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-The Project Gutenberg EBook of Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften
-und Aufsätze, by Johann Gottlieb Fichte
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften und Aufsätze
- Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen / Deducirter Plan
- einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt /
- Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks und
- andere Aufsätze / Recensionen / Poesien und metrische
- Uebersetzungen
-
-Author: Johann Gottlieb Fichte
-
-Editor: Immanuel Hermann Fichte
-
-Release Date: March 5, 2016 [EBook #51359]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÄMMTLICHE WERKE 8: ***
-
-
-
-
-Produced by Karl Eichwalder, Jens Sadowski, and the Online
-Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net This
-book was produced from scanned images of public domain
-material from the Google Books project.
-
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-
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-
-
-
- Johann Gottlieb Fichte's
- sämmtliche Werke.
-
-
- Herausgegeben
- von
- I. H. FICHTE.
-
- Achter Band.
-
- Berlin, 1846.
- Verlag von Veit und Comp.
-
- Johann Gottlieb Fichte's
- sämmtliche Werke.
-
- Herausgegeben
- von
- I. H. FICHTE.
-
- Dritte Abtheilung.
- Populärphilosophische Schriften.
-
- Dritter Band:
- Vermischte Schriften und Aufsätze.
-
- Berlin, 1846.
- Verlag von Veit und Comp.
-
-
-
-
- Inhaltsanzeige
- des achten Bandes.
-
-
- Seite
- 1) Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen, 1801 3-93
- 2) Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren 97-204
- Lehranstalt, 1807
- Beilagen zum Universitätsplane (ungedruckt):
- a. Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke 207-216
- an einer deutschen Universität, 1805
- b. Rede bei einer Ehrenpromotion an der Universität zu 216-219
- Berlin, am 16. April 1811
- 3) Vermischte Aufsätze:
- A. Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks, 223-244
- ein Räsonnement und eine Parabel, 1791
- B. Zwei Predigten aus dem Jahre 1791 (ungedruckt) 245-269
- C. Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie, 1794 270-300
- D. Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der 301-341
- Sprache, 1795
- E. Ueber Belebung und Erhöhung des Interesse an 342-352
- Wahrheit, 1795
- F. Aphorismen über Erziehung, 1804 (ungedruckt) 353-360
- G. Bericht über die Wissenschaftslehre und die 361-407
- bisherigen Schicksale derselben, 1806 (ungedruckt)
- 4) Recensionen:
- A. Von Creuzers skeptischen Betrachtungen über die 411-417
- Freiheit des Willens, 1793
- B. Von Gebhard über sittliche Güte, 1793 418-426
- C. Von Kant zum ewigen Frieden, 1796 427-436
- 5) Poesien und metrische Uebersetzungen:
- A. Das Thal der Liebenden, Novelle, 1786 (ungedruckt) 439-459
- B. Kleinere Gedichte (meist ungedruckt) 460-471
- C. Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen 472-479
- und Italiänischen (meist ungedruckt)
-
-
-
-
- Vorrede des Herausgebers.
-
-
-Der vorliegende achte Band der Werke enthält Alles, was von gedruckten
-und von ungedruckten Aufsätzen vermischten Inhaltes der Aufbewahrung
-werthgehalten wurde, und was im dritten Theile der »Nachgelassenen
-Werke« noch nicht erschienen ist. Diese beiden Bände stehen daher in
-nächster ergänzender Beziehung zueinander.
-
-Die Schrift, welche hier die Reihe eröffnet: »Nicolai's Leben und
-sonderbare Meinungen« (1801), wird bei ihrem Wiedererscheinen, da ihr
-Gegenstand unserer unmittelbaren Erinnerung und unserem parteinehmenden
-Interesse entrückt ist, wohl so heiter und so objectiv aufgenommen
-werden, als sie ursprünglich entworfen ward. Gleichwie wir aus den
-Selbstbekenntnissen des Dichters wissen, dass er sich mit dem ihm
-Feindlichen am Sichersten versöhnt habe, indem er es zum Gegenstande
-poetischer Darstellung machte: so ist es die ächte, überwindende und
-abschliessende Polemik des Denkers, wenn er das Gegnerische aus seinem
-Principe begreift und in der unwillkürlichen Consequenz seiner
-Verkehrtheit erschöpfend darlegt. Als Beispiel dieses Humors der
-Gründlichkeit wird das kleine Werk eine eigenthümliche Stelle behaupten
-neben den wenigen polemischen Musterstücken unserer Literatur. Das
-dreizehnte oder Schlusscapitel aus demselben: »Von den letzten Thaten,
-dem Tode und der wunderbaren Wiederbelebung unseres Helden,« (Bd. VIII.
-S. 89 ff.) welches der ursprüngliche Abdruck nur bruchstückweise enthält
-(S. 128 ff.), ist zwar im Manuscripte noch vollständig vorhanden; doch
-bleibt es, aristophanischer Derbheiten voll, auch jetzt kaum
-mitzutheilen.
-
-Der »Universitätsplan« gehört in jene Reihe von Entwürfen zur
-Umgestaltung der gesammten Nationalbildung, von denen wir in der Vorrede
-zum siebenten Bande Bericht erstattet. Er schrieb ihn auf Anregung des
-damaligen preussischen Cabinetsraths Beyme, der in Betreff desselben
-»sein ganzes Vertrauen auf ihn setzte« und bei dem Entwurfe selbst ihn
-davon lossprach, »an das Alte und Ueberlieferte sich zu binden« (Worte
-aus einem ungedruckten Briefe des Letzteren).
-
-So entstand jener Plan auf einer völlig neuen Grundlage des Begriffes
-einer Universität, und war ebenso auf ein neues Ziel gerichtet. In
-ersterer Beziehung wurde geltend gemacht, dass die Universität weit
-weniger Lehranstalt seyn solle, als Bildungsschule des freien
-Verstandesgebrauches: leitender Grundsatz sey, durchaus nichts mündlich
-zu lehren, was auch im Drucke vorliege und auf diese Weise weit besser
-und sicherer an den Zögling gebracht werden könne; vielmehr solle der
-akademische Unterricht nur in dem ununterbrochenen und innigen
-Wechselverkehr zwischen Lehrer und Lernenden bestehen, in
-Modificationen, welche der Plan ausführlich darlegt, um eben dadurch zur
-»Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches« sich zu
-erheben. Als Ziel aber wurde gezeigt, dass dem Zöglinge dieser
-Kunstschule nach dem Eigenthümlichen seines Talentes und nach dem
-Ergebnisse seines Fleisses und seiner Ausbildung, auch die sichere
-Aussicht auf die höchsten Staatsämter eröffnet werde, ohne dass dabei,
-wie bisher, dem Stande oder sonstigen zufälligen Unterschieden der
-geringste Einfluss bleibe, damit der auch von daher neu umgestalteten
-Staatsverwaltung (auf Preussen wurde nemlich dabei zuerst gerechnet) die
-höchste Blüthe der Wissenschaft und des Talentes zu steter Erfrischung
-und Selbsterneuerung immerfort zu Gute komme.
-
-Es ist leicht erklärbar, nachdem zugleich die oberste Leitung der
-Universitätsangelegenheiten in andere Hände gekommen war, warum unter
-den damaligen Umständen, die guten Theiles noch jetzt fortdauern, ein
-solcher Plan, sowohl in seinem Ausgangspuncte, als in seiner letzten
-Absicht, unausführbar befunden werden musste. Berlin wurde eine
-Hochschule, wie jede andere auch; und was ihr höheren Glanz verlieh, war
-nicht das Vollkommene oder Rationellere ihrer ursprünglichen
-Organisation, sondern der Ruf einzelner Lehrer, die verschwenderische
-Fülle der Lehrmittel, welche sie darbot, endlich das äussere Ansehen,
-das ihre eigenthümliche Stellung in der Nähe der obersten
-Regierungsgewalten ihr verlieh.
-
-Dies Verhältniss erzeugte jedoch im weiteren Verlaufe eine andere, also
-noch nie dagewesene Erscheinung. Man sah vor Augen, wie mächtig der
-Einfluss der Wissenschaft sey auf die geistigen Bewegungen der Zeit, und
-so empfahl es sich als höchste Maxime der Staatsklugheit, eine
-Universität vor allen Dingen zur Bildungsanstalt künftiger Beamten zu
-stempeln, und den Geist derselben den jedesmal herrschenden Wünschen und
-Absichten der Regierung anzupassen. Hätte man bedacht, was eigentlich in
-diesem Grundsatze liegt, und könnte es gelingen, consequent ihn
-durchzuführen, so würde ans Licht kommen, dass er in Wahrheit nichts
-Geringeres fordert, als jeden Keim der Zukunft der jedesmaligen
-Gegenwart aufzuopfern und so den Stillstand zu verewigen!
-
-Wird nun irgend einmal unter den Gegenständen, welche in unserem
-Vaterlande einer nothwendigen Umgestaltung entgegengehen, die Reihe auch
-an unsere Universitäten kommen; wird man sich sodann die Frage zur
-klaren Entscheidung bringen müssen, ob sie auch künftig bloss
-Pflanzschulen für Beamte seyn sollen, oder wirklich und ungeschmälert
-freie Pflegerinnen der Wissenschaft, von denen der erste Antrieb zu
-jedem Weiterschreiten im Staate selber ausgehen müsse: so wird man
-gewiss auf denselben höchsten Grundsatz und wenigstens auf ähnliche
-Einrichtungen zurückkommen müssen, wie sie in Fichte's Universitätsplane
-vorgeschlagen sind, und dieser näheren oder ferneren Zukunft mag dann
-eine erneuerte Erwägung desselben vorbehalten bleiben. --
-
-Von den nun folgenden »vermischten Aufsätzen« schien uns jeder
-beachtenswerth in verschiedener Beziehung, als Zeugniss von den
-Interessen, welchen sich Fichte's Geist zu verschiedenen Zeiten
-zugewandt. Ehe er ganz von der Kantschen Philosophie dahingenommen
-wurde, war es sein höchstes Ziel, sich zum Kanzelredner zu bilden: was
-er darin erstrebte und für das Rechte hielt, mögen die abgedruckten
-Predigten zeigen, zusammengehalten mit der schon früher, im dritten
-Bande der »Nachgelassenen Werke« (S. 209.), mitgetheilten. Alle drei
-scheinen uns nicht ohne urkundliche Kraft und Eigenthümlichkeit, den
-künftigen wissenschaftlich-popularen Redner ankündigend.
-
-Von den weiteren Abhandlungen müssen wir »die Briefe über Geist und
-Buchstab in der Philosophie« (1794, ursprünglich für Schillers Horen
-bestimmt) auszeichnen. Sie stammen aus der ersten, frischesten Zeit der
-Erfindung seines Systemes, und geben zugleich am Ausführlichsten von
-seinen ästhetischen Principien Kunde. Der ästhetische Trieb wird darin
-als das Mittlere zwischen dem Erkenntniss- und dem praktischen Triebe
-bezeichnet, als das Ideelle, die Vernunft, aber in Form der Natur, der
-^Unmittelbarkeit^ des Bewusstseyns, wodurch der ästhetische Sinn, beiden
-Welten angehörend, beide eben vermitteln kann, weil Vernunft und Natur
-in ihm auf ursprüngliche Weise als Eins gesetzt sind. So hätte, diesem
-unmittelbarsten Entwurfe seines Systemes nach, die Aesthetik die
-dritte vermittelnde Disciplin zwischen den beiden Theilen der
-Wissenschaftslehre, dem theoretischen und dem praktischen, seyn sollen,
--- eine Auffassung, welcher indess keine weitere Folge gegeben worden
-ist, wiewohl sie auch in Fichte's Sittenlehre (Bd. IV. S. 353.) noch dem
-Begriffe des Schönen und der Kunst zu Grunde gelegt wird, indem er das
-Princip derselben dort also bezeichnet: »dass die schöne Kunst den
-^transscendentalen Gesichtspunct^« (den der Vernunft) »zum gemeinen«
-(unmittelbaren) »mache.« Wir finden in dieser Bestimmung keinen
-wesentlichen Unterschied von der in den späteren Systemen, das Schöne
-sey die Idee in sinnlicher Unmittelbarkeit, vielmehr dasselbe, wiewohl
-noch unausgeführt und in unbestimmtem Umrisse. Nur dies hinderte bei
-Fichte die fruchtbare Entfaltung dieses Gedankens, dass ihm das
-eigentlich nächste und unmittelbarste Gebiet dieses Sinnlichwerdens der
-Idee, die Natur, fortwährend ^blosse^ Sinnenwelt, ein schematisches, der
-Idee untheilhaftes Bewusstseyn blieb. Er konnte kein ^Naturschönes^
-anerkennen, und ^deshalb^ musste er auf die Frage, wo die Welt des
-schönen Geistes sey, antworten: »Innerlich in der Menschheit, ^und sonst
-nirgends^« (S. 354.). Diese Ausschliesslichkeit gegen die Natur tritt
-nun in jener Abhandlung noch nicht hervor: das neue Princip sucht noch
-das Reich der Wahrheit sich zu gewinnen, ohne genau die Grenzen
-abzustecken oder Etwas von sich auszuschliessen, und solche
-ursprünglichen Urtheile müssen immer für die bezeichnendsten und dem
-eigentlichen Sinne des Principes gemässesten gehalten werden.[1]
-Vielleicht auch eines Kunsturtheils wegen kann der Aufsatz für
-merkwürdig gelten. In jener Zeit, als ganz andere Dichter das Publicum
-beherrschten, verkündete er, als einer der frühesten, die Grösse des
-Goetheschen Dichtergeistes, nicht in seinen damals allein etwa beliebten
-Jugendwerken, sondern in seinen späteren Dichtungen, indem es ihnen
-gelungen sey, gerade durch Mässigung der höchsten Kraft, die in sich
-harmonische Schönheit darzustellen. --
-
-Die Abhandlung: »über Sprachfähigkeit und Ursprung der Sprache« wird auf
-den ersten Anblick vielleicht merkwürdig erscheinen durch das
-befremdliche Resultat, auf welches sie hinausgeht. Entschieden ist
-wenigstens, dass Fichte späterhin die Sprache nicht bloss mehr für
-freies Erzeugniss einer schon ausgebildeten Vernunftthätigkeit hielt,
-wiewohl zuzugeben ist, dass er die volle Bedeutung der Sprache überhaupt
-zur Verwirklichung des Vernunftbewusstseyns im ^Einzelsubjecte^, in
-keiner von seinen wissenschaftlichen Darstellungen vollständig gewürdigt
-hat.
-
-[Fußnote 1: Bekanntlich hat Solger im Erwin (I. S. 77.) Fichte's
-ästhetisches Princip einer Kritik unterworfen; ebenso ist es neuerdings
-von Th. W. Danzel charakterisirt worden in einer sehr beachtenswerthen
-Abhandlung: »über den gegenwärtigen Zustand der Philosophie der Kunst«
-(in des Herausgebers Zeitschrift für Philosophie etc. Bd. XIV. S. 165
-ff.). Das Obenangedeutete und Fichte's hier wiederabgedruckte Abhandlung
-mögen dafür zur Ergänzung und Berichtigung dienen.]
-
-Dennoch war der Grund von diesem Allem, wie eben aus jener Abhandlung
-deutlich erhellt, ein tiefer und ächt idealistischer. Die Vernunft ist
-das Ursprünglichste, Selbstständigste, Unabhängigste im Menschen; sie
-bedarf zu ihrer Wirklichkeit nicht, sich an Tonbildern zu befestigen,
-die sie vielmehr -- (so sah man überhaupt damals dies Verhältniss an) --
-nur in zufällig willkürlicher Gestaltung aus sich hervorbringt. Statt
-sprechend, kann sie sich daher auch in der stolzen Innerlichkeit des
-Schweigens genügen. Deshalb behauptete er, dass man die Tonsprache für
-viel zu wichtig gehalten habe, wenn geglaubt worden sey, dass ohne sie
-kein Vernunftgebrauch habe stattfinden können. So war er auch bei
-anderer Gelegenheit auf die Frage: ob man nur in Worten zu denken
-vermöge, geneigt, darauf mit Nein zu antworten, wo jedoch die genauere
-Selbstbeobachtung ihn im Stiche lässt.
-
-Es sey daher gestattet auf den gegenwärtigen Standpunct dieser Frage
-einen Blick zu werfen, um das Verhältniss jener Abhandlung zur
-philosophischen Sprachwissenschaft der Gegenwart bestimmter
-festzustellen. Seit W. von Humboldts Untersuchungen über diesen
-Gegenstand steht fest, dass von der Vorstellung, die auch Fichte hier
-vertritt, die Tonsprache sey erst ein Product des Bedürfnisses bei schon
-erwachter Vernunftthätigkeit gewesen, völlig abgesehen werden müsse. Das
-tonbildende Vermögen, so zeigte Humboldt, ist ein durchaus
-ursprüngliches, vom Seyn des Menschen unabtrennliches, mit
-unwillkürlicher Kraft, aber in tiefer Gesetzlichkeit, sich Luft machend:
--- was er nun an einer vergleichenden Physiologie und Semiotik der Laute
-weiter durchführt und mit grossem Reichthume der Beobachtung im
-Einzelnen begründet. Bis so weit nun, als Humboldt hierin führt, und von
-dieser Seite, ist der Grund und Ursprung der Sprachbildung aufgedeckt;
-aber die eigentliche Mitte des Problems ist damit noch nicht erreicht
-worden. Dies zum Bewusstseyn zu bringen, ist Fichte's Abhandlung
-geeignet, die zugleich noch eine andere, von jener unabtrennliche Frage
-anregt, die Frage über das Verhältniss der Zeichen- zur Tonsprache.
-
-Die erstere macht er zur ^Ursprache^, und fügt hinzu, dass sich diese
-vielleicht erst nach Jahrtausenden in Gehörsprache verwandelt habe, weil
-für Ausbildung der letzteren schon eine wirkliche Thätigkeit der
-Vernunft vorauszusetzen sey, wie er dies im weiteren Verlaufe der
-Abhandlung an der Erzeugung der grammatischen Formen ausführlich
-nachweist. Dies ist ein bedeutender Wink, der nur weiter auszubilden
-wäre, und auch der dabei geforderte Zeitverlauf ist ein wichtiges, wohl
-zu beachtendes Moment.
-
-Zunächst jedoch muss es als ungerechtfertigt erscheinen, Zeichen- und
-Tonsprache in ihrem unmittelbaren Ursprunge überhaupt von einander zu
-trennen, und diese später entstehen zu lassen. Unstreitig treten beide
-ursprünglich ^mit^ einander hervor, und gehen sogar noch immer, wie wir
-täglich bei lebhaft Sprechenden bemerken können, sich ergänzend und
-unterstützend nebeneinander her; ja bei Armuth der Tonsprache (wie im
-Chinesischen), oder bei dem Mangel derselben (wie in Taubstummheit),
-kann die Zeichensprache durch Reflexion und Absicht ebenso zur
-articulirten gesteigert werden, wie jene. Dennoch hat Fichte recht: nur
-allmählig, im Zeitverlaufe, wird die Tonsprache zum gegliederten
-Sprachorganismus, indem die bewusstwerdende Vernunft, das Denken, immer
-reicher in sie sich einbildet.
-
-Hier sind wir nun, dem unmittelbaren Anscheine nach, in einen Cirkel
-gerathen, zu dessen Vermeidung Fichte eben seine Hypothese von dem
-allmähligen Uebergange der Zeichen- in Tonsprache ersann. Ohne
-Vernunftgebrauch keine Sprache; aber wie vermag umgekehrt die Vernunft
-sich auszubilden, wenn sie nicht eine Sprache vorfindet, als das
-gefügige Element ihrer eigenen Verwirklichung? Was ist hier das Erste,
-was das Letzte? Fichte hat, seinem Principe gemäss, der Vernunft den
-Primat gegeben, und was schon seine nächsten Vorgänger behaupteten, in
-der Abhandlung mit neuen, in ihrer Begrenzung schwer zu widerlegenden
-Gründen durchgeführt: die Sprache kann nur allmählig entwickelt seyn
-durch die steigende Vernunftthätigkeit. Die entgegengesetzte Ansicht
-(Bonalds, Franz Baders, Fr. Schlegels u. A.) legt den Nachdruck auf die
-andere Seite: die Sprache kann dem Menschen nur verliehen seyn, weil
-erst durch sie vermittelt die eigene Vernunft ihm objectiv, er ihrer
-bewusst wird. Am Sprechen lernt der Mensch erst zu denken; -- was nicht
-minder richtig und unstreitig bleibt. Humboldt endlich hat die
-natürliche Grundlage hervorgehoben, aus deren unmittelbarer, aber tief
-gesetzmässiger Wirksamkeit alle Lautsprache hervorgeht, das ursprünglich
-tonbildende Vermögen des Menschen. Und so kann jetzt abschliessend
-ausgesprochen werden, dass zwischen jenen beiden Gegensätzen gar kein
-Widerstreit obwaltet, dass beide Geltung haben, aber in gegenseitig sich
-beschränkendem Sinne, der jedem daher seine scharfbegrenzte Wahrheit
-giebt. Die Sprache ist ebenso »eingeboren,« -- ^Ursprache^, äusserlich
-bedingt durch das tonbildende Vermögen des Menschen, innerlich durch die
-Immanenz der Vernunft im Menschengeiste -- als sie zu ihrer Ausbildung
-und Gliederung doch des steten Fortwirkens jener beiden Factoren bedarf.
-Es ist derselbe Process, nur energischer und reicher, der sich auch in
-den schon gebildeten Sprachen fortwährend entdecken lässt, indem die
-Denkweise eines Zeitalters unwillkürlich in den Veränderungen der
-Sprache sich abbildet, sie erweiternd oder verengend, vergeistigend oder
-entgeistend. Ebenso scheint von hier aus die Frage nach der Einheit und
-Verwandtschaft aller Sprachen von selbst sich zu lösen. Jene »Ursprache«
-ist als vollendete und für sich bestehende, nicht geredet worden bei
-irgend einem Volke oder in einer bestimmten Zeit: sie wird noch immer
-geredet und spricht sich hinein in alle individuellen Sprachen, deren
-grössere oder geringere Verwandtschaft von daher stammt; denn sie ist
-nur jene im tonbildenden Vermögen liegende Gesetzmässigkeit alles
-Sprechens. --
-
-Das philosophische Fragment endlich, »Bericht über den Begriff der
-Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben« (1806),
-dessen erster Abschnitt bereits in den »Nachgelassenen Werken«
-erschienen war, glaubten wir jetzt, trotz seines polemischen Inhaltes,
-in seiner Vollständigkeit nicht mehr zurückhalten zu dürfen, indem es
-als Actenstück in der Geschichte des Fichteschen und Schellingschen
-Systemes eine wesentliche Stelle einnimmt. Wenn es aber überhaupt
-mitgetheilt wurde, so musste dies in ungeschmälerter Ursprünglichkeit
-geschehen. Was dagegen zu erinnern wäre, verschwindet grossentheils vor
-der Betrachtung, dass hierbei die Erneuerung alter Kämpfe nicht zu
-besorgen steht: beide Systeme in ihrer damaligen Gestalt gehören der
-Geschichte an, und sind uns zu parteilosem Urtheile schon in eine so
-bedeutende Ferne gerückt, dass der Kundige, nach der einen wie der
-anderen Seite hin des Rechten nicht verfehlen oder aus anderen Quellen
-es leicht sich aneignen kann.
-
- * * * * *
-
-Unter den wiederabgedruckten Recensionen machen wir namentlich auf die
-beiden letzten aufmerksam. Die eine (von Gebhards Schrift über sittliche
-Güte, 1793) stellt an ihrem Schlusse, hier am Frühesten und zum
-Erstenmale, das neue Princip auf, mit welchem Fichte über Kants
-Idealismus hinausging. Es wird in der Wendung ausgedrückt: die
-praktische Vernunft habe nicht bloss, wie bei Kant, den Primat über die
-theoretische, sondern das Praktische, die That, sey als die Eine
-Grundbestimmung aller Vernunft und als Fundament alles ^Wissens^ zu
-bezeichnen. -- Ebenso ist die kurze Recension von Kants Schrift »zum
-ewigen Frieden« (1796), gedankenreich und bedeutend: sie enthält in
-gedrängter Darstellung das Unterscheidende der eigenen Rechtslehre von
-der Kantischen, und kann so zur Ergänzung des dritten Bandes der Werke
-und unserer Vorrede desselben dienen. Aber sie erhebt sich auch zu
-weiteren Fragen über die Zukunft der Geschichte; und hier werden
-Ansichten über die nothwendige Fortbildung der Gegenwart zum wahren
-Staate angedeutet, welche schon im Keime die Ideen seiner späteren
-Staatslehre zeigen.
-
- * * * * *
-
-In Betreff der am Schlusse des Bandes mitgetheilten poetischen Versuche
-sind wir nicht frei von der Besorgniss, dass mancher Leser einen anderen
-Maassstab des Urtheiles zu ihnen hinzubringe, als hier zulässig wäre.
-Nicht eigentlich als dichterische Erzeugnisse sind sie aufzufassen, --
-ob überhaupt nemlich poetische Productivität zum Talente des Denkers
-sich gesellen könne, welcher in der bildlosen Reine des Begriffes und in
-der Virtuosität der Abstraction waltet, ist durchaus zu bezweifeln, --
-sondern um das Bild von Fichte's Charakter nach einer Seite hin zu
-vollenden, die in diesen Werken bisher am Wenigsten hervortreten konnte;
--- wir meinen die gesammte Gemüthsweise, welche in solchen Productionen
-am Unverkennbarsten sich darstellt, und die in ihm allezeit ebenso
-entschieden zur Einheit ausgeprägt war, wie seine wissenschaftliche
-Denkart, ja in dieser nur ihr übereinstimmendes Gegenbild fand. Jene
-nun, der tief religiöse Ernst, das kraftvolle Erfassen des Lebens auch
-in seinen äusseren und scheinbar gleichgültigen Spitzen, aus diesem
-höchsten Mittelpuncte, ist der gemeinsame Faden, der sich auch durch
-seine Poesien zieht, selbst bis in den Humor hinein; darum schienen sie
-uns charakteristisch und aufbehaltenswerth, und so möge auch die
-Aufnahme seines ältesten poetischen Versuches (einer »Novelle« aus dem
-Jahre 1786, überhaupt des Frühesten, was im Nachlasse übriggeblieben
-ist) erklärt und gerechtfertigt seyn. Vielleicht verdient sie als
-literarische Merkwürdigkeit selbst einige Beachtung, wenn man sie mit
-dem damals herrschenden Geiste in solchen Erzählungen vergleichen will.
-
-Von hier aus können wir zugleich auf seine ästhetischen Neigungen noch
-einen Blick werfen. Wie er in der neueren Poesie dem objectiven Werthe
-nach Goethe unbedingt am Höchsten stellte und unter seinen Werken, gegen
-die gewöhnliche, auch bis jetzt noch geltende Annahme, seine »natürliche
-Tochter,« könnte aus seinem Briefwechsel bekannt seyn (Leben und
-Briefwechsel, Bd. II. S. 326 ff.). Dennoch war er auch der Romantik,
-namentlich der religiösen, bis in ihre Nebenabsenker mit Vorliebe
-zugethan, während ihm Jean Pauls Gefühlsweichheit ebenso, wie sein
-geschraubter Humor, ungeniessbar blieb. In Novalis, besonders seinen
-geistlichen Liedern, sah er neue Quellen ächter, tieferfrischender
-Poesie seinem Zeitalter geöffnet, und Tiecks »heilige Genoveva« erregte
-bei ihrem ersten Erscheinen ein so nachhaltiges Interesse in ihm, dass
-er diese Gattung romantisch religiöser Dramen selbst zur Darstellung
-philosophischer Ideen glaubte erheben zu können. Es ist noch von ihm der
-ausführliche Entwurf eines romantischen Trauerspiels: »der Tod des
-heiligen Bonifacius« vorhanden, in welchem er den Sieg der Idee eben
-dadurch, dass sie äusserlich sich opfert und in sinnlicher Gegenwart
-untergeht, zu schildern gedachte. -- In späteren Jahren endlich, als ihn
-das Studium des Italiänischen, Spanischen und Portugiesischen
-beschäftigte, war es besonders Dante, der ihn mächtig ergriff und zu
-dessen Betrachtung er mit immer neuem Interesse zurückkehrte. Von seinem
-^Purgatorio^ ist eine zum Theil metrische Uebersetzung mit Commentar im
-Nachlasse vorhanden (wovon ein Fragment in der Zeitschrift: »Vesta,
-Königsberg 1807« abgedruckt ist). Die anderen grossen Dichter jener
-Nationen, Petrarca, Cervantes, Calderon, Camoens schlossen sich in
-diesen Studien an, und von vielen Uebersetzungsversuchen aus ihren
-Werken haben wir einige zum Abdruck ausgewählt, welche uns die nach Wahl
-eigenthümlichsten, nach Ausführung gelungensten schienen.
-
-
-
-
- Friedrich Nicolai's
- Leben und sonderbare Meinungen.
-
-
- Ein Beitrag zur Literargeschichte des vergangenen und zur
- Pädagogik des angehenden Jahrhunderts.
-
- Von
- Johann Gottlieb Fichte.
-
- Herausgegeben
- von
- A. W. Schlegel.
-
- Erste Ausgabe: Tübingen, in der J. G. Cottaschen Buchhandlung.
- 1801.
-
-
-
-
- Vorrede des Herausgebers.
-
-
-Der Verfasser dieser Schrift hatte anfänglich die Absicht, sie unter
-seinen Augen dem Drucke zu übergeben. Da hiebei zufällige Hindernisse
-eintraten, und der nächste Zweck derselben durch die Unterhaltung,
-welche er bei ihrer Abfassung gefunden und seinen Freunden durch die
-Mittheilung verschafft hatte, eigentlich schon erreicht war, so wollte
-er von keiner weiteren Bemühung damit etwas wissen und zog seine Hand
-gänzlich von ihr ab. Das Manuscript kam in dem Kreise seiner Freunde
-auch an mich; ich bin durch keine Bevorwortung des Verfassers bei dem
-Gebrauche, den ich etwa davon möchte machen wollen, eingeschränkt, und
-so gestehe ich, dass ich mir ein Gewissen daraus machen würde, diese
-bündige und erschöpfende Charakteristik eines in seiner Art merkwürdigen
-Individuums dem Publicum vorzuenthalten. Der Würde Fichte's wäre es
-vielleicht angemessener, sein bisheriges verachtendes Stillschweigen
-auch jetzt nicht zu brechen: allein da er einmal die gutgelaunte
-Grossmuth gehabt hat, so viel Worte und Federzüge an Nicolai zu wenden,
-so muthe ich ihm auf meine Gefahr auch die zweite zu, die Welt seine
-ausgeübte Herablassung erfahren zu lassen. Was Nicolai betrifft, so
-weiss ich wohl, dass ich ihm durch die Herausgabe dieser Schrift die
-grösste Wohlthat erweise. Was könnte ihm, der seine hauptsächlichen
-Gegner nicht einmal dahin bringen kann, seine weitläufigen
-Streitschriften zu lesen, geschweige denn zu beantworten, der ihnen
-höchstens nur einige hingeworfene Sarkasmen abgelockt, glorreicheres
-begegnen, als dass Fichte auf ihn, als auf ein wirklich existirendes
-Wesen, sich förmlich einlässt, ihn aus Principien construirt, und ihn wo
-möglich sich selbst begreiflich macht? Der Tag, wo diese Schrift
-erscheint, ist unstreitig der ruhmbekrönteste seines langen Lebens, und
-man könnte besorgen, er werde bei seinem ohnehin schon schwachen Alter
-ein solches Uebermaass von Freude und Herrlichkeit nicht überleben.
-Verdient hat er es ganz und gar nicht um mich, dass ich ihm ein solches
-Fest bereite, da er mir die Schmach angethan, mich in früheren Schriften
-ordentlich zu loben, und noch in den letzten mir Kenntnisse und Talente
-zuzugestehen. Indessen die Lesung der folgenden Schrift hat mich in die
-darin herrschende grossmüthige Stimmung versetzt, und wenn er sich diese
-Anmaassung nicht wieder zu Schulden kommen lassen will, so sey das
-bisherige vergeben und vergessen.
-
-
-
-
- Einleitung.
-
-
-Ich habe zu Friedrich Nicolai's zahllosen Schmähungen und Verdrehungen
-meiner Schriften stillgeschwiegen, so lange es lediglich die Schriften
-traf; indem ich in demjenigen Theile des Publicums, wenn es einen
-solchen noch giebt, in welchem Nicolai über literarische Angelegenheiten
-eine Stimme hat, keine zu haben begehre. Nunmehro hat Nicolai auch meine
-persönliche Ehre angegriffen; -- denn dass er der Verfasser sey von der
-in der neuen deutschen Bibliothek, 56. B. 1. St. zu Ende des zweiten und
-zu Anfange des dritten Heftes befindlichen Anzeige, in welcher jene
-Angriffe geschehen, leidet keinen Zweifel und bedarf keines Beweises.
-Selbst auf den unerwarteten Fall, dass Nicolai seine Autorschaft
-abläugnete, werde ich diesen Beweis nicht führen; denn es ist jedem, der
-die lebenden Schriftsteller kennt, unmittelbar klar, dass nur Einer, nur
-Friedrich Nicolai, dies schreiben konnte. -- Ich bin es zwar nicht dem
-Herrn Nicolai, der die gegen mich vorgebrachten Beschuldigungen entweder
-selbst nicht glaubt, oder durch den Leichtsinn, mit welchem er sie
-vorbringt, auf alle persönliche Achtung Verzicht thut, -- wohl aber dem
-Publicum, welches dieselben ganz oder halb glauben dürfte, schuldig,
-mich vor ihm zu stellen und mich zu verantworten. --
-
-Nachdem es nun Nicolai endlich erzwungen, dass ich noch während seines
-Lebens von ihm spreche, so führe ich hiebei zugleich, früher als ich
-gerechnet hatte, einen alten Vorsatz aus. Nemlich ich scheue mich nicht
-zu gestehen, dass, seitdem ich die mich umgebende Welt kenne und selbst
-eine Meinung habe, nichts mir verhasster und verächtlicher gewesen ist,
-als die elende Behandlung der Wissenschaften, da man allerlei ^Facta^
-und Meinungen, wie sie uns unter die Hände kommen, zusammenrafft, ohne
-irgend einen Zusammenhang oder einen Zweck, ausser dem, sie
-zusammenzuraffen und über sie hin und her zu schwatzen; da man über
-alles für und wider disputirt, ohne sich für irgend etwas zu
-interessiren, oder es ergründen auch nur zu wollen, und in allen
-menschlichen Kenntnissen nichts erblickt, als den Stoff für ein müssiges
-Geplauder, dessen Haupterforderniss dies ist, dass es ebenso
-verständlich sey am Putztische, als auf dem Katheder; jene schaale
-Wisserei und Stümperei, Eklekticismus genannt, die ehemals beinahe
-allgemein waren, und auch gegenwärtig noch sehr häufig angetroffen
-werden. -- Ausser eignen Arbeiten und Untersuchungen, die für einen
-ernsthaften Zweck unternommen, und mit einem bessern Geiste geführt
-würden, und die immer das Gegenmittel gegen jenen verderblichen Hang
-bleiben müssen, schien mir auch noch ein zweites Gegenmittel sehr
-zweckmässig zu seyn: die lebendige Darstellung der unausbleiblichen
-Folgen jener Behandlung der Wissenschaft zur absoluten Ertödtung alles
-Sinnes für Wahrheit, Ernst und Gründlichkeit, und zur radicalen
-Verkehrung und Zerrüttung des Geistes. Das vollendetste Beispiel einer
-solchen radicalen Geisteszerrüttung und Verrückung in unserm Zeitalter
-war mir, seitdem ich ihn gekannt habe -- ich lernte ihn in dem Streite
-zwischen Mendelssohn und Jacobi kennen -- Friedrich Nicolai. Sein Bild
-wollte ich, wenn er seine verkehrte Laufbahn geschlossen haben würde,
-welches er freilich nur mit seinem Tode thun wird, allen studirenden
-Jünglingen, in denen ein Hang seyn könnte, seine Bahn zu betreten, und
-allen, die auf die Bildung dieser Jünglinge Einfluss hätten, zum
-warnenden Beispiele hinstellen.
-
-Diesen alten Vorsatz werde ich gleich bei der gegenwärtigen Gelegenheit
-ausführen; und dadurch einem Geschäfte, an welches ich, wenn es für eine
-blosse Vertheidigung meiner selbst gegen Nicolai angesehen würde, nicht
-ohne tiefe Beschämung gehen könnte, eine liberalere und allgemeinere
-Richtung zu geben suchen. Nicolai selbst, wenn darnach gefragt werden
-könnte, kann dies nicht übelnehmen. Er hat Zeit seines Lebens die
-grössten und verdientesten Männer der Nation auf eine Weise behandelt,
-dass er selbst, wenn er nur fähig wäre einen Augenblick lang andern
-dieselben Rechte gegen sich zuzuschreiben, die er sich gegen andere
-zuschreibt, es ganz billig finden müsste, dass man eine Rücksicht, die
-er nie gekannt hat, auch gegen ihn nicht beobachtet, keine Notiz davon
-nimmt, dass er noch unter den Lebendigen existirt, und ohne Bedenken
-eine Untersuchung, die ihn zum blossen Thema macht, unter seinen Augen
-anstellt.
-
-Zwar sehe ich bei diesem Unternehmen den Tadel zweier durchaus
-entgegengesetzter Parteien voraus. Zuvörderst den Tadel derjenigen,
-welche über Kunst und Wissenschaft im Wesentlichen mit mir gleich
-denken. Ihnen ist, so viel ich habe bemerken können, Nicolai ein so
-unbedeutender und verächtlicher Gegenstand, dass man in ihren Augen nur
-sich selbst herabsetzt, wenn man ihn einer Erwähnung und Beachtung
-würdigt. Sie haben vollkommen recht, und ich bin ganz ihrer Meinung,
-wenn von Nicolai als von einer Person geredet werden sollte. Als Object
-aber, als vollendete Darstellung einer absoluten Geistesverkehrtheit ist
-er, meines Erachtens, dem Literarhistoriker und Pädagogen wichtig, und
-so interessant, als dem Psychologen ein origineller Narr, oder dem
-Physiologen eine seltene Misgeburt nur immer seyn kann. Ich bekenne,
-dass es meine Schuld seyn würde, wenn ich dieses Interesse für meinen
-Gegenstand nicht zu erregen vermöchte.
-
-Sodann habe ich mich auf den Tadel der gutmüthigen Mittelmässigkeit
-gefasst zu halten, welche, seit die Urtheile der grössten deutschen
-Männer, eines Kant, Goethe, Schiller, über jenen Gegenstand in das
-Publicum gekommen, aus mehrern Winkeln der Literatur uns erinnern, denn
-doch auch die bedeutenden Verdienste des Mannes nicht zu vergessen. Ich
-werde tiefer unten meine Ueberzeugung, dass Nicolai für seine Person
-sein ganzes Leben hindurch nie etwas Kluges, sondern eitel Verkehrtes
-und Thörichtes angefangen habe, und dass auf ihm nicht das mindeste
-Verdienst, sondern eitel Schuld ruhe, weder verläugnen, noch sie zu
-begründen vergessen. Dass jene Stimmführer der Mittelmässigkeit wirklich
-zu wissen wähnen, was sie von jenen Verdiensten sagen, will ich glauben.
-Nicolai und sein Anhang haben es ja über ein Vierteljahrhundert lang
-genugsam wiederholt, dass Nicolai Verdienste habe, so dass endlich in
-dem Gedächtnisse jener wohl hangengeblieben seyn mag, dass so etwas
-gesagt worden. Sollten sie dieselbe Behauptung auch bei der
-gegenwärtigen Veranlassung wiederholen wollen, so ersuche ich sie, nur
-diesmal nicht so, wie sie immer zu thun pflegen, bloss ins unbestimmte
-hin zu versichern, sondern mir eines jener Verdienste namentlich
-anzugeben; mir irgend ein richtiges, treffendes Urtheil, das Nicolai
-gefällt, irgend eine gründliche Abhandlung, die er über etwas, das des
-Wissens werth ist, geschrieben, nachzuweisen, damit ich sie auch kennen
-lerne. Ich ersuche jene Stimmführer bei dieser Gelegenheit, sich
-zugleich vor sich selbst die Frage zu beantworten, welche Geisteskraft,
-oder welches Talent sie denn etwa Herrn Nicolai in einem vorzüglichen
-Grade zuschreiben möchten, ob Phantasie, oder Witz, oder Scharfsinn,
-oder Tiefsinn, oder, ich sage nicht eine vorzügliche, sondern auch nur
-richtige Schreibart; ob sie irgend etwas Eigenthümliches an ihm finden,
-als ein unversiegbares Geschwätz und die Kunstfertigkeit, alles, was ihm
-unter die Hände kommt, zu verdrehen; ich ersuche sie, diese Frage
-zuvörderst sich selbst, und sodann auch mir zu beantworten. Da ich sehr
-wohl wusste, dass sie keins von beiden befriedigend leisten würden, so
-mögen sie mir immer verzeihen, dass ich so gethan, als ob sie gar nichts
-sagen würden, und als ob sie überhaupt nicht vorhanden wären.
-
-Wir gehen an unser Vorhaben.
-
-Sollen das Leben und die sonderbaren Meinungen unsers Helden nicht
-rhapsodisch, so wie jedes uns in den Wurf kommt, oder chronologisch,
-sondern systematisch, in einer festen Charakterschilderung dargestellt
-werden: so müssen wir ein Grundprincip dieses Charakters nachweisen, aus
-welchem, und aus welchem allein, alle Phänomene in dem Leben unsers
-Helden sich befriedigend erklären lassen. Es kommt hierbei nicht auf
-Häufung der Phänomene an. Ein einziges, das sich durchaus nicht erklären
-lässt, ausser aus dem vorausgesetzten Princip, beweist so gut, wie
-tausende, dass dieses Princip und kein anderes dem zu erklärenden Leben
-zum Grunde gelegen habe.
-
-Jedem nur festen und ausgebildeten Charakter liegt ein solches Princip
-der Einheit zum Grunde; und der Unterschied dabei ist nur der: ob der
-Besitzer dieses Charakters wisse, dass dies sein Princip sey, oder ob er
-es nicht wisse. Ist der Charakter mit Freiheit und Bewusstseyn nach
-jenem Grundsatze gebildet, so ist dieser Grundsatz freilich dem Besitzer
-des Charakters bekannt; ist er ihm durch das Ungefähr, durch Natur und
-Schicksal angebildet, so ist ihm dieses Princip nicht bekannt. Unser
-Held befand sich in dem letztern Falle; es ist daher gar nicht zu
-glauben, dass ihm der Grundsatz alles seines Denkens und Handelns je
-bekannt geworden.
-
-Wir haben nach allem Gesagten zuvörderst das Grundprincip von unsers
-Helden intellectuellem Charakter (denn von diesem allein soll hier die
-Rede seyn) aufzustellen, und von gewissen Phänomenen zu zeigen, dass sie
-durchaus nur aus jenem Princip erschöpfend und vollkommen hinreichend zu
-erklären sind. Auf diesem Puncte der absoluten Unmöglichkeit jeder
-andern Erklärung beruht die Richtigkeit unserer Angabe des Princips; wir
-ersuchen daher unsere Leser, darauf vorzüglich ihre Aufmerksamkeit zu
-richten. Wir werden sodann noch einige originelle Grundzüge des
-Charakters unsers Helden, die sich nur aus jenem Princip erklären
-lassen, anführen, sie mit ihren Phänomenen belegen, und so den Beweis
-der Richtigkeit unsers Grundprincips vollenden.
-
-Wir werden in dieser ganzen Schilderung unsern Helden betrachten als
-einen todten Mann, und von ihm reden, wie von einer Person aus der
-vergangenen Zeit. Dies ist jeder Charakterschilderung eigen. Der Grund,
-warum anderwärts man den Charakter eines Mannes während seines noch
-fortdauernden Lebens nicht zu schildern vermag, -- weil nemlich die
-Reihe der Erscheinungen noch nicht geschlossen und es nie sicher ist,
-dass nicht neue Phänomene eintreten, die auf ein anderes Princip der
-Erklärung führen dürften, auch man nicht wissen kann, ob nicht etwa die
-Person noch durch Freiheit ihre Maximen ändern werde -- fällt bei
-Nicolai ganz weg. Es wird sich hoffentlich in der folgenden Schilderung
-zeigen, dass das Princip seiner Denkweise die Unabänderlichkeit
-unmittelbar in sich selbst enthält. Unser Held ist befestigt, er kann
-sich nicht mehr ändern oder geändert werden; ist auch die Reihe der
-Phänomene seines Lebens nicht beschlossen, so ist es doch der Charakter.
-Der Verfasser dieser Beschreibung ist dessen so innig überzeugt, dass er
-sehr gern allen seinen Anspruch auf Menschenkenntniss aufgeben will,
-wenn sich finden sollte, dass Friedrich Nicolai vor seinem Ende noch
-irgend einen der ihm hier als charakteristisch beigelegten Grundzüge und
-Handelsweisen abänderte.
-
-
-
-
- Erstes Capitel.
- Höchster Grundsatz, von welchem alle Geistesoperationen unsers
- Helden ausgegangen sind.
-
-
-Unser Held war seit seinen reifen Jahren der festen Meinung, dass alles
-mögliche menschliche Wissen in seinem Gemüthe umfasst, erschöpft und
-aufbewahrt sey, dass sein Urtheil über die Ansicht, die Behandlung, den
-Inhalt und den Werth aller Wissenschaft untrüglich und unfehlbar sey,
-und dem Urtheile aller andern vernünftigen Wesen zur Richtschnur und zum
-Kriterium ihrer eignen Vernünftigkeit dienen müsse; mit Einem Worte,
-dass er alles, was in irgend einem Fache richtig und nützlich sey,
-gedacht habe, und alles dasjenige unrichtig und unnütz sey, was er nicht
-gedacht hätte, oder nicht denken würde.
-
-Diese Meinung setzte ihn nicht nur vor sich selbst über alle Zweifel,
-alle spätere Untersuchung und alle Besorgniss hinweg, dass er sich doch
-etwa über dieses oder jenes im Irrthume befinden möchte; sondern er war
-noch überdies von allen andern Menschen ebenso fest überzeugt, und
-muthete es ihnen an, dass sie über alle Zweifel hinausseyn müssten,
-sobald sie nur recht wüssten, wie er selbst eine Sache fände. Alle seine
-Widerlegungen gingen von dem Hauptsatze aus: ich bin anderer Meinung;
-daher er denn zu diesem Hauptgrunde noch andre Nebengründe hinzuzufügen
-gewöhnlich unterliess. Die Gegner, glaubte er, könnten schon daraus
-sattsam ersehen, dass sie unrecht hätten. Bei allen Verweisen und
-Züchtigungen, die er in seinen spätern Jahren an das ausser der Art
-schlagende Zeitalter ergehen zu lassen genöthigt wurde, hob er nur immer
-davon an, dass er zeigte, man habe nicht nach seinem Rathe gehandelt;
-dies allein, glaubte er, würde sie schon dahin bringen, dass sie sich
-schämten und in sich gingen.
-
-In dieser Voraussetzung liess er sich denn auch durch keinen noch so
-sonderbaren Vorfall, der sich etwa ereignen mochte, irre machen. Sogar
-wenn ihm, wie dies in seinem spätern Alter häufig begegnete, von allen
-Seiten her einmüthig zugerufen wurde: er werde wohl selbst eines
-Urtheils über gewisse Dinge sich bescheiden, oder auch -- er sey ein
-geborner Dummkopf, ein Salbader, ein alter Geck, und was man noch alles
-für Freiheiten sich mit ihm herausnahm, mochte er doch immer lieber
-voraussetzen, man sage dies bloss aus Schalkheit, und um sich für die
-empfangenen Züchtigungen zu rächen, als dass er irgend einem Menschen
-die Verkehrtheit zugetraut hätte, dass er fähig wäre, in allem Ernste
-und im Herzen einen Nicolai nicht anzuerkennen.
-
-Diese Meinung von ihm selbst war ihm nach und nach so zur fixen Idee
-geworden, hatte sich so mit seinem Selbst verwebt und war selbst zu
-seinem innersten eigensten Selbst geworden, dass man keine Spur hat, er
-habe dieselbe je deutlich in sich wahrgenommen und sie zum bestimmten
-Bewusstseyn erhoben. Er räsonnirte, urtheilte, richtete ^von ihr aus^,
-als seinem einzig möglichen Standpuncte, niemals ^über sie^. Er starb
-daher alt und lebenssatt, ohne je mit seinem Denken, auch nur in sich
-selbst zu Ende gekommen zu seyn.
-
-
-
-
- Zweites Capitel.
- Wie unser Held zu diesem sonderbaren höchsten Grundsatze
- gekommen seyn möge.
-
-
-Gleiche Ursachen bringen allenthalben die gleichen Wirkungen hervor. Nun
-haben die ausser unserm Helden selbst liegenden Umstände, welche unsers
-Erachtens die beschriebene sonderbare Meinung in ihm erzeugt, sich auch
-bei andern Menschen gefunden, und haben auch bei ihnen in einem gewissen
-Grade denselben Erfolg gehabt. Aber so unerschütterlich auf jenem
-Princip beharrt, so allumfassend und so consequent durchgeführt hat es,
-so viel uns bekannt ist, keiner, ausser unserm Helden; und dies eben ist
-es, was ihm die Ehre erwirbt, als Muster seiner Gattung aufgestellt und
-der Nachwelt überliefert zu werden. Es muss sonach bei ihm, zu jenen
-anzuführenden äussern Umständen der Entwickelung jenes Princips, noch
-eine vorzügliche innere Empfänglichkeit seiner Natur dafür hinzugekommen
-seyn. Zum grössten Glücke für die Menschheit hat unser Held selbst --
-denn warum sollte ich nicht ebensowohl wie Klopstock, in seiner
-Zueignungsschrift vor Herrmanns Schlacht, als schon geschehen
-ankündigen, was geschehen wird, und weit sicherer geschehen wird, als
-das durch Klopstock Verkündigte geschehen konnte -- er selbst hat,
-nachdem im Jahre 1803 sein letzter Feind, der transscendentale
-Idealismus, ausgetilgt, und die A. D. B. wiederum gehörig in den Gang
-gebracht war[2], seine glorreich errungene Musse dazu angewendet, die
-Geschichte seiner Bildung bis in seine Knaben- und Kindesjahre, und bis
-zu seiner Wiege zurückzuführen; hat diese Krone seiner Werke vollendet,
-und dann seinen Geist dem Himmel wiedergegeben. In den ersten drei
-Bänden dieses klassischen Werks können die Leser sich unterrichten, wie
-der erste Schrei des Neugebornen die Schriftstellerwelt erschütterte und
-alle Sünder in ihr erbeben machte, und wie schon seine Windeln von dem
-attischen Salze dufteten, das er seitdem in unsterblichen Worten
-ausgehaucht und angesetzt hat, so dass alle Umstehenden sich
-verwunderten, und sprachen: was will aus dem Kindlein werden? In den
-folgenden Bänden können sie finden, wie er, seitdem er sich seiner
-erinnern kann -- und er kann sich seiner seit den frühesten Jahren
-erinnern -- durch seine lebhafte Phantasie, einen Trieb zu lernen und
-eine Fassungskraft, weit über alle Kinder seiner Gesellschaft und seines
-Alters in sich verspürt, so dass er von seinen Eltern und seinen Lehrern
-als ein wahres Wunderkind ausgerufen worden. Aber wir überlassen den
-Lesern, dieses in der ausführlichen und grazienvollen Beschreibung des
-Helden selbst nachzulesen, und schränken uns, sowohl hier als ins
-künftige, auf dasjenige ein, was der berühmte Verfasser übergeht, und
-was wir nur aus andern Denkmälern jenes Zeitalters schöpfen können.
-
-Ich will hier nicht untersuchen, ob es nothwendig sey, dass der
-Uebergang der Schriftstellerei einer Nation aus der gelehrten in die
-lebende Sprache eine Epoche des Verfalls der wahren gründlichen
-Gelehrsamkeit bei sich führe. Bei den Deutschen wenigstens war dies der
-Erfolg. Man bildete sich etwas ein darauf, endlich deutsch schreiben
-gelernt zu haben; man wollte, dass es auch für Deutsch anerkannt würde,
-und bemühte sich daher, über alle Gegenstände so zu schreiben, dass denn
-auch in der That nichts weiter zum Verstehen gehöre, als die Kenntniss
-der deutschen Sprache. Der Vortrag wurde die Hauptsache, das
-Vorzutragende mochte sich bequemen; was sich nicht so sagen liess, dass
-die halbschlummernde Schöne an ihrem Putztische es auch verstände, wurde
-eben nicht gesagt; -- und da man nur um sagen zu können lernte, auch
-nicht weiter gelernt, -- späterhin verachtet, als elende Spitzfindigkeit
-und Pedanterie: kurz, das elende Popularisiren kam an die Tagesordnung
-und von nun an wurde Popularität der Maassstab des Wahren, des
-Nützlichen und des Wissenswürdigen. In diese Epoche fiel unsers Helden
-erste Bildung. Er wollte schon früh etwas bedeuten, und dünkte sich
-schon früh etwas zu bedeuten; ohne alle klassische Gelehrsamkeit, wie er
-damals war, und trotz des Anscheins derselben, mit dem er späterhin sich
-behängte, immer blieb, musste dieser Dünkel bei ihm um so verderblicher
-werden. Zu seinem Unglücke kam er in die Bekanntschaft zweier Männer,
-deren erster ohne Zweifel weit mehr Ernst und Reinheit der Gesinnung
-hatte, als Nicolai; aber dieselbe Beschränktheit des Geistes, der
-Einsicht und des Zwecks. -- Hatte wohl im Grunde einer von diesen beiden
-anfangs eine höhere Tendenz, als die, dieses und jenes Aberglaubens
-ihrer Kirchen sich zu erwehren, ihre Confessionen so vernünftig zu
-machen, als sie selbst wären, und, wenn das Glück gut wäre, sich eine
-natürliche Religion zu bauen, bei der sie jener Confessionen ganz
-entbehren könnten; nur dass es der Andere auch hierin ernstlicher und
-herzlicher meinte, als unser Held? -- Der zweite dieser Männer, in deren
-Bekanntschaft unser Held kam, war ein allumfassender, lebendiger,
-rastloser Geist, und ein Charakter, für das Wahre, Rechte und Gute
-gebildet; nur dass er damals in der Unendlichkeit seines Wesens noch
-nichts Bestimmtes zu ergreifen und festzuhalten vermochte. Unser Held,
-der damals noch nicht alle Fähigkeit verloren hatte, eine Superiorität
-ausser sich anzuerkennen, anerkannte die dieses gewaltigen Geistes; aber
-nachdem er sich mit Mühe und Noth einiges Vermögen erworben hatte,
-mitzutreiben, womit dieser noch nicht fixirte Geist sein Spiel trieb,
-hielt er dieses Spielwerk für das Höchste, und sich selbst für jenes
-Geistes gleichen.
-
-Mit diesem Augenblicke war er vollendet und fiel. Er ist seitdem nicht
-weiter gekommen, und nicht zur Besinnung. Später hat er sich noch für
-einen weit höhern Geist gehalten als jenen, den er nun für ein, gutem
-Rathe nicht folgendes, überspanntes Genie ausgab.
-
-Unser Held hatte, mit jenen vereinigt, einen kritischen Kreuzzug gethan;
-entscheidend gegen einige schlechte Reimer, in andern Fächern, z. B. dem
-der Philosophie, nicht ganz so glorreich. Sein grosser Mitkämpfer wurde
-allmählig inne, dass dies ein schlechtes Geschäft sey, und dass er es
-nicht in der besten Gesellschaft treibe. Er zog sich zurück, und unser
-Held beschloss nunmehro, die Sache in das Weitere zu treiben, und sich
-selbst, sich allein, zum Mittelpuncte der deutschen Literatur und Kunst
-zu constituiren. Die allgemeine deutsche Bibliothek entstand, schon an
-sich ein widersinniges Unternehmen, verderblich durch die Art, wie es
-ausgeführt wurde, am allerverderblichsten für den Urheber selbst.
-
-Unser Held mag von dem sehr richtigen Vordersatze ausgegangen seyn: der
-Redacteur eines die ganze Literatur und Kunst umfassenden periodischen
-Werks muss selbst die ganze Literatur und Kunst umfassen; muss, und zwar
-in jedem besonderen Fache, höher stehen und alles besser wissen, als
-irgend einer seiner Zeitgenossen. Er muss in jedem Fache die grössten
-Meister, zu Beurtheilung derer, die unter ihnen sind, wählen, sie zu
-finden, sie sich zu verbinden wissen; er muss aber sogar diese grössten
-Meister der Fächer übersehen, um ihre eingesendeten Beurtheilungen zu
-prüfen und ersehen zu können, ob sie mit dem gewohnten Fleisse und
-Gründlichkeit bearbeitet sind, ob nicht etwa diese Männer sinken, ob
-nicht jüngere grössere neben ihnen aufkommen.
-
-Anstatt nun von diesem richtigen Vordersatze aus weiter so zu folgern:
-Ich wenigstens habe diese notwendigen Erfordernisse nicht an mir, und
-von mir wird jene Idee einer allgemeinen deutschen Bibliothek wohl
-unausgeführt bleiben; schloss er umgekehrt: da ich nun jene Idee
-ausführen will, so muss ich annehmen und mich betragen, als ob ich alle
-jene Erfordernisse an mir hätte; als ob ich ein allumfassender
-Polyhistor und der geistreichste und geschmackvollste Mann meines
-Zeitalters und aller vergangenen und künftigen Zeitalter wäre. Ich muss
-Untrüglichkeit mir kräftigst zueignen. Da ein Ausführer jener Idee die
-grössten Männer aller Fächer erkennen, wählen und mit sich verbinden
-muss, so muss ich den Satz umkehren und annehmen, dass diejenigen, die
-ich erkennen, wählen und mit mir verbinden werde, die grössten Männer in
-ihren Fächern sind.
-
-Es ist schwer auszumachen, ob unser Held schon damals im ganzen Ernste
-von sich selbst geglaubt, was er von nun an freilich gegen alle Welt
-behaupten und unerschütterlich voraussetzen musste. Das
-Wahrscheinlichste ist, dass es ihm ergangen, wie allen, die in die Lage
-kommen, unaufhörlich eine Aussage zu wiederholen, von der sie selbst
-nicht recht überzeugt sind. Am Ende glauben sie selbst an ihre Wahrheit.
-Für möglich konnte Nicolai jene Voraussetzung von sich immer halten; er
-fand nirgends ausser sich eine höhere Weisheit, als die seinige, indem
-er nur die seinige begriff, derjenigen Seelenkraft aber, die da Ahnung
-eines Höhern heisst, von jeher gänzlich ermangelte. Auf die Wirklichkeit
-dieser Voraussetzung hätte er damals vielleicht noch nicht geschworen.
-Aber seitdem er die Redaction seiner Bibliothek ergriff, musste er alle
-Stunden seines Lebens jene Meinung voraussetzen, sie behaupten, jeden
-Zweifel dagegen kräftigst niederschlagen, und kam von dieser Arbeit nie
-zur ruhigen Besinnung; so dass es durchaus begreiflich wird, wie dieser
-Glaube diese langen Jahre hindurch sich ihm fest einverleiben und mit
-ihm zusammenwachsen musste.
-
-Das Unternehmen jener Bibliothek ergriff das Zeitalter. Die leichte
-Weisheit und die wohlfeile Gelehrsamkeit, welche durch das grosse Werk
-herbeigeführt, und schnell von einem Ende Deutschlands bis zum andern
-verbreitet wurden, fand Beifall. Der geringste unter den Lesern glaubte
-sich selbst zu lesen; gerade so hatte er die Sache sich auch von jeher
-gedacht, und nur nicht den Muth gehabt, es sich laut zu gestehen. Die
-Unmündigen erhielten die Sprache, und das gefiel ihnen. Unser Held sahe
-diese grosse Revolution, deren Stifter, die schnelle allgemeine
-Erleuchtung, deren Urheber er war. Warum hätte nicht der Glaube andrer
-an sein Werk seinen eignen Glauben an sich bestärken sollen?
-
-Schriftsteller, denen an dem Beifalle des grossen Volks gelegen war,
-versammelten sich um den Ausspender dieses Beifalls, gaben ihm Beiträge,
-liessen sich von ihm berathen und erziehen, und schmeichelten auf jede
-Weise seiner Eitelkeit[3]. Man glaubt leicht, was man wünscht; Nicolai
-nahm in aller Unbefangenheit alles für baare Münze, und ihm fiel nicht
-bei, dass diese Lobeserhebungen vielleicht nur dem Redacteur der
-allgemeinen deutschen Bibliothek, keinesweges aber seinen persönlichen
-Verdiensten gelten möchten. Jene Männer waren seinem Princip nach
-ohnehin, als Mitarbeiter an der Bibliothek, die ersten Köpfe der Nation.
-Er fand sich sonach von den ersten Männern der Nation gelobt, anerkannt,
-zu ihrem Meister erhoben. Wer konnte es ihm verargen, dass er ihnen
-glaubte?
-
-Und so verschmolz allmählig in seiner Seele der Begriff von deutscher
-Literatur und Kunst mit dem Begriffe seiner Bibliothek; diese mit dem
-Begriffe von ihm selbst. Die Bibliothek wurde ihm zum Mittelpuncte des
-deutschen Geistes, er selbst zur innersten Seele dieses Mittelpuncts. An
-den Recensionen dieser Bibliothek mussten alle literarische und
-artistische Bestrebungen der Nation, und hinwiederum an seiner Einsicht
--- diese Recensionen sich orientiren. Ausser jener Bibliothek war ihm
-jetzt und zu ewigen Zeiten kein Heil und keine Wahrheit für die
-Wissenschaft; und für die Bibliothek selbst kein Heil und keine Wahrheit
-ausser ihm. Jene war seine Welt, und er die Seele dieser Welt; was er
-erblickte, erblickte er durch jene hindurch, jene aber erblickte er
-durch sich hindurch. In dieser beruhigenden Stimmung lebte er und starb
-im frohen Glauben an die Unsterblichkeit seines Werks.
-
-
- Anmerkungen.
-
-[Fußnote 2: Mit dem im Texte erwähnten Jahre 1803 verhält es sich so:
-Nicolai hatte im 11. Bande seiner Reisebeschreibung vorher verkündigt,
-dass Fichte und alle seine Schriften im Jahre 1840 rein vergessen seyn
-würden. Er wurde hierüber, wie über so manches andere, in gewissen
-^Briefen über die Guckkastenphilosophie des ewigen Juden^ verspottet. In
-dem Aerger hierüber decretirte und enuncirte er, -- in der Schrift gegen
-die Xenien, wo ich nicht irre, -- es solle nunmehr mit Fichte nicht
-einmal bis zum Jahre 1840 Frist haben, sondern schon Anno 1804 solle er
-vergessen seyn. Das Jahr 1800 ist verflossen, das 1801 angebrochen; das
-fatale Jahr der Vorhersagung tritt näher, und noch zeigen sich keine
-Spuren, dass die Weissagung anfange in Erfüllung zu gehen. Dies fiel
-unserem Helden bei Abfassung der im Eingange erwähnten Anzeige aufs
-Gewissen; er fand nun doch, »dass ^andere^ Gelehrte wohl etwa glauben
-möchten, hinter den Spitzfindigkeiten der neuen Philosophie u. s. w.
-stecke etwas, dass ^er^ aber sagen könne, dass es durchaus eine Nullität
-sey, und dass i. J. 1803 sich darüber mehr werde reden lassen.«
-Freilich, wenn i. J. 1804 diese Philosophie rein vergessen seyn sollte,
-so müsste wenigstens i. J. 1803 die Nullität derselben dargethan
-werden.]
-
-[Fußnote 3: Damit ja niemand in Zweifel stelle, ob deutsche Gelehrte
-sich so weit herabgelassen, unserm Helden zu schmeicheln, hat er selbst,
-in seiner Schrift gegen die Xenien, bezeugt: »ihm sey von jeher sehr
-geschmeichelt worden.«]
-
-
-
-
- Drittes Capitel.
- Wie im allgemeinen dieser höchste Grundsatz im Leben unsers
- Helden sich geäussert habe.
-
-
-Theils nach den öffentlichen Handlungen und Aeusserungen unsers Helden,
-theils nach mehreren Anekdoten von ihm, die zu seiner Zeit im
-allgemeinen Umlaufe waren, schrieb er sich selbst ausschliessend die
-Fähigkeit zu, alle Gegenstände des menschlichen Wissens mustermässig zu
-bearbeiten. Er pflegte, so oft in seiner Gegenwart das Gespräch auf
-irgend einen solchen Gegenstand fiel, nur das zu beklagen, dass seine
-übrigen Geschäfte ihm nicht Zeit liessen, ein Muster der Behandlung
-desselben zu liefern. Alles, zu dessen Bearbeitung er ohnerachtet dieser
-überhäuften Geschäfte denn doch noch Zeit fand, bearbeitete er auch
-wirklich mustermässig. So war seine Topographie von Berlin das Muster,
-wornach alle Arbeiten dieser Art gemacht werden sollten, und er ergriff
-jede Gelegenheit, sie als solches zu empfehlen; keinesweges, wie er
-hinzuzusetzen pflegte, aus Eigenlob, sondern weil sich die Sache
-wirklich so verhielt[4]. Wozu er nicht Zeit fand, mochten seine
-Zeitgenossen bearbeiten. Dass sie ihr Muster nie erreichen, dass sie nie
-es so machen würden, wie unser Held es gemacht hätte, wenn er nur die
-Zeit dazu gefunden, das verstand sich. Aber sie hatten ja ihn bei sich;
-und er ertheilte gern Rath, wenn man ihn bescheiden darum ersuchte.
-
-Diesen Rath sollten sie lehrbegierig und folgsam annehmen, fortarbeiten
-und sich bestreben, seine Idee immer besser zu treffen. Sie sollten ja
-nur die Zeit zur Ausführung hergeben, die ihm mangelte; den Geist und
-die Uebersicht wollte er hergeben. So würden sie immer höher steigen,
-und ihm, ihrem Muster, stets näher kommen. Auf diese Weise hatte er in
-der Schule seiner Bibliothek und seines handschriftlichen Rathes die
-grössten Schriftsteller der Nation gebildet: einen Lessing, der nur
-leider in seinen spätern Jahren umschlug, rechthaberisch und unfolgsam
-wurde, und dafür zur wohlverdienten Strafe in Zweifel an der
-Gründlichkeit der bibliothekarischen Aufklärung und an der Evidenz der
-Mendelssohnschen Demonstrationen verfiel; einen Mendelssohn; einen
-Justus Möser, und so viele noch Lebende, deren Bescheidenheit mir
-verbietet, sie zu nennen: -- hat er nicht Schriftsteller allein, sondern
-durch die vortrefflichen Bildnisse deutscher Gelehrten vor der
-Bibliothek und der Berliner Monatsschrift in seinem Verlage, welche, wie
-ich als Augenzeuge betheuren kann, in Berlin noch immer regelmässig
-ausgegeben wird -- hat er dadurch auch junge bildende Künstler
-herangezogen, ermuntert und unterstützt. Die Bildung ging von ihm aus,
-als ihrem Centrum, und verbreitete sich regelmässig umher.
-
-Dieser gesetzte, geordnete, gemässigte Gang wurde nun durch einige
-excentrische Köpfe gestört. In der Kunst erschien Goethe, Schiller, in
-der Philosophie Jacobi, Kant, die transscendentalen Idealisten. Was
-hätte an ihnen daran seyn können? -- Hatten sie sich denn erst in der A.
-D. B. unter Nicolai's Aufsicht im Schreiben geübt? Oder hatten sie ihm
-ihre Pläne vor der Ausführung vorher vorgelegt, und mit ihm darüber
-correspondirt, wie Lessing in seiner guten Zeit, und Mendelssohn, und
-alle die, welche Meisterwerke geliefert haben? Keins von diesen allen
-hatten sie gethan; sie hatten ein so böses Gewissen gehabt, dass sie ihm
-ihre Arbeiten nicht einmal zum Verlage angeboten; die letzte
-Gelegenheit, bei der sie hätten erfahren können, wie sie mit denselben
-daran wären, und was sie darüber zu urtheilen hätten.
-
-Dass an ihren vermeinten Kunstwerken und Entdeckungen durchaus nichts
-seyn konnte, war sonach ohne weitere Untersuchung und Prüfung, mit der
-man nur die ohnedies so beschränkte Zeit verloren haben würde,
-unmittelbar klar; und man konnte ohne weiteres mit den Waffen des
-Lächerlichen, welche unser Held zu führen glaubte, wie kein andrer,
-dagegen vorschreiten. So entstanden Freuden Werthers, die witzige
-Schrift gegen die Xenien, der dicke Mann, Sempronius Gundibert, die
-spasshaften Theile der Reisebeschreibung; und was weiss ich, was noch
-alles entstand.
-
-Zwar liess sich einigen jener excentrischen Subjecte und Querköpfe nicht
-alles Talent und alle Kenntniss ganz absprechen, nur verhinderte sie
-ihre eigenliebige Meinung, dass sie ausser dem Umkreise der richtigen
-Schule für sich allein fortkommen könnten, daran, diesem Talente die
-wahre Richtung zu geben. Man musste suchen, diese etwanigen Gaben doch
-noch nützlich zu machen und sie der deutschen Literatur, d. i. dem
-Umkreise der allgemeinen deutschen Bibliothek, wiederzugeben. Unser Held
-fand sich sonach in der Nothwendigkeit, jene Menschen scharf zu
-züchtigen, ob sie nicht etwa in sich gehen und den rechten Weg
-einschlagen möchten. Man sah es ihm -- sein Geschichtsschreiber sagt
-dies an seiner Urne mit der vollsten Ueberzeugung -- man sah es ihm an,
-dass nie persönlicher Hass oder Feindschaft, sondern immer der
-redlichste Eifer für die Literatur ihn trieb; dass er mit einer Art von
-Wehmuth an das Amtsgeschäft einer solennen und ausführlichen Ausstäupung
-ging (mit kleinen beiläufigen Hieben nahm er freilich es etwas
-leichter); man bemerkte, wie ein geheimes väterliches Wohlwollen gegen
-die Bestraften selbst seinem Feuereifer für die Literatur eine gewisse
-rührende Milde beimischte, und wie er schon ein Vorgefühl von dem Danke
-hatte, den ihm die Gezüchtigten selbst, wenn sie einst zu Verstande
-kämen, bringen würden. Er war daher nicht leicht zu bewegen, alle
-Hoffnung an einem Menschen aufzugeben, und er wusste geschickt diese
-Hoffnung zu zeigen, um dem Sünder nicht allen Muth zur Besserung zu
-benehmen.
-
-Traf es sich nun, dass einer wirklich sich besserte, so war die Milde
-rührend, mit der er ihn wieder zu Gnaden annahm. So gab es in diesen
-Tagen einen gewissen höchst perfectibeln Krug, welcher freilich in der
-allgemeinen Achtserklärung gegen die philosophischen Querköpfe
-mitbegriffen war. Dieser ging in sich und gab unserm Helden eine
-Aehrenlese von den Feldern anderer Philosophen zum Verlage, worüber er
-vermuthlich auch Nicolai's Rath eingezogen; -- denn den pflegte dieser
-keinem, der bei ihm verlegen liess, vorzuenthalten. Dafür segnete auch
-Gott diesen Krug, dass ihm auf eignem Boden eine Rechtslehre erwuchs,
-die einem philosophischen Recensenten an der allgemeinen deutschen
-Bibliothek wie aus der Seele geschrieben ist[5]. Jederman war damals der
-Meinung, dass wenn der junge Mann nur so fortführe, er es mit der Zeit
-wohl selbst bis zum ordentlichen Recensenten an der allgemeinen
-deutschen Bibliothek unter Nicolai's eigener Redaction bringen könnte.
-
-
- Anmerkungen.
-
-[Fußnote 4: M. s. z. B. den 6ten Band der Nicolai'schen Reisen. S. 337
-ff.]
-
-[Fußnote 5: M. s. in demselben Hefte der N. D. B., in welchem die
-Eingangs erwähnte Anzeige sich befindet (56. B. St. 1. Heft 2.), kurz
-vor derselben die Recension des Krugschen Buches.]
-
-
-
-
- Viertes Capitel.
- Worauf es, zufolge dieses höchsten Grundsatzes, unserm Helden
- bei allen seinen Disputen angekommen sey.
-
-
-So oft unser Held im Begriff war, seinen Mund öffentlich aufzuthun, um
-dem Zeitalter einen Rath zu geben, oder eine Thorheit zu misbilligen und
-zu züchtigen, so trieb ihn seine liebenswürdige Bescheidenheit immer an,
-zuvörderst sich zu entschuldigen, dass er gerade die Sache zur Sprache
-bringe, dass er sie jetzt, in diesem Zeitpuncte, bei dieser Veranlassung
-zur Sprache bringe. Hierüber gab er immer seine guten Gründe an. Dass er
-aber die Sache, wovon die Rede war, verstehe, und dass er die Wahrheit,
-die pure lautere Wahrheit sagen könne, darüber gab er nie einen Beweis,
-indem es ihm gar nicht beikam, dass über diesen Punct irgend ein Leser
-oder Gegner den mindesten Zweifel hegen würde.
-
-So hub er, als er im 11. Bande seiner Reisebeschreibung von Tübingen aus
-auf die Horen, und von diesen aus auf die neue Philosophie schmälen
-wollte, damit an, dass er beklagte: es scheine nun einmal sein Beruf,
-dem Zeitalter unangenehme Wahrheiten zu sagen; und fuhr dann fort und
-sagte seine unangenehme Wahrheit; und alle Leser waren überzeugt und
-alle Gegner beschämt. Entweder hatten die letzten bisher, mit dem eignen
-guten Bewusstseyn, dass sie unrecht hatten, ihr Wesen getrieben,
-lediglich um etwas Neues, in der allgemeinen deutschen Bibliothek
-Unerhörtes anzubringen und Aufsehen zu erregen, und Nicolai wollte dies
-nun offenbaren; oder, wenn sie wirklich geglaubt hatten, recht zu haben,
-so sollten sie jetzt aus Nicolai's Versicherung, dass er ihnen die
-wahrste Wahrheit sage, vernehmen, dass sie denn also doch unrecht
-hätten.
-
-So sagt man, dass er allen mündlich geäusserten Vorstellungen und
-Bedenklichkeiten seiner Freunde, besonders wegen seiner spätern
-philosophischen Streitigkeiten, immer so zu begegnen gepflegt habe: man
-müsse überall mit der Sprache gerade herausgehn und die Wahrheit sagen.
-Ob sie gefalle oder nicht, ob man sich dadurch Feinde mache oder nicht,
-darnach könne nicht gefragt werden. Wenn die entgegengesetzte Maxime
-gelten solle, so hätten auch die Literaturbriefe nicht geschrieben
-werden müssen. So war er auf ewig gegen die Vermuthung befestigt und
-gesichert, dass irgend jemand glauben könne, er habe in der Sache selbst
-unrecht, und hielt jene Warnungen für nichts weiter, als für die
-zärtlichen Besorgnisse seiner schüchternen Freunde, durch die sie ihn
-verleiten wollten, aus Sorgfalt für seine persönliche Ruhe die Sache der
-Wahrheit zu verläugnen.
-
-
-
-
- Fünftes Capitel.
- Wirkliche Disputirmethode unsers Helden, aus diesem höchsten
- Grundsatze.
-
-
-Kam es nun wirklich zum Dispute, so machte unser Held es sich zum
-einzigen Augenmerk, die Wahrheit des Factums zu constatiren und dem
-Gegner den Ausweg des Abläugnens seiner That oder seiner Aeusserung
-abzuschneiden. Hierbei verfuhr er mit seiner gewöhnlichen Sorgfalt und
-Genauigkeit. Hatte er nur diesen Punct erst ins Reine gebracht, so
-schritt er ohne weiteres zum Endurtheile; denn er konnte den Glauben an
-den gesunden Menschenverstand seiner Gegner nie so weit aufgeben, um
-anzunehmen, dass sie der Thaten oder Aeusserungen, die sie aus seinem
-Munde wieder hören müssten, und von denen sie leicht abnehmen könnten,
-dass er sie misbillige, nicht sogleich sich innigst schämen, die
-Unrichtigkeit derselben einsehen und sie bereuen sollten.
-
-So kam in jenen Tagen zu Jena eine gewisse auch allgemeine
-Literaturzeitung heraus, welche sogleich in ihr Nichts verschwand,
-nachdem unser Held die Zügel der allgemeinen deutschen Bibliothek mit
-starken Händen wieder ergriffen hatte, und jener Zeitung die, bei
-Gelegenheit des Schellingschen und Schlegelschen Streits mit ihr zu Tage
-gekommene Abhängigkeit vorrückte. Dieser Zeitung sagte er in der oben
-angeführten unsterblichen Besitzergreifungsacte[6], zwar mit
-grossmüthigem Bedauern, dass dieses ihr Factum gewesen, jedoch übrigens
-kurz, fest und entschlossen, auf den Kopf zu, dass sie Kant gelobt
-hätte, und Reinhold gelobt hätte, er fügte jedesmal in Schwabacher
-hinzu, ^dass dies nicht zu läugnen wäre^. Freilich hatte jene Zeitung
-gehofft und geglaubt, dass kein Mensch als Nicolai jenen Verstoss
-entdeckt habe, und dass dieser es nicht weitersagen werde.
-
-So muss in jenen Tagen ein gewisser Fichte, von dem seit dem Jahre 1804
-alle Nachrichten verschwinden, sein Wesen getrieben haben. Diesem führt
-unser Held in derselben klassischen Acte mehrere seiner
-höchststräflichen Aeusserungen kurz und gut zu Gemüthe; dass z. B.
-dieser Fichte, und noch dazu vom Anfange an, und noch dazu ganz laut
-gesagt habe, kein einziger von Kants zahlreichen Nachfolgern habe
-verstanden, wovon eigentlich die Rede sey, -- ausser er, Fichte, wie
-sich verstehe, setzt unser Held dazu. (Wenn dieser Fichte nur die
-gemeinste Logik hatte, so versteht sich dies freilich; wie hätte er
-urtheilen können, dass alle übrigen es nicht verständen, wenn er nicht
-selbst es zu verstehen geglaubt hätte?) Um allen Zweifel über die
-Sträflichkeit und Absurdität dieser Aeusserungen zu heben, versichert
-er, ^es seyen dies wirklich Fichte's eigne Worte^, und citirt
-allenthalben Buch und Seite; und in einigen Blättern, welche dem
-allgemeinen Austilgungskriege gegen Fichte vom Jahre 1803 entgangen,
-findet sich auch wirklich, dass diese Citationen richtig sind.
-
-Unser Held war ein unbarmherziger Gegner. Wie muss es den armen Fichte
-niedergedrückt haben, durch Nicolai an den Tag gebracht zu sehen, was
-von ihm zum Drucke befördert sey.
-
-
- Anmerkung.
-
-[Fußnote 6: Wir nennen die oft erwähnte Anzeige eine
-Besitzergreifungsacte; denn lasst uns nur in einer Note, die mancher
-Leser vielleicht auch nicht liest, bekennen, dass alle die getroffenen
-Anstalten nicht lediglich um der Herren Schelling, W. und F. Schlegel,
-Tieck, Fichte, und wie die Gezüchtigten noch alle heissen, unternommen
-sind; dass diese nur das Mittel sind zum höhern Zwecke, und die gegen
-sie aufgestellten Truppen nur dazu dienen, den Punct des eigentlichen
-Angriffs zu verdecken. Dieser geht, dass wir es nur zu unsrer eigenen
-Demüthigung gerade heraussagen, eigentlich -- ^gegen die Jenaische
-Literaturzeitung^.
-
-Nicht von den anzuzeigenden Schriften -- eigentlich den zwischen
-Schelling, A. W. Schlegel und der A. L. Z. gewechselten Streitschriften
--- nein, vom unsterblichen Stifter der A. D. B. hebt die Rede an, wie
-dieser zuerst die Idee gefasst, zur Verhütung aller Einseitigkeit und
-Parteilichkeit (!) Mitarbeiter aus allen deutschen Ländern und Provinzen
-einzuladen. S. 145. lässt sich zwar nicht läugnen, dass ^auch die
-Redactoren der A. L. Z. dieser Idee gefolgt^. S. 150 aber sind bei ihr
-gerade die unangenehmen Fälle eingetreten, »^welche der Stifter der A.
-D. B. eben durch die Einladung von Mitarbeitern aus allen deutschen
-Ländern und Provinzen -- vom Anfange an -- so vorsichtig zu vermeiden
-wusste^.« Es bekamen nemlich ^nun^ -- wie denn ^nun^? folgten denn nun
-die Redactoren der ^A. L. Z.^ nicht mehr der Idee des unsterblichen
-Stifters der A. D. B.? Ei, was weiss ichs: kurz -- »es bekamen ^nun^
-durch die individuelle Lage der Redactoren der ^A. L. Z.^ gegen
-Mitarbeiter, die mit ihnen in zu naher Verbindung an Einem Orte lebten,
-und gegen deren Freunde, persönliche Rücksichten einen merklichen
-Einfluss auf das Werk, welcher demselben sicher nicht vortheilhaft war,
-und -- ^bei unparteiischen Lesern _das Vertrauen zu demselben sicher
-verminderte_^.« -- In der ganzen Anzeige kann man weiter ersehen, wie
-eben durch jene Streitschriften der ^A. L. Z.^ und ihrer Gegner, »die
-freilich keinem von beiden Theilen vortheilhaft sind« und deren
-^deswegen^, »gegen die sonstige Gewohnheit der D. B., in anderen
-gelehrten Zeitschriften erhobene Streitigkeiten aufzunehmen und
-fortzuführen,« allerdings erwähnt werden musste -- wie, sage ich, durch
-jene Streitschriften so recht an den Tag gekommen, dass die Schlegel und
-Schelling in die ^L. Z.^ Einfluss gehabt, dass diese von ihnen
-^abgehangen^. Nun kann der scharfsinnige Leser selbst ermessen, welch'
-ein erbärmlicher Wicht die ^L. Z.^ seyn möge, da sie von so erbärmlichen
-Wichten, deren und ihrer Freunde Personalien eben deswegen hier wieder
-in frisches und geschärftes Gedächtniss gebracht werden mussten,
-abgehangen; -- diese ^L. Z.^, von der sich ohnedies nicht läugnen lässt,
-dass sie Kant gelobt, und Reinhold gelobt.
-
-Dagegen kann jeder Leser wissen, dass die D. B. der neuen und neusten
-Philosophie von jeher im Wege gestanden; die unartigen Schleifwege, auf
-denen sich doch einmal ein gutes Wörtchen über sie in diese B.
-eingeschlichen, sind nun auch entdeckt und, besonders seit Nicolai
-wieder das Regiment führt, sicherlich verhauen. Es ist der
-Bescheidenheit, die alles Selbstlob verschmäht, angemessen, dieses
-anonym in den letzten Heften der bei Bohn herauskommenden neuen B. zu
-der Zeit, da die ersten Bände der wieder alt gewordenen B. bei Nicolai
-erscheinen, und das Vertrauen der Leser zur ^A. L. Z.^ durch den
-Schellingschen Streit in frischer Verminderung begriffen ist, gehörig
-auseinanderzusetzen, damit die Leser wissen, wohin sie sich nun mit
-ihrem Vertrauen zu wenden haben.
-
-Jene Anzeige ist sonach, ihrer wahren Bestimmung nach, eine
-Besitzergreifungsacte des alten Vertrauens für die alte Bibliothek, von
-dessen Verminderung der alte Herausgeber doch einige Spur haben muss.
-
-Wir wünschen sehr, dass der scharfsinnige und scharftreffende Herr
-Hofrath Schütz diese wahre Tendenz jener Anzeige ja nicht merke, sondern
-sie unbefangen als eine blosse Ausstäupung dieser Schlegel, dieses
-Schellings, dieses Fichte hinunterschlucke; auch, dass nicht etwa diese
-unsere Note ihm zu Gesichte komme: denn sonst -- möchten wir nicht an
-Herrn Nicolai's Stelle seyn. Auch dürfte sodann vielleicht uns selbst
-unser Eifer für die Ehre und den Flor jenes grossen literarischen
-Instituts nicht zum Besten bekommen.]
-
-
-
-
- Sechstes Capitel.
- Eine der allersonderbarsten Meinungen unsers Helden, zufolge
- jenes höchsten Grundsatzes.
-
-
-Mag der Grund in einer ursprünglichen Unfähigkeit der Natur unsers
-Helden, oder in einer frühern Verbildung desselben gelegen haben, kurz,
-es war unter seinen grössten Verehrern und wärmsten Freunden darüber nur
-Eine Stimme, dass er für die Philosophie ganz untauglich sey. Sein Geist
-war ein dürrer Chronikengeist. Nie vermochte er sich über die Erfahrung,
-und zwar über die Erfahrung im allerniedrigsten Sinne des Worts, über
-das blosse Aneinanderknüpfen von Sinneseindrücken und den Erzählungen
-davon hinweg, bis zum Begriffe eines allgemeinen Gesetzes, nach dem jene
-Erscheinungen erfolgten, oder erfolgen sollten, als dem ^Materiale^
-aller Philosophie, zu erheben. Doch was rede ich von dem Begriffe eines
-Gesetzes? Nicht einmal zu dem Begriffe eines Vordersatzes wusste er sich
-zu erheben; wie hätte er sonach jemals die leiseste Ahnung, auch nur von
-dem ^Formalen^ der Philosophie, von dem Zusammenhange der Gedanken in
-einer philosophischen Untersuchung, von dem Werthe und der Bestimmung,
-die sie von der Stelle erhalten, da sie stehen, von einem organischen
-Ganzen des Denkens, haben können? Jeden möglichen Gedanken, den er
-äusserte, trug er vor als unmittelbar gewiss, und durch sich selbst
-klar; ob, weil er ihn sagte, oder durch die Art, wie er ihn sagte,
-lassen wir an seinen Ort gestellt. Diese alle gleich unmittelbar
-gewissen Gedanken setzte er nun zusammen, wie sie ihm unter die Hände
-kamen, jeden möglichen an jeden andern möglichen, und so verwandelte
-sich ihm alles menschliche Denken in einen grossen Sandhaufen, in
-welchem jedes Körnchen für sich besteht, und alle durcheinander geworfen
-werden können, ohne dass in dem Einzelnen etwas verändert wird. Wir
-werden tiefer unten Belege dieses Verfahrens anführen.
-
-Nun ist zwar demjenigen, der zu einer gewissen Sache absolut unfähig
-ist, nicht füglich anzumuthen, dass er diese seine Unfähigkeit erkenne;
-denn gerade dasselbe, was ihn zur Sache unfähig macht, macht ihn auch
-unfähig, seine Fähigkeit zur Sache zu beurtheilen. Aber bei gewöhnlichen
-Menschen wird durch ein dunkles Gefühl ersetzt, was ihnen an klarem
-Urtheil abgeht. So ist es in Absicht des Faches, wovon wir hier
-sprechen, nichts Seltenes, Personen, wenn sie nur nicht als Professoren
-der Metaphysik, oder als philosophische Recensenten an der A. D. B. ihr
-Brot verdienen müssen, gestehen zu hören, dass Metaphysik ihr wahres
-Kreuz sey, dass es ihnen damit noch nie recht habe gelingen wollen, oder
-wenn sie mehr Eigendünkel haben, dass dies leere Spitzfindigkeiten
-seyen, mit denen sie sich den Kopf zerbrechen, -- nur nicht möchten. --
-Ferner hat ja jeder Mensch irgend einen vertrautern Bekannten oder
-Freund; und Nicolai hatte deren so viele unter seinen Zeitgenossen, die
-sich doch auch ein Urtheil über Philosophie zuschrieben. Sollte denn
-niemals einer von diesen unserm Helden mit aller Bescheidenheit zu
-verstehen gegeben haben, dass er zwar in andern Geschäften des
-menschlichen Scharfsinns, in der Fähigkeit, die feinsten Machinationen
-der Jesuiten zu wittern, den seltensten Zuschnitt eines
-Predigerüberschlags oder einer Perrücke auszuspüren, seines Gleichen
-nicht habe; dass er aber in der eigentlich sogenannten höhern
-Philosophie nicht dieselbe Stärke besitze? Setzte nicht Kant, dem unser
-Held doch auch nicht allen Scharfsinn absprach, zutrauungsvoll von ihm
-voraus, er werde wohl selbst eines Urtheils über Gegenstände der höhern
-Speculation sich bescheiden?
-
-Was that unser Held? Leistete er etwa, durch jenes dunkle Gefühl
-gewarnt, gleich von vornherein Verzicht auf dieses ihm durch seine Natur
-verschlossene Fach, oder achtete er auf jene Warnungen, und gab
-späterhin seine Theilnahme an demselben auf?
-
-Wie konnte er? Gehört denn nicht die Philosophie zum Umfange der
-menschlichen Kenntnisse, und ist sie nicht von jeher von allen Besitzern
-dieser Kenntnisse sogar an die Spitze derselben gestellt worden? Hatte
-nicht die Bibliothek von jeher auch das Fach der Philosophie umfasst?
-War es denn möglich, dass jemand Redacteur dieser Bibliothek, sonach die
-Seele derselben, sonach die Seele aller Geistesbildung wäre, der nicht
-eben darum der erste untrüglichste und allumfassendste aller Philosophen
-sey? Das Höchste, was er aus Herablassung gegen den alten Mann, den
-Kant, thun konnte, war, dass er einen historischen Bericht über seine
-philosophische Bildung abstattete. Aber gerade das, dass man fähig
-gewesen war, jenen Zweifel über unsers Helden Fähigkeit zu erheben,
-zeigte am deutlichsten den tiefen Verfall und die schreckliche
-Verwilderung in diesem Fache, und machte es ihm zur dringendsten
-Pflicht, von nun an alle seine Kräfte der Wiederherstellung desselben zu
-widmen.
-
-Auch hier, so wie allenthalben ging unser Held von dem Princip aus: ich,
-Friedrich Nicolai, bin anderer Meinung als ihr; und daraus könnt ihr
-ersehen, dass ihr unrecht habt. Er hat diesen höchsten Grundsatz seines
-speculativen Systems mehrere Male in bestimmten Worten ausgesprochen,
-ohnerachtet er sonst mehr für den rhapsodischen als für den
-systematischen Gang war. Es gehört zur Geschichte des Helden, wenigstens
-einige jener Aussprüche anzuführen.
-
-Jacobi hatte geäussert, und durch eine mit Lessing gehabte Unterredung
-belegt, dass der letztere in der höhern Speculation den Spinozischen
-Principien zugethan gewesen. Jene Aeusserung Jacobi's musste -- so
-wollten es die Freunde und -- Ehrenretter des Verstorbenen -- nicht wahr
-seyn; Lessing musste von den gesunden und moderaten Begriffen eines
-Nicolai und Mendelssohn nicht abgewichen seyn. Auch unser Held brachte
-seinen Beweis gegen Jacobi an. Und was für einen Beweis brachte er an?
--- ^Er, Nicolai, könne am gewissesten sagen, dass Jacobi Lessing
-sicherlich misverstanden hätte, indem er sagen könne, dass -- _Er selbst
-mit Lessing über jene Materie disserirt hätte_^[7]. Freilich war Jacobi
-nun hinlänglich beschämt. Welcher Leser hätte nach einem solchen
-Zeugnisse noch ein Wort von ihm angehört; und was hätte er auch
-vorbringen können, ohne vor sich ^selbst^ bis in die innerste Seele zu
-erröthen? -- Auf dieselbe Weise fürchtete er in der erwähnten berühmten
-Acte, dass freilich wohl ^andere^ Gelehrte glauben möchten, hinter den
-spitzfindigen Grübeleien der Ichphilosophie und der daraus gefolgerten
-speculativen Physik und Poetik stecke vielleicht etwas Wichtiges
-verborgen. ^Er^ aber, ^Er Nicolai^ wusste sehr wohl und verkündigte
-laut, dass die Nullität jener Philosophie nur immer deutlicher erhellen
-werde, und dass man im Jahre 1803 darüber mehr würde sprechen können[8].
-
-Aus diesem hier und da deutlich ausgesprochenen Princip führte nun unser
-Held unverrückt sein Richteramt in der Philosophie; auch da, wo er jenes
-Princip nicht deutlich aussprach. Alle seine Beweise beruhten allein
-darauf. Er hatte, seiner ^Bildung^ zufolge, einst gleichfalls
-Philosophie studirt, die philosophische Wahrheit ausgemessen, umfasst
-und in sich aufgenommen. Was damit übereinstimmte, -- war freilich nie
-so stark, so durchgeführt, so trefflich gesagt, als er es gesagt haben
-würde, wenn er nur Zeit dazu gehabt hätte, aber da er diese nun einmal
-nicht hatte -- mochte es doch existiren! Was damit nicht übereinstimmte,
-bei jener allgemeinen Ausmessung des philosophischen Gebiets von Nicolai
-nicht mit ermessen war, -- Jacobi's, Kants, der transscendentalen
-Idealisten Philosopheme -- welche Frage, ob sie falsch seyen? Wie
-konnten sie anders? -- indem ja, wenn sie wahr wären, Nicolai sie schon
-ehedem, eh' von allen diesen Menschen etwas gehört wurde, gefunden haben
-müsste. Falsch waren sie, das verstand sich, und unser Held musste,
-seinem beständigen Kriegsplane nach, ohne weiteres mit den Waffen des
-Lächerlichen dagegen vorschreiten.
-
-Kant war, als er mit seinem Systeme hervortrat, schon bejahrt, und
-dieses Verdienst blieb in den reifern Jahren unsers Helden nie ohne
-Wirkung auf ihn. Auch mochte vielleicht jener Philosoph, der bekanntlich
-sehr verschiedene Stufen der Bildung durchgegangen war, auf einer der
-frühern dieser Stufen einigen Wohlgefallen an der Aufklärerei der
-Bibliothekare gefunden und geäussert haben. Kant war daher ein übrigens
-(inwiefern er Nicolai's Grundprincip anzuerkennen schien) vernünftiger
-und gelehrter Mann, an welchem es umsomehr zu bewundern war, dass er
-Sätze als wahr behaupten könne, die Nicolai nicht aufgefunden. Die
-Streiche des Lächerlichen konnten ihm freilich nicht geschenkt, sondern
-mussten vielmehr, gerade weil er ein übrigens vernünftiger Mann war, von
-dem noch am ersten Besserung sich hoffen liess, wo möglich geschärft
-werden.
-
-Jacobi, als er als Schriftsteller auftrat, eben so die transscendentalen
-Idealisten, waren jünger als Nicolai; und in Rücksicht des jungen
-Anwuchses hatte unser Held die Maxime, sie scharf zu züchtigen, damit er
-in reiferen Jahren Ehre und Freude an ihnen erlebe. Daher war Jacobi
-einer jener mittelmässigen Köpfe, die alles drucken lassen, was sie etwa
-im Discurs gehört haben, oder vielmehr halb gehört haben, um sich ein
-Ansehn zu geben, ein Mann, der seine Materie nie recht durchdacht hatte,
-der nicht einmal schreiben konnte[9]. Die transscendentalen Idealisten
-waren Querköpfe, und wer weiss was sie noch alles waren.
-
-Und so benahm unserm Helden bis an sein Ende niemand die selige
-Ueberzeugung, dass im Umrütteln des oben erwähnten Sandhaufens das wahre
-Philosophiren bestehe; dass dies keiner besser könne, als er; und dass
-er sonach nicht nur der erste Philosoph aller Zeiten, sondern zugleich
-auch der gewaltigste philosophische Streiter sey. Die in seinen letzten
-Jahren häufiger an ihn ergehenden Zurufe, dass er in diesem Fache gar
-nichts verstehe, und hierüber am wenigsten eine Stimme habe, dienten ihm
-zum äussern, seiner innern Ueberzeugung freilich entbehrlichen Beweise,
-dass jene seine Meinung, von seiner philosophischen Superiorität, von
-jederman im Herzen anerkannt werde. Denn, sagte er bei sich selbst, wenn
-sie hoffen könnten, gegen meine Gründe etwas auszurichten, so würden sie
-ja diese zu entkräften suchen. Aber, da der blosse Anblick dieser Gründe
-sie zur Verzweiflung bringt (welches sich auch allerdings also
-verhielt): so bleibt ihnen nichts übrig, als einen Machtspruch zu thun,
-und zu sagen: ich verstehe nichts von der Sache. Dies aber beweist mir,
-dass sie wohl einsehen, ich allein verstehe die Sache.
-
-
- Anmerkungen.
-
-[Fußnote 7: M. s. ^Jacobi wider Mendelssohns Beschuldigungen etc.^
-(Leipzig bei Goeschen 1786, eine Schrift, deren Inhalt noch immer zur
-Tagesordnung gehört) S. 99., wo Jacobi die A. D. B. 65. B. 2. St. S.
-630. citirt. -- Eben daselbst sind die Beschuldigungen nachgewiesen,
-dass Jacobi nicht schreiben könne, seiner Materie nie mächtig sey, u. s.
-w.]
-
-[Fußnote 8: M. s. S. 167 der oft angeführten Anzeige in der N. D. B.]
-
-[Fußnote 9: In dem von ihm selbst herausgegebenen Lessingschen
-Briefwechsel mit Ramler, Eschenburg, Ihm (bei Ihm 1794) sagt Nicolai in
-der Vorrede, nachdem er beklagt, dass Mendelssohn Lessings
-Charakteristik nicht herausgegeben, -- woran bekanntermaassen diesen
-Freunden Lessings zufolge Jacobi's Notiz über Lessings wahres
-speculatives System ihn verhindert haben sollte: »dies ist nicht der
-erste Schaden, den die in Deutschland so übliche Anekdotenjägerei« --
-oder vielmehr Klatscherei (gab es in Deutschland wohl je eine ärgere
-Klatsche, als der Verfasser der bekannten Reisen?) »angerichtet hat,
-^da^ jeder mittelmässige Kopf, was er etwa im Discurse hört, -- oder
-halb hört, ^gleich^ drucken lässt -- um (Nicolai's bekannte pragmatische
-Methode) sich ein Ansehen zu geben.« Jacobi eben sollte nur halb gehört
-haben; er war es, durch dessen Druckenlassen die allein heilbringende
-Philosophie so aufgebracht war. Er war dieser Eine unter den
-mittelmässigen Köpfen.
-
-Armer Wicht, ahnete dir denn gar nicht von den Versuchungen des Teufels,
-als du diese Stelle niederschriebst? Hattest du denn gar keinen Freund,
-der dir in die Ohren geraunt hätte, dass wenn die Geisteskraft dieses
-mittelmässigen Kopfes, Friedrich Heinrich Jacobi, unter zehnmalzehnmal
-zehn Nicolai zu gleichen Theilen vertheilt würde, jeder dieser Nicolai
-seinen Kopf doch noch mit weit mehr Ehre durch die Welt tragen würde,
-als du, allererbärmlichster Friedrich Nicolai?
-
- * * * * *
-
-Und hiebei denn für mehrere Stellen dieser Schrift folgende Bemerkung.
-Ohnerachtet zwischen Jacobi und mir sich merkliche Differenzen erhoben
-haben, deren Hauptgrund ich darin finde, dass Jacobi über sehr
-wesentliche Puncte mich nicht genug verstanden, oder, wenn der Fehler an
-meinem Ausdrucke liegt, diese Puncte nicht in den Zusammenhang
-hineindenkt, aus welchem sie in meinem Denken hervorgehen, und in
-welchen ich sie sobald als möglich für alle Denker deutlich hineinsetzen
-werde -- vielleicht auch mit darin, dass Jacobi in seinem Kriege gegen
-den Nicolaismus sich gewöhnt hat, bei jedem seiner Gegner wenigstens
-eine kleine Portion dieses Nicolaismus, d. i. der leeren zwecklosen
-Denkerei, vorauszusetzen; -- ferner, wie Jacobi über mich und meine
-Unternehmungen auch je sich äussern, und ich nöthig finden möchte,
-diesen Aeusserungen zu begegnen; endlich, wenn es sich auch zutragen
-sollte, dass Jacobi nach dem allgemeinen menschlichen Schicksale
-späterhin durch Altersschwäche herabsänke, es selbst nicht bemerkte,
-keinen Freund hätte, der ihn warnte, und so vor dem Publicum seinem
-ehemaligen Selbst unähnlich erschiene: so soll mich doch dieses alles
-nicht abhalten, ihn für das Vergangene für einen der ersten Männer
-seines Zeitalters, für eines der wenigen Glieder in der
-Ueberlieferungskette der wahren Gründlichkeit, laut anzuerkennen: und
-dies nicht, um irgend jemandes Neigung mir zu erhalten, sondern weil es
-sich so gebührt. Hochachtung vor Männern gründet sich nicht auf
-zufällige Beziehungen, sondern auf Erkenntniss ihrer Verdienste; und es
-giebt des Achtungswürdigen wahrlich nicht so viel, dass man Ursache
-hätte, selbst dieses noch um kleiner Verstösse, oder wohl gar aus
-persönlichen Gründen, herabzusetzen. Ich erinnere dieses einmal für
-immer für diesen und ähnliche Fälle zur Vermeidung alles Anstosses und
-Misverständnisses, in unserm Zeitalter der Parteien. Es giebt nur Eine
-Partei, die man zu ergreifen hat, die für das Talent und die
-Gründlichkeit, und gegen die Dummheit und die Bosheit; von dieser Partei
-zu seyn, hat der Verfasser immer gewünscht.]
-
-
-
-
- Siebentes Capitel.
- Eine andere fast noch unglaublichere Meinung unsers Helden von
- sich selbst, zufolge jenes höchsten Grundsatzes.
-
-
-Ein anderes, beinahe unerklärliches Misgeschick unsers Helden war dies,
-dass, obgleich er allein mehr Papier beschrieben, als ein Dutzend seiner
-schreibseligsten Zeitgenossen, er doch bis an sein Ende nicht schreiben
-lernte. Man fand keine Zeile bei ihm, in welcher nicht ein oder ein paar
-unrecht angewendete Wörter und einige überflüssige vorgekommen wären. Am
-deutlichsten konnte man dies sehen, wenn man etwa das Unglück hatte,
-einiges aus seinen Druckschriften abschreiben zu müssen. Der Verfasser
-dieser seiner Geschichte sieht mit Schrecken vorher, dass tiefer unten
-diese Nothwendigkeit ohnedies ihn treffen werde. Er könnte es über das
-Herz bringen, grausamen Lesern, die ihm wohl gar anmuthen dürften, auch
-hier besondere Belege für seine Behauptung beizubringen, dafür
-anzuwünschen, dass sie selbst ein paar Seiten von Nicolai abschreiben
-müssten.
-
-Das Ganze seines Vortrages aber war so beschaffen: Es lag ihm stets
-innig am Herzen, dass seine Leser ihn doch ganz vernehmen und recht
-verstehen möchten. Es kam ihm daher, so wie er den ersten Perioden
-geendet hatte, immer so vor, als ob er noch was vergessen und noch nicht
-deutlich genug geredet hatte. Er fing sonach in einem zweiten wieder von
-vorn an, um zu sehen, ob ihm nicht im Reden das Vergessene beifallen,
-und ob es ihm mit der Deutlichkeit diesmal nicht noch besser gelingen
-möchte. Da es ihm nun aber mit dem zweiten Perioden eben so ergangen
-seyn könnte, wie bei dem erstern, so musste er nun freilich in einem
-dritten, und nach Endigung dieses in einem vierten wiederum von vorn
-anfangen, und so immerfort. So rang er rastlos nach immer höherer
-Deutlichkeit und Vollständigkeit; und wenn er endlich doch einmal
-aufhörte, wie er denn wirklich zuletzt noch immer aufgehört hat, so
-geschah dies lediglich darum, weil seine übrigen wichtigen Geschäfte ihn
-abriefen und ihm die nöthige Zeit zur vollkommenen Ausführung seines
-Themas nicht verstatteten.
-
-Dabei hatte er eine grosse Liebhaberei zum Witze, und seinen Geist schon
-früh bei den geistreichen Engländern, den Shaftsbury, Buttler, Smollet,
-den Verfassern des John Bunkel u. a. in die Nahrung gethan. Dennoch
-behielten bis in sein goldenstes Zeitalter, -- das der Gundiberte und
-der witzigen Theile von den Reisen -- seine Spässe eine gewisse dicke
-Zähheit, Plattheit und Gemeinheit. -- Da man in Nicolai's Witze den
-grössten Theil des polemischen Witzes seines Zeitalters zugleich mit
-charakterisirt, so dürfte vielleicht eine kurze Classification dieses
-Witzes hier nicht an der unrechten Stelle stehen.
-
-Wir theilen diesen Witz trichotomisch ein, und finden an ihm eine
-vollständige Synthesis. Die erstere Art ist der ^repetirende^ Witz; wenn
-am Markte einer aus dem Pöbel vor dem ganzen herumstehenden Haufen einer
-Hökerin sagt: du bist eine Diebin; und diese sich zu dem Haufen wendet
-und schreit: »Ich bin eine Diebin; sagt er:« ^Absolute Thesis des
-Witzes.^ Mit dieser Art pflegte unser Held seinen Widersachern die
-tiefsten Wunden zu schlagen; und die Schule der transscendentalen
-Philosophen soll allein daran sich zu Tode geblutet haben. -- Die zweite
-Art des Witzes ist die ^der einfachen Retorsion^; wenn jener sein Wort:
-»du bist eine Diebin« wiederholt, und die Hökerin ihm nun antwortet:
-»nein du, du bist ein Dieb:« ^Antithesis des Witzes.^ Auch diese Art
-wusste unser Held vortrefflich zu handhaben, und bediente sich derselben
-häufig. Endlich, die dritte Sorte ist die ^der spöttischen Retorsion^;
-wenn unser Mann sein Wort nochmals wiederholt, und die Hökerin ihm
-antwortet: »ja du wärst mir der Rechte, dass du mir das sagen solltest,
-du sähst mir so aus, du hättest es auf dem Leibe:« ^Synthesis des
-Witzes.^ Man muss es unserm Helden zum Ruhme nachsagen, dass er dieser
-letzten beissenden Sorte, ohnerachtet er auch sie sehr geschickt zu
-behandeln verstand, sich doch nur selten, und nur gegen sehr
-eingewurzelte Schäden bediente. Dies war der Umfang seiner Schalkheit,
-und andere Sorten haben in seinen zahlreichen Schriften sich nicht
-gefunden.
-
-So war es mit Nicolai's Talent zur Schriftstellerei nach der Wahrheit
-beschaffen.
-
-Was glaubte nun er selbst über dieses Talent? -- Lasset uns auch hier
-billig seyn. Wenn ein alter, misgeschaffener, von Gicht und Podagra
-zerrissener Faun, der in einem vorüberfliessenden Bache seine Gestalt
-erblickte, dieselbe männlich anständig und ehrwürdig fände: wer würde es
-ihm so sehr verdenken? Gehören doch die Augen, durch welche er sieht,
-auch zu ihm selbst. Wenn aber derselbe die krampfhaften Zuckungen der
-Gicht in seinem behaarten Gesichte für ein Lächeln der himmlischen
-Venus, und das Schlottern seiner verdorrten Schenkel und die Bebungen
-seiner spitzigen Bocksfüsse für die Tanzübung einer Grazie ansähe: so
-würde dies doch zu sehr das Mittelmaass der einem Faun allenfalls zu
-verstattenden Eigenliebe überschreiten.
-
-Es erging unserm Helden nicht viel besser als diesem Faune. Dass er sich
-für einen Richter und Meister über Sachen des Stils gehalten, beweisen
-theils der Tadel, den er so oft gegen anderer Schreibart ergehen lassen,
-wenn er z. B. Jacobi, ohne Zweifel einem der besten Stilisten seines
-Zeitalters, vorrückte: er könne nicht schreiben; theils die
-Liebkosungen, die er von Zeit zu Zeit ganz unverhohlen seinem eignen
-Vortrage machte, indem er sagte: die blossen Büchergelehrten wüssten gar
-nicht, wie man dem Publicum etwas vortragen müsse; er aber, ein Mann,
-der in der Welt gelebt, wisse es, und darauf Proben von dieser
-Fertigkeit gab[10]. Für welchen satirischen Kopf und durchtriebenen
-Schalk er sich gehalten, ist daraus zu ersehen, dass er die
-Horazisch-Shaftsburysche Maxime, durch das Lächerliche die Thorheit an
-den Tag zu bringen, zu der seinigen gemacht, und bis an sein Ende
-geglaubt, dass er der geborne und bestellte Verfolger aller Thorheit
-durch jene Waffen des Lächerlichen sey. Diese Meinung, da sie durchaus
-ohne alle äussere Veranlassung und von aller Wahrscheinlichkeit
-entblösst war, konnte durch nichts Anderes entstanden und befestigt
-seyn, ausser durch die Begriffe, welche unser Held von seinen Talenten
-überhaupt hatte.
-
-
- Anmerkung.
-
-[Fußnote 10: In sehr vielen Stellen der Nicolaischen Reisebeschreibung.]
-
-
-
-
- Achtes Capitel.
- Sonderbare Begriffe unsers Helden über seine und seiner Gegner
- gegenseitige Rechte, aus jenem höchsten Grundsatze.
-
-
-Da, wie gesagt, unser Held voraussetzte, dass er nie anders als recht
-haben könnte, und dass alle Welt gleichfalls, wenigstens im Herzen,
-derselben Ueberzeugung wäre, dass er nie unrecht haben könnte: so
-begegnete es ihm nicht selten, dass er seinem Gegner gerade dasselbe
-ernstlich verwies, was er selbst immer that, und vielleicht in demselben
-Augenblicke that, da er es jenem verwies. Sie sollten nemlich denken: ja
-dem Nicolai ist das wohl erlaubt, denn der hat recht; uns aber ist es
-nicht erlaubt, denn wir haben ja unrecht.
-
-So, nachdem er in der berühmten Acte mit grossmüthigem Bedauern
-gemeldet, dass es das Schicksal der Jenaischen allgemeinen Literatur
-geworden, Kant zu loben, und Reinhold: sagt er einige Seiten später ohne
-Bedauern, vielmehr mit Ruhme, dass seine allgemeine Literatur der neuen
-und neuesten Philosophie stets im Wege gewesen[11]. Man sollte meinen,
-Parteilichkeit ^für^ und Parteilichkeit ^wider^ sey doch immer beides
-Parteilichkeit, und eine der andern werth. -- Ja, aber die neue und
-neueste Philosophie ist ja falsch, denn sonst könnte die alte
-Nicolaische nicht wahr seyn; und es ist sonach allerdings ruhmwürdig,
-der ersten im Wege zu stehen, und sehr tadelnswürdig, sie zu loben.
-
-In derselben Acte beschuldigte er die Herren Schelling, A. W. Schlegel,
-Fichte, dass sie günstige Beurtheilungen ihrer Schriften in die
-Jenaische Allgemeinheit zu bringen, ja, dass der letztere sogar die
-bibliothekarische Allgemeinheit sich geneigt zu machen gesucht habe.
-Wenn sich dies auch nun so verhalten hätte (mikrologische
-Geschichtsforscher jener Zeiten, die ihren Fleiss sogar über die
-Lebensumstände jener nun vergessenen Schriftsteller verbreiten,
-versichern einstimmig, diese hätten die Wahrheit jener Beschuldigung
-beständig abgeläugnet), wenn es sich nun auch so verhalten hätte, hätte
-es ihnen denn Nicolai so sehr verdenken sollen, der sich rühmt, in
-seiner Bibliothek nur ungünstige Recensionen jener Philosophie, die eben
-darum seiner eigenen günstig sind, zuzulassen; und von welchem es in
-jenen Tagen bekannt war, dass er auch der Jenaischen allgemeinen
-Literatur dasselbe Princip angemuthet, und einem der Statthalter jener
-Literatur derb den Kopf dafür gewaschen, dass man ein paar Schriften von
-Fichte durch Reinhold habe recensiren lassen, und nicht vielmehr durch
-einen Mann, -- »der die Blössen jener Fichteschen Philosophie so recht
-an den Tag gebracht hätte?« -- Aber, war es denn jenen Männern noch
-nicht gesagt worden, dass sie unrecht hätten, von Nicolai selbst gesagt
-worden? War es nicht eine Schande, dass sie das Gift ihrer verworfenen
-Meinungen, mit dem sie für ihre Person leider angesteckt waren, nun auch
-durch die geheiligten Quellen der öffentlichen Literaturen in das
-Publicum zu bringen suchten, anstatt in die Einsamkeit sich
-zurückzuziehen und sich selbst heilen zu lassen?
-
-Dem Fichte besonders wird in jener Acte ein schweres Sündenregister zu
-Gemüthe geführt[11]. »Er habe sich in Jena auf Reinholds Stuhl gesetzt«
-(man hat mehrere Erklärungen der Antiquitätenkenner von dieser wichtigen
-Stelle, keine aber befriedigt uns, und wir müssen daher sie, die sehr
-leicht das grösste Verbrechen jenes Mannes enthalten mag, als
-unverständlich übergehen); »er habe gewusst, diesen so ungemein
-verehrten Lehrer bei den Studenten in Jena in kurzer Zeit fast in
-Vergessenheit zu bringen.« Unser Held hat nicht hinzugesetzt, welcher
-Mittel sich hierbei der Mann bedient; auf jeden Fall aber sollte man
-hieraus beinahe schliessen, dass es demselben nicht an allem
-Lehrertalente gefehlt haben müsse. Dies ist doch wohl nicht sein
-Vergehen? -- Vielleicht nur der üble Gebrauch, den er von jenem Talente
-machte? Aber der Reinhold, den er in Vergessenheit brachte, war ja, nach
-den Nachrichten der besten Geschichtschreiber, selbst ein Kantianer, und
-weit davon entfernt, in den Umkreis der allein wahren Bibliothek zu
-gehören. Diesen in Vergessenheit gebracht zu haben, kann Fichte's
-Vergehen nicht seyn. -- Lesen wir weiter. »^Nun^« (hier mildert der
-grossmüthige Mann ganz offenbar die Schuld des Angeklagten. Nach den
-besten Nachrichten hatte Fichte nicht erst, nachdem es ihm bei den
-Studenten gelungen war, Reinhold in Vergessenheit zu bringen, sondern
-sogar schon vor seiner Ankunft in Jena eine Schrift verfasst und dem
-Drucke übergeben, in welcher er geradezu die Kantische Philosophie für
-unvollendet erklärt, von den Reinholdschen Bemühungen bloss schonend
-gesprochen, und seinen Vorsatz, die Sache zu vollenden, bestimmt
-angekündigt.) -- »^nun^ habe es jenem Manne ein Leichtes geschienen,
-auch Kant von dem hohen Stuhle, der ihm als dem ^ersten Philosophen
-Deutschlands^ gesetzt worden, herunterzustossen.« Unser Held sprach nie
-und spricht auch hier nicht mit Billigung davon, dass Kant dieser hohe
-Stuhl gesetzt worden. Es war das unablässige Bestreben aller
-literarischen Thätigkeit seiner letzten Tage, ihn von diesem Stuhle
-herunterzustossen. Sonach wären ja Nicolai und Fichte einiger gewesen,
-als man glaubt, und der erstere hätte den letztern nimmermehr darüber
-tadeln können, dass er mit ihm für Einen Zweck arbeite. Lesen wir also
-weiter -- »^und sich selbst darauf zu setzen^.« Ja so, dies wollte
-Fichte, und hierin liegt sein Verbrechen! Dass er Reinhold in
-Vergessenheit brachte, war brav: dass er Kant vom hohen Stuhle
-herunterzustossen suchte, verdienstlich. Nur hätte er von da an in die
-Gemeine der Bibliothek, wo der wahre hohe Stuhl mit dem wahren ersten
-Philosophen Deutschlands schon längst besetzt war, selbst zurückkehren
-und die Seinigen dahin leiten sollen. Dann hätte man ihm seinen
-akademischen Beifall wohl gönnen mögen; er wäre vor seinen verderblichen
-Irrthümern bewahrt geblieben, hätte Reinholds Stuhl behalten bis an sein
-Ende, und sein Name lebte noch jetzt unter den andern berühmten Namen
-der Bibliothekare.
-
-In derselben Acte, und sonst noch an mehreren Orten, verweist Nicolai
-Schelling und Fichte die Unanständigkeit sehr ernstlich, dass ihnen
-zuweilen ihren Gegnern gegenüber so ein Wort von Halbköpfigkeit
-entschlüpft sey. Zwar war dieses, so viel man weiss, immer nur
-geschehen, wenn sie im Allgemeinen sprachen, und nie gegen bestimmte
-genannte Personen. Zwar hatten diese Schriftsteller seit Jahren ein
-System dem Publicum vorgelegt, das seinen Grundtheilen nach vollendet
-und vollständig bewiesen und begründet war. Warum man nun auf dasselbe
-sich nicht ernstlich einlasse, darüber hatten sie bis zu jener Epoche
-noch das erste vernünftige Wort aus dem Publicum zu vernehmen. Keiner
-ihrer Gegner verstand sie, und alles schwatzte, und muthete ihnen an,
-zehnmal abgewiesene Misverständnisse zum eilftenmale abzuweisen. Es wäre
-ihnen vielleicht zu verzeihen gewesen, wenn ihnen im Unwillen zuweilen
-etwas Menschliches begegnete. Nicolai hatte sie unter ihrem Namen, und
-mit ihnen zugleich noch eine Menge anderer genannter Männer in
-öffentlichen Schriften Querköpfe genannt, und noch mancherlei andere
-Schimpfworte ihnen angeworfen. Man hätte denken sollen, eine
-Zusammensetzung mit Kopf sey der andern werth, und die Benennung des
-Halbkopfs, der ja wohl noch wachsen kann, sey immer milder, als die
-eines völlig in die Quere gedrehten Kopfes; und Nicolai hätte sonach
-recht gut gleiches mit gleichem aufgehen lassen können.
