung der Obrigkeit in allen
-Verhältnissen, wo man ihrer bedarf; Einfachheit der Verpflichtungsarten, aber
-auch dagegen Sicherheit des Eigenthums und der Hypotheken durch wohlgeordnete,
-offenkundige Staatsanstalten. Ganz anders war der Geist des Römers.
-Ganze Massen des ältern Rechts lassen sich auf militairisch-republicanischen
-Mannstrotz, Stolz und Egoismus, und eine Art militairischer Steifheit und
-Pedanterey zurückführen. Daher diese unerhörte Despotie des Hausvaters; diese
-Entfernung aller mütterlichen Gewalt; diese harte Zurücksetzung der Weiber bey
-der Erbfolge; dieser fast gänzliche Mangel obrigkeitlicher Aufsicht bey Vormundschaftsangelegenheiten;
-diese grenzenlose Neigung, alle Geschäfte in strikte Formeln
-einzukleiden, und die Verträge von allen Seiten einzuengen, während da, wo von
-der Sicherheit gegen Dritte, und von der Sicherheit Dritter die Rede ist,
-nirgend eine mitwirkende Staatsanstalt hülfreich erscheint. Unter den Kaisern
-ist an allen diesen und ähnlichen Dingen nun zwar vielfach herumgefeilt; aber
-eine wesentliche Umwandlung ist nie erfolgt, ja es ist später sogar manches noch
-verschlimmert, wie das Hypotheken-System; und so hat denn die Deutsche Praxis
-sich damit begnügen müssen, da und dort noch ein Stückchen wegzustehlen, ohne
-je zu der Einfalt und Festigkeit zu gelangen, welche unserm Charakter allein
-anpaßt, und ohne unsre Eigenthümlichkeit frey ausbilden zu können. Unsre
-Hausväter haben noch immer zu viel Rechte; unsre Wittwen sind häufig viel
-zu sehr zurückgesetzt; unsre Sicherheits-Anstalten sind durch das Einwirken
-Römischer Privilegien überall durchlöchert, und unsre Grundsätze über die Heiligkeit
-der Verträge haben über viele feinere Folgesätze des Römischen Contracten-Systems
-(z. B. in Beziehung auf die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">pacta adjecta</span>) nie den Sieg davon getragen.
-Jeder denkende Germanist wird es einräumen, daß die feinen Verfälschungen,
-welche Römische Begriffe in die unsrigen gebracht haben, fast zahllos sind. Was
-uns würde anpassend gewesen seyn, das ist zum Theil die alte Römische Strenge;
-das alte Hypotheken-System, insofern es keine Privilegien kannte; und jene hohe
-Achtung gegen die Person des Bürgers, welche sich in Beziehung auf Criminal-Sachen, und in Ansehung der Freyheit der Emigration so laut aussprach. Allein
-grade diese herrlichen hellen Punkte wurden unter den Kaisern in Nacht und
-Finsterniß gehüllt; und so wird denn kein Deutscher Mann, dem der Himmel
-in diesen Zeiten der Abspannung und Demüthigung milde Deutsche Kraft und
-Einfalt erhalten hat, irgend eine Hauptlehre des Römischen Rechts entdecken
-können, von der er behaupten möchte, daß sie ächten Deutschen Sinn zu beleben
-und zu befestigen im Stande sey.</p>
-
-<p><a name="zus_5" id="zus_5" href="#an_zus_5">5. Zusatz</a>: nicht; und bey dem Allen ist ein fester Boden auch nicht einmal
-mit voller Sicherheit zu gewinnen. Denn schon in den Handschriften findet sich
-viel critische Willkühr, und noch mehr in den Ausgaben, ohne daß ein strenger
-Beweis möglich ist, weil fast alle, von den Herausgebern benutzten Handschriften
-unbekannt, oder verloren gegangen sind. Für Kenner brauche ich in dieser
-Hinsicht nur an die <cite>Haloandrischen</cite> Ausgaben der Institutionen, der Pandekten
-und des Codex zu erinnern, worin im Ganzen eine gewisse critische Willkühr
-klar am Tage liegt, ohne daß man sie je in dem einzelnen Fall streng erweisen kann.</p>
-
-<p><a name="zus_6" id="zus_6" href="#an_zus_6">6. Zusatz</a>: Daß jene, grade in der Periode des Verfalls der Römischen
-Rechtswissenschaft emporgekommenen Rechtsschulen durch die große Menge ihrer
-Lehrer der Rhetorik und Grammatik der Rechtsgelehrsamkeit nicht aufgeholfen
-haben, ist freylich wahr. Allein was ließ sich in dieser Periode der Entkräftung
-durchsetzen? So viel läßt sich indeß immer mit Sicherheit behaupten, daß auch
-nicht einmal das geleistet seyn würde, was <cite>Justinianus</cite> vollbrachte, wenn
-auf den damaligen Rechtsschulen das Positive so ins Unendliche gegangen wäre,
-als bei uns, und daß die Juristen vom gänzlichen Untergange gerettet wurden,
-weil ihr einheimisches Recht dem Handwerk wenig zu thun gab, und die lebhafte
-Mitwirkung vieler Rhetoren und Grammatiker immer ein mächtiger Damm
-gegen volle Barbarey blieb.</p>
-
-<p><a name="zus_7" id="zus_7" href="#an_zus_7">7. Zusatz</a>: Man fürchte auch nicht, daß das Studium der Philologie
-und Rechtsgeschichte, dessen Unentbehrlichkeit ich gern zugebe, bey einem einfachen
-National-Gesetzbuch irgend einige Gefahr laufe. Es wird vielmehr bedeutend
-gewinnen, wenn man nur die Sache von der rechten Seite ansieht, und gehörig
-behandelt. Belehrende und erhebende Geschichts- und Alterthumsforschungen
-sind nicht das mikrologische Zusammenscharren und Zergliedern jeder Kleinigkeit,
-sondern das Bestreben, das Lehrreiche und Fruchtbare kräftig herauszuheben,
-und für menschliche Zwecke in einen lichtvollen Zusammenhang zu bringen. Wozu
-führt uns aber in dieser Hinsicht unser ganzes juridisches Sprach- und Antiquitäten-Wesen?
-An ein mißrathenes, verwirrtes, grenzenlos verwickeltes Gesetzbuch geschmiedet,
-müssen wir Riesenkräfte zusetzen, um chaotische Details zu erklären,
-welche dem gesetzgebenden Verstande wenig Nahrung geben; und bei dem allen
-ist doch der Blick nur höchst beschränkt auf eine Kleinigkeit gerichtet. Ein recht
-thätiger Gelehrter kann ein ganzes Jahr gebrauchen, um die Schicksale der
-Römischen Intestat-Erbfolge und Concurslehre gehörig aus den Quellen zu prüfen,
-und dreyßig Stunden, um darüber das wesentliche Resultat seiner Forschungen
-in Vorlesungen mitzutheilen. Aber was ist am Ende der Gewinn für den
-denkenden Rechtsforscher? Nichts, als auf der einen Seite, daß man ein altes,<a class="pagenum" name="Page_170" id="Page_170">[Pg 170]</a>
-für die Periode roher Mannskraft passendes, sehr kurzsichtig gefaßtes Gesetz
-erst recht buchstäblich handhabte, aber dann durch zahllose Beschränkungen am
-Ende ganz zum Fallen brachte; und auf der andern Seite, daß die kräftige
-ältere Ansicht über die Nothwendigkeit unbedingter Sicherheit erst da und dort
-durch Politik und Schwäche beschränkt ward, daß eine Sünde zur andern führte,
-und daß am Ende das ganze Hypotheken-System sich durch sich selbst zerstörte.
-Ein geistvoller Lehrer könnte das, was von dem allen zur Belebung des rechtlichen
-Verstandes gebraucht werden kann, in wenig Stunden entwickeln; aber
-jetzt bedarf es zur Erklärung des Positiven eines solchen Wustes zahlloser Details,
-daß man fast vor den Bäumen den Wald nicht zu sehen bekommt. Dafür muß
-man denn entbehren, was grade unentbehrlich ist. Denn das ist nicht die wahre
-belebende Rechtsgeschichte, welche mit gefesseltem Blick auf der Geschichte Eines
-Volkes ruhet, aus dieser alle Kleinigkeiten engherzig herauspflückt, und mit ihrer
-Mikrologie der Dissertation eines großen Praktikers über das: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">et cetera</span> gleicht.
-Wie man den Europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt, und
-ihr Innerstes umgekehrt wissen wollen, den Rath geben sollte, nur außer Europa
-ihr Heil zu versuchen: so sollten auch unsre Rechtsgeschichten, um wahrhaft
-pragmatisch zu werden, groß und kräftig die Gesetzgebungen aller andern alten
-und neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über die Rechtsverfassung
-der Perser und Chinesen würden in unsern Studirenden mehr wahren juristischen
-Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereyen, denen die Intestat-Erbfolge
-von <cite>Augustus</cite> bis <cite>Justinianus</cite> unterlag. Hätten wir daher ein
-einfaches einheimisches Gesetzbuch, so könnte die Zeit, welche jetzt auf tödtende,
-ermüdende historische Erörterungen zu verwenden ist, grade der ächten, belebenden
-Rechtsgeschichte gewidmet werden. Auch für die Philologie würde auf diese
-Art mehr geschehen können. Alle jetzigen Philologen werden es bezeugen können,
-daß ihnen unsre jungen Juristen nicht viel Freude machen; und wir Rechtsgelehrten
-wissen den Grund am besten. Wo sollten junge Gemüther noch ungeschwächte
-Kraft für das philologische Studium her bekommen, wenn wir
-Rechtslehrer ihnen erst die Schwungfedern in einer Sündfluth wunderlicher
-Gesetze gebadet haben? Man gebe uns dagegen ein einfaches, unserm Volkssinn
-entsprechendes, in vaterländischer, kräftiger Sprache entworfenes Gesetzbuch: dann
-werden unsre Regierungen ohne Ungerechtigkeit verlangen können, daß jeder
-junge Jurist, welcher sich zum Examen stellt, die Griechischen Redner und seinen
-Cicero gründlich müsse studirt haben; und dann werden unsre Juristen-Facultäten
-auch die Freude haben, daß ihre Candidaten, nach dem neulichen Beispiel der
-trefflichen Studenten in Oxford, durchreisenden hohen Häuptern mit Lateinischen
-und Griechischen Oden andienen können.</p>
-
-<p><a name="zus_8" id="zus_8" href="#an_zus_8">8. Zusatz</a>: haben, oder wagte wenigstens allein zu handeln, wo der
-Einzelne sich allein nie alles zutrauen soll;</p>
-
-<p><a name="zus_9" id="zus_9" href="#an_zus_9">9. Zusatz</a>: Erwägen wir aber noch genauer die Vortheile des Zusammenwirkens
-gelehrter und geübter Rechtskenner aus allen Deutschen Reichsländern,
-so wird es fast unwidersprechlich, daß nur eine solche Versammlung im Stande
-ist, alles Gute zu vereinigen, und allem Schlechten ein Ende zu machen. Wenn<a class="pagenum" name="Page_171" id="Page_171">[Pg 171]</a>
-ein deutsches National-Gesetzbuch das Resultat der National-Kraft seyn soll, so
-muß dabey durchaus benutzt werden, was bisher in jedem Lande für Gesetzgebung
-geschah. Kein Land kann zwar in dieser Hinsicht etwas Vollendetes aufweisen;
-aber einzelne gute Ideen finden sich doch zerstreut überall; und es gibt gewiß
-kein Particular-Recht, selbst so weit es durch gelegentliche landesherrliche Verordnungen
-ausgebildet ist, worin nicht sehr nutzbare, weise, originelle Ideen vorkommen.
-Dieß weiß jeder Facultist, welcher nur zufällig bei Acten-Arbeiten
-etwas von den Local-Rechten erfuhr. Einzelne gelehrte Germanisten können sich
-aber diese Schätze nicht gründlich zu eigen machen. Die Masse des Ganzen ist
-zu unermeßlich, und zum Theil unverständlich, sofern man nicht die Praxis des
-Particular-Rechts beobachtet hat, und mit der Geschichte des Landes aufs innigste
-vertraut ist. Stellen also unsre Regenten aus jedem Lande einen erfahrenen
-Kenner des Rechtes dieses Landes zu der großen Versammlung, so würde nun
-eine erschöpfende Austauschung guter Ideen Statt finden, und eine reiche Erfahrung
-zum gemeinsamen Zweck weise benutzt werden können. Vielleicht noch
-heilsamer würde es aber seyn, daß nun auf diese Weise auch die Fehler sich an
-einander abschleifen werden. Wir müssen es zugestehen: schon unter den
-Römischen Kaisern, und eben so sehr in dem neueren Europa, ist der Sinn für
-kräftige Einfalt des Rechts immer mehr abgestorben, und alles ist von Tage zu
-Tage mehr und mehr durch furchtsame Ausnahmen, Beschränkungen und Billigkeitssätze
-so herabgestimmt, daß die vielfache Kleinlichkeit unsers National-Characters
-gewiß in mancher Hinsicht unsrer bürgerlichen Rechtsverfassung zugeschrieben
-werden muß.<a name="FNanchor_D_4" id="FNanchor_D_4" href="#Fn_D_4" class="fnanchor">D</a> Laßt jetzt einmal Deputirte aus allen Ländern ihre mitgebrachten
-Kleinlichkeiten gegen einander legen: dieses Heer von Eigenthumsbeschränkungen;
-dieses bunte Gewirr endloser Concurs-Privilegien, und diese Unermeßlichkeit
-mannigfaltiger Verjährungsfristen, der kein Gedächtniß gewachsen ist. Da werden
-alle nothwendig von Staunen und Widerwillen ergriffen werden, und es ist mit
-höchster Wahrscheinlichkeit zu erwarten, daß das Uebermaaß allen die Augen
-öffnen, und alle zu einer weisen, einfachen Gesetzgebung zwingen wird, wobei
-Jeder seine Kleinlichkeiten aufgibt, um von denen des Andern befreyt zu werden.
-Da wäre denn die Einfalt errungen, deren wir mehr bedürfen, als viele andere
-Völker. Denn unsre politische Trennung, und die Beschränktheit der Kraft der
-einzelnen Regenten, muß mannigfaltige Kleinlichkeiten, und eine politische Gedrücktheit
-zur Folge haben, wodurch wir leicht zu einer gewissen Aengstlichkeit
-und Kleinherzigkeit gestimmt werden können. Gebt also dem Bürger das unschätzbare
-Glück, daß er unter dem Schutz kräftiger, ungekünstelter Gesetze in
-allen Beziehungen frey, sicher und trotzig gegen seinen Mitbürger auftreten, und
-ohne alle Aengstlichkeit und Nächstenfurcht sich des Seinigen als Familienvater,
-Eigenthümer und Geschäftsmann erfreuen kann. Das wird den ächten germanischen
-Sinn wieder aufregen, dem Staat rüstige Vertheidiger schaffen, und uns von
-den zahlreichen Ausgeburten befreyen, welche bisher so recht eigentlich darauf
-ausgingen, alle französische Zierereyen und Verzerrungen bey unserm Volke einheimisch
-zu machen.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_172" id="Page_172">[Pg 172]</a></p>
-
-<p><a name="zus_10" id="zus_10" href="#an_zus_10">10. Zusatz</a>: Mehr Unwandelbarkeit wird zwar unser Recht dadurch bekommen,
-auch da, wo Aenderungen nöthig sind. Allein darüber braucht man
-nicht zu erschrecken. Denn so werden wir auch umgekehrt von dem weit größeren
-Uebel unausgesetzter leichtsinniger Aenderungen befreyt. Eine gewisse Unbeweglichkeit
-der Gesetzgebung hat immer mehr genutzt, als geschadet, und die Engländer haben
-gewiß eben daher einen Theil ihrer Gediegenheit und Kraft, daß Aenderungen
-der Gesetze selten bey ihnen sind, und daß das Parlament nicht gleich durch
-jeden ersten Zweifel einzelner Richter sich zu Neuerungen verleiten läßt.</p>
-
-<p><a name="zus_11" id="zus_11" href="#an_zus_11">11.</a> »Ich muß daher auf die möglichen Haupteinwürfe etwas näher eingehen,«
-(<span class="gesperrt">Aenderung</span>).</p>
-
-<p><a name="zus_12" id="zus_12" href="#an_zus_12">12. Zusatz</a>: abzuwenden, selbst wo es durch bittre Erfahrungen in seinen
-Hoffnungen getäuscht war.</p>
-
-<p><a name="zus_13" id="zus_13" href="#an_zus_13">13.</a> »der« statt »des« (<span class="gesperrt">Aenderung</span>).</p>
-
-<p><a name="zus_14" id="zus_14" href="#an_zus_14">14. Zusatz</a>: und in den, von ihnen erlernten Gesinnungen,</p>
-
-<p><a name="zus_15" id="zus_15" href="#an_zus_15">15.</a> »Wahrheit« statt »Wahrheiten« (<span class="gesperrt">Aenderung</span>).</p>
-
-<p><a name="zus_16" id="zus_16" href="#an_zus_16">16. Zusatz</a>: Als man, da und dort den Degen halb gezogen,</p>
-
-<p><a name="zus_17" id="zus_17" href="#an_zus_17">17. Zusatz</a>: gelang, und bey daurendem Glück unfehlbar ganz gelungen
-seyn würde.</p>
-
-<p><a name="zus_18" id="zus_18" href="#an_zus_18">18. Zusatz</a>: Am wenigsten lasse man sich aber dadurch irre machen, daß
-die gänzliche Umänderung unsers bürgerlichen Rechts unter den eigentlich gelehrten
-Rechtskennern vielleicht die mehrsten Widersacher finden wird. Das wird
-stets so bleiben; und jetzt ist es gar nicht anders zu erwarten. Bittre Worte
-müssen darüber gesagt werden; aber die Wahrheitsliebe macht diese Bitterkeit
-zur Pflicht. Was hat denn in diesen dürren Jahren die Nation von den Gelehrten
-an Unterstützung erhalten, von ihnen, denen die ganze Welt zum Broderwerb
-offen steht, und denen die Freymüthigkeit um so mehr obgelegen hätte, da sie
-mehr, wie Andre, die Fähigkeit besitzen, auf eine feine und geschickte Art der
-Wahrheit gebührend zu huldigen? Fast nirgend entdecken wir, auf unsre letzte
-Vergangenheit zurücksehend, gelehrte Catonen; aber leider genug Feige, Eitle,
-niedrige Kriecher und Schmeichler, und eigennützige Gelegenheitsmacher, zum
-Theil mit grenzenloser Schamlosigkeit, so daß es zur ewigen Warnung wohl der
-Mühe werth wäre, alle Elendigkeiten, wodurch unsre Gelehrten in diesen Zeiten
-ihr Vaterland schändeten, in einer derben Chronik der Nachwelt zu überliefern.
-Lassen wir aber auch diese Trostlosigkeiten auf sich beruhen: für kräftige Umwälzungen
-wird die Mehrzahl der eleganten Juristen nie gestimmt seyn. Keiner
-von ihnen übersieht in der Regel das ganze Recht; wenigen von ihnen werden
-die Bedürfnisse des Volks durch Beobachtung klar, und die mächtige Triebfeder
-des Eigennutzes wird keinen in Bewegung setzen, vielmehr wird es immer
-vortheilhafter für sie seyn, die mühsam errungenen critisch-historischen Schätze in
-gehöriger Sicherheit zu halten, und gegen bessernde Einrichtungen zu kämpfen,
-damit ihnen nicht die Pflicht werde, den neuen Menschen anzuziehen. Welche
-Erfahrungen haben wir in dieser Hinsicht gehabt! <cite>Luther</cite> erkannte es, daß das
-kanonische Recht den Protestanten durchaus nicht anpaßte. Nach wiederholtem
-Eifern verbrannte er dasselbe öffentlich vor den Thoren von Wittenberg. Aber<a class="pagenum" name="Page_173" id="Page_173">[Pg 173]</a>
-grade die gelehrten protestantischen Juristen wurden seine ärgsten Widersacher,
-und am Ende mußte er sich selbst noch wieder zu Vorlesungen über das verhaßte
-Gesetzbuch verstehen, um doch wenigstens gegen die gröbsten Mißbräuche kräftig
-warnen zu können. Auch edle Triebfedern mögen hier zur Einseitigkeit führen;
-aber die Einseitigkeit bleibt was sie ist. Ein geistvoller, tief gelehrter Rechtskenner,
-welcher die schwersten Untersuchungen mit brennender Lust und Liebe
-zur Sache, und einer glücklichen Gewandtheit anstellt, setzt nur zu leicht voraus,
-daß sein Publicum durch ihn entzündet werde, und daß am Ende vielleicht
-Jedermann sich auf die Höhe des Meisters schwinge. Allein prüft nur nachher,
-was euren Zuhörern, auch den Besten, hängen geblieben ist, und wie sich in der
-Folge der Lehrling macht, wenn er sich eine Weile durch das schwerfällige und
-quälende bürgerliche Leben hindurch gearbeitet hat. Da wird auf die rosenrothen
-Hoffnungen des Meisters eine finstre Demuth folgen, und da wird die Ueberzeugung
-unvermeidlich werden, daß nur die Rechtswissenschaft der Verbreitung
-und voller Wirksamkeit fähig seyn kann, welche dem gemeinen Verstande auf
-dem graden Wege zugänglich ist, und in dem gemeinen Verstande die hauptsächlichsten
-Grundlagen für ihre Lehren hat. Das kann man freylich zugeben,
-daß wir <em>vielleicht</em> künftig für Abfassung eines neuen Gesetzbuchs noch fähiger
-werden, als wir jetzt sind; allein vielfach gesunken, und gegen ferneres Sinken
-keineswegs gesichert, könnten wir auch leicht das umgekehrte Schicksal haben;
-und so darf denn die jetzige Generation verlangen, daß man sie nicht ungewissen
-Hoffnungen opfere, und daß man zunächst für ihr Glück, als die sicherste Grundlage
-des Glückes der Nachkommen, gebührende Sorge trage.</p>
-
-
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_174" id="Page_174">[Pg 174]</a></p>
-<h3>2. Thibauts Besprechung (Antikritik) der Schrift Savignys.</h3>
-
-<p class="noindent">Aus den Heidelbergischen Jahrbüchern der Litteratur. 1814. No. 59.</p>
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-<p class="block">Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Von <span class="antiqua">D.</span> <cite>Friedrich
-Carl von Savigny</cite>, ordentl. Prof. des Rechts zu Berlin, und ordentl.
-Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften daselbst. Heidelberg bey
-Mohr und Zimmer. 1814. 162 S. gr. 8.</p>
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-<p>Als ich vor nicht langer Zeit einige Zusätze zu meiner kurz vorher erschienenen
-Abhandlung: <cite>Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen
-Rechts für Deutschland</cite> herausgab, fügte ich die Wahrsagung hinzu, daß
-mein Vorschlag unter den eigentlich gelehrten Romanisten unfehlbar die mehrsten
-Widersacher finden werde.<a name="FNanchor_E_5" id="FNanchor_E_5" href="#Fn_E_5" class="fnanchor">E</a> Meine innigste Ueberzeugung zwang mich, darüber
-auch bittere Worte fallen zu lassen, wobey ich jedoch natürlich nicht an Herrn
-<cite>von Savigny</cite> dachte und denken konnte, da das ganze Publikum mit mir
-seinen Namen nicht ohne die höchste Achtung ausspricht, sowohl in Beziehung
-auf ächte Gelehrsamkeit, Tiefe und Helle des Geistes, als auch mit Rücksicht auf
-jene männliche Ruhe, Kraft und Unparteylichkeit, ohne welche in keinem practischen
-Fach etwas Gediegenes vollendet werden kann. Allein bey folgenden Worten
-hatte ich ihn, wie wenige Andre, doch ahndend im Sinn: »Auch edle Triebfedern
-mögen hier zur Einseitigkeit führen; aber die Einseitigkeit bleibt was sie ist.
-Ein geistvoller, tief gelehrter Rechtskenner, welcher die schwersten Untersuchungen
-mit brennender Lust und Liebe zur Sache, und einer glücklichen Gewandtheit
-anstellt, setzt nur zu leicht voraus, daß sein Publikum durch ihn entzündet
-werde, und daß am Ende vielleicht Jedermann sich auf die Höhe des Meisters
-schwinge. Allein prüft nur nachher, was euren Zuhörern, auch den besten,
-hängen geblieben ist, und wie sich in der Folge der Lehrling macht, wenn er
-sich eine Weile durch das schwerfällige und quälende bürgerliche Leben hindurch
-gearbeitet hat. Da wird auf die rosenrothen Hoffnungen des Meisters eine
-finstre Demuth folgen, und da wird die Ueberzeugung unvermeidlich werden,
-daß nur die Rechtswissenschaft der Verbreitung und voller Wirksamkeit fähig
-seyn kann, welche dem gemeinen Verstande auf dem graden Wege zugänglich
-ist, und in dem gemeinen Verstande die hauptsächlichsten Grundlagen für ihre
-Lehren hat. Das kann man freylich zugeben, daß wir <em>vielleicht</em> künftig für
-die Abfassung eines neuen Gesetzbuchs noch fähiger werden, als wir jetzt sind;
-allein vielfach gesunken, und gegen ferneres Sinken keineswegs gesichert, könnten
-wir auch leicht das umgekehrte Schicksal haben; und so darf denn die jetzige
-Generation verlangen, daß man sie nicht ungewissen Hoffnungen opfere, und daß
-man zunächst für ihr Glück, als die sicherste Grundlage des Glücks der Nachkommen,
-gebührende Sorge trage.«</p>
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-<p><a class="pagenum" name="Page_175" id="Page_175">[Pg 175]</a></p>
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-<p>Diese Ahndung hat mich nun nicht betrogen, und es freut mich in sofern
-aufs innigste, als jede vollendet dargestellte Ansicht eines classischen Schriftstellers
-immer ihren hohen Werth hat. Herr v. S. sucht nämlich in der vorliegenden
-Schrift auszuführen, daß das jetzige Zeitalter sowohl formell, in Beziehung auf
-die Sprache, als materiell, in Rücksicht des innern Zusammenhangs und der
-Vollständigkeit der civilistischen Grundsätze, zu einer brauchbaren bürgerlichen
-Gesetzgebung unfähig sey. Zum Zweck dieser Behauptung hat der Verf. die
-Hauptmängel des Code Napoléon, des neuen Preußischen und des Oesterreichischen
-Gesetzbuchs kurz hervorgehoben. Vor allen Dingen hält er die, so unentbehrliche
-organische Einheit des Gesetzbuchs für unmöglich, wenn das Werk, wie ich vorgeschlagen
-hatte, einer großen Versammlung von Rechtsgelehrten aus allen
-Deutschen Reichsländern übertragen werde. Sein Vorschlag geht demnach dahin:
-das Römische Recht soll überall allgemeine, subsidiaire Rechtsquelle bleiben, auch
-wo die neuen, beyzubehaltenden, Gesetzbücher eingeführt sind; aber eine geistvolle
-historische Behandlung soll demselben das, bis jetzt fehlende Leben geben; man
-soll allmählig dessen Controversen, wenigstens durch vorläufige Verfügungen,
-entscheiden, und auf den Deutschen Academien, von denen aller Zwang zu entfernen
-ist, auch die Deutschen Statutargesetzgebungen zum Gegenstande academischer
-Vorträge machen. &ndash; Ein genauerer Auszug der Ideen des Verf. ist hier unnöthig,
-und unmöglich. Denn wer die Arbeit eines solchen Schriftstellers über einen
-solchen Gegenstand ungelesen lassen kann, dem ist doch nicht zu helfen; und den
-großen Reichthum der Erörterungen, welche uns der Verf. in einer gedrängten
-trefflichen Sprache gegeben hat, können bloße Umrisse auf keine Weise anschaulich
-machen. Es muß hier also jenen Andeutungen unmittelbar die Beurtheilung
-selbst folgen.</p>
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-<p>Diese Beurtheilung setzt mich nun aber in einige Verlegenheit. Hätte mich
-der Verf. für seine Ansichten gewonnen, so würde es wohl als die beste unparteyische
-Critik gelten können, wenn ich hiemit meine eignen früheren Vorschläge
-zurücknähme. Allein ich bin in der Hauptsache nicht durch ihn bekehrt, so gern
-ich auch die Zurechtweisung eines solchen Schriftstellers benutzt hätte; und so
-bleibt mir denn nur die Wahl, entweder aufs Neue für meine Ansicht zu sprechen,
-oder, als Mit-Redacteur dieser Jahrbücher, Dritte zu Schiedsrichtern zwischen
-dem Verf. und mir aufzurufen. Zu dem Letzten bin ich aber wieder außer
-Stande. Denn unter unsern thätigen Mitarbeitern im juridischen Fach kenne
-ich nur drey, denen ich in dieser Sache ein Urtheil zutrauen möchte, und von
-allen dreyen weiß ich gewiß, daß sie in der Hauptsache für meine Ansicht sprechen
-werden. Es ist aber wohl natürlich, daß ich mein eigenes Lob in diesen Jahrbüchern
-nicht anders aufnehme, als wenn es mir ein Recensent unerwartet aufdrängt.
-So bleibt mir denn nichts übrig, als meine offene Replik die Stelle
-einer Beurtheilung vertreten zu lassen. Der Verf., welcher mir das, aus seinem
-Munde doppelt erfreuliche Lob gibt, daß ich auch in den Zeiten der Noth als
-warmer Freund des Vaterlandes der Wahrheit öffentlich gehuldigt habe, wird
-gewiß, von gleichen Gesinnungen beseelt, eine solche Replik auf allen Fall lieber
-sehen, als gänzliches Schweigen in diesen Jahrbüchern.</p>
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-<p><a class="pagenum" name="Page_176" id="Page_176">[Pg 176]</a></p>
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-<p>Die Hauptfragen unter uns sind diese: ist ein neues einheimisches gemeines
-bürgerliches Recht dringendes Bedürfniß der Deutschen? Läßt sich darauf
-rechnen, daß wir fähig sind, ein neues Gesetzbuch zu schaffen, welches unsern Rechtszustand
-gründlich bessert? und führen die Vorschläge des Verf. vielleicht am
-leichtesten und sichersten zu diesem Ziele? Ich muß die ersten beyden Fragen
-nach wie vor bejahen, die letzte Frage aber verneinen. Folgendes mag und muß
-darüber an diesem Orte genügen.</p>
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-<p>Ein neues einheimisches gemeines Recht scheint mir aus dem doppelten
-Grunde dringendes Bedürfniß, theils weil ohne dies keine wahre National-Einheit,
-und Einfachheit der Rechtsverfassung möglich ist, theils weil unser bisheriges
-gemeines Reichsrecht, in sofern es bedeutend ist, d. h. das Römische Recht, die
-Haupterfordernisse eines guten Gesetzbuchs der Deutschen nicht hat.</p>
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-<p>Ueber den ersten Punct habe ich mich schon in meiner früheren Abhandlung
-ausführlich erklärt, und ich finde mich nicht widerlegt, wenn der Verf. S. <a href="#savigny_42">42. 43</a>
-dagegen dies erinnert: »In jedem organischen Wesen, also auch im Staate, beruht
-die Gesundheit darauf, daß beydes, das Ganze und jeder Theil, im Gleichgewicht
-stehe, daß jedem sein Recht widerfahre. Daß ein Bürger, eine Stadt, eine
-Provinz den Staat vergessen, dem sie angehören, ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung,
-und jeder wird diesen Zustand für unnatürlich und krankhaft erkennen.
-Aber eben so kann die lebendige Liebe zum Ganzen bloß aus der lebendigen
-Theilnahme an allen einzelnen Verhältnissen hervorgehen, und nur wer seinem
-Hause tüchtig vorsteht, wird ein trefflicher Bürger seyn. Darum ist es ein
-Irrthum, zu glauben, das Allgemeine werde an Leben gewinnen durch die Vernichtung
-aller individuellen Verhältnisse. Könnte in jedem Stande, in jeder
-Stadt, ja in jedem Dorfe ein eigenthümliches Selbstgefühl erzeugt werden, so
-würde aus diesem erhöhten und vervielfältigten individuellen Leben auch das
-Ganze neue Kraft gewinnen. Darum, wenn von dem Einfluß des bürgerlichen
-Rechts auf das Vaterlandsgefühl die Rede ist, so darf nicht geradezu das besondere
-Recht einzelner Provinzen und Städte für nachtheilig gehalten werden. Lob in
-dieser Beziehung verdient das bürgerliche Recht, in soferne es das Gefühl und
-Bewußtseyn des Volkes berührt oder zu berühren fähig ist; Tadel, wenn es als
-etwas fremdartiges, aus Willkühr entstandenes, das Volk ohne Theilnahme läßt.
-Jenes aber wird öfter und leichter bey besonderen Rechten einzelner Landstriche
-der Fall seyn, obgleich gewiß nicht jedes Stadtrecht etwas wahrhaft volksmäßiges
-seyn wird. Ja für diesen politischen Zweck scheint kein Zustand des bürgerlichen
-Rechts günstiger, als der, welcher vormals in Deutschland allgemein war: große
-Mannigfaltigkeit und Eigenthümlichkeit im Einzelnen, aber als Grundlage
-überall das gemeine Recht, welches alle Deutschen Volksstämme stets an ihre
-unauflösliche Einheit erinnerte.«</p>
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-<p>Ich selbst habe im Anfange meiner Abhandlung erklärt, wie sehr ich die
-Vortheile der Eigenthümlichkeit und Mannigfaltigkeit der einzelnen Deutschen
-Länder zu erkennen weiß, und bin daher auch wohl von dem unbedachtsamen
-Haufen unsrer Politiker, welche nur das Sturmlaufen verstehen, recht grämlich
-beurtheilt worden, &ndash; mir zur Freude und Genugthuung. Auch habe ich es laut<a class="pagenum" name="Page_177" id="Page_177">[Pg 177]</a>
-anerkannt, daß ich die bürgerliche Einheit keineswegs wünsche, wo entschiedene
-Oertlichkeiten derselben entgegenstehen. Allein eine solche Mannigfaltigkeit und
-Einheit, wie sie unser Verf. nach dem Obigen wünscht, scheint mir die Nation
-noch tiefer in ihre bisherige grenzenlose Ohnmacht und Zersplitterung herabzustoßen.
-Wenn das, was grade die Menschen am mehrsten zusammenhält, &ndash;
-das lebendige Wesen des täglichen Thuns und Treibens, so recht buntschäckig
-und launevoll werden soll: wo wird dann der brüderliche, gleiche Volkssinn
-dadurch Nahrung finden, daß jeder den Trost hat, im Nothfall werde auch noch
-wohl einmal die Definition oder Entscheidung eines leidigen fremden Gesetzbuchs
-für einzelne Fälle durchgreifend werden, wie z. B. ein feiner Satz über die <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">petitio
-hereditatis</span>, während nach den originellen Statutar-Rechten auf dieser Seite
-eines Deutschen Berges die Frauen als Intestat-Erbinnen ihres Mannes neben
-den Vettern nichts bekommen, und auf jener Seite den Kindern vorgehen? Ich
-muß es wiederholen, und ich weiß, daß viele Deutsche Männer von einfachem,
-kräftigem Sinn auf meiner Seite stehen: es ziemt dem Deutschen, dem Nachbarn
-seine Launen, Moden und Gefühle zu lassen, und es soll hoch und in Ehren
-gehalten werden, was überall das unerklärbare Angebohrne Eigenthümliches geschaffen
-hat: aber Bescheidenheit und Vaterlandsliebe sollen sich fügen und schicken,
-wo die Ueberlegung zu richtigen <em>Begriffen</em> kommen kann; wo leichter Verkehr
-den Segen der Einfachheit unwidersprechlich macht; wo bey der Vielfachheit in
-der Regel ein Theil offenbar irrt: und dies ist grade bey unsern bürgerlichen
-Einrichtungen der Fall. Der Wunsch, ein sicheres Eigenthum zu haben; die
-häuslichen Verhältnisse und Intestat-Erbrechte nach den, überall im Ganzen
-gleichen verwandtschaftlichen und ehelichen Neigungen eingerichtet zu sehen; sich
-auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners fester Rechte zu erfreuen;
-an allen Seiten Sicherheitsformen zu haben, aber lästiger Formalien überhoben
-zu seyn, &ndash; über diese und tausend andre Dinge des bürgerlichen Rechts werden
-die Einwohner Deutschlands nur Eine Stimme haben, wenn sie gehörig angeregt
-und belehrt werden; und selbst ein Befehl könnte hier genügen, wie manche der
-Länder zeigen, wo neuerlich ohne alle Schonung das Neu-Französische Recht unbedingt
-eingeführt ward, und wo die juristische Einheit sich sehr leicht machte,
-ohne daß dennoch im Uebrigen die Local-Originalitäten irgend verwischt wurden.
-Aber das weiß ich freylich, daß man bey uns mehr, als bey andern Nationen, die
-Nothwendigkeit des zufälligen Seyns zu construiren versteht. Wie <cite>Kant</cite> einmal
-gegen die Philosophen bemerkt, daß sie <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">a priori</span> nach dem hinzielen, was sie
-sich vorher <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">a posteriori</span> aufgesteckt haben, so kann man auch mit allem Recht
-sagen, daß unsre klügelnden Juristen und Politiker, besonders seit der, aus den
-neueren Revolutionen erfolgten Abspannung und Kleinmüthigkeit, alles zu rechtfertigen
-und zu beschönigen suchen, was sich nun einmal zufällig so oder so gemacht
-hat. Allein das wird doch Niemand zeigen können, daß es nicht unendlich
-wünschenswerth wäre, wenn das Volk den Muth faßte, sich da, wo alle thätigen
-Verhältnisse durch, und in einander greifen, der alles verwirrenden bisherigen
-Vielfältigkeiten zu entschlagen; in Betreff des Rechten gleich zu denken und zu
-handeln; und nur da den Eigenthümlichkeiten Raum zu geben, wo sie den ver<a class="pagenum" name="Page_178" id="Page_178">[Pg 178]</a>nünftigen Nachbarn nicht stören, oder gar erfreuen können. Die Behauptung
-der inneren Notwendigkeit der Buntschäckigkeit unsers bisherigen Rechts wird
-schon durch die Unendlichkeit des Allerley von selbst widerlegt. Denn es findet
-sich in den nächsten Berührungen, unter völlig gleichen Umständen, auf allen
-Seiten, und bestätigt so, was die tägliche Erfahrung über die Seelenlosigkeit des
-größten Theiles unsres Rechts handgreiflich lehrt, nämlich, daß nicht Naturkräfte
-und Ideen die steten Triebfedern dabey sind, sondern oft bloß zufällige Entschlüsse,
-Mangel an Umsicht und Ueberlegung, und dann im Vollenden die trockne, endlose
-grammatische Auslegung, welche verurtheilt ist, aus den kümmerlichen Aehren
-die tauben Körner auszudreschen. Mit voller Ueberlegung hat die Deutsche Nation
-nie geschaffen, was ihre Glieder jetzt trennt und verwirrt; und so soll man denn
-mit aller Macht Heilmittel herbeyschaffen, nicht aber den Kranken glauben
-machen, daß seine Pein so recht das wahre Gutbefinden und Wohlbehagen sey.</p>
-
-<p>Daß nun aber Justinians Sammlungen <em>als Gesetzbuch</em> ein gänzlich mißrathenes
-Werk sind, bleibt unwidersprechlich, obgleich man dem Verf. gern zugeben
-kann (und dies habe ich immer getan), daß die Römischen Classiker große Anlagen
-für tiefe und umfassende Ansichten hatten. Denn das Ganze ist nun einmal
-durch schlaffe Barbaren verkrüppelt und verbildet; voll der ärgsten Widersprüche;
-fast nirgend auf weise legislative Grundsätze gebauet; wegen der Vielfachheit
-bloßer Einzelnheiten ohne deutliche Gründe unendlich lückenhaft; unserem Volks-Charakter
-nicht zusagend; und dunkel und räthselhaft an allen Enden. Meinem
-Vorwurf, daß wir nicht einmal einen festen Text besitzen, und denselben aus zahllosen
-Varianten bilden müssen, begegnet zwar der Verf. dadurch, daß er meint, drey
-bis vier Ausgaben könnten einen Mann von kritischem Sinn schon ziemlich zum
-Ziele führen, und das Ganze werde die fortschreitende Wissenschaft schon vollenden;
-wobey er denn noch daran erinnert, daß ja die Unsicherheit des Textes auch bey
-unsern heiligen Büchern Statt finde (S. <a href="#savigny_123">123</a>). Allein mein Vorwurf wird
-dadurch nicht entkräftet. Die Gesetze greifen mit allen ihren feinsten Einzelnheiten
-in das wirkliche Leben, und da gibt es kein Beruhigtseyn <em>im Ganzen</em>.
-Man muß alles Kleinere wissen. Wer also auch die vier Ausgaben von <cite>Contius</cite>,
-<cite>Russardus</cite>, <cite>Pacius</cite> und <cite>Gothofredus</cite> zur Hand hat (ein seltener
-Fall!), und dann doch erwarten muß, daß die nächste beste andre Ausgabe, z. B.
-von <cite>Baudoza</cite>, wieder ihre eignen Lesarten habe, der kann unmöglich beruhigt
-seyn. Von dem Fortschreiten der Wissenschaft erwarte man aber nie eine
-Vollendung. Was bisher seit acht Jahrhunderten, durch alle Zeiten der Kraft
-und Arbeitsamkeit nicht geschehen ist, das wird ferner himmelfest auch unterbleiben.
-Die Arbeit ist zu ungeheuer und die Richtung der neueren Zeit wird sie den
-Gelehrten immer unerträglicher machen, wenn auch wohl da und dort ein
-glänzendes Probestückchen erscheinen möchte. Die Vergleichung mit der Bibel
-scheint aber weder passend, noch tröstend zu seyn. Denn ihre Varianten lassen
-dem Glauben seine Freyheit, und im Glauben kann das Vielfache unbeschadet
-neben einander bestehen. Im Fach des äußern Rechts dagegen läßt sich nur Ein
-Gesetz denken, und da beruhet immer das Glück des Bürgers darauf, ob man
-ihn nach dieser oder jener Variante behandelt. Auch ist bey der Bibel der Noth<a class="pagenum" name="Page_179" id="Page_179">[Pg 179]</a>stand, daß eine neue Offenbarung nicht verlangt werden kann, während es bey
-einem menschlichen Gesetzbuch eine Schande der Regierung genannt werden muß,
-wenn sie einen verwilderten, der gesetzlichen Besserung fähigen Text seinem
-eignen Schicksal überläßt. Zur Bestärkung meiner Klagen will ich hier nur
-noch daran erinnern, daß <cite>Jauch</cite> einen ganzen Oktav-Band über die, in den
-Pandekten zu setzenden oder zu streichenden Negationen geschrieben hat, und daß
-man mit einigen hundert gesetzgebenden <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><em>non</em></span> mehr oder minder die ganze Welt
-umkehren kann.</p>
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-<p>Daß wir jetzt zur Abfassung eines neuen Gesetzbuchs unfähig sind, scheint
-mir die Geschichte der bisherigen jüngsten Gesetzbücher eben so wenig zu beweisen,
-als ich aus der Geschichte der Schlacht von Jena beweisen möchte, es hätten
-den Preußen die Feldzüge von 1813 und 1814 mißlingen müssen. Der <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Code
-Napoléon</span> kann hier gar nicht in Betracht kommen. Denn wenn die Franzosen
-der jüngsten Zeit ihre eignen classischen älteren Juristen kaum dem Namen nach
-kannten, so lag die bürgerliche Gesetzgebung ganz außer ihrer Sphäre. Eben so
-wenig bietet das neue Preußische und Oesterreichische Gesetzbuch entscheidende
-Abschreckungsgründe dar. Beyde fanden ihre Veranlassung in der Periode unsrer,
-auch in wissenschaftlicher Hinsicht größten Schlaffheit, und bey beyden waren nur
-wenig bedeutende Männer thätig mitwirkend, besonders bey dem Oesterreichischen
-Gesetzbuch, dessen Verfasser nirgend in Deutschland nach Hülfe suchten. Dennoch
-ist nach meiner innigsten Ueberzeugung eben dieses Gesetzbuch durch seine Bündigkeit,
-und seine einfachen, kräftigen, eigenthümlichen Ansichten höchst merkwürdig, und
-könnte, &ndash; obgleich ich dessen unbedingte Annahme in Deutschland nicht mit
-Andern wünschen möchte, &ndash; als Grundlage der Discussion bey einem neuen
-Gesetzbuch unvergleichliche Dienste leisten. Zu tadeln ist daran gewiß noch viel,
-so wie auch das sorgfältigst gearbeitete neue Gesetzbuch noch allerley zu erinnern
-übrig lassen würde. Aber warum will man denn vorzugsweise alles herabsetzen,
-und mißtrauisch gegen alles machen, was unsre eigne Kraft schaffte, und schaffen
-kann? Es ist wahr: wir werden das neue Gesetzbuch nicht durchaus so naiv
-und wundervoll klar und kräftig schreiben, wie es <cite>Luther</cite> und <cite>Logau</cite> hätten
-schreiben können, und der Lücken, Dunkelheiten und Inconsequenzen werden auch
-noch wohl da und dort vorkommen. Allein wer darüber klagt, der sollte doch
-nicht vergessen, daß die Sprache des Codex fast durchaus nichts, daß die Sprache
-der Novellen gar nichts taugt, daß selbst die, überall räthselhaften Pandekten
-keinen, einer Gesetzgebung würdigen Styl enthalten, und daß das ganze Justinianeische
-Gesetzbuch mit Inconsequenzen, Lücken und schlechten Rechtssätzen
-übersäet ist. Wenn also der Verfasser S. <a href="#savigny_115">115</a> gegen die chirurgische Behandlungsart,
-welche ich für nothwendig halte, einwendet: »wir könnten dabey leicht auf gesundes
-Fleisch treffen, das wir nicht kennen, und so gegen die Zukunft die schwerste
-aller Verantwortungen auf uns laden«, so erwiedere ich: laßt uns dennoch den
-alten Krebs ausschneiden; es wird schon junges besseres Fleisch nachwachsen,
-und wir werden eher und sicherer ganz geheilt, als wenn man durch die Wissenschaft
-die bösen Säfte künstlich zu vertheilen, oder allmählig abzuleiten sucht.</p>
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-<p>Darauf, daß eine große Versammlung bedeutender Rechtsgelehrten aus allen<a class="pagenum" name="Page_180" id="Page_180">[Pg 180]</a>
-Deutschen Ländern das Werk vollende, muß ich aber noch immer besonderes
-Gewicht legen, obgleich ich gern einräume (was ich auch nie leugnete), daß erst
-Einzelne der Bedeutendsten die Grundlagen auszuarbeiten haben. Aber die
-Vollendung ist das Werk keines Einzelnen, und so wird denn, der Provocation
-des Verfassers ungeachtet, schwerlich ein einzelner Privat-Mann den Entwurf
-eines Civil-Gesetzbuchs allein wagen, oder jemals allein etwas damit ausrichten.
-Betrieben unsre Deutschen Regenten die Sache wieder kümmerlich, wie früher
-so manche andre wichtige Staatsangelegenheit, so würde ich gern der Erste seyn,
-um das neue Werk mit einer rüstigen Strafrede anzufallen. Allein benutzt nur
-diesen seltenen Augenblick des warmen Eifers und der Verträglichkeit der Völker;
-wendet nur etwas Ehrenwerthes auf das heilsame Werk; vereinigt die Kräfte
-der jetzigen besten Theoretiker, und gebt ihnen aus jedem Lande zum Mitgehülfen
-einen erfahrnen Kenner des Landrechts, nicht nach der mißlichen Wahl der
-Höfe, sondern allein nach dem Urtheil der, auf ihre Eidespflicht angerufenen
-höheren Landesgerichte; und behandelt das Ganze von oben als eine der wichtigsten
-National-Angelegenheiten, mit Regsamkeit, Kraft und Ehrerbietung: dann wird
-schon etwas Musterhaftes vollbracht werden, und zum Tadeln wird nicht mehr
-Veranlassung seyn, als bey den besten andern bisherigen menschlichen Werken.
-Hätten wir doch im Fach der Rechtswissenschaft einen <cite>Göthe</cite>, welcher uns
-recht klar darlegen könnte, wie wir, gleich seinem <cite>Hermann</cite>, von Haus aus
-ängstlich, und uns selbst mißtrauend, unsre besten Kräfte verkennen, aber des
-höheren Fluges nicht unfähig sind, wenn unsre Kraft geweckt, und unser Selbstvertrauen
-belebt wird: dann würde schon die Ueberzeugung herrschend werden,
-daß wir auch im Fach der Gesetzgebung nicht bey fremden Völkern zu betteln
-brauchten, und ein Gesetzbuch vollenden könnten, hinter dem auf allen Fall unser
-bisheriges Recht weit zurückstehen müßte!</p>
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-<p>Für den eignen Plan des Verfassers habe ich alle Achtung, in sofern er
-ein Ausdruck seines herrlichen wissenschaftlichen Eifers, und seines wohlbegründeten
-Selbstgefühls ist; aber in Beziehung auf die Außenwelt kann ich ihn durchaus
-nicht billigen. Die historische Rechtswissenschaft als solche kann nur das Gute
-fördern und vollenden, wenn sie in der Lage ist, von weisen Grundlagen auszugehen,
-und deren Wirkungskreis zu erweitern. Allein in dieser Lage sind wir
-bey dem Römischen Rechte nicht. Ueberall in den Hauptlehren unglückliche
-positive Grundgedanken; überall verwirrte räthselhafte Details; überall ein willkürliches,
-oft rasendes Hineinfahren gelegentlicher Eigenmacht, und eine Masse
-von Folgesätzen des Kampfes der Billigkeit, und des Edicts mit dem strengen
-Rechte, ohne daß Justinianus es verstanden hat, das Ganze zu einer gleichartigen
-Masse zu bilden! Bey diesen zahllosen, ungeheuren Gebrechen könnte die historische
-Rechtswissenschaft nur in sofern wohlthätig werden, als sie, eine neue Gesetzgebung
-verlangend, sich sorgfältig bemühte, alle jene Gebrechen als solche zur
-Lehre und Warnung hinzustellen; aber ihre bloßen klaren Entwickelungen werden
-das Volk nicht glücklicher machen, sondern ihm nur sein Unglück noch anschaulicher
-darstellen.</p>
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-<p>Es bleibt daneben aber noch das zweyte trostlose Hauptübel, daß alle<a class="pagenum" name="Page_181" id="Page_181">[Pg 181]</a>
-Wissenschaft uns nicht zu der Gewißheit führen kann, welche einem guten Rechtszustande
-nothwendig ist. Denn der Text des Justinianeischen Rechts ist nun
-einmal durch und durch ungewiß und zweydeutig, und die Zahl der räthselhaften
-Fragmente ist unendlich. Daß mit jedem Tage immer mehr gute neue Ideen
-zum Vorschein kommen werden, läßt sich freylich erwarten: aber ich muß nochmals
-wiederholen, was ich schon vor sechszehn Jahren gesagt habe: der eigentliche
-Rechtszustand gewinnt nicht dadurch, daß immer mehr Gutes in die Bücher
-hineinkommt, sondern nur durch die allgemeine lebendige Verbreitung in den
-Köpfen; nicht dadurch, daß Professoren ihre Lieblingslehren munter vortragen,
-sondern dadurch, daß die Richter und Anwälde sich des Besten ganz bemächtigen,
-und bemächtigen können. Von diesem Ziele werden wir aber immer weiter abkommen.
-Je verfeinerter bey einem solchen chaotischen Gesetzzustande die
-Wissenschaft wird, desto mehr bekommen die Zweifler und Streitsüchtigen
-Gelegenheit, immer neue Ideen zu wagen, und alles zu verwirren; auch wird
-die Masse des Wissenwürdigen immer unermeßlicher. Freylich kann ein partieller
-Eifer auf eine sehr glänzende Weise hervorgebracht werden; aber das Ganze
-wird damit nicht gefördert. So ist z. B. das classische Werk des Verf. über
-den Besitz allgemein mit dem größten Eifer studirt; aber dafür sind die unschätzbaren
-<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">errores pragmaticorum</span> von <cite>Faber</cite> desto weniger gelesen; und so
-wird es mit jedem Tage weiter gehen, ohne daß doch jemals die alte Litteratur
-durch die neue entbehrlich werden wird.</p>
-
-<p>Die Wissenschaft wird also die Zweifel und Controversen nicht genügend
-heben können, und daher will auch der Verf. eine Mitwirkung der Regierungen
-durch provisorische Verfügungen. Allein das wäre nach meiner Ueberzeugung
-das größte Unglück. Denn zu solchen Verfügungen gehören große theoretische
-Kenntnisse, welche sich in den einzelnen Deutschen Justiz-Ministerien nur selten
-finden werden, und man kann daher mit voller Sicherheit behaupten, daß das
-Römisch-Deutsche Recht in den kläglichsten Zustand der Hölzernheit, Verwirrung
-und Inconsequenz kommen würde, wenn alle einzelnen Regierungen nach dem
-Maaß ihrer Kräfte und Einsichten daran herumarbeiteten; besonders da die Verrückung
-Eines Satzes leicht auch die Aenderung eines zweyten und dritten zur
-Folge haben muß, und da die gewöhnlichen Gelegenheits-Gesetzgeber selten
-wahrnehmen, wie eingreifend einzelne Sätze sind, wenn man sie folgerecht durchführte.
-Wenn also auch jetzt die Freunde des Römischen Rechts zur vorläufigen
-Beruhigung der Gegner auf die heilbringende Hülfe der Regierungen hindeuten,
-so werden sie doch nachher selbst im Einzelnen immer bedenklich, und mit Recht,
-gegen Aenderungen warnen, und sich das wissenschaftliche Steuerruder nicht aus
-der Hand winden lassen; und so kommen wir denn mit den Vorschlägen des
-Verfassers zu dem Dilemma: wirkt man von oben, so taugt es nichts; wirkt
-man aber bloß durch die Wissenschaft, so ist das Volk dem Verderben und der
-Ungewißheit preis gegeben.</p>
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-<p>Uebrigens kann niemand mehr, wie ich, den unschätzbaren Werth einer
-geistvollen historischen Behandlung des Rechts erkennen, und die Rechtsgelehrten
-verehren, welche in den neuesten Zeiten dieser Behandlungsart wieder Eingang<a class="pagenum" name="Page_182" id="Page_182">[Pg 182]</a>
-verschafft haben. Auch bin ich überzeugt, daß von dieser Seite noch unendlich
-viel Gutes geschehen kann. Allein an eine historische Wiedergeburt und Erlösung
-glaube ich nicht; und nebenbey kann ich auch nicht die Besorgniß unterdrücken,
-daß unsre Wissenschaft von dieser Seite sehr leicht verfälscht werden könnte.
-Was die älteren Französischen Juristen bis auf <cite>J. Gothofredus</cite>, was die
-besseren Holländer, was unsre <cite>Heineccius</cite> und <cite>Ritter</cite> geleistet haben, wird
-im Ganzen nie übertroffen werden; und doch blieb unsre Rechtswissenschaft
-schlecht, verwirrt und ungewiß. Daß man mehr Geist und Haltung in unsre
-Rechtsgeschichten bringen wird, kann keinen Zweifel leiden. Allein das alles
-wird nur das Ganze im Allgemeinen betreffen, aber nicht das endlose feinere
-Detail, welches dem Richter eben so nahe liegt, als das Allgemeine. Wir nehmen
-zwar immer mehr die Wendung, daß wir eine Einheit der Gründe und des
-Geistes herauszubringen, und alle Einzelnheiten darauf zurückzuführen suchen.
-Aber wir werden vergebens mit dem Unmöglichen ringen. Noch nie hat sich ein
-positives bürgerliches Recht aus einfachen, nothwendigen Elementen consequent
-herausgebildet. Die zufällige Wortfassung eines Gesetzes wird oft für Jahrhunderte
-entscheidend, wie schon die zwölf Tafeln zeigen; und wenn alle Arten
-der guten und schlechten Köpfe tausend Jahre an einer Rechtsverfassung herumgepfuscht
-haben, so kann auch nicht entfernt an eine organische Einheit gedacht
-werden. Selbst die Praxis ist nur zu oft ein blindes Werkzeug des Zufalls, so
-schön es auch klingt, daß es mit dem Recht gut stehe, wenn es sich nur von
-selbst mache; daher auch die classischen Juristen der Römer sich mehrfach über
-schlechte Rechtssätze ihrer Praxis aufgehalten haben (z. B. <span class="antiqua">L. 6. §. 2 si servit.
-vindic. L. 9. de religiosis</span>). Das Schlimmste ist aber: eine Rechtsverfassung,
-welche sich von Jahr zu Jahr durch Einwirkung aller möglichen Zufälligkeiten
-ausbildet, sinkt allmählig in Ansehung ihrer <em>Gründe</em> in den dicksten Nebel;
-und wenn dann noch dazu, wie bey dem Römischen Recht, die Urkunden der
-Geschichte unsicher, verdorben, oder ganz verloren sind, so müssen sich die historischen
-Erörterungen, welche das Feine und Einzelne, also recht das Practische betreffen,
-in schwankende Voraussetzungen und Vermuthungen auflösen; wobey denn unser,
-leider nicht zu verkennender Hang für das Hineinlegen unsrer Eigenthümlichkeit
-in das Alterthum, und für künstliche Zusammenhäufung vornehmer Träumereyen,
-so recht nach Lust und Gefallen alles unter das gelbe Glaß bringen kann. Je
-eifriger dann herüber und hinüber gestrebt wird, desto größer muß für das
-Practische die Ueberlast und die Verwirrung werden. Ich will den Verf. nur
-an das unvergleichliche Werk unsres <cite>Niebuhr</cite> erinnern. Laßt dieses Werk ganz
-vollendet werden, und sich auch über die Einzelnheiten unsrer Rechtsgeschichte
-verbreiten: was wird der Erfolg seyn? Der große Haufen wird es anstaunen
-und nicht verstehen; die Mittelköpfe werden es loben, etwa wie der Furchtsame
-im Dunkeln singt, und wenig Nutzen daraus ziehen; und wenn es möglich wäre,
-daß Männer mit solcher fast unglaublicher Gelehrsamkeit, mit dieser Tiefe und
-Fülle des Geistes, und dieser kritischen Kühnheit neben <cite>Niebuhr</cite> auftreten
-könnten, so würde der ganze Stoff so in Schwanken, und die Untersuchung in
-solche Tiefen gerathen, daß für die Praxis die ganze Masse eben so ein todter<a class="pagenum" name="Page_183" id="Page_183">[Pg 183]</a>
-Stoff werden würde, als manche der besten Streitschriften der Alt-Italiänischen
-Philologen und Rechts-Historiker.</p>
-
-<p>Ich denke daher: haltet die Rechtsgeschichte, und vor allen Dingen die
-Geschichte des, doch immer vorzüglich bedeutenden Römischen Rechts in den
-höchsten Ehren, damit philosophische Armuth uns niemals verkleinliche, und
-damit wir mit den vielfachen Veranlassungen unsres neu-europäischen Zustandes
-vertraut bleiben. Allein überschätzt die Geschichte nicht, damit in Ansehung
-ihrer nicht auch Statt finde, was gewöhnlich das wahre Glück des einzelnen
-Menschen zerstört, nämlich, daß er in wehmüthigen Rückerinnerungen an Zeiten,
-welche nicht besser waren, als die jetzigen, träumend lebt, und darüber das Gute
-der Gegenwart übersieht und unbenutzt läßt. Der Rückblick auf die Werke der
-vergangenen Zeit mag unsre Begriffe schärfen, unsre Einbildungskraft beleben
-und veredeln; aber wir müssen Muth und Willen behalten, durch unsre eigne
-Kraft die wesentlichen Grundlagen unsres Glückes zu schaffen; und erst dann
-wird es recht mit uns werden, wenn wir das Alterthum, so weit es gewiß ist,
-also im Großen und im Ganzen, uns lebhaft vergewärtigen, aber im Uebrigen
-für die Einrichtung der Wirklichkeit unsrer Kraft mit heiterer Zuversicht vertrauen.
-Und dazu kann uns unsre eigne Geschichte alle Gründe der Aufmunterung geben,
-namentlich für das Fach des äußeren Rechts. Denn wenn wir unparteyisch erwägen
-wollen, welche Geisteskraft und Consequenz sich z. B. in dem System des
-Katholicismus ausgedrückt hat, in dem Lehns-System, in unserm Wechsel- und
-Bauern-Recht, und in einer Menge politischer Einrichtungen: so bleibt auch dem
-neueren Europa sein großes, eigenthümliches Verdienst, welches ohne Zweifel
-noch unendlich größer gewesen seyn würde, wenn wir uns nicht von allen Seiten
-durch fremde Begriffe hätten überraschen und unterjochen lassen; und es verdient
-wahrlich nicht den Namen eines unüberlegten Wagstücks, wenn wir, mit Deutscher
-Gediegenheit, einträchtig und eifrig, unsern Rechtszustand nach unsern Anlagen
-und Bedürfnissen männlich zu bestimmen suchen.</p>
-
-<p>Der Verf. hat auf der letzten Seite seiner Schrift einige Auszüge aus
-<cite>Melanchthons</cite> Reden gegeben, welche den Wunsch, daß das Römische Recht
-als Schutzwehr gegen Barbarey beybehalten werden möge, lebhaft aussprechen.
-Für die wilde, ungebildete Zeit des 16ten Jahrhunderts mag dies gern als
-lautere Wahrheit gelten; aber keineswegs für den inneren Werth der Justinianeischen
-Compilation. Ich will darüber auch zum Beschluß etwas Merkwürdiges
-anführen, nämlich eine Aeußerung von <cite>Muretus</cite>, welcher, mit den
-Schriften der großen Italiänischen und Französischen Juristen bekannt, und
-nachdem er selbst über die Pandekten ausführliche Vorlesungen gehalten hatte,
-im Jahr 1580 von Rom aus Folgendes (<span class="antiqua">opp. T. 4. p. 191 sqq.</span>) einem Freunde
-schrieb: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">»Ex omnibus veterum scriptorum monumentis, Paule Sacrate, nulla
-pejus ab hominibus imperitis ac temerariis flagitiosiusque tractata sunt,
-quam ea, quibus jus civile populi Romani continebatur. Nam cum extitisset
-antiquitus magna quaedam vis hominum eruditorum, qui leges, senatus
-consulta, plebiscita, edicta magistratuum et urbana et provincialia tum
-copiosis et uberibus tum mundissimo ac nitidissimo orationis genere<a class="pagenum" name="Page_184" id="Page_184">[Pg 184]</a>
-scriptis commentariis illustrassent; jamque immensi operis videretur, eorum
-omnium scripta pervolvere; arduum etiam et difficile in crebris, ut fit,
-eorum dissensionibus, quid optimum ac verissimum esset, judicare: ei
-malo mederi cupiens imperator Justinianus negotium Triboniano et
-aliquot aliis dedit, ut ex eorum scriptis ea tantum excerperent, quae utilia
-essent quaeque in judiciis obtinerent: quae cum in unum corpus, resectis
-ceteris, ordine digessissent, sola tererentur studiosorum manibus eisque
-laborem minuerent ac levarent. At illi, hac potestate accepta, non ut ille
-Horatianus agricola, qui inutiles ramos falce amputans feliciores inserit,
-sed ut milites accepte signo ad oppidum aliquod diripiendum ac depraedandum,
-per medium jus civile grassantes et, ut quidque obvium erat,
-lacerantes, mutilantes, trucidantes, brevi tempore exhibuerunt nobis veteres
-jurisconsultos, instar Deiphobi,</span></p>
-
-<p class="line1"><span class="antiqua gesperrt" lang="la" xml:lang="la">laceros crudeliter ora,</span></p>
-<p class="line2"><span class="antiqua gesperrt" lang="la" xml:lang="la">Ora manusque ambas;</span></p>
-
-<p class="noindent"><span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">quamque disciplinam perpurgandam ac perpoliendam susceperant,
-eam ita deformarunt, ut vix ulla amplius ejus imago superesset. Quam
-enim hanc infelicitatem esse dicemus, quod, cum hoc jus ex legibus,
-senatus consultis, plebiscitis, edictis magistratuum, constitutionibus principum,
-responsis prudentum constare dicatur, hodie in libris juris nulla lex
-extat, nullum senatus consultum, integrum saltem et <span lang="grc" xml:lang="grc" title="holoklêron">&#8001;&#955;&#8057;&#954;&#955;&#951;&#961;&#959;&#957;</span>, nullum
-plebiscitum; edicti perpetui paucae quaedam, ut ex naufragio, tabulae;
-ipsae principum constitutiones multis locis decurtatae et ha <span lang="grc" xml:lang="grc" title="êkrôtêriasmenai">&#8052;&#954;&#961;&#969;&#964;&#951;&#961;&#953;&#945;&#963;&#956;&#8051;&#957;&#945;&#953;</span>;
-prudentum autem scripta ita distracta, dilacerata, divulsa, ut in eis vetus
-illa Hippolyti fabula renovata videatur. Itaque hodie non aliter jus civile
-discere cogimur, quam si, sublatis et extinctis omnibus Aristotelis et
-Aristoteleorum interpretum scriptis, fragmenta tantum quaedam reperirentur,
-e variis Alexandri, Themistii, Simplicii, Philiponi et aliorum decerpta
-commentariis, ex quibus utcunque in communes locos digestis Aristoteleam
-philosophiam discere juberemur.</span>«</p>
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_185" id="Page_185">[Pg 185]</a></p>
-
-
-
-<h3>3. Urteile der Zeitgenossen zu den Streitschriften Thibauts
-und Savignys.<a name="FNanchor_F_6" id="FNanchor_F_6" href="#Fn_F_6" class="fnanchor">F</a> 1814-1818.</h3>
-
-
-<h4>1. Besprechungen von Thibauts Schrift (Originalausgabe und
-erweiterter Abdruck in Thibauts Civilistischen Abhandlungen,
-Heidelberg 1814, S. 404 bis 466).</h4>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">a</span>) Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, Jena und Leipzig, 1814 Nr. 185 mit
-der Unterschrift R. V. K.</p>
-
-<p>Sowohl früher, als in der neuesten Zeit, haben auch andere Stimmen
-sich schon über diesen Gegenstand vernehmen lassen; noch nie aber ist dies auf
-eine so überzeugende, Geist und Herz so eindringlich in Anspruch nehmende Weise
-geschehen, als in diesen wenigen, aber inhaltschweren Bogen.... Eifrigen
-Widerspruch aber wird hin und wieder des Vfs. Urteil über unsere hauptsächlichste
-Rechtsquelle, nämlich über das römische Recht, finden.... Einen der größten
-Mängel, wenn gleich nur relativen, unseres bisherigen Rechtes hat der Vf. viel
-zu wenig herausgehoben, <em>den</em> nämlich, daß es ein <em>fremdes</em> Recht ist....
-Sind wir denn aber so ganz unfähig zu einer selbständigen Vereinigung, daß es
-selbst <em>hiezu</em> der Hilfe und Garantie fremder Mächte bedürfen sollte?</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">b</span>) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1814 Stück 152, 153. Für
-Thibaut. Es handele sich um einen seit 50 bis 100 Jahren laut gewordenen
-»Volkswunsch«.</p>
-
-<p>Ebenda, Stück 267.</p>
-
-<p>In einer sinnigen Abhandlung, kurz und kräftig, wie es sein muß, wenn
-man einen großen allgemeinen Eindruck machen will, zeigt Herr <cite>Thibaut</cite> die
-Notwendigkeit eines allgemeinen Rechts. Die unheilbaren Gebrechen der römischen
-Gesetzbücher werden in ihrem ganzen Umfange enthüllt; an dem französischen Gesetzbuch
-hätte auch wohl seine geheime Grundlage: Conscription und Enregistrement
-entdeckt werden müssen.... Die Einwendungen gegen ein deutsches Gesetzbuch
-werden siegreich beantwortet. Bei der Entwicklung seiner Vorteile hätten wir
-mehr Tiefe erwartet. Die Vorteile für die Gelehrten und Akademieen sind
-zuerst genannt, da es doch nur Nebenvorteile sind. Sein Nutzen für die Bürger
-wird bloß darin gesetzt, daß es dem Unwesen der Collisionen steuere, daß es der
-politischen Zersplitterung und dem Kleinigkeitsgeiste das Gegengewicht halte und
-daß in den einzelnen Ländern nichts Vollkommenes zu erwarten sei. Es hat
-uns endlich weh getan, in dieser sonst schätzbaren Schrift die Meinung zu finden:
-Die Erlassung des Gesetzbuches müsse wie ein Völkervertrag unter feierlicher
-Garantie der auswärtigen alliirten Mächte behandelt werden.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_186" id="Page_186">[Pg 186]</a></p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">c</span>) Wiener Allgemeine Literatur-Zeitung, Wien, 1814 Nr. 98 (Xxxx).</p>
-
-<p>Diese Vorfrage (die politische, s. o. S. <a href="#thibaut_12">12</a>) abgerechnet, müssen wir gestehen,
-daß der Hr. Verf. seine Materie auf die gründlichste Art abgehandelt hat.
-Seine gehaltvolle Schrift ist eine um so erfreulichere Erscheinung, als es nach
-der Flut der Ideale, womit wir bisher überschwemmt worden sind, gewaltig
-Not tut, wieder einmal Etwas zu vernehmen, das uns in das Reich der
-Wirklichkeit zurücklenkt. Die Abhandlung hat nicht bloß für den gegenwärtigen
-Zeitpunkt ein hohes Interesse, sondern auch für die Folge einen bleibenden Wert,
-da sie nebst dem eigentlichen Thema noch mehrere andere Gegenstände berührt,
-die dem Freunde der Rechtswissenschaft von hoher Wichtigkeit sind. Wenn wir
-auch voraussetzen können, daß ihre inhaltsschweren Worte bereits die rege Teilnahme
-aller deutschen Biedermänner gefesselt haben, und die kräftige Schrift in den
-Händen der Meisten unserer Leser sein werde, so halten wir es doch nicht für
-überflüssig, bei der Analyse derselben noch einige Zeit zu verweilen. Die in ihr
-ausgesprochenen Wahrheiten können nicht oft genug wiederholt werden, und
-wenn es auch nicht nötig ist, sie in den deutschen Erbländern des österreichischen
-Kaiserstaates in Anregung zu bringen, da sich dieselben bereits eines allgemeinen
-bürgerlichen und peinlichen Gesetzbuches erfreuen, das, bis auf die noch nicht
-revidierte Prozeßordnung, allgemein als ein Muster der Vortrefflichkeit anerkannt
-wird, &ndash; so sind dieselben doch für Deutschland im Allgemeinen von zu hohem
-Interesse, als daß sie in dem mächtigsten Bestandteile dieses Reichs nicht einer
-besonderen Beachtung würdig gehalten werden sollten.... Die Vorteile, welche
-aus der Einführung eines Nationalgesetzbuches für den Gelehrten, für den
-akademischen Unterricht, für die Schärfung des, bis jetzt auf den deutschen
-Universitäten vernachlässigten praktischen Sinnes in den Studirenden, für den
-ausübenden Juristen, und vorzüglich für das Glück der Bürger entspringen
-müssen, können wohl nicht mehr einleuchtender erwiesen werden, als es in dieser
-kleinen, aber sehr gehaltvollen Abhandlung geschehen ist.... Rühmlich ist die
-Kühnheit, mit welcher der Hr. Verf. gegen Vorurteile und Mißbräuche zu
-Felde zieht, besonders da er nicht verkennt, wie sehr er den Widerspruch,
-vorzüglich der eingewurzelten Selbstsucht auf sich ziehen wird. Er ist auf die
-Vorwürfe der einseitigen Verehrer des Pandektenrechts, deren Zorn er besonders
-durch seine Ausfälle auf ihr mit ausschließender Liebe gepflegtes Schoßkind rege
-gemacht haben muß, so wie auf die Bedenklichkeiten in Voraus gefaßt, welche
-von heimlichen und öffentlichen Widersachern gegen die Abfassung eines deutschen
-Gesetzbuches in Anregung gebracht werden könnten. Er begegnet ihren Einwendungen
-durch eine Reihe sehr scharfsinniger Bemerkungen, die in mehr als
-einer Hinsicht, allgemein beherzigt zu werden verdienen, deren Anführung wir
-jedoch hier um so billiger übergehen können, als wir erwarten, daß die schätzbare
-Abhandlung des Herrn Thibaut nicht nur von jedem Freunde der positiven
-Rechtswissenschaft und Politik, sondern auch von jedem deutschen Manne werde
-gelesen werden, für den das künftige Schicksal des Vaterlandes Interesse hat.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">d</span>) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1816 Stück 34, 35.</p>
-
-<p>Für Thibaut. Rezensent vermißt zwei Betrachtungen bei Thibaut: Die<a class="pagenum" name="Page_187" id="Page_187">[Pg 187]</a>
-allgemeine Rechtsuniformirung würde auch für die <em>Herrscher</em> Deutschlands
-ersprießlich sein, weil sie den Ländertausch (eine politisch-militärische Notwendigkeit)
-erleichtere. Sodann: Mit welchem Teile des Ganzen soll der Anfang gemacht
-werden? Rezensent schlägt vor: Mit den Bestimmungen über Handel, Literatur
-und Kunst. Die schwierigste Frage wird übrigens immer die sein: Ob in dem
-gegenwärtigen Zustande Deutschlands die Niedersetzung einer solchen allgemeinen
-deutschen Gesetzgebungscommission politisch möglich sei? Daß sie nicht politisch
-wahrscheinlich ist, folgt aus der Möglichkeit obiger Frage.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">e</span>) Karl Albert von Kamptz, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft
-und Rechtsverwaltung, 3. Band, Berlin 1814, S. 395.</p>
-
-<p>Eine kurze Inhaltsangabe der zusammen besprochenen Streitschriften von
-Thibaut und Savigny. »Die Gründe beider Rechtsgelehrten sind aber so wenig
-eines kurzen Auszugs fähig, als die lichtvollen Bemerkungen des Herrn von
-Savigny über das Preußische allgemeine Landrecht.«</p>
-
-
-<h4>2. Besprechungen von Savignys Schrift.</h4>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">a</span>) Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur, Heidelberg, 1814 Nr. 59 (von
-<cite>Thibaut</cite>, oben abgedruckt Abt. II, <a href="#Page_174">2</a>).</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">b</span>) Göttingische Gelehrte Anzeigen, Göttingen, 1814 Stück 194 (von <cite>Hugo</cite>).</p>
-
-<p>Hugo erinnert an seine zustimmende Kritik von Schlossers Briefen
-über die Gesetzgebung, die sich im Jahre 1789 gegen die Schaffung eines
-Preußischen Gesetzbuchs aussprachen.... Wie freute sich nun Rezensent, als
-er von seinem Freunde <cite>Savigny</cite> erfuhr, daß dieser, trotz seiner Beschäftigung
-mit den gelehrtesten Untersuchungen über die Geschichte des Römischen Rechts
-im Mittelalter, doch in einer eigenen Schrift die Wissenschaft gegen die Gesetzbücher
-retten wolle! Und wie freute er sich, als er nun das Buch las und ganz
-<cite>Savigny</cite> darin fand! »<em>Den sollt ihr hören</em>« möchte er Juristen und Nichtjuristen
-zurufen, und für diejenigen, die sich etwa wundern möchten, wie Rez.
-das Herz habe, ein Buch so zu loben, worin seiner so sehr in Ehren gedacht
-wird, will er nur gleich hinzusetzen, daß ihm noch nie eine Anerkennung dessen,
-was er nun schon ein Vierteljahrhundert für die Wissenschaft zu tun gestrebt
-hat, so angenehm gewesen ist, als diese.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">c</span>) Wiener Allgemeine Literatur-Zeitung, Wien, 1814 Nr. 98. (Hß.)</p>
-
-<p>Die Meinung (Thibauts) hat wohl die Stimme der Zeitgenossen für sich,
-deren Mut, Hoffnung und Selbstvertrauen, durch die riesenhaften Erfolge ihrer
-Anstrengungen belebt, nichts für unmöglich, wenig für bedenklich hält; doch
-gebührt <cite>Savignys</cite> Schrift der Vorzug einer größern Eigentümlichkeit der
-Gründe, und einer sorgfältigern Ausführung.... Rez. muß offenherzig gestehen,
-daß ihn <cite>Savignys</cite> Gründe nicht überzeugt haben.... Daß unsere Zeit dazu
-nicht reif sei, könnte nur die Tat beweisen. Wir rufen vielmehr im festen
-Vertrauen auf die Kraft der Völker und den guten Willen der Herrscher: <em>Jetzt
-oder nie!</em></p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">d</span>) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1815 Stück 222 bis 223.</p>
-
-<p>Daß über die Schrift des <cite>Hn. von Savigny</cite> als anstrebend gegen den
-Zeitgeist und gegen die Überzeugung nicht bloß der Menge, sondern auch aller<a class="pagenum" name="Page_188" id="Page_188">[Pg 188]</a>
-ausübenden Rechtsgelehrten und aufgeklärten Staatsmänner nicht vorteilhaft
-geurteilt wurde, war sehr natürlich, und Rezensent, der Hn. v. S. aufrichtig
-hochachtet, hätte gewünscht, <em>daß die Schrift ungedruckt geblieben wäre</em>.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">e</span>) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1815 Stück 234. Vom Beruf unserer
-Zeit für (?) Gesetzgebung und Rechtswissenschaft.</p>
-
-<p>... Sieht man nun auf den <em>Titel</em> des Buches zurück, so muß man dem
-Verf. die Billigkeit der sogenannten Halbscheidsurtheil nachrühmen: denn von den
-beiden <em>Berufen</em>, welche dort erwähnt sind, spricht er unserer Zeit nur den
-ersten ab, und läßt ihr den zweiten. Die Schrift liest sich übrigens, das um
-die Bilder schwebende <em>Helldunkel</em> abgerechnet, angenehm und ist fast splendid
-gedruckt.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">f</span>) Vgl. oben zu 1 <span class="antiqua">e</span>.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">g</span>) Äußerungen von <cite>Niebuhr</cite> und <cite>Jacob Grimm</cite> s. o. S. <a href="#Page_14">14</a>. <cite>Anselm
-v. Feuerbachs</cite> Urteil ist wegen der ihm zukommenden besonderen Bedeutung
-unten Abt. II, <a href="#Page_195">4</a> im Zusammenhange abgedruckt.</p>
-
-
-<h4>3. Nicolaus Thaddäus v. Gönner, Direktor des Appellationsgerichts
-und Mitglied der Gesetzkommission in München,
-Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit
-(Beiträge zur neuen Gesetzgebung in den Staaten des
-teutschen Bundes), Erlangen 1815, 291 S. <span class="nostyle">(Vgl. unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>)</span>.</h4>
-
-<p>Das gegen Savigny gerichtete, teilweise in verletzendem Tone geschriebene
-Buch enthält dieselben Abschnitte wie Savignys Schrift. An die Stelle der
-bisherigen Rechtsquellen sollen nach Gönners Vorschlag Gesetzbücher treten,
-aber jeder größere deutsche Staat soll sein eigenes haben. (Vgl. Ludwig Spiegel,
-Savignys Beruf und Gönners Gegenschrift, Vierte Abhandlung in Spiegels
-Gesetz und Recht, München und Leipzig 1913).</p>
-
-
-<p>Besprechungen hierzu:</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">a</span>) Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (herausgegeben von Savigny,
-Eichhorn und Göschen), Band 1, Berlin 1815, Nr. 17 (von <cite>Savigny</cite>,
-wieder abgedruckt in dessen Vermischten Schriften 5. Band, Berlin 1850,
-S. 115 ff.).</p>
-
-<p>Die heillosesten Ansichten und Grundsätze, die unter Bonapartes Herrschaft
-in Deutschland gedeihen konnten, und die allen Gutgesinnten ein Greuel sind,
-werden hier ohne Scheu ausgelegt, und mit der Verteidigung der Gesetzbücher
-gegen das geschichtliche Recht in Verbindung gebracht.... Die Regierungen
-werden gewarnt gegen die historische Methode, deren Bekenner ihnen das Recht
-der Gesetzgebung entziehen, und es in die Hände des Volks und der Juristen
-als Volksrepräsentanten spielen wollen (auf diesen Punkt von Bedeutung geht
-Savigny ausführlich ein).... Nimmt man hinzu, daß nach unserm Verf. das
-Gesetzbuch die eigentliche Grundlage alles wissenschaftlichen Rechtsstudiums sein
-soll, so ist die unvermeidliche Folge seines Vorschlags, und ohne Zweifel auch
-die deutlich gedachte Absicht desselben, daß in dem Recht sowohl als in dem
-Rechtsstudium der Deutschen alles Gemeinsame aufhöre. Ein solcher Vorschlag
-kann Jedem, der das Deutsche Vaterland liebt, schon um dieser Vaterlandsliebe<a class="pagenum" name="Page_189" id="Page_189">[Pg 189]</a>
-willen nicht anders, als sehr schmerzlich sein: er ist aber auch an sich, für das
-Recht jedes einzelnen Staates verderblich. (Diese abgerissenen Sätze aus der
-umfangreichen und für die Grundlehren der historischen Schule wichtigen Rezension
-Savignys müssen hier genügen).</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">b</span>) Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur, Heidelberg, 1815 Nr. 40 (von
-<cite>Thibaut</cite>).</p>
-
-<p>... Als Mitherausgeber unserer Jahrbücher bin ich nun bei diesem Streit
-abermals in eben der Verlegenheit, worüber ich früher (Heidelb. Jahrb. 1814
-S. 931 &ndash; gemeint ist die Rezension über Savignys »Beruf«) klagte, und noch
-mehr als damals. Denn durch mich ist hauptsächlich der Streit veranlaßt, und
-fast alles, was Hr. v. G. gegen meinen, mir sonst so teuren Gegner gesagt hat,
-stimmt im Wesentlichen mit meinen innigsten Überzeugungen überein. Vielfach
-von dem Verf. gelobt (und wahrlich weit über mein Verdienst!) stehe ich hier
-demnach als parteiischer Richter in der Mitte, und ich würde es nicht verantworten
-können, wenn ich durch irgend ein Urteil die vorläufige Ansicht der Leser zu
-bestimmen suchte. Ich muß mich daher auf eine bloße Inhaltsanzeige beschränken,
-welche auch nur in kurzen Andeutungen zu bestehen braucht. Denn die, welche
-im Stande sind, diesen großen Streit zu beurteilen, werden sich doch nicht dazu
-verstehen, die Arbeit eines solchen Schriftstellers blos nach den Auszügen eines
-andern zu benutzen; und für die Neugier der übrigen Leser sind kurze Andeutungen
-mehr als hinreichend. Nur über Einen Punkt will ich mich näher erklären,
-weil ich dabei der Angegriffene bin, und insofern auf die Billigung aller Leser
-rechnen kann, wenn ich mich selbst frei und offen meiner eigenen Sache annehme.