-
-Aber wie können wir uns auch nur einfallen lassen, hier eine Gleichheit
-des Verhältnisses zu setzen? Hatte nicht zuvörderst Nicolai recht, und
-die Wahrheit auf seiner Seite? und war es an ihm zu tadeln, wenn im
-hohen Eifer für die Wahrheit ihm auch wohl ein derbes Scheltwort
-entfuhr? Vertheidigten die Gegner nicht den Irrthum, und war ihnen dies
-nicht etwa gesagt? Jemanden auch noch dazu zu schimpfen, weil er unsern
-Irrthum nicht gegen die Wahrheit vertauschen will: welche Verkehrtheit
-und Impertinenz! War nicht ferner Nicolai ein alter Mann, und jene
-Schriftsteller junge Leute; und ist es nicht eine ausgemachte Wahrheit
-unter allen alten Schriftstellern des Nicolaischen Kreises, dass die
-Alten auf die Jungen schimpfen dürfen, so viel sie wollen, diese aber
-nicht wiederschimpfen, sondern sich ziehen lassen müssen? Respect für
-das Alter! heisst es in dieser Schule; sogar wenn der alte Mann ein
-alter Narr ist. -- War Nicolai nicht der angestellte Altmeister aller
-Schriftsteller, und war es nicht sein ausdrücklicher besonderer Beruf,
-die Jugend durch jedes Mittel zum Guten zu ziehen; und konnten nicht
-auch harte Scheltworte unter diese Mittel gehören? Und diese Jugend,
-statt sich weisen zu lassen, schimpfte wieder. Welche Insubordination!
-Kurz, wenn Nicolai schimpfte, so that er es immer am rechten Orte, zu
-rechter Zeit, und schimpfte mit Grazie. Wenn andere schimpften, so war
-es gemein und pöbelhaft. Nicolai allein verstand zu schimpfen, und darum
-musste man es ihm allein überlassen.
-
-
- Anmerkung.
-
-[Fußnote 11: M. s. S. 147 der angeführten Anzeige in der N. D. B.]
-
-
-
-
- Neuntes Capitel.
- Wie unser Held, zufolge seines höchsten Grundsatzes, sich zu
- nehmen gepflegt, wenn derselbe angefochten worden.
-
-
-So fest und unerschütterlich unsers Helden Meinung war, dass ihn
-jederman für den ersten Menschen des Zeitalters anerkenne, so beharrlich
-war, wie jeder andere bemerken musste, sein Misgeschick, dass man ihn
-nicht einmal so recht im Mittelschlage mit wollte gelten lassen. So
-beliebt auch sehr bald seine Bibliothek wurde, so wusste man doch im
-grössern Publicum nicht viel anderes darüber, als dass er sie eben
-drucken liesse. Man hielt ihn höchstens für einen industriösen
-Buchhändler, und für einen Dilettanten in der Wissenschaft, der, weil
-viele Bücher durch seine Hände gingen, glaubte, wie eben jeder andere
-Buchhändler auch, über Bücher mitsprechen zu können. Für einen
-unstudirten Buchhändler, meinte man, möchten seine Räsonnements noch so
-hingehen. Er hat es in seinen alten Tagen dem Publicum oft genug in die
-Ohren rufen müssen, dass er sich wirklich und in der That nicht für
-einen blossen unstudirten Buchhändler, sondern in allem Ernste für einen
-wirklichen und wahren Gelehrten gehalten. Dennoch hat er es in keinem
-Zeitpuncte seines Lebens im Publicum zu derjenigen Reputation gebracht,
-welche in seinem Zeitalter jeder Gelehrte sich erwarb, der nur ungefähr
-ein Jahrzehend hindurch fleissig und anhaltend Bücher schrieb.
-
-Dies war wohl zum Theil Misgeschick, zum Theil aber auch eigene Schuld.
-Hätte er, nachdem er den Verstoss des Publicums merkte, nur mit seiner
-Emphase in der Welt verbreitet, dass er die Bibliothek nicht nur drucke,
-dass er auch an ihr recensire, ja, dass er sie redigire; hätte er sich
-vor aller eigenen Schreiberei unter seinem Namen sorgfältig gehütet: so
-würde er bald in dasselbe Ansehen gekommen seyn, welches so mancher
-andere höchst mittelmässige Redacteur berühmter gelehrter Zeitschriften
-geniesst, der der eigenen Autorschaft sorgfältiger aus dem Wege geht;
-und wir, sein Geschichtschreiber, wären der Hinzufügung des
-gegenwärtigen Capitels überhoben. Unser Held aber schrieb Bücher, dicke
-Bücher, unter eignem Namen, und dadurch verdarb er alles.
-
-Sein Sebaldus zwar hätte hingehen mögen. Dieser war dem Zeitalter seiner
-Erscheinung so angemessen, dass man ihn der Fähigkeit unsers Helden
-sogar nicht zutrauen wollte. Es sind wohl nicht viel unter meinen
-Lesern, denen ein zu jener Zeit ziemlich allgemein verbreitetes Gerücht
-nicht zu Ohren gekommen seyn sollte: Nicolai sey gar nicht der Verfasser
-des Sebaldus, er habe sich unrechtmässigerweise dafür ausgegeben; der
-wahre Verfasser, ein immer Geld bedürfender Gelehrter, bediene sich
-dieses Nicolaischen Plagiats, um durch die Drohung, es bekannt zu
-machen, in jedem Bedürfnisse Geld von ihm zu erpressen. -- Wir haben
-dieses Gerücht nicht angeführt, als ob wir selbst ihm Glauben
-zustellten; jenes Werk trägt zu unverkennbar das Gepräge der
-Nicolaischen Feder; sondern um zu zeigen, wie das Publicum von jeher
-über unsern Helden gedacht.
-
-Es folgte John Bunkel. Diesen hatte unser Held, seiner eigenen
-Versicherung nach, nicht selbst gemacht, sondern übersetzt. Aber das
-Buch fiel auf als schlecht; und darum stritt man ihm hier die
-Autorschaft auf, die man dort ihm abstritt; er sollte und musste mit
-aller Gewalt nicht der blosse Uebersetzer, sondern der Urheber selbst
-seyn. Und als man nun nicht länger läugnen konnte, dass er es übersetzt
-habe, war er darum um nichts gebessert. Der Verfasser der durchaus
-originellen, leider nicht sehr bekannt gewordenen ^Geschichte einiger
-Esel^ fing schon damals an, treffliche Beiträge zur Geschichte unsers
-Helden zu liefern.
-
-Jetzt trat unser Held seine Reisen an. Sein Weg führte den Berliner, der
-bisher zwischen dem protestantischen Berlin und dem protestantischen
-Leipzig und seiner Buchhändlermesse sein Wesen getrieben hatte, durch
-katholische Provinzen. Da sahe er Crucifixe an den Strassen,
-Heiligenbilder, Amulete, Votivtafeln; hörte, dass gewisse Heilige die
-Schutzpatrone gegen gewisse Landplagen oder Krankheiten wären; hörte,
-dass ein wohlmeinender Katholik, da seine Religion ihm allein
-seligmachend ist, jeden Menschen in den Schooss derselben zu bringen
-suchen müsse u. s. w. -- Dergleichen hatte er in Berlin und Leipzig
-nicht gesehen; hatte er ja von andern, die es gesehen hatten, etwas der
-Art erzählen gehört, so hatte er es für Aufschneiderei und für
-schlechten Spass gehalten; denn wie könnte doch irgendwo etwas anders
-seyn, als zu Berlin oder zu Leipzig; wie in aller Welt könnte man doch
-ein katholischer Katholik seyn? Jetzt sah er es mit seinen Augen, und
-rief athemlos durch das heilige römische Reich: hörts, Deutsche hörts,
-das Unglück -- die Entdeckung meines Scharfsinns; es giebt, o es giebt
-Katholiken, die da katholisch sind -- und damit man es ihm doch ja
-glauben möchte, brachte er alle Bilder und Gebetzettel aus allen
-Gegenden zu Hauf, und gab sie in den Kauf obenein.
-
-Nicht lange nachher begegnete ihm ein Verdruss mit seiner Bibliothek.
-Sie sollte -- welches, dass ich es im Vorbeigehen sage, nur zu wahr,
-offenbar und klar ist -- sie sollte ein der ^Religion^ gefährliches Werk
-seyn. Das war ihm zu hoch. Athmete doch dieses Werk seinem besten Wissen
-nach durchaus das, was er den reinsten Protestantismus nannte. Nur dem
-nunmehro seit seinen Reisen an den Tag gekommenen Antiprotestantismus,
-nur der ^katholischen^ Religion konnte es gefährlich seyn. Beide
-Visionen vermengten sich in seinem schwachen Kopfe, und dazu mischte
-sich noch eine dritte, die allein schon fähig gewesen wäre, ihn zu
-verwirren, die der geheimen Orden, der Gold- und Rosenkreuzerei. Nun
-konnten die Gegner seiner Bibliothek nichts Anderes seyn, als
-Kryptokatholiken, welche durch geheime Orden und andere Machinationen
-die Protestanten in den Schooss der römischen Kirche zurückzuführen
-suchten, und denen er durch seine Bibliothek und durch die wichtigen
-Entdeckungen seiner Reisen im Wege stand: und es musste von nun an alles
-von solchen Machinationen wimmeln. Noch im Jahre 1800 erzählte Nicolai
-in der Vorrede zum ersten Stück der von ihm wieder herausgegebenen
-Bibliothek sehr ernsthaft das alte Mährchen, und verrieth in aller
-Unbefangenheit den wahren Grund, der ihn auf diese Vision gebracht, die
-Anfechtungen nemlich, welche er und seine Bibliothek von einem Minister
-und einigen geistlichen Räthen unter der vorigen Regierung erdulden
-müssen. Jene vorgeblichen Verbreiter des Katholicismus thaten unserem
-Helden nur nicht die Liebe an, dass sie selbst katholisch geworden
-wären, geschweige, dass sie andere bedeutende Personen dazu gemacht
-hätten. Diejenigen, welche vielleicht anfangs durch das heftige Geschrei
-mit fortgerissen wurden, mussten sich denn doch nun, nachdem von allem
-Prophezeiten nichts erfolgte, und sie kälter wurden, erinnern, dass sie
-ja alles, was Nicolai ihnen erzählt, schon vorher auch gewusst und
-gesehen hätten, und dass beinahe alle Welt es gewusst und gesehen hätte,
-sie mussten sich wundern, dass es unserm Helden allein vorbehalten
-gewesen, diese Sachen so bedeutend zu nehmen, und so scharfsinnige
-Schlüsse daraus zu entwickeln, sich fragen, warum sie denn nicht selbst
-auch von denselben Prämissen aus auf dieselben Entdeckungen gekommen,
-und das Ganze konnte sich nur durch ein lautes und allgemeines Gelächter
-über unsern Helden beschliessen.
-
-Noch stand ihm eine andere traurige Epoche seines Lebens bevor: seine
-Feldzüge gegen die neuere Philosophie. Zwar waren seine Einwendungen
-gegen diese Philosophie, -- etwa, dass ja die Erscheinung der Sinnenwelt
-so gar nicht vor Blutigeln weiche, vor denen doch sonst jede Erscheinung
-verschwinde, oder dass, wenn alles, was da ist, das Ich selbst sey, ein
-Mensch, der eine wilde Schweinskeule ässe, sich selbst ässe, -- diese
-Einwendungen waren sämmtlich von der Art, dass jeder Knecht und jede
-Magd im römischen Reiche, die sie vernahmen, finden mussten, sie hätten
-dieselben wohl auch vorbringen können. Aber dadurch, dass unser Held sie
-ihnen so vor dem Munde wegnahm, empfahl er sich schlecht ihrer
-Zuneigung. Ueberdies hörten sie auch nicht, dass man jene Philosophen
-von Obrigkeitswegen in die Tollhäuser gebracht, welches doch, wenn ihre
-Behauptungen durch jene Einwendungen getroffen würden, nothwendig hätte
-geschehen müssen. Sie blieben also immer geneigter, anzunehmen, dass
-jene Sätze wohl noch einen andern Sinn haben dürften, den Nicolai nur
-nicht verstände, oder hämischerweise verdrehe; und so that selbst bei
-den gemeinsten Lesern diese Art der Polemik der Ehre unsers Helden weit
-grössern Abbruch, als der Ehre jener Philosophen.
-
-Diese zusammenhängende Reihe von Unglücksfällen musste nothwendig unsern
-Helden, der nie einen befestigten Credit besessen, immer verächtlicher
-und lächerlicher machen. Er kam in seinen letzten Tagen nach dem Jahre
-1803 so herab, dass jeder Muthwillige, der gerade keinen spasshaftern
-Zeitvertreib hatte, den alten Steinbock zu Berlin neckte und am Barte
-zupfte, um sich an seinen Capriolen zu belustigen.
-
-Wie benahm sich nun unser Held dabei? Ging ihm denn noch kein Licht
-darüber auf, dass das Zeitalter ihn nicht für seinen ersten Mann hielte?
-Keinesweges. Gegen diese Ahnung hatte er schon früher sich befestigt
-gezeigt.
-
-War es irgend möglich zu hoffen, dass man eine gegen ihn ergangene
-Schmähung überhört habe, so pflegte er derselben lieber gar nicht zu
-erwähnen, sondern sie mit grossmüthigem Stillschweigen zu übergehen. So
-hatten allerdings mehrere aus der Schule der transscendentalen
-Idealisten ihn oft etwas respectwidrig behandelt. Fichte hatte das
-einzige Mal, da er seiner erwähnt, ihn als die ^seufzende Creatur^
-charakterisirt; Schelling hatte ihn einmal ^einen alten Californier^,
-und ein andermal ^einen alten Geck^ gescholten; Niethammer hatte gar die
--- zwar ungegründete, und tiefer unten zu widerlegende Hypothese
-geäussert: Nicolai sey nun wirklich übergeschnappt, und er sey der Gott
-Vater zu Bedlam, der gegen seinen Nachbar Jesus Christus, -- etwa den
-Ritter Zimmermann, die Zähne fletsche. Dennoch hat Nicolai, so oft er
-auch hinterher veranlasst worden, diesen Männern ihr übriges Unrecht
-hart zu verweisen, dieser ihm selbst widerfahrenen Beleidigungen nie
-auch nur erwähnen mögen. Er hat vielmehr immer standhaft vorausgesetzt,
-dass jene Männer seiner Weisungen allerdings achteten, und lehrbegierig
-darauf hörten, und durch dieselben schon noch zur Besinnung gebracht
-werden würden. Tieck hatte ihn beinahe in allen seinen Schriften auf
-eine sehr empfindliche Weise durch wahren, tief eingreifenden Witz
-angezapft; besonders aber erschien im ersten Hefte seines poetischen
-Journals ein alter Mann, der unserm Helden wie aus den Augen geschnitten
-war; auch stellte im jüngsten Gerichte desselben Hefts Nicolai
-namentlich sich in einer höchst possirlichen Gestalt dar. Dadurch wurde
-unser Held so wenig beleidigt, dass er Kaltblütigkeit genug beibehielt,
-in eigner Person jenes Heft zu recensiren[12]. Zwar konnte er es nicht
-verbergen, dass die beiden Aufsätze, in denen er angegriffen war, nichts
-taugten; war aber schonend genug, den eigentlichen faulen Fleck in
-denselben nur ganz leise, wie wir unten sehen werden, zu berühren.
-
-War aber der Verstoss in zu grosser und guter Gesellschaft gemacht, und
-liess sich nicht annehmen, dass er auf die Erde gefallen sey, so wusste
-unser Held immer gut nachzuweisen, warum die Gegner so sprechen müssten,
-wie sie sprachen. Es fand sich immer, dass er sie schon früher
-angegriffen, und ihre Eigenliebe gekränkt habe, dass sie nur dafür sich
-rächen wollten, und deswegen Dinge vorbrächten, denen ihre wahre
-Herzensmeinung widerspräche. So war in den bekannten Xenien der Spass
-mit unserm Nicolai wirklich weit gegangen, auch liess sich die Kunde
-davon nicht gut abläugnen. Unser Held aber zeigte, dass die Verfasser
-jene Gedichte nur deswegen publicirt hätten, um die tiefen Wunden, die
-er ihnen durch den 11. Band seiner Reisen geschlagen, zu rächen.
-»Freilich höre niemand gern die Wahrheiten, die er ihnen dort sage, es
-sey ihnen eben nicht zu verdenken, dass sie sich rächten, so gut sie
-vermöchten.« Uebrigens wusste er, dass sie ihn im Herzen doch verehrten,
-ihn für einen Meister anerkannten, und gewaltige Furcht vor ihm
-hatten[13].
-
-So sagte er von den transscendentalen Idealisten, dass sie die D. B. zu
-verachten nur affectirten[14]. Freilich waren sie eine rohe,
-ungeschlachte Rotte, jene Idealisten, die für manches Geachtete wenig
-Achtung bezeigten. Aber die Bibliothek, dieses grösste Werk unsers
-Helden, wirklich und in der That nicht zu achten -- diese Verkehrtheit
-konnte selbst ihnen Nicolai nicht zutrauen. Nein, sie stellten sich nur
-so, sie affectirten nur Nichtachtung, weil ihnen die Trauben des
-schmackhaften Lobes jener Bibliothek zu hoch hingen.
-
-So setzte er bei der oben erwähnten Recension des Tieckschen Journals
-hinzu: »Tieck äussere da sein Misfallen an einigen Personen, denen er
-selbst und seine Verse wohl auch nicht gefallen haben möchten.« --
-Mochte doch diese Stelle denjenigen, die dieses Journal nicht gelesen
-hatten, dunkel bleiben. Was sollte doch er selbst durch seine Bibliothek
-das leider erhobene Skandal weiter verbreiten? Waren aber welche unter
-den Lesern, die jenes Journal gesehen hatten, so konnten diese nur
-glauben, Nicolai möchte Herrn Tieck früher etwas zu Leide gethan haben,
-dieser habe dafür sein Müthchen an ihm kühlen wollen; nicht, als ob er
-im Herzen nicht voller Achtung und Respect für ihn sey, sondern
-lediglich aus dem boshaften Grunde, sich an ihm zu rächen.
-
-Auf diese Weise entging unser Held dem, was in jedem andern Falle sicher
-zu erwarten gewesen wäre, dem sichtbar erscheinenden und im bürgerlichen
-Leben sich äussernden Wahnsinne. Mit dem Ritter Zimmermann, welchem
-Nicolai seine Eitelkeit nicht verzeihen konnte, ohnerachtet er selbst
-daran einen grössern Antheil hatte, und mit demselben Wohlgefallen von
-seinem Schachspielen mit dem Minister Wöllner, und von der witzigen
-Abfertigung, die er ihm gegeben, erzählte, als jener von seinen
-Unterredungen mit Friedrich dem Zweiten erzählt hatte -- mit dem armen
-Ritter endete es traurig, und auch dem unglücklichen Wetzel bekam seine
-Göttlichkeit übel. Es glaubten deswegen viele, dass es auch mit unserm
-Helden auf dieselbe Weise enden würde; und der oben angeführte Gelehrte
-glaubte sogar einstmals, dass dieser Fall wirklich eingetreten sey.
-Diesen Männern entging nur folgendes, dass man, um wahnsinnig werden zu
-können, doch noch irgend einen wahren und richtigen Gedanken
-unaustilgbar in sich haben muss, welcher mit den ebenso fest
-eingewurzelten unrichtigen und falschen in einen nie zu entscheidenden
-Widerstreit geräth, und dadurch das Phänomen der Geistesverwirrung
-erzeugt. Totale und radicale Verkehrtheit aber, mit welcher auch nicht
-Ein richtiger Gedanke verbunden ist, stimmt mit sich selbst innig
-zusammen, und macht das Verfahren ebenso fest und unerschütterlich und
-gleichmässig, als die Wahrheit. Ein solcher ist in seinem Ideenkreise
-beschlossen, und kein Gott würde einen Gedanken in denselben
-hineinbringen, der nicht darein passte. -- Hierzu kommt, dass besonders
-diejenige Art der Verrücktheit, welche aus Eigendünkel entsteht, und in
-welcher die Menschen sich für ganz etwas Anderes halten, als sie sind,
-eigentlich nur durch den Widerspruch anderer erhitzt, erbittert, und zu
-den wilden Aeusserungen, in die sie öfters ausbricht, bewogen wird. Bete
-man nur jenen Gott Vater zu Bedlam, und seinen Sohn Jesus Christus
-gläubig an; lasse man sie nur ruhig bei der Meinung, dass sie die Welt
-regieren und alle Tage das Wetter machen, und sie werden sehr sanfte
-wohlthätige Gottheiten bleiben. Nur der Widerspruch reizt sie. Gegen
-diese Reizung war unser Gott Vater durch ein in seiner Narrheit selbst
-liegendes Mittel gesichert: er glaubte nie, dass der Widerspruch
-ernstlich gemeint sey. Die Schnippchen, die man gegen seinen papiernen
-Olymp heraufschlug, hielt er für eigen gestaltete Dämpfe des Weihrauchs.
-Handelten die Sterblichen unter ihm nicht nach seinem Sinne, so griff er
-zu etwas, das er treuherzig für seinen Donnerkeil hielt, schleuderte es,
-und war nun fest überzeugt, dass alles um ihn herum zerschmettert und
-vernichtet wäre.
-
-Ein Narr war er freilich; denn es ist ohne Zweifel ebenso närrisch, wenn
-ein einfältiger unstudirter Buchhändler, der nie eines systematischen
-Unterrichts genossen, und nie die entfernteste Idee davon gehabt, was
-eine Wissenschaft sey, sich für den ersten aller Gelehrten, ein geborner
-stumpfer Kopf, der es nie dahin bringen können, auch nur einen Perioden
-sprachrichtig und logisch zu schreiben, sich für einen Mann von
-allgemeinem und ausserordentlichem Talent, und ein ausgemachter Berliner
-Badaud[15] und ungezogener tölpelhafter Schwätzer sich für einen grossen
-Weltkenner und Weltmann hält: als es närrisch ist, wenn ein armer
-Schuhflicker sich für den König von Jerusalem ansieht. Aber in dieser
-Verrücktheit blieb er sich so unerschütterlich gleich und alles sein
-Handeln, Glauben und Denken stimmte mit ihr, und unter sich so wohl
-überein, dass, wenn man bloss seine Aeusserungen unter einander
-verglich, und mit der ungeheuren Falschheit der ersten Voraussetzung
-nicht bekannt war, man bis an sein Ende nicht die geringste Spur einer
-Verstandesverwirrung an ihm entdecken konnte.
-
-
- Anmerkungen.
-
-[Fußnote 12: M. s. 3. Heft. 1. St. 56. B. der neuen deutschen
-Bibliothek.]
-
-[Fußnote 13: M. s. Nicolai's Schrift gegen die Xenien.]
-
-[Fußnote 14: M. s. das 2. Heft des oben angeführten Stücks der N. D. B.]
-
-[Fußnote 15: Wir erklären uns über diese Benennung in der 4ten Beilage.]
-
-
-
-
- Zehntes Capitel.
- Ein Grundzug des Geistescharakters unsers Helden, der aus
- jenem höchsten Grundsatze natürlich folgte.
-
-
-Wer bei aller Geistesthätigkeit keinen andern Zweck hat, als den, sich
-geltend zu machen und sein Uebergewicht zu zeigen, weil er ein solches
-Uebergewicht zu haben vermeint, der verliert sehr bald durchaus allen
-Sinn für jeden möglichen andern Zweck der Geistesthätigkeit. Ihm ist
-alles Forschen und Nachdenken lediglich Mittel zum Disputiren,
-keinesweges aber zur Auffindung einer bleibenden Wahrheit, die allem
-weitern Disput ein Ende mache. Eine solche Wahrheit, die da nun wahr sey
-und bleibe, ist ihm ein Greuel, er hasst sie und wüthet gegen ihre Idee;
-denn wenn sie gefunden würde, so müsste ja auch er sich ihr unterwerfen
-und dürfte nichts gegen sie sagen.
-
-Dieser Hass gegen alle positive bleibende Wahrheit musste also ein
-Grundzug unsers Helden seyn, der von dem nun sattsam beschriebenen
-Princip ausging. Gab er ja eine für sich bestehende und bleibende
-Wahrheit zu, so war es die der Anekdote; und sogar das ist zweifelhaft,
-ob er auch diese zugab. In allem, was über diesen Standpunct hinauslag,
-und ganz besonders in philosophischen und religiösen Materien, erblickte
-er nichts weiter, als einen Gegenstand des Disputs, wo jede Meinung so
-viel werth wäre, als jede andere, und der überall keinen Gebrauch hätte,
-als den, den Scharfsinn zu üben. Seine Maxime war: man müsse jedem, was
-über dergleichen Gegenstände zuletzt vorgebracht wäre, widersprechen,
-damit es nicht etwa dabei sein Bewenden behielte, und die einzige wahre
-Bestimmung des menschlichen Geistes, der Disput, ins Stocken geriethe.
-
-Darum waren ^Protestantismus^, ^Denkfreiheit^, ^Freiheit des Urtheils^
-seine beständigen Stichworte. Sein ^Protestantismus^ nemlich war die
-Protestation gegen alle Wahrheit, die da Wahrheit bleiben wollte; gegen
-alles Uebersinnliche und alle Religion, die durch Glauben dem
-Dispute ein Ende machte. Nach ihm war das eben der Zweck der
-Kirchenverbesserung, jeden Laien in den Stand zu setzen, über religiöse
-Gegenstände ins unbedingte hin und her zu disputiren, wie ein
-allgemeiner Bibliothekar, keinesweges aber irgend etwas gläubig zu
-ergreifen und in diesem Glauben zu handeln. Ihm war alle Religion nur
-Bildungsmittel des Kopfs zum unversiegbaren Geschwätz, keinesweges aber
-Sache des Herzens und des Wandels. Seine ^Denkfreiheit^ war die
-Befreiung von allem ^Gedachten^; die Ungezähmtheit des leeren Denkens,
-ohne Inhalt und Ziel. ^Freiheit des Urtheils^ war ihm die Berechtigung
-für jeden Stümper und Ignoranten, über alles sein Urtheil abzugeben, er
-mochte etwas davon verstehen oder nicht, und was er vorbrachte, mochte
-gehauen seyn oder gestochen. So fragt er in jener berühmten Acte
-Schelling, der sich über die Aufnahme zweier ungeschickten Recensionen
-einer seiner naturphilosophischen Schriften in die Jenaische gelehrte
-Zeitung beschwerte: »ob denn der Mann gar keinen Begriff von der
-Freiheit des Urtheils der Gelehrten habe?« Wohl mochte Schelling und
-alle seines Gleichen keinen Begriff haben von der Unverschämtheit, mit
-welcher jeder Stümper in Dinge hineintappte, von denen er recht wohl
-wusste, dass er sie nie gelernt hätte, und jeder Esel seinen Mund zur
-Antwort öffnete, ohne gefragt zu seyn.
-
-Und so brachte Nicolai sein Leben hin, gegen Papismus, ebenso wie gegen
-Kriticismus und Idealismus zu disputiren; denn gegen beides disputirte
-er aus demselben Grunde, -- als gegen eine fremde Autorität, die sich
-den Menschen aufdringen wollte, zum Nachtheil der unbegrenzten
-Disputirfreiheit, genannt Protestantismus, und seiner eigenen
-wohlerworbenen Autorität. Mit der eklektischen Philosophie hatte er sich
-wohl vertragen können; diese hatte auch sein protestantisches Princip,
-über alles hin und her zu meinen, nichts aber zu ergründen und
-auszumachen. Die neuere Philosophie aber wollte ergründen und ausmachen
-und entscheiden; es war ihr Ernst, das Zeitalter zum Redestehen und zur
-Entscheidung zwischen Ja oder Nein zu bringen, und dass es dabei sein
-Bewenden habe. Diese Anmuthung erschien unserem Helden als eine
-sträfliche Anmaassung. Dass jemand in allem Ernste an eine für sich
-bestehende Wahrheit glauben und überzeugt seyn könne, derselben auf die
-Spur gekommen zu seyn, setzte er nur nicht voraus. Diese Verkehrtheit
-selbst seinem verhasstesten Gegner zuzutrauen, war er doch zu
-grossmüthig. Er sahe sonach in den Sätzen jener Philosophen nichts als
-Meinungen, ihrem eigenen guten Bewusstseyn nach nur Meinungen, die nicht
-besser seyn wollen dürften, als andere Meinungen; und in dem Ernste und
-dem entscheidenden Tone, mit dem sie dieselben vortrugen, nichts, als
-die Bemühung, dem Publicum zu imponiren. Drum schrie er über Autorität.
-Für den, der keine Kraft hat, selbstständig aus sich Wahrheit zu
-erzeugen, giebt es auch wirklich nirgend etwas Anderes als Autorität.
-
-
-
-
- Eilftes Capitel.
- Ein paar andere Grundzüge, welche aus dem ersten Grundzuge und
- höchsten Grundsatze unseres Helden erfolgt sind.
-
-
-Wer die Rede des anderen hört, oder seine Schrift liest, lediglich um
-etwas daran auszusetzen und ihm zu widersprechen, und dem es, da er gar
-nichts Anderes zu thun hat, leid thun würde, jenen noch einen Augenblick
-fortreden zu lassen, nachdem er Gelegenheit zum Widerspruche gefunden,
-ergreift immer die nächste Gelegenheit. Diese aber kann jeder, dem es
-nur ernstlich um das Widersprechen zu thun ist, immer auf der Oberfläche
-finden. Da es ihm nun nur darum zu thun ist, so hat er nie ein
-Bedürfniss, über diese Oberfläche hinauszugehen; es wird ihm habituell,
-nie über sie hinauszugehen, und so entsteht in ihm und verwächst mit
-seinem Selbst das Phänomen ^der absoluten Oberflächlichkeit und totalen
-Seichtigkeit^. Dies war das Schicksal unseres Helden. Es war
-schlechterdings unmöglich, bei irgend einem Gegenstande ihn auch nur um
-eine Linie unter die Oberfläche in das Innere zu bringen.
-
-Die absolute Oberfläche ist das nackte abgerissene Factum, als solches.
-Daher war der Kreis, in welchen das Nicolaische Vermögen gebannt blieb,
-der der Anekdote und der Curiosität. Es war ihm Herzensfreude, wenn die
-Untersuchung sich dahin lenkte. Welch ein Fest für ihn, als Friedrich
-der zweite starb, und Anekdoten in Fülle über ihn erschienen! Da war er
-in seinem Felde; da gab es zu widerlegen, zu berichtigen, zu ergänzen.
-
-Das blosse Wissen der geringfügigsten Anekdote war ihm Zweck an sich:
-durch dergleichen Wisserei erfüllte er, seiner Meinung nach, den Zweck
-des menschlichen Daseyns, und stillte sein unendliches Sehnen nach
-Wahrheit. Je seltener diese Wisserei war, desto lieber war sie ihm, denn
-dann konnte er am meisten damit prahlen; und diese Seltenheit der
-Wisserei war die einzige Art der Gründlichkeit, die er kannte. Daher
-sein Hang nach Curiositäten, nach Predigerüberschlägen, Perrücken und
-Haartouren, den leichtesten Angelhaken; -- und wer möchte die
-Kleinigkeiten alle aufzählen, mit denen er seinen Forschungsgeist
-nährte. -- Dass er die entfernteste Ahnung gehabt, wozu die genaue
-Erforschung dieser einzelnen an sich geringfügig erscheinenden Dinge im
-^Ganzen^ gebraucht werden könnte; -- dass dieser Anekdotengeist sich je
-auch nur zum dunkelsten Begriffe von Geschichte erhoben habe, davon
-findet in seinen Schriften sich nicht die geringste Spur.
-
-Vor dieses ihm allein sichtbare Forum der Anekdote zog er nun alles
-andere, was ihm unter die Hände kam, und selbst die Philosophie. Die
-seinige, bei der es, ihm zufolge, eben sein Bewenden haben sollte, war
-selbst nichts Anderes, als eine Sammlung von Anekdoten über die Sprüche
-und Meinungen ehemaliger Philosophen. Und so widerlegte er denn auch die
-Speculation anderer durch Anekdoten, wahre oder erfundene Geschichte;
-und ein Sempronius Gundibert schlug eine Kritik der reinen Vernunft.
-Gegen den kategorischen Imperativ erinnerte er, und erinnerte wieder,
-dass es nach demselben im Leben nicht herginge, und glaubte bis an sein
-Ende, jenem Imperativ dadurch den Garaus gemacht zu haben.
-
-Dies ist die absolute Seichtigkeit, welche man die ^materiale^ nennen
-könnte. Ebenso innig mit unserem Helden verwachsen, und aus demselben
-Grundzuge hervorgegangen, war eine zweite, die wir die Seichtigkeit ^in
-der Form^ nennen wollen.
-
-Wem es nur darum zu thun ist, den anderen in die Rede zu fallen, und mit
-seinem Widerspruche schnell anzukommen, dem ist jeder Gedanke, der ihm
-zuerst in den Sinn kommt, recht. In welchem Zusammenhange des Denkens
-der Andere seine Meinung vortrage, ^woraus^ er sie beweise, und ^was^ er
-hinwiederum aus ihr erweisen wolle, wie sie daher durch dieses
-Vorhergehende und Nachfolgende bestimmt, und dieser Bestimmung nach
-eigentlich zu verstehen sey, -- dies zu bedenken, hat er nicht Zeit; und
-wenn er überhaupt nur hört, und von jeher nur gehört hat, um zu
-widersprechen, kommt er nie zu dem Begriffe von einem solchen
-Zusammenhange. Ihm hängt absolut alles Denkbare unmittelbar zusammen,
-weil man mit jedem jedem widersprechen kann; und es entsteht ihm das
-schon oben beschriebene System des aus unmittelbar gewissen Körpern
-bestehenden grossen Sandhaufens; denn dieses ist das tauglichste zum
-eilfertigen Widerspruche.
-
-So war es unserem Helden ein Leichtes, dem Princip des transscendentalen
-Idealismus ein halbes Dutzend Blutigel, eine Schweinskeule, eine ^chaise
-percée^ in den Weg zu werfen, sowie eins dieser Dinge ihm zuerst unter
-die Hände kam; ohne abzuwarten, wie es etwa jenes System machen würde,
-um den Blutigeln und den Schweinskeulen auszuweichen. Bei ihm entstand
-durchaus kein Zweifel, ob diese Einwürfe auch wohl passen möchten. Warum
-sollten sie denn nicht passen? Hatte er sie doch angepasst.
-
-Aus dieser absoluten Seichtigkeit entsteht nun schon an und für sich
-^Schiefheit^ für alles, was da höher liegt, als die blosse Anekdote,
-oder durch seinen Zusammenhang bestimmt wird. --
-
-Aber zu dieser aus der Seichtigkeit natürlich erfolgenden Schiefheit
-hatte Nicolai noch eine andere durch Kunst sich erworben, und durch
-Uebung sich angebildet und zur zweiten Natur gemacht. Damit verhielt es
-sich so. Wer den anderen bloss darum anhört, um ihm zu widersprechen,
-dem ist es immer Hauptaugenmerk, die Dinge nicht in dem Lichte zu sehen,
-in welchem der andere sie zeigen will, denn dann dürfte er einig mit ihm
-seyn, sondern in dem, in welchem der andere sie nicht zeigen will;
-sonach alles zu verdrehen, aus seiner natürlichen Lage zu richten und
-auf den Kopf zu stellen. Wer dieses Handwerk eine Zeitlang treibt,
-dessen Sehorgane wird durch die beständige schiefe Richtung, die man ihm
-giebt, diese Richtung endlich natürlich: sein Auge wird zum Schalke. Er
-will nicht mehr verdrehen und schief sehen; es stellt sich ihm schon von
-selbst alles verkehrt, verdreht und auf dem Kopfe stehend dar. So war es
-unserem Helden ergangen, und daher entstanden die zusammengesetzten
-Schiefheiten, die Schiefheiten der Schiefen von den Schiefen, die sich
-in allen seinen Ansichten befanden. Die einfache und ihm natürliche:
-dass er die Dinge aus ihrem Standpuncte und dem Zusammenhange des
-Denkens riss; die zweite künstliche: dass er, sogar in dieser Lage, sie
-noch ein oder einige Male verrückte. Es lässt sich ihm nachweisen, dass
-er z. B. in seinen philosophischen Streiten weit plausiblere Dinge gegen
-die angegriffenen Systeme hätte vorbringen können, wenn er, wie andere
-seiner Zeitgenossen, sich mit dem ersten einfachen, jedem
-unphilosophischen Kopfe natürlichen und jedem anderen unphilosophischen
-Kopfe leicht mitzutheilenden Misverständnisse hätte begnügen wollen.
-Aber das war ihm zu einfach, zu wenig originell; es musste
-mannigfaltiger und künstlicher verdreht werden; und so arbeitete er oft
-selbst seinem Zwecke entgegen. -- Es gereicht vielleicht zur Ergötzung
-des Lesers, diese Grundschiefheit unseres Helden in einem Beispiele
-dargestellt zu sehen. Wir wählen das erste, das uns unter die Hände
-fällt.
-
-Nicolai unternimmt in jener berühmten Acte, das Fichtesche System aus
-seinen Gründen zu prüfen und zu widerlegen. Wie mag er zuvörderst wohl
-bei der historischen Aufstellung des Inhalts dieses Systems zu Werke
-gegangen seyn? Nun, ohne Zweifel hat er eine speculative Schrift jenes
-Schriftstellers, in der dieser die Principien seiner Philosophie am
-deutlichsten vorzutragen behauptet, -- etwa die ersten §§. der Grundlage
-der Wissenschaftslehre, oder das erste Capitel einer neuen Darstellung
-dieser Wissenschaft im philosophischen Journale, angeführt und einen
-wörtlichen Auszug davon seiner Prüfung zu Grunde gelegt? -- Falsch
-gerathen! Aus abgerissenen Sätzen sehr vieler Schriften jenes
-Schriftstellers hat er seinen Bericht zusammengeflickt. -- Nun so wird
-er bei dieser Arbeit sich doch wenigstens auf eigentlich strenge
-scientifische Schriften des Mannes eingeschränkt haben? -- Wiederum
-falsch gerathen. Dann bliebe es ja bei der einfachen Schiefheit. -- Oder
-hat er die angeführten Stellen aus populären Schriften des Verfassers
-herausgerissen? -- Nun das wäre allerdings etwas; aber doch noch nicht
-genug für unseren Helden. Aus populären und scientifischen Schriften,
-aus abgerissenen Phrasen der Appellation, der Wissenschaftslehre, der
-Bestimmung des Menschen, des Naturrechts des Verfassers, im buntesten
-Gemisch nebeneinandergestellt, hat er seinen Bericht zusammengeflickt;
-und hat so wenig Ahnung, dass jemand gegen dieses Verfahren etwas haben
-könne, dass er höchst pünktlich über historische Wahrheit zu wachen
-glaubt, indem er bei jedem Citat hinzusetzt: es seyen Fichte's eigene
-Worte, und die Seitenzahl angiebt.
-
-Und wie geht es mit der Prüfung und Widerlegung des Systems? -- Wir
-wollen unsere Leser nicht vergeblich mit Rathen auf die Folter spannen;
-indem wir sehr wohl wissen, dass schlechthin keiner, und sey er der
-wiedererwachte Oedipus, fähig ist zu errathen, wie es damit geht. Wer
-möchte auf den Grad der Schiefheit rathen, dass unser Held in einem
-Athemzuge die Wahrheit und Richtigkeit des Systems durchaus anerkennt,
-und in demselben Athemzuge sie wieder abläugnet? Und doch hat es sich
-wirklich also begeben. Er lässt sich vernehmen: -- »Das Ich ist Subject
-und Object zugleich; nun dies ist richtig und giebt eine gute
-Beschreibung des Bewusstseyns.« -- So? wenn dies richtig ist, so richtig
-ist, als F. es nahm, als ein absolut identischer Satz, so dass man ihn
-auch umkehren könne: Identität des Subjects und Objects = dem Ich, oder
-auf die gewöhnlichere Weise ausgedrückt, das Ich ist durchaus nichts
-anderes, als Identität des Subjects und Objects: so ist das ganze System
-richtig, denn dieses System besteht durchaus in nichts anderem, als in
-einer vollständigen Analyse des zugestandenen Satzes.
-
-Wie fängt es denn nun Nicolai an, um in demselben Athemzuge wieder
-zurückzunehmen, was er hier zugesteht? Auch hier sind wir sicher, dass
-kein Leser auf das räth, was sich wirklich zuträgt. Es trägt sich
-nemlich nichts geringeres zu, als dies, dass Nicolai den ^eigentlichen
-Inhalt^ dieser Philosophie, in dessen vollständigem und durchgeführtem
-Beweise eben jenes System bestand, für eine der ^Prämissen^ dieses
-Systems, und zwar für eine willkürlich und ohne allen Beweis
-vorgebrachte Prämisse ansieht; das Gebäude selbst für die Kelle, womit
-das Gebäude gemauert worden, die Erde für die Schildkröte, von welcher
-die Erde getragen wird. Denn so lässt er sich vernehmen:
-
- »^der Satz, dass das Ich die Intelligenz, und die Intelligenz das
- Ich sey, sey lediglich eine willkürliche Terminologie: es werde
- nichts für den Beweis dieses Satzes vorgebracht, auf welchen doch
- der ganze transscendentale Idealismus sich gründe^« --
-
-schreibe: ^sich gründe^. -- Damit ja kein Zweifel übrig bleibe, wie dies
-zu nehmen sey, setzt er tiefer unten hinzu: ^man (nemlich Nicolai) wende
-gegen jenen Satz ein: mein Ich ist nicht blosse Intelligenz, sondern
-Vernunft, Sinnlichkeit, Denkkraft, körperliche Kraft gehört dazu^,
-schreibe: ^gehört dazu^.
-
-Also: die lediglich auf eine willkürliche Terminologie sich gründende,
-durch nichts bewiesene Prämisse des Fichteschen Idealismus ist der Satz:
-Ich, ^oder^ Intelligenz, ^oder^ Vernunft, Sinnlichkeit, Denkkraft,
-körperliche Kraft sind durchaus identisch. -- Diesem Satze stellt
-Nicolai als unmittelbar gewissen Satz entgegen: ^Mein Ich ist freilich
-unter anderen auch Intelligenz^ (denn indem er sagt, dass es nicht
-^blosse^ Intelligenz sey, sagt er ohne Zweifel, dass es diese doch auch
-mit sey); aber es gehören noch ausser der ^Intelligenz^ mit dazu,
-^Vernunft^, ^Sinnlichkeit^, ^Denkkraft^, ^körperliche Kraft^. -- Durch
-diese Gegensetzung nun hebt er jene Fichtesche Prämisse auf, und
-sprengt, da ganz allein auf diese sich der ganze transscendentale
-Idealismus gründet, diesen zugleich mit in die Luft; denn ^cessante
-fundamento cessat fundatum^.
-
-Es ist zu beklagen, dass Nicolai nicht unmittelbar darauf, als er diese
-Widerlegung zu Ende gebracht hatte, aufgehenkt worden, damit er im
-Bewusstseyn dieses glorreichen Arguments seine speculative Laufbahn
-beschlossen hätte, und die Nachkommen hierbei seiner gedenken möchten.
-Zuvörderst ist sehr merkwürdig, dass in jenem Gegensatze, ausser und
-neben der ^Intelligenz^, auch noch ^Vernunft^, ^Denkkraft^,
-^Sinnlichkeit^ (denn die körperliche Kraft können wir ihm hier erlassen)
-aufgezählt wird. Hätte Nicolai seinen Fleiss auf eine Beschreibung der
-preussischen Armee gerichtet, so würde er bemerkt haben, dass der König
-ausser seiner Armee auch noch Infanterie gehalten hätte, und Husaren und
-Pfeifer.
-
-Ferner stellt Nicolai, wie er immer thut, seinen Gegensatz so hin, als
-ob sich die Wahrheit desselben von selbst verstände. Also er führt ihn
-als eine Thatsache des unmittelbaren Bewusstseyns. Hatte denn Nicolai
-gar keinen philosophischen Freund -- er selbst freilich konnte dies
-nicht wissen, ohnerachtet er sich zum Richter in Sachen der Philosophie
-aufwarf -- der ihm gesagt hätte, dass es wohl etwa Thatsache genannt
-werden könne, dass man in einem bestimmten Falle vernehme, denke,
-empfinde, sinnlich wirke, dass aber Vernunft in Bausch und Bogen, und
-die Sinnlichkeit, und die Denk- oder körperliche Kraft, ^als Kraft^, für
-Thatsachen des Bewusstseyns auszugeben, in jenem Zeitalter nur noch
-einem durchaus unkritischen Ignoranten zu verzeihen war?
-
-Endlich war der Satz, dass das Ich, inwiefern es Subject-Object sey, die
-Intelligenz selbst, also Vernunft, Denkkraft, Willensvermögen, sinnliche
-Anschauung, physische Kraft sey, so wenig eine Prämisse jenes Systems,
-dass er vielmehr das System selbst war; und dieses in seinem ganzen
-Umfange nichts anderes zu thun hatte, als zu zeigen, dass alle jene
-Erscheinungen im Gemüthe nichts wären, denn die verschieden gebrochene
-und sich zu einander verhaltende Subject-Objectivität selbst. Auf diese
-Beweise und Ableitungen musste sich ein Gegner dieses Systems einlassen,
-und sie zu entkräften, oder Lücken und Mängel in ihnen zu entdecken
-suchen. Statt dessen zu widersprechen, wie unser Held es that, war
-gerade so, als ob ein Physiker aufgetreten wäre, und gesagt hätte: mir
-ist es ausgemacht, dass alle mögliche Farben nichts sind, als
-verschiedene Brechungen des Einen farblosen Lichtstrahls; und Euch
-anderen will ich dieses durch eine Reihe von Experimenten beweisen,
-indem ich durch bestimmte Brechungen desselben farblosen Lichtstrahls
-alle andere Farben vor euren eigenen Augen entstehen lasse; und einer
-aus dem Pöbel, ohne nach seinen Experimenten nur zu sehen, die Zunge
-herausgesteckt, dem Physiker Esel gebohrt, und geschrien hätte: der Narr
-denkt, alle Kühe sind weiss, er weiss noch nicht, dass es auch schwarze
-und gefleckte Kühe giebt. So wurde beim Hindurchgehen durch das Sehorgan
-unseres Helden alles schief, verzerrt und gar wunderlich. Es ist ihm
-während seines Lebens sehr häufig vorgeworfen worden, dass er alles, was
-er unter die Hände bekäme, hämischerweise verdrehe, und schmutzigerweise
-besudle. Wir nehmen ihn gegen diese Beschuldigung in Schutz. Es war sehr
-wahr, dass aus seinen Händen alles beschmutzt und verdreht herausging;
-aber es war nicht wahr, dass er es beschmutzen und verdrehen wollte. Es
-ward ihm nur so durch die Eigenschaft seiner Natur. Wer möchte ein
-Stinkthier beschuldigen, dass es boshafterweise alles, was es zu sich
-nehme, in Gestank, -- oder die Natter, dass sie es in Gift verwandle.
-Diese Thiere sind daran sehr unschuldig; sie folgen nur ihrer Natur.
-Ebenso unser Held, der nun einmal zum literarischen Stinkthiere und der
-Natter des achtzehnten Jahrhunderts bestimmt war, verbreitete Stank um
-sich, und spritzte Gift, nicht aus Bosheit, sondern lediglich durch
-seine Bestimmung getrieben.
-
-
-
-
- Zwölftes Capitel.
- Wie es zugegangen, dass unser Held unter allen diesen
- Umständen dennoch einigen Einfluss auf sein Zeitalter gehabt.
-
-
-Wir würden ein grosses Mistrauen in die Penetration unseres Lesers
-setzen, wenn wir nöthig fänden, nach allem Gesagten hinzuzusetzen, dass
-wir Friedrich Nicolai für den einfältigsten Menschen seines Zeitalters
-halten, und nicht glauben, dass irgend etwas recht Menschliches an ihm
-gewesen, ausser der Sprache.
-
-Dass er nun von dieser seiner grossen Geistesgebrechlichkeit selbst
-durchaus nichts gespürt, und mit der Meinung aus der Welt gegangen, er,
-der allereinfältigste, sey gerade der allerklügste, ist kein
-Wunder; denn diese Meinung von sich selbst, und diese totale
-Unerschütterlichkeit durch irgend ein fremdes Urtheil, folgte aus seiner
-extremen Dummheit selbst, und er hätte um ein gutes Theil weniger dumm
-seyn können, ehe er begriffen hätte, dass er dumm sey.
-
-Aber er hat auf seine Zeitgenossen gewirkt, und ist, zwar nicht
-öffentlich anerkannt, aber wie der unparteiische Forscher gestehen wird,
-wirklich und in der That, der Urheber eines grossen Theils des
-Meinungssystems gewesen, welches in seinem Zeitalter die
-Mittelmässigkeit zu dem ihrigen gemacht hatte. Wir geben wohl etwa in
-einer Beilage nähere Nachweisung über dieses Meinungssystem[16].
-
-Wie in aller Welt ging es nun zu, dass diesmal die Armuth ihr Eigenthum
-beim Bettel, die Einfalt ihre Weisheit bei der Dummheit, die Schielenden
-ihre Einsichten beim Stockblinden holten, da sie doch dieses alles auf
-eigenem Boden, und durch ihre eigenen Augen weit besser hätten erzeugen
-können?
-
-Den Menschenkenner kann dies sonderbare Phänomen nicht befremden, wenn
-er nur weiss, dass unser Held bei seiner extremen Dummheit zugleich
-einer der rührigsten und der allerunverschämteste unter seinen
-Zeitgenossen war. Er trug kein Bedenken, alles, was ihm durch den Kopf
-ging, sogleich auf allen Dächern zu predigen, und es unaufhörlich an
-allen Ecken den Leuten in die Ohren zu rufen; und liess sich schlechthin
-durch nichts irre machen oder aus der Rede bringen. Das Volk, das nicht
-selbst arbeiten mag, und dem von allen Seelenkräften beinahe nur das
-Gedächtniss zu Theil geworden, konnte nicht umhin, jene Weisheit sich
-endlich zu merken. Sie hatten nun längst vergessen, von wem sie dieses
-alles zuerst gehört hätten, sie erinnerten sich nur noch dunkel, dass
-sie es einmal gewusst, und glaubten nach und nach, sie hätten es selbst
-entdeckt und wahr befunden. Es fiel ihnen in den Gemeinschatz der
-ausgemachten Wahrheiten und Thatsachen: und es war allerdings Thatsache,
-dass sie es oft genug gehört hatten. Und so ward unser Held der Urheber
-eines grossen Theils der Denkart seines Zeitalters, ohne dass eben
-jemand ihm sonderlich dafür dankte, noch wusste, woher diese Denkart
-eigentlich wäre. Er aber wusste es; und die schreiende Unerkenntlichkeit
-der Zeitgenossen, um die er sich doch so sehr verdient gemacht, mag sehr
-viel zu der üblen Laune seines höheren Alters beigetragen haben.
-
-Es ist kein Zweifel, dass auch ein Hund, wenn man ihm nur das Vermögen
-der Sprache und Schrift beibringen könnte, und die Nicolaische
-Unverschämtheit und das Nicolaische Lebensalter ihm garantiren könnte,
-mit demselben Erfolge arbeiten würde, als unser Held. Möchte man sich
-immer anfangs an seiner Hundenatur stossen, wie man sich eben auch an
-die Nicolainatur unseres Helden stiess. Wenn er sich nur nicht irre und
-schüchtern machen liesse, dieser Hund, wenn er nur das Gesagte immer
-wieder sagte und fest dabei bliebe, und unermüdet schrie und schriebe,
-er habe doch recht, und alle Andern hätten unrecht; wenn er sich wohl
-gar noch durch den Gedanken begeistern liesse, und sich damit brüstete,
-dass er schon als ein blosser unstudirter Hund dies einsähe, wie Nicolai
-sich auch immer damit gebrüstet, dass er als ein unstudirter Bürgersmann
-alles dies wisse: so wäre uns gar nicht bange, dass nicht dieser Hund
-sich einen sehr verbreiteten Einfluss verschaffen sollte. Seine Theorien
-würden das Zeitalter ergreifen, ohne dass man sich eben erinnerte, dass
-sie von unserem Hunde herkämen; es würde eine Aesthetik entstehen, nach
-welcher jeder Spitz die Schönheit einer Emilia Galotti kunstmässig
-zerlegen, und die Fehler in Herrmann und Dorothea so fertig nachweisen
-könnte, als es jetzt nur Gottfried Merkel vermag; und die Bibel würde
-endlich von allem noch übrigen Aberglauben gereinigt und so ausgelegt
-werden, wie ein aufgeklärter Pudel sie verständig finden, und wie er
-selbst sie geschrieben haben könnte.
-
-
- Anmerkung.
-
-[Fußnote 16: Der Leser kann die in der dritten Beilage gelieferte
-Charakteristik des Geistes der deutschen Bibliothek zugleich für eine
-solche Nachweisung nehmen.]
-
-
-
-
- Erste Beilage.
- (Zur Einleitung.)
-
-
- Angriffe Nicolai's auf die persönliche Ehre und den Charakter des
- Verfassers enthalten die folgenden Stellen:
-
-
- 1.
-
-Nachdem Nicolai die Herren Schelling und Schlegel beschuldigt, dass sie
-günstige Beurtheilungen ihrer Schriften in die Jenaische
-Literaturzeitung zu bringen gesucht, fährt er (S. 159. der oben
-angeführten Anzeige) so fort: »Es ist der Schule der Ich-Philosophen
-schon länger« (dem Zusammenhange nach ^früher^, ehe die obengenannten
-gethan, dessen Nicolai sie beschuldigt, und ehe sie zu dieser Schule zu
-rechnen gewesen) »eigen gewesen, dass sie, wenn es nicht anders zu
-beschaffen war« (welch ekelhaftes Geschäft, dergleichen Schreiberei
-abschreiben zu müssen!), »für ihren transscendentalen Idealismus
-Anpreisung zu ^erschleichen^ suchte. Sie affectirten zwar bei aller
-Gelegenheit, die allgemeine deutsche Bibliothek zu verachten, ^aber
-arbeiteten nicht wenig unter der Hand^, sie sich geneigt zu machen (1).
-Sie versuchten Mitarbeiter anzubieten, welche eben Herrn Fichte's Schule
-verlassen hatten, und da dieses nicht ging, so (2) suchten sie durch
-einen Mitarbeiter der allgemeinen deutschen Bibliothek, der gar nicht im
-philosophischen Fache arbeitete, ^unverlangt^ solche Recensionen
-einzuschicken, wie sie ihren Absichten dienten, die, wie allenfalls
-durch gewisse Kennzeichen zu zeigen wäre, aus ^Jena^ kamen. Die damalige
-Direction der neuen deutschen Bibliothek war auf solchen ^unartigen
-Schleifweg^ nicht gleich aufmerksam genug u. s. w. (3). Man sahe nun
-also wirklich in der neuen deutschen Bibliothek XVIII. B. S. 355. eine
-solche heimlich eingeschwärzte Recension von Fichte's Grundriss der
-gesammten Wissenschaftslehre, in welcher ein in die allgemeine deutsche
-Bibliothek sich unverlangt eingeschlichener Fichtianer schlau so anhebt«
-u. s. w.
-
-Wer sind denn diese ^Sie^ aus der ichphilosophischen ^Schule^ (der
-verständige Leser verzeiht mir wohl, dass ich, sowohl hier als im
-folgenden, um der Kürze willen, die Ausdrücke dieses Schulmeisters
-beibehalte, der allenthalben nur Schulen erblickt, so innig auch mir
-diese Ausdrücke zuwider sind), wer sind, sage ich, diese Sie, die
-^früher^ noch, als Schelling an dieser Art des Philosophirens öffentlich
-Theil nahm, ^früher^, als jene Recension des Fichteschen Grundrisses
-eingeschwärzt wurde, -- der erste Streich, nach Herrn Nicolai, der ihnen
-gelang, -- offenbar ^um ein beträchtliches früher^, denn durch die
-vorhergegangenen vereitelten Machinationen müssen sie doch auch Zeit
-verloren haben -- welche, sage ich, zu dieser Zeit das thaten, dessen
-Nicolai sie unter (1) und (2) beschuldigt; diese ^Sie^ von der
-Ichschule, die damals die allgemeine deutsche Bibliothek zu verachten
-affectirten, -- ohne Zweifel ^öffentlich^, da ihre entgegengesetzten
-Bestrebungen ^unter der Hand^ geschahen, in ^öffentlichen Schriften^
-also (wie könnte auch sonst Nicolai um jene Affectationen wissen?),
-diese Sie also, die schon damals in öffentlichen Schriften sich als
-Ichphilosophen zeigten? Wer können sie seyn, diese Sie? Weiss Nicolai
-aus diesem Zeitalter irgend einen Schriftsteller mir zu nennen, der sich
-für das System der Wissenschaftslehre erklärt hätte, ausser mir selbst?
-Kann er aus jenem Zeitpuncte irgend jemand zu seiner Ichschule rechnen,
-ausser mir und meinen Zuhörern, deren keiner Schriftsteller war, und die
-wohl nur durch mich literarische Connexionen hätten erhalten können?
-
-Will etwa Nicolai insinuiren, dass ich an der Spitze der vorgegebenen
-geheimen Machinationen gestanden, oder wenigstens an ihnen Theil
-genommen? Das muss er wohl wollen; denn seine Beschuldigung muss doch
-irgend jemanden treffen sollen; sie muss doch einen von den früher
-genannten und angegriffenen Männern treffen sollen, und da sie die
-anderen, den Herrn Prof. Schelling, die beiden Schlegel, Herrn Tieck
-nicht treffen soll, indem das Factum in eine frühere Zeit gesetzt wird,
--- sie muss den einzigen, welcher noch übrig bleibt, sie muss ^mich^
-treffen sollen. Auf mich wird sie auch jeder Leser, der die Stelle in
-ihrem Zusammenhange liest, beziehen. Dies musste Nicolai vorhersehen;
-und da er es vorhersah, und doch redete, wie er geredet hat, musste er
-beabsichtigen, dass es geschehen möchte. Oder, wollte er nicht, dass
-jene Beschuldigung auf mich bezogen würde, wollte er nur überhaupt in
-das blaue Feld hin, so dass kein bestimmter Mensch getroffen würde,
-beschuldigen, so musste er ausdrücklich erklären, dass er mich nicht
-meine, dass er keinen Grund habe zu glauben, dass ich für meine Person
-an jenem Getreibe Theil genommen, von demselben gewusst habe und
-dergleichen.
-
-Dies hat Nicolai nicht gethan; er hat sonach gewollt, dass die
-Beschuldigung auf mich bezogen werde.
-
-Das Betragen, dessen er mich beschuldigt, ist Nicolai's eigenem guten
-Bewusstseyn, Vortrage und Sinne nach, ein höchst verächtliches und
-nichtswürdiges Betragen; er will, dass die Leser es ebenso ansehen, und
-bedient sich der Ausdrücke, die es als ein solches beschreiben. Er redet
-von ^Erschleichungen^, ^unartigen Schleifwegen, heimlichem
-Einschwärzen^, von Versuchen, ^unter der Hand sich geneigt zu machen,
-was man öffentlich zu verachten affectirt^.
-
-Dasselbe Betragen ist nach meinen Begriffen und nach den Begriffen aller
-Leser, deren Achtung Werth für mich hat, noch unendlich nichtswürdiger,
-verächtlicher -- und dümmer dazu, als Nicolai verstehen und begreifen
-kann. Denn ich und alle die, mit welchen und auf welche zu wirken ich
-wünschen kann, haben überhaupt gar wenig Respect für die gewöhnlichen
-gelehrten Zeitungen, ihre Urtheile, und das Urtheil derer, die auf jene
-Urtheile etwas geben.
-
-Was aber insbesondere die allgemeine deutsche Bibliothek anbelangt, ob
-sie in Bohns oder in Nicolai's Verlage herauskomme, so affectire ich
-nicht dieselbe zu verachten, sondern ich verachte sie wirklich und im
-ganzen Ernste, wegen ihrer allgemeinen Tendenz, und in dem besonderen
-Fache, in welchem ich mir ein Urtheil zuschreiben darf, in dem der
-Philosophie.[17]
-
-[Fußnote 17: Und wie könnte ich anders, als sie verachten, von der Seite
-ihres Geistes versteht sich, diese Recensenten, denen nicht einmal der
-Nicolaische Kunsttrieb zu Theil wurde, miszuverstehen, zu verdrehen, und
-sodann sich das Ansehen zu geben, als ob sie widerlegten; sondern die
-sich geradezu hinstellen, bekennen und bejammern, wie der Schulknabe,
-der seine Lection aufsagen soll, und sie nicht gelernt hat, dass sie das
-Vorgebrachte denn doch gar nicht verstehen und klar kriegen könnten;
-dass philosophische Schriften denn doch zum allerwenigsten so deutlich
-seyn sollten, dass sie ^von Philosophen^ (sie sind wohl auch welche,
-diese Recensenten? ein Philosoph ist wohl ein Mensch, der im
-philosophischen Fache an der A. D. B. recensirt?), dass sie, sage ich,
-von Philosophen verstanden werden könnten; die denn doch bei alle dem
-ihre Abneigung gegen das, was sie nicht zu verstehen bekennen, nicht
-bergen können, und zuletzt mit dem Troste für ihren Redacteur, ihre
-Leser und sich selbst, abtreten, dass noch zeitig genug die Zeit kommen
-werde, da diese verzweifelte neueste Philosophie widerlegt seyn werde;
-diese Recensenten, mit deren Belesenheit es so beschaffen ist, dass sie
-aus Citaten Druckfehler abdrucken lassen, und sich hinterher über den
-sonderbaren Ausdruck verwundern. So lässt neulich einer aus Heydenreichs
-Vesta unbefangen folgenden Satz als den meinigen abdrucken: »Das
-eheliche Verhältniss ist die von der Natur geforderte ^Masse^ (^Weise^
-steht in meinem Texte, m. s. mein Naturrecht Bd. III. 316. [2. Th. 174])
-des erwachsenen Menschen von beiden Geschlechtern zu existiren.«
-Allerdings eine sonderbare Art sich auszudrücken, ruft der Recensent in
-einer Parenthese aus.
-
-Jeder, der in den neuesten Stücken der N. D. B. unter den
-philosophischen Recensionen herumblättern will, wird auf die oben
-angeführten Aeusserungen stossen.
-
-Nun wird zwar Nicolai, der bei der Wiederübernehmung der Herausgabe
-jener Bibliothek die bisherigen Recensenten beizubehalten verspricht
-(auch nimmermehr andere bekommen würde), versichern, dass jene
-Recensenten unter die ersten deutschen Schriftsteller gehörten, wie er
-dies von dem Recensenten der Schellingschen Weltseele in der Jenaischen
-Literaturzeitung versichert, und wohl gar so grossmüthig seyn, sich in
-meine Seele, ebenso wie in Schellings zu schämen, dass ich von diesen
-Männern spreche, wie von einfältigen Schulknaben; wie ich denn auch
-allerdings thue.]
-
-Dieselbe Verachtung habe ich ohne Ausnahme bei allen angetroffen, deren
-Gesinnungen über diesen Punct ich zu erfahren Gelegenheit hatte. Und nun
-will Nicolai, dass man von mir glaube, ich habe dieses Blatt, dessen
-Verächtlichkeit unter die gemeingeltenden Dinge gehört, mir geneigt zu
-machen gesucht.
-
-Ein solches Betragen wäre, sagte ich unter anderen, auch dümmer, als
-Nicolai begreifen kann. In der Gegend, in welcher ich damals mich
-aufhielt und in dem noch südlicheren Deutschlande ist die Verachtung
-gegen die allgemeine deutsche Bibliothek, selbst bei den gemeinsten
-Lesern, sogar zum Vorurtheile geworden; sieht man sie ja noch an, so
-thut man es in den Stunden der Verdauung, um sich an den wunderlichen
-Wendungen und Renkungen der Trivialität und Nullität, die es selbst zu
-merken anfängt, dass sie Nullität ist, zu belustigen. Wer in jenen
-Gegenden lebt, hält ein Lob in dieser Bibliothek für eine schlechte
-Empfehlung. Auf dieses Blatt giebt man nur noch in einigen finsteren
-Provinzen Deutschlands etwas, wo man im Ganzen noch auf der Stufe der
-Bildung steht, auf der wir vor 40 Jahren standen, und noch aus dem
-Grundtexte berichtet zu seyn wünscht, ob in einer Stelle des neuen
-Testaments vom Teufel wirklich die Rede sey, oder nicht, oder gegen die
-Furcht vor dem Umsturze der theuren protestantischen Denkfreiheit durch
-die Machinationen der Jesuiten Beruhigung sucht.
-
-Also das Betragen, dessen Nicolai mich beschuldigt, ist nichtswürdig,
-verächtlich, dumm. Er führt nichts an, um seine Beschuldigung zu
-beweisen. Ich kann einen nicht geführten Beweis nicht widerlegen. -- Da
-ich im Ernste nicht wieder zu Nicolai zurückkommen mag, so muss ich mich
-begnügen, ehrliebende Leser zu versichern, dass die ganze Beschuldigung
-rein erdichtet ist, dass ich nie in freundschaftlichem Umgange oder
-Verbindung mit irgend einem Menschen gestanden, der mir als Mitarbeiter
-an der allgemeinen deutschen Bibliothek oder als zusammenhängend mit der
-Redaction derselben bekannt gewesen, dass ich um die Urtheile in der
-allgemeinen deutschen Bibliothek mich nie bekümmert, und nie das
-Geringste gethan habe, um auf dieselben einen Einfluss zu erhalten. --
-
-Der Verweis, den ich dem damaligen Verleger derselben, Herrn Bohn, zu
-geben genöthigt wurde, wegen der Imbecillität, mit welcher er Pasquille
-auf mich im Intelligenzblatte jener Zeitschrift abdrucken liess, und als
-ich hierüber Nachfrage anstellte, nicht wusste, wovon die Rede war, war
-doch ohne Zweifel keine Gunstbewerbung.
-
-Es ist jetzt an den Lesern, die meiner Versicherung nicht glauben,
-Nicolai zum öffentlichen Beweise seiner Beschuldigung anzuhalten. Ich
-weiss sicher, dass er nichts als Erdichtungen und Lügen wird vorbringen
-können, und diese werden hoffentlich von der Art seyn, dass man, ohne
-vor dem Publicum sich mit ihm abzugeben, ihn vor dem bürgerlichen
-Gerichtshofe belangen, und diesem das Urtheil übergeben könne.
-
-Jedoch, ist es denn nicht Factum, was Nicolai Nr. 3 anführt, dass eine,
-wie Nicolai meint, lobpreisende Recension meiner Grundlage der
-Wissenschaftslehre in der neuen deutschen Bibliothek abgedruckt worden?
-Für Nr. 1 und 2 hat Nicolai vielleicht gar keine Beweise; er hat es
-vielleicht aus Nr. 3 durch seine bekannte Conjecturalkritik nur
-gefolgert, und kein Bedenken getragen, seine Folgerungen als historische
-Thatsachen hinzustellen.
-
-Welche Folgerungen! Weil eine Anzeige, die meine Gedanken nur nicht
-sogleich weggeworfen haben will, sondern sie einem weiteren Nachdenken
-empfiehlt, in die neue deutsche Bibliothek, deren Grundmaxime es ist,
-alles Neue ohne weiteres wegzuwerfen, sich verläuft; muss sie von einem
-ausgemachten Fichtianer seyn, muss sie in Jena verfertigt seyn, muss ich
-an der Einsendung derselben Theil haben, muss ich schon seit langem
-ähnliche Versuche vergebens gemacht haben?
-
-Wäre denn nicht auch etwa ^der^ Fall möglich, dass jene Anzeige von
-einem Gelehrten herkäme, der ^nicht^ zu Jena lebte, der mich nie
-persönlich gekannt, und bis diese Stunde mich nicht persönlich kennt,
-der kein Interesse für mich haben konnte, als das, welches ihm die
-angezeigte Schrift einflösste, und von dessen Existenz sogar ich erst
-durch die Existenz jener Anzeige unterrichtet wurde? Wäre es nicht
-möglich, dass dieser Gelehrte diese Anzeige ohne alle Bestellung irgend
-eines Redacteurs, lediglich aus Interesse für die Sache, und in der
-gutmüthigen Meinung, dass dieser durch eine Recension nachgeholfen
-werden könnte, abgefasst, und sie zuerst an eine andere wirklich
-gangbare gelehrte Zeitschrift eingesendet; dass sie von da aus, etwa
-weil man sie, wofür auch Nicolai sie erkannt haben will, für einen
-blossen trockenen Auszug gehalten, zurückgesendet worden, und nun erst
--- Nicolai mag wissen auf welchem Wege, ich weiss es nicht -- an die N.
-D. B. gekommen, bloss damit sie nicht vergebens geschrieben wäre; dass
-ich von diesem letztern Schicksale jener Anzeige durchaus nichts vorher
-gewusst oder erfahren, und mit einer ähnlichen Befremdung, als Nicolai,
-sie in dem angeführten Hefte der N. D. B. abgedruckt gefunden? Wäre
-dieser Fall nicht ebenso möglich? Aber warum soll ich es nicht gerade
-heraussagen: durch ein Ungefähr bin ich hierin besser unterrichtet, als
-der sonst immer so wohl unterrichtete Nicolai; -- der als möglich
-vorausgesetzte Fall ist wirklich; gerade so, wie ich es oben angegeben,
-hat es sich zugetragen. Nicolai will wissen, dass jene Anzeige durch
-einen Mitarbeiter an der A. D. B., der gar nicht im philosophischen
-Fache arbeitete, der ihm sonach sehr wohl bekannt seyn muss, eingesandt
-worden; und hierin weiss er mehr, als ich. Er hatte sonach einen festen
-Punct, um seine sorgfältigen und wichtigen Untersuchungen anzuknüpfen.
-Hätte er doch, er, der auf manchem Blatte[18] seinen Lesern erzählt, wie
-weit herum er correspondire, um gründlichen Bericht abstatten zu können,
-wo die leichtesten Angelhaken verfertigt würden, -- hätte er doch auch
-hier ein paar Briefe sich nicht gereuen lassen! Oder ist er vielleicht
-auch über diesen Gegenstand besser unterrichtet, als er sichs will
-abmerken lassen, und diente es nur nicht in seinen Kram, zu verrathen,
-dass die von ihm wieder aufgenommene A. D. B. fürlieb genommen, was eine
-andere gelehrte Zeitschrift abgewiesen, und auf mein eigenes Anrathen
-abgewiesen hatte?
-
-
- 2.
-
-Ich komme zu Nicolai's zweitem ehrenrührigen Angriffe. Er beschuldigt
-mich (S. 176), ich habe, in Beziehung auf einen Gegner, »^der mir
-gezeigt habe, was offenbar aus meinen Sätzen folge^,« von Schurkerei und
-Büberei gesprochen.
-
-Ich weiss nicht, ob Nicolai selbst begreift, wessen er dadurch mich
-beschuldigt, und ich zweifle, dass er es begreift. Er wirft diese
-Schmähung zusammen, und bringt sie in Einem Athemzuge vor mit einer
-anderen Anklage, mit der, dass ich von gewissen Gegnern als von
-Halbköpfen gesprochen. Dünkt ihm etwa dieses letztere und jenes erstere
-so ohngefähr gleich?
-
-Dünke ihm, was da wolle, es kommt nicht darauf an, was Er von mir
-glaubt, sondern darauf, was er andere von mir glauben machen will. In
-den Augen desjenigen Theils des Publicums, an dessen Achtung mir etwas
-liegt, und in meinen eigenen Augen, ist dieses letztere und jenes
-erstere nicht gleich.
-
-Einen literarischen Angriff durch einen Angriff auf die persönliche
-moralische Ehre des Gegners erwiedern, und die Anführung von Gründen
-Schurkerei und Büberei nennen, ist nach meinem Urtheile, und wie ich
-hoffe nach dem Urtheile aller verständigen und ehrliebenden Männer, nur
-das Betragen eines wüthenden Narren, oder tückischen und hämischen
-Wahrheitsfeindes und Bösewichts.
-
-[Fußnote 18: S. die Vorrede zum XI. Theile seiner Reisebeschreibung.]
-
-Hätte der Gegner nur wirklich aus ^meinen^ Sätzen gefolgert, gesetzt
-auch, er hätte diese Sätze falsch verstanden, oder er hätte unrichtig
-aus ihnen gefolgert, und ich hätte ihm das Misverständniss oder die
-Fehlschlüsse handgreiflich darthun können, so hätte ich ihm allerdings
-Unverstand, Inconsequenz und dergleichen Verstandesgebrechen vorrücken,
-aber ich hätte nimmermehr von Schurkerei und Büberei sprechen dürfen, so
-lange noch die mindeste Möglichkeit übrig gewesen, anzunehmen, dass er
-ehrlicherweise ^selbst glaube^, was er behauptet.
-
-Wie verhält sich denn nun die Sache? Zum Glücke lässt in diesem Handel
-das Factum, worauf Nicolai seine Beschuldigung baut, sich zu Tage
-liefern. Er giebt die Stelle richtig an (Philos. Journal v. J. 1798,
-Heft 8, S. 386.[19] --) Hier ist sie im Zusammenhange.
-
-[Fußnote 19: Sämmtliche Werke Bd. V. S. 394. -- Die im Folgenden
-erwähnte Note ist dort weggelassen worden, als längst vergessenen
-polemischen Beziehungen angehörig. (Anmerk. des Herausgebers.)]
-
-Ich sage S. 385 oben im Texte: »ich habe die lügenhaften Verdrehungen,
-die z. B. Hr. Heusinger mit dem Gesagten vornimmt, weder verdient, noch
-veranlasst;« und setze in einer Note hinzu: »Ich sage (S. 10 meines
-Aufsatzes über den Grund unseres Glaubens an eine moralische
-Weltregierung, im 1. Hefte des Phil. Journals desselben Jahrganges), um
-die nothwendige Consequenz beider Gedanken auszudrücken: Ich muss, wenn
-ich nicht mein eigenes Wesen verläugnen will, die Ausführung jenes
-Zwecks (der Moralität) mir vorsetzen; -- habe diesen Satz zu analysiren,
-wiederhole ihn daher auf der folgenden Seite ^verkürzt^ mit
-Hinweglassung der Merkmale, die keiner Analyse bedürfen, so: ich muss
-schlechthin den Zweck der Moralität mir vorsetzen, ^heisst^: u. s. w. --
-Die Rede ist sonach gleich der folgenden: In einem rechtwinkligen
-Triangel ist das Quadrat der Hypotenuse gleich dem Quadrate der beiden
-Katheten. In ^einem Triangel^ ist das Quadrat der Hypotenuse etc.
-^heisst^: u. s. w. -- Hr. Heusinger aber[20] hält sich an den letzten
-Ausdruck des Satzes, als den ^directen^, erklärt meine ganze Theorie aus
-diesem unbedingt gesetzten ^Muss^, um mich eines Fatalismus zu
-bezüchtigen (da doch jedem, der nur eine Sylbe von mir gelesen, bekannt
-seyn muss, dass auf die Freiheit des Willens mein ganzes Denken
-aufgebaut ist), und es recht klar darzulegen, wie nach mir die
-moralische Ordnung ^sich selbst mache^, und wie ich mit meinem guten
-Bewusstseyn ein offenbarer Atheist sey. -- Im gemeinen Leben nennt jeder
-Ehrliebende ein solches Benehmen Schurkerei, Büberei, Lüge. Wie soll man
-es in der Literatur nennen?« -- Dies ists, was ich geschrieben hatte.
-Ich bitte den verständigen und ehrliebenden Leser sich folgende Fragen
-zu beantworten:
-
-1) Heisst das, ^aus meinen Sätzen folgern^, wie Nicolai es nennt, wenn
-man mir einen ^bedingten Satz^ in einen ^unbedingten^ verwandelt, um mir
-eine Meinung anzudichten, von welcher jeder, der in der neuen
-philosophischen Literatur bewandert ist, wissen muss, und Hr. Heusinger
-sicher wusste, dass ich mich von jeher auf das stärkste gegen sie
-erklärt habe? Es ist also nicht von ^Folgerungen^, es ist von
-^Verdrehungen und Erdichtungen^ die Rede.
-
-2) Kann man umhin, anzunehmen, dass diese Verdrehung nicht aus Irrthum,
-sondern mit gutem Wissen und Bedacht gemacht worden, wenn der Verfasser
-seinen Zweck, eine dem Gegner gemachte Beschuldigung (die des Atheismus)
-als gegründet zu erweisen, gleich von vornherein angiebt, und wenn
-dieser Zweck ^nur durch dieses Mittel^ zu erreichen ist?
-
-3) Wie würde man ein ähnliches Benehmen im bürgerlichen Leben nennen?
-Wenn ich z. B. im Gespräche gesagt hätte: wenn Nicolai nicht ein
-grundschiefer und zerrütteter Kopf ist, so ist er ein hämischer
-Bösewicht: und Nicolai hätte mehr zu bedeuten, als er hat, und es ginge
-einer zu ihm, und erzählte ihm, ich, Fichte, habe gesagt, er, Nicolai,
-sey ein hämischer Bösewicht; und dieser Erzähler thäte es in der laut
-zugestandenen Absicht, einer Anklage, durch welche ein unauslöschliches
-Brandmal auf meinen Charakter gebracht werden sollte, und durch deren
-Erfolg ich aus meiner Laufbahn geworfen worden, die öffentliche
-Beistimmung zu verschaffen: würde man dieses Benehmen anders bezeichnen
-können, ausser durch die Benennung der Lüge, der Schurkerei und Büberei?
-
-4) Ist die Anfrage: im bürgerlichen Leben nennt man dies Schurkerei,
-Büberei, Lüge, wie soll man es in der Literatur nennen? -- gleich ^dem^
-Satze: man soll es in der Literatur ebenso nennen, und ich will es
-hiermit also genannt haben? Zwar bin ich, damit nicht etwa jemand
-glaube, dass ich mich zurückziehen wolle, ich bin allerdings der
-Ueberzeugung, dass man es auch in der Literatur so nennen solle, wenn es
-nur über literarische Rechtlichkeit eine ebenso befestigte und
-verbreitete allgemeine Meinung gäbe, wie über bürgerliche Ehre. Ich bin
-allerdings der Ueberzeugung, und scheue mich nicht, es laut zu erklären,
-dass dieser Herr Heusinger sehr nichtswürdig gehandelt hat.
-
-5) Nicolai's Betragen, der, wenn er nicht von so immensem Gedächtnisse
-ist, dass er darin sogar die Seitenzahlen unseres philosophischen
-Journals gegenwärtig hat, die oben angeführte Stelle, welche er richtig
-citirt, aufgeschlagen und vor Augen haben musste, und dennoch fähig war
-niederzuschreiben: ich habe darüber, dass ^ein Gegner mir gezeigt, was
-aus meinen Sätzen folge^, von Schurkerei und Büberei gesprochen, --
-dieses Betragen Nicolai's zu beurtheilen und zu benennen, überlasse ich
-ganz allein dem ehrliebenden Leser.
-
-[Fußnote 20: In seiner Schrift: über das idealistisch-atheistische
-System des Herrn Prof. Fichte.]
-
-Soviel über diese ehrenrührigen Angriffe Nicolai's, die auf erdichtete
-Thatsachen sich gründen. Was er (S. 154 u. S. 177) über mein Benehmen
-bei der Niederlegung meines Lehramtes an der Universität Jena urtheilt,
-übergehe ich mit Stillschweigen, indem er hierin wenigstens nicht
-offenbar falsche Thatsachen erdichtet, obgleich er mir Empfindungen und
-Gesinnungen zuschreibt, welche nie die meinigen waren. Das Urtheil eines
-Nicolai ist mir zu unbedeutend und zu verächtlich, als dass ich mich
-dagegen vertheidigen oder annehmen sollte, dass irgend jemand, an dessen
-Achtung mir liegen könnte, dieses Urtheil theilte. Es dürfte vielleicht,
-ausser dem, was über jene Sache bekannt worden, noch andere Umstände
-geben, die da unbekannt geblieben, und welche mein Betragen dabei in ein
-anderes Licht stellen würden, als dasjenige ist, in welchem Nicolai
-zweckmässig findet, dieses Betragen erscheinen zu lassen; aber Nicolai
-gerade ist der letzte, der über diese Dinge mich zur Rede bringen soll.
-
-
-
-
- Zweite Beilage.
- (Zum zweiten Capitel.)
-
-
-Gegen die Schilderung Mendelssohns im Texte, dass er ein Mann von dem
-besten Willen, aber von eingeschränkten Einsichten und Zwecken gewesen
-sey, wird ohne Zweifel niemand etwas einwenden, der diesen Mann aus
-seinen Schriften und öffentlichen Verhandlungen, aus dem Lessingschen
-Briefwechsel, und etwa auch aus mündlichen Erzählungen kennt; -- wenn
-nemlich der Beurtheiler nicht etwa selbst von eingeschränkten Einsichten
-und Zwecken ist. Mit Beurtheilern der Art aber wollen wir hier nicht die
-Zeit verlieren.
-
-Dass Lessing -- wir beziehen uns hier allenthalben auf die früheren
-Schriften desselben und die von seinem Bruder herausgegebene
-Lebensbeschreibung und Briefwechsel, und wünschten, dass der Leser, der
-ein Urtheil in dieser Sache begehrt, damit sehr bekannt wäre, -- dass,
-sage ich, Lessing in seiner frühen Jugend sich in einer unbestimmten
-literarischen Thätigkeit herumgeworfen, dass alles ihm recht war, was
-nur seinen Geist beschäftigte und übte, und dass er hierbei zuweilen auf
-unrechte Bahnen gekommen, wird kein Verständiger läugnen. Die
-eigentliche Epoche der Bestimmung und Befestigung seines Geistes scheint
-in seinen Aufenthalt in Breslau zu fallen, während dessen dieser Geist,
-ohne literarische Richtung nach aussen, unter durchaus heterogenen
-Amtsgeschäften, die bei ihm nur auf der Oberfläche hingleiteten, sich
-auf sich selbst besann, und in sich selbst Wurzel schlug. Von da an
-wurde ein rastloses Hinstreben nach der Tiefe und dem Bleibenden in
-allem menschlichen Wissen an ihm sichtbar; und eine der deutlichsten
-Erscheinungen dieser Veränderung war eine sich durchaus nicht
-verbergende Verachtung gegen Nicolai's Person, und ganzes Werk und
-Wesen, indess er die gutmüthige Beschränktheit Mendelssohns fortdauernd
-mit schonendem Stillschweigen trug.
-
-Schon früher hatte er unserem Helden die Verweise seiner Unwissenheit,
-Ungeschicktheit und Suffisance nicht erlassen. (M. s. S. 98 ff. u. S.
-109 ff. des von Nicolai selbst edirten Briefwechsels.) Von jetzt an
-correspondirte er mit ihm nur noch über Verlagsangelegenheiten, um ihm
-Aufträge zu geben, z. B. dass er ihm Schuhe überschicken solle, und um
-Neuigkeiten von der Buchhändlermesse durch ihn zu erhalten. Sein
-Vertrauen hatte Nicolai so wenig, dass Lessing unverhohlen über einen
-gewissen Plan ihm schrieb: den könne er ihm nicht mittheilen, der müsse
-unter ^den Freunden^ (Klopstock, Bode u. a.) bleiben; ohnerachtet er
-freilich fürchtete, dass ihm beim Herumgehen um das Thor zu Leipzig ein
-Wink darüber entschlüpft seyn möchte (S. 177 des angeführten
-Briefwechsels); seine literarische Unterstützung und Billigung der
-Unternehmungen so wenig, dass Lessing nie eine Recension in die D. B.
-verfertigt, so sehr auch Nicolai suchte, ihm dergleichen abzuschmeicheln
-(S. 147), und sich genöthigt fand, dies öffentlich zu erklären (S. 255),
-und dass er nicht dazu zu bringen war, ihm Beiträge aus der
-Wolfenbüttelschen Bibliothek für seine (Nicolai's) Volkslieder zu
-senden, »indem doch der ganze Spass nur auf Verwechselung des Pöbels mit
-dem Volke hinauslaufe« (S. 393). Man sehe dagegen, mit welcher
-Dienstfertigkeit und innigen Achtung derselbe Mann Conrad Arnold Schmid
-(29. Theil der Lessingschen Schriften) und den fleissigen, biederen
-Reiske (28. Theil) behandelte. Einen Zug in einer Nicolaischen Recension
-nannte Lessing, kurz und gut, sowie er es wirklich war, ihm unter die
-Augen ^hämisch^ (S. 213 d. a. Briefwechsels). Nicht nur Nicolai's
-Person, sein ganzes Werk und Wesen verachtete er. So war ihm die
-Aufklärerei und der Neologismus in der Theologie, wie er in der D. B.
-getrieben wurde, ein wahrer Gräuel, und er drückte unter vier Augen sich
-oft kräftig darüber aus. So schreibt er seinem Bruder (30. Theil S.
-286): »was ist sie anders, unsere neumodische Theologie gegen die
-Orthodoxie, als Mistjauche gegen unreines Wasser?« Und auf der folgenden
-Seite: »Flickwerk von Stümpern und Halbphilosophen ist das
-Religionssystem, welches man jetzt (wo anders als in der D. B.?) an die
-Stelle des alten setzen will, und mit weit mehr Einfluss auf Vernunft
-und Philosophie, als sich das alte anmaasst.«
-
-Wielands Pläsanterie über den Bunkel findet er so gerecht als lustig
-(29. Theil S. 495). Was er daselbst noch weiter hinzusetzt, --
-ohnerachtet es auf eine unseres Erachtens sehr unrichtige Voraussetzung
-sich gründet, -- um Nicolai zu entschuldigen, zeigt doch wenigstens an,
-zu welcherlei Handwerk Lessing diesen Mann allenfalls noch tauglich
-gefunden: »zu Verbreitung -- ^solcher^ Ideen, die für ein gewisses
-Publicum, das doch auch mit diese Stufe besteigen müsse, wenn es weiter
-kommen solle, ihren Werth hätten, durch -- ^so einen Roman^.«
-
-Und Nicolai, der sich mit Lessings Freundschaft brüstete, der die Ehre
-des Todten gegen den Vorwurf vertheidigte, dass er -- kein so seichter
-Kopf gewesen sey, als ein Nicolai, hat die Stirn, seinen Briefwechsel
-mit Lessing, aus dem wir oben Auszüge geliefert, selbst herauszugeben?
-Warum nicht? Er hat lange Noten dazu gemacht, in denen er sich
-herausredet, Lessing für einen wunderlichen Kopf, für einen übellaunigen
-Brummer, für ein überspanntes Genie ausgiebt, und seine ihm (dem
-Nicolai) selbst ungelegenen Meinungen aus der leidigen Paradoxie und
-Disputirsucht erklärt.
-
-Heiliger Schatten, vergieb uns, dass wir in demselben Zusammenhange von
-dir redeten und von ihm. Wenn auch keine deiner Behauptungen, wie du sie
-in Worte fasstest, die Probe halten, keines deiner Werke bestehen
-sollte, so bleibe doch dein Geist des Eindringens in das innere Mark der
-Wissenschaft, deine Ahnung einer Wahrheit, die da Wahrheit bleibt, dein
-tiefer inniger Sinn, deine Freimüthigkeit, dein feuriger Hass gegen alle
-Oberflächlichkeit und leichtfertige Absprecherei unvertilgbar unter
-deiner Nation!
-
-
-
-
- Dritte Beilage.
- (Zum zweiten Capitel.)
-
-
-Ich nenne die deutsche Bibliothek ^ein an sich widersinniges
-Unternehmen^. Dies ist unter einer Nation, die in ihrer eigenen Sprache
-schreibt, ihre eigene Literatur und einen sehr verbreiteten Buchhandel
-hat, und viel liest, der Strenge nach ^jedes allgemeine Recensionswerk^.
-
-Es ist zu beklagen, dass ich daran ein Paradoxon sage; denn dies ist
-jede einem jedem gerade vor den Füssen liegende Wahrheit jedem
-verkünstelten Zeitalter. Könnte ich nur einige Augenblicke auf
-unbefangene Leser rechnen, so würde ich sie bitten, folgendes mit mir zu
-überlegen.
-
-Der Leser will doch ohne Zweifel ein richtiges Urtheil über die Producte
-der Kunst und der Wissenschaft, auf das er sich auch verlassen könne.
-Wer kann denn nun, und wer soll diese Urtheile fällen? Doch wohl die
-ersten Meister in jedem Fache der Kunst und der Wissenschaft?
-
-Wenn nun zuvörderst der einige grösste Meister in einem Fache -- denn es
-ist doch wohl nicht anzunehmen, dass die Grossen wie Pilze aus der Erde
-wachsen -- etwas schriebe, wer soll denn diesem sein Urtheil fällen? Wer
-soll gegenwärtig in der Kunst über Goethe, wer sollte zu seiner Zeit in
-der Philosophie über Leibnitz, wer sollte, als Kant mit seiner Kritik
-der reinen Vernunft hervortrat, über Kant urtheilen? Ueber den letzten
-etwa die Garve, die Eberharde? Nun, sie haben es gethan, und es ist
-darnach. Diesen Fall aber abgerechnet: sollten denn die grössten Meister
-die Geneigtheit haben, dieses Richteramt über die Schriften zu
-übernehmen; sollten sie nicht etwas Besseres thun können, das dem
-gemeinen Wesen noch erspriesslicher sey? -- Der Lebenslauf jedes
-wahrhaften Künstlers oder wissenschaftlichen Kopfs ist eine fortgehende
-Entwickelung seiner eigenen Originalität. Seine Kunst oder seine
-Wissenschaft erlernt, und auf den Punct sich erhoben, wo das Zeitalter
-stand, hat er; das versteht sich, und dies ist nun vorbei. Er geht
-^seinen^ Gang, entwickelt sich selbst in eigenen Schriften, die er bei
-der vorausgesetzten Ausbreitung des Buchhandels leicht ins Publicum
-bringen kann; von den Arbeiten anderer nimmt er Notiz, nur inwiefern sie
-gerade seinen Gang berühren, und ihm im oder am Wege liegen, und er wird
-ohne Zweifel in seinen eigenen Werken die nöthige Rücksicht darauf
-nehmen. Sollte er sich wohl in diesem Kreise unterbrechen lassen, um
-sich alle Wochen in einen ganz anderen Kreis eines ihm zur Recension
-zugesandten Buches zu versetzen? Es ist nicht wahrscheinlich.
-
-Oder hat etwa das deutsche Publicum bis jetzt in allem Ernste geglaubt,
-dass es zwei Klassen grosser Gelehrten habe: die eine, deren Namen es
-kennt, und die die Bücher schreiben; und die zweite, wohl ebenso
-bedeutende, deren Namen es nicht kennt, und die die Recensionen
-schreiben?
-
-Wer selbst ein Buch schreiben kann, der schreibt ein Buch und keine
-Recension, und für die Recensionen bleiben ^in der Regel^ nur diejenigen
-übrig, die kein Buch schreiben können: hinter ihrem Zeitalter
-zurückgebliebene ^Invaliden^, deren Bücher keinen Absatz, und also
-keinen Verleger finden, und ^Schüler^, die zwar ein Aufsätzchen in
-Grösse einer Recension zusammenbringen, aber nicht den Plan eines Buchs
-entwerfen können. Dafür, meine Leser, dafür ist die Anonymität der
-Recensenten. Das Publicum würde ein schönes Schauspiel erhalten, wenn
-die Redactoren der recensirenden Institute plötzlich genöthigt würden,
-die Verfasser aller seit 5 Jahren erschienenen Recensionen zu nennen. --
-^In der Regel^ ist es so, habe ich gesagt: denn es ist möglich, dass ein
-wirklicher Schriftsteller etwas in seinen gegenwärtigen Gedankenkreis
-Fallendes beurtheile, und da er gerade kein Buch unter der Feder hat, in
-welches diese Beurtheilung passe, sie vorläufig in einem recensirenden
-Blatte abdrucken lasse. Auf dergleichen Beiträge aber rechnet ganz
-gewiss kein Redacteur, der seinen Messkatalog herunterrecensiren lassen,
-und sein Blatt alle Tage voll haben muss: er muss bestellte, pünctliche
-Arbeiter haben. Oder es dürfte sich, ^da das leidige Vorurtheil für
-Recensionen einmal in der Welt ist, und vor der Hand wohl nicht leicht
-auszurotten seyn dürfte^, eine Gesellschaft von Männern, die allerdings
-selbst Meisterwerke liefern könnten, verbinden, sich selbst zu
-verläugnen, und auf dem Wege des Recensirens in das Zeitalter
-einzugreifen. Die Redaction der Erlanger Literaturzeitung leistet in
-einer neuerlichen Ankündigung Versprechungen dieser Art, und zeigt, dass
-sie durchaus wisse, worauf es dabei ankomme; so dass sich billigerweise
-annehmen lässt, sie sey im Besitze des Mittels, diese Versprechungen zu
-halten, und gründe sich auf eine solche patriotische Verbindung; auch
-berechtigt der Anfang zu immer grösseren Hoffnungen auf die Zukunft.
-Diese Zeitung würde sodann eine höchst seltene und höchst ehrenvolle
-Ausnahme von dem obigen allgemeinen Urtheile machen.
-
-Ein ^Invalid^ also, oder ein ^Schüler^ wird in den ^8 oder 14 Tagen^, da
-er das Buch flüchtig durchläuft, und recensirt, sich über den Autor
-erheben, der ^Jahre lang^, oder vielmehr, da jede seiner Arbeiten doch
-immer Resultat seines ganzen Lebenslaufes ist, ^sein ganzes Leben^ an
-diese Materie ausschliessend verwendete? Es ist nicht wahrscheinlich.
-
-Der ^Invalid^ -- mit ihnen sind diejenigen literarischen Institute, die
-auf Reputation halten, am meisten besetzt, damit sie im Falle der Noth
-sich mit einem Namen decken können, der vor 20 Jahren galt -- der
-Invalid wird das Zeitalter, in welchem er etwas bedeutete, in seinen
-Recensionen zurückzuführen suchen, und alles neue verurtheilen, weil es
-neu ist. Der ^Schüler^ wird, wenn er noch am unbefangensten ist, auf
-seinem Richterstuhle herumtappen, und vor den Lesern, die ein Urtheil
-von ihm erwarten, zu begreifen suchen, worüber er richtet. Seine
-Recension wird eine seiner Schulübungen werden.[21]
-
-[Fußnote 21: Ein Beispiel aus tausenden, um es dem Leser recht vor die
-Augen zu stellen, in welche Verlegenheiten heutzutage ein ehrlicher
-Redacteur kommen kann, und wie kläglich sich dieselben oftmals behelfen
-müssen!
-
-Die Jenasche Literaturzeitung fand sich genöthiget, noch ein
-Ergänzungsblatt, gleichsam einen Beiwagen zu der immer zu stark
-besetzten ordinären Landkutsche, anzulegen. Es wurde ausdrücklich und
-namentlich angekündigt, dass dieses Ergänzungsblatt unter anderen auch
-einen Bericht über die durch die Fichteschen Religionslehren
-entstandenen Bewegungen enthalten würde. Jeder Leser musste glauben,
-dass dieser Bericht ein vorzügliches Meisterwerk, und ein wahres
-Bravourstück des Recensionswesens seyn würde, von dessen
-Vortrefflichkeit er auf das Ganze schliessen könnte, da es ihm schon im
-voraus so bedeutend angekündigt wurde; und höchstwahrscheinlich hatte
-der Herr Hofrath Schütz wirklich auf ein solches Meisterstück Bestellung
-gemacht und erwartete täglich die Ankunft desselben. Und was hat er
-erhalten!
-
-Zwar so lange der Recensent Gefahr ahnt und deswegen auf seiner Hut ist,
-zieht er sich listig genug aus dem Handel. Statt irgend eine
-Eigenthümlichkeit der angefochtenen Lehre anzugeben, sagt er nur kurz:
-was im Forbergschen Aufsatze richtig sey, sey Kantisch, und auch
-Fichte's Lehre sey Kantisch, ausser dass der letztere diese Lehre an
-seine Wissenschaftslehre anzuknüpfen suche. Nun thue ihm einer etwas!
-Fragt ihr, was denn nun richtig sey in diesen Aufsätzen, so ist die
-Antwort: das Kantische; und fragt ihr wiederum, was denn das Kantische
-sey, so ist die Antwort: dasjenige was richtig ist.
-
-Dagegen aber fällt ihn sein Unglück da an, wo er keine Gefahr weiter
-ahnet. Von der Substanz, meint er, habe noch kein Philosoph einen
-bestimmten Begriff aufgestellt. -- Welcher Philosoph weiss nicht, dass
-seit Locke eine sehr bestimmte Nominalerklärung der Substanz vorhanden
-ist: die, dass sie sey ^der Träger der Accidenzen^? Auch würde der
-Recensent gerade in dieser Wissenschaftslehre, von welcher er zu sagen
-weiss, dass Fichte sein Religionssystem daran anzuknüpfen suche, eine,
-wie wir glauben, sehr bestimmte Real- und genetische Erklärung der
-Substanz gefunden haben; dass sie nemlich sey ^die^ (allein im Denken
-geschiedenen) ^Accidenzen selbst, in sinnlicher Anschauung zusammen- und
-als Eins aufgefasst^, wenn er diese Wissenschaftslehre jemals
-durchblättert hätte: und er hätte sodann den Lesern der ^A. L. Z.^
-berichten können, warum Gott, der in sinnlicher Anschauung nicht
-vorkomme, das Prädicat der Substanz sich nicht beilegen lasse; welches
-den Lesern zu grosser Erbauung, und der Literaturzeitung zu grossem
-Ruhme gereicht haben würde. Von diesem allen hat er nichts gethan und
-nichts gewusst. Man sieht, die Philosophie ist dieses Recensenten Fach
-nicht.
-
-Nun, was ist er denn also, und welches ist sein Fach?
-
-Er fürchtet, Fichte möge sich im Ausdrucke vergriffen haben, und geht
-daran herum, ihm denselben zu verbessern. Man sieht, dass er gewohnt
-ist, ^exercitia stili^ zu corrigiren. Ein Sprachmeister ist er.
-
-Und was für ein Sprachmeister! -- Fichte hat gesagt, dass man Gott das
-Prädicat der Substanz nicht beilegen könne, und fährt darauf fort: »es
-ist erlaubt, dieses aufrichtig zu sagen, und das Schulgeschwätz
-niederzuschlagen, damit die Religion des freudigen Rechtthuns ^sich
-erhebe^.« Unser Sprachmeister nimmt von diesem letzteren Ausdrucke die
-Gelegenheit, Fichte dem Verfasser des ^Schreibens eines Vaters etc.^,
-welcher Verfasser Forberg und Fichte zuerst öffentlich des Atheismus
-bezüchtigt, -- so ungefähr gleichzustellen (denn dieser Sprachmeister
-hat zugleich ein sehr gutes Gemüth gegen Fichte, und zeigt es in diesem
-einzigen Blatte, das die Langweiligkeit des Ganzen uns zugelassen hat,
-durchzulaufen, auch noch an anderen Stellen), indem auch Fichte, nur
-freilich etwas feiner, in der Speculation anders Denkende ohne weiteres
-der Irreligiosität beschuldige, und hier insinuire, dass der Begriff von
-Gott als Substanz erst niedergeschlagen werden müsse, ehe die wahre
-Religion stattfinde. Ihm sind sonach ^sich erheben^ (über Hindernisse
-und Zweifel) und ^entstehen^ Synonyme.
-
-Forbergs Benehmen, das er höher oben als petulant, und der Wichtigkeit
-der Sache nicht angemessen beschreibt, nennt er tiefer unten, um doch
-auch seine Kenntniss des Französischen zu zeigen, ^niaiserie^. Er mag
-wohl dieses Wort in seinem Dictionnäre durch ^läppisches Wesen^
-übersetzt finden, und es seinen Schülern immer so übersetzt haben, ohne
-einen Unterschied zu bemerken zwischen einem ^unschicklichen^ Betragen
-aus Muthwillen (dessen er ohne Zweifel Forberg beschuldigen will) und
-einem ^ungeschickten^ und täppischen aus Unbeholfenheit, dessen weder er
-noch irgend jemand Forberg beschuldigen wird, und welches allein doch
-durch das Wort ^niaiserie^ bezeichnet wird. (^Niais^, höchst
-wahrscheinlich von ^nidus^, eigentlich, ein junger Vogel, der, noch ehe
-er fliegen konnte, aus dem Neste genommen worden und dessen Flug daher
-unbeholfen bleibt.)
-
-Der Recensent ist sonach ein verdorbener, heruntergekommener
-Sprachmeister, der bei dieser Unwissenheit freilich seine Kunden
-verlieren musste, und nun durch Recensionen an der Literaturzeitung sich
-seinen Unterhalt zu erwerben sucht.
-
-Kein Mensch, und am allerwenigsten der Verfasser, wird glauben, dass ein
-so berühmter Philolog, als der Herr Hofrath Schütz, diese argen
-Verstösse nicht bemerkt habe. Aber was konnte er machen? Der Abgang des
-Beiwagens war angekündigt, die Stunde war da, und kein anderes Gut
-vorhanden. Er musste eben aufladen, was er hatte.]
-
-Und welche verächtliche Leidenschaften werden durch diese ganze
-Verfassung erregt und genährt! Welcher Eigendünkel bei guten Jünglingen,
-welche grösstentheils dergleichen Einrichtungen wirklich für das halten,
-was sie seyn müssten, wenn sie überhaupt seyn sollten! Der Wahl
-tappender und schielender Redactoren vertrauend, glauben sie vom Tage
-ihrer Einladung zur Mitgliedschaft einer berühmten Recensentengilde
-wirklich die Fähigkeiten zu besitzen, die sie in ihrer Unbefangenheit
-den Recensenten zuschreiben, zürnen auf ihre redlichen Lehrer, welche
-vielleicht diese Fähigkeiten in ihnen noch nicht bemerken wollten, und
-ergreifen die Gelegenheit, diesen ihre Uebermacht fühlbar werden zu
-lassen![22] Welche schöne Aussichten für Literaten aller Art, ihre
-gelehrte Eifersucht, ihren Neid, ihre Rachsucht gegen jeden, der ihnen
-irgendwo im Wege gestanden, zu befriedigen, ohne dass jemand wisse,
-woher die Streiche kommen! Jeder Gedrückte tröstet sich in aller Stille
-damit: ei, ich will ihm schon einmal in einer Recension eins versetzen;
-und er hält Wort. -- Welches Schauspiel würde das Publicum auch in
-dieser Rücksicht erhalten, wenn die Redactoren plötzlich genöthigt
-würden, die Verfasser der bisher erschienenen Recensionen anzugeben; und
-die recensirten oder gelegentlich angezapften Schriftsteller hierauf
-anfingen, Particularia und Personalia zu erzählen!
-
-Welch ein ganz eigener Ton, der besonders in den Verantwortungen
-angefochtener Redactoren und noch stärker in den Antworten der durch die
-Anonymität gedeckten Recensenten auf Antikritiken, in seiner ganzen
-Originalität erscheint! Da stösst ein Mann, der im Grunde weder witzig
-noch hitzig ist, und es sehr gut weiss, dass er unrecht hat, sich bei
-jedem Athemzuge in die Rippen, um die Langmüthigkeit seiner Natur zum
-Zorne, zur Grobheit, zur Pöbelhaftigkeit zu reizen; jener lediglich, um
-sein Blatt beim Publicum, dieser, um sich beim Redacteur, der allein ihn
-kennt, in Respect zu erhalten. »Ei, die verstehns; die wissen recht
-einem jeden eins zu versetzen,« soll der Lesepöbel denken.
-
-[Fußnote 22: Der Verfasser kann zwar nicht ganz in der beschriebenen,
-aber doch in einer ähnlichen Weise aus eigener Erfahrung sprechen.
-Nachdem er ein -- von ihm selbst schon damals dafür erkanntes --
-schlechtes Buch geschrieben hatte, dafür in einer berühmten Zeitung
-mächtig gelobt, und gleich darauf zur Mitarbeit an dieser Zeitung
-eingeladen wurde -- ei, dachte er, gehört dazu nichts weiter? und hatte
-einige Freude, und wurde auch wirklich, so lange er selbst in seiner
-Wissenschaft noch keinen festen Standpunct hatte, zum Ritter an ein paar
-jungen Schriftstellern, die noch weniger feststanden als er selbst.
-Seitdem er diesen Standpunct gefunden und bessere Schriften schreiben zu
-können glaubte, hat er jene Mitgliedschaft aufgegeben. Er kann nicht
-dafür stehen, dass er nicht einst, wenn er etwa durch Altersschwäche
-herunterkommen sollte, wieder zu derselben greifen werde, und will für
-diesen Fall jener berühmten Zeitung, und ihrem berühmten Redacteur,
-welche ohne Zweifel dann noch fortdauern werden, sich hiermit schon im
-voraus zu gutem Andenken und zu brüderlicher Schonung empfohlen haben.
---]
-
-Welch ein abenteuerliches System von Begriffen und Meinungen, das aus
-dieser Einrichtung hervorgegangen ist! Zuvörderst der Begriff einer
-^Kritik^, die ausserhalb der Meister und der Meisterschaft und von ihnen
-abgesondert wohnen soll! Eine Partei, die die Werke liefert, ohne
-Kritik; eine andere Partei, die die Kritik besitzt, und sie über die
-Werke anderer hingiesst, ohne selbst Werke hervorzubringen. Dann der
-Begriff von einer ^Urtheilsfreiheit der Gelehrten^: d. h. dass es jedem,
-der einige Perioden deutsch zu schreiben vermag, erlaubt seyn müsse,
-über alles Geschriebene in den Tag hineinzuschreiben, ob er davon etwas
-gelernt habe, oder nicht, und dass über sein Geschwätz kein anderer
-lachen dürfe. Dann die Meinung, dass jedes erscheinende Buch ein ^corpus
-delicti^ sey, das sogleich vor den Richterstuhl gezogen werden müsse;
-dass die Bücher eigentlich nur darum geschrieben würden, um recensirt zu
-werden; und dass die Recensenten weit vornehmere Wesen seyen, als die
-Schriftsteller; dass nur schlechte Schriftsteller sich gegen die --
-Kritik, verstehe die Recensenten, auflehnen, gute aber sich ihr demüthig
-unterwerfen und sich bessern. -- Armes Publicum, dass du dir dergleichen
-Dinge aufbinden lassen! Wisse, dass jedes Werk, das da werth war zu
-erscheinen, sogleich bei seiner Erscheinung gar keinen Richter finden
-kann; es soll sich erst sein Publicum erziehen, und einen Richterstuhl
-für sich bilden; es ist eine Lection an dich, gutes Publicum, und kein
-^corpus delicti^. Spinoza hat über ein Jahrhundert gelegen, ehe ein
-treffendes Wort über ihn gesagt wurde; über Leibnitz ist vielleicht das
-erste treffende Wort noch zu erwarten, über Kant ganz gewiss. Findet ein
-Buch sogleich bei seiner Erscheinung seinen competenten Richter, so ist
-dies der treffendste Beweis, dass dieses Buch ebensowohl auch
-ungeschrieben hätte bleiben können.
-
-So mit den ^allgemeinen^ Recensionsanstalten, die auf Universalität der
-Wissenschaft und auf Mitarbeiter aus allen Provinzen des deutschen
-Vaterlandes Anspruch machen. Ein wenig unschuldiger sind die kleinen
-Particular-Recensionsfabriken. Mit diesen will man entweder den Ort, wo
-sie erscheinen, ehren, und beweisen, dass derselbe auch Gelehrte habe,
-die ein Wort mitsprechen können. Unseres Erachtens ein sehr mislicher
-Beweis; es wäre dem Orte mehr Ehre, er hätte viele Gelehrte, die etwas
-besseres zu thun hätten, als zu recensiren. Oder dergleichen kleine
-Zeitungen enthalten die Ausreden der vornehmen Herren Professoren an die
-gelehrten Mitbürger, denen durch alle Mühe, die man sich darum giebt,
-doch das Lesen auswärtiger Schriftsteller sich nicht ganz verkümmern
-lässt, warum sie von ihren Kathedern herab nicht ebenso belehrt werden,
-als es in dieser eingeführten literarischen Contrebande geschieht; auch
-kräftige Anpreisungen der eigenen Producte dieser vornehmen Professoren.
-Solche Recensionen zeichnen sich durch die Formeln aus: »Rec. trug dies
-immer so vor;« oder: »was der Verfasser da sagt, ist zwar wahr, doch
-aber sind wir auch der Ueberzeugung, dass auch die entgegengesetzte
-Ansicht, welche der Rec. immer gegeben hat, richtig ist;« oder: »wie
-kann der Mann nur das rühmen, wovon wir immer gesagt haben, dass es
-nichts tauge; so er etwas rühmen will, so rühme er unsere Apodiktik.«
-Das unsterbliche Muster in dieser Art werden immer die Gelehrtenanzeigen
-der Göttingischen Universität bleiben, deren Lehrer sehr oft mit
-auswärtigen Schriftstellern in Collision kommen mögen. Sie sind
-lediglich auf die gelehrten Mitbürger berechnet; und wer sie für mehr
-hält, auf dessen Kopf falle der Schade!
-
-Aber es ist doch so bequem für das grössere Publicum, und selbst für die
-wirklichen Gelehrten, beim Durchblättern einer einzigen Zeitschrift zu
-erfahren, was in jedem Fache Neues erschienen, welches der Inhalt
-desselben sey, und nun zu beurtheilen, ob sie das Buch sich selbst
-anzuschaffen haben, oder ob sie es entbehren können. --
-
-Ohne Zweifel; und dieser Vortheil soll beibehalten werden; nur die
-unbefugte Richterei und Urtheilerei soll wegfallen.
-
-Wie man Petersilie, Pilze und Bücklinge auf den Strassen ausruft, ebenso
-sollen auch die Bücher ausgerufen werden; nicht durch die ersten
-Erzeuger, wie sich versteht, sondern durch die Verkäufer, die
-Buchhändler. Das Verfahren hierbei ist durch die Natur der Sache
-bestimmt und ist sehr einfach. Vereinigen sich die deutschen
-Buchhändler, und übertragen einem aus ihrer Mitte, ebenso wie sie
-ehemals der Weidmannschen Buchhandlung die Herausgabe des Messkatalogs
-überliessen, die Herausgabe eines ausführlichen Messkatalogs; -- oder
-sey dabei auch durchaus freie Concurrenz. Dieser Messkatalog enthalte
-den Titel des Buches, die Verlagshandlung, den Ladenpreis, einen
-verhältnissmässigen Auszug des Inhalts, -- wo es hingehört, Proben der
-Schreibart. Um dergleichen Anzeigen zu verfertigen, bedarf es nur
-einiger Commis, die da lesen können und schreiben, höchstens auf einer
-lateinischen Schule bis in Secunda gekommen sind. Man hat ja überdies in
-einer jeden wohl eingerichteten Druckerei einen Corrector, der ein
-Literatus ist; dieser sey der Redacteur des Blattes; ihm gebe man mit
-dem Correcturbogen zugleich das angezeigte Buch mit ein, damit er
-urtheilen könne, ob der Auszug richtig und zweckmässig ist. Es mag ihm
-auch verstattet werden, sich als Herausgeber auf dem Titelblatte zu
-nennen. --
-
-Alles eigenen Urtheils enthalten diese Commis und dieser Corrector sich
-gänzlich; oder wollen sie ja etwas von ihrem Eigenen hinzuthun, so loben
-sie ^alle^ Bücher, die sie anzeigen, aus gleich vollen Backen. Sie
-schreiben im Namen der sämmtlichen Verleger, und es ist sehr natürlich
-und sehr unschuldig, dass ein Verkäufer seine Waare lobt. Wer dadurch
-getäuscht wird, der schreibe es lediglich seiner eigenen Unerfahrenheit
-zu. Mehrere Buchhändler, welche die Fertigkeiten der beschriebenen
-Commis in sich vereinigen, haben dies schon recht gut angefangen, und es
-könnte den Verfassern solcher Anzeigen, wie wir sie meinen, keinesweges
-an Mustern fehlen.
-
-^Zweitens^ habe ich gesagt, die allgemeine deutsche Bibliothek sey
-verderblich geworden -- durch die Art ihrer Ausführung. Jene Bibliothek
-wurde nemlich, wie wir jedem, der nicht selbst zu den Seichten gehört,
-zu finden anmuthen -- sie wurde der Mittelpunct der Seichtigkeit, der
-Popularität, des leeren Geschwätzes. Eine Philosophie, die hinüber und
-herüberschwatzte, ohne Regel und feste Bahn, eine Theologie, deren
-Hauptzweck war, die Bibel so vernünftig zu machen, als diese seichten
-philosophischen Schwätzer selbst waren, eine Kunstkritik, die auf nichts
-sah, als auf die Wahrscheinlichkeit der Fabel, und die moralische
-Erbaulichkeit, eine Gelehrsamkeit, die im Zusammenschleppen seltener
-Raritäten auf einen confusen Haufen bestand, eine flache breite
-Schreiberei: dies war von jeher der Geist dieses Werkes. Dieser Geist
-hat der Cultur der Wissenschaften in unserem Vaterlande unendlich
-geschadet; er lebt noch und fährt noch fort zu schaden. -- Man irrt sich
-sehr über den eigentlichen Zweck derer, die Nicolai und seinem Anhange
-so sehr zuwider sind. Sie wollen nicht gerade diese oder jene
-Philosophie herrschend machen. Nur den Geist der Seichtigkeit und
-Popularität möchten sie durch den Geist wahrer Gründlichkeit und
-Wissenschaftlichkeit verdrängen; -- durch den Geist, der durch die
-Lessinge, die Jacobi, die Kante, aus der besseren alten Welt durch die
-Zeit der Ueberschwemmung hindurch in die neue Welt herüber gerettet
-worden. Sodann mag auch über Philosophie, Aesthetik, Naturlehre etwas
-ausgemacht werden.
-
-Dass, wie ich ^drittens^ gesagt habe, dieses Unternehmen der Bibliothek
-keinem verderblicher gewesen, als dem Urheber selbst, ist in dieser
-Schrift zur Genüge erwiesen.
-
-
-
-
- Vierte Beilage.
- (Zum neunten Capitel.)
-
-
-Das im Texte erwähnte Geschwätz über Katholicismus und
-Kryptokatholicismus ist ein trauriger Beweis, was dem guten deutschen
-Volke jeder Schwätzer anmuthen kann, wenn er nur kräftig schreit. Möchte
-es doch auch ein abschreckender Beweis für die Zukunft seyn!
-
-Nicolai war und ist eigentlich seines Zeichens ein ausgemachter Berliner
-^Badaud^, so sehr er sich auch für einen Weltkenner hält. Es gehört eben
-mit zum Charakter eines ^Badaud^, dass er sich für einen Weltkenner
-halte. Ein ^Berliner Badaud^, habe ich gesagt; nicht, als ob man nicht
-ebensowohl ein Wiener, oder Pariser, oder auch ein Golitzer und
-Kohlgartenscher ^Badaud^ seyn könnte, oder als ob die Berliner mehr Hang
-hätten, es zu seyn, als die Bewohner anderer grossen Städte, sondern
-weil ^der Badaud^, von welchem ich hier rede, nun einmal aus Berlin ist.
-Ein ^Badaud^ ist nemlich ein Mensch, der, um ganz populär davon zu
-sprechen, nie hinter seinem Backofen hervorgekommen ist, daher sich
-einbildet, es müsse allenthalben in der Welt so aussehen, wie hinter
-seinem Backofen, und, wenn er doch einmal hervorkommt, alles, was er
-erblickt, maulaufsperrend bewundert. Mein Dictionnäre übersetzt dieses
-Wort durch ^Maulaffe^. Nicolai's ganze Reise ist die Reise eines solchen
-Maulaffen. Alles, von den heiligen Bildern an bis zu den geflochtenen
-Zöpfen der Tübinger Mädchen begafft er voll Verwunderung. Und lediglich
-aus dieser bewundernden Gafferei des Berliner ^Badaud^ entstand das
-Geschrei über Katholicismus, und hinterher, da seine Bibliothek
-angefochten wurde, über Kryptokatholicismus.
-
-Was hat man denn durch alles dieses Geschrei der Welt entdeckt, das
-nicht jeder, der weitergekommen als Nicolai, oder der auch nur die
-Geschichte und einige Reisebeschreibungen gelesen, oder einige Fremde
-gesprochen, schon vorher auch gewusst hätte? »Es sey mit der Aufklärung
-(es war immer nur von der Nicolaischen negativen Aufklärung, der
-Befreiung von diesem oder jenem Aberglauben, die Rede) der Katholiken
-noch gar nicht so weit gekommen, als etwa gutmüthige Protestanten
-glauben dürften.« Ei, wer waren denn diese gutmüthigen Protestanten?
-Doch wohl nur Nicolai und seine Bibliothekare, welche ^ihr^ Licht in
-jene Länder verbreitet zu haben hofften. »Es werde in den katholischen
-Ländern durch die Mönche noch immer der alte Aberglauben
-aufrechterhalten, auch wohl noch neuer hinzugebracht.« Wer hatte es denn
-je anders gewusst oder gesagt? »Der Papst nehme seine Behauptungen in
-der Regel nie zurück; er rechne auch die protestantischen Länder
-gewissermaassen noch immer unter seinen Sprengel, und suche sie
-besonders durch Bekehrungen in den deutschen fürstlichen Familien in den
-Schooss der Kirche zurückzuführen.« Wer hat denn die Geschichte gelesen
-und dies nicht gewusst; wer hat aber auch nicht gewusst, dass in Absicht
-der Unterthanen dies nichts fruchtet, und sie sich ihre
-Religionsprivilegien nur noch fester versichern lassen? Woher denn nun
-jetzt auf einmal der Lärm, nachdem Friedrich Nicolai auf Reisen ging?
-War denn alles dies etwas Neues, erst jetzt Entdecktes? Ich könnte nicht
-sagen; ausser etwa für Nicolai und seines Gleichen. Oder wurden etwa
-jetzt jene Bemühungen kräftiger und glücklicher? Keinesweges, vielmehr
-geschah ihnen gerade in diesem Zeitpuncte durch die Unternehmungen
-Kaiser Josephs des Zweiten grosser Abbruch.
-
-Ja; aber die eifrige Verbreitung der geheimen Orden, die Ceremonien in
-denselben, das Räuchern, Salben, Händeauflegen! Sind dies nicht offenbar
-katholische Ceremonien? Sieht man da nicht -- so nemlich connectirt
-Nicolai -- offenbar die Tendenz der Katholiken, die Protestanten an ihre
-kirchlichen Gebräuche zu gewöhnen, und dadurch u. s. w.? -- Jedes
-Zeitalter hat sein besonderes Steckenpferd. Das des abgelaufenen
-Jahrhunderts waren geheime Ordensverbindungen. Es ist aus tausend
-Gründen begreiflich, dass höhere Grade entstanden, und dass diese durch
-besondere Ceremonien ausgezeichnet wurden. Warum sollen diese Ceremonien
-denn gerade katholisch seyn; warum nicht ebensowohl jüdisch und
-heidnisch? denn von daher sind sie erst in die christliche Kirche
-gekommen. Kurz, sie sind aus dem Alterthume. -- Hätte Nicolai diesen
-Lärm erhoben, als der Baron Hund, der in Frankreich wirklich katholisch
-geworden, sein Tempelherrnsystem einführte, als Stark mit seinem
-allerdings sonderbaren Klerikate auftrat, so hätte die Sache einigen
-Anschein für sich gehabt. Aber zu ^der^ Zeit ihn zu erheben, da er ihn
-erhob, so lange nach dem Mittagsessen mit seinem Senfe zu kommen! Zeige
-er doch aus diesen Zeiten Ein Beispiel, dass jemand in geheimen Orden
-zur katholischen Religion gebracht worden!
-
-Nicolai ist zwar stets bereit, jedem Gelehrten, der ihm in dieser Sache
-widerspricht, zu antworten: auf der Studirstube freilich erfahre man so
-etwas nicht, und durch Schlüsse ^a priori^ lasse es sich nicht
-herausbringen: das erführen nur Weltleute seiner Art; denn für einen
-solchen hält er sich, weil er über Wien und München nach Zürich gereist,
-und mit dem Minister von Wöllner Schach gespielt. Der Verfasser dieses
-hat über acht Jahre in Ländern, wo Protestanten und Katholiken vermischt
-sind, gelebt, und ist in ihnen gereist: in der Lausitz, im südlichen
-Deutschlande, in der Schweiz, in Polen, in Westpreussen. Er ist diese
-Länder nicht durchflogen, um sie in der Eile zu beschreiben, zu lauern
-und, wie es Leuten dieser Art geht, zu sehen und sich aufbinden zu
-lassen, was man gern sehen und hören will; er hat in ihnen gelebt,
-Geschäfte gehabt, und selbst mitgehandelt, wo man ohne Zweifel besser
-sieht, als wenn man nur durchreiset; hat Umgang gehabt mit Leuten von
-allerlei Confessionen und Meinungen, und glaubt seine Augen eben auch
-offen gehabt zu haben, ob er gleich keine seiner Beobachtungen so neu
-und so interessant gefunden, um sie dem Publicum vorzulegen. Das
-Sichtbare, was Nicolai gesehen, hat er eben auch gesehen; aber er hat
-keine Veranlassung gefunden, darauf die Schlüsse zu bauen, die Nicolai
-aufbaut. Ebenso ist er mit dem Innern der geheimen Orden vielleicht so
-gut bekannt, als Nicolai, vielleicht besser. Er würde nie darauf
-gefallen seyn, ihnen die Wichtigkeit und die Tendenz zuzuschreiben, die
-Nicolai ihnen zuschreibt.
-
-Halte doch Nicolai sich nicht so sehr auf über den Abt Barruel! Die
-Jacobinerriecherei ist das ächte Gegenstück zur Jesuitenriecherei, und
-Barruel ist in der erstern ganz dasselbe, was Nicolai in der zweiten
-war.
-
-
-
-
- Fünfte Beilage.
- (Zum neunten Capitel.)
-
-
-Die A. d. B. war allerdings ein der Religiosität der Nation höchst
-schädliches Unternehmen. Religiosität ist Tiefe des Sinns, und geht aus
-ihr hervor; die ganze Tendenz jenes Unternehmens geht auf
-Oberflächlichkeit; Religion deutet auf das übersinnliche höhere Leben;
-der ganze Zweck jenes Unternehmens ist unmittelbare Brauchbarkeit und
-Nützlichkeit für das Gröbste dieses Lebens. Die von dieser Clique haben
-die Religionsaufklärung und einen Volkslehrer sattsam gelobt, wenn sie
-erzählt haben, dass die Bauern weniger Processe führen, sich seltener
-betrinken, und die Stallfütterung eingeführt haben.
-
-Doch was soll ich hier noch viel Worte über diesen Gegenstand machen?
-Jene ^Appellation an das Publicum^ etc., die Nicolai auch so zuwider
-ist, und von der er glaubt, dass sie nur im Zorne geschrieben seyn könne
-(der arme Mann!), redet, indem sie von wahren Gottesläugnern,
-Götzendienern, Dienern eines bösen Weltgeistes spricht, ganz eigentlich
-von Nicolai und denen, die ihm gleichen. Wem diese nicht bewiesen hat,
-was hier zu beweisen wäre, für den ist jeder andere Beweis verloren.
-
-
-
-
- Noch eine Beilage
- oder
- Dreizehntes Capitel.
- Von den letzten Thaten, dem Tode und der wunderbaren
- Wiederbelebung unsers Helden.
-
-
-Die Betriebsamkeit gewisser Buchhändler ging in jenen Tagen so weit,
-dass sie, nachdem beim Nachdrucken nicht genug mehr zu gewinnen war, die
-Kunst erfanden, Vordrucke zu veranstalten. Auf diese Weise erschien noch
-bei Nicolai's Lebzeiten ein unrechtmässiger Vordruck der gegenwärtigen
-Lebensbeschreibung unsers Helden, die wir jetzt in der ersten, einzig
-rechtmässigen Ausgabe den rechtlichen und gewissenhaften Lesern
-mitgetheilt haben.
-
-Nicolai verwendete gegen diese also erschienene Lebensbeschreibung seine
-ganze polemische Taktik. Zuerst versuchte er, dieselbe zu ignoriren, und
-an der Erziehung Fichte's und seiner Genossen so unbefangen, wie bisher,
-fortzuarbeiten. Als dieses sich nicht thun liess, griff er zum Fache des
-Erhabenen, verbreitete selbst die Schrift durch seinen Buchhandel,
-erklärte öffentlich, dass der Spass so übel nicht sey, und dass er
-selbst bei mehreren Stellen gelacht habe; -- nur hätte, fügte er hinzu,
-der Autor sich kürzer fassen sollen. Hierauf begab er sich mitten in das
-Gründliche und Ausführliche hinein; erzählte, zur Widerlegung des
-Vorgebens, dass er nie eines gelehrten Unterrichts genossen, seine ganze
-Jugendgeschichte, wie er erst die Buchstaben kennen gelernt, darauf
-buchstabiren, dann lesen, sodann schreiben; wiederholte alle Lectionen,
-die er von Jugend auf erhalten, vollständig, legte zum Beweise seiner
-Wahrhaftigkeit seine Schreibebücher, in einem saubern Holzschnitte
-nachgestochen, und abgedruckt, und alle seine ^exercitia stili^ bei.
-Dies gab 4 Alphabete; Format und Druck, wie in den Beilagen zu seinen
-Reisen. Er setzte hierauf sein wahres Verhältniss mit Lessing durch
-ausführlichere und deutlichere Noten zu dem schon gedruckten
-Briefwechsel, und durch die Erzählung aller »Discurse,« die er in seinem
-Leben mit jenem geführt, auseinander; ebenso bewies er durch die
-vollständige und ausführliche Aufführung aller Discurse, die er mit
-Moses Mendelssohn geführt, dass derselbe keinesweges ein Mann von
-eingeschränkten Begriffen und Zwecken gewesen. Dies gab abermals 4
-Alphabete, in besagtem Format und Druck. Er erzählte ferner alle die
-Gedanken, die er so bei sich geführt, als er mit der Stiftung der
-allgemeinen deutschen Bibliothek umgegangen; erzählte die pragmatische
-Geschichte jeder in dieser Bibliothek befindlichen Recension, so wie
-jeder seiner eignen Schriften; brachte, um zu beweisen, wie er ehedessen
-geschätzt worden sey, alle Briefe der Gelehrten an ihn bei;
-bewies nochmals, noch einleuchtender als ehemals, die für den
-Kryptokatholicismus beigebrachten Facta; zählte, um zu zeigen, dass er
-kein Badaud und Tölpel, sondern ein Mann von Welt und Lebensart sey,
-alle königliche und fürstliche Personen, Minister, Generale, Gesandte u.
-s. w. auf, die er in seinem Leben gesehen, und mit ihnen gesprochen,
-erzählte, was er mit ihnen gesprochen, bei ihnen gegessen und getrunken,
-welche witzige Einfälle er gehabt, legte alle die Schachpartien vor, die
-er in seinem Leben mit hohen Personen gespielt: -- und wir müssten die
-Geduld haben, die er hatte, oder die Inhaltsanzeige seines Werks
-nachdrucken lassen, um vollständig zu verzeichnen, was er alles
-beibrachte. Das Ganze belief sich auf 16 Alphabete, in besagtem Format
-und Druck, und war um einen äusserst civilen Preis in seiner Handlung zu
-haben. Kein Mensch las oder kaufte diese 16 Alphabete.
-
-Unser Held stutzte; aber bescheiden, wie er immer gewesen, sahe er bald
-ein, wo der Fehler läge, und war aufrichtig genug gegen sich selbst,
-sich denselben zu gestehen. Er fand, dass er noch nicht deutlich,
-ausführlich, kräftig, lebhaft und witzig genug geschrieben habe. Er
-verfasste daher 32 Alphabete in demselben Format, um auf die ersten 16
-aufmerksam zu machen; erläuterte, ergänzte, verstärkte, und brachte noch
-weit mehr Spässe an. Diese 32 Alphabete waren um einen noch civilern
-Preis in seiner Buchhandlung zu haben; aber kein Mensch kaufte oder las
-diese 32 Alphabete, ebensowenig, als die sechszehn.
-
-»^Noch^ nicht deutlich genug! sagte er bei sich selbst. Das sind die
-fatalen Geschäfte, die einem alle Zeit rauben. Aber ich will mich
-endlich frei machen.« So übergab er seine Handlung und die Redaction
-seiner geliebten allgemeinen Bibliothek in treue Verwaltung, zog auf das
-Land, schloss sich ein, und dictirte unablässig Tag und Nacht fort einem
-Dutzend Schreibern. Aber auch die nunmehrige Deutlichkeit und
-Vollständigkeit genügte ihm nicht, und sein Stündlein überfiel ihn, ehe
-er vollendet hatte und mit sich selbst zufrieden war.[23]
-
-Sein alter Freund hatte die Besorgung der Verlassenschaft übernommen.
-Gern hätte er den schriftstellerischen Nachlass des Vollendeten durch
-den Druck der Welt mitgetheilt; aber es fand sich, dass das Unternehmen
-einiger Tausende von starken Bänden die Kräfte des Zeitalters
-übersteige, er beschloss daher auf einem ganz andern Wege diesen
-kostbaren Nachlass aufzulösen, den Geist desselben zu entbinden und in
-das Universum hineinströmen zu lassen.
-
-[Fußnote 23: Es findet sich hier ein Dissensus der Geschichtschreiber.
-Einige sagen, dass auch das gegenwärtige dreizehnte Capitel in dem
-erwähnten diebischen Vordrucke mit abgedruckt gewesen, Nicolai daher
-unmöglich habe thun können, wovon ihm vorhergesagt worden, dass er es
-thun werde. Er habe bloss kurz gesagt: der zukünftige Verfasser dieser
-vorgedruckten Schrift müsse sehr eitel und einbildisch seyn, um zu
-glauben, dass man gegen seine leidenschaftliche und schmutzige Broschüre
-sich ernsthaft vertheidigen werde; so etwas übergehe ein Ehrenmann, wie
-er sey, mit stillschweigender Verachtung. -- Die 48 Alphabete, das
-unablässige Dictiren und der Tod, welches alles an sich wohl guten Grund
-habe, habe sich auf eine andere Veranlassung begeben. Ein anderer Theil
-der Geschichtschreiber berichtet, dass entweder das gegenwärtige
-dreizehnte Capitel nicht mit vorgedruckt worden, oder dass Nicolai doch
-gethan, was er nicht lassen können, unerachtet man es ihm vorausgesagt,
-und dass alles sich durchaus so zugetragen habe, wie wir es oben
-erzählen. Hieraus ersieht sonach der geliebte Leser, dass das letztere
-die allein wahre und richtige Meinung ist; und wir wollen keinem rathen,
-das Gegentheil anzunehmen, widrigenfalls es ihm in der nächsten
-Recension, die wir verfertigen, übel ergehen soll.
-
- Der erste einzig wahre Verfasser dieser Lebensbeschreibung
- im Jahre 1840 -- zugleich Recensent an der
- weltberühmten allgemeinen Literaturzeitung.]
-
-Es wurde auf seinen Befehl unter freiem Himmel folgendes Denkmal
-errichtet. Man gab den hinterlassenen Handschriften die Form eines
-ruhenden Kolossen, dessen äussere Gestalt und Bildung dem Seligen so
-nahe kam, als möglich. Zur Unterlage diente ihm die allgemeine deutsche
-Bibliothek, zum Kopfkissen die alte und neue Berliner Monatsschrift, die
-Backenseiten waren durch die neuern Hefte der Jenaischen
-Literaturzeitung unterstützt. Der alte Freund hatte von allen Parteien
-einige zur Einweihung des Denkmals eingeladen, damit sie unter der
-Beschattung desselben sich brüderlich vereinigen möchten. Da standen,
-durch das gemeinschaftliche Leid endlich verträglich gemacht, und
-insgesammt Ein Herz und Eine Seele, Reinhard und Zöllner, Gedike, die
-beiden Schlegel, Biester, Tieck, Jacobi, der Hofrath Schütz, Reinhold,
-die Jesuiten, die Bibliothekare, und die Grossen alle.
-
-Durch eine wunderbare Fügung hatten Fichte und Schelling, die unter den
-Eingeladenen sich befanden, und mit den Rücken an das papierne Denkmal
-sich angelehnt hatten, sich gerade,[24] »jener mit Hasenbraten, dieser
-mit einer wilden Schweinskeule ^allzuvoll gestopft^, -- wie denn dies
-dem ernsthaftesten Philosophen unvermerkt begegnen kann -- und der eine
-konnte nun schlechterdings nicht, er mochte sich anstrengen, wie er
-wollte, an der Bestimmung des Menschen, noch der andere an der Deduction
-der Kategorien der Physik weiter fortarbeiten, sondern sie mussten
-endlich die Feder wegwerfen und zum Rhabarber greifen.« -- -- -- --
-
-[Fußnote 24: Das Folgende sind Herrn Nicolai's eigne Worte, S. 174. f.
-der angeführten Anzeige; und selbst diese Citation geschieht in
-Nicolai's eignen Worten.]
-
- * * * * *
-
-O, nie genug zu beweinender Schade! Gerade von dieser Stelle an, wo man
-nun das Interessanteste erwartet, ist unsre Handschrift so zerfressen,
-dass wir mit aller Conjecturalkritik keinen Sinn herausbringen können,
-und uns durchaus ausser Stand befinden, anzugeben, was es mit der in der
-Aufschrift gemeldeten Wiederbelebung unsers Helden für eine Bewandtniss
-gehabt, durch welches wunderbare Mittel sie erfolgt, und ob es der
-eigentliche wahre fleischliche Leib desselben, oder der beschriebne
-papierne gewesen, in welchen die Seele zurückgekehrt. So viel wird uns
-aus einigen übriggebliebenen Sylben wahrscheinlich, dass alle die
-genannten, und noch mehrere an dem Wunder Antheil gehabt; und nach
-manchen ganz unleserlichen Seiten bringen wir gegen das Ende der Schrift
-noch folgendes heraus:
-
--- »vordere Mund, den der Freund so inbrünstig küsste. -- Indessen
-dehnten und reckten sich die zwei fest umschlungenen Heroen aus über das
-ganze Land, die Umrisse ihrer Glieder verschwanden, so wie sie selbst,
-und es blieb an ihrer Stelle nur eine lieblich dämmernde Aufklärung
-übrig. Alle Umste« -- --
-
-Von da an ist das Manuscript wieder völlig zerfressen und unleserlich.
-
-Es wäre gewiss eine interessante Untersuchung anzustellen, wie dieses
-kostbare Ueberbleibsel des Alterthums in einen solchen Zustand gekommen,
-und wir muntern alle unsere jungen Kritikbeflissenen auf, an dieser
-Untersuchung ihre Kräfte zu üben. Zwar behauptet ein grosser Gelehrter,
-dessen wir mit hoher Ehrerbietung erwähnen, dass diese Handschrift von
-den berühmten Blutigeln, welche Friedrich Nicolai von aller
-Geisteserscheinung auf immer geheilt, so zerfressen worden: eine höchst
-scharfsinnige Muthmaassung. Jederman aber sieht ein, dass dieselbe
-ungereimt ist; denn die Blutigel fressen kein Papier.
-
-Indessen gebe ich dem Leser mein Wort, dass ich dieses Capitel aus
-Handschriften sicher wiederherstellen, und es zu seiner Zeit durch den
-Druck bekannt machen werde. Ich schlage dafür den Weg der Pränumeration
-ein. Liebhaber haben die Güte sich im Comptoir der Allgemeinen
-Literaturzeitung zu melden.
-
- Der erste wahre Autor dieser Lebensbeschreibung
- im Jahre 1840.
-
-
-
-
- Inhalt
-
-
- Seite
- Einleitung 4
- Erstes Capitel. Höchster Grundsatz, von welchem alle 10
- Geistesoperationen unsers Helden ausgegangen sind
- Zweites Capitel. Wie unser Held zu diesem sonderbaren höchsten 11
- Grundsatze gekommen seyn möge
- Drittes Capitel. Wie im allgemeinen dieser höchste Grundsatz 18
- im Leben unsers Helden sich geäussert habe
- Viertes Capitel. Worauf es, zufolge dieses höchsten 21
- Grundsatzes, unserm Helden bei allen seinen Disputen
- angekommen sey
- Fünftes Capitel. Wirkliche Disputirmethode unsers Helden, aus 23
- diesem höchsten Grundsatze
- Sechstes Capitel. Eine der allersonderbarsten Meinungen unsers 26
- Helden, zufolge jenes höchsten Grundsatzes
- Siebentes Capitel. Eine andere fast noch unglaublichere 32
- Meinung unsers Helden von sich selbst, zufolge jenes
- höchsten Grundsatzes
- Achtes Capitel. Sonderbare Begriffe unsers Helden über seine 36
- und seiner Gegner gegenseitige Rechte, aus jenem höchsten
- Grundsatze
- Neuntes Capitel. Wie unser Held, zufolge seines höchsten 40
- Grundsatzes, sich zu nehmen gepflegt, wenn derselbe
- angefochten worden
- Zehntes Capitel. Ein Grundzug des Geistescharakters unsers 49
- Helden, der aus jenem höchsten Grundsatze natürlich folgte
- Eilftes Capitel. Ein paar andere Grundzüge, welche aus dem 51
- ersten Grundzuge und höchsten Grundsatze unsers Helden
- erfolgt sind
- Zwölftes Capitel. Wie es zugegangen, dass unser Held unter 59
- allen diesen Umständen dennoch einigen Einfluss auf sein
- Zeitalter gehabt
- Beilagen 61
-
-
-
-
- Deducirter Plan
- einer
- zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt.
-
-
- Geschrieben im Jahre 1807
- von
- Johann Gottlieb Fichte.
-
- Erste Ausgabe: Stuttgart und Tübingen, in der Cottaschen
- Buchhandlung. 1817.
-
- Deducirter Plan
- einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in
- gehöriger Verbindung mit einer Akademie der Wissenschaften
- stehe.
-
-
-
-
- Erster Abschnitt.
- Begriff einer durch die Zeitbedürfnisse geforderten höheren
- Lehranstalt überhaupt.
-
-
- §. 1.
-
-Als die Universitäten zuerst entstanden, war das wissenschaftliche
-Gebäude der neueren Welt grossentheils noch erst zu errichten. ^Bücher^
-gab es überhaupt nicht viel; die ^wenigen^, die es gab, waren selten,
-und schwer zu erhalten; und wer etwas Neues mitzutheilen hatte, kam
-zunächst in Versuchung, es auf dem schwierigeren Wege der
-Schriftstellerei zu thun. So wurde die ^mündliche Fortpflanzung^ das
-allgemein brauchbarste Mittel zu der Erbauung, der Aufrechterhaltung und
-der Bereicherung des wissenschaftlichen Gebäudes, und die Universitäten
-wurden der Ersatz der nicht vorhandenen oder seltenen Bücher.
-
-
- §. 2.
-
-Auch nachdem durch Erfindung der Buchdruckerkunst die Bücher höchst
-gemein worden, und die Ausbreitung des Buchhandels jedwedem es sogar
-weit leichter gemacht hat, durch Schriften sich mitzutheilen, als durch
-mündliche Lehrvorträge; nachdem es keinen Zweig der Wissenschaft mehr
-giebt, über welchen nicht sogar ein Ueberfluss von Büchern vorhanden
-sey, hält man dennoch noch immer sich für verbunden, durch Universitäten
-dieses gesammte Buchwesen der Welt ^noch einmal zu setzen^, und
-ebendasselbe, was schon ^gedruckt^ vor jedermans Augen liegt, auch noch
-durch Professoren ^recitiren^ zu lassen. Da auf diese Weise dasselbe
-Eine in zwei verschiedenen Formen vorhanden ist, so ermangelt die
-Trägheit nicht, sowohl den ^mündlichen^ Unterricht zu versäumen, indem
-sie ja dasselbe irgend einmal auch aus dem Buche werde lernen können,
-als den durch ^Bücher^ zu vernachlässigen, indem sie dasselbige ja auch
-^hören^ könne, wodurch es denn dahin gekommen, dass, wenige Ausnahmen
-abgerechnet, gar nichts mehr gelernt worden, als was durch das Ohngefähr
-auf einem der beiden Wege an uns hängen geblieben, sonach überhaupt
-nichts im Ganzen, sondern nur abgerissene Bruchstücke; zuletzt hat es
-sich zugetragen, dass die Wissenschaft, -- als etwas nach Belieben
-immerfort auf die leichteste Weise an sich zu bringendes, bei der Menge
-der Halbgelehrten, die auf diese Weise entstanden, in tiefe Verachtung
-gerathen. Nun ist von den genannten zwei Mitteln der Belehrung das
-eigene Studiren der Bücher sogar das vorzüglichere, indem das Buch der
-frei zu richtenden Aufmerksamkeit Stand hält, und das, wobei diese sich
-zerstreute, noch einmal ^gelesen^, das aber, was man nicht sogleich
-versteht, bis zum erfolgten Verständnisse hin und her überlegt werden,
-auch die Lectüre nach Belieben fortgesetzt werden kann, so lange man
-Kraft fühlt, oder abgebrochen werden, wo diese uns verlässt; dagegen in
-der Regel der Professor seine Stunde lang seinen Spruch fortredet, ohne
-zu achten, ob irgend jemand ihm folge, ihn abbricht, da wo die Stunde
-schlägt, und ihn nicht eher wieder anknüpft, als bis abermals seine
-Stunde geschlagen. Es wird durch diese Lage des Schülers, in der es ihm
-unmöglich ist, in den Fluss der Rede seines Lehrers auf irgend eine
-Weise einzugreifen und ihn nach seinem Bedürfnisse zum Stehen zu
-bringen, das leidende Hingeben als Regel eingeführt, der Trieb der
-eigenen Thätigkeit vernichtet, und so dem Jünglinge sogar die
-Möglichkeit genommen, des zweiten Mittels der Belehrung, der Bücher, mit
-freithätiger Aufmerksamkeit sich zu bedienen. Und so sind wir denn, um
-von der Kostspieligkeit dieser Einrichtung für das gemeine und das
-Privatwesen, und von der dadurch bewirkten Verwilderung der Sitten hier
-zu schweigen, durch die Beibehaltung des ^Nothmittels^, nachdem die Noth
-längst aufgehoben, auch noch für den Gebrauch des ^wahren und besseren
-Mittels^ verdorben worden.
-
-
- §. 3.
-
-Um nicht ungerecht, zugleich auch oberflächlich zu seyn, müssen wir
-jedoch hinzusetzen, dass die neueren Universitäten ^mehr^ oder ^weniger^
-ausser dieser blossen ^Wiederholung^ des vorhandenen Buchinhalts noch
-einen anderen edleren Bestandtheil gehabt haben, nemlich das Princip der
-Verbesserung dieses Buchinhalts. Es gab selbstthätige Geister, welche in
-irgend einem Fache des Wissens durch den ihnen wohlbekannten
-Bücherinhalt nicht befriedigt wurden, ohne doch das Befriedigende hierin
-sogleich bei der Hand zu haben, und es in einem neuen und besseren
-Buche, als die bisherigen waren, niederlegen zu können. Diese theilten
-ihr Ringen nach dem Vollkommneren vorläufig mündlich mit, um entweder in
-dieser Wechselwirkung mit anderen in sich selber bis zu dem
-beabsichtigten Buche klar zu werden, oder, falls auch sie selbst in
-diesem Streben von geistiger Kraft oder dem Leben verlassen würden,
-Stellvertreter hinter sich zu lassen, welche das beabsichtigte Buch,
-oder auch statt desselben, und aus diesen Prämissen, ein noch besseres
-hinstellten. Aber selbst in Absicht dieses Bestandtheiles lässt sich
-nicht läugnen, dass er von jeher der bei weitem kleinere auf allen
-Universitäten gewesen, dass keine Verwaltung ein Mittel in den Händen
-gehabt, auch nur überhaupt den Besitz eines solchen Bestandtheiles sich
-zu garantiren, oder auch nur deutlich zu wissen, ob sie ihn habe, oder
-nicht, und dass selbst dieser kleine Bestandtheil, wenn er durch gutes
-Glück irgendwo vorhanden gewesen, selten mit einiger klaren Erkenntniss
-seines Strebens und der Regeln, nach denen er zu verfahren hätte,
-gewirkt und gewaltet.
-
-
- §. 4.
-
-Eine solche zunächst überflüssige, sodann in ihren Folgen auch
-schädliche Wiederholung desselben, was in einer anderen Form weit besser
-da ist, soll nun gar nicht existiren; es müssten daher die
-Universitäten, wenn sie nichts Anderes zu seyn vermöchten, sofort
-abgeschafft, und die Lehrbedürftigen an das Studium der vorhandenen
-Schriften gewiesen werden. Auch könnte es diesen Instituten zu keinem
-Schutze gereichen, dass sie den soeben berührten edleren Bestandtheil
-für sich anführten, indem in keinem bestimmten Falle (auf keiner
-gegebenen Universität) dieser edlere Theil Rechenschaft von sich zu
-geben, noch sein Daseyn zu beweisen, noch die Fortdauer desselben zu
-garantiren vermag; und sogar, wenn dies nicht so wäre, doch immer der
-schlechtere Theil, die blosse Wiederholung des Buchwesens, weggeworfen
-werden müsste. Sowie Alles, was auf das Recht der Existenz Anspruch
-macht, ^seyn^ und ^leisten^ muss, was ^nichts^ ausser ihm zu seyn und zu
-leisten vermag, zugleich sein Beharren in diesem seinem Wesen, und seine
-unvergängliche Fortdauer verbürgend: so muss dies auch die Universität,
-oder wie wir vorläufig im antiken Sinne des Wortes sagen wollen, die
-^Akademie^, oder sie muss vergehen.
-
-
- §. 5.
-
-Was, im Sinne dieser höheren Anforderung an ihre Existenz, die Akademie
-seyn könne, und, falls sie seyn soll, seyn müsse, geht sogleich hervor,
-wenn man die Beziehung der Wissenschaft auf das wirkliche Leben
-betrachtet.
-
-Man studirt ja nicht, um lebenslänglich und stets dem Examen bereit das
-Erlernte in Worten wieder von sich zu geben, sondern um dasselbe auf die
-vorkommenden Fälle des Lebens anzuwenden, und so es in ^Werke^ zu
-verwandeln; es nicht bloss zu wiederholen, sondern etwas Anderes daraus
-und damit zu machen: es ist demnach auch hier letzter Zweck keinesweges
-das Wissen, sondern vielmehr die Kunst, das Wissen zu gebrauchen. Nun
-setzt diese Kunst der Anwendung der Wissenschaft im Leben noch andere
-der Akademie fremde Bestandtheile voraus, Kenntniss des Lebens nemlich
-und Uebung der Beurtheilungsfähigkeit der Fälle der Anwendung, und es
-ist demnach von ihr zunächst nicht die Rede. Wohl aber gehört hierher
-die Frage, auf welche Weise man denn die Wissenschaft selbst so zum
-freien und auf unendliche Weise zu gestaltenden Eigenthume und Werkzeuge
-erhalte, dass eine fertige Anwendung derselben auf das, freilich auf
-anderem Wege zu erkennende, Leben möglich werde?
-
-Offenbar geschieht dies nur dadurch, dass man jene Wissenschaft gleich
-anfangs mit klarem und freiem Bewusstseyn erhalte. Man verstehe uns
-also. Es macht sich vieles von selbst in unserem Geiste, und legt sich
-demselben gleichsam an durch einen blinden und uns selber verborgen
-bleibenden Mechanismus. Was also entstanden, ist nicht mit klarem und
-freiem Bewusstseyn durchdrungen, es ist auch nicht unser sicheres und
-stets wieder herbeizurufendes Eigenthum, sondern es kommt wieder oder
-verschwindet nach den Gesetzen desselben verborgenen Mechanismus, nach
-welchem es sich erst in uns anlegte. Was wir hingegen mit dem
-Bewusstseyn, ^dass^ wir es thätig erlernen, und dem Bewusstseyn der
-^Regeln^ dieser erlernenden Thätigkeit, auffassen: das wird, zufolge
-dieser eigenen Thätigkeit und des Bewusstseyns ihrer Regeln, ein
-eigenthümlicher Bestandtheil unserer Persönlichkeit, und unseres frei
-und beliebig zu entwickelnden Lebens.
-
-Die freie Thätigkeit des Auffassens heisst Verstand. Bei dem zuerst
-erwähnten mechanischen Erlernen wird der Verstand gar nicht angewendet,
-sondern es waltet allein die blinde Natur. Wenn jene Thätigkeit des
-Verstandes und die bestimmten Weisen, wie dieselbe verfährt, um etwas
-aufzufassen, ^wiederum zu klarem Bewusstseyn erhoben^ werden, so wird
-dadurch entstehen eine besonnene Kunst des Verstandesgebrauches im
-Erlernen. Eine kunstmässige Entwickelung jenes Bewusstseyns der Weise
-des Erlernens -- im Erlernen irgend eines Gegebenen -- würde somit,
-unbeschadet des jetzt aufgegebenen Lernens, zunächst nicht auf das
-Lernen, sondern auf die Bildung des Vermögens zum Lernen ausgehen.
-Unbeschadet des jetzt aufgegebenen Lernens, habe ich gesagt, vielmehr zu
-seinem grossen Vortheile; denn man weiss gründlich und unvergesslich nur
-das, wovon man weiss, wie man dazu gelangt ist. Sodann wird, indem nicht
-bloss das zuerst Gegebene gelernt, sondern an ihm zugleich die Kunst des
-Erlernens überhaupt gelernt und geübt wird, die ^Fertigkeit^ entwickelt,
-ins Unendliche fort nach Belieben leicht und sicher alles Andere zu
-lernen; und es entstehen ^Künstler^ im Lernen. Endlich wird dadurch
-alles Erlernte oder zu Erlernende ein sicheres Eigenthum des Menschen,
-womit er nach Belieben schalten könne, und es ist somit die erste und
-ausschliessende Bedingung des praktischen Kunstgebrauches der
-Wissenschaft im Leben herbeigeführt und erfüllet. Eine Anstalt, in
-welcher mit Besonnenheit und nach Regeln das beschriebene Bewusstseyn
-entwickelt, und die dabei beabsichtigte Kunst geübt würde, wäre, was
-folgende Benennung ausspricht: ^eine Schule der Kunst des
-wissenschaftlichen Verstandesgebrauches^.
-
-Ohnerachtet auf den bisherigen Universitäten von ohngefähr zuweilen
-geistreiche Männer aufgetreten, die im Geiste des obigen Begriffes in
-einem besonderen Fache des Wissens Schüler gezogen, so hat doch sehr
-viel gefehlt, dass die Realisirung dieses Begriffes im Allgemeinen mit
-Sicherheit, Festigkeit und nach unfehlbaren Gesetzen auch nur deutlich
-gedacht und vorgeschlagen, geschweige denn, dass sie irgendwo ausgeführt
-worden. Dadurch aber ist die Erhaltung und Steigerung der
-wissenschaftlichen Bildung im Menschengeschlechte dem guten Glücke und
-blinden Zufalle preisgegeben gewesen, aus dessen Händen sie unter die
-Aufsicht des klaren Bewusstseyns lediglich durch die Darstellung des
-erwähnten Begriffes gebracht werden könnte. Und so ist es die Ausführung
-dieses Begriffes, die in Beziehung auf das wissenschaftliche Wesen in
-dem Abfluss der Zeit dermalen an der Tagesordnung ist, und die sogar in
-ihrer Existenz angegriffene Akademie würde wohlthun, diese Ausführung zu
-übernehmen, da das, was sie bis jetzt gewesen, gar nicht länger das
-Recht hat, dazuseyn.
-
-
- §. 6.
-
-Aber sogar dieses Anspruches alleinigen und ausschliessenden Besitz wird
-etwas Anderes der Akademie streitig machen, die niedere Gelehrtenschule
-nemlich. Diese, vielleicht selbst erst bei dieser Gelegenheit über ihr
-wahres Wesen klar geworden, wird anführen, dass sie, bis auf die Zeiten
-der neueren verseichtenden Pädagogik, weit besser und vorzüglicher eine
-solche Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches gewesen,
-denn irgend eine Universität. Somit wird die Akademie zuvörderst mit
-dieser niederen Gelehrtenschule eine Grenzberichtigung treffen müssen.
-
-Diese Grenzberichtigung wird ohne Zweifel zur Zufriedenheit beider
-Theile dahin zu Stande kommen, dass der niederen Schule die Kunstübung
-des allgemeinen Instrumentes aller Verständigung, der Sprache, und von
-dem wissenschaftlichen Gebäude das allgemeine Gerüst und Geripp des
-vorhandenen Stoffes, ohne Kritik, anheimfalle; dagegen die höhere
-Gelehrtenschule die Kunst der Kritik, des Sichtens des Wahren vom
-Falschen, des Nützlichen vom Unnützen, und das Unterordnen des minder
-Wichtigen unter das Wichtige, zum ausschliessenden Eigenthum
-erhalte; somit die erste: Kunstschule des wissenschaftlichen
-Verstandesgebrauches, als blossen Auffassungsvermögens oder
-Gedächtnisses, die letzte: Kunstschule des Verstandesgebrauches, als
-Beurtheilungsvermögens, würde.
-
-
- §. 7.
-
-Kunstfertigkeit kann nur also gebildet werden, dass der Lehrling nach
-einem bestimmten Plane des Lehrers unter desselben Augen selber arbeite,
-und die Kunst, in der er Meister werden soll, auf ihren verschiedenen
-Stufen von ihren ersten Anfängen an bis zur Meisterschaft, ohne
-Ueberspringen regelmässig fortschreitend, ausübe. Bei unserer Aufgabe
-ist es die Kunst wissenschaftlichen Verstandesgebrauches, welche geübt
-werden soll. Der Lehrer giebt nur den Stoff und regt an die Thätigkeit;
-diesen Stoff bearbeite der Lehrling selbst; der Lehrer muss aber in der
-Lage bleiben, zusehen zu können, ob und wie der Lehrling diesen Stoff
-bearbeite, damit er aus dieser Art der Bearbeitung ermesse, auf welcher
-Stufe der Fertigkeit jener stehe, und auf diese den neuen Stoff, den er
-geben wird, berechnen könne.
-
-Nicht bloss der Lehrer, sondern auch der Schüler muss fortdauernd sich
-äussern und mittheilen, so dass ihr gegenseitiges Lehrverhältniss werde
-eine fortlaufende Unterredung, in welcher jedes Wort des Lehrers sey
-Beantwortung einer durch das unmittelbar Vorhergegangene aufgeworfenen
-Frage des Lehrlings, und Vorlegung einer neuen Frage des Lehrers an
-diesen, die er durch seine nächstfolgende Aeusserung beantworte; und so
-der Lehrer seine Rede nicht richte an ein ihm völlig unbekanntes
-Subject, sondern an ein solches, das sich ihm immerfort bis zur völligen
-Durchschauung enthüllt; dass er wahrnehme dessen unmittelbares
-Bedürfniss, verweilend und in anderen und wieder anderen Formen sich
-aussprechend, wo der Lehrling ihn nicht gefasst hat, ohne Verzug zum
-nächsten Gliede schreitend, wenn dieser ihn gefasst hat; wodurch denn
-der wissenschaftliche Unterricht aus der Form einfach fortfliessender
-Rede, die er im Buchwesen auch hat, sich verwandelt in die dialogische
-Form, und eine wahrhafte Akademie im Sinne der Sokratischen Schule, an
-welche zu erinnern wir gerade dieses Wortes uns bedienen wollten,
-errichtet werde.
-
-
- §. 8.
-
-Der Lehrer muss ein ihm immer bekannt bleibendes festes und bestimmtes
-Subject im Auge behalten, sagten wir. Falls nun, wie zu erwarten, dieses
-Subject nicht zugleich auch aus Einem Individuum, sondern aus mehreren
-bestände, so müssen, da das Subject des Lehrers Eins und ein bestimmtes
-seyn muss, diese Individuen selber zu einer geistigen Einheit und zu
-einem bestimmten organischen Lehrlingskörper zusammenschmelzen. Sie
-müssen darum auch unter sich in fortgesetzter Mittheilung und in einem
-wissenschaftlichen Wechselleben verbleiben, in welchem jeder allen die
-Wissenschaft von derjenigen Seite zeige, von welcher er, als Individuum,
-sie erfasst, der leichtere Kopf dem schwerfälligeren etwas von seiner
-Schnelligkeit, und der letzte dem ersten etwas von seiner ruhigen
-Schwerkraft abtrete.
-
-
- §. 9.
-
-Um unsern Grundbegriff durch weitere Auseinandersetzung noch
-anschaulicher zu machen: -- Der Stoff, welchen der Meister dem Zöglinge
-seiner Kunst giebt, sind theils seine eigenen Lehrvorträge, theils
-gedruckte Bücher, deren geordnetes und kunstmässiges Studium er ihm
-aufgiebt; indem in Absicht des letzteren es ja ein Haupttheil der
-wissenschaftlichen Kunst ist, durch den Gebrauch von Büchern sich
-belehren zu können, und es sonach eine Anführung auch zu dieser Kunst
-geben muss; sodann aber auf einer solchen Akademie der bei weitem
-grösste Theil des wissenschaftlichen Stoffes aus Büchern wird erlernt
-werden müssen, wie dies an seinem Orte sich finden wird.
-
-Die Weisen aber, wie der Meister seinem Lehrlinge sich enthüllt, sind
-folgende:
-
-^Examina^, nicht jedoch im Geiste des Wissens, sondern in dem der Kunst.
-In diesem letztern Geiste ist jede Frage des Examinators, wodurch das
-Wiedergeben dessen, was der Lehrling gehört oder gelesen hat, als
-Antwort begehrt wird, ungeschickt und zweckwidrig. Vielmehr muss die
-Frage das Erlernte zur Prämisse machen, und eine Anwendung dieser
-Prämisse in irgend einer Folgerung als Antwort begehren.
-
-^Conversatoria^, in denen der Lehrling fragt, und der Meister
-zurückfragt über die Frage, und so ein expresser Sokratischer Dialog
-entstehe, innerhalb des unsichtbar immer fortgehenden Dialogs des ganzen
-akademischen Lebens.
-
-^Durch schriftliche Ausarbeitungen zu lösende _Aufgaben_ an den
-Lehrling^, immer im Geiste der Kunst, und also, dass nicht das Gelernte
-wiedergegeben, sondern etwas Anderes damit und daraus gemacht werden
-solle, also, dass erhelle, ob und inwieweit der Lehrling jenes zu seinem
-Eigenthum und zu seinem Werkzeuge für allerlei Gebrauch bekommen habe.
-Der natürliche Erfinder solcher Aufgaben ist zwar der Meister; es soll
-aber auch der geübtere Lehrling aufgefordert werden, dergleichen sich
-auszusinnen, und sie für sich oder für andere in Vorschlag zu bringen.
--- Es wird durch diese schriftlichen Ausarbeitungen zugleich die Kunst
-des schriftlichen Vortrages eines wissenschaftlichen Stoffes geübt, und
-es soll darum der Meister in der Beurtheilung auch über die Ordnung, die
-Bestimmtheit und die sinnliche Klarheit der Darstellung sich
-äussern.[25]
-
-
- §. 10.
- Vom Lehrlinge einer solchen Anstalt.
-
-Die äussern Bedingungen, wodurch derselbe theils zu Stande kommt, theils
-in seinem Zustande verharrt, sind die folgenden:
-
-1) ^Gehörige Vorbereitung auf der niederen Gelehrtenschule für die
-höhere.^ Welche Leistungen für die Bildung des Kopfs zur Wissenschaft
-der niederen Schule anzumuthen sind, haben wir schon oben (§. 6.)
-ersehen. Dies muss nun, wenn die höhere Schule mit sicherm Schritt
-einhergehen soll, von der niedern nicht wie bisher, wie gutes Glück und
-Ohngefähr es geben, sondern nach einem festen Plane, und so, dass man
-immer wisse, was gelungen sey und was nicht, geschehen. Die Verbesserung
-der höheren Lehranstalten setzt sonach die der niedern nothwendig
-voraus, wiewohl wiederum auch umgekehrt eine gründliche Verbesserung der
-letzten nur durch die Verbesserung der ersten, und indem auf ihnen die
-Lehrer der niedern Schule die ihnen jetzt grossentheils abgehende Kunst
-des Lehrens erlernen, möglich wird; dass daher schon hier erhellet, dass
-wir nicht mit Einem Schlage das Vollkommene werden hinstellen können,
-sondern uns demselben nur allmählig und in mancherlei Vorschritten
-werden annähern müssen.
-
-[Fußnote 25: Es dürfte vielleicht nicht überflüssig seyn, der Erwähnung
-solcher Aufgaben noch ausdrücklich die Bemerkung hinzuzufügen, dass
-nicht bloss in dem apriorischen Theile der Wissenschaft, sondern auch in
-ganz empirischen Scienzen solche, die Selbstthätigkeit des Auffassens
-erkundende, Aufgaben möglich seyen. In der Philologie, der Theologie u.
-s. w. ist ja wohlbekannt, dass diese Fächer der eignen Combinationsgabe
-und Conjecturalkritik ein fast unermessliches Feld darbieten, wobei,
-gesetzt auch die Ausbeute wäre nicht von Bedeutung, dennoch die
-Selbstthätigkeit des Geistes geübt und documentirt wird. Aber auch der
-Lehrer der Universalgeschichte könnte, meines Erachtens, ein nicht
-wirklich eingetretenes Ereigniss fingiren, mit der Aufgabe an sein
-Auditorium, zu zeigen, was bei diesem oder diesem von ihnen erlernten
-Zustande der Welt daraus am wahrscheinlichsten erfolgt seyn würde; oder
-der des römischen Rechts irgend einen Fall, mit der Aufgabe an sein
-Auditorium, das aus dem Ganzen der römischen Gesetzgebung hervorgehende,
-und in dasselbe organisch einpassende Gesetz für diesen Fall anzugeben.
-Es würde aus dem Versuche der Lösung dieser Aufgaben ohne Zweifel klar
-hervorgehen, zuvörderst, ob seine Zuhörer die Geschichte oder das
-römische Recht wirklich wüssten, sodann, ob und inwieweit sie diese
-Scienzen in ihrem Geiste durchdrungen, oder dieselben nur mechanisch
-auswendig gelernt hätten.]
-
-Zur Verbreitung höherer Klarheit über unsern Grundbegriff füge ich hier
-noch folgendes hinzu. Dass der für ein wissenschaftliches Leben
-bestimmte Jüngling zuvörderst mit dem allgemeinen Sprachschatze der
-wissenschaftlichen Welt, als dem Werkzeuge, vermittelst dessen allein
-er, so zu verstehen, wie sich verständlich zu machen vermag, vertraut
-werden müsse, ist unmittelbar klar. Diese positive Kenntniss der Sprache
-aber, so unentbehrlich sie auch ist, erscheint als leichte Zugabe, wenn
-wir bedenken, dass besonders durch Erlernung der Sprachen einer andern
-Welt, welche die Merkmale ganz anders zu Wortbegriffen gestaltet, der
-Jüngling über den Mechanismus, womit die angeborne moderne Sprache,
-gleichsam als ob es nicht anders seyn könnte, ihn fesselt, unvermerkt
-hinweggehoben, und im leichten Spiele zur Freiheit der Begriffebildung
-angeführt wird; ferner, dass beim Interpretiren der Schriftsteller er an
-dem leichtesten und schon fertig ihm hingelegten Stoffe lernt, seine
-Betrachtung willkürlich zu bewegen, dahin und dorthin zu richten für
-einen ihm bekannten Zweck, und nicht eher abzulassen in dieser Arbeit,
-als bis der Zweck erreicht dastehe. Es wird nun, um dieses Verhältnisses
-willen der ^niedern^ Kunst des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches
-zu der ^höhern^, nothwendig seyn, dass die Schule in ihrem
-Sprachunterrichte also verfahre, dass nicht bloss der erste Zweck der
-historischen Sprachkenntniss, sondern zugleich auch der letzte der
-Verstandesbildung an ihr sicher, allgemein und für klare Documentation
-ausreichend erfüllt werde; dass z. B. der Schüler auf jeder Stufe des
-Unterrichts verstehen lerne, was er verstehen soll, vollkommen und bis
-zum Ende, und wissen lerne, ^ob^ er also verstanden, und den Beweis
-davon führen lerne; keinesweges aber, wie es bisher so oft geschehen,
-hierüber vom guten Glücke abhänge, und im Dunkeln tappe, indem sehr oft
-sein Lehrer selbst keinen rechten Begriff vom Verstehen überhaupt hat,
-und gar nicht weiss, welche Fragen alle müssen beantwortet werden
-können, wenn man sagen will, man habe z. B. eine Stelle eines Autors
-verstanden.
-
-Betreffend das Grundgerüst des vorhandenen wissenschaftlichen Stoffes,
-als das zweite Stück der nöthigen Vorbereitung, die der Schule zukommt,
-mache ich durch folgende Wendung mich klarer. Man hat wohl, um den
-Forderungen einer solchen geistigen Kunstbildung, wie sie auch in diesem
-Aufsatze gemacht werden, auszuweichen, die Bemerkung gemacht: eine
-solche besonnene Ausbildung der Geistesvermögen sey wohl bei den alten
-klassischen Völkern möglich gewesen, weil das sehr beschränkte Feld der
-positiven Kenntnisse, die sie zu erlernen gehabt, ihnen Zeit genug
-übriggelassen hätte; dagegen unsere Zeit und Vermögen durch das
-unermessliche Gebiet des zu Erlernenden gänzlich aufgezehrt werde, und
-für keine anderen Zwecke uns ein Theil derselben übrigbleibe. Als ob
-nicht vielmehr gerade darum, weil wir mit ihm weit mehr zu leisten
-haben, eine kunstmässige Ausbildung des Vermögens um so nöthiger würde,
-und wir nicht um so mehr auf Fertigkeit und Gewandtheit im Lernen
-bedacht seyn müssten, da wir eine so grosse Aufgabe des Lernens vor uns
-haben. In der That kommt jenes Erschrecken vor der Unermesslichkeit
-unsers wissenschaftlichen Stoffes daher, dass man ihn ohne einen
-ordnenden Geist und ohne eine mit Besonnenheit geübte Gedächtnisskunst,
-deren Hauptmittel jener ordnende Geist ist, erfasset; vielmehr blind
-sich hineinstürzt in das Chaos, und ohne Leitfaden in das Labyrinth, und
-so im Herumirren bei jedem Schritte Zeit verliert; also, dass die
-wenigen, welche in diesem ungeheuren Oceane, vom Versinken gerettet,
-noch oben schwimmen, beim Rückblicke auf ihren Weg erschrecken vor der
-eigenen Arbeit und dem gehabten Glücke, und, die noch immer vorhandenen
-Lücken in ihrem Wissen entdeckend, glauben, es habe ihnen nichts weiter
-gemangelt, denn ^Zeit^, -- da doch die ordnende Kunst, die sie nicht
-kennen, indem sie keinen Schritt vergebens thut, die Zeit ins Unendliche
-vervielfältigt und eine kurze Spanne von Menschenleben ausdehnt zu einer
-Ewigkeit. Wenn schon die erste Schule für den Anfänger nicht länger das
-fähige Gedächtniss des einen Knaben für einen glücklichen Zufall, das
-langsamere eines andern für ein unabwendbares Naturunglück halten,
-sondern lernen wird, das Gedächtniss sowohl überhaupt, als in seinen
-besonderen, für besondere Zweige passenden, Fertigkeiten kunstmässig zu
-entwickeln und zu bilden; wenn sie diesem Gedächtnisse erst ein ganz ins
-Kurze und Kleine gezogenes, aber lebendiges und klares Bild des Ganzen
-eines bestimmten wissenschaftlichen Stoffes (z. B. für die Geschichte
-ein allgemeines Bild der Umwandlungen im Menschengeschlechte durch die
-Hauptbegebenheiten der herrschenden Völker, neben einem Bilde von der
-allgemeinen Gestalt der Oberfläche des Erdbodens, als dem Schauplatze
-jener Umwandlungen 1) hingeben, und unaustilgbar fest in die innere
-Anschauung einprägen wird; sodann diese Bilder Tag für Tag wieder
-hervorrufen lassen, und sie allmählig, aber verhältnissmässig nach allen
-ihren Theilen, nach einer gewissen Regel der nothwendigen Folge der
-^Gesichtspuncte^, und so, dass kein einzelner zum Schaden der übrigen
-ungebührlich anwachse, vergrössern wird: so wird jenes Entsetzen vor der
-Unermesslichkeit gänzlich verschwinden, und die also gebildeten Köpfe
-werden leicht und sicher alles, was ihnen vorkommt, auf jene mit ihrer
-Persönlichkeit verwachsenen Grundbilder, jedes an seiner Stelle
-auftragen, nicht auf ein unbekanntes Weltmeer versprengt, sondern in
-ihrer väterlichen Wohnung die ihnen wohlbekannten Kammern mit Schätzen
-ausfüllend, die sie nach jedesmaligem Bedürfnisse wieder da hinwegnehmen
-können, wo sie dieselben vorher hingestellt.
-
-Somit fällt die Vorbereitung, welche der Lehrling einer höhern
-Kunstschule auf der niedern erhalten haben muss, die Rechenschaft, die
-er vor der Aufnahme von seiner Tüchtigkeit zu geben hat, und die
-Vollkommenheit, bis zu welcher die niedere Schule verbessert werden
-muss, zu folgenden zwei Stücken zusammen. Zuvörderst muss der Adspirant
-eine seinen Fähigkeiten angemessene, ihm vorgelegte Stelle eines Autors
-in gegebener Zeit gründlich verstehen lernen, und den Beweis führen
-können, dass er sie recht verstehe, indem sie gar nicht anders
-verstanden werden könne. Sodann muss er zeigen, dass er ein allgemeines
-Bild des gesammten wissenschaftlichen Stoffes, erhoben und bereichert
-bis zu derjenigen Potenz des Gesichtspunctes, an welche die höhere
-Schule ihren Unterricht anknüpft, in freier Gewalt und zu beliebigem
-Gebrauche als sein Eigenthum besitze.
-
-2) ^Aufgehen seines gesammten Lebens in seinem Zwecke, darum Absonderung
-desselben von aller andern Lebensweise, und vollkommene Isolirung.^ Der
-Sohn eines Bürgers, welcher ein bürgerliches Gewerbe treibt, besucht
-vielleicht auch des Tages mehrere Stunden eine gute Bürgerschule, worin
-mancherlei gelehrt wird, das die gelehrte Schule gleichfalls vorträgt.
-Dennoch ist die Schule nicht der Sitz seines wahren, eigentlichen
-Lebens, und er ist nicht daselbst zu Hause, sondern sein wahres Leben
-ist sein Familienleben, und der Beistand, den er seinen Eltern in ihrem
-Gewerbe leistet; die Schule aber ist Nebensache und blosses Mittel für
-den bessern Fortgang des bürgerlichen Gewerbes, als den eigentlichen
-Zweck. Dem Gelehrten aber muss die Wissenschaft nicht Mittel für irgend
-einen Zweck, sondern sie muss ihm selbst Zweck werden; er wird einst,
-als vollendeter Gelehrter, in welcher Weise er auch künftig seine
-wissenschaftliche Bildung im Leben anwende, in jedem Falle allein in der
-Idee die Wurzel seines Lebens haben, und nur von ihr aus die
-Wirklichkeit erblicken, und nach ihr sie gestalten und fügen,
-keinesweges aber zugeben, dass die Idee nach der Wirklichkeit sich füge;
-und er kann nicht zu früh in dieses sein eigenthümliches Element sich
-hineinleben und das widerwärtige Element abstossen.
-
-Es ist eine bekannte Bemerkung, dass bisher auf Universitäten, die in
-einer kleinern Stadt errichtet waren, bei einigem Talente der Lehrer,
-sehr leicht ein allgemeiner wissenschaftlicher Geist und Ton unter den
-Studirenden sich erzeugt habe, was in grössern Städten selten oder
-niemals also gelungen. Sollten wir davon den Grund angeben, so würden
-wir sagen, dass es deswegen also erfolge, weil in dem ersten Falle die
-Studirenden auf den Umgang unter sich selber, und den Stoff, den dieser
-zu gewähren vermag, eingeschränkt werden; dagegen sie im zweiten Falle
-immerfort verfliessen in die allgemeine Masse des Bürgerthums, und
-zerstreut werden über den gesammten Stoff, den dieses liefert, und so
-das Studiren ihnen niemals zum eigentlichen Leben, ausser welchem man
-ein anderes gar nicht an sich zu bringen vermag, sondern wo es noch am
-besten ist, zu einer Berufspflicht wird. Jener bekannte Einwurf gegen
-grosse Universitätsstädte, dass in ihnen die Studirenden von einem
-Hörsaale zum andern weit zu gehen hätten, möchte sonach nicht der
-tiefste seyn, den man vorbringen könnte, und er möchte sich eher
-beseitigen lassen, als das höhere Uebel der Verschmelzung des
-studirenden Theiles des gemeinen Wesens mit der allgemeinen Masse des
-gewerbtreibenden oder dumpfgeniessenden Bürgerthumes; indem, ganz davon
-abgesehen, dass bei einem solchen nur als Nebensache getriebenen
-Studiren wenig oder nichts gelernt wird, auf diese Weise die ganze Welt
-verbürgern, und eine über die Wirklichkeit hinausliegende Ansicht der
-Wirklichkeit, bei welcher allein die Menschheit Heilung finden kann
-gegen jedes ihrer Uebel, ausgetilgt werden würde in dem
-Menschengeschlechte; und mehr als jemals würde hierauf Rücksicht zu
-nehmen seyn in einem solchen Zeitalter, welches in dringendem Verdachte
-einer beinahe allgemeinen Verbürgerung steht.
-
-3) ^Sicherung vor jeder Sorge um das Aeussere, vermittelst einer
-angemessenen Unterhaltung fürs Gegenwärtige, und Garantie einer
-gehörigen Versorgung in der Zukunft.^ Dass das Detail der kleinen
-Sorgfältigkeiten um die täglichen Bedürfnisse des Lebens zum Studiren
-nicht passt; dass Nahrungssorgen den Geist niederdrücken; Nebenarbeiten
-ums Brot die Thätigkeit zerstreuen, und die Wissenschaft als einen
-Broterwerb hinstellen; Zurücksetzung von Begüterten Dürftigkeits halber,
-oder die Demuth, der man sich unterzieht, um jener Zurücksetzung
-auszuweichen, den Charakter herabwürdigen: dieses alles ist, wenn auch
-nicht allenthalben sattsam erwogen, denn doch ziemlich allgemein
-zugestanden. Aber man kann von demselben Gegenstande auch noch eine
-tiefere Ansicht nehmen. Es wird nemlich ohnedies gar bald sehr klar die
-Nothwendigkeit sich zeigen, dass im Staate, und besonders bei den
-höheren Dienern desselben, recht fest einwurzele die Denkart, nach
-welcher man nicht der Gesellschaft dienen will, um leben zu können,
-sondern leben mag, allein um der Gesellschaft dienen zu können, und in
-welcher man durch kein Erbarmen mit dem eigenen, oder irgend eines
-Anderen, Lebensgenusse bewegt wird, zu thun, zu rathen, oder, wo man
-hindern könnte, zuzulassen, was nicht auch gänzlich ohne diese Rücksicht
-durch sich selber sich gebührt; aber es kann diese Denkart Wurzel fassen
-nur in einem durch das Leben in der Wissenschaft veredelten Geiste.
-Mächtig aber wird dieser Veredelung und dieser Unabhängigkeit von der
-erwähnten Rücksicht vorgearbeitet werden, wenn die künftigen Gelehrten,
-aus deren Mitte ja wohl die Staatsämter werden besetzt werden, von
-früher Jugend an gewöhnt werden, die Bedürfnisse des Lebens nicht als
-Beweggrund irgend einer Thätigkeit, sondern als etwas, das für sich
-selbst seinen eigenen Weg geht, anzusehen, indem es ihnen, sogar ohne
-Rücksicht auf ihren gegenwärtigen zweckmässigen Fleiss, der aus der
-Liebe zur Sache hervorgehen soll, zugesichert ist.
-
-
- §. 11.
- Wie muss der Lehrer an einer solchen Anstalt beschaffen seyn,
- und ausgestattet?
-
-Zuvörderst, wie sich von selbst versteht, indem keiner lehren kann, was
-er selbst nicht weiss, muss er sich im Besitze der Wissenschaft
-befinden, und zwar auf die oben angegebene Weise, als freier Künstler,
-so dass er sie zu jedem gegebenen Zwecke anzuwenden und in jede mögliche
-Gestalt hinüberzubilden vermöge. Aber auch diese Kunstfertigkeit muss
-ihn nicht etwa mechanisch leiten, und bloss als natürliches Talent und
-Gabe ihm beiwohnen, sondern er muss auch sie wiederum mit klarem
-Bewusstseyn durchdrungen haben, bis zur Erkenntniss im Allgemeinen
-sowohl, als in den besonderen individuellen Bestimmungen, die sie bei
-Einzelnen annimmt, indem er ja jeden Schüler dieser Kunst soll
-beobachten, beurtheilen und leiten können.
-
-Aber sogar dieses klare Bewusstseyn und dieses Auffassen der
-wissenschaftlichen Kunst, als eines organischen Ganzen, reicht ihm noch
-nicht hin, denn auch dieses könnte, wie alles blosse Wissen, todt seyn,
-höchstens bis zur historischen Niederlegung in einem Buche ausgebildet.
-Er bedarf noch überdies für die wirkliche Ausübung der Fertigkeit, jeden
-Augenblick diejenige Regel, die hier Anwendung findet, hervorzurufen,
-und der Kunst, das Mittel ihrer Anwendung auf der Stelle zu finden. Zu
-diesem hohen Grade der Klarheit und Freiheit muss die wissenschaftliche
-Kunst sich in ihm gesteigert haben. Sein Wesen ist die Kunst, den
-wissenschaftlichen Künstler selber zu bilden, welche Kunst eine
-Wissenschaft der wissenschaftlichen Kunst auf ihrer ersten Stufe
-voraussetzt, für deren Möglichkeit wiederum der eigene Besitz dieser
-Kunst auf der ersten Stufe vorausgesetzt wird; in dieser Vereinigung und
-Folge sonach besteht das Wesen eines Lehrers an einer Kunstschule des
-wissenschaftlichen Verstandesgebrauchs.
-
-Das Princip, durch welches die wissenschaftliche Kunst zu dieser Höhe
-sich steigert, ist die Liebe zur Kunst.
-
-Dieselbe Liebe ist es auch, die die wirklich entstandene Kunst der
-Künstlerbildung immerfort von neuem beleben, und in jedem besonderen
-Falle sie anregen und sie auf das Rechte leiten muss. Sie ist, wie alle
-Liebe, göttlichen Ursprungs und genialischer Natur, und erzeugt sich
-frei aus sich selber; für sie ist die übrige wissenschaftliche
-Kunstbildung ein sicher zu berechnendes Product, sie selbst aber, die
-Kunst dieser Kunstbildung, lässt sich nicht jederman anmuthen, noch
-lässt sie selbst da, wo sie war, sich erhalten, falls ihr freier
-Geniusflügel sich hinwegwendet.
-
-Diese Liebe jedoch pflanzt auf eine unsichtbare Weise sich fort, und
-regt unbegreiflich den Umkreis an. Nichts gewährt höheres Vergnügen, als
-das Gefühl der Freiheit und zweckmässigen Regsamkeit des Geistes, und
-des Wachsthums dieser Freiheit, und so entsteht das liebevollste und
-freudenvollste Leben des Lehrlings in diesen Uebungen, und in dem Stoffe
-derselben.
-
-Diese Liebe für die Kunst ist in Beziehung auf andere ^achtend^, und
-richtet vom Lehrer, als dem eigentlichen Focus, ausgegangen mit dieser
-Achtung aus dem Individuum heraus sich auf die anderen, welche
-gemeinschaftlich mit ihm diese Kunst treiben, und zieht jeden hin zu
-allen übrigen, wodurch die §. 8 geforderte wechselseitige Mittheilung
-Aller, und die Verschmelzung der Einzelnen zu einem lernenden
-organischen Ganzen, wie es gerade nur aus diesen lernenden Individuen
-sich bilden kann, entstehet, deren Möglichkeit noch zu erklären war.
-
-(Ein geistiges Zusammenleben, das ^zunächst^ der schnelleren,
-fruchtbareren und in den Formen sehr vielseitigen Geistesentwickelung,
-^später^ im bürgerlichen Leben der Entstehung eines Corps von
-Geschäftsleuten dient, in welchem nicht, wie bisher, der eigentliche
-Gelehrte, der dem Geschäftsmanne für einen Quer- und verrückenden Kopf
-gilt, diesem meist mit Recht den stumpfen Kopf und den empirischen
-Stümper zurückgiebt, -- sondern, die einander frühzeitig durchaus kennen
-und achten gelernt haben, und die von einer Allen gleichbekannten und
-unter ihnen gar nicht streitigen Basis in allen ihren Berathungen
-ausgehen.)
-
-
- §. 12.
-
-Diese Kunst der wissenschaftlichen Künstlerbildung, falls sie etwa in
-irgend einem Zeitalter zum deutlichen Bewusstseyn hervorbrechen und zu
-irgend einem Grade der Ausübung gedeihen sollte, muss, in Absicht ihrer
-Fortdauer und ihres Erwachsens zu höherer Vollkommenheit, keinesweges
-dem blinden Ohngefähr überlassen werden; sondern es muss, und dieses am
-schicklichsten an der schon bestehenden Kunstschule selbst, eine feste
-Einrichtung getroffen werden, dieselbe mit Besonnenheit und nach einer
-festen Regel zu erhalten, und zu höherer Vollkommenheit zu bilden;
-wodurch diese Kunstschule, so wie jedes mit wahrhaftem Leben existirende
-Wesen soll, ihre ewige Fortdauer verbürgen würde.
-
-Sie ist, wie oben gesagt, selbst der höchste Grad der wissenschaftlichen
-Kunst, erfordernd die höchste Liebe und die höchste Fertigkeit und
-Geistesgewandtheit. Es ist darum klar, dass sie nicht allen angemuthet
-werden könne, wie man denn auch nur weniger, die sie ausüben, bedarf;
-aber sie muss allen angeboten und mit ihnen der Versuch gemacht werden,
-damit man sicher sey, dass nirgends dieses seltene Talent, aus Mangel an
-Kunde seiner, ungebraucht verloren gehe.
-
-Für diesen Zweck wäre demnach der Lehrling, doch ohne Ueberspringen und
-nach erlangter hinlänglicher Gewandtheit in den niederen Graden der
-Kunst, zur Ausübung aller der oben erwähnten Geschäfte des Lehrers
-anzuhalten, unter Aufsicht und mit der Beurtheilung des eigentlichen
-Lehrers, so wie der anderen, in demselben Grade befindlichen Lehrlinge.
-So denselben Weg zurücklegend unter der Leitung des schon geübten
-Lehrers, und vertraut gemacht mit dessen Kunstgriffen, welchen Weg der
-Lehrer selbst, von keinem geholfen und im Dunkeln tappend, gehen musste,
-wird dieser Lehrling es ohne Zweifel noch viel weiter bringen in geübter
-und klarer Kunst, denn sein Lehrer, und einst selber nach demselben
-Gesetze eine noch geübtere und klarere Generation hinterlassen.
-
-(Es geht hieraus hervor, dass eine solche Pflanzschule
-wissenschaftlicher Künstler überhaupt, nach den verschiedenen Graden
-dieser Kunst, auf ihrer höchsten Spitze ein Professor-Seminarium seyn
-würde, und also genannt werden könnte. Man hat homiletische Uebungen
-gehabt, um zur Kunst des Vortrages für das Volk, man hat
-Schullehrer-Seminaria gehabt, um den Vortrag für die niedere Schule zu
-bilden; an eine besondere Uebung oder Prüfung in der Kunst des
-akademischen Vortrages aber hat unseres Wissens niemand gedacht, gleich
-als ob es sich von selbst verstände, dass man, was man nur wisse, auch
-werde sagen können: zum schlagenden Beweise, dass man mit deutlichem
-Bewusstseyn, so weit dieses in dieser Region gedrungen, mit der
-Universität durchaus nichts mehr beabsichtigt, als dem gedruckten
-Buchwesen noch ein zweites redendes Buchwesen an die Seite zu setzen;
-wodurch unsere Rede wieder in ihren Ausgangspunct hineinfällt, zum
-Beweise, dass sie ihren Kreis durchlaufen hat.
-
-
- §. 13.
- Corollarium.
-
-Der bis hierher entwickelte Begriff, selbst angesehen in einem
-wissenschaftlichen Ganzen, giebt der Kunst der Menschenbildung oder der
-Pädagogik den Gipfel, dessen sie bisher ermangelte. Ein anderer Mann hat
-in unserem Zeitalter die ebenfalls vorher ermangelnde Wurzel derselben
-Pädagogik gefunden. Jener Gipfel macht möglich die höchste und letzte
-Schule der wissenschaftlichen Kunst; diese Wurzel macht möglich die
-erste und allgemeine Schule des Volks, das letzte Wort nicht für Pöbel
-genommen, sondern für die Nation. Der mittlere Stamm der Pädagogik ist
-die niedere Gelehrtenschule.
-
-Aber der Gipfel ruht fest nur auf dem Stamme, und dieser zieht seinen
-Lebenssaft nur aus der Wurzel; alle insgesammt haben nur an-, in- und
-durcheinander Leben und versicherte Dauer. Ebenso verhält es sich auch
-mit der höheren und der niederen Gelehrtenschule, und mit der
-Volksschule. Wir unseres Ortes, die wir die erstere beabsichtigen,
-gehen, so gut wir es unter diesen Umständen vermögen, aus unserem
-besonderen und abgeschnittenen Mittelpuncte aus, unseren Weg fort, nur
-auf die niedere Gelehrtenschule, mit der wir allernächst zusammenhängen,
-und ohne deren Beihülfe wir nicht füglich auch nur einen Anfang machen
-können, die nöthige Rücksicht nehmend. Ebenso geht ihres Orts, und
-unser, die wir nur selbst erst unser eigenes Daseyn suchen, unserer
-Hülfe und unseres leitenden Lichtes entbehrend, die allgemeine Pädagogik
-ihren Weg fort, so gut sie es vermag. Aber arbeiten wir nur redlich
-fort, jeder an seinem Ende: wir werden mit der Zeit zusammenkommen, und
-insgesammt in einander eingreifen; denn jedweder Theil, der nur in sich
-selber etwas Rechtes ist, ist Theil zu einem grösseren ewigen Ganzen,
-das in der Erscheinung nur aus der Zusammenfügung der einzelnen Theile
-zusammentritt. Da aber, wo wir zusammenkommen werden, wird der armen,
-jetzt in ihrer ganzen Hülfslosigkeit dastehenden Menschheit Hülfe und
-Rettung bereit seyn; denn diese Rettung hängt lediglich davon ab, dass
-die Menschenbildung im Grossen und Ganzen aus den Händen des blinden
-Ohngefährs unter das leuchtende Auge einer besonnenen Kunst komme.
-
-Diese Einsicht und das Bewusstseyn, dass uns ein grosser Moment gegeben
-ist, der, ungenutzt verstrichen, nicht leicht wiederkehrt, bringe
-heiligen Ernst und Andacht in unsere Berathungen.
-
-
- Anmerkung.
-
-Da man oft unerwartet auf Verkennung jenes höchsten Grundsatzes alles
-unseres Lebens und Treibens stösst, so ist es vielleicht nicht
-überflüssig, hierüber noch einige Worte hinzuzufügen.
-
-Ein blindes Geschick hat die menschlichen Angelegenheiten erträglich,
-und obgleich langsam, dennoch zu einiger Verbesserung des ganzen
-Zustandes geleitet, so lange in diese Dunkelheit das gute und böse
-Princip in der Menschheit gemeinschaftlich und mit einander verwachsen
-eingehüllt war. Diese Lage der Dinge hat sich verändert, durch diese
-Veränderung ist eben ein durchaus neues Zeitalter, gegen dessen
-Anerkenntniss man sich noch so häufig sträubt, und es sind durchaus neue
-Aufgaben an die Zeit entstanden. Das böse Princip hat nemlich aus jener
-Mischung sich entbunden zum Lichte; es ist sich selbst vollkommen klar
-geworden, und schreitet frei und besonnen und ohne alle Scheu und Scham
-vorwärts. Klarheit siegt allemal über die Dunkelheit; und so wird denn
-das böse Princip ohne Zweifel Sieger bleiben so lange, bis auch das gute
-sich zur Klarheit und besonnenen Kunst erhebt.
-
-In allen menschlichen Verhältnissen, besonders aber in der
-Menschenbildung, ist das Alte und Hergebrachte das Dunkele; eine Region,
-die mit dem klaren Begriffe zu durchdringen und mit besonnener Kunst zu
-bearbeiten man Verzicht leistet, und aus welcher herab man den Segen
-Gottes ohne sein eigenes Zuthun erwartet. Setzt man in diesem
-Glaubenssysteme jenem göttlichen Segen etwa noch eine menschliche
-Direction und Oberaufsicht an die Seite, so ist das eine blosse
-Inconsequenz. Das Alte ist ja jedermänniglich bekannt, diesem soll
-gefolgt werden, es giebt darum keine Pläne auszudenken; der Erfolg kommt
-von oben herab, und keine menschliche Klugheit kann hier etwas
-ausrichten; es giebt darum auch nichts zu leiten, und die Oberaufsicht
-ist ein völlig überflüssiges Glied. Nur in dem Falle, dass Behauptungen,
-wie die unsrige, von freier und besonnener Kunst sich vernehmen liessen
-und einen Einfluss begehrten, erhielte sie eine Bestimmung, die, der
-Neuerung sich kräftig zu widersetzen, und festzuhalten über dem alten
-hergebrachten Dunkel.
-
-Es ist nicht zu hören, wenn die Sicherheit dieses alten und
-ausgetretenen Weges gepriesen, dagegen das Unsichere und Gewagte aller
-Neuerungen gefürchtet wird. Bleibt man beim Alten, so wird der Erfolg
-schlecht seyn, darauf kann man sich verlassen; denn es kann, nachdem die
-Welt einmal ist, wie sie ist, aus dem Dunkeln nichts Anderes mehr
-hervorgehen, denn Böses. Hofft man etwa dabei das zu gewinnen, dass man
-sich sagen könne, man habe das Böse wenigstens nicht durch sein thätiges
-Handeln herbeigeführt, es sey eben von selbst gekommen, und man würde
-nichts dagegen gehabt haben, wenn statt dessen das Gute gekommen wäre?
-Man muss leicht zu trösten seyn, wenn man damit sich beruhigt. Und warum
-sollte es denn ein so grosses Wagstück seyn, nach einem klaren und
-festen Begriffe einherzugehen? Wagen wird man allein in den beiden
-Fällen, wenn man entweder seines Begriffes nicht Meister ist, oder nicht
-schon im voraus entschlossen, sein Alles an die Ausführung desselben zu
-setzen. Aber nichts nöthigt uns, uns in einem dieser beiden Fälle zu
-befinden.
-
-Am wenigsten würden wir den Grundbegriff von einer Universität gelten
-lassen, dass dieselbe sey keinesweges eine Erziehungsanstalt, deren
-unfehlbaren Erfolg man soviel möglich sichern müsse, sondern eine im
-Grunde überflüssige und nur als freie Gabe zu betrachtende
-Bildungsanstalt, die jeder, der in der Lage sey, mit Freiheit gebrauchen
-könne, wie er eben wolle. Giebt es solche Anstalten, als da etwa wäre
-das Werkmeistersche Museum u. dergl., so können dieselben nur seyn für
-weise Männer und gemachte Bürger, die in Absicht einer persönlichen
-Bestimmung und eines festen Berufes mit dem Staate sich schon abgefunden
-haben, keinesweges für Jünglinge, die einen Beruf noch suchen. Auch hat
-bisher der Staat, -- und dies ist auch ein Altes und Wohlhergebrachtes,
-bei welchem es ohne Zweifel sein Bewenden wird haben müssen, -- es hat
-der Staat allerdings auf die Universitäten gerechnet, als eine
-nothwendige und bisher durch nichts Anderes ersetzte Erziehungsanstalt
-eines Standes, an dem ihm viel gelegen ist: und es wäre zu erwarten, was
-erfolgen würde, wenn nur drei Jahre hintereinander es der Freiheit aller
-Studirenden gefiele, die Universität nicht auf die rechte Weise zu
-benutzen. Oder soll man voraussetzen, dass es mitten in unseren
-gebildeten Staaten noch einen Haufen von Menschen gebe, deren
-angeborenes Privilegium dies ist, dass kein Mensch Anspruch auf ihre
-Kräfte und die Bildung derselben habe, und denen es freistehen muss, ob
-sie zu etwas oder zu nichts taugen wollen, weil sie ausserdem zu leben
-haben? Soll für diese vielleicht jene freie und auf gar nichts rechnende
-Bildungsanstalt angelegt werden, damit sie, wenn sie wollen, hier die
-Mittel erwerben, ihr einstiges müssiges Leben mit weniger Langeweile
-hinzubringen? Alles zugegeben, möchten wenigstens diese Klassen selbst
-für die Befriedigung dieses ihres Bedürfnisses sorgen; aber dem Staate
-liessen die Kosten einer solchen Anstalt sich keinesweges aufbürden.
-
-
-
-
- Zweiter Abschnitt.
- Wie unter den gegebenen Bedingungen der Zeit und des Orts der
- aufgegebene Begriff realisirt werden könne.
-
-
- §. 14.
-
-Soll unsere Lehranstalt keinesweges etwa eine in sich selbst
-abgeschlossene Welt bilden, sondern soll sie eingreifen in die wirklich
-vorhandene Welt, und soll sie insbesondere das gelehrte Erziehungswesen
-dieser Welt umbilden, so muss sie sich anschliessen an dasselbe, so wie
-es ist und sie dasselbe vorfindet. Dieses muss ihr erster Standpunct
-seyn; dies der von ihr anzueignende und durch sie zu organisirende
-Stoff; sie aber das geistige Ferment dieses Stoffes. Sie muss sich
-erzeugen und sich fortbilden innerhalb einer gewöhnlichen Universität,
-weil wir dies nicht vermeiden können, so lange bis die letztere in die
-erste aufgehend gänzlich verschwinde: keinesweges aber müssen wir von
-dem Gedanken ausgehen, dass wir eine ganz gewöhnliche Universität und
-nichts weiter bilden wollen.
-
-
- §. 15.
-
-Diese nothwendige Stätigkeit des Fortgangs in der Zeit sogar
-abgerechnet, vermögen wir in dieses Vorhabens Ausführung um so weniger
-anders, denn also zu verfahren, da die freie ^Kunst der besonderen
-Wissenschaft sowohl überhaupt, als in ihren einzelnen Fächern^ dermalen
-noch gar nicht also vorhanden ist, dass sie sicher und nach einer Regel
-aufbehalten und fortgepflanzt werden könnte; sondern diese freie Kunst
-der ^besonderen^ Wissenschaft erst selber in der schon vorhandenen
-Kunstschule zu deutlichem Bewusstseyn und zu geübter Fertigkeit erhoben
-werden, und so die Kunstschule einem ihrer wesentlichen Theile nach sich
-selber erst erschaffen muss. So nun nicht wenigstens der Ausgangspunct
-dieser Kunst in der Wissenschaft überhaupt, und unabhängig von dem
-Vorhandenseyn der Schule, irgendwo und irgendwann zu existiren
-vermöchte, so würde es niemals zu einer solchen Kunstschule, ja sogar
-nicht zu dem Gedanken und der Aufgabe derselben kommen.
-
-
- §. 16.
-
-Mit diesem Ausgangspuncte der wissenschaftlichen Kunst verhält es sich
-nun also. Kunst wird (§. 4) dadurch erzeugt, dass man deutlich versteht,
-^was^ man und ^wie^ man es macht. Die besondere Wissenschaft aber ist in
-allen ihren einzelnen Fächern ein besonderes Machen und Verfahren mit
-dem Geistesvermögen; und man hat dies von jeher anerkannt, wenn man z.
-B. vom historischen Genie, Tact und Sinne, oder von Beobachtungsgabe u.
-dergl., als von besonderen, ihren eigenthümlichen Charakter tragenden
-Talenten gesprochen. Nun ist ein solches Talent allemal Naturgabe, und
-da es ein besonderes Talent ist, so ist der Besitzer desselben eine
-besondere und auf diesen Standpunct beschränkte Natur, die nicht
-wiederum über diesen Punct sich erheben, ihn frei anschauen, ihn mit dem
-Begriffe durchdringen und so aus der blossen Naturgabe eine freie Kunst
-machen könnte. Und so würde denn die besondere Wissenschaft entweder gar
-nicht getrieben werden können, weil es an Talent fehlte, oder, wo sie
-getrieben würde, könnte es, eben weil dazu Talent, das eben nur Talent
-sey, gehört, niemals zu einer besonnenen Kunst derselben kommen. So ist
-es denn auch wirklich. Der Geist jeder besonderen Wissenschaft ist ein
-beschränkter und beschränkender Geist, der zwar in sich selber lebt und
-treibet, und köstliche Früchte gewährt, der aber weder sich selbst, noch
-andere Geister ausser ihm zu verstehen vermag. Sollte es nun doch zu
-einer solchen Kunst in der besonderen Wissenschaft kommen, so müsste
-dieselbe, unabhängig von ihrer Ausübung, und noch ehe sie getrieben
-würde, verstanden, d. i. die Art und Weise der geistigen Thätigkeit,
-deren es dazu bedarf, erkannt werden, und so der allgemeine ^Begriff^
-ihrer Kunst der ^Ausübung^ dieser Kunst selbst vorhergehen können. Nun
-ist dasjenige, was die ^gesammte^ geistige Thätigkeit, mithin auch alle
-besonderen und weiter bestimmten Aeusserungen derselben wissenschaftlich
-erfasst, die Philosophie: von philosophischer Kunstbildung aus müsste
-sonach den besonderen Wissenschaften ihre Kunst gegeben, und das, was in
-ihnen bisher blosse, vom guten Glücke abhängende Naturgabe war, zu
-besonnenem Können und Treiben erhoben werden; der Geist der Philosophie
-wäre derjenige, welcher zuerst sich selbst, und sodann in sich selber
-alle anderen Geister verstände; der Künstler in einer besonderen
-Wissenschaft müsste vor allen Dingen ein philosophischer Künstler
-werden, und seine besondere Kunst wäre lediglich eine weitere Bestimmung
-und einzelne Anwendung seiner allgemeinen philosophischen Kunst.
-
-(Dies dunkel fühlend hat man, wenigstens bis auf die letzten durch und
-durch verworrenen und seichten Zeiten, geglaubt, dass alle höhere
-wissenschaftliche Bildung von der Philosophie ausgehen, und dass auf
-Universitäten die philosophischen Vorlesungen von Allen und zuerst
-gehört werden müssten. Ferner hat man in den besonderen Wissenschaften
-z. B. von philosophischen Juristen oder Geschichtsforschern oder Aerzten
-gesprochen, und man wird finden, dass von denen, welche sich selber
-verstanden, immer diejenigen mit dieser Benennung bezeichnet wurden, die
-mit der grössten Fertigkeit und Gewandtheit ihre Wissenschaft vielseitig
-anzuwenden wussten, sonach die ^Künstler^ in der Wissenschaft. Denn
-diejenigen, welche ^a priori^ phantasirten, wo es galt Facta
-beizubringen, sind ebenso, wie diejenigen, die sich auf die wirkliche
-Beschaffenheit der Dinge beriefen, wo das apriorische Ideal dargestellt
-werden sollte, von den Verständigen mit der gebührenden Verachtung
-angesehen worden.)
-
-
- §. 17.
-
-Die erste und ausschliessende Bedingung der Möglichkeit, eine
-wissenschaftliche Kunstschule zu errichten, würde demnach diese seyn,
-dass man einen Lehrer fände, der da fähig wäre, das Philosophiren selber
-als eine Kunst zu treiben, und der es verstände, eine Anzahl seiner
-Schüler zu einer bedeutenden Fertigkeit in dieser Kunst zu erheben, mit
-welcher nun einige dieser wiederum den ihnen anderwärts herzugebenden
-positiven Stoff der besonderen Wissenschaften durchdrängen, und sich
-auch in diesen zu Künstlern bildeten; von welchen letzteren wiederum
-diejenigen, die es zu dem Grade der Klarheit dieser Kunst gebracht
-hätten, dass sie selbst Künstler zu bilden vermöchten, ihre Kunst
-fortpflanzten. Nachdem dieses Letztere über das ganze Gebiet der
-Wissenschaften möglich geworden, in einer solchen Ausdehnung, dass man
-auf die sichere Fortpflanzung der gesammten wissenschaftlichen Kunst bis
-ans Ende der Tage rechnen könnte: alsdann stände die beabsichtigte
-wissenschaftliche Kunstschule da, und wäre errichtet.
-
-
- §. 18.
-
-Dieser philosophische Künstler muss, beim Beginnen der Anstalt, ein
-einziger seyn, ausser welchem durchaus kein anderer auf die Entwickelung
-des Lehrlings zum Philosophiren Einfluss habe. Wer dagegen einwenden
-wollte, dass es, um die Jünglinge vor Einseitigkeit und blindem Glauben
-an Einen Lehrer zu verwahren, auf einer höheren Lehranstalt vielmehr
-eine Mannigfaltigkeit der Ansichten und Systeme, und eben darum der
-Lehrer geben müsse, würde dadurch verrathen, dass er weder von der
-Philosophie überhaupt, noch vom Philosophiren, als einer Kunst, einen
-Begriff habe. Denn obwohl, falls es Gewissheit giebt und dieselbe dem
-Menschen erreichbar ist (wer über diesen Punct sich noch in Zweifel
-befände, der wäre nicht ausgestattet, um mit uns über die Einrichtung
-eines ^wissenschaftlichen^ Instituts zu berathschlagen), der Lehrer, den
-wir suchen, selber in sich seiner Sache gewiss seyn und ein System haben
-muss, indem im entgegengesetzten Falle er mit seinem Philosophiren nicht
-zu Ende gekommen wäre, mithin die ganze Kunst des Philosophirens nicht
-einmal selber ausgeübt hätte und so durchaus unfähig wäre, dieselbe in
-ihrem ganzen Umfange mit Bewusstseyn zu durchdringen, und sie anderen
-mitzutheilen, und wir uns daher in der Wahl der Person vergriffen hätten
--- obwohl, sage ich, dies also ist, so wird er dennoch in seinem
-Bestreben, selbstthätige, die Gewissheit in sich selbst erzeugende und
-das System selbst erfindende Künstler zu bilden, nicht von seinem
-Systeme, noch überhaupt von irgend einer positiven Behauptung
-^ausgehen^; sondern nur ihr systematisches Denken anregen, freilich in
-der sehr natürlichen Voraussetzung, dass sie am Ende desselben bei
-demselben Resultate ankommen werden, bei dem auch er angekommen, und
-dass, wenn sie bei einem anderen ankommen, irgendwo in der Ausübung der
-Kunst ein Fehler begangen worden. Wäre irgend ein anderer neben ihm, der
-ihm widerspräche, so müsste dieser etwas ^behaupten^; liesse er sich
-verleiten, dem Widerspruche zu widersprechen, so müsste nun auch er
-behaupten, und es entstände Polemik. Wo aber Polemik ist, da ist Thesis,
-und wo Thesis ist, da wird nicht mehr thätig philosophirt, sondern es
-wird nur das Resultat des, so Gott will, vorher ausgeübten thätigen
-Philosophirens historisch erzählt; somit hebt die Polemik das Wesen
-einer philosophischen Kunstschule gänzlich auf, und es ist ihr darum
-aller Eingang in diese abzuschneiden. --
-
-(Dieselbe Unbekanntschaft mit dem Wesen der Philosophie würde verrathen
-eine andere Bemerkung, die folgende: es müsse auf einer solchen Anstalt
-die Vollständigkeit der sogenannten philosophischen Wissenschaften
-beabsichtigt werden, und dies, da sie einem Einzigen nicht wohl
-anzumuthen sey, werde eine Mehrheit der Lehrer der Philosophie
-verlangen. Denn wenn nur wirklich der philosophische Geist und die Kunst
-des Philosophirens entwickelt ist, so wird ganz von selbst diese sich
-über die gesammte Sphäre des Philosophirens ausbreiten, und diese in
-Besitz nehmen; sollte aber für andere, an welchen das Streben, sie in
-diese Kunst einzuweihen, mislingt, die wir aber dennoch, aus Mangel
-besserer Subjecte, in den bürgerlichen Geschäften anstellen und brauchen
-müssten, irgend ein historisch zu erlernender ^philosophischer
-Katechismus^, als Rechtslehre, Moral u. dergl. nöthig seyn, so wird ja
-wohl dieser in gedruckten Büchern irgendwo vorliegen, an deren eigenes
-Studium auch hier, so wie in den anderen Fächern, dergleichen Subjecte
-vom Lehrer der Philosophie hingewiesen, und erforderlichenfalles darüber
-examinirt würden.)
-
-
- §. 19.
-
-Mit diesem also entwickelten philosophischen Geiste, als der reinen Form
-des Wissens, ^müsste nun der gesammte wissenschaftliche Stoff in seiner
-organischen Einheit^ auf der höheren Lehranstalt aufgefasst und
-durchdrungen werden, also dass man genau wüsste, was zu ihm gehöre oder
-nicht, und so die strenge Grenze zwischen Wissenschaft und
-Nichtwissenschaft gezogen würde; dass man ferner das organische
-Eingreifen der Theile dieses Stoffes ineinander, und das gegenseitige
-Verhältniss derselben unter sich allseitig verstände, damit man daraus
-ermessen könnte, ob dieser Stoff am Lehrinstitute vollständig bearbeitet
-werde, oder nicht; in welcher ^Folge^ oder ^Gleichzeitigkeit^ am
-vortheilhaftesten diese einzelnen Theile zu bearbeiten seyen; bis zu
-welcher Potenz die ^niedere^ Schule denselben zu erheben, und wo
-eigentlich die höhere einzugreifen habe; ferner, bis zu welcher
-Potenz auch auf der letzteren ^alle^, die auf den Titel eines
-wissenschaftlichen Künstlers Anspruch machen wollten, ihn auszubilden
-hätten, und wie viel dagegen der ^besonderen^ Ausbildung für ein
-^bestimmtes praktisches^ Fach anheimfiele und vorbehalten bleiben müsse.
-Dies gäbe eine philosophische Encyklopädie der gesammten Wissenschaft,
-als stehendes Regulativ für die Bearbeitung aller besonderen
-Wissenschaften.
-
-(Wenn auch allenfalls die Philosophie schon jetzt fähig seyn sollte, zu
-einer solchen encyklopädischen Ansicht der gesammten Wissenschaft in
-ihrer organischen Einheit einige Auskunft zu geben, so ist doch die
-übrige wissenschaftliche Welt viel zu abgeneigt, der Philosophie die
-Gesetzgebung, die sie dadurch in Anspruch nähme, zuzugestehen, oder
-dieselbe in dergleichen Aeusserungen auch nur nothdürftig zu begreifen,
-als dass sich hiervon einiger Erfolg sollte erwarten lassen. Auch
-müssten, da es hier nicht um theoretische Behauptung einiger Sätze,
-sondern um Einführung einer Kunst zu thun ist, erst eine beträchtliche
-Anzahl von Männern gebildet werden, die da fähig wären, eine solche
-Encyklopädie nicht bloss zu verstehen und wahr zu finden, sondern auch
-nach den Regeln derselben die besonderen Fächer der Wissenschaft
-wirklich zu bearbeiten; dass es daher am schicklichsten seyn wird,
-hierüber sich vorläufig gar nicht auszusprechen, sondern jene
-Encyklopädie durch das wechselseitige Eingreifen der Philosophie und der
-philosophisch kunstmässigen Bearbeitung der nun eben vorhandenen
-besonderen Fächer der Wissenschaft, allmählig von selber erwachsen zu
-lassen; dass mithin in Absicht dieses ihr sehr wesentlichen
-Bestandtheiles die Kunstschule sich selbst innerhalb ihrer selbst
-erschaffen müsste.)
-
-
- §. 20.
-
-Beim Anfange und so lange, bis es dahin gekommen, müssen wir uns
-begnügen, die vorliegenden Fächer ohne organischen Einheitspunct bloss
-historisch aufzufassen, nur dasjenige, wovon wir schon bei dem
-gegenwärtigen Grade der allgemeinen philosophischen Bildung darthun
-können, dass es dem wissenschaftlichen Verstandesgebrauche entweder
-geradezu widerspreche, oder nicht zu demselben gehöre, von uns
-ausscheidend, das Uebrige aufnehmend, und es in seiner Würde und an
-seinem Platze bis zur besseren allgemeinen Verständigung stehen lassend;
-ferner in diesen Fächern die am meisten ^philosophischen^, d. i. die mit
-der grössten Freiheit, Kunstmässigkeit und Selbstständigkeit in
-denselben verfahrenden unter den Zeitgenossen, zu Lehrern uns
-anzueignen; endlich, diese zu der am meisten philosophischen, d. i. zu
-der, Selbstthätigkeit und Klarheit am sichersten entwickelnden,
-Mittheilung ihres Faches anzuhalten und sie darauf zu verpflichten.
-
-
- §. 21.
-
-Ueber den ersten Punct, betreffend die Ausscheidung, werden wir
-demnächst beim Durchgehen der vorhandenen wissenschaftlichen Fächer uns
-erklären. Ueber den zweiten merke ich hier im allgemeinen nur das an,
-dass wir den Vortheil haben, in einigen der Hauptfächer diejenigen,
-welche als die freisten und selbstthätigsten allgemein anerkannt sind,
-schon jetzt die unserigen zu nennen, und dass, falls nicht etwa einige
-für die Herablassung und für das Wechselleben mit ihren Schülern, das
-dieser Plan ihnen anmuthet, sich zu vornehm dünken, wir hoffen dürfen,
-sie für unseren Zweck zu gewinnen, und dass in anderen Fächern, in denen
-wir nicht mit derselben Zuversichtlichkeit dasselbe rühmen können, der
-Unterschied zwischen den Zeitgenossen in Absicht des angegebenen
-Gesichtspunctes überhaupt nicht sehr gross ist, und wir darum hoffen
-dürfen, ohne grosse Schwierigkeit die nothwendigen Stellen so gut zu
-besetzen, als sie unter den gegenwärtigen Umständen überhaupt besetzt
-werden können; dass es aber ausschliessende Bedingung sey, dass
-dieselben schon vor ihrer Berufung und Anstellung sowohl über unseren
-Hauptplan, als über den dritten Punct in Absicht des zu wählenden
-Vortrages unterrichtet, und aufrichtig mit uns einverstanden seyen. In
-Absicht dieses dritten Punctes endlich, stellen wir als eine Folge aus
-allem Bisherigen fest, dass -- die oben erwähnten Examina,
-Conversatorien und Aufgaben, als die erste charakteristische Eigenheit
-unserer Methode, deren Anwendung im besonderen Falle am gehörigen Orte
-näher wird beschrieben werden, noch abgerechnet, -- alle mündliche
-Mittheilung über ein besonderes Fach ausgehen müsse von der
-^Encyklopädie^ dieses Faches, und dass dieses die allererste Vorlesung
-jedes bei uns anzustellenden Lehrers seyn und von jedem Schüler zu
-allererst gehört werden müsse. Denn die bis zur höchsten Klarheit
-gesteigerten einzelnen Encyklopädien der besonderen Fächer, besonders
-wenn sie alle zusammen den Lehrern und Zöglingen der Anstalt bekannt
-sind, sind das zunächst in die von der Philosophie ausgehen sollende
-^allgemeine Encyklopädie^ (§. 19. am Schlusse) eingreifende Glied,
-arbeiten derselben mächtig vor, und werden der letzteren, wenn sie
-entstehen wird, die vollkommene Verständlichkeit ertheilen müssen, indem
-auch sie selber umgekehrt von ihr neue Festigkeit und Klarheit erhalten
-werden. Sodann ist Einheit und Ansicht der Sache aus Einem
-Gesichtspuncte heraus der Charakter der Philosophie und der freien
-Kunstmässigkeit, die wir anstreben; dagegen unverbundene
-Mannigfaltigkeit und mit nichts zusammenhängende Einzelheit der
-Charakter der Unphilosophie, der Verworrenheit und der Unbehülflichkeit,
-welche wir eben aus der ganzen Welt austilgen möchten, und sie darum
-nicht in uns selbst aufnehmen müssen. Endlich, wenn auch dieses alles
-nicht so wäre, können wir aus Mangelhaftigkeit der niederen Schule zu
-Anfange bei unseren Schülern nicht auf ein solches schon fertiges Gerüst
-des gesammten wissenschaftlichen Stoffes, wie es oben (§. 10.)
-beschrieben worden, rechnen, und müssen zu allererst diesen Mangel in
-unseren besonderen Encyklopädien ersetzen. Die Hauptgesichtspuncte einer
-solchen auf eine wissenschaftliche Kunstschule berechneten Encyklopädie
-sind die folgenden: ^dass sie zuvörderst die eigentliche
-charakteristische Unterscheidung des Verstandesgebrauches^ in diesem
-Fache, und die besonderen Kunstgriffe oder Vorsichtsregeln in ihm mit
-aller dem Lehrer selbst beiwohnenden Klarheit angebe, und sie mit
-Beispielen belege (und so eben z. B. das ^historische Talent^, oder die
-^Beobachtungsgabe^ mit dem Begriffe durchdringe); dass sie die Theile
-dieser Wissenschaft vollständig und umfassend vorlege, und zeige, auf
-welche besondere Weise jeder, und in welcher Zeitfolge sie studirt
-werden müssen; endlich, dass sie die für den Zweck des Lehrlings nöthige
-Literaturkenntniss des Faches gebe, und ihn berathe, ^was^, und in
-^welcher Ordnung^ und etwa mit welchen Vorsichtsmaassregeln, er zu lesen
-habe. Besonders in der letzten Rücksicht ist der Lehrer dem Lehrlinge
-ein allgemeines Register und Repertorium des ^gesammten Buchwesens^ in
-diesem Fache, inwieweit dasselbe dem Lehrlinge nöthig ist, schuldig;
-welches nun der Lehrling selber, nach der ihm gegebenen Anleitung, zu
-lesen, keinesweges aber vom Lehrer zu erwarten hat, dass auch dieser es
-ihm noch einmal recitire. Gehört nun ferner, wie wir hoffen, der Lehrer
-zu dem oben erwähnten edleren Bestandtheile der bisherigen
-Universitäten, dass er mit dem gesammten Buchwesen seines Faches nicht
-allerdings zufrieden und fähig sey, dasselbe hier und da zu verbessern,
-so zeige er in seiner Encyklopädie diese fehlerhaften Stellen des
-grossen Buches an, und lege dar seinen Plan, wie er in besonderen
-Vorlesungen diese fehlerhaften Stellen verbessern wolle, und in welcher
-Ordnung diese besonderen Vorlesungen, die insgesammt auf der festen
-Unterlage seiner Encyklopädie ruhen, und auf ihr geordnet sind, zu hören
-seyen. Ist dessen so viel, dass er es allein nicht bestreiten kann, so
-wähle er sich einen Unterlehrer, der verbunden ist, in seinem Plane zu
-arbeiten. Nur sage er nicht, was im Buche auch steht, sondern nur das,
-was in keinem Buche steht. (Als Beispiel: dass in den Schüler der
-niederen Schule sehr früh ein Inbegriff der Universalgeschichte
-hineingebildet werden müsse, versteht sich, und ist oben gesagt; wozu
-aber, ausser der Anweisung, wie man die gesammte Menschengeschichte zu
-^verstehen^ habe, welche wohl am schicklichsten dem Philosophen
-anheimfallen dürfte, auf der höheren Schule ein Cursus der
-Universalgeschichte solle, bekenne ich nicht zu begreifen; dagegen aber
-würde ich es für sehr schicklich und alles Dankes werth halten, wenn ein
-Professor der Geschichte ein Collegium ankündigte über besondere Data
-aus der Weltgeschichte, ^die keiner vor ihm so richtig gewusst habe, wie
-er^, und er mit diesem Versprechen Wort hielte.)
-
-(Wir setzen der Erwähnung dieser von vielen so sehr angefeindeten
-Encyklopädien, zur Vorbauung möglichen Misverständnisses, noch folgendes
-hinzu. Mit derselben vollkommenen Ueberzeugung, mit welcher wir zugeben,
-dass das Bestreben, bei solchen allgemeinen Uebersichten und Resultaten
-^stehenzubleiben^, von Seichtigkeit, Trägheit und Sucht nach wohlfeilem
-Glanze zeuge, und diese Schlechtigkeiten befördere, sehen wir zugleich
-auch ein, dass das Widerstreben, ^von ihnen auszugehen^, den Lehrling
-ohne Steuerruder und Compass in den verworrenen Ocean stürze, dass,
-obwohl einige sich rühmen hierbei ohne Ertrinken davongekommen zu seyn,
-man darum doch nicht das Recht habe, jederman derselben Gefahr
-auszusetzen, dass selbst die Geretteten gesunder seyn würden, wenn sie
-der Gefahr sich nicht ausgesetzt hätten; und dass die Quellen dieses
-Widerstrebens keinesweges aus einer besseren Einsicht, sondern dass sie
-grösstentheils aus dem persönlichen Unvermögen hervorgehen, solche
-encyklopädische Rechenschaft über das eigene Fach zu geben, indem diese,
-nur gross im Einzelnen, niemals zur Ansicht eines Ganzen sich erhoben
-haben. Wer nun eine solche Encyklopädie seines Faches geben nicht könnte
-oder nicht wollte, der wäre für uns nicht bloss unbrauchbar, sondern
-sogar verderblich, indem durch seine Wirksamkeit der Geist unseres
-Institutes sogleich im Beginne getödtet würde.)
-
-
- §. 22.
-
-Wir gehen an die historische Auffassung des auf den bisherigen
-Universitäten vorliegenden Stoffes, und schicken folgende zwei
-allgemeine Bemerkungen voraus. Eine Schule des wissenschaftlichen
-Verstandesgebrauches setzt voraus, dass verstanden und bis in seinen
-letzten Grund durchdrungen werden könne, was sie sich aufgiebt; sonach
-wäre ein solches, das den Verstandesgebrauch sich verbittet, und sich
-als ein unbegreifliches Geheimniss gleich von vornherein aufstellt,
-durch das Wesen derselben von ihr ausgeschlossen. Wollte also etwa die
-Theologie noch fernerhin auf einem Gotte bestehen, der etwas wollte ohne
-allen Grund; welches Willens Inhalt kein Mensch durch sich selber
-begreifen, sondern Gott selbst unmittelbar durch besondere Abgesandte
-ihm mittheilen müsste; dass eine solche Mittheilung geschehen sey, und
-das Resultat derselben in gewissen heiligen Büchern, die übrigens in
-einer sehr dunklen Sprache geschrieben sind, vorliege, von deren
-richtigem Verständnisse die Seligkeit des Menschen abhange: so könnte
-wenigstens eine Schule des Verstandesgebrauches sich mit ihr nicht
-befassen. Nur wenn sie diesen Anspruch auf ihr allein bekannte
-Geheimnisse und Zaubermittel durch eine unumwundene Erklärung aufgiebt,
-laut bekennend, dass der Wille Gottes ohne alle besondere Offenbarung
-erkannt werden könne, und dass jene Bücher durchaus nicht
-^Erkenntnissquelle^, sondern nur ^Vehiculum des Volksunterrichtes^
-seyen, welche, ganz unabhängig von dem, was die Verfasser etwa wirklich
-gesagt haben, beim wirklichen Gebrauche also erklärt werden müssen, wie
-die Verfasser hätten sagen sollen; welches letztere, wie sie hätten
-sagen sollen, darum schon vor ihrer Erklärung anderwärtsher bekannt seyn
-müsse: nur unter dieser Bedingung kann der Stoff, den sie bisher
-besessen hat, von unserer Anstalt aufgenommen und jener Voraussetzung
-gemäss bearbeitet werden. Ferner haben mehrere bisher auf den
-Universitäten bearbeitete Fächer (als die soeben erwähnte Theologie, die
-Jurisprudenz, die Medicin) einen Theil, der nicht zur wissenschaftlichen
-Kunst, sondern zu der sehr verschiedenen praktischen Kunst der Anwendung
-im Leben gehört. Es gereicht sowohl einestheils zum Vortheile dieser
-praktischen Kunst, die am besten in unmittelbarer und ernstlich
-gemeinter Ausübung unter dem Auge des schon geübten Meisters erlernt
-wird, als anderentheils zum Vortheile der wissenschaftlichen Kunst
-selbst, welche zu möglichster Reinheit sich abzusondern und in sich
-selbst sich zu concentriren hat: dass jener Theil von unserer
-Kunstschule abgesondert, und in Beziehung auf ihn andere für sich
-bestehende Einrichtungen gemacht werden. Was inzwischen auch in dieser
-Rücksicht von der wissenschaftlichen Kunstschule zu beobachten sey,
-werden wir bei Erwähnung der einzelnen Fälle beibringen.
-
-
- §. 23.
-
-Nächst der Philosophie macht die ^Philologie^, als das allgemeine
-Kunstmittel aller Verständigung, mit Recht den meisten Anspruch auf
-Universalität. Ob auch wohl überhaupt ^für das gesammte studirende
-Publicum^ auf der höheren Schule es eines philologischen Unterrichtes
-bedürfen, oder vielmehr dieser schon auf der niederen Schule beendigt
-seyn solle, ob insbesondere für diejenigen, ^die sich zu Schullehrern^
-bestimmen, und für die es allerdings einer weiteren Anführung bedarf,
-die dahingehörigen Anstalten nicht schicklicher mit den niederen Schulen
-selbst vereinigt werden würden: -- die Beantwortung dieser Frage können
-wir für jetzt ^dem^ Zeitalter, da die allgemeine Encyklopädie geltend
-gemacht seyn, und die niedere Schule seyn wird, was sie soll,
-anheimgeben, und vorläufig es beim Alten lassen.
-
-
- §. 24.
-
-Von der ^Mathematik^ sollte unseres Erachtens der reine Theil bis zu
-einer gewissen Potenz schon auf der niederen Schule vollkommen abgethan
-seyn; und es wäre hierdurch das, was oben über das Pensum dieser Schule
-gesagt worden, zu ergänzen. Da auch hierauf im Anfange nicht zu rechnen
-ist, so wäre vorläufig ein auf diesen gegenwärtigen Zustand der niederen
-Schule berechneter Plan des mathematischen Studiums zu entwerfen. --
-
-Auf allen Fall ist mein Vorschlag, dass ein ^Comité^ aus unseren
-tüchtigsten Mathematikern ernannt, diesen unser Plan im Ganzen
-vorgelegt, und ihnen aufgegeben würde, die Beziehung ihrer Wissenschaft
-auf denselben zu ermessen, und demzufolge durch allgemeine Uebereinkunft
-^Einen^ aus ihrer Mitte zu ernennen, oder auch einen Fremden zur
-Vocation vorzuschlagen, dem die Encyklopädie, der Plan und die Direction
-dieses ganzen Studiums übertragen würde.
-
-
- §. 25.
-
-Die gesammte Geschichte theilt sich in die Geschichte der ^fliessenden^
-Erscheinung, und in die der ^dauernden^. Die erste ist die vorzüglich
-also genannte Geschichte oder Historie, mit ihren Hülfswissenschaften;
-die zweite die Naturgeschichte, -- welche ihren theoretischen Theil hat,
-die Naturlehre.
-
-In der ersten ist der zu berufende Ober- und encyklopädische Lehrer über
-unseren Grundplan zu verständigen; worüber er vorläufig mit uns einig
-seyn muss.
-
-Das ausgedehnte Fach der ^Naturwissenschaft^ betreffend, welche durchaus
-als ein organisches Ganze behandelt werden muss, kann ich nur ein
-^Comité^, so wie oben bei der Mathematik, in Vorschlag bringen, das aus
-seiner Mitte, oder auch einen Fremden rufend, den Encyklopädisten,
-Entwerfer des Lehrplans, und Director des ganzen Studiums erwähle, und
-falls es so nöthig befunden würde, nach seinem Plane den Vortrag
-desselben, auch hier mit der beständigen Rücksicht, dass nicht mündlich
-mitgetheilt werde, was so gut oder besser sich aus dem Buche lernen
-lässt, ^unter sich vertheile^. Das Haupterforderniss eines solchen
-Planes ist Vollständigkeit und organische Ganzheit der Encyklopädie.
-Zugleich hat sie für ihr Fach sich mit der niederen Schule über die
-Grenze zu berichtigen, und dieser die Potenz, die sie hervorbringen
-soll, als ihr künftiges Pensum aufzugeben, welches auch für die oben
-erwähnten, sowie für alle folgenden Fächer gilt, und hier einmal für
-immer erinnert wird. Bloss die Philosophie verbittet die directe
-Vorbereitung der niederen Schule, und ist nur ausschliessend eine Kunst
-der höheren.
-
-
- §. 26.
-
-Die drei sogenannten höheren Facultäten würden schon früher wohlgethan
-haben, wenn sie sich, in Absicht ihres wahren Wesens, in dem ganzen
-Zusammenhange des Wissens deutlich erkannt, und sich darum nicht,
-pochend auf ihre praktische Unentbehrlichkeit und ihre Gültigkeit beim
-Haufen, als ein abgesondertes und vornehmeres Wesen hingestellt, sondern
-lieber jenem Zusammenhange sich untergeordnet und mit schuldiger Demuth
-ihre Abhängigkeit erkannt hätten; indem sie nemlich verachteten, wurden
-sie verachtet, und die Studirenden anderer Fächer nahmen keine Notiz von
-dem, was jene ausschliessend für sich zu besitzen begehrten, wodurch
-sowohl ihrem Studium, als der Wissenschaft im Grossen und Ganzen sehr
-geschadet wurde. Wir werden auf Belege dieser Angabe stossen. Eine
-wissenschaftliche Kunstschule muthet ihnen sogleich bei ihrem Eintritte
-in ihren Umkreis diese Bescheidenheit zu.
-
-Der wissenschaftliche Stoff der ^Jurisprudenz^ ist ein Capitel aus der
-Geschichte; sogar nur ein Fragment dieses Capitels, wie sie bisher
-behandelt worden. Sie sollte seyn ^eine Geschichte der Ausbildung und
-Fortgestaltung des Rechtsbegriffes unter den Menschen^, welcher
-^Rechtsbegriff^ selber, unabhängig von dieser Geschichte, und als
-^Herrscher^, keinesweges als ^Diener^, schon vorher durch Philosophiren
-gefunden seyn müsste. In ihrer gewöhnlichen ersten, lediglich
-praktischen Absicht, -- nur ^Richter^, welches ein untergeordnetes
-Geschäft ist, zu bilden, wird sie Geschichte jener Ausbildung in dem
-Lande, in welchem wir leben, und wenn es hoch geht, unter den Römern,
-und so Fragment; aber ihr letzter praktischer Zweck ist der, den
-^Gesetzgeber^ zu bilden; und für diesen Behuf möchte ihr wohl das ganze
-Capitel rathsam seyn; denn obwohl, was überhaupt Gesetz seyn solle,
-schlechthin ^a priori^ erkannt wird, so dürfte doch die Kunst, die
-besondere Gestalt dieses Gesetzes für jede gegebene Zeit zu finden und
-es ihr anzuschmiegen, der Erfahrung der gesammten bekannten Zeit in
-demselben Geschäfte bedürfen. Richteramt sowohl als Gesetzgebung sind
-praktische Anwendung ^der Geschichte^; und so hat die Jurisprudenz zu
-ihrer ersten Encyklopädie die Encyklopädie der Geschichte, indem dieses
-der Boden ist, auf welchem sie und der wissenschaftliche
-Verstandesgebrauch in ihr ruhet, und die Ausübung derselben in ihrer
-höchsten Potenz eigentlich die Kunst ist, eine Geschichte, und zwar eine
-erfreulichere, als die bisherige, hervorzubringen. Die Anführung aber
-zur praktischen Anwendung im Leben fällt ganz ausser den Umkreis der
-Schule, und wären hierin die Schüler an die ausübenden Collegia zu
-verweisen, unter deren Augen, aber auf die ^Verantwortung^ der Beamten,
-denen sie anvertraut worden, sie für die künftige Geschäftsführung sich
-vorbereiteten. Ich schlage daher für dieses Fach ein ^Comité^ vor, in
-welchem aber der oben beschriebene Encyklopädist der Geschichte Sitz,
-und für seinen Antheil entscheidende Stimme hätte. Dieses hätte einen
-besonderen Encyklopädisten für die ^Theile^ und die Literatur des
-beschriebenen Capitels anzustellen, den Studienplan vorzuzeichnen, und
-die Anstalten für praktische Bildung unabhängig von der
-wissenschaftlichen Kunstschule zu organisiren. Ich hoffe, dass bei
-entschiedener Durchführung des Satzes, nicht mündlich zu lehren, was im
-Buche steht, der Lectionskatalog dieser Facultät kürzer werden wird, als
-er bisher war; wiewohl durch unsere Grundsätze des zu Erlernenden mehr
-geworden ist.
-
-Die ^Heilkunde^ ruht auf dem zweiten Theile des positiv zu Erlernenden,
-der ^Naturwissenschaft^; jedoch erlaubt ihr gegenwärtiger Zustand den
-Zweifel, in welchem auch der Schreiber dieses sich zu befinden gern
-bekennt, ob aus jener unstreitig wissenschaftlichen Basis in der
-wirklichen Heilkunde auch nur ein einziger ^positiver Schluss^ zu
-machen, und somit, ob diese Basis ^Leiterin^ sey in der Ausübung, wie in
-der Jurisprudenz dies offenbar der Fall ist, oder ob nur gewissen
-allgemeinen Resultaten jener Basis bloss nicht ^widersprochen werden
-dürfe^ durch die Ausübung; jene daher (die Wissenschaft) für diese (die
-Ausübung) nur ^negatives Regulativ^ und ^Correctiv^ wäre? Sollte, wie
-wir befürchten, das Letzte der Fall seyn, und wie wir gleichfalls
-befürchten, immerfort bleiben müssen, so gäbe es von der Wissenschaft in
-irgend einem ihrer Zweige zu der ausübenden Heilkunde gar keinen
-stätigen positiven Uebergang, sondern die letztere hätte ihren
-eigenthümlichen Boden in einer ^besonderen^, niemals auf ^positive
-Principien zurückzuführenden Beobachtung^; sie wäre somit von der
-wissenschaftlichen Schule, welche alle Zweige der Naturwissenschaft bis
-zu Anatomie, Botanik u. dergl. ohne alle Rücksicht auf Heilkunde, und
-als jedem wissenschaftlich gebildeten Menschen überhaupt durchaus
-anzumuthende Kenntnisse, sorgfältig triebe, abzusondern, und in einem
-für sich bestehenden Institute, rein und ohne wissenschaftliche
-Beimischung, die als in der Schule erlernt vorausgesetzt wird, von der
-^materia medica^ z. B. an, die ja nichts ist, als die Anwendung der
-ärztlichen Empirie auf die Botanik und dergl., zu treiben. Welche
-unermesslichen Vortheile eine solche Verselbstständigung der
-Naturwissenschaft, die bisher häufig nur als Magd der Heilkunde
-betrachtet und bearbeitet wurde, und an ihrem Theile auch der Heilkunde,
-dadurch aber dem ganzen wissenschaftlichen Gemeinwesen bringen würde,
-leuchtet wohl von selbst ein. Es wäre daher aus Sachkundigen ein Comité
-zu Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage und zu Organisirung
-derjenigen Anstalten, welche das Resultat dieser Beantwortung
-erforderte, zu ernennen. Dass ein solches selbstständiges Institut der
-Heilkunde den ihm anheimgefallenen Stoff nach einem festen, auf seine
-Encyklopädie begründeten Plane, nach der Maxime, nicht zu lehren, was im
-Buche schon steht, behandelte, wäre auch ihm zu wünschen, und es würde
-sich von selbst verstehen.
-
-Nun aber, welches ja nicht aus der Acht zu lassen, haben auch die
-wichtigsten Resultate der fortgesetzten ärztlichen Beobachtung, deren
-wirkliche Vollziehung ihr allein überlassen wird, als ein Theil der
-gesammten Naturbeobachtung, Einfluss auf den Fortgang der ganzen
-Naturwissenschaft, und so muss auch die wissenschaftliche Schule sie
-keinesweges verschmähen, sondern sich in den Stand setzen, fortdauernd
-von ihr Notiz zu haben und bei ihr zu lernen. Jedoch wird die Ausbeute
-davon niemals sofort und auf der Stelle eingreifen in das Ganze, und so
-in den encyklopädischen Unterricht gehören; es wird drum eine andere, an
-ihrem Orte anzugebende Maassregel getroffen werden müssen, dieselbe
-aufzunehmen, und sie bis zur Eintragung in die Encyklopädie
-aufzubewahren.
-
-Dass die ^Theologie^, falls sie nicht den ehemals laut gemachten und
-auch neuerlich nie förmlich zurückgenommenen Anspruch auf ein Geheimniss
-feierlich aufgeben wollte, in eine Schule der Wissenschaft nicht
-aufgenommen werden könne, ist schon oben gezeigt. Giebt sie ihn auf, so
-bequemt sie sich dadurch zugleich zu der bisher auch nicht so recht
-zugegebenen Trennung ihres praktischen Theiles von ihrem
-wissenschaftlichen.
-
-Um zuvörderst den ersten abzuhandeln: der Volkslehrer, den sie bisher zu
-bilden sich vorsetzte, ist in seinem Wesen der Vermittler zwischen dem
-höheren, dem wissenschaftlich ausgebildeten Stande (denn einen anderen
-höheren Stand giebt es nicht, und was nicht wissenschaftlich ausgebildet
-ist, ist Volk), und dem niederen, oder dem Volke. Zunächst zwar, und
-dies mit vollem Rechte, knüpft er sein Bildungsgeschäft an die Wurzel
-und das Allgemeinste aller höheren menschlichen Bildung, an die Religion
-an; aber nicht bloss diese, sondern alles, was von der höheren Bildung
-an das Volk zu bringen und seinem Zustande anzupassen ist, soll er
-immerfort demselben zuführen.
-
-Nichts verhindert, dass er nicht noch neben diesem Berufe ein die
-Wissenschaft selbst in ihrer Wurzel selbstthätig bearbeitender und sie
-weiter bringender Gelehrter sey, wenn er ^will^ und ^kann^; aber es ist
-ihm für diesen Beruf nicht nothwendig, und drum ihm nicht anzumuthen. Es
-ist für ihn hinlänglich, dass er überhaupt die Kunst besitze,
-wissenschaftliche Gegenstände zu ^verstehen^ und sich über sie
-^verständlich zu machen^, die er ja schon in der niederen Schule, welche
-er auf alle Fälle durchzumachen hat, gelernt haben wird; ferner von dem
-gesammten wissenschaftlichen Umfange die allgemeinsten Resultate, und
-das Vermögen, erforderlichen Falles durch Nachlesen sich weiter zu
-belehren, worin ihm die an der wissenschaftlichen Schule eingeführten
-Encyklopädien den Unterricht und die nöthigen Literaturkenntnisse geben.