-(Es folgt die Inhaltsangabe.) Der Eine Hauptpunkt, wogegen ich mich aber,
-wie gesagt, erklären muß, ist die Behauptung des Verf. (S. 274, 275), daß ein
-allgemeines Deutsches bürgerliches Gesetzbuch sich nicht denken lasse, weil Deutschland
-ein bloßer Bundesstaat sei, und die Selbständigkeit der einzelnen Staaten es
-nicht vertrage, von einem Gesetzbuch regiert zu werden, welches von dem Bunde
-als einer <em>obersten Gewalt</em> ausging. Er begnügt sich also damit, die Hoffnung
-zu machen, daß einige der größeren Staaten nach Österreich und Preußen mit
-gutem Beispiel vorangehen, und die übrigen nicht lange zurückbleiben werden.
-Auf solche Art werde sich nach und nach in den Hauptbestimmungen eine materielle
-Gleichförmigkeit der Civilgesetzgebungen bilden, wobei dann kleine Abweichungen
-der Nationalität nicht schaden würden.</p>
-
-<p>Nach den in Deutschland so beliebten, immer mehr aufblühenden Grundsätzen
-des Territorial-Egoismus läßt sich gegen jene Ideen des Verf. freilich
-nichts einwenden. Allein die Nation, als Ganzes betrachtet, und insofern sie
-die neumodische Souverainität in Ansehung ihrer angeblichen Segnungen nicht
-anerkennen mag und kann, wird schwerlich jene tröstenden Hoffnungen des Verf.
-beruhigend finden. Durch zufälliges Zusammentreffen und Nachahmen machte sich
-ja bei uns nie etwas bedeutend Gutes, und wenn jetzt die Theorie sich mehr
-als jemals, für das Princip des Isolirens ausspricht, so wird die Praxis, &ndash;
-welche im Politischen stets noch despotischer und kleinlicher war, als die Theorie,
-&ndash; das Arge schnell zum Aergsten fortbilden. Der Begriff eines bloßen Bundes<a class="pagenum" name="Page_190" id="Page_190">[Pg 190]</a>staates im schlaffen jetzigen Sinn kann nichts weiter beweisen, als daß ein
-einzelnes Bundesland in Ansehung der vielen Gegenstände, worüber die Bundesversammlung
-keine Gewalt hat, sich nicht den Befehlen dieser Versammlung zu
-unterwerfen braucht. Allein wer wollte es für eine Nichtigkeit und Unmöglichkeit
-erklären, wenn alle deutschen Regierungen zusammenträten, und ihre gemeinsame
-Kraft der Einführung eines gleichförmigen bürgerlichen Rechts widmeten? Die
-unermeßlichen Vortheile einer solchen gleichförmigen Verfassung hat Herr v. G.
-in seiner Schrift überall selbst anerkannt und mit lebhaften Farben geschildert.
-Treffender wäre es also gewesen, wenn Er als ein, für keinen einzelnen Bundesstaat
-besonders gestimmter Deutscher, philosophirend die rechtliche Einheit
-dringend empfohlen, und höchstens nur als Kenner der Vergangenheit und
-Gegenwart hinzugesetzt hätte: unsere Vorschläge und Wünsche werden auch in
-dieser Hinsicht leere Luftschlösser bleiben. Denn wenige einzelne deutsche Staaten
-meinen es ehrlich mit einander, und es läßt sich die Zahl schwerer Opfer gar
-nicht berechnen, welche noch zu bringen sind, um deutsche Gesinnungen in der
-That und Wahrheit allgemeinherrschend zu machen.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">c</span>) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1815 Stück 232 bis 235.</p>
-
-<p>Die Besprechung nimmt zu den Schriften Thibauts und Savignys Stellung
-in einem für Savigny günstigen Sinne.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">d</span>) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1815 Stück 235.</p>
-
-<p>Es ist Pflicht und Schmuck aller gelehrten Journale, sich auszusprechen,
-und die Stimmen mehrer einzelner Gelehrten in sich zu sammeln über die neue,
-zwischen Hrn. v. Savigny auf der einen, Hrn. v. Gönner, Schmid und Thibaut
-auf der andern Seite entstandene Streitfrage. &ndash; Der Rezensent, der im römischen
-Recht die unerläßliche Grundlage jedes Rechtsstudiums erblickt, tritt im Übrigen
-im Wesentlichen Gönner gegen Savigny bei.</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">e</span>) Göttingische Gelehrte Anzeigen, Göttingen, 1815 Stück 108 (von <cite>Hugo</cite>).</p>
-
-<p>Für die Leser unserer Anzeigen, welche sich etwa aus St. 194 im vorigen
-Jahrgange der Schrift von <cite>Savigny</cite>: Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung
-und Rechtswissenschaft erinnern, bedarf es eigentlich nur der ganz kurzen
-Angabe, daß hier die eilf Abschnitte jenes Buchs, vom ersten bis zum letzten,
-widerlegt werden sollen, daß Herr v. G. sich der »Deutschen« Gelehrten, welche
-ein Gesetzbuch forderten, gegen diesen »romanistischen« annimmt, ihm alle Begriffe
-von Recht und Gesetzgebung abspricht, ihm Schuld gibt S. 88, daß er auch die
-Bildungsgeschichte des Römischen Rechts historisch unrichtig darstelle usw. Die
-Meinung des Rez. hierüber werden sie wohl nicht erst zu wissen verlangen.
-<cite>Savigny</cite>, den einen bloßen Romanisten nennen zu hören, besonders seit der
-Erscheinung seines oben S. 85 angezeigten Buches (gemeint ist die Geschichte
-des Römischen Rechts im Mittelalter), erbaulich ist, gehört, wie ihm oft genug
-zu Gemüte geführt wird, zur historischen Schule, und in welchem Verhältnisse
-Rez. zu dieser steht, ist im Buche selbst S. 44 klar zu lesen, damit nicht etwa
-Jemand das Verdienst von <cite>Savigny</cite> zu hoch anschlage und ihm in dieser
-Schule mehr als eine höchst untergeordnete Stelle anweise....</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_191" id="Page_191">[Pg 191]</a></p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">f</span>) Rheinischer Merkur, Koblenz, 1815 Nr. 245. G(rimm). (Wiederabgedruckt
-in Wilhelm Grimm's Kleineren Schriften Bd. 1 (Berlin 1881) S. 549 ff.
-unter dem Titel Ȇber Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in unserer
-Zeit«). Vgl. auch Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm,
-Weimar 1881, S. 459: Wilhelm an Jacob Grimm, 2.6.1815, »Ich
-habe nur in dieser Zeit eine Rezension von Gönners Schrift gegen
-Savigny für den Merkur geschrieben, wozu er mich aufforderte.«</p>
-
-<p>Für Savigny (dessen Schrift inhaltlich kurz wiedergegeben wird) gegen
-Gönner. &ndash; (Gönners Schrift) ist weder geistreich noch gewandt geschrieben,
-vielmehr gemein und sich wiederholend; nur einige Gifttropfen sind mit hineingeschlossen,
-welche die Reinheit der Gesinnung am Gegner beflecken sollen, dagegen
-ist sie vollständig und bietet überall eine freche Stirn.... (Das Recht geht
-nach Gönner) <em>einzig vom Herrscher und dessen Einzelwillen
-aus</em>.... Dieser Streit ist nicht bloß ein wissenschaftlicher, der sich überlassen
-bleiben könnte, sondern er geht auf etwas allgemein Menschliches, und insofern
-gehört er in dieses öffentliche, die freien Rechte der Völker verteidigende Blatt....
-<em>Ein teutsches</em> Vaterland kennt dieser Geist nicht, nur selbständige und unabhängige
-Staaten, deren jeder sein <em>besonderes</em> Gesetzbuch haben muß; und
-er rühmt selbst diesen dauerhaften Zustand. (Vgl. oben S. <a href="#Page_20">20</a>.)</p>
-
-
-<p class="qh5"><span class="antiqua">g</span>) <cite>Kamptz</cite>, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft
-und Rechtsverwaltung, 6. Band, Berlin 1815, S. 174.</p>
-
-
-<h4>4. Karl Ernst Schmid, Herzoglich Sächsischer Geheimer Rat
-und Vicepräsident der Landesregierung zu Hildburghausen,
-Deutschlands Wiedergeburt, Ein politischer Versuch, Jena
-1814, 425 S., Abschnitt VI: Einheit der bürgerlichen und peinlichen
-Gesetze. <span class="nostyle">(Vgl. oben S. <a href="#Page_73">73</a> u. <a href="#Page_135">135</a>.)</span></h4>
-
-<p>Für Thibaut. 2 Besprechungen in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung
-1814 Nr. 220 bis 224 (die erste, <span class="antiqua">PN</span> gezeichnet, gegen Thibaut), ferner
-Besprechungen in der Allgemeinen Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1814
-Stück 286, 287 und in der Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1814 Nr. 183.</p>
-
-
-<h4>5. B. W. Pfeiffer, Kurfürstl. Hessischer Regierungsrat zu
-Cassel, Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für Teutsche
-Staaten, Göttingen 1815, 221 S. (<span class="nostyle">Vgl. unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a></span>).</h4>
-
-<p>Für Thibaut. <cite>Pfeiffer</cite> schlägt vor: Das Werk damit zu beginnen, daß
-allen bisherigen Rechtsnormen, und ganz vorzüglich dem Corpus juris der Römer,
-das gesetzliche Ansehen entzogen werde; alsdann aber aus dem reichhaltigen
-Stoffe, welchen sie enthalten, ein einfaches und bündiges neues Gesetzbuch zu
-bilden, das jedoch nur neu in Rücksicht der Form ist, alt seinem Inhalte nach.</p>
-
-<p>Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816 Nr. 13
-(von <cite>Thibaut</cite>).... Daß Rezensent in Ansehung der Gebrechen unseres
-Rechtszustandes und der Notwendigkeit eines neuen allgemeinen bürgerlichen
-Rechts ganz mit Hr. Pf. gleichdenkt, ist bekannt. Allein in Ansehung der Art
-der Ausführung des Werks kann Rez. die Pläne des Verf. unmöglich billigen.
-(Thibaut erklärt sich insbesondere gegen den Verfasser insofern, als dieser alle<a class="pagenum" name="Page_192" id="Page_192">[Pg 192]</a>
-naturrechtlichen Sätze aus dem Gesetzbuch ausscheiden will, ferner unser bestehendes
-Recht als im Ganzen unabänderlich ansieht, endlich die Redaktion des Ganzen
-nur Einem Einzigen übertragen will.) ... Allein wir reden hier von einem
-Werke, welches dem bürgerlichen Leben des Volks auf viele Jahrhunderte
-zur Grundlage dienen soll ... Übrigens stimmt Rez. dem Verf. ganz bei,
-wenn er es für höchst wahrscheinlich hält, daß die Regierungen der Deutschen
-Länder sich zur Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs <em>nicht</em> verbinden werden,
-und daß so über kurz oder lang jedes einzelne Land sein eigenes Particular-Recht
-bekommen wird. Damit ist denn natürlich auch die Rechtswissenschaft zu Grunde
-gerichtet und man wird dann den Freunden der Wissenschaft, welche jetzt für
-das Alte kämpfen, auch wieder sagen können, was man so oft sagen muß:
-Gott bewahre uns vor unseren Freunden! Indes wünscht Rezensent doch, daß
-man für den Notfall noch einen Mittelgedanken im Leben erhalte, nämlich daß
-man nahe bei einander liegende Länder zur Einführung eines gleichförmigen
-bürgerlichen Rechts zu bewegen suche, z. B. Baiern, Würtemberg, Baden und
-Darmstadt. Nicht allein der bürgerliche Verkehr macht dies im höchsten Grade
-rätlich, sondern auch der Umstand, daß selten ein einzelnes deutsches Land im
-Stande ist, ein vollendetes bürgerliches Recht durch die Kräfte seiner eigenen
-Rechtsgelehrten zu schaffen.</p>
-
-
-<h4>6. Ludwig Harscher von Almendingen, Politische Ansichten über
-Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,
-1. Abteilung, 1814 <span class="nostyle">(ohne Ort und Namen des Verfassers)</span>; 2. Abteilung,
-Wiesbaden 1814, <span class="nostyle">zusammen 448 S. (Der Verfasser war Prozessualist
-und Kriminalist, dann Richter und Staatsmann im Nassauischen.) (Vgl.
-unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>.)</span></h4>
-
-<p>Gegen Thibauts Vorschlag S. 354 ff. Daß die Ausführung desselben, welcher
-Gottlob nicht geringe Schwierigkeiten im Wege stehen, ein ungeheures Nationalunglück
-sein würde, leuchtet dem schlichten Menschenverstand des gewöhnlichen
-Geschäftsmannes ein. Die Bekämpfung jenes Vorschlages wäre daher nicht
-nötig, wenn es nicht viele Menschen gäbe, welche lieber dem Wort eines berühmten
-akademischen Gelehrten, als ihren fünf Sinnen glauben. Für diese Menschen
-sind folgende Bemerkungen niedergeschrieben. &ndash; Der Verfasser wendet sich
-namentlich gegen Thibauts Forderung, daß <em>alle</em> deutsche Staaten <em>ein und
-dasselbe</em> Gesetzbuch erhalten müssen; es wäre nur eine von außen aufgedrungene
-Form; öffentlich-rechtliche und örtliche Bedürfnisse seien in den einzelnen Staaten
-von verschiedenem Einfluß auf das bürgerliche Recht; besonders in der <em>Kriminalgesetzgebung</em>
-seien die für ein Volk passenden Bestimmungen nicht auch für ein
-anderes geeignet; mit dem eigenen <em>inneren</em> Leben der einzelnen föderalisierten
-Staaten Deutschlands sei ein von <em>außen her</em> gegebenes einförmiges unabänderliches
-bürgerliches Recht schlechterdings unvereinbar.</p>
-
-<p>Besprechungen im Rheinischen Merkur 1814 No. 100 und in den Heidelb.
-Jahrbüchern 1815 No. 28 bis 30.</p>
-
-
-<h4>7. Eduard Schrader, Professor des Civilrechts und Obertribunal-Rat
-in Tübingen, Die Prätorischen Edicte der<a class="pagenum" name="Page_193" id="Page_193">[Pg 193]</a>
-Römer auf unsere Verhältnisse übertragen, ein Hauptmittel
-unser Recht allmälich gut und volksmäßig zu bilden, Weimar
-1815, 144 S. <span class="nostyle">(Vgl. unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>.) Für Savigny. (Vgl. oben S. <a href="#Page_20">20</a>.)</span></h4>
-
-<p>Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816 Nr. 66
-(für Thibaut).</p>
-
-
-<h4>8. Carol. Eduard. Morstadt, Dissertatio juridica, qua
-disquiritur num Germanorum jureconsulti novo legum
-civilium codici condendo idonei sint censendi, Heidelbergae
-1815, 48 pag.</h4>
-
-<p>(Der Verfasser war später Professor in Heidelberg, bekannt durch seine
-unselige Lebensführung.)</p>
-
-<p>Für Thibaut.</p>
-
-
-<h4>9. Anselm Ritter von Feuerbach, Einige Worte über historische
-Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche Gesetzgebung.
-Eine Vorrede. (Aus Borst's Schrift: über die
-Beweislast besonders abgedruckt.) Bamberg und Leipzig
-1816, 24 S. <span class="nostyle">(Vgl. unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>.)</span></h4>
-
-<p>Das Urteil des Kriminalisten <cite>Feuerbach</cite>, des nächst Savigny bedeutendsten
-Juristen der Zeit, ist unten Abt. II, <a href="#Page_195">4</a> im Zusammenhange abgedruckt.</p>
-
-<p>Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816 Nr. 46
-(von <cite>Thibaut</cite>).</p>
-
-
-<h4>10. Karl Schildener, ordentl. Professor der Rechte in
-Greifswald, Begünstigt die Haupteigenschaft im gesellschaftlichen
-Character der Deutschen die Abfassung eines
-allgemeinen Gesetzbuchs zu jetziger Zeit? Rede nach
-öffentlicher Übernahme des Rektorats der Universität am
-11. Mai 1815, Greifswaldisches Academisches Archiv,
-1. Band, Greifswald 1817, <span class="nostyle">S. 1 bis 28.</span></h4>
-
-<p>Für Thibaut.</p>
-
-
-<h4>11. Gespräche über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in
-Teutschland. Veranlaßt durch den Streit zwischen
-A. F. J. Thibaut und F. C. v. Savigny und gehalten im
-Frühjahr 1815. Aus den Papieren eines vieljährigen practischen
-Rechtsgelehrten herausgegeben von <span class="antiqua">Dr.</span> N. Schlichtegroll,
-München 1818, 80 S.</h4>
-
-<p>Die drei Gespräche sind betitelt: Thibaut, Savigny, Der Freyherr (gemeint
-ist ein Staatsmann, der Vertreter aller vier Fakultäten zur Aburteilung des
-Streites versammelt). Die Entscheidung fällt zu Gunsten von Thibaut. Die
-den Gesprächen angehängte »Übersicht der wichtigsten über die Streitfrage: ob
-ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für Teutschland zu wünschen sei, in den
-letzten vier Jahren erschienenen Schriften« ist bei der vorstehenden Zusammenstellung
-teilweise benutzt (Siehe auch die kurze Übersicht bei <cite>Schrader</cite>, a. a. O.,
-S. 3 Anm. und namentlich <cite>Savignys</cite> »Stimmen« unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>).</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_194" id="Page_194">[Pg 194]</a></p>
-
-
-<h4>12. F. A. Freiherr von Ende, Kgl. Würtbg. Staatsminister,
-Vermischte Juristische Abhandlungen, Hannover 1816,
-Abhdlg. 24, S. 303 ff: Ist die Einführung eines allgemeinen
-Gesetzbuchs für ganz Teutschland ausführbar und wünschenswert?</h4>
-
-<p>Das <em>Dafür</em> ist so oft vorgetragen, daß eine Wiederholung desselben überflüssig
-wäre.... Ich zweifle sehr, daß ein allgemeines Gesetzbuch der Wunsch der
-teutschen Nation im Ganzen ist, und es je sein wird. &ndash; Der Verfasser beruft
-sich zur Begründung der Nachteile auf Möser, der vor dem Generalisieren warnte.</p>
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_195" id="Page_195">[Pg 195]</a></p>
-
-
-
-
-<h3>4. Anselm von Feuerbachs Urteil. 1816.</h3>
-
-
-<p>Aus der von dem Kriminalisten Feuerbach (1775 bis 1833) verfaßten
-Vorrede zu der Schrift des Bamberger Stadtgerichtsassessors Nepomuk Borst,
-Über die Beweislast im Civilprozeß, Bamberg und Leipzig 1816. Die Vorrede
-ist auch gesondert erschienen unter dem Titel: Einige Worte über historische
-Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche Gesetzgebung, Bamberg und
-Leipzig 1816, 24 S. (Wiederabgedruckt in Feuerbachs kleinen Schriften vermischten
-Inhalts, Nürnberg 1833, S. 133-151.) Vgl. unten Abt. II, <a href="#Page_202">5</a>.</p>
-
-<hr class="hr45" />
-
-<p>Diesen Zustand der Dinge (gemeint ist der Gegensatz zwischen dem Theoretiker
-mit seiner Kenntnis nur des toten und dem Praktiker mit seiner Kenntnis nur
-des lebenden Rechts) scheint man bey Entscheidung des neulichen, vielfach merkwürdigen
-Streits über das Bedürfniß und den Werth einheimisch deutscher
-Gesetzgebung<a name="FNanchor_G_7" id="FNanchor_G_7" href="#Fn_G_7" class="fnanchor">G</a>, nicht gehörig erwogen zu haben. Bekanntlich wurde unser Zeitalter,
-&ndash; nachdem man demselben die Fähigkeit, sein geltendes Recht, gereinigt von
-alterthümlichem Ueberfluß und neuen Mißbräuchen in einem mit sich selbst
-übereinstimmenden Gesetzbuche darzustellen, geradezu abgesprochen hatte, &ndash; mit
-seinen Erwartungen und Wünschen von der gesetzgebenden Gewalt hinweg an
-die Rechtsgelehrten gewiesen, welche durch fortgesetzte Bildung des gelehrten
-Rechts, und zwar nach reingeschichtlicher Methode, ausschließend berufen seyen,
-im Lauf einer nicht zu bestimmenden Zeit allem Bedürfnisse abzuhelfen. Das
-Recht werde überall (und dieß ist ganz unbestreitbar) aus dem Geiste des Volks<a class="pagenum" name="Page_196" id="Page_196">[Pg 196]</a>
-gebohren, falle aber, sobald es zu gewissen Jahren und Kräften gekommen, den
-Rechtsgelehrten und der sich selbst überlassenen freyen Wissenschaft ausschließend
-als Pflegkind anheim, wie denn das römische Recht nicht durch Gesetzgebung,
-sondern durch Rechtsgelehrte zu seiner Vollkommenheit gediehen sey. Ein
-deutsches Gesetzbuch (abgesehen, daß dasselbe nur als Urkundenbuch unserer
-Unwissenheit und Geistesarmuth dienen werde) könne daher nichts anderes wirken,
-als die Wissenschaft in ihren Schritten aufzuhalten und die Nachkommenschaft
-wohlthätiger Entdeckungen zu berauben.</p>
-
-<p>Ob hinter dem eifrigen Bemühen, womit von einigen der ausgezeichnetesten
-Gelehrten der römischen Schule, dem lauten Nothruf nach einem einheimischen
-Rechtsbuche niederschlagend begegnet wurde, nicht insgeheim, diesen würdigen
-Männern selbst unbewußt, ein Argument versteckt liege, demjenigen ähnlich,
-womit wohl auch schon von Kriegsgelehrten die Nothwendigkeit des Kriegs
-behauptet wurde, weil nämlich sonst die Kriegswissenschaft untergehen werde<a name="FNanchor_H_8" id="FNanchor_H_8" href="#Fn_H_8" class="fnanchor">H</a>:
-mag ununtersucht bleiben, weil die Entscheidung unerheblich ist. Wie die
-Schlußfolge selbst offen ausgesprochen vorliegt, darf diese nur zergliedert werden,
-und man sieht bald, daß ihre Stärke auf einer Vermischung verschiedenartiger
-Begriffe, Voraussetzungen und Bedingungen ruht, wodurch der Schein entsteht,
-als wenn was von dem Einen in Wahrheit gilt, auch von dem Anderen gelte.</p>
-
-<p>Als ein Hauptgrund für das Bedürfniß einer einheimisch deutschen Gesetzgebung
-wurde geltend gemacht, daß die <em>gesetzliche Grundlage</em> unseres
-Rechtszustandes aus den ungleichartigsten, mit sich selbst streitenden Bestandtheilen
-zusammengesetzt sey; daß die Bücher, welche für uns <em>Gesetzbücher</em> geworden,
-als Rechtsbücher fremder Völker, nach fremden Gebräuchen und oft unbekannten
-oder nicht mehr vorhandenen Einrichtungen und Zwecken, in fremden Begriffen
-wie mit fremden Worten zu uns sprechen, und daß das Gebäude des Rechtssystems,
-welches wir das unsrige nennen, zum größten Theil unter dem Schutt
-einer längst untergegangenen Zeit begraben liegt, so daß es der mühseligsten
-Zurüstungen und der fortgesetzten Bemühungen eines Menschenlebens bedarf,
-um den Schutt aufzuräumen, die Trümmern hervorzugraben und dann die Bruch-Enden
-zu errathen, bey denen sie wohl oder übel sich wieder zusammenfügen
-lassen. Ist diese Anschuldigung gegründet (und wer vermag sie zu läugnen?)
-so ist nicht zu verstehen, wie die Rechtswissenschaft Gebrechen zu tilgen vermöge,
-welche die Gesetzgebung belasten. Mag die ihrem freyen Gang überlassene
-Rechtswissenschaft graben und wühlen, entdecken und aufklären, zur Wahrscheinlichkeit
-oder Gewißheit bringen, so viel sie wolle, so darf sie den Bann-Kreis
-jener Gesetzbücher nicht überschreiten und ist daher schlechterdings unvermögend,
-einen Zustand, von dem sie selbst bedrückt wird und den sie ohne Empörung
-gegen die eigne Gottheit nicht von sich abschütteln kann, zu bessern oder nur
-um eine Linie breit von der Stelle zu rücken. Daß unsere Rechtswissenschaft
-<em>Rechtsgelehrsamkeit</em> und ihrem Wesen nach, wenigstens zum allergrößten<a class="pagenum" name="Page_197" id="Page_197">[Pg 197]</a>
-Theil <em>historisch-antiquarisch</em> ist, darf niemand verkennen, noch unsern
-Rechtsgelehrten zum Vorwurf anrechnen. Auch wird die geschichtliche Erforschung
-des Rechts und seiner Entwickelung (sogar in <em>weit mehr umfassender
-Beziehung</em>, als in welcher dieselbe von unsern reingeschichtlichen Rechtsgelehrten
-dermalen empfohlen und betrieben wird) unter jeder Voraussetzung
-ein nicht nur für den Gesetzgeber unentbehrlicher, sondern für jeden zum Höhern
-gebildeten Geist würdiger Gegenstand des Wissens seyn. Aber daß unsre
-Rechtswissenschaft, <em>selbst in ihrer unmittelbaren Beziehung auf
-das Leben</em>, historisch-antiquarisch ist, daß sie dieses nach dermaliger Beschaffenheit
-der Rechtsquellen sein <em>muß</em>: das ist eben das Uebel, dem nun einmal
-durch diese geschichtliche Rechtswissenschaft selbst eben so wenig abzuhelfen ist,
-als eine Krankheit durch weitere Vervollkommnung eben dieser Krankheit gleichsam
-aus sich selbst heraus geheilt werden mag. Jeder seiner Zeit gemäße Rechtszustand
-und jede denselben darstellende Gesetzgebung ist in so ferne nothwendiger
-Weise geschichtlich, als die Gegenwart immer durch die Vergangenheit, der jetzige
-Zustand durch eine Reihe vorhergehender bestimmt wird. Allein das ist das
-ganz eigenthümliche unsres Rechtszustandes, daß die Geschichte des Rechts,
-welches wir das <em>unsrige</em> nennen, gleichwohl <em>nicht</em> bey <em>uns</em> und bis auf
-<em>unsre Zeit</em> herab, sondern bey einem fremden untergegangenen Volke bereits
-vor weit mehr als tausend Jahren <em>abgelaufen</em> ist; daß man von da nicht
-<em>vorwärts</em><a name="FNanchor_I_9" id="FNanchor_I_9" href="#Fn_I_9" class="fnanchor">I</a>, sondern an dem dünnen, oft zerreissenden Faden der Geschichte,
-Sprach- und Alterthumskunde wieder um mehr als Ein Jahrtausend forschend
-<em>rückwärts</em> gehen muß, um, wenn man klar oder halbklar eingesehen was in
-der ersten Hälfte des VI. Jahrhunderts bey den Römern als Recht gegolten
-habe, nun erst zu wissen, wie unsere Richter im XIX. Jahrhundert den Deutschen
-ihr Recht sprechen sollen.</p>
-
-<p>Es ist nichts unbestrittener als eben dasjenige, worauf von den Widersachern
-eines einheimisch deutschen Gesetzbuchs mit ganz besonderem Nachdrucke gedrungen
-wird, gleichsam als wäre es je von Verständigen bestritten worden, nämlich: daß
-alles auf Entwickelung und Darstellung des <em>volksthümlichen, in das
-Leben der Nation</em> übergegangenen Rechts ankomme. Das ist nur das
-Unbegreifliche, wie gerade die historische Rechtswissenschaft, welche Alles in
-Allem seyn soll, mit Entwickelung und Bildung dieses lebenden Rechts, das unbekümmert
-um das Gelehrtenwesen und um Entdeckungen in dem Alterthum
-früherer Jahrtausende, seines Weges geht und immer nur seine gegenwärtigen
-Bedürfnisse befragt, &ndash; in irgend einem nahen ursächlichen Zusammenhang stehe?
-Was, wenn auch alle Geister der alten Römerwelt aus ihren Gräbern heraufbeschworen
-würden, um über alles klärliche Antwort zu geben und von der<a class="pagenum" name="Page_198" id="Page_198">[Pg 198]</a>
-Mutter Carmenta bis zu Justinian herab die ganze Rechtsgeschichte aufs wahrhafteste
-im bündigsten Zusammenhange zu erzählen, &ndash; was hiedurch so Großes
-für die Verbesserung unseres gegenwärtigen Rechtszustandes gewonnen sey? Die
-Geschichte erklärt, wie Etwas nach und nach <em>geworden</em>; <em>wie</em> und <em>was</em>
-dieses Etwas <em>sey</em>, lehrt die Geschichte nicht. Was der Geschichte angehört ist
-schon dem Leben abgestorben. Oder ist etwa <em>das</em> Recht, welches die geschichtliche
-Rechtswissenschaft lehrt, wirklich das volksthümliche, lebende? &ndash; Was ist bey <em>uns</em>
-wirklich Rechtens? was ist von dem Fremden einheimisch geworden? wie hat es
-sich, vermischt mit deutschem Saft und Blute, umgestaltet? in welcher Form
-steht es jetzt da, lebt und wirkt es? Hierüber vermag die geschichtliche Rechtswissenschaft
-entweder keine oder nur abgebrochene Antwort zu geben, und in
-jedem Fall liegt das Orakel, welches hierauf antwortet, weit näher, als daß
-dasselbe erst auf einem Umweg, der durch Jahrtausende hindurchgeht, gesucht
-werden müßte. Abgeschiedene Geister kehren leibhaft nimmermehr zurück, und
-daher wird insbesondere die Geschichte des Rechts, werde ihre Erforschung auch
-noch Jahrhunderte fortgesetzt, mehr nicht seyn und bleiben, als eine Zusammenstellung
-größerer oder kleinerer Bruchstücke, welche da und dort aus dem Dunkel
-der Zeiten hervortreten und deren Bedeutung und Zusammenhang oft nicht zu
-erkennen, sondern nur muthmaßlich zu errathen ist. Wenn also das Heil unseres
-Rechtszustandes von der Wiederherstellung eines Gewebes abhängt, welches zwar
-die Zeit gewoben, aber auch, wenigstens für unsere Erkenntniß, wieder zerrissen
-und in alle Winde gestreut hat, wehe! dann ist dessen Verbesserung auf die
-Ewigkeit verschoben.</p>
-
-<p>Was in jener Ansicht am meisten auffällt, ist das Unpassende einer Vergleichung
-zwischen dem alten römischen Recht und unserem heutigen römisch-canonisch-deutschen
-Rechte, besonders die Fehlerhaftigkeit des Schlusses von dem
-was der römische Rechtsgelehrte der Fortbildung des römischen Rechtszustandes
-<em>war</em>, auf das was unsere deutschen Rechtsgelehrten, wenn man diese nur nicht
-durch Gesetze in ihren Forschungen hemme, dereinst dem deutschen Rechtszustande
-werden <em>könnten</em>. Schon die große Verschiedenheit zwischen der römischen
-aristokratisch-demokratischen Verfassung und unsern heutigen Monarchien, die
-eigenthümliche Vollmacht der Magistrate und die ausgedehnte Gewalt des
-Gerichtsbrauchs, der Einfluß auf das Edict jener Magistrate und auf diesen
-Gerichtsbrauch, wodurch der römische Rechtsgelehrte mittelbar und zwar unter
-der Form einer höheren Autorität, mithin wirklich <em>gesetzgebend</em> (wiewohl
-nicht auf den Comitien, noch in unserer Art Gesetze zu geben) auf den Rechtszustand
-einwirkte: dieses und anderes dergleichen stumpft schon gar sehr die
-Schärfe jener Vergleichung ab. Jedoch hievon abgesehen ist einleuchtend, daß
-der römische Rechtsgelehrte und seine Rechtswissenschaft äußerlich und innerlich
-etwas ganz <em>anderes</em> war, als <em>unsre</em> Rechtsgelehrte und <em>unsre</em> Rechtswissenschaft,
-so lange ihre jetzigen Quellen fortdauern, jemals werden können.
-Der römische Rechtsgelehrte saß bekanntlich nicht als Geschichts- und Alterthumsforscher
-hinter alten Denkmälern und Manuscripten, sondern auf dem Marktplatz,
-oder zu Haus unter den Clienten, oder auf dem Gerichtsstuhl oder in dessen<a class="pagenum" name="Page_199" id="Page_199">[Pg 199]</a>
-Nähe; sein Wissen war Erkenntniß aus dem Buche des bürgerlichen Lebens,
-und er hatte weit weniger zu lesen und zu lernen als zu beobachten, zu denken,
-zu urtheilen und zu schließen. Aus der Erforschung hetrurischer, altitalischer,
-griechischer Alterthümer sog das römische Recht seine Lebenssäfte nicht, obgleich
-diese Alterthümer dem Römer weit näher lagen als uns die seinigen; Alterthumskunde
-war der Grammatik zugewiesen. Das konnte auch wohl geschehen; denn
-der Römer hatte nicht erst den Rechtsleichnam eines vor einem Jahrtausend
-untergegangenen Volks zu zergliedern, um denselben bey sich von neuem künstlich
-zusammenzusetzen und wieder zum Scheinleben aufzuwecken. Wo Er stand und
-ging war er bey sich zu Hause; was Er umfaßte, was Ihn durchdrang, war
-<em>seine</em> Zeit und die <em>Gegenwart</em> mit ihrem Haben und Bedürfen; was Er
-erkannte, bearbeitete, gestaltete, war <em>sein</em> und <em>seines</em> Volkes Recht. Und so
-ward das römische Recht nicht durch Geschichte, Alterthumskunde, Kritik und
-Grammatik, als geschichtliche Rechtswissenschaft, sondern durch Erfahrung,
-Philosophie und Logik zur Reife gebracht.</p>
-
-<p>Können die Pfleger der deutschen Rechtsgelehrsamkeit uns die gründliche
-Verheissung geben, eben das und eben so uns zu werden, was und wie es der
-Römer seinem Volke war? Wohlan! dann wollen wir uns des Wunsches nach
-einem einheimischen Gesetzbuche oder (weil man bey deutschen Angelegenheiten
-in der Mehrzahl sprechen muß) nach einheimischen <em>Gesetzbüchern</em> gern entschlagen.
-Allein umsonst! Um jenes zu werden, müßte erst unsere Rechtswissenschaft
-aufgehört haben, zu seyn was sie ist, &ndash; eine historisch-antiquarische
-Wissenschaft; und damit diese etwas anderes seyn könnte als sie ist, müßten wir
-erst gerade eben dasjenige besitzen, dessen Besitz uns, wie gesagt wird, durch fortgesetztes
-historisch-antiquarisches Forschen entbehrlich gemacht werden soll: &ndash; ein
-einheimisches, den Bedürfnissen der Zeit anpassendes, in sich selbst übereinstimmendes,
-mit gesetzlicher Kraft ausgestattetes Rechtsbuch. Ein solches hatte der Römer
-in seinen XII Tafeln, späterhin in seinem Edict. Und eben weil er es hatte,
-weil sein Recht auf einheimischem Boden aus Einer Herzwurzel hervorwuchs,
-darum konnte dieses unter der Jahrhunderte lang fortgesetzten Pflege des stets
-auf die Wirklichkeit hingewendeten philosophischen Geistes und logischen Verstandes,
-zu jenem kräftigen Stamm mit reichen Aesten in die Breite und Höhe wachsen.</p>
-
-<p>Als man von einem deutschen Gesetzbuch für deutsche Völker sprach, dachte
-man nicht an ein Werk despotischer Willkühr, welche aus sich selbst das Recht
-erst mache, und dasselbe, wenn es nach Laune fertig geworden, dem Volk als
-Joch über den Hals lege; auch dachte man nicht an ein von der Vernunft mit
-Idealen erzeugtes, auf Wolken gebohrnes Götterkind, welches, nachdem es die
-vergangenen Jahrhunderte aus dem Buche der Zeit weggestrichen, kecken Geistes
-über die Gegenwart hinweg in neue noch unerschaffene Jahrhunderte hinüberspringe<a name="FNanchor_J_10" id="FNanchor_J_10" href="#Fn_J_10" class="fnanchor">J</a>.