-Die nöthige Anführung zum Philosophiren hat er beim Philosophen zu
-holen. Für sein nächstes Geschäft der religiösen Volksbildung hat er zu
-allererst sein Religionssystem in der Schule des Philosophen zu bilden.
-Für das Anknüpfen seines Unterrichtes an die biblischen Bücher wird es
-vollkommen hinreichen, dass ein Buch geschrieben und ihm in die Hände
-gegeben werde, in welchem aus diesen Büchern der Inhalt ächter Religion
-und Moral entwickelt werde, wobei nun weder die Verfasser dieses Buches,
-noch der dadurch zur Bibel^anwendung^ anzuleitende künftige Volkslehrer
-sehr bekümmert zu seyn brauchen über die Frage, ob die biblischen
-Schriftsteller es wirklich also gemeint haben, wie sie dieselben
-erklären; das Volk aber vor dieser, durchaus nicht in seinen
-Gesichtskreis gehörigen Frage sorgfältig zu bewahren ist. Der
-Volkslehrer hat darum durchaus nicht nöthig, die biblischen
-Schriftsteller nach ^ihrem wahren, von ihnen beabsichtigten Sinne^ zu
-verstehen; wie denn ohne Zweifel auch bisher, ohngeachtet es
-beabsichtiget und häufig vorgegeben worden, weder bei ihm, noch auch oft
-bei seinem Professor in der Exegese, dies der Fall gewesen; und wir
-somit nicht einmal eine Neuerung, sondern nur das Geständniss der wahren
-Beschaffenheit der Sache, und das besonnene Aufgeben eines unnöthigen
-und vergeblichen Strebens begehren. Ueber ^Pastoralklugheit^, d. i. über
-seine eigentliche Bestimmung als Volkslehrer im Ganzen eines
-Menschengeschlechts, und die Kunstmittel, dieselbe zu erfüllen, wird er
-ohne Zweifel auch beim Philosophen einige Auskunft finden können. Sein
-eigenthümlich ihm anzumuthender Charakter, die ^Kunst^ der
-^Popularität^, und die Uebungen derselben durch katechetische,
-homiletische, auch ^Umgangsinstitute^ mit Gliedern aus dem Volke, sind
-der wissenschaftlichen Schule, welche den scientifischen Vortrag
-beabsichtigt, entgegengesetzt, drum von ihm abzusondern, und am
-schicklichsten den ausübenden Volkslehrern, wie bei den Juristen, zu
-übertragen. Das eigentliche Genie für den künftigen Volkslehrer ist ein
-frommes, Menschen und besonders das Volk liebendes Herz; hierauf wäre
-bei der Zulassung zu diesem Berufe hauptsächlich zu sehen, und besonders
-bei Besetzung der Consistorien, als etwa der künftigen Schulen solcher
-Lehrer, würde weit mehr auf diese Eigenschaften, als auf andere
-glänzende Talente oder auf ausgebreitete Kenntnisse Rücksicht genommen
-werden müssen.
-
-Der wissenschaftliche Nachlass dieser, als einer priesterlichen
-Vermittlerin zwischen Gott und den Menschen mit Tode abgegangenen
-Theologie an die wissenschaftliche Schule würde durch eine solche
-Veränderung seine ganze bisherige Natur ausziehen und eine neue anlegen.
-Es hat derselbe zwei Theile: ein von der Philologie abgerissenes Stück,
-und ein Capitel aus der Geschichte. Die morgenländischen Sprachen, zu
-denen der den Theologen bis jetzt fast ausschliessend überlassene
-hebräische Dialekt einen leichten und schicklichen Eingang darbietet,
-machen einen sehr wesentlichen Theil der Sprachentwickelung des
-menschlichen Geschlechts aus, und sind bei einer einst zu hoffenden
-organischen Uebersicht derselben ja nicht auszulassen; die
-hellenistische Form nun vollends der griechischen biblischen
-Schriftsteller gehört zur Kenntniss der griechischen Sprache im Ganzen,
-welche Sprache ja auf unseren Schulen getrieben wird. Beide erhalten
-gegen den aufgegebenen höchst zweideutigen Anspruch, heilige Sprachen zu
-seyn, den weit bedeutenderen, dass sie menschliche Sprachen sind,
-zurück, und fallen der niederen Schule, die sich ja der Trägheit schämen
-wird, die beschränkte hebräische Sprache nicht allgemein bearbeiten zu
-können, da sie die sehr reiche griechische Sprache mit Glück bearbeitet,
-wiederum anheim. Ferner sind die biblischen Schriftsteller ja höchst
-bedeutende Formen der Entwickelung des menschlichen Geistes, deren
-wahrer Werth bloss darum nicht beachtet worden, weil ein erdichteter
-falscher alle Aufmerksamkeit der einen Partei anzog, und den Hass und
-die unbedingte Nichtbeachtung der anderen Partei erregte. Von nun an,
-^sine ira et studio^ in dieser Sache urtheilend, werden wir es ebenso
-belehrend und ergötzend finden, den Jesaias zu lesen, als den Aeschylos,
-und den Johannes als den Plato, und es wird uns mit dem richtigen
-Wortverständnisse derselben, ^welches das gelehrte Studium allerdings
-anstreben wird^, weit besser gelingen, wenn auch die ersten ebensowohl
-als die zweiten zuweilen auch ^unrecht^ haben dürften, als vorher, da
-sie immer, und für die besondere Ansicht jedes neuen Exegeten, recht
-haben sollten, welches ohne mancherlei Zwang und ohne nie endenden
-Streit nicht zu bewerkstelligen war. Diese Exegese wird redlich seyn,
-auch redlich gestehen, was sie nicht versteht, dagegen die vom
-theologischen Principe ausgehende höchst unredlich war; (das oben
-Vorgeschlagene aber gleichfalls keine unredliche Exegese ist, da es
-überhaupt nicht Exegese ist, noch sich dafür giebt, indem eine solche
-eine gelehrte Aufgabe ist, die durchaus vor das Volk nicht gehört).
-
-Das Capitel aus der Historie, wovon die bisherige Theologie einen
-Haupttheil sich fast ausschliessend zugeeignet, ist die ^Geschichte der
-Entwickelung der religiösen Begriffe unter den Menschen^. Es geht aus
-dem gebrauchten Ausdrucke hervor, dass die Aufgabe umfassender ist, als
-die Theologie sie genommen, indem auch über die Religionsbegriffe der
-sogenannten Heiden Auskunft gegeben werden müsste, und dass die
-wissenschaftliche Schule sie in dieser Ausdehnung nehmen wird. Mit
-diesen zu ihr gehörigen und sie erklärenden Bestandtheilen versehen,
-ferner ohne alles Interesse für irgend ein Resultat, und mit redlicher
-Wahrheitsliebe bearbeitet, wird auch die eigentliche Kirchengeschichte
-eine ganz andere Gestalt gewinnen, und man wird der Lösung mehrerer
-Probleme (z. B. über die wahren Verfasser mancher biblischen Schriften,
-über die ächten oder unächten Theile derselben, die Geschichte des
-Kanon, u. s. w.), die dem Unbefangenen noch immer nicht gründlich gelöst
-zu seyn scheinen könnten, näher kommen, oder auch genau finden und
-bekennen, was in dieser Region sich ausmitteln lasse, und was nicht. Es
-wäre, wie sich versteht, dieser Theil der Geschichte dem Encyklopädisten
-der gesammten Geschichte, zur Verflechtung in seinen Studienplan,
-anheimzugeben. --
-
-Zur Entscheidung über die oben vorgelegte Hauptfrage, und falls die
-Antwort darauf befriedigend ausfiele, zur Entwerfung eines festen Planes
-und Errichtung eines besonderen Institutes zur Bildung künftiger
-Volkslehrer wäre ein aus sachverständigen und guten Theologen und
-Predigern bestehendes Comité niederzusetzen.
-
-
- §. 27.
-
-Diesen zu beauftragenden einzelnen Männern und Comités wäre, ausser den
-schon angeführten Geschäften, auch noch folgendes aufzugeben, dass sie
-vollständig untersuchten, was an gelehrtem Apparate für jedes Fach
-(Bücher, Kunst- und Naturaliensammlungen, physikalische Instrumente, und
-dergl.) vorhanden sey, welche Notwendigkeiten dagegen uns abgingen und
-angeschafft werden müssten; für vollständige Kataloge und Repertorien
-dieser Schätze sorgten; und in ihre Studienpläne den zweckmässigen,
-folgegemässen Gebrauch derselben aufnähmen. Falls die beauftragten
-einzelnen Männer neben ihrem ersten Geschäfte zu diesem nicht Zeit
-fänden, so wären sie zu ersuchen, einen anderen tüchtigen Mann für
-dasselbe zu ernennen.
-
-In diesem Geschäfte hätten sie von einer Seite sich sorgfältig zu hüten,
-dass sie, etwa um nichts umkommen zu lassen, oder aus Streben nach
-äusserem Glanze und Rivalität mit anderen gelehrten Anstalten, durch
-Beibehaltung überflüssiger Dinge der Reinheit und Einfachheit unserer
-Anstalt Abbruch thäten; sowie von der anderen Seite nichts zu sparen am
-wirklich Nöthigen. Was den äusseren Glanz betrifft, so wird uns dieser,
-falls wir nur das innere Wesen redlich ausbilden, von selbst zufallen;
-die bedachte Beachtung desselben aber, und die Nachahmung anderer, von
-denen wir nicht Beispiele annehmen, sondern sie ihnen geben wollen,
-würde uns wiederum in die Verworrenheit hineinwerfen, welche ja von uns
-abzuhalten unser erstes Bestreben seyn muss.
-
-
- §. 28.
-
-Durch die allseitige Lösung der aufgestellten Aufgaben wäre nun fürs
-erste zu Stande gebracht das ^lehrende Subject^ der wissenschaftlichen
-Kunstschule. Wir könnten mit den encyklopädischen Vorlesungen eine, fürs
-erste in ihren übrigen Bestimmungen ^ganz gewöhnliche Universität^
-eröffnen. Es wären jedoch diese gesammten Vorlesungen, in denen, immer
-nach dem Ermessen des Lehrers, der fortfliessende Vortrag mit Examinibus
-und Conversatorien, deren Besuchung jedem Studirenden ^freistände^,
-keiner aber dazu ^verbunden^ wäre, abwechselte, über das erste
-Unterrichtsjahr also zu vertheilen, dass die Studenten, und wenn sie es
-wollten, auch die Lehrer, diese Vorlesungen alle hören könnten, dennoch
-aber den ersteren zum aufgegebenen Bücherlesen und zur Ausarbeitung der
-Aufsätze, -- von welchem demnächst, -- den letzteren zu Beurtheilung
-dieser Aufsätze Zeit übrig bliebe. Es möchte in dieser Zeitberechnung
-bei beiden Theilen in Gottes Namen auf noch mehr als den üblichen Fleiss
-und Berufstreue gerechnet werden; indem diese Eigenschaften ohnedies an
-unserer Schule an die Tagesordnung kommen sollen, und drum nicht zu früh
-eingeführt werden können.
-
-
- §. 29.
-
-^Während^ dieser encyklopädischen Vorlesungen des ersten Lehrjahres
-stellen der philosophische Lehrer sowohl, als die übrigen
-encyklopädischen eine ^Aufgabe^ an ihr Auditorium, in dem oben sattsam
-charakterisirten Geiste; so dass das aus dem mündlichen Vortrage oder
-dem Buche Erlernte nicht bloss wiedergegeben, sondern dass es zur
-Prämisse gemacht werde, damit sich zeige, ob der Jüngling es zu seinem
-freien Eigenthume erhalten habe, und als anhebender Künstler etwas
-Anderes daraus zu gestalten vermöge. Diese Aufgabe bearbeitet jeder
-Studirende, der da will, in einem Aufsatze, den er zu einem bestimmten
-Termine vor Beendigung des Lehrjahres, mit einem versiegelten Zettel,
-der den Namen des Verfassers enthalte, bei dem aufgebenden Lehrer
-einsendet. Der Lehrer prüft diese Aufsätze und hebt die vorzüglichsten
-heraus.
-
-In dieser Beurtheilung der Aufsätze ist bei rein philosophischem Inhalte
-der Lehrer der Philosophie unbeschränkt: zur Krönung anderer aber, die
-einen positiv wissenschaftlichen Stoff haben, müssen der encyklopädische
-Lehrer des Faches und der Philosoph (später, wenn wir eine solche haben
-werden, die philosophische Klasse) sich vereinigen, der ^erstere^
-entscheidend über die Richtigkeit und die auf dieser Stufe des
-Unterrichts anzumuthende Tiefe und Vollständigkeit der historischen
-Erkenntniss, der zweite über den philosophischen und Künstlergeist, mit
-welchem jener Stoff verarbeitet worden. Ein von ^Einem^ dieser beiden
-verworfener Aufsatz bleibt verworfen, obschon der andere Theil ihn
-billigte. Die Nothwendigkeit dieser Mitwirkung der philosophischen
-Klasse liegt im Wesen einer Kunstschule: die Mitwirkung des historischen
-Wissens aber soll uns dagegen verwahren, dass nicht in empirischen
-Fächern ^a priori^ phantasirt werde, statt gründlicher Gelehrsamkeit.
-
-Am ^Schlusse^ des ersten Lehrjahres wird das Resultat der also
-vollzogenen Beurtheilung der eingegebenen Aufsätze, und die Namen derer,
-deren Ausarbeitungen gebilligt sind, bekannt gemacht; und es treten von
-ihnen diejenigen, ^welche wollen^, zusammen, als der erste Anfang eines
-^lernenden Subjects^, in höherem und vorzüglicherem Sinne, an unserer
-wissenschaftlichen Kunstschule. Welche wollen, sagte ich; denn obwohl
-die Ausfertigung eines Aufsatzes, und die Unterwerfung desselben unter
-die Beurtheilung des lehrenden Corps, diesen Willen vorauszusetzen
-scheint: so können mit dem ersten doch auch mancherlei andere Zwecke
-beabsichtigt werden, von denen zu seiner Zeit; alle Studirenden an
-unserer Universität können auch für diese Zwecke berechtiget werden; und
-es muss darum jedem, der sogar beitreten ^dürfte^, überlassen werden, ob
-er ^will^. Inzwischen wird die Fortsetzung unseres Entwurfes ohne
-Zweifel die sichere Vermuthung begründen, dass jeder wollen werde, der
-da dürfe.
-
-
- §. 30.
-
-Sie treten zusammen zu einer einzigen grossen Haushaltung, zu
-gemeinschaftlicher Wohnung und Kost, unter einer angemessenen liberalen
-Aufsicht. Ihre Bedürfnisse ohne alle Ausnahme, nicht ausgeschlossen
-Bücher, Kleider, Schreibmaterialien u. s. f. werden ihnen von der
-Oekonomieverwaltung in Natur gereicht, und sie haben, die Verwaltung
-eines mässigen Taschengeldes abgerechnet, wofür ein Maximum festgesetzt
-werden könnte, während ihrer Studienjahre mit keinem anderen
-ökonomischen Geschäfte zu thun. (Der Grund dieser Einrichtung ist schon
-oben angegeben worden; und auf die Einwendung, dass junge Leute auf der
-Universität zugleich das Haushalten mitlernen müssten, ist zu erwiedern,
-dass, falls dieselben bei uns das Ehrgefühl, die Gewissenhaftigkeit und
-die intellectuelle Bildung erhalten, die wir anstreben, es sich mit dem
-künftigen Haushalten von selbst finden werde; erhalten sie aber bei dem
-Grade der Sorgfalt, den wir anwenden werden, dieselbe nicht, so ist gar
-kein Schaden dabei, dass sie auch äusserlich verderben, und mag dies
-immer je eher je lieber geschehen.) Inwiefern aber diese Verpflegung
-^ihnen frei auf Kosten des Staates^, oder auf ihre eigenen Kosten
-gereicht werden solle, davon behalten wir uns vor, tiefer unten zu
-sprechen; und wollen wir mit dem Gesagten keinesweges unbedingt das
-Erste gesagt haben.
-
-Mit diesem also zu Stande gebrachten Stamme tritt nun das lehrende Corps
-in das oben beschriebene innige Wechselleben. Sie werden fortdauernd
-erforscht und in ihrem Geistesgange beobachtet, sie haben den ersten
-Zutritt zu den Examinibus, Conversatorien, dem Umgange und der Berathung
-der Lehrer, und stehen in der Benutzung der vorhandenen literarischen
-Hülfsmittel jedem Anderen vor; auf ihre nächsten unmittelbaren und
-wohlbekannten Bedürfnisse rechnet immerfort der gesammte mündliche
-Vortrag der Kunstschule. Im Falle der würdigen Benutzung dieser Schule,
-die durch eine tiefer unten zu beschreibende Prüfung documentirt wird,
-stehen sie bei Besetzung der höchsten Aemter des Staates allen Anderen
-vor (und tragen den von Gottes Gnaden durch ein vorzügliches Talent
-ihnen geschenkten, und durch würdige Ausbildung jenes ersteren
-verdienten Adel).
-
-Immerhin mögen neben ihnen andere Studirende an den vorhandenen
-Bildungsmitteln der Anstalt, welche recht eigentlich doch nur für jene
-sind, nach allem ihren Vermögen theilnehmen, und in freier Bildung jenen
-den Rang abzulaufen suchen, welches, falls es ihnen gelänge, auch nicht
-unanerkannt bleiben soll. Diese wachsen gewissermaassen wild, wie im
-Walde; jene sind eine sorgfältig gepflegte Baumschule, welche in alle
-Wege doch auch seyn soll, und aus welcher sogar dem Walde manches edlere
-Saamenkorn zufliegen wird. Jene sind ^regulares^, und es wird wohl auch
-eine anständige deutsche Benennung für sie sich finden lassen; diese
-sind ^irregulares^, blosse ^Socii^ und ^Zugewandte^; und dies wären die
-beiden Hauptklassen, in die unser studirendes Publicum zerfiele.
-
-
- §. 31.
-
-Es würde auch fernerhin nach jedem abgelaufenen Lehrjahre denen, die bis
-jetzt noch unter den Zugewandten sich befänden, freistehen, durch
-gelungene Ausarbeitungen (indem gegen das Ende jedes Lehrjahres Aufgaben
-für dergleichen gegeben werden) ihre Aufnahme unter die Regularen
-nachzusuchen. Ausserdem würden diejenigen der jungen Inländer, welche
-vorzügliches Talent und Progressen von der niederen Schule zu
-documentiren vermöchten (über deren Grad und die Art der Beweisführung
-später etwas Festes bestimmt werden kann), gleich bei ihrem Eintritte
-auf die Universität ein Recht haben auf einen Platz unter den Regularen.
-
-
- §. 32.
-
-Es wäre zu veranlassen, dass gleich bei der Eröffnung der Universität,
-da es noch keine Regulare giebt, diejenigen, welche die Aufnahme unter
-sie durch Ausarbeitungen zu suchen gedächten, ebenso wie späterhin die
-Regularen es sollen, zu einem gemeinschaftlichen Haushalt
-zusammenträten. Diese, obwohl unter besonderer Aufsicht des
-Lehrinstituts stehend, wäre dennoch keine eigentliche öffentliche,
-sondern eine Privatanstalt, und die Mitglieder lebten nicht, wie es mit
-den Regularen unter gewissen Bedingungen wohl der Fall seyn kann, auf
-Kosten des Staates, sondern auf die eigenen, die jedoch, ganz wie bei
-den Regularen, gemeinschaftlich verwaltet würden. Es könnte auch
-denjenigen unter diesen Vereinigten, welche beim Anfange des zweiten
-Lehrjahres nicht unter die Regularen aufgenommen, und so aus dieser
-ersten Verbindung in eine neue hinübergenommen würden, nicht verwehrt
-werden, in dieser ihrer ersten Verbindung fortzuleben, indem sie zufolge
-des vorhergehenden §. beim Anfange des künftigen Lehrjahres glücklicher
-seyn können, und so ^Candidaten^ der ^Regel^ zu bleiben. Es könnten zu
-ihnen hinzutreten, um denselben Anspruch zu bezeichnen, andere, die
-bisher unter den Zugewandten sich befanden, desgleichen die von der
-niederen Schule Kommenden, die nicht schon von daher das Recht,
-unmittelbar unter die Regularen zu treten, mitbringen. Diese machen nun
-eine dritte Klasse der bei uns Studirenden, ein Verbindungsglied
-zwischen den Regularen und den Zugewandten: ^Novizen^. Sie sind schon
-durch die Natur der Sache, indem die Lehrer wissen, dass vorzüglich aus
-ihrer Mitte beim Anfange des neuen Lehrjahres sie das Collegium der
-Regularen zu ergänzen haben werden, der besonderen Beachtung derselben
-empfohlen.
-
-
- §. 33.
-
-Damit nun nicht etwa die Zugewandten, -- denn von den Novizen, die ihren
-Anspruch auf die Regel durch ihr Zusammenleben bekennen, ist dies nicht
-zu befürchten -- um der grösseren Licenz willen, jemals versucht werden,
-sich für vornehmer zu halten, denn die Regularen, soll der Vorzug der
-letzteren sogar äusserlich anschaubar gemacht werden durch eine
-^Uniform^, die kein Anderer zu tragen berechtigt sey, denn sie und ihre
-ordentlichen Lehrer. Damit dieser Rock gleich anfangs die rechte
-Bedeutung erhalte, sollen sogleich von Eröffnung der Universität an die
-ordentlichen Lehrer diese Uniform gewöhnlich tragen, also dass im ersten
-Lehrjahre nur sie, und diejenigen, die in demselben Verhältnisse mit
-ihnen zur Universität stehen, damit bekleidet seyen; später, nach
-Ernennung des ersten Collegiums von Regularen, sie auf diese fortgehe,
-und so ferner bei allen folgenden Ergänzungen des letzteren. --
-
-
- §. 34.
-
-Diese Einrichtung soll zugleich die äussere sittliche Bildung unserer
-Zöglinge unterstützen, und die Achtung derselben bei dem übrigen
-Publicum befördern und sicherstellen. Gründliches und geistreiches
-Treiben der Wissenschaft veredelt ohnedies ganz von sich selbst;
-überdies wird für die Entwickelung der Ehrliebe und des Gefühls für das
-Erhabene, als das eigentliche Vehiculum der sittlichen Bildung des
-Jünglings, durch Beispiel und Lehre gesorgt werden; die Ordnung aber
-kommt durch die getroffene Einrichtung von selber in seinen Lebenslauf:
-und so ist für die innere Bildung gesorgt.
-
-Die äussere wird, bei entwickelter Ehrliebe, der Gedanke unterstützen,
-dass sein Rock ihn bezeichne, und dass dieses Kleid nicht im Müssiggange
-auf den Strassen sich herumtreiben, oder wohl gar an gemeinen Orten und
-bei Zusammenläufen sichtbar werden, sondern dass es, als Mitglied der
-Gesellschaft, nur in Ehrenhäusern erscheinen dürfe. Was aber Ehrenhäuser
-sind, wird man ihm sagen, und auf alle Weise die Erlaubniss, in solchen
-Häusern ihn zu empfehlen, zu verdienen suchen. (Z. B. mag immerhin beim
-jetzigen Zustande der Dinge unter gewissen Umständen ein ehrliebender
-Jüngling, der in ein Duell verflochten worden, Entschuldigung verdienen,
-so soll doch unser Zögling durchaus keine finden ^darüber^, dass er sich
-erst unter Pöbel, von welcher Geburt derselbe auch übrigens seyn möge,
-begeben, wo dergleichen möglich war. Dahin werde der ^point d'honneur^
-des ganzen Corps gerichtet. Feige übrigens sollen sie nicht werden.)
-
-Nach aussen hin ist gegen die Hauptquelle der Verachtung im Leben,
-Unordnung im Haushalt und Schuldenmachen, unser Zögling gesichert. Dass
-bei Excessen, deren Urheber unbekannt bleiben sollten, nicht auch
-unschuldig, wie dies in den Universitätsstädten wohl zu geschehen
-pflegt, dies Corps als der stets vorauszusetzende allgemeine Sünder
-aufgestellt werde, dagegen werden die Lehrer sich durch die Vorstellung
-schützen: Habt ihr unsern Ehrenrock bei dem Excesse gesehen? Habt ihr
-dies nun nicht, so verleumdet nicht unsere Zöglinge, denn diese gehen
-nie aus, ausser in diesem Rocke: und sie (diese Lehrer) werden überhaupt
-alles Ernstes auf die Ehre ihrer Zöglinge und auf alle die Einrichtungen
-halten, die ihnen möglich machen, dies mit ihrer eigenen Ehre zu thun.
-
-
- §. 35.
-
-Die ^Zugewandten^ stehen, da sie weder eigentliche Mitglieder unserer
-Anstalt, noch eigentliche angesessene Bürger sind, unter der allgemeinen
-Polizei, und es muss diese, ohne alle Mitwirkung von Seiten der Anstalt,
-und ganz auf ihre eigene Verantwortung, die Einrichtungen, wodurch den
-übrigen Bürgern die gehörige Garantie in Hinsicht dieser Fremden
-geleistet werde, treffen. Nicht anders würde es sich mit den Novizen
-verhalten; welche jedoch, da sie eine Einheit bilden, und ein sichtbares
-Band dieser Einheit an ihrer ökonomischen Verwaltung haben, eine
-tüchtigere Garantie zu geben, auch durch diesen ihren Repräsentanten in
-Unterhandlung mit der Polizei zu treten vermögen, und so, in Absicht der
-Individuen, einer liberaleren Gesetzgebung unterworfen werden können,
-als die ersteren. Nun aber steht die Lehranstalt mit diesen beiden
-Klassen noch in einem engeren Verhältnisse, denn die übrigen Bürger, und
-es ist der allgemeinen Polizei völlig fremd, dasjenige, was aus diesem
-engeren Verhältnisse hervorgeht, zu ordnen. Demnach fielen die dahin
-gehörigen Anordnungen dem Institute, als dem einen und vorzüglichsten
-Theilnehmer des abzuschliessenden Contractes anheim. -- Diese Klassen
-haben zu allen von der Schule getroffenen Lehranstalten den Zutritt; da
-aber ferner die Schule weder um ihre wissenschaftlichen Fortschritte,
-noch um ihre Aufführung sich im mindesten bekümmert, so beschränkt sich
-ihr Recht an diese lediglich auf den Punct, ^sich gegen die
-Verletzungen, welche aus der Ertheilung dieses Zutrittes entstehen
-könnten^ (denn gegen andere Verletzungen schützt auch sie die allgemeine
-Polizei), ^zu schützen^.
-
-Dergleichen Verletzungen würden seyn: Störung der Ruhe und Ordnung in
-den Lehrübungen, zu denen sie den Zutritt erhalten; Verletzung der
-Achtung, die das Verhältniss des Lernenden zum Lehrer, oder der
-Zugewandten zu denen, um deren willen die Anstalt eigentlich da ist,
-erfordert; endlich könnten, bei dem bekannten Eigendünkel und der
-verkehrten Reizbarkeit der gewöhnlichen Studirenden, aus dem, Dingen der
-ersten und zweiten Art entgegengesetzten Widerstande der Lehrer andere
-gröblichere Beleidigungen und Angriffe erfolgen, welche, als erfolgt
-lediglich aus dem verstatteten Zutritte, nicht nach allgemeinen
-polizeilichen Grundsätzen, sondern nach strengeren beurtheilt werden
-müssten.
-
-Es müsste demzufolge zwischen der Lehranstalt und jedem Individuum der
-Contract, durch den das letztere das Recht des Zutrittes erhält und sich
-auf die Bedingungen, unter denen es dasselbe erhält, verpflichtet, durch
-einen ausdrücklichen Act abgemacht werden. Dieser Act ist die
-^Inscription^; die Bedingungen aber sind die ^Gesetzgebung^ für den
-Zugewandten, welche, da das übrige Verhältniss desselben zu anderen
-Bürgern eine Sache der Polizei ist, durchaus nur sein Verhältniss zur
-Lehranstalt, ^als solcher^, zu bestimmen hat. Die Novizen können, aus
-dem schon der Polizei gegenüber angegebenen Grunde, auch in dieser
-Beziehung unter eine mildere Gesetzgebung gesetzt werden.
-
-Der Act der Inscription und Verpflichtung auf die Gesetze ist ein
-juridischer, und wird drum am schicklichsten, sowie die unten zu
-bezeichnenden Justizgeschäfte einem besonders zu ernennenden
-^Justitiarius^ der Lehranstalt anheimfallen.
-
-Da die Anstalt in gar kein anderes Verhältniss mit den Zugewandten
-eingeht, als auf die Erlaubniss des Zutrittes, so bleibt ihr auch kein
-anderes Zwangsmittel übrig, als die Zurücknahme dieser Erlaubniss.
-Dieses kann geschehen im ^Besonderen^ oder im ^Allgemeinen^. In Absicht
-des ersteren muss es jedem einzelnen Lehrer, auf seine eigene
-Verantwortung vor seinem Gewissen, freistehen, einen Zugewandten, dessen
-Unruhe und Zerstreutheit ihn oder sein Auditorium stört, oder der ihn
-oder seine mit ihm enger verbundenen Schüler beleidigt hat, den Zutritt
-zu seinen Lehrübungen für eine gewisse Zeit, oder auch auf immer, zu
-untersagen; und das ganze lehrende Corps muss ihn hiebei, durch die
-Verwarnung vor grösserem Uebel, auf seine blosse Anzeige unterstützen.
-Das zweite erklärt sich selbst; und sind die Fälle, -- unter die der,
-dass jemand der Verweisung eines einzelnen Lehrers aus seinem Auditorium
-nicht Folge geleistet hätte, mit gehört, -- durch das Gesetz
-festzustellen. Sollte, bei Verborgenheit der Urheber beleidigender
-Attentate, etwas erst ausgemittelt werden müssen, so fällt diese
-Untersuchung dem Justitiarius der Universität anheim, vor dessen Gericht
-sich der Inscribirte, bei Strafe der Relegation ^in contumaciam^, zu
-stellen hat. Bisherige Universitäten, z. B. die Nutritoren der
-Jenaischen Universität und derselben Senat, haben angenommen, dass es in
-solchen Fällen für die Verurtheilung keinesweges des strengen
-juridischen Beweises bedürfe, sondern dass ein dringender Verdacht dazu
-hinreiche; indem ja nicht irgend eine Strafe zugefügt, sondern nur eine
-frei ertheilte Erlaubniss wiederum zurückgenommen werde, weil deren
-Fortdauer gefährlich scheine; und der Verfasser dieses ist der Meinung,
-dass diese recht haben, und dass auch wir denselben Grundsatz
-aufzunehmen hätten. Der Justitiarius ist in dieser Qualität, als
-Verwalter des Rechtes des Institutes, sich selbst zu schützen, demselben
-verantwortlich.
-
-Mit der Zurücknehmung der Inscription ist, theils um die Mitglieder der
-Universität gegen den ferneren Ueberlauf und die Rache der Entlassenen
-zu sichern, theils, weil ein solcher gar keinen Grund mehr aufweisen
-kann, seinen Aufenthalt an diesem Orte fortzusetzen, die Verweisung aus
-der Universitätsstadt und ihrer nächsten Nachbarschaft, oder die
-^Relegation^ natürlich verknüpft. Die Pflicht, über diese zu halten,
-fällt der Polizei, die in dieser Rücksicht gar nicht Richter oder
-Revisor des Urtheils, sondern lediglich Executor des schon gesprochenen
-Urtheils ist, anheim; und müsste gegen diese, falls sie ihre Pflicht
-lässig betriebe, die Universität als Kläger auftreten.
-
-(Sollte in dieser Ansicht einige Richtigkeit seyn, so würde daraus auch
-erhellen, wie die bisherige Justizverwaltung auf Universitäten, bald in
-der Voraussetzung, dass die Universität nicht mehr dürfe, als eine
-Erlaubniss zurücknehmen, die sie selbst gegeben, bald, indem sie
-zugleich das ihr fremde Geschäft der Polizei und der Civiljustiz ausüben
-sollte, endlich, indem ihr auch ein Gefühl ihrer Vater- und
-Erzieherpflichten entstand, geschwankt, und bald zu viel, bald zu wenig
-gethan habe. Hier ist durch die Trennung zwei sehr verschiedener Klassen
-von Studirenden der Widerspruch gelöst; und durch die anheimgegebene
-Freiheit, zu welcher Klasse jemand gehören wolle, das persönliche Recht
-behauptet.)
-
-
- §. 36.
-
-In Absicht der Verknüpfung der Relegation mit der Zurücknahme der
-Inscription, die bei Fremden ganz unbedenklich ist, dürfte in dem Falle,
-da die zu Relegirenden ihren elterlichen Wohnplatz in der
-Universitätsstadt hätten, billig das Bedenken eintreten, ob die
-Universität, sowie sie ohne Zweifel das Recht hat, diese aus ihren
-Hörsälen zu verweisen, auch das Recht habe, sie aus ihrem väterlichen
-Hause zu vertreiben. Da inzwischen, falls man ihr dieses Recht
-absprechen müsste, sie gegen diese durchaus nicht weniger gefährlichen
-Jünglinge ohne eine besondere Einrichtung nicht gesichert werden könnte,
-so wäre als eine solche besondere Einrichtung vorzuschlagen: 1) dass
-Söhne aus der Universitätsstadt, falls sie nicht etwa schon als
-Mitglieder einer niederen Schule das gute Zeugniss dieser ihrer Lehrer
-für sich hätten, sich einige Zeit vor der Inscription zu derselben
-anmelden müssten, und von da an beobachtet würden, und dass man ihnen,
-falls diese Beobachtung Bedenklichkeit gegen sie einflösste, die
-Inscription verweigern könne. 2) Dass ihre Eltern eine namhafte Summe
-als Caution für sie stellten, deren erste Hälfte im Falle der
-Zurücknahme der Inscription, statt der Relegationsstrafe, mit der sie
-dermalen verschont blieben, verfiele; dass aber, falls sie hinführo von
-neuem sich einiger Excesse gegen die Lehranstalt schuldig machten, auch
-die andere Hälfte verfiele, und sie dennoch relegirt würden. Sollten
-Eltern diese Caution stellen nicht können oder wollen, so müssen sie
-sich es eben gefallen lassen, dass auch ihre Söhne im Falle der
-Verschuldung relegirt werden; sowie bisher zuweilen sogar Professoren
-sich haben gefallen lassen müssen, dass ihren unfertigen Söhnen dieses
-begegnet; indem es gänzlich in dem freien Vermögen aller Studenten in
-der Welt beruhet, diejenigen Handlungen, welche Relegation nach sich
-ziehen, und deren Katalog bei uns, die wir der Polizei und dem
-Civilgerichte überlassen würden, was ihres Amtes ist, gar nicht gross
-seyn würde, zu unterlassen.
-
-
- §. 37.
-
-Die Regularen werden vom Staate und seinem Organe, der allgemeinen
-Polizei (denn mit der Civiljustiz könnte wohl die Oekonomieverwaltung
-derselben, keinesweges aber ein Einzelner von ihnen zu thun bekommen),
-betrachtet als ein Familienganzes, das als solches für seine Mitglieder
-einsteht. Wäre von den letzteren gesündigt, so ist freilich das Ganze
-zur Verantwortung und Strafe zu ziehen; dagegen bleibt die Bestrafung
-des einzelnen Mitgliedes der Familie selbst überlassen und wird im
-Schoosse derselben vollzogen, und ist väterlich und brüderlich, und soll
-dienen als Erziehungs-, keinesweges aber als schreckendes Mittel. Nur
-wenn ein Individuum vom Körper abgesondert und ausgestossen werden
-müsste, könnte es wieder als Einzelner dastehen, und dem Forum, für
-welches es sodann gehörte, anheimfallen.
-
-Es erhellt, dass ohne vorhergegangene Degradation und Ausstossung keine
-der bisher aufgestellten gesetzlichen Verfügungen auf die Regularen
-passen, und dass für sie weder Justitiarius oder Relegation, oder dass
-etwas stattfinde. Durch die blosse Ausstossung könnten sie doch nicht
-weniger werden, als das, was sie ohne Einverleibung in das Corps der
-Regularen gewesen seyn würden, ^Zugewandte^, und erst als solche müssten
-sie von neuem sich vergehen, um der Polizei oder dem Justitiarius,
-welchem sie ja von nun an erst anheimfallen, verantwortlich zu werden.
-Dass die Fälle, in denen ein Familienganzes seine Mitglieder nicht
-vertreten kann, z. B. Criminalfälle, ausgenommen sind, dass aber auch
-sodann die Degradation der Auslieferung an den Richter vorhergehen
-müsse, ist unmittelbar klar.
-
-Die Regularen hätten sonach zuvörderst für sich eine Regel zu finden,
-nach der die Möglichkeit solcher Fälle so gut als aufgehoben, und
-überhaupt alle Vorkehrungen so getroffen würden, dass die Polizei keine
-Gelegenheit fände, von ihnen Notiz zu nehmen: sodann ein Ephorat und
-Gericht zu errichten, das über die Ausübung dieser Regel hielte. Ohne
-dies würde in dem Hause, in welchem sie beisammen wohnten, ein alter
-ehrwürdiger Gelehrter, der selbst einst mit Ruhm und Verdienst Lehrer am
-Institut gewesen wäre, als der unmittelbarste Hausvater der Familie, mit
-ihnen wohnen und leben. (Sollte späterhin die Gesellschaft also
-anwachsen, dass sie in mehrere Häuser vertheilt werden müsste, so müsste
-diese nicht etwa durch die Benennung verschiedener Collegia getrennt,
-sondern das Einheitsband müsste durch die Gemeinschaftlichkeit Eines
-Hausvaters und durch andere Mittel auch äusserlich sichtbar bleiben.)
-Dieser wäre der natürliche Präsident dieses Familiengerichts. Ferner
-sind natürliche Beisitzer desselben alle ordentlichen Lehrer an der
-Anstalt, indem ja deren eigene Ehre von der Ehre ihres Zöglings abhängt;
-und könnten dieselben, zur Sparung ihrer Zeit, ^abwechselnd^ in
-demselben sitzen. Endlich wären, damit ein wahrhaftes Familien- und
-Brudergericht entstände, aus den Regularen selbst, nach einer leicht zu
-findenden Regel, Beisitzer zu ernennen. Deren richterliche Verwaltung
-trüge nun den oben angegebenen Grundcharakter, die Verhandlungen aber
-und Richtersprüche derselben blieben durchaus im Schoosse dieses Corps;
-hierüber anderen etwas mitzutheilen, würde betrachtet als eine
-Ehrlosigkeit, die unmittelbar die Ausstossung nach sich ziehen müsste.
-
-Eine ähnliche Einrichtung können die Novizen, falls sie eine Verwaltung
-finden, deren Garantie die Polizei annehmen will, treffen. Nur haben sie
-keinen Anspruch auf den Beisitz der ordentlichen Lehrer in ihrem
-Familiengerichte; es kann ihnen aber erlaubt werden, ausserordentliche
-Professoren, von denen zu seiner Zeit, oder auch andere brave Gelehrte,
-zu diesem Beisitze einzuladen. Ueberhaupt, so ähnlich auch das Noviziat
-jetzt oder künftig dem Collegium der Regularen werden möchte, so bleibt
-doch immer der Hauptunterschied, dass das letztere unter öffentlicher
-Autorität und Garantie steht, das erste aber ein mit Privatfreiheit zu
-Stande gebrachtes Institut ist, dessen Mitglieder von Rechtswegen keinen
-grösseren Anspruch haben, denn die Zugewandten, und die die
-Begünstigungen, welche Polizei und Universität ihnen etwa geben, nur
-anzusehen haben als ein freies Geschenk, das ihnen auch wieder entzogen
-werden kann.
-
-
- §. 38.
-
-Durch das Bisherige ist nun auch die Entstehung des ^lernenden
-Subjectes^ in seinen verschiedenen Abstufungen, und wie dasselbe
-immerfort ergänzt und erneuert werden solle, beschrieben. Wir können
-nunmehro auch an eine weitere Bestimmung des schon oben im Allgemeinen
-aufgestellten lehrenden Subjectes gehen.
-
-Auf den bisherigen Universitäten war es Doctoren und ausserordentlichen
-Professoren erlaubt, sich im Lesen zu versuchen und zu erwarten, ob ein
-Publicum sich um sie herum versammeln werde. Haben dieselben schon auf
-einer anderen Universität das Recht, Vorlesungen zu halten, gehabt, so
-können auch wir es ihnen erlauben. Im entgegengesetzten Falle mögen sie
-das anderwärts Gebräuchliche auch bei uns leisten. Die eigentlichen
-Lehrer für die Regularen und die, so es zu werden streben, sind freilich
-die encyklopädischen Lehrer, die ja auch die entscheidenden Aufgaben
-geben, sowie die von diesen etwa eingesetzten Lehrer des Theils eines
-Faches, welche, obwohl Unterlehrer, dennoch ^ordentliche^ Lehrer sind.
-Für diese, die wir immer insgesammt ^ausserordentliche^ Professoren
-nennen könnten, blieben demnach die Zugewandten übrig, an denen sie sich
-versuchen könnten. Dennoch sollen auch nicht nur Regulare, und zwar die
-geübtesten und befestigtsten, von dem encyklopädischen Lehrer des Faches
-zur Besuchung ihrer Vorlesungen ernannt werden, sondern auch dieser
-Lehrer selbst und andere Lehrer befugt seyn, denselben insoweit
-beizuwohnen, bis sie einen bestimmten Begriff von den Kenntnissen und
-dem Lehrertalent des Mannes sich erworben.
-
-Die erste Erlaubniss zu lesen geht nur auf Ein Lehrjahr. Nach Verfluss
-desselben muss abermals um dieselbe eingekommen werden, und es kann
-diese nach Befinden der Umstände erneuert oder verweigert werden; oder
-auch der zweckmässig befundene Lehrer kann als ordentlicher Unterlehrer
-oder auch als Encyklopädist, wenn der vorherige abgehen will, ernannt
-werden.
-
-Die Entscheidung über beide Gegenstände hängt, wie bei Beurtheilung der
-Aufsätze, ab von der Klasse des Faches, so wie von der philosophischen
-Klasse, wo die erstere über die Gründlichkeit der empirischen
-Erkenntniss, die zweite über die philosophische Freiheit und Klarheit
-entscheidet. Auch hier müssen für ein bejahendes Urtheil beide Stimmen
-sich vereinigen, indem jede Klasse erst unter sich und für sich einig
-seyn muss, und ihre Stimme hier nur für eine gezählt wird. Da jedoch, so
-wie das Alter beschuldigt wird, jeder Neuerung zuweilen sich feindselig
-zu zeigen, ebenso die kräftigere Jugend von Eifersucht gegen fremdes
-Verdienst nicht immer ganz frei zu sprechen ist, so müsste bei einem die
-Erlaubniss zu lesen, oder die Anstellung eines Lehrers betreffenden
-Falle fürs erste jede besondere Klasse (die hier requirirte empirische,
-so wie die philosophische) zuvörderst in sich selber in zwei Theile
-getheilt werden, den ^Rath der Alten^, und den ^der ausübenden Lehrer^,
-und nur wenn diese beiden Theile Nein sagten, hätte die Klasse Nein
-gesagt, dagegen auch das einseitige Ja des einen Rathes zum Ja der
-Klasse würde. Dadurch würde hervorgebracht, dass weder die
-Neuerungsfurcht des einen, noch die Eifersucht des anderen Theiles den
-Fortschritt zum Besseren hindern könnte, und diesen beiden Dingen an
-einander selber ein wirksames Gegengewicht gegeben; wo aber beide Theile
-Nein sagten, da würde wohl ohne Zweifel das Nein die richtige Antwort
-seyn.
-
-(Uebrigens wird eine solche Eintheilung unseres gelehrten Corps in einen
-Senat der Alten und der Lehrer zu seiner Zeit aus dem Wesen des Ganzen,
-ganz ohne Rücksicht auf das soeben erwähnte besondere Bedürfniss, sich
-sehr natürlich ergeben.)
-
-
- §. 39.
-
-Eine Auswahl der Regularen in jedem Fache wird beim Fortgange der
-Anstalt, als ein Professorseminarium, ohnedies unter der Aufsicht der
-ordentlichen Lehrer zu den Geschäften des Lehrers angehalten werden.
-Diesen könnte, wenn sie aus der Klasse der Studirenden herausgetreten
-und zu ^Meistern^ ernannt worden, das Recht zu lesen auf dieselbe Weise
-ertheilt werden, so wie aus ihnen die Lehrstellen nach derselben Regel
-sehr leicht besetzt werden. Doch würden uns immerfort auf jeder Stufe
-unserer Vollendung zu uns kommende fremde Lehrer, auf die §. ^praeced.^
-erwähnte Weise, willkommen seyn, und wir dadurch gegen jede
-Einseitigkeit des Tones uns zu verwahren suchen.
-
-
- §. 40.
-
-Die Verwaltung des Lehramtes, besonders nach unseren Grundsätzen,
-erfordert jugendliche Kraft und Gewandtheit. Nun ist wenigen die
-Fortdauer dieser jugendlichen Frischheit bis in ein höheres Alter hinein
-zugesichert; auch fällt die Neigung der meisten originellen Bearbeiter
-der Wissenschaft in reiferen Jahren dahin, ihre Bildung in einer festen
-und vollendeten Gestalt niederzulegen in das Archiv des allgemeinen
-Buchwesens, und es ist sehr zu wünschen, dass dies geschehe, und ihnen
-die Zeit und Ruhe dazu zu gönnen. Wir müssen darum nicht anders rechnen,
-als dass wir die Lehrer an unserer Anstalt nur auf eine bestimmte Zeit
-beibehalten wollen. Alle diejenigen, mit denen das Institut zuerst
-beginnt, werden sich bald nach der ehrenvoll verdienten Ruhe sehnen, und
-gern den Zeitpunct ergreifen, da unter ihnen ein jüngeres Talent sich
-gebildet hat, das ihren Platz würdig besetze. Alle während des
-Fortganges des Instituts neu angestellte Lehrer sind nur auf einen
-bestimmten Zeitraum (etwa für die Periode, innerhalb welcher das
-studirende Publicum sich zu erneuern pflegt) anzunehmen, nach dessen
-Ablaufe beide Theile, die Universität und der Lehrer, auf die §. 38
-beschriebene Weise, den Contract erneuern oder auch aufheben können.
-
-
- §. 41.
-
-Um im ökonomischen Theile solcher Verhandlungen dem bisher oft
-stattgefundenen anstössigen Markten zwischen Regierungen und Gelehrten,
-indem die ersteren zuweilen von der Verlegenheit eines wackeren Mannes
-Vortheil zu ziehen suchten, um seine Kraft und sein Talent wohlfeilen
-Kaufes an sich zu bringen, die letzteren zuweilen auch mit dem Gehörigen
-sich nicht begnügen mochten, und ihre übertriebenen Forderungen durch
-theils mit List an sich gebrachte auswärtige Vocationen unterstützen, in
-der Zukunft und für unser Lehrinstitut vorzubauen, mache ich folgenden
-Vorschlag:
-
-Entweder sind diese Lehrer Inländer, und auf unserem Institute, wohl gar
-als Regulare, wie zu erwarten, gebildet, so hat das Vaterland ohnedies
-den ersten Anspruch auf ihre Kräfte, so wie ^sie^ Anspruch auf die
-Fürsorge desselben, in jedem Falle und ihr ganzes Leben hindurch, haben;
-oder sie sind Fremde, welche bei uns auch ihre Bildung nicht erhalten
-haben. Im letzten Falle fordere man von ihnen, dass sie, beim Eingehen
-irgend eines Verhältnisses mit uns, oder bei der Erneuerung eines
-solchen, sich erklären, ob sie ihr Fremdenrecht beibehalten, oder ob sie
-das völlige Bürgerrecht haben (sich ^nostrificiren^ lassen) wollen. Im
-ersten Falle müssen wir uns freilich gefallen lassen, dass, falls sie
-uns unentbehrlich sind, sie sich uns so theuer verkaufen, als sie irgend
-können; jedoch wird diese Verbindung immer nur auf einen Zeitraum
-eingegangen; und können wir etwa nach dessen Abfluss sie entbehren, so
-sollen sie wissen, dass wir uns sodann um sie durchaus nicht weiter
-kümmern werden, und sie gehen können, wohin es ihnen gefällt. Im zweiten
-Falle erhält der Staat an sie, und sie an den Staat alle Ansprüche, die
-zwischen ihm und den bei uns gebildeten Eingebornen stattfinden. Um nun
-in diesem letzteren Verhältnisse zugleich die persönliche Freiheit des
-Individuums sicher zu stellen, zugleich eine rechtliche Gleichheit des
-Individuums mit dem Staate, der bisher seinem Diener lebenslänglichen
-Unterhalt zusichern, von ihm aber zu jeder Stunde sich den Dienst
-aufkündigen lassen musste, hervorzubringen, und besonders, um dem
-Gelehrtenstande zu grösserer Moralität und Ehrliebe in Dingen dieser Art
-zu verhelfen, setze man den Anspruch auf lebenslange Versorgung,
-verhältnissmässig nach dem Fache, als ^gleich einem gewissen bestimmten
-Capital^, das der des vollkommenen Bürgerrechts Theilhaftige dem Staate
-zurückzahle, wenn er dessen bisherige Dienste verlassen will. Ist er nun
-dem auswärtigen Berufer dieser Summe werth, so mag derselbe sie
-bezahlen, und er ist frei; aber es ist zu hoffen, dass dieser Fall nicht
-sehr häufig eintreten, und auf diese Weise wir mit der Beseitigung so
-mannigfacher Vocationen verschont bleiben werden.
-
-
- §. 42.
-
-Es ist, in der Voraussetzung dieser Einrichtung, bei der Frage, wie
-abgetretene Professoren zu versorgen seyen, nur von solchen die Rede,
-denen das vollkommene Bürgerrecht angeboren, oder von ihnen angenommen
-ist; indem diejenigen, welche dasselbe abgelehnt, nach ihrem Austritte
-nicht nur nicht versorgt werden, sondern es sogar eine feste Maxime
-unserer Politik seyn soll, dieselben sobald wie möglich entbehrlich zu
-machen.
-
-Die bei uns erzogenen und beim Austritte aus den Studirenden des
-^Meisterthums^ würdig befundenen Regularen haben ohnedies den ersten
-Anspruch auf die ersten Aemter des Staats, und man könnte auch immerhin
-den Lehrern, die das Institut beginnen werden, denselben Anspruch
-ertheilen, den man ihren späteren Zöglingen nicht wird versagen können.
-Dieser Anspruch und die Fähigkeit, dergleichen Aemter zu bekleiden,
-werden dadurch ohne Zweifel nicht vermindert, dass der Mann durch einige
-Jahre Lehramt es zu noch grösserer Gewandtheit in demjenigen
-wissenschaftlichen Fache, dessen Anwendung im Leben das erledigte
-Staatsamt fordert, und nebenbei zu grösserer Reife des Alters und der
-Erfahrung gebracht hat; es wäre vielmehr zu wünschen, dass alle diesen
-Weg gingen, und das Leben der ersten Bürger in der Regel in die drei
-Epochen des lernenden, des lehrenden und des ausübenden
-wissenschaftlichen Künstlers zerfiele. Weit entfernt daher, um die
-Anstellung ausgetretener Lehrer verlegen zu seyn, müssten wir, wenn wir
-auch sonst keines Corps der Lehrer bedürften, ein solches schon als
-Pflanzschule und Repertorium höherer Geschäftsmänner errichten, und bei
-eintretendem Bedürfnisse aus diesem Behälter zuweilen sogar den, der
-lieber darin bliebe, herausheben.
-
-Dieses Bedürfniss austretender Lehrer für den Staat und den höheren
-Geschäftskreis desselben noch abgerechnet, bedarf auch für sich selbst
-als literarisches Institut solcher Männer. -- Es giebt sehr weit von der
-Wurzel des wissenschaftlichen Systems abliegende, in ein sehr genaues
-Detail eines Faches gehende Kenntnisse, welche in die allgemeine
-Encyklopädie und den gewöhnlichen Kreis des Unterrichts an der
-wissenschaftlichen Schule nicht eingreifen, und ohne deren Kenntniss
-jemand ein sehr trefflicher Lehrer seyn kann. Doch kann das Bedürfniss
-auch dieser Kenntniss für Lehrer und Lernende eintreten; es muss daher
-das Mittel vorhanden seyn, sie irgendwo zu schöpfen. Dies seyen fürs
-erste die ausgetretenen Lehrer. Vielleicht arbeiten sie ohnedies an
-einem Werke, in welchem sie ihre individuelle Bildung in das allgemeine
-Archiv des Buches niederlegen wollen, zu dem ihnen die Musse zu gönnen
-ist. Nebenbei mögen auch Lehrer und Lernende sich bei ihnen Raths
-erholen über das, worin sie vorzüglich stark sind; oder auch
-vorkommenden Falles beide sie um einige Vorlesungen ersuchen, in Gottes
-Namen über ein orientalisches Wurzelwort, oder die Naturgeschichte eines
-einzelnen Mooses. Sie sind mit einem Worte Rath und Hülfe der jüngeren
-bei eintretenden Nothfällen im Wissen sowohl als der Kunst.
-
-Indem sie nun doch nicht mehr eigentliche und ordentliche Lehrer an der
-Universität, und ihre noch fortdauernden Leistungen nur frei begehrte
-und frei gewährte Gaben sind, sind sie eine ^Akademie der Wissenschaft^,
-im ^modernen^ (eigentlich französischen) Sinne dieses Wortes; und für
-die Universitätsangelegenheiten der oben erwähnte ^Rath^ der ^Alten^.
-Mit ihnen tritt bei dergleichen Berathschlagungen das Corps der
-wirklichen Lehrer, als ^Rath der ausübenden Lehrer^ zusammen; daher sind
-auch die letzteren natürliche Mitglieder der Akademie; und die gesammte
-Akademie ist, in Beziehung auf die Universität, der ^Senat^ derselben,
-nach den erwähnten beiden Haupttheilen in allen festzusetzenden
-besonderen Klassen.
-
-Freie Mitglieder der Akademie bleiben auch die zu anderen Staatsämtern
-beförderten ausgetretenen Lehrer, und sie sind befugt, und, inwiefern es
-ihre anderen Geschäfte erlauben, ersucht an den Berathschlagungen
-derselben, als Mitglieder des Rathes der Alten, Theil zu nehmen (und sie
-werden gebeten werden, welche Decorationen auch sonst ihnen zu Theil
-geworden seyn dürften, dennoch zuweilen auch unsere Uniform, welche
-überhaupt jeder Akademiker trägt, mit ihren Personen zu beehren).
-
-In dieser Akademie Schooss bleibt ihnen auch immer, welche Schicksale
-auch sonst auf ihrer politischen Laufbahn sie betroffen haben möchten,
-der ehrenvolle Rückzug, und ist ihnen da ein sorgenfreies, geehrtes
-Alter bereitet, indem der Charakter eines Akademikers ^character
-indelebilis^ wird.
-
-
- §. 43.
-
-Noch wäre, in derselben Rücksicht, um sichern Rath und Hülfe in jeder
-literarischen Noth zu finden, eine andere Art von Akademikern, die sogar
-niemals ordentliche Lehrer gewesen, anzustellen; ich meine jene
-lebendigen Repertorien der Bücherwelt, und die, welche gross und einzig
-sind in irgend einer seltenen Wisserei, obwohl sie es niemals zu einer
-encyklopädischen Einheit der Ansicht ihres Faches, oder zu einer
-lebendigen Kunst in demselben, gebracht haben, und darum als ordentliche
-Lehrer für uns nicht taugen. Wir wollen sie nur dazu, dass unser
-ordentlicher Lehrer diese lebendigen Bücher zuweilen nachschlage; die
-Klarheit und Kunstmässigkeit wird er dem bei ihm geschöpften Stoffe für
-die Mittheilung an seine Schüler schon selber geben.
-
-(So starb vor mehreren Jahren zu Jena ein gewisser B.[26], der mehrere
-Hunderte von Sprachen zu wissen sich rühmte, und von dem andere, auch
-nicht mit Unrecht, sagten, er besitze keine einzige. Dessenohnerachtet,
-glaube ich, würde auch der Besitz eines solchen uns wünschenswürdig
-seyn. Denn falls etwa, wie es denn in der That dergleichen Leute giebt,
-jemand glaubte, das gesammte menschliche Sprachvermögen sey im Grunde
-Eins, und die mancherlei besonderen Sprachen seyen nur, nach einem
-gewissen Naturgesetze, ohne einige Einmischung der Willkür
-fortschreitende weitere Bestimmungen und Ausbildungen jener Einen
-Wurzel, und es lasse sich sowohl diese Wurzel, als jenes Naturgesetz
-finden; und etwa einer unserer Akademiker an die Lösung dieser Aufgabe
-ginge, so würde diesem aus anderen Gründen nicht füglich anzumuthen
-seyn, dass er alle Sprachen der Welt wisse; es möchte sie aber neben ihm
-und für seinen Gebrauch ein solcher B. wissen, der wiederum immer
-unfähig seyn möchte, ein solches Problem zu denken und sein Wissen für
-die Lösung desselben zu gebrauchen. -- So müssen wir denn den ganzen
-vorhandenen historischen Schatz aller Wissenschaft bei uns
-aufzuspeichern suchen, nicht um ihn todt liegen zu lassen, sondern um
-ihn einst mit organisirendem Geiste zu bearbeiten. Ist dies geschehen,
-dann wird es Zeit seyn, das ^caput mortuum^ wegzuschaffen; bis dahin
-wollen wir nichts wegwerfen oder verschmähen.)
-
-[Fußnote 26: Büttner (?).]
-
-So ist, nachdem der Theologie der Alleinbesitz der orientalischen
-Sprachkunde und der der Kirchengeschichte abgenommen worden, kaum zu
-erwarten, dass beides, bis auf seinen letzten bekannten Detail, in den
-gesammten encyklopädischen Unterricht der Philologie oder der Geschichte
-an unserer Kunstschule werde aufgenommen werden; dass wir sonach eines
-ordentlichen Lehrers der orientalischen Sprachen oder der
-Kirchengeschichte kaum bedürfen werden. Dennoch müssen immerfort Männer
-in unserer Mitte seyn, bei welchen jeder, der aus irgend einem Grunde
-das Bedürfniss hat, über das Encyklopädische hinaus bis zu dem
-äussersten Detail dieser Fächer fortzugehen, sein durch das blosse Buch
-nicht also zu befriedigendes Bedürfniss zu befriedigen vermag.
-
-Uebrigens sind diese Anführungen nur als Beispiele zu verstehen. Eine
-systematische Uebersicht der Summe unserer Bedürfnisse in dieser
-Rücksicht, so wie die Angabe der bestimmten Männer, die wir zu diesem
-Behuf für den Anfang mit uns zu vereinigen hätten, werden die
-Berathschlagungen der oben erwähnten einzelnen Männer und Comités,
-welche auch über diesen Theil unseres Plans zu instruiren wären, an die
-Hand geben.
-
-Auch diese Art von Akademikern besitzt alle Rechte eines solchen, und
-sitzt im ^Rathe der Alten^.
-
-
- §. 44.
-
-Betreffend den Uebergang aus dem Corps der Lehrlinge in das der
-Lehrenden oder praktisch Ausübenden:
-
-Der Regulare müsse am Ende seines Studirens documentiren, dass der Zweck
-desselben bei ihm erreicht worden, sagten wir oben. Da nun der letzte
-Zweck unserer Anstalt keinesweges die Mittheilung eines Wissens, sondern
-die Entwicklung einer Kunst ist, der in einer Kunst Vollendete aber
-Meister heisst, so würde jene Documentation darin bestehen, dass er sich
-als Meister bewähre.
-
-Das Meisterstück würde am schicklichsten in einer zu liefernden
-Probeschrift bestehen, nicht über ein Thema freier Wahl, sondern über
-ein vom Lehrer seines Faches ihm gegebenes und ^darauf^ berechnetes,
-dass daran sich zeigen müsse, ^ob der Lehrling die in seiner
-individuellen Natur liegende grösste Schwierigkeit^, die dem Lehrer ja
-wohlbekannt seyn muss, durch die kunstmässige Bildung seines Selbst
-besiegt habe. (Wählt er selbst, so wählt er das, wozu er am meisten
-Leichtigkeit und Lust hat; daran aber zeigt sich nicht der Triumph der
-Kunst; der Lehrer soll ihm das aufgeben, was für seine Natur das
-Schwerste ist, denn das Schwere mit Leichtigkeit thun, ist Sache des
-Meisters.) Ueber diese seine eigene Schrift nun, und auf den Grund
-derselben werde er, bis zur völligen Genüge des Lehrers, öffentlich
-examinirt.
-
-Es sind zwei Fälle. Entweder wird in einem besonderen empirischen Fache
-das Meisterthum begehrt. In diesem Falle giebt der Lehrer dieses Fachs
-das Thema; die Prüfung aber, und das ^tentamen^ zerfällt in zwei Theile,
-von denen, wie auch bei den früheren Beurtheilungen der Aufsätze der
-Studenten, der Lehrer des Faches nach der Erkenntniss, und beim
-Candidaten des Meisterthums insbesondere darnach forscht, ob er sie in
-der Vollständigkeit und bis zu demjenigen Detail, bis zu welchem der
-mündliche und Bücherunterricht an der Kunstschule fortgeht, gefasst
-habe; die philosophische Klasse aber über die lebendige Klarheit dieser
-Erkenntniss die Prüfung nach allen Seiten hinwendet und versucht.
-
-Oder der Candidat begehrte bloss in der Philosophie das Meisterthum: so
-würde er in Absicht des Themas sowohl, als der Prüfung auf den ersten
-Anblick lediglich der philosophischen Klasse anheimfallen, und die
-Empirie an ihn keine Ansprüche haben. Da inzwischen die Philosophie gar
-keinen eigentlichen Stoff hat, sondern nur das allen Stoff der
-Wissenschaft und des Lebens in Klarheit und Besonnenheit auflösende
-Mittel ist; und derjenige, der sich für einen grossen Philosophen
-ausgäbe, dabei aber bekennte, dass er weder etwas Anderes gelernt,
-vermittelst dessen, als eines Mittelgliedes, er seinen philosophischen
-Geist ins Leben einzuführen vermöchte, noch auch seine Philosophie
-unmittelbar von sich zu geben und sie anderen mitzutheilen verstände,
-ohne Zweifel der Gesellschaft völlig unbrauchbar, und keinesweges ein
-Künstler, sondern ein todtes Stück Gut seyn würde: so muss der, der sich
-auf die Philosophie beschränkt, wenigstens sein Vermögen sie
-mitzutheilen, und einen kunstmässigen Lehrer in derselben abzugeben,
-documentiren. Und so kann keiner als Meister in der Philosophie
-anerkannt werden, der sich nicht auch zugleich als ^Doctor^ derselben
-bewährt hat.
-
-Nun ist es ferner gar nicht hinlänglich, dass er in dieser Fertigkeit
-des Vortrages seiner Klasse genüge; er soll auch Nichtphilosophen,
-dergleichen ja, wenn er das Lehramt einst im Ernste verwaltet, alle
-seine Lehrlinge anfangs seyn werden, verständlich werden können; und so
-fällt denn in dieser Rücksicht das Endurtheil von seiner eigenen Klasse
-an die empirischen Klassen insgesammt, die es durch aus ihrer Mitte
-ernannte Stellvertreter verwalten können. Hier also entscheidet
-umgekehrt die philosophische Klasse über die Richtigkeit des Inhalts,
-als Resultat der erlernten Kunst, die Gesetze des Denkens im
-Philosophiren frei zu befolgen, die empirischen über die Gewandtheit und
-Klarheit in dieser Kunst, die er durch den Vortrag darlegt. Mögen diese
-immerhin über das Vorgetragene kein Urtheil haben; der Vortrag selbst
-wenigstens muss ihnen als meistermässig einleuchten. -- Es werden darum
-diejenigen, welche um das Meisterthum in der Philosophie nachzusuchen
-gedenken, sich schon früher in dem Lehrerseminarium geübt haben, da der
-philosophische Vortrag ohnedies der vollkommenste und das Vorbild alles
-anderen Vortrages bleiben muss, und darüber an unserer Kunstschule alles
-Ernstes zu halten ist.
-
-Dagegen kann der empirische Gelehrte, der seine Kenntnisse vielleicht
-nur praktisch anzuwenden gedenkt, Meister seyn, ohne gerade Doctor seyn
-zu können. Macht er auch auf das Letztere Anspruch, und begehrt er an
-unserem Institute zu lehren, so muss er seine Fertigkeit darin noch
-besonders darthun, und hat er hierüber beiden, sowohl der
-philosophischen Klasse, als der seines Faches, Genüge zu leisten.
-
-Es lässt sich auch den Zugewandten das Recht, das Meisterthum in
-Anspruch zu nehmen, nicht durchaus versagen. Da jedoch hierbei die, den
-Lehrern auch von allen schwachen Seiten ihrer individuellen Natur oder
-Erkenntniss weit besser bekannten, Regularen in Nachtheil kommen würden,
-so wäre von den Zugewandten in diesem Falle, für Herstellung der
-Gleichheit, zu fordern, dass sie wenigstens Ein Lehrjahr vor ihrer
-Erhebung zu Meistern ihren Anspruch dem Lehrer des Faches, so wie dem
-der Philosophie, bekannt machten, und dieses Jahr hindurch sich dem
-allseitigen Studium dieser Lehrer blossstellten. Könnten nicht diese
-beiden Lehrer am Ende des Jahres mit gutem Gewissen erklären, dass ihnen
-diese jungen Männer für die Absicht hinlänglich erkundet seyen, so
-müsste die Berathung über ihr Gesuch abermals ein Lehrjahr hinausgesetzt
-werden, während dessen sie zu diesen beiden in demselben Verhältnisse
-blieben, wie im ersten Jahre. Sie möchten auch an diese Lehrer für diese
-eigentlich nicht im Kreise ihres Berufs liegende Mühe einen Ersatz
-auszahlen, der in jedem Falle, ob sie nun des Meisterthums würdig
-befunden wären oder nicht, verfiele.
-
-Erst durch die Erlangung des Meisterthums beweist der Regulare seine
-würdige Benutzung des Instituts, und tritt ein in sein Recht des ersten
-Anspruchs auf die ersten Würden des Staats. Ganz gleich lässt sich ihm
-hierin nun einmal nicht setzen der Meister aus den Zugewandten, der uns
-die nähere Bekanntschaft mit seinem moralischen Charakter und seiner
-bisherigen sittlichen Aufführung versagt hat. Jedoch auch hierüber das
-Beste hoffend, und da er denn doch auch der Kunst Meister ist, könnte
-man ihm den ersten Anspruch da, wo kein Meister aus den Regularen sich
-gemeldet, zugestehen.
-
-Den Regularen, die etwa in dem Gesuche des Meisterthums durchfielen, so
-wie Zugewandten, die keinen Anspruch darauf machten, möchte man immerhin
-den gewöhnlichen ^Doctor^grad ertheilen, und mögen die empirischen
-Klassen über die dabei nöthigen Leistungen etwas festsetzen. Ein
-gewöhnlicher und gemeiner Doctor nemlich ist derjenige, der nicht
-zugleich auch, wie die früher oben angeführten, Meister ist; und es ist
-in diesem Falle mit den beiden letzten Buchstaben nicht eigentlich
-Ernst, indem wirklich Doctor zu seyn nur derjenige vermag, der Meister
-ist, sondern es ist jenes Wort nur euphemistisch gesetzt, statt
-^doctus^, einer der etwas erlernt hat.
-
-Die rechten heissen Meister schlechtweg, und kann man den Doctor
-weglassen; wiewohl man auch, um den Unterschied noch schärfer zu
-bezeichnen, die letzten Titular-Doctoren nennen könnte. Die
-philosophische Klasse hat bei dergleichen Promotionen gar kein Geschäft;
-denn in ihr selber giebt es nur Meister und Doctor in Vereinigung; um
-die anderen Klassen aber bekümmert sie sich nur, wenn diese Anspruch auf
-den Rang des Künstlers machen, dessen diese letzte Art der Doctoren sich
-bescheidet.
-
-Aus ihnen werden im Staate die subalternen Aemter besetzt. (Man creirte
-^magistros artium^, und in den neueren Zeiten, da der Magistertitel in
-Verachtung gerathen, hat man nur noch den für vornehmer geachteten
-Doctortitel führen mögen, da es doch offenbar weit mehr bedeutet ein
-Meister zu seyn, denn ein Lehrer. Wir haben mit jenen ^magistris artium^
-gar nicht zu thun, da wir keinesweges ^Künste^ annehmen, und in
-denselben etwa bis auf Sieben zählen, sondern nur Eine, die Kunst
-schlechtweg, und diese zwar als unendlich, kennen; sondern unser Meister
-ist ^artis magister^ schlechtweg, der Kunst Meister, und es ist zu
-erwarten, dass die, die dieses Namens werth sind, sich seiner nicht
-schämen werden. Und so mögen sie denn immer Meister, schlechtweg ohne
-Beisatz und ohne das, auch nur verringernde, Herr, angeredet werden, und
-sich schreiben: der Kunst Meister.
-
-Vor der Neuerung haben wir uns auch nicht zu fürchten, denn auch andere
-Universitäten machen Neuerungen, wie die Jenaische, die anfing gar keine
-^magistros artium^ mehr, sondern nur Doctoren der Philosophie, zu
-creiren, oder die zu Landshut, die dermalen Doctoren der Aesthetik
-creirt.
-
-Nun ist dieser ^gradus magistri^ dermalen nirgends vorhanden, und wir
-können uns denselben nicht ertheilen lassen. Ohne Zweifel aber wird das
-Meisterstück der die Kunstschule anfangenden Lehrer dann geliefert seyn,
-wenn sie andere Künstler gebildet haben. Indem sie nun mit gutem
-Gewissen diese für Meister erklären dürfen, erklären sie zugleich sich
-selbst dafür; sie erhalten den Grad, indem sie ihn ertheilen, und können
-ihn darum von da an auch führen.)
-
-
- §. 45.
-
-In allen den erwähnten Aufsätzen, so wie in denen über das Meisterthum
-und den damit zusammenhängenden ^tentaminibus^ wird die ^deutsche^
-Sprache gebraucht, keinesweges etwa die lateinische. Der in diesem oft
-angeregten Streite dennoch niemals deutlich ausgesprochene entscheidende
-Grund ist der:
-
-Lebendige Kunst kann ausgeübt und documentirt werden lediglich in einer
-Sprache, die nicht schon durch sich den Kreis einengt, sondern in
-welcher man ^neu^ und ^schöpferisch^ seyn darf, einer lebendigen, und in
-welche, als unsere Muttersprache, unser eigenes Leben verwebt ist. Als
-die Scholastiker in der lateinischen Sprache mit freiem und originellem
-Denken sich regen wollten, mussten sie eben die Grenzen dieser Sprache
-erweitern, wodurch es nun nicht mehr dieselbe Sprache blieb, und ihr
-Latein eigentlich nicht Latein, sondern eine der mehreren im Mittelalter
-entstehenden neulateinischen Sprachen wurde.
-
-Wir haben für diese freie Regung unsere vortreffliche deutsche Sprache:
-das Latein studiren wir ausdrücklich als das abgeschlossene Resultat der
-Sprachbildung eines untergegangenen Volkes, und wir müssen es darum in
-dieser Abgeschlossenheit lassen.
-
-Der Philolog, eben weil er sein Geschäft in diesem fest abgeschlossenen
-Kreise treibt, kann bei Interpretation der Klassiker sich der römischen,
-und, wie in Gottes Namen zu wünschen wäre, auch der griechischen Sprache
-bedienen; und es wäre den Zöglingen unseres Institutes anzumuthen, dass
-sie schon beim Austritte aus der niederen Schule diese Fertigkeit, auch
-lateinisch zu reden und sich zu unterreden, gelernt hätten. Sollte man
-in gewissen Fällen, z. B. wo der Anspruch auf ein Schulamt ginge, nöthig
-finden, dass auch der Candidat des Meisterthums die Fortdauer und noch
-höhere Ausbildung dieser Fertigkeit zeigte, so könnte er dies thun, aber
-nur an Gegenständen jenes historisch geschlossenen Cyklus; wo aber
-ursprünglich schöpferisches Denken gezeigt werden soll, da wird die
-schon fertige Phrasis bald für uns denken, bald unser Denken hemmen; und
-darum bleibe bei diesem Geschäfte die todte Sprache ferne von uns.
-
-
- §. 46.
-
-Wir gehen über zur Oekonomieverwaltung unseres Instituts.
-
-Es ist vor allem klar, dass ein zu ^fester Einheit^ organisirtes
-Verwaltungscorps dieser Geschäfte eingesetzt werden müsse, dessen
-höchste Mitglieder wenigstens aus dem Schoosse der Akademie selbst
-seyen, etwa ausgetretene Lehrer, indem nur diesen die gebührende Liebe
-sich zutrauen lässt, die übrigen aber diesen und der gesammten Akademie
-verantwortlich sind.
-
-Um den Folgen aus der Veränderlichkeit des Geldwerthes für ewige Tage
-vorzubeugen, wären die Einkünfte des Institutes nicht auf Geld, sondern
-auf Naturalien festzusetzen, also, dass es z. B. zu einem bestimmten
-Termine von einem bestimmten Bezahler so und so viel Scheffel Korn zu
-ziehen hätte, die allerdings nicht in Natur, sondern in klingender Münze
-abgeliefert würden; nicht jedoch nach einem für immer festgesetzten
-Preise, sondern nach dem, den dieses Korn am Termine der Zahlung auf dem
-Markte wirklich hätte. Ebenso hätte es nun auch an seine Besoldeten
-terminlich so und so viel Scheffel Korn zu bezahlen.
-
-
- §. 47.
-
-Die beiden Hauptquellen von Einkünften, auf die wir fürs erste zu
-rechnen hätten, wären die Einkünfte des Kalenderstempels von der
-Akademie, sodann die der eingegangenen Universität Halle, inwiefern
-dieselben uns verbleiben, wozu noch die Verwaltung der ^Zahlstellen^ im
-Corps der Regularen, und späterhin andere, tiefer unten zu erwähnende,
-Hülfsquellen kommen würden. Nicht bloss darum, weil die Nation zahlt,
-sondern aus noch weit tieferen Gründen, soll dieselbe innigst mit dieser
-Angelegenheit verflochten werden, und unser Institut sehr deutlich als
-ein Nationalinstitut dastehen.
-
-Wir werden dies auf folgende Weise erreichen. Da den eigentlichen
-wesentlichen Theil unserer Anstalt, um dessenwillen alles Andere da ist,
-das Corps der Regularen bildet, so werden die Stellen in diesem Corps
-vertheilt auf die ^Kreise^ und ^Städte^ der Monarchie,[27] nach dem
-Maassstabe, wie jeder, gezwungen oder freiwillig, beiträgt. ^Stellen^,
-nicht in dem Sinne, dass nur der aus dem Kreise oder der Stadt Gebürtige
-diese Stelle haben könne, sondern jeder, dem eine solche Stelle zukommt
-und sie begehrt, erhält sie ohne Verzug; sondern also, dass zwischen dem
-Besitzer der Stelle und dem Kreise oder der Stadt, dem sie zufällt, ein
-Verhältniss entstehe, wie zwischen Clienten und Patron; dass der Erstere
-glaube, so wie sein eigentlicher Geburtsort ihm zu dem natürlichen
-Leben, so habe dieser Kreis oder diese Stadt ihm zu dem höheren
-wissenschaftlichen Leben verholfen; dass die letztere an den Successen
-dieses ihres Alumnus den Antheil von Ruhm nehme, den die griechischen
-Städte an den aus ihnen stammenden Siegern in den olympischen
-Wettkämpfen nahmen; endlich, dass der Erstere, wie hoch er auch jemals
-emporsteige, dennoch zeitlebens zu dankbarem Gegendienste bei jeder
-Gelegenheit bereit sey, und aus dem Clienten ein Patron werde. Mehrere
-zarte sittliche Verhältnisse, die daher entspringen, abgerechnet, wird
-sich auch ein Interesse und eine Achtung für Wissenschaft durch die
-Nation als ein sie ehrenvoll auszeichnender Charakterzug verbreiten, der
-wiederum die Quelle grosser Ereignisse werden kann. Stellen ferner,
-nicht in dem Sinne, dass die Zahl derselben jemals geschlossen sey,
-vielmehr soll jeder, der es werth ist und es begehrt, aufgenommen
-werden; sondern dass die vorhandenen und besetzten nach diesem
-bestimmten Maassstabe unter die Kreise u. s. w. vertheilt werden. Auch
-dem ^deutschen^ Ausländer (wer von anderer Nation wäre, qualificirt sich
-wegen Abgang der Sprache nicht zum Wechselleben mit uns) soll, wenn er
-würdig ist, besonders wenn er beim Eintritte zugleich der Verpflichtung,
-die das vollkommene Bürgerrecht (§. 40.) mit sich führt, sich
-unterwürfe, die Aufnahme unter die Regularen nicht abgeschlagen werden.
-Doch würde, nach dem Grundsatze, dass mit dem Auslande nur der
-Repräsentant der Einheit des Staates zu verhandeln hätte, diese
-Erlaubniss nur der König ertheilen können, und wären somit alle an
-Ausländer gegebene Plätze ^königliche^, keinesweges aber
-^Landes^-Stellen. Doch wäre der König zu ersuchen, diese Erlaubniss den
-von dem Lehrercorps vorgeschlagenen nicht leicht, und nicht ohne höchst
-bewegende Gründe zu versagen; indem, anderer Rücksichten zu schweigen,
-hierdurch die preussische Nation recht laut ihre Anerkennung des
-allgemeinen deutschen Bruderthumes documentirt, und auch dies in der
-Zukunft wichtige Ereignisse nach sich ziehen kann.
-
-[Fußnote 27: Wie es z. B. mit den Stellen an den sächsischen
-Fürstenschulen die Einrichtung ist; auch mit den weiterhin beschriebenen
-Modificationen.]
-
-
- §. 48.
-
-Nach Maassgabe, wie jeder Theil des Landes beiträgt, sollten auf ihn die
-Stellen vertheilt werden, sagte ich. So möchte, ohne alle Rücksicht, ob
-dadurch die Verwaltung vereinfacht werde oder nicht, indem weit höhere
-Dinge (die wirkliche Beschäftigung der Nation mit diesem Gegenstande und
-derselben Folgen) zu beabsichtigen sind, der bisherige Kalenderpacht
-ganz aufgehoben werden, dagegen aber die Kreise und Städte sich selber
-taxiren, wie viele Scheffel Korn für diesen Stempel sie zahlen wollten,
-die sie hernach durch eigene Distribution der Kalender wieder
-beitrieben; wobei ihnen vorbehalten bleiben müsste, die Stempelgebühr
-nach Steigen oder Fallen der Kornpreise zu steigern oder zu verringern.
-Nach dieser ihrer Quote am Beitrage zum Ganzen richtete sich ihr Antheil
-an der Berechtigung auf Stellen. Falls nicht, was der Schreiber dieses
-in seiner dermaligen Lage nicht erkunden kann, dadurch eine andere,
-schon eingeführte Stempeltaxe aufgehoben würde, so könnte diese Einnahme
-noch auf folgende Weise vermehrt werden: dass durch alle Theile der
-Monarchie dasselbe Eine Maass und Gewicht eingeführt werde, was ohnedies
-seit langem sehr zu wünschen war. Die Bestimmung eines solchen, und des
-Mittels, es unwandelbar zu erhalten, ist ein natürlich einer Akademie
-der Wissenschaften anheimfallendes Geschäft. Die Uebereinstimmung mit
-diesem Grundmaasse und Gewicht wäre nun allen Maassen und Gewichten
-durch einen Stempel zu attestiren, dessen Ertrag dem Institute zu gut
-käme, und auf dieselbe Weise beigetrieben würde.
-
-Ebenso würde das, woraus der bisherige Fonds der Universität Halle
-bestanden, auf Naturalien gesetzt, und denen, die es abzutragen schuldig
-sind, als Quote ihrer Berechtigung zur Besetzung der Stellen
-angerechnet.
-
-
- §. 49.
-
-Da die bei uns gebildeten Regularen den ersten Anspruch auf die ersten
-Stellen des Staates haben sollen, so würden, wenn noch andere
-Universitäten ausser uns in der Monarchie bestehen sollten, dieselben
-entweder auch sich zur Kunstschule, und zu diesem Behufe ein Corps von
-Regularen in ihrer Mitte bilden müssen; oder sie würden als reine
-Zugewandtheiten, in denen auch nicht einmal ein besserer Kern wirkte, zu
-betrachten seyn, und derselben Zöglinge ebenso am Verdienste wie am
-Rechte den unserigen nachstehen. Es ist zu befürchten, dass das erstere
-ihnen nicht sonderlich gelingen werde, indem wir, die wir ohnedies im
-Anfange nicht einmal auf Vollständigkeit für unseren Bedarf rechnen
-können, ihnen ohne Zweifel weder im Inlande noch im Auslande etwas für
-eine Kunstschule Taugliches übriglassen werden; dass sie sonach, bei dem
-besten Bestreben, dennoch in die zweite höchst nachtheilige Lage kommen
-würden. Und so dürfte denn vielleicht das in Anregung Gebrachte zugleich
-die Veranlassung werden, um über eine tiefere, bisher mannigfaltig
-verkannte Wahrheit die Augen zu öffnen.
-
-Das Bestreben, die Schule und Universität recht nahe am väterlichen
-Hause zu haben, und in dem Kreise, in welchem man dumpf und bewusstlos
-aufwuchs, ebenso dumpf fortzuwachsen und in ihm sein Leben hinzubringen,
-ist unseres Erachtens zuvörderst entwürdigend für den Menschen; -- denn
-dieser soll einmal herausgehoben werden aus allen den Gängelbändern, mit
-denen die Familien-, Nachbar- und Landsmannsverhältnisse ihn immerfort
-tragen und heben, und in einem Kreise von Fremden, denen er durchaus
-nichts mehr gilt, als was er persönlich werth ist, ein neues und eigenes
-Leben beginnen, und dieses Recht, das Leben einmal selbstständig von
-vorn anzufangen, soll keinem geschmälert werden; -- sodann streitet es
-insbesondere mit dem Charakter des wissenschaftlichen Mannes, dem
-freier, über Zeit und Ort erhabener Ueberblick zukommt, den das Kleben
-an der Scholle aber, das höchstens dem gewerbtreibenden Bürger zu
-verzeihen, entehrt; endlich wird dadurch sogar die organische
-Verwachsung aller zu Einem und demselben Bürgerthume gehindert, und
-lediglich daher entstehen die Absonderungen einzelner Provinzen und
-Städte vom grossen Ganzen des Staates; daher, dass z. B. der Ostpreusse
-dem Brandenburger, der Thüringer dem Meissner, als etwas für sich
-bedeuten wollend, gegenübertritt, und man sich nicht wundern muss, dass
-z. B. der Baier dem Preussen gegenüber sich der gemeinsamen Deutschheit
-nicht entsinnt, da ja sogar der Ostpreusse zuweilen des gemeinsamen
-Preussens vergisst. Aus keinem in solcher Beschränktheit Aufgewachsenen
-ist jemals ein tüchtiger Mensch oder ein umfassender Staatsmann
-geworden. Wäre dieses Bestreben einmal in seiner wahren Natur erkannt,
-und so eingesehen, dass dasselbe keinesweges geschont, sondern ohne
-Barmherzigkeit weggeworfen werden müsse: so wäre auch kein Grund
-mehr vorhanden, warum mehrere Universitäten in derselben
-Staatseinheit bestehen sollten; es würde erhellen, dass der Ausdruck
-»^Provincialuniversität^« einen Widerspruch enthalte, indem die
-Universalität das Besondere aufhebt, und dass Ein Staat von Rechtswegen
-auch nur Eine Universität haben sollte. Sollen und müssen einmal
-diejenigen Bürger des gemeinsamen Staates, die nicht bestimmt sind,
-aus der unbeweglichen Scholle den Nahrungsstoff zu ziehen,
-durcheinandergerüttelt werden zu allseitiger Belebung: so ist dazu die
-Universität der einzig schickliche Ort, und mögen sie von da an wiederum
-nach allen Richtungen verbreitet werden, jeder, nicht dahin, wo er
-geboren ist, sondern wohin er passt, damit wenigstens an dieser edleren
-Klasse ein Geschlecht entstehe, das nichts weiter ist, denn Bürger, und
-das auf der ganzen Oberfläche des Staates zu Hause ist.
-
-Nach diesen Principien müssten die anderen in der preussischen Monarchie
-vorhandenen Universitäten eingehen, und die Fonds derselben zu unserer
-Anstalt gezogen werden. Die in die neue Anstalt nicht herübergezogenen
-Lehrer könnten ihre Gehalte fortziehen, oder auch nach Maassgabe ihrer
-Brauchbarkeit anderwärts versorgt werden. (Einen Theil derselben würden
-wir, als die §. 42. beschriebene Art von Mitgliedern des Rathes der
-Alten, sogar nothwendig brauchen.) Diese herübergezogenen Fonds würden
-auf die Provinzen der eingegangenen Universitäten, als Quoten ihrer
-Berechtigung auf Stellen, vertheilt, zum Ersatze des verlorenen Rechtes
-im Schoosse der Familie den gelehrten Hausbedarf an sich zu bringen.
-Ueber unseren Plan gehörig verständiget, ist sogar zu hoffen, dass sie
-sich diese Abänderung gern werden gefallen lassen.
-
-(Als Einwürfe dagegen erwähne ich zuvörderst einen, den man kaum für
-möglich halten würde, wenn er nicht wirklich gemacht würde, den ^von der
-weiten Reise^. Gerade die Möglichkeit, junge Menschen vorauszusetzen,
-welche die Unbequemlichkeit eines Transportes scheuen, wie Bäume, oder
-vor den Gefährlichkeiten einer Reise, z. B. von Königsberg nach Berlin,
-sich fürchten, beweiset, wie nothwendig es seyn möge, dem Muthe mancher
-in der Nation hierin ein wenig zu Hülfe zu kommen. Oder ist der
-Kostenaufwand für ordinäre Post und Zehrung auf dieser kurzen Reise
-ihnen so fürchterlich, so könnte man ja den sich berechtigt glaubenden
-Provinzen aus den Fonds eine Reisestipendienkasse zugestehen, aus denen
-sie für die gar zu Dürftigen diese kleine Ausgabe bezahlten.
-
-Sodann meint man: es könnte doch etwa einmal auf einer solchen
-Universität ein besonderer und interessanter Geist und Ton entstehen,
-den wir durch eine Aufhebung dieser Universität ganz unschuldig viele
-Jahre vor seiner Geburt morden würden, und man befürchtet, dass wir der
-Entwickelung der herrlichen Originalität innerhalb solcher kleinen
-Beschränkungen Eintrag thun würden. Hierauf dienet zur Antwort: dass
-zufolge der Zeit, in welcher die Wissenschaft steht, es in derselben
-nicht mehr Legionen Geister, die jeder für sich ihr Wesen treiben,
-sondern nur Einen, in seiner Einheit klar zu durchdringenden Geist
-giebt, für dessen ewige allseitige Anfrischung gerade an unserem
-Institute durch die sehr häufige Erneuerung des lehrenden Corps, und
-durch den offen geführten edlen Wettstreit aller miteinander, vorzüglich
-gesorgt ist; dass aber diese vorgebliche Originalität innerhalb localer
-Beschränkung nicht Originalität, sondern vielmehr ^Caricatur^ sey,
-welche, so wie den schlechten Geschmack, der an ihr sich labt, immermehr
-verschwinden zu machen, auch ein Zweck unserer Anstalt ist. Es bliebe
-nach Beseitigung dieser sich aussprechenden Einwürfe kein anderer übrig,
-als das dunkle Gefühl des Strebens, doch ja nichts umkommen zu lassen,
-indem allerhand, uns freilich nicht bekanntes Heil durch irgend eine
-Zauberkraft daraus sich entwickeln könne, mit welchem, als selbst nicht
-auf deutliche Begriffe zu Bringendem, man in der Region deutlicher
-Begriffe nicht reden kann.)
-
-
- §. 50.
-
-Die Stellen der Kanoniker an den Hochstiften waren ursprünglich für den
-Unterricht eingesetzt, und die Einkünfte könnten diesem ersten Zwecke
-füglich zurückgegeben werden. Auf die gleiche Weise ist der Streit gegen
-die Ungläubigen, wozu die Johanniter-Maltheserritter gestiftet worden,
-nicht mehr an der Tagesordnung, wohl aber der geistige Krieg gegen
-Unwissenheit, Unverstand und alle die traurigen Folgen derselben; und
-könnten so auch diese Güter diesem Zwecke gewidmet werden. Sie würden
-auf dieselbe Weise, wie die früher erwähnten Einkünfte, als Recht auf
-Stellen unter die Beitragenden vertheilt.
-
-Ich sage nicht, dass unser einiges Institut diese ohne Zweifel sehr
-grossen Hülfsquellen verschlingen solle. Dieses Institut muss für sich
-den Grundsatz der Verwaltung haben, dass ihm alles dasjenige, dessen es
-für die Erreichung seiner Zwecke bedarf, unfehlbar werde, dass es aber
-auch durchaus nichts begehre, dessen es nicht bedarf; noch kann es einen
-anderen haben, ohne durch überflüssiges Geschlepp und Gepäck sich selbst
-zur Last zu werden. Sodann wird zu bedenken seyn, dass auch der,
-demnächst sogleich zu reformirenden niederen Schule ihr Antheil zukomme;
-ferner, dass wenn es über kurz oder lang zu einer ernstlichen Reform der
-Volkserziehung kommen sollte, auch für die Unterstützung dieses Zweckes
-das Nöthige vorhanden seyn müsse. Wir wollen nur sagen, dass gerade die
-gegenwärtige Zeit der Verlegenheit benutzt werden könne, um jene bisher
-anders angewendete Güter für diesen grösseren Zweck des gesammten
-Erziehungswesens in Beschlag zu nehmen, und dass es unter anderen auch
-der Kunstschule freistehen müsste, von ihnen Gebrauch zu machen, falls
-einmal ihre anderen Quellen nicht ausreichend befunden würden. Selbst
-auf den Fall, dass zunächst, oder irgend ein andermal, der Staat für
-eigene Zwecke dieser Einkünfte bedürfe, worüber tiefer unten: so würde
-es immer ein freundlicheres Ansehen haben, wenn er sie zuerst für
-diesen, als Zweck der Nation unmittelbar einleuchtenden Zweck der
-Nationalerziehung in Beschlag genommen hätte.
-
-
- §. 51.
-
-Wie in Absicht der regularen Stellen überhaupt der Grundsatz feststeht,
-dass jedwedes Individuum, das zu einer solchen sich qualificirt, und sie
-begehrt, sie haben müsse, so steht in Absicht ^der Zahlung^ der
-Grundsatz fest, dass, wer zahlen könne, zahlen müsse, wer aber nicht
-zahlen könne, dieselbe, ^inwiefern er nicht zahlen kann^, unweigerlich
-frei erhalte. Nicht die Zahlung qualificirt, sondern die anderweitige
-Leistung; und so soll auch der doppelt oder dreifach Zahlende dennoch,
-als Ausländer, bei dem Könige, als Inländer, bei einem Kreise, eine
-Stelle als freie Gunst nachsuchen, damit er wisse, dass es in unserer
-Anstalt noch etwas giebt, das für Geld nicht zu haben ist, und soll der
-etwanigen ökonomischen Rücksicht, dass man den Zahlung Anbietenden in
-Absicht der Proben der Würdigkeit gelinder behandle, durchaus kein
-Einfluss gestattet werden. Ebenso schliesst auch nicht das Unvermögen zu
-zahlen aus, sondern das geistige Unvermögen.
-
-Die zu leistende Zahlung ist zu berechnen im Durchschnitte (am besten
-auch nach Scheffeln Getreide) auf die eben erwähnten, dem Zöglinge in
-Natur zu liefernden Bedürfnisse, auf Honorar an die Lehrer für
-Unterricht und Prüfung bei Ertheilung des Meisterthums, auf Gebrauch der
-öffentlichen literarischen Schätze u. s. w., und haben die Eltern oder
-Vormünder des zahlenden Zöglings der Oekonomieverwaltung Caution zu
-leisten auf die Zeit, für welche der Zögling in das Institut aufgenommen
-wird, indem man ihn, um späterhin ausbleibender Zahlung willen, ja nicht
-ausstossen könnte, dennoch aber die Verwaltung auf ihn als Zahler
-rechnet. Die Form dieser Sicherstellung wird leicht sich finden lassen.
-Und zwar werden alle jene in Rechnung kommende Gegenstände also
-berechnet, wie sie dem Zöglinge zu stehen kommen würden, wenn er einen
-Privathaushalt führte, keinesweges aber also, wie sie der alles im
-Ganzen an sich bringenden Verwaltung zu stehen kommen: wie denn dies, da
-dieser grosse Haushalt ohne Zutritt des Einzelnen als eine Einrichtung
-des Staates besteht, ganz billig ist, und schon dadurch zu Deckung der
-Freistellen ein Beträchtliches gewonnen werden kann.
-
-Es ist zu hoffen, dass unsere reichen Häuser, deren Glanz ja sonst bei
-also getroffenen Einrichtungen in ihrer Nachkommenschaft erlöschen
-würde, den Zutritt zu unseren Regularen fleissig nachsuchen, und dass
-besonders unser Adel diese Gelegenheit mit Freuden ergreifen werde, um
-zu zeigen, dass es nicht bloss die versagte Concurrenz war, die ihn bei
-seinem bisherigen Range erhielt, sondern dass er auch bei eröffneter
-freier Concurrenz mit dem Bürgerstande denselben zu behaupten vermöge.
-Es könnte hierbei festgesetzt werden, dass die ^Grafen^ doppelte Zahlung
-leisteten, wie dies in Absicht der Collegienhonorarien auch bisher also
-gehalten worden; andere Adelige noch die Hälfte des ganzen Quantums
-zuschössen.
-
-Freistellen müssen nicht nothwendig ^ganze^ Freistellen seyn, indem eine
-Familie, die zwar nicht alle diese Kosten zu tragen vermöchte, doch
-vielleicht einen Theil derselben tragen kann. Es kann also Viertel-,
-Halbe-, Dreiviertelfreistellen geben, nach Maassgabe des Vermögens der
-Familie.
-
-Doch sollen ganz Unvermögende auch ganz freie Station erhalten; und es
-soll in Rücksicht dieser sogar eine Veranstaltung getroffen werden,
-wodurch sie beim einstigen Austritte aus dem Collegium der Regularen,
-wie dieser auch übrigens ausfallen möge, für die erste Zeit und bis zu
-einiger Anstellung gedeckt seyen.
-
-Die Entscheidung über diese theilweisen oder ganzen Befreiungen fällt
-der ökonomischen Verwaltung des Institutes zu, welchem zu diesem Behufe
-die Eltern oder Vormünder des Zöglings genügende Einsicht in die
-Vermögensumstände desselben zu geben haben. Es muss bei dieser Einsicht
-Genauigkeit stattfinden, indem hierüber das Ehrgefühl der Nation selbst
-geschärft werden soll, und so, wie Armuth keine Schande, das
-Sicharmstellen und die Raubgier, welche den Ertrag milder Stiftungen
-wirklich Unvermögenden wegzunehmen sucht, zur grossen Schande werden
-sollen. Hinwiederum ist mild und freundlich dem wirklichen Unvermögen
-das Gebührende zu erlassen, und es ist darum klar, dass diese Verwalter
-für den Fortgang der Wissenschaften redlich interessirte, und
-talentvolle Jünglinge, auch wenn sie arm sind, herzlich liebende Männer,
-und also selbst ^Akademiker^, wo möglich ^ausgetretene Lehrer^ seyn
-müssen.
-
-Welcher nun unter den Zöglingen seine Stelle ganz, oder theilweise frei
-habe, braucht niemand zu wissen, ausser die Eltern oder Vormünder eines
-solchen und die erwähnten Verwalter; indem dieses die beiden Theile
-sind, welche die Abkunft geschlossen, und sind diese allerseits zur
-Verschwiegenheit zu verpflichten. Denn obwohl Armuth fernerhin keine
-Schande seyn soll, so soll doch so lange, bis es allgemein
-dahingekommen, dem zahlenden Zöglinge auch die Versuchung erspart
-werden, sich über den ihm bekannten Nichtzahler neben ihm zu erheben.
-Alle sollen in solche Gleichheit gesetzt werden, dass dem Reichsten das
-wenige, Anständigkeitshalber vielleicht nöthige Taschengeld von der
-Verwaltung nicht reichlicher gereicht werde, als dem ganz freien Armen.
-Nicht einmal der freigehaltene Zögling selbst braucht diesen Umstand zu
-wissen; denn obwohl wir für das Daseyn der Anstalt überhaupt die
-Dankbarkeit Aller, Zahler oder Nichtzahler, in Anspruch nehmen, so
-wollen wir doch dafür, dass jedes Talent, auch ohne Aequivalent in
-Gelde, bei uns Entwickelung findet, keinen besonderen Dank, indem wir
-dies für Pflicht, so wie für den eigenen Vortheil des Vaterlandes
-erkennen. Und so sind denn die an die Kreise zu vertheilenden Stellen
-keinesweges Kost- oder Freistellen, sondern es sind Stellen überhaupt.
-Jede mögliche Stelle kann auch Freistelle werden; nur weiss der Kreis
-selber nicht, wie es sich damit verhält, sondern nimmt unbefangen
-Antheil an den wissenschaftlichen Fortschritten seines Clienten, ohne zu
-wissen, auf welche besondere ökonomischen Bedingungen er dieses ist.
-
-
- §. 52.
-
-Indem der Ausfall, der durch diese ertheilten Befreiungen in der
-Oekonomie des Regulats entsteht, aus der Gesammtheit der oben
-verzeichneten Quellen bestritten werden muss, dieser Ausfall aber,
-jenachdem das vorzüglichere Talent aus den reichen oder aus den
-unbegüterten Klassen der Nation hervorgeht, sehr wandelbar und
-veränderlich seyn dürfte: so ist klar, dass in diesem Haupttheile der
-Ausgaben keine Fixirung stattfinde, dass der Verwaltung grosse
-Hülfsmittel zur Disposition stehen müssen, dass dieselbe durchaus kein
-Interesse hat, dieselben ohne Noth zu verschwenden, dass sie demnach die
-etwanigen Ersparnisse getreulich den Händen der Regierung zurückliefern
-wird, welche über die Wahrhaftigkeit des Resultates der geführten
-Verwaltung durch eine, gleichfalls auf Stillschweigen zu verpflichtende
-Behörde Einsicht nehmen kann; endlich, dass dieser ganze Theil der
-Verwaltung dem übrigen Publicum ein dasselbe nicht angehendes und ihm
-undurchdringliches Geheimniss bleibe. Das lehrende Corps ist es
-eigentlich, das nach den gelieferten Aufsätzen oder der von der niederen
-Schule gebrachten Tüchtigkeit, ohne alle Rücksicht oder Notiz von den
-Vermögensumständen, das Regulat ertheilt: dies ist das Erste und
-Wesentliche. In dieser Ertheilung können sie, nach dem aufgestellten
-Grundsatze, dass durchaus kein vorzügliches Talent ausgeschlossen werden
-solle, nicht beschränkt werden. Wie es mit dem also zum Regularen
-unwiederbringlich Ernannten in ökonomischer Rücksicht gehalten werden
-solle, ist die zweite ausserwesentliche Frage, deren Beantwortung der
-Oekonomieverwaltung anheimfällt. Dieser verbietet Gerechtigkeitsgefühl
-und Rücksicht auf Ehrliebe der Nation, Befreiung ohne Noth zu
-begünstigen; die Natur der ganzen Einrichtung aber, sie der dargelegten
-Noth zu versagen; und so kann auch diese auf keine Weise eingeschränkt
-werden.
-
-Ebensowenig findet im zweiten Haupttheile der Ausgaben, der Besoldung
-der Lehrer und anderer Akademiker, der Erhaltung oder neuen Anschaffung
-von Literaturschätzen, und anderer den Fortgang der Wissenschaften
-befördern sollender Einrichtungen, eine Fixirung statt. Denn obwohl sich
-auch etwa ein Maximum des Gehaltes für einen einzigen festsetzen liesse,
-so lässt sich doch durchaus nichts festsetzen über die Anzahl der zu
-Besoldenden, von so höchst verschiedenen Arten und Klassen, sondern es
-richtet sich diese, sowie die anderen angegebenen Veranlassungen von
-Ausgaben, nach dem jedesmaligen Zustande der Wissenschaft, und ist
-wandelbar wie dieser. Die Mitglieder der Anstalt können in diesen
-Beurtheilungen nur das Heil der Wissenschaft und ihrer Anstalt als
-höchstes Gesetz anerkennen, und sie sind diejenigen, denen gründliche
-Durchschauung desselben, sowie herzliche Liebe dafür sich am
-vorzüglichsten zutrauen lässt; auch verbietet die Erwägung dieses Heils
-selbst ihnen ebenso unnöthige Verschwendung in allen den erwähnten
-Zweigen, als schädliche und unwürdige Sucht zu sparen. Und so geht denn
-auch für diesen Theil dasselbe Resultat hervor, das wir oben für den
-ersten Theil aufstellten; es gilt dasselbe demnach fürs Ganze.
-
-
- §. 53.
-
-In Absicht des Besoldungssystems möchte festgesetzt werden 1) ein
-Gehalt, der dem Akademiker, als solchem, gereicht wird, und der dem des
-vollkommenen Bürgerrechtes Theilhaftigen unter keiner Bedingung entzogen
-werden kann. Da nicht so leicht jemand bloss Akademiker seyn wird, so
-ist dieser Gehalt nur als ein Beitrag, keinesweges aber als das, woraus
-der ganze anständige Unterhalt des Mannes zu bestreiten sey, zu
-betrachten. 2) Das Mitglied des Rathes der Alten hat entweder ein
-anderweitiges Staatsamt, oder eine von den mannigfaltigen ökonomischen
-oder Aufseherstellen, die aus der Natur unseres Instituts hervorgehen,
-wofür er besonders besoldet wird; auch wäre er für die Weisen, wie er
-durch vorübergehende Vorlesungen oder andere Leistungen uns nützlich
-wird, durch vorübergehende Remunerationen zu entschädigen. Arbeitet er
-an einem gelehrten Werke, so könnte ihm auch für diesen Behuf die
-Oekonomieverwaltung Unterstützung oder Vorschüsse leisten. 3) Der
-ausübende Lehrer wird nach Maassgabe seiner Arbeit an Vorlesungen und
-anderen Uebungen und Prüfungen besonders besoldet. Die Zugewandten
-zahlen für alle diese Gegenstände, inwiefern sie an denselben Antheil
-nehmen wollen, ein festzusetzendes Honorar, und zwar ^voraus^. Denn es
-wird dadurch eines solchen Zugewandten, der sein vorausbezahltes Geld
-nun auch wiederum abhören will, Fleiss und Regelmässigkeit sehr
-befördert; und mögen wir ihm diese Art der Ermunterung gern gönnen. Der
-Regulare ist hierin frei, und wird eben der Gehalt des Lehrers als sein
-von der Verwaltung für ihn bezahlter Beitrag, der ja bei Zahlstellen
-auch angerechnet wird, betrachtet. Dieses von den Zugewandten zu
-ziehende Honorar ist jedoch dem Lehrer bei Fixirung seines Gehaltes
-nicht eben in Rechnung zu bringen, sondern derselbe also zu setzen, als
-ob er neben seinem Gehalte als Akademiker von diesem leben müsste; um
-ihn von dem Beifalle dieser Zugewandten ganz unabhängig zu erhalten.
-
-Dasselbe Honorar von den Zugewandten haben auch die ausserordentlichen
-Professoren zu beziehen.
-
-Eigentlich ist es die Akademie selbst, welche als unumschränkte
-Oekonomieverwaltung (§. 52.) sich selbst aus ihrer Mitte besoldet. So
-wie die anderen Stände nicht verlangen sollen, dass diese in
-Anständigkeit des Auskommens ihnen nachstehen, so wird auch ihnen von
-ihrer Seite gerade jenes nicht zu vermeidende Verhältniss die Pflicht
-auflegen, vor den Augen der Nation nicht als unersättliche und
-habsüchtige, sondern als edle und sich bescheidende Männer dazustehen;
-und ist diese Denkart auf alle Weise in sie hineinzubringen.
-
-
- §. 54.
-
-Für das erste Lehrjahr möchte es zweckmässig seyn, den encyklopädischen
-Lehrern, sowie etwa den anderen nöthig befundenen Unterlehrern, wenn,
-wie es grösstentheils der Fall seyn dürfte, sie schon ausserdem, als
-Akademiker oder dergl., einen fixirten lebenslänglichen Gehalt haben,
-eine besondere Remuneration für die Arbeiten dieses ersten Lehrjahres
-zuzugestehen, und für die folgenden Lehrjahre sich ein weiteres Bedenken
-vorzubehalten; unter anderen auch, damit man erst sähe, wie sich jedes
-machte, und ob nicht indessen etwas Anderes sich findet, das sich noch
-besser macht. In Bestimmung dieser Remuneration wäre, inwiefern nicht
-etwa der Mann schon sonst ausreichend besoldet ist, und man in dieser
-Rücksicht schon ohnedies einen Anspruch hat auf seine ganze Kraft,
-billig als Maassstab unterzulegen, was in dieser Zeit durch
-Schriftstellerei hätte erworben werden können. Denn obwohl das bisweilen
-auch übliche Ablesen eines vor langen Jahren angefertigten Heftes etwas
-höchst Bequemes ist, und kaum eine andere Kraft fordert, als die der
-Lunge, so dürfte doch eine solche Verwaltung des Lehramts, wie wir sie
-gefordert haben, und die unter anderen auch den grössten Theil der alten
-Hefte unbrauchbar macht, alle Kraft und Zeit des Lehrers in Anspruch
-nehmen; und wer diese Verhältnisse kennt, weiss, dass Collegienlesen auf
-die gewöhnlichen Bedingungen für einen nicht ungewandten Schriftsteller
-in ökonomischer Rücksicht ein Opfer ist, das zwar der wackere Mann gern
-bringt, der auch wackere aber nicht ohne Noth fordert.
-
-
- §. 55.
-
-Für dieses erste Jahr könnte nun der Universität vom Staate ein
-öffentlicher Hörsaal eingegeben werden. Die Studirenden löseten gegen
-ihr Honorar, etwa bei dem, um der Inscriptionen willen auch gleich
-anfangs anzustellenden Justitiarius der Universität, ^Belege^
-(Zutrittskarten), nach welchen ihnen, durch einen gleichfalls
-anzustellenden ^famulus communis^, auf eine zu Jena seit 1790 übliche,
-dem Schreiber dieses wohlbekannte Weise, ihre Plätze im Auditorium
-angewiesen werden. Da wir im ersten Jahre noch keine Regulare haben
-(Novizen können wir haben, die aber doch immer nur als Zugewandte zu
-betrachten sind), sonach diese etwa künftigen Regularen, denen
-vielleicht auch künftig Freistellen gegeben werden, in der allgemeinen
-Masse der Zugewandten noch unentdeckt liegen: so soll der Justitiarius,
-nach einem ihm etwa anzugebenden Kanon, diese erwähnten Belege auch frei
-geben können, worüber er sich hernach mit dem Lehrer, der das Collegium
-liest, zu berechnen hat. Ebenso wäre ein Plan zu entwerfen, wie man
-während dieses ersten Jahres unvermögende Studirende durch Stipendien,
-Freitische und dergl. unterstützen könnte. Doch ist die Einführung des
-gewöhnlichen Convictoren-, Stipendiaten-Examens und dergl., durch welche
-der Unvermögende herausgehoben und bezeichnet wird, als mit unserm
-allerersten Grundsatze über diesen Gegenstand streitend, auch im ersten
-Jahre zu vermeiden. Sollte man nicht etwa späterhin über den Grundsatz
-sich einverständigen, ^dass bei solchen, die da Regulare werden weder
-könnten, noch wollten^ (wo bei Bejahung des letzten Falles die
-einigermaassen frei zu haltenden wenigstens ^Novizen^ seyn müssten, und
-es im Noviziate über diesen Punct eben also gehalten werden könnte, wie
-oben (§. 51.) für das Regulat vorgeschlagen worden), und da die zu
-subalternen Geschäften nöthigen Handwerksfertigkeiten weit sicherer und
-schicklicher ausserhalb der Universität erlernt werden, ^das Studiren
-ein blosser Luxus sey, der, wenn er ja statthaben solle, aus eigenen
-Mitteln, keinesweges aber auf Kosten des Staates, bestritten werden
-müsse^; sondern sollte man darauf bestehen, die milden Stiftungen der
-über diese Dinge freilich nicht so scharf sehenden Vorwelt, auf die
-bisherige Weise zu verwenden: so kann man freilich nichts dagegen haben,
-dass dergleichen Beneficiaten unter den blossen Zugewandten auf alle
-Weise bezeichnet werden, und, so Gott will, ihnen sogar eine metallene
-Nummer an den Aermel geheftet werde, damit die Liebeswerke doch auch
-recht in die Augen fallen! Nur soll man den nicht also behandeln, der
-einmal ein Ehrenjüngling und Regularer werden könnte.
-
-
- §. 56.
-
-Diese also zu einem organischen Ganzen verwachsene Akademie der
-Wissenschaften, wissenschaftliche Kunstschule und Universität muss ein
-Jahresfest haben, an welchem sie sich dem übrigen Publicum in ihrer
-Existenz und Gesammtheit darstelle. Der natürlich sich ergebende Act
-dieses Festes ist die Ablegung der Rechenschaft über ihre Verhandlungen
-das ganze Jahr über; und es sollten hiebei zugegen seyn Repräsentanten
-der Nation, gewählt aus den zu den Stellen Berechtigten, und des Königs,
-beider, als der Behörde, der die Rechenschaft abgelegt wird. Zu diesem
-Feste wäre der Geburtstag Friedrich Wilhelms des Dritten, als dessen
-Stiftung jener Körper existiren wird, falls er jemals zur Existenz
-kommt, unabänderlich und auf ewige Zeiten festzusetzen.
-
-
- §. 57.
- Corollarium.
-
-Die einzelnen Vorschläge dieses Entwurfes sind keineswegs unerhörte
-Neuerungen; sondern sie sind, wie sich bei einem so viele Jahrhunderte
-hindurch in so vielen Ländern bearbeiteten Gegenstande erwarten lässt,
-insgesammt einzeln irgendwo wirklich dagewesen, und lassen sich bis
-diesen Augenblick in mehreren Einrichtungen der Universitäten Tübingen,
-Oxford, Cambridge, der sächsischen Fürstenschulen, in ihrem sehr guten,
-das Gewöhnliche weit übertreffenden Erfolge, darlegen. Lediglich darin
-könnte der gegenwärtige Entwurf auf Originalität Anspruch machen, dass
-er alle diese einzelnen Einrichtungen durch einen klaren Begriff in
-ihrer eigentlichen Absicht verstanden, sie aus diesem Begriffe heraus
-wiederum vollständig abgeleitet, und sie so zu einem organischen Ganzen
-verwebt habe; welches, wenn es sich also verhielte, demselben
-keinesweges zum Tadel gereichen würde.
-
-Den Haupteinwurf betreffend, den derselbe zu befürchten hat, den der
-Unausführbarkeit, muss in der Berathschlagung hierüber nur nicht die im
-Verlaufe von allen Seiten hinlänglich charakterisirte, übrigens
-ehrenwerthe und von uns herzlich geehrte Klasse gefragt werden, welche,
-wenn nur sie allein in der Welt vorhanden wäre, mit ihrer Behauptung der
-absoluten Unausführbarkeit recht behalten würde. Wir selbst geben zu,
-dass im Anfange die Ausführung am allerunvollkommensten ausfallen werde,
-glauben aber sicher rechnen zu dürfen, dass, wenn es überhaupt nur zu
-einigem Anfange kommen könne, der Fortgang immer besser gerathen werde;
-selbst aber auf den Fall, dass wir befürchten müssten, es werde sogar
-nicht zu einem rechten Anfange kommen, müssten wir dennoch den Versuch
-nicht unterlassen, indem im allerschlimmsten Falle wir doch nichts
-Schlimmeres werden können, denn eine Universität nach hergebrachtem
-deutschem Schlage.
-
-Die allgemeinen Merkmale der Gründlichkeit eines Planes, der sich nicht
-bescheiden mag, ein blosser schöner Traum zu seyn, sondern der auf
-wirkliche und alsbaldige Ausführung Anspruch macht, sind diese: dass er
-zuvörderst nicht etwa die wirkliche Welt liegen lasse und für sich
-seinen Weg fortzugehen begehre, sondern dass er durchaus auf sie
-Rücksicht nehme, wiewohl allerdings nicht in der Voraussetzung, dass sie
-bleiben solle, wie sie ist, sondern dass sie anders werden solle, und
-dass im Fortgange nicht Er sich ihr, sondern Sie sich ihm bequeme; und
-dass er, nach Maassgabe der Verwandtschaft, eingreife auch in die
-übrigen Verhältnisse des Lebens, und wiederum von diesen getragen und
-gehoben werde; sodann, dass er, einmal in Gang gebracht, nicht der immer
-fortgesetzten neuen Anstösse seines Meisters bedürfe, sondern für sich
-selbst fortgehe, und, so ers braucht, zu höherer Vollkommenheit sich
-bilde. Nach diesen Merkmalen sonach ist jeder Entwurf zu prüfen, wenn
-die Frage über seine Ausführbarkeit entschieden werden soll.
-
-
-
-
- Dritter Abschnitt.
- Von den Mitteln, durch welche unsere wissenschaftliche Anstalt
- auf ein wissenschaftliches Universum Einfluss gewinnen solle.
-
-
- §. 58.
-
-Das in unserer Kunstschule einmal begonnene wissenschaftliche Leben soll
-nicht etwa in jeder künftigen Generation, sowie es schon da war, nur
-sich ^wiederholen^, viel weniger noch soll es ungewiss herumtappen, und
-so selbst Rückfällen ins Schlimmere ausgesetzt seyn; sondern es soll mit
-sicherem Bewusstseyn und nach einer Regel zu höherer Vollkommenheit
-fortschreiten. Damit dies möglich werde, muss die Schule die in einem
-gewissen Zeitpuncte errungene Vollkommenheit irgendwo deutlich und
-verständlich niederlegen; an welche also niedergelegte Stufe der
-Vollkommenheit dieses Zeitpunctes das beginnende frische Leben sich
-selber und seine Entwickelung anknüpfe. Am besten wird diese
-Aufbewahrung geschehen vermittelst eines ^Buches^.
-
-
- §. 59.
-
-Da aber das wirkliche, in unmittelbarer Ausübung befindliche Leben der
-wissenschaftlichen Kunst fortschreitet von jeder errungenen Entwickelung
-zu einer neuen, jede dieser Entwickelungen aber, als die feste Grundlage
-der auf sie folgenden neuen, niedergelegt werden soll im Buche: so folgt
-daraus, dass dieses Buch selbst ein fortschreitendes, ein ^periodisches^
-Werk seyn werde. Es sind ^Jahrbücher^ der Fortschritte der
-wissenschaftlichen Kunst an der Kunstschule; welche Jahrbücher, wie ein
-solcher Fortschritt erfolgt ist, ihn bestimmt bezeichnet niederlegen für
-die nächste und alle folgende Zeit, und welche, wenn die
-wissenschaftliche Kunst nicht unendlich wäre, einst nach Vollendung
-derselben begründen würden eine ^Geschichte^ dieser -- sodann
-vollendeten Kunst.
-
-
- §. 60.
-
-Die Kunst schreitet fort auf zwiefache Weise: theils überhaupt, wie
-alles Leben, dass sie eben lebendig bleibe, und niemals erstarre oder
-versteine; theils dass dieses überhaupt also fort^gehende^ Leben auch
-fort^schreite^ zu höherer Kraft und Entwickelung. Dies Letztere
-geschieht wiederum auf doppelte Weise: nemlich zuerst in ihm selber und
-intensive, in Absicht des ^Grades^, sodann nach aussen hin und
-extensive, indem es immer mehr des ihm angemessenen Stoffes in sich
-aufnimmt, und ihn mit sich ihn durchdringend organisirt, also in Absicht
-der Ausdehnung. -- Todt ist ein wissenschaftlicher Stoff, so lange er
-einzeln und ohne sichtbares Band mit einem Ganzen des Wissens dasteht,
-und lediglich dem Gedächtnisse, in Hoffnung eines künftigen Gebrauches,
-anheimgegeben wird. Belebt und organisirt wird er, wenn er mit einem
-andern verknüpft, und so zu einem unentbehrlichen Theile eines
-entdeckten grösseren Ganzen wird; und jetzt erst ist er der Kunst
-anheimgefallen. Wird dieses schon entdeckte und in den Jahrbüchern
-vorliegende Ganze mit einem klaren Begriffe durchdrungen (die Klarheit
-ist aber ein ins Unendliche zu steigerndes), dass die Theile sich noch
-enger an einander anschliessen und durch einander verwachsen: so hat die
-Kunst intensiv gewonnen; greift der vorhandene Einheitsbegriff weiter,
-und erfasst ein bis jetzt noch einzeln dastehendes Glied, so gewinnt sie
-extensive. Beide Arten des Fortschrittes unterstützen sich
-wechselseitig, und arbeiten einander vor. Die ^Erweiterung^ des
-Begriffes macht seine ^Verklärung^, seine ^Verklärung^ seine
-^Erweiterung^ leichter.
-
-In Absicht der zuerst erwähnten periodischen ^Anfrischung^ des
-wissenschaftlichen Lebens aber, die an sich kein Fortschreiten ist weder
-intensiv noch extensiv, verhält es sich also: -- Unabhängig in Absicht
-der Materie von der besonnenen und kunstmässigen Entwickelung, und
-gerade um so mehr, in je höherem Grade die letztere vorhanden ist,
-schreitet das geistige Leben des Menschengeschlechtes durch sich selber,
-wie nach einem unbewussten Naturgesetze fort. Die Sprache concentrirt,
-die Phantasie erhöht sich, die Schnelligkeit des Fassungsvermögens
-steigt, der Geschmack wird zarter; und so ^ersterben^ in einem späteren
-Zeitalter Formen, die der wahrhafte Ausdruck des Lebens eines früheren
-waren, und so muss oft das, dem in keiner Weise eine höhere innere
-Vollkommenheit sich geben liesse, dennoch aus der erstorbenen äusseren
-Form in die des dermaligen Menschengeschlechtes aufgenommen werden. (Wir
-machen an folgendem Beispiele unseren Gedanken klarer. -- Selber die
-Philosophie, als die reinste, stoffloseste Form, die auch im mündlichen
-Vortrage immer also, als reines Entwickelungsmittel der Kunst des
-Philosophirens, sich behandelt, geht dennoch in Beziehung auf stätigen
-Fortschritt der Wissenschaft auf ^ein Buch^ aus, welches ^die
-durchgeführte richtige Anwendung der Denkgesetze^, als festes und
-stehendes Resultat, absetze. Fürs erste nun, was nicht unmittelbar
-dasjenige ist, was wir sagen wollen, sondern wodurch wir uns
-vorbereiten: -- wäre nun ein solches Buch vorhanden, so würde bis ans
-Ende der Tage jedwedes Individuum, das ein Philosoph seyn wollte,
-vielleicht jenes Buch als Leitfaden brauchend, dennoch jene Anwendung
-der Denkgesetze ^selbst^ und in eigener ^Person^ durchführen müssen, und
-von dieser Arbeit jenes Buch ihn auf keine Weise entbinden. Dagegen
-hätte er davon folgenden Vortheil: führte sein Denken ihn auf ein
-anderes Resultat, als in jenem Buche vorliegt, so müsste er entweder
-deutlich und bestimmt nachweisen können, welcher Fehler in Anwendung der
-Denkgesetze im Buche begangen worden, der dieses von dem seinigen
-verschiedene Resultat hervorgebracht hätte; oder er wüsste, so lange er
-dies nicht könnte, sicher, dass er mit seinem eigenen Denken noch nicht
-im Klaren sey, er müsste annehmen, dass sein Resultat ebensowohl irrig
-seyn könnte, als das im Buche vorliegende, und hätte kein Recht, seinen
-Satz, der möglicherweise irrig seyn könnte, an die Stelle eines andern,
-der freilich auch irrig seyn kann, in dem allgemeinen Buchwesen zu
-setzen. Möchte er höchstens diesen seinen Satz, ausdrücklich als nicht
-sattsam begründet, für die weitere Untersuchung eines künftigen klareren
-Denkers aufbewahren. Und dies wäre denn in dem ersten, wie in dem
-zweiten Falle der Erfolg des vorhandenen Buches für die Wissenschaft,
-dort sichere Erweiterung, hier Verwahrung vor blindem Herumtappen und
-dem Eigendünkel, der da will, dass seine unbewiesenen Behauptungen mehr
-seyen, als anderer vielleicht bewiesene Behauptungen, indem er nur
-unfähig ist, den Beweis zu fassen. Hiervon reden wir nun zunächst nicht,
-sondern davon. Ob nun wohl auch jenes niedergelegte philosophische Buch
-also beschaffen wäre, dass es weder in seinem Inhalte, noch im Grade der
-Klarheit überhaupt eine Verbesserung erhalten könnte, so möchte es doch
-immer einer ^Erfrischung^ durch das neue Leben der Zeit bedürfen.)
-
-
- §. 61.
-
-Das bisher beschriebene gäbe nun das ^Kunstbuch^ der Schule. Nun zeigt
-sich diese Kunst, und ihr Leben schreitet fort, in Organisation eines
-Stoffes. Inwiefern dieser Stoff wirklich schon organisirt ist, ist er
-aufgenommen in die Kunst und in derselben Buch, und es bedarf für ihn
-keines besonderen Buches; inwiefern er aber noch nicht durchdrungen ist,
-und er also die weitere Aufgabe für die Kunstschule enthält, muss diese
-Aufgabe irgendwo in fester Gestalt niedergelegt seyn, und die Schule
-bedarf, ausser ihrem Kunstbuche, auch eines ^Stoffbuches^. Dies ist nun
-zum Theil schon vorhanden an dem ganzen vorliegenden Buchwesen, und muss
-nur die Schule dieses ^kennen^. Die dahin gehörigen Einrichtungen sind
-schon im vorigen Abschnitte angegeben, und es lässt in dieser Kenntniss
-ein Fortschritt nur so sich denken, dass diese Kenntniss des vorhandenen
-Buchwesens vervollständiget, und das allgemeine Repertorium desselben
-besser geordnet und einer leichteren Uebersicht im Ganzen zugänglicher
-gemacht werde, auf welchen Zweck auch unsere Schule in alle Wege
-anzuweisen ist. Jenes auf diese Weise schon vorhandene grosse Stoffbuch
-selber soll nun fortschreiten: zuvörderst, indem es seiner äusseren Form
-nach erfrischt und erneuert wird, sodann, indem in Absicht des Inhaltes
-es theils berichtigt und von den darin vorhandenen Fehlern gereinigt,
-theils immerfort ergänzt und erweitert wird. Das Letzte geschieht durch
-neue Entdeckungen auf dem Gebiete der Geschichte und der Naturkunde;
-welche Entdeckungen immerhin bei ihrer ersten Erscheinung zur Aufnahme
-in die Einheit sich nicht qualificiren mögen, dennoch aber, bis ein
-Mehreres zu ihnen hinzukommt, aufbehalten werden müssen. Durch diese
-neuen Entdeckungen verlängert sich wiederum das Stoffbuch nach der
-Peripherie hin, das nach der Seite seines Centrums immer mehr verkürzt
-und von dem Kunstbuche aufgenommen wird.
-
-Dieser Fortschritt, des Stoffbuches sowohl wie auch des Kunstbuches,
-kann sich nun begeben entweder ^bei uns^, oder ^bei anderen^; wo wir im
-letztern Falle die Ausbeute in unsere Schule und unser Buch aufzunehmen
-haben, damit das gesammte Buch des Menschengeschlechtes und sein
-wissenschaftlicher Fortschritt Einheit behalte.
-
-Zum Fortschritte dieses gesammten Buches gehören auch diejenigen
-Bestrebungen, dasselbe zu verbessern, die nur noch Versuche und noch
-nicht zu der Festigkeit gediehen sind, dass man sie in einem Buche
-niederlegen könne. Auch diese Versuche, wenn sie bei anderen angestellt
-werden, kennen zu lernen, wenn wir sie anstellen, uns dabei der
-Beobachtung anderer nicht zu entziehen, müssen wir Anstalt treffen.
-
-
- §. 62.
-
-Um über den Fortschritt der wissenschaftlichen Kunst, die im Kunstbuche
-dargelegt werden soll, ganz verständlich zu werden, legen wir unsere
-Gedanken dar an einem Beispiele.
-
-Wenn also z. B. mit der Universalgeschichte es dahin zu kommen bestimmt
-wäre, dass man einsähe, sie sey nicht ein Zufälliges, das auch entbehrt
-werden könne, sondern sie habe eine bestimmte, dem Menschengeschlechte
-sich aufdringende Frage nach bestimmten gleichfalls im menschlichen
-Geiste schon vorliegenden Frageartikeln zu beantworten, als etwa: wie
-unser Geschlecht zu menschlicher Lebensweise, zu Gesetzlichkeit, zu
-Weisheit, zur Religion, und worin noch etwa sonst die Ausbildung zum
-wahren Menschen bestehen mag, sich allmählig erhoben habe, -- hier
-einseitig, dann zurückfallend, um auch andere, bisher vernachlässigte
-Bildungsweisen in sich aufzunehmen; -- und man über diese Fragen zu
-einigen bestimmten und unveränderlichen Resultaten gekommen wäre: so
-würde man sodann auch einsehen, dass die bisher abgesteckten Epochen
-nach Entstehung oder Untergang grosser Reiche, nach Schlachten und
-Friedensschlüssen, die Regententafeln u. dergl. nur provisorische
-Hülfsmittel, berechnet auf eine Denkart, die nur durch die Erschütterung
-des äusseren Sinnes berührt wird, gewesen seyen, um die Sphäre jener
-besseren Ausbeute indessen zu erhalten; und man würde nur an jene,
-inniger an das Interesse der menschlichen Wissbegier sich anschmiegenden
-Epochen die Geschichte anknüpfen, welche nun allerdings auch jene ersten
-weniger bedeutenden mit sich fortführen würden, damit das Gemälde sein
-vollkommenes Leben bis auf den wirklichen Boden herab bekäme. Man würde
-z. B. nicht mehr sagen: unter der Regierung des und des wurde der Pflug
-erfunden, sondern umgekehrt: als der Pflug erfunden wurde, regierte der
-und der, dessen Leben vielleicht auf die weiteren Begebenheiten des
-Pfluges, auf welches letzteren Geschichte es hier doch allein ankommt,
-Einfluss hatte. Die Kunst der Geschichte wäre dadurch ohne Zweifel
-fortgeschritten, indem man nunmehro erst recht wüsste, wonach man in
-derselben zu fragen, und worauf in ihr zu sehen habe; sie wäre mit einem
-klaren Begriffe durchdrungen.
-
-Dadurch wäre auch die ganze Bearbeitung derselben an unserer Kunstschule
-verändert. Vorher bestand ihre eigentliche Aufgabe darin, jenen klaren
-Begriff und die festen Data, die eine Uebersicht der Begebenheiten nach
-seiner Leitung giebt, ^zu finden^, und in diesem Finden bestand die
-gemeinschaftliche Arbeit unserer Kunstschule. Jetzt ist dies da: es wird
-abgesetzt im Buche, das unser Zögling selber lesen mag. Vorher musste er
-ein nach anderen Epochen eingetheiltes Buch lesen, das ihm jetzt auch in
-alle Wege nicht ganz erlassen werden kann, das aber ihm, der einen
-Leitfaden von höherer Potenz hat, weit leichter haften wird, als seinem
-früheren Vorgänger. Die unmittelbar zu treibende Kunst an unserer Schule
-erhält in Beziehung auf die Geschichte eine andere Aufgabe; ohne Zweifel
-die, jene Data weiter auszuarbeiten und zu verbinden, und so mehr des
-bisher noch nicht durchdrungenen Stoffes der Facta durch den
-Grundbegriff zu durchdringen.
-
-So in allen anderen Fächern. Die Kunst gräbt fortgehend sich tiefer in
-bisher unsichtbare Welten; die in dem nunmehr ausgegrabenen Schachte
-gewonnene Ausbeute legt sie im Kunstbuche nieder, als Ausgangspunct und
-als Instrument ihres weiteren Verfahrens.
-
-Und so wäre denn 1) in unseren Jahrbüchern des Fortschrittes der Kunst
-an unserer Schule, als Hauptbestandtheile und als Epoche machend,
-niederzulegen die encyklopädischen Ansichten jedes unserer Lehrer von
-seinem Fache; kurz, versteht sich, und im Grossen und Ganzen. Sollte
-ihm, wie dies also zu erwarten, diese klare und ewig dauernde
-Rechenschaft auch nicht während der Ausübung seines Lehramtes angemuthet
-werden können, so kann sie dennoch nach dem Austritte ihm nicht füglich
-erlassen werden, und hat er darauf schon während der Ausübung zu
-rechnen.
-
-2) Da unsere Schüler auch Bücher lesen sollen, und wir ihnen überhaupt
-nichts zu sagen gedenken, was ebenso gut im Buche steht, so gehört zu
-jener encyklopädischen Rechenschaft eines Lehrers allerdings auch die
-Angabe, welche Lectüre er vorschreibe. Diese Lectüre mag für den Anfang
-in schon vorhandenen Büchern bestehen, und es wird in diesem Falle genug
-seyn, diese zu citiren.
-
-Späterhin aber werden wir, theils um die allenfalls veraltete äussere
-Form anzufrischen, theils aber und vorzüglich, wegen des durch den
-Fortschritt der Kunst ganz veränderten Ausgangspunctes der von uns
-wirklich zu ^treibenden^ Kunst, Lesebücher für unsere Zöglinge (ein
-^corpus^ jedes einzelnen Faches, wie es bisher nur ein ^corpus juris^
-gab) eigens drucken lassen müssen. In Absicht des ersten -- des
-Auffrischens -- wird zu beachten seyn, dass dies nicht von dem Ermessen
-des Einzelnen abhängen könne, sondern mehrere die Tüchtigkeit eines
-Einzelnen für diesen Behuf anerkennen müssen, indem nicht in jedem der
-gesammte lebendige Zeitgeist sich ausspricht, und mancher versucht wird,
-seinen individuellen Geist für jenen zu halten. In Absicht des zweiten
-haben wir, sowie im Lehren, den Grundsatz, nicht zu sagen, was schon
-gedruckt ist, im Schreiben den, nicht zum zweitenmale drucken zu lassen,
-was einmal gedruckt ist. -- Wird einmal das Bedürfniss solcher eigenen
-Lesebücher eintreten, so werden uns die Mittel nicht abgehen, demselben
-abzuhelfen, und können wir recht füglich von denen, die bei uns Meister
-oder Doctor zu werden verlangen, dergleichen Probestücke begehren.
-
-Wir erhielten an jenen encyklopädischen Rechenschaften, von denen jede
-künftige die vorhergegangene entweder ^formaliter^, durch Klarheit und
-Leichtigkeit, oder ^materialiter^, durch weitere Umfassung des Stoffes,
-übertreffen müsste, -- oder sie könnte nicht aufgenommen werden, und
-dies wäre ein Beweis, dass die Kunst dermalen bei uns stille stände --
-eine ^fortgehende und eng zusammenhängende Reihe^ von Fortschritten in
-der Wissenschaft, welche der Nachwelt, die einen beträchtlichen Theil
-derselben übersehen, und vielleicht das ^Gesetz^ dieses Fortschrittes
-entdecken könnte, wiederum als Mittel weit höherer Fortschritte dienen
-könnte. Wir erhielten an dem, mit jener und ihrem Gesetze gemäss
-fortschreitenden ^Lesebuche^, das nicht gerade in den Context jener
-Jahrbücher eingewoben seyn müsste, sondern selbstständig existiren
-könnte, ein äusserliches Document und einen Exponenten der Jahrbücher.
-
-Dieses Lesebuch würde, sowie es von einer Seite durch Steigerung der
-Gesichtspuncte anwüchse, von der anderen durch Auswerfung des sattsam
-bearbeiteten Stoffes abnehmen. Wir machen dies deutlich an demselben
-Beispiele der Geschichte. Wenn man durch Erfassung etwa des angegebenen
-Standpunctes für diese -- die Geschichte -- vielleicht auch den Zweck
-aufgeben wird, in derselben ^Psychologie^ oder ^Staatswissenschaft^ zu
-lernen -- Zwecke, die man leicht für Vorspiegelungen halten dürfte, um
-dem Philosophen gegenüber sich aus der Verlegenheit zu ziehen, einen
-Zweck ihres Studiums deutlich anzugeben, -- begreifend, dass man diese
-Zwecke weit wohlfeileren Kaufes mit der Philosophie erreichen könne;
-dass aber die Regierungs^kunst^, die durchaus etwas Anderes ist, denn
-die durch Philosophiren zu schöpfende Regierungs^wissenschaft^, eine
-leichte und sich von selbst findende Zugabe des rechten Studiums der
-Geschichte sey: -- wenn man, sage ich, diese Zwecke aufgeben wird,
-alsdann wird man einer Menge Untersuchungen, die nur dem psychologischen
-oder politischen Zwecke unter die Arme greifen sollen, sich gern
-überheben. -- (So lange es, um über die Aechtheit eines gewissen
-Documents urtheilen zu können, auf die Untersuchung, welchen Zuschnitt
-der Bart eines gewissen Kaisers gehabt habe, ankommt, muss man in alle
-Wege diese Untersuchung gründlich treiben. Sollte aber durch einstige
-Vollendung dieser Untersuchung die Aechtheit oder Unächtheit des
-Documents, gemeingültig für alle künftige Zeit, ausgemittelt seyn, so
-mag man nun den Bart immer fahren lassen; ja dieses um so mehr, wenn
-sogar an der Aechtheit oder Unächtheit des Documents selber uns nichts
-mehr liegen sollte, indem, was dadurch entschieden werden soll, indess
-anderwärtsher entschieden worden. Freilich müsste man zu diesem Behufe
-auch darüber mit sich einig seyn, dass es in allen Fächern Gewissheit
-und eine feste, unwidersprechliche Beweisführung gebe, und nicht etwa
-gerade in das blinde Herumtappen, und in die Wiederholung desselben
-Kreislaufes durch jegliche Generation, die Perfectibilität des
-Menschengeschlechtes setzen.)
-
-So, wenn nun jemand durchaus kein anderes Mittel hat, um über den Werth
-einer gewissen Meinung zu entscheiden, ausser daraus, dass sie die
-Meinung eines gewissen alten Philosophen gewesen, dabei aber doch noch
-immer Zweifel hegt, ob dieselbe nicht vielmehr die Folge der
-Gesundheitsbeschaffenheit dieses Philosophen, als seiner Speculation
-gewesen: so ist diesem die Frage über die Hypochondrie oder
-Nichthypochondrie des Mannes allerdings höchst bedeutend; wer aber auf
-anderem Wege über den in Frage gestellten Werth Bescheid hätte, der
-könnte jenen Philosophen sammt seinem Gesundheitszustande ruhig an
-seinen Ort gestellt seyn lassen.
-
-
- §. 63.
-
-Neben diesem ersten und wesentlichen Theile der Jahrbücher, den
-encyklopädischen Rechenschaften der Lehrer, giebt es noch einen zweiten,
-zum ersten nothwendig gehörenden Theil, die Ausarbeitungen der Schüler.
-Denn es soll ja nicht bloss die Kunst der gesammten Schule in
-Bearbeitung des wissenschaftlichen Stoffes, es soll auch die besondere
-Kunst der Lehrer gezeigt werden, selber Künstler aus dem ihnen gegebenen
-Stoffe der Zöglinge zu bilden, und, so Gott will, der Fortgang auch
-dieser Kunst. Ueber die Lehrmethode derselben wird schon ihre
-encyklopädische Rechenschaft, auch ohne ausdrückliches Vermelden, die
-nöthige Auskunft geben. Ueber so viele andere, in Worten auch nicht
-füglich zu beschreibende Kunstmittel mögen sie schweigen, und dieselben
-eben üben; aber ihr ^Werk^, den Künstler, der aus ihren Händen
-hervorgeht, mögen sie vorzeigen.
-
-Im Anfange zwar, und in den ersten Jahren werden wir noch nichts dieser
-Art vorzuweisen haben; einen sicheren Anfang aber müssen dennoch auch
-die Jahrbücher sich setzen, indem es ausserdem wohl immer bei dem
-Versprechen bleiben könnte. Dieser Anfang könnte erscheinen zu Anfang
-des zweiten Lehrjahres, und er müsste enthalten: 1) die encyklopädischen
-Ansichten der angestellten Lehrer jedes Faches, die sie ja ohne Zweifel
-bei der Vorbereitung auf dieses ihnen grossentheils neue Collegium
-schriftlich entworfen, und während des mündlichen Vortrages und der mit
-den Lehrlingen angestellten Uebungen verbessert haben werden. 2) Die
-Probeaufsätze der Studirenden, welche gebilligt, und deren Verfassern
-die Befugniss, das Regulat nachzusuchen, gegeben worden. Sollte das
-Letztere zu weitläufig ausfallen, so könnten aus den gelungenen nur die
-gelungensten ausgewählt, der anderen aber nur im allgemeinen mit dem
-gebührenden Lobe gedacht werden.
-
-(Der zweite Punct wäre zugleich die den Lehrern, die das Regulat zuerst
-besetzen, allerdings nicht zu erlassende öffentliche Rechenschaft, dass
-sie hierbei nach festen Grundsätzen und keinesweges willkürlich
-verfahren; ingleichen die Weisung an Studirende und deren Eltern, was
-bei künftigem Anspruche auf dasselbe Regulat von ihnen ^wenigstens^
-gefordert werden würde. Wenigstens; denn es könnte so kommen, dass das
-erstemal, um denn doch überhaupt ein an Personal nicht gar zu schwaches
-Regulat einzusetzen, nach ein wenig milderen Grundsätzen verfahren
-werden müsste, denn späterhin.)
-
-Aus denselben Bestandtheilen, Nachträgen der Lehrer zu ihren
-encyklopädischen Ansichten, und Probeaufsätzen neuer Candidaten des
-Regulats würden die Jahrbücher auch zu Anfange des dritten, vierten etc.
-Lehrjahres bestehen, so lange bis wir Aufsätze von solchen, die bei uns
-das Meisterthum erhalten hätten, mittheilen und so die Aufsätze der
-Schüler ungedruckt lassen könnten. Erst mit diesen ginge die eigentliche
-Rechenschaftsablegung des Lehrers über seine Lehrkunst an.
-
-Hier auch hebt die eigentliche Rechenschaft der gesammten Kunstschule
-über den Fortschritt des Lehrtalentes und der Künstlerbildung an ihr an.
-Werden, noch abgerechnet die Steigerung des Begriffes selbst (wovon in
-§. ^praeced.^), in der ^Form^ die Aufsätze der künftigen Meister klarer,
-gewandter, freier, leichter, denn die der früheren, so steigt die Kunst;
-das Gegentheil davon wäre ein Beweis, dass sie wenigstens in dieser
-Rücksicht fiele, und die gesammte Akademie hätte zusammenzutreten und
-Anstalten zu treffen, ^ne detrimenti quid capiat respublica^.
-
-Schon in den anderen mit den Lehrlingen anzustellenden Uebungen, recht
-eigentlich aber, und auch andern sichtbar in diesen Jahrbüchern, kann
-ein Lehrer sehen, ob ein anderes, jugendlicheres und gewandteres
-Lehrertalent neben ihm aufkomme, und er hat sodann ohne Säumen
-auszutreten, und diesem seinen Lehrstuhl zu überlassen. Der eigentliche
-Vater dieses Studiums, und der fortdauernde Berather und Warner in
-demselben bleibt er immerfort.
-
-Der hier entworfene Begriff solcher Jahrbücher wäre dem ersten
-anhebenden Theile derselben in einer, das grosse Publicum befriedigenden
-Deutlichkeit voranzusetzen, und hätten wir in dieser Einleitung uns auf
-alle hier aufgestellten Grundsätze für uns und unsere Nachkommen, vor
-Welt und Nachwelt, auf ewig zu verpflichten.
-
-
- §. 64.
-
-Betreffend den Fortgang insbesondere des Stoffbuches durch uns, geht
-dieser, wie sich versteht, auch bei uns, sowie in der übrigen Welt,
-seinen Weg fort. Es wäre hierbei nur folgendes anzumerken. Zuvörderst
-ist wohl von keinem unserer Akademiker zu erwarten, dass er, entweder um
-das Daseyn seiner Person kund zu thun, oder um an den Ehrensold irgend
-eines schlecht unterrichteten Buchhändlers zu kommen, Geschriebenes
-schreibe, und compilirend aus zehn Büchern ein eilftes mache, und hätte,
-falls dergleichen doch einem beikäme, die gesammte Akademie die
-gemeinschaftliche Ehre zu retten, und die Schmach des Einzelnen von sich
-abzuwehren. Sodann: dergleichen Vermehrungen des Stoffbuches von Seiten
-unserer Akademiker müssten zunächst auf das gegenwärtige Bedürfniss
-unserer Kunstschule gehen und bestimmt seyn, diesem abzuhelfen; und es
-wäre den Arbeiten von dieser Beziehung der Vorzug vor anderen zu geben.
-Im Falle eines solchen Bedürfnisses könnten wir auch Auswärtige zur
-Mithülfe durch Aussetzung eines ^Preises^ auffordern; der Akademiker
-selbst ist für den Preis zu hoch; dem Bedürfnisse der Familie
-abzuhelfen, wenn er kann, ist ihm ohnedies Pflicht wie Freude, und sind
-die vom Rathe der Alten recht eigentlich für dieses Geschäft, auch in
-Absicht des Buchwesens, eingesetzt.
-
-Einen Theil des fortschreitenden Stoffbuches jedoch müssen wir als ein
-nothwendiges Glied in unseren Plan aufnehmen, und die regelmässige
-Fortsetzung desselben organisiren; ich meine die Niederlegung der an
-unserer Akademie gemachten neuen Entdeckungen für Geschichte und
-Naturwissenschaft, zu welcher letzteren auch das in der ärztlichen
-Praxis Entdeckte, das einen wissenschaftlichen Aufschluss über die Natur
-verspricht, gehört, und wir deswegen auch, ohnerachtet wir die ärztliche
-Praxis ganz von uns auszuschliessen gedenken, für diesen letzteren Behuf
-einen, oder etliche Männer unter unseren Akademikern haben müssen. Es
-ist unsere Pflicht sowohl, als unser Vortheil, dass diese Entdeckungen,
-sobald sie zu einer bestimmten schriftlichen Relation haltbar genug
-geworden, nicht innerhalb unserer Gesellschaft bleiben, sondern auch das
-auswärtige Publicum, das uns ja auch diesen neuen Stoff bearbeiten
-helfen soll, Kunde davon erhalte. Es müssten drum angelegt werden
-^Jahrbücher der Wissenschaftlichen Entdeckungen an unserer Akademie^. Ob
-der Stoff so reich ausfalle, dass er einer selbstständigen periodischen
-Schrift bedürfe, oder ob diese Jahrbücher mit dem tiefer unten zu
-erwähnenden Werke, der Bibliothek der Akademie, vereinigt werden
-sollten, mag entschieden werden, wenn es an die wirkliche Ausführung
-geht. So viel ist klar, dass wir kein Bändchen der Fortsetzung solcher
-Jahrbücher liefern können, wenn wir innerhalb der Zeit nichts Neues
-entdeckt haben, dass sie somit keinesweges bestimmte Termine ihrer
-Erscheinung halten können.
-
-
- §. 65.
-
-Noch ein Hauptgegenstand der Beachtung unserer Akademie ist die
-Benutzung des ausserhalb unser, und anderwärts fortschreitenden
-^Stoff^-, sowie auch ^Kunstbuches^; und die Nutzbarmachung desselben für
-diejenigen unserer Mitglieder, die wegen anderer Geschäfte nicht Zeit
-haben aufs blosse Gerathewohl zu lesen (die ausübenden Lehrer und
-Studirenden), von denjenigen aus uns, die diese Zeit haben (dem Rathe
-der Alten).
-
-Es ist dazu erforderlich zuvörderst, dass man diesen Fortschritt, d. h.
-die neu erschienenen Schriften historisch kenne. Für diesen Behuf
-erscheint nun zu Leipzig der bekannte Messkatalog, als das Verzeichniss
-ihrer zu Markte gebrachten Waare, dessen Besorgung, wie sich versteht,
-eine Sache des Verkäufers der Waare ist. Es mochte gut seyn, dass sich
-fertigere Federn fanden, welche diesen Messkatalog paraphrasirten; doch
-war und blieb dies immer eine rein mercantilische Sache, zum Dienste des
-Käufers und Verkäufers; und eine allgemeine Literaturzeitung kann
-durchaus auf keinen höheren Werth Anspruch machen, als auf den eines
-Journals des Luxus und der Moden. Dass diese subalternen Handarbeiter
-durch schlecht unterrichtete Schmeichler sich überreden liessen, sie
-verwalteten zugleich das Geschäft der Kritik, und dieses lasse sich eben
-mit der durchaus mercantilischen Rücksicht, ^den ganzen Messkatalog
-herunter zu recensiren^, vereinigen; dass, nachdem die Meinung einmal
-entstanden, sogar solche, die da wohl fähig gewesen wären, das Amt der
-Kritik zu verwalten, sich verleiten liessen, zuweilen ein treffenderes
-Wort in jenen unwürdigen Context hineinzuwerfen, ist in unseren Tagen
-eine der ergiebigsten Quellen des literarischen und anderen Verderbens
-geworden, und es ist darüber auf Handlanger und Unternehmer solcher
-Paraphrasen des Messkatalogs ein grösseres Maass von Spott gefallen, als
-sie Kraft hatten, zu verdienen. Da die Liebhaberei unserer Leser noch
-immer nach dergleichen Literaturzeitungen sich hinzuwenden scheint, und,
-so viel dem Schreiber dieses bekannt ist, der eigentliche Grund ihrer
-Verwerflichkeit selten rein ausgesprochen und ins Auge gefasst wird, so
-sagen wir noch bestimmt, dass dieser unser Entwurf anmuthe, zu begreifen
-folgendes: dass, wenn auch etwa überhaupt, was wir hier an seinen Ort
-gestellt seyn lassen, die Zeit sich herausnehmen dürfe, die Zeit zu
-kritisiren, diese Kritik wenigstens nicht an ^der Allheit der
-erscheinenden Bücher^, sowie die einzelnen uns unter die Hände fallen,
-geübt werden könne, indem ein solcher Vorsatz selbst einen absolut
-unkritischen, unphilosophischen, der Einheit unempfänglichen, planlosen
-Geist voraussetzt, und nur eine planlose und verworrene Geburt erzeugen
-kann; sondern dass sie an ^ganzen Klassen und Arten von Büchern^, die
-nach inneren Kriterien schon vorher unterschieden worden, geübt werden
-müsse; dass jener Vorsatz, alles aus der Presse Hervorgegangene zu
-recensiren, offenbar die Rücksicht auf gleiche Gerechtigkeit gegen alle
-Verleger, als Waarenlieferanten, darthue, wie es denn auch die Verleger
-sind, welche auf die Vollständigkeit der Literaturzeitungen am meisten
-dringen, und über Vergewaltigung laut klagen, wenn einer ihrer Artikel
-unangezeigt geblieben; dass demnach der mercantilische Zweck der
-wesentliche, den Plan und das Grundgesetz solcher Unternehmungen
-bestimmende, der kritische aber nur hinterher als Vorwand hinzugekommen
-ist, und dass man sogar auch darüber sich niemals ernsthaft
-berathschlagt, ob eine Vereinigung dieser beiden Zwecke auch wohl
-möglich sey.
-
-Möge wenigstens von unserer Akademie eine solche Verwirrung, welche ihr
-und der Kunstschule Wesen sogleich im Beginn zerstören würde, fern
-bleiben!
-
-Uebrigens mag in Gottes Namen, und es wäre dieses sogar höchst rathsam,
-in der Hauptstadt unserer Monarchie, neben dem Sitze der Akademie, auch
-eine solche vollständige Paraphrase des Messkatalogs erscheinen; wäre es
-auch nur darum, um die anderwärts erscheinenden aufgeblasenen
-Zwitternaturen von unseren weniger unterrichteten Mitbürgern abzuhalten.
-Es sey dies ein Privatunternehmen eines, etwa des akademischen
-Buchhändlers. Die Sache ist Handarbeit, welcher der Leipziger
-unparaphrasirte Messkatalog zur Basis diene. Der Referent versichert als
-Augenzeuge, dass das Buch wirklich erschienen sey, und er es unter den
-Augen gehabt habe; das sey sein Titel, so viel koste es, und hierauf
-lässt er die Inhaltsanzeige und irgend eine Stelle aus dem Buche
-abdrucken. Ueber die Wahl dieser Stellen, auch etwa über ganz
-auszulassende Schriften, mag er die Akademie derjenigen Klassen, die
-ohnedies aus anderen Gründen diese Bücher durchzulaufen haben, befragen
-dürfen, und wäre diesen eine allgemeine Aufsicht und Censur dieses
-Messcatalogus, jedem in seinem Fache, zu übertragen. -- Halte zu diesem
-Behuf der Unternehmer sich einige Zugewandte, wiewohl auch ganz
-unstudirte Kaufmannsbursche das Geschäft versehen könnten.
-
-Was dagegen der Akademie als solcher in Beziehung auf die auswärtige
-Vermehrung des Buchwesens recht eigentlich zukommen würde, wäre
-folgendes:
-
-1) Die Mitglieder des Rathes der Alten nehmen, jeder für sein Fach, die
-durch die letzte Messe erfolgte Vermehrung des Buches für dieses Fach
-vollständig in Augenschein, welches, wenn die Literatur der Deutschen
-ihren bisherigen Charakter noch lange behält, grossentheils mit
-Durchsicht der Inhaltsanzeigen, der Register, der Vorreden, und einigem
-Durchblättern sich wird abthun lassen. Sollte in dieser Durchsicht dem
-Einen etwas vor die Augen kommen, das nicht eigentlich zur Competenz
-seines Faches gehörte, und hier sich nur in dasselbe verloren hätte, so
-macht er den, in dessen Fach es eigentlich gehört, aufmerksam.
-
-2) Was nun in dieser dermaligen Vermehrung des Buches sich findet als
-Fortschritt, d. i. als Verbesserung oder Erweiterung des Stoffbuches in
-diesem Fache, oder auch als Erhöhung des Kunstbuches, nach dem oben
-angegebenen Maassstabe einer solchen Erhöhung, wird niedergelegt in
-einem anderen periodischen Werke, welches man ^Jahrbücher der
-Fortschritte des Buchwesens^, oder auch die ^Bibliothek der Akademie^,
-nennen könnte. Was blosse Wiederholung des schon Bekannten ist, wird mit
-Stillschweigen übergangen. Rückfälle in schon widerlegte Irrthümer
-mögen, falls nemlich zu befürchten wäre, dass ein Mitglied unserer
-Akademie dadurch geirrt werden könnte, angezeigt werden. Da eine solche
-Uebersicht ausgeht von der bisherigen Literatur des Faches, die ihre
-feststehenden Abtheilungen schon haben wird, so kann sie recht füglich
-an diese, als den Grundleitfaden sich halten, zeigend, wie jeder dieser
-Theile bereichert worden sey, und so das Buch, wo diese Bereicherung
-sich vorfindet, auf Veranlassung des Inhalts, keinesweges aber den
-Inhalt auf Veranlassung des Buches, wie dies die Paraphrase des
-Messkatalogs thut, anführen.
-
-Bücher, in denen gar nichts Neues steht, ohne dass sie doch auch als
-eine Auffrischung des bisherigen Buchwesens in diesem Fache gelten
-könnten, und die daher gar nicht existiren sollten, werden in dieser
-Bibliothek ganz übergangen. Es würde ganz zweckmässig seyn, dass
-dergleichen, nach Angabe dieser Referenten in der Bibliothek, die man
-darüber zu befragen hätte, auch in dem Messkatalog übergangen würden,
-damit, sowie wir selbst auf die blosse Buchmacherei Verzicht thun, wir
-auch die Unterstützung der auswärtigen Buchfabriken durch den Ankauf
-unserer weniger unterrichteten Mitbürger verhindern. Das Publicum wisse,
-dass es desjenigen, das sogar unser Messkatalog übergeht, sicherlich
-nicht bedarf.
-
-Diese Bibliothek ist ^unserer Akademie^ Bibliothek, und zunächst für
-deren Gebrauch geschrieben. Mit dem ersterwähnten Durchwühlen des
-ganzen, durch die Messe herbeigeführten Schuttes braucht keiner unserer
-Lehrer oder unserer Schüler sich zu bemühen; selber der alte Akademiker
-und Mitarbeiter an der Bibliothek braucht es nur mit dem, der auf seinen
-Theil gefallen ist; die übrigen Theile haben andere für ihn übernommen.
-Und so hat denn unser Akademiker nur diese Bibliothek zu lesen, und
-findet in ihr die bestimmte Nachweisung, was er etwa noch ausserdem neu
-Erschienenes zu lesen habe. Für ihn ist daher diese Bibliothek
-allerdings ^Kritik^, Scheidung des zu Lesenden von dem nicht zu
-Lesenden, des ganzen neuesten Buches.
-
-Will auch das auswärtige Publicum, und unter ihnen die Verfasser und
-Verleger dieses gesammten neuesten Buches, diese Bibliothek, die
-durchaus nicht ihnen zu Liebe geschrieben ist, dennoch lesen, so steht
-ihnen dies ganz frei. Wollen sie ferner dieselbe als allgemeine und so
-auch für sie geltende Kritik ansehen, so thun sie das auf ihre eigene
-Verantwortung. Wir wenigstens uns auf die unsrigen beschränkend, haben
-niemals einen solchen arroganten Anspruch gemacht, unsern Richterspruch
-der ganzen Welt aufzudringen; dringt er sich ihnen aber etwa von selbst
-in ihrem eigenen Bewusstseyn auf, so ist dies ein desto ehrenvolleres
-Zeugniss für uns. Was daraus entstehen möge, so haben wir mit Verfassern
-oder Verlegern nichts abzuthun, indem wir uns diesen niemals für etwas
-verbunden haben.
-
-(Dass, weil wir nicht blind herumtappen, sondern nach einem festen Plane
-einhergehen, wir gar bald zu grossem Ansehen gelangen werden und dass
-dies mächtig zur Verbesserung des ganzen Literaturwesens wirken werde,
-lässt sich voraussehen. Jedoch ist sogar diese grosse Folge nur eine
-zufällige, die wir nicht beabsichtigen; denn zu bescheiden, das Heil der
-ganzen Welt auf unsere Schultern laden zu wollen, denken wir zunächst
-nur auf unser eigenes Heil.)
-
-
- §. 66.
-
-Noch sind allein übrig die oben erwähnten Anstalten, wodurch wir von den
-Bemühungen anderer wissenschaftlicher Körper, welche Bemühungen noch
-nicht Festigkeit genug erhalten haben, um im Buche niedergelegt zu
-werden, zeitig Notiz erhalten, und diese Körper in die Lage setzen, von
-den gleichen Bemühungen bei uns Notiz zu nehmen. Es wäre in dieser
-Rücksicht vorzuschlagen: 1) dass wir an allen bedeutenden Akademien und
-Universitäten des deutschen Vaterlandes sowohl, als des Auslandes, uns
-einen besonderen Freund und Repräsentanten erwählten aus den Mitgliedern
-eines solchen Corps; gegenseitig diesen erlaubend und sie einladend,
-dasselbe bei uns zu thun. Diese Repräsentanten wären ersucht, alles, was
-an ihrem Orte von der eben erwähnten Art sich zutrüge, davon sie
-glaubten, dass es die befreundete Akademie interessiren könnte,
-derselben durch Correspondenz zu melden. 2) Damit wir jedoch, tiefer
-denn diese fremden Berichte, die nur die erste Aufmerksamkeit erregen
-sollen, und selbst dasjenige, was diese etwa mit Stillschweigen
-übergehen, mit eigenen Augen zu sehen uns in den Stand setzen, sollen,
-wo möglich ununterbrochen, junge Männer aus unserer Mitte zu ihnen
-gesendet werden und bei ihnen einige Zeit sich aufhalten; die nach
-erfolgter Rückkehr uns mündlichen Bericht abstatten, wie sie alles
-befunden. Diese sind zu allernächst an unseren Repräsentanten adressirt,
-der ihnen mit Rath und That an die Hand gehe. Es versteht sich, dass wir
-dasselbe den verbündeten Gesellschaften zugestehen, und die ihrigen also
-behandeln, wie wir wollen, dass die unsrigen von ihnen behandelt werden.
-So wünschen wir ohne Zweifel, dass die unsrigen den unbeschränktesten
-Zutritt zu allen wissenschaftlichen Uebungen der Auswärtigen erhalten,
-und müssen drum diesen denselben Zutritt bei uns geben. Keinesweges aber
-wünschen wir, dass den unsern bei diesen Besuchen etwa das Sehwerkzeug
-des Auslandes untergeschoben werde, sondern dass sie sich ihres eigenen
-Auges, sowie es bei uns gebildet worden, bedienen; wir sind darum
-ebensowenig befugt, oder, falls wir unseren Augpunct für besser zu
-halten berechtigt seyn sollten, verpflichtet, ihn unseren Gästen zu
-leihen, sondern mögen sie das Vermögen zu sehen eben schon mitgebracht
-haben. Der hierüber nöthigen Politik mögen sich sowohl unsere zu diesen
-Gesandtschaften gebrauchten Mitbürger, als alle unsere Akademiker
-befleissigen; und es haben z. B. die ersten nicht gerade nöthig, dem
-Ausländer gegenüber laut über ihn zu denken, sondern sie mögen sich
-berichten lassen, ihres Herzens wahre Gedanken aber, bis zu ihrer
-Rückkehr in unsere Mitte, für sich behalten.
-
-Die zu diesen wissenschaftlichen Gesandtschaften am besten sich
-qualificirenden Subjecte wären bei uns gezogene und gelungene Regulare,
-und könnten sie damit sehr füglich die Zeit zwischen ihrem Austritte aus
-dem Regulat und ihrem Eintritte in die Akademie ausfüllen.
-
-Vorzüglich würden zu diesen Geschäften gebraucht werden und, falls sie
-nur gerade so gut wie andere sich dazu qualificirten, diesen sogar
-vorgezogen werden müssen die Söhne aus der Universitätsstadt, und
-besonders die unserer Akademiker; es versteht sich, wenn die
-Hauptbedingung, dass sie gelungene Regulare wären, von ihnen erfüllt
-wäre. Dieses zwar keinesweges als ein ^persönliches Vorrecht^,
-dergleichen bei uns keine Geburt giebt, sondern vielmehr als
-^Gleichstellung^ mit den übrigen, und ^Entschädigung^ dafür, dass sie
-die Universitätsstadt an ihrem Geburtsorte finden, und im Grunde aus dem
-Umkreise der Ihrigen zu einem völlig selbstständigen Leben noch niemals
-herausgekommen sind, und so die hiermit verknüpften, oben erwähnten
-Vortheile bisher verloren haben.
-
-
- §. 67.
- Corollarium.
-
-Unsere Akademie, an und für sich betrachtet, giebt in der von uns
-angegebenen Ausführung das Bild eines vollkommenen Staates: redliches
-Ineinandergreifen der verschiedensten Kräfte, die zu organischer Einheit
-und Vollständigkeit verschmolzen sind, zur Beförderung eines gemeinsamen
-Zweckes. An ihr sieht der wirkliche Staatskünstler immerfort dieselbe
-Form gegenwärtig und vorhanden, welche er auch seinem Stoffe zu geben
-strebt, und er gewöhnt an sie sein, von nun an durch nichts Anderes zu
-befriedigendes Auge.
-
-Dieselbe Akademie stellt in ihrer Verbindung mit den übrigen, ausser ihr
-vorhandenen wissenschaftlichen Körpern dar das Bild des vollendet
-rechtlichen Staatenverhältnisses. Alle, in sich übrigens allein,
-geschlossen und selbstständig bleibend, kämpfen aus aller ihrer Kraft um
-denselben Preis, die Beförderung der Wissenschaft und der
-wissenschaftlichen Kunst; aber ihr Wettkampf ist nothwendig redlich, und
-keiner kann den errungenen Sieg verkennen oder schmälern, ohne sich
-selbst der, allen gemeinschaftlichen und bei unendlicher Theilung
-dennoch immer ganz bleibenden Ausbeute des Sieges zu berauben. Ihr
-Wettkampf ist liebend; das beleidigte Selbstgefühl des Ueberwundenen
-hebt sogleich sich wieder empor an der Freude über den gemeinsamen
-Gewinn, und die augenblickliche Eifersucht geht schnell über in Dank an
-den Förderer des gemeinen Wesens.
-
-Diese Form einer organischen Vereinigung der aus lauter verschiedenen
-Individuen bestehenden Menschheit vermag in ihrer Sphäre die
-Wissenschaft zu allererst, und dem Kreise der übrigen menschlichen
-Angelegenheiten lange zuvorkommend, zu realisiren. Als einzelne Republik
-darum, weil zuvörderst das Interesse, das in dieser Sphäre scheiden,
-trennen und das zu Vereinigende voneinanderhalten könnte, hier bei
-weitem nicht so dringend und gebieterisch herrscht, als das der
-sinnlichen Selbsterhaltung, welches im Gebiete des Staates entzweiet und
-sich befeindet; sodann weil selber das Element, das die Wissenschaft
-bearbeitet, die Denkart veredelt und die Selbstsucht schmählich macht.
-Als ein Verein von Republiken darum, weil alle genau wissen und
-verstehen, was sie eigentlich wollen; dagegen die politischen
-Entzweiungen der Völker und weltverheerende Kriege sich sehr oft auf die
-verworrensten und finstersten unter allen möglichen Vorstellungen
-gründen. In dieser früheren Realisirung der für alle menschlichen
-Verhältnisse eben also angestrebten Form ist sie Weissagung, Bürge und
-Unterpfand, dass auch das Uebrige einst also gestaltet seyn werde, der
-strahlende Bogen des Bundes, der in lichten Höhen über den Häuptern der
-bangen Völker sich wölbt.
-
-Aber selbst, indem sie noch verheisset, erfüllet sie schon und ist
-gedrungen zu erfüllen. Die einzige Quelle aller menschlichen Schuld, wie
-alles Uebels, ist die Verworrenheit derselben über den eigentlichen
-Gegenstand ihres Wollens; ihr einiges Rettungsmittel daher Klarheit über
-denselben Gegenstand; eine Klarheit, welche, da sie nicht uns fremd
-bleibende Dinge erfasst, sondern die innerste Wurzel unseres Lebens,
-unser Wollen ergreift, auch unmittelbar einfliesst in das Leben. Diese
-Klarheit muss nun jeder wissenschaftliche Körper rund um sich herum,
-schon um seines eigenen Interesse willen, wollen und aus aller Kraft
-befördern; er muss daher, sowie er nur in sich selbst einige Consistenz
-bekommen, unaufhaltsam fortfliessen zu Organisation einer Erziehung der
-Nation, als seines eigenen Bodens, zu Klarheit und Geistesfreiheit, und
-so die Erneuerung aller menschlichen Verhältnisse vorbereiten und
-möglich machen; durch welche Erwähnung der Nationalerziehung wir wieder
-am Schlusse unseres ersten Abschnittes niedergesetzt werden, und so den
-bis ans Ende durchlaufenen Kreis schliessen.
-
-
-
-
- Beilagen zum Universitätsplane.
-
-
- (Ungedruckt.)
-
-
- I.
- Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an einer
- deutschen Universität.[28]
-
-1) Soll ein solches Werk der Universität Ehre machen und zugleich den
-steigenden Flor derselben befördern, so muss dasselbe auf dem Gipfel der
-wissenschaftlichen Bildung der deutschen Nation anheben, und seine
-Fortsetzung kann nichts Anderes seyn, als das fortlaufende Document des
-ununterbrochenen Fortschreitens jener Bildung auf der vorausgesetzten
-Universität.
-
-2) Es muss wirklich das Werk der Lehrer und Mitglieder dieser
-Universität, und das Resultat des wissenschaftlichen Geistes und seiner
-Leistungen auf derselben seyn, und das öffentliche Urtheil muss darüber
-nicht in Zweifel bleiben können. Es ist daher nicht hinlänglich, dass
-jenes Werk etwa nur in der Stadt, wo auch die Universität sich befindet,
-gedruckt oder auch von Gelehrten, die zugleich Lehrer an derselben sind,
-geschrieben werde: es muss die Rechenschaftsablegung enthalten über den
-Geist und die Resultate ihres Treibens. Die Ehre, welche bei
-Vernünftigen dadurch der Universität zu Theil würde, dürfte sonst
-vielleicht der jenes Glockenziehers, der zu einer vortrefflichen Predigt
-eingeläutet zu haben sich rühmte, nicht ungleich seyn: die Rechnung auf
-das Vorurtheil der Unvernünftigen aber ist, wenn man sich auch
-herablassen wollte, darauf Rücksicht zu nehmen, nicht sicher auf die
-Dauer.
-
-[Fußnote 28: Geschrieben im Jahre 1805, mit Bezug auf die Universität
-Erlangen. Vergl. Nachgelassene Werke Bd. III. S. 277. ff.]
-
-3) Der dadurch zu liefernde Beweis der Superiorität des
-wissenschaftlichen Geistes auf der vorausgesetzten Universität muss
-nicht ^indirect^ geführt werden, so dass man sich nur zeige, als fähig
-die Schwächen oder auch die Vorzüge Anderer einzusehen, durch welche
-unabhängig von uns die Wissenschaften bearbeitet werden; denn das ist
-seinem Wesen nach untergeordnete und Schülerarbeit.
-
-(Dergleichen sind alle Recensiranstalten, Bibliotheken,
-Literaturzeitungen, und wie sie Namen haben mögen. Sie tragen das
-Gepräge ihrer Unselbstständigkeit und Inferiorität dadurch an sich, dass
-sie für die Möglichkeit ihrer eigenen Existenz Bücher voraussetzen, und
-gründen sich auf den Wahn des Zeitalters, dass die einzige und rechte
-Bearbeitung der Wissenschaften die Buchmacherei sey. Entweder das Buch
-wird herabgesetzt in der Recension: welche Ehre aber ist es für den
-vorauszusetzenden Professor-Recensenten, dass er mehr ist, als der arme
-Stümper, den er uns vorführt? Oder es wird erhoben: entweder der
-Verfasser ist ein Fremder. Welche Ehre erwächst sodann durch sein gutes
-Buch unserer Universität, als die sehr untergeordnete der Anerkennung
-fremden Verdienstes? Oder er ist einer unser gelehrten Mitbürger: wer
-wird uns recht glauben?
-
-In Deutschland waren diese Unternehmungen in neueren Zeiten gar nicht
-für den Flor der Universitäten ersonnen, sondern bloss ein
-mercantilisches Institut, das den Buchführern zum Absatz ihrer Waare
-verhelfen sollte, zuerst selbst von einem Buchführer, sodann von einem
-bekannten industriösen Schriftsteller, der einen dürftig besoldeten
-Professor für seinen Plan gewonnen. Von ohngefähr und durch ganz andere
-Ursachen -- die Lehrer, denen Jena vorzüglich seinen Ruf verdankt, sind
-nie fleissige Recensenten, noch die Redactoren der Literaturzeitung je
-vorzügliche Lehrer gewesen, -- gewann die verfallene Universität, an
-deren Spitze das letzterwähnte Werk dieser Art gedruckt wurde, eine neue
-Blüthe; und nun machte der grosse Haufen den gewöhnlichen Fehlschluss
-vom Zugleichseyenden auf das Verhältniss von Ursache und Wirkung;
-welcher Fehlschluss denn auch, da ihn der grosse Haufen gemacht, einige
-Zeitlang gute Dienste geleistet hat. Dennoch fing Jena schon vorher an
-zu verfallen, ehe es die Schützsche Literaturzeitung verlor, und jetzt
-hilft es ihm nichts, dass es sogleich wieder eine andere errichtet hat,
-welche unstreitig an innerem Werthe die alte bei weitem übertrifft. Auch
-hat zu Leipzig, Erlangen u. s. w. durch den Abdruck von Recensionen, die
-meist von Lehrern dieser Universitäten verfasst sind, wie in den
-Göttinger Anzeigen, sich kein grösserer Flor dieser Universitäten
-ergeben wollen, als wie sie ohne dergleichen Literaturzeitungen auch
-besitzen würden.
-
-Ueberdies, falls wir uns auch auf das Alte und Mittelmässige bescheiden
-wollten, ist sogar dies nicht einmal mehr uns zugänglich. Aus unseren
-eigenen Mitteln, ohne fremde Beiträge, vermögen wir eine
-Literaturzeitung nicht einmal auch nur zum Scheine anzufüllen: durch den
-Conflict der alten und der neuen Jenaischen Literaturzeitung aber sind
-alle Federn schon in Beschlag genommen, und es giebt gewiss keinen
-Gelehrten von einigem Verdienste, welcher zu Arbeiten dieser Art sich
-nicht für zu gut hält, der nicht bei einer dieser beiden, oder auch wohl
-bei beiden in Diensten stehe.
-
-Ahmen wir lieber dies Bestreben in dem einzigen Puncte nach, dass wir,
-so wie jene zu ihrer Zeit, etwas Neues unternehmen, wobei sie uns meines
-Erachtens zugleich den Vortheil gelassen haben, dass das Rechte noch neu
-ist.)
-
-4) Der zu führende Beweis muss ^direct^ geführt werden, -- sagten wir:
-also, dass das periodische Werk der Universität den steten Fortschritt
-der Wissenschaft und des wissenschaftlichen Geistes auf derselben,
-unmittelbar und aus der ersten Hand darlege. Jenes Werk enthalte ganz
-eigentlich, was die ältere Benennung: ^acta literaria Universitatis N.
-N.^ ausdrückt.
-
-Den Fortschritt der ^Wissenschaft^ und des ^wissenschaftlichen Geistes^
-aus der ersten Hand, sagten wir ferner. Die Wissenschaft ist ja nicht
-zunächst das Buch, noch lebt sie im Buche, sondern sie lebt in dem, was
-im wirklichen Forschen, im Conflicte der Geister und im Vortrage sich
-ergiebt. Dieses nun werde zum Buche und Buchstaben zunächst in jener
-Relation. Die akademischen Lehrer sind ja als Lehrer angestellt, und
-nichts verhindert, dass sie nicht auch überdies noch unter sich selber,
-gleich einer Akademie, in geistigen Wechselverkehr treten; nicht aber
-werden sie vom Staate dazu besoldet, dass sie in die weite Welt hinein
-Bücher schreiben. Jene literarischen Acten der Universität würden nun
-ihr gemeinschaftliches Buch, wenn sie von Amtswegen zu schreiben hätten,
-und wohin Alles, was sie des Druckes für würdig achteten, zunächst
-gehörte.
-
-(Es bliebe ihnen dabei unbenommen, auch noch auf eigene Hand Bücher zu
-ediren. Vom ehrenvollen Falle tiefer unten. Als Buchfabricanten oder
-Compilatoren aber im Dienste von betriebsamen Verlegern Sachen drucken
-zu lassen, die nur die Masse des bedruckten Papieres, keinesweges aber
-die Wissenschaft vermehren, ist ohnedies unter der Würde eines Lehrers
-an einer solchen Universität, und wäre durchaus den sogenannten
-Privatgelehrten zu überlassen.)
-
-Den ^Fortschritt^ der Wissenschaften sollten diese literarischen Acten
-documentiren. Es gehörte daher in sie nur das ^Neue, Weiterbringende^,
-keinesweges aber blosse Wiederholungen oder neue Aufstutzungen des
-Alten, Bekannten.
-
-Die Wissenschaft kann fortschreiten, theils in der ^Materie^ durch neue
-Entdeckungen und Ansichten, theils in der ^Form^ durch bessere
-Lehrmethoden und immer begriffsmässige Beherrschung und Durchdringung
-des Lehrstoffes. Alles dieser Art von den Lehrern Erfundene in allen
-Zweigen der Wissenschaften, welche auf dieser Universität bearbeitet
-werden, wäre in den Acten niederzulegen.
-
-Ausgezeichnete und den Standpunct des wissenschaftlichen Unterrichts an
-der Universität durch den Erfolg bezeichnende Arbeiten der Zöglinge des
-Instituts wären nicht auszuschliessen. Bringen sie auch die Wissenschaft
-nicht weiter, so können sie doch einen bei Jünglingen nicht gewöhnlichen
-Grad der wissenschaftlichen Ausbildung documentiren, und sollen es.
-Keiner derselben müsste der gelehrten Würden der Universität theilhaftig
-werden, welcher nicht einen, nach jenem Grundsatze wenigstens
-^aufnehmbaren^ Beitrag zu den Acten geliefert hätte; wodurch die von
-dieser Universität ertheilten Würden Achtung gewinnen würden vor denen
-anderer Universitäten, wo dieser Maassstab nicht angelegt werden kann.
-
-Es würde solchen Acten nicht zum Vorwurfe gereichen, wenn selbst
-widerstreitende Ansichten derselben Gegenstände von verschiedenen
-Verfassern in ihnen nebeneinander ständen. Denn es kommt hierbei fürs
-Erste nicht darauf an, ob die Ansichten wahr, sondern nur ob sie neu
-sind, und ob man sich von ihnen versprechen kann, dass sie auch zu einer
-neuen Wahrheit führen könnten. Ueber die Wahrheit soll erst die Zukunft
-und die fortgesetzte Forschung entscheiden, und so kann selbst ein neuer
-Irrthum ein Fortschritt auf einem wissenschaftlichen Gebiete werden,
-wenn er auf eine neue Wahrheit leitet, welche allein ihn zu widerlegen
-vermag. Aus demselben Grunde würde es dem Werke auch nicht zum Vorwurfe
-gereichen, wenn etwa die Fortsetzung die früheren Lieferungen zum Theil
-widerlegte; denn dadurch würde ja gerade der Fortschritt bewiesen.
-
-5) Zur Lieferung von Beiträgen wären die Lehrer nur insofern zu
-verbinden:
-
-^a.^ dass sie ihre auf Erweiterung der Wissenschaften gerichteten
-Bestrebungen, die so weit gereift sind, dass sie einer Berichterstattung
-durch den Druck fähig geworden, zuerst den Acten anböten;
-
-^b.^ dass jeder Lehrer im Verlaufe seines Wirkens denn doch etwas
-liefere und dadurch seine Berechtigung, an diesem Platze zu stehen,
-darthäte. Späterhin, nach Einführung der Acten, könnte es
-ausschliessende Bedingung der Berufung zu einer Stelle an dieser
-Universität werden, dass man einen bedeutenden, im Geiste des Instituts
-verfassten Beitrag geliefert hätte. Wer seinen fortschreitenden Geist
-nicht schon bewährt hat, der taugt nicht zum Mitgliede einer
-Gesellschaft, die lediglich für den Fortschritt der Wissenschaft
-arbeitet. Keinesweges aber wären sie
-
-^c.^ also zu verbinden, dass sie binnen halbjähriger oder Jahresfrist so
-viel Neues in ihrer Wissenschaft entdeckt haben müssten, dass der
-zweckmässige Bericht darüber so und so viel gedruckte Bogen füllen
-könne. Vielmehr liegt es in dem Begriffe solcher Acten, dass ihr
-Erscheinen durchaus an keine bestimmten Zeiträume gebunden ist: sie
-mögen fortgesetzt werden, sobald Stoff dazu sich gesammelt hat;
-keinesweges aber soll ihre Erscheinung an das Kalenderdatum oder an die
-Buchhändlermessen gebunden seyn.
-
-6) Unter den, keinesweges von den Beitragenden selbst, sondern von
-Anderen, die sodann für diesen Fall eine Direction bildeten, zu
-entscheidenden Fragen ist die erste: ob eine Ansicht oder eine
-Verbesserung wirklich neu sey und der Wissenschaft einen Fortschritt
-verspreche? (Was keinesweges gleichbedeutend mit der Frage ist: ob sie
-wahr sey?) Die Beantwortung dieser Frage würde für jeden besonderen
-Beitrag der Facultät (dem bestimmten Lehr- und Erkenntnissfache) des
-Beitragenden anheimfallen. Diese hätte ihre verneinende Antwort mit
-Gründen zu belegen und diese dem Beitragenden zu eigener reifer
-Ueberlegung schriftlich mitzutheilen. Dies wäre die erste Instanz. Würde
-er durch diese Gründe nicht überzeugt und zur Rücknahme bewogen, so
-sollte es noch eine höhere Instanz für Entscheidung dieser Frage geben,
-wofür in einem grossen Staate eine zweckmässig besetzte Akademie der
-Wissenschaften in der Hauptstadt sich am besten qualificiren würde. Es
-möchte im Falle der Billigung des Beitrags in dieser Instanz, im
-öffentlichen Drucke bemerkt werden, dass die locale Facultät des
-Beitragenden denselben verworfen, die Akademie der Wissenschaften aber
-ihn gebilligt habe. Im Falle der Verwerfung auch in dieser Instanz hätte
-die Akademie ihre Gründe dem Beitragenden gleichfalls schriftlich
-mitzutheilen. Von dieser Instanz verworfen, könnte sein Aufsatz nun
-freilich nicht in den Acten der Universität erscheinen; es müsste ihm
-aber erlaubt bleiben, denselben nebst den angeführten Gründen der
-Verwerfung in beiden Instanzen, auf eigene Verantwortung vor das
-Publicum zu bringen, und die Mit- und Nachwelt zum Richter des erhobenen
-Streites zu machen. Selbst seine Verhältnisse zur Universität und zu den
-Acten derselben bei anderen, den Streitpunct nicht berührenden
-Gegenständen müssten dadurch nicht gestört, vielmehr seine bürgerliche
-und persönliche Sicherheit, sein öffentlicher guter Name, seine Schrift-
-und Lehrfreiheit unter den besonderen Schutz des Staates genommen
-werden; denn das gelehrte Publicum seines Staates in seiner sichtbaren
-Repräsentation ist ihm gegenüber zur Partei geworden, und das Richteramt
-zwischen ihnen ist einer höheren Instanz übergeben, welche zu ihrer Zeit
-Ehre und Schande austheilen wird. Und insbesondere halte die öffentliche
-Gewalt sich fern von der Möglichkeit der Berührung mit dieser Schande.
-
-Man sage nicht, dass durch dieses Hindurchgehen durch verschiedene
-Instanzen Zeit verloren gehe. Der einem respectabelen Corps anderer
-Gelehrten einzeln gegenüberstehende Gelehrte soll Veranlassung und Zeit
-gewinnen, seine Sache reiflich zu überlegen; auch bedarf es bei wahrhaft
-originalen Ansichten keiner Eile, etwa aus Furcht, dass etwa Andere sie
-uns vorweg nehmen dürften.
-
-7) Eine zweite von einer Direction zu entscheidende Frage wird seyn über
-die Form des Vortrages; denn auch der Vortrag eines solchen Werkes muss
-mustermässig seyn und auf der Spitze der Kunst des Vortrages im
-Zeitalter stehen.
-
-Zur Entscheidung darüber müsste ein bewährter und zwar philosophischer
-Schriftsteller herbeigezogen werden, welcher mit dem ursprünglich
-Beitragenden so lange den Aufsatz verbesserte, bis dieser seine Gedanken
-durchaus als wiedergegeben anerkennte, und jener mit der Form zufrieden
-wäre. Ohne die Approbation der Form durch diesen Schriftsteller, welcher
-über diesen Punct ganz allein dem Curatorium und dem Publicum
-verantwortlich wäre, dürfte kein Aufsatz in den Acten abgedruckt werden.
-
-8) Die Unterstützung, deren ein solches Werk von der Regierung bedürfte,
-würde, falls nur das Personal der Lehrer richtig gewählt wäre, sich auf
-den ersten Vorschuss zum Verlage, und auf die Direction der Verlags- und
-Debitsgeschäfte, mit denen die Gelehrten durchaus nichts zu thun haben
-müssten, ferner auf den Schutz derselben gegen Nachdruck überhaupt und
-gegen Wiederabdruck einzelner Aufsätze, beschränken. Ein solches Werk
-würde in kurzer Zeit eine Abnahme finden, die die Zurücknahme des
-vorgeschossenen Capitals mit den Interessen erlaubte, die Kosten des
-mercantilischen Geschäfts dabei deckte, und dennoch einen ansehnlichen
-Ueberschuss zur Vertheilung an die Beitragenden übrig liesse. Dieser
-Ueberschuss wäre, nach Abzug der Correctionsgebühren, welche bei jedem
-besonderen Aufsatze nach Verhältniss der aufgewendeten Mühe besonders zu
-bestimmen wären, nach der Bogenzahl der gelieferten Beiträge an die
-Beitragenden gleich zu vertheilen, und ihnen und ihren Erben und
-Erbnehmern, auf ewige Zeiten, so lange noch ein Exemplar des Bandes, in
-welchem ihre Beiträge stehen, verkauft wird, als unantastbares Eigenthum
-zuzusichern. Dass die Regierung diesen Gegenstand zu einer
-Finanzoperation mache, wäre unter ihrer Würde. Wiederum lässt von der
-anderen Seite von anständig besoldeten und an einer zahlreich besuchten
-Universität, deren Studirende auf eine zweckmässige Weise angehalten
-werden, die gebührenden Honorarien zu entrichten, arbeitenden Gelehrten
-sich nicht erwarten, dass sie nach dem Schriftstellersolde eilen werden,
-so wie der Bogen abgedruckt ist. Vielmehr würden sie das allmählige
-Eingehen ihres Antheils ruhig abwarten; auch wohl dieses Nebeneinkommen
-gern für die Ihrigen, die sie möglicherweise doch als unversorgte
-Wittwen und Waisen hinterlassen könnten, stehen lassen.
-
-
- Schlussanmerkung.
-
-1) Vor diesem Plane möchte mancher Bescheidene erschrecken und das Ziel
-zu hoch gesteckt finden. Es ist dabei zu erwägen, dass, wie bei allen im
-blossen Begriffe vorgezeichneten Plänen, also auch hier, die Ausführung
-hinter dem Vorsatze zurückbleiben werde, und dass dieses ohne alles
-unser Vorhaben sich schon von selbst findet. Es ist daher um so
-nöthiger, sich sogleich den einzig rechten Zweck in seiner ganzen
-Klarheit zu setzen, weil man sodann doch immer hoffen kann, mehr zu
-erreichen, als wenn man sich gleich von vornherein vornimmt, mit dem
-Mittelmässigen oder Falschen sich abfinden zu lassen.
-
-2) Besonders könnte bei Erwähnung des Neuen und des Erfindens nach
-Inhalt oder nach Form gesagt werden: wenn nun aber auf der
-vorausgesetzten Universität nichts Neues in beiderlei Richtung erfunden
-wird? Ich antworte, dass jene Acten dadurch desto nöthiger werden, um
-über die eigentliche Beschaffenheit des Gelehrtenpersonals an der
-Universität aufzuklären. Sie können dem Curatorium derselben deutlich
-einen Maassstab geben, an welcher Stelle es eigentlich fehle, und wo
-nachgeholfen werden müsse. Ein solcher nicht mehr fortstrebender, weder
-in Erweiterung des Inhaltes seiner Wissenschaft, noch in Bewältigung
-ihres Stoffes zu geistigerer Form Neues leistender Gelehrter kann auch
-nicht mehr zu den guten Universitätslehrern gezählt werden; er müsste
-durch einen anderen ersetzt werden. Im Ganzen aber müsste einer
-Universität, welche dergleichen Acten herausgäbe, kein einziges, im
-gemeinsamen Vaterlande aufblühendes Talent entgehen, welches sie nicht
-wenigstens für die Zeit seiner besten Blüthe sich aneignete. Ein
-Curatorium könnte auch sodann besser beurtheilen und dem Zweifelnden
-augenscheinlich nachweisen, welche Personen in den ehrwürdigen Rang der
-Veteranen zu versetzen wären, die von nun an entweder bloss zur
-Tradition des Erlernten oder zur Anwendung desselben im praktischen
-Wirken zu gebrauchen, aus dem Umkreise des wachsenden Lebens aber zu
-entfernen sind. Ueberhaupt hängt dieser Plan zusammen mit einem
-grösseren Plane zur Errichtung einer wahrhaft deutschen
-Nationaluniversität, durch welchen er, und welcher wiederum durch ihn,
-erklärt und die Ausführung erleichtert würde.
-
-
- II.
- Rede von Fichte, als Decan der philosophischen Facultät, bei
- Gelegenheit einer Ehrenpromotion an der Universität zu Berlin,
- am 16. April 1811.
-
- Hochgeehrte Herren!
-
-Ich weiss nicht, ob es der Universität anständig seyn würde, sich zu
-verwundern, dass sie in Berlin ist, so wie viele ausser ihr dermaassen
-darüber erstaunt sind, dass sie um der Wunderbarkeit willen die Wahrheit
-der Sache noch immer nicht recht glauben können. Einer Facultät
-inzwischen, die nun gar allhier Doctoren creirt, wird diese Verwunderung
-über sich selbst oft so aufgedrungen, dass es in der That sehr nöthig
-wird, sich wohl zu besinnen, was man eigentlich thue, und, so man kann,
-in sich selbst Fuss zu fassen, um ernsthafte Haltung zu gewinnen nach
-Aussen.
-
-Erlauben Sie mir daher, dass, ehe wir zu dem angesetzten Promotionsact
-gehen, ich diese nöthige Selbstbesinnung laut vor Ihnen vollziehe.
-
-Als im neueren Europa zuerst Universitäten entstanden, stellten sich
-diese eine Aufgabe, welche ihnen keinesweges von der Gesellschaft oder
-vom Staate, welche dafür blind waren, übertragen wurde, sondern die sie
-allein erblickten und mit hochherziger Freiwilligkeit auf sich nahmen,
--- die Aufgabe, den menschlichen Geist zu befreien und ihn nach allen
-Richtungen hin und durch alle Mittel, die ihnen bekannt werden möchten,
-zu bilden. Wem diese akademische Würden ertheilten, den erklärten sie
-dadurch für tüchtig, an der Erreichung dieses Zweckes mitzuarbeiten und
-nahmen ihn auf in ihren grossen, freien Bund. Von ihnen sind die
-akademischen Würden aus Hand in Hand bis auf uns herabgekommen, und es
-giebt Keinen unter den jetzt lebenden Graduirten, auf den sie nicht
-durch eine stete Reihe der Ueberlieferung von jenem ersten Bunde aus
-gekommen sey.
-
-Auch dauert das Bedürfniss eines solchen freien Bundes noch immer fort.
-Uncultur und Barbarei umgiebt uns noch allenthalben; wie derselben
-beizukommen sey, welcher Punct jedesmal in dem Fortgange der geistigen
-Menschenbildung an die Tagesordnung komme, wer ein tauglicher Mitgehülfe
-sey an dieser grossen Arbeit: dieses Alles zu bestimmen möchte wohl noch
-immer der Staat ebenso unfähig seyn, als er es vor Jahrhunderten war,
-und es möchte die Lösung dieser Fragen wohl noch immer anheimfallen
-jenem grossen Bunde. Unser Staat, bei der Stellung unserer Universität
-in die höchste Leichtigkeit versetzt, von allem Althergebrachten
-abzugehen, und von Stimmungen umgeben, die nicht geneigt sind, irgend
-eine Auszeichnung anzuerkennen, welche nicht unmittelbar vom Staate
-herkommt, -- hat dennoch, zu seinem ewigen Ruhme, durch die trefflichen
-Männer, die ihn hierin vertreten, jenen Grundsatz ausdrücklich
-anerkannt, indem er die vorhergegangene feierliche Aufnahme in den
-grossen europäischen Gelehrtenbund zur Bedingung der öffentlichen
-Anstellung an der Universität gemacht hat, die freilich nur Er ertheilt.
-Tiefer bekennt er sich daher auch zu dem Grundsatz, dass die neue
-Universität ihm nicht bloss eine Pflanzschule seyn soll für künftige
-Beamte, sondern eine freie Pflegerin in jeglicher Richtung und im
-weitesten, von ihm ungeschmälerten Sinne.
-
-Die akademische Würde ist darum noch immer, was sie ursprünglich war:
-feierliches Symbol der Aufnahme in den grossen Bund der Veredlung des
-Menschengeschlechts durch wissenschaftliche Bildung; und wer sie
-annimmt, übernimmt dadurch feierlich vor Gott und Menschen die
-Verpflichtung, dieser Bestimmung allein sein Leben zu widmen, und alle
-andern Zwecke desselben aufzugeben.
-
-Mag doch nun immer diese Würde oft an Unwürdige ertheilt worden seyn!
-Der Unwürdige hat sie in der That nicht empfangen, sondern nur die
-äussere Benennung. Es kann sie Keiner erhalten, der sie nicht schon
-trägt in sich selbst. Der Promotionsact fügt bloss die äussere
-Anerkennung hinzu: es kann aber Keiner anerkannt werden für das, was er
-nicht ist. Auch wird der Würdige von dem, der selber würdig ist,
-sicherlich anerkannt. Was der, der Ideen unfähige, Pöbel dazu sage, und
-ob dieser unseren Grad auch ehre oder seiner zu spotten sich bestrebe,
-darnach fragt der Eingeweihte nicht; denn dieser Pöbel ist für ihn
-überhaupt nur da, als ein Gegenstand, der entpöbelt werden soll. Der
-rechte Doctor, der von seiner akademischen Würde, von der Würde eines
-geistigen Bildners der Menschheit innig durchdrungene, würde sich sogar
-entehrt finden, wenn er auf einmal anfinge, dem Pöbel wohlzugefallen: er
-würde in sich gehen und sich ernstlich prüfen, ob ihm nicht etwa eine
-Leichtfertigkeit angeflogen sey.
-
-Dass es der Eine grosse, im neueren Europa zur Verbreitung der
-Wissenschaften geschlossene Bund ist, welcher die akademischen Würden
-ertheilt, spricht sich auch dadurch aus, dass jede dieser Würden in
-ihrer Art nur Eine ist und dieselbige, die auch überall als die Eine und
-selbige anerkannt wird. Die besonderen Universitäten und Facultäten sind
-in dieser Beziehung nur Glieder und Bevollmächtigte des ganzen Bundes,
-und übertragen die Würde in seinem Namen. Um dies deutlich auszusprechen
-und den Promovirenden sogar zu nöthigen, nicht etwa den örtlichen Grad
-des Doctors, sondern den Grad schlechthin zu ertheilen, haben die
-Universitäten eine gemeinsame Form dieser Ertheilung verfügt und auch
-die Sprache als die gemeinsame aller Gelehrten dabei gewählt, u. s. w.
-
- Joannes Friderice Guilelme Himly,
- Joannes Alberte Eytelwein,
- Sigismunde Friderice Hermbstaedt,
- Auguste Ferdinande Bernhardi,
-
- ^etc. etc.^
-
- ^creo, creatum renuncio, renunciatum proclamo, et publice
- confirmo!^
-
-
-
-
- Vermischte Aufsätze.
-
-
-
-
- A.
- Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks.
- Ein Räsonnement und eine Parabel.
-
-
- (Berliner Monatsschrift Bd. 21. S. 443-483.)
-
-Wer schlechte Gründe verdrängt, macht bessern Platz. So urtheilte
-unlängst ein durch seinen Rang, und mehr noch durch seine Gerechtigkeit
-ehrwürdiges Gericht; und so dachte der Verfasser des Aufsatzes: »Der
-Bücherverlag in Betrachtung der Schriftsteller, der Verleger und des
-Publicums, nochmals erwogen« im Deutschen Magaz., April 1791. Die
-Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks schien nemlich Herrn Reimarus
-durch die bis jetzt angeführten Gründe noch nicht erwiesen; und er
-wollte durch eine scheinbare Vertheidigung desselben die Gelehrten
-auffordern, auf bessere gegen denselben zu denken. Denn unmöglich konnte
-es ihm dabei Ernst seyn; unmöglich konnte er wollen, dass die
-Vertheidigung eines Verfahrens sich behaupte, gegen welches jeder
-Wohldenkende einen inneren Abscheu fühlt.
-
-Seine Abhandlung theilt sich, der Natur der Sache gemäss, in die zwei
-Fragen: über die ^Rechtmässigkeit^, und über die ^Nützlichkeit^ des
-Büchernachdrucks. In Absicht der ersteren behauptet er: dass bis jetzt
-noch kein, offenbar nur aus einem fortdauernden Eigenthume des Gelehrten
-an seinem Buche abzuleitendes Recht desselben, oder seines
-Stellvertreters, des rechtmässigen Verlegers, den Nachdruck zu
-verhindern, nachgewiesen sey; woraus natürlich eine Befugniss zum
-Nachdrucke folgen würde: mithin die Frage: ob der Nachdruck in
-policirten Staaten zu dulden sey? nach ihrer Abweisung vom Richterstuhle
-der vollkommenen Rechte, von der Beantwortung der weiteren Frage
-abhängen würde: ob er nützlich sey? Herr Reimarus beantwortet diese
-Frage bejahend, mithin auch die erste; schlägt jedoch zum Vortheile des
-Verfassers und seines rechtmässigen Verlegers einige Einschränkungen der
-allgemeinen Erlaubniss des Büchernachdruckes vor.
-
-Herr Reimarus -- denn wir gestehen, dass wir nicht nöthig gefunden
-haben, die Verfasser, welche er für eben diese Meinung anführt,
-nachzulesen, da wir natürlicherweise voraussetzen konnten, dass er ihre
-Gründe benutzt, und dass die letzte Schrift dafür, die seinige, auch die
-stärkste seyn werde, -- Herr Reimarus also hat nicht erwiesen, noch zu
-erweisen gesucht, dass überhaupt kein dergleichen fortdauerndes
-Eigenthum des Verfassers möglich sey; sondern nur gesagt, dass man bis
-jetzt es noch nicht klar dargelegt habe, und einige Instanzen angeführt,
-die seiner Meinung nach gegen die Allgemeinheit, und mithin auch
-Vollkommenheit eines solchen vom Eigenthume abgeleiteten Rechts streiten
-würden. Wir haben also gar nicht nöthig ihm Schritt vor Schritt zu
-folgen, und uns auf seine Gründe einzulassen. Können wir nur ein
-dergleichen fortdauerndes Eigenthum des Verfassers an seine Schrift
-wirklich beweisen, so ist geschehen, was er verlangte, und er mag nun
-seine Instanzen selbst mit demselben zu vereinigen suchen. Ferner haben
-wir dann auch seinen Erweis der Nützlichkeit des Büchernachdrucks nicht
-zu beantworten; denn es kömmt sodann darauf gar nicht mehr an, da nie
-geschehen darf, was schlechthin unrecht ist; sey es so nützlich es
-wolle.
-
-Die Schwierigkeit, welche man fand, ein fortdauerndes Eigenthum des
-Verfassers an sein Buch zu beweisen, kam daher, weil wir gar nichts
-ähnliches haben, und das, was demselben einigermaassen ähnlich zu seyn
-scheint, wieder in Vielem sich gar sehr davon unterscheidet. Ebendaher
-kömmt es, dass unser Beweis ein etwas spitzfindiges Ansehen bekommen
-muss, welches wir aber so gut als möglich zu poliren suchen werden. Aber
-der Leser lasse sich ihn dadurch nicht verdächtig werden; denn es wird
-sehr leicht möglich seyn, ihn ^in concreto^ klarzumachen und zu
-erhärten. -- Es sind nemlich eine Menge Maximen über diesen Gegenstand
-im Umlaufe, welche jeder von der Sache Unterrichtete, Wohldenkende und
-für das Gegentheil nicht Interessirte annimmt, anderer Verhalten in
-Dingen der Art darnach beurtheilt, und das seinige selbst einrichtet.
-Lassen sich diese alle leicht und natürlich auf unseren als Princip
-aufgestellten Satz zurückführen, so ist dies gleichsam seine Probe; und
-es wird dadurch klar, dass er der Grundsatz ist, welcher allen unseren
-Urtheilen über diesen Gegenstand, obgleich dunkel und unentwickelt, zum
-Grunde lag.
-
-Zuerst der Grundsatz: Wir behalten nothwendig das Eigenthum eines
-Dinges, dessen Zueignung durch einen Anderen physisch unmöglich ist. Ein
-Satz, der unmittelbar gewiss ist und keines weiteren Beweises bedarf.
-Und jetzt die Frage: Giebt es etwas von der Art in einem Buche?
-
-Wir können an einem Buche zweierlei unterscheiden: das ^Körperliche^
-desselben, das bedruckte Papier; und sein ^Geistiges^. Das Eigenthum des
-ersteren geht durch den Verkauf des Buches unwidersprechlich auf den
-Käufer über. Er kann es lesen und es verleihen so oft er will,
-wiederverkaufen an wen er will, und so theuer oder so wohlfeil er will
-oder kann, es zerreissen, verbrennen: wer könnte darüber mit ihm
-streiten? Da man jedoch ein Buch selten auch darum, am seltensten bloss
-darum kauft, um mit seinem Papier und Drucke Staat zu machen, und damit
-die Wände zu tapeziren: so muss man durch den Ankauf doch auch ein Recht
-auf sein Geistiges zu überkommen meinen. Dieses Geistige ist nemlich
-wieder einzutheilen: in das ^Materielle^, den Inhalt des Buches, die
-Gedanken, die es vorträgt; und in die ^Form^ dieser Gedanken, die Art
-wie, die Verbindung in welcher, die Wendungen und die Worte, mit denen
-es sie vorträgt. Das erste wird durch die blosse Uebergabe des Buches an
-uns offenbar noch nicht unser Eigenthum. Gedanken übergeben sich nicht
-von Hand in Hand, werden nicht durch klingende Münze bezahlt, und nicht
-dadurch unser, dass wir ein Buch, worin sie stehen, an uns nehmen, es
-nach Hause tragen und in unserem Bücherschranke aufstellen. Um sie uns
-zuzueignen, gehört noch eine Handlung dazu: wir müssen das Buch lesen,
-seinen Inhalt, wofern er nur nicht ganz gemein ist, durchdenken, ihn von
-mehreren Seiten ansehen, und so ihn in unsere eigene Ideenverbindung
-aufnehmen. Da man indess, ohne das Buch zu besitzen, dies nicht konnte,
-und um des blossen Papiers willen dasselbe nicht kaufte, so muss der
-Ankauf desselben uns doch auch hierzu ein Recht geben: wir erkauften uns
-nemlich dadurch die Möglichkeit, uns die Gedanken des Verfassers zu
-eigen zu machen; diese Möglichkeit aber zur Wirklichkeit zu erheben,
-dazu bedurfte es unserer eigenen Arbeit. -- So waren die Gedanken des
-ersten Denkers dieses und der vergangenen Jahrhunderte, und
-höchstwahrscheinlich eines der ersten aller künftigen, vor der
-Bekanntmachung seiner merkwürdigen Werke, und noch eine geraume Zeit
-nachher sein ausschliessendes Eigenthum; und kein Käufer bekam für das
-Geld, welches er für die Kritik der reinen Vernunft hingab, ihren Geist.
-Jetzt aber hat mancher hellsehende Mann sich denselben zugeeignet, und
-das wahrlich nicht durch Ankauf des Buches, sondern durch fleissiges und
-vernünftiges Studium desselben. Dieses Mitdenken ist denn auch, im
-Vorbeigehen sey es gesagt, das einzig passende Aequivalent für
-Geistesunterricht, sey er mündlich oder schriftlich. Der menschliche
-Geist hat einen ihm angeborenen Hang, Uebereinstimmung mit seiner
-Denkungsart hervorzubringen; und jeder Anschein der Befriedigung
-desselben ist ihm die süsseste Belohnung aller angewandten Mühe. Wer
-wollte lehren vor leeren Wänden, oder Bücher schreiben, die niemand
-läse? Das, was für dergleichen Unterricht an Gelde entrichtet wird, für
-Aequivalent anzusehen, wäre widersinnig. Es ist nur Ersatz dessen, was
-der Lehrer denen geben muss, die während der Zeit, dass er für andere
-denkt, für ihn jagen, fischen, säen und ernten.
-
-Was also fürs erste durch die Bekanntmachung eines Buches sicherlich
-feilgeboten wird, ist ^das bedruckte Papier^, für jeden, der Geld hat es
-zu bezahlen, oder einen Freund, es von ihm zu borgen; und der Inhalt
-desselben, für jeden, der Kopf und Fleiss genug hat, sich desselben zu
-bemächtigen. Das erstere hört durch den Verkauf unmittelbar auf, ein
-Eigenthum des Verfassers (den wir hier noch immer als Verkäufer
-betrachten können) zu seyn, und wird ausschliessendes des Käufers, weil
-es nicht mehrere Herren haben kann; das letztere aber, dessen Eigenthum
-vermöge seiner geistigen Natur Vielen gemein seyn kann, so, dass doch
-jeder es ganz besitze, hört durch die Bekanntmachung eines Buches
-freilich auf, ^ausschliessendes^ Eigenthum des ersten Herrn zu seyn
-(wenn es dasselbe nur vorher war, wie dies mit manchem heurigen Buche
-der Fall nicht ist), bleibt aber sein mit Vielen gemeinschaftliches
-Eigenthum. -- Was aber schlechterdings nie jemand sich zueignen kann,
-weil dies physisch unmöglich bleibt, ist die ^Form^ dieser Gedanken, die
-Ideenverbindung, in der, und die Zeichen, mit denen sie vorgetragen
-werden.
-
-Jeder hat seinen eigenen Ideengang, seine besondere Art, sich Begriffe
-zu machen und sie untereinander zu verbinden: dies wird, als allgemein
-anerkannt, und von jedem, der es versteht, sogleich anzuerkennend, von
-uns vorausgesetzt, da wir hier keine empirische Seelenlehre schreiben.
-Alles, was wir uns denken sollen, müssen wir uns nach der Analogie
-unserer übrigen Denkart denken; und bloss durch dieses Verarbeiten
-fremder Gedanken, nach der Analogie unserer Denkart, werden sie die
-unsrigen: ohne dies sind sie etwas Fremdartiges in unserem Geiste, das
-mit nichts zusammenhängt und auf nichts wirkt. Es ist unwahrscheinlicher
-als das Unwahrscheinlichste, dass zwei Menschen über einen Gegenstand
-völlig das Gleiche, in eben der Ideenreihe und unter eben den Bildern,
-denken sollen, wenn sie nichts voneinander wissen, doch ist es nicht
-absolut unmöglich; dass aber der eine, welchem die Gedanken erst durch
-einen anderen gegeben werden müssen, sie in eben der Form in sein
-Gedankensystem aufnehme, ist absolut unmöglich. Da nun reine Ideen ohne
-sinnliche Bilder sich nicht einmal denken, vielweniger anderen
-darstellen lassen, so muss freilich jeder Schriftsteller seinen Gedanken
-eine gewisse Form geben, und kann ihnen keine andere geben als die
-seinige, weil er keine andere hat; aber er kann durch die Bekanntmachung
-seiner Gedanken gar nicht Willens seyn, auch diese ^Form^ gemein zu
-machen: denn niemand kann seine Gedanken sich zueignen, ohne dadurch,
-dass er ihre Form verändere. Die letztere also bleibt auf immer sein
-ausschliessendes Eigenthum.
-
-Hieraus fliessen zwei Rechte der Schriftsteller: nemlich nicht bloss,
-wie Herr R. will, das Recht zu verhindern, dass niemand ihm überhaupt
-das Eigenthum dieser Form abspreche (zu fordern, dass jeder ihn für den
-Verfasser des Buches anerkenne); sondern auch das Recht, zu verhindern,
-dass niemand in sein ausschliessendes Eigenthum dieser Form Eingriffe
-thue und sich des Besitzes derselben bemächtige.
-
-Doch ehe wir weitere Folgerungen aus diesen Prämissen ziehen, lasst sie
-uns erst ihrer Probe unterwerfen! -- Noch bis jetzt haben die
-Schriftsteller es nicht übel empfunden, dass wir ihre Schriften
-verbrauchen, dass wir sie anderen zum Gebrauch mittheilen, dass wir
-sogar Leihbibliotheken davon errichten, ungeachtet dies (denn wir sehen
-sie hier noch immer als Verkäufer an) offenbar zu ihrem Schaden
-gereichet; und wenn wir sie zerreissen oder verbrennen, so beleidigt
-dies den Vernünftigen nur alsdann, wenn es wahrscheinlich in der Absicht
-geschieht, ihm dadurch Verachtung zu bezeugen. Noch haben sie uns also
-bis jetzt durchgängig das völlige Eigenthum des ^Körperlichen^ ihrer
-Schriften zugestanden. -- Ebensowenig sind sie dadurch beleidigt worden,
-wenn man, bei wissenschaftlichen Werken, sich ihre Grundsätze eigen
-machte, sie aus verschiedenen Gesichtspuncten darstellte und auf
-verschiedene Gegenstände anwendete; oder bei Werken des Geschmackes ihre
-Manier, welches ganz etwas anderes ist als ihre Form, nachahmte. Sie
-haben dadurch eingestanden, dass das ^Gedankeneigenthum^ auf andere
-übergehen könne.
-
-Aber immer ist es allgemein für verächtlich angesehen worden, wörtlich
-auszuschreiben, ohne den eigentlichen Verfasser zu nennen; und man hat
-dergleichen Schriftsteller mit dem entehrenden Namen eines Plagiars
-gebrandmarkt. Dass diese allgemeine Misbilligung nicht auf die
-Geistesarmuth des Plagiars, sondern auf etwas in seiner Handlung
-liegendes Unmoralisches gehe: ist daraus klar, weil wir im ersten Falle
-ihn bloss bemitleiden, aber nicht verachten würden. Dass dieses
-Unmoralische, und der Grund des Namens, den man ihm giebt, gar nicht
-darin gesetzt werde, weil er durch den Verkauf eines Dinges, welches
-Käufer schon besitzt, diesen um sein Geld bringt: ergiebt sich daraus,
-dass unsere schlechte Meinung von ihm nicht um das Geringste gemildert
-wird, wenn er ein höchstseltenes, etwa nur auf grossen Bibliotheken
-vorzufindendes Buch ausgeschrieben hat. Dass endlich diese
-Ungerechtigkeit nicht etwa darin bestehe, dass er, wie Herr R. meinen
-könnte, dem Verfasser seine Autorschaft abspreche: folgt daraus, weil er
-diese gar nicht läugnet, sondern sie nur ignorirt. Auch würde man sie
-vergeblich darauf zurückführen, dass er dem Verfasser die rechtmässige
-Ehre nicht erzeige, indem er ihn nicht nenne, wo er ihn hätte nennen
-sollen: indem der Plagiar nicht weniger Plagiar genannt wird, wenn er
-auch das Buch eines Anonymus ausgeschrieben hat. Wir können sicher jeden
-ehrliebenden Mann fragen: ob er sich nicht in sich selbst schämen würde,
-wenn er es sich nur als möglich dächte, dass er etwa eines unbekannten
-verstorbenen Mannes Handschrift, oder ein Buch, dessen einziger Besitzer
-er wäre, ausschreiben könnte? ... Diese Empfindungen können, nach allem
-Gesagten, in nichts, als in dem Gedanken liegen: dass der Plagiar sich
-eines Dinges bemächtiget, welches nicht sein ist. -- Warum denkt man nun
-über den Gebrauch der ^eigenen Worte^ eines Schriftstellers ganz anders,
-als über die Anwendung seiner ^Gedanken^? Im letzteren Falle bedienen
-wir uns dessen, was unser mit ihm gemeinschaftliches Eigenthum seyn
-kann, und beweisen, dass es dieses sey, dadurch, dass wir ihm unsere
-Form geben; im ersten Falle bemächtigen wir uns seiner Form, welche
-nicht unser, sondern sein ausschliessendes Eigenthum ist.
-
-Eine Ausnahme macht man mit den Citaten: nemlich nicht nur solchen, wo
-von einem Verfasser bloss gesagt wird, dass er irgend etwas entdeckt,
-erwiesen, dargestellt habe, wobei man sich weder seiner Form bemächtigt,
-noch eigentlich seine Gedanken vorträgt, sondern auf sie nur weiter
-fortbaut; sondern auch solchen, wo die eigenen Worte des Verfassers
-angeführt werden. Im letzten Falle bemächtigt man sich wirklich der Form
-des Verfassers, die man zwar nicht für die seinige ausgiebt, welches
-jedoch hier nichts zur Sache thut. Diese Befugniss scheint sich auf
-einen stillschweigenden Vertrag der Schriftsteller untereinander zu
-gründen, einander gegenseitig mit Anführung der eigenen Worte zu
-citiren; doch würde auch hier es niemand billigen, wenn ein anderer,
-ohne sichtbares Bedürfniss, besonders grosse Stellen ausschriebe. Mit
-nur halbem Rechte stehen unter den Ausnahmen die Blumenlesen, die
-^Geiste (esprits)^, zu deren Verfertigung gemeinhin nicht viel Geist
-gehört, und dergleichen kleine Diebereien, die niemand sehr bemerkt,
-weil sie niemandem viel helfen, noch viel schaden.
-
-Kein Docent duldet es, dass jemand seine Vorlesungen abdrucken lasse;
-noch nie aber hat einer etwas dagegen gehabt, wenn seine Zuhörer sich
-seinen Geist und seine Grundsätze eigen zu machen gesucht, und sie
-mündlich oder schriftlich weiter verbreitet haben. -- Worauf gründet
-sich dieser Unterschied? Im letzten Falle tragen sie seine Gedanken vor,
-die durch ihr eigenes Nachdenken, und die Aufnahme derselben in ihre
-Ideenreihe, die ihrigen geworden sind; im ersteren bemächtigen sie sich
-seiner Form, die nie ihr Eigenthum werden kann, kränken ihn also in
-seinem vollkommenen Rechte.
-
-Und jetzt diese ^a priori^ erwiesenen und ^a posteriori^ durch die aus
-ihnen mögliche Erklärbarkeit dessen, was in Sachen der Art für recht
-gehalten wird, erprobten Grundsätze auf das Verhältniss des Verfassers
-und des Verlegers angewandt! Was überträgt der Erstere an den Letzteren,
-indem er ihm seine Handschrift übergiebt? ... Ein Eigenthum: etwa das
-der ^Handschrift^? Aber die Gelehrten werden gestehen, dass diese
-grösstentheils des Geldes nicht werth sey; und warum verzeihen sie es
-sich denn nicht, mehrere von eben der Schrift an mehrere Verleger zu
-verkaufen? Das Eigenthum der darin enthaltenen Gedanken: dies überträgt
-sich nicht durch eine blosse Uebergabe; und selten würde dem Verleger
-viel damit gedient seyn. -- Noch weniger das der ^Form^ dieser Gedanken:
-denn diese ist und bleibt auf immer ausschliessendes Eigenthum des
-Verfassers. -- Der Verleger bekommt also durch den Contract mit dem
-Verfasser überhaupt kein Eigenthum, sondern unter gewissen Bedingungen
-nur das Recht eines gewissen ^Niessbrauches^ des Eigenthums des
-Verfassers, d. i. seiner Gedanken in ihre bestimmte Form eingekleidet.
-Er darf, an wen er will und kann, verkaufen -- nicht die Gedanken des
-Verfassers und ihre Form, sondern nur die durch den Druck derselben
-hervorgebrachte ^Möglichkeit^, sich die ersteren zuzueignen. Er handelt
-also allenthalben nicht in seinem Namen, sondern im Namen und aus
-Auftrag des Verfassers.
-
-Auch diese Begriffe zeigen sich in allgemein angenommenen Maximen. Warum
-wird selbst der rechtmässige Verleger allgemein getadelt, wenn er eine
-grössere Anzahl Exemplare abdrucken lässt, als er mit dem Verfasser
-verabredet hat? Das Recht des Verfassers, dies zu hindern, gründet sich
-zwar auf einen Contract, der aber nicht über das Eigenthum, sondern den
-Niessbrauch abgeschlossen ist. Der Verleger kann höchstens Eigenthümer
-dieses Niessbrauchs heissen. -- Warum dann, wenn er eine zweite Auflage
-besorgt, ohne Erlaubniss des Verfassers? Wie kann der Verfasser bei
-einer zweiten Auflage, wenn er nichts Neues hinzusetzt noch umarbeitet,
-von neuem Honorar vom Verleger für die blosse Erlaubniss der neuen
-Auflage fordern? Wären diese Maximen nicht widersprechend, wenn man
-annähme, dass das Buch ein Eigenthum des Verlegers würde, und nicht
-beständiges Eigenthum des Verfassers bliebe, so dass der Verleger
-fortdauernd nichts ist, als sein Stellvertreter? Wäre es nicht
-widersprechend, dass das Publicum, wenn es, durch einen prächtigen Titel
-getäuscht, ein Buch gekauft hat, in welchem es nichts, als das
-Längstbekannte, aus den bekanntesten Büchern ärmlich zusammengestoppelt,
-findet, an dem Verfasser des Buches Regress nimmt, und nicht an seinen
-Verleger sich hält? Ein Recht, uns zu beklagen, haben wir allerdings;
-wir wollten nicht bloss ein paar Alphabete gedrucktes Papier, wir
-wollten zugleich die ^Möglichkeit^ erkaufen, uns über gewisse
-Gegenstände zu belehren. Diese ward uns versprochen, und nicht gegeben.
-Wir sind getäuscht, wir sind um unser Geld. Aber gaben wir dies nicht
-dem Verleger? War er es nicht, der uns das leere Buch dagegen gab? Warum
-halten wir uns nicht an ihn, als an den letzten Verkäufer, wie wir es
-sonst bei jedem Kaufe thun? Was sündigte der arme Verfasser? ... So
-müssten wir nothwendig denken, wenn wir den erstern nicht als blossen
-Stellvertreter des letztern betrachteten, der bloss in jenes Namen mit
-uns handelte, und, wenn wir betrogen wurden, in jenes Namen, auf jenes
-Geheiss, und oft ohne selbst das geringste Arge daraus zu haben, uns
-betrog. --
-
-So verhalten sich Schriftsteller, Verleger und Publicum. Und wie verhält
-sich zu ihnen der ^Nachdrucker^? Er bemächtigt sich -- nicht des
-Eigenthums des Verfassers, nicht seiner Gedanken (das kann er
-grösstentheils nicht; denn wenn er kein Ignorant wäre, so würde er eine
-ehrlichere Handthierung treiben), nicht der Form derselben (das könnte
-er nicht; auch wenn er kein Ignorant wäre); -- sondern des
-^Niessbrauches^ seines Eigenthums. Er handelt im Namen des Verfassers,
-ohne von ihm Aufträge zu haben, ohne mit ihm übereingekommen zu seyn,
-und bemächtigt sich der Vortheile, die aus dieser Stellvertretung
-entstehen; er maasset sich dadurch ein Recht an, das ihm nicht zusteht,
-und stört den Verfasser in der Ausübung seines vollkommenen Rechtes.
-
-Ehe wir das endliche Resultat ziehen, müssen wir noch ausdrücklich
-erinnern, dass die Frage gar nicht von dem ^Schaden^ ist, welchen der
-Nachdrucker hierdurch dem Verfasser entweder unmittelbar, oder mittelbar
-in der Person seines Stellvertreters zufüge. Man zeige, soviel man will,
-dass dadurch weder dem Verfasser, noch dem Verleger ein Nachtheil
-entstehe; dass es sogar der Vortheil des Schriftstellers sey, recht viel
-nachgedruckt zu werden, dass dadurch sein Ruhm über alle Staaten
-Deutschlands, von der Stapelstadt der Gelehrsamkeit bis in das
-entfernteste Dörfchen der Provinz, und von der Studirstube des Gelehrten
-bis in die Werkstätte des Handwerkers verbreitet werde: wird dadurch
-^recht^, was einmal unrecht ist? Darf man jemandem wider seinen Willen
-und sein Recht Gutes thun? Ein jeder hat die vollkommene Befugniss,
-seinem Rechte nichts zu vergeben; sey es ihm auch so schädlich als es
-wolle. Wann wird man doch ein Gefühl für die erhabene Idee des Rechts,
-ohne alle Rücksicht auf Nutzen, bekommen? -- Man merke ferner, dass
-dieses Recht des Verfassers, welches der Nachdrucker kränkt, sich nicht,
-wie Herr Reimarus glaubt, auf einen vermeinten Contract desselben mit
-dem Publicum und auf eine jesuitische Mentalreservation in demselben
-gründet; sondern dass es sein natürliches, angebornes, unzuveräusserndes
-Eigenthumsrecht ist. Dass man ein solches Recht nicht verletzt sehen
-wolle, wird wohl ohne ausdrückliche Erinnerung vorausgesetzt; vielmehr
-müsste man dann es sagen, wenn man auf die Ausübung desselben Verzicht
-thun wollte.
-
-Dies alles als erwiesen vorausgesetzt, muss, wenn jeder ein Dieb ist,
-der um Gewinnstes willen den Genuss des Eigenthums anderer an sich
-reisst, der Nachdrucker ohne Zweifel einer seyn. Wenn ferner jeder
-Diebstahl dadurch, dass er an Dingen geschieht, die ihrer Natur nach
-nicht unter Verwahrung gehalten werden können, sträflicher wird, so ist
-der des Nachdruckers, welcher an einer Sache verübt wird, die jedem
-offenstehen muss, wie Luft und Aether, einer der sträflichsten. Wird er
-es endlich dadurch noch mehr, an je edleren Dingen er geschieht, so ist
-der an Dingen, die zur Geistescultur gehören, der allersträflichste:
-daher man denn auch schon den Namen des Plagiats, der zuerst Diebstahl
-an Menschen bedeutete, auf Bücherdiebereien übertragen hat.
-
-Und jetzt zu einigen Instanzen des Herrn Reimarus! »Wer es denn sey, der
-den Niessbrauch des fortdauernden Eigenthums der Verfasser bei den alten
-Autoren, der es bei Luthers Bibelübersetzung habe?« fragt derselbe. --
-Wenn der Eigenthümer einer Sache, und seine Erben und Erbnehmer
-ausgestorben, oder nicht auszumitteln sind, so erbt die Gesellschaft.
-Will diese ihr Recht aufgeben, und es gemein werden lassen; will es der
-Eigenthümer selbst: -- wer kann es wehren?
-
-»Ob das auch ein Raub des Büchereigenthums seyn würde,« fragt Herr R.
-weiter, »wenn jemand ein Buch einzeln oder in grösserer Anzahl
-abschreiben und die Abschriften verkaufen wolle?« Da die Liebhaber,
-welche ein Buch lieber in Handschrift, als gedruckt besitzen wollten,
-selten seyn, mithin durch diese Vervielfältigung der Exemplare weder dem
-Verfasser noch dem Verleger grosser Nachtheil entstehen möchte; da der
-Gewinn bei dieser mühsamen Arbeit nicht gross, und der Verkaufswerth
-wohl grösstentheils kümmerliche Bezahlung der angewandten Mühe seyn,
-mithin die ungerechte Habsucht des Abschreibers weniger auffallen würde:
-so möchten vielleicht der Erstere und der Zweite dazu schweigen. Sind
-aber unsere eben ausgeführten Sätze erwiesen, so bleibt an sich jeder
-Niessbrauch des Buches, sey er so wenig einträglich als er wolle,
-ungerecht; und diejenigen, welche das Buch in Abschrift zu besitzen
-wünschten, oder der Abschreiber, müssten darüber in Unterhandlung mit
-dem Verfasser treten. -- Wenn die alten Schriftsteller über den
-möglichen Niessbrauch der Autorschaft nicht nachgedacht hatten, oder,
-weil sie sein nicht begehrten, das Abschreiben ihrer Bücher jedem
-freistellten, dem es beliebte, und durch ihr Stillschweigen die
-Einwilligung dazu gaben: so hatten sie das vollkommenste Recht, -- wie
-jeder es hat -- ihr Recht aufzugeben; wenn sie aber gewollt hätten, so
-hätten sie es ebensowohl geltend machen können, als die unsrigen: denn
-was heute recht ist, war es ewig.
-
-Diese Grundsätze werden durch Anwendung auf Dinge, die man oft mit ihnen
-verglichen und verwechselt hat, noch deutlicher werden. So hat man
-^Producte der mechanischen Kunst^ mit Büchern, und das Nachmachen
-derselben zum Nachtheil des Erfinders mit dem Nachdrucke verglichen; --
-wie passend oder unpassend, werden wir sogleich sehen. Auch ein solches
-Werk hat etwas Körperliches: die Materie, aus der es verfertigt ist,
-Stahl, Gold, Holz und dergleichen; und etwas Geistiges: den Begriff, der
-ihm zum Grunde liegt (die Regel, nach der es verfertigt ist). Von diesem
-Geistigen kann man nicht sagen, dass es eine dem Verfertiger
-eigenthümliche Form habe, weil es selbst ein Begriff einer ^bestimmten^
-Form ist -- die Form der Materie, das Verhältniss ihrer einzelnen Theile
-zur Hervorbringung des beabsichtigten Zwecks; -- welches folglich nur
-auf einerlei Art, einem deutlich gedachten Begriffe gemäss, bestimmt
-seyn kann. Hier ist es das Körperliche, welches, ^insofern es nicht
-durch den Begriff bestimmt wird^, eine besondere Form annimmt, von
-welcher die Nettigkeit, die Eleganz, die Schönheit des Kunstwerkes,
-insofern sie nicht auf den hervorzubringenden Zweck bezogen wird,
-abhängt: an welcher man z. B. die Arbeiten der Engländer, die Arbeiten
-eines gewissen bestimmten Meisters, von jeder andern unterscheidet, ohne
-eigentlich und deutlich angeben zu können, worin der Unterschied liege.
-Diese Form des Körperlichen kann auch ein Buch haben, und durch sie wird
-die Reinheit und Eleganz des Druckes bestimmt; in dieser Rücksicht ist
-es Product der mechanischen Kunst, und gehört unter die nun leicht zu
-entwickelnden Regeln derselben.
-
-Angenommen, was allgemein anzunehmen ist, dass durch den Verkauf einer
-Sache dem Käufer das Eigenthum alles desjenigen übertragen werde, dessen
-Zueignung physisch möglich ist: was wird durch den Verkauf eines solchen
-Kunstwerkes dem Käufer übertragen? Jedem ohne Zweifel das Eigenthum des
-materiellen Körperlichen, nebst der Möglichkeit, das Werk zu dem
-verlangten Zwecke zu gebrauchen, wenn er will, ihn kennt und ihn dadurch
-zu erreichen weiss. Die Möglichkeit, sich den dem Werke zu Grunde
-liegenden Begriff (nemlich die Regel, nach der es verfertigt ist)
-zuzueignen, ist nicht die Absicht des Verkaufs, und gemeinhin auch nicht
-des Kaufs, wie bei einem Buche, wo dies offenbar die Absicht ist. Auch
-wird sie durch den Verkauf nicht jedem, sondern bloss dem, der dazu die
-nöthigen Kenntnisse hat, übergeben. Das Eigenthum dieses Begriffs aber
-wird durch den Verkauf gar nicht übergeben; sondern zur Zueignung
-desselben gehört noch die Handlung des Käufers, dass er das Werk
-untersuche, es vielleicht zerlege, darüber nachdenke u. s. w. Aber
-dennoch ist es nicht nur physisch möglich, sondern auch oft sehr leicht,
-die Regel der Verfertigung des Werkes zu finden. Diesen Begriffen nun
-seine Form zu geben, muss man selbst Künstler, und zwar Künstler in
-dieser Kunst seyn. Die Form des ersten Verfertigers wird man dem
-Körperlichen nie geben; aber es kommt darauf nicht an, der Unterschied
-ist meistens ganz unbemerkbar, und oft wird der zweite Verfertiger ihm
-eine weit schönere geben. Man kann folglich nicht nur das Eigenthum der
-Materie, sondern unter gewissen Bedingungen auch das des Begriffs, nach
-welchem sie bearbeitet ist, sich erwerben; und da man das Recht hat,
-sein Eigenthum auf jede beliebige Art zu benutzen, so hat man ohne
-Zweifel auch das, dies Kunstwerk nachzumachen. Allein, die Ausübung
-dieses Rechtes ist nicht billig: es ist nicht billig, dass der Mann,
-welcher Jahre lang Fleiss, Mühe und Kosten aufwendete, durch die erste
-Bekanntmachung des Resultats seiner jahrelangen Arbeit, welches von der
-Art, dass jeder desselben sich bemächtigen kann, der es siehet, um alle
-Frucht dieser Arbeit gebracht werde. Da aber in Sachen des Gewinnstes
-auf die Billigkeit anderer nicht sehr zu rechnen ist, so tritt der Staat
-ins Mittel, und macht durch ein ausdrückliches Gesetz, genannt
-^Privilegium^, dasjenige Rechtens, was vorher nur Sache der Billigkeit
-war. Weil indess durch ein solches Gesetz das natürliche Recht anderer
-allerdings eingeschränkt, und sie dessen beraubt werden, besonders
-dadurch beraubt werden, dass man das, was von ihrem guten Willen abhing,
-und ihnen ein Verdienst geben konnte, ihnen abnöthigt, und sie dadurch
-wenigstens der Entdeckung dieses Verdienstes beraubt: so hebt der Staat
-dieses Gesetz wieder auf, sobald seine Absicht, den ersten Erfinder zu
-entschädigen, erreicht ist, und giebt den Menschen ihr angebornes und
-durch Nachdenken und Studium behauptetes Recht wieder.
-
-Ein solches Privilegium geht also auf den Gebrauch des erworbenen
-Begriffs; und nur dasjenige Bücherprivilegium würde mit ihm zu
-vergleichen seyn, welches verböte, innerhalb zehn Jahren nichts über
-^gewisse Materien^, als z. B. keine Metaphysik, keine Naturlehre, zu
-schreiben. -- Verwechselte etwa Herr R., dessen Vorschläge bei
-Bücherprivilegien eben dahin auslaufen, Bücher mit mechanischen
-Kunstwerken, als ob zu ihrer Verfertigung nichts weiter gehöre, als etwa
-ein Recept, ein Buch zu machen im Kopfe, und übrigens gelenke Finger,
-Papier und Dinte?
-
-Das Recht des Käufers, das Gekaufte nachzumachen, geht, soweit die
-physische Möglichkeit geht, es sich zuzueignen; und diese nimmt ab, je
-mehr das Werk von der Form abhängt, welche wir uns nie eigen machen
-können. Diese Gradation geht in unmerklichen Abstufungen von der
-gemeinen Studirlampe bis zu Correggio's Nacht. Letztere hat nie um ein
-Privilegium nachgesucht, und ist darum doch nicht nachgemacht worden.
-Zwar Farben auftragen, Licht und Schatten, und ein Kind und eine junge
-Frau malen, kann jeder Pinsler; aber es ist uns nicht darum, es ist uns
-um die nicht zu beschreibende, aber zu fühlende Form des Vortrags zu
-thun. -- Kupferstiche von Gemälden sind keine Nachdrücke: sie verändern
-die Form. Sie liefern Kupferstiche, und keine Gemälde; und wem sie den
-letzteren gleich gelten, dem bleibt es unbenommen. Auch Nachstechen
-schon abgestochener Gemälde ist nicht Nachdruck; denn jeder giebt seinem
-Stiche seine eigene Form. Nachdruck wäre nur das, wenn jemand sich der
-Platte des Andern bemächtigte und sie abdruckte.
-
-Und nach dieser Unterscheidung nun die Frage: Was ist ein
-Bücherprivilegium? Ein Privilegium überhaupt ist Ausnahme von einem
-allgemein geltenden Gesetze der natürlichen oder der bürgerlichen
-Gesetzgebung. Ueber Büchereigenthum ist bis jetzt kein bürgerliches
-Gesetz vorhanden; also muss ein Bücherprivilegium eine Ausnahme von
-einem Naturgesetze seyn sollen. Ein dergleichen Privilegium sagt, ein
-gewisses Buch solle nicht nachgedruckt werden; es setzt mithin ein
-Gesetz der Natur voraus, welches so lauten müsste: Jeder hat ein Recht,
-jedes Buch nachzudrucken. -- Es ist also doch wahr, dass das
-Nachdruckerrecht selbst von denen, in deren Hände die Menschheit alle
-ihre Rechte zur Aufbewahrung überlieferte, von den Regenten, als ein
-allgemein gültiges Naturrecht anerkannt werde? Doch wahr, dass selbst
-die Gelehrten es dafür anerkennen; denn was kann die Bitte um ein
-Privilegium anders heissen, als: Ich erkenne an, dass vom Tage der
-Publication meines Werkes jeder, wer will, das unbezweifelte Recht hat,
-sich das Eigenthum und jeden möglichen Nutzen desselben anzumaassen,
-bitte aber um meines Vortheils willen, die Rechte der Menschheit
-einzuschränken. -- Hat man sich je einen Freibrief gegen Strassenräuber
-geben lassen? -- »Aber ein Bücherprivilegium ist kein Freibrief gegen
-Strassenräuber; es ist eine Bedeckung von Husaren«, sagt man mir. Wenn
-dies wahr wäre, wenn es in Ländern wahr seyn könnte, wo die
-Strassenräuber nicht, wie in Arabien, ungebändigt in den Wäldern
-herumstreifen, sondern zu jeder Stunde durch die obrigkeitliche Gewalt
-abgelangt werden können: so ständen wir vor einer andern Untersuchung.
-
-Die Tr... nemlich, Sch..., die W... sind freilich Räuber; aber sie sind
-privilegirte Räuber. Sie haben -- denn die Bemerkung, dass eins von
-beiden, entweder das Privilegium, welches den Nachdruck verbietet, oder
-das, welches ihn erlaubt, widersinnig seyn muss, wollen wir schenken --
-sie, sage ich, haben nicht die mindeste Schuld. Unbekannt mit dem, was
-Recht oder Unrecht sey, weil es für sie zu tief lag, fragten sie die,
-welche es wissen sollten. Man sagte es ihnen, und sie glaubten. Freilich
-gefiel es dem englischen Kaufmanne nie wohl, wenn ein französischer
-Kaper ihm sein Schiff und seine Waaren wegnahm. Er beklagte sich über
-diese Ungerechtigkeit. »Das ist nicht Unrecht, das ist Kriegsrecht«,
-sagte der Kaper, und zeigte ihm seinen Kaperschein vor; und während der
-Engländer diesen untersuchte, um sich von der Rechtmässigkeit der
-Behandlung, die er erfuhr, zu überzeugen, durchsuchte ihm jener die
-Taschen, und er hatte darin recht.
-
-Aber, mit welchem Rechte nur überhaupt die Hummeln den Bienen den Krieg
-ankündigen? ... Welcher Vertheidiger des Büchernachdrucks wird uns dies
-erklären? -- »Es würde doch von einem Staate viel verlangt heissen, sagt
-man, dass er befehlen solle, fremde theure Waare in sein Land
-einzuführen.« Das würde allerdings viel verlangt heissen; aber die
-Forderung, dass er sich dann, wann sie ihm zu theuer ist, ganz ohne sie
-behelfen möge, wäre so unbillig eben nicht. Joseph II. hatte allerdings
-das vollkommene Recht, die Einfuhr der holländischen Häringe in seine
-Staaten zu verbieten: wer könnte ihm dies abstreiten? Aber hätte er
-darum auch wohl das Recht gehabt -- da holländische Häringe sich nun
-einmal nicht nachdrucken lassen -- Kaper auszusenden, welche den
-Holländern aufpassen und ihnen ihre Häringe abnähmen? Und wenn diese
-fremde theure Waare -- denn Bücher sind in diesem System freilich nicht
-mehr und nicht weniger Waare, als Häringe und Käse -- überhaupt nicht
-eingeführt werden soll, wovon soll man sie denn im Lande abdrucken? ...
-Ei ja! wir werden uns wohl hüten, die Einfuhr fremder Bücher eher zu
-verbieten, als bis wir sie erst nachgedruckt haben.
-
-»Es sey ja für den Vortheil des Verfassers völlig gleichgültig, ob in
-einem Lande, wo die Einfuhr seiner rechtmässigen Ausgabe verboten sey,
-ein Nachdruck verkauft werde oder nicht, da er aus diesem Lande einmal
-keinen Gewinn ziehen könne«, sagt man auch noch. Und man hat recht, und
-übrig recht, in einem Systeme, in welchem nichts unrecht ist, als das
-was schadet.
-
-Ist jetzt Alles klärlich erwiesen, was erwiesen werden sollte: -- dass
-der Verfasser ein fortdauerndes Eigenthum an sein Buch behalte, und das
-vollkommene Recht habe, jeden zu verhindern, wider seinen Willen Nutzen
-aus dem, was der Natur der Sache nach sein bleibt, zu ziehen; dass
-mithin der Nachdruck eine offenbare, und zwar eine der sträflichsten
-Ungerechtigkeiten sey, -- so ist bei Untersuchung seiner Zulässigkeit
-davon gar nicht mehr die Frage, ob er nützlich sey; und wir können uns
-gänzlich enthalten, sie zu beantworten. Weder Herr R. noch das Publicum
-wird also etwas dagegen haben, wenn wir statt dieser Untersuchung eine
-^Parabel^ erzählen. Was sie, da wir nach obiger Erinnerung mit Büchern
-gar nichts Aehnliches haben, erläutern könne, was sie nach allem schon
-Erwiesenen noch zu erläutern habe, wird jeder einsehen.