-Die Foderungen waren weder so gemein, noch so überspannt. Man<a class="pagenum" name="Page_200" id="Page_200">[Pg 200]</a>
-wollte nicht mehr, als was die Römer gethan, da sie ihre XII Tafeln verfaßten,
-mit dem einzigen Unterschied, daß nach dem Zustand unserer geselligen und
-geistigen Bildung, und nach der großen Verschiedenheit der Elemente, welche
-auf die Fortbildung unseres Rechtszustandes eingewirkt haben, die deutschen
-Rechte nicht in dem Raum von zwölf römischen Tafeln Platz genug finden. Mit
-einem bloßen <em>Aufschreiben</em> des vorhandenen Rechts war es aber freylich
-selbst bey diesen kleinen XII Tafeln auch nicht gethan. Waren die Römer, wie
-aus <cite>Niebuhrs</cite> Forschungen erhellet, durch Kasten getrennt, lebten Patrizier
-und Plebejer nach verschiedenen Rechten, vielleicht auch die Plebejer selbst, je
-nach Verschiedenheit ihrer Volksabstammung wieder unter sich nach verschiedenen
-Volks- und Stammsgewohnheiten (wie späterhin die Barbaren in den neugestifteten
-germanischen Reichen); so mußten, nach dem Ausdrucke des <cite>Livius</cite><a name="FNanchor_K_11" id="FNanchor_K_11" href="#Fn_K_11" class="fnanchor">K</a>,
-diese Verschiedenheiten gegen einander ausgeglichen, mit einander in ein übereinstimmendes
-Ganze verschmolzen, mithin mußte auf der einen Seite weggenommen,
-auf der andern zugelegt, dort etwas aufgehoben, hier etwas beygefügt, dort das
-Widerstreitende durch ein Drittes vermittelt, alles dem gegenwärtigen Zeitbedürfniß
-mit Weisheit angepaßt werden. Daß die Zehnmänner das bürgerliche Recht
-ohne weiteres nur so hingeschrieben haben, wie sie es eben fanden, widerstreitet
-aller Geschichte<a name="FNanchor_L_12" id="FNanchor_L_12" href="#Fn_L_12" class="fnanchor">L</a>. Daß ihnen das Volk die gesetzgebende Weisheit zum<a class="pagenum" name="Page_201" id="Page_201">[Pg 201]</a>
-Verbrechen angerechnet, darüber schweigt die Geschichte. Ob die Römer, ehe
-sie ihre Wünsche geltend machten, zuvor noch eine gründliche Selbstprüfung
-über ihre Fähigkeit zu einer Gesetzgebung angestellt haben? ob die Unbehülflichkeit
-ihrer Sprache und die Aussicht auf eine erst künftige Veredlung derselben, als
-ein Zweifelsgrund gegen das Unternehmen auch bey ihnen<a name="FNanchor_M_13" id="FNanchor_M_13" href="#Fn_M_13" class="fnanchor">M</a> angeführt worden
-ist? ob die verstockten Patrizier das dringende Begehren des Volks unter anderem
-auch damit abzulehnen versuchten, daß sie ihm vorgestellt: &ndash; all ihr Klagen
-und Verlangen beruhe auf einem Mißverstande, wenn sie von Gesetzen foderten,
-was die Rechtswissenschaft allein nach Jahrhunderten ohnehin schon leisten
-werde; man möge den Rechtsgelehrten in ihrer Mitte nur Zeit lassen, die
-heiligen Rechtsbücher der Etrusker, die Alterthümer der Lateiner, Oenotrer,
-Sabeller, Sikuler und, weil offenbar viel Griechisches eingedrungen, die Rechtsgeschichte
-der Griechen durch Großgriechenland hindurch nach Athen hinüber und
-von da, wo möglich, bis in die Zeiten von Kekrops hinauf mit der Fackel der
-Kritik und Geschichte beleuchtend zu verfolgen; dann werde alles von selbst sich
-machen: &ndash; ob dieses oder ähnliches gesagt worden? darüber schweigt ebenfalls
-die Geschichte. Was aber, wenn es gesagt worden wäre, der kerngesunde
-Römerverstand würde erwiedert haben, ist zu errathen nicht schwer.</p>
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_202" id="Page_202">[Pg 202]</a></p>
-
-
-
-
-<h3>5. Savignys Nachträge zu seiner Schrift. 1828.</h3>
-
-
-<h4 class="h4_2">Vorrede der zweyten Ausgabe.</h4>
-
-<p>Die erste Ausgabe der gegenwärtigen Schrift erschien im J. 1814, zu einer
-Zeit, welche jedem, der sie mit vollem Bewußtseyn erlebt hat, unvergeßlich seyn
-muß. Jahre hindurch waren die Bande, welche unser Deutsches Vaterland an
-fremde Willkühr knüpften, immer fester angezogen worden, und es war deutlich
-einzusehen, daß unser Schicksal, wenn die Absichten des Unterdrückers zur vollen
-Ausführung kamen, mit der Vernichtung unsrer Nationalität enden mußte. Die
-großen Schicksale, durch welche die fremde Herrschaft zertrümmert wurde, wendeten
-dieses herbe Loos von unsrem Vaterland ab, und das Gefühl dankbarer Freude,
-welches damals durch die Befreyung von der größten aller Gefahren allgemein
-erregt wurde, sollte wohl bey Allen als eine heilige Erinnerung bewahrt werden.
-Damals war es wieder möglich geworden, über öffentliche Dinge nach freyer
-Überzeugung öffentlich zu reden, und der durch die ganze durchlebte<a class="f70" name="savigny_iv" id="savigny_iv">[IV]</a> Zeit
-überall aufgeregte Sinn machte dieses Geschäft anziehender und dankbarer, als
-es in gewöhnlichen Zeiten zu seyn pflegt. So trat damals ein ausgezeichneter
-Rechtsgelehrter mit dem Vorschlag auf, ein gemeinsames bürgerliches Gesetzbuch
-für Deutschland abzufassen, und dadurch die politisch so wichtige Einheit der
-Deutschen, zugleich aber auch die Rechtspflege und die Rechtswissenschaft zu
-fördern. Von dem Congreß, der eben damals in Wien zusammentrat, erwartete
-man, er werde wohl auf solche patriotische Vorschläge einzugehen geneigt seyn.
-Dieses waren die äußeren Umstände, welche mich bewogen, in der gegenwärtigen
-Schrift auch meine Stimme über die wichtige Sache abzugeben. Diese Veranlassung,
-so wie die lebhaft erregte Zeit worin die Schrift erschien, sind darin
-unverkennbar, und hätte ich erst jetzt über diese Frage zu reden gehabt, so würde
-es ohne Zweifel in sehr verschiedener Weise geschehen seyn, obgleich in der Sache
-selbst meine Überzeugungen nicht nur dieselben geblieben sind, sondern sich auch
-durch fortgesetztes Nachdenken und manche nicht unbedeutende Erfahrungen noch
-mehr begründet haben. Es konnte daher in Frage kommen, diese Schrift durch
-Änderungen und Zusätze in eine solche Gestalt zu bringen, worin sie etwa jetzt
-hätte erscheinen können. Allein bey diesem Verfahren war keine Gränze zu
-finden, ja es hätte eigentlich auf die gänzliche Vernichtung der früheren Schrift,
-und die Abfassung einer neuen geführt. Deshalb habe ich einen völlig unveränderten
-Abdruck, wie er gegenwärtig erfolgt, für zweckmäßiger gehalten.
-Über<a class="f70" name="savigny_v" id="savigny_v">[V]</a> einige Stellen jedoch finde ich hier eine besondere Erklärung nöthig.</p>
-
-<p>S. <a href="#savigny_48">48</a> ist die Rede von der nicht glücklichen Bearbeitung der Rechtswissenschaft
-im achtzehnten Jahrhundert, und es wird dabey auch die ungünstige
-Einwirkung eines vielfältigen flachen Bestrebens in der Philosophie erwähnt.
-Diese Stelle haben Manche als ein absprechendes Urtheil über philosophische
-Bestrebungen in der Rechtswissenschaft überhaupt verstanden. Mir unbegreiflich;<a class="pagenum" name="Page_203" id="Page_203">[Pg 203]</a>
-denn nach dem ganzen Zusammenhang war lediglich die Rede theils von der
-unglücklichen Anwendung Wolfischer Philosophie auf die Rechtswissenschaft, theils
-von der Einwirkung der späteren Popularphilosophen. Diese Bestrebungen aber
-dürften auch wohl gegenwärtig kaum Anhänger und Vertheidiger finden.</p>
-
-<p>Im <a href="#savigny_54">siebenten Abschnitt</a> ist ein sehr ungünstiges Urtheil über die Französischen
-Juristen der neuesten Zeiten niedergelegt. Nun sind zwar die einzelnen dort
-zusammengestellten Thatsachen ganz richtig, und auch an dem Tadel derselben
-läßt sich nicht füglich Etwas mindern: dennoch ist das darauf gebaute Totalurtheil
-völlig einseitig und ungerecht, indem Eine höchst achtbare Seite der
-juristischen Literatur unsrer Nachbaren mit Stillschweigen übergangen wird. Die
-Ursache dieser Einseitigkeit lag theils in der aufgeregten Stimmung gegen diese
-Nachbaren, die in jenem Zeitpunkt so natürlich war, theils in meiner unvollständigen
-Kenntniß ihrer Literatur, und ich benutze gerne diese Gelegenheit, jenes zugefügte
-Unrecht durch ein offenes Bekenntniß<a class="f70" name="savigny_vi" id="savigny_vi">[VI]</a> gut zu machen<a name="FNanchor_132_145" id="FNanchor_132_145" href="#Fn_132_145" class="fnanchor">132</a>. Die Sache ist
-nämlich die, daß allerdings die gelehrte Seite der Rechtswissenschaft, und die
-mit ihr zusammenhängenden Kenntnisse, seit langer Zeit in Frankreich sehr
-vernachlässigt waren, obgleich auch hierin eine Anzahl jüngerer Männer in den
-neuesten Zeiten rühmlichen Eifer an den Tag gelegt haben<a name="FNanchor_133_146" id="FNanchor_133_146" href="#Fn_133_146" class="fnanchor">133</a>. Dagegen hat bey
-ihnen die praktische Rechtswissenschaft einen hohen Grad von Bildung erlangt
-und behauptet, und der darauf gegründete Theil ihrer Literatur verdient die
-größte Achtung, und könnte mit wesentlichem Vortheil von uns benutzt werden.
-So zum Beispiel enthalten die Schriften von Merlin, sowohl das <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Répertoire</span>,
-als die <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Questions</span> wahre Muster gründlicher, scharfsinniger, geschmackvoller
-Behandlung von Rechtsfällen, und unsre praktisch-juristische Literatur steht hierin
-der Französischen bey Weitem nach. Der Grund dieser ihrer Trefflichkeit, neben
-den oben erwähnten Mängeln, liegt theils in dem praktischen Geschick der
-Nation, theils in den Formen ihres Prozesses, welche dem ausgezeichneten Talent
-Spielraum und Reiz in hohem Grad gewähren, anstatt daß bey uns Richter
-und Sachwalter ihr Geschäft in wenig anregender Unbemerktheit betreiben. Dagegen
-bin ich weit entfernt, dem Code an diesen Vorzügen den geringsten Antheil
-zuzuschreiben, und was sie Gutes haben,<a class="f70" name="savigny_vii" id="savigny_vii">[VII]</a> das haben sie <em>ungeachtet</em> des
-Code, nicht <em>durch</em> denselben. Alles also, was gegen diesen in meiner Schrift
-gesagt ist, muß ich noch jetzt für wahr erklären. Und eben so das nachtheilige
-Urtheil über ihre Rechtsschulen, deren Einrichtung gewiß jede freye Entwicklung
-der Rechtswissenschaft in Frankreich hemmt. Ich sage dieses um so zuversichtlicher,
-als mir dieses Urtheil durch die Stimme sehr achtbarer und einsichtsvoller
-Franzosen bestätigt worden ist<a name="FNanchor_134_147" id="FNanchor_134_147" href="#Fn_134_147" class="fnanchor">134</a>.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_204" id="Page_204">[Pg 204]</a></p>
-
-<p>S. <a href="#savigny_138">138</a>. Was hier von Blondeau's Darstellungsart des Römischen Rechts
-erzählt wird, scheint, nach späteren Nachrichten, auf einem bloßen Misverständniß
-zu beruhen. &ndash; S. <a href="#savigny_144">144-146</a>. Was hier über das juristische Studium auf
-Preussischen Universitäten gesagt ist, hat sich seit jener Zeit einigermaßen
-geändert. Über das Landrecht sind seit mehreren Jahren Vorlesungen gehalten
-worden, auch von mir selbst, wobey ich die handschriftlichen Materialien des
-Landrechts habe benutzen können. Sogar ist neuerlich der Besuch solcher Vorlesungen,
-jedoch ohne Abbruch der gelehrten Rechtsstudien, als nothwendig vorgeschrieben
-worden, und schon das erste Examen wird jetzt mit darauf gerichtet.
-Dann hat neuerlich der gegenwärtige Herr Justizminister die Benutzung der
-Materialien zur öffentlichen Mittheilung gestattet<a class="f70" name="savigny_viii" id="savigny_viii">[VIII]</a>, einige ausgezeichnete
-Rechtsgelehrte sind jetzt damit beschäftigt, und so wird der von mir S. <a href="#savigny_94">94</a> ausgesprochene
-lebhafte Wunsch auf die erfreulichste Weise in Erfüllung gehen.</p>
-
-<p>S. <a href="#savigny_144">144</a>. Hier ist der Wunsch ausgesprochen, daß die Hemmungen des
-Verkehrs zwischen den Universitäten verschiedener Deutscher Länder weggeräumt
-werden möchten. Es ist bekannt, daß seitdem, und ganz neuerlich von der
-Bairischen Regierung, sehr Vieles für diesen wichtigen Zweck gethan worden ist.</p>
-
-<p>In der gegenwärtigen Ausgabe hat meine Schrift zwey Beylagen erhalten.</p>
-
-<p>Die erste Beylage ist eigentlich eine Fortsetzung der Schrift selbst, und
-gehört also wesentlich an diese Stelle. Dasselbe zwar könnte man auch noch
-von einer andern Abhandlung in der Zeitschrift sagen, von der Recension über
-Gönner, B. 1. Nr. 17. Allein diese Abhandlung mußte, nach der Art, wie sie
-veranlaßt wurde, großentheils den Charakter einer persönlichen Polemik annehmen,
-und so wenig ich hiervon, auch bey der ruhigsten Betrachtung, Etwas
-als ungerecht zurückzunehmen Ursache finde, so fühle ich doch auch keine Neigung,
-diesen durch zufällige Umstände herbeygeführten Streit nach Ablauf vieler Jahre,
-und nach dem Tode des Gegners, durch neuen Abdruck aufzufrischen. Allerdings
-betrifft Vieles auch in dieser Recension das Allgemeine des damaligen Streits;
-demjenigen aber, welcher vollständige Akten liebt, bleibt es ja unbenommen, sie
-in der Zeitschrift selbst aufzusuchen. &ndash; In dieser ersten Beylage ist nur Eine
-Stelle, worüber ich jetzt Etwas hinzuzusetzen finde; es ist<a class="f70" name="savigny_ix" id="savigny_ix">[IX]</a> die Stelle S. <a href="#savigny_166">166</a>,
-worin ich gegen den oberflächlichen Gebrauch der Universalrechtsgeschichte gewarnt
-habe. Diese Stelle ist mitunter so gedeutet worden, als ob ich die Universalrechtsgeschichte
-überhaupt verwerfen wollte. Wer sie jedoch mit unbefangener
-Wahrheitsliebe lesen will, der muß ein solches Mißverständniß ganz unbegreiflich
-finden. Auch weiß ich in der That kein neues Wort hinzuzusetzen, um mich
-gegen diese Misdeutung zu verwahren.</p>
-
-<p>Die zweyte Beylage enthält das Urtheil eines französischen Gerichtshofs
-über den Entwurf zum Code, welches in meiner Schrift S. <a href="#savigny_80">80</a> angeführt und
-gerühmt ist. Ich habe es jetzt abdrucken lassen, weil die französische Sammlung
-worin es bekannt gemacht wurde, gewiß nur dem kleineren Theil meiner Leser
-zugänglich ist.</p>
-
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_205" id="Page_205">[Pg 205]</a></p>
-
-<h4 class="h4_2">Erste Beylage.</h4>
-
-<p class="center gesperrt bold">Stimmen für und wider neue Gesetzbücher.</p>
-
-<p class="center">Von <br/>
-<cite>Savigny</cite>.</p>
-
-<p>(Abgedruckt aus der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, herausgegeben
-von <cite>F. C. von Savigny</cite>, <cite>C. F. Eichhorn</cite> und <cite>J. F. L. Göschen</cite>.
-B. 3. Heft 1. Berlin 1816. 8. S. 1-52.)</p>
-
-<p><a name="savigny_163" id="savigny_163" class="f70">[163]</a> Wird ein wissenschaftlicher Streit lebhaft und mit allgemeinerer
-Theilnahme geführt, so pflegt er neben großen Vortheilen auch nicht geringe
-Gefahren mit sich zu führen. Daß jede Meynung im Angesicht bestimmter
-Gegner vollständiger ausgebildet und fester begründet wird, ist gewiß der Wahrheit
-förderlich, aber gar leicht verliert der Streitende die Unbefangenheit, die allein
-der eigenen und der fremden Meynung in allen Theilen und Wendungen
-Gerechtigkeit wiederfahren lassen kann. So geschieht es, daß oft in demselben
-Maaße, in welchem die Gegenstände selbst deutlicher werden, die Sehkraft gerade
-derjenigen getrübt wird, von welchen die Meynung der übrigen geleitet und
-bestimmt werden soll.</p>
-
-<p>Diese guten und schlimmen Folgen mögen auch bey dem Streite eingetreten
-seyn, der seit einigen Jahren über die Frage geführt worden ist, wie unsere
-deutschen Staaten das bürgerliche Recht zweckmäßig zu behandeln haben. Was
-ist dabey nun aber zu thun? Sollen wir schweigen, damit die Leidenschaften
-sich legen, schweigen, bis wieder alles gleichgültig über die Sache geworden ist?
-Mit nichten. Aber sorgfältig bedenken sollen wir jene vorhin erwähnte Gefahr,
-und strenge seyn gegen uns selbst und gegen andere. Denn in der eigenen, wie
-in der entgegengesetzten Meynung, läßt sich wohl unterscheiden, was zu ihr nach
-ihrer Natur gehört, von dem was Parteylichkeit hinzugefügt hat. Überall, wo
-eine Schwäche der eigenen Meynung oder eine Stärke der fremden umgangen
-oder verschwiegen wird, da ist es nicht mehr die Meynung, welche redet oder
-verschweigt, sondern die Parteylichkeit, und so bewußtlos wir auch seyn mögen
-bey dem Spiel, welches diese Parteylichkeit mit uns treibt, so ist doch das
-Spiel selbst immer verwerflich, und wir thun wohl, ihm überall nachzuspüren,
-in uns selbst wie in unsern Gegnern.</p>
-
-<p><a name="savigny_164" id="savigny_164" class="f70">[164]</a> Dieses Vorwort sollte den Gesichtspunct angeben, von welchem der
-folgende Aufsatz angesehen zu werden wünscht. Es soll in diesem Aufsatz eine
-Übersicht gegeben werden über die verschiedenen Meynungen und Äußerungen,
-die seit der Erscheinung meiner Schrift (1814) über die Sache laut geworden
-sind, wobey ich mich aber weder zu absoluter Vollständigkeit, noch zu strenger
-chronologischer Folge anheischig mache.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_206" id="Page_206">[Pg 206]</a></p>
-
-
-<h5><span class="antiqua">A.</span> Stimmen <em>für</em> neue Gesetzbücher<a name="FNanchor_135_148" id="FNanchor_135_148" href="#Fn_135_148" class="fnanchor">135</a>.</h5>
-
-
-<h6>1. Thibaut.</h6>
-
-<p class="posth6">Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
-Deutschland, zweyte Ausgabe, in: Civilistische Abhandlungen. Heidelberg
-1814. 8. Seite 404 fg.</p>
-
-<p class="posth6">Heidelbergische Jahrbücher<br/>
-1814 S. 929 fg.<br />
-1815 S. 625 fg. S. 657 fg<br />
-1816 S. 193 fg.<br />
-</p>
-
-
-<p>Daß die früheren Behauptungen des Vfs. von der wünschenswerthen Einheit
-des Rechts durch ganz Deutschland, von der Nothwendigkeit neuer Gesetzbücher
-u. s. w. hier wiederholt und bekräftigt werden, versteht sich von selbst. Auch
-sollen hier nur diejenigen Äußerungen herausgehoben werden, die entweder selbst
-neu sind, oder doch zu neuen Entwicklungen Gelegenheit geben können.</p>
-
-<p>So wird hier gegen die Meynung gestritten, nach welcher das Recht eine
-unveränderliche, unbewegliche Natur haben solle: das Recht, wird gesagt, sey
-vielmehr zu allen Zeiten veränderlich gewesen, und es sey verderblich, dasselbe
-jetzt fest bannen zu wollen<a name="FNanchor_136_149" id="FNanchor_136_149" href="#Fn_136_149" class="fnanchor">136</a>. Allein Unbeweglichkeit des Rechts ist in der That
-niemals behauptet worden. Auch der menschliche Leib ist nicht unveränderlich,
-sondern wächst und entwickelt sich unaufhörlich; und so betrachte ich das Recht
-jedes Volkes, wie ein Glied an dem Leibe desselben, nur nicht wie ein Kleid,
-das willkührlich gemacht worden ist, und eben so willkührlich abgelegt und gegen
-ein anderes vertauscht werden kann.</p>
-
-<p>Eine neue auffallende Aussicht eröffnet der Vf. der Rechtsgeschichte. Sobald
-wir nur einmal von der Noth des gemeinen Rechts befreyt wären, würde nach
-seiner Meynung die<a name="savigny_165" id="savigny_165" class="f70">[165]</a> Rechtsgeschichte, nicht mehr auf ein einzelnes Volk
-beschränkt, alle Völker umfassen können. »Denn das ist nicht die wahre belebende
-Rechtsgeschichte (sagt er), welche mit gefesseltem Blick auf der Geschichte Eines
-Volkes ruht, aus dieser alle Kleinigkeiten herauspflückt, und mit ihrer Mikrologie
-der Dissertation eines großen Praktikers über das: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">et cetera</span> gleicht. Wie
-man den Europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt, und ihr
-Innerstes umgekehrt wissen wollen, den Rath geben sollte, nur außer Europa
-ihr Heil zu versuchen: so sollten auch unsre Rechtsgeschichten, um wahrhaft pragmatisch
-zu werden, groß und kräftig die Gesetzgebungen aller andern alten und
-neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über die Rechtsverfassung
-der Perser und Chinesen würden in unsern Studierenden mehr wahren
-juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereyen, denen
-die Intestaterbfolge von Augustus bis Justinianus unterlag«<a name="FNanchor_137_150" id="FNanchor_137_150" href="#Fn_137_150" class="fnanchor">137</a>. Ausführlicher
-ist diese Forderung einer Universalrechtsgeschichte schon früher von <cite>Feuerbach</cite><a class="pagenum" name="Page_207" id="Page_207">[Pg 207]</a>
-ausgesprochen worden<a name="FNanchor_138_151" id="FNanchor_138_151" href="#Fn_138_151" class="fnanchor">138</a>. Etwas Wahres liegt in dieser Ansicht, aber so dargestellt,
-wie es von <cite>Feuerbach</cite> und noch mehr von <cite>Thibaut</cite> geschehen ist, muß es
-zu argem Irrthum verleiten. Zuvörderst ist keine Verwechslung verderblicher,
-als die der Mikrologie mit specieller Detailkenntniß. Mikrologie nämlich muß
-jeder vernünftige Mensch gering schätzen, aber genaue und strenge Detailkenntniß
-ist in aller Geschichte so wenig entbehrlich, daß sie vielmehr das einzige ist, was
-der Geschichte ihren Werth sichern kann. Eine Rechtsgeschichte, die nicht auf
-dieser gründlichen Erforschung des Einzelnen beruht, kann unter dem Namen
-großer und kräftiger Ansichten nichts anderes geben, als ein allgemeines und
-flaches Räsonnement über halbwahre Thatsachen, und ein solches Verfahren halte
-ich für so leer und fruchtlos, daß ich daneben einer ganz rohen Empirie den
-Vorzug einräume. Daraus folgt, daß wenigstens der Römischen und Deutschen
-Rechtsgeschichte die Zeit und Kraft nicht würde abgespart werden können, welche
-auf das Persische und Chinesische Recht zu verwenden wäre. Außerdem aber ist
-wohl zu bedenken, daß es für das Recht der allermeisten Völker und Zeiten an
-allem irgend brauchbaren geschichtlichen Material fehlen muß. Wir können im
-allgemeinen gute Nachrichten von dem Zustand eines Volkes haben, während
-wir über die Verfassung und das bürgerliche Recht desselben wenig wahres wissen:
-denn diese Gegenstände fordern einen geübten Blick, und wer sie<a name="savigny_166" id="savigny_166" class="f70">[166]</a> ohne
-diesen darzustellen unternimmt, der wird meist das eigentlich wahre und lehrreiche
-übersehen, wie wir dieses gar nicht blos an Reisebeschreibern gewahr werden,
-sondern selbst an einheimischen Geschichtschreibern, die aus Mangel an eigener
-Sachkenntnis den Leser oft mehr verwirren als belehren. Endlich muß ich besonders
-gegen die Unparteylichkeit protestiren, womit die Rechtsgeschichte aller
-Völker als ungefähr gleich interessant und lehrreich dargestellt wird. Abgesehen
-davon, daß hier eben so wie in andern Dingen die Virtuosität mancher Völker
-einen nicht geringen Unterschied macht, wie denn z. B. die Betrachtung Griechischer
-Kunstwerke den Kunstsinn mehr entwickeln wird, als die der Chinesischen &ndash;
-davon abgesehen, ist ein anderer Unterschied ganz entscheidend. Auch hierin
-kommt nämlich alles auf die Grundfrage an, ob (wie ich glaube) das Recht,
-welches mit einer Nation geboren ist, und eben so das ursprünglich fremde, was
-aber viele Jahrhunderte in ihr gelebt hat, ein Stück ihres eigenen Wesens geworden
-ist, oder ob (nach der Lehre der Gegner) jeder Augenblick fragen kann
-und darf, welches Recht im nächsten Augenblick gelten solle, so daß bey dieser
-Überlegung die Gesetzbücher aller Zeiten und Völker zu gleichmäßiger beliebiger
-Auswahl vor uns ausgebreitet liegen sollen. Von meinem Standpunct aus
-würde demnach der Rechtsgeschichte verschiedener Völker eine sehr ungleiche
-Wichtigkeit zugeschrieben werden müssen. Das wichtigste nämlich ist und bleibt
-die Geschichte der uns angehörigen Rechte, d. h. der Germanischen Rechte, des
-Römischen und des Canonischen Rechts: wobey jedoch zu bedenken ist, daß das
-Germanische Recht wissenschaftlich keinesweges auf das in Deutschland geltende
-zu beschränken ist, sondern vielmehr alle Germanische Stämme umfaßt. Die<a class="pagenum" name="Page_208" id="Page_208">[Pg 208]</a>
-Rechte der ganz fremden Nationen aber haben wieder ein sehr ungleichartiges
-Interesse für uns, je nachdem der Zustand dieser Völker mit dem unsrigen mehr
-oder weniger Verwandtschaft hat, so daß uns deshalb das Recht aller christlich
-Europäischen Nationen von nicht Germanischem Stamme, dieser fremden Abstammung
-ungeachtet, viel näher angeht, als die Rechte orientalischer Völker.
-<em>Es versteht sich aber von selbst, daß hier blos von einem verschiedenen
-Grad des Interesse die Rede ist, und daß schlechthin
-keine Kenntniß dieser Art, wenn sie nur eine wirkliche Kenntniß
-ist, gering geachtet werden soll.</em> Sind diese Ansichten richtig, so folgt
-daraus, daß in unsrer Art, die Rechtsgeschichte zu behandeln, ein sehr fühlbarer
-Mangel allerdings statt findet, indem das Recht der verschiedenen Europäischen
-Nationen, besonders derjenigen, welche Germanischer Abkunft sind, nicht vernachlässigt
-werden sollte. Denn erstens ist, dieses zu lebendiger, fruchtbarer
-Kenntniß zu bringen, möglich, und zweytens liegt es unserm eigenen<a name="savigny_167" id="savigny_167" class="f70">[167]</a> Rechtszustand
-so nahe, daß dieser nur in Verbindung damit allseitig erkannt werden
-kann. Es wäre zu wünschen, daß selbst auf unsern Universitäten die Gelegenheit
-zu solchen Vorlesungen nicht fehlen möchte, und daß junge tüchtige Männer von
-den Regierungen dazu ausersehen und unterstützt würden. Eine unerläßliche
-Forderung aber müßte seyn, daß solche Männer nicht blos durch gründliches
-Quellenstudium, sondern zugleich durch den Aufenthalt in England, Dänemark,
-Schweden u. s. w. sich gebildet hätten, wodurch allein ihre Kenntniß Leben und
-Anschaulichkeit gewinnen könnte. Wie viel bey dieser Erweiterung der Rechtsgeschichte
-auch die allgemeine Völkergeschichte gewinnen müßte, ist einleuchtend:
-aber auch Thibaut, und wer sonst von der Gesetzgebung alles Heil erwartet, müßte
-in diesen Wunsch einstimmen. Denn auch für die Gesetzgebung würde es gewiß
-ein wesentlicher Vortheil seyn, wenn Männer daran arbeiteten, die ihren Gesichtskreis
-durch so vielseitige Rechtsanschauung erweitert hätten.</p>
-
-<p>Mehrmals hat Thibaut aufmerksam darauf gemacht, daß die Masse, die
-wir zu bearbeiten haben, stets anwächst, und daß es also immer schwerer, ja
-dem Einzelnen unmöglich werde, diese Masse, sowohl was die Quellen, als was
-die Literatur betrifft, vollständig zu verarbeiten<a name="FNanchor_139_152" id="FNanchor_139_152" href="#Fn_139_152" class="fnanchor">139</a>. Diese Klage ist gegründet,
-und jeder, der gewissenhaft arbeitet, wird sich oft durch diesen Zustand gedrückt
-fühlen. Aber wie war es möglich, zu übersehen, daß dieser Zustand gerade auch
-die gründliche Abfassung neuer Gesetzbücher hemmt, also ein sehr wichtiger Grund
-gegen Thibauts Aufforderung zu einem allgemeinen Gesetzbuche ist? Wir können
-uns doch nicht anmaaßen, in einem Fache, das sich so ins Einzelne ausgebildet
-hat, wie das bürgerliche Recht, alles durch gute Einfälle vortrefflich entscheiden
-zu wollen, wir können des guten Rathes der Zeitgenossen und der Vorfahren
-doch nicht entbehren, was auch Thibauts Meynung gar nicht ist. Bey jenem
-Zustand der Quellen und der Literatur aber kann es gar leicht kommen, daß
-uns in gar vielen Stücken die einzig rechte, längst gefundene Ansicht (die gar
-nicht immer die herrschende oder bekannteste ist) entgieng, nicht weil wir ihre<a class="pagenum" name="Page_209" id="Page_209">[Pg 209]</a>
-Richtigkeit verkannten, sondern lediglich weil sie uns der Zufall nicht vor die
-Augen führte. Wollen wir aufrichtig seyn, so müssen wir gestehen, daß der oben
-bemerkte Zustand keiner der beyden Meynungen ein neues Gewicht giebt, weil
-er für beide gleich unbequem und hinderlich ist. Darum scheint es räthlich,
-dabey unsern Streit zu vergessen, und uns brüderlich zu berathen, wie dem Übel
-abzuhelfen seyn möchte, das wir nicht<a name="savigny_168" id="savigny_168" class="f70">[168]</a> hervorgebracht und nicht zu verantworten
-haben. Ich werde am Schlusse dieses Aufsatzes meine Gedanken hierüber
-mittheilen.</p>
-
-<p>Manche neue Äußerungen Thibauts verdienen wieder ungetheilten Beyfall.
-So diese Stelle: »Betrieben unsre Deutschen Regenten die Sache wieder kümmerlich,
-wie früher so manche andre wichtige Staatsangelegenheit, so würde ich
-gern der Erste seyn, um das neue Werk mit einer rüstigen Strafrede anzufallen«<a name="FNanchor_140_153" id="FNanchor_140_153" href="#Fn_140_153" class="fnanchor">140</a>.
-Eben so der Wunsch, daß in Ermanglung eines allgemeinen Deutschen
-Gesetzbuches doch lieber von mehrern Staaten gemeinschaftlich, als von jedem
-einzeln, ein Gesetzbuch gemacht werden möchte. »Nicht allein der bürgerliche
-Verkehr macht dies im höchsten Grade räthlich, sondern auch der Umstand, daß
-selten ein einzelnes Deutsches Land im Stande ist, ein vollendetes bürgerliches
-Recht durch die Kräfte seiner eignen Rechtsgelehrten zu schaffen«<a name="FNanchor_141_154" id="FNanchor_141_154" href="#Fn_141_154" class="fnanchor">141</a>.</p>
-
-<p>Etwas deutlicher, als früher, erklärt sich jetzt Thibaut über die Art, wie
-er sich die collegialische Mitwirkung bey Abfassung eines Gesetzbuchs denkt: es
-soll nämlich über einzelne, vorgelegte Fragen votirt werden<a name="FNanchor_142_155" id="FNanchor_142_155" href="#Fn_142_155" class="fnanchor">142</a>. Dieses ist allerdings
-sehr begreiflich, aber auf diese Weise entsteht kein Buch. Die Hauptsache
-ist und bleibt die Redaction des Ganzen, und diese würde doch immer einem
-Einzelnen anheim fallen müssen, obgleich sie nachher von Andern geprüft und
-verbessert werden könnte.</p>
-
-<p>Thibaut vermuthet, es werde in Deutschland kein allgemeines Gesetzbuch
-zu Stande kommen, vielmehr werde jedes Land sein eigenes Particularrecht
-bekommen (welches freylich der traurigste Erfolg seyn würde). »Damit ist
-denn« fügt er hinzu »natürlich auch die Rechtswissenschaft zu Grunde gerichtet,
-und man wird dann den Freunden der Wissenschaft, welche jetzt für
-das Alte kämpfen, auch wieder sagen können, was man so oft sagen muß:
-Gott bewahre uns nur vor unsern Freunden«<a name="FNanchor_143_156" id="FNanchor_143_156" href="#Fn_143_156" class="fnanchor">143</a>. Das klingt beynahe so, als
-ob die Stimmen, welche gegen ein allgemeines Gesetzbuch sich erhoben haben,
-die Abfassung desselben gehindert und dagegen eine Geneigtheit für besondere
-Gesetzbücher hervorgebracht hätten. Doch mag dieses blos im Ausdruck liegen,
-denn im Ernst wird niemand behaupten, daß ohne jene Stimmen ein allgemeines
-Gesetzbuch wahrscheinlich zu Stande gekommen wäre. Das Streben mancher
-Regierungen, alles gemeinsame von sich abzuhalten, ist schwerlich durch jene
-Schriften erzeugt worden,<a name="savigny_169" id="savigny_169" class="f70">[169]</a> ja wenn diese Schriften wirklich hätten zu ihrer<a class="pagenum" name="Page_210" id="Page_210">[Pg 210]</a>
-Kenntniß kommen und ihren Beyfall erhalten können, was sehr zu bezweifeln
-ist, so würde ihre Wirkung gerade darin bestanden haben, das willkührliche Fixiren
-von Particularrechten der einzelnen Staaten vor allem andern zu verhindern.</p>
-
-
-<h6>2. Feuerbach.</h6>
-
-<p class="posth6_2">Vorrede zu: <cite>Nepomuk Borst</cite>, die Beweislast im Civilprozeß.
-Bamberg und Leipzig. 1816. 8.</p>
-
-<p>Die Entscheidung oder Vermittlung des Streits, sagt F., solle in diesen
-wenigen Worten nicht versucht werden; allein er halte es für recht und gut, daß
-in einer solchen Sache jeder seine Gesinnung öffentlich ausspreche<a name="FNanchor_144_157" id="FNanchor_144_157" href="#Fn_144_157" class="fnanchor">144</a>: welcher
-Äußerung gewiß jeder Unbefangene vollen Beyfall geben wird. Darin ist F.
-mit mir einverstanden, ja er hält es für etwas nie bestrittenes, »daß alles auf
-Entwickelung und Darstellung des volksthümlichen, in das Leben der Nation
-übergegangenen Rechts ankomme« (S. XVI.). Nur findet er es unbegreiflich,
-was die <em>Geschichte</em> mit der Erforschung dieses gegebenen, im Volk lebenden
-Rechtes zu thun habe. »Die Geschichte erklärt, wie Etwas nach und nach <em>geworden</em>;
-<em>wie</em> und <em>was</em> dieses Etwas <em>sey</em>, lehrt die Geschichte nicht. Was
-der Geschichte angehört, ist schon dem Leben abgestorben« u. s. w. (S. XVII.).
-Diese Ansicht der Geschichte ist sehr befremdend. Ist es denn möglich, die
-Gegenwart eines organischen Zustandes anders zu begreifen, als in Verbindung
-mit seiner Vergangenheit, d. h. anders, als auf genetische Weise? Ein trefflicher
-Schriftsteller drückt dieses also aus: »Aus demjenigen, was einst als Recht
-<em>gegolten hat</em>, ist hervorgegangen das jetzt geltende Recht, und dieses ist
-nur darum das, was es ist und wie es ist, weil das Alte, indem es <em>veraltete</em>,
-das Neue geboren hat. In der Vergangenheit von Jahrtausenden liegt der
-Keim zu der Gesetzgebung, der wir jetzo dienen. Der Keim mußte verwesen,
-damit die Frucht entstände: kann ich aber das Daseyn der Frucht begreifen,
-ohne von ihrem Seyn zu ihrem Werden und von ihrem Werden zum letzten
-Grund ihres Werdens zurückzugehen? Nur der Geisterpöbel steht gaffend vor
-dem, was ist, und sieht nichts weiter und will nichts weiter sehen, als daß
-es ist: aber das <em>wie?</em> und das <em>warum?</em> hat jeder Geist von besserer Art
-sich vorbehalten«<a name="FNanchor_145_158" id="FNanchor_145_158" href="#Fn_145_158" class="fnanchor">145</a>.</p>
-
-<p>Offenbar liegt jener neuesten Äußerung Feuerbachs dieselbe Verwechslung
-zum Grunde, die auch schon bey andern Schriftstellern vorgekommen ist: die
-Verwechslung nämlich der<a name="savigny_170" id="savigny_170" class="f70">[170]</a> geschichtlichen Ansicht des Rechts mit einer besondern
-Vorliebe für das Alterthümliche vor der Gegenwart, oder gar des
-Römischen vor dem Vaterländischen.</p>
-
-<p>Zuletzt werden die Gegner der Gesetzbücher durch das Beyspiel der Römer
-beschämt, die durch gesunden Verstand geleitet, ihre zwölf Tafeln niedergeschrieben
-hätten, ohne sich durch die Bedenklichkeiten stören zu lassen, die jetzt den neuen
-Gesetzbüchern entgegengestellt würden (S. XXII-XXVI). Hält man damit zusammen,
-was vorher (S. VI-X) über das unpraktische unsrer theoretischen Juristen<a class="pagenum" name="Page_211" id="Page_211">[Pg 211]</a>
-gesagt wird, so sollte man denken, der ganze Streit werde geführt zwischen
-Praktikern, die Gesetzbücher verlangten, und Theoretikern, die aus unpraktischem
-Sinn sie verweigerten. Aber das ist eben unser Unglück, daß uns die wahren
-Praktiker fehlen, indem unsre Praktiker größtentheils doch wieder nichts sind,
-als Theoretiker, die nur meist auf halbem Wege stehen geblieben sind. Darin
-eben war es zur Zeit der zwölf Tafeln ganz anders, indem damals niemand das
-Recht niederschrieb, als wer die anschaulichste, lebendigste Kenntniß davon hatte,
-und indem nicht mehr niedergeschrieben wurde, als was Gegenstand unmittelbarer
-Anschauung und Erfahrung seyn konnte. Aber wie wir jetzt stehen, können
-wir kein Gesetzbuch machen, das etwas anderes wäre, als eine wissenschaftliche
-Arbeit, so daß unsere Gesetzbücher im günstigsten Fall von den eigenthümlichen
-Gebrechen unsres in Abstractionen lebenden Zeitalters nicht werden frey bleiben
-können. Darum scheint es denn in der That nicht ganz passend, sich auf die
-zwölf Tafeln zu berufen, wenn die Räthlichkeit neuer Gesetzbücher durch Beyspiele
-aus der Vergangenheit ausgemittelt werden soll. Soll dieser Weg eingeschlagen
-werden, so ist es offenbar passender, das Beyspiel aus einem dem unsrigen verwandten
-Zustand herzunehmen. Ich wähle dazu das Bairische Criminalgesetzbuch
-vom J. 1813<a name="FNanchor_146_159" id="FNanchor_146_159" href="#Fn_146_159" class="fnanchor">146</a>.</p>
-
-<p>Nachdem zu diesem Gesetzbuch eine große Menge von Materialien aller
-Art gesammelt, auch ein erster Versuch mislungen war, wurde im J. 1804
-<cite>Feuerbach</cite> mit dieser Arbeit beauftragt. Der von demselben abgefaßte Entwurf
-wurde zuerst von einer eigenen Gesetzcommission, dann von einer Commission des
-geheimen Raths, endlich von dem versammelten geheimen Rathe geprüft und
-verbessert, und so nach neun Jahren das Resultat dieser vielseitigen ernstlichen
-Bemühungen zum Gesetzbuch erhoben<a name="FNanchor_147_160" id="FNanchor_147_160" href="#Fn_147_160" class="fnanchor">147</a>. Es war also gewiß nichts<a name="savigny_171" id="savigny_171" class="f70">[171]</a> versäumt
-worden, was dem wichtigen Werk die höchste Vollendung geben konnte,
-weder in der wiederholten sorgfältigen Prüfung, noch in der Abfassung des
-Entwurfs, indem diese dem Manne aufgetragen war, der in seinem Fache geradezu
-den ersten Ruf genoß, einen Ruf, wie er im Civilrecht keinem einzelnen
-unter den jetzt lebenden Gelehrten zu Theil geworden ist. Wir haben keine
-genaue Nachricht von dem Verfahren bey Abfassung der zwölf Tafeln, aber wir
-können mit Sicherheit annehmen, daß so viel Vorsicht dabey nicht angewendet
-worden ist. Und was ist nun das spätere Schicksal jenes Gesetzbuchs vom J.