-
-Zur Zeit des Khalifen Harun al Raschid, der wegen seiner Weisheit in der
-Tausend und Einen Nacht und sonst berühmt ist, lebte, oder könnte gelebt
-haben, ein Mann, der wer weiss aus welchen Salzen und Kräutern einen
-Extract verfertigte, der gegen alle Krankheiten, ja gegen den Tod selbst
-helfen sollte. Ohne nun eben alle die Wirkungen zu haben, welche sein
-Verfertiger von ihm rühmte, -- er war selbst ein wenig kränklich -- war
-er doch immer eine treffliche Arznei. Um in seinen chemischen Arbeiten
-durch nichts gestört zu werden, wollte er sich nicht selbst mit dem
-Handel befassen, sondern gab ihn in die Hände eines Kaufmanns, der
-allein im ganzen Lande damit handelte und einen beträchtlichen Gewinn
-dadurch erwarb. Darüber wurden nun seine Mitbrüder, die übrigen
-Arzneihändler, neidisch, und verschrien ihn und seinen Extract. Ganz
-anders aber benahm sich dabei Einer unter ihnen. Dieser passte den
-Leuten des Alleinhändlers auf, wenn sie das Arcanum vom Chemiker
-brachten, nahm es ihnen ab, raubte es wohl gar aus dem Waarenlager
-selbst; und das vermochte er, denn er war ein handfester Kerl. Er
-vereinzelte es darauf auf allen Jahrmärkten, in allen Flecken und
-Dörfern, und weil er es wohlfeil gab und den Leuten sehr einlobte, so
-hatte er reissenden Abgang. Darüber erhob dann der Alleinhändler ein
-Geschrei im ganzen Lande; und es fielen mitunter auch wohl Diebe, Räuber
-und dergleichen Benennungen, die bei solchen Gelegenheiten zu fallen
-pflegen und die dem Andern auch richtig überbracht wurden. Gern hätte
-der Alleinhändler ihm wieder etwas abgenommen, aber jener hatte nichts,
-das der Mühe des Nehmens werth war. Schon lange hatte er ihm
-nachgestellt, um seiner habhaft zu werden; aber jener war schlauer als
-er und entging allen seinen Schlingen. Endlich, wie denn das stete Glück
-unvorsichtig macht, fiel er doch noch durch Unachtsamkeit in die Hände
-seines Feindes, und ward von ihm vor den Khalifen geführt. Hier brachte
-der Arzneihändler seine Klage gegen jenen an, die mit der Klage unserer
-Buchhändler gegen die Nachdrucker ziemlich gleichlautend war. Jener,
-ohne sich bange werden zu lassen, -- er hatte bei seinem
-Marktschreiergewerbe seine Dreistigkeit vermehrt und eine gewisse
-Beredsamkeit sich eigen gemacht -- führte seine Verteidigung
-folgendermaassen:
-
-Glorwürdigster Nachfolger des Propheten! ich liebe nach Principien zu
-verfahren. Der einzig richtige Maassstab der Güte unserer Handlungen ist
-bekanntermaassen ihre Nützlichkeit. Je ausgebreitetere und je wichtigere
-Vortheile eine Handlung stiftet, desto besser ist sie. Es giebt zwar
-noch einige finstere Köpfe, die sich etwas erkünsteln, was sie, glaub
-ich, Recht nennen: ein Hirngespinnst, das sich im Leben nicht realisiren
-lässt; denn kann man nicht bei aller Rechtschaffenheit verhungern? Doch
-fern sey es, dass dergleichen altfränkische Ideen die aufgeklärten
-Zeiten von Eurer Majestät glorwürdiger Regierung entweihen sollten! --
-Wenn ich mithin beweise, dass mein Verfahren den ausgebreitetsten Nutzen
-stiftet, so beweise ich dadurch ohne Zweifel, dass es lobenswürdig ist;
-und dies ist so leicht zu erweisen. Dass meine Handlung von den
-vortheilhaftesten Folgen für das Publicum sey, sollte man das erst
-zeigen müssen? Ich verkaufe das Arcanum weit wohlfeiler, als der Kläger;
-der gemeinste Mann wird also dadurch in den Stand gesetzt, es sich
-anzuschaffen, was er bei dem hohen Preise des Alleinhändlers nicht kann;
-ich nöthige es dem unaufgeklärten Haufen durch meine Betriebsamkeit und
-durch alle Künste der Beredsamkeit auf, und brenne so von Eifer für das
-Beste Anderer, dass ich sie fast zwinge, sich durch diese heilsame
-Arznei gesund zu machen. Welch ein Verdienst um die leidende Menschheit!
-Könnte ich doch Eurer Majestät das Aechzen der Leidenden, das Röcheln
-der Sterbenden recht lebhaft malen, die durch die von mir gekaufte
-Arznei gerettet worden sind! Wie vielen Kindern habe ich ihre Väter, die
-bereits in den Händen des Todes waren, wieder zurückgegeben, ihnen
-selbst aber die Möglichkeit, zu guten Staatsbürgern gebildet zu werden,
-und einst wieder ihre Kinder, und vermittelst dieser ihre ganze
-Nachkommenschaft zu guten Staatsbürgern zu bilden, dadurch erhalten! Man
-berechne die Arbeiten, welche jeder, dem durch diese wunderthätige
-Arznei einige Jahre zu seinem Leben hinzugesetzt werden, in diesen
-Jahren noch zur Cultur des Landes verrichten kann; die noch grössere
-Cultur desselben, die hierdurch wieder möglich wird, und so ins
-Unendliche fort; berechne die Menge der Kinder, die er in diesen Jahren
-noch zeugen kann, und die Kinder dieser Kinder: und ziehe das Resultat
-der vergrösserten Volksmenge und Cultur, die dadurch erfolgt, und welche
-schlechterdings nicht möglich war, wenn ich nicht dem Kläger seine
-wohlthätigen Tropfen raubte.
-
-Es sagen zwar freilich verleumderische Zungen, dass das Arcanum
-gemeinhin ein wenig verdorben bei mir gekauft worden; und wenn ich ihnen
-auch -- ich liebe die Wahrheit -- sollte zugestehen müssen, dass an der
-Sache etwas sey: so ist das wahrlich nicht meine Schuld. Ich würde
-lieber, wenn ich könnte, ihm noch grössere Kraft geben, damit man es
-allein bei mir kaufte, und mein Kläger alle seine Kunden verlöre; und
-das bloss aus Liebe zum allgemeinen Besten. Aber wie sollte es mir bei
-der beständigen Flucht, auf der ich vor meinem Gegner seyn muss, und bei
-der Beschimpfung, die er meiner Handthierung anthut, und die mich
-nöthigt, die lockersten Gesellen anzunehmen, möglich seyn, es mit der
-gehörigen Sorgfalt aufzubewahren? Wenn nur einmal meinem Gewerbe völlige
-Ehre und Sicherheit zugesprochen seyn wird, wie ich um der grossen
-Nützlichkeit desselben hoffe, so werde ich dadurch zugleich in Stand
-gesetzt werden, auf die Conservation desselben mehr Sorgfalt zu wenden.
-
-Ich werde angeklagt, dem Verfertiger des Arcanums, und dadurch mittelbar
-dem Publicum zu schaden, weil Kläger, wenn ich in die Länge fortfahre,
-ihm seine Tropfen wegzunehmen, nothwendig verarmen und ausser Stand
-gesetzt werden müsse, den Chemiker weiter zu bezahlen, weshalb denn
-dieser nothwendig die Arbeit werde einstellen müssen. -- Allein, da
-kennt man den Mann nicht. Er wird sie darum nicht einstellen; denn es
-ist einmal seine Liebhaberei, und er arbeitet ja so nur um der Ehre
-willen. Im Gegentheil, je mehr ich seinem Unterhändler wegnehme, und je
-weniger dieser ihm für die Arznei wird bezahlen können; desto mehr wird
-er arbeiten müssen, um kümmerlich zu leben: desto mehr wird folglich
-diese heilsame Arznei vervielfältiget werden. Und wird nicht sein Ruhm
-durch mich in die entferntesten Dörfer verbreitet? posaune ich ihn nicht
-mit lauter Stimme an jedem Jahrmarkte aus meiner Bude? steht nicht sein
-Name auf allen meinen Büchsen und Gläsern mit grossen Buchstaben in
-Golde? Ist ihm das nicht Ehre genug? braucht er dazu noch Brot? Er mag
-von der Ehre leben!
-
-Endlich soll ich Klägern Nachtheil verursachen. -- Aber ich muss
-gestehen, dass hier mich mein kaltes Blut verlässt. Ich muss Ihnen
-sagen, mein Herr, dass Sie sich der Unbilligkeit dieser Anklage schämen
-sollten. Haben Sie nicht schon genug durch Ihren Alleinhandel gewonnen?
-Ach! dürfte ich doch den Verlust, den Sie zu haben vorgeben, mit Ihnen
-theilen! Warum wollen Sie mir denn nicht erlauben, Ihnen zu stehlen, was
-ich fortbringen kann? Warum wollen Sie mir denn nicht erlauben, eine
-kleine Nachlese zu halten? Giebt es nicht noch jetzt, seitdem ich diese
-reichlich halte, Leute genug, die entweder um der vermeinten grösseren
-Güte Ihrer Arznei willen, die doch wenig betragen kann, oder aus einem
-altfränkischen Vorurtheile für rechtmässigen Besitz, und vermeinter
-Theilnahme an der Dieberei Anderer, lieber Ihre theure Waare kaufen, als
-meine wohlfeile; -- als ob ich nicht auch, wenn man denn einmal von
-Rechtmässigkeit reden will, dadurch das rechtmässige Eigenthum Ihrer
-Waare erhielte, dass ich mir die Mühe gebe, sie zu stehlen?
-
-Vielmehr habe ich, wenn Sie kalt darüber nachdenken wollen, eben um Sie
-selbst das grösste Verdienst. Sie kennen noch Ihren Chemiker nicht.
-Schon längst dachte er, voll Neid über den Gewinn, den Sie durch sein
-Arcanum machen, darauf, sich des Handels mit demselben selbst zu
-bemächtigen. Er hat zwar seine Zeit weit nöthiger zur Verfertigung
-desselben; er versteht zwar nichts vom Arzneihandel; er ist zwar bei
-einigen Versuchen im Kleinen schon sehr übel angekommen: aber dennoch --
-glauben Sie mirs auf mein Wort -- er hätte Sie des Handels beraubt. Nur,
-schlau wie er ist, merkte er meinen Anschlag auf Ihren Waarenkasten, und
-wollte lieber Sie, als sich selbst bestehlen lassen. Wenn Sie also
-überhaupt noch in einigem Besitze des Handels sind, so haben Sie es mir
-zu verdanken.
-
-Dies sind die beträchtlichen Dienste, Glorwürdigster Nachfolger des
-Propheten, die ich dem gläubigen Volke, die ich dem nützlichen
-Verfertiger des Extracts, die ich dem Kläger selbst leiste. Und ich nun,
-was habe ich dafür? Wenn man den geringen Preis, um den ich das Arcanum
-verkaufe, gegen die Kosten, die ich auf desselben Conservation doch
-wende, die Reisen, die ich mache, berechnen will; so wird man finden,
-dass mir die Mühe, sie zu stehlen, sehr gering bezahlt wird, und dass
-ich die Verleumdungen meines Gegners, die Schurken und Diebe, die er
-gegen mich ausstösst, fast ganz umsonst hinnehmen, oder nur sehr niedrig
-in Anschlag bringen muss. Durch diese Verunglimpfungen wird mir nun mein
-ehrlicher Name, auf welchen die Menschen einen so grossen Werth setzen
-sollen, jämmerlich abgeschnitten, so dass rechtliche Leute schon
-anfangen, sich sehr zu bedenken, ob sie mir abkaufen wollen. Ich bin
-also ein Märtyrer für das Beste der Welt; und wenn eine Handlung dadurch
-gewinnt, dass man recht viel bei ihr aufopfert, so ist die meinige eine
-der verdienstlichsten. Dies Verdienst möchte ich mir nun nicht gern
-rauben lassen, wenn nicht durch die Ehrlosigkeit, die dadurch auf mein
-Gewerbe fällt, der Fortgang desselben gehindert, und dem allgemeinen
-Besten Abbruch gethan würde. Ich bitte demnach Eure Majestät
-anzubefehlen, dass hinfüro jeder mein Gewerbe für ein ehrliches halte,
-bei namhafter Strafe; und dass Kläger gehalten sey, mir nicht nur
-Abbitte und Ehrenerklärung zu thun, und öffentlichen Dank für den
-geleisteten Dienst abzustatten, sondern auch inskünftige sich von mir
-bestehlen zu lassen, so viel ich will.
-
-So redete der Marktschreier. Wie würde Herr Reimarus, wie würde jeder
-Gerechtigkeitsliebende hierbei geurtheilt haben? -- Ebenso urtheilte der
-Khalif. Er liess den nützlichen Mann aufhängen.
-
-
-
-
- B.
- Zwei Predigten aus dem Jahre 1791.
-
-
- Statt der Vorrede.
-
- Der Verfasser und sein Freund.
-
-D. V. Sie bringen die Handschrift zurück? Haben Sie sie durchgelesen?
-
-D. Fr. Ja.
-
-D. V. Und Ihr Urtheil?
-
-D. Fr. Sie haben Ihre Zeit nicht ganz übel angewendet. Es übt die Feder,
-wenn man sich bemüht, etwas gründlicher, als gewöhnlich, und doch plan,
-wie es für die Kanzel seyn soll, zu arbeiten; es macht unsere eigene
-Erkenntniss lebendiger, wenn man sie überdies mit einiger Wärme
-vorträgt.
-
-D. V. Ich verstehe. -- Und ein Exercitium hat seine Bestimmung erreicht,
-wenn es unsere eigenen Kräfte geübt hat. Es gehört vor die Augen des
-Lehrmeisters, oder des gutmüthigen Freundes, wenn man über die Jahre
-hinaus ist, einen Lehrmeister zu haben; nicht vor das Publicum.
-
-D. Fr. Wenn Sie es so nehmen wollen! -- Doch erlauben Sie mir eine
-Frage: auf welche Art der Leser rechnen Sie?
-
-D. V. Auf Leser aller Art, welche moralische und religiöse Wahrheit, und
-das Nachdenken darüber lieben.
-
-D. Fr. -- Die das Nachdenken lieben, mithin dasselbe kennen, aus
-Erfahrung kennen, die in einem Stande leben, der ihnen ehemals
-Unterricht, jetzt Musse gewährt. -- Vielleicht finden diese etwas noch
-Besseres zu lesen, als Ihre Predigten.
-
-D. V. Und warum sollten sie nicht auch in Ständen gelesen werden, die
-auf einer tieferen Stufe der Cultur stehen, die ihnen weniger Quellen
-eröffnet? -- Sie haben doch nicht vergessen, was ich Ihnen sagte, dass
-der grösste Theil dieser Predigten in mancherlei Ländern, vor sehr
-gemischten Zuhörern, nicht ohne merklichen Eindruck gehalten worden?
-
-D. Fr. Abgerechnet, dass Sie allenthalben Fremder und Gastprediger waren
--- angenommen, dass Ihre Eigenliebe diesen merklichen Eindruck sich
-nicht um eines Haares Breite grösser vorgestellt habe -- alles, was Sie
-wollen, abgerechnet und angenommen: so wissen Sie doch gewiss, welch ein
-Unterschied es ist, Predigten hören oder Predigten lesen.
-
-D. V. Aber es werden doch darum noch häufig Predigten gelesen, in
-höheren und niederen Ständen.
-
-D. Fr. Welcher innere Unterschied zwischen jenen häufig gelesenen
-Predigten und den Ihrigen sey, werden Ihnen die Recensenten sagen; auf
-den Unterschied in den Personen übernehme ich es, Sie aufmerksam zu
-machen. -- Gehen Sie hin, und werden der Lieblingsprediger des feineren
-Publicums in einer volkreichen, Ton angebenden, von Fremden häufig
-besuchten Stadt; dann sammeln Sie Ihre Predigten und setzen Ihren Namen
-vor. Wird man sie auch nicht immer lesen, so wird man sie doch kaufen,
-sauber binden und in seine Bücherschränke aufstellen. Aber -- anonyme
-Predigten -- das ist unerhört! Oder wollen Sie Ihren unbekannten Namen
-vorsetzen?
-
-D. V. Und wäre er berühmt, so würde ich desto mehr Anstand nehmen, ihn
-zu nennen. Ich möchte die Aufmerksamkeit dem Inhalte verdanken, und
-nicht dem Namen.
-
-D. Fr. Dem Inhalte? So hätten Sie entweder weniger gewöhnliche
-Gegenstände behandeln, oder die behandelten gewöhnlichen von einer
-gewöhnlichen Seite darstellen sollen! Sie haben der Sache beides, zu
-wenig und zu viel, gethan. Wer Ihre Predigten verstehen, beurtheilen,
-schätzen könnte, liest keine Predigten; und wer Predigten liest,
-versteht die Ihrigen nicht.
-
-D. V. Wenn nicht etwa hier und da ein Prediger.
-
-D. Fr. -- Welche Predigten lesen, um entweder sie für die ihrigen zu
-gebrauchen, oder sich darnach zu bilden. Sie gestehen mir wohl zu, dass
-derjenige, der der Bildung fähig ist, bessere Muster findet. -- Wegen
-des Gebrauchens -- wer Ihre Predigten desselben werth findet, macht
-bessere; und wer keine besseren macht, hält die Ihrigen für schlecht und
-völlig unbrauchbar. -- Noch habe ich Ihnen geschenkt, dass sich
-dieselben sehr ungleich sind; gleichsam eine bunte Musterkarte der
-Veränderung Ihres Systems seit zehn Jahren, oder länger.
-
-D. V. Nach allem also wäre Ihr Rath?
-
-D. Fr. Mein aufrichtiger Rath, dass Sie sie ruhen liessen, wo sie zum
-Theil schon lange genug geruht zu haben scheinen.
-
-D. V. Sie haben mir die Sache nach Ihrer Art vorgestellt; ich zeige sie
-Ihnen jetzt nach der meinigen. -- Gesetzt nun, ich hätte einen Versuch
-machen wollen, Darstellungsarten, die bis jetzt nur für die Schule
-gewöhnlich waren, auf die Kanzel zu bringen; und ich legte diese
-Versuche darum dem Publicum vor, um zu erfahren, ob es der Mühe lohnte,
-sie fortzusetzen?
-
-D. Fr. Aber so hätten Sie diesen Versuchen wenigstens die Predigtform
-nehmen sollen, die doch einmal nicht die einladendste ist; und dann sind
-noch einige Predigten beibehalten, die diese Entschuldigung nicht für
-sich haben.
-
-D. V. Und wenn ich nun anderweitige, vielleicht persönliche Gründe
-gehabt hätte, eben die Predigtform, und eben jene Predigten, auf die Sie
-zielen, beizubehalten?
-
-D. Fr. Dann müsste freilich das gutwillige Publicum, das etwa noch
-Predigten kauft, Ihre Ankündigung, dass Sie unter andern auch predigen,
-mit seinem Gelde bezahlen. -- Und wie wollen Sie das, was Sie zu Ihrer
-Entschuldigung mir jetzt gesagt haben, dem Publicum auf eine schickliche
-Art sagen?
-
-D. V. Ich darf nur gerade unser Gespräch vordrucken lassen.
-
-D. Fr. Mit allem, was ich zum Nachtheile Ihrer Predigten gesagt habe?
-
-D. V. Mit allem. Dann bin ich wenigstens sicher, dass nichts Schlimmeres
-über sie gesagt werden könne, als schon gesagt ist.
-
-D. Fr. Aber einen schöngeisterischen Dialog vor Predigten! Das ist
-wieder unerhört. Sie sind nicht Rousseau, und schrieben keine Heloise.
-
-D. V. So muss ich denn auch schon diesen Uebelstand mit den übrigen
-verantworten.
-
-
- Ueber die Pflichten gegen Feinde.
-
-
- Eingang.
-
-Die Auswege, die das menschliche Herz nimmt, m. th. Fr., um der Pflicht
-auszuweichen, sind unzählbar, in ihren Wendungen verschieden, und nur
-darin kommen sie überein, dass alle auf irgend eine Art die Strenge des
-Gesetzes zu umgehen suchen. -- Man zieht die Pflicht zu seinen Neigungen
-herab, wie wir einst an dieser Stelle an dem Beispiele der Ehrlichkeit
-und der Menschenliebe zeigten: man übertreibt sie auch wohl im
-Gegentheile zu einer Höhe, auf der sie der menschlichen Natur
-widerstreitet, um nur, wenn einmal zugestanden ist, dass in der
-erdichteten Vollkommenheit sie dem Menschen unmöglich sey, gar nichts
-thun zu dürfen, sondern unter dem geräumigen, viel fassenden Mantel der
-menschlichen Schwachheit seinen Mangel an gutem Willen verbergen zu
-können.
-
-So ist es mit der durch das Christenthum gebotenen Pflicht der
-Feindesliebe ergangen. Zu bequem, oder unfähig nachzudenken, was durch
-diesen Ausdruck gefordert werden ^könne^, hat man das Wort in seiner
-ersten scheinbarsten Bedeutung genommen, und nun, wie zu erwarten war,
-die Ausübung dieser Pflicht unmöglich gefunden, weil es der menschlichen
-Natur widerstreitet, sich über Beleidigungen zu freuen, wie über
-Wohlthaten, und bei dem Anblicke des Feindes eben das Vergnügen zu
-empfinden, wie bei dem des Freundes. -- Des ^Handelns^ überhoben, meinte
-man sich nun durchs ^Reden^ hervorzuthun, und wollte sich gegen ein
-Gebot, dem man den Gehorsam versagte, durch Lobeserhebungen abfinden.
-Daher die prahlenden Lobpreisungen so vieler Christen über die
-Erhabenheit ihrer Sittenlehre, als der einzigen, welche Feindesliebe
-empfehle; so vieler Christen, welche noch wenig Neigung zeigen, ihr
-Vaterland, ihre Freunde, ihre Wohlthäter zu lieben -- Lobpreisungen,
-welche, wenn auch die Anempfehlung dieser Pflicht der christlichen
-Sittenlehre ausschliessend eigen wäre, doch immer eine sehr zweideutige
-Schmeichelei seyn würden. Viel verlangen ist keine so grosse Kunst, und
-es gereicht keiner Sittenlehre zur Empfehlung, Dinge zu fordern, die der
-menschlichen Natur widerstreiten.
-
-Wir, m. Br., wollen unsere vortreffliche Religion nicht so verfänglich
-loben, sondern lieber mit Lernbegierde und Folgsamkeit ihre Vorschriften
-anhören, und sie zu ihrer wahreren Ehre in unserem Leben darzustellen
-suchen. In gegenwärtiger Stunde werden wir uns von den Pflichten gegen
-Feinde unterrichten.
-
-^Text.^ Die gewöhnliche Epistel am ersten Advents-Sonntage, Röm. 12, v.
-17-21.
-
-
- Abhandlung.
-
-Das zwölfte Capitel des Briefes an die Römer, woraus unsere Epistel
-genommen ist, enthält christliche Sittenlehren mancherlei Gehalts in
-einer leichten Verbindung. Auf die Pflichten gegen Feinde wird der
-Apostel zweimal gebracht: einmal durch ein Wortspiel[29] v. 14. ^Segnet,
-die euch verfolgen^ u. s. w., einmal bei Gelegenheit der allgemeinen
-Menschenliebe, v. 19. 20. 21. Wir wollen jetzo, ohne seinen Ausdrücken
-genau zu folgen, im allgemeinen sehen, welche Pflichten gegen die Feinde
-Gewissen und christliche Religion uns auflege.
-
-[Fußnote 29: Nemlich im Grundtexte: »Die Ausübung der Gastfreiheit
-verfolget; die ^Euch^ verfolgen, segnet.«]
-
-Wenn man eine so grosse Menge von Menschen über eine so grosse Menge von
-Feinden klagen hört, so sollte man glauben, der Hass der Widersacher sey
-eines der grössten Erdenleiden, und die Pflichten gegen Feinde seyen
-nicht nur an sich die schwersten, sondern auch ihre Ausübung sey von der
-weitesten Ausdehnung. Es scheint also unserem Vorhaben nicht
-unangemessen, zuvörderst zu untersuchen: ^Wen wir einen Feind zu nennen
-berechtiget sind^, um zu finden, ob von der Summe dieses Leidens nicht
-ebensowohl, wie von der Summe mancher anderen Leiden etwas abgehe, und
-ob die Pflichten, die es uns auflegt, -- wenn sie auch so schwer seyn
-sollten, als man glaubt -- in der Ausübung oft vorkommen.
-
-In der allgemeinsten Bedeutung nennen wir alle diejenigen unsere Feinde,
-die an der Ausführung unserer Unternehmungen uns hinderlich sind. Dies
-aber kann aus zweierlei Ursachen entstehen, nemlich, entweder weil
-^unsere Unternehmungen^, oder weil ^wir selbst^ ihnen misfällig sind;
-der dritte mögliche Fall, dass sie beiden abgeneigt seyen, gehört mit
-unter die zwei ersten. --
-
-Unser Vorhaben kann Anderen zuwider seyn, entweder weil es ungerecht
-^ist^, oder weil es ihnen nur so ^scheint^. -- Im ^ersteren Falle^ also
-wollen wir ungerecht seyn; wollen handeln, als ob die ganze Schöpfung
-nur für uns, und ihre vernünftigen Bewohner nur zu Werkzeugen unserer
-Einfälle da seyen: und wenn dann Einer sich unterfängt, zu glauben, dass
-es noch etwas gebe, was er von uns nicht ertragen müsse -- Einer sich
-nur in den Weg stellt, und unseren Anmaassungen Grenzen setzt: so
-schreien wir über Verfolgung, und nennen jenen muthigen Vertheidiger des
-Rechts unseren Feind. -- Und mit welchem Rechte? Wollen wir ihn bloss
-^an sich^ seinem persönlichen Werthe nach betrachten, so nöthigt unser
-Herz, sey es so verdorben es wolle, uns das Bekenntniss ab, dass ^der^
-Mann -- fordere es nun bloss die allgemeine Menschenpflicht, oder
-fordere es überdies noch seine besondere Pflicht in der Gesellschaft von
-ihm -- dass ^der^ Mann, der ohne Kummer um unseren Verdruss und unsere
-Feindschaft sich der Ungerechtigkeit muthig entgegenstellt, und dem die
-unvertheidigte Sache des heiligen Rechtes theurer ist, als unsere
-Freundschaft, unendlich mehr werth ist, als wir, und dass wir nicht viel
-Ehre haben, unsere Klagen über ihn laut werden zu lassen; -- oder wollen
-wir ihn ^in Beziehung auf uns^ betrachten, so werden wir in dem Manne,
-der uns die unvertilgbare Schande, und die blutige Reue, und das
-unauslöschbare Andenken, und die nie endenden Folgen einer ungerechten
-That erspart, und uns zwingt, besser und glückseliger zu seyn, als wir
-wollten, unseren wahrsten Wohlthäter anerkennen müssen. Solche Gegner
-also gehören gar nicht in die Zahl unserer Feinde.
-
-In ^dem zweiten Falle^ waren die Feinde der Jünger Jesu, und überhaupt
-der ersten Christen, an welche die Ermahnungen des Apostels gerichtet
-sind. Sie widersetzten sich dem Vorhaben der Apostel und ihrer Anhänger,
-weil es ihnen ungerecht schien. -- Es war damals eben wie jetzt. Die
-Juden, deren grösster Beweis für die Wahrheit ihrer Religionsgrundsätze
-der war, dass ihre Väter und Grossväter auch so geglaubt, auch so
-geopfert, auch mit den Formeln gebetet hatten, hassten, verfolgten,
-tödteten, wenn sie konnten, die ersten Christen, weil sie eine
-aufgeklärtere Gottesverehrung einführen wollten, welches jene für ein
-sehr sträfliches Unternehmen hielten. -- So wurde das Vorhaben der
-ersten Christen verkannt, und darum angefeindet, und so kann es auch das
-unsrige werden, von welcher Natur es auch sey. -- Auch solche Gegner
-können wir nicht mit Recht Feinde nennen; ihr Widerstand entsteht nicht
-aus boshaften Absichten gegen unsere Personen; sie meinen für das Recht
-zu kämpfen, und ihre Triebfeder wenigstens ist edel. Sollten wir uns
-darüber erzürnen, dass wir erleuchteter sind, als sie? Diese Gegner
-sinds, von denen der Apostel sagt: ^segnet sie^ -- wünscht ihnen von
-ganzer Seele alles Gute, und besonders dasjenige Gute, dessen sie am
-meisten bedürfen -- Erleuchtung. Wünscht sie ihnen nicht bloss, sondern
-sucht werkthätig durch weise Belehrung und durch das, was kräftiger
-wirkt als alle Belehrung, durch einen reinen Wandel ihre Begriffe zu
-berichtigen. Führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die,
-so von euch afterreden, als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen und
-euren Vater im Himmel preisen.
-
-Endlich kann Jemand, ohne unser persönlicher Feind zu seyn, unser
-Widersacher auch bloss darum werden, weil wir seinem Eigennutzen im Wege
-stehen, weil ^unsere^ Erniedrigung ^ihn^ heben soll. Wir finden uns
-einmal auf seinem Wege, und er rennt uns nieder -- nicht etwa -- aus
-besonderer Abneigung gegen uns; er hätte jeden anderen, der auf unserem
-Platze gestanden hätte, auch niedergerannt. Er schreitet seinen Schritt
-einher -- es kommt ein Wurm unter seine Füsse -- er zertritt ihn. Aber
-warum musste auch der Wurm unter seinen Fuss kommen; er hätte ihm sonst
-sein Leben wohl gönnen mögen. -- -- Ohne das Fürchterliche einer solchen
-Sinnesart mildern zu wollen, dürfen wir doch sagen, dass auch ein
-solcher Gegner nicht unser Feind zu nennen sey. Er ist freilich auch
-nicht unser Freund: er ist Niemandes Freund, als der seiner eigenen
-geliebten Person. Er ist freilich ein Feind des Rechts und der
-Menschheit, und der unsrige, weil wir zu ihr gehören; aber er hasst doch
-keinen weniger, als uns, und das, was uns trifft, ist nichts, als das
-allgemeine Loos. Wir haben freilich nicht nur das Recht, sondern auch
-die Pflicht ihn zu behandeln, wie jeden Feind der Gerechtigkeit; aber
-wenn wir ihn mit persönlicher Erbitterung hassen wollten, so würden wir
-selbst ungerecht und ihm ähnlich werden.
-
-Es ist also Niemand übrig, den wir mit Recht unseren Feind nennen
-könnten, als derjenige, der eine persönliche Abneigung gegen uns hat,
-und unser Vorhaben hindert, bloss darum, weil es das ^unsrige^ ist.
-Solche Gegner eigentlich, und nur in einem gewissen Sinne die der beiden
-letzteren Klassen, sind der Gegenstand der Pflichten gegen Feinde.
-
-Da nichts in der Welt ganz ohne Ursache geschieht, und folglich auch der
-Hass unserer persönlichen Feinde nicht völlig ohne Grund seyn möchte, so
-ist es hierbei die erste Regel der Sittenlehre, sich sorgfältig und
-unparteiisch zu prüfen, ^ob^ man, und ^wodurch^ man Gelegenheit zu
-dieser Abneigung gegeben habe. Die Menge der Freunde oder Feinde ist
-zwar nie ein richtiger Maassstab zur Schätzung des sittlichen Charakters
-eines Menschen; wenn aber so gar viele aus dem Haufen treten und sagen:
-du habest sie gedrückt, so kannst du mit hoher Wahrscheinlichkeit
-vermuthen, dass du eine harte Seite habest. Jede uns bekannt gewordene
-Abneigung legt uns die Pflicht auf, uns sorgfältig zu prüfen, ob
-wir vielleicht durch unsere Ungerechtigkeit, durch unsere
-Unterdrückungssucht uns hassenswürdig gemacht haben; -- und dann wären
-wir ja wahrlich nicht werth, unsere Augen gegen unsere Gegner
-aufzuheben; -- oder ob wir vielleicht bei wirklich guten Absichten durch
-unser unzweckmässiges Benehmen, durch eine rauhe, unfreundliche
-Steifigkeit, durch einen Mangel der Schonung gegen Anderer Schwachheiten
-ihnen einen Verdacht gegen den Baum beigebracht haben, der so herbe
-Früchte trägt. Sollten wir in dieser Prüfung, bei der wir uns ja nicht
-schmeicheln müssen, etwas von der Art finden, so bleibt uns nichts
-übrig, als die Folgen unserer eigenen Unklugheit geduldig zu tragen,
-hinzugehen und uns zu bessern.
-
-Finden wir aber an uns keine Schuld, so tritt unsere erste heiligste
-Pflicht ein: die, dem Unrechte zu widerstehen, insoweit wir können, ohne
-selbst ungerecht zu werden, und die Ordnung zu zerstören. -- Irret euch
-nicht, m. Br.: alles sich gefallen zu lassen, alles gut zu heissen,
-alles zu dulden, fordert kein Christenthum; und die Vernunft erklärt
-dies für Unverstand und Mangel an wahrer Abneigung gegen das Böse, wenn
-sie es bloss an sich -- und für Unterstützung und Verewigung der
-Unordnung, wenn sie es in Rücksicht seiner Folgen für das Ganze
-betrachtet. Wer das Böse an Anderen nicht hasst, der hasst es gewiss
-auch nicht an sich selbst; und wer keiner Empfindlichkeit gegen
-zugefügtes Unrecht fähig ist, ist ebensowenig der Dankbarkeit für
-erzeugte Wohlthaten fähig. -- Zwar sagt Jesus: ^Ich sage euch, dass ihr
-allerdings nicht^, überhaupt und in keinem Falle nicht, ^widerstreben
-sollt dem Uebel^. ^Nimmt dir jemand den Rock, dem lass auch den Mantel^,
-u. s. w. Aber es ist bei diesen und ähnlichen Stellen zu bemerken, dass
-die Evangelisten uns nicht nur diejenigen Aussprüche Jesu, welche er als
-Dolmetscher des Willens der Gottheit an die Menschen zu gültigen
-Gesetzen für alle Zeiten und Völker aufstellte, sondern auch solche
-Reden aufbehalten haben, in denen er als klügerer Freund, bloss seinen
-Jüngern einen guten Rath für ihre besondere Lage giebt. Ob eine
-Vorschrift zu der ersteren oder zu der letzteren Art gehöre, ist nur
-daraus zu ersehen, ob sie durch unsere Vernunft, als ein
-allgemeingültiges Gesetz bestätigt werde oder nicht. Die Jünger Jesu
-würden vor jüdischen oder heidnischen Richterstühlen nicht nur keine
-Genugthuung erlangt haben, sondern auch dadurch in ihrem ersten Berufe,
-die christliche Religion zu predigen, gestört, und vielleicht weit eher,
-als es für ihre Bestimmung seyn sollte, getödtet worden seyn. Ihnen
-blieb also kein Mittel übrig, um sich ihren mühseligen Zustand
-erträglicher zu machen, als alles geduldig zu ertragen, und durch die
-höchste Sanftmuth ihre Feinde wenigstens zu einiger Schonung zu
-erweichen. Späterhin, nachdem ganze christliche Gemeinen errichtet
-waren, sagt schon Johannes: ^Sündigt dein Bruder an dir, so strafe ihn
-alleine^; so verweise es ihm unter vier Augen; ^höret er dich nicht, so
-sage es der Gemeine; höret er die Gemeine nicht, so halte ihn als einen
-Zöllner und Sünder^. Für uns aber, die wir in ganzen christlichen
-Staaten leben, tritt die allgemeingültige, durch die Vernunft bestätigte
-Bemerkung Paulus in ihre volle Wirksamkeit ein: ^dass die Obrigkeit^,
-als Stellvertreterin der ganzen Gesellschaft, ^das Schwert nicht umsonst
-tragen, sondern dass sie des allvergeltenden Gottes Dienerin auf der
-Erde, und eine Rächerin seyn müsse über jeden, der Uebeles thut^; dass
-wir mithin, wenn dieser Satz nicht aufgehoben werden, und unseren
-übrigen Pflichten nicht widersprechen soll, sie zur Ausübung dieser
-Stellvertretung Gottes bei uns zugefügtem Unrechte auffordern müssen,
-mit dem Zutrauen, dass sie stets bereit seyn werde, das unterdrückte
-Recht zu rächen; ein Zutrauen, das sie, und Gott, dessen Bild sie ist,
-ehrt. -- Eben daraus aber, dass wir unsere Sache ihr übertragen sollen,
-folgt, dass wir uns nicht selbst rächen dürfen; sondern es lediglich
-ihr, ^als ihre eigene Sache^ überlassen müssen.
-
-Diese Genugthuung aber werde gesucht ^mit^ und ^aus Liebe^. Nicht das
-sey unser Zweck, dem Feinde wieder Böses zuzufügen, sondern bloss und
-einzig das, das Böse in ihm, und durch das Beispiel seiner Bestrafung
-auch in anderen kräftigst zu hindern. Wer irgend einer anderen Absicht
-sich bewusst ist; wer in seinem Herzen den geringsten Zug von
-Lieblosigkeit, die leiseste Freude über die gehoffte Bestrafung seines
-Beleidigers aufspürt; wer nicht sogar Schmerz empfindet, dass seine
-Pflicht ihn nöthigt, um desselben Bestrafung anzusuchen, verliert jenes
-Recht gänzlich, weil er durch Bestrafung seines Widersachers die
-Obrigkeit nicht zur Dienerin des Rechts, sondern zum Werkzeuge seiner
-Rachsucht und seiner Feindseligkeit machen, und in ihr Gott, dessen Bild
-sie ist, entweihen würde: -- durch welche Regel denn jene Erlaubniss
-Genugthuung zu suchen, wieder genau in ihre gehörigen Grenzen
-eingeschlossen wird. -- Man sey der Sache Feind, und der Person Freund.
-Man arbeite, kämpfe, ringe, das Unrecht zu verhindern; aber man sey in
-allen übrigen gerechten Dingen dem Gegner zu jedem Dienste und jeder
-Aufopferung bereit. Man ringe darnach, ihm zu dienen: -- zwar nicht
-ausgezeichnet vor allen anderen Menschen, und ebendarum, ^weil^ er der
-Feind ist; eine Warnung, die nur für wenige seltene Menschen noth thut.
--- Es giebt nemlich Menschen, die, mit einer Anlage zur Erhabenheit und
-Stärke der Seele geboren, dieselbe durch harte Selbstkämpfe erhöht
-haben, und aus diesem Kraftgefühl eben das Schwerste in ihren Pflichten
-begierig an sich reissen, und die unter zweien ihrer Hülfe gleich
-bedürfenden Gegenständen eben den Feind, und das eben um seiner
-Beleidigungen willen gegen sie, vorziehen würden; bloss um das erhabene
-Gefühl zu empfinden, die Bitterkeit in ihrer Seele besiegt zu haben. So
-edel und erhaben diese Triebfeder auch ist, so verbietet doch eine reine
-Sittenlehre, die Wahl der Gegenstände unserer Wohlthätigkeit dadurch
-bestimmen zu lassen. -- Die einzige allgemeingeltende Regel der
-Sittenlehre hierüber ist die: der Feind werde in völlige Gleichheit mit
-allen bedürftigen Gegenständen gesetzt; der ^Feind^ werde ^im
-Bedürfniss^ vergessen; unser hülfsbedürftiger, hungernder, unbekleideter
-Feind sey nicht mehr Feind, sey bloss hülfsbedürftig, hungernd,
-unbekleidet. Alle jene Ausdrücke von Verzeihung, von Versöhnlichkeit
-gegen den Feind sagen viel zu wenig; wo wir helfen und dienen können,
-müssen wir unserem Feinde nicht verzeihen; wir müssen keinen Feind
-haben, wir müssen nur den Hülfsbedürftigen sehen. Jeder Dienst, der sich
-auf etwas Anderes gründet, hat kein Verdienst.
-
-Die Liebenswürdigkeit solcher Gesinnungen brauche ich nicht erst zu
-zeigen: aber den Einwurf befürchte ich von vielen, dass dies nur schöne
-Gemälde seyen, die sich zwar gut darstellen und beschauen, aber nie ins
-menschliche Leben einführen liessen; und dass man die Welt und das
-menschliche Herz schlecht kenne, wenn man ihnen im Ernste so etwas
-anmuthen wolle. Wenn es hierbei bloss aufs Widerlegen ankäme, so dürfte
-ich nur das Beispiel Jesu, der im Angesichte des ungerechtesten und
-schmerzhaftesten Todes für seine Verfolger betete; oder, wenn euch das
-zu erhaben dünkte, das Beispiel seiner Jünger anführen, die gewiss
-schwache Menschen waren, wie wir, und eben das thaten. Zweckmässiger
-aber würde es seyn, die Mittel zu entwickeln, durch deren Gebrauch es
-leicht, sehr leicht wird, so gegen seine Feinde zu handeln. Sie sind --
-sorgfältige Selbstprüfung und lebhafte Erkenntniss seiner eigenen
-Schwachheiten, das daraus entstehende Gefühl der Gebrechlichkeit der
-menschlichen Natur überhaupt, und besonders die Ueberzeugung, dass das
-wenigste Böse in der Welt erweislich aus Bosheit, und bei weitem das
-meiste aus Unverstand geschehe: eine Betrachtung, die vor jetzt die
-Kürze der Zeit mir verbietet.
-
-Dies sind die allgemeinen Pflichten, die wir gegen unsern Feind, so wie
-gegen alle Menschen haben. Es giebt aber noch eine besondere gegen den
-ersteren, die: sie zu bessern und zu unseren Freunden zu machen; welche
-gleichsam die Probe enthält, ob wir alle unsere übrige Pflichten gegen
-sie redlich erfüllt haben. Haben wir alles weggeräumt, was dem Feinde
-Veranlassung geben könnte, uns zu hassen; haben wir ihn stets mit Liebe
-und Edelmuth behandelt, so kann es nicht fehlen, er wird endlich -- sey
-es so spät, als es wolle -- er wird endlich gewiss unser Freund werden.
-Und welch Vergnügen wird uns dann überströmen!
-
-Ich habe, theure Freunde, durch eine Schilderung der Ruhe und
-Heiterkeit, und des wahrsten Selbstgenusses, den solche Gesinnungen
-unserer Seele geben, ebensowenig, als durch eine Darstellung der
-Bitterkeit und der unangenehmen Empfindungen, welche Hass und
-Unduldsamkeit über unser Herz verbreiten, diese Betrachtung unterbrechen
-wollen, um nicht durch Vorstellung eures eigenen Nutzens euch zur
-Anerkennung eurer Pflicht zu bestechen zu scheinen. Jetzt aber, nach
-vollendeter Untersuchung, erlaubt mir einige Fragen an euer Herz zu
-legen.
-
-Ich will euch nicht fragen, ob ihr persönliche Feinde, -- solche Feinde
-habt, denen alles zuwider ist, was von euch kommt, die alle eure
-Unternehmungen zu hintertreiben suchen, die euer Unglück und euren
-Untergang geschworen zu haben scheinen? Solche Feinde sind überhaupt
-selten, und sind es besonders gegen eine stille, anspruchslose
-Lebensart. Aber das lasst euch fragen, ob ihr nie beleidigt worden seyd?
-und wer unter uns möchte wohl diese Frage mit Nein beantworten, da das
-menschliche Herz überhaupt nur zu leicht beleidigt wird? Ich mag auch
-nicht untersuchen, ob ihr euch nicht vielleicht durch eure eigene Schuld
-diese Beleidigung zuzoget -- ihr sollt völlig recht, euer Beleidiger
-völlig unrecht haben. Denkt euch jetzt einmal diese Beleidigung mit
-allen ihren Umständen; denkt euch den Beleidiger gegenwärtig; oder
-vielleicht ist er es, vielleicht ist er mit euch in diesem Gotteshause,
-und ihr könnt ihn erblicken.
-
-Wie wird euch bei seinem Anblick zu Muthe? was wünscht ihr ihm? wenn ihr
-ihm in diesem Augenblicke einen beträchtlichen Schaden zufügen könntet,
-würdet ihrs thun? wenn ihr in diesem Augenblicke ihm einen sehr
-wesentlichen Dienst erzeigen könntet, würdet ihr eilen? würdet ihrs
-willig und mit Freuden thun, oder würde es euch einen grossen Kampf
-kosten? würdet ihr vielleicht vorher eure Bitterkeit gegen ihn auslassen
-müssen?
-
-Wie? ihr hättet Feindschaft mit euch in dieses Haus des Friedens
-gebracht? indem ihr eure Stimmen mit den Stimmen eurer übrigen
-Mitchristen zur Anbetung Gottes vereinigtet, hätte in einem der
-geheimsten Winkel eures Herzens sich Abneigung gegen diejenigen
-verborgen, die ihre Stimmen mit den eurigen vereinigten? unter den
-Wünschen, die aus eurem Herzen zum Vater aller emporwallten, hätte sein
-allsehendes Auge Wünsche für das Elend derer entdeckt, die seine Kinder
-sind, wie ihr? Müsset ihr euch dann nicht vor Gott, dessen Auge wahrlich
-in diesem Augenblicke das Innerste eurer Herzen durchschaut, schämen?
-
-Seyd ihr bei diesen Gesinnungen bisher glücklich gewesen? Habt ihr euch
-nie der Schwachheit geschämt, eure Ruhe von gewissen Anblicken, gewissen
-Erinnerungen abhangen lassen zu müssen? eure ganze Seele als einen
-Schauplatz der niedrigsten Empfindungen erblicken zu müssen, sobald eure
-Gedanken auf gewisse Begebenheiten eures Lebens fielen?
-
-Empfindet ihr diese Scham -- fühlt ihr diese Unannehmlichkeit eures
-bisherigen Lebens -- o möchte es dann doch in dieser Stunde in allen
-Seelen, in denen es bisher trübe war, helle werden; möchte doch allen
-Freude aufgehen! Ihr könnt in diesem Augenblicke nicht hingehen zu eurem
-Beleidiger, ihm nicht die Hand drücken, und ihn versichern, dass aller
-Hass aus eurer Seele rein weggetilgt ist; -- dies ist nicht in eurer
-Macht, aber euer Herz ist in eurer Macht. -- O möchten sie doch, diese
-eure Herzen, in dieser Minute sich vereinigen, so wie ihr hier vereinigt
-vor Gott sitzt; möchten sie doch in dieser Minute, Gott, und
-alle seligen Geister, die uns hier umringen, zu Zeugen, den
-unzertrennlichsten Bund des Friedens schliessen!
-
-Du aber, o Gott, der du wahrlich hier zugegen bist, und unser aller Herz
-siehst -- sey unser Zeuge -- wir wollen uns lieben, und nie hassen, wir
-wollen von nun an allen Hass und Bitterkeit aus unserer Seele tilgen.
-Amen.
-
-
- Ueber die Wahrheitsliebe.
-
-
- Eingang.
-
-^A. Z.^ Das Wort ^Wahrheit^ wird in einer doppelten Bedeutung gebraucht,
-und bezieht sich entweder auf die Erkenntnisse unseres Verstandes, oder
-auf die Gesinnungen unseres Herzens. Wenn in Absicht unseres Verstandes
-unsere Vorstellungen von den Dingen mit den Dingen an sich
-übereinstimmen,[30] wenn z. B. dasjenige, was wir für ein Glück halten,
-wirklich ein Glück, und dasjenige, was wir für ein Unglück halten,
-wirklich ein Unglück ist, so ist Wahrheit in unserer ^Erkenntniss^, und
-dieser Wahrheit Gegentheil heisst ^Irrthum^. -- Wenn in Absicht unseres
-Herzens alle unsere Aeusserungen mit unseren inneren Gesinnungen
-übereinkommen, so ist dies Wahrheit in der zweiten Bedeutung, welcher
-wir ^Falschheit^ und ^Lüge^ entgegensetzen. Wenn man von Wahrhaftigkeit,
-von der Pflicht sich der Wahrheit zu befleissigen u. s. w. redet, so
-wird dies Wort in der letzteren Bedeutung gebraucht; denn Wahrheit in
-der ersteren, oder die Richtigkeit unserer Vorstellungen von den Dingen
-hängt von dem Maasse unserer Fähigkeiten und unserer Bildung, nicht aber
-von unserem freien Willen ab, und lässt sich mithin weder durch
-göttliche, noch durch menschliche Gesetze anbefehlen.
-
-Wer wissentlich falsch und ein Lügner ist, wird dadurch nicht nur ein
-sehr schädlicher Gegenstand für die Gesellschaft, sondern auch ein sehr
-schändlicher für sich selbst: denn wie niederträchtig feige muss sich
-derjenige erscheinen, der sich nie getrauen darf, seines Herzens Meinung
-zu entdecken, und der im Innern seines Herzens ohne Unterlass eine
-Schande sieht, die er vor jedes Anderen Auge sorgfältig verbergen muss!
-Diese Pein der Selbstverachtung, oft um eines sehr geringen Vortheils
-willen, auf sich zu nehmen -- dazu, sollte man meinen, würden die
-wenigsten Menschen Entschlossenheit genug haben; und es müsste mithin
-der Falschheit und der Lügen weit weniger unter ihnen seyn, wenn sie
-nicht meistentheils damit angefangen hätten, sich selbst zu betrügen,
-ehe sie andere betrogen, wenn ihr Herz in der Falschheit gegen andere
-sich nicht erst an ihnen selbst geübt, und dieser unselige Selbstbetrug
-sie nicht gegen die Schande, Betrüger Anderer zu seyn, abgehärtet hätte.
--- Ich habe jetzt, a. Z., ich habe die giftige Quelle genannt, aus
-welcher unser ganzes sittliches Verderben herfliesst. Nur diese lasst
-uns, wenigstens in uns selbst, zu verstopfen suchen. Hört mich deswegen
-aufmerksam an, wenn ich heute von der Gemüthsverfassung, welche vor
-jenem unseligen Selbstbetruge verwahrt -- wenn ich von ^Wahrheitsliebe^
-mit euch rede.
-
-[Fußnote 30: Man wird mir für die Kanzel diese Namenerklärung verzeihen,
-und die Untersuchung, ob so etwas sich überhaupt nicht etwa widerspreche
-und nichts gesagt sey, schenken. -- Wenigstens ist das hier Gesagte
-nicht aus Unwissenheit gesagt.]
-
-Du aber, o Gott, lautere Quelle aller Wahrheit, erwärme mich heute mit
-einem Strahle deines Lichtes, da ich zu deinem Ebenbilde von dem, was
-dein Wesen ausmacht, und wodurch allein der Sterbliche dir ähnlich wird,
-von Wahrheitsliebe, reden soll. Geuss Licht und Wärme über meinen
-Vortrag, und Verstand über den Geist meiner Zuhörer herab, die sich mit
-mir vereinigen Dich darum anzurufen, u. s. w.
-
-^Text.^ Das Evangelium am Sonntage Exaudi, besonders Joh. 15. v. 26.
-
-
- Abhandlung.
-
-Die verlesenen Worte sind aus der Abschiedsrede Jesu an seine Jünger.
-Jesus, der sorgfältige Führer derselben, sollte sie, eben im Begriffe
-ihr für die Menschheit so wichtiges, für sie selbst so schwieriges
-Lehramt anzutreten, noch überhäuft von Vorurtheilen des Verstandes, und
-noch grosser Schwachheiten des Herzens fähig, verlassen. Um sie hierüber
-zu beruhigen, versprach er ihnen einen anderen Tröster, oder richtiger
-^Führer^, der ihre Vorurtheile ebenso berichtige, und sie vor
-Schwachheiten ebenso sorgfältig warne, als er selbst es bisher gethan
-hatte, den ^Geist der Wahrheit^. Ich lasse ununtersucht, was man in
-diesen Worten etwa alles finden kann, wenn man recht begierig etwas
-recht Wunderbares sucht. Ungekünstelt erklärt sagen sie das, was ein
-zärtlicher Vater sagen würde, wenn er in der Todesstunde seine noch
-nicht völlig ausgebildeten Kinder um sich her versammelte, und zu ihnen
-spräche: Bisher habe ich eure Handlungen geleitet; jetzt muss ich euch
-verlassen, und das ist gut für euch, damit ihr endlich euch selbst
-regieren lernt.[31] Statt meiner verweise ich euch an einen erhabenern
-Führer, ^an euer Gewissen^. Wie ihr bisher auf meine Warnungen horchtet,
-ebenso horcht hinführo auf die Warnungen dieses; und wie bisher mein
-Beifall euer höchstes Ziel war, ebenso sey es hinführo der Beifall eures
-eigenen Herzens: und dass dieses euch nie täuschen werde, dafür bürgt
-mir die ^Wahrheitsliebe^, die ich in euch bemerkt und gepflegt habe. --
-Jesus sagt, dass er ihnen diesen Wahrheitsgeist ^senden^ wolle, nicht
-als ob sie etwa erst jetzt durch irgend ein Wunderwerk umgeschaffen die
-Wahrheit würden lieben lernen, -- die Jünger Jesu, die an sich weder
-besser unterrichtet, noch tugendhafter waren, als die übrigen Juden
-ihrer Zeit, zeichneten sich eben durch Wahrheitsliebe, und bloss durch
-sie von anderen aus, und wurden bloss um dieser willen Schüler Jesu --
-sondern, weil sie erst jetzt, nach dem Verluste ihres äusseren Führers,
-dieses inneren Führers bedürfen würden.
-
-Wir alle, meine th. Fr., sind eben so, wie die Jünger Jesu, an unser
-Gewissen gewiesen, und eben so nöthig, als Jene, bedürfen wir ^der
-Wahrheitsliebe^, um seine Stimme zu hören. Es ist also der Mühe werth,
-diese Wahrheitsliebe genauer kennen zu lernen.
-
-Die Wahrheitsliebe, ^von der wir hier und heute reden^, besteht kürzlich
-darin: ^dass man sich in seiner Meinung von seiner eigenen Tugend nicht
-betrügen wolle^. Dies nun scheint Anfangs widersprechend; denn es
-scheint auf den ersten Anblick unmöglich, ^sich selbst^ zu hintergehen,
-und hintergehen zu ^wollen^.
-
-[Fußnote 31: Joh. 16, 7.]
-
-Wenn man aber daran denkt, dass der menschliche Wille durch zwei sehr
-verschiedene Haupttriebe in Bewegung gesetzt wird, deren einer ihn
-antreibt, sich vor Beschädigungen seines Leibes und Lebens zu sichern,
-und die Mittel aufzusuchen, dieses Leben unter so vielen angenehmen
-Empfindungen hinzubringen, als möglich; -- ein Trieb, den wir
-^Eigenliebe^ nennen, und den wir mit den Thieren des Feldes gemein
-haben: -- deren zweiter aber ihn drängt, das Gute zu verehren und das
-Laster zu verabscheuen; -- ein Trieb, der uns in den Rang höherer
-Geister und zum Ebenbilde der Gottheit erhebt, und den wir das
-^Gewissen^ nennen; -- -- Triebe, die so verschieden sind, dass daher
-einige zwei Seelen im Menschen angenommen haben; eine Bemerkung, welche
-allein es schon hinreichend erklärt, wie Jesus von dem verheissenen
-Geiste der Wahrheit, als von etwas ^ausser den Jüngern^ reden konnte, so
-wie auch schon ein Weiser einer anderen Nation das Gute und Edle, das er
-that oder sagte, den Eingebungen eines höheren Geistes zugeschrieben
-hatte: --
-
-wenn man ferner bedenkt, dass diese beiden Antriebe, -- der der
-Eigenliebe und der des Gewissens -- sich oft geradezu widerstreiten,
-indem der erstere den Menschen antreibt, etwas als angenehm und nützlich
-zu begehren, was der zweite als schändlich und ungerecht ihn zu
-verabscheuen nöthigt:
-
-wenn man dieses beides bedenkt, so lässt sich sehr leicht einsehen, wie
-der Mensch, dem die Tugend nicht lieb genug ist, um alles für sie
-aufzuopfern, in dem Gedränge, in welches er bei diesem Widerstreite
-geräth, und in der Wahl, entweder die Befriedigung seiner liebsten
-Neigungen aufzugeben, oder sich selbst für einen ungerechten und
-schändlichen Menschen zu halten, einen Ausweg suchen und ihn darin
-finden werde, dass er sich überrede, sein Vergehen sey so gross noch
-nicht, und er könne demohngeachtet doch noch ein guter Mensch seyn.
-
-Solche Menschen sind nicht einmal stark genug, um ganz Bösewichter zu
-seyn, und begierig, die Lust des Lasters und die Freuden des guten
-Gewissens mit einander zu vereinigen, betrügen sie sich selbst, oder die
-schlechtere Seele in ihnen verfälscht die Aussagen der besseren. Der
-trüglichen Vorspiegelungen, deren sie sich dazu bedienen, sind
-unzählige.
-
-Jetzt überreden sie sich, andere ^Bewegungsgründe^ bei ihren Handlungen
-gehabt zu haben, als sie wirklich hatten, und glauben es sich z. B. im
-Ernste, dass Gerechtigkeits- und Pflichtliebe, oder Wohlthätigkeit sie
-da geleitet habe, wo sie doch ihrer angeborenen Härte oder ihrer
-Eitelkeit fröhnten. -- So waren die, von denen Jesus in unserem
-Evangelium sagt (Cap. 16, 2): sie werden, indem sie euch tödten, Gott
-einen Dienst damit zu thun meinen. -- Eigentlich war wohl beleidigter
-Stolz und Rechthaberei dasjenige, was die verfolgungssüchtigen Juden, so
-wie die Verfolger aller Zeiten und Völker, trieb, nicht aber die
-Begierde, Gott einen Dienst zu thun. Das letztere banden sie sich wohl
-nur so auf; denn es ist sehr zweifelhaft, ob sie, wenn ^sie^ an ihrer
-Seite die Gemarterten, und ^ihre Gegner^ die Marterer gewesen wären,
-unter den Qualen des schmerzlichsten Todes gerufen haben würden: o, was
-für liebe fromme Leute sind doch unsere Mörder! Es ist wahr, dass uns
-der Tod schwer, und die Qualen desselben schmerzhaft ankommen; aber sie
-meinen es dabei doch so herzlich gut, und martern uns aus brennender
-Andacht und sehr thätiger Menschenliebe zu Tode.
-
-Jetzt rechnen sie sich gewisse gute Handlungen, die sie darum thaten,
-weil sie ihnen die wenigste Aufopferung kosteten, so hoch als möglich
-an, und meinen damit alle ihre übrigen Vergehungen zu vergütigen. So
-soll etwa ein schweres Almosen, mit langsamer widerstrebender Hand
-dargereicht, für alle Ausbrüche unreiner Lüste, oder für eine Menge
-schreiender Ungerechtigkeiten genugthun.
-
-Das ist Selbstbetrug in der ^Anwendung^ der Aussprüche unseres Gewissens
-auf ^unsere Handlungen^; ein Betrug, der sich Keinem, dem es ein Ernst
-ist, sich selbst recht kennen zu lernen, lange verbergen kann; denn aus
-ihm entstehen die schreiendsten Widersprüche in den Grundsätzen, wonach
-wir ^uns^, und in denen, wonach wir ^andere^ beurtheilen. Wir wollen
-dann immer die Ausnahme von allen übrigen Menschen seyn, und was für
-alle andere ungerecht ist, soll für uns erlaubt, was bei allen anderen
-höchst zweideutig ist, soll bei uns schön und edel seyn.
-
-Da nun bei einem so groben Selbstbetruge unser Herz immer in der Gefahr
-ist, auf seiner Falschheit ergriffen zu werden; da ferner gewisse
-Handlungen nach allen möglichen Milderungen und Beschönigungen doch noch
-immer ein sehr hässliches Aussehen behalten, so fällt der Mensch aus
-diesem gefährlichen Selbstbetruge leicht in einen noch gefährlicheren:
-er sucht sich nemlich des einzigen höchsten Gesetzes für seine
-Handlungen, seines Gewissens, das ihm so lästig geworden ist, ganz zu
-entledigen, und beruft sich, -- ein Jeder nach Maassgabe seines
-Scharfsinnes -- auf ein anderes: der Schwache auf das Beispiel der
-grösseren, oder der vom Schicksale begünstigteren Menge; der
-Scharfsinnigere geradezu auf seine Neigung, die er statt des zum
-Vorurtheile herabgewürdigten inneren Gefühls durch tausend
-Spitzfindigkeiten als höchstes Gesetz für die freien Handlungen
-vernünftiger Wesen aufzustellen sucht; endlich ganze Zeitalter -- o
-unseligste Ausgeburt des menschlichen Verderbens! -- auf erdichtete oder
-verfälschte Offenbarungen der Gottheit, die, unter der Gewährleistung
-eben des Gottes, der seinen Willen unauslöschlich in unser Herz schrieb,
-diesem in unser Herz geschriebenen Willen geradezu widersprechen und in
-seinem Namen das Laster in Tugend verwandeln. -- Sehet da, m. Br., in
-dem Verderben der Menschen, und in ihrer Begierde, dieses Verderben vor
-sich selbst zu verbergen, die wahre Urquelle Jenes: »andere, die es doch
-besser verstehen sollten, machen es eben so« -- das man so oft hört;
-jener Gebäude von Sittenvorschriften, die jetzt feiner, jetzt gröber
-unsere Neigung als höchstes Sittengesetz aufstellen, und nach denen
-nichts unerlaubt ist, als wozu es uns an Kraft fehlt; jener
-Religionsgrundsätze, die uns dort durch Tausender, hier durch Eines
-fremdes Verdienst -- nicht etwa ^das Fehlende^ eigener Verdienste bei
-dem möglichst thätigen guten Willen -- eine solche Hoffnung bietet die
-Religion, und verstattet die Vernunft Jedem, der ihrer bedarf -- sondern
-den gänzlichen Mangel an eigenem guten Willen ersetzen lehren, und uns
-am Ende eines gemisbrauchten Lebens dort in eine Mönchskutte, und hier
-an ein kaltes: Herr, ich glaube, verweisen!
-
-Dies sind die Wege, die das menschliche Herz nimmt, um sich der
-Erkenntniss der Wahrheit zu entziehen. Um allen diesen Fallstricken, die
-der schlauste Verführer, unser eigenes Ich, uns legt, zu entgehen,
-bedarf es der ^Wahrheitsliebe: -- der entschiedenen vorherrschenden
-Neigung, die Wahrheit _bloss um ihrer selbst willen_ -- sie falle für
-uns auch aus, wie sie wolle -- anzuerkennen^. -- Diese Wahrheitsliebe,
-oder mit Jesu zu reden, dieser Geist der Wahrheit treibt uns fürs erste,
-unser Gewissen als den einzigen Richter über das, was recht oder unrecht
-ist, und als das höchste Gesetz anzuerkennen, dem wir immer und ohne
-Ausnahme zu gehorchen, schlechterdings schuldig sind. -- Die schönste
-Uebersetzung des allgemeinen Ausspruchs dieses Gesetzes ist die, welche
-Jesus gegeben hat: ^Was ihr nicht wollt, dass es euch die Leute thun,
-das thut auch ihr ihnen nicht^, oder allgemeiner: ^was euch an anderen
-ungerecht und schändlich vorkommt, das ists gewiss auch an euch; denn
-ebendieselbe Stimme in euch, die es an andern verdammt, verdammt es auch
-an euch^.
-
-Es ist also der erste und der Hauptgrundsatz der Wahrheitsliebe: ^nichts
-sich für erlaubt zu halten, was man nicht allen anderen stets und immer
-erlauben möchte^. -- Die Vernunftmässigkeit dieses Grundsatzes ist ^so^
-einleuchtend, und es ist ^so^ unvernünftig, zu glauben, dass ein
-Einziger eine Ausnahme vom ganzen Menschengeschlechte und allen
-vernünftigen Wesen machen solle; dass Ihm allein erlaubt seyn solle, was
-er allen anderen nicht erlaubt, und für ihn allein gerecht und edel seyn
-solle, was er an allen anderen ungerecht und schändlich findet: dass es
-schwer wird, es zu glauben, dass der grösste Haufen der Menschen sein
-eigenes geliebtes Ich in diesen Rang setze, und diesem Gedanken gemäss
-handele.
-
-Diese Wahrheitsliebe treibt fürs zweite den, in welchem sie herrschend
-geworden ist, ^sich nach den Vorschriften seines Gewissens unparteiisch
-zu prüfen^. -- Es ist ihm nur um die Wahrheit zu thun; nur sie ist ihm
-werth und willkommen; sie ist ihm weit theurer als Er sich selbst; laute
-sie, wie sie wolle, wenn es nur Wahrheit ist. Er wird also, weit
-entfernt nach Entschuldigungen und Beschönigungen zu haschen, vielmehr
-sehr sorgfältig über sein betrügerisches Herz wachen. Er wird seine
-Fehler nicht geringer, seine Tugenden nicht grösser machen wollen, als
-sie sind. Er wird sich, wenn die Stimme der Wahrheit, -- das heiligste,
-was er kennt -- ihn verurtheilt, dem Schmerze der Reue und dem Gefühle
-der Scham vor sich selbst edelmüthig unterwerfen.
-
-Diese Wahrheitsliebe nun treibt unwiderstehlich zur Tugend. Anerkennt
-man das Gewissen für sein höchstes Gesetz; prüft man sich unparteiisch
-nach demselben, so wird man die Pein, sich selbst verachten zu müssen,
-nicht länger ertragen, sich nicht entschliessen können, sich selbst für
-ungerecht und böse zu halten, und -- es bleiben zu wollen. So ein
-Zustand ist wider die menschliche Natur. Sich für verdorben halten, und
-sich entschliessen, es zu bleiben, ist widernatürlich.
-
-Dieser Wahrheitsgeist zeugt, laut unseres Textes, von Jesu. Er überzeugt
-Jeden, in dem er herrschend geworden, durch eigene Erfahrung, dass die
-Sittenlehre Jesu die reinste Darstellung der Aussprüche unseres
-Gewissens sey. ^So jemand will den Willen thun des, der mich gesandt
-hat, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sey, oder ob ich von
-mir selber rede^, konnte er mit seinem vollen Rechte sagen.
-
-Doch hört noch, a. Z., die eigenen Worte dieses Jesus über
-Wahrheitsliebe, damit ihr euch noch mehr überzeugt, dass ich euch jetzt
-nicht etwa philosophische Untersuchungen, sondern reine Bibellehre
-vorgetragen habe, die jeden Christen angeht. So sagt Jesus Joh. 3,
-19-21.
-
-^Das ist das Gericht^, d. h. das ist der wesentliche Unterschied, der
-zwei sehr verschiedene Arten von Menschen ihrer Denkungsart, und ihren
-damit genau verbundenen Schicksalen nach unterscheidet, dass einige,
-^obgleich das Licht in die Welt gekommen ist, die Finsterniss mehr
-lieben, als das Licht^, d. h. dass sie, obgleich die Stimme der Wahrheit
-laut genug in ihrem Gewissen redet, und sie auch von aussen aufmerksam
-auf dieselbe gemacht werden, dennoch die Wahrheit nicht anerkennen
-^wollen^, sie hassen und meiden, und nur den Betrug lieben, der ihnen
-schmeichelt, ^da ihre Werke böse sind^. -- ^Wer Arges thut, hasset das
-Licht^, oder die Wahrheit, ^und er kömmt nicht an das Licht^, er weicht
-der Erkenntniss der Wahrheit sorgfältig aus, ^damit seine Werke nicht
-gestraft werden^, damit er nicht von seiner Verdorbenheit überführt, und
-vor sich selbst beschämt werde. -- -- Die von dieser Menschenklasse sehr
-Verschiedenen sind diejenigen, ^welche die Wahrheit thun^, welche ihr
-Gewissen für das höchste Gesetz ihres Verhaltens anerkennen, und fest
-entschlossen sind, der Stimme desselben in allem zu gehorchen: -- ^diese
-kommen an das Licht^, sie mögen sich gern in ihrer wahren Gestalt
-erblicken, ^damit ihre Werke offenbar werden^, und sie dadurch sich
-selbst kennen lernen, wie weit sie in der Tugend gekommen sind, und was
-ihnen zu thun noch übrig ist.
-
-Dieser Geist der Wahrheit ^geht^, nach den Worten Jesu in unserem Texte,
-^vom Vater aus^; er ist ein Geschenk der Gottheit, von welcher alle gute
-Gaben kommen, und das Edelste, was sie der Menschheit gab. Aber Gott gab
-dieses Geschenk nicht etwa nur einigen, und versagte es anderen, er gab
-die Anlage dazu allen; gab sie gewiss auch Jedem, der hier gegenwärtig
-ist. -- -- O, m. Br., warum kann ich nicht mit Jedem unter euch in die
-geheime Geschichte seines Herzens zurückgehen; warum kann ich nicht
-Jedem, Schritt vor Schritt, die Vorfälle aufzählen, bei denen die
-bessere Seele in ihm lauter wurde? --
-
-Denkt zurück an die innige Bewegung, mit der die meisten unter euch das
-erste Mal beim Nachtmahle erschienen; an die Thränen der Rührung, mit
-denen ihr damals vor den Augen Gottes und den Augen der Gemeine
-angelobtet, der Stimme eures Gewissens stets zu gehorchen; an die
-ernsthaften Vorsätze der Besserung, mit denen ihr diese Handlung oft
-wiederholt habt; an die noch ernsthafteren Vorsätze, die ihr fasstet,
-wenn Krankheit oder eine andere Noth euch veranlasste, einen Blick in
-euer Innerstes zu thun; an den Schauder und das Herzklopfen, das auch
-den Verdorbensten unter uns übermannte, wenn er eine Sünde thun wollte,
-die ihm neu und grösser war, als seine vorhergehenden; an das Entsetzen,
-das uns alle befällt, wenn wir von einer harten Ungerechtigkeit, von
-einer grossen Schandthat hören -- alles das waren und sind Spuren dieser
-besseren Seele in uns.
-
-Und nun ist es unsere Sache, uns zu prüfen, wie viel von dieser
-ursprünglichen Wahrheitsliebe wir in uns übriggelassen haben. Und diese
-Prüfung, m. Br., ist nicht schwer; auf der Stelle können wir unser Herz
-auf dem Betruge ergreifen, wenn es uns betrügt.
-
-Der gemeinste Begriff, den selbst der unausgebildetste von seiner
-Bestimmung hat, ist der, ^Gott zu gefallen und in den Himmel zu kommen^.
-Wer ist unter uns, der das nicht hoffe? Worauf gründen wir nun diese
-Hoffnung, -- nicht von ^Gottes^ Seite, davon ist hier nicht die Rede, --
-sondern von ^der unsrigen^, oder, was denken ^wir^ zu thun, um in den
-Himmel zu kommen? Tröstet ihr euch etwa eures Kirchen- und eures
-Nachtmahlsgehens -- oder wohl gar einer kalten Reue, die ihr einst auf
-eurem Sterbebette empfinden wollt -- tröstet ihr euch irgend eines
-Dinges, ausser der gewissenhaften Erfüllung aller eurer Pflichten, und
-des ernstesten Entschlusses nichts zu thun, was ihr für unrecht haltet:
-so hat euch bisher euer Herz betrogen, denn es hat euch an ein ander
-Gesetz angewiesen, als an euer Gewissen.
-
-Ihr habt alle irgend ein Vorhaben; ihr habt vielleicht ohnlängst irgend
-ein anderes ausgeführt. -- Könnt ihr im Ernste wünschen, dass jeder
-eurer Nebenmenschen stets und immer so handle, dass er auch gegen euch
-so handle, wie ihr gehandelt habt, oder zu handeln im Begriffe steht;
-könnt ihr wünschen, in einer Welt zu leben, wo jeder so handelt? Solltet
-ihr dieses nicht wünschen können, -- haltet ihr demohngeachtet eure
-Handlung noch für gerecht und billig? Haltet ihr sie dafür, so seyd
-versichert, dass euer Herz euch betrügt, und dass die Entschuldigungen,
-die es euch darbietet, eitel Täuschungen sind.
-
-Es ist, wenn wir in dieser Prüfung unser Herz nicht ganz lauter befunden
-haben sollten, nun unsere Sache, zu sehen, wie wir diese Wahrheitsliebe
-in uns wieder herstellen wollen, -- wenn wir anders nicht länger jeden
-Blick, den wir in unseren Busen werfen, mit Erröthen wieder
-zurückreissen wollen; nicht länger von dem Auge des ehrlichen Mannes uns
-gedrückt fühlen, und schüchtern suchen wollen, unser Herz vor ihm zu
-verbergen, dass er nicht durch irgend eine Spalte desselben unsere
-Schande entdecke; nicht länger dem Gedanken an Gott, den
-Herzenskündiger, und an die Zukunft, mit Angst ausweichen wollen.
-
-Dazu giebt es nun leider kein Mittel, was nicht wenigstens einen Theil
-dieser Wahrheitsliebe voraussetzte, die dadurch erst hervorgebracht
-werden soll. Wer gar keine mehr hat, der ist ohne Rettung verloren;
-treibt ihn in die Enge, soviel ihr wollt, -- er wird stets recht haben,
-und nie wird es ihm an Entschuldigungen und Ausflüchten fehlen; er wird,
-wie Jesus sagt, nicht glauben, und wenn die Todten auferständen, und ihm
-die Wahrheit predigten; daher denn auch die Gottesgelehrten diesen
-Zustand sehr passend das ^Gericht der Verstockung^ genannt haben. --
-Aber sollte es viele, sollte es überhaupt Menschen geben, die ^so^ tief
-verfallen seyen? Auf das verdorbenste Herz geschehen zuweilen noch gute
-Eindrücke; wenn ihnen ihr ganzer trauriger Zustand recht nach dem Leben
-vor Augen gemalt wird; oder, wenn sie in ein grosses Unglück verfallen,
-aus dem sie mit ihrer ganzen Kraft sich nicht retten können; oder wenn
-sie das Schauspiel einer grossen Unthat erblicken, und sich gestehen
-müssen, dass sie auf dem geraden Wege zu dem gleichen Verbrechen sind;
-oder, welches das letzte und härteste Rettungsmittel in der Hand der
-Vorsehung ist, -- wenn sie selbst in eine grosse Missethat fallen, über
-die sie hinterher sich selbst entsetzen.
-
-Gott gebe, dass keiner in unserer Mitte sey, der solcher Mittel bedürfe;
-er gebe, dass keiner, der ihrer bedarf, auch diese ungenützt lasse.
-Amen.
-
-
-
-
- C.
- Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie. In einer Reihe
- von Briefen. 1794.[32]
-
-
- (Phil. Journal 1798. Bd. IX. S. 199-232. S. 292-305.)
-
-
- Erster Brief.
-
-Sie haben Ihre Erwartungen von der Philosophie noch nicht aufgegeben,
-mein theurer Freund; Sie fahren fort, an unseren Bemühungen um dieselbe
-Antheil zu nehmen, und füllen noch immer einen Theil Ihrer
-Erholungsstunden mit philosophischer Lectüre. Aber, so schreiben Sie
-mir, der Nachbar dürfte fast durch die Vorstellung einer neuen Gefahr
-Sie beunruhigen. Ihn macht der Unterschied bedenklich, den ein oder zwei
-neuere Schriftsteller zwischen Geist und Buchstaben in der Philosophie
-überhaupt, und insbesondere einer gewissen Philosophie und gewisser
-philosophischer Werke gemacht haben. Wo es hinauswolle, und was aus dem
-unermüdetsten Studiren werden könne, wenn es dem ersten dem besten
-erlaubt seyn solle, die mit saurer Mühe zusammengebrachten Kenntnisse im
-ersten Andrange des Kraftgenies zu streichen: unter dem Vorwande, dass
-dies doch nur der Buchstabe sey, und nicht der Geist? -- Der Nachbar
-denkt auf Sicherheit, und Sie wünschen eine klare Einsicht in die
-Beruhigungsgründe, die Sie schon jetzt dunkel fühlen. Sie haben bemerkt,
-dass ich auch mit für diese Unterscheidung stimme, und verlangen von mir
-eine gründliche und gemeinfassliche Auseinandersetzung: was Geist ^der^
-Philosophie, und Geist ^in^ der Philosophie heisse, und wie sich
-derselbe vom Buchstaben, und vom blossen Buchstaben unterscheide.
-
-[Fußnote 32: Die folgenden drei Briefe, deren Fortsetzung in einem der
-künftigen Hefte erscheinen wird, sind schon vor vier Jahren abgefasst
-worden. -- Ich erinnere dies, um das Stillschweigen über neuere Vorfälle
-und Aeusserungen, an die man durch diese Ueberschrift erinnert wird, zu
-erklären.
-
- (Anm. des Verfassers.)]
-
-Ich hoffe, dass Sie durch die Forderung der Gründlichkeit mich nicht
-über Vermögen verpflichten wollen: dass Sie durch dieselbe nicht mehr
-andeuten, als dass ich nach bestem Wissen und Gewissen, soweit ich
-selbst auf den Grund sehe, jenen Unterschied aus ihm ableite. Das würde
-denn auch in der Kürze geschehen können, wenn ich alles, was die
-unmittelbare Beantwortung Ihrer Frage voraussetzt, voraussetzen dürfte.
-Da dies aber Ihre Rechnung nicht zu seyn scheint, indem Sie zugleich
-Gemeinfasslichkeit fordern, so muss ich Sie einen längeren Weg führen,
-von welchem ich wünsche, dass er Ihnen nie als ein Umweg erscheinen
-möge. Sie sollen auf demselben langsam gehen, und zuweilen ruhen und
-Aussicht nehmen; aber mit ein wenig Geduld hoffe ich Sie an das Ziel zu
-bringen und ihre Besorgnisse zu heben. -- Was die Belehrung des Nachbars
-anbelangt -- doch, die Erfahrung, die Sie dabei zu machen haben, kann
-wenigstens für Sie selbst belehrend seyn.
-
-Ehe ich Ihnen deutlich machen kann, was ich unter Geist in der
-Philosophie verstehe, müssen wir uns darüber vereinigen, was wir
-überhaupt Geist nennen.
-
-Sie erinnern sich der Klagen, die Sie führten, als Sie ein gewisses, von
-einigen hochgepriesenes Buch lasen. Sie konnten sich in dasselbe nicht
-hineinlesen. Sie hatten es vor sich und Ihre Augen fest darauf geheftet;
-aber Sie fanden, so oft Sie auf sich selbst reflectirten, sich weit von
-dem Buche; jeder Ihrer Angriffe auf den Inhalt und den Gang desselben
-gleitete ab, und so oft auch Sie den spröden Geist desselben ergriffen
-zu haben glaubten, entschlüpfte er Ihnen unter den Händen. Sie hatten
-nöthig, immer und immer wieder sich selbst zu erinnern, dass Sie dieses
-Buch studiren wollten, es studiren müssten; und es bedurfte der oft
-wiederholten Vorstellung des Nutzens und der Belehrung, die Sie daraus
-erwarteten, um den fortdauernden Widerstand auszuhalten; bis Sie endlich
-aus anderen Gründen überzeugt wurden, dass Sie es ebensowohl ungelesen
-lassen könnten, und dass selbst die Ausbeute nur geringe und der
-aufgewandten Mühe nicht werth seyn werde. -- Lag dabei die Schuld
-lediglich an Ihnen, an Ihrem Mangel an Aufmerksamkeit, an dem
-Nichtverhältnisse Ihres Talents gegen die Tiefe und Gründlichkeit jenes
-Buches? Sie schienen das nicht zu glauben; die Stimmung, in der Sie sich
-bei der Lectüre anderer, nicht minder gründlicher Schriften fanden,
-erlaubte Ihnen, eine günstigere Meinung von sich zu fassen. Sie fühlten
-von diesen sich angezogen und gefesselt; es bedurfte keiner Erinnerung
-an Ihren Vorsatz, das Buch zu studiren, und an den Vortheil, den Sie
-sich aus dem Studium desselben versprachen. Sie brauchten bei einer
-Lectüre, die allein Ihren ganzen Geist ausfüllte, keinen Zweck
-ausserhalb derselben aufzusuchen, und nur das kostete Ihnen Mühe, sich
-davon loszureissen, wenn andere Geschäfte Sie abriefen. Sie waren
-vielleicht mehrmals in einem ähnlichen Falle, wie eine gewisse
-französische Frau. Die Stunde, da der Hofball eröffnet wurde, traf
-dieselbe bei der Lectüre der neuen Heloise. Man meldete ihr, dass
-angespannt sey; aber es war noch zu früh, nach Hofe zu fahren. Nach zwei
-Stunden, da man sie wieder erinnerte, war es noch immer Zeit genug; und
-zwei Stunden darauf fand sie es zu spät. Sie las die ganze Nacht durch,
-und opferte für dieses Mal den Ball auf.
-
-So gehts mit Büchern, so geht es mit anderen Producten der Kunst sowohl,
-als der Natur. Das eine lässt uns kalt und ohne Interesse, oder stösst
-uns wohl gar zurück; ein anderes zieht uns an, ladet uns ein, bei seiner
-Betrachtung zu verweilen und uns selbst in ihm zu vergessen.
-
-Diese Erfahrung ist um so merkwürdiger, da die Gründe, aus denen man sie
-etwa auf den ersten Anblick dürfte erklären wollen, nicht auslangen. Der
-weniger ernsthafte und oberflächliche Leser, der nur Vergnügen sucht,
-und an den die Belehrung fast nur durch einen feinen Betrug unter der
-Gestalt des ersten gelangen kann, mag im ganzen freilich lieber durch
-Erzählungen unterhalten seyn, als mit dem Schriftsteller nachdenken und
-forschen. Aber oft gelingt es der reichsten Erzählung, wo Begebenheiten
-auf Begebenheiten folgen, die eine immer abenteuerlicher als die andere,
-nicht, die Aufmerksamkeit des Lesers anzuziehen; und es giebt ihrer in
-Menge, die, ohne alle Rücksicht auf Belehrung, lieber mit Voltaire
-räsonniren, oder mit Lessing polemisiren, als die Begebenheiten der
-schwedischen Gräfin sich erzählen lassen. Es scheint daher allerdings
-der Mühe werth, und liegt vielleicht auf unserem Wege, zu untersuchen:
-was es doch eigentlich seyn möge, das uns hier, es sey zu Frivolitäten
-oder zu ernsthaften und wichtigen Untersuchungen, so mächtig hinzieht;
-dort, so wichtig und nützlich auch der abgehandelte Gegenstand sey, so
-unwiderstehlich zurückstösst?
-
-So viel ist klar, dass ein Werk der erstern Art unsern Sinn selbst für
-seinen Gegenstand anregen, beleben, stärken möge; dass ein solches Werk
-uns nicht bloss das Object unserer geistigen Beschäftigung, sondern
-zugleich das Talent gebe, uns mit demselben zu beschäftigen, uns nicht
-das Geschenk allein, sondern sogar die Hand darreiche, mit der wir es
-ergreifen sollen; dass es das Schauspiel und die Zuschauer zugleich
-erschaffe, und, wie die Lebenskraft im Weltall, mit demselben Hauche der
-todten Materie Bewegung und Organisation, und der organisirten geistiges
-Leben mittheile: da hingegen ein Product von der letztern Klasse gerade
-denjenigen Sinn, dessen man zu seinem Genusse bedürfte, aufhält und
-hemmt, und durch den fortdauernden Widerstand ermüdet und tödtet; so
-dass der in jedem Augenblicke abgelaufene Mechanismus des Geistes durch
-einen neuen Druck der Haupttriebfeder in ihm, der absoluten
-Selbstthätigkeit, wieder hergestellt werden muss, um im nächsten
-Augenblicke wieder unterbrochen zu werden. Im ersten Falle denkt unser
-Verstand, oder dichtet unsere Einbildungskraft von selbst mit dem
-Künstler zugleich, und sowie er es will, ohne dass wir ihr gebieten; die
-gehörigen Begriffe, oder die beabsichtigten Gestalten bilden und ordnen
-sich vor unserem geistigen Auge, ohne dass wir die Hand daran gelegt zu
-haben glauben. Im zweiten Falle müssen wir immer über uns selbst wachen
-und uns in strenger Aufsicht haben, stets das Gebot der Aufmerksamkeit
-wiederholen und über seine Beobachtung halten. Wie wir unser geistiges
-Auge wegwenden, entfleucht unsere Aufmerksamkeit vom Ziele, die
-unbewachte Phantasie sucht wieder ihre gewohnte Bahn, oder auch der
-Geist fällt in sein dumpfes Hinbrüten zurück. Mit einem Worte: Producte
-der erstern Art scheinen eine belebende Kraft zu haben für den innern
-Sinn, und insbesondere jedesmal für denjenigen besonderen Sinn, für den
-ihre Auffassung gehört; Producte der letztern Art mögen Ordnung und
-Gründlichkeit und Nutzbarkeit, sie mögen alles haben, was man will, jene
-Kraft haben sie nicht.
-
-Wir nennen diese belebende Kraft an einem Kunstproducte Geist, den
-Mangel derselben Geistlosigkeit, und stehen sonach gerade vor dem
-Gegenstande, welchen wir zu untersuchen haben.
-
-Wie erhält ein menschliches Product jene belebende Kraft, und woher hat
-der geistvolle Künstler das Geheimniss, sie ihm einzuhauchen? Mit
-angenehmem Befremden entdecke ich bei Betrachtung seines Werkes Anlagen
-und Talente in mir, die ich selbst nicht kannte. Hat er auf diese
-Anlagen in mir die Wirkung seiner Kunst berechnet? Ohne Zweifel; denn
-woher sonst dieser Erfolg? Aber wer hat ihm mein Inneres aufgedeckt, in
-welchem ich selbst ein Fremdling war? Wenn er noch allenfalls durch hohe
-Vorstellungen aus der Religion mich in überirdische Welten erhöbe, oder
-durch die Schrecken des Weltgerichts erschütterte, oder durch die Leiden
-der sanftduldenden Unschuld mir Thränen entlockte, möchte es seyn;
-unerachtet es noch immer wunderbar bliebe, wie er es dahin bringt, dass
-ich auf seine Dichtungen, die ich für nichts als Dichtungen halte, mich
-nur einlasse und ihnen Empfindungen widme, die nur zu wahr sind. Aber
-mit der gleichen Zuversicht schildert sein Griffel einen ländlichen
-Tanz, wirft sein Pinsel eine Feldblume auf die Leinwand, und mein Herz
-ist immer seine gewisse Beute. Wo liegt der unbegreifliche Zusammenhang
-dieser Mittel mit jenem Zwecke, und durch welche Kunst hat er errathen,
-was durch kein Nachdenken sich dürfte finden lassen?
-
-
- Zweiter Brief.
-
-Sie nehmen die am Ende meines vorigen Briefes hingeworfene Frage auf,
-und beantworten sie folgendermaassen:
-
-»Nirgends als in der Tiefe seiner eigenen Brust kann der geistvolle
-Künstler aufgefunden haben, was meinen und Aller Augen verborgen in der
-meinigen liegt. Er rechnet auf die Uebereinstimmung anderer mit ihm; und
-rechnet richtig. Wir sehen, dass unter seinem Einflusse die Menge, wenn
-sie nur ein wenig gebildet ist, wirklich in Eine Seele zusammenfliesst,
-dass alle individuelle Unterschiede der Sinnesart verschwinden, dass die
-gleiche Furcht, oder das gleiche Mitleid, oder das gleiche geistige
-Vergnügen Aller Herzen hebt und bewegt. Er muss demnach, inwiefern er
-Künstler ist, dasjenige, was allen gebildeten Seelen gemein ist, in sich
-haben, und anstatt des individuellen Sinnes, der uns andere trennt und
-unterscheidet, muss in der Stunde der Begeisterung gleichsam der
-Universalsinn der gesammten Menschheit, und nur dieser, in ihm wohnen.
--- Wir alle sind auf mannigfaltige Weise von einander verschieden; kein
-Einzelner ist irgend einem andern Einzelnen, dem Geistescharakter so
-wenig, als dem körperlichen nach, vollkommen gleich.«
-
-»Dennoch müssen wir alle, näher oder entfernter, nach Maassgabe der
-Gleichförmigkeit oder der Verschiedenheit unserer Ausbildung, schon auf
-der Oberfläche unseres Geistes, oder in seinen geheimeren Tiefen gewisse
-Vereinigungspuncte haben; denn wir verstehen uns, wir können uns
-einander mittheilen, und aller menschliche Umgang ist von Anbeginn an
-nichts anderes gewesen, als ein ununterbrochener Wechselkampf aller
-Einzelnen, jeden Einzelnen, mit dem sie im Gange des Lebens
-Berührungspuncte bekamen, mit sich selbst übereinstimmig zu machen. Was
-keinem so leicht, und keinem ganz gelingt, gelingt dem Künstler, indem
-er das Ziel verändert, und es aufgiebt, seine Individualität in andern
-darzustellen; vielmehr diese selbst aufopfert, und statt ihrer jene
-Vereinigungspuncte, die in allen Einzelnen sich wiederfinden, zum
-individuellen Charakter seines Geistes und seines Werkes macht. Daher
-heisst das, was ihn begeistert, Genius, und hoher Genius: ein Wesen aus
-einer höheren Sphäre, in welcher alle niedere und irdische Grenzlinien,
-die den individuellen Charakter der Erdenmenschen bestimmen, nicht mehr
-unterschieden werden und in einen leichten Nebel zusammenfliessen.«
-
-»Da die Mittel, deren er sich bedient, um jenen Gemeinsinn in uns
-anzuregen und zu beschäftigen, und die Individualität, so lange er uns
-unter seinem Einflusse hält, verstummen zu machen, -- da diese Mittel
-und ihr nothwendiger Zusammenhang mit der Wirkung durch kein Nachdenken,
-durch keine Beziehung auf ihren Zweck durch Begriffe, so leicht dürften
-aufgefunden werden, wenigstens alle bisherigen Bemühungen, sie auf diese
-Art aufzufinden, gescheitert sind: so kann er nur durch Erfahrung, durch
-eigene innere Erfahrung an sich selbst, zur Kenntniss derselben gelangt
-seyn. Er hat einst selbst empfunden, was er uns nachempfinden lässt, und
-dieselben Gestalten, die er jetzt vor unser Auge hinzaubert, --
-ununtersucht, auf welchem Wege sie vor das seinige kamen, -- haben ihn
-einst selbst in jene süsse Trunkenheit, in jenen holden Wahnsinn
-eingewiegt, der uns alle bei seinem Gesange, oder vor seiner belebten
-Leinwand, oder bei dem Tone seiner Flöte ergreift. Er ist wieder zur
-kalten Besonnenheit gekommen, und stellt mit nüchterner Kunst dar, was
-er in der Entzückung erblickte, um in seine Verirrung, deren geliebtes
-Andenken ihn noch mit sanfter Rührung erfüllt, das ganze Geschlecht
-hineinzuziehen, und die Schuld, welche die Einrichtung seiner Gattung
-auf ihn lud, unter die ganze Gattung zu vertheilen. Wo gebildete
-Menschen wohnen, wird bis an das Ende der Tage das Andenken seiner
-längst erloschenen Begeisterung durch ihre Wiederholung gefeiert
-werden.«
-
-So lösen Sie die vorgelegte Aufgabe; und ich glaube, Sie haben recht.
-Aber erlauben Sie, dass wir gemeinschaftlich uns Ihre Meinung weiter
-aufklären, sie in ihre feineren Bestandtheile zerlegen, sie aus ihren
-Gründen entwickeln, um uns etwas Bestimmtes zu denken unter jenem
-Universalsinne, den Sie Ihrer Erklärung zum Grunde legen; um klar
-einzusehen, wie jener Eindruck entstehe, den sie auf diesen Sinn in der
-Seele des Künstlers geschehen lassen; um zu begreifen, so gut es sich
-begreifen lässt, warum sich derselbe so leicht und so allgemein
-mittheile.
-
-Vollkommen unabhängig von aller äusseren Erfahrung, und ohne alles
-fremde Hinzuthun soll der Künstler aus der Tiefe seines eigenen Gemüthes
-entwickeln, was, Aller Augen verborgen, in der menschlichen Seele liegt;
-er soll nur unter Anleitung seines Divinationsvermögens
-Vereinigungspuncte für die gesammte Menschheit aufstellen, die sich in
-keiner bisherigen Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das einzige
-Unabhängige und aller Bestimmung von aussen völlig Unfähige im Menschen
-nennen wir den Trieb. Dieser, und dieser allein ist das höchste und
-einzige Princip der Selbstthätigkeit in uns; er allein ist es, der uns
-zu selbstständigen, beobachtenden und handelnden Wesen macht. -- So weit
-der Einfluss der äusseren Dinge auf uns sich auch immer erstrecken möge,
-so erstreckt er sicher sich doch nicht so weit, dass er dasjenige in uns
-hervorbringe, was jene selbst nicht haben, und dass in ihrer Einwirkung
-gerade das Gegentheil von demjenigen liege, was in ihnen selbst, als in
-der Ursache, enthalten ist. Die Selbstthätigkeit im Menschen, die seinen
-Charakter ausmacht, ihn von der gesammten Natur unterscheidet und
-ausserhalb ihrer Grenzen setzt, muss sich auf etwas ihm Eigenthümliches
-gründen; und dieses Eigenthümliche eben ist der Trieb. Durch seinen
-Trieb ist der Mensch überhaupt Mensch, und von der grössern oder
-geringern Kraft und Wirksamkeit des Triebes, des innern Lebens und
-Strebens, hängt es ab, was für ein Mensch jeder ist.
-
-Lediglich durch den Trieb ist der Mensch vorstellendes Wesen. Könnten
-wir ihm auch, wie einige Philosophen wollen, den Stoff seiner
-Vorstellung durch die Objecte geben, die Bilder durch die Dinge von
-allen Seiten her ihm zuströmen lassen: so bedürfte es doch immer der
-Selbstthätigkeit, um dieselben aufzufassen und sie auszubilden zu einer
-Vorstellung, dergleichen die leblosen Geschöpfe im Raume um uns herum,
-denen die durch das ganze Weltall herumschweifenden Bilder so wohl als
-uns zuströmen müssen, nicht besitzen. Es bedarf dieser Selbstthätigkeit,
-um diese Vorstellungen nach willkürlichen Gesichtspuncten zu ordnen:
-jetzt die äussere Gestalt einer Pflanze zu betrachten, um sie
-wiederzuerkennen und von allen ähnlichen zu unterscheiden; jetzt den
-Gesetzen nachzuspüren, nach denen die Natur diese Bildung bewirkt haben
-mag; jetzt zu untersuchen, wie man jene Pflanze etwa zur Speise, oder
-zur Kleidung, oder zur Arznei gebrauchen könne. Es bedarf der
-Selbstthätigkeit, um unsere Erkenntniss von den Gegenständen
-unaufhörlich zu steigern und zu erweitern; und lediglich durch sie wird
-derselbe Stern für den Astronomen ein grosser, fester, in unermesslicher
-Entfernung nach unverbrüchlichen Gesetzen sich bewegender Weltkörper,
-der für den unbelehrten Naturmenschen immerfort ein Lämpchen bleibt, bei
-dessen Scheine er sein Ackergeräth zusammensuche.
-
-Inwiefern der Trieb solchergestalt auf Erzeugung einer Erkenntniss
-ausgeht, in welcher Rücksicht wir ihn auch um der Deutlichkeit und der
-Kürze willen den Erkenntnisstrieb nennen können, gleichsam, als ob er
-ein besonderer ^Grundtrieb^ wäre -- welches er doch nicht ist; sondern
-er und alle besonderen Triebe und Kräfte, die wir noch so nennen
-dürften, sind lediglich besondere Anwendungen der einzigen untheilbaren
-Grundkraft im Menschen, und man hat sich sorgfältig zu hüten,
-dergleichen Ausdrücke in dieser oder in irgend einer philosophischen
-Schrift anders, als so zu deuten; -- der Erkenntnisstrieb demnach wird
-in gewissem Maasse immer befriedigt; in jedem Menschen sind
-Erkenntnisse, und ohne sie wäre er kein Mensch, sondern etwas anderes.
-Dieser Trieb äussert also im allgemeinen sich durch seine Wirkung; von
-dieser schliessen wir auf die Ursache im selbstthätigen Subject zurück,
-und lediglich auf diese Weise gelangen wir sowohl zur Idee vom Daseyn
-jenes Triebes, als zur Erkenntniss seiner Gesetze.
-
-Nicht immer befriedigt wird der Trieb, inwiefern er nicht auf blosse
-Erkenntniss des Dinges, wie es ist, sondern auf Bestimmung, Veränderung
-und Ausbildung desselben, wie es seyn sollte, ausgeht, und praktisch
-heisst; dieses in engster Bedeutung, denn der Strenge nach ist aller
-Trieb praktisch, da er zur Selbstthätigkeit treibt, und in diesem Sinne
-gründet alles im Menschen sich auf den praktischen Trieb, da nichts in
-ihm ist, ausser durch Selbstthätigkeit: -- oder, inwiefern er ausgeht
-auf eine gewisse bestimmte Vorstellung, bloss um der Vorstellung willen,
-keinesweges aber um eines Dinges willen, das ihr entspreche, oder auch
-nur um der Erkenntniss dieses Dinges willen; welchen letzteren Trieb, da
-er in seiner Allgemeinheit noch keinen Namen hat, wir vorläufig so
-bezeichnen wollen, wie man bisher einen Zweig desselben bezeichnet hat,
-und ihn den ästhetischen nennen. Es ist klar, dass man zur Kenntniss
-dieser Triebe nicht auf dem gleichen Wege, wie zu der des
-Erkenntnisstriebes, durch eine Folgerung von der Wirkung auf die
-Ursache, gelangen könne; und es fragt sich demnach, wie man zu derselben
-gelangt sey. Aber ehe wir diese Frage beantworten, lassen Sie uns die
-soeben aufgestellten Triebe noch ein wenig schärfer unterscheiden.
-
-Der Erkenntnisstrieb zielt ab auf Erkenntniss, als solche, um der
-Erkenntniss willen. Ueber das Wesen, die äusseren oder inneren
-Beschaffenheiten des Dinges lässt er uns völlig uninteressirt; unter
-seiner Leitung wollen wir nichts, als wissen, welches diese
-Beschaffenheiten sind: wir wissen es und sind befriedigt. Auf seinem
-Gebiete hat die Vorstellung keinen andern Werth und kein anderes
-Verdienst, als das, dass sie der Sache vollkommen angemessen sey. Der
-praktische Trieb geht auf die Beschaffenheit des Dinges selbst, um
-seiner Beschaffenheit willen. Wir kennen dieselbe, wenn eine Anregung
-jenes Triebes eintritt, nur zu wohl; aber wir sind mit ihr nicht
-zufrieden: sie sollte anders und auf eine gewisse bestimmte Art anders
-seyn. Im erstern Falle wird ein durch sich selbst und ohne alles unser
-Zuthun vollständig bestimmtes Ding vorausgesetzt, und der Trieb geht
-darauf, es mit diesen Bestimmungen, und schlechterdings mit keinen
-andern, in unserem Geiste durch freie Selbstthätigkeit nachzubilden. Im
-zweiten Falle liegt eine, nicht nur ihrem Daseyn, sondern auch ihrem
-Inhalte nach durch freie Selbstthätigkeit erschaffene Vorstellung in der
-Seele zum Grunde, und der Trieb geht darauf aus, ein ihr entsprechendes
-Product in der Sinnenwelt hervorzubringen. In beiden Fällen geht der
-Trieb weder auf die Vorstellung allein, noch auf das Ding allein,
-sondern auf eine Harmonie zwischen beiden; nur dass im ersten Falle die
-Vorstellung sich nach dem Dinge, und im zweiten das Ding sich nach der
-Vorstellung richten soll. Ganz anders verhält es sich mit dem Triebe,
-den wir soeben den ästhetischen nannten. Er zielt auf eine Vorstellung,
-und auf eine bestimmte Vorstellung, lediglich um ihrer Bestimmung und um
-ihrer Bestimmung als blosser Vorstellung willen. Auf dem Gebiete dieses
-Triebes ist die Vorstellung ihr eigner Zweck: sie entlehnt ihren Werth
-nicht von ihrer Uebereinstimmung mit dem Gegenstande, auf welchen
-hierbei nicht gesehen wird, sondern sie hat ihn in sich selbst; es wird
-nicht nach dem Abgebildeten, sondern nach der freien unabhängigen Form
-des Bildes selbst gefragt. Ohne alle Wechselbestimmung mit einem Objecte
-steht eine solche Vorstellung isolirt, als letztes Ziel des Triebes, da,
-und wird auf kein Ding bezogen, nach welchem sie, oder welches nach ihr
-sich richte. Wie der praktischen Bestimmung eine Vorstellung zum Grunde
-liegt, die selbst ihrem Gehalte nach durch absolute Selbstthätigkeit
-entworfen ist, so liegt der ästhetischen Bestimmung eine auf die gleiche
-Weise entworfene Vorstellung zum Grunde; nur mit dem Unterschiede, dass
-der letztern, nicht so wie der erstern, etwas Entsprechendes in der
-Sinnenwelt gegeben werden soll. Wie der Erkenntnisstrieb eine
-Vorstellung zu seinem letzten Ziele hat, und befriedigt ist, nachdem
-diese gebildet worden, so der ästhetische; nur mit dem Unterschiede,
-dass die Vorstellung der ersteren Art mit dem Dinge übereinkommen, die
-der letztern Art mit gar nichts übereinkommen soll. -- Es ist möglich,
-dass eine Darstellung des ästhetischen Bildes in der Sinnenwelt
-gefordert werde; aber das geschieht nicht durch den ästhetischen Trieb,
-dessen Geschäft mit der blossen Entwerfung des Bildes in der Seele
-vollkommen geschlossen ist, sondern durch den praktischen, der dann aus
-irgend einem Grunde in die Reihenfolge der Vorstellungen eingreift, und
-einen möglichen äusserlichen und fremden Zweck jener Nachbildung in der
-Wirklichkeit aufstellt. So kann es gleichfalls geschehen, dass die
-Vorstellung eines wirklich vorhandenen Gegenstandes dem ästhetischen
-Triebe vollkommen angemessen sey; nur bezieht sich die dann eintretende
-Befriedigung dieses Triebes schlechterdings nicht auf die äussere
-Wahrheit der Vorstellung; das entworfene Bild würde nicht minder
-gefallen, wenn es leer wäre, und es gefällt nicht mehr, weil es
-zufälligerweise zugleich Erkenntniss enthält. -- So musste es denn auch
-seyn -- woran ich Sie hier nur im Vorbeigehen erinnere, und um mich noch
-deutlicher zu machen, nicht aber um daraus vorläufig weiter zu folgern
--- so musste es denn auch seyn, wenn beide unverträgliche Triebe, der,
-die Dinge zu lassen, wie sie sind, und der, sie überall und ins
-Unendliche hinaus umzuschaffen, sich vereinigen und einen einzigen
-untheilbaren Menschen darstellen sollten, nach unserer gegenwärtigen
-Ansicht der Sache; oder auch nach unserer obigen Weise sie anzusehen,
-welche der Strenge nach die einzig richtige ist, -- wenn beide Triebe
-Ein und ebenderselbe Trieb seyn, und nur die Bedingungen seiner
-Aeusserung verschieden seyn sollten. Der Trieb konnte nicht auf die
-Vorstellung des Dinges gehen, ohne überhaupt auf die Vorstellung um
-ihrer selbst willen zu gehen, und ebenso unmöglich war ein Trieb, auf
-das Ding selbst einzuwirken und es umzuarbeiten, nach einer Vorstellung,
-die ausser aller Erfahrung, und über alle mögliche Erfahrung
-hinausliegen sollte, wenn es nicht überhaupt Trieb und Vermögen gab,
-unabhängig von der wirklichen Beschaffenheit der Dinge Vorstellungen zu
-entwerfen.
-
-Wie mögen nun diese beiden zuletzt genannten Triebe sich äussern, wenn
-der ästhetische Trieb gar nicht, der praktische wenigstens nicht immer
-Handlungen hervorbringt, in denen sie der Beobachtung dargestellt
-würden? Auch dann noch bleibt folgendes Mittel übrig, um ihnen auf die
-Spur zu kommen. Da der Trieb, so wie sein Wirken im Menschen eintritt
-und überwiegend wird, die gesammte Selbstthätigkeit desselben anregen
-und aufreizen, und dieselbe auf etwas Bestimmtes, es sey nun ein Ding
-ausser ihm, oder eine Vorstellung in ihm, gänzlich hinrichten soll: so
-muss nothwendig die zufällige Harmonie des Gegebenen mit jener Richtung
-des Selbstthätigen, in einem fühlenden Wesen, wie der Mensch doch wohl
-seyn soll, sich durch ein überwiegendes Gefühl seiner selbst, seiner
-Kraft und Ausbreitung, welches man ein Gefühl der Lust nennt; die
-zufällige Disharmonie des Gegebenen mit jener Richtung sich durch ein
-ebenso überwiegendes Gefühl seiner Ohnmacht und Einengung offenbaren,
-welches letztere man ein Gefühl der Unlust nennt. So denken wir uns im
-Magnete eine Kraft, und als Grund dieser Kraft einen Trieb, alles Eisen
-anzuziehen, das in seine Wirkungssphäre kommt. Lassen wir ihn wirklich
-ein Stück Eisen anziehen -- sein Trieb äussert sich, er ist befriedigt,
-und geben wir dem Magnete das Gefühlsvermögen, so wird in ihm nothwendig
-ein Gefühl dieser Befriedigung, d. i. ein Gefühl der Lust entstehen.
-Lassen wir dagegen das Gewicht des Eisens seine Kraft überwiegen, so
-bleibt darum in ihm noch immer der vorige Trieb; denn er würde dasselbe
-Stück Eisen wirklich anziehen, wenn wir vom Gewichte desselben so viel
-wegnähmen, als seine Kraft überwiegt; aber er wird nicht befriedigt; und
-wenn wir dem Magnete das Gefühlsvermögen zuschreiben, so müsste er
-nothwendig einen Widerstand, eine Einschränkung und Einengung seiner
-Kraft, mit Einem Worte, Unlust empfinden. Dieses ist die einzige Quelle
-aller Lust und Unlust.
-
-Beide Triebe, der praktische sowohl, als der ästhetische, äussern sich
-auf diese Weise, nur mit Unterschied. Der praktische Trieb geht, wie
-gesagt worden, auf einen Gegenstand ausser dem Menschen, dessen Daseyn,
-inwiefern keine Handlung erfolgt, noch erfolgen kann, als unabhängig von
-ihm betrachtet werden muss. Der freilich leere Begriff von diesem
-Gegenstande ist in der Seele vorhanden. Es kommt demnach allerdings
-etwas im Gemüthe vor, wodurch der Trieb für das Bewusstseyn ausgedrückt
-und bezeichnet wird, nemlich der Begriff dessen, worauf er geht: die
-Bestimmung des Triebes ist dadurch charakterisirt, sie kann gefühlt
-werden, und wird gefühlt, und heisst in diesem Falle ein Begehren -- ein
-Begehren, inwiefern die Bedingungen, unter denen der Gegenstand wirklich
-werden kann, als nicht in unserer Gewalt stehend betrachtet werden.
-Kommen sie in unsere Gewalt, und wir entschliessen uns zu der Mühe und
-zu den Aufopferungen, die es uns etwa kosten wird, sie wirklich zu
-machen, so erhebt sich das Begehren zum Wollen. -- Man kann hier vor dem
-Daseyn des Gegenstandes vorherwissen, was Lust oder Unlust erregen
-werde, denn nur das wirkliche Daseyn des Gegenstandes erregt ein solches
-Gefühl; man kann daher die Bestimmung des praktischen Triebes von dem
-Gegenstande, und mithin von der Befriedigung oder Nichtbefriedigung
-desselben unterscheiden; der menschliche Geist bekommt gleichsam etwas
-ihm Angehöriges, einen Ausdruck seines eigenen Handelns ausser sich, und
-sieht mit Leichtigkeit in den Gegenständen, wie in einem Spiegel, seine
-eigene Gestalt. Ganz anders verhält es sich mit dem ästhetischen Triebe.
-Er geht auf nichts ausser dem Menschen, sondern auf etwas, das lediglich
-in ihm selbst ist. Es ist keine Vorstellung von seinem Gegenstande vor
-dem Gegenstande vorher möglich, denn sein Gegenstand ist selbst nur eine
-Vorstellung. Die Bestimmung des Triebes wird also durch nichts
-bezeichnet, als lediglich durch die Befriedigung oder Nichtbefriedigung.
-Die erstere lässt von der letztern sich durch nichts unterscheiden,
-sondern beide fallen zusammen. Das, was durch den ästhetischen Trieb in
-uns ist, entdeckt sich durch kein Begehren, sondern lediglich durch ein
-uns unerwartet überraschendes, in keinem begreiflichen Zusammenhange mit
-den übrigen Verrichtungen unseres Gemüthes stehendes, sondern völlig
-zweckloses und absichtloses Behagen oder Misbehagen. So gebe man dem
-Magnete zu dem Triebe, ein bestimmtes, seine Kraft überwiegendes, Stück
-Eisen anzuziehen, die Vorstellung dieses Eisens: so wird er ^begehren^,
-dasselbe anzuziehen; und wenn er sich über seine Anziehungskraft auch
-noch die Kraft zuschreiben kann, so viel, als sein Anziehungsvermögen
-überwiegt, von dem Gewichte des Eisens hinwegzunehmen, und der Trieb,
-jenes Eisen anzuziehen, stärker ist, als etwa seine Abneigung, die Last
-desselben zu verringern: so wird er es anziehen ^wollen^.[45] Nehmen Sie
-dem Magnete das Vermögen, sich das Eisen ausser sich, mithin auch sein
-Anziehen dieses Eisens vorzustellen, und lassen ihm lediglich Trieb,
-Kraft und Selbstgefühl: er wird, wenn die Schwere des Eisens seine Kraft
-überwiegt, eine Unlust; wenn Sie die Last wegnehmen, und er, sich selbst
-unbewusst, das Eisen selbst anzieht, eine Lust empfinden, die er sich
-durch nichts erklären kann, die für ihn mit nichts zusammenhängt, und
-die unserm ästhetischen Behagen oder Misbehagen völlig ähnlich ist --
-aber nicht aus dem gleichen Grunde entstanden. Aber, denken Sie sich, um
-ein passendes Bild der ästhetischen Stimmung zu haben, die liebliche
-Sängerin der Nacht; denken Sie sich, wie Sie es mit dem Dichter gar wohl
-können, die Seele derselben als reinen Gesang, ihren Geist als ein
-Streben, den vollkommensten Accord zu bilden, und ihre einzelnen Töne
-als die Vorstellungen dieser Seele. Durch die ganze Tonleiter herauf und
-herab treibt die Sängerin, ihr selbst unbewusst, die Richtung ihres
-Geistes, und er entwickelt durch die mannigfaltigsten Accorde hindurch
-allmählig sein ganzes Vermögen. Jeder neue Accord liegt auf der
-Stufenleiter dieser Entwickelung, und stimmt mit dem Urtriebe der
-Sängerin zusammen, den sie nicht kennt, weil wir ihr keine anderen
-Vorstellungen als Töne gegeben haben, und dessen Zusammenhang mit dem
-für sie zufälligen Accorde sie nicht beurtheilen kann; gerade so, wie
-unserem Auge die Richtung des ästhetischen Triebes verborgen liegt, und
-wie wir die -- ganz anderen Gesetzen zufolge sich in uns entwickelnden
-Vorstellungen nicht mit derselben vergleichen können. Doch muss jene
-Zusammenstimmung eine Lust in ihr erwecken, die ihr ganzes Wesen
-ausfüllt, und deren Gründe sie sich auch schon darum nicht angeben
-könnte. -- Aber ihr inneres und verborgenes Leben treibt sie weiter zum
-folgenden Tone; die Entwickelung desselben ist also noch nicht
-vollendet, dieser Accord drückt noch nicht ihr ganzes Wesen aus, und
-jene Lust wird daher blitzschnell durch eine Unlust aufgefasst, welche
-mit dem nächsten Tone sich in höhere Lust auflösen, aber wiederkehren,
-und die Sängerin abermals weiter treiben wird. Ihr Leben schwebt hin auf
-den sich drängenden Wellen des ästhetischen Gefühls, wie das
-Künstlerleben jedes wahren Genies.
-
-So kommt der praktische Trieb gar leicht und auf mancherlei Weise in
-seinen mannigfaltigen Bestimmungen zum Bewusstseyn, und es scheint sehr
-möglich, ihn selbst von der inneren Erfahrung aus vollständig kennen zu
-lernen und zu erschöpfen. In Absicht des ästhetischen Triebes zeigen
-sich mehrere Schwierigkeiten, und es scheint kein Mittel zu seyn, um bis
-zu ihm in die Tiefe unseres Geistes einzudringen, als dass man entweder
-ohne alle Rücksicht auf ihn in der äusseren Erfahrung fortschreite, und
-abwarte, ^ob^ er sich etwa, und ^wie^ er sich unter derselben zufällig
-äussern werde, oder dass man auf gut Glück und blindlings sich seiner
-Einbildungskraft überlasse, und erwarte, wie die mannigfaltigen
-Ausgeburten derselben auf uns wirken werden. In beiden Fällen ist man
-überdies noch in der Gefahr, eine Lust, die sich auf ein dunkles,
-unentwickeltes, vielleicht völlig empirisches und individuelles
-praktisches Bewusstseyn gründet, mit einem ästhetischen zu verwechseln.
-Und so blieben wir denn immer in der Ungewissheit, ob es auch überhaupt
-einen solchen Trieb gebe, wie wir den ästhetischen beschrieben haben,
-oder ob nicht alles, was wir für Aeusserungen desselben halten, auf
-einer feinen Täuschung beruhe; vor der wirklichen Erfahrung vorher
-könnten wir nie mit Sicherheit ahnen, was gefallen werde, und die
-Folgerung, dass das, was uns gefallen habe, allen gefallen müsse, bliebe
-ganz grundlos.
-
-Bedenken Sie hierbei noch den Umstand, dass ästhetische Vorstellungen
-zuvorderst nur in und vermittelst der Erfahrung, die auf Erkenntniss
-ausgeht, sich entwickeln können, so sehen Sie eine neue Schwierigkeit;
-von der anderen Seite aber eine Erleichterung, und die einzige, die den
-Uebergang aus dem Gebiete der Erkenntniss in das Feld der ästhetischen
-Gefühle öffnet.
-
-Sie sehen eine neue Schwierigkeit. -- Selbst die Erkenntniss wird
-zunächst nicht um ihrer selbst willen, sondern für einen Zweck ausser
-ihr gesucht. Auf der ersten Stufe der Bildung, des Individuums sowohl,
-als der Gattung, überschreit der praktische Trieb, und zwar in seiner
-niederen, auf die Erhaltung und das äussere Wohlseyn des animalischen
-Lebens gehenden Aeusserung, alle übrigen Triebe; und so fängt denn auch
-der Erkenntnisstrieb damit an, bei jenem zu dienen, um in diesem Dienste
-sich zum Vermögen einer selbstständigen Subsistenz auszubilden. Mit der
-Kargheit der Natur, oder mit dem Andringen unseres eigenen Geschlechtes
-gegen uns im Kampfe, haben wir nicht Zeit, bei der Betrachtung der Dinge
-um uns herum zu verweilen; emsig fassen wir die brauchbaren
-Beschaffenheiten derselben auf, um Nutzen von ihnen zu ziehen, unter
-unaufhörlicher Besorgniss der Nachtheile in der Ausübung, die uns eine
-unrichtige Ansicht derselben zuziehen möchte; mit Hastigkeit eilen wir
-fort von dieser erstürmten Erkenntniss zur Bearbeitung der Dinge, und
-hüten uns sehr, einen Augenblick bei der Erwerbung des Mittels zu
-verlieren, den wir zur unmittelbaren Erreichung des Zweckes anwenden
-könnten. Das Menschengeschlecht muss erst zu einem gewissen äusseren
-Wohlstande und zur Ruhe gekommen, die Stimme des Bedürfnisses von innen,
-und der Krieg von aussen muss erst beschwichtigt und beigelegt seyn, ehe
-dasselbe auch nur mit Kaltblütigkeit, ohne Absicht auf das gegenwärtige
-Bedürfniss und selbst mit der Gefahr sich zu irren, beobachten, bei
-seinen Betrachtungen verweilen, und unter dieser müssigen und liberalen
-Betrachtung den ästhetischen Eindrücken sich hingeben kann. So fasst die
-ruhige Fläche des Wassers das schöne Bild der Sonne; auf der bewegten
-werden die mit reinem Lichte gezeichneten Umrisse desselben
-untereinander geworfen und verschlungen in die gewaltsame Figur der
-unsteten Wellen.
-
-Daher sind die Zeitalter und Länderstriche der Knechtschaft zugleich die
-der Geschmacklosigkeit; und wenn es von der einen Seite nicht rathsam
-ist, die Menschen, frei zu lassen, ehe ihr ästhetischer Sinn entwickelt
-ist, so ist es von der anderen Seite unmöglich, diesen zu entwickeln,
-ehe sie frei sind; und die Idee, durch ästhetische Erziehung die
-Menschen zur Würdigkeit der Freiheit, und mit ihr zur Freiheit selbst zu
-erheben, führt uns in einem Kreise herum, wenn wir nicht vorher ein
-Mittel finden, in Einzelnen von der grossen Menge den Muth zu erwecken,
-Niemandes Herren und Niemandes Knechte zu seyn. In einem solchen
-Zeitalter hat der Unterdrückte zu thun, um unter dem Fusse des
-Unterdrückers sich lebendig zu erhalten, die nothwendige Luft zu
-schöpfen und nicht völlig zertreten zu werden, und der Unterdrücker, bei
-den mannigfaltigen Krümmungen und Wendungen des ersteren im
-Gleichgewichte zu bleiben und nicht umgeworfen zu werden; durch die
-gezwungene und unbehülfliche Lage des letzteren vermehrt sich noch seine
-Last und sein Druck; dadurch werden die Wendungen des ersteren nur noch
-ängstlicher und gewagter, und der Druck des letzteren abermals
-lastender, und so steigt durch eine sehr begreifliche Wechselwirkung das
-Uebel in einer unseligen Progression; keiner von beiden behält Zeit, und
-er wird sie immer weniger behalten, zu athmen, ruhig um sich zu sehen,
-und seine Sinne dem schönen Einflusse der freundlichen Natur offen zu
-lassen. Beide behalten lebenslänglich den Geschmack, den sie damals
-annahmen, als noch nichts, denn ihre Windeln sie fesselte: den Geschmack
-an greller, das stumpfe Auge gewaltsam reizender Farbe, und am Glanze
-reicher Metalle; und der dürftige Handarbeiter eilt, dies dem einzigen
-Vermögenden zu fertigen, um den kärglichen Lohn, dessen er zum Leben
-bedarf, bald einzunehmen. So sank im römischen Reiche die Kunst mit der
-Freiheit zu gleichen Schritten, bis sie unter Constantin dem
-barbarischen Gepränge fröhnen lernte. So werden die Elephanten der
-Kaiser von China mit schweren Goldstoffen bekleidet, und die Pferde der
-Könige von Persien trinken aus gediegenem Golde.