-1813 gewesen<a name="FNanchor_148_161" id="FNanchor_148_161" href="#Fn_148_161" class="fnanchor">148</a>? Es sind bis jetzt zu demselben, theils im Regierungsblatt, theils
-in besonderen Abdrücken, <cite>Ein Hundert und Eilf</cite> abändernde Novellen erschienen,
-deren eine (vom 25. März 1816) die Lehre vom Diebstahl ganz neu
-bestimmt: die gänzliche Umarbeitung der Lehre von Unterschlagung und Betrug<a class="pagenum" name="Page_212" id="Page_212">[Pg 212]</a>
-war noch nicht erschienen, circulirte aber unter den Mitgliedern der Gesetzcommission.
-Daß eine so plötzliche Rechtsabwechslung kein glücklicher Zustand
-ist, wird jeder zugeben. Und ferner, wie man auch über Gesetzbücher denken
-möge, wird man einräumen müssen, daß hier von zwey Dingen eines wahr seyn
-muß. Entweder nämlich ist Grund zu dieser schnell durchgreifenden Änderung
-gewesen oder nicht. Im ersten Fall hat denn also ein Gesetzbuch, ungeachtet der
-großen oben bemerkten Vorsichtsmaaßregeln, in diesem Grade mislingen können.
-Im zweyten Fall hat man ganz willkührlich ein gutes Gesetz gleich nach seiner
-Einführung preis gegeben, ohne Rücksicht auf die Sicherheit und Festigkeit des
-Rechts, die dadurch aufs äußerste gefährdet werden mußte<a name="FNanchor_149_162" id="FNanchor_149_162" href="#Fn_149_162" class="fnanchor">149</a>. Welcher dieser
-beiden Fälle nun auch der wahre seyn mag (worüber ich mich alles Urtheils
-enthalte), so scheint in der That eine Zeit, in welcher einer derselben eintreten
-konnte, keinen Beruf zur Abfassung eines Gesetzbuchs zu haben. Und was soll
-man dazu sagen, wenn bey solchen Erfahrungen <cite>Thibaut</cite> die Hoffnung hegen
-kann, das Gesetzbuch, welches er fordert, werde viele Jahrhunderte dem bürgerlichen
-Leben zur Grundlage dienen<a name="FNanchor_150_163" id="FNanchor_150_163" href="#Fn_150_163" class="fnanchor">150</a>! Wird man etwa erwiedern, bey dem
-künftigen Gesetzbuch müsse alles vortrefflich gemacht werden, was bey jenem versehen
-worden, und die Regierungen, die bis jetzt wohl willkührlichen Änderungen
-allzu leicht Raum gegeben hätten, müßten von nun an die höchste Beharrlichkeit
-im Festhalten<a name="savigny_172" id="savigny_172" class="f70">[172]</a> des Aufgestellten beweisen? Aber dann kann ich mich nicht
-enthalten, an <cite>Thibauts</cite> eigene Worte zu denken: »In der That! es veranlaßt
-sehr trübe Gedanken, wenn man täglich sehen muß, wie unsre mehrsten
-politischen Ansichten auf Träumereyen hinausgehen. Man ersinnt sich recht
-etwas Ideales, macht nur die einzige kleine Voraussetzung, daß die Weisen und
-Gerechten die Vollstreckung besorgen, und dann geht alles in Lust und Freude
-von Statten«<a name="FNanchor_151_164" id="FNanchor_151_164" href="#Fn_151_164" class="fnanchor">151</a>.</p>
-
-
-<h6>3. Pfeiffer.</h6>
-
-<p class="posth6_2">Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für Teutsche Staaten, von
-<span class="antiqua">D.</span> B. W. Pfeiffer, Kurf. Hessischem Regierungsrath zu Cassel. Göttingen
-1815. 8.</p>
-
-<p>Es ist ungemein erfreulich, daß in diesem Buche ein erfahrner praktischer
-Jurist seine Stimme in dieser wichtigen Sache hat abgeben wollen, indem die
-Vielseitigkeit der Ansichten dadurch sehr befördert werden muß. Vor allem verdient
-es ehrenvolle Erwähnung, daß der Verfasser die Unentbehrlichkeit der gelehrten
-Bildung selbst für den praktischen Zweck anerkennt (S. 5 und 84 fg.), und daß
-er bey Begründung des neuen Rechtszustandes hierauf besondere Rücksicht genommen
-wissen will. Und gewiß, der Verfasser hatte darüber ein sehr gültiges
-Urtheil, indem er selbst eine gründliche gelehrte Bildung in seinem Fach durch<a class="pagenum" name="Page_213" id="Page_213">[Pg 213]</a>
-geschätzte Schriften bewährt hat, und indem er zur Westphälischen Zeit in der
-Lage gewesen ist, zu bemerken, wie traurig der Zustand eines Rechts ist, welches
-auf blos mechanische Weise zum Zweck der äußeren Nothdurft hinlänglich erlernt
-werden kann (S. 65. 66).</p>
-
-<p>Das eigenthümliche seines Vorschlags, wodurch dieser Zweck mit dem der
-Rechtseinheit u. s. w. verbunden werden soll, besteht darin: alle bisher geltende
-Rechtsquellen, auch das Gewohnheitsrecht, sollen abgeschafft und durch ein neues
-Gesetzbuch ersetzt werden; dieses Gesetzbuch soll im Ganzen auf das jetzt geltende
-Recht gebaut seyn, soll nur allgemeine und nur positive (nicht schon naturrechtliche)
-Grundsätze enthalten, soll aber dennoch ganz vollständig seyn, um, wie
-schon bemerkt, alle anderen Quellen entbehrlich machen zu können (S. 62-64,
-S. 78). Eigentlich heißt das also nur so viel: das Gesetzbuch soll nicht ausführlich
-seyn, wie das Preußische Landrecht, sondern kurz, wie das Österreichische
-Gesetzbuch: etwas neues in dem ganzen Plane, wovon also auch ganz eigene
-Früchte zu hoffen wären, kann ich nicht entdecken. Auch hier also bleiben die
-allgemeinen Gegengründe bestehen: daß wir auf keine Weise ausgerüstet sind,
-ein solches Gesetzbuch<a name="savigny_173" id="savigny_173" class="f70">[173]</a> zu machen<a name="FNanchor_152_165" id="FNanchor_152_165" href="#Fn_152_165" class="fnanchor">152</a>, daß das wissenschaftliche Leben des
-Rechts untergehen wird, und daß das Gesetzbuch zum Behuf der Anwendung
-doch wieder eine unsichtbare Umgebung von Gerichtsgebrauch, Doctrin oder wie
-man es sonst benennen will, erhalten muß, die dann das eigentlich herrschende
-seyn wird, die sich aber auf eine zufällige, willkührliche, bewußtlose Weise bilden
-wird, während sie jetzt in dem Zusammenhang mit früheren Jahrhunderten eine
-herrliche Lebenswurzel findet. Eine solche geistige, unsichtbare Umgebung ist
-überall, auch bey dem reichhaltigsten und durchgreifendsten Gesetzbuch der wahre
-Sitz des lebenden Rechts, und es ist unbegreiflich, wie der Vf. (S. 47. 50)
-Hugo's Behauptung, daß es so sey, für etwas ganz eigenes und unerhörtes hat
-halten können. Das Preußische Landrecht z. B. verbietet ausdrücklich alle dem
-Gesetz derogirende Gewohnheiten, und insbesondere alle Rücksicht auf den Gerichtsgebrauch<a name="FNanchor_153_166" id="FNanchor_153_166" href="#Fn_153_166" class="fnanchor">153</a>,
-und dennoch, so neu dieses Gesetzbuch auch ist, hat sich durch
-die Anwendung in den Gerichten so vieles modificirt, ergänzt, anders gestellt,<a class="pagenum" name="Page_214" id="Page_214">[Pg 214]</a>
-daß das geschriebene Landrecht mit dem in den Preussischen Gerichten lebenden
-Recht keineswegs identisch ist. So ist es überall und so muß es überall bleiben,
-nur wird darin ein großer Unterschied seyn, ob jene unsichtbare Umgebung mehr
-im Gerichtsgebrauch, oder in der allgemeinen Volkssitte, oder in der Lehre der
-Schulen, oder in der Lehre der Schriftsteller, und hier wieder der gelehrten oder
-blos praktischen besteht. Jede Einseitigkeit hierin ist nachtheilig, und das gehörige
-Gleichgewicht und die Wechselwirkung dieser Kräfte (wozu aber auch Berührung
-und Gemeinschaft gehört) ist allein ein gesunder Zustand. Das schlimmste
-aber ist, sich über die Unvermeidlichkeit dieses Zustandes zu täuschen, und von
-der vermeynten Vortrefflichkeit irgend eines neuen Gesetzbuchs sich zu der
-Meynung verleiten zu lassen, daß dasselbe in Wahrheit das Recht unmittelbar und
-ausschließend beherrschen werde.</p>
-
-<p><a name="savigny_174" id="savigny_174" class="f70">[174]</a> In einem zweyten Abschnitt (»Grundlinien einer neuen Civilgesetzgebung«)
-giebt der Vf. Vorschläge zu neuen Gesetzen über diejenigen Gegenstände,
-in welchen er neue Bestimmungen für besonders nöthig hält. Dieser specielle
-Theil des Werks verdient große Aufmerksamkeit: er macht nämlich recht anschaulich,
-wie wenig wir, auch politisch betrachtet, in der Lage sind, die Abfassung
-neuer Gesetzbücher wünschen zu können. Und wie könnte es auch anders seyn!
-Mehr als ein halbes Jahrhundert hat eine trostlose Aufklärerey den politischen
-wie den religiösen Glauben wankend gemacht. Nachdem sie lange Zeit durch
-Milde und Freundlichkeit alle Herzen gewonnen hatte, hat sie dann, in ihrem
-innern Wesen stets dieselbe, in der Französischen Revolution und in Buonapartes
-Despotismus sich etwas herb erwiesen: diese Revolution und die Folgen dieses
-Despotismus hat Deutschland großentheils auch äußerlich, weit mehr aber auf
-geistige Weise mit durchlebt. Und so stehen wir jetzt in allgemeiner Ungewißheit:
-bürgerliche und kirchliche Verfassung sind aus allen Fugen gewichen, und auch
-die ordnende Sitte der Privatverhältnisse hat dem allgemeinen Schwanken nicht
-entgehen können. Viel guter Wille hat sich im einzelnen dabey erhalten: alles
-fühlt das drückende dieses Zustandes und die Sehnsucht nach einem besseren.
-Und einen solchen Zustand des Übergangs wollten wir durch geschriebene Buchstaben
-fixiren auf Jahrhunderte? Man wird sagen, gerade dieses Schwanken
-müsse gehoben werden durch eine feste, vorgeschriebene Regel. Nichts ist eitler
-als diese Hoffnung. Erstlich muß die vollkommenste Regel fruchtlos bleiben, so
-lange ihr nicht eine entschiedene Richtung im Volk, eine Empfänglichkeit dafür,
-entgegen kommt: der gute Wille, die unbestimmte Sehnsucht nach einem bessern
-Zustand, ist dazu nicht hinreichend. Zweytens wer soll diese Regel finden? jene
-Verwirrung der Begriffe und Grundsätze, als Folge der durchlebten inneren und
-äußeren Revolutionen findet sich keinesweges blos im Volk, sondern gerade auch
-bey denen, welche das Gesetzbuch zu machen hätten. Man versuche es nur, ein
-Collegium zu diesem Zweck zu bilden, und man wird fühlen, wie rathlos gerade
-in den wichtigsten Dingen die Ansichten durch einander laufen werden. Dagegen
-dann kein Stimmenzählen helfen!</p>
-
-<p>Einige Beyspiele aus den Vorschlägen des Verfs. mögen das Gesagte anschaulicher
-machen. Kirchenbücher läßt er sich S. 132. 133 höchstens aus Noth<a class="pagenum" name="Page_215" id="Page_215">[Pg 215]</a>
-gefallen: eigentlich aber sollen sie illiberal seyn, weil nicht auch Juden, Türken
-und Heiden darin stehen können. Am besten wäre es daher, wenn die Gerichtsschreiber
-der untern Justizbehörden die Geburts- und Sterbelisten führten. &ndash;
-Allerdings ist der abstracte Begriff des Staates von dem der Kirche verschieden:
-aber soll uns dieser Abstraction zu Gefallen nun auch noch das
-wenige<a name="savigny_175" id="savigny_175" class="f70">[175]</a> an Würde, was sich hie und da in unsern öffentlichen Verhältnissen
-erhalten hat, genommen werden? Nicht zu gedenken, daß jene Listen
-sehr gewiß von den Schreibern der Untergerichte liederlich und schlecht geführt
-werden würden, ohne Vergleich schlechter, als es jemals von den Geistlichen zu
-befürchten ist.</p>
-
-<p>Eben so wird es S. 135. 138 als Überrest von Barbarey verworfen,
-zwischen Einheimischen und Fremden, noch mehr aber, zwischen Christen und
-Juden einigen Unterschied machen zu wollen. &ndash; Dieses hängt damit zusammen,
-daß wir schon lange den Begriff des Bürgers eigentlich ganz verloren haben,
-und nur noch von Menschen und Unterthanen wissen wollen. Diese Ansicht hatte
-sich einestheils durch eine mißverstandene, übel angewendete Humanität eingeschmeichelt:
-anderntheils war den Regierungen der überall gleichförmige und
-passive Begriff des Unterthans viel bequemer und angenehmer, als der des
-Bürgers. Aber wie ohne eigentliche, wahre Bürger ein gesunder kräftiger Staat
-bestehen könne, ist nicht wohl abzusehen, und wer dieses einräumt, wird auch
-die Aufstellung sichtbarer Gränzen zwischen Bürgern und Fremden nicht absolut
-verwerfen können. Härte und Unmenschlichkeit freylich soll in keinem Fall geduldet
-werden. Auch in Rom durfte man die Peregrinen bekanntlich nicht todt
-schlagen, ja sie hatten ziemlich frühe einen eigenen Prätor. Von unmittelbarer
-Nachahmung kann hier freylich gar nicht die Rede seyn, auch ist schon das Verhältniß
-der christlich Europäischen Staaten zu einander ganz eigener Art. Aber
-auch hier ist die Vernichtung aller Gränze ganz unnatürlich. Vollends die
-Juden sind und bleiben uns ihrem innern Wesen nach Fremdlinge, und dieses
-zu verkennen konnte uns nur die unglückseligste Verwirrung politischer Begriffe
-verleiten; nicht zu gedenken, daß diese bürgerliche und politische Gleichstellung,
-so menschenfreundlich sie gemeynt seyn mag, dem Erfolg nach nichts weniger als
-wohlthätig ist, indem sie nur dazu dienen kann, die unglückselige Nationalexistenz
-der Juden zu erhalten und wo möglich noch auszubreiten.</p>
-
-<p>Der Ehe soll nach S. 142. 143 die bürgerliche Form der Trauung eigentlich
-allein natürlich seyn. Da die Ehe indessen auch noch eine moralische Seite
-habe, und wegen unsrer Gewöhnung, wird nebenher auch noch die kirchliche Form
-zugelassen, jedoch nur als durch kirchliche Verordnungen vorgeschrieben, welche
-festsetzen: »daß zu der in dem Gesetzbuch bestimmten bürgerlichen Form die hergebrachte
-kirchliche als wesentlich hinzukomme«. Das bürgerliche Recht müßte
-also wohl consequenterweise eine Ehe ohne kirchliche Trauung anerkennen, und
-nur die Kirche könnte etwa in einem solchen Fall strafen oder auch ihre Einwilligung
-versagen. Doch dem sey wie ihm wolle, und die Wirkung des Grundsatzes<a name="savigny_176" id="savigny_176" class="f70">[176]</a>
-mag noch so sehr gemildert seyn, so ist es doch immer ein merkwürdiges
-Beyspiel, wie weit sehr wackere Männer geführt werden können, wenn<a class="pagenum" name="Page_216" id="Page_216">[Pg 216]</a>
-sie die Bestimmung aller menschlichen Verhältnisse von oben herab als das naturgemäße
-ansehen. Zwar in Ländern, welche bisher unter dem Code gelebt haben,
-mag jener Vorschlag des Vfs. weniger auffallen. Aber man denke sich nun ein
-Deutsches Land, worin der Code nicht galt, dessen Einwohner also nie etwas
-anderes als kirchliche Trauung gekannt haben, gewiß ohne jemals das Bedürfniß
-einer Änderung hierin zu empfinden. In einem solchen Lande soll nun daneben
-die bürgerliche Trauung eingeführt werden, und zwar als die Hauptsache, vielleicht
-gar so, daß die Ehe durch sie allein schon rechtsbeständig werden kann: und so
-soll ein solches Land, einer bloßen Abstraction zu Gefallen, dieses Stück der
-Revolution noch hintennach zu genießen bekommen! Daß dadurch das Wesen
-der Ehe, als eines (vor allem andern) christlichen Verhältnisses verkannt und beeinträchtigt
-wird, ist freylich die Hauptsache; aber selbst wer hierüber anders
-und neutraler dächte, müßte doch solche Vorschläge schon aus allgemeinen
-Gründen bedenklich finden. In unsrem Leben hat sich so wenig alte, unantastbare
-Sitte und würdige Form erhalten, daß wir wahrlich nicht Ursache haben,
-das wenige, was sich noch gerettet haben mag, hintanzusetzen.</p>
-
-<p>Die Ehescheidung durch gemeinsamen Willen soll nach S. 151 frey gegeben
-werden, noch freyer als im Preussischen Recht, und nur an erschwerende
-Formen gebunden. Dabey liegt ohne Zweifel die sehr verbreitete Ansicht zum
-Grunde, daß das Recht überhaupt für nichts anderes zu sorgen habe, als für die
-höchste Freyheit der Einzelnen, gleich als ob die Idee der Ehe nicht auch ihr
-Daseyn und ihr Recht haben müßte. Doch dieses auseinander zu setzen, würde
-hier zu weit führen. Aber auch rein praktisch genommen wird für die allermeisten
-Ehescheidungen gerade durch diese Leichtigkeit erst das Bedürfniß entstehen.
-Sehr selten ist eine wahre innere Nothwendigkeit vorhanden, fast überall
-entsteht das Bedürfniß blos daher, daß einer der Ehegatten, oder auch beide
-nicht den ernsten Willen haben, sich selbst etwas zuzumuthen: und gerade diese
-Stimmung kann gewiß nicht sicherer befördert werden, als durch ein Gesetz,
-welches die absolute Willkühr der Scheidung festsetzt. Darüber hat Erfahrung
-entschieden, ja es ist Erfahrung, daß da, wo freye Ehescheidung gilt, gar manche
-Ehe mit Rücksicht darauf leichtsinniger geschlossen wird.</p>
-
-<p>Der Familienrath des Code war bekanntlich das Stück desselben, worüber
-sich viele Deutsche Juristen vor Bewunderung gar nicht zu lassen wußten. Es
-ist daher sehr merkwürdig, daß hier S. 164 aus Erfahrung die gänzliche Unbrauchbarkeit<a name="savigny_177" id="savigny_177" class="f70">[177]</a>
-dieses Instituts bezeugt wird. Der eigene Vorschlag des
-Vfs. aber (S. 167) ist so künstlich und zusammengesetzt, daß ich ihn für noch
-unausführbarer halte. Schwerlich wird dem Vormundschaftswesen anders gründlich
-geholfen werden können, als in Verbindung mit Entwicklungen unsrer Communalverfassungen,
-die auch in jeder andern Rücksicht höchst wünschenswerth und nichts
-weniger als Luftschlösser sind. Es kommt also auch hier darauf an, ob wir, so
-lange uns die dazu nöthigen Einrichtungen fehlen, irgend eine Regel fixiren
-wollen, die zu keinem rechten Ziel führen kann, und die bey einer gründlichen
-Verbesserung unsres übrigen Zustandes als ganz untauglich wird verworfen werden
-müssen.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_217" id="Page_217">[Pg 217]</a></p>
-
-<p>Im Hypothekenrecht (S. 179) spricht der Vf., so wie alle, die in diesen
-Zeiten der Sache erwähnt haben, für die unbeschränkte mechanische Erleichterung
-des Realcredits, und es ist ihm nur um die Mittel zu diesem Zweck zu thun.
-Ich verkenne gar nicht die Mängel des Römischen Hypothekenwesens, besonders
-wie es durch neuere Constitutionen ausgebildet worden ist: aber es ist mir unbegreiflich,
-und kein sonderliches Zeichen für den praktisch-politischen Sinn, aus
-welchem die Vorschläge zu neuen Gesetzgebungen hervorzugehen pflegen, daß man
-so ganz mit sich im reinen zu seyn scheint, obgleich darüber sehr im Großen bedenkliche
-Erfahrungen gemacht sind. Dennoch scheint man gar keine Ahnung
-davon zu haben, wie wesentlich durch unser ausgebildetes Hypothekenwesen das
-Grundeigenthum modificirt wird, und ob eine solche Verwandlung des Grundeigenthums
-in bloßen Geldreichthum, eine solche Ausmünzung des Bodens (denn
-das ist es bey großer Vollendung der Anstalt) wünschenswerth seyn möchte.
-Man übersieht, daß dadurch ähnliche Verhältnisse wie durch ein Papiergeld hervorgebracht
-werden, welches letzte doch nun auch nicht mehr für die höchste Vollendung
-eines glücklichen Zustandes gehalten werden wird. Diese Bemerkungen
-sollen gar nicht der Beybehaltung des Justinianischen Hypothekenwesens das
-Wort reden, auch nicht den Weg, den man in neueren Zeiten eingeschlagen hat,
-unbedingt widerrathen, sondern nur darauf aufmerksam machen, daß es bey der
-Einrichtung des Hypothekenwesens noch auf andere Dinge ankomme, als welche
-von unsren Legislatoren berücksichtigt zu werden pflegen. Wenn man die Vorschläge
-derselben liest, sollte man denken, dasselbe Hypothekenrecht tauge für alle
-Zustände der Völker: überall, in der Schweiz wie in China, in Rußland wie in
-Frankreich komme es nur darauf an, die bekannten Grundsätze der Publicität und
-Specialität anzuwenden, dann bleibe nichts mehr zu wünschen übrig. Diese blos
-formelle Behandlung der Gesetzgebung ist es, die ich durchaus für verderblich halte,
-und in diesem Sinne ist schon oben (S. 13. 14.)<a name="savigny_178" id="savigny_178" class="f70">[178]</a> darüber geklagt worden,
-daß unsre Praktiker viel zu sehr Theoretiker sind.</p>
-
-<p>Die Intestaterbfolge ist bekanntlich für unsre Rechtspolitiker eine besonders
-beliebte Materie, und sie nimmt auch hier S. 186 und folg. eine bedeutende
-Stelle ein. Der Vf. fordert, daß sie einfach und gerecht eingerichtet werde, die
-Unbrauchbarkeit des Römischen Rechts scheint er als ganz unzweifelhaft vorauszusetzen,
-und das Preussische soll hierin um gar nichts besser seyn, dagegen das
-Österreichische allein den Ansprüchen der Vernunft Genüge leisten. Ich habe nie
-begreifen können, warum die Novelle 118 in diesen neuesten Zeiten so schnöde
-angesehen worden ist. Leicht zu übersehen ist ihre Erbfolgeordnung gewiß, und
-ein wirklicher Zweifel in der Anwendung derselben gehört sicher zu den großen
-Seltenheiten, während z. B. nach dem Französischen Recht, wie ich aus eigener
-Erfahrung weiß, in ganz einfachen, täglich vorkommenden Fällen, unauflösliche
-Zweifel entstanden sind. Was die Gerechtigkeit betrifft, so müßte es freylich
-jeder anstößig finden, wenn ein Gesetz die Kinder ausschließen und entfernte Verwandte
-berufen wollte. Aber in der Novelle ist das bekanntlich auch nicht der
-Fall: ihre Ungerechtigkeit soll besonders darin bestehen, daß sie die Halbgeschwister
-den vollbürtigen Geschwistern nachsetzt. Wie ist es aber möglich, dieses eine<a class="pagenum" name="Page_218" id="Page_218">[Pg 218]</a>
-Ungerechtigkeit zu nennen! hier, wo alles auf individuellen, höchst verschiedenen
-Verhältnissen beruht! Vielleicht finden sich eben so viele Fälle, worin der Verstorbene,
-wenn er befragt worden wäre, einen Unterschied zwischen beiden Arten
-der Geschwister gemacht hätte, als wo es nicht der Fall gewesen wäre, und keine
-von beiden Entscheidungen läßt sich aus allgemeinen Gründen ableiten. Der
-große Beyfall, welchen die Österreichische Erbfolgeordnung gefunden hat, gründet
-sich auf nichts anderes, als auf die einfachere Formel, in welche sie gefaßt werden
-kann, also auf ihre Symmetrie; und gesetzt selbst, daß dieses in der That ein
-Vorzug genannt werden könnte, so sind gewiß die Nachtheile einer gänzlichen Umänderung
-der bisher bestehenden Erbfolge ein viel zu theurer Preiß für jenen
-Gewinn. Auch dieser Ansicht der Intestaterbfolge liegt also die oben gerügte
-formelle Behandlung der Gesetzgebung zum Grunde.</p>
-
-<p>Diese Bemerkungen über die einzelnen Vorschläge des Vfs. sind übrigens
-gar nicht als individuell gegen ihn gerichtet zu betrachten. Was hier getadelt
-worden ist, gründet sich auf den Weg, den uns im allgemeinen das Schicksal
-geführt hat. Nur verkennen sollen wir nicht, daß es so ist, und sollen uns nicht
-zu Meistern der künftigen Jahrhunderte aufwerfen, da uns die politische Einsicht
-und Bildung gebricht, um nur unsren eigenen gegenwärtigen Zustand recht zu
-übersehen und zu regieren.</p>
-
-
-<h6><a name="savigny_179" id="savigny_179" class="f70 nostyle">[179]</a> 4. Almendingen.</h6>
-
-<p class="posth6">Politische Ansichten über Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und
-Zukunft, von Harscher von Almendingen. Erster Bd. Wiesbaden
-1814. 8. S. 354 fg.</p>
-
-<p>Vortrefflich setzt der Verf. auseinander, daß der Rechtszustand der Deutschen
-Länder des gemeinen Rechts nur in der Beschreibung fürchterlich aussehe, und
-daß die eigentliche Noth in dem Mangel an tüchtigen Justizbeamten bestehe
-(S. 366); eben so zeigt er auf die überzeugendste Weise, wie wenig bey der
-großen Verschiedenheit der Zustände und Bedürfnisse die Gleichförmigkeit des
-bürgerlichen sowohl als des Criminalrechts wünschenswerth sey (S. 357 fg.).
-Das innere Leben eines Volks, die Lebensweise eines Landes (S. 357) soll das
-Recht bestimmen. Nach so schönen Worten erwartet man, daß in der That das
-geschichtlich begründete Recht hier einen warmen Vertheidiger finden müsse.
-Keinesweges! Nur die Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs für ganz Deutschland,
-welche von <cite>Thibaut</cite> und <cite>Schmid</cite> verlangt wurde, soll hier bekämpft
-werden: für jeden einzelnen Deutschen Staat dagegen ist »die Abfassung eines
-bürgerlichen Gesetzbuchs ein höchst dringendes Bedürfniß« (S. 356), denn hier
-ist die Mannichfaltigkeit des bürgerlichen Rechts in verschiedenen Theilen des
-Staats ein drückendes, unerträgliches Übel, dem nicht schnell genug gesteuert
-werden kann. Als Mittelglied für einen so ungeheuern Widerspruch dient die
-Verwechslung des <em>Volks</em> mit dem <em>Staate</em>. »Vollendete Gesetze sind die
-schönen und freien Formen des innern Lebens eines <em>Volks</em>: sie gehen aus ihm
-hervor und bestehen mit dem sie zeugenden Princip. Von aussen aufgedrungene
-Formen dagegen würken dem innern Leben entgegen. Was wäre aber ein<a class="pagenum" name="Page_219" id="Page_219">[Pg 219]</a>
-allgemeines Deutsches stereotypisches Gesetzbuch für die einzelnen <em>föderalisirten
-Staaten</em> anders, als eine von aussen aufgedrungene Form?«
-(S. 357). Also enthält jeder Bundesstaat ein eigenes Volk, welches sich wie
-überhaupt, so auch in seinem Recht durch ein eigenes Gesetzbuch, wie billig abschließt,
-und welchem die Rechtsgemeinschaft mit den übrigen Staaten eine von
-aussen aufgedrungene Form seyn würde, so gut als die mit Frankreich oder Rußland!
-Aber was haben die Beschlüsse des Wiener Congresses, was die früheren
-Ländervereinigungen durch Erbschaft, Säcularisation u. s. w. mit der Volkseinheit
-zu schaffen? sind dadurch Völker gebildet und Völker begränzt worden? Noch
-unbegreiflicher aber ist es, daß von der nothwendigen Mannichfaltigkeit des
-Rechts in den einzelnen Staaten gar nicht die Rede ist, gleich als ob Lage und
-Zustand des Volks hier überall gleich und nur zwischen mehreren Staaten verschieden
-wäre. Alles was der Verf. über diese Mannichfaltigkeit im Widerstreit
-gegen ein<a name="savigny_180" id="savigny_180" class="f70">[180]</a> allgemeines Deutsches Gesetzbuch sagt, gilt ebensowohl gegen
-Bairische, Nassauische Gesetzbücher u. s. w., besonders wenn sie nach der jetzt
-herrschenden Ansicht keine Localrechte neben sich dulden wollen.</p>
-
-<p>Das letzte Resultat also, worauf dieser Schriftsteller führt, ist freylich viel
-bedauernswerther als das, worauf <cite>Thibaut</cite> und <cite>Schmid</cite> hinarbeiteten. Was
-diese wollten, war zwar dem Rechtszustand nachtheilig, aber die Idee einer Vereinigung
-aller Deutschen zu dem gemeinsamen Werk war schon an sich trefflich,
-und auch die Ausführung konnte von dieser Seite manche gute Folge haben.
-Was aus jenem Plane hervorgeht, ist dem Recht nicht weniger nachtheilig, als
-ein allgemeines Gesetzbuch, und zugleich politisch höchst verderblich, als ein neues
-Trennungsmittel für die Deutschen, welche (großenteils sehr zufällig und willkührlich)
-verschiedenen Bundesstaaten zugetheilt sind.</p>
-
-
-<h6>5. Einige Ungenannte.</h6>
-
-<p>Diesen verdankt man einige gar nicht unwichtige Entdeckungen. So ist
-zuerst von einem Ungenannten die eigentliche Gefährlichkeit eines gelehrten Juristenstandes
-an das Licht gezogen worden. »Daß deutsche Fürsten (sagt er) ihre
-Völker blos der so gerühmten Gesetzgebung der <em>repräsentirenden Juristen</em>,
-oder juristischen Braminen Preiß geben sollten, welche ihre Sanskritsprache
-verewigen, ganz still und leise überall im Stillen herrschen, das Mark
-des Volkes aussaugen, und sich wie die Rabbiner der Juden zu Gesetz- und
-Sittenlehrern stempeln möchten, läßt sich nicht erwarten«<a name="FNanchor_154_167" id="FNanchor_154_167" href="#Fn_154_167" class="fnanchor">154</a>. Wenn die gelehrte
-Jurisprudenz ein Weg zum Mark des Volkes wäre, würde sie wahrscheinlich
-mehr Anhänger finden als jetzt!</p>
-
-<p>Ein anderer Ungenannter<a name="FNanchor_155_168" id="FNanchor_155_168" href="#Fn_155_168" class="fnanchor">155</a> hat Untersuchungen über die Eigenschaften guter
-Gesetzgeber angestellt. Er geht, einstimmig mit mir, davon aus, daß in einem
-neuen Gesetzbuch vorzugsweise das jetzt geltende Recht berücksichtigt werden<a class="pagenum" name="Page_220" id="Page_220">[Pg 220]</a>
-müsse. Da sich nun dieses »nicht an der Hand der Geschichte« gebildet habe,
-sondern »gerade durch recht unhistorische Juristen, so dürfte doch wohl nichts
-inconsequenter seyn, als echt geschichtlich gebildete Juristen bei der Redaction
-des Gesetzbuchs zu Rathe zu ziehen« (S. 206). (Nach dieser Ansicht scheint
-das historische Studium keinen andern Gegenstand zu haben, als die Thaten der
-&ndash; <em>Historiker</em>, und eine Kriegsgeschichte<a name="savigny_181" id="savigny_181" class="f70">[181]</a> z. B. müßte etwas ganz widersinniges
-seyn.) Daraus folgt denn, daß bei der Abfassung eines Gesetzbuchs
-»gerade die historische Bildung ... nicht nöthig, sogar nicht einmal nützlich,
-vielmehr schädlich seyn dürfte ... Gerade ein recht unhistorischer Jurist, der
-durch die Ausübung das noch geltende von dem nicht mehr geltenden zu unterscheiden
-gelernt hätte, würde hier an dem rechten Orte seyn.« Nach dieser
-Entdeckung freylich dürfen wir um tüchtige Verfasser eines Gesetzbuchs nicht mehr
-verlegen seyn, denn die hier beschriebene ächte Unabhängigkeit von schädlichen
-historischen Kenntnissen ist in unsrer Zeit so häufig, daß von dieser Seite her
-der Beruf derselben für die Gesetzgebung sich auf das Glänzendste rechtfertiget.
-Man muß indessen nicht glauben, daß es mit der Unwissenheit allein, so gut
-und nöthig diese ist, gethan sey, denn sie liefert nur gleichsam die Materialien,
-die Form aber giebt &ndash; die Philosophie! Nämlich unser praktisches Recht ist
-ein »unzusammenhängendes Gemisch.... welchem die leitenden Principien ...
-blos durch die Philosophie gegeben werden können, d. h. dadurch« (was nun
-folgt ist also unläugbar eine Definition der Philosophie) »daß ein philosophischer
-Kopf das Gemisch zusammenstellt, das leitende Princip zu der größern Masse
-des Gemisches findet, und die geringere Masse in das Princip einzwängt, darnach
-beschneidet und umformt.« Höchst naiv ist auch noch der Beweis, daß
-das gemeine Deutsche Recht gar nichts zu unsrer juristischen Bildung beitragen
-könne. »Die römischen Juristen (heißt es S. 209) studierten kein gemeines
-deutsches Recht, und waren doch die gebildetsten. Die juristische Bildung kann
-also von daher nicht kommen, wohl aber die Verbildung.«</p>
-
-<p>Gerade das Gegentheil meynt ein anderer Recensent<a name="FNanchor_156_169" id="FNanchor_156_169" href="#Fn_156_169" class="fnanchor">156</a>, welcher für den
-Juristen durchaus nichts höheres anerkennt, als das reine Römerrecht. Dieses
-soll man ihm nicht antasten, sonst hat man es mit ihm zu thun! Läßt man es
-ihm aber als vornehmsten Gegenstand des Universitätsunterrichts gelten, muß
-jeder Jurist es hören und wird jeder daraus examinirt, so läßt er sich dann
-auch neue Gesetzbücher sehr gerne gefallen: nur müssen die Gesetzgeber auch
-große Civilisten seyn! Davon daß das Römische Recht gerade auch für uns
-etwas geworden ist, und besonders davon, daß es auch noch ein Deutsches Recht
-giebt, welches zu unsrem eigensten Wesen gehört, erscheint hier keine Ahnung.
-Nur daß das unschuldige Spiel mit dem Römerrecht nicht gestört werde! Man
-sieht,<a name="savigny_182" id="savigny_182" class="f70">[182]</a> wie verschieden die Anfangspuncte seyn können, von welchen ausgehend
-man doch am Ende wieder in dem gemeinsamen Gefallen an Gesetzbüchern
-zusammentrifft.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_221" id="Page_221">[Pg 221]</a></p>
-
-
-<h5><span class="antiqua">B.</span> Stimmen der <em>Gegner</em> neuer Gesetzbücher.</h5>
-
-
-<h6>1. Hugo.</h6>
-
-<p>Dieser, der älteste und standhafteste Vertheidiger der geschichtlichen Bildung
-des Rechts, hat auch neuerlich wieder in mehreren Recensionen<a name="FNanchor_157_170" id="FNanchor_157_170" href="#Fn_157_170" class="fnanchor">157</a> diese Ansicht
-zu entwickeln und gegen ihre Widersacher zu sichern versucht. Jede dieser
-neuen Darstellungen der längst bekannten Ansicht liest man wieder mit einem
-eigenen Interesse, indem die Frische des Ausdrucks, so wie die Heiterkeit und
-Unbefangenheit der Gedanken erfreuliche Zeichen sind, daß die Ansicht selbst
-hier nicht als ein todter Besitz aus früherer Zeit fortdauert, sondern recht
-eigentlich die Seele der wissenschaftlichen Gedanken, Kenntnisse und Erfahrungen
-des Vfs. ist.</p>
-
-
-<h6>2. Einige Ungenannte.</h6>
-
-<p>Höchst erfreulich sind die Stimmen zweier Recensenten, die, wie es scheint,
-gar nicht der Schule angehören, auch gar nicht von dem Interesse der Wissenschaft
-ausgehen, sondern von Lebenserfahrung und praktischem Bedürfniß, und
-von diesem Standpunct aus der Abfassung von Gesetzbüchern aufs bestimmteste
-widersprechen.</p>
-
-<p>Der eine derselben<a name="FNanchor_158_171" id="FNanchor_158_171" href="#Fn_158_171" class="fnanchor">158</a> rügt die handgreifliche Uebertreibung, womit die Folgen
-der mannichfaltigen Rechte in Deutschland geschildert zu werden pflegen. Die
-wenigsten Menschen, wird hier richtig bemerkt, erfahren etwas genaueres über
-den Inhalt ihres eigenen bürgerlichen Rechts, sie werden sich also mit den Bewohnern
-anderer Gegenden durch gemeinsames Recht eben so wenig verbrüdert,
-als durch Rechtsverschiedenheit von ihnen getrennt fühlen. »Der Ärger, den
-der Beisizzer einer Juristen-Facultät, die von allen Seiten her Acten bekömmt,
-über die Mannichfaltigkeit des Rechts hat, und welchen Rec. auch recht gut
-kennt, ist gewiß kein universeller Deutscher National-Ärger.« Mit demselben
-praktischen Sinne werden dann die großen Nachtheile einer Gesetzgebung bemerkt,
-welche das Recht aller Orten gleich zu machen bestimmt seyn sollte, so wie die
-unübersteiglichen Schwierigkeiten der Ausführung.</p>
-
-<p><a name="savigny_183" id="savigny_183" class="f70">[183]</a> Noch ausführlicher geht ein anderer<a name="FNanchor_159_172" id="FNanchor_159_172" href="#Fn_159_172" class="fnanchor">159</a> auf diese Ansicht ein, indem
-er bemerkt, wie täuschend die Vorteile und wie reell die Uebel seyen, die wir
-von einer durchgreifenden Änderung und Gleichstellung des gesammten bürgerlichen
-Rechts zu erwarten haben. Die Ruhe und Unbefangenheit, womit dieses
-entwickelt wird, ist besonders bemerkenswerth, und die Uebereinstimmung in
-der Ansicht selbst ist mir hier um so erfreulicher, da eben dieser Recensent
-gewiß nichts weniger als parteyisch für mich und meine Schrift gestimmt erscheint.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_222" id="Page_222">[Pg 222]</a></p>
-
-
-<h6>3. Schrader.</h6>
-
-<p class="posth6">Die Prätorischen Edicte der Römer auf unsere Verhältnisse übertragen
-von <span class="antiqua">D.</span> Ed. Schrader, Professor des Civilrechts und Obertribunalrath
-in Tübingen. Weimar 1815. 8.</p>
-
-<p>Ich stelle diese Schrift absichtlich zuletzt, abgesondert von den übrigen, weil
-sie an eigenen und neuen Gedanken bey weitem die reichhaltigste ist. Der Vf.
-geht von der richtigen Bemerkung aus, daß die geschichtliche Bildung des Rechts,
-die auch von ihm angenommen wird, keinesweges so misverstanden werden dürfe,
-als solle der Staat sich gar nicht um das Recht im allgemeinen bekümmern.
-Nur die gewöhnliche Art, wie der Staat darauf einzuwirken pflege, durch eigentliche
-Gesetzgebung nämlich, sey in den meisten Fällen unzweckmäßig, selbst da wo
-sich stehende Gesetzcommissionen finden. Durch Gesetze nämlich geschehe für das
-bürgerliche Recht bald zu viel, bald zu wenig (S. 73); zu viel, wenn man sich
-einmal zur Abfassung eines Gesetzbuchs entschließe, welches auch der Vf. für sehr
-nachtheilig hält; zu wenig, indem außer dem Fall einer solchen außerordentlichen
-Anstrengung gewöhnlich gar nichts geschehe, und gar keine fortgehende Aufsicht
-auf das Recht in allen seinen Theilen ausgeübt wurde. Er erwägt das Beyspiel
-der Römer, welche (seit den zwölf Tafeln) durch Volksschlüsse nur wenig am
-bürgerlichen Recht änderten, dagegen in ihren Edicten eine fortlaufende, jährlich
-revidierte, höchst wohlthätige Controlle ihres gesammten bürgerlichen Rechts besaßen.
-Eine ähnliche Einrichtung, verschieden von der eigentlichen Gesetzgebung,
-wird hier vorgeschlagen.</p>
-
-<p>Jeder Deutsche Staat nämlich soll zu diesem Zweck alle zehen Jahre ein
-Collegium bilden, welches nur Ein Jahr lang versammelt bleibt (S. 111), und
-in dieser Zeit eine Art von Prätorischem Edict abfaßt. Das Collegium erhält
-den Justizminister<a name="savigny_184" id="savigny_184" class="f70">[184]</a> zum Präsidenten, und außerdem einen Deputierten der
-Landstände zum Mitglied, dann aber noch fünf andere aus fünf verschiedenen
-Ständen gewählte Mitglieder (S. 91 fg. S. 102 fg.). Einer nämlich repräsentirt
-die Richter, ein zweyter die Advokaten der höheren Gerichte: ebenso einer die
-Richter, ein anderer die Advocaten der Untergerichte: endlich ein fünfter die
-juristischen Theoretiker. Jeder dieser Stände schlägt drey Candidaten vor, woraus
-die Regierung einen wählt. In größeren Staaten soll die Zahl der gewählten
-Mitglieder durch Verdoppelung oder Verdreyfachung auf Zehen oder Funfzehen
-gebracht werden. Wird nach einem Jahrzehend ein neues Collegium gebildet,
-so muß die kleinere Hälfte des vorhergehenden darin sitzen (S. 92. 112. 130).
-Mehrere kleinere Staaten können ein solches Collegium gemeinschaftlich bilden
-(S. 122). (Vielleicht wäre doch ein etwas größerer Antheil der Theoretiker
-wünschenswerth, die ja auch dann noch, wie billig, sehr in der Minorität bleiben
-würden. Dieses scheint nöthig, nicht sowohl um der Theorie mehr Gewicht
-gegen die Stimme der Praktiker zu geben, als um der Einseitigkeit zu entgehen,
-die unvermeidlich eintreten wird, wenn nur ein einziger Theoretiker zugezogen
-wird: die individuelle wissenschaftliche Ansicht desselben würde ein sehr nachtheiliges
-Übergewicht in der Versammlung haben, welches nur dadurch vermieden<a class="pagenum" name="Page_223" id="Page_223">[Pg 223]</a>
-werden kann, daß in der Versammlung selbst mehrere wissenschaftliche Stimmen
-gehört werden).</p>
-
-<p>In diesem Edict soll das jetzt bestehende Recht geändert werden können,
-jedoch nur wenn zwey Drittheile der Stimmen die Änderung verlangen (S. 86.
-89). Künftige, mit Einwilligung der Landstände gemachte Gesetze, dürfen erst
-geändert werden, wenn sie 100 Jahre alt sind (S. 88). Innerhalb der nächsten
-hundert Jahre darf überhaupt kein anderer Rechtssatz neueingeführt werden, als
-welcher schon in irgendeinem andern Deutschen Lande Gültigkeit gehabt hat (S. 89).</p>
-
-<p>Durch eine solche Einrichtung, wie der Verf. sehr richtig bemerkt, würde
-der große Vortheil erreicht werden, daß man nicht wie bei einem Gesetzbuch zu
-einer äußern Vollständigkeit genöthigt wäre, sondern nur über dasjenige sprechen
-würde, wozu gerade jetzt Bedürfniß und Kenntniß vorhanden wäre (S. 58): dadurch
-würde diese Arbeit Leben und Anschaulichkeit gewinnen, während unsre
-modernen Gesetzbücher mehr den Charakter von Compendien haben. Allerdings
-wäre zu befürchten, daß das Collegium, seinen wahren Beruf verkennend, doch
-wieder etwas machen möchte, das einem Gesetzbuch ähnlich wäre; dieser Gefahr
-soll begegnet werden, theils durch die oben erwähnten Einschränkungen, theils
-durch ein besonderes Gewicht, welches (S. 107) dem Veto eingeräumt wird.</p>
-
-<p><a name="savigny_185" id="savigny_185" class="f70">[185]</a> Die größte Billigung verdient der Wunsch (S. 94), daß alle Protokolle
-gedruckt werden möchten: sehr richtig bemerkt der Vf., daß dadurch die
-Achtung gegen das so gegründete Recht vielmehr erhöht als vermindert werden
-würde. Zugleich würde dieses das sicherste Mittel seyn, in der Zwischenzeit von
-einem Collegium zum anderen brauchbare Beyträge zu neuen Verbesserungen zu
-erhalten. Solche offen dargelegte Gründe und Gegengründe müssen ungleich
-mehr wahren Antheil erwecken, als eine allgemeine empfehlende Entwicklung,
-worin aller Zweifel und Widerspruch gleisnerisch zugedeckt wird. Wie viel lehrreicher
-sind nicht bey dem Französischen Gesetzbuch die Protokolle des Staatsraths,
-als die aufgeblasenen, schmeichlerischen Reden, nach welchen man bey einem
-Gesetz über das Eigenthum glauben könnte, den Franzosen würden so eben alle
-Sachen geschenkt, über deren Eigenthum das Gesetz Regeln aufstellt.</p>
-
-<p>Über die Art, wie ein Referent bestellt werden soll, und über die Geschäftsführung
-selbst, werden S. 103 u. fg. ausführliche Regeln gegeben, die aber wohl
-nur dazu dienen sollen, die Ausführbarkeit anschaulicher zu machen. Denn feste
-Regeln dieser Art für immer vorzuschreiben, dürfte wohl nicht rathsam seyn, da
-nach der Persönlichkeit der Mitglieder gar verschiedene Einrichtungen zweckmäßig
-seyn können.</p>
-
-<p>Um den Zusammenhang des Rechts zwischen den verschiedenen Deutschen
-Staaten zu erhalten, wünscht der Vf. S. 123, daß abwechselnd mit den schon
-erwähnten Collegien der einzelnen Staaten ein allgemeines Collegium für ganz
-Deutschland zusammen treten möchte. Allein das Verhältniß dieser Versammlung
-zu denen der einzelnen Staaten bestimmt er so künstlich, daß die Ausführung
-wohl kaum für möglich gehalten werden kann. Vielleicht wäre es zweckmäßiger,
-für einen recht vielseitigen Verkehr zwischen den einzelnen Staaten
-in Ansehung ihrer Rechtsbildung zu sorgen.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_224" id="Page_224">[Pg 224]</a></p>
-
-<p>Wie das allgemeine Deutsche Collegium, so halte ich auch die oben erwähnten
-Zeitbestimmungen von 100 Jahren für unpassend. Solche Bestimmungen
-gehören kaum in Zeiten wie die waren, worin unsre alten Kirchen von vielen
-Geschlechtern nacheinander und stets nach demselben Plan fortgebaut wurden:
-unsere ephemere Zeit scheint dafür am wenigsten geeignet.</p>
-
-<p>In der ganzen Schrift herrscht ein so gesunder praktischer Sinn, die Vorschläge
-des Verfassers sind so gut begründet, seine Erwartungen von dem Erfolg
-sind so besonnen und so frey von Übertreibung, daß ihm selbst Andersdenkende
-ihre Theilnahme nicht werden versagen können. Es ist sehr merkwürdig, daß
-diese Schrift gerade aus Würtemberg kommt, aus einem Lande, dessen Einwohner
-sich vorzugsweise entwickelter politischer Einsichten und Erfahrungen
-rühmen können. Man<a name="savigny_186" id="savigny_186" class="f70">[186]</a> sage nicht, ein akademischer Lehrer wie der Vf.
-sey blos Bürger der Gelehrtenrepublik und der Staat um ihn her wirke wenig
-auf ihn ein. Dieses ist überall falsch, und bei dieser Schrift würde es doppelt
-unrichtig seyn, da dieselbe durch handschriftliche Mittheilung an erfahrne und einsichtsvolle
-Geschäftsmänner geprüft und geläutert worden ist.</p>
-
-<hr class="hr45" />
-
-<p>Vielleicht ist es nicht überflüssig, am Schluß dieser literarischen Übersicht
-einige Resultate kurz zusammen zu stellen, wie sie gerade in diesem Zusammenhang
-recht klar hervortreten.</p>
-
-<p>1. Die Besserung unsres Rechtszustandes, die man von einem Gesetzbuch
-erwartet, soll theils eine materiale seyn, theils eine formale.</p>
-
-<p>Die materiale Besserung soll diejenigen Theile unsres Zustandes betreffen,
-worin wir uns (theils in der That, theils wie man behauptet) nicht sonderlich
-wohl befinden. Dagegen ist schon früher bemerkt worden, es fehle uns theils an
-der nöthigen Einsicht, um das rechte mit Sicherheit zu treffen, theils an den
-nothwendigen Bedingungen in der Sitte des Volks und in den Verfassungen,
-ohne welche keine Empfänglichkeit für einen gründlich guten Zustand vorhanden
-ist. In welchem Sinne dieser Einwurf gemeynt ist, habe ich oben bey der Beurtheilung
-des Pfeifferschen Werks deutlich zu machen gesucht. Ist der Einwurf
-gegründet, so folgt daraus, daß wir jetzt zwar im einzelnen nachhelfen, aber nichts
-durchgreifendes und bleibendes gründen können.</p>
-
-<p>Die formale Besserung soll uns anstatt eines undeutlichen, verwirrten, an
-allen Enden zerstreuten Rechts, wofür man das unsrige ausgiebt, ein klares, übersehbares
-und zusammenhängendes Recht geben. Dagegen ist erinnert worden,
-daß wir gar nicht die Fähigkeit haben, eine solche Aufgabe zu lösen, und daß
-wir einem äußeren, oberflächlichen Schein von Vollkommenheit nachjagend das
-innere Wesen unsres Rechts verderben würden.</p>
-
-<p>Dieses ganze Bestreben aber unsren Rechtszustand so durch einen großen
-Schlag von oben herab zu verbessern, was ist es anders als Eine Äußerung
-mehr von der unglücklichen Richtung, die nun schon so lange das öffentliche
-Leben durchzogen hat, von der Richtung <em>alles zu regieren, und immer
-mehr regieren zu wollen</em>? Diese Regierungssucht hat fast jeder unter
-uns, da wo er gerade regiert wird, schon recht schmerzlich empfunden, und selbst<a class="pagenum" name="Page_225" id="Page_225">[Pg 225]</a>
-diejenigen, welche am lebhaftesten für Gesetzbücher kämpfen, sind gewiß schon oft,
-wo ihnen diese Sucht in der Administration, der Polizey, den Finanzen u. s. w.
-entgegen trat, recht ernstlich darüber entrüstet<a name="savigny_187" id="savigny_187" class="f70">[187]</a> gewesen. Hier aber, wo sie
-in ihrem Fach die Regierungen berathen wollen, wo sie sich selbst in Gedanken
-an die Stelle derselben setzen, hier ist das alles vergessen, und sie glauben, daß
-mit Verordnen und Regieren der Welt von Grund aus geholfen werden könne.
-Daß sie dabey die edelste Absicht haben, versteht sich: aber gewiß auch die meisten,
-die uns in andern Fächern mit übermäßigem Regieren das Leben verbittern,
-meynen es recht gut mit uns, und rechnen ehrlich auf unsren Dank.</p>
-
-<p>2. Wichtiger als alle Vorschriften seyn können, ist der Geist und die
-Bildung des Juristenstandes. Gewiß hat die unglückliche, verwirrende Zeit, die
-wir durchlebt haben, sehr traurig auf den öffentlichen Geist gewirkt, und nichts ist
-verderblicher, als sich hierüber zu täuschen. Auch verdient gerade <cite>Thibaut</cite> das
-Lob, daß er, ferne von der Gleisnerey mancher anderen Schriftsteller, diese
-Übel der Zeit mit edlem Ernst gerügt hat. Was haben nun wir Juristen,
-woran wir uns im Ganzen halten und empor heben können? was in England
-hilft und in den alten Freystaaten half, sind eingewohnte freye Staatsformen,
-nebst einem Erbgut von Volkssitte, die gerade aus ihrer Abgeschlossenheit frische
-Lebenskraft zieht; diese Mittel haben wir nicht. Was uns im Großen und
-Ganzen am meisten helfen kann, ist allein ein <em>wissenschaftlicher Geist</em>, der
-das Geschäft des Juristen, auch das gewöhnliche praktische Geschäft, zu veredeln
-im Stande ist. Weit entfernt also, daß die Gegner der Gesetzbücher dem Volk
-anmuthen sollten, für die Probestücke der Professoren und Advocaten zu leben,<a name="FNanchor_160_173" id="FNanchor_160_173" href="#Fn_160_173" class="fnanchor">160</a>
-fordern sie vielmehr einen wissenschaftlichen Character des Rechts als das erste
-und wichtigste, gerade weil dieses allein der Ausübung des Rechts eine edle und
-haltbare Grundlage geben kann.</p>
-
-<p>Freylich wollen auch die Freunde der Gesetzbücher die Wissenschaft gerne
-befördern, ja sie soll erst recht in Blüthe kommen, wenn wir nur erst Gesetzbücher
-haben! Wenn uns aber, wie billig, die Sache mehr am Herzen liegt, als unsere
-Einbildungen, so laßt uns doch unbefangen dahin sehen, wo der Versuch mit
-neuen Gesetzbüchern wirklich gemacht ist, und wir werden uns überzeugen müssen,
-daß da das Recht an wissenschaftlichem Leben verloren, und daß es sich dem
-bloßen Handwerk genähert hat. Wollen wir aber ungeachtet dieser Erfahrungen
-behaupten, bei einem neuen Versuch werde gerade das Gegentheil erfolgen, heißt
-denn das nicht Luftschlösser bauen, und die Lehre muthwillig verschmähen, die
-uns große Erfahrungen darbieten?</p>
-
-<p><a name="savigny_188" id="savigny_188" class="f70">[188]</a> Schlimmer aber und ganz unbegreiflich ist der Weg, den das neueste
-Bairische Criminalrecht eingeschlagen hat. Hier ist nämlich in einer eigenen Verordnung
-ausdrücklich verboten, einen Commentar über das Gesetzbuch zu schreiben,
-und mündliche Vorlesungen anders als über das Gesetzbuch selbst zu halten<a name="FNanchor_161_174" id="FNanchor_161_174" href="#Fn_161_174" class="fnanchor">161</a>,<a class="pagenum" name="Page_226" id="Page_226">[Pg 226]</a>
-wie denn bekanntlich schon Kaiser Justinianus ähnliches verordnet hatte. Ich
-weiß, was man dafür sagen kann: die Gesetze sollen weder durch Tadel um
-ihre Autorität, noch durch verschiedene Auslegung um ihre Gewißheit gebracht
-werden. Aber welche Geistlosigkeit der Juristen daraus hervorgehen muß,
-liegt am Tage. In Justinians Reich konnte ein solches Gesetz mit Erfolg
-ausgeführt werden, aber in einem einzelnen Deutschen Lande, bey dem allgemeinen
-Verkehr der Gedanken und der Literatur ist der Zweck nicht einmahl
-erreichbar, den man sich dabey als wünschenswerth vorsetzen möchte. Auch in
-eine Zeit geistiger Erstarrung mag ein solches Gesetz noch wohl passen, aber
-völlig fremdartig steht es da in einer überbeweglichen Zeit wie die unsrige, deren
-Beweglichkeit sich gerade an demselben Gesetzbuch<a name="FNanchor_162_175" id="FNanchor_162_175" href="#Fn_162_175" class="fnanchor">162</a> auf die merkwürdigste Weise
-bereits offenbart hat.</p>
-
-<p>3. Ich bin weit entfernt zu wünschen, daß der Staat bei der Rechtsbildung
-ein unthätiger Zuschauer seyn soll. Es giebt sogar mehr als eine Art, wie er
-dabey auf die wohlthätigste Weise thätig seyn kann.</p>
-
-<p>Vor allem ist es die Sache des Staats, dafür zu sorgen, daß es der inneren
-rechtsbildenden Kraft nicht an zweckmäßig eingerichteten Organen fehle. Diesen
-Dienst leistete den Römern ihre Prätur: eben dahin gehört der oben dargestellte
-Vorschlag von Schrader für unsre Zeit. Soll aber dieser Vorschlag wahre
-Früchte tragen, so gehört dazu, daß überhaupt die öffentliche Meynung, über
-Personen sowohl als über Einrichtungen, fester und gründlicher werde, was wie
-bey jeder Kraft nur durch Übung bewirkt werden kann; dazu kann eine Entwicklung
-der Verfassung besonders förderlich seyn.</p>
-
-<p>Aber es giebt noch andere Arten, wie der Staat auch unmittelbar auf den
-Zustand des Rechts einwirken kann, ohne das Recht selbst in seinem Gang zu
-stören. Wenn sich nämlich in einer langen Reihe von Jahren eine Masse
-einzelner Verordnungen gesammelt hat, so sind darunter gewiß viele,<a name="savigny_189" id="savigny_189" class="f70">[189]</a> die
-eine blos vorübergehende Gültigkeit haben sollten: viele andere werden zufällig
-in Vergessenheit gerathen, andere durch Gebrauch abgeschafft oder modificirt seyn;
-noch andere, wirklich geltende, werden vor der Masse des veralteten leicht übersehen
-werden. So wird es oft vom Zufall abhängen, ob eine ältere Verordnung
-entdeckt und angewendet wird oder nicht. Diese Art der Rechtsungewißheit, die
-gewiß niemand loben wird, kann auf einem sehr sicheren Wege gehoben werden.
-Sämmtliche Gerichte und administrirende Behörden des Landes nämlich können
-aufgefordert werden, darüber zu berichten, welche Verordnungen nach ihrer Geschäftserfahrung
-noch geltend geblieben sind. Aus diesen Berichten wird es nicht
-schwer seyn, einen Auszug des noch geltenden zu machen, welcher dann mit ausschließender
-Gültigkeit von neuem als Gesetz vorgeschrieben werden kann. Einem
-solchen <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Codex Constitutionum</span> stehen die Gründe nicht im Wege, die der Ab<a class="pagenum" name="Page_227" id="Page_227">[Pg 227]</a>fassung von Gesetzbüchern im gewöhnlichen Sinn entgegen gesetzt worden sind:
-denn was so auf dem Wege der Gesetzgebung entstanden ist, kann ganz unbedenklich
-auf demselben Wege reformirt werden. Der seltene Fall, in welchem eine
-ältere Verordnung in einzelnen Gegenden zur Bildung eines eigenthümlichen Gewohnheitsrechts
-Veranlassung gegeben hätte, könnte noch eine abweichende Behandlung
-bewirken.</p>
-
-<p>Wenn z. B. auf diese Weise das <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Corpus Constitutionum Marchicarum</span>
-von Mylius mit seinen sämmtlichen Continuationen umgearbeitet würde, so würde
-dieses jeder Preussische Geschäftsmann höchst wohlthätig finden, und auch der
-strengste Vertheidiger des geschichtlichen Rechts würde dagegen nichts einwenden
-können.</p>
-
-<p>4. Es ist oben (S. <a href="#savigny_8">8</a> u. <a href="#savigny_9">9</a>), einstimmend mit <cite>Thibaut</cite>, die große
-Schwierigkeit bemerkt worden, die für uns aus der immer wachsenden Masse des
-historischen und literarischen Materials unsres Rechts entsteht; eine Schwierigkeit,
-gleich groß für die Gesetzgebung, wie für das Studium, für den Lehrer und
-den Schriftsteller, wie für den gründlichen, gewissenhaften Richter. Der Hauptgrund
-dieses Übels liegt aber darin, daß die Arbeiten der juristischen Schriftsteller
-zu wenig auf ein bestimmtes, großes Ziel planmäßig hingerichtet waren.
-Wir haben eine ungeheure Menge Compendien, Observationen, einzelne Abhandlungen
-u. s. w., aber eigentliche Bücher, die als integrirende Theile eines
-wissenschaftlichen Abschlusses (nach den Einsichten eines gegebenen Zeitalters) betrachtet
-werden könnten, haben wir verhältnißmäßig sehr wenige, und wie vieles
-hätte dafür geschehen können, wenn das, was in jenen einzeln versplitterten
-Kräften gut und fruchtbar war, auf einfache und wesentliche Zwecke concentrirt
-worden wäre. Vor mehreren Jahren sollte in einem großen Deutschen Staate
-ein neues Gesetzbuch gemacht werden, und man hatte dabey<a name="savigny_190" id="savigny_190" class="f70">[190]</a> den Plan, das
-Römische Recht als Subsidiarrecht gelten zu lassen. Vergebens sah man sich
-nach einem ausführlichen Handbuch des Römischen Rechts um, welches den
-praktischen Juristen zu ihrer Belehrung hätte empfohlen werden können. Deshalb
-sollte damals ein solches Handbuch veranlaßt werden, welches jedoch so wie
-die ganze damals unternommene Abfassung des Gesetzbuchs, unterblieb. Ein
-solches Handbuch nun ist es, was wir in allen Theilen unsres Rechts, am meisten
-im Römischen Recht, bedürfen und vermissen. Soll es gründlich gemacht werden,
-so übersteigt es die Kräfte eines Einzelnen, aber durch gemeinsame Arbeit aller,
-die inneren Beruf dazu haben, könnte es in einigen Jahren wohl zu Stande
-kommen. Der Weg zur Ausführung wäre dieser. Nach einem einfachen, leicht
-übersehbaren Plan würde eine tabellarische Übersicht aller Gegenstände entworfen.
-Hieraus wählte sich jeder Theilnehmer diejenigen aus, wofür er am meisten vorgearbeitet
-hätte. Jede einzelne Arbeit müßte enthalten: 1. Rechtsgeschichte ganz
-im Detail, und besonders mit vollständiger Zusammenstellung der Quellen.
-2. Dogmatik, gleichfalls durch Quellen vollständig begründet, und verbunden mit
-Erklärung dieser Quellen, so viel dazu nöthig. 3. Literatur, und zwar mit Angabe
-des Inhalts und mit Beurtheilung, sowohl was die zusammenhängenden
-Schriften über das Ganze, als was einzelne zerstreute Bemerkungen betrifft.<a class="pagenum" name="Page_228" id="Page_228">[Pg 228]</a>
-4. Endlich wären auch politische Ansichten, Wünsche und Vorschläge, obgleich
-nicht so dringendes Bedürfniß, dennoch keinesweges ausgeschlossen. Die Reihe
-von Werken verschiedener Verfasser, die auf diese Weise entstehen würde, wäre
-durch die gemeinschaftliche zusammenhängende Aufgabe zugleich als Ein großes
-Werk zu betrachten, welches Verhältniß schon durch die ähnliche äußere Einrichtung
-bezeichnet werden könnte. Man wende nicht ein, daß wegen der verschiedenen
-Ansicht und Richtung der Verfasser nur ein täuschender Schein von
-Einheit in jenen Werken entstehen, und daß die Erreichung des Zwecks bey
-jedem einzelnen Werk sehr zufällig und zweifelhaft seyn würde. Wenn jeder nicht
-nur mit Ernst, sondern auch mit einiger Selbstverläugnung arbeitet, wird dieses
-keinesweges der Fall seyn. Es müßte nämlich ausdrücklich zur Aufgabe gemacht
-werden, daß das rein factische, ausgemachte, allgemeingültige auf eine sichtbare
-Weise von dem getrennt würde, was jeder als neue, individuelle Ansicht, als
-bloße Hypothese, zuzugeben gut fände, eine Bemühung, die selbst dem Gelingen
-jeder Arbeit an sich und ohne Rücksicht auf jenen gemeinsamen Zweck förderlich
-seyn könnte. Freylich wird es auch bey dieser Vorsicht nicht fehlen, daß uns
-manche Arbeiten großenteils mislungen und ungenügend erscheinen werden:
-dennoch wird im schlimmsten Fall durch die bloße Zusammenstellung der Quellen
-und der Literatur unglaublich viel<a name="savigny_191" id="savigny_191" class="f70">[191]</a> gewonnen, und für jede künftige, bessere
-Arbeit vorbereitet seyn. Gerade das, was jetzt das abschreckendste ist, die Masse
-des factischen, wird dadurch bezwingbar geworden seyn. Auch versteht es sich,
-daß jeder Mitarbeiter die einzelnen Bemerkungen und Ausführungen, die er für
-die Werke der übrigen vorräthig hätte, diesen überlassen würde, besonders aber
-die Literarnotizen, die in ihre Materien gehörten. Damit für die Literatur die
-möglichste Vollständigkeit erreicht würde, müßte jeder das Verzeichniß der
-Schriften, die ihm für sein Werk bekannt sind, zur Kenntniß der übrigen bringen,
-so daß es durch diese vervollständigt werden könnte. &ndash; Ein solches Unternehmen
-müßte unfehlbar gelingen, wenn es nur ohne Selbstsucht und persönliche Anmaßung,
-mit reiner Liebe zur Sache angegriffen würde. Es wäre ein schönes
-Beispiel von Gemeingeist, wenn tüchtige Juristen der verschiedensten Ansichten,
-Freunde und Gegner neuer Gesetzbücher, zu diesem Zwecke zusammentreten
-wollten, und <cite>Thibauts</cite> vorzügliche Theilnahme würde, wie in jeder Rücksicht,
-so besonders auch aus diesem Grund, von großer Wichtigkeit seyn. Man hat
-oft mit Recht geklagt, daß sich die Deutschen, auseinander gehalten durch leere,
-gehässige Einbildungen, zu nichts gemeinschaftlichem entschließen wollten: hier ist
-etwas gemeinschaftliches, daß recht eigentlich unsres Berufs ist, und wozu wir
-der Mitwirkung der Regierungen gar nicht oder nur sehr beyläufig bedürfen.
-Der Gesetzgebung wird dadurch eben so gut vorgearbeitet, als der Wissenschaft,
-und auch diejenigen, welche von Gesetzbüchern das Heil erwarten, müssen ihr
-Ziel dadurch gefördert sehen.</p>
-
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_229" id="Page_229">[Pg 229]</a></p>
-
-<h4 class="h4_2">Zweyte Beylage.</h4>
-
-<p class="center gesperrt antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Analyse des observations des tribunaux d'appel et du
-tribunal de cassation sur le projet de code civil<br/>
-(<span class="nostyle">von</span> Crussaire). Paris 1802. 4. p. 5-9.</p>
-
-
-<p class="p2 antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><a name="savigny_192" id="savigny_192" class="f70">[192]</a> MONTPELLIER. Il faut au Code un caractère de simplicité
-que n'offre pas le projet: jamais la France ne fut dans une situation
-plus heureuse pour recevoir une législation simple.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Dans l'état où la législation projettée se présente, les formes y
-semblent quelquefois un peu trop compliquées. Il est à craindre qu'en
-trompant le voeu exprimé dans le Discours préliminaire, le fisc n'ait
-autant à gagner que le justiciable à perdre.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Quant aux choses, les circonstances et les localités sont et doivent
-être la règle nécessaire et le motif déterminant de la loi; telles sont,
-par exemple, les lois agraires, toutes celles qui ont trait à l'agriculture,
-aux servitudes réelles, services fonciers, etc. Ces lois sont tellement
-modifiées par les localités, que celles qui sont appropriées à une
-contrée, pays plat, ne conviennent pas souvent à la contrée voisine,
-pays montagneux.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">D'après ces principes, comment concevoir un systême de législation
-uniforme sur l'usage des eaux pour l'irrigation des terres, et
-l'exploitation des usines, sans nulle distinction, entre les propriétés et
-contre l'usage des lieux, qui ne se règle pas toujours d'après l'utilité
-(ainsi que l'établit le projet); mais bien d'après la propriété qui en est
-acquise exclusivement, à ceux qui sont en droit de s'en servir.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Le même inconvenient se présente à l'égard de l'exploitation, et la
-durée des baux à ferme et à cheptel qui, dans certains pays, comportent
-<em>équitablement</em> des stipulations que le projet de code proscrit.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Il en est de même des servitudes rurales dont l'usage, non moins
-fréquent que varié, ne peut pas sans doute s'arranger,<a name="savigny_193" id="savigny_193" class="f70">[193]</a> comme dans
-le projet de code, dans le cadre d'un <em>systême uniforme</em>. Les
-exceptions doivent être à côté de la règle, et dictées par la connaissance
-exacte des localités.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Dire que la disposition générale du projet de code pourvoit à ces
-inconvéniens, en laissant les anciens usages derrière les nouvelles lois,
-ce n'est pas se pénétrer assez de la difficulté à l'égard de tous les cas.
-Il y a aussi d'autres usages généraux qui ont divisés la France en deux<a class="pagenum" name="Page_230" id="Page_230">[Pg 230]</a>
-grandes parties, en pays de droit écrit, et en pays de coutume; ces
-usages se confondent, par le projet de code, dans l'unité du même
-systême; c'est, dit-on, une <em>transaction</em> entre <em>le droit écrit et les
-coutumes</em>.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Pour apprécier cette <em>transaction</em> et les avantages qui doivent
-en résulter pour l'un et l'autre pays, il faut faire quelques remarques:</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">1. Ce qui s'est trouvé réformé par la force des choses, et par la
-constitution même, n'a pu faire l'objet de cette transaction.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">D'un autre côté, dans les lois romaines, comme dans les coutumes,
-il faut distinguer celles qui ont pour fondement le droit naturel et l'équité,
-de celles qui tiennent à la fois à l'ordre naturel et civil, ainsi qu'à l'ordre
-politique; aux simples rapports des individus entre eux, et à ces mêmes
-rapports compliqués, avec ceux de la société; les premières, d'une équité
-évidente, ne peuvent pas être maniées au gré du législateur; les autres
-se prêtent à l'esprit de systême qui crée les différentes combinaisons,
-parmi lesquelles le législateur peut choisir celui qui lui paraît le plus
-convenable.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">C'est ainsi que les rédacteurs du projet de code ont eu à choisir
-entre les dispositions du <em>droit écrit</em> et les dispositions du <em>droit
-coutumier</em>, principalement sur les points systématiques <em>de la puissance
-paternelle, des tutelles, minorités et interdictions,
-des successions, des donations entre-vifs ou à cause de
-mort, des droits des époux dans le contrat de mariage,
-des prescriptions etc.</em>; c'est là où l'on met le droit romain plus
-aux prises et en oppositions avec les coutumes, et où l'on a pu le faire
-<em>transiger</em>.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Mais qu'a-t-il été accordé ou soustrait au <em>droit écrit</em>? Qu'a-t-il
-été accordé ou soustrait au <em>droit coutumier</em>?</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Quant à la <em>puissance paternelle</em>, la coutume obtient de
-l'affaiblir en plaçant à côté d'elle la communauté de biens entre époux;
-ce qui met en opposition, dans un ménage, le <em>crédit</em> d'un époux avec
-l'autorité de l'autre; autorité qui perd presque toute la force qu'elle tient
-du droit écrit, par l'avantage accordé à la coutume d'ôter aux pères la
-faculté d'exhéréder leurs enfans, de disposer librement de leurs biens,
-et d'ôter aux enfans le droit d'exiger des pères un établissement convenable.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><a name="savigny_194" id="savigny_194" class="f70">[194]</a> Si, dans les <em>tutelles</em>, le <em>droit écrit</em> l'a emporté dans sa
-disposition peu convenable à nos usages concernant la division de la
-tutelle en quatre espèces, la coutume a triomphé dans les points bien
-plus essentiels où elle ne laisse pas distinguer entre tuteur et curateur,
-ni entre pupille, et mineur ou adulte, elle a triomphé encore en mettant,
-à la place de l'interdiction pour cause de prodigalité, la disposition
-officieuse si peu propre à la remplacer.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Dans les <em>successions</em> on ne trouve plus ces grands traits de la<a class="pagenum" name="Page_231" id="Page_231">[Pg 231]</a>
-législation romaine, qui ne déférait l'hérédité qu'à un seul titre universel
-par la volonté de l'homme, et à défaut par la disposition de la loi;
-principe simple dont les avantages étaient sentis dans la pratique.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">En écartant ce principe, la coutume fait concourir à la fois la
-succession légitime avec la succession testamentaire; et il y a tout autant
-de titres universels qu'il y a de dispositions sur des portions de biens
-par quelques actes que ce soit. Le partage en deux lignes pour les
-ascendans et les collatéraux, contrarie, dans la plupart des cas, l'équitable
-disposition du droit écrit, en faisant passer les diens dans les familles
-étrangères; systême qui, par la prolongation des deux lignes à l'infini,
-priva les époux de tous les avantages que le droit écrit leur ménageait
-sur leur succession réciproque.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Il est vrai que ce droit paraît avoir été adopté pour les <em>prescriptions</em>;
-mais ces règles qui ne font que compliquer mal à propos
-les dispositions, n'auraient pas dû être maintenues.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Ce serait donc ainsi qu'on aurait fait transiger les deux droits en
-laissant, à l'empire de la coutume, la presque totalité des points sur
-lesquels elle pourrait être en concurrence avec le droit romain, et en
-abandonnant au droit écrit les autres points qui sont de peu d'importance
-droit d'ailleurs qui était modifié par les coutumes particulières qui y
-dérogeaient, ou y ajoutaient selon les convenances ou les localités.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Ainsi, tel pourra être le sort de ces pays que, par le nouveau
-systême de législation, ils seront frustrés à la fois et des dispositions
-du droit écrit, et de celles de leur coutume particulière, qui leur étaient
-convenables; et qu'ils recevront, à la place de ces lois qu'ils avaient
-choisies, des dispositions coutumières qui ne leur conviennent pas, et des
-dispositions du droit écrit déjà par eux rejettées ou modifiées.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Mais, quelles que soient les nouvelles lois qui seront données à la
-France, le législateur ne doit pas moins se tenir en garde contre les
-effets de la rétroactivité, et contre les inconvéniens du point de rencontre
-des nouvelles lois<a name="savigny_195" id="savigny_195" class="f70">[195]</a> avec les lois anciennes, pour le prévenir, autant
-qu'il est possible, ou les corriger sans blesser la justice et l'équité.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Le projet de Code qui établit en principe <em>que la loi ne dispose
-que pour l'avenir, et qu'elle n'a point d'effet rétroactif</em>,
-manquera le but au moins sur divers cas: par exemple, à l'égard du
-cours d'eau, dont l'ancien droit ne permettait pas l'usage an propriétaire
-riverain, sur le seul fondement de son utilité particulière, lorsque l'usage
-exclusif en était légitimement acquis à d'autres propriétaires ou possesseurs
-d'usine; c'est ainsi que l'ancien propriétaire se trouverait dépouillé,
-en vertu de la loi nouvelle, d'un droit acquis depuis des siècles, et après
-avoir fait, sous la foi de l'ancienne loi, des constructions qui lui deviendraient
-inutiles après la perte de son droit.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Le tribunal de Montpellier desire aussi que le législateur s'explique
-enfin sur le vrai sens et sur l'effet que doit avoir le décret du.....<a class="pagenum" name="Page_232" id="Page_232">[Pg 232]</a>
-septembre 1791, qui déclare non écrites toutes clauses insérées aux actes,
-et qui seraient contraires aux moeurs, ou aux lois nouvelles, à la liberté
-religieuse, naturelle et civile, et à celle de se marier ou remarier; et la
-loi des 24. octobre et 14. novembre 1792, qui prohibe les substitutions
-pour l'avenir, abolit celles qui se trouvaient alors établies, et maintient
-l'effet de celles seulement qui étaient ouvertes à cette époque.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Les tribunaux ont pensé que le législateur n'avait pas vu d'effets
-rétroactifs dans ces deux lois; cependant le tribunal de cassation croit
-y voir ce vice. Le projet de Code ne règle rien à cet égard: or, il
-serait à désirer que le législateur s'expliquât pour faire cesser ce conflit,
-et les incertitudes qui en résultent.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Ici, les lacunes qui résulteront de l'abrogation des lois anciennes,
-générales ou particulières, et locales, présenteront une foule de difficultés
-à la sagacité du législateur.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Ainsi, régler les rapports, combler les lacunes, régulariser les effets
-compliqués des anciennes et nouvelles lois; suppléer à leur silence,
-pénétrer leur obscurité, telle est la tâche immense qu'imposé le perfectionnement
-du grand ouvrage de la législation nouvelle.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">C'est cette tâche que les rédacteurs du projet semblent renvoyer
-à l'arbitrage des juges pour la remplir, à mesure qu'ils feront l'application
-des lois aux cas particuliers; et telle serait la jurisprudence qu'on entend
-placer à côté du sanctuaire des lois!</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Mais quelle jurisprudence! n'ayant d'autre règle que l'arbitraire sur
-l'immensité d'objets à co-ordonner au systême de législation nouvelle, à
-quelle unité, à quel concert faudrait-il s'attendre de la part d'une pareille
-jurisprudence, ouvrage de tant de juges et de tant de tribunaux, dont<a name="savigny_196" id="savigny_196" class="f70">[196]</a>
-l'opinion ébranlée, par les secousses révolutionnaires, serait encore
-si diversement modifiée! quel serait enfin le régulateur de cette jurisprudence
-disparate, qui devrait nécessairement se composer de jugemens
-non sujets à cassation, puisqu'ils ne reposeraient pas sur la base fixe
-des lois, mais sur des principes indéterminés d'équité, sur des usages
-vagues, sur des idées logiciennes, et, pour tout dire en un mot, sur
-l'arbitraire!</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">A un systême incomplet de législation, serait donc joint pour supplément
-une jurisprudence défectueuse.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Pour l'éviter, le législateur pourrait tourner ses vues sur son propre
-ouvrage, le compléter lui-même autant que possible, et ne considérer le
-projet de Code que comme <em>les Institutes du droit français</em>, à
-l'instar des institutes de <span class="smcap">Justinien</span> à l'égard du droit romain. Comme
-ces dernières, le projet de Code contiendrait les principes généraux du
-droit, et, pour ainsi dire, le texte des lois. Le commentaire, le développement
-et les détails sur chaque matière devraient être l'objet de tout
-autant de traités séparés, comme ils le sont à-peu-près dans le Code et
-dans le Digeste du droit romain.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_233" id="Page_233">[Pg 233]</a></p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Une autre méthode pourrait peut-être conduire le législateur à un
-résultat non moins heureux, quoiqu'avec moins d'effort, de travail et de
-secousses; si l'unité, dans le systême législatif, est d'une utilité si évidente
-qu'elle doit être envisagée comme un dogme politique dont il ne peut
-pas être permis de s'écarter, il est certain aussi que la France, telle
-qu'elle est aujourd'hui, est un état trop étendu pour que la différence
-des climats n'en nécessite une dans certaines lois, que la nature des
-choses et celle du sol modifient nécessairement.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Ainsi, <em>laisser subsister les différences locales</em> en tout ce
-qu'elles ne choquent pas l'esprit général et <em>ramener le reste à
-l'uniformité</em>, telle paraît être la tâche du législateur.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Pour atteindre ce but, faut-il tout détruire, abroger toutes les lois
-anciennes pour tout récréer? Il paraît plus simple et plus naturel de
-maintenir l'ancien systême, en y dérogeant sur les points qui doivent
-être ramenés à l'unité et à l'uniformité, et surtout ceux dont notre nouvelle
-situation politique demande la modification ou la réforme.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Quant à ces derniers points, l'ouvrage paraît déjà porté à sa perfection
-dans le livre premier du projet du Code, sur l'état des personnes,
-et dans les différentes lois rendues par nos assemblées nationales.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">A l'égard des autres points, sur lesquels doivent tomber le changement
-et la réforme nécessités par l'unité du systême, il semble qu'on
-ne peut pas s'y méprendre, et qu'ils ne se présentent pas en si grand
-nombre. En effet, en laissant de<a name="savigny_197" id="savigny_197" class="f70">[197]</a> côté toutes les dispositions ou
-principes du droit naturel, appelés <em>la raison écrite</em>, dont l'équité
-évidente s'allie avec tous les systêmes législatifs, il ne resterait précisement
-que les points de droit ou les matières que nous avons appelées
-plus haut <em>systématiques</em>, parce que leur règle est moins dans
-l'invariable nature que dans la variable combinaison des convenances
-particulières et générales.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">D'après ce plan, qui paraît si simple, les matières à traiter dans
-le nouveau Code se réduiraient à-peu-près à <em>la puissance paternelle,
-et aux obligations des pères envers leurs enfans;
-aux tutelles, minorités, et interdictions, aux successions
-et aux donations entre-vifs, ou à cause de mort, aux droits
-des époux dans les contrats de mariage, aux hypothèques,
-aux ventes forcées, et aux prescriptions</em>.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Toutes les autres matières pourraient ainsi rester à leur place, et
-avec leur force dans le dépôt des anciennes lois; et ces lois, soit générales,
-soit particulières ou locales, continueraient d'être exécutées comme
-auparavant dans tout ce qui n'y aurait pas été dérogé par la loi nouvelle
-du Code.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Cette méthode pourrait réunir les deux objets d'importance majeure
-que le législateur doit avoir principalement en vue, l'utilité générale de
-l'unité du systême avec les convenances particulières des localités. Ainsi,<a class="pagenum" name="Page_234" id="Page_234">[Pg 234]</a>
-le contact des lois anciennes et nouvelles dans un nombre de points
-infiniment moindres, faciliterait davantage leur cohérence et leur liaison.