-
-Nur nicht niederdrückender, aber widerlicher und beunruhigender für die
-Kunst ist der Anblick, wenn unter freieren Himmelsstrichen und milderen
-Gewalthabern diejenigen, welche in der Mitte zwischen beiden Enden
-stehen, und denen alle Welt erlaubt, frei zu seyn, dieses letzten Restes
-der Freiheit, welchen ein über die Menschheit waltender Genius als ein
-Saatkorn für die Ernte künftiger Generationen in die Verfassung geworfen
-zu haben scheint, sich nicht bedienen; sondern den der ewigen
-Einförmigkeit müden Herrschern wider ihren Dank ihre Dienste aufdringen,
-und sich grämen, dass ihre wunderlichen Verbeugungen und Adorationen
-keiner zu Herzen nimmt, und dass es ihnen nicht gelingen will, denselben
-eine politische Wichtigkeit zu geben, die sie an sich nicht haben. Dann
-wiegt man mit haarscharfer Richtigkeit alle Art der Bildung gegen den
-künftigen Dienst ab; fragt die harmlos lustwandelnde Speculation, ehe
-sie uns über die Schwelle tritt, was sie mitbringe; durchsucht Romane
-und Schauspiele nach ihrer schönen Moral; hat kein Arges daraus,
-öffentlich zu bekennen, dass man eine Iphigenie, oder eine Epistel in
-derselben Stimmung, unpoetisch finde; und würde muthmaasslich den Homer
-einen schaalen Reimer nennen, wenn man ihm nicht um seines reinen
-Griechischen willen verziehe.
-
-Aber gerade der angeführte Umstand, dass wir mit der Erfahrung unser
-Leben anfangen müssen, eröffnet uns, wie oben gesagt worden, den einzig
-möglichen Uebergang zum geistigen Leben. Sowie jene dringende Noth
-gehoben ist, und nichts mehr uns treibt, den möglichen Geisteserwerb
-gierig zusammenzuraffen, um ihn sogleich wieder für den nothwendigen
-Gebrauch ausgeben zu können, erwacht der Trieb nach Erkenntniss um der
-Erkenntniss willen. Wir fangen an, unser geistiges Auge auf den
-Gegenständen hingleiten zu lassen, und erlauben ihm dabei zu verweilen;
-wir betrachten sie von mehreren Seiten, ohne gerade auf einen möglichen
-Gebrauch derselben zu rechnen; wir wagen die Gefahr einer zweifelhaften
-Voraussetzung, um in Ruhe den richtigen Aufschluss abzuwarten. Es
-bemächtigt sich unser der einzige Geiz, der edel ist, Geistesschätze zu
-sammeln, bloss um sie zu haben, und uns an ihrem Anblicke zu ergötzen,
-gesetzt auch, wir bedürften ihrer nicht zum Leben, oder sie wären nicht
-mit dem Stempel ausgeprägt, welcher allein Cours hat; wir wagen es, bei
-unserem Reichthume gleichgültiger gegen den möglichen Verlust, etwas
-anzulegen an Versuche, die uns mislingen können. Wir haben den ersten
-Schritt gethan, uns von der Thierheit in uns zu trennen. Es entsteht
-Liberalität der Gesinnungen, -- die erste Stufe der Humanität.
-
-Unter dieser ruhigen und absichtslosen Betrachtung der Gegenstände,
-indess unser Geist sicher ist und nicht über sich wacht, entwickelt sich
-ohne alles unser Zuthun unser ästhetischer Sinn an dem Leitfaden der
-Wirklichkeit. Aber nachdem der Pfad beider eine Strecke weit
-zusammengegangen ist, reisst sich am Scheidewege wohl auch der erstere
-los, und geht seinen Gang unabhängig und ungeleitet von der
-Wirklichkeit. So ruhte oft Ihr Auge auf der Gegend an der Abendseite
-Ihrer ländlichen Wohnung. Wenn Sie dieselbe, nicht um zu sehen, wie Sie
-den nächtlichen Anfällen des Raubgesindels entfliehen könnten, sondern
-ohne alle Absicht betrachteten, erkannten Sie nicht bloss die grüne
-Saat, und hinter ihr die mancherlei Kleearten, und hinter diesen das
-hohe Korn, und fassten in das Gedächtniss, was da wäre; sondern Ihre
-Betrachtung verweilte mit Vergnügen auf dem frischen Grün des ersteren,
-und verbreitete sich über die mannigfaltigen Blüthen des zweiten, und
-gleitete sanft über die kräuselnden Wellen des dritten die Anhöhe hinan.
-Es sollte, sagten Sie dann, dort auf der Höhe ein Dörfchen unter Bäumen
-oder ein Hain liegen. Sie begehrten nicht in dem ersteren eine Wohnung
-zu haben, oder in dem Schatten des letzteren zu wandern; und es würde
-Ihnen gerade so viel gewesen seyn, wenn man, ohne dass Sie es eben
-wüssten, durch ein optisches Kunststück Ihnen nur den Anschein dessen
-hervorgebracht hätte, was Sie wünschten. Woher kam das? Ihr ästhetischer
-Sinn war unter dem Anblicke der ersteren Gegenstände, indem ihn
-dieselben unvermuthet befriedigten, schon geweckt worden; aber es
-beleidigte ihn, dass diese Aussicht sich so plötzlich abreissen, und Ihr
-Auge hinter der Anhöhe in den leeren Raum versinken sollte. Nach seiner
-Forderung hätte sich die Ansicht in ein passendes Ende schliessen
-sollen, um das angefangene schöne Ganze zu vollenden und abzurunden: und
-Ihre bis jetzt an seiner Hand geleitete Einbildungskraft war vermögend,
-diese Forderung desselben aufzufassen.
-
-Sehen Sie in diesem Beispiele eine kurze Geschichte der Entwickelung
-unseres ganzen ästhetischen Vermögens. Während der ruhigen Betrachtung,
-die nicht mehr auf die Erkenntniss dessen, was längst erkannt ist,
-absieht, sondern die gleichsam noch einmal zum Ueberflusse an den
-Gegenstand geht, -- entwickelt, unter der Ruhe der Wissbegierde und des
-befriedigten Erkenntnisstriebes, in der unbeschäftigten Seele sich der
-ästhetische Sinn. Der eine Gegenstand hat unsere Billigung ohne alles
-Interesse, d. i. wir urtheilen alle, dass er so recht, und einer
-gewissen Regel, der wir nicht weiter nachspüren, gemäss sey, ohne dass
-wir darum gerade einen grösseren Werth auf ihn legen; ein anderer erhält
-diese Billigung nicht, ohne dass wir gerade viel Mühe anwenden würden,
-um ihn anders zu machen. Es scheint uns lediglich darum zu thun, zu
-zeigen, dass wir einen gewissen Sinn gleichfalls besitzen, und dass wir
-einer gewissen Kenntniss mächtig sind, die nichts weiter ist, denn
-Kenntniss, und die zu nichts führen und zu nichts gebraucht werden soll.
-
-Dieses Vermögen heisst Geschmack; auch die Fertigkeit, richtig
-und gemeingültig in dieser Rücksicht zu urtheilen, wird
-vorzugsweise Geschmack genannt: und das Gegentheil desselben heisst
-Geschmacklosigkeit.
-
-Von dieser noch an dem Faden der Wirklichkeit fortlaufenden Betrachtung,
-wo es uns schon nicht mehr um die wirkliche Beschaffenheit der Dinge,
-sondern um ihre Uebereinstimmung mit unserem Geiste zu thun ist, erhebt
-sich denn bald die dadurch zur Freiheit erzogene Einbildungskraft zur
-völligen Freiheit; einmal im Gebiete des ästhetischen Triebes angelangt,
-bleibt sie in demselben, auch da, wo er von der Natur abweicht, und
-stellt Gestalten dar, wie sie gar nicht sind, aber nach der Forderung
-jenes Triebes seyn sollten: und dieses freie Schöpfungsvermögen heisst
-Geist. Der Geschmack beurtheilt das Gegebene, der Geist erschafft. Der
-Geschmack ist die Ergänzung der Liberalität, der Geist die des
-Geschmackes. Man kann Geschmack haben ohne Geist, nicht aber Geist ohne
-Geschmack. Durch den Geist wird die an sich in die Grenzen der Natur
-eingeschlossene Sphäre des Geschmacks erweitert; seine Producte
-erschaffen ihm durch Kunst neue Gegenstände, und entwickeln ihn weiter,
-ohne ihn darum allemal zu sich emporzuheben. Seinen Geschmack bilden
-kann jeder; ob aber jeder sich zur Geistigkeit erheben könne, ist
-zweifelhaft.
-
-Das unendliche, unbeschränkte Ziel unseres Triebes heisst Idee, und
-inwiefern ein Theil desselben in einem sinnlichen Bilde dargestellt
-wird, heisst dasselbe ein Ideal. Der Geist ist demnach ein Vermögen der
-Ideale.
-
-Der Geist lässt die Grenzen der Wirklichkeit hinter sich zurück, und in
-seiner eigenthümlichen Sphäre giebt es keine Grenzen. Der Trieb, dem er
-überlassen ist, geht ins Unendliche; durch ihn wird er fortgeführt von
-Aussicht zu Aussicht, und wie er das Ziel erreicht hat, das er im
-Gesichte hatte, eröffnen sich ihm neue Felder. Im reinen ungetrübten
-Aether seines Geburtslandes giebt es keine anderen Schwingungen, als die
-er selbst durch seinen Fittig erregt.
-
-
- Dritter Brief.[46]
-
-Nur der Sinn für das Aesthetische ist es, der in unserem Innern uns den
-ersten festen Standpunct giebt; das Genie kehrt darin ein, und deckt
-durch die Kunst, die dasselbe begleitet, auch uns anderen die
-verborgenen Tiefen desselben auf. Derselbe Sinn ist es auch, der
-zugleich dem wohlerkannten und gebildeten Innern den lebendigen Ausdruck
-giebt.
-
-Der Geist geht auf die Entwickelung eines Innern in dem Menschen, des
-Triebes, und zwar eines Triebes, der ihn als Intelligenz über die ganze
-Sinnenwelt erhebt, und von dem Einflusse derselben losreisst. Aber die
-Sinnenwelt allein ist mannigfaltig, und nur inwiefern wir durch einen
-uns schlechterdings unsichtbaren Berührungspunct mit derselben
-zusammenhangen und ihren Einwirkungen offen stehen, sind wir als
-Individuen verschieden; der Geist ist Einer, und was durch das Wesen der
-Vernunft gesetzt ist, ist in allen vernünftigen Individuen dasselbe. Dem
-einen mag diese Speise besser schmecken, dem anderen eine andere; der
-eine mag diese, der andere jene Farbe vorzüglich lieben. Aber die
-Wirkungen der Geistesproducte sind für alle Menschen, in allen
-Zeitaltern, und unter allen Himmelsstrichen gemeingültig, wenn auch
-nicht immer gemeingeltend. Für alle liegt auf der Stufenleiter ihrer
-Geistesbildung ein Punct, auf welchen dieses Werk den beabsichtigten
-Eindruck machen würde, und nothwendig machen müsste; wenn sie auch etwa
-bis jetzt diesen Punct noch nicht erstiegen hätten, oder ihn, wegen der
-niedrigen Stufe, auf der sie anheben, bei der Kürze des menschlichen
-Lebens, diesseits des Grabes gar nicht ersteigen könnten. Was der
-Begeisterte in seinem Busen findet, liegt in jeder menschlichen Brust,
-und sein Sinn ist der Gemeinsinn des gesammten Geschlechts.
-
-Theils um diesen Sinn an anderen zu versuchen, theils um ihnen
-mitzutheilen, was für ihn selbst so anziehend ist, kleidet das Genie die
-Gestalten, die sich seinem geistigen Auge unverhüllt zeigten, in festere
-Körper, und stellt sie so auf vor seinen Zeitgenossen.
-
-Um seinen Sinn zu ^versuchen^ zuvörderst: nicht, als ob er der
-Beistimmung der Menge bedürfte, um in der Stunde der Begeisterung zu
-glauben, was sich ihm durch ein unwiderstehliches Gefühl, -- so
-unwiderstehlich als das seines Daseyns, -- offenbart; sondern um auf die
-Stunde der Erkältung und des Zweifels sich seines Glaubens im voraus zu
-versichern. Mein Werk ist aus der Fülle der menschlichen Natur
-geschöpft, darum muss und soll es Allen gefallen, die derselben
-theilhaftig sind, und wird unsterblich seyn wie sie: so schliesst er;
-der geistlose Schreiber, der nicht die leiseste Ahnung seines hohen
-Berufes hat, kehrt es um, und folgert: mein Product wird von der Menge
-gelesen, es bereichert die Buchhändler, und die Recensenten wetteifern,
-dasselbe zu lobpreisen, darum ist es vortrefflich: aber dennoch wird der
-Glaube des ersteren an sich selbst den Beifall gebildeter Menschen, als
-eine Zugabe, nicht verschmähen. So ist der Gläubige sicher, dass das
-Auge der Fürsehung über ihm walte, und dass jenseits des Grabes ein
-besseres Leben seiner warte; und in gewissen Stimmungen würde der
-Widerspruch des gesammten Reichs der vernünftigen Wesen ihn nicht um
-eines Haares Breite bewegen: denn sein Glaube kömmt ihm nicht von
-aussen, sondern er hat ihn in seinem eigenen Herzen gefunden. Dennoch
-fragt und forscht er sorgsam, ob andere dasselbe glauben, in dunklem
-Vorgefühle banger Stunden, wo er einer sonst so gering geschätzten
-Stütze, als die Beistimmung anderer ist, doch bedürfen könnte. So wird
-das wahre Genie durch die kaltsinnige Aufnahme seiner Meisterwerke oder
-durch den lautesten Tadel derselben nie aus seiner Fassung gebracht: er
-ist seiner Sache sicher und gewiss des Geistes, der ohne sein Verdienst
-in ihm wohnt; aber er will aus Achtung für denselben ihn auch von
-anderen anerkannt und geehrt wissen. -- Es verhält sich so mit allem,
-was wir bloss zufolge unseres Gefühls annehmen und nur glauben können.
-Wenn alle Anwesende einstimmig versichern, dass ein Gegenstand, den wir
-zu erblicken glauben, nicht vorhanden sey, so werden wir, wenn wir nur
-ein wenig mit den Täuschungen unserer Sinne und unserer Einbildungskraft
-bekannt sind, leicht irre, und fangen an, den Grund der Erscheinung in
-uns selbst zu suchen. An unser inneres Gefühl glauben wir schon weit
-fester; doch sehen wir auch dieses gern durch das Gefühl anderer
-unterstützt.
-
-Um seine Stimmung ^mitzutheilen^. Es ist, wie Sie selbst angemerkt
-haben, in allen Menschen der Trieb, andere um sich herum sich selbst so
-ähnlich zu machen, als möglich, und sich selbst in ihnen, so vollkommen
-als es gehen will, zu wiederholen; und dies um desto mehr, je mehr wir
-zu diesem Wunsche durch eigene höhere Bildung berechtigt sind. Nur der
-ungerechte Egoist will der einzige seiner Art seyn, und kann seines
-Gleichen ausser sich nicht dulden; aber der edle Mensch möchte, dass
-alle ihm glichen, und thut, so viel an ihm ist, um es dahin zu bringen.
-So der begeisterte Liebling der Natur. Er möchte, dass aus allen Seelen
-sein eigenes liebliches Bild ihm zurückstrahlte. Drum drückt er die
-Stimmung seines Geistes ein in eine körperliche Gestalt. Was in der
-Seele des Künstlers vorgeht, die mannigfaltigen Biegungen und
-Schwingungen seines inneren Lebens und seiner selbstthätigen Kraft sind
-nicht zu beschreiben; keine Sprache hat Worte dafür gefunden, und wenn
-sie gefunden wären, so würde die gedrungene Fülle des Lebens in der
-allmähligen, und zu einem einfachen Faden ausgedehnten Beschreibung
-verhauchen. Leben wird nur in lebendigem Handeln dargestellt; und sowie
-alle gesetzmässige Thätigkeit des menschlichen Geistes, so muss auch
-diese freie Geschäftigkeit desselben einen Gegenstand bekommen, den sie
-bearbeite, und in welchem durch die Weise ihres Verfahrens sie ihre
-innere Natur verrathe. So besteht das Wesen, das Grundprincip des ^Tons^
-in den harmonischen Bebungen und Schwingungen der Saite, die im
-luftleeren Raume nicht minder einander hervorbringen und bestimmen, ihre
-innere Wirksamkeit erfüllen, und für die Saite selbst den Ton bilden
-würden; aber nur in der umgebenden Luft bekommen dieselben einen
-äusseren Wirkungskreis, drücken sich selbst in sie ein, und pflanzen
-sich fort bis zum Ohre des entzückten Hörers, und lediglich aus jener
-Vermählung wird der Ton geboren, der in unserer Seele wiederhallt. So
-drückt der begeisterte Künstler die Stimmung seines Gemüthes aus in
-einem beweglichen Körper, und die Bewegung, der Gang, der Fortfluss
-seiner Gestalten ist der Ausdruck der inneren Schwingungen seiner Seele.
-Diese Bewegung soll in uns die gleiche Stimmung hervorbringen, welche in
-ihm war; er lieh der todten Masse seine Seele, dass diese sie auf uns
-übertragen möchte; unser Geist ist das letzte Ziel seiner Kunst, und
-jene Gestalten sind die Vermittler zwischen ihm und uns, wie die Luft es
-ist zwischen unserem Ohre und der Saite.
-
-Diese innere Stimmung des Künstlers ist der Geist seines Products; und
-die zufälligen Gestalten, in denen er sie ausdrückt, sind der Körper
-oder der Buchstabe desselben.
-
-Hier ist es, wo das Bedürfniss der mechanischen Kunst eintritt.
-
-Wer die Dinge einer gewissen Stimmung gemäss bearbeiten will, der muss
-es überhaupt verstehen, sie zu bearbeiten, und sie mit Leichtigkeit zu
-bearbeiten, so dass kein Widerstand sichtbar sey, und dass die todte
-Masse unter seinen Händen von selbst Bildung und Organisation angenommen
-zu haben scheine. Sobald die Materie widerstrebt, und es der Anstrengung
-bedarf, sie zu besiegen, ist die ästhetische Stimmung abgebrochen, und
-es bleibt uns anderen nichts übrig, als der Anblick des Arbeiters, der
-seinen Zweck zu erreichen strebt; ein nicht unwürdiger Anblick, den wir
-aber nur hier nicht haben wollten. Man hat diese Leichtigkeit der
-mechanischen Kunst sehr oft mit dem Geiste selbst verwechselt; und sie
-ist allerdings die ausschliessende Bedingung seiner Aeusserung, und
-jeder, der an das Werk geht, muss sie schon erworben haben; aber sie ist
-nicht der Geist selbst. Durch sie allein wird nichts hervorgebracht, als
-ein leeres Geklimper, -- ein Spiel, das auch nichts weiter ist, denn
-Spiel, -- das nicht zu Ideen erhebt, und höchstens einen Muthwillen und
-eine verschwendete Kraft ausdrückt, der man in der Stille eine bessere
-Anwendung wünscht. Zwar wird der leichteste und muthwilligste
-Pinselstrich des wahren Genies einen Anstrich von den Ideen haben; aber
-der blosse Mechaniker wird durch seine höchste Kunst nie etwas anderes
-hervorbringen, als ein mechanisches Werk, über dessen Bau man höchstens
-sich wundern wird.
-
-So ist in den letzten Meisterwerken des begünstigten Lieblings der Natur
-unter unserer Nation, -- im Tasso, in der Iphigenie, und in den
-leichtesten Pinselstrichen desselben Künstlers seitdem, -- es ist in
-ihnen, sage ich, nicht die so einfache Erzählung, nicht die ohne allen
-Schwulst so sanft hingleitende Sprache, durch welche der gebildete Leser
-so mächtig angezogen wird. Es ist nicht der Buchstabe, sondern der
-Geist. Mit der gleichen Einfachheit der Fabel, der gleichen
-Leichtigkeit, dem gleichen Adel der Sprache ist es möglich, ein sehr
-schaales, sehr schmackloses, sehr unkräftiges Werk zu verfertigen. Die
-Stimmung ist es, welche in diesen Werken herrscht: diese edelste Blüthe
-der Humanität, welche durch die Natur nur einmal unter dem griechischen
-Himmel hervorgetrieben und durch eins ihrer Wunder im Norden wiederholt
-wurde. Es schmiegt sich an unsere Seele das lebendige Bild jener
-geendigten Cultur, die den Angriffen des Schicksals nicht mehr mit
-gewaltsamen Anstrengungen und Renkungen entgegengeht, und die eher
-alles, als die reine Ebenheit ihres Charakters und die leichte Grazie in
-den Bewegungen ihres Gemüths, verliert: jenes Beruhens in sich selbst
-und auf sich selbst, das es nicht mehr bedarf, durch Anstrengung seine
-Kraft aufzuregen und gegen den Widerstand anzustemmen, sondern das auf
-seiner eigenen natürlichen Last sicher steht; jener Unbefangenheit des
-Geistes, welche die Dinge, auch bei ihrem gewaltsamsten Andringen auf
-uns, dennoch keiner anderen Schätzung würdigt, als der, die ihnen
-gebührt, dass sie Gegenstände unserer Betrachtung sind, und welche auch
-dann noch den gefälligen Formen derselben ein ästhetisches Vergnügen,
-den Verzerrungen derselben ein leichtes Lächeln, wie Grazien lächeln,
-abzugewinnen vermag; jener Vollendung der Menschheit, die sich von der
-Sinnenwelt nicht losgerissen, sondern abgelöst fühlt, und die mit
-gleicher Leichtigkeit derselben ohne Misvergnügen entbehren, oder ihrer
-mit Freude auf ihre Weise geniessen kann. Wir finden uns mit Vergnügen
-in eine Welt versetzt, in der allein eine solche Stimmung möglich ist,
-unter eine Gesellschaft, deren Mitglieder alle gerecht und wohlwollend
-sind, und deren Trennungen nicht durch bösen Willen verursacht, sondern
-selbst nur Stürme des widrigen Schicksals sind; -- (denn
-Ungerechtigkeiten freier Wesen können uns nie gleichgültig seyn, und
-werden immer ernste Misbilligung, keinesweges aber das leichte Lächeln
-erregen, wie die Verstösse der vernunftlosen Natur). Wir entdecken mit
-befriedigter Selbstliebe unter dem Einflusse des Künstlers eine Fassung
-in uns, die wir im Laufe des Lebens gewöhnlich nicht behalten; wir
-fühlen uns höher gehoben und veredelt, und innige Liebe ist der Lohn des
-Dichters, der uns so sanft schmeichelt, um uns zu bessern.
-
-Jeder hat den feinsten Sinn für diejenige Art der Ausbildung, der er
-zunächst bedürfte, und mag in der Stunde der Täuschung am liebsten das
-an sich finden, wovon eine leise Ahnung ihm sagt, dass es auf der
-nächsten Stufe der Cultur liege, die er zu ersteigen hat. Ein
-beträchtlicher Theil unseres Publicums ist noch nicht so weit, dass ihm
-nichts mehr, als die Grazie in seinen Bewegungen, die Leichtigkeit und
-Ungezwungenheit in seiner Kraftäusserung abgehe. Vielen fehlt es an der
-Kraft selbst. Für diese sind Darstellungen, wie die, von welchen wir
-redeten, unschmackhaft; sie verwechseln die durch die Fülle der Kraft
-gehaltene Kraft, die sie nicht kennen, mit der Kraftlosigkeit, die sie
-nur zu wohl kennen. Diese mögen im Bilde lieber die rohe, aber
-kraftvolle Sitte unserer Urahnen sich angetäuscht sehen -- eine Art, die
-so vorzüglich ist, als jede andere, wenn sie mit Geist behandelt wird --
-oder vergnügen sich wohl auch an den wunderlichen Renkungen in unsern
-gewöhnlichen Ritterromanen, und an hochtönenden und vermessenen Reden.
-
-Dem Dichter, von dem ich rede, war es gegeben, zwei verschiedene Epochen
-der menschlichen Cultur mit allen ihren Abstufungen auszumessen. Er nahm
-sein Zeitalter bei der letzteren Stufe auf, um es bei der ersteren
-niederzusetzen. Aber sein Genius überflog, wie es seyn musste, den
-langsamen Gang desselben. Er bildete, wie jeder wahre Künstler soll,
-sein Publicum selbst, arbeitete für die Nachwelt, und wenn unser
-Geschlecht höher steigt, so ist es nicht ohne sein Zuthun.
-
-Jene beiden Zustände, der der ersten ursprünglichen Begeisterung, und
-der der Darstellung derselben in körperlicher Hülle, sind in der Seele
-des Künstlers nicht immer verschieden, obwohl sie durch den genauen
-Forscher sorgfältig unterschieden werden müssen. Es giebt Künstler, die
-ihre Begeisterung auffassen und festhalten, unter den Materialien um
-sich herumsuchen, und das geschickteste für den Ausdruck wählen; die
-unter der Arbeit sorgfältig über sich wachen; die zuerst den Geist
-fassen, und dann den Erdkloss suchen, dem sie die lebendige Seele
-einhauchen. Es giebt andere, in denen der Geist zugleich mit der
-körperlichen Hülle geboren wird, und aus deren Seele zugleich das ganze
-volle Leben sich losreisst. Die ersteren erzeugen die gebildetsten,
-berechnetsten Producte, deren Theile alle das feinste Ebenmaass unter
-sich und zum Ganzen halten: aber das feinere Auge kann in der
-Zusammenfügung des Geistes und des Körpers hier und da die Hand des
-Künstlers bemerken. In den Werken der letzteren sind Geist und Körper,
-wie in der Werkstätte der Natur, innigst zusammengeflossen, und das
-volle Leben geht bis in die äussersten Theile; aber wie an den Werken
-der Natur entdeckt man hier und da kleine Auswüchse, deren Absicht man
-nicht angeben kann, die man aber nicht wegnehmen könnte, ohne dem Ganzen
-zu schaden. Von beiden Arten hat unsere Nation Meister.
-
-Gewisse höhere Stimmungen sind, wie soeben gesagt worden, nicht für
-gemeine Augen, und lassen sich denselben nicht mittheilen; bei anderen,
-die mittheilbar sind, ist wenigstens unsichtbar, woher es komme, dass
-das Werk zu ihnen erhebe; und nicht sehr feine Beobachter sind daher
-versucht, der Gestalt und dem Baue des Körpers die bewegende Kraft
-zuzuschreiben, die nur der Geist hat. Die Verhältnisse dieses Körpers
-und die Regeln, nach denen er gebildet ist, sind zu berechnen, zu lernen
-und durch Kunst auszuüben, da, wie oben zugestanden worden, der Körper
-des geistreichsten Werkes selbst nur durch Kunst hervorgebracht ist. Es
-giebt mancherlei Ursachen, die den geistlosesten Menschen bewegen
-können, auf diese Weise den mechanischen Theil eines geistvollen
-Products nachzubilden; und da auch dieser sein Gutes hat, verlieren
-manche Zuschauer nichts dabei. Solche Arbeiter sind Buchstäbler.
-Derjenige, der ohne Geist selbst der mechanischen Kunst nicht mächtig
-ist, heisst ein Stümper. -- Stelle Pygmalion seine beseelte Bildsäule
-hin vor die Augen des jauchzenden Volkes; er soll ihr, -- da nichts uns
-verhindert, die Fabel zu ergänzen, -- mit dem Leben zugleich den
-geheimen Vorzug ertheilt haben, nur von geistvollen Augen als lebend
-erblickt zu werden, für gemeine und stumpfe aber kalt und todt zu
-bleiben. Kostet es nicht mehr, um berühmt zu werden? denkt, -- indess
-das ganze Volk dem Künstler huldigt, ein Mann, der seinen Meissel auch
-zu führen versteht, misst mit Cirkel und Lineal genau die Verhältnisse
-der Bildsäule, geht hin, fertigt sein Werk, stellt es neben das Werk des
-Künstlers, und es sind viele, die keinen Unterschied zwischen beiden
-finden können.
-
-Die Regeln der Kunst, die sich in den Lehrbüchern finden, beziehen sich
-meist auf das Mechanische der Kunst. Sie müssen im Geiste gedeutet
-werden, und nicht nach dem Buchstaben. So lehren sie uns, wie wir die
-Fabel erfinden, mittheilen, allmählig entwickeln sollen, und es thut dem
-Künstler allerdings noth, dies zu verstehen. Versteht er aber auch
-nichts weiter, als die Beobachtung dieser Regeln, so hat er am Ende eine
-gute Fabel, die die Neugier reizt, unterhält, befriedigt; aber wir
-forderten noch etwas mehr von ihm. Die Einheit der geistigen Stimmung,
-die in seinem Werke herrscht, und die dem Gemüthe des Lesers mitgetheilt
-werden soll, ist die Seele des Werkes; ist diese Stimmung angedeutet,
-entwickelt, durchaus gehalten und siegend, dann ist das Werk vollendet,
-ob die äussere Begebenheit für die leere Neugier geschlossen sey, oder
-nicht; der Triumph dieser Stimmung über die mannigfaltigen Störungen
-derselben ist die wahre Entwickelung, obschon der gedankenlose Leser,
-der ein Mährchen hören wollte, frage, wie es nun weiter geworden sey.
-
-Sie rathen uns, zu täuschen; durch die Erzählung, meint der Buchstäbler,
-bietet er alle seine Künste auf, um uns sein Mährchen für eine wirkliche
-Begebenheit aufzubinden, und wenn alles mislingt, versichert er uns auf
-sein Ehrenwort, dass er eine wahre Geschichte erzähle. Nun wohl, so
-erzähle er, bis alle Gaffer sich wundern; aber er glaube nicht ein
-Kunstwerk geliefert zu haben. Unsere Erhebung zu einer ganz anderen, uns
-fremden Stimmung, in welcher wir unsere Individualität vergessen: -- das
-ist die wahre Täuschung, und für diesen Endzweck reicht diejenige
-Wahrheit der Geschichte, die er allein als Wahrheit kennt, nicht hin. In
-dieser handeln Erdenmenschen, wie wir unter den gleichen Umständen
-ungefähr auch handeln würden.
-
-Sie halten über reine Moral; und so thue denn wer kann und will das gute
-Werk, uns wichtige moralische Lehren durch Erzählungen anschaulich und
-eindringend zu machen. Er will uns dahin bringen, dass wir durch eigenen
-freien Entschluss das Bessere wählen; er ist unseres Dankes werth, und
-seine Bemühungen sind nicht allemal an uns verloren. Nur wisse er, was
-er ist, und stelle sich nicht in eine ihm fremde Klasse. Der begeisterte
-Künstler wendet sich gar nicht an unsere Freiheit, er rechnet auf
-dieselbe so wenig, dass vielmehr sein Zauber erst anfängt, nachdem wir
-sie aufgegeben haben. Er hebt durch seine Kunst uns ohne alles unser
-Zuthun auf Augenblicke in eine höhere Sphäre. Wir werden um nichts
-besser; aber die unangebauten Felder unseres Gemüths werden doch
-geöffnet, und wenn wir einst aus anderen Gründen uns mit Freiheit
-entschliessen, sie in Besitz zu nehmen, so finden wir die Hälfte des
-Widerstandes gehoben, die Hälfte der Arbeit gethan.[33]
-
-[Fußnote 33: Die Fortsetzung ist nicht erschienen.]
-
-
-
-
- D.
- Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache.
-
-
- (Philos. Journal Bd. I. S. 255-273, S. 287-326. 1795.)
-
-In einer Untersuchung über den Ursprung der Sprache darf man sich nicht
-mit Hypothesen, nicht mit willkürlicher Aufstellung besonderer Umstände,
-unter welchen etwa eine Sprache entstehen ^konnte^, behelfen; denn da
-der Fälle, welche den Menschen bei Erfindung und Ausbildung der Sprache
-leiten konnten, so mancherlei sind, dass sie keine Forschung ganz
-erschöpfen kann: so würden wir auf diesem Wege ebensoviel halbwahre
-Erklärungen des Problems erhalten, als Untersuchungen darüber angestellt
-würden. Man darf sich daher nicht damit begnügen, zu zeigen, dass und
-wie etwa eine Sprache erfunden werden ^konnte^: man muss aus der Natur
-der menschlichen Vernunft die Nothwendigkeit dieser Erfindung ableiten;
-man muss darthun, dass und wie die Sprache erfunden werden ^musste^.
-
-Man hüte sich insbesondere bei dieser Untersuchung, so wie bei jeder
-anderen, das Resultat, das man etwa zu finden hofft, schon zum voraus im
-Auge zu haben. Man denke sich in den Gesichtspunct der Menschen hinein,
-welche noch überhaupt keine Sprache hatten, sondern sie erst erfinden
-sollten; welche noch nicht wussten, wie die Sprache gebaut seyn müsse,
-sondern die Regeln darüber erst aus sich selbst schöpfen mussten. Jedem,
-der dem Ursprunge der Sprache nachforscht, muss die Sprache so gut als
-nicht erfunden seyn: er muss sich denken, dass er sie erst durch seine
-Untersuchung erfinden soll.
-
-Ferner hat man bei allen Untersuchungen über Entstehung der Sprache es
-auch darin versehen, dass man zuviel auf willkürliche Verabredung baute;
-dass man z. B. meinte: da ich ein Buch ^liber^, [Griechisch: biblion],
-book u. s. w. nennen kann, so müssen die Nationen einig geworden seyn,
-die eine, dieser bestimmte Gegenstand solle ^Buch^ -- die andere, er
-solle ^liber^, u. s. w. heissen. Aber auf eine solche Uebereinkunft
-dürfen wir wenig rechnen, da sie sich nur mit der grössten
-Unwahrscheinlichkeit denken lässt, und wir müssen daher selbst den
-Gebrauch der willkürlichen Zeichen aus den wesentlichen Anlagen der
-menschlichen Natur ableiten.
-
-^Sprache^, im weitesten Sinne des Wortes, ist der ^Ausdruck unserer
-Gedanken durch willkürliche Zeichen^.
-
-Durch ^Zeichen^, sage ich, also nicht durch Handlungen. -- Allerdings
-offenbaren sich unsere Gedanken auch durch die Folgen, welche sie in der
-Sinnenwelt haben: ich denke und handle nach den Resultaten dieses
-Denkens. Ein vernünftiges Wesen kann aus diesen meinen Handlungen auf
-das, was ich gedacht habe, schliessen. Dies heisst aber nicht ^Sprache^.
-Bei allem, was ^Sprache^ heissen soll, wird schlechterdings nichts
-weiter beabsichtigt, als die Bezeichnung des Gedankens; und die Sprache
-hat ausser dieser Bezeichnung ganz und gar keinen Zweck. Bei einer
-Handlung hingegen ist der Ausdruck des Gedankens nur zufällig, ist
-durchaus nicht Zweck. Ich handle nicht, um anderen meine Gedanken zu
-eröffnen; ich esse z. B. nicht, um anderen anzudeuten, dass ich Hunger
-fühle. Jede Handlung ist selbst Zweck: ich handle, weil ich handeln
-will.
-
-Ich habe mich bei der Erklärung der Sprache des Ausdruckes:
-»^willkürliche Zeichen^« bedient. Darunter verstehe ich hier solche
-Zeichen, welche ausdrücklich dazu bestimmt sind, diesen oder jenen
-Begriff anzudeuten. Ob dieselben mit dem Bezeichneten natürliche
-Aehnlichkeit haben, oder nicht, das ist hier völlig gleichgültig. Ich
-mag zu dem anderen das Wort ^Fisch^ sagen -- ein Zeichen, das mit dem
-Gegenstande, welchen es ausdrücken soll, gar keine Aehnlichkeit hat --
-oder ich mag ihm einen Fisch vorzeichnen; ein Zeichen, das mit dem
-Bezeichneten allerdings Aehnlichkeit hat -- in beiden Fällen habe ich
-keinen Zweck, als den, die Vorstellung eines bestimmten Gegenstandes bei
-dem anderen zu veranlassen; -- folglich kommen beide Zeichen darin
-überein, dass sie ^willkürlich^ sind.
-
-^Sprachfähigkeit^ ist das Vermögen, seine Gedanken willkürlich zu
-bezeichnen. Ich drücke mich absichtlich so allgemein aus, damit man
-nicht gleich an eine ^Sprache für das Gehör^ denke. Von der ^Ursprache^
-lässt sich gar nicht behaupten, dass sie bloss aus Tönen bestanden habe,
-bloss Gehörsprache gewesen sey. Diese letztere kann erst weit später
-entstanden seyn, und lässt sich nur unter Voraussetzung der Ursprache
-und auf eine weit verwickeltere Art deduciren.
-
-Die Frage, die sich uns zunächst darbietet, ist folgende: ^Wie ist der
-Mensch auf die Idee gekommen, seine Gedanken durch willkürliche Zeichen
-anzudeuten?^ Diese enthält unter sich folgende zwei: 1) Was brachte den
-Menschen überhaupt auf den Gedanken, eine Sprache zu erfinden? 2) In
-welchen Naturgesetzen liegt der Grund, dass diese Idee gerade ^so^ und
-nicht anders ausgeführt wurde? Lassen sich Gesetze auffinden, welche den
-Menschen bei der Ausführung leiteten?
-
-Ich mache mich deutlicher. Die Sprache ist das Vermögen, seine Gedanken
-^willkürlich^ zu bezeichnen. Sie setzt demnach eine Willkür voraus.
-Unwillkürliche Erfindung, unwillkürlicher Gebrauch der Sprache enthält
-einen inneren Widerspruch. Man hat sich zwar auf unwillkürliche Töne
-beim Ausbruche der Freude, des Schmerzes u. s. w. berufen, und daraus
-gar manches über Erfindung und Gesetze der Sprache ableiten wollen; aber
-beides ist völlig verschieden. Unwillkürlicher Ausbruch der Empfindung
-ist nicht ^Sprache^.
-
-Um die Willkür zur Erfindung einer Sprache zu bestimmen, wurde eine Idee
-derselben vorausgesetzt. Daher die Frage: wie entwickelte sich in den
-Menschen die Idee, ihre Gedanken sich gegenseitig durch Zeichen
-mitzutheilen?
-
-Allein daraus, dass sie sich die Aufgabe aufstellten, eine Sprache zu
-erfinden, folgt noch nicht, dass ihnen überhaupt, und durch welche
-Mittel ihnen die Ausführung gelang. Daher die zweite schon angeführte
-Frage: giebt es in der menschlichen Natur Mittel, welche man nothwendig
-ergreifen musste, um die Idee einer Sprache zu realisiren? Kann man
-diesen Mitteln nachspüren, und wie mussten sie gebraucht werden, wenn
-durch sie der Zweck erreicht werden sollte? Fänden sich solche Mittel,
-so liesse sich wohl eine Geschichte der Sprache ^a priori^ entwerfen.
-Und sie finden sich allerdings.
-
-Zuvörderst: auf welchem Wege wurde die Idee von einer Sprache in dem
-Menschen entwickelt? -- Es ist im Wesen des Menschen gegründet, dass er
-sich die Naturkraft zu unterwerfen sucht. Die erste Aeusserung seiner
-Kraft ist gerichtet auf die Natur, um sie für seine Zwecke zu bilden.
-Selbst der roheste Mensch trifft irgend eine Vorkehrung für seine
-Bequemlichkeit und seine Sicherheit; er gräbt sich Höhlen, bedeckt sich
-mit Laub, und wenn er des Feuers etwa habhaft werden kann, zündet er
-Holz an, um sich so gegen den Frost zu schützen. Er wird von allen
-Seiten arbeiten, die feindselige Natur zu bezwingen, und wo er das nicht
-kann, wird er sie scheuen. So fürchtet der Mensch den Donner, weil er
-sich ausser Stande sieht, die Natur in dieser Aeusserung ihrer Kraft zu
-beherrschen. Sollten wir Mittel finden, dieselbe auch hier zu bezwingen,
-so würde sich jene Furcht bald verlieren. Der Mensch macht sich die
-Thiere dienstbar, oder flieht sie, wenn er das erstere nicht vermag. So
-war gewiss, ehe man die Kunst erfand, Pferde zu zähmen, dieses grosse
-starke Thier dem Menschen ein Gegenstand des Schreckens: jetzt, da er es
-sich unterworfen hat, fürchtet er es nicht mehr.
-
-In diesem Verhältnisse steht der Mensch mit der belebten und leblosen
-^Natur^: er geht darauf aus, sie nach seinen Zwecken zu modificiren;
-aber diese widerstrebt der Einwirkung, und nimmt oft genug sie gar nicht
-an. Daher sind wir mit der Natur in stetem Kampfe, sind bald Sieger,
-bald Besiegte, -- unterjochen oder fliehen.
-
-Wie verhält sich dagegen der Mensch ursprünglich gegen den ^Menschen
-selbst^? Sollte wohl zwischen ihnen im rohen Naturzustande dasselbe
-Verhältniss stattfinden, welches zwischen dem Menschen und der Natur
-ist? Sollten sie wohl darauf ausgehen, sich selbst untereinander zu
-unterjochen, oder, wenn sie sich dazu nicht Kraft genug zutrauen,
-einander gegenseitig fliehen?
-
-Wir wollen annehmen, es wäre so: so würden gewiss nicht zwei Menschen
-nebeneinander leben können; der Stärkere würde den Schwächeren
-bezwingen, wenn dieser nicht flöhe, sobald er jenen erblickte. Würden
-sie aber auf solche Art wohl jemals in Gesellschaft getreten, würde
-durch sie die Erde bevölkert worden seyn? Ihr Verhältniss würde ganz so
-gewesen seyn, wie es Hobbes im Naturstande schildert: Krieg aller gegen
-alle. Und doch finden wir, dass die Menschen sich miteinander vertragen,
-dass sie sich gegenseitig unterstützen, dass sie in gesellschaftlicher
-Verbindung miteinander stehen. Der Grund dieser Erscheinung muss wohl in
-dem Menschen selbst liegen: in dem ursprünglichen Wesen desselben muss
-sich ein Princip aufzeigen lassen, welches ihn bestimmt, sich gegen
-seinesgleichen anders zu betragen, als gegen die Natur.
-
-Ich weiss recht wohl, dass viele behaupten, die Menschen gingen von
-Natur darauf aus, einander zu unterjochen. Was auch immer gegen diese
-Behauptung sich einwenden lassen möge, so ist doch soviel gewiss: dass
-sich aus der Erfahrung mancherlei scheinbare Gründe für dieselbe
-auffinden lassen, und dass sie folglich der entgegengesetzten
-Behauptung, wiefern diese auch nur als Erfahrungssatz aufgestellt würde,
-in Rücksicht auf Gültigkeit gleichgesetzt werden könnte. Diese
-entgegengesetzte Behauptung muss also eben darum, damit ihre Gültigkeit
-entschieden sey, aus einem in der Natur des Menschen selbst liegenden
-Principe abgeleitet werden. Wir wollen dieses Princip aufsuchen.
-
-Der Mensch geht darauf aus, die rohe oder thierische Natur nach seinen
-Zwecken zu modificiren. Dieser Trieb muss untergeordnet seyn dem
-höchsten Principe im Menschen, dem: sey immer einig mit dir selbst; nach
-welchem Principe er in den allgemeinsten Aeusserungen seiner Kraft
-beständig forthandelt, auch ohne sich desselben bewusst zu seyn. Der
-Mensch sucht also -- nicht gerade aus einem deutlich gedachten, aber aus
-einem durch sein ganzes Wesen verwebten, und dasselbe ohne alles
-Hinzuthun seines freien Willens bestimmenden Princip -- die nicht
-vernünftige Natur sich deswegen zu unterwerfen, damit alles mit seiner
-Vernunft übereinstimme, weil nur unter dieser Bedingung er selbst mit
-sich selbst übereinstimmen kann. Denn da er ein vorstellendes Wesen ist,
-und in einer gewissen Rücksicht, die wir hier nicht zu bestimmen haben,
-die Dinge vorstellen muss, wie sie sind: so geräth er dadurch, dass die
-Dinge, die er vorstellt, mit seinem Triebe nicht übereinstimmen, in
-einen Widerspruch mit sich selbst. Daher der Trieb, die Dinge so zu
-bearbeiten, dass sie mit unseren Neigungen übereinstimmen, dass die
-Wirklichkeit dem Ideale entspreche. Der Mensch geht nothwendig darauf
-aus, alles, so gut er es weiss, ^vernunftmässig^ zu machen.
-
-Wenn er nun in diesen Versuchen auf einen Gegenstand stossen sollte, an
-welchem sich die gesuchte Vernunftmässigkeit ohne seine Mitwirkung schon
-äusserte, so wird er sich in Rücksicht auf diesen aller Bearbeitung wohl
-enthalten, da er dasjenige, was einzig und allein durch sie
-hervorgebracht werden soll, an dem entdeckten Gegenstande schon findet.
-Er hat etwas gefunden, was mit ihm übereinstimmt; würde es nicht
-ungereimt seyn, einen Gegenstand seinem Triebe entsprechend machen zu
-wollen, der schon, ohne sein Zuthun, demselben entspricht? Das Gefundene
-wird ihm ein Gegenstand des Wohlgefallens seyn: er wird sich freuen, ein
-mit ihm gleichgestimmtes Wesen -- einen ^Menschen^ angetroffen zu haben.
-
-Aber woran soll er diese Vernunftmässigkeit des gefundenen
-Gegenstandes erkennen? An nichts anderem, als woran er seine eigene
-Vernunftmässigkeit erkennt -- am ^Handeln nach Zwecken^. -- Die blosse
-Zweckmässigkeit des Handelns aber an sich allein würde zu einer solchen
-Beurtheilung noch nicht hinreichen; sondern es bedarf noch der Idee des
-Handelns nach veränderter Zweckmässigkeit, und zwar von einem Handeln,
-das verändert ist nach unserer eigenen Zweckmässigkeit. Gesetzt, der
-Naturmensch handle auf einen Gegenstand, der entweder nach gewissen
-Regeln aufwächst, Früchte trägt u. s. w., oder einen, der nach einem
-gewissen Instincte auf Nahrung ausgeht, schläft, erwacht u. s. w., und
-den er deshalb als nach Zwecken handelnd beurtheilt. Sobald ein solcher
-Gegenstand, auf den der Naturmensch seinen Zwecken gemäss gehandelt hat,
-seinen Gang fortgeht, ohne nach Maassgabe jener Einwirkung eine
-Veränderung in seinem Zwecke anzunehmen, so erkennt er ihn nicht für
-vernünftig. Als zweckmässig und freihandelnd werde ich nur das Wesen
-ansehen, das seinen Zweck, nachdem ich meinen Zweck auf dasselbe
-anwende, auch ändert. Z. B., ich brauche Gewalt auf ein Wesen, und es
-braucht sie auch, ich erzeige ihm eine Wohlthat, es erwiedert sie; so
-ist immer Veränderung des Zweckes nach dem Zwecke, den ich für dasselbe
-habe: mit anderen Worten, es ist eine ^Wechselwirkung^ zwischen mir und
-diesem Wesen. Nur ein Wesen, das, nachdem ich meinen Zweck auf dasselbe
-äusserte, den seinigen in Beziehung auf diese Aeusserung ändert, das z.
-B. Gewalt braucht, wenn ich gegen dasselbe Gewalt brauche, das mir
-wohlthut, wenn ich ihm wohlthue: nur ein solches Wesen kann ich als
-vernünftig erkennen. Denn ich kann aus der Wechselwirkung, welche
-zwischen ihm und mir eingetreten ist, schliessen, dass dasselbe eine
-Vorstellung von meiner Handlungsweise gefasst, sie seinem eigenen Zwecke
-angepasst habe, und nun nach dem Resultate dieser Vergleichung seinen
-Handlungen durch Freiheit eine andere Richtung gebe. Hier zeigt sich
-offenbar ein Wechsel zwischen Freiheit und Zweckmässigkeit, und an
-diesem Wechsel erkennen wir die Vernunft.
-
-Der Mensch geht also nothwendig darauf aus, Vernunftmässigkeit ausser
-sich zu finden; er hat einen Trieb dazu, der sich deutlich genug dadurch
-offenbart, dass der Mensch sogar geneigt ist, leblosen Dingen Leben und
-Vernunft zuzuschreiben. Beweise davon finden sich häufig genug in den
-Mythologien und den Religionsmeinungen aller Völker u. s. w. Wie wir
-gesehen haben, ist es der Trieb nach Uebereinstimmung mit sich selbst,
-welcher den Menschen anleitet, Vernunftmässigkeit ausser sich
-aufzusuchen.
-
-Eben dieser Trieb musste in dem Menschen, sobald er wirklich mit Wesen
-seiner Art in Wechselwirkung getreten war, den Wunsch erzeugen, seine
-Gedanken dem anderen, der sich mit ihm verbunden hatte, auf eine
-bestimmte Weise andeuten, und dagegen von demselben eine deutliche
-Mittheilung seiner Gedanken erhalten zu können. Denn ohne diese Auskunft
-musste es sich häufig ereignen, dass der eine die Handlung des anderen
-misverstand und auf eine Art erwiederte, die ganz gegen die Erwartung
-des Handelnden war; ein Fall, der den Menschen in offenbaren Widerspruch
-mit seinen Zwecken versetzte, und folglich geradezu gegen die
-Uebereinstimmung mit sich selbst stritt, welche er bei der Aufsuchung
-vernünftiger Wesen beabsichtigte. -- Ich meine es vielleicht mit jemand
-gut, und will ihm mein Wohlwollen durch Handlungen zu erkennen geben.
-Allein jener deutet diese Handlungen unrichtig und erwiedert sie durch
-Feindseligkeiten. Ein solches Betragen muss nothwendig bei mir den
-Gedanken veranlassen, dass der andere meine Absichten verkenne; und
-diesem Gedanken muss bald der Wunsch folgen, ihm meine Gesinnungen auf
-eine weniger zweideutige Art ankündigen zu können.
-
-So wie es mir mit anderen geht, so anderen mit mir. Wie leicht kann ich
-die wohlmeinende Handlung eines anderen misverstehen und mit Undank
-vergelten? So wie ich aber seine Absicht besser einsehe, so werde ich
-wünschen mein Vergehen wieder gut zu machen, und um deswillen von seinen
-Gedanken künftig besser unterrichtet zu seyn. -- Ich wünsche also, dass
-der andere meine Absicht wissen möge, damit er mir nicht zuwiderhandle,
-und aus gleichem Grunde wünsche ich, die Absichten des anderen zu
-wissen. Daher die Aufgabe zur Erfindung gewisser Zeichen, wodurch wir
-anderen unsere Gedanken mittheilen können.
-
-Bei diesen Zeichen wird indessen einzig und allein der ^Ausdruck^
-unserer Gedanken beabsichtiget. Wenn ich auf jemand erzürnt bin, so
-zeigt sich ihm dieser Zorn allerdings durch feindliche Behandlung. Aber
-da ist die Absicht bloss, meine Gedanken ^auszuführen^, nicht aber, ihm
-ein ^Zeichen^ davon zu geben. Bei der Sprache aber ist lediglich die
-^Bezeichnung^ Absicht, nicht als Ausdruck der Leidenschaft, sondern zum
-Behufe einer gegenseitigen Wechselwirkung unserer Gedanken, ohne welche,
-wie soeben bemerkt wurde, eine unserem Triebe angemessene Wechselwirkung
-der Handlungen nicht bestehen kann.
-
-Durch die Verbindung mit Menschen wird also in uns die Idee geweckt,
-unsere Gedanken einander durch willkürliche Zeichen anzudeuten -- mit
-Einem Worte: ^die Idee der Sprache^. Demnach liegt in dem, in der Natur
-des Menschen gegründeten Triebe, Vernunftmässigkeit ausser sich zu
-finden, der besondere ^Trieb, eine Sprache zu realisiren^, und die
-Nothwendigkeit, ihn zu befriedigen, tritt ein, wenn vernünftige Wesen
-miteinander in Wechselwirkung treten.
-
-Wir denken uns bei der Sprache gewöhnlich nur ^Zeichen fürs Gehör^. Wie
-es gekommen ist, dass wir uns mit unserer Sprache eben an diesen Sinn
-wenden, wird in der Folge erklärt werden. ^Hier^ ist kein mögliches
-Zeichen ausgeschlossen; so wie in der Ursprache sicher ebensowenig
-irgend eins ausgeschlossen war.[34]
-
-Die Aufgabe zur Sprache ist jetzt vorhanden: wie soll ihr aber nun
-Genüge geschehen?
-
-Die Natur offenbart sich uns besonders durch Gesicht und Gehör. Zwar
-kündigt sie sich uns auch durch Gefühl, Geschmack und Geruch an: aber
-die Eindrücke, welche wir auf diesen Wegen erhalten, sind theils nicht
-lebhaft, theils nicht bestimmt genug, und wir lassen uns daher bei
-äusseren Wahrnehmungen vorzüglich durch Gesicht und Gehör leiten, wenn
-und wo uns der Gebrauch dieser Sinne nicht versagt ist. So wie die Natur
-den Menschen etwas durch Gehör und Gesicht bezeichnete, gerade so
-mussten sie es einander durch Freiheit bezeichnen. -- Man könnte
-eine auf diese Grundregel aufgebaute Sprache die ^Ur-^ oder
-^Hieroglyphensprache^ nennen.
-
-[Fußnote 34: Ich beweise hier nicht, dass der Mensch ohne Sprache nicht
-denken, und ohne sie keine allgemeinen abstracten Begriffe haben könne.
-Das kann er allerdings vermittelst der Bilder, die er durch die
-Phantasie sich entwirft. Die Sprache ist meiner Ueberzeugung nach für
-viel zu wichtig gehalten worden, wenn man geglaubt hat, dass ohne sie
-überhaupt kein Vernunftgebrauch stattgefunden haben würde.]
-
-Die ersten Zeichen der Dinge waren, nach diesen Grundsätzen, hergenommen
-von den Wirkungen der Natur: sie waren nichts weiter, als eine
-Nachahmung derselben. Hier war die Mittheilung der Gedanken selbst
-willkürlich, wie sie es bei jeder Sprache seyn muss, aber nicht die Art
-dieser Mittheilung: es stand in meiner Willkür, ob ich dem anderen meine
-Gedanken bezeichnen wollte, oder nicht; aber im Zeichen selbst war keine
-Willkür.
-
-Diese Bezeichnung der Dinge durch die Nachahmung ihrer in die Sinne
-fallenden Eigenschaften gab sich leicht. Der Löwe wurde z. B. durch die
-Nachahmung seines Gebrülles, der Wind durch die Nachahmung seines
-Sausens ausgedrückt. So wurden Gegenstände, die sich durch das Gehör
-offenbaren, durch Töne ausgedrückt: andere, die sich durchs Gesicht
-ankündigen, konnten im leichten Umriss etwa im Sande nachgebildet
-werden. Z. B. Fische, Netze, mit einigen Gesticulationen und Winken
-gegen das Ufer hin begleitet, waren für den, an welchen diese Zeichen
-gerichtet waren, eine Aufforderung zum Fischen.
-
-Diese Sprache war leicht erfunden, und hinreichend, wenn etwa zwei
-beisammen waren, um sich zu unterhalten, oder in der Nähe zusammen
-arbeiteten. Jeder giebt auf des anderen Zeichen Acht: der eine ahmt
-einen Ton nach, der andere auch; der eine zeichnet etwas mit dem Finger,
-der andere auch. So verstehen sie einander: der eine weiss, was der
-andere denkt, und dieser weiss, was jener will, dass er denken solle.
-Man stelle sich aber vor, dass diese zwei für sich arbeiten und entfernt
-von einander sind, z. B. auf der Jagd. Einer will dem anderen einen
-Gedanken mittheilen, der sich nur durch ein Zeichen fürs Gesicht
-ausdrücken lässt; aber zum Unglück richtet der andere seine Blicke nicht
-auf ihn, oder kann seine Zeichen wegen der grossen Entfernung nicht
-bestimmt erkennen. Hier ist die Unterredung unmöglich.
-
-Ferner: man denke sich mehrere, die um sich zu berathschlagen versammelt
-sind. -- Dies wird bei rohen und uncultivirten Menschen, wie wir hier
-sie uns denken, oft der Fall seyn, weil sie oft des gegenseitigen Rathes
-bedürfen. -- Man erwäge, ob die angenommene Hieroglyphensprache für eine
-so grosse Gesellschaft bequem seyn werde. Gesetzt, es sind ihrer zehn
-beisammen; während einer redet und acht zuhören, fällt es dem zehnten
-ein, auch etwas vorzutragen. Aber alle seine Zeichen werden nicht
-beobachtet, weil die übrigen auf den ersten merken. Wie soll er es
-anfangen, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen?
-
-Man erinnere sich einer Bemerkung, welche die tägliche Erfahrung
-bestätigt. -- Das Gehör leitet unwillkürlich die Augen: man richtet sich
-nach der Gegend, wo ein Schall herkam, selbst ohne sich mit Bewusstseyn
-die Absicht zu denken, der Ursache dieses Schalles nachzuspüren; ja, man
-hat oft Mühe, sich des Hinsehens zu erwehren. Da es der vorausgesetzten
-Person in der Ursprache freisteht, sich sowohl fürs Gesicht, als fürs
-Gehör auszudrücken, so wird er, unserer, nicht gerade deutlich
-gedachten, aber dunkel gefühlten Bemerkung zufolge, auf den letzteren
-Sinn zu wirken suchen, um die Gesellschaft fürs erste nur aufmerksam auf
-sich zu machen, und mag vielleicht zuerst einen unarticulirten Ton, etwa
-ein ^Hm!^ von sich geben. Jetzt werden die anderen ihre Blicke auf ihn
-richten, und er kann durch Zeichen für das Gesicht mit ihnen sprechen.
-Aber sie sind vielleicht in den Gedankenkreis desjenigen, der zuerst zu
-ihnen sprach, und der jetzt unterbrochen ist, unwiderstehlich
-hineingerissen, er allein interessirt sie, und sie wenden ihre Blicke
-von dem Zehnten wieder hinweg. Dies wird demselben nicht gleichgültig
-seyn. Er ist überzeugt, dass das, was er vortragen will, von der
-grössten Bedeutung sey, -- und wird sich nicht so ruhig gefallen lassen,
-dass seine Rede so wenig Eingang findet. Je stärker in ihm das Verlangen
-ist, sich mitzutheilen, desto lebhafter muss er auch sein Unvermögen
-fühlen, durch Zeichen fürs Gesicht der Versammlung seine Gedanken
-bemerkbar zu machen: und dieses Unvermögen, verbunden mit der Erinnerung
-an die Wirkung, welche der Laut, den er gleich anfangs von sich gab, auf
-die Gesellschaft machte, muss nothwendig die Vorstellung in ihm
-veranlassen, dass er die Gesellschaft nöthigen würde, auf seine ganze
-Rede zu achten, wenn sein Vortrag aus blossen Gehörzeichen bestehen
-würde.
-
-Noch mehr. Man verwandle die vorausgesetzte Gesellschaft in eine solche,
-wo jeder reden will -- jeder wird wünschen, dass er die
-Hieroglyphensprache, in welcher Zeichen fürs Gesicht mit Gehörzeichen
-abwechseln, in eine blosse Gehörsprache umschaffen könnte, um mehr
-Eingang und Aufmerksamkeit zu finden. Durch eine solche Auskunft würde
-auch derjenige, der sich in dem zuerst angeführten Falle befand, in den
-Stand gesetzt werden, dem anderen auch in der Entfernung, oder in der
-Dunkelheit seine Gedanken anzuzeigen.
-
-Durch diese Mängel der Ursprache, dass sie die Aufmerksamkeit nicht
-erregt, sondern sie schon voraussetzt, dass sie nur in der Nähe und am
-Tage anwendbar ist, entstand nothwendig ^die Aufgabe, dieselbe in eine
-blosse Gehörsprache zu verwandeln^.
-
-Wie soll nun aber diese Aufgabe gelöst werden? Wie soll der Mensch
-Gegenstände, die sich durch den Ton nicht charakterisiren, durch Töne
-bezeichnen? Der Hirt wird sein Vieh, und die Feinde desselben, den
-Löwen, den Tiger, den Wolf, durch die Nachahmung ihrer Stimmen
-bezeichnen. Aber wie soll er einen Fisch, Vegetabilien und andere
-Gegenstände, welche uns die Natur nicht durch Töne ankündigt, fürs Gehör
-bezeichnen?
-
-Dazu kommt noch, dass, so wie sich allmählig die Bedürfnisse der
-Menschen vermehren, auch immer mehr Dinge in Gebrauch kommen, z. B.
-Zelte, Netze und andere Werkzeuge, die, ihrer Natur nach, keinen Ton von
-sich geben. Und doch soll auch für diese ein bezeichnender Laut gefunden
-werden.
-
-Man beruft sich gewöhnlich, um die Erfindung solcher Bezeichnungen zu
-erklären, auf Verabredung: man nimmt an, die Menschen, in einer Lage,
-die ihnen eine Gehörsprache nothwendig machte, wären übereingekommen,
-diesen Gegenstand ^Fisch^, jenen ^Netz^ zu nennen u. s. w. Allein dies
-ist grundlos. Denn erstlich: wie sollte man auch nur auf den Einfall
-gekommen seyn, Gegenstände durch willkürliche Töne bezeichnen zu wollen,
-nachdem man sie bisher immerfort durch natürliche Zeichen ausgedrückt
-hatte? Dann: wie kam es, dass derjenige, welcher die Töne vorschlug, sie
-selbst nicht wieder vergass, oder noch mehr -- dass sie von der ganzen
-Horde behalten wurden? Endlich: wie wäre es denkbar, dass eine Menge
-ungebundener Menschen sich dem Ansehen eines Einzigen unbedingt
-unterworfen -- dass sie einen Vorschlag, der sich auf nichts, als die
-Willkür dieses Einzigen gründete, so willig angenommen hätten?
-
-Noch ist bei der ganzen Deduction der Sprache, und insbesondere bei der
-gegenwärtigen Untersuchung, wohl zu merken, dass die verschiedenen
-Momente der Erfindung und Modification einer Sprache nicht so schnell
-auf einander gefolgt sind, als sie hier erzählt werden. Wer weiss, wie
-viel tausend Jahre verflossen sind, ehe die Ursprache Sprache fürs Gehör
-wurde?
-
-Ferner ist es durch die Erfahrung bestätigt, dass die Sprachen sich
-immer ändern, immer neue Modificationen annehmen; dass aber diese
-Veränderlichkeit nach Maassgabe der Cultur, welche eine bestimmte
-Sprache hat, sich stärker oder schwächer äussert. Vorzüglich zeigt sich
-durch Erfahrung, dass die Sprache sich am meisten bei einem Volk ändert,
-das noch nicht schreibt, sondern bloss spricht; weil der ursprüngliche
-Ton eines Zeichens, wenn er einmal verloren gegangen ist, nirgends
-wieder aufgefunden werden kann. Wo aber geschrieben wird, da wird der
-Ton festgehalten, und es lässt sich immer wieder bestimmen, wie ein Wort
-ausgesprochen werden muss. Durch Erfindung der Buchstaben wurde also die
-Sprache sehr befestigt.
-
-Eine lebende Sprache verändert sich demnach immer im umgekehrten
-Verhältniss mit ihrer Cultur: je mehr Ausbildung sie erhalten hat, desto
-weniger rückt sie vorwärts, je uncultivirter sie noch ist, desto mehr
-modificirt sie sich; und sie verändert sich am stärksten, wenn ihre
-Laute noch nicht durch Schriftzeichen festgehalten werden. Diese
-Bemerkung brauchen wir, um uns zu erklären, wie die Ursprache sich in
-Gehörsprache verwandelt hat.
-
-Nach diesen Vorerinnerungen kommen wir zur Beantwortung der Frage
-selbst: wie liess sich ^Hieroglyphensprache^ in ^Gehörsprache^
-umschaffen?
-
-In der Ursprache mussten bald die Zeichen fürs Gehör, welche Nachahmung
-natürlicher Töne waren, z. B. die Bezeichnung des Löwen, des Tigers u.
-s. w., die durch das ihnen eigenthümliche Gebrüll ausgedrückt wurden,
-merkliche Veränderungen leiden. Bei einem Volke, das -- wie von den
-Stämmen der Wilden bekannt ist -- die Zusammenkünfte liebt, in
-Gesellschaft arbeitet und schmaust u. s. w., wird es leicht dahin
-kommen, dass Ein Mensch durch die Ueberlegenheit seines Geistes einen
-Vorzug vor den übrigen behauptet, und, ohne durch Stimmen dazu erwählt
-zu werden, den Heerführer im Kriege, und in ihren Versammlungen den
-Sprecher vorstellt. Ein solcher Mensch, auf dessen Reden man vorzüglich
-achtet, wird sich durch Gewohnheit eine Geläufigkeit im Sprechen
-erwerben, und durch diese Geläufigkeit bald dahin kommen, dass er die
-Dinge nur flüchtig bezeichnet, sich es nicht übel nimmt, den oder jenen
-Ton im Reden zu überspringen. Man wird sich an diese Abweichung bald
-gewöhnen, und diese flüchtigere Bezeichnung leicht verstehen lernen.
-Allmählig wird er sich von der eigentlichen Nachahmung der natürlichen
-Töne immer mehr entfernen, seine Bezeichnung wird nach und nach
-flüchtiger, kürzer und leichter werden; so dass sich -- vielleicht nach
-einem Zeitraum von einigen Jahrzehnden schon -- zwischen seiner
-Bezeichnung eines Gegenstandes und dem natürlichen Ton, durch welchen
-sich dieser dem Gehör ankündigt, kaum noch eine Aehnlichkeit wird
-entdecken lassen. Die Anderen, die sich bemühen, diese leichteren
-Gehörzeichen verstehen zu lernen, werden es bald bequemer finden, diese
-Art zu sprechen, die sich durch ihre grössere Leichtigkeit empfiehlt,
-auch nachzuahmen.
-
-Je weiter nun die Menschen in dieser von der Natur sich entfernenden
-Bezeichnungsart fortgingen, desto lebhafter musste sich ihnen, selbst
-bei der flüchtigsten Aufmerksamkeit auf sich selbst und ihre Art, sich
-auszudrücken, die Bemerkung aufdringen, dass, da man Dinge fürs Gehör
-auf eine andere Art, als sie von Natur tönen, ausdrücken könne, man
-vielleicht auch Dinge, die an sich tonlos sind, durch einen Ton
-bezeichnen könnte. -- Welchen Weg musste man nun einschlagen, um diesen
-Gedanken zu realisiren?
-
-Wenn auch gewisse Dinge sich nicht ausdrücklich unserem Ohr ankündigen,
-so kömmt ihnen doch zufälligerweise, unter besonderen Umständen, ein Ton
-zu. Z. B. der ^Reif^ hat an sich keinen Ton, wenn man aber über
-denselben weggeht, so entsteht ein gewisses charakteristisches Rauschen,
-von welchem er leicht benannt werden konnte: der ^Wald^ tönt an sich
-nicht, wohl aber, wenn man durchs Gesträuche geht, u. s. w. Oft konnte
-auch ein Zufall, welcher sich ereignete, als gerade ein Mensch mit der
-Betrachtung eines Gegenstandes sich beschäftigte, die Erfindung eines
-Tons für denselben veranlassen. Z. B. jemand sah eine Blume, indem flog
-eine Biene, welche Honig aus derselben gesaugt hatte, sumsend davon; er
-sah beides noch nie, in seiner Phantasie vereinigte sich jetzt das
-Sumsen mit dem Gedanken an die Blume, und diese Verbindung leitete ihn
-sehr natürlich darauf, für die Blume und Biene eine Bezeichnung zu
-finden.
-
-Auf diese Weise kam man darauf, Dinge nach gewissen, zufällig mit ihnen
-verbundenen, oder auf sie bezogenen Tönen zu benennen. Man denke sich
-nun den Trieb, eine Zeichensprache in Gehörsprache umzuschaffen, selbst
-dann noch in fortdauernder Wirksamkeit, als schon die bekanntesten
-Gegenstände -- diejenigen, die im Kreise der täglichen Beschäftigungen
-des Menschen lagen, für das Ohr bezeichnet waren: so ist es sehr
-begreiflich, wie man endlich darauf geleitet wurde, auch Töne zu
-Bezeichnung eines Gegenstandes festzusetzen, zu welchen auch nicht
-einmal ein zufälliger Laut Veranlassung gab. Um die Bedeutung eines
-solchen Tones zu erklären, musste der Erfinder ihn durch andere schon
-bekannte Töne erläutern, durch deren Zusammensetzung er selbst neue
-Worte bilden konnte. So war es ihm leicht möglich, durch
-Zusammenstellung mehrerer Töne, deren Gegenstände mit dem zu
-bezeichnenden Objecte in gewisser Beziehung standen, seine Sprache mit
-neuen Bezeichnungen zu ^bereichern^.
-
-Aber wer war es denn, der für die Erfindung und Ausbildung einer
-Gehörsprache zu sorgen hatte? und wie konnte eine solche willkürliche
-Bezeichnung, die von einem Individuum aufgestellt wurde und wozu in dem
-Gegenstande entweder gar keine oder nur eine zufällige Veranlassung war,
-als ein allgemeinverständlicher Ausdruck in Umlauf gebracht werden? Der
-Natur der Sache nach musste dieses Geschäft vorzüglich dem Hausvater und
-der Hausmutter einer Familie angehören, die bei ihren häuslichen
-Geschäften oft Gelegenheit hatten, mancherlei neue Töne zu erfinden,
-womit sie ihren Hausgenossen die Bearbeitung eines Gegenstandes in einem
-Ausdrucke auftragen konnten, den sie anfänglich durch Vorzeigung des
-Gegenstandes erklärten. Durch den häufigen Gebrauch wurden diese
-Ausdrücke dem Vater und der Mutter selbst geläufiger.
-
-Allein, wenn auch der Hausvater sich durch die von ihm erfundenen
-Bezeichnungen seiner Familie verständlich machte; wenn ihm auch z. B.
-sein Sohn, wenn er eine ^Rose^ verlangt hatte, die Blume brachte, welche
-er mit diesem Ausdruck meinte: wie sollte dies Wort in der ganzen Horde
-gemeinbekannt werden? Warum sollte doch der zweite und dritte Nachbar
-nicht die Freiheit gehabt haben, die ^Rose^ anders zu benennen? Mithin
-liesse sich aus dem Vorgetragenen nur erklären, wie die ^Sprache der
-Familie^ gebildet und erweitert wurde; nicht aber, wie die Sprache der
-ganzen Horde sich entwickeln konnte. -- Dieser Einwurf lässt sich auf
-folgende Art auflösen.
-
-Es wird unter uncultivirten Völkern immer wenige geben, welche Kopf und
-Lust genug besitzen, sich mit Ausbildung der Sprache vorzüglich zu
-beschäftigen. Daher werden diejenigen, welche Fähigkeit und Neigung zu
-diesem mühsamen Geschäfte zeigen, schon dadurch bald über die Horde
-grossen Einfluss gewinnen. Wenn nun dieselbigen Menschen ausser diesem
-Verdienste auch noch andere Talente besitzen, die sie zur Besorgung der
-öffentlichen Angelegenheiten ihres Volkes geschickt machen (und dies
-lässt sich um so leichter annehmen, da die Menschen, wie wir sie hier
-uns denken, noch nicht durch äussere Verhältnisse zu einer einseitigen
-Bildung verleitet, leicht von mehreren Seiten zugleich sich auszeichnen
-konnten): so werden sie bald an der Spitze der Horde stehen, und in
-ihren Rathsversammlungen das Wort führen. Diese werden nun die
-Bezeichnungen, die sie für die Bedürfnisse ihrer Familie erfunden
-hatten, in die Volksversammlung bringen; man wird sie annehmen und
-fortbrauchen. Auf diese Art wird sich die Erfindung eines Hausvaters
-bald durch die ganze Horde verbreiten.
-
-Aber wie sollte man diese Ausdrücke immer verstehen und behalten? -- Man
-muss sich nur nicht vorstellen, dass dies alles auf einmal und plötzlich
-geschehen sey. Der Sprecher brachte nicht etwa ganze Reihen neuer Töne
-vor, die er auf einmal zu behalten ausdrücklich aufgab; sondern die
-Ausdrücke kamen im Fluss der Rede einzeln vor, und waren, wenn auch
-nicht an sich, doch durch den Zusammenhang mit anderen bekannten Worten
-verständlich. Aller Augen und Ohren sind auf den Redner gerichtet; man
-merkt genau auf ihn, prägt sich das Gehörte sorgfältig ein, und
-gebraucht die gelernten Zeichen nachher auch in seiner Familie.
-
-Bisher waren wir beschäftigt, zu zeigen, wie ^einzelne Gegenstände^ fürs
-Gehör bezeichnet wurden. Mit mehreren Schwierigkeiten wird die uns nun
-bevorstehende Untersuchung über Bezeichnung ^allgemeiner Begriffe^
-verbunden seyn. Es giebt in der Wirklichkeit keinen Gegenstand, der,
-ausser dem Merkmale seines Geschlechts, nicht auch das Merkmal einer
-besonderen Gattung dieses Geschlechts an sich trüge. Es giebt zum
-Beispiel keinen Gegenstand, von welchem sich weiter nichts sagen liesse,
-als dass er ein ^Baum^, und nicht zugleich, dass er etwa eine ^Birke^,
-^Eiche^, ^Linde^ u. s. w. sey. Wie kam man demnach darauf, ^allgemeine
-Begriffe^, z. B. den des Baumes, auszudrücken?
-
-Zu Bezeichnungen der ^Gattungsbegriffe^ gelangte man sehr leicht. Ein
-Hausvater zeigte einem seiner Kinder eine Blume, die er ^Rose^ nannte.
-Bald darauf schickt er es, ihm die Rose zu holen. Das Kind hatte mit
-diesem Tone gewiss den Begriff jener bestimmten individuellen Blume
-verbunden, welche ihm der Vater gezeigt hatte. Es findet aber die
-bestimmte Blume nicht mehr, doch erblickt es daneben eine Blume von
-gleicher Gestalt, welche dem Kinde nun auch Rose heisst. Es reisst sie
-ab und bringt sie dem Vater, der die Blume als Rose anerkennt. So kommen
-beide überein, dass der Schall Rose nicht bloss jenen einzelnen
-Gegenstand auf jener bestimmten Stelle, sondern überhaupt alle Blumen
-von derselben Gestalt, derselben Farbe, demselben Geruche bedeute. -- So
-war vielleicht in der gleichen Zeitreihe mit dem ersten Versuche einer
-Gehörsprache die Bezeichnung der Gattungsbegriffe möglich. -- Richtig
-ist überhaupt, dass die Gattungsbegriffe sich eher entwickelten, als die
-des Geschlechts, weil, um sich die letzteren zu denken, ein höherer Grad
-von Abstraction erfordert wird. Folglich mussten auch wohl die
-Bezeichnungen für jene früher entstanden seyn, als die Bezeichnungen für
-die letzteren. Auch ist kein so dringendes Bedürfniss da, den
-^Geschlechtsbegriff^ -- z. B. den des ^Baums^ zu bezeichnen, als etwa
-die ^Gattungsbegriffe Birke, Eiche^ u. s. w.
-
-Diejenigen Namen von ^Gattungsbegriffen^, denen das Zeichen des
-Geschlechtsbegriffs, zu welchem sie gehören, nicht angehängt ist,
-sind gewiss früher erfunden worden, als die Namen ihrer
-^Geschlechtsbegriffe^; hingegen, wo man den Ausdrucke eines
-Gattungsbegriffs die Bezeichnung seines Geschlechts beigefügt findet, da
-ist der erstere gewiss später erfunden worden. So sagt man nicht
-Birken^baum^, Fichten^baum^, weil die Namen dieser Gattungen von Bäumen
-früher waren, als die Bezeichnung des Geschlechts. Hingegen sagt man
-Birn^baum^, Apfel^baum^, Nuss^baum^ u. s. w., weil hier der
-Gattungsbegriff später zu unserer Kenntniss kam, als der seines
-Geschlechts. Denn es ist bekannt, dass diese Gattungen von Bäumen in
-Deutschland nicht einheimisch, sondern erst zu uns gebracht worden sind,
-da schon die wilden Baumarten, und das Geschlecht selbst bezeichnet war.
-Man nannte demnach die nun eingeführten fremden Bäume, ehe man einen
-bestimmten Namen für sie wusste, mit dem Geschlechtsworte: ^Bäume^. Die
-Frucht hatte indess schon vorher einen Namen, den man vielleicht durch
-die Kaufleute erfahren hatte, und so entstand denn der Ausdruck:
-Apfelbaum, Birnbaum u. s. w.
-
-Sehr abstracte Begriffe wurden erst ganz spät benannt, und die Zeichen
-derselben sind öfters vorher Zeichen der Gattung gewesen. -- Einer der
-allerabstractesten Begriffe ist der eines ^Dinges^; durch welches Wort
-ein ^Seyendes überhaupt^ bezeichnet wird. Im Deutschen ist die Ableitung
-dieses Wortes weniger verwickelt, als im Lateinischen, da das Wort ^Ens^
-in dieser Sprache nicht das Existiren, sondern den reinen Begriff des
-Seyns ausdrückt. Im Deutschen hiess wohl anfänglich alles, was als
-Werkzeug zu etwas gebraucht wird, ein ^Ding^. Dies sieht man bei Kindern
-und ungebildeten Menschen, die anstatt des eigentlichen Ausdrucks (wenn
-sie etwas entweder noch nicht kennen, oder sich dessen nicht sogleich
-entsinnen können) z. B. für ^Feder^ sagen: ein ^Ding^, womit man
-schreibt. -- Diese Bedeutung des Wortes ^Ding^ bestätigt sich dadurch,
-dass es sehr nahe mit ^Düng^ und ^Dung^ zusammenhängt, und auch sonst
-oft damit verwechselt wurde. Z. B. bei Luther kommt das Wort Ding häufig
-als Endung eines Wortes vor; als, statt ^Deutung^ -- ^Deutding^ u. s.
-w., und wenn man in den älteren Denkmälern unserer Sprache nachforschen
-wollte, so würde man es noch öfter in dieser Gestalt finden. Nach und
-nach schob man nun diesem Worte einen höheren Sinn unter, und so wurde
-endlich aus der Bezeichnung eines Gattungsbegriffs, aus dem Ausdrucke
-für ein Etwas, das zum Behuf eines anderen da ist, die Bezeichnung eines
-der allgemeinsten Begriffe, die Bezeichnung eines ^Etwas überhaupt^.
-
-Noch mehr Schwierigkeit findet sich bei der Erklärung des Wortes ^seyn^.
-^Seyn^ drückt den höchsten Charakter der Vernunft aus, und der Mensch
-muss sehr ausgebildet seyn, um sich zu der reinen Vorstellung desselben
-erheben zu können. Da wir indess die Worte: ^seyn^, ich ^bin^, du ^bist^
-u. s. w. auch in den Sprachen uncultivirter Völker antreffen, so kann es
-wohl jene hohe, nur der schärfsten Abstraction zugängliche Idee nicht
-seyn, was ursprünglich durch diese Zeichen ausgedrückt wurde. Sie
-bezeichnen in jenen früheren Perioden einer Sprache -- was sie auch uns
-in den meisten Fällen, wo wir uns ihrer bedienen, bedeuten -- das
-^Dauernde^ im Gegensatz des ^Wandelbaren^, oder den ^sinnlichen Begriff
-der Substanz^. Es versteht sich, dass ich dieses Wort hier in dem Sinne
-nehme, in welchem man es vor der Wissenschaftslehre genommen hat, und
-nehmen musste. Ich erkläre den Begriff der ^Substanz^ transscendental
-nicht durch das ^Dauernde^, sondern durch ^synthetische Vereinigung
-aller Accidenzen^. Die Dauer ist nur ein sinnliches Merkmal der
-Substanz, welches man aus dem Zeitbegriff hineinträgt. Offenbar ist
-nicht das Dauernde, sondern nur das Wandelbare Gegenstand unserer
-Wahrnehmungen. Denn da jede äussere Vorstellung nur durch ein
-Afficirtwerden entsteht, welches nur dadurch möglich ist, dass ein
-Eindruck auf unser Gefühl geschieht, folglich eine Veränderung in uns
-veranlasst wird: so ist klar, dass jeder Gegenstand, dessen wir uns
-bewusst werden sollen, sich uns durch und in einer Veränderung
-ankündigen müsse. Etwas Bleibendes ist demnach nicht wahrnehmbar; aber
-wir müssen alle Verwandlung auf etwas Bleibendes beziehen -- auf ein
-dauerndes Substrat, welches aber nur ein Product der Einbildungskraft
-ist. Auf dieses Substrat wird nun das Wort ^seyn^ oder ^ist^ angewendet.
-Keine Handlung unseres Geistes wäre ohne ein solches Substrat, und ohne
-eine Bezeichnung für dasselbe keine Sprache möglich. Daher kömmt das
-Wort ^seyn^ in einer Sprache vor, sobald sie nur anfängt, sich zu
-entwickeln. Aber es kömmt unter keiner anderen Bedeutung vor, als dass
-es das ^Dauernde^, welches allem Wechsel zum Grunde liegt, anzeigt.
-
-Eine andere noch schwierigere Untersuchung, welche wir anzustellen
-haben, betrifft die Erfindung von Zeichen für ^geistige Begriffe^. Zuvor
-muss der Begriff dagewesen seyn, ehe man eine Bezeichnung für ihn suchen
-konnte. Wir wollen also zuerst versuchen, den Weg, auf welchem jene
-Ideen sich entwickelten, ausfindig zu machen.
-
-So lange der Mensch, durch Nothdurft getrieben, nur um Befriedigung
-sinnlicher Bedürfnisse bekümmert ist, wird er zum Nachdenken, und
-insbesondere zur Entwickelung geistiger Begriffe keine Zeit haben.
-Sobald aber die Sinnlichkeit bis zu einem gewissen Grade ausgebildet
-ist, und der Mensch sich eine Geschicklichkeit erworben hat, sich seine
-Bedürfnisse leicht zu verschaffen, wird er auch durch den der Seele
-einwohnenden Trieb des Fortschreitens angeleitet werden, geistigen Ideen
-nachzuforschen. Er wird gewohnt, eine sinnliche Erscheinung sich aus
-einer anderen, und diese wieder aus einer dritten zu erklären. Wenn ihm
-nun bei diesem Erklärungsgeschäft eine und dieselbe Erscheinung sehr oft
-vorkommt, so wird er diese, als die letzte Ursache aller übrigen,
-annehmen. Hier wird seine Forschung vielleicht eine Zeitlang befriedigt
-stillestehen; aber bald wird er auch von der Erscheinung, welche ihm bis
-jetzt letzte Ursache war, wieder den Grund aufsuchen, und so zuletzt aus
-dem Sinnlichen zum Uebersinnlichen übergehen müssen. -- So ist nach und
-nach das Urtheil entstanden: es ^ist^ eine Welt, mithin ^auch^ ein
-Gott.[35]
-
-[Fußnote 35: Dieses Urtheil ist durch die kritische Philosophie
-angefochten worden, als eine Täuschung. -- Aus dem Gesichtspuncte des
-philosophischen Räsonnements können wir nicht sagen: es ^ist^ eine Welt.
-Das, was ausser mir ist, kann ich bloss fühlen, und in dieser Rücksicht
-nur ^glauben^. Dass Dinge ausser mir sind, ist also blosser
-Glaubensartikel; und wie will man aus etwas, das bloss geglaubt werden
-kann, etwas Erweisbares, einen demonstrativen Vernunftsatz machen? --
-Dieser Einwurf geht aber nur gegen den Philosophen, der -- anstatt, wie
-er sollte, das Theoretische von dem Praktischen, das, was innerhalb der
-Grenzen des Gefühls geglaubt wird, von dem was über diese Grenzen
-hinaus, im Gebiete des Verstandes erkannt wird, scharf zu unterscheiden
--- etwas bloss zu ^Glaubendes^ für etwas ^Erkennbares^ annimmt, und auf
-dieses vermeintlich Erkennbare einen Beweis gründen will, der ^seinem
-Gehalte nach^ für den Verstand gültig seyn soll. Dass Dinge ausser uns
-sind, ^erkennen^ wir nicht; das Daseyn dieser Dinge wird uns nur ^durchs
-Gefühl^ und im Gefühl gegeben, und ist also bloss Gegenstand des
-^Glaubens^. Nun ist es wohl ein einleuchtender Widerspruch, aus einem
-solchen ^Glauben^ die Existenz irgend eines Uebersinnlichen ^erweisen^,
-aus etwas Geglaubtem auf ein Uebersinnliches einen Schluss machen zu
-wollen, der für den Verstand, und nicht bloss für das Gefühl
-überzeugende Kraft hätte. Ein solcher Schluss würde die Forderung
-enthalten: entweder, dass der ^Verstand^, der, inwiefern er Verstand
-ist, nur erkennen, und nur durch Erkanntes überzeugt werden kann,
-^glauben^; oder, dass das ^Gefühl^, welches, als Gefühl, uns nur etwas
-zum glauben geben kann, ^erkennen^ soll. -- Also aus dem bloss gefühlten
-Daseyn der Dinge ausser uns können wir nicht erweisen, dass ein Gott
-^sey^.
-
-Aber aus einem Gefühle lässt sich leicht ein anderes entwickeln: wir
-können von einem Gefühle auf die Annehmbarkeit eines anderen, mithin von
-dem Glauben an die Dinge ausser uns, auf die Glaubwürdigkeit des Daseyns
-eines höchsten übersinnlichen Wesens schliessen. Diesen Schluss macht
-der ^gemeine Menschenverstand^; und, da es ihm nicht obliegt, Gefühl und
-Erkenntniss streng zu unterscheiden, er auch gar nicht vorgiebt, sie
-unterschieden zu haben: so wäre es ein blosser Misverstand, wenn man
-gegen das Urtheil des gemeinen Verstandes, »dass ein Gott ^sey^,« jenen
-Einwurf der Kritik geltend machen wollte.]
-
-Hat sich aber der gemeine Verstand einmal zu der Idee einer
-übersinnlichen Ursache der Welt erhoben, so entdeckt er von diesem hohen
-Gesichtspuncte aus bald auch die übrigen geistigen Ideen: der ^Seele^,
-^Unsterblichkeit^, u. s. w.
-
-So wie sich nun bei einem Menschen diese Ideen mehr und mehr aufklärten,
-regte sich auch in ihm der Trieb, andere mit dem, was er erforscht
-hatte, bekannt zu machen; denn nie ist der Trieb, sich mitzutheilen,
-lebhafter, als bei neuen und erhabenen Gedanken. Es mussten also auch
-Zeichen für jene Vorstellungen aufgefunden werden. Diese Zeichen finden
-sich bei übersinnlichen Ideen aus einem in der Seele des Menschen
-liegenden Grunde sehr leicht. Es giebt nemlich in uns eine Vereinigung
-sinnlicher und geistiger Vorstellungen durch die Schemata, welche von
-der Einbildungskraft hervorgebracht werden. Von diesen Schematen wurden
-Bezeichnungen für geistige Begriffe entlehnt. Nemlich das Zeichen, das
-der sinnliche Gegenstand, von welchem das Schema hergenommen wurde, in
-der Sprache schon hatte, wurde auf den übersinnlichen Begriff selbst
-übergetragen. Diesem Zeichen lag nun freilich eine Täuschung zum Grunde,
-aber durch dieselbe Täuschung wurde es auch verstanden, weil bei dem
-anderen, welchem der geistige Begriff mitgetheilt wurde, an dem gleichen
-Schema auch der gleiche Gedanke hing. -- So muss, um ein recht
-auffallendes Beispiel zu geben, die Seele, das Ich, als unkörperlich
-gedacht werden, insofern es der Körperwelt entgegengesetzt ist. Wenn es
-aber vorgestellt werden soll, so muss es ausser uns gesetzt, folglich
-unter die Gesetze, nach welchen Gegenstände ausser uns vorgestellt
-werden, unter die Formen der Sinnlichkeit gebracht, und mithin im Raume
-vorgestellt werden. Hier ist ein offenbarer Widerstreit des Ich mit sich
-selbst: die Vernunft will, dass das Ich als unkörperlich vorgestellt
-werde, und die Einbildungskraft will, dass es nur als den Raum
-erfüllend, als körperlich erscheine. Diesen Widerspruch sucht der
-menschliche Geist dadurch zu heben, dass er etwas, als Substrat des Ich,
-annimmt, das er allem, was er als grobkörperlich kennt, entgegensetzt.
-Also wird der Mensch, wenn er noch gewohnt ist, Materialien zu seinen
-Vorstellungen vorzüglich durch den Sinn des Gesichts zu erhalten, zu
-einer Vorstellung des Ich einen solchen Stoff wählen, der nicht in die
-Augen fällt, den er aber sonst wohl spürt, z. B. die ^Luft^, und wird
-die Seele ^Spiritus^ nennen.
-
-Diese Art der Bezeichnung verfeinert sich nach Maassgabe der
-Verfeinerung der Begriffe. Eine Philosophie, die alles aus Wasser
-entstehen lässt, und folglich Wasser für das erste und feinste Element
-hält, würde die Seele durch ^Wasser^ bezeichnen. Bei zunehmender
-Verfeinerung der Begriffe wird sie durch Luft, ^anima^, ^spiritus^,
-ausgedrückt; und bei noch höherer Cultur, wenn man schon von Aether
-hört, wird man sie durch ^Aether^ bezeichnen. -- Auf diese Art werden
-für geistige Begriffe Bezeichnungen gefunden.
-
-Die Uebertragung sinnlicher Zeichen auf übersinnliche Begriffe ist
-indess Ursache einer Täuschung. Der Mensch wird nemlich durch diese
-Bezeichnungsart leicht veranlasst, den geistigen Begriff, welcher auf
-eine solche Weise ausgedrückt worden ist, mit dem sinnlichen
-Gegenstande, von welchem das Zeichen entlehnt wird, zu verwechseln. Der
-Geist wurde z. B. durch ein Wort bezeichnet, welches den ^Schatten^
-ausdrückt: sogleich denkt sich der ungebildete Mensch den Geist als
-etwas, das aus Schatten bestehe. Daher der Glaube an Gespenster, und
-vielleicht die ganze Mythologie von ^Schatten im Orcus^.
-
-Die Täuschung war aber unvermeidlich; man konnte jene Begriffe nicht
-anders bezeichnen. Wer demnach seine Denkkraft noch nicht genug geübt
-hatte, um dem gebildeten Geiste des Forschers, der zuerst jene geistigen
-Ideen in sich entwickelte, in seinen schärferen Abstractionen folgen zu
-können, der konnte auch unmöglich den Sinn fassen, in welchem jener die
-bildlichen Ausdrücke verstand. Ein solcher glaubte also, es wäre bloss
-von den sinnlichen Gegenständen, von welchen die vorgetragenen Zeichen
-entlehnt waren, die Rede, und dachte sich also die geistigen Gegenstände
-sehr materiell. -- Daher entsteht auch nicht aller Aberglaube durch
-Betrügerei, sondern dadurch, dass geistige Ideen nicht anders, als durch
-sinnliche Worte ausgedrückt werden konnten, und dass derjenige, der sich
-nicht bis zum Bezeichneten erheben konnte, bei dem ersten rohen Zeichen
-stehen blieb.
-
-Bisher beschäftigte sich unsere Untersuchung bloss mit der Frage: wie
-kamen die Menschen darauf, einzelne Gegenstände durch in die Sinne
-fallende Zeichen auszudrücken? Wir haben also bloss die Entstehung der
-^Worte^ untersucht. Aber Worte allein machen noch keine Sprache aus.
-Sprache besteht aus der Zusammenfügung mehrerer Worte zur Bezeichnung
-eines bestimmten Sinnes. Auch erhalten die einzelnen Worte erst durch
-diese Zusammenfügung, durch den Ort, welchen sie in der Verbindung mit
-mehreren anderen einnehmen, völlige Verständlichkeit und Brauchbarkeit
-zur Bezeichnung unserer Gedanken. Wenn ich zu jemand sage: ^Rose^ -- so
-wird bei ihm nichts, als die blosse Vorstellung der Rose hervorgebracht
-werden. Wenn ich ihm aber sage: ^bringe mir die Rose^; so weiss er
-bestimmt, was ich gedacht habe, und was ich will, dass er thun soll. --
-Zu einer vollständigen Erklärung des Ursprungs der Sprache ist daher
-auch erforderlich, die Entstehung jener Zusammenfügung mehrerer Worte,
-d. h. der ^Grammatik^ zu zeigen.
-
-So irrig es ist, zu glauben, dass die willkürlichen Bezeichnungen der
-Gegenstände durch eine besondere Uebereinkunft der miteinander
-vereinigten Menschen gebildet worden seyen, so irrig ist es auch,
-anzunehmen, dass Grammatik durch Verabredung entstanden sey. Eine
-Verabredung zu einem solchen Zweck setzt einen Grad von Geistesbildung,
-und insbesondere von Philosophie der Sprache voraus, der bei den
-Menschen auf der Stufe der Cultur, auf der wir sie hier uns denken
-müssen, gar nicht stattfinden konnte. -- Vielmehr muss die Ableitung der
-Grammatik ebenfalls von einem, in dem Wesen des Menschen liegenden
-Grunde, von der natürlichen Anlage zum Sprechen ausgehen, und zeigen,
-wie diese Anlage durch das Bedürfniss geweckt, und nach und nach auf die
-Erfindung der verschiedenen Arten der Wortfügung geleitet wurde.
-
-Die ersten Wörter waren gewiss ganze Sätze: sie fassten, vielleicht in
-einer einzigen Sylbe, welche wiederholt werden konnte, ein Substantiv
-und ein Zeitwort in sich. Z. B. die Nachahmung des Löwengebrülls deutete
-der Horde an, es komme ein Löwe. -- Man hat behauptet: die ersten Worte
-seyen ^Zeichen des Vergangenen^ gewesen. Dies lässt sich aber nicht wohl
-annehmen: denn, wenn diese Worte das Geschehene hätten bezeichnen
-sollen, so müssten vergangene und gegenwärtige Zeit schon genau von
-einander abgesondert gewesen seyn, und zum Behuf dieser Unterscheidung
-beide ein bestimmtes Zeichen gehabt haben. Die ersten Worte waren
-vielmehr so unbestimmt als möglich; sie bezeichneten keine bestimmte
-Zeit, sondern waren bloss ^aoristisch^: es wurde das Vergangene und
-Gegenwärtige zugleich ausgedrückt. Z. B. ein Löwe will eine Horde
-anfallen. Dies kündigt der, welcher es sieht, durch ein Geschrei an, und
-drückt dadurch die ^vergangene^, ^gegenwärtige^ und ^zukünftige^ Zeit
-zugleich aus; denn er zeigt dadurch an, dass er den Löwen gesehen habe,
-dass er sie darauf aufmerksam machen, und ihnen die Folgen von dessen
-Annäherung anzeigen wolle, damit sie sich zu gemeinschaftlicher
-Vertheidigung rüsten können.
-
-Also die ersten Worte fassten in sich ein Substantiv und ein Zeitwort:
-das Tempus war der Aorist, die Person ganz gewiss die dritte; denn die
-Ursprache fängt an mit dem Erzählen, und der Ton der Erzählung redet in
-der dritten Person. -- Die ersten Zeitwörter waren weder Activa, noch
-Passiva, sondern Neutra. Denn das Neutrum bezeichnet einen Zustand, der
-durch sich selbst bestimmt ist, der folglich auch, seiner Einfachheit
-wegen, am frühesten zum Bewusstseyn und zur Bezeichnung kommen musste.
-
-Für alles das, was wir hier über die ursprüngliche Gestalt der
-Zeitwörter sagen, können die Wurzelwörter der orientalischen Sprachen
-zur Bestätigung dienen; diese sind Neutra, haben aoristische
-Zeitbedeutung, und gehen von der dritten Person aus.
-
-Jedes Ding wurde in der Ursprache durch seine höchste Eigenthümlichkeit
-ausgedrückt. Diese höchste Eigenthümlichkeit eines Gegenstandes bestand
-wohl in demjenigen, wodurch sich dieser Gegenstand dem Bewusstseyn der
-rohen Naturmenschen am lebhaftesten ankündigte. Dieses Auffallende an
-einem Dinge konnte nun schon an sich ein Ton seyn, und dann ahmte man
-denselben nach, um den Gegenstand, dem er angehörte, zu bezeichnen. Wenn
-es sich aber ursprünglich einem anderen Sinne, als dem Gehör entdeckte,
-so suchte man auf die oben beschriebene Art einen Ton, welcher mit jener
-ausgezeichneten Eigenschaft in Beziehung stand, um auf diese Art
-wenigstens mittelbar den Gegenstand durch seine Eigenthümlichkeit zu
-bezeichnen. Nun sollten aber noch andere Eigenschaften, die einem
-Gegenstande zukommen, auf Veranlassung der Umstände, auch ausgedrückt,
-als demselben zugehörig dargestellt werden. So wurde der ^Löwe^ durch
-Nachahmung seines Gebrülls angedeutet. Jetzt sollte ihm aber noch ein
-anderes Prädicat zugeschrieben werden, welches ihm zufällig zukam. In
-diesem Falle musste der Ton, welcher den Löwen bezeichnete, verbunden
-werden mit einem anderen, durch welchen die zweite Eigenschaft
-bezeichnet werden sollte. Z. B. es sollte ausgedrückt werden: ^der Löwe
-schläft^: hier musste das Zeichen des Löwen mit dem des Schlafs (etwa
-mit dem Tone des Schnarchens) zusammengesetzt werden; und dies hiess
-denn: »der Löwe, der sonst brüllet, schläft.« -- Bei dieser
-Zusammensetzung konnte aber nicht so lange auf dem Tone des Löwen in der
-Aussprache verweilt werden, als sonst geschah, da man, unserer
-Voraussetzung zufolge, durch den Ton des Löwen den ganzen Satz: ^der
-Löwe kömmt^, ausgedrückt hatte, wo freilich der Ton, welcher hier den
-ganzen mitzutheilenden Gedanken bezeichnete, gedehnt und mit Nachdruck
-ausgesprochen werden musste. Allein wenn dieses Zeichen mit einem
-anderen, auf welchem der Hauptsinn des ganzen vorzutragenden Satzes
-liegt, und welches also auch in der Aussprache durch einen längeren und
-stärkeren Ton unterschieden werden musste, verbunden werden sollte, so
-musste jenes erste Zeichen kürzer und leichter ausgedrückt werden, so
-dass es mit dem folgenden gleichsam in Ein Wort zusammenfloss. Auf diese
-Art entsteht aus einem Zeitworte ein Particip, das durch öfteren
-Gebrauch, vielleicht auch durch Hinzukunft einiger äusserer Zeichen sich
-leicht in ein Substantiv verwandeln kann. Es gehört also zum
-ursprünglichen Charakter des Substantivs, dass ein solches Wort kürzer
-und zusammenfliessend mit dem folgenden Worte vorgetragen wurde.
-
-Daraus erhellt auch -- was man sonst ebenfalls aus einer besonderen
-Verabredung erklären zu müssen glaubte -- wie man darauf kommen musste,
-die Zeitwörter durch bestimmte Endsylben zu bezeichnen, und durch andere
-Endungen, z. B. ^us^, ^os^ u. s. w., die Substantive zu charakterisiren.
-Nach unserer Deduction musste ein Wort, welches als Substantiv gebraucht
-werden sollte, den Satz eröffnen: und da das Wort, welches den Satz
-schloss, durchgängig den stärksten Ton erhielt, weil es denjenigen
-Begriff ausdrückte, auf dessen Mittheilung es hauptsächlich abgesehen
-war; so musste, weil unsere Kehle bei mehreren zugleich vorzutragenden
-Tönen nur Einen stärker aussprechen kann, nothwendig das Substantiv, als
-das vorangehende Wort, leichter und mit dem folgenden zusammenfliessend
-ausgedrückt werden; da hingegen das Zeitwort, welches, unserer Theorie
-gemäss, immer das letzte Wort in einem Satze war, sich dadurch
-auszeichnete, dass auf ihm der volle Ton ruhte.
-
-Wir gehen jetzt zu einer anderen Untersuchung fort, bei welcher uns, wie
-bei allen folgenden über die verschiedenen Arten der Wortfügung, die
-Aufschlüsse leiten werden, welche das soeben gefundene Resultat uns über
-die Entstehungsart fast aller Formen der Wortverbindung giebt. In dem
-vorher angeführten Falle sollte ein Gegenstand durch zwei Bestimmungen
-bezeichnet werden. Gesetzt nun aber, ein Gegenstand soll mit drei oder
-mehreren Bestimmungen zugleich ausgedrückt werden, es soll z. B.
-angedeutet werden: der schlafende Löwe ruht aus, so muss hier nach der
-von uns aufgestellten Regel der ^Löwe^, als der Hauptbegriff im ganzen
-Satze, zuerst bezeichnet werden: hierauf folgt die nähere Bestimmung des
-Löwen, nemlich, dass er ^schläft^: und zuletzt kömmt eine besondere
-Bestimmung dieses Schlafs -- das ^Ausruhen^. In dieser Verbindung muss
-demnach das Zeichen des Schlafs, welches in der vorher angeführten
-Zusammensetzung als das Hauptwort einen starken und gedehnten Ton hatte,
-abgekürzt, und zusammenfliessend mit dem Zeichen des Ausruhens, das hier
-den Hauptsinn des ganzen Satzes enthält, auf dem folglich in der
-Aussprache am längsten verweilt werden muss, vorgetragen werden.
-
-Man sieht ohne meine Erinnerung ein, dass in dieser Zusammensetzung die
-Bezeichnung des ^Schlafs^, welche vorher ein ^Zeitwort^ war, auf
-dieselbe Art, wie in dem vorher aufgestellten Satze die Bezeichnung des
-Löwen, zu einem ^Particip^ geworden ist; woraus sich leicht, etwa durch
-einige äussere Modificationen, ein Adjectiv bilden kann. -- So entstehen
-^Participien^, ^Substantive^ und ^Adjective^. Aber man könnte fragen:
-warum ist aus manchen Bezeichnungen ein ^Substantiv^, aus anderen ein
-^Adjectiv^ entsprungen, da doch sowohl das eine, als das andere, sich
-aus einem Zeitworte, und durch die Zusammensetzung desselben mit einem
-anderen Zeitworte gebildet hat? -- Die Antwort darauf liegt sehr nahe.
-Bei den ersten rohen Versuchen einer Wortfügung mochten nemlich Adjectiv
-und Substantiv nicht so streng unterschieden seyn, als wir sie jetzt in
-unseren Sprachen unterschieden finden: zumal, da die Verschiedenheit
-beider Bezeichnungsarten nicht sowohl auf inneren Merkmalen, als auf dem
-besonderen Gebrauche beruht, der von der einen und von der anderen
-gemacht wird. ^Substantiv^ war der Natur der Sache nach dasjenige Wort,
-welches den Hauptbegriff, oder das Subject eines Satzes bezeichnete:
-^Adjectiv^ hingegen war jedes Wort, sobald es eine nähere Bestimmung des
-Hauptbegriffes auszudrücken gebraucht wurde. Auf diese Art konnte
-dasselbe Wort, wenn es in dem einen Satze das Subject der Rede, in dem
-anderen nur ein Prädicat dieses Subjects ausdrückte, bald in
-substantiver, bald in adjectiver Bedeutung vorkommen. -- Die
-eigenthümliche Unterscheidung zwischen Substantiv und Adjectiv ist auch
-wohl erst später hinzugekommen. Für uns sind sie nun, nachdem durch
-gewisse äussere Merkzeichen der schwankende Unterschied zwischen beiden
-fixirt ist, scharf von einander abgeschnitten; aber in der Ursprache
-dürfen wir sie uns noch nicht ebenso von einander unterschieden denken.
-
-Aus dieser Gleichartigkeit ergiebt es sich auch, warum sich Substantiv
-und Adjectiv fast immer in den Endungen gleichen. Da beide durch
-Abkürzung des Stammwortes und durch Verkettung desselben mit einem
-anderen stärker und gedehnter auszudrückenden Worte entstehen, so folgt,
-dass sowohl das eine, als das andere mit einem Tone enden muss, der sich
-leicht dem folgenden Worte anschliessen lässt: da hingegen die
-Zeitwörter einen rauhen, harten Ton haben mussten, weil sie den Satz
-schliessen, und ihm den Nachdruck geben mussten. In cultivirten Sprachen
-werden freilich die Zeitwörter diesen rauhen Ton mehr oder weniger
-verlieren, weil sie dann ebenso oft in der Mitte, als am Ende eines
-Satzes vorkommen. Denn der gebildete Mensch begnügt sich nicht mit
-Sätzen, wie sie hier aufgestellt sind: mit der einfachen
-Zusammenstellung eines Substantivs, Adjectivs und Zeitworts. Sowie sich
-sein Geist mehr und mehr mit Vorstellungen bereichert, wird auch durch
-die mancherlei Bestimmungen, die er den vorgetragenen Begriffen als
-Erläuterungen beifügt, die Zusammensetzung verwickelter, der schlichte
-Satz zur Periode erweitert, und die ursprüngliche Wortfügung folglich
-verändert.
-
-Durch diese Zusammenfügung mehrerer Worte bildete sich auch allmählig
-ein eigenthümlicher Unterschied des Substantivs von dem Zeitwort, welche
-ursprünglich ein gemeinschaftliches Stammwort ausmachten, das einen
-Gegenstand und eine Handlung zugleich andeutete (wie nach dem oben
-angeführten Beispiele der ursprüngliche Ton, der den ^Löwen^
-bezeichnete, zugleich auch die ^Ankunft^ des Löwen ausdrückte). In der
-Verbindung mit anderen Worten, wo es nicht mehr den ganzen Gedanken
-ausdrücken sollte, musste ein solches Wort nicht mit dem vollen Ton,
-sondern leicht und fliessend ausgesprochen werden, weil ein anderes
-Zeichen folgte, auf welches der Nachdruck gelegt werden musste. Durch
-einen solchen leichteren und kürzeren Ton konnte sich das Substantiv in
-der Folge überhaupt recht wohl von dem Zeitworte, von welchem es
-abstammte, unterscheiden, ohne dass im Ganzen die Aehnlichkeit verloren
-ging, welche selbst noch in unseren Sprachen zwischen Substantiv und
-Zeitwort, wenn sie aus derselben Quelle entsprungen sind, stattfindet.
-
-Hier noch etwas über die Stellung der Worte, welche zusammengefügt
-werden sollen. Wenn ausgedrückt werden soll: der Löwe schläft und ruht
-aus; so wird zuerst der ursprüngliche Ton des ^Löwen^, hier in
-^substantiver^ Bedeutung, d. h. nicht mit der ganzen Stärke des Tons als
-Hauptwort, sondern kürzer abgebrochen mit dem folgenden Ton
-zusammenfliessend, vorgetragen: zu diesem wird, als ein ^Adjectiv^, der
-Ton des ^Schlafens^ hinzugefügt, und zuletzt kömmt das Zeitwort
-^ausruhen^. Der ursprünglichen Wortfügung gemäss, gehört also dem
-Substantiv der erste Platz. Wie kömmt es zu dieser Stelle? -- Der
-Naturmensch hält sich im Vortrage seiner Gedanken genau an die Ordnung,
-in welcher die Vorstellungen in der Seele auf einander folgen. Immer
-kömmt aber im Denken das am wenigsten Bestimmte zuerst, und hierauf
-folgen die näheren und noch näheren Bestimmungen. Folglich musste auch
-in der Natursprache das für uns Unbestimmte, oder am wenigsten Bestimmte
-zuerst gesetzt werden, und die näheren Bestimmungen erst nachfolgen. Nun
-ist das ^Substantiv^ immer das Unbestimmteste: durch ein Adjectiv, das
-hinzukömmt, wird es näher, und durch das Zeitwort endlich nach der
-Absicht hinlänglich bestimmt.
-
-Dieser Ordnung zufolge steht also in der Ursprache das Adjectiv immer
-nach dem Substantiv. Aber wir finden, dass diese Ordnung nach Maassgabe
-der Cultur der Sprachen sich ändert. Sobald eine Sprache nicht mehr
-bloss Natursprache ist und sich der Sprache der Vernunftcultur nähert,
-wird in ihr das Adjectiv bald vor bald nach gesetzt. Bei Homer z. B.
-finden wir meistens das Adjectiv nach dem Substantiv. In der
-lateinischen Sprache stehen die Adjective schon häufig voran. In der
-deutschen Sprache aber kann das Adjectiv niemals nach dem Substantiv
-gesetzt werden. Im Französischen setzt man auch das Adjectiv mehr vor
-als nach; wenn aber mehrere Adjective mit dem Substantiv verbunden
-werden sollen, so lässt man immer jene auf das letztere folgen, z. B.
-^un homme vertueux et bienfaisant^; welche Verbindungsart, um des
-Nachdrucks willen, der auf jedes der Adjective gelegt werden kann,
-allerdings einen entschiedenen Vorzug vor der deutschen hat. -- Wie kann
-es in einer Sprache dahin kommen, dass das Adjectiv, jener Ordnung des
-Denkens gerade entgegen, zuerst gesetzt wird? -- In dem Fortschritt der
-Cultur einer Sprache müssen die Wörter nicht mehr als einzelne gedacht
-werden, sondern mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und werden als
-Ein Begriff gedacht. So wird auch das Substantiv nicht mehr als
-einzelner Begriff gedacht, der nachher durch Adjective bestimmt werden
-solle, sondern er wird mit diesen sogleich zusammen gedacht als Ein
-Begriff, und jene können ihm also auch vorhergehen.
-
-Eine andere Frage, die wir jetzt zu untersuchen haben, betrifft die
-Entstehung des ^Activs^ und ^Passivs^. Die ersten Zeitwörter waren
-^Neutra^. Aus dem ursprünglichen Neutrum lässt sich das ^Activ^ leicht
-entwickeln. Das ^Neutrum^ bezeichnet, wie wir schon bemerkt haben, einen
-^Zustand^, in welchem sich der Gegenstand der Rede befindet: bezieht man
-nun diesen Zustand auf ein anderes Object, welches mit demselben in
-Verbindung steht, so wird auch das Neutrum in ein ^Activ^ verwandelt. Z.
-B. in dem Satze: ^der Löwe frisst^ -- drückt das Wort ^fressen^ einen
-durch sich selbst völlig bestimmten Zustand des Löwen aus, und hat also
-eine völlig neutrale Bedeutung. Sage ich aber: der ^Löwe frisst das
-Schaaf^, so ist dieses Zeitwort ein ^Activ^: denn hier wird die durch
-dasselbe dem Löwen zugeschriebene Handlung auf ihr Object bezogen.
-
-Aus eben diesem Beispiele erhellt auch, dass das Wort für den
-Gegenstand, welcher mit der Handlung des Subjects in Verbindung gesetzt
-werden soll, schon als ^Substantiv^ gebraucht seyn, und ein festes
-Merkzeichen seiner substantiven Bedeutung haben musste, wenn die
-erwähnte Wortfügung, und folglich auch die Verwandlung des Neutrums in
-ein Activ zu Stande kommen sollte. Der ^Löwe^, welcher hier Subject des
-Satzes ist, wird durch den gewöhnlichen Laut, der eine Nachahmung seines
-Brüllens ist, ausgedrückt. Dieser Löwe ^frisst^. Auch dies kann durch
-den eigentlichen Ausdruck bezeichnet werden. Aber wie soll ich nun das
-^Schaaf^ ausdrücken? Wenn ich dieses auch durch seinen eigentlichen Ton
-andeuten will, so kann dieser Ton, welcher zugleich das Zeitwort des
-^Blökens^ ausdrückt, für dieses Zeitwort genommen werden, und dann
-bedeutete der ganze Satz: ^der fressende Löwe blökt^. Nun haben wir zwar
-weiter oben gesehen, dass das Substantiv sich von dem Zeitworte, von
-welchem es abgeleitet wurde, durch den leichteren Ton, in welchem es
-vorgetragen wurde, unterschied. Allein dieses Merkmal ist hier nicht
-anwendbar, da das Substantiv hier nicht den Satz anfängt, sondern
-beschliesst, und folglich nach unserer Theorie einen gedehnten und
-starken Ton erhalten muss. Diesem möglichen Misverständnisse ist also
-nicht eher abzuhelfen, als bis für das Wort, durch welches das Schaaf in
-substantiver Bedeutung bezeichnet werden soll, ein bleibendes
-Unterscheidungszeichen gefunden worden ist. Dies konnte aber auf die
-oben angegebene Art leicht geschehen, indem die Abkürzung, mit welcher
-ein solches Wort, wo es ein Substantiv ausdrückte, ausgesprochen wurde,
-bald in einen fixen eigenthümlichen Laut verwandelt werden musste; wobei
-sehr leicht auch noch ein Mittelton eingeschoben werden konnte, um
-dasselbe mit dem darauf folgenden Worte leichter zu verbinden. Solche
-Modificationen des ursprünglichen Tons wurden durch wiederholten
-Gebrauch so mit dem Worte verwebt, dass sie zuletzt einen Bestandtheil
-desselben ausmachten, und zu Merkzeichen der substantiven Bedeutung
-eines Wortes dienten. Ehe aber dergleichen Bestimmungen vorhanden waren,
-war der ganze Satz nicht auszudrücken, und eher war kein ^Activ^,
-sondern alle Zeitwörter blieben, was sie ursprünglich waren -- ^Neutra^.
-
-Um die Entstehung des ^Passivs^ zu erklären, muss ein Bedürfniss
-aufgezeigt werden, welches die Menschen zur Erfindung dieser
-Sprachbestimmung leitete; denn, dass in der Ursprache irgend etwas ohne
-Noth, bloss zur Verschönerung des Vortrags erfunden worden sey, lässt
-sich nicht annehmen. Um diese möchte man sich wohl bei den ersten rohen
-Versuchen einer Sprache nicht sehr bekümmert haben; da sagte man wohl
-eher: ^man schmähet mich^, als -- ich werde geschmähet; der Löwe
-zerreisst das Schaaf, als -- das Schaaf wird vom Löwen zerrissen.
-
-Ein solches Bedürfniss des Passivs tritt ein, wenn eine Handlung
-vorkömmt, welche, nach unseren Einsichten, einen Urheber hat, den wir
-aber auf keine Weise entdecken können. Sie muss ^erstlich^ einen Urheber
-haben; denn hat sie keinen, oder können wir keinen annehmen, so drücken
-wir uns durch das ^Impersonale^ aus -- wir sagen: ^es donnert, regnet^,
-u. s. w. ^Zweitens^ muss der Urheber unbekannt seyn, und gar nicht
-errathen werden können; denn, gesetzt der Wolf hätte ein Schaaf geraubt,
-so wird der noch ungebildete Naturmensch, auch selbst wenn er nicht
-Augenzeuge von dem Vorgange gewesen ist, doch nicht sagen: ^das Schaaf
-ist mir geraubt worden^; sondern: ^der Wolf hat das Schaaf weggenommen^;
-weil er schon aus Erfahrung weiss, dass dieser Schaafe raubt. Das
-Bedürfniss des Passivs trat also erst dann ein, wenn eine Handlung da
-war, bei der man ebenso klar sah, dass sie einen Urheber haben musste,
-als man sich bewusst war, dass man diesen Urheber nicht errathen könne.
-Ursprünglich wurde daher auch wohl das Passiv durch ein Zeichen
-ausgedrückt, wodurch der Redende andeutete, dass ein Urheber da sey und
-dass er ihn nicht kenne. Man hängte vielleicht den Worten, welche die
-That selbst ausdrückten, den Satz an: ^ich weiss nicht, wer es gethan
-hat^. Wenn nun diese Worte bei gleicher Gelegenheit mehrmals gebraucht
-wurden, so musste es bald dahin kommen, dass sie geschwinder
-ausgesprochen wurden, mit dem Zeitworte, welches die Handlung
-bezeichnete, enger zusammenflossen, und zuletzt einen Bestandtheil
-desselben ausmachten. Ob ein solcher Zusatz ursprünglich dem Zeitworte
-vorgesetzt, oder angehängt wurde, lässt sich nicht bestimmen. Im Ganzen
-aber folgt so viel, dass ursprünglich das ^Passiv^ wohl durch einen
-kleinen Zusatz zum Zeitwort ausgedrückt wurde, welcher eigentlich das
-Zeichen der Unbekanntheit des Urhebers war.
-
-Das ^Verbum medium^ bezeichnet eine Handlung, welche auf uns selbst
-zurückgeht: es gründet sich auf höhere Abstraction, und kann daher in
-einer Ursprache nicht wohl vorkommen.
-
-Die Entstehung des ^Numerus^ lässt sich auf folgende Art erklären. --
-Der ^Singular^ fand sich von selbst; er war der ursprüngliche Numerus;
-die ersten Wörter wurden alle im Singular gebraucht. Nun sollte aber der
-Horde eine Mehrheit angezeigt werden; es wollte z. B. einer sagen: es
-kommen mehrere Löwen! wie sollte er das andeuten? Durch das natürliche
-Bild einer Heerde: durch Dehnung und Wiederholung des Tons, und dadurch,
-dass dieser Ton immer fortschallte. Um wie viel oder wenig man den Ton
-dehnen, oder wie oft man ihn wiederholen sollte, um die mehrere Zahl
-anzudeuten, war vermuthlich nicht bestimmt. Der ^Pluralis^ wurde demnach
-durch Verlängerung des Wortes ausgedrückt.
-
-Der ^Pluralis^ war aber anfangs nur nöthig bei ^Zeitwörtern^,
-keinesweges bei Substantiven und Adjectiven; denn es verstand sich von
-selbst, dass auch sie, wenn sie von einem Zeitworte im Plural begleitet
-wurden, in der mehreren Zahl zu nehmen waren. Der Numerus der
-Substantive und Adjective ist daher in der Ursprache nicht zu suchen: er
-ist keinesweges eine durch Nothwendigkeit geforderte Sprachbestimmung,
-sondern eine Erfindung, welche das Streben nach Bestimmtheit und Eleganz
-im künstlichen Vortrage nöthig machte. Aber bei Zeitwörtern war der
-Plural unentbehrlich.