-Avec beaucoup moins d'efforts, la législation serait plus complète et la
-jurisprudence plus certaine. La règle ne manquerait pas au juge, et la
-contravention aux lois aurait un correctif. Au lieu de détruire, on ne
-ferait, pour ainsi dire, que réparer, et le changement paraîtrait moins
-une innovation qu'une conservation de ce qu'il n'est pas nécessaire de
-détruire, et une amélioration de ce qu'il est utile de réformer ou de
-modifier.</p>
-
-<p class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Tel paraît être le modèle du Code que réclame la situation actuelle
-de la France. On le croit tracé en entier dans la maxime rappelée dans
-le discours préliminaire du projet, où il est dit: <em>Qu'il est utile de
-conserver tout ce qu'il n'est pas nécessaire de détruire.</em>
-En effet, les changemens dans les lois ne sauraient être trop réfléchis,
-et ils ne peuvent être justifiés que par une utilité évidente: <span lang="la" xml:lang="la"><em>in rebus
-novis constituendis</em></span>, dit la loi romaine, puisée dans les écrits de
-Platon, <span lang="la" xml:lang="la"><em>evidens debet esse utilitas ut recedatur ab eo jure
-quod diu aequum visum est</em></span>.</p>
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_235" id="Page_235">[Pg 235]</a></p>
-
-
-
-
-<h3>6. Bemerkungen.</h3>
-
-
-<p>S. <a href="#Page_14">14</a>. <cite>Savigny</cite> hat auch in späterer Zeit trotz zahlreicher Widersacher
-an den Grundauffassungen seiner Streitschrift <em>festgehalten</em>. (Vgl. die Vorrede
-zur 2. Ausgabe vom Jahre 1828.) So war es auch weiterhin. In der Bibliothek
-des Preußischen Justizministeriums befindet sich ein Exemplar von Savignys
-Streitschrift (3. Aufl. 1840), auf dessen erster freier Seite mit Tinte geschrieben,
-nach der Schrift zu schließen, von der Hand Savignys (über seine Ministertätigkeit
-s. o. S. <a href="#Page_31">31</a>) folgende Worte stehen: <span lang="grc" xml:lang="grc" title="hames de g'eimes; ai de lês, augasdeo">&#7937;&#956;&#8050;&#962; &#948;&#8050; &#947;'&#949;&#8054;&#956;&#8051;&#962;&#903; &#945;&#953; &#948;&#8050; &#955;&#8135;&#962;, &#945;&#8058;&#947;&#8049;&#963;&#948;&#949;&#959;</span>.
-<cite class="antiqua">Plut. instit. Lacon. c. 15.</cite> &ndash; 24. Dez. 47.« &ndash; Sinngemäß übersetzt bedeutet
-diese Stelle: »<em>Wir sind noch rüstig; wenn Du willst, versuch' es!</em>«
-Sie ist in dorischem Dialekt abgefaßt und der Abhandlung »Die alten Gebräuche
-der Lacedämonier« (<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Instituta Laconica</span>) aus Plutarchs Moralisch-philosophischen
-Werken (<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Moralia</span>) entnommen. Der Zusammenhang ist dort folgender: »An gewissen
-Festen wurden (in Sparta) nach dem dreifachen Alter drei Chöre errichtet.
-Das Chor der Greise sang zuerst: »»Wir waren einst rüstige Jünglinge.««
-Darauf antwortete das Chor der jungen Männer: »»Wir sind es noch, wenn
-Du willst, versuch' es.«« Zuletzt sang das Chor der Knaben: »»Wir werden
-einst noch viel besser sein.«« (Übersetzung von J. F. S. Kaltwasser, Wien und
-Prag 1797, 2. Bd. S. 202.)</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_19">19</a>. Wegen der Einzelgesetzgebung siehe S. 148, 149.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_20">20</a>. Für unsere Ansicht sprechen auch <cite>Hugos</cite> Worte S. 187. Wegen
-weiterer Literatur zu der Streitfrage vgl. Brinz, Die Savignyfeier am 21. Februar
-1879, in der Kritischen Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft,
-Bd. 21, München 1879, S. 485 ff., auch Bd. 22, S. 161 ff.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_22">22</a>. Zur »Geschichte der privatrechtlichen Kodifikationsbestrebungen in
-Deutschland« vgl. auch die Abhandlung von E. <cite>Schwartz</cite>, Archiv für Bürgerliches
-Recht, Berlin, Bd. 1 (1889), S. 1 ff. mit Bemerkungen über die Streitschriften
-Thibauts und Savignys. Erwähnt sei noch die Bemerkung Gierkes
-(unten S. <a href="#Page_237">237</a>, N. 38 u. 80) zu Anton <cite>Christs</cite> Schrift Über deutsche Nationalgesetzgebung,
-Karlsruhe 1842, daß hier zuerst die Kodifikation aus geschichtlichen
-und organischen Gesichtspunkten begründet werde.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_23">23</a>. Über den Einführungsartikel der Zeitschrift <cite>Savignys</cite> hat
-<cite>Thibaut</cite> in den Heidelbergischen Jahrbüchern 1815 Nr. 42 eine beachtenswerte
-Rezension geschrieben, in der er »den anzüglichen Namen ungeschichtliche Schule
-verbittet«. <cite>Savigny</cite> sagt dort: »Die geschichtliche Schule nimmt an, der
-Stoff des Rechts sei durch die gesamte Vergangenheit der Nation gegeben, doch
-nicht durch Willkür, so daß er zufällig dieser oder ein anderer sein könnte, son<a class="pagenum" name="Page_236" id="Page_236">[Pg 236]</a>dern aus dem innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen.«</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_23">23</a>. Vgl. <cite>Herders</cite> Gedicht »An den Kaiser« (Joseph II.). 1780.
-»Gib uns,.... Ein Deutsches Vaterland, Und <em>Ein</em> Gesetz....«</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_24">24</a>. Zu dem Ausdruck »Volksgeist« vgl. auch die Wendung <cite>Feuerbachs</cite>
-S. 195.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_24">24</a>. Wegen der Stellung der historischen Schule zur Philosophie s.
-S. <a href="#Page_99">99</a> und <a href="#Page_202">202</a>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_25">25</a>. Ein alter Vorwurf gegen <cite>Savigny</cite> ist seine Überschätzung des
-Gewohnheitsrechts.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_31">31</a>. Über Beziehungen <cite>Savignys</cite> zu Goethe vgl. z. B. Eckermanns
-Gespräche mit Goethe, 6. April 1829 (»unser trefflicher Savigny«).</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_32">32</a>. Aus der Bibliothek <cite>Savignys</cite> befinden sich viele alte und
-seltene Werke romanistischen Inhalts auf Grund seines Vermächtnisses in der
-Berliner Königlichen Bibliothek. Vgl. Verzeichnis der der Königlichen Bibliothek
-vermachten Werke Savignys.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_33">33</a>. Aus den Vorräten der 3. Auflage <cite>Savignys</cite> wurde 1878 eine
-zweite (Titel-)Ausgabe veranstaltet.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_33">33</a>, <a href="#Page_34">34</a>. Um wirkliche Druckfehler aus dem Texte der Schrift <cite>Savignys</cite>
-möglichst auszumerzen, sind alle drei zu seinen Lebzeiten erschienenen Ausgaben
-verglichen worden. Da die 2. und 3. Ausgabe einen völlig unveränderten Abdruck
-der Schrift enthalten soll (s. Vorrede der 2. Ausgabe), ist von einer Zusammenstellung
-der Textabweichungen, die nur auf Druckfehlern beruhen können,
-abgesehen.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_41">41</a>. <cite>Thibaut</cite> meint mit den Worten »aus dem Munde eines geistvollen,
-edeln Schriftstellers« offenbar August Wilhelm <cite>Rehberg</cite>, dessen Werk
-über den Code Napoleon die Veranlassung zu der Rezension Thibauts in den
-Heidelbergischen Jahrbüchern 1814 Nr. 1 u. 2 und weiter zu Thibauts Flugschrift
-wurde. Vgl. Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, III, 2,
-Noten, S. 32 Nr. 20 und brieflich. Eine Stütze dieser Ansicht finde ich darin,
-daß Thibaut in dieser Rezension sich ganz ähnlicher Wendungen bedient, wie an
-unserer Stelle (»geistvolle Arbeiten des Verfassers; er macht Gewohnheit und
-Herkommen zur Grundlage aller bürgerlichen Einrichtungen; er tadelt, daß der Code
-es nicht bei dem chaotischen Allerlei der verschiedenen Ortsgebräuche bewenden
-ließ«), daß Thibaut es ferner absichtlich vermeidet (vgl. seine Vorrede),
-den Namen Rehberg zu nennen. Eine weitere oben S. 10 nicht erwähnte Besprechung
-des Rehbergschen Buches befindet sich übrigens in den Göttingischen
-Gelehrten Anzeigen 1814 S. 33.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_46">46</a>. Gegen »Trivialitäten« und »Übertreibungen« in <cite>Thibauts</cite>
-Schrift (S. 23, 25, 28, 12, 64, 34 der 1. Ausgabe) wendet sich Immanuel <cite>Bekker</cite>,
-Über den Streit der historischen und der filosofischen Rechtsschule, Heidelberg
-1886; später milder in »Vier Pandektisten«, Heidelberg 1903. Siehe auch
-<cite>Savignys</cite> Schrift S. 122 (1. Ausgabe).</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_237" id="Page_237">[Pg 237]</a></p>
-
-<p>S. <a href="#Page_53">53</a>. Wer unter dem »bedeutenden verstorbenen Staatsmann« zu verstehen
-ist, ist nicht sicher festzustellen. Vielleicht ist damit nach einer (brieflich
-geäußerten) Vermutung des Herrn Professors <span class="antiqua">Dr.</span> Ernst Landsberg der am 17. November
-1813 gestorbene Geheime Rat Johann Nikolaus Friedrich <cite>Brauer</cite>
-gemeint, ein altbewährter Ratgeber Carl Friedrichs von Baden. Brauer wurde
-außer anderen gesetzgeberischen Arbeiten die Bearbeitung und Einführung des
-Code Napoleon in Baden übertragen.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_55">55</a>. Die Stelle vom Völkervertrag beurteilt <cite>Meinecke</cite>, Weltbürgertum
-und Nationalstaat, München und Berlin 1908, S. 195 wegen des damaligen
-Nationalgefühls milder, als es oben geschehen ist.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_58">58</a>. Carl Friedrich von Baden, seit 1738 Markgraf, seit 1803 Kurfürst,
-seit 1806 Großherzog, ist am 11. Juni 1811 gestorben.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_63">63</a>. Die Beibehaltung der Besonderheiten erinnert an die im Einführungsgesetz
-des Bürgerlichen Gesetzbuchs Art. 55-152 enthaltene Verlustliste
-der Deutschen Rechtseinheit.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_88">88</a>. Die Stelle »weit weniger Individualität« bezeichnet <cite>Bekker</cite>,
-a. a. O., S. 9 als »fast unbegreiflich«. Vgl. auch die Wendung »fungible Personen«
-S. <a href="#Page_163">163</a>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_91">91</a>, <a href="#Page_92">92</a> (<a href="#Page_163">163</a>). Hiergegen wendet sich <cite>M. A. von Bethmann-Hollweg</cite>,
-Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft als Aufgabe unserer Zeit,
-Bonn 1876, S. 7 ff.: <cite>Savigny</cite> bedenke nicht, daß die Römer ihr gesamtes
-Recht schon in frühester Zeit in den Zwölf Tafeln als Gesetz verzeichnet haben
-und daß dieses bis auf Justinian den festen Kern des Rechtssystems bildete.
-Diese Schrift verdient auch sonst wegen ihrer mehrfachen Rückblicke auf den
-Streit zwischen <cite>Thibaut</cite> und <cite>Savigny</cite> unsere Beachtung.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_105">105</a>. Vgl. S. <a href="#Page_229">229</a>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_118">118</a>. Das Zitat aus dem Ausspruch des Tribunals von Montpellier
-ist nicht ganz genau. Siehe S. <a href="#Page_229">229</a>, ferner S. <a href="#Page_203">203</a> (ungünstiges Urteil über die
-französischen Juristen).</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_119">119</a>. <cite>Savigny</cite> schreibt Suarez statt Svarez. Der Verfasser des
-Preußischen Landrechts lebte von 1746 bis 1798 (Biographie von <cite>Adolf
-Stölzel</cite>, Berlin 1885).</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_132">132</a>. J. A. Hellfeld (Jena), <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Jurisprudentia forensis secundum Pandectarum
-ordinem</span>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_140">140</a>, <a href="#Page_141">141</a>. Diese Reinigung richtete sich tatsächlich gegen den »germanischen
-Einschlag«, den das römische Recht im Laufe seiner Entwicklung &ndash;
-teilweise durch das Verdienst der Naturrechtler &ndash; erfahren hatte. <cite>Gierke</cite>
-(Die historische Rechtsschule und die Germanisten, Berlin 1903, S. 10 ff.) erblickt
-hierin die »wirkliche Sünde der historischen Rechtsschule«, die »ihrem
-eignen Prinzip untreu« wurde. Damit hängt auch die Verschärfung des Gegensatzes
-zwischen Romanisten und Germanisten zusammen.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_153">153</a>. Vgl. S. <a href="#Page_204">204</a>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_156">156</a>, <a href="#Page_157">157</a>. Vgl. S. <a href="#Page_204">204</a>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_161">161</a>. Vgl. S. <a href="#Page_204">204</a>.</p>
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_238" id="Page_238">[Pg 238]</a></p>
-
-<p>S. <a href="#Page_166">166</a>. Zwischen <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Itaque</span> und <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Deus</span> ist <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ut</span> ausgefallen. <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Ph. Melanthonis
-opera, Halis Saxonum 1843, XI, 350.</span></p>
-
-<p>S. <a href="#Page_170">170</a>. Vgl. Savignys Gegenäußerung über die Bedeutung der Rechtsgeschichte
-S. <a href="#Page_206">206</a>, <a href="#Page_207">207</a>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_170">170</a>. Die Sätze <cite>Thibauts</cite> von der Rechtsgeschichte bis zu den
-»zehn geistvollen Vorlesungen« dienten dem Hegelianer und erbitterten Gegner
-Savignys <cite>Eduard Gans</cite>, Professor der Rechte in Berlin, als Motto zu
-seinem »Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung«, 4 Bde., Berlin, Stuttgart
-und Tübingen 1824 bis 1835.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_185">185</a>. Von den damals erschienenen anonymen Schriften sei noch erwähnt
-»Blicke auf die juristische Praxis in Beziehung auf das künftige Gesetzbuch für
-Deutschland«, 1817 (für Thibaut). Hingewiesen sei auch noch auf <cite>Unterholzners</cite>
-Vorrede zu seinem »Entwurf zu einem Lehrgebäude des bei den
-Römern geltenden bürgerlichen Rechts«, Breslau 1817 (gegen die Kodifikation
-für Savigny).</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_195">195</a>. <cite>Feuerbach</cite> schreibt <cite>Thiebaut</cite> statt Thibaut. In seinen
-Kleinen Schriften vermischten Inhalts bemerkt er, daß das Thema seines Aufsatzes
-später am vollständigsten erörtert wurde von <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Meijer de la Codification
-en général, et de celle de l'Angleterre en particulier. Amsterdam 1830</span>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_198">198</a>. Mutter Carmenta, die Weissagegöttin, bei Dichtern Künderin
-von Roms Größe.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_202">202</a>. Unter dem »ausgezeichneten Rechtsgelehrten« ist natürlich
-<cite>Thibaut</cite> zu verstehen.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_206">206</a>. Wegen <cite>Thibauts</cite> Abhandlungen in den Heidelbergischen Jahrbüchern
-s. S. <a href="#Page_32">32</a>.</p>
-
-<p>S. <a href="#Page_221">221</a>. Mit dem Zitat aus der Jenaischen Literatur-Zeitung 1814 ist
-die S. <a href="#Page_191">191</a> erwähnte Rezension des <cite>Schmid</cite>'schen Buches Deutschlands Wiedergeburt
-gemeint.</p>
-
-
-
-<p><a class="pagenum" name="Page_239" id="Page_239">[Pg 239]</a></p>
-
-
-
-
-<h2>Nachwort.</h2>
-
-
-<p>In den Tagen, da die Schlußzeilen dieses mit der Erinnerung
-an die große Zeit der Freiheitskriege verknüpften Buches geschrieben
-sind, steht Deutschland im Kampfe gegen eine Welt
-von Feinden. Was unsere Vorfahren in den Jahren 1813/15
-erkämpft und vorbereitet, was unsere Väter 1870/71 errungen
-und verwirklicht haben, das neue Deutsche Reich, es muß 1914
-verteidigt werden gegen die Neider seiner Macht und seines Ansehens
-auf allen Gebieten menschlicher Entwicklung, gegen Kulturfeinde,
-denen Mißgunst, Rache und Profitgier über alles gehen.
-In wunderbarer Einigkeit steht ganz Deutschland geschart um
-seinen Kaiser. Der Geist von 1914, dies einmütige Aufwallen
-der Volksseele, dies Bestreben jedes einzelnen, sofern er nicht
-dem Vaterlande unmittelbar mit der Waffe dient, als Glied
-<em>eines</em> Organismus seine Kräfte zum Wohle des Ganzen möglichst
-nutzbringend zu betätigen, so daß sich wie von selbst neue zweckbewußte
-Organisationen unseres Gemeinschaftslebens gestalten,
-wird in der Geschichte fortleben als eine noch nie gesehene gewaltige
-Erscheinung, als eigentümliches Kennzeichen unserer Zeit:
-<em>Mehr als die Waffen schlägt der Geist die Schlachten.
-Deutschlands Wille zum Siege ist die Gewähr seines
-Sieges.</em></p>
-
-<p><span class="gesperrt">Berlin</span>, im August 1914.</p>
-
-<p class="poem2">
-<span class="antiqua">Dr.</span> <span class="fantasy">Jacques Stern</span>.<br />
-</p>
-
-<hr class="hr45" />
-
-<p>Im gleichen Verlage sind erschienen:</p>
-
-
-<p class="center">
-<span class="bold large">Einführung in die gerichtliche Praxis.</span><br />
-Ein Buch für Referendare und Studierende.<br />
-Von<br />
-<span class="bold"><span class="antiqua">Dr.</span> Jacques Stern,</span><br />
-<span class="f80">Amtsrichter am Amtsgericht Berlin-Mitte.</span><br />
-1914. Geheftet 9 M., gebunden 10 M.<br />
-</p>
-
-<p><span class="gesperrt">Prof. <span class="antiqua">Dr.</span> Heilfron</span> schreibt über dies Buch im »Recht«,
-Jahrgang 1914, Nr. 11:</p>
-
-<p class="posth6_2 f90">Der Verfasser hat sich um die juristische Jugend ein zweifelloses Verdienst
-erworben. Es kann nicht nur den Referendaren empfohlen werden,
-vor jeder Station den betreffenden Abschnitt durchzuarbeiten, sondern auch
-die Studenten werden an der Hand des Werkes die ihnen leider so häufig
-mangelnde Verbindung mit der Praxis herzustellen vermögen.</p>
-
-<hr class="hr45" />
-
-<p class="center">
-<span class="bold large">Arrest und einstweilige Verfügungen</span><br />
-nach der Deutschen Zivilprozeßordnung.<br />
-Von<br />
-<span class="bold"><span class="antiqua">Dr.</span> Jacques Stern,</span><br />
-<span class="f80">Amtsrichter am Amtsgericht Berlin-Mitte.</span><br />
-1912. Geheftet 3 M.<br />
-</p>
-
-<p><cite>Warneyer</cite> schreibt über dies Buch in der »Deutschen
-Juristen-Zeitung«, Jahrgang 1912, Nr. 22:</p>
-
-<p class="posth6_2 f90">Die Arbeit erreicht ihren Zweck im vollsten Maße. Übersichtlich
-gegliedert, behandelt sie zunächst das materielle und formelle
-Arrestrecht, sodann Voraussetzungen und Inhalt der einstweiligen
-Verfügungen, sowie das Verfahren bei diesen, endlich die Rückgabe der
-Sicherheiten und die Schadensersatzpflicht wegen ungerechtfertigter
-Anordnungen. Auch wo man dem Verfasser nicht folgen kann, weiß er
-seine Meinung geschickt zu begründen.</p>
-
-<p class="center f70">
-Druck von Gebhardt, Jahn &amp; Landt G. m. b. H., Berlin-Schöneberg.<br />
-</p>
-
-
-<hr class="hr45" />
-
-<p class="bold noindent">Fußnoten:</p>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_A_1" id="Fn_A_1" href="#FNanchor_A_1"><span class="label">[A]</span></a> Als einer von »Teutschlands Ansprüchen«, als Forderung der »künftigen
-teutschen Verfassung«, als Verlangen der »Volksstimmung« kommt eine »gleiche
-Gerechtigkeitspflege«, ein »gleiches Recht« z. B. im Rheinischen Merkur wiederholt
-zum Ausdruck (Nr. 76 vom 23. Juni 1814, Nr. 105 vom 20. August 1814,
-Nr. 219 vom 7. April 1815). Groß war auch die Zahl der ohne Nennung des
-Verfassers erschienenen, außer anderen Reformen auch ein einheitliches bürgerliches Recht erstrebenden Flugschriften und Bücher. Genannt seien: Was war Deutschland?
-Was ist es jetzt? Was darf es von der Zukunft hoffen? Germanien 1813,
-48 S. (Vgl. z. B. Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 102 u. 103,
-Wiener Allg. Lit. Ztg., Wien, 1814 Nr. 46 u. Heidelb. Jahrb. 1814 Nr. 38).
-Geburt, Taten und Ende des Rheinbundes, kein Roman, sondern eine wahre
-Geschichte, mit einigen bloß in schwachen Umrissen hingeworfenen Ideen zur
-künftigen Regeneration einer deutschen Staatsverfassung an das Licht gestellt
-von einem deutschen Patrioten in der Wüste des unterjochten Deutschlands,
-Germanien 1813, 80 S. (Vgl. Allg. Lit. Ztg. u. Wiener Allg. Lit. Ztg., ebenda,
-sowie Jenaische Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 78). Was hat Deutschland von seinen
-erhabenen Rettern zu erwarten, was hat es zu wünschen? 1814 (ohne Druckort),
-27 (nicht 72) S. (Vgl. Jenaische Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 190.) Ideen
-über die Bildung eines freyen germanischen Staatenbundes nebst einem Anhang
-über einen ähnlichen italischen Bund &ndash; Von dem Verfasser der Ideen über das
-Gleichgewicht von Europa, 1814 (ohne Druckort), 272 S. (Vgl. ebenda Nr. 217).
-Was können die verschiedenen Völkerstämme Teutschlands in Rücksicht ihrer inneren
-Verhältnisse von ihren Regenten verlangen und begehren? Germanien 1814. (Vgl.
-B. W. Pfeiffers Ideen zu einer neuen Civil-Gesetzgebung, S. 7; unten Abt. II, <a href="#Page_185">3</a> u. <a href="#Page_202">5</a>.)</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_B_2" id="Fn_B_2" href="#FNanchor_B_2"><span class="label">[B]</span></a> Vgl. auch das zeitlich nach Thibauts Schrift erschienene Buch von
-H. R. Brinkmann, Über den Wert des bürgerlichen Gesetzbuchs der Franzosen,
-mit besonderer Rücksicht auf die Schrift des Herrn geheimen Kabinetsraths
-Rehberg über dasselbe, sowie auf unsere jetzigen Bedürfnisse in der Gesetzgebung,
-Göttingen 1814 (Besprechungen in der Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig 1814,
-Stück 226 bis 228; Jenaische Allg. Lit. Ztg. 1815 Nr. 144; Leipziger Lit.
-Ztg. 1816 Nr. 26, Göttingische Gelehrte Anzeigen 1814 Stück 154).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_C_3" id="Fn_C_3" href="#FNanchor_C_3"><span class="label">[C]</span></a> Savignys Stellung zur bürgerlich-rechtlichen <em>Einzelgesetzgebung</em>
-ist diese: er ist nicht etwa ein Anhänger der Einzelgesetzgebung schlechtweg im
-Gegensatze zur Kodifikation. Vielmehr ist er, wenn wir seine Gruppierung der
-Einzelgesetzgebung zugrunde legen, Gegner auch der Einzelgesetzgebung, soweit
-sie der organischen Rechtsentwickelung entgegentritt: Gesetze von politischem
-Grunde betrachtet er als Ausnahme und notwendiges Übel; die Entscheidung
-von Kontroversen und die Verzeichnung alter Gewohnheiten ist nach ihm ein
-Objekt der Gesetzgebung, doch ist ihm sogar hier ein anderer Weg als die eigentliche
-Gesetzgebung lieber.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_D_4" id="Fn_D_4" href="#FNanchor_D_4"><span class="label">[D]</span></a>
-Beyspiele habe ich schon oben (civilist. Abhdlgn.) S. 305 bis 311 gegeben.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_E_5" id="Fn_E_5" href="#FNanchor_E_5"><span class="label">[E]</span></a> Meine civilist. Abhandl. S. 463-466.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_F_6" id="Fn_F_6" href="#FNanchor_F_6"><span class="label">[F]</span></a>
-Obige Zusammenstellung macht natürlich keinen Anspruch auf absolute
-Vollständigkeit. Immerhin sind hier <em>in einem bisher nicht erreichten
-Umfange</em> wissenschaftliche Stimmen zum Streite zwischen Thibaut und Savigny
-vereinigt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_G_7" id="Fn_G_7" href="#FNanchor_G_7"><span class="label">[G]</span></a>
-Zwischen Hrn. v. <cite>Savigny</cite> und <cite>Thiebaut</cite>. Was später geschehen,
-hat wenig zur Schlichtung, desto mehr zur Erhitzung des Streits beigetragen.
-Auf der Seite des zuletzt genannten Gelehrten stehen übrigens nicht blos diejenigen,
-welche in der Rechtswissenschaft mehr als das Geschichtliche suchen,
-sondern auch ausgezeichnete Männer der reingeschichtlichen Methode. Mein ehrwürdiger
-Freund, Etatsrath Ritter <cite>Cramer</cite> zu Kiel, wird mir verzeihen, wenn
-ich hier seinen Namen nenne und dem Publikum verrathe, daß Er es vorzüglich
-war, der mich gegen die Behauptungen des von uns gemeinschaftlich verehrten
-<cite>v. Savigny</cite> in Harnisch zu bringen und zu freundschaftlichem Kampf hinauszuführen
-gesucht hat. Vieles was den Freuden des geistigen Wirkens wenig
-zusagt, hinderte mich seither, an dieser Angelegenheit Theil zu nehmen. Und
-auch jetzt will ich nicht so angesehen seyn, als traute ich mir zu, durch die wenigen
-Worte, die ich hier zu sagen habe, den Streit zu schlichten oder zu vermitteln.
-<cite>Solons</cite> weises Gesetz, wonach jeder gute Bürger verpflichtet war, bey entstandener
-Partheiung seine Gesinnungen öffentlich auszusprechen, sollte vorzüglich
-in dem gelehrten Freistaat und geistigen Tugendbund (oder wie man sonst den
-heiligen Verein für Recht und Wahrheit nennen mag, in welchem ohne Heimlichkeit
-und ohne Schwur Tausende sich Brüder nennen) als eines der ersten Grundgesetze
-gelten. Ich ergreife die gegenwärtige Gelegenheit nur dazu, um dieses
-Gesetz zu erfüllen, und die Parthey bestimmt zu bezeichnen, auf deren Seite ich
-zu finden bin. &ndash; Einige sagen vielleicht hierauf spottend: »das haben wir längst
-gewußt!« Indessen hat auch dieses mir nichts zu bedeuten.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_H_8" id="Fn_H_8" href="#FNanchor_H_8"><span class="label">[H]</span></a>
-Hierin löst sich das meiste von demjenigen auf, was Hr. Prof. <cite>Meister</cite>
-zu Breslau für das römische Recht und dessen Beibehaltung einige Zeit vor
-jenem Streit zwischen <cite>Thiebaut</cite> und <cite>v. Savigny</cite> geschrieben hat.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_I_9" id="Fn_I_9" href="#FNanchor_I_9"><span class="label">[I]</span></a>
-Denn die Geschichte der <em>Aufnahme</em> des römischen Rechts, zuerst
-im Einzelnen blos der Materie nach, dann der Form nach im Ganzen, wird
-wohl nicht gegen das oben stehende geltend gemacht werden wollen. Ueberdieß
-läßt sich bestimmt voraussagen, daß diese Geschichte immer nur über Manches
-im Allgemeinen, allein nur über Weniges im Einzelnen werde Licht verbreiten
-können.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_J_10" id="Fn_J_10" href="#FNanchor_J_10"><span class="label">[J]</span></a>
-Und doch wurde von den Gegnern über Gesetze und Gesetzgebung gerade
-so gesprochen, als hätte man jenes oder dieses gedacht. An ein von dem Feuerlande
-bis nach Kamtschatka allgemeingültiges <em>gesetzgebendes</em> Naturrecht glaubt
-man schon lange nicht mehr. Daß aber das Gesetzgeben mit dem Despotismus so nahe verwandt sey, daß man
-<cite>Cäsars</cite> bekanntes Vorhaben, ohne weiteres
-unter den Beweisen seines Strebens nach Gewaltherrschaft anführen dürfe, hat
-man früher noch nie geglaubt, und glauben sehr viele noch nicht, wiewohl es
-seitdem behauptet worden ist.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_K_11" id="Fn_K_11" href="#FNanchor_K_11"><span class="label">[K]</span></a>
-<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Jura aequare.</span> &ndash; Ich schreibe diese Vorrede entfernt von meinen
-Papieren und habe <cite>Livius</cite> so eben nicht bey der Hand, um die Stelle näher
-zu bezeichnen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_L_12" id="Fn_L_12" href="#FNanchor_L_12"><span class="label">[L]</span></a>
-Jedes Volk, sobald dasselbe so weit gekommen, seine Rechte in einem
-Gesetzbuche schriftlich darzustellen, änderte und besserte zugleich sein Recht. War
-das Volk aus mehreren kleineren Stämmen mit eignen Rechtsgewohnheiten
-zusammengeflossen, so galt es auch bey Abfassung des Rechtsbuchs, vor allem
-diese Verschiedenheiten in Einstimmung zu bringen und aus dem vorhandenen
-Stoff ein Gemeinsames zu schaffen. Abgesehen von den späteren Zusätzen der
-Könige und des Clerus, enthielt schwerlich irgend eines der sogenannten Gesetze
-der Barbaren, selbst in der ursprünglichen Gestalt, ganz reines Gewohnheitsrecht
-ohne allen Einfluß der gesetzgebenden Weisheit dieser Zeit. Was der große
-König <cite>Alfred</cite> in der Einleitung zu seinem Rechtsbuche sagt: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Ego Alfredus
-Rex in unum colligi et litteris consignari jussi, <em>multa eorum quae
-parentes nostri observabant, quae mihi placebant, et
-multa eorum quae mihi non placebant rejeci</em> cum meo sapienti
-Concilio, et alio modo jussi observari</span>: dieses thaten und dachten, in größerem
-oder geringerem Umfang, besser oder schlechter, gewiß alle, die berufen waren,
-ihres Volkes Rechte in Gesetzen zu verfassen. Das: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">quae mihi placebant</span>,
-bedeutet aber freylich nicht so viel als: <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">car tel est notre plaisir</span>, sondern hat
-ungefähr denselben Sinn, in welchem König <cite>Egica</cite> durch Betrachtungen über
-Geist und Zweck aller Gesetze das westgothische Gesetzbuch einleitet, wenn er
-sagt: <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Lex erit secundum naturam, secundum consuetudinem civitatis, loco
-temporique conveniens, justa et aequabilia praescribens, congruens, honesta
-et digna, utilis, necessaria.</span> (<span class="antiqua"><cite>Canciani</cite> Vol. IV. p. 63. et 247.</span>)</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_M_13" id="Fn_M_13" href="#FNanchor_M_13"><span class="label">[M]</span></a>
-Wie bey uns, denen ins Angesicht behauptet wurde, keines der neueren
-Gesetzbücher sey an Würde und Kraft des Gesetz-Styls auch nur mit der <cite>Halsgerichtsordnung</cite>
-Kaisers <cite>Karl</cite> V. zu vergleichen. Wenn einmal unsere
-Gesetzbücher ein paar Jahrhunderte alt geworden sind, so werden sie unsern
-Nachkommen wahrscheinlich eben so ehrwürdig und gravitätisch klingen, wie
-uns jetzt die Karolina.</p></div>
-
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_1_14" id="Fn_1_14" href="#FNanchor_1_14"><span class="label">[1]</span></a> <cite>Rehberg</cite> über
-den Code Napoleon. Hannover 1814.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_2_15" id="Fn_2_15" href="#FNanchor_2_15"><span class="label">[2]</span></a> <cite>K. E. Schmid</cite>
-Deutschlands Wiedergeburt. Jena 1814. S. 135 &amp;c. <cite>Thibaut</cite> über die Nothwendigkeit eines allg.
-bürgerlichen Rechts für Deutschland. Heidelberg 1814. Jener wünscht für den Augenblick Annahme des Oesterreichischen
-Gesetzbuchs, dieser sogleich ein neues.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_3_16" id="Fn_3_16" href="#FNanchor_3_16"><span class="label">[3]</span></a> Vorzüglich in der
-Encyclopädie <span class="antiqua">ed.</span> 4. §. 21. 22. Naturrecht <span class="antiqua">ed.</span> 3. §. 130.
-Civilist. Magazin B. 4. <span class="antiqua">Num.</span> 4.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_4_17" id="Fn_4_17" href="#FNanchor_4_17"><span class="label">[4]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="la" xml:lang="la"><cite>Baco</cite> de fontibus juris, aphor. 59-64 (de augmentis scient. L. 8 C. 3).</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_5_18" id="Fn_5_18" href="#FNanchor_5_18"><span class="label">[5]</span></a> <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">l.
-c. aph. 64. »Optandum esset, ut hujusmodi legum instauratio illis temporibus suscipiatur, quae antiquioribus, quorum
-acta et opera tractant, literis et rerum cognitione praestiterint ... Infelix res namque est, cum ex judicio et delectu
-aetatis minus prudentis et e ditae antiquorum opera mutilantur et recomponuntur.«</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_6_19" id="Fn_6_19" href="#FNanchor_6_19"><span class="label">[6]</span></a> <cite>Hugo</cite> Naturrecht
-§. 130 N. 7. »Wenn alle Rechtsfragen von oben herab entschieden werden sollten, so würde es solcher Entscheidungen so
-viele geben, daß es kaum möglich wäre, sie alle zu kennen, und für die unentschiedenen Fälle, deren doch immer noch
-genug übrig blieben, gäbe es nur um so mehr widersprechende Analogien.«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_7_20" id="Fn_7_20" href="#FNanchor_7_20"><span class="label">[7]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="la" xml:lang="la"><cite>Baco</cite> de augm. scient. L. 8. C. 3. »Jurisconsulti autem.... tanquam e vinculis
-sermocinantur.«</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_8_21" id="Fn_8_21" href="#FNanchor_8_21"><span class="label">[8]</span></a> <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Motifs
-de la loi du 3. Sept. 1807</span> vor dem <span class="antiqua">Code Nap. ed. Paris 1807. 8. p. IX.</span> (<cite>von
-Bigot-Preameneu</cite>).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_9_22" id="Fn_9_22" href="#FNanchor_9_22"><span class="label">[9]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="la" xml:lang="la"><cite class="it">Sueton.</cite> Caesar. C. 44. Jus civile ad certum modum redigere, atque ex immensa diffusaque legum copia,
-optima quaeque et necessaria in paucissimos conferre libros.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_10_23" id="Fn_10_23" href="#FNanchor_10_23"><span class="label">[10]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Motifs de la loi du 3. Sept. 1807</span> vor den Ausgaben des Code seit 1807, von
-<cite>Bigot-Preameneu</cite>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_11_24" id="Fn_11_24" href="#FNanchor_11_24"><span class="label">[11]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Montesquieu</cite> XXIX. 18.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_12_25" id="Fn_12_25" href="#FNanchor_12_25"><span class="label">[12]</span></a> Man vergleiche was über
-die Gleichförmigkeit des Rechts <cite>Rehberg</cite> über den Code Nap. S. 33 und f., so wie über die wichtigen Folgen
-der gänzlichen Umwandlung des Rechts derselbe S. 57 u. f. sagt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_13_26" id="Fn_13_26" href="#FNanchor_13_26"><span class="label">[13]</span></a> Die Discussionen des
-französischen Staatsraths über den Code geben eine bequeme Uebersicht über das Verhältniß dieser Theile: bey jenen
-konnten die Nichtjuristen kein Ende finden, von diesen war oft gar nicht die Rede.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_14_27" id="Fn_14_27" href="#FNanchor_14_27"><span class="label">[14]</span></a> <cite>Thibaut</cite> a.
-a. O. <span class="antiqua">p.</span> <a href="#thibaut_54">54</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_15_28" id="Fn_15_28" href="#FNanchor_15_28"><span class="label">[15]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="la" xml:lang="la"><cite>Tacitus</cite>, Agricola C. 3.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_16_29" id="Fn_16_29" href="#FNanchor_16_29"><span class="label">[16]</span></a>
-Ich werde dabey auf
-folgende Schriften verweisen: <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Conférence du code civil avec la discussion ... du conseil d'état
-et du tribunat. Paris Didot 1805. 8. vol. in 12. &ndash; Code civil suivi de l'exposé des
-motifs</span> (die Reden im <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">corps legislatif</span>). <span class="antiqua">Paris Didot 1804.
-8. vol. in 12.</span> &ndash; (<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite>Crussaire</cite></span>) <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Analyse des
-observations des<span class="f70">[55]</span> tribunaux d'appel et du tribunal de cassation sur le projet de code civil. Paris 1802. 4. &ndash;
-<cite>Maleville</cite> analyse raisonnée de la discussion du code civil, ed. 2. Paris 1807. 4. vol. in
-8.</span> Der <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Code</span> und das <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Projet de code civil</span> sind ohnehin
-bekannt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_17_30" id="Fn_17_30" href="#FNanchor_17_30"><span class="label">[17]</span></a> <cite>Rehberg</cite>
-über den Code Napoleon. Hannover 1814. 8.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_18_31" id="Fn_18_31" href="#FNanchor_18_31"><span class="label">[18]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Conférence T. 4. p. 126.</span> »<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Ces substitutions étaient contraires à l'intérêt
-de l'agriculture, aux bonnes moeurs, à la raison; personne ne pense à les rétablir.</span>«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_19_32" id="Fn_19_32" href="#FNanchor_19_32"><span class="label">[19]</span></a> Einige Stellen s. bey
-<cite>Rehberg</cite> S. 141. 163. 177. 187.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_20_33" id="Fn_20_33" href="#FNanchor_20_33"><span class="label">[20]</span></a> Dieses sind im
-wesentlichen die Ansichten von <cite>Rehberg</cite>, und ich sehe nicht, wie man diesen ungerechte Bitterkeit vorwerfen
-kann: die Anwendung auf manche einzelne Stellen läßt sich freylich bestreiten.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_21_34" id="Fn_21_34" href="#FNanchor_21_34"><span class="label">[21]</span></a> Die Beurtheilung des
-Code von dieser Seite lag außer <cite>Rehbergs</cite> Zweck. Viel treffliches hierüber enthält <cite>Thibauts</cite>
-Rec. von <cite>Rehbergs</cite> Schrift in den Heidelb. Jahrb. 1814. Jan. S. 1 u. f.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_22_35" id="Fn_22_35" href="#FNanchor_22_35"><span class="label">[22]</span></a> Vgl.
-hierüber die ungemein vortrefflichen Bemerkungen des Appellationsgerichts von Montpellier bey <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite>Crussaire</cite> p. 5-9</span>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_23_36" id="Fn_23_36" href="#FNanchor_23_36"><span class="label">[23]</span></a> Z. B. von
-<cite>Seidensticker</cite> Einleitung in den Codex Napoleon S. 221-224.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_24_37" id="Fn_24_37" href="#FNanchor_24_37"><span class="label">[24]</span></a> Heidelb. Jahrb. 1814.
-Jan. S. 12.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_25_38" id="Fn_25_38" href="#FNanchor_25_38"><span class="label">[25]</span></a> Jene, über <span
-class="antiqua">art.</span> 1674-1685, steht <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">conférence T. 6. p. 43-94</span>, diese über <span
-class="antiqua">a.</span> 1101-1133, <span class="antiqua">T. 5. p. 1-21</span>, und davon nimmt der Text wenigstens
-die Hälfte ein.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_26_39" id="Fn_26_39" href="#FNanchor_26_39"><span class="label">[26]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite>Desquiron</cite> esprit des Institutes de Justinien conféré avec le code Nap. Paris Renaudière,
-1807. 2 vol. 4.</span>, in der historischen Einleitung.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_27_40" id="Fn_27_40" href="#FNanchor_27_40"><span class="label">[27]</span></a> <span
-class="antiqua">Moniteur an X. N. 86. p. 339.</span> Die Rede gehört zu den nachher unterdrückten
-Verhandlungen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_28_41" id="Fn_28_41" href="#FNanchor_28_41"><span class="label">[28]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite>Maleville</cite> analyse T. 4. p. 358. 359.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_29_42" id="Fn_29_42" href="#FNanchor_29_42"><span class="label">[29]</span></a> <span class="antiqua">l.
-c. p. 407.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_30_43" id="Fn_30_43" href="#FNanchor_30_43"><span class="label">[30]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Conférence T. 2 p. 123. 124. 136.</span> Der Irrthum von <cite>Emmery</cite> <span
-class="antiqua">p.</span> 139 ist um einige Grade geringer.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_31_44" id="Fn_31_44" href="#FNanchor_31_44"><span class="label">[31]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Conférence T. 6 p. 44.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_32_45" id="Fn_32_45" href="#FNanchor_32_45"><span class="label">[32]</span></a> Beyspiele wichtiger
-Materien, die im Code ganz oder größtentheils fehlen, stehen in den <cite>Heidelb. Jahrb.</cite> 1814 Januar S.
-13.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_33_46" id="Fn_33_46" href="#FNanchor_33_46"><span class="label">[33]</span></a> Lyon und Rouen, bey
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Crussaire</cite> p. 43. 52.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_34_47" id="Fn_34_47" href="#FNanchor_34_47"><span class="label">[34]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Conférence T. 1. p. 204. 267.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_35_48" id="Fn_35_48" href="#FNanchor_35_48"><span class="label">[35]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Motifs T. 2. p. 115.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_36_49" id="Fn_36_49" href="#FNanchor_36_49"><span class="label">[36]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 1. p. 104.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_37_50" id="Fn_37_50" href="#FNanchor_37_50"><span class="label">[37]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Motifs T. 2. p. 255.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_38_51" id="Fn_38_51" href="#FNanchor_38_51"><span class="label">[38]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 1. p. 165.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_39_52" id="Fn_39_52" href="#FNanchor_39_52"><span class="label">[39]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 1. p. 206.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_40_53" id="Fn_40_53" href="#FNanchor_40_53"><span class="label">[40]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 1. p. 327.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_41_54" id="Fn_41_54" href="#FNanchor_41_54"><span class="label">[41]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 1. p. 96.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_42_55" id="Fn_42_55" href="#FNanchor_42_55"><span class="label">[42]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 1. p. 182.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_43_56" id="Fn_43_56" href="#FNanchor_43_56"><span class="label">[43]</span></a> Die vergeblichen
-Bemühungen stehen <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">conférence T. 2. p. 79-90</span>. Der Gipfel der Verwirrung ist in der
-Bemerkung von <cite>Tronchet</cite> <span class="antiqua">p. 84 <span lang="fr" xml:lang="fr">que jamais le mariage
-n'est nul de plein droit; il y a toujours un titre et une apparence qu'il faut détruire</span></span>. Wenn jemand mein
-Haus besitzt, so giebt es auch <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">une apparence à détruire</span>, (etwas blos factisches), dazu
-dient die Vindication; aber sein angebliches <em>Recht</em> des Eigenthums ist dennoch <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">nul de
-plein droit</span>, d. h. es ist gar nicht da, und dieses aufzuheben brauche ich keine Klage. Bey Testamenten läßt
-es sich durch den Gegensatz der alten Nullität wegen eines präterirten Sohnes, und der <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">querela
-inofficiosi</span>, recht deutlich machen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_44_57" id="Fn_44_57" href="#FNanchor_44_57"><span class="label">[44]</span></a> <cite>Portalis</cite> in
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">conférence T. 1. p. 29.</span>; <cite>Boulay</cite> im <span class="antiqua">Moniteur an X. N.
-86. p. 343</span>. »<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">On sait que jamais, ou presque<span class="f70">[74]</span> jamais, dans aucun procès, on ne peut citer un texte bien clair et
-bien précis de loi, en sorte que ce n'est jamais que par le bon sens et par l'équité que l'on peut décider.</span>«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_45_58" id="Fn_45_58" href="#FNanchor_45_58"><span class="label">[45]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Conférence T. 1. p. 27. 29.</span> <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Motifs T. 2. p. 17. 18.</span> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 1. p. 13.</span> <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Projet, discours
-préliminaire p. XI. XII. XIII.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_46_59" id="Fn_46_59" href="#FNanchor_46_59"><span class="label">[46]</span></a> <cite>Bonaparte</cite>
-in <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">conférence T. 2. p. 327</span>. <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Avis du conseil d'état</span> im
-<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Bulletin des lois</span> und bey <span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Locré</cite> T. 3. p.
-104</span>, »<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">les divers cas que la loi ... a laissés à la disposition des principes généraux et
-du droit commun.</span>«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_47_60" id="Fn_47_60" href="#FNanchor_47_60"><span class="label">[47]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Projet l. c.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_48_61" id="Fn_48_61" href="#FNanchor_48_61"><span class="label">[48]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Projet, discours préliminaire, p. XIX. »Dans cette immensité d'objets
-divers, qui composent les matières civiles, et dont le jugement, dans le plus grand nombre des cas, est moins
-l'application d'un texte précis que la combinaison de plusieurs textes qui conduisent à la décision bien plus qu'ils ne
-la renferment, on ne peut pas plus se passer de jurisprudence que de lois.</span>«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_49_62" id="Fn_49_62" href="#FNanchor_49_62"><span class="label">[49]</span></a> <cite>Schmid</cite>
-Einleitung in das bürgerl. Recht des Franz. Reichs B. 1. S. 21-23. 373. 374.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_50_63" id="Fn_50_63" href="#FNanchor_50_63"><span class="label">[50]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Maleville</cite> T. 4. p. 414-417.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_51_64" id="Fn_51_64" href="#FNanchor_51_64"><span class="label">[51]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Locré</cite> T. 3. p. 443 ed. Paris 1805. 8.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_52_65" id="Fn_52_65" href="#FNanchor_52_65"><span class="label">[52]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Moniteur an X. p. 337.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_53_66" id="Fn_53_66" href="#FNanchor_53_66"><span class="label">[53]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr"><cite class="it">Crussaire</cite> p. 8.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_54_67" id="Fn_54_67" href="#FNanchor_54_67"><span class="label">[54]</span></a> Cabinetsordre von 1780
-vor dem <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Corpus juris Fridericianum</span> B. 1. Berlin 1781. 8. &ndash; Die Vorerinnerungen
-vor dem Entwurf des Gesetzbuchs Th. 1. Abth. 1. und Th. 2. Abth. 1. und 3. &ndash; Cabinetsordre von 1786 in
-<cite>Kleins</cite> Annalen Th. I. S. XLIX. &ndash; Publicationspatente von 1791 und 1794 vor dem Gesetzbuch (1791) und
-dem Landrecht (1794).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_55_68" id="Fn_55_68" href="#FNanchor_55_68"><span class="label">[55]</span></a> <cite>Kleins</cite>
-Annalen B. 1. und B. 8., gleich im Anfang beider Bände. &ndash; <cite>Kleins</cite> Selbstbiographie. Berlin 1806. 8.
-S. 47.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_56_69" id="Fn_56_69" href="#FNanchor_56_69"><span class="label">[56]</span></a> Bericht des
-Justizcommissarius <cite>Simon</cite> üb. Redaktion der Materialien der preuss. Gesetzgebung, in <cite>Mathis</cite>
-jur. Monatsschrift B. 11 Heft 3. S. 191 bis 286 nebst einem Konspektus der Materialien. &ndash; Die Materialien zum
-Landrecht allein (ohne die Gerichtsordnung) betragen 1500-2000 einzelne Stücke in 88 Folianten.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_57_70" id="Fn_57_70" href="#FNanchor_57_70"><span class="label">[57]</span></a> Publicationspatent §.
-1.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_58_71" id="Fn_58_71" href="#FNanchor_58_71"><span class="label">[58]</span></a> Dieses ist indessen für
-Ostpreussen etwas später geschehen (Ostpreussisches Provinzialrecht. Berlin 1801. 8), für die übrigen Provinzen gar
-nicht. Es gilt also da das besondere Recht in seiner alten Form.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_59_72" id="Fn_59_72" href="#FNanchor_59_72"><span class="label">[59]</span></a> Entwurf des Gesetzbuchs
-Th. 1. Abth. 1. S. 5. 6. <cite>Kleins</cite> Annalen B. 8. S. XXVI-XXIX. <cite>Simon</cite> S. 197-199. Mehrere der
-wichtigsten Neuerungen wurden noch in der allerletzten Revision des Landrechts weggelassen. <cite>Simon</cite> S.
-235.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_60_73" id="Fn_60_73" href="#FNanchor_60_73"><span class="label">[60]</span></a> <cite>Hugo</cite> über
-Daniel <cite>Nettelbladt</cite>, civilist. Magazin B. 2 <span class="antiqua">N.</span> 1.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_61_74" id="Fn_61_74" href="#FNanchor_61_74"><span class="label">[61]</span></a> <cite>Simon</cite> S.
-198.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_62_75" id="Fn_62_75" href="#FNanchor_62_75"><span class="label">[62]</span></a> <cite>Simon</cite> S.
-200-202.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_63_76" id="Fn_63_76" href="#FNanchor_63_76"><span class="label">[63]</span></a> <cite>Simon</cite>
-S. 202. &ndash; Von <cite>Volkmar</cite> existiren folgende Schriften: 1) <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">De condictionum
-indole. Hal. 1777.</span> (<cite>Simon</cite> S. 200). 2) <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">De intestatorum Atheniensium
-hereditatibus. Traj. ad Viad. 1778.</span> (<cite>Schott</cite> Critik. B. 10. S. 79). 3) Erörterung der Begriffe
-Erbschaft <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">ex asse</span> &amp;c. Breslau 1780. (<span class="antiqua">ib.</span> S. 82). 4)
-<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Varia quae ad leges Romuleas et magistratus pertinent. Vratislav. 1779. 8.</span> 5) Ueber
-ursprüngliche Menschenrechte. Breslau 1793. 8. (<cite>Ersch</cite> Literatur der Jurisprud. S. 272). Ich kenne davon
-nur die vierte, und diese ist allerdings wenig bedeutend.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_64_77" id="Fn_64_77" href="#FNanchor_64_77"><span class="label">[64]</span></a> Cabinetsordre von 1780
-S. XII. XIII. »Wenn Ich ... Meinen Endzweck .. erlange, so werden freylich viele Rechtsgelehrten bey der Simplifikation
-dieser Sache ihr geheimnißvolles Ansehen verlieren, um ihren ganzen Subtilitäten-Kram gebracht, und das ganze Corps
-der bisherigen Advokaten unnütz werden. Allein ich werde dagegen.... desto mehr geschickte Kaufleute, Fabrikanten und
-Künstler gewärtigen können, von welchen sich der Staat mehr Nutzen zu versprechen hat.«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_65_78" id="Fn_65_78" href="#FNanchor_65_78"><span class="label">[65]</span></a> a. a. O. S.
-XIII.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_66_79" id="Fn_66_79" href="#FNanchor_66_79"><span class="label">[66]</span></a> Entwurf Einl. §.
-34-36.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_67_80" id="Fn_67_80" href="#FNanchor_67_80"><span class="label">[67]</span></a> Landrecht Einl. §. 46.
-49.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_68_81" id="Fn_68_81" href="#FNanchor_68_81"><span class="label">[68]</span></a> Landrecht Einl. §. 47.
-48.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_69_82" id="Fn_69_82" href="#FNanchor_69_82"><span class="label">[69]</span></a> Erster Anhang zum
-Landrecht. Berlin 1803. §. 2.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_70_83" id="Fn_70_83" href="#FNanchor_70_83"><span class="label">[70]</span></a> Landrecht Einl. §.
-50.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_71_84" id="Fn_71_84" href="#FNanchor_71_84"><span class="label">[71]</span></a> Entwurf Th. 2 Abth. 3. Vorerinnerung.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_72_85" id="Fn_72_85" href="#FNanchor_72_85"><span class="label">[72]</span></a> Bey <cite>Simon</cite>
-S. 213. 220 stehen die Namen derer, welche Bemerkungen eingesandt, und welche Preise erhalten haben.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_73_86" id="Fn_73_86" href="#FNanchor_73_86"><span class="label">[73]</span></a> <cite>Schlossers</cite>
-Briefe über die Gesetzgebung &amp;c. Frankfurt 1789, und: Fünfter Brief &amp;c. Frankfurt 1790. 8.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_74_87" id="Fn_74_87" href="#FNanchor_74_87"><span class="label">[74]</span></a> Briefe S. 246.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_75_88" id="Fn_75_88" href="#FNanchor_75_88"><span class="label">[75]</span></a> <cite>Schlossers</cite>
-Vorschlag und Versuch einer Verbesserung des Deutschen bürgerlichen Rechts &amp;c. Leipzig 1777. 8. &ndash;
-<cite>Schlossers</cite> Briefe S. 46. 342. in welcher letzten Stelle er sogar Westphals Schriften als sehr brauchbar
-für diesen Zweck rühmt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_76_89" id="Fn_76_89" href="#FNanchor_76_89"><span class="label">[76]</span></a> In <cite>Hugos</cite>
-civilist. Magazin B. 1. <span class="antiqua">N.</span> 6. (1790).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_77_90" id="Fn_77_90" href="#FNanchor_77_90"><span class="label">[77]</span></a> Die Nachrichten darüber
-sind genommen aus <cite>Zeillers</cite> Vorbereitung zur neuesten Oesterreichischen Gesetzkunde. Wien und Triest 1810.
-Bd. 1. S. 19-30.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_78_91" id="Fn_78_91" href="#FNanchor_78_91"><span class="label">[78]</span></a> Nämlich 1746 zur
-Preussischen, 1753 zur Oesterreichischen Gesetzgebung. <cite>Simon</cite> S. 194. <cite>Zeiller</cite> S. 19.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_79_92" id="Fn_79_92" href="#FNanchor_79_92"><span class="label">[79]</span></a> <cite>Zeiller</cite> S.
-23. 26-30.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_80_93" id="Fn_80_93" href="#FNanchor_80_93"><span class="label">[80]</span></a> <cite>Zeiller</cite> S.
-27. 28.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_81_94" id="Fn_81_94" href="#FNanchor_81_94"><span class="label">[81]</span></a> <cite>Zeiller</cite> S.
-24.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_82_95" id="Fn_82_95" href="#FNanchor_82_95"><span class="label">[82]</span></a> Die drey Theile des
-Gesetzbuchs enthalten zusammen 561 Seiten, sehr weitläufig gedruckt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_83_96" id="Fn_83_96" href="#FNanchor_83_96"><span class="label">[83]</span></a> <span class="antiqua">§.
-5 I. per quas pers.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_84_97" id="Fn_84_97" href="#FNanchor_84_97"><span class="label">[84]</span></a> <span class="antiqua">§.
-I. cit., L. 53 D. de adqu. rer. dom.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_85_98" id="Fn_85_98" href="#FNanchor_85_98"><span class="label">[85]</span></a> <span
-class="antiqua"><i>L.</i> 14 D. de testam. tut.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_86_99" id="Fn_86_99" href="#FNanchor_86_99"><span class="label">[86]</span></a> <span
-class="antiqua"><cite class="it">Hellfeld</cite> §. 1298</span> »<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Ipsa vero tutela consistit in
-defensione personae pupilli principaliter, et secundario in defensione bonorum pupillarium.</span>«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_87_100" id="Fn_87_100" href="#FNanchor_87_100"><span class="label">[87]</span></a> <span
-class="antiqua"><cite class="it">Digest.</cite> lib. 27 tit. 2.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_88_101" id="Fn_88_101" href="#FNanchor_88_101"><span class="label">[88]</span></a> Nämlich nach
-Römischem Rechte war allgemein und absichtlich der Intestaterbe zur Tutel berufen; im Oesterreichischen Gesetzbuch
-kann es wegen der Linealerbfolge kommen, daß der Intestaterbe und der zur Vormundschaft berufene nächste Verwandte
-verschiedene Personen sind, in den meisten Fällen aber wird es auch hier dieselbe Person seyn.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_89_102" id="Fn_89_102" href="#FNanchor_89_102"><span class="label">[89]</span></a> <cite>Zeiller</cite>
-a. a. O., S. 38. »Da nun aber auf dem philosophischen Gebiete jedermann nach seiner Ueberzeugung urtheilet; so
-ist leicht zu erachten, daß die Urtheile oft nach einer eingebildeten Billigkeit (<span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">aequitas
-cerebrina</span>) und im Grunde nach Willkühr gefället werden.«</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_90_103" id="Fn_90_103" href="#FNanchor_90_103"><span class="label">[90]</span></a> <cite>K. E.
-Schmid</cite> Deutschlands Wiedergeburt, S. 131. 134. 135.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_91_104" id="Fn_91_104" href="#FNanchor_91_104"><span class="label">[91]</span></a> Vergl.
-<cite>Rehberg</cite> über den Code Napoleon S. 8-10.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_92_105" id="Fn_92_105" href="#FNanchor_92_105"><span class="label">[92]</span></a> Ueber
-die Art und Weise, wie unsre Vorfahren die Processe abgekürzet haben; patriotische Phantasien Th. 1. <span
-class="antiqua">N.</span> 51.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_93_106" id="Fn_93_106" href="#FNanchor_93_106"><span class="label">[93]</span></a> <cite>Mösers</cite>
-Schreiben eines alten Rechtsgelehrten über das sogenannte Allegiren, a. a. O. Th. 1. <span class="antiqua">N.</span>
-22.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_94_107" id="Fn_94_107" href="#FNanchor_94_107"><span class="label">[94]</span></a> <cite>Thibaut</cite>
-a. a. O., S. <a href="#thibaut_52">52</a>. <a href="#thibaut_55">55</a>. <a href="#thibaut_60">60</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_95_108" id="Fn_95_108" href="#FNanchor_95_108"><span class="label">[95]</span></a> <cite>Thibaut</cite>
-S. <a href="#thibaut_60">60</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_96_109" id="Fn_96_109" href="#FNanchor_96_109"><span class="label">[96]</span></a> a. a. O., S.
-<a href="#thibaut_15">15-22</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_97_110" id="Fn_97_110" href="#FNanchor_97_110"><span class="label">[97]</span></a> a. a. O., S. <a href="#thibaut_20">20</a>.
-<a href="#thibaut_21">21</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_98_111" id="Fn_98_111" href="#FNanchor_98_111"><span class="label">[98]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Esprit des lois liv. 27.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_99_112" id="Fn_99_112" href="#FNanchor_99_112"><span class="label">[99]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Nova methodus. P. 2. §. 82.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_100_113" id="Fn_100_113" href="#FNanchor_100_113"><span class="label">[100]</span></a> <span
-class="antiqua">l. c. §. 85-90.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_101_114" id="Fn_101_114" href="#FNanchor_101_114"><span class="label">[101]</span></a>
-<cite>Mösers</cite> Vorschlag zu einer Sammlung einheimischer Rechtsfälle; patriot. Phantasien Th. 2. <span
-class="antiqua">N.</span> 53. (3te Ausgabe <span class="antiqua">N.</span> 44).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_102_115" id="Fn_102_115" href="#FNanchor_102_115"><span class="label">[102]</span></a>
-<cite>Schmid</cite> Deutschlands Wiedergeburt, S. 278. 279.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_103_116" id="Fn_103_116" href="#FNanchor_103_116"><span class="label">[103]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Projet de code civil p. XIII. »Dans l'état de nos sociétés, il est trop heureux que la jurisprudence
-forme une science qui puisse fixer le talent, flatter l'amour propre et réveiller l'émulation.« &ndash; P. XIV. »On ne
-saurait comprendre combien cette habitude de science et de raison adoucit et règle le pouvoir.«</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_104_117" id="Fn_104_117" href="#FNanchor_104_117"><span class="label">[104]</span></a> Ich benutze die
-handschriftliche und mündliche Mittheilung eines Doctors dieser Rechtsschule.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_105_118" id="Fn_105_118" href="#FNanchor_105_118"><span class="label">[105]</span></a> Als Quellen sind
-hierüber benutzt worden: Instruction zur Ausführung des Lehrplanes &amp;c. im 35ten Bande von K. <cite>Franz</cite> I.
-Gesetzsammlung. &ndash; A. <cite>von Heß</cite> encycl. methodol. Einleitung in das juridisch-politische Studium. Wien
-u. Triest 1813. 8. Dem Vf. sind laut S. 9. die Acten über den Studienplan mitgetheilt worden, so daß seine Darstellung
-der Gründe desselben gewissermaaßen als officiell zu betrachten ist.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_106_119" id="Fn_106_119" href="#FNanchor_106_119"><span class="label">[106]</span></a> <cite>Heß</cite>
-§. 39.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_107_120" id="Fn_107_120" href="#FNanchor_107_120"><span class="label">[107]</span></a> <cite>Heß</cite>
-§. 13.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_108_121" id="Fn_108_121" href="#FNanchor_108_121"><span class="label">[108]</span></a> <cite>Heß</cite>
-§. 16.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_109_122" id="Fn_109_122" href="#FNanchor_109_122"><span class="label">[109]</span></a> s. v. S. 141.
-<a href="#Fn_105_118">Note 1</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_110_123" id="Fn_110_123" href="#FNanchor_110_123"><span class="label">[110]</span></a> <cite>Heß</cite>
-§. 40. 41.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_111_124" id="Fn_111_124" href="#FNanchor_111_124"><span class="label">[111]</span></a>
-<cite>Kaufmann</cite> Anfangsgründe des Römischen Privatrechts. Erste Abtheilung. Wien u. Triest 1814. 8.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_112_125" id="Fn_112_125" href="#FNanchor_112_125"><span class="label">[112]</span></a>
-<cite>Eggers</cite> Anhang zu <cite>Heß</cite> S. 93.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_113_126" id="Fn_113_126" href="#FNanchor_113_126"><span class="label">[113]</span></a> Vorerinnerung zum
-Entwurf des Gesetzbuchs Th. 2. Abth. 3.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_114_127" id="Fn_114_127" href="#FNanchor_114_127"><span class="label">[114]</span></a> Ein sehr
-lehrreicher Aufsatz hierüber von dem Hrn. Justizminister <cite>von Kircheisen</cite> steht in <cite>Mathis</cite>
-jurist. Monatsschrift B. 4. S. 65.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_115_128" id="Fn_115_128" href="#FNanchor_115_128"><span class="label">[115]</span></a> Die Rescripte
-hierüber von 1804. 1809 und 1812 sind an folgenden Orten zu finden: <cite>Mathis</cite> Monatsschrift Bd. 1 S. 56. 61.;
-B. 8. S. 352. 462. <cite>Kamptz</cite> Monatsschrift Heft 1 S. 18.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_116_129" id="Fn_116_129" href="#FNanchor_116_129"><span class="label">[116]</span></a>
-<cite>Rescript</cite> von 1813. in <cite>Kamptz</cite> Monatsschrift Heft 3. S. 14.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_117_130" id="Fn_117_130" href="#FNanchor_117_130"><span class="label">[117]</span></a>
-<cite>Stengels</cite> Beyträge B. 13. S. 214. 218.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_118_131" id="Fn_118_131" href="#FNanchor_118_131"><span class="label">[118]</span></a>
-<cite>Thibaut</cite> a. a. O., S. <a href="#thibaut_29">29-32</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_119_132" id="Fn_119_132" href="#FNanchor_119_132"><span class="label">[119]</span></a> Abschn.
-<a href="#savigny_111">8</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_120_133" id="Fn_120_133" href="#FNanchor_120_133"><span class="label">[120]</span></a>
-<cite>Thibaut</cite> a. a. O., S. <a href="#thibaut_27">27</a>. <a href="#thibaut_28">28</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_121_134" id="Fn_121_134" href="#FNanchor_121_134"><span class="label">[121]</span></a> Nämlich die
-gegenwärtigen Vorschläge eines neu einzuführenden Gesetzbuchs sind lediglich veranlaßt durch den Zustand der Länder,
-worin bis jetzt das gemeine Recht oder der Code galt, und ich habe stillschweigend angenommen, daß der Vorschlag selbst
-nicht weiter gehe als diese seine Veranlassung. Sollte aber auch Oesterreich und Preussen darin mitbegriffen seyn,
-so wäre allerdings von der politischen Seite diese Vollständigkeit sehr zu loben, aber für diese Länder selbst wäre
-wohl zu bedenken, was oben (Abschn. <a href="#savigny_111">8</a>.) in anderer Rücksicht gegen die Abschaffung ihrer Gesetzbücher gesagt worden
-ist.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_122_135" id="Fn_122_135" href="#FNanchor_122_135"><span class="label">[122]</span></a> A. a. O. S.
-<a href="#thibaut_64">64</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_123_136" id="Fn_123_136" href="#FNanchor_123_136"><span class="label">[123]</span></a> S. <a href="#thibaut_59">59</a>.
-60.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_124_137" id="Fn_124_137" href="#FNanchor_124_137"><span class="label">[124]</span></a> S. <a href="#thibaut_41">41</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_125_138" id="Fn_125_138" href="#FNanchor_125_138"><span class="label">[125]</span></a> S. <a href="#thibaut_35">35</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_126_139" id="Fn_126_139" href="#FNanchor_126_139"><span class="label">[126]</span></a> S.
-<a href="#thibaut_36">36-39</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_127_140" id="Fn_127_140" href="#FNanchor_127_140"><span class="label">[127]</span></a> S. <a href="#thibaut_17">17</a>.
-<a href="#thibaut_29">29</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_128_141" id="Fn_128_141" href="#FNanchor_128_141"><span class="label">[128]</span></a> S. <a href="#thibaut_35">35</a>. <a href="#thibaut_36">36</a>.
-40.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_129_142" id="Fn_129_142" href="#FNanchor_129_142"><span class="label">[129]</span></a> s. o. S.
-<a href="#savigny_59">59</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_130_143" id="Fn_130_143" href="#FNanchor_130_143"><span class="label">[130]</span></a> A. a. O. S.
-<a href="#thibaut_23">23</a>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_131_144" id="Fn_131_144" href="#FNanchor_131_144"><span class="label">[131]</span></a> <span
-class="antiqua" lang="la" xml:lang="la"><cite class="it">Melanchthon</cite>, oratio de dignitate legum; in select. declamat. T. 1.
-Servestae 1587. p. 247</span> und <span class="antiqua" lang="la" xml:lang="la">Or. de vita <cite class="it">Irnerii</cite> et <cite
-class="it">Bartoli</cite>. T. 2. p. 411.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_132_145" id="Fn_132_145" href="#FNanchor_132_145"><span class="label">[132]</span></a> Zum Theil war
-dieses schon bey einer andern Gelegenheit von mir geschehen. Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft B. 4. S.
-488-490.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_133_146" id="Fn_133_146" href="#FNanchor_133_146"><span class="label">[133]</span></a> Vgl. Zeitschrift
-&amp;c. a. a. O. S. 482 fg.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_134_147" id="Fn_134_147" href="#FNanchor_134_147"><span class="label">[134]</span></a> Was ich hier
-zur Erklärung meines einseitigen Urtheils über die französische Jurisprudenz aus den Umständen, unter welchen meine
-Schrift zuerst erschien, gesagt habe, ist auf sehr billige Weise anerkannt in einer französischen Recension, welche
-überhaupt jenen wissenschaftlichen Streit sehr treffend darstellt. (<span class="antiqua" lang="fr" xml:lang="fr">Le Globe T. V. N. 59. 1827.
-18. Août</span>).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_135_148" id="Fn_135_148" href="#FNanchor_135_148"><span class="label">[135]</span></a> Die
-ausführlichste Schrift, welche hierher gehört (von <cite>Gönner</cite>), ist schon früher in dieser Zeitschrift
-angezeigt worden (B. 1. S. 373 u. fg.).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_136_149" id="Fn_136_149" href="#FNanchor_136_149"><span class="label">[136]</span></a> Heidelb. Jahrb.
-1815. S. 659.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_137_150" id="Fn_137_150" href="#FNanchor_137_150"><span class="label">[137]</span></a> Civilist.
-Abhandl. S. 433.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_138_151" id="Fn_138_151" href="#FNanchor_138_151"><span class="label">[138]</span></a> Vorrede zu
-<cite>Unterholzners</cite> juristischen Abhandlungen. München 1810. S. XII-XVII.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_139_152" id="Fn_139_152" href="#FNanchor_139_152"><span class="label">[139]</span></a> Civilist.
-Abhandl. S. 416. Heidelb. Jb. 1814. S. 940.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_140_153" id="Fn_140_153" href="#FNanchor_140_153"><span class="label">[140]</span></a> Heidelb. Jahrb.
-1814. S. 938.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_141_154" id="Fn_141_154" href="#FNanchor_141_154"><span class="label">[141]</span></a> Heidelb. Jahrb.
-1816. S. 200.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_142_155" id="Fn_142_155" href="#FNanchor_142_155"><span class="label">[142]</span></a> a. a. O. S.
-198-200.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_143_156" id="Fn_143_156" href="#FNanchor_143_156"><span class="label">[143]</span></a> Heidelb. Jahrb.
-1816. S. 200.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_144_157" id="Fn_144_157" href="#FNanchor_144_157"><span class="label">[144]</span></a> Vorrede S.
-XI.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_145_158" id="Fn_145_158" href="#FNanchor_145_158"><span class="label">[145]</span></a>
-<cite>Feuerbach</cite> über Philosophie und Empirie. Landshut 1804. 8. S. 43.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_146_159" id="Fn_146_159" href="#FNanchor_146_159"><span class="label">[146]</span></a> Strafgesetzbuch
-für das Königreich Baiern. München 1813. (das Promulgationspatent ist vom 16. Mai 1813). Anmerkungen zum
-Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern. B. 1. 2. München 1813. B. 3. 1814. 8.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_147_160" id="Fn_147_160" href="#FNanchor_147_160"><span class="label">[147]</span></a> Anmerkungen B. 1.
-S. 12-19.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_148_161" id="Fn_148_161" href="#FNanchor_148_161"><span class="label">[148]</span></a> Ich nehme diese
-Nachricht aus dem Brief eines Bairischen Advocaten vom 22. Mai 1816.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_149_162" id="Fn_149_162" href="#FNanchor_149_162"><span class="label">[149]</span></a> Durch diese
-Erfahrung wäre denn also buchstäblich in Erfüllung gegangen, was ich in dieser Zeitschrift (B. 1. S. 421, 422), ohne
-diesen Fall zu kennen, ganz im allgemeinen vorhergesagt habe.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_150_163" id="Fn_150_163" href="#FNanchor_150_163"><span class="label">[150]</span></a> Heidelb. Jahrb.
-1816. S. 199.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_151_164" id="Fn_151_164" href="#FNanchor_151_164"><span class="label">[151]</span></a> Heidelb. Jahrb.
-1816. S. 199.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_152_165" id="Fn_152_165" href="#FNanchor_152_165"><span class="label">[152]</span></a> Der Vrf.
-sucht durch angeführte Stellen aus verschiedenen Jahrhunderten S. 43. 44 darzuthun, die Klage über Unfähigkeit sey
-ungegründet, denn sie sey zu allen Zeiten dieselbe gewesen: daraus scheint denn hervorzugehen, es sey zu allen
-Zeiten ein gleiches und zwar sehr großes Maas von Gelehrsamkeit da gewesen, und immer habe es einige hypochondrische
-Leute gegeben, die geklagt hätten. Ob dem so ist, mag jeder entscheiden, der die Literargeschichte kennt; aber
-unter jenen Stellen ist gerade die entscheidendste, die des <cite>Donellus</cite> nämlich, sehr übel gewählt, denn
-<cite>Donellus</cite> klagt daselbst gar nicht über seine Zeitgenossen, sondern über die vorhergehende Schule der
-Bartolisten, denen er mit Recht den Mangel humanistischer Kenntnisse vorwirft. Offenbar will er also das vergangene
-Jahrhundert in Vergleichung mit dem seinigen herabsetzen, also gerade sein eigenes Zeitalter rühmen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_153_166" id="Fn_153_166" href="#FNanchor_153_166"><span class="label">[153]</span></a>
-Publicationspatent § 7: Einleitung § 6.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_154_167" id="Fn_154_167" href="#FNanchor_154_167"><span class="label">[154]</span></a> Gründe für und
-wider die mündliche öffentliche Rechtspflege. Mainz 1816. 8. S. 32 (Anmerkung des Herausgebers).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_155_168" id="Fn_155_168" href="#FNanchor_155_168"><span class="label">[155]</span></a> Der Recensent
-meiner Schrift vom Beruf &amp;c. Hallische Lit. Zeit. 1815. October S. 201-211.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_156_169" id="Fn_156_169" href="#FNanchor_156_169"><span class="label">[156]</span></a> Leipz. Lit. Zeit.
-1815. September, Nr. 235. (Recension von Gönners Schrift.)</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_157_170" id="Fn_157_170" href="#FNanchor_157_170"><span class="label">[157]</span></a> Besonders Gött.
-Anzeigen 1814. St. 194 u. 1815 St. 108.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_158_171" id="Fn_158_171" href="#FNanchor_158_171"><span class="label">[158]</span></a> Jenaische Lit.
-Zeit. 1814. B. 4. S. 327. 328.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_159_172" id="Fn_159_172" href="#FNanchor_159_172"><span class="label">[159]</span></a> Leipziger Lit.
-Zeit. 1815. Septemb. St. 234.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_160_173" id="Fn_160_173" href="#FNanchor_160_173"><span class="label">[160]</span></a> Heidelb. Jahrb.
-1815. S. 661.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_161_174" id="Fn_161_174" href="#FNanchor_161_174"><span class="label">[161]</span></a> Bairische
-Verordnung vom 19. Okt. 1813 vor dem erstem Band der Anmerkungen zum Strafgesetzbuche S. III. »Hierbei ist es auch
-Unser ausdrücklicher Befehl, daß außer dieser von Uns selbst angeordneten Darstellung durchaus von keinem andern
-Staatsdiener oder Privatgelehrten ein Kommentar über das Strafgesetzbuch in Druck gegeben werde« u. s. w.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fn_162_175" id="Fn_162_175" href="#FNanchor_162_175"><span class="label">[162]</span></a> s. o. S.
-<a href="#savigny_14">14-16</a>.</p></div>
-
-
-
-<div class="tnote p4">
-<p class="noindent">Anmerkungen zur Transkription:</p>
-
-<p>Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt. Im Übrigen wurden
-Inkonsistenzen in der Interpunktion und Schreibweise einzelner Wörter
-belassen, da solche auch schon im Original absichtlich belassen wurden
-(siehe Einleitung).</p>
-
-<p class="bold noindent"><a name="tnpart2" id="tnpart2">Bei der Transkription vorgenommene Änderungen:</a></p>
-
-<ul>
-<li>"ausdrucklichen" in "ausdrücklichen"</li>
-<li>"Stabilierung" in "Stabilisierung"</li>
-<li>"Halbscheidsurthel" in "Halbscheidsurtheil"</li>
-<li>"ursachlichen" in "ursächlichen"</li>
-<li>"Plane" (im Kontext von: "die Plane des Verf.") in "Pläne"</li>
-</ul>
-</div>
-
-<p>&nbsp;</p>
-<p>&nbsp;</p>
-<hr class="full" />
-<p>***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK THIBAUT UND SAVIGNY***</p>
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-cannot be read by your equipment.</p>
-
-<p>1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
-of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
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-DAMAGE.</p>
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-defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
-receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
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-received the work on a physical medium, you must return the medium
-with your written explanation. The person or entity that provided you
-with the defective work may elect to provide a replacement copy in
-lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
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-opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
-the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
-without further opportunities to fix the problem.</p>
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-in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
-OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
-LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.</p>
-
-<p>1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
-warranties or the exclusion or limitation of certain types of
-damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
-violates the law of the state applicable to this agreement, the
-agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
-limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
-unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
-remaining provisions.</p>
-
-<p>1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
-trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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-accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
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-electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
-including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
-the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
-or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
-additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
-Defect you cause. </p>
-
-<h3 class="pg">Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm</h3>
-
-<p>Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
-electronic works in formats readable by the widest variety of
-computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
-from people in all walks of life.</p>
-
-<p>Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
-goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
-and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
-www.gutenberg.org.</p>
-
-<h3 class="pg">Section 3. Information about the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation</h3>
-
-<p>The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state's laws.</p>
-
-<p>The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
-mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
-volunteers and employees are scattered throughout numerous
-locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
-Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
-date contact information can be found at the Foundation's web site and
-official page at www.gutenberg.org/contact</p>
-
-<p>For additional contact information:</p>
-
-<p> Dr. Gregory B. Newby<br />
- Chief Executive and Director<br />
- gbnewby@pglaf.org</p>
-
-<h3 class="pg">Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation</h3>
-
-<p>Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
-spread public support and donations to carry out its mission of
-increasing the number of public domain and licensed works that can be
-freely distributed in machine readable form accessible by the widest
-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.</p>
-
-<p>The Foundation is committed to complying with the laws regulating
-charities and charitable donations in all 50 states of the United
-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
-considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
-with these requirements. We do not solicit donations in locations
-where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
-DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
-state visit <a href="http://www.gutenberg.org/donate">www.gutenberg.org/donate</a>.</p>
-
-<p>While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.</p>
-
-<p>International donations are gratefully accepted, but we cannot make
-any statements concerning tax treatment of donations received from
-outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.</p>
-
-<p>Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate</p>
-
-<h3 class="pg">Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.</h3>
-
-<p>Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
-volunteer support.</p>
-
-<p>Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
-necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
-edition.</p>
-
-<p>Most people start at our Web site which has the main PG search
-facility: www.gutenberg.org</p>
-
-<p>This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
-subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.</p>
-
-</body>
-</html>
-
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