-
-Die ^verschiedenen Personen^ der ^Zeitwörter^ wurden ohne Zweifel in
-folgender Ordnung gebildet. Diejenige ^Person^, welche zuerst in der
-Sprache bezeichnet wurde, war gewiss die ^dritte^; denn urprünglich
-wurde in keiner anderen, als in der dritten Person geredet. Man nannte
-einen jeden bei seinem eigenthümlichen Namen: N. N. solle das thun! Die
-folgende, welche zunächst der dritten ihre besondere Bezeichnung
-erhielt, war die ^zweite Person^; weil man bei Verabredungen und
-Verträgen bald das Bedürfniss fühlte, dem anderen zu sagen: das sollst
-Du thun. Das ^Ich^, als die ^erste Person^, zeugt (besonders wo es an
-der Endung des Zeitwortes selbst angehängt ist) von höherer
-Vernunftcultur, und wurde also auch zuletzt bezeichnet. Bei Kindern
-sehen wir, dass sie immer in der dritten Person von sich sprechen, und
-sich, als das Subject, von welchem sie etwas sagen wollen, durch ihren
-Namen ausdrücken, weil sie sich bis zum Begriff des Ich, bis zur
-Absonderung des selben von allem ausser ihnen noch nicht erhoben haben.
-^Ich^ drückt den höchsten Charakter der Vernunft aus.
-
-Wie eine ^dritte^, ^zweite^, und ^erste Person^ im ^Plural^ gebildet
-werden konnte, ergiebt sich leicht, wenn der Plural schon vorhanden war.
-
-Die ^Tempora der Zeitwörter^ wurden wahrscheinlich auf folgende Art
-erfunden. Die ersten Zeitwörter wurden bloss ^aoristisch^ gebraucht: aus
-dem ^Aorist^ konnte leicht das ^Präsens^ gebildet werden, oder vielmehr
--- man musste den Aorist bald selbst als Präsens verstehen, weil die
-Bestimmungen bei rohen Nationen sich fast immer auf die gegenwärtige
-Zeit beziehen. Mehr Mühe mochte wohl die Erfindung der Bezeichnungen für
-vergangene und zukünftige Zeiten kosten. Als man zuerst das Bedürfniss
-fühlte, ^Vergangenes^ und ^Zukünftiges^ auszudrücken, gab man wohl die
-Zeit, in welcher etwas geschehen war, oder geschehen sollte, ganz genau
-an; es wurde z. B. nicht gesagt: ^es hat sich zugetragen^, sondern: ^es
-trägt sich vor so und so viel Tagen zu^; nicht: ^es wird sich ereignen^,
-sondern ^es ereignet sich nach so viel Tagen^. Diese Art sich
-auszudrücken, war dem noch ungebildeten Menschen sehr natürlich.
-Vollkommene Präcision im Ausdrucke kündigt eine höhere Verstandescultur
-an, als man den ersten Erfindern der Sprache zuschreiben kann. Der
-ungebildete Mensch theilt nicht bloss das mit, was der andere von einer
-Sache wissen soll, oder will, sondern auch was er selbst davon weiss.
-Daher giebts in den uncultivirten Sprachen eine Menge überflüssiger
-Bestimmungen, eine Menge Ausdrücke, die, der Verständlichkeit des Ganzen
-unbeschadet, weggelassen werden könnten. So auch mit den Bestimmungen
-der Zeit. Die Zeit, in welcher etwas vorgegangen war, oder kommen
-sollte, wurde, so weit man ^zählen^ konnte, bestimmt hinzugesetzt. Wo
-man aber auf einen Zeitraum stiess, welcher eine so genaue Bestimmung
-nicht zuliess, da bediente man sich, wie uns noch einige Spuren in alten
-Sprachen zeigen, der Worte: ^morgen^, ^gestern^ u. s. w., um die
-^verflossene^ oder ^zukünftige^ Zeit unbestimmt auszudrücken.
-
-Aus dieser Bezeichnungsart mussten aber bald mehrere Misverständnisse
-entstehen. Wie leicht konnte es Zwist verursachen, wenn der zweideutige
-Ausdruck ^morgen^ für den besonderen Fall, in welchem er gebraucht
-wurde, nicht gehörig bestimmt war? Z. B. es sagte einer zum andern: ich
-gebe dir das morgen. Hier konnte morgen ebensowohl den nächstkünftigen,
-als jeden anderen folgenden Tag bedeuten. Der andere legt es von dem
-nächstkünftigen Tage aus, und kömmt, um die Sache abzuholen: jener
-weigert sich aber, das Versprochene abzuliefern, weil er es nicht auf
-morgen, sondern überhaupt auf die Zukunft zugesagt hätte. Durch Fälle
-dieser Art konnten leicht Mishelligkeiten entstehen, an welchen sich das
-Bedürfniss einer bestimmten Bezeichnung für Vergangenheit und Zukunft
-deutlich offenbaren musste. Diesem Bedürfniss konnte vielleicht schon
-dadurch abgeholfen werden, dass man solche allgemeine Worte, wie
-^morgen^, ^gestern^ u. s. w., wenn sie die ^verflossene^ oder ^kommende^
-Zeit ^überhaupt^ ausdrücken sollten, mit dem Zeitwort zusammenfassender,
-schneller und kürzer aussprach, und im Gegentheil dieselben Worte, wenn
-sie bestimmt den ^zunächst vergangenen^ oder ^zukünftigen^ Tag
-bezeichnen sollten, durch einen festen, längeren Ton ausdrückte. So
-wurde zum Ausdrucke der vergangenen und zukünftigen Zeit ein Zusatz zum
-Zeitworte gefunden, welcher nach und nach inniger mit demselben
-zusammenfloss, und das ^Perfectum^ und ^Futurum^ in seiner jetzigen
-Gestalt bildete.
-
-Es fragt sich noch: wie entstanden die verschiedenen ^Casus^? -- Der
-^Nominativ^ und ^Accusativ^ sind wohl diejenigen, auf welche man am
-frühesten kam. Man bedurfte sie auch bei der einfachsten Wortfügung, und
-sie liessen sich auch leicht durch die Stelle, welche sie in einem Satze
-bekommen mussten, charakterisiren. Das Subject einer Rede musste, als
-der unbestimmteste Begriff, immer die erste Stelle in einem Satze
-einnehmen. Bei jeder Wortfügung musste also ein Substantiv vorangehen;
-darauf folgte das Zeitwort, der Ausdruck des Zustandes, in welchem sich
-das Subject befand. Sollte nun dieses Zeitwort bezogen werden auf einen
-Gegenstand, welcher mit der durch dasselbe bezeichneten Handlung des
-Subjects in Verbindung stand, so musste dieses seinen Platz gleich
-hinter dem Zeitworte erhalten. Dieser Anordnung der Worte gemäss muss
-das Substantiv, da es das Subject des Satzes anzeigen, gleichsam
-^nennen^ soll, im ^Nominativ^, das Object aber, welches auf die Handlung
-des Subjects bezogen wird, im ^Accusativ^ stehen; folglich der Nominativ
-den Satz anfangen, der Accusativ denselben beschliessen. -- Der
-Accusativ musste mithin auch, weil kein Wort weiter auf ihn folgte, den
-längsten und stärksten Ton haben, der Nominativ aber flüchtig
-ausgesprochen und mit dem Zeitworte verflochten werden. Es musste sich
-also bei einem und demselben Worte leicht unterscheiden lassen, ob es im
-Nominativ, oder Accusativ stehe, indem in dem letzteren Falle entweder
-eine Verlängerung, durch Zusetzung mehrerer Buchstaben oder Sylben, oder
-doch eine Verstärkung des Tones stattfand.
-
-Der ^Genitiv^ wurde als nähere Bestimmung des Substantivs angehängt, und
-ich glaube wohl, dass der Name, den er führt, den ursprünglichen
-Gebrauch bezeichnet, welchen man von diesem Casus machte. Man bediente
-sich seiner zur Bezeichnung der Abstammung eines Menschen, indem man
-erst den Sohn, und dann den Vater nannte. Späterhin wendete man diese
-Bestimmung auch auf das Besitzthum an, man sagte z. B. das Schaaf des
-Marcus u. s. w. Der Genitiv hatte deshalb auch seine Stelle, durch die
-er bezeichnet wurde, unmittelbar nach dem Substantiv, zu dessen näherer
-Bestimmung er diente. Z. B. man wollte unter einer Horde einen
-bezeichnen, der mit mehreren anderen einen gleichen Namen hatte; so
-setzte man, um ihn nicht mit einem von diesen Anderen zu verwechseln,
-den Namen seines Vaters hinzu, als: Marcus Caji, u. s. w. Da nun, nach
-den Grundsätzen, welchen wir bei der Ableitung der Grammatik gefolgt
-sind, jedes Wort, je weiter es in der Reihe der Zeichen zurückstand,
-einen desto längeren und stärkeren Accent erhielt: so musste auch der
-Genitiv einen längeren oder stärkeren Ton bekommen, als der Nominativ,
-hinter welchem er seinen Platz hatte.
-
-Auch der ^Ablativ^ ist, wie der Genitiv, entstanden, um ein Wort näher
-zu bestimmen, und drückte vielleicht anfangs das ^von einem Orte Nehmen^
-aus. Er ist mit dem Genitiv gewissermaassen gleichartig; beide drücken
-die Beziehung mehrerer Nennwörter auf einander aus. Die Entstehung
-dieser beiden Casus ist allerdings in der Ursprache zu suchen. Es war
-unter rohen Völkern sehr nothwendig, dergleichen Beziehungen recht
-verständlich auszudrücken. Wie leicht konnte man einem verdrüsslichen
-Misverständnisse vorbeugen, wenn man, um einen Menschen desto genauer
-kenntlich zu machen, den Namen seines Vaters zu dem seinigen hinzufügte;
-sowie man auch in allen alten Geschichtschreibern zur näheren Bestimmung
-des Sohnes den Namen des Vaters hinzugesetzt findet.
-
-Aber um alle die verschiedenen Beziehungen der Gegenstände auf einander
-zu bezeichnen, ist weder der Genitiv noch der Ablativ hinreichend; es
-bedarf also auch noch der ^Präpositionen^. Eine der gewöhnlichsten
-solcher Beziehungen ist z. B. die ^Local^beziehung, als: das Haus ^im^
-Dorfe, u. s. w. Diese Beziehungen wurden ursprünglich wohl dadurch
-ausgedrückt, dass man einen Buchstaben, eine Sylbe oder einen fast
-unmerklichen Ton einem von den beiden Nennwörtern, welche auf einander
-bezogen werden sollten, beifügte. Da dieser Zusatz, den man sich
-übrigens als Präfix oder Affix denken kann, nicht geschrieben, sondern
-ausgesprochen wurde, so liess sich auch nicht bestimmen, ob er einen
-besonderen Ton ausmachte, sondern er floss in der Aussprache mit dem
-Zeichen, welchem er vor- oder nachgesetzt wurde, zusammen.
-
-Der ^Dativ^ bezeichnet die Beziehung einer Handlung auf ein Drittes, auf
-etwas ausser dem Subject und Object, auf welches die Handlung eigentlich
-abzweckt. Z. B. ich gebe das Brot, ich nehme das Brot: hier fehlt
-offenbar die Beziehung auf ein Drittes, um dessen willen die Handlung
-vorgenommen, dem das Brot gegeben, oder genommen wird. Setze ich diese
-Beziehung hinzu, sage ich z. B. ich gebe oder nehme das Brot dem Hunde,
-so habe ich auch den ^Dativ^. Da der Gegenstand, mit welchem eigentlich
-die Handlung vorgenommen wird, zur Bestimmung der Handlung unmittelbar
-gehört, so muss auch der Accusativ, welcher dieses Verhältniss des
-behandelten Gegenstandes zu der Handlung bezeichnet, unmittelbar nach
-dem Zeitwort stehen; und der ^Dativ^, welcher den Gegenstand bezeichnet,
-um dessenwillen die Handlung eigentlich geschieht, folgt jenem nach. Er
-wird also den Satz schliessen, und folglich einen volleren Ton bekommen,
-als der Accusativ selbst.
-
-So entstand ^Grammatik^ bloss durch das Bedürfniss der Sprache, und
-durch die Fortschritte, welche die menschliche Vernunft nach und nach
-machte. Denn selbst bei der einfachsten Mittheilung der Gedanken musste
-sehr vieles durch Beziehung der Worte auf einander ausgedrückt werden,
-und der natürliche, durch die Vernunft geleitete Gang der Sprache
-brachte den Menschen, ohne dass Verabredung erforderlich gewesen wäre,
-auf die Bestimmung der verschiedenen Arten jener Beziehung.
-
-Man könnte gegen diese Theorie einwenden, dass es verschiedene Sprachen
-gebe, denen man ihre Entstehung nach den von uns vorgetragenen Regeln
-nicht ansehe. So soll, unserer Darstellung gemäss, das Wurzelwort immer
-ein Zeitwort seyn, und dieses Zeitwort soll ursprünglich in Einem Tone
-mehrere Begriffe ausdrücken, soll ursprünglich in der dritten Person
-vorgetragen werden, und aoristische Bedeutung haben. Nun zeigt sich in
-der griechischen und lateinischen Sprache offenbar das Gegentheil. In
-den Zeitwörtern derselben ist augenscheinlich nicht die dritte, sondern
-die erste Person diejenige, aus welcher alle übrigen gebildet sind, ist
-nicht der Aorist, sondern das Präsens die Wurzel. Woher also diese
-Verschiedenheit, wenn unsere Theorie richtig ist? Nehmen wir auch an,
-dass die genannten Sprachen keine Ursprachen gewesen sind, sondern sich
-aus schon entstandenen gebildet haben; so müssen wir doch zugeben, dass
-sie zuletzt aus solchen hervorgehen mussten, welche auf die hier
-vorgetragene Art entstanden waren. Warum zeigt sich nun in ihnen auch
-nicht die leichteste Spur von jener Ursprache? Denn, mag sich eine
-Sprache noch so sehr cultiviren, mag eine gebildetere Grammatik noch so
-viel Modificationen in sie hineintragen: so müssen sich doch in ihr noch
-Ueberreste von dem ersten rohen Zuschnitte finden, z. B. aus der dritten
-Person, und nicht aus der ersten, die Form der übrigen abgeleitet, und
-der Aorist, nicht das Präsens das Wurzelwort seyn.
-
-Auf diesen Einwurf lässt sich folgendes antworten. Man sah sich bald
-genöthigt, neue Worte zu erfinden, weil der menschliche Geist, bei
-seinen Fortschritten zur Cultur, sich immer mit neuen Vorstellungen
-bereicherte, und neue Bestimmungen in alte Begriffe hineintrug. Die
-Worte, welche man zu Bezeichnung dieser Vorstellungen erfand, -- man
-mochte nun dazu entweder ganz neue, in der Sprache bisher noch nicht
-vorgekommene Töne, oder eine Verbindung mehrerer, schon bekannter Töne
-gebrauchen, -- mussten auf jeden Fall das Gepräge der Bildung tragen,
-welche der menschliche Geist in dem Zeitpunct jener erfundenen neuen
-Bezeichnungen hatte. Nun geht der gebildete Mensch vom Ich aus, und
-betrachtet alles aus dem Gesichtspuncte des Ich: er wird also auf dieser
-Stufe der Cultur auch bei der Aufstellung eines neuen Zeitwortes von der
-ersten Person ausgehen. Daher kann es nicht fehlen, dass ein neues Wort,
-gebildet in Zeiten höherer Cultur, von den ursprünglichen Formen
-derselben Sprache abweichen musste. Im Anfange wurden nun solche Worte
-mit den alten, von welchen sie abstammten, zugleich gebraucht; aber bald
-wurden jene allgemein und verdrängten die letzteren. Denn, sowie die
-Nation in ihrer Cultur weiter vorrückte, musste sie nothwendig die
-neueren Formen ihren Begriffen angemessener finden, und über dem
-Gebrauche derselben die älteren bald vergessen.
-
-So wird selbst bei einem Volke, das von allen äusseren Einflüssen frei
-bleibt, sich mit keinem anderen Volke vermischt, seinen Wohnplatz nie
-verändert u. s. w., die rohe Natursprache nach und nach untergehen, und
-an deren Stelle eine andere treten, die von jener auch nicht die
-leichteste Spur an sich trägt. Man würde sich also irren, wenn man
-glaubte, die Griechen, Römer und andere hätten nie eine Ursprache
-gehabt, weil sich keine Ueberreste davon bei ihnen fänden. Jene Urtöne
-sind nach und nach aus der Ursprache verschwunden, als sie sich durch
-Zeichen ersetzt sahen, die dem cultivirten Geiste des Volkes besser
-entsprachen.
-
-Eine eigene Erscheinung in den neueren Sprachen sind die Hülfswörter;
-das: ^ich bin, werden u. s. w.^ Diese Bezeichnungen, wo sie sich in
-einer Sprache finden, beweisen einen hohen Grad der Abstraction. Man
-fand vermuthlich bald einen besonderen Nachdruck in der auszeichnenden
-Endung des Perfectum und Futurum, wodurch die Sprache an Rundung gewann.
-Aber immer ist es Zeichen einer noch höheren Cultur, wenn einzelne
-Begriffe erfunden werden, um Einen Gedanken desto bestimmter
-auszudrücken. Die Aufstellung dieser Bezeichnungen ist aber in einer
-Sprache wenigstens nicht früher möglich, bis in ihr der Begriff des
-Leidens oder das Passiv schon ausgedrückt ist.
-
-
-
-
- E.
- Ueber Belebung und Erhöhung des reinen Interesse für Wahrheit.
-
-
- (Aus Schillers Horen Bd. I, St. I. 1795.)
-
-Vergebens erwartet man durch irgend ein glückliches Ohngefähr die
-Wahrheit zu finden, wenn man sich nicht von einem lebhaften Interesse
-begeistert fühlt, mit Verläugnung alles Andern ausser ihr, sie zu
-suchen. Es ist demnach eine wichtige Frage für jeden, der die Würde der
-Vernunft in sich behaupten will: was habe ich zu thun, um reines
-Interesse für Wahrheit in mir zu erwecken, oder wenigstens dasselbe zu
-erhalten, zu erhöhen und zu beleben?
-
-Wie jedes Interesse überhaupt, so gründet sich auch das Interesse für
-Wahrheit auf einen ursprünglich in uns liegenden Trieb. Unter unseren
-reinen Trieben aber ist auch ein Trieb nach Wahrheit. Niemand ^will^
-irren, und jeder Irrende hält seinen Irrthum für Wahrheit. Könnte man
-ihm auf eine für ihn überzeugende Art darthun, dass er irre, so würde er
-sogleich den Irrthum aufgeben, und statt desselben die entgegengesetzte
-Wahrheit ergreifen.
-
-Kommt etwas hinzu, das sich auf diesen Trieb bezieht, entdeckt man in
-unserm Fall eine Wahrheit als solche, oder erkennt einen Irrthum für
-einen Irrthum, so entsteht nothwendig ein Gefühl des Beifalls für die
-erstere, eine Abneigung gegen den letztern; und beides völlig unabhängig
-von dem Inhalte und den Folgen jener Wahrheit und dieses Irrthums. Aus
-wiederholten Gefühlen der gleichen Art entsteht ein Interesse für
-Wahrheit überhaupt. Ein solches Interesse lässt sich daher nicht
-^hervorbringen^; es gründet sich der Anlage nach auf das Wesen der
-Vernunft, und wird seinen Aeusserungen nach in der Erfahrung durch die
-Welt ausser uns ohne unser wissentliches Zuthun geweckt; aber man kann
-dieses Interesse ^erhöhen^.
-
-Dies geschieht durch Freiheit, wie jede sittliche Handlung. Aber alle
-Regeln für Anwendung der Freiheit setzen die Anwendung derselben schon
-voraus; und man kann vernünftigerweise nur demjenigen zurufen: gebrauche
-deine Freiheit, der dieselbe schon gebraucht hat. Dieser erste Act der
-Freiheit, dieses Losreissen aus den Ketten der Nothwendigkeit geschieht,
-ohne dass wir selbst wissen wie. So wenig wir uns des ersten Schrittes
-in das Reich des Bewusstseyns überhaupt bewusst werden, ebensowenig
-werden wir uns unseres Uebertrittes in das Reich der Moralität bewusst.
-Irgend woher fällt ein Feuerfunke in unsere Seele, der vielleicht lange
-in heimlichem Dunkel glüht. Er erhebt sich, er greift umher, er wird zur
-Flamme, bis er endlich die ganze Seele entzündet.
-
-Jedes praktische Interesse im Menschen erhält und belebt sich selbst;
-darin besteht sein Wesen. Jede Befriedigung verstärkt es, erneuert es,
-hebt es mehr hervor im Bewusstseyn. Gefühl des erweiterten Bedürfnisses
-ist der einzige Genuss für das endliche Wesen. Die Hauptvorschrift zu
-Erhöhung jedes Interesse im Menschen, mithin auch des Interesse für
-Wahrheit, heisst demnach: ^befriedige deinen Trieb^! woraus für den
-gegenwärtigen Fall sich folgende zwei Regeln ergeben: entferne jedes
-Interesse, das dem reinen Interesse für Wahrheit entgegen ist, und suche
-jeden Genuss, der das reine Interesse für Wahrheit befördert!
-
-Man nehme keinen Anstoss an der sonst mit Recht verdächtigen Empfehlung
-des Genusses. Dass durch den Genuss, und allein durch diesen jeder
-Trieb, der in der vernünftigen Natur des Menschen gegründet ist,
-ausgebildet werde, ist einmal wahr. Genuss, der sich bloss auf
-Befriedigung der animalischen Sinnlichkeit gründet, verzehrt und
-vernichtet sich in sich selbst, und von ihm ist hier nicht die Rede.
-Geistiger Genuss, wie z. B. der ästhetische, erhöht sich durch sich
-selbst. Es ist demnach ebenso wahr, dass die obenaufgestellte Regel die
-einzige ist, die zur Erhöhung eines geistigen Interesse gegeben werden
-kann. Die Beantwortung einer ganz anderen Frage: ob nemlich irgend ein
-geistiger Genuss ganz unbedingt zu empfehlen sey? hängt ab von der
-Beantwortung einer höheren Frage: ob der Trieb, auf den jener Genuss
-sich bezieht, ins unbedingte zu erhöhen? und diese von der noch höheren:
-ob dieser Trieb irgend einem andern unterzuordnen sey? So ist der
-ästhetische Trieb im Menschen allerdings dem Triebe nach Wahrheit, und
-dem höchsten aller Triebe, dem nach sittlicher Güte, unterzuordnen. Ob
-der Trieb nach Wahrheit mit einem höheren Triebe in Streit kommen könne,
-wird sich aus unserer Untersuchung von selbst ergeben. -- Irgend einen
-Ausdruck aber zu vermeiden, weil er gemisbraucht worden, glaube ich
-wenigstens hier nicht nöthig zu haben.
-
-Unser Interesse für Wahrheit soll ^rein^ seyn; die Wahrheit, bloss weil
-sie Wahrheit ist, soll der letzte Endzweck alles unseres Lernens,
-Denkens und Forschens seyn.
-
-Die Wahrheit an sich aber ist bloss ^formal^. Uebereinstimmung und
-Zusammenhang in allem, was wir annehmen, ist Wahrheit, sowie Widerspruch
-in unserem Denken Irrthum und Lüge ist. Alles im Menschen, mithin auch
-seine Wahrheit, steht unter diesem höchsten Gesetze: sey stets einig mit
-dir selbst! Heisst jenes Gesetz in der Anwendung auf unsere ^Handlungen^
-überhaupt: handle so, dass die Art deines Handelns, deinem besten Wissen
-nach, ewiges Gesetz für alles dein Handeln seyn kann; so heisst
-dasselbe, wenn es insbesondere auf unser ^Urtheilen^ angewendet wird:
-urtheile so, dass du die Art deines jetzigen Urtheilens als ewiges
-Gesetz für dein gesammtes Urtheilen denken könnest. Wie du
-vernünftigerweise in allen Fällen kannst urtheilen wollen, so urtheile
-in diesem bestimmten Falle. Mache nie eine Ausnahme in deiner
-Folgerungsart. Alle Ausnahmen sind sicherlich Sophistereien. -- Darin
-unterscheidet sich der Wahrheitsfreund vom Sophisten: Beider
-Behauptungen an sich betrachtet kann vielleicht der erstere irren, und
-der letztere recht haben; und dennoch ist der erstere ein
-Wahrheitsfreund, auch wenn er irrt, und der letztere ein Sophist, auch
-da, wo er die Wahrheit sagt, weil sie etwa zu seinem Zwecke dient. Aber
-in den Aeusserungen des Wahrheitsfreundes ist nichts Widersprechendes,
-er geht seinen geraden Gang fort, ohne sich weder rechts noch links zu
-wenden; der Sophist ändert stets seinen Weg, und beschreibt seine krumme
-Schlangenlinie, sowie der Punct sich verrückt, bei welchem er gern
-ankommen möchte. Der erstere hat gar keinen Punct im Gesichte, sondern
-zieht seine gerade Linie, welcher Punct auch immer hineinfallen möge.
-
-Diesem Interesse für Wahrheit um ihrer blossen ^Form^ willen ist gerade
-entgegengesetzt alles Interesse für den ^bestimmten Inhalt^ der Sätze.
-Einem solchen materiellen Interesse ist es nicht darum zu thun, ^wie^
-etwas gefunden sey, sondern nur was gefunden sey.
-
-Wir haben schon etwa einen Satz ehemals behauptet, vielleicht Beifall
-damit gefunden und Ehre eingeerntet, und meinten es damals aufrichtig.
-Damals war unsere Behauptung zwar nicht ^allgemeine^ Wahrheit, die sich
-auf das Wesen der Vernunft, aber doch Wahrheit ^für uns^, die sich auf
-unsere damalige individuelle Denk- und Empfindungsart gründete. Wir
-irrten, aber wir täuschten nicht, weder uns noch andere. Seitdem haben
-wir entweder selbst weiter geforscht, wir haben unsere individuelle
-Denkart dem Ideale der allgemeinen und nothwendigen Denkart mehr
-genähert, oder auch andere haben uns unseren Irrthum gezeigt. Derselbe
-materielle Satz, der ehemals formale Wahrheit für uns war, ist uns
-jetzt, aus dem nemlichen Grunde, aus dem er dieses war, formaler
-Irrthum; und sind wir uns selbst treu, so werden wir ihn sogleich
-aufgeben. Aber dann müssten wir erkennen, dass wir geirrt haben;
-vielleicht dass ein anderer weiter gesehen habe, als wir. Ist unser
-Interesse für Wahrheit nicht rein und nicht stark genug, so werden wir
-gegen die auf uns eindringende Ueberzeugung uns vertheidigen, so lange
-wir können; und nun ist es uns nicht mehr um die Form zu thun, sondern
-um die Materie des Satzes; wir vertheidigen denselben, weil er der
-unsrige ist, und weil ein eitler Ruhm uns mehr gilt, denn Wahrheit.
-
-Eine Meinung schmeichelt unserm Stolze, unseren Anmaassungen, unserer
-Unterdrückungssucht. Man erschüttert sie mit den stärksten Gründen,
-gegen die wir nichts aufbringen können. Werden wir uns überzeugen
-lassen? Aber wir müssten dann entweder unsere gerechten Ansprüche
-aufgeben, oder uns für wohlbedächtige und überlegte Ungerechte
-anerkennen. Es ist zu erwarten, dass wir gegen die Ueberzeugung uns
-verwahren werden, so lange wir können, und dass wir in allen
-Schlupfwinkeln unseres Herzens nach Ausflüchten suchen werden, um ihr
-auszuweichen.
-
-Ein zweites Hinderniss des reinen Interesse für Wahrheit ist die
-Trägheit des Geistes, die Scheu vor der Mühe des Nachdenkens. Der Mensch
-ist von Natur ein vorstellendes Wesen, aber er ist durch sie auch nichts
-weiter. Die Natur bestimmt die Reihe seiner Vorstellungen, wie sie die
-Verkettung seiner körperlichen Theile bestimmt. Sein Geist ist eine
-Maschine, wie sein Körper; nur eine Maschine anderer Art, eine
-vorstellende Maschine, bestimmt durch Einwirkung von aussen und durch
-seine nothwendigen Naturgesetze von innen. Man kann viel wissen, viel
-studiren, viel lesen, viel hören, und ist doch nichts weiter. Man lässt
-durch Schriftsteller oder Redner sich bearbeiten, und sieht mit
-behaglicher Ruhe zu, wie eine Vorstellung in uns mit der andern
-abwechselt. Sowie die Weichlinge des Orients in ihren Bädern durch
-besondere Künstler ihre Gelenke durchkneten lassen, so lassen diese
-durch Künstler anderer Art ihren Geist durchkneten, und ihr Genuss ist
-um weniges edler, als der Genuss jener.
-
-Diesem blinden Hange thätig widerstreben, eingreifen in den Mechanismus
-der Ideenfolge, und ihr gebieten, ihr mit Freiheit eine Richtung geben
-auf ein bestimmtes Ziel, und von dieser Richtung nicht abweichen, bis
-das Ziel erreicht ist: das ist der rohen Natur zuwider, und kostet
-Anstrengung und Verläugnung.
-
-Jedes unthätige Hingeben ist dem Interesse für Wahrheit geradezu
-entgegen. Es wird dabei gar nicht auf Wahrheit oder Nichtwahrheit,
-sondern lediglich auf die Ergötzung geachtet, die jener Wechsel der
-Vorstellungen uns gewährt. Wir kommen dadurch auch nicht zur Wahrheit;
-denn Wahrheit ist Einheit, und diese muss thätig und mit Freiheit
-hervorgebracht werden, durch Anstrengung und eigene Kraftanwendung.
-Gesetzt, man käme durch ein glückliches Ohngefähr auf diesem Wege
-wirklich zu Vorstellungen, die an sich wahr wären, so wären sie es doch
-nicht ^für uns^, denn wir hätten von der Wahrheit derselben uns nicht
-durch eigenes Nachdenken überzeugt.
-
-Beide Unarten vereinigen sich in denjenigen, welche alle Untersuchung
-fliehen, aus Furcht, dadurch in ihrer Ruhe und in ihrem Glauben gestört
-zu werden. Was kann eines vernünftigen Wesens unwürdiger seyn, als eine
-solche Ausrede? Entweder ist ihre Ruhe, ihr Glaube gegründet; und was
-fürchten sie dann die Untersuchung? Die Güte ihrer Sache muss ja
-nothwendig durch die hellste Beleuchtung gewinnen. -- Aber sie fürchten
-vielleicht bloss unsere Trugschlüsse, unsere Ueberredungskünste? Wenn
-sie unsere Folgerungen nicht gehört haben, noch hören wollen: woher
-mögen sie doch wissen, dass es Trugschlüsse sind? Und setzen sie in
-ihren Verstand nicht das Vertrauen, dass er allen falschen Schein, der
-sich gegen ihre Ueberzeugung auflehnt, zerstreuen werde, da sie ihm doch
-das ungleich grössere zutrauen, dass er die einzig mögliche reine
-Wahrheit ohne sonderliches Nachdenken aufgefunden habe? -- Oder ihre
-Ruhe, ihr Glaube ist grundlos; und also ist es ihnen überhaupt nicht
-darum zu thun, ob er gegründet sey oder nicht, wenn sie nur nicht in
-ihrer süssen Behaglichkeit gestört werden. Es liegt ihnen gar nicht an
-der Wahrheit, sondern bloss an der Vergünstigung, dasjenige für wahr zu
-halten, was sie bisher dafür gehalten haben; sey es um der Gewohnheit
-willen, sey es, weil der Inhalt desselben ihrer Trägheit und
-Verdorbenheit schmeichelt. Sie erhalten etwa dadurch die Hoffnung, ohne
-alles ihr Zuthun, tugendhaft und glückselig, oder wohl gar ohne Tugend
-glückselig zu werden, recht viel zu geniessen, ohne etwas zu thun;
-andere für sich arbeiten zu lassen, wo sie Lust haben, träge und
-verdorben zu seyn.
-
-Alles Interesse von der angezeigten Art ist unächt, und in Ausrottung
-desselben besteht der erste Schritt zu Erhöhung des reinen Interesse für
-Wahrheit. Der zweite ist: man überlasse sich jedem Genusse, den das
-reine Interesse für Wahrheit gewährt. Die ^Wahrheit an sich selbst^,
-wiefern sie bloss in der Harmonie alles unseres Denkens besteht, gewährt
-Genuss, und einen reinen, edlen, hohen Genuss.
-
-Das ist eine gemeine Seele, der es gleichgültig ist, ob sie, so
-geringfügig der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im Besitz der
-Wahrheit sey. Es ist hierbei nemlich gar nicht um den Inhalt und um die
-Folgen eines Satzes zu thun, sondern lediglich um Einheit und
-Uebereinstimmung in dem gesammten System des menschlichen Geistes. Aber
-der Mensch ^soll^ einig mit sich selbst seyn; er soll ein eigenes, für
-sich bestehendes Ganzes bilden. Nur unter dieser Bedingung ist er
-Mensch. Mithin ist das Bewusstseyn der völligen Uebereinstimmung mit uns
-selbst in unserem Denken, oder doch des redlichen Strebens nach einer
-solchen Uebereinstimmung, unmittelbares Bewusstseyn unserer behaupteten
-Menschenwürde, und gewährt einen moralischen Genuss.
-
-Man bezeugt es sich durch jenes Streben, und durch die vermittelst
-desselben hervorgebrachte Harmonie, dass man ein selbstständiges, von
-allem, was nicht unser Selbst ist, unabhängiges Wesen bilde. Man wird
-des erhabenen Gefühls theilhaftig: ich bin, was ich bin, weil ich es
-habe seyn wollen. Ich hätte mich können forttreiben lassen durch die
-Räder der Nothwendigkeit; ich hätte meine Ueberzeugung können bestimmen
-lassen durch die Eindrücke, die ich von der Natur überhaupt erhielt,
-durch den Hang meiner Leidenschaften und Neigungen, durch die Meinungen,
-die mir meine Zeitgenossen beibringen wollten: aber ich habe nicht
-gewollt. Ich habe mich losgerissen, ich habe durch eigene Thätigkeit
-nach einer durch mich selbst bestimmten Richtung hin untersucht; ich
-stehe jetzt auf diesem bestimmten Puncte, und ich bin durch mich selbst,
-durch eigenen Entschluss und eigene Kraft darauf gekommen. -- Man wird
-des erhabenen Gefühls theilhaftig: ich werde immer seyn, was ich jetzt
-bin, weil ich es immer wollen werde. Der ^Inhalt^ meiner Ueberzeugungen
-zwar wird durch fortgesetztes Nachforschen sich ändern, aber um ihn ist
-es mir auch nicht zu thun. Die ^Form^ derselben wird sich nie ändern.
-Ich werde nie der Sinnlichkeit, noch irgend einem Dinge, das ausser mir
-ist, Einfluss auf die Bildung meiner Denkart verstatten; ich werde, so
-weit mein Gesichtskreis sich erstreckt, immer einig mit mir selbst seyn,
-weil ich es immer wollen werde.
-
-Diese strenge und scharfe Unterscheidung unseres reinen Selbst von
-allem, was nicht wir selbst sind, ist der wahre Charakter der
-Menschheit; die Stärke und der Umfang dieses Selbstgefühls ist bestimmt
-durch den Grad unserer Humanität; dieser unsere ganze Würde und unsere
-ganze Glückseligkeit.
-
-Mit dieser sichern Ueberzeugung, stets einig mit sich selbst zu seyn,
-geht der entschiedene Freund der Wahrheit auf dem Wege der Untersuchung
-ruhig fort; er geht muthig allem entgegen, was ihm auf demselben
-aufstossen möchte. Es ist für denjenigen, der mit sich selbst noch nicht
-recht eins geworden ist, was er denn eigentlich suche und wolle,
-äusserst beängstigend, wenn er auf seinem Wege auf Sätze stösst, die
-allen seinen bisherigen Meinungen, und den Meinungen seiner
-Zeitgenossen, und der Vorwelt widersprechen; und gewiss ist diese
-Aengstlichkeit eine der Hauptursachen, warum die Menschheit auf dem Wege
-zur Wahrheit so langsame Fortschritte gemacht hat. Von ihr ist
-derjenige, der die Wahrheit um ihrer selbst willen sucht, völlig frei.
-Er blickt jeder noch so befremdenden Folgerung kühn in das Gesicht. Ob
-sie ein befremdendes oder bekanntes Aussehen habe, ob sie seiner und
-aller bisherigen Meinung widerspreche oder nicht, darnach war nicht die
-Frage. Die Frage war: ob sie, seinem besten Wissen nach, mit den
-Gesetzen des Denkens übereinstimme oder nicht, und das wird er
-untersuchen. Wird sich finden, dass sie damit übereinstimme, so wird er
-sie als heilige, ehrwürdige Wahrheit aufnehmen; wird sie nicht damit
-übereinstimmen, so wird er sie als Irrthum verwerfen, nicht weil sie der
-gemeinen Meinung, sondern weil sie seinem besten Wissen nach den
-Gesetzen des Denkens widerspricht. Bis dahin ist er völlig gleichgültig
-gegen sie; über ihren Inhalt hat er die Frage nicht erhoben; derselbe
-ist ihm bekannt; ihre Form hat er noch zu untersuchen.
-
-Mit dieser kalten Ruhe und festen Entschlossenheit blickt er hinein in
-das Gewühl der menschlichen Meinungen überhaupt und seiner eigenen
-Einfälle und Zweifel. Es wirbelt und stürmt ^um ihn herum^, aber nicht
-^in ihm^. Er selbst sieht aus seiner unerreichbaren Burg ruhig dem
-Sturme zu. Er wird ihm zu seiner Zeit gebieten, und eine Welle nach der
-anderen wird sich legen. -- Er will nur Harmonie mit sich selbst, und er
-bringt sie hervor, so weit er bis jetzt gekommen ist. Dort ist noch
-Verwirrung in seinen Meinungen; das ist nicht seine Schuld, denn bis
-dahin hat er noch nicht kommen können. Er wird auch dahin kommen, und
-dann wird jene Unordnung in die schönste Ordnung sich auflösen. -- Was
-wäre denn wohl endlich das härteste, was ihm begegnen könnte? Gesetzt,
-er fände, entweder weil die Schranken der endlichen Vernunft überhaupt,
-welches unmöglich ist, oder weil die Schranken seines Individuums
-solches mit sich bringen, als letztes Resultat seines Strebens nach
-Wahrheit, dass es überhaupt gar keine Wahrheit und Gewissheit gebe. Er
-würde auch diesem Schicksale, dem härtesten, das ihn treffen könnte,
-sich unterwerfen; denn er ist zwar unglücklich, aber schuldlos; er ist
-seines redlichen Forschens sich bewusst, und das ist statt alles Glücks,
-dessen er nun noch theilhaftig werden kann.
-
-Ebenso ruhig -- wenn dieser Umstand der Erwähnung werth ist -- bleibt
-der entschiedene Freund der Wahrheit darüber, was ^andere^ zunächst zu
-seinen Ueberzeugungen sagen werden, wenn er in der Lage seyn sollte, sie
-mittheilen zu müssen; und der Gelehrte ist immer in dieser Lage, da er
-nicht bloss für sich selbst, sondern zugleich für andere forscht. Die
-Frage ist ja gar nicht, ob wir mit anderen, sondern ob wir mit uns
-selbst übereinstimmend denken. Ist das letztere, so können wir des
-erstern ohne unser Zuthun, und ohne erst die Stimmen zu sammeln, bei
-allen denen gewiss seyn, die mit sich selbst in Uebereinstimmung stehen;
-denn das Wesen der Vernunft ist in allen vernünftigen Wesen Eins und
-ebendasselbe. Wie ^andere^ denken, wissen wir nicht, und wir können
-davon nicht ausgehen. Wie ^wir^ denken sollen, wenn wir vernünftig
-denken wollen, können wir finden; und so, wie wir denken sollen, sollen
-alle vernünftige Wesen denken. Alle Untersuchung muss von innen heraus,
-nicht von aussen herein, geschehen. ^Ich^ soll nicht denken, wie
-^andere^ denken; sondern wie ^ich^ denken soll, so, soll ich annehmen,
-denken auch andere. -- Mit denen übereinstimmend zu seyn, die es mit
-sich selbst nicht sind, wäre das wohl ein würdiges Ziel für ein
-vernünftiges Wesen?
-
-Das Gefühl der für formale Wahrheit angewendeten ^Kraft^ gewährt einen
-reinen, edlen, dauernden Genuss.
-
-Einen solchen Genuss kann uns überhaupt nur dasjenige gewähren, was
-unser eigen ist, und was wir durch würdigen Gebrauch unserer Freiheit
-uns selbst erworben haben. Was uns hingegen ohne unser Zuthun von aussen
-gegeben worden ist, gewährt keinen reinen Selbstgenuss. Es ist nicht
-unser, und es kann uns ebenso wieder genommen werden, wie es uns gegeben
-wurde; wir geniessen an demselben nicht uns selbst, nicht unser eigenes
-Verdienst und unsern eigenen Werth. So verhält es sich auch insbesondere
-mit Geisteskraft. Das, was man guten Kopf, angebornes Talent, glückliche
-Naturanlage nennt, ist gar kein Gegenstand eines vernünftigen
-Selbstgenusses, denn es ist dabei gar kein eigenes Verdienst. Wenn ich
-eine reizbarere, thätigere Organisation erhielt, wenn dieselbe gleich
-bei meinem Eintritte ins Leben stärker und zweckmässiger afficirt wurde,
-was habe ^ich^ dazu beigetragen? Habe ich jene Organisation entworfen,
-unter mehreren sie ausgewählt und mir zugeeignet? Habe ich jene
-Eindrücke, die mich bei meinem Eintritte ins Leben empfingen, berechnet
-und geleitet?
-
-Meine Kraft ist ^mein^, lediglich inwiefern ich sie durch Freiheit
-hervorgebracht habe; ich kann aber nichts in ihr hervorbringen, als ihre
-Richtung; und in dieser besteht denn auch die wahre Geisteskraft. Blinde
-Kraft ist keine Kraft, vielmehr Ohnmacht. Die Richtung aber gebe ich ihr
-durch Freiheit, deren Regel ist, stets übereinstimmend mit sich selbst
-zu wirken; vorher war sie eine fremde Kraft, Kraft der willenlosen und
-zwecklosen Natur in mir.
-
-Diese Geisteskraft wird durch den Gebrauch verstärkt und erhöht; und
-diese Erhöhung giebt Genuss, denn sie ist Verdienst. Sie gewährt das
-erhebende Bewusstseyn: ich war Maschine, und konnte Maschine bleiben;
-durch eigene Kraft, aus eigenem Antriebe habe ich mich zum
-selbstständigen Wesen gemacht. Dass ich jetzt mit Leichtigkeit, frei,
-nach meinem eigenen Zwecke fortschreite, verdanke ich mir selbst; dass
-ich fest, frei und kühn an jede Untersuchung mich wagen darf, verdanke
-ich mir selbst. Dieses Zutrauen auf mich, dieser Muth, mit welchem ich
-unternehme, was ich zu unternehmen habe, diese Hoffnung des Erfolgs, mit
-der ich an die Arbeit gehe, verdanke ich mir selbst.
-
-Durch diese Geisteskraft wird zugleich das moralische Vermögen gestärkt,
-und sie ist selbst moralisch. Beide hängen innig zusammen, und wirken
-gegenseitig auf einander. Wahrheitsliebe bereitet vor zur moralischen
-Güte, und ist selbst schon an sich eine Art derselben. Dadurch, dass man
-alle seine Neigungen, Lieblingsmeinungen, Rücksichten, alles, was ausser
-uns ist, den Gesetzen des Denkens frei unterwirft, wird man gewöhnt, vor
-der Idee des Gesetzes überhaupt sich niederzubeugen und zu verstummen;
-und diese freie Unterwerfung ist selbst eine moralische Handlung.
-Herrschende Sinnlichkeit schwächt in gleichem Grade das Interesse für
-Wahrheit, wie für Sittlichkeit. Durch den Sieg, den das erstere über
-dieselbe erkämpft, wird zugleich für die Tugend ein Sieg erfochten.
-Freiheit des Geistes in ^Einer^ Rücksicht entfesselt in allen übrigen.
-Wer alles, was ausser ihm liegt, in der Erforschung der Wahrheit
-verachtet, der wird es auch in allem seinem Handeln überhaupt verachten
-lernen. Entschlossenheit im Denken führt nothwendig zur moralischen Güte
-und zur moralischen Stärke.
-
-Ich setze kein Wort hinzu, um die Würde dieser Denkart fühlbar zu
-machen. Wer ihrer fähig ist, der fühlt sie durch die blosse
-Beschreibung; wer sie nicht fühlt, dem wird sie ewig unbekannt bleiben.
---
-
-
-
-
- F.
- Aphorismen
- über Erziehung aus dem Jahre 1804.[36]
-
-
- 1.
-
-Einen Menschen erziehen heisst: ihm Gelegenheit geben, sich zum
-vollkommenen Meister und Selbstherrscher seiner ^gesammten^ Kraft zu
-machen. Der ^gesammten^ Kraft, sage ich; denn die Kraft des Menschen ist
-Eine und ist ein zusammenhängendes Ganze. Sogleich in der Erziehung
-einen abgesonderten Gebrauch dieser Kraft als Ziel ins Auge fassen, --
-den Zögling für seinen Stand erziehen, wie man dies wohl genannt hat,
-würde nur überflüssig seyn, wenn es nicht verderblich wäre. Es verengt
-die Kraft und macht sie zum Sklaven des angebildeten Standes, da sie
-doch sein Herrscher seyn sollte. Der völlig und harmonisch ausgebildeten
-Kraft kann man es überlassen, von welcher Seite her sie sich der Welt
-und der Praxis in ihr nähern werde; oder: in allen Ständen kommt es
-nicht darauf an, wozu man ^erzogen^ sey und was man ^gelernt^ habe,
-sondern was man ^sey^? Wer überhaupt nur wirklich ^ist^, ein
-vernünftiges und in jedem Augenblicke selbstthätiges Wesen, wird immer
-mit Leichtigkeit sich zu dem ^machen^, was er in seiner Lage seyn soll.
-Wer aber durch irgend eine äusserliche Einübung (Dressur) den leider
-ermangelnden Thierinstinct ersetzt hat, der bleibt eben in dieser
-Schranke befangen, die ihn wie eine zweite, ihm undurchdringliche Natur
-umgiebt, und die Erziehung, der Unterricht hat ihn gerade beschränkt,
-getödtet, statt ihn zu befreien und zum lebendigen Fortwachsen aus sich
-selbst fähig zu machen.
-
-[Fußnote 36: Als Rechenschaftsablegung bei Gelegenheit eines damals
-gefassten Planes geschrieben, einige Söhne ihm befreundeter Familien,
-zur Erziehung mit dem eigenen, in sein Haus aufzunehmen.
-
- (Anmerk. des Herausgebers.)]
-
-
- 2.
-
-Für Entwickelung der ^Geistes^kraft in diesem allgemeinsten Sinne haben
-wir Neueren nichts Zweckmässigeres, als die Erlernung der alten
-klassischen Sprachen. Ob man fürs Leben jemals dieser Sprachen bedürfen
-werde, davon sey nicht die Frage: ja sogar davon werde abgesehen, ob es
-dem aufkeimenden Geiste räthlicher sey, in der gepressten Luft der
-modernen Denkart, oder in dem heiteren Wehen der Schriftsteller des
-Alterthums zu athmen. Folgende Frage aber kann nicht geschenkt werden:
-wie der Zögling über den Nebel nicht von ihm geschaffener und deshalb
-nicht verstandener Worte, der nur den Geist, welcher ihm unbewusst in
-der Sprache umherwankt, keinesweges aber seinen eigenen, in ihm
-aufkommen lässt, -- über diesen Nebel, der den grössten Theil selbst der
-angeblich gebildeten Menschen zeitlebens gefesselt hält, zur lebendigen
-Anschauung der Sache selbst gelangen solle?
-
-Ich halte dafür, dass dies geschehen könne nur durch das Studium ^der^
-Sprachen, deren ganze ^Begriffsgestaltung^ von der Modernität völlig
-abweicht und jeden, der es in dieser Region bis zum ^eigentlichen
-Verstehen^ bringen soll -- was freilich mehr ist, als was der
-gewöhnliche Unterricht in den alten Sprachen bezweckt und in der Regel
-auch erreicht, der sich mit dem ungefähren Dolmetschen des Sinnes
-begnügt, -- entschieden nöthiget, über alle Zeichen hinweg zu etwas
-Höherem, als das Sprachzeichen ist, zu dem Begriffe der Sache sich zu
-erheben: -- ein Studium, welches ebendarum durch die Erlernung keiner
-neueren Sprache zu ersetzen ist, weil hierin mit nichtverstandenen
-Phrasen, gegen andere gleichgeltende, nur anderstönende, welche
-ebenfalls nicht verstanden werden, d. h. in denen niemals vom Ausdrucke
-und Bilde zum Begriffe vorgedrungen wird, -- ein Tauschhandel getrieben
-werden kann und getrieben wird. Daher nun die Nebelwelt
-halbverstandener, nie bis auf ihren Kern untersuchter Vorstellungen, in
-der das gewöhnliche Bewusstseyn, auch der sogenannten Gebildeten, lebt,
-und die ihre Wahrheit sind, nach der zufälligen Gestaltung des sie
-umgebenden Sprachgeistes und nach dem ebenso zufälligen Anfluge aus
-ihren specielleren Umgebungen, wo also nirgends das Bewusstseyn mit dem
-Realen und Wahren zu thun hat, sondern mit den Schattenbildern
-desselben.
-
-
- 3.
-
-Es liegt in der Sache, dass die ^Form^ des Unterrichtes und der Uebungen
-auf den beschriebenen Zweck berechnet seyn muss; eine Form, mit welcher
-ich aus alter Uebung im Unterrichte sehr bekannt zu seyn glaube. Eine
-Nebenrücksicht hierbei wird die seyn, den grössten Theil der Zeit und
-der Mühe, der in dem hergebrachten Unterrichte auf das Lateinische, eine
-sehr nachstehende Tochter des Griechischen, gewidmet wird, der Mutter
-selbst zuzuwenden, mit dem Griechischen, so viel dies möglich ist,
-anzufangen, dies als Hauptsache zu nehmen und bis zu Stil- und sogar
-Sprechübungen zu treiben, indem aus der für den geborenen Deutschen,
-wegen der sehr nahen Verwandtschaft des Griechischen mit seiner
-Muttersprache ohnedies leicht zu erlangenden Fertigkeit, eine Ansicht
-von der Sprache überhaupt und so auch eine Vorbereitung auf das weit
-ferner für uns liegende Lateinische erfolgt; welche auf umgekehrtem Wege
-nicht so sicher zu erreichen wäre.
-
-
- 4.
-
-Es versteht sich, dass über dieser Erlernung der alten Sprachen und der
-Ansichten der alten Welt, der alten Geschichte, Geographie u. s. w., die
-Kenntniss der umgebenden Welt nicht vergessen werde. Dies ist nun aber,
-weil es das Umgebende betrifft, mehr durch Leben und möglichst zu
-vermittelnde Anschauung, als durch todtes Studium und Ueberlieferung,
-mehr durch unmittelbare Erfahrung und Conversation darüber, als durch
-besondere Lehrstunden zu befördern. Ein lebendiger, durch seine tägliche
-Arbeit an Verknüpfung und Ordnung gewöhnter Knabe wird nicht ermangeln,
-von dem, was er erblickt, aufzusteigen zu dem, was er nicht erblickt,
-und darnach, so wie nach dem Zusammenhange beider zu fragen, und er wird
-Befriedigung erhalten, wenn diejenigen, die ihn umgeben, theils selber
-die Sache wissen, theils so zu antworten verstehen, dass keine todte,
-nur wiederholende Phrase, sondern eine lebendige Anschauung im Zöglinge
-entstehe.
-
-
- 5.
-
-Der innere Geist und Charakter dieser intellectuellen Erziehung, ohne
-welchen alle äusserlichen Fertigkeiten und Kenntnisse keinen Werth
-haben, ist der, dass der Zögling in der That und stets selbst arbeite,
-Alles durch eigene Geisteskraft sich erwerbe, keinesweges aber nur
-mechanisch etwas anlerne. Die Methode, leicht oder spielend zu lehren
-und zu lernen, kann daher in einem vernunftgemässen Erziehungsplane
-nicht eintreten, in welchem es gar nicht darauf ankommt, ^was^ da
-erlernt sey, sondern was der Zögling geistig vermöge, und wie dies
-Vermögen durch den Stoff des Unterrichtes entwickelt worden sey.
-
-Aus diesem Grunde wird das Studium der Mathematik, am geeignetsten nach
-Euklides oder in dieser Methode, der zweite Hauptzweig des eigentlichen
-Unterrichtes seyn.
-
-
- 6.
-
-Dagegen im unmittelbaren Leben, durch ein von selbst sich darbietendes
-oder künstlich herbeigeführtes Bedürfniss angeregt, sind die neueren
-Sprachen zu erlernen. Diese Erlernung ist dem Knaben, der schon an den
-alten Sprachen Kenntniss der Sprache überhaupt sich erworben, und Ohr
-und Zunge an ihnen geübt hat, der ferner Lateinisch versteht, besonders
-bei den Töchtern des Lateinischen sehr leicht, wenn dabei nur nicht auf
-eine zu nichts dienende Virtuosität im blossen Sprechen ausgegangen
-wird.
-
-
- 7.
-
-Jenen auf Anschauung gegründeten Unterricht in den Anfangsgründen der
-Geometrie und Arithmetik abgerechnet, ist ein eigentlich systematisches
-und speculatives Studium der Wissenschaften, vor den Jahren der
-anfangenden Reife, sogar nachtheilig. Früher werde nur reicher Stoff der
-Erkenntniss herbeigeführt, die Phantasie gestärkt und frei und
-selbstständig gemacht, der Verstand durch Uebung an den gesetzmässigen
-Gang ^angewöhnt^, als ob dies gar nicht anders seyn könne. Erst in
-dieser Richtigkeit des geistigen Blickes befestigt, möge er Ausflug
-nehmen zur Erforschung und zum deutlichen Bewusstseyn seiner Gesetze,
-denen er bisher, wie einem dunkeln Instincte, folgte. Mit Einem Worte:
-Transscendentalismus jeder Art, selbst in seinen leisesten Andeutungen,
-gehört nicht unter die Gegenstände der Erziehung. --
-
-
- 8.
-
-Der Körper ist so gut Ausdruck der ^gesammten^ menschlichen Kraft, als
-es der Geist ist. Abgerechnet nun, dass ganz gegen die gewöhnliche
-Meinung von der »Ungesundheit« des Fleisses und des ernsten Studiums,
-frühe Geistesbildung, wenn sie nur nicht ein Brüten der Memorie über
-todten, unverstandenen Phrasen, sondern ein Leben und Weben der
-Phantasie seyn soll, schon durch sich selbst auch für den Körper der
-wirksamste Lebensbalsam ist: -- dies abgerechnet, bleibt es noch
-besonderer Zweck der Erziehung, den Zögling auch seines Körpers Meister
-zu machen, also dass er diesen besitze, in keinem Sinne aber von ihm
-besessen werde, -- auch nicht durch körperliche Stimmungen und
-Aufregungen.
-
-Hierher gehört zuerst Entwicklung und Fixirung der Sinne; des Auges
-durch (nicht mechanisches, sondern perspectivisches) Zeichnen; des Ohres
-durch Uebung im harmonischen, einstimmigen und vielstimmigen Gesange,
-und, sofern Talent vorhanden, auch im Erlernen eines musikalischen
-Instrumentes: -- des allgemeinen Sinnes durch Gewöhnung an
-ununterbrochene Aufmerksamkeit und absolutes Nichtdulden des
-Zerstreutseyns. (Dieser Punct ist wichtiger als er scheint, und ich
-getraue mir zu behaupten, dass man das Menschengeschlecht mit Einem
-Streiche von allen seinen übrigen Gebrechen geheilt haben würde, wenn
-man jeden von dem Zerstreutseyn geheilt, und ihn dahin gebracht hätte,
-nur allemal seine ganze unzerstreute Aufmerksamkeit auf das zu richten,
-was er jetzt treibt.)
-
-Täglicher Genuss der frischen Luft, harmonische Ausbildung des Körpers
-durch gymnastische Uebungen, wie Tanzen, Ringen, Fechten, Reiten,
-insgesammt auf den Zweck gerichtet, den Körper unter die Herrschaft des
-Geistes zu bringen und ihn zugleich zum starken, ausdauernden Werkzeuge
-desselben zu machen, verstehen sich von selber im Ganzen dieses
-Erziehungsplanes.
-
-
- 9.
-
-Eine ^positive^ moralische Erziehung, d. h. eine solche, die sich den
-Zweck setze und ihn ausdrücklich ausspreche, den Zögling zur Tugend zu
-bilden, giebt es nicht; vielmehr würde ein solches Verfahren den inneren
-moralischen Sinn ertödten und gemüthlose Heuchler und Gleissner bilden.
-In der eigenen schamhaften Stille des Gemüthes, ohne Geschwätz und
-Selbstbespiegelung, muss die Sittlichkeit von selbst aufkeimen, und
-allmählig höher erwachsen und sich verbreiten, so wie die äusseren
-Beziehungen sich theils vermehren, theils dem Kinde klarer werden. So
-muss es seyn, und so wird es ohne alles absichtliche Zuthun allenthalben
-von selbst erfolgen, ^sofern nur lauter gute Beispiele den Zögling
-umgeben und alles Schlechte, Gemeine und Niedrige fern von seinem Auge
-gehalten wird.^
-
-Ausser dieser verhütenden Sorgfalt hat der Erzieher nur noch Folgendes
-zu thun: wenige, in sich selbst durchaus klare und leicht zu
-beobachtende positive Gebote aufzustellen, über deren Befolgung, ohne
-irgend eine Ausnahme und unverbrüchlich, gehalten werde. So wäre denn
-irgend einmal mit Feierlichkeit das sittliche Gesetz anzukündigen:
-schlechthin nicht zu lügen, nicht wissentlich und bedächtig gegen sein
-Bewusstseyn zu reden oder zu handeln. Nach aller Erfahrung ergreift
-dieses Gesetz mit einer wunderbaren Gewalt den Knaben, erhebt ihn, giebt
-ihm eine innerliche Fassung, und wird ihm unaustilgbare Quelle der
-inneren Rechtschaffenheit, die die Mutter aller Tugenden ist und Keinen,
-der sie besitzt, ohne Rettung fallen lässt.
-
-
- 10.
-
-Innere Religiosität des Gemüthes, das heisst: heilige Ahnung eines über
-alle Sinnlichkeit Erhabenen, und Hinneigung zu ihm, findet bei innerer
-Rechtschaffenheit des Gemüthes und zweckmässiger Geistesbildung, wie sie
-eben beschrieben worden, sich ganz von selbst. Sie planmässig anlehren
-zu wollen, würde abermals den inneren Sinn dafür ertödten und den
-Heuchler bilden. -- Die Unterweisungen in der positiven Landesreligion
-wird, wenn der Zögling in die Jahre kommt, an den Mysterien derselben
-theilzunehmen, der Geistliche seiner Confession (welches diese sey, ist
-unserer Erziehung völlig gleichgültig) besorgen, und unser
-Erziehungsplan wird jeder positiven oder negativen Einmischung und jedes
-Einflusses in diese Angelegenheit sich mit strenger Gewissenhaftigkeit
-enthalten.
-
-
- 11.
-
-Die äusseren Mittel zur Erreichung des angegebenen Zweckes werden
-folgende seyn:
-
-Es wird ein Hauslehrer, oder falls eine grössere Anzahl von Zöglingen
-sich fände, deren zwei gehalten. Die ausschliessenden Bedingungen, durch
-die man sich bei der Wahl dieser Lehrer leiten lassen wird, werden darin
-bestehen: zuvörderst, dass ihnen Pädagogik um ihrer selbst willen
-Geistes- und Herzensangelegenheit sey, und sie daher eine solche Stelle
-nicht als Mittel für einen fremden Zweck, sondern selbst als nächsten
-Zweck suchen; -- sodann, dass, wenn sie auch nicht alles, sogar nur
-weniges von dem, was sie lehren sollen, wissen, sie doch die
-Geistesfreiheit und Uebung haben, immer mit Leichtigkeit es zu lernen,
-so wie sie dessen bedürfen, und ebenso die zweckmässigste Methode, es zu
-lehren, besitzen oder diese sich anzueignen vermögen. Diese Männer
-werden, abwechselnd mit mir, unter täglich gegenseitiger Rücksprache und
-Rechenschaftsablegung, lehren und die Zöglinge unter ^ununterbrochener^
-Aufsicht behalten.
-
-
- 12.
-
-Fremde Kinder durchaus und ganz wie unser eigenes anzusehen und zu
-behandeln, dazu müsste uns, selbst wenn es keine höheren Antriebe gäbe,
-sogar die Klugheit und das Wohlwollen gegen unser eigenes Kind nöthigen,
-indem das entgegengesetzte Benehmen gerade für es selbst die
-nachtheiligsten Folgen haben würde.
-
-
-
-
- G.
- Bericht
- über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen
- Schicksale derselben.
-
-
- (Geschrieben im Jahre 1806.)
-
-
- Erstes Capitel.
- Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre.
-
-Falls etwa der Erkenntniss der Wahrheit durch den Menschen dieses
-Hinderniss im Wege stände, dass im natürlichen und kunstlosen Zustande
-diese Erkenntniss sich selber, nach eigenen innern und verborgen
-bleibenden Gesetzen gestaltete und bildete; diese ihre eigene Gestalt
-der zu erkennenden Wahrheit, ohne unser Vermerken, mittheilte, und so in
-der Erkenntniss sich selber in den Weg, und zwischen sich und die reine
-Wahrheit in die Mitte träte: so würde es auf diese Weise nie zur
-Wahrheit, und falls diese Selbstmodification der Erkenntniss wandelbar,
-veränderlich, und in ihrer verschiedenen Gestaltung vom blinden
-Ohngefähr abhängig seyn sollte, auch nie zu bleibender Einheit und
-Gewissheit in der Erkenntniss kommen. Diesem Mangel und den nothwendigen
-Folgen desselben könnte auf keine andere Weise abgeholfen werden, ausser
-dadurch, dass jene inneren Selbstmodificationen der Erkenntniss aus
-ihren Gesetzen vollständig erschöpft, und die Producte derselben von der
-erkannten Wahrheit abgezogen würden; worauf, nach diesem Abzuge, die
-reine Wahrheit übrigbleiben würde.
-
-So verhält es sich nun in der That; und dem zufolge würden, bis auf
-Kant, alle Denker und Bearbeiter der Wissenschaft ohne Ausnahme durch
-den verborgenen Strom jener inneren Verwandlungen der Erkenntniss
-herumgezogen, und mit sich selber und andern in Widerstreit versetzt.
-Kant war der erste, der diese Quelle aller Irrthümer und Widersprüche
-glücklich entdeckte, und den Vorsatz fasste, auf die einzig
-wissenschaftliche Weise, durch systematische Erschöpfung jener
-Modificationen, und, wie er es nannte, durch Ausmessung des ganzen
-Gebiets der Vernunft, sie zu verstopfen. Die Ausführung blieb jedoch
-hinter dem Vorsatz zurück, indem die Vernunft oder das Wissen nicht in
-seiner absoluten Einheit, sondern schon selbst in verschiedene Zweige
-gespalten, als theoretische, als praktische, als urtheilende Vernunft,
-der Untersuchung unterworfen; auch die Gesetze dieser einzelnen Zweige
-mehr empirisch gesammelt, und durch Induction als Vernunftgesetze
-erhärtet wurden, als dass eine wahre Deduction aus der Urquelle sie
-erschöpft, und als das, was sie sind, sie dargelegt hätte. Bei diesem
-Stande der Sachen ergriff die Wissenschaftslehre die durch jene
-Kantische Entdeckung an die Menschheit gestellte Aufgabe; zeigend, was
-der Wissenschaftsweg in seiner Einheit sey, sehr sicher wissend und
-darauf rechnend, dass aus dieser Einheit heraus die besonderen Zweige
-desselben sich von selbst ergeben, und aus ihr würden charakterisirt
-werden können.
-
-Wir sind nicht gemeint zu läugnen, dass nicht von einigen jene
-Wissenschaftslehre einigermaassen gefasst, und ihr Zweck nothdürftig
-historisch ersehen worden sey, indem von mehreren gestanden worden, dass
-durch jenes Werk die absolute Nichtigkeit aller Producte des
-Grundgesetzes des Wissens, der Reflexion, dargethan sey. Nur machte man
-aus dieser Entdeckung über das Resultat jener Philosophie den Schluss,
-dass eben um dieses Resultates willen die Wissenschaftslehre nothwendig
-falsch sey, indem eine Realität denn doch sey, diese Realität aber, weil
-nemlich diejenigen, die also dachten, für ihre Person dieselbe nicht
-anders zu erfassen vermochten, nur innerhalb des Gebiets des
-Reflexionsgesetzes erfasst werden könne. Durch dieselbe Voraussetzung
-machten sie nun die Wissenschaftslehre, dieselbe mit dem in ihrer Gewalt
-einig befindlichen Organe fassend, wirklich falsch; indem sie, gar nicht
-zweifelnd, dass ein objectives Seyn gesetzt werden müsste, und dass von
-diesem allgemeinen Schicksal der Sterblichkeit auch die
-Wissenschaftslehre nicht frei seyn werde, meinten, der Fehler dieser
-Philosophie bestehe darin, dass sie ein subjectives-objectives Seyn, ein
-wirkliches und concret bestehendes Ich, als das Ding an sich,
-voraussetze; welchem Fehler sie für ihre Person nun dadurch abzuhelfen
-vermeinten, dass sie statt dessen ein objectives-objectives Seyn,
-welches sie mit dem Namen des Absoluten beehrten, voraussetzten. Zwar
-hat man in Absicht der der Wissenschaftslehre angemutheten Voraussetzung
-von Seiten derselben nicht ermangelt, wiederholt und in den
-verschiedensten Wendungen zu protestiren; jene aber bleiben dabei, wie
-sie denn auch nicht füglich anders können, dass sie besser wissen
-müssten, was der Verfasser der Wissenschaftslehre eigentlich wolle, als
-dieser selbst. In Absicht ihrer eigenen Verbesserung ist sonnenklar, und
-es wird, falls jemals einige Besonnenheit an die Tagesordnung kommen
-sollte, jedes Kind begreifen, dass dieses ihr Absolute nicht nur
-objectiv ist, welches das erste Product der stehenden Reflexionsform,
-sondern zugleich auch, als Absolutes, bestimmt ist durch seinen
-Gegensatz eines Nicht-Absoluten, welche ganze Fünffachheit, noch
-überdies mit der im Nicht-Absoluten liegenden ganzen Unendlichkeit, in
-jener Operation mit dem Absoluten und ihrer Einbildungskraft durch
-einander verwachsen liegt, und so ihr Absolutes überhaupt gar kein
-möglicher Gedanke, sondern nur eine finstere Ausgeburt ihrer
-schwärmenden Phantasie ist, um die Empirie, im Glauben an welche sie
-fest eingewurzelt sind, zu erklären.
-
-Gegen Erinnerungen, wie die eben gemachte, meinen sie auf folgende Weise
-sich in Sicherheit bringen zu können. Es hat nemlich die
-Wissenschaftslehre, freilich nur fürs Erste, und als ein Hausmittel für
-diejenigen, denen der Zustand der Besonnenheit noch nicht der natürliche
-geworden ist, sondern in welchen er mit dem der Unbesonnenheit wechselt,
-vorgeschlagen, dass sie bei dergleichen Producten der stehenden
-Reflexionsform sich doch nur besinnen möchten, dass sie das Gedachte ja
-denken. Jene, wohl wissend, dass, wenn sie auf diesen Vorschlag
-eingehen, ihnen die geliebte Täuschung verschwinde, und das, was sie
-gern als das Ansich sähen, als ein blosser Gedanke sich gar klar
-manifestire, versichern, dass man an dieser Stelle sie nie zur Reflexion
-bringen solle; und berichten, dass gerade durch die consequente
-Durchführung jener Maxime die Wissenschaftslehre zu einem leeren
-Reflectirsystem werde, und dadurch eben, wie es sich denn auch wirklich
-also verhält, die ganze Reflexionsform in absolutes Nichts zerfalle,
-indem das eben die jenem Systeme verborgengebliebene Kunst sey, an der
-rechten Stelle die Augen zuzumachen und die Hand auf, um die Realität zu
-ergreifen. Es entgeht ihnen hierbei gänzlich, dass, völlig unabhängig
-von ihrem Reflectiren oder Nichtreflectiren auf ihren Denkact, derselbe
-an sich bleibt, wie er ist, und wie er durch die Form der Beschränkung,
-in der sie ihn vollziehen, nothwendig ausfällt; und dass es ein
-schlechtes Mittel ist gegen die Blindheit, vor der Blindheit selber
-wiederum die Augen zu verschliessen. So bleibt in dem angegebenen Falle
-ihr Absolutes, von dem sie doch durchaus nicht anders denken können, als
-dass es sey, immer ein Objectives, aus dem Schauen Hingeworfenes, und
-demselben in ihm selber Entgegengesetztes, durch sich und in seinem
-Wesen; ob sie nun den Gegensatz dazu, das Schauen, ausdrücklich
-hinsetzen oder nicht: und sie haben, wenn sie nicht mehr denn dieses
-Objectiviren vollzogen haben, nur das Seyn überhaupt, keinesweges aber,
-wie sie vorgeben, das Absolute gedacht; oder wollen sie doch auch dieses
-Letztere gedacht haben, so haben sie, innerhalb des Seyns überhaupt,
-noch durch einen zweiten Gegensatz mit einem nicht absoluten Seyn, eine
-weitere Bestimmung vollzogen, und ihr Absolutes ist ein besonderes Seyn,
-innerhalb des allgemeinen, und ihr Denken ist auf eine bestimmte Weise
-analytisch-synthetisch, weil nur durch ein solches Denken der Begriff,
-den sie zu haben versichern, zu Stande kommt, sie mögen es nun erkennen
-oder nicht.
-
-Dieses Alles ist ihnen nun seit dreizehn Jahren oft wiederholt und in
-den mannigfaltigsten Wendungen gesagt worden, und sie haben es auch
-recht wohl vernommen. Aber sie wollen es nicht weiter hören, und hoffen,
-weil wir einige Jahre geschwiegen, und sie nach aller ihrer Lust ihr
-Wesen haben treiben lassen, desselben auf immer erledigt, und in den
-ungestörten Besitz der Weisheit, die ihnen gefällt, eingesetzt zu seyn.
-
-Jedoch fehlt gar viel daran, dass dieses ihr Nichtwollen so ganz ein
-freies sey. Es gründet sich dasselbe vielmehr mit Nothwendigkeit auf die
-Beschaffenheit ihrer geistigen Natur. Sie vermögen nicht zu thun, was
-wir ihnen anmuthen, noch zu seyn, wie wir sie haben wollen. Wollen sie
-bei diesem Stande der Dinge nicht alles Seyn aufgeben und in die völlige
-Vernichtung fallen, so müssen sie sich auf das ihnen einzig mögliche
-Seyn stützen, und dasselbe aus aller Kraft aufrecht zu erhalten suchen.
-
-Jenes, oben an einem Beispiele dargestellte analytisch-synthetische
-Denken ist eine Function der Phantasie, und mischt mit den aus ihr
-erzeugten Schemen die Realität zusammen; wir aber muthen ihnen das reine
-und einfache Denken oder die Anschauung an, durch welches allein die
-Realität, in ihrer Einheit und Reinheit, an sie gelangen könnte. Sie
-sind des Letzteren durchaus unfähig, und sind darum allerdings
-genöthigt, falls sie nicht lieber das Denken überhaupt aufgeben wollen,
-sich der Herrschaft ihrer dunklen und verworrenen Phantasie zu
-überlassen. Wie sie auch mit ihrem Geiste sich hin- und herbewegen
-mögen, so werden sie nur auf andere Formen der Phantasie getrieben, aus
-dieser überhaupt nie herauskommend. Die Form der Phantasie ist allemal
-zerreissend das Eine: sie gehen nie anders, als mit schon zerrissenem
-Geiste an die Sache, und es kann darum das Eine nie an sie gelangen,
-weil sie selbst niemals das Eine sind.
-
-Darum verliert auch an ihnen alle Belehrung ihren Effect, weil dieselbe,
-um an sie zu kommen, erst durch ihr Organ hindurchgehen muss; in diesem
-Durchgange aber ihre eigene Form verliert, und die Form ihres Organs
-annimmt. Wenn man z. B. mit ihnen vom Ich, als der Grundform alles
-Wissens redet, so vermögen sie dieses Ich gar nicht anders an sich zu
-bringen, denn als ein objectives, durch ein anderes ihm
-entgegengesetztes objectives, bestimmtes Seyn, weil diese letztere Form
-eben die Grundform der Einbildungskraft ist; es ist darum nothwendig,
-dass sie die Wissenschaftslehre also verstehen, wie das deutsche
-Publicum sie verstanden hat; und es ist eben dadurch klar, dass gar
-keine Wissenschaftslehre an sie zu kommen vermag, sondern statt
-derselben nur ein höchst verkehrtes System, welches sie durch die
-entgegengesetzte Verkehrtheit berichtigen wollen.
-
-Das einfache Denken ist das innere Sehen; das Phantasiren dagegen ist
-ein blindes Tappen, dessen Grund dem Tapper ewig verborgen bleibt. Die
-Wissenschaftslehre war ein Gemälde, auf Licht und Augen berechnet, und
-wurde in der Voraussetzung, dass dergleichen vorhanden wären, dem
-Publicum vorgelegt. Man tappte einige Jahre herum auf dem Gemälde, und
-es fanden sich einige, welche Höflichkeitshalber versicherten, dass sie
-die angeblich abgezeichneten Gestalten unter dem Finger fühlten. Andere,
-die mehr Muth hatten, bekannten, dass sie nichts fühlten; dadurch
-verminderte sich denn auch die Schüchternheit und die falsche Scham der
-Ersteren, und sie nahmen ihr Wort zurück. Es fand sich indessen Einer,
-der der allgemeinen Noth sich annahm, und aus allerlei altem Abgange
-einen Teig zusammenknetete, den er ihnen darbot. Seit der Zeit
-befleissigt jeder, der Finger hat, sich des Befühlens, und es ist ein
-öffentliches Dankfest darüber angesagt, dass das Absolute betastbar
-geworden.
-
-Wo der eigentliche Punct des Streites, den die Wissenschaftslehre gegen
-sie führt, wahrhaftig liege, weiss unter allen vorgeblich
-philosophirenden deutschen Schriftstellern Keiner; ich sage mit Bedacht
-Keiner, und gedenke hierüber dermalen keine Ausnahme zu gestatten. Dass
-auch dieses System dafür halte, die Betastung sey der einzige innere
-Sinn, und dass es auch ein blosses, nur etwas wunderbares und von dem
-ihrigen verschiedenes Betasten sey, darüber regt nirgends sich einiger
-Zweifel. Ferner halten sie dafür, der Streit sey über objective
-Wahrheiten, und unser System läugne bloss einige Sätze, die sie
-behaupten, und wolle dieses durch andere Sätze verdrängen; da doch
-dieses System eine Bestreitung ihres gesammten geistigen Seyns und
-Lebens in der Wurzel ist, und ihnen vor allen Dingen Klarheit anmuthet,
-worauf es sich mit der Wahrheit ohne Weiteres auch geben werde. Nicht
-darauf kommt es an, was ihr denket, würde die Wissenschaftslehre ihnen
-sagen; denn euer gesammtes Denken ist schon nothwendig Irrthum, und es
-ist sehr gleichgültig, ob ihr auf die eine Weise irret, oder auf die
-andere; sondern darauf, was ihr innerlich und geistig seyd. Seyd das
-Rechte, so werdet ihr auch das Rechte denken; lebet geistig das Eine, so
-werdet ihr dasselbe auch anschauen.
-
-Nun aber ist das Erstere nicht ganz leicht, und wir haben keinen Grund,
-anzunehmen, dass dermalen mehr Geneigtheit und Fähigkeit dazu sich unter
-den Deutschen vorfinden werde, als ihrer seit dreizehn Jahren, oder wenn
-wir Kant, von welchem, nur mit etwas grösserem Aufwande des eigenen
-Scharfsinnes, dasselbe sich hätte lernen lassen, dazu nehmen, als seit
-fünfundzwanzig Jahren sich dargelegt hat. Dennoch wollen wir die
-neuerdings vom Publicum bei Seite gesetzte Sache wieder in Anregung
-bringen; unbekümmert übrigens darum, ob auch diese Anregung in derselben
-leeren Luft, in welcher seit geraumer Zeit alle Anregungen zum Besseren
-fruchtlos verhallet sind, gleichfalls ohne Erfolg verhallen werde.
-
-Um vor allen Dingen den Stand der Einstimmigkeit, sowie des Streites der
-Wissenschaftslehre mit dem Publicum festzustellen, und dadurch unseren
-eigentlichen dermaligen Zweck zu bestimmen:
-
-Das Publicum will -- wir fügen uns vorläufig seiner Sprache, bis wir
-tiefer unten dieselbe zerstören werden -- das Publicum will Realität,
-dasselbe wollen auch wir; und wir sind sonach hierüber mit ihm einig.
-
-Die Wissenschaftslehre hat den Beweis geführt, dass die, in ihrer
-absoluten Einheit erfasst werden könnende, und von ihr also erfasste
-Reflexionsform keine Realität habe, sondern lediglich ein leeres Schema
-sey, bildend aus sich selber heraus, durch ihre gleichfalls vollständig,
-und aus Einem Principe zu erfassenden Zerspaltungen in sich selbst, ein
-System von anderen ebenso leeren Schemen und Schatten; und sie ist
-gesonnen, auf dieser Behauptung fest und unwandelbar zu bestehen.
-
-Das Publicum, welches sein geistiges Leben über diese Form nicht hinweg
-zu versetzen, noch dieselbe von sich abzulösen, und sie frei anzuschauen
-vermag, hat, eben ohne es selbst zu wissen, seine Realität nur in dieser
-Form; da es nun aber doch Realität haben muss, so ist es geneigt, jenen
-von der Wissenschaftslehre geführten Beweis für fehlerhaft zu halten,
-weil ihm dadurch seine Realität, die es nicht umhin kann, für die einzig
-mögliche zu halten, vernichtet wird.
-
-Wenn wir nun bei diesem Stande der Sachen einen Augenblick annehmen
-wollen, dass diesem Publicum geholfen sey, und dass es uns zu verstehen
-vermöge; so könnte das Erstere nur dadurch geschehen, dass man mit ihm
-gemeinschaftlich und vor seinen Augen die Form, in der es befangen
-bleibt, ablöste und ausschiede und neu zeigte, dass zwar seine Realität,
-keinesweges aber alle Realität vernichtet sey, sondern dass im
-Hintergrunde der Form, und nach ihrer Zerstörung erst die wahrhafte
-Realität zum Vorschein komme. Dieses Letztere ist nun diejenige Aufgabe,
-welche wir zu seiner Zeit durch eine neue und möglichst freie
-Vollziehung der Wissenschaftslehre, in ihren ersten und tiefsten
-Grundzügen zu lösen gedenken.
-
-So jemand will, so mag er eine solche Arbeit auch für die Erfüllung des
-vor langem gegebenen Versprechens einer neuen Darstellung der
-Wissenschaftslehre nehmen; welcher Erfüllung ich mich übrigens, weil mir
-immer deutlicher geworden, dass die alte Darstellung der
-Wissenschaftslehre gut und vorerst ausreichend sey, schon längst
-entbunden hatte, und jetzt sie weiter hinausschiebe. Wie es mir aus den
-öffentlichen Aeusserungen dieser Erwartung wahrscheinlich geworden,
-hoffte man besonders, dass durch die neue Darstellung das Studium dieser
-Wissenschaft bequemer werden sollte; welcher Hoffnung zu entsprechen ich
-weder ehemals noch jetzt grosse Fähigkeit oder Geneigtheit in mir
-verspüre.
-
-Da ich soeben die ehemalige Darstellung der Wissenschaftslehre für gut
-und richtig erklärt habe, so versteht es sich, dass niemals eine andere
-Lehre von mir zu erwarten ist, als die ehemals an das Publicum
-gebrachte. Das Wesen der ehemals dargelegten Wissenschaftslehre bestand
-in der Behauptung, dass die Ichform oder die absolute Reflexionsform der
-Grund und die Wurzel alles Wissens sey, und dass lediglich aus ihr
-heraus Alles, was jemals im Wissen vorkommen könne, sowie es in
-demselben vorkomme, erfolge; und in der analytisch-synthetischen
-Erschöpfung dieser Form aus dem Mittelpuncte einer Wechselwirkung der
-absoluten Substantialität mit der absoluten Causalität; und diesen
-Charakter wird der Leser in allen unseren jetzigen und künftigen
-Erklärungen über Wissenschaftslehre unverändert wiederfinden.
-
-
- Zur vorläufigen Erwägung.
-
-Wenn es nun etwa jemand zu der Einsicht gebracht hätte, dass das Seyn --
-ich muss, um die Rede anknüpfen zu können, von diesem Begriffe, den ich
-demnächst zu zerstören gedenke, ausgehen -- dass das Seyn schlechthin
-nur Eins, durchaus nicht Zwei, und ein in sich selber Geschlossenes und
-Vollendetes, eine Identität, keinesweges aber eine Mancherleiheit seyn
-könnte: so würde von einem solchen billigerweise zu fordern seyn, dass
-er nach dieser Einsicht nun auch wirklich verführe, nicht aber zur
-Stunde wiederum gegen sie handelte, dass er demnach, falls er etwa noch
-überdies ein solches Seyn nicht problematisch an seinen Ort gestellt
-seyn lassen, sondern positiv und bejahend dasselbe annehmen wollte,
-dasselbe, treu seinem Grundsatze, eben nur ins positive Seyn selber oder
-ins Leben setzen, und annehmen müsse, dass es eben nur unmittelbar
-lebend, und im unmittelbaren Erleben und durchaus auf keine andere Weise
-sich bewahrheiten könne. Wollte er nun etwa dieses Leben wiederum
-absolut nennen, wie ihm, wenn er nur dadurch keinen Gegensatz, der ja
-gegen die angenommene Einheit des Seyns streiten würde, aufstellen,
-sondern nur soviel sagen wollte, dass dies das Eine in sich vollendete
-Seyn sey, ausser welchem gar nichts Anderes seyn könne: so würde er
-annehmen müssen, dass das Absolute nur in dem einzig möglichen innern
-Leben von sich, aus sich, durch sich sey, und durchaus auf keine andere
-Weise seyn könne, dass nur im unmittelbaren Leben das Absolute sey, und
-ausser dem unmittelbaren Leben gar kein anderes Seyn es gebe, und alles
-Seyn nur gelebt, nicht aber auf andere Weise vollzogen werden könne.
-Könnte nun ein solcher auch wohl freilich sich nicht abläugnen, dass er
-in dieser Operation das Leben doch nur dächte, und objectiv vor sich
-hinstellte, so müsste sich derselbe nur recht verstehen, um sogleich
-einzusehen, dass er dennoch nicht diesen ^Gedanken^ seines Lebens und
-das ^Product^ seines Denkens meine, indem er ja das Leben aus sich und
-von sich selbst, nicht aber aus seinen Gedanken heraus gedacht zu haben
-vermeint, sonach an diesem Gedanken sein Denken ausdrücklich zerstört,
-und durch den Inhalt dieses einzig möglichen wahren Gedankens das
-Denken, als etwas für sich bedeuten wollend, völlig vernichtet würde.
-Geradezu aber würde gegen die vorausgesetzte Einsicht gehandelt werden,
-wenn jemand das Seyn, und da das Seyn durchaus das Absolute ist, das
-Absolute, in ein nicht Einfaches, sondern Mannigfaltiges, und in ein
-sichtbares Erzeugniss und Product eines Andern ausser ihm setzen wollte.
-Dergleichen ist nun eben der Begriff des Seyns, von welchem wir die Rede
-anhoben. Er ist nicht von sich, sondern aus dem Denken, und dieses Seyn
-ist in sich selbst todt, wie dies auch nicht anders seyn kann, da sein
-Schöpfer, das Denken, in sich selbst todt ist, und an dem einzigen
-wahren Gedanken, dem des Lebens, sich also bewährt. Auch bewährt dieses
-Seyn sich wirklich also todt im Gebrauche, indem es für sich selbst
-nicht aus der Stelle rückt, und durch mündliche Wiederholbarkeit doch
-ein Etwas aus ihm herauskommt, sondern erst durch einen zweiten Ansatz
-des Denkens ihm Leben und Bewegung als ein zufälliges Prädicat ertheilt
-wird. Alle diese, dem Seyn hinterher noch beigelegten Prädicate sind nun
-nothwendig willkürliche Erdichtungen, indem, falls das Denken auf eine
-glaubhafte Weise Bericht vom Leben abstatten sollte, das letztere selber
-darin eintreten und unmittelbar von sich zeugen müsste; jenes Denken
-eines Seyns aber gleich ursprünglich das Leben von sich ausgeschieden,
-und ausser aller unmittelbaren Berührung mit ihm sich gesetzt hat, und
-darum nicht berichten, sondern nur erdichten kann; an welchem letzteren
-freilich die Möglichkeit noch besonders zu erklären ist.
-
-Würde nun etwa dennoch in einem gewissen Sinne, der noch näher zu
-bestimmen seyn würde, angenommen, dass Wir, oder was dasselbe bedeutet,
-dass Bewusstseyn sey: so wäre dieses, innerhalb der vorausgesetzten
-Grundeinsicht, nur also zu begreifen, dass das Eine absolute Leben eben
-das unsrige, und das unsrige das absolute Leben sey, indem es nicht zwei
-Leben, sondern nur Ein Leben zu geben vermöge, und dass das Absolute
-auch in uns eben nur unmittelbar lebend, und im Leben, und auf keine
-andere Weise dazuseyn vermöge, indem es überhaupt auf keine andere Weise
-dazuseyn vermag; und wiederum, dass nur in uns das Absolute lebt,
-nachdem es überhaupt in uns lebt, es aber nicht zweimal zu leben vermag.
-Inwiefern aber nun ferner angenommen wird, dass wir nicht bloss das Eine
-Leben, sondern zugleich auch Wir oder Bewusstseyn sind, so würde
-insofern das Eine Leben in die Form des Ich eintreten. Sollte sich, wie
-wir aus guten Gründen vorläufig vermuthen, diese Ichform klar
-durchdringen lassen, so würden wir einsehen, was an uns und unserem
-Bewusstseyn lediglich aus jener Form erfolge, und was somit nicht
-reines, sondern formirtes Leben sey; und vermöchten wir nun dieses von
-unserem gesammten Leben abzuziehen, so würde erhellen, was an uns als
-reines und absolutes Leben, was man gewöhnlich das ^Reale^ nennt,
-übrigbliebe. Es würde eine Wissenschaftslehre, welche zugleich die
-einzig mögliche ^Lebenslehre^ ist, entstehen.
-
-Was insbesondere das erste aufgestellte todte Seyn betrifft, so würde
-erhellen, dass dieses durchaus nicht das Absolute, sondern dass es nur
-das letzte Product des in uns in der Form des Ich eingetretenen wahrhaft
-absoluten Lebens sey; das letzte, sage ich, also dasjenige, in welchem
-in dieser Form das Leben abgeschlossen, erloschen und ausgestorben,
-somit in ihm schlechthin gar keine Realität übriggeblieben ist. Es würde
-einleuchten, dass eine wahrhaft lebendige Philosophie vom Leben
-fortgehen müsse zum Seyn, und dass der Weg vom Seyn zum Leben völlig
-verkehrt sey und ein in allen seinen Theilen irriges System erzeugen
-müsse, und dass diejenigen, welche das Absolute als ein Seyn absetzen,
-dasselbe rein aus sich ausgetilgt haben. Auch in der Wissenschaft kann
-man das Absolute nicht ^ausser^ sich anschauen, welches ein reines
-Hirngespinnst giebt, sondern man muss in eigener Person das Absolute
-seyn und leben.
-
-Ich füge nur noch folgende zwei Bemerkungen hinzu. Zuvörderst, dass
-durch diesen Satz alle Philosophie ohne Ausnahme, ausser der Kantischen
-und der der Wissenschaftslehre, für völlig verkehrt und ungereimt
-erklärt werde; und wir sprechen dieses bestimmt aus, indem wir niemals
-irgend eine Ausnahme, welchen Namen sie auch haben möge, zu gestatten
-gedenken. Sodann, so klar und so handgreiflich einleuchtend die gemachte
-Bemerkung auch jedem ist, der sie eben versteht, so möchte es doch Leser
-geben, die gar nicht leicht in dieselbe sich fänden. Der Grund ist der:
-weil es einiger Anstrengung bedarf, um sich zur Vollziehung der
-angemutheten Consequenz zu bringen, und dieselbe in seine freie und
-besonnene Gewalt zu bekommen, zuwider dem natürlichen Hange im Menschen,
-zum objectivirenden Denken, als dem leichtesten, und jedem ohne alle
-Mühe und Besonnenheit sich anwerfenden zurückzukehren. Dennoch kann die
-Vollziehung dieser Einsicht nicht erlassen werden, indem ausserdem es
-beim blinden Tappen bleibt und kein Sehen erfolgt, und der ganze
-Unterricht, aus Mangel eines tauglichen Organs der Aufnahme, seines
-Zweckes verfehlt.
-
-Endlich, dass beim Leben angehoben werden müsse, und von diesem erst zum
-Seyn fortgegangen werden könne, hat nur vorläufig verständlich gemacht
-werden sollen, um den dermalen vorhandenen Grund alles Irrthums bei
-Zeiten aus dem Wege zu bringen. Keinesweges aber haben wir uns dadurch
-die Möglichkeit abschneiden wollen, falls es nothwendig werden sollte,
-sogar über das Leben hinauszugehen, und auch dieses als nichts Einfaches
-und Erstes, sondern als Product einer klar nachzuweisenden Synthesis,
-nur ja nicht aus dem Seyn, darzustellen. Einer der nächsten Aufsätze
-dieser Zeitschrift wird sich mit dieser Aufgabe beschäftigen.
-
-
- Zweites Capitel.
- Auskunft über die bisherigen Schicksale der
- Wissenschaftslehre.
-
-
- I.
- Schilderung des bisherigen Zustandes unserer Literatur
- überhaupt.
-
-Es ist hier keinesweges unsere Absicht, bloss wieder zu sagen, wie sich
-das Publicum gegen die Wissenschaftslehre seit der Erscheinung derselben
-verhalten, sondern dasselbe aus seinen Gründen zu erklären, worauf dann
-derjenige, der das erstere nicht weiss, aus diesen Gründen selbst es ^a
-priori^ ableiten, oder auch in den seit jener Zeit erschienenen
-Schriften und Urtheilen es aufsuchen mag. Nur gründet ohne Zweifel
-dieses alles sich auf den bisherigen und noch dermalen fortdauernden
-Zustand der Literatur überhaupt; und es wird daher die begehrte Auskunft
-auf die von uns gewählte Weise ohne Zweifel gegeben, wenn der erwähnte
-Zustand gründlich geschildert wird.
-
-Welcher Schmerz übrigens und innige Wehmuth uns ergreife, indem wir aus
-dem klaren Aether der tiefsten Betrachtung, in welchem wir am liebsten
-uns aufhalten, herunterzusteigen haben in den Abgrund der
-intellectuellen und moralischen Verkehrtheit in der Wirklichkeit, thut
-nicht noth zu beschreiben. Wahrhaftig nicht unsere Neigung führt uns,
-sondern eine tiefe Unlust begleitet uns zu diesem Geschäfte, welche zu
-überwinden wir dennoch uns entschlossen haben, indem, so sicher wir auch
-überzeugt seyn mögen, dass nichts besser werden wird, es dennoch unsere
-Schuldigkeit ist, zu handeln, als ob es besser werden könnte, ganz
-sicherlich aber es nicht besser werden kann, bevor nicht das Uebel in
-seiner ganzen Grösse bekannt worden, und ein beträchtlicher Theil des
-Publicums darüber in ein heilsames Erschrecken versetzt worden. Und wenn
-es auch wahr seyn sollte, dass der jetzt ausgebildet lebenden Generation
-durchaus nicht zu helfen sey, sondern diese, als unverbesserlich,
-aufgegeben werden müsse: so bliebe es gleichwohl nothwendig, diejenige,
-welche dermalen entsteht und sich bildet, abzuschrecken, dass sie nicht
-in die Fusstapfen jener ersten trete, indem, wenn es wirklich besser
-werden soll, die Besserung doch irgend einmal in der Zeit anheben muss,
-nichts aber verhindert, dass wir wünschen, dass, inwiefern es möglich
-ist, diese Zeit eben jetzt sey.
-
-Nur zwei allgemeine Bemerkungen habe ich vorauszuschicken. Die erste ist
-die folgende: Ob das, was ich als den Charakter unseres gelehrten
-Publicums angeben werde, durchaus und ohne alle Ausnahme, oder ob es nur
-von der entschiedenen Majorität gelte, kann vorläufig an seinen Ort
-gestellt bleiben; und ich will es denjenigen unter meinen
-wissenschaftlichen Lesern, welche mit Wahrheit sich bewusst sind, dass
-ihnen niemals, weder in Schriften, noch auf dem Katheder, oder in
-mündlichen Unterhaltungen dergleichen Aeusserungen, wie wir anführen
-werden, entfallen sind, von Herzen gönnen; indem es mir wenig Vergnügen
-macht, mir die Zahl der Schuldigen recht gross zu denken. Gemeint sind
-nur diejenigen, welche selber, jedoch vor einer Selbstprüfung, in der
-sie sich nicht schmeicheln, sich getroffen fühlen.
-
-Sodann: die gewöhnliche, auch ehemals schon uns gegebene Antwort auf
-dergleichen Vorwürfe ist die: man habe übertrieben, oder auch ganz und
-gar die Unwahrheit gesagt, und sie seyen nicht also, wie wir sie
-dargestellt hätten. Der hierbei ihnen selbst zwar grösstentheils
-verborgen bleibende Grund ihrer Täuschung ist der, dass, da sie selber
-in allen ihren Aeusserungen immer nur sagen, was gesagt worden, und vor
-dem Worte vom Worte niemals zum Worte von der Sache zu kommen vermögen,
-sie ebenfalls von uns glauben, wir wollten berichten, wie sie sprechen;
-und da mag es denn oft wahr seyn, dass sie also, wie wir sie darstellen,
-sich selber nicht aussprechen. Unser Vorsatz aber war und ist, zu sagen,
-was sie innerlich und in der That wirklich sind und leben, welches
-letztere unter andern auch recht gut an demjenigen dargelegt werden
-kann, was sie seyen, dem jenes, ob sie es nun selber wissen oder nicht,
-dennoch zur Quelle und Prämisse wirklich und nothwendig dient. Und wenn
-es sich auch zuweilen zutrüge, dass sie, zur ausdrücklichen und
-wörtlichen Erklärung über dieselben Verhältnisse kommend, das gerade
-Gegentheil von dem, was sie nach unserer Behauptung wirklich sind,
-sagten: so ist doch dieses letztere nicht der Ausdruck ihres wahren
-Seyns, sondern nur ein auswendig Gelerntes, und eine am Markte
-erhandelte Maske, mit welcher sie ihre natürliche Haut übel genug
-verdecken; jenes aber, als Princip eines wirklichen Dafürhaltens im
-Leben, ist ihr wahres innerliches Leben.
-
-Und nun zur Sache! Dass das Organ für die Speculation, durch welche
-allein doch alles übrige Wissen begründet, geordnet und klar wird, und
-ohne welche alle Beschäftigung mit den Wissenschaften nur ein blindes,
-vom Ohngefähr mehr oder weniger begünstigtes Herumtappen bleibt, den
-gegenwärtigen Bearbeitern der Wissenschaften gänzlich abgehe, haben wir
-schon oben gesagt, und, falls jemand fähig seyn sollte, uns zu
-verstehen, durch unsere eigene Speculation es gezeigt. Nun würde ein
-Mangel, den unser Zeitalter mit der gesammten Vorwelt gemein hat, nicht
-jenem allein zum besonderen Vorwurfe gemacht werden können, wenn nicht
-der grosse Unterschied obwaltete, dass diese Vorwelt von wahrer
-Speculation niemals etwas vernommen, jenem aber nunmehr seit
-fünfundzwanzig Jahren, in einer ununterbrochenen Folge mannigfaltiger
-Schriften zweier in ihrem äusseren Vortrag sehr verschiedener Autoren,
-die Regeln der wirklichen Speculation, und die Ausübung derselben an
-mancherlei Materien, vorgelegt worden sind.
-
-Aber was soll man sodann sagen, wenn in überschwänglicher Klarheit
-erhellet, dass unter diesen vorgeblichen Bearbeitern der Wissenschaft
-sogar der Begriff von der Wissenschaft selber, ihren blossen formalen
-und äusseren Eigenschaften nach, nicht nur fast gänzlich verschwunden,
-sondern dass sie auch innerlich vor diesem Begriffe erzittern, und jede
-Anregung desselben leidenschaftlich anfeinden, und dass der einzige
-Trost ihres Lebens die Hoffnung ist, dass es wohl niemals wirklich zur
-Wissenschaft kommen werde, und der einzige Zweck ihrer Bestrebungen, zu
-verhindern, dass es dazu komme? Müsste man nicht sodann urtheilen, dass
-an die Stelle des unter uns ausgestorbenen gelehrten Publicums die
-heftigsten Feinde aller Wissenschaft getreten, welche die Maske der
-Gelehrsamkeit nur vorhalten, um unter deren Schutze die Wissenschaft nur
-sicherer und sieghafter zu bestreiten?
-
-Die Wissenschaft, so gewiss sie Wissenschaft ist, hat eine absolute und
-unveränderliche Evidenz in sich selber, vernichtend schlechthin alle
-Möglichkeit des Gegentheils und allen Zweifel; und, da diese Evidenz nur
-auf eine einzige unwandelbare und unveränderliche Weise möglich seyn
-kann, die Wissenschaft hat ihre feste und unveränderliche äussere Form.
-Dies gehört zum Wesen der Wissenschaft, als solcher; nur unter dieser
-Bedingung ist sie Wissenschaft; und so ist auch allenthalben, wo es ein
-wissenschaftliches Publicum gegeben hat, in demselben allgemein geglaubt
-und angenommen worden. Wie aber mögen über diesen Punct unsere
-vorgeblichen Gelehrten glauben und annehmen? Ich weiss nicht, wie viele
-es unter ihnen geben dürfte, denen nicht von Zeit zu Zeit Aeusserungen,
-wie die folgenden, entgangen seyen: es halte jemand sich für allein
-weise und allein Philosoph; es wolle jemand die Wissenschaft aus Einem
-Stücke haben; man müsse -- als ob es nemlich mehr als Einen Standpunct
-für jede Wahrheit geben könne -- bei Widerlegung der Gegner sich auf
-ihren Standpunct versetzen; man müsse es in der Untersuchung der
-Wahrheit nicht so strenge nehmen, sondern leben und leben lassen; und
-wie noch ins Unendliche fort die Wendungen lauten, in denen der
-Wissenschaft angemuthet wird, auf ihren absoluten Grundcharakter
-Verzicht zu thun: und dieses alles als gar nicht zu bezweifelnde Axiome,
-mit einer kindlichen Unbefangenheit, und so durchaus ohne alle Ahnung
-der eigenen Abgeschmacktheit, dass sie nicht nur sicher auf die
-Beistimmung aller übrigen hoffen, sondern sogar fest überzeugt sind, der
-wissenschaftliche Mann selber, den sie etwa des Anspruchs auf
-Alleinweisheit bezüchtiget, hätte sich dessen erst nur nicht besonnen;
-er werde auf ihre Erinnerung schon in sich gehen und sich schämen. Wenn
-nun etwa auch dieselben Schriftsteller, ein andermal von dem Wesen der
-Wissenschaft redend, sich ohngefähr ebenso darüber ausdrückten, wie wir
-es oben thaten: soll man dies für ihren Ernst halten? Wie könnte man?
-Dieses letztere sagen sie nur; das Gegentheil aber glauben sie wirklich,
-indem sie ja darnach in wirklicher Beurtheilung vorliegender
-Erscheinungen verfahren; wie denn auch einige zu dergleichen
-Geständnissen mit rührender Naivität hinzusetzen: das sey zwar wahr ^in
-abstracto^, keinesweges aber ^in concreto^; wodurch sie demnach klar
-bekennen, dass sie jenen Begriff der Wissenschaft nur für einen leeren
-Begriff des scherzhaften und spielenden Denkens halten, mit dem es
-hoffentlich niemals werde Ernst werden.
-
-Das innere Wesen der Wissenschaft ist auf sich selbst gegründet, und
-macht sich schlechthin durch sich selbst und aus sich selbst, ^so^, wie
-es sich macht, absolut vernichtend alle Willkür; und es ist die
-allererste Forderung an einen wissenschaftlichen Menschen, vor deren
-Erfüllung niemals auch nur ein Funke von Wissen in seine Seele kommen
-wird, dass alle Neigung in ihm vor dem heiligen Gesetze der Wahrheit
-verstumme, und er für immer entschlossen sey, alles, was ihm als wahr
-einleuchten werde, mit ruhiger Ergebung sich gefallen zu lassen. Sollen
-wir glauben, entweder, dass sie diese Bedingung vollzogen hätten, oder
-auch nur, dass sie es als einen möglichen Fall dächten, es werde jemand
-diese Forderung an sie machen? -- solche, welche ernsthaft vor dem
-gesammten Publicum uns benachrichtigen, dass unsere Wahrheit ihnen nicht
-gefalle, und auseinandersetzen, wie ihnen bei derselben eigentlich zu
-Muthe geworden, und beschreiben, wie diejenige Wahrheit aussehen müsse,
-die ihnen gefallen solle, und uns ersuchen, sie also zu machen und
-gelten zu lassen, und, wenn wir nicht wollen, sich ereifern und klagen,
-dass wir ihnen das Herz aus dem Leibe reissen wollten; welches letztere
-wir denn auch wirklich gerne thäten, wenn wir es vermöchten, bei eigenem
-Unvermögen aber es der göttlichen Gnade überlassen. Oder sollten wir das
-von denjenigen glauben, welche, noch unabhängig von dem Inhalte des
-Vorgetragenen, sich beklagen, dass man nicht freundlich genug sie
-belehre, dass man ihnen einen unsanften Ruck gegeben habe, der beinahe
-die ruhige Stimmung ihres Gemüthes gestört hätte; dass wir uns bessern,
-und ihnen künftig die Lehre und Arznei in die von ihnen geliebten
-Süssigkeiten einkleiden möchten, widrigenfalls sie zu unserer
-wohlverdienten Bestrafung nichts mehr von uns lernen würden? Soll man
-viele Ausnahmen von dieser Denkart glauben, wenn man sieht, dass eine
-neue Lehre fast mit keinen anderen Waffen bekämpft wird, als mit dieser
-Abneigung und der Erregung derselben in den Gemüthern der Leser, auf
-deren Sympathie und gleichmässigen Unverstand man sicher rechnet;
-ingleichen des Affects der Verwunderung über die ungeheure Abweichung
-der Lehre von der gemeinen Meinung, als ob jemand zuzugestehen dächte,
-dass etwas wahr sey, weil es gemein ist?
-
-Die allererste, dem wissenschaftlichen Menschen anzumuthende Erkenntniss
-ist die, dass die Wissenschaft nicht ein leeres Spiel oder Zeitvertreib,
-nicht nur ein zum erhöhten Lebensgenusse dienender Luxus, sondern dass
-sie ein dem Menschengeschlecht schlechthin Anzumuthendes, und die einzig
-mögliche Quelle aller seiner weitern Fortentwickelung sey: dass die
-Wahrheit ein Gut, und das höchste, alle anderen Güter in sich
-enthaltende Gut, der Irrthum dagegen die Quelle aller Uebel, und dass er
-Sünde und die Quelle aller anderen Sünden und Laster sey; und dass
-derjenige, der die Wahrheit aufhält und den Irrthum verbreitet, die
-allerschaudervollste Sünde am Menschengeschlechte begehe. Kann man diese
-Erkenntniss denjenigen zutrauen, welche ihr ganzes Leben hindurch durch
-alle ihre Worte und Werke die absoluteste Gleichgültigkeit gegen
-Wahrheit und Irrthum zeigen; welche alle die Tage ihres Lebens
-fortfahren zu lehren, ohne jemals etwas zu wissen; welche, ohne alle
-Ueberzeugung, dass Wahrheit sey, was sie behaupten, dennoch fort
-behaupten auf das gute Glück hin, dass sie es gleichwohl auch getroffen
-haben könnten, und so, innerlich zu einer concreten Heuchelei und Lüge
-geworden, lügend fortleben und von der Lüge essen, trinken und sich
-kleiden? Ohne alle Ueberzeugung, sage ich: denn es ist ein himmlisch
-klarer Satz, ganz allein durch sich der Menschheit den Besitz der
-Wahrheit sichernd, und welcher, obwohl er die Verderbtheit jener
-aufdeckt, und darum ein verhasster Gräuel ist in ihren Augen, dennoch
-ihnen zu Liebe nicht kann aufgegeben werden; der Satz: dass die Evidenz
-eine specifisch verschiedene innere und überzeugende Kraft bei sich
-führe, welche niemals auf die Seite des Irrthums treten kann, dass
-jederman unter allen Umständen seines Lebens wissen kann, ob das, was er
-denke, mit dieser Kraft ihn ergreife oder nicht, dass daher jedweder,
-von welchem hinterher sich findet, dass er geirrt habe, dennoch, obwohl
-er gar füglich seinen Irrthum nicht eingesehen haben kann als Irrthum,
-ihn doch auch sicher nicht als Wahrheit eingesehen hat, und dass er auch
-hätte entdecken können, dass er ihn nicht als solche einsehe, wenn er
-sich nur hätte besinnen wollen; dass er daher auf keine Weise der
-Ueberführung zu entgehen vermag, dass er leichtfertig und ohne
-wahrhaften Respect für die Wahrheit dahergefahren sey.
-
-Welches konnte die Quelle dieser strafbaren Gleichgültigkeit seyn?
-Allein Trägheit, Leichtsinn, Egoismus, tiefe moralische Auflösung. Das
-Leben reisst unaufhörlich uns heraus aus uns selber, und treibt uns
-dahin oder dorthin, so wie es will, nach seinem Gutdünken sein Spiel mit
-uns führend. Diesem Hange zuwider dennoch sich zusammenzunehmen, und
-betrachtend sich zu halten, bis man vollendet, kostet Anstrengung,
-Selbstverläugnung, Mühe, und diese thut wehe dem verzärtelten Fleische.
-Es will schon etwas sagen, nur zuweilen sich zu besinnen: dass man es
-aber in der Wissenschaft, zumal in der höchsten, in der Speculation, zu
-etwas Bedeutendem bringe, dazu bedarf es einer bis zur absoluten
-Freiheit geübten Kunst der Besinnung, und der erworbenen Unmöglichkeit,
-jemals von dem Strome der blinden Einbildungskraft gefasst zu werden;
-welches alles wiederum einen ganzen klaren, nüchternen und besonnenen
-Lebenslauf erfordert. Wie hätte einen solchen die Kraftlosigkeit unserer
-Tage ertragen können?
-
-Oder, selbst wenn sie gekonnt hätten, würden sie es auch nur gewollt
-haben, und würden sie jene Besonnenheit, wenn ohne alle ihre Mühe sie
-ihnen zu Theil würde, sich zur Ehre anrechnen oder zur Schmach? Ich
-sage, zu der letztern; denn es ist schon lange her, dass der Wetteifer
-mit jener Nation, von der wir jetzt für unsern guten Willen, ihr zu
-gleichen, und für unser Unvermögen dazu grausam bestraft werden, uns den
-Anschein deutschen Ernstes, Gründlichkeit und Fleisses verächtlich
-gemacht, und uns bewogen hat, alle Beschäftigung mit den Wissenschaften
-in ein Spiel zu verwandeln, und uns dem Strome unserer Einfälle, als dem
-einzigen, was den Anschein jener so sehr beneideten Leichtigkeit uns
-geben könne, zu überlassen. Um sicher zu seyn, dass wir nicht wie
-Pedanten aussähen, haben wir uns bestrebt, literarische Gecken zu
-werden, ohne dass es uns doch sonderlich gelungen. Ich möchte einmal,
-besonders unter unseren jüngeren Gelehrten, die Umfrage halten, um zu
-erfahren, wie viele darunter lieber dafür gelten möchten, dass sie die
-Wahrheit durch Fleiss und Nachdenken gefunden, als dafür, dass sie ihnen
-durch ihre glückliche Natur ohne alle ihre Mühe und Anstrengung von
-selber gekommen; und die nicht lediglich durch den Titel eines Genies
-sich geehrt, durch die Benennung aber eines fleissigen und besonnenen
-Denkers sich als beschränkte und geistlose Köpfe, und als solche, für
-welche die Natur doch auch gar nichts gethan, sich geschmähet finden
-würden. Und so brachte denn dasselbe Hinfliessen und Hinträumen in aus
-sich selbst erwachsenden Einfällen, welches der Bequemlichkeit zusagte,
-zugleich auch Ehre; und so liessen wir es uns denn besser gefallen, als
-den mühsamen und nicht ehrenden Ernst.
-
-Wenn denn nun jene, wie seit länger denn Einem Menschenalter in
-unermesslicher Klarheit sich gezeigt hat, von der Wissenschaft so
-durchaus nichts wussten, dass ihnen nicht einmal der Begriff derselben,
-oder die allerersten Bedingungen, um zu ihr zu gelangen, bekannt waren;
-warum konnten sie dennoch es durchaus nicht unterlassen, sich für
-Gelehrte auszugeben und zu schreiben, zu lehren, zu urtheilen, als ob
-sie die gründlichsten wären? Da die einzig möglichen Triebfedern, die
-Liebe zur Wahrheit und zur Wissenschaft, von welchen beiden sie nie
-einen Funken erblickt, sie nicht treiben konnten, so konnten die ihrigen
-nur die äusseren Triebfedern seyn: die bekannten des Geltenwollens, der
-Ruhmsucht und der anderen Emolumente, welche damit verknüpft zu seyn
-pflegen. Von diesen werden sie denn auch also getrieben und begeistert,
-dass sie die wirkliche Wissenschaft, von welcher sie den Verlust ihres
-eigenen Ansehens sich richtig prophezeien, mehr fürchten und hassen, als
-irgend etwas anderes, und dass ihnen kein Mittel zu schlecht ist, durch
-dessen Anwendung sie hoffen, den Anbruch des Lichts, wenigstens noch so
-lange als sie leben, aufzuhalten; im schamlosen Kampfe für eine
-tausendfach verwirkte Existenz, der sie selber, wenn sie noch einen
-Funken Ehrgefühl hätten, fluchen würden.
-
-Von diesem ihrem dumpfen Eigendünkel werden sie also geblendet und
-besessen, dass er sie zu den lächerlichsten und unglaublichsten
-Ungereimtheiten verleitet. Indess sie immerfort voraussetzen, dass
-keiner ganz recht habe, und dass es nirgends eine sichere und
-ausgemachte Wahrheit gebe, vergessen sie dennoch diesen, für alle
-anderen ausser ihnen ohne Ausnahme gelten sollenden Grundsatz gänzlich,
-sobald es ihre eigenen Personen sind, welche reden, indem sie immerfort
-aus dem Principe disputiren, sie hätten ja die, ohne Zweifel zugleich
-mit ihrem Munde ihnen angeborne wahre Wahrheit, und darum müsse der
-Gegner, der ihnen widerspricht, nothwendig unrecht haben; gar nicht sich
-besinnend, dass ja der andere ebenso schliessen könne, und das
-Privilegium des blinden Eigendünkels für sich allein und ausschliesslich
-begehrend. Ja, es ist sogar erlebt worden, und wird noch immerfort
-erlebt, dass jemand einer Lehre durch die Versicherung, er könne sie
-eben nicht verstehen, oder sie falle ihm so schwer, dass ihm Hören und
-Sehen dabei vergehe, das Zeichen der Verwerfung aufgedrückt zu haben
-geglaubt; mit kindischer Naivität bei der ganzen Welt dieselbe hohe
-Meinung von ihm, die er selbst hegt, als ihr absolutes Axiom und
-Prämisse aller ihrer Urtheile voraussetzend, und im Rausche seines
-Eigendünkels gar nicht ahnend, wie ihm geantwortet werden müsse.
-
-Zunächst zwar ist diese Schilderung des literarischen Zustandes unserer
-Tage entworfen, um daraus die bisherigen Schicksale der
-Wissenschaftslehre zu erklären; die Zeit aber, in welcher ich dieselbe
-abfasse, erwirbt mir vielleicht Verzeihung, wenn ich zugleich bemerke,
-dass der politische Zustand unserer Tage, in welchem, wenn nicht durch
-ein Wunder und auf einem natürlich nicht abzusehenden Wege uns Rettung
-kommt, alle seit Jahrtausenden von der Menschheit errungene Cultur und
-deren Producte zu Grunde gehen zu müssen scheinen, bis nach neuen
-Jahrtausenden dermalen uns unbekannte Wilde und Barbaren denselben Weg
-wieder von vorn beginnen, -- dass, sage ich, dieser politische Zustand
-lediglich und allein aus dem Zustande unserer Literatur entsprungen ist.
-Er ist herbeigeführt durch das allgemeine Unvermögen, irgend einen
-Gegenstand fest anzufassen und zu halten, und ihn nach seinem wahren
-Wesen zu durchdringen; und das Hülfsmittel dagegen ganz und ernst, und
-nicht noch zugleich sein Gegentheil zu wollen, und mit eiserner
-Consequenz, verläugnend alle Nebenzwecke, es durchzuführen. Bei wem aber
-sollten diejenigen, welche über unser Schicksal entschieden haben,
-Beispiele dieser Festigkeit holen, und wem dieselbe ablernen, wenn
-diejenigen, in deren Schulen sie zuerst gebildet sind und bei denen sie
-noch täglich, sey es auch nur für den Scherz, Unterhaltung suchen, ihnen
-keinen anderen Anblick geben, als den der absoluten Zerflossenheit? Wo
-eine Literatur ist, da sind es immerfort die Literatoren, welche ihr
-Zeitalter bilden. Gehen nun diese über in Fäulniss, so muss neben ihnen
-alles Uebrige nothwendig um so mehr verwesen.
-
-Um jedoch zu unserem eigentlichen Zwecke zurückzukehren: wie hätte man
-denjenigen, mit denen noch über die ersten Buchstaben alles Unterrichts,
-ob es wohl auch überhaupt Wissenschaft geben möge, zu streiten war,
-glaublich machen können, dass es wohl eine Wissenschaft der Wissenschaft
-selber geben möge; oder diejenigen, die überhaupt gar keiner Besinnung
-fähig sind, und dessen sich rühmen, zur allerhöchsten und vollendeten
-Besinnung heraufleiten können? Es war nichts Anderes zu erwarten, als
-dasjenige, was erfolgt ist, dass sie die Worte und Formeln dieser
-angetragenen Wissenschaft, zu dem, was sie allein wollen und begehren,
-zu einigen Scherzen für die Belustigung ihrer Leser verarbeitet, und
-wenn man dennoch ernsthaft geblieben, voll Eifer und Zornes auf uns
-geschmähet haben.
-
-Nur noch zwei Bemerkungen zum Schlusse. Sollten die Getroffenen auch
-über diese Schilderung sich erklären, so werden sie ohne Zweifel
-wiederum sagen, wie sie immer sagen, man habe die Unwahrheit vorgegeben
-und übertrieben. Nicht für sie, sondern für eine bessere Nachwelt, wenn
-dergleichen möglich wäre, merke ich an, dass alles auf dem oben
-angegebenen Axiome beruhe, dass jeder, von welchem sich hinterher
-findet, dass er unrecht habe, gar wohl hätte wissen können, dass er
-nicht überzeugt sey; dass er sonach auf keine Weise läugnen könne, er
-habe leichtsinnig und unmoralisch gehandelt. Dass sie aber fast in allen
-ihren eigenen Behauptungen unrecht haben, würde wenigstens eine bessere
-Nachwelt, wenn sie nicht zu gut dafür gesorgt hätten, dass keine solche
-entstehen könnte, klar begreifen.
-
-Sodann werden sie, wie sie gleichfalls immer zu sagen pflegen, wiederum
-sagen: wir hätten nur unserer Leidenschaft Luft machen wollen, und
-werden auch für diesen Erguss nicht ermangeln einen glaublichen Grund zu
-finden, nemlich, weil sie uns ihren Beifall und ihr Lob nicht ertheilt
-hätten. Nun haben wir ihnen schon zu verschiedenenmalen nicht verhehlt,
-dass wir, so lange sie nemlich also sind, wie sie sind, sowohl sie
-selber, als auch ihren Beifall von Herzen verachten; aber sie sind fest
-überzeugt, dass es ganz und gar unmöglich sey, dass irgend ein Mensch
-nicht diejenige achtungsvolle Meinung von ihnen habe, die sie selbst
-über sich hegen, dass daher einer also lautenden Versicherung niemals
-Glauben zuzustellen, sondern dass dieselbe allemal ein leeres Vorgeben
-und eine Maske sey, um dadurch etwas Anderes zu bedecken. Sie würden uns
-daher auch jetzt wieder nicht glauben, wenn wir auch jene Versicherung
-wiederholen, und ihnen bemerklich machen wollten, dass man, um durch
-seinen Beifall zu ehren, erst selber ehrwürdig seyn müsse, und dass wir
-ihren Beifall mit Danke sodann annehmen würden, nachdem sie sich erst
-den unsrigen erworben, dass wir aber bis dahin es für eine grosse
-Schmach und für einen Beweis der eigenen Niederträchtigkeit halten
-würden, wenn wir ihnen gefielen.
-
-
- II.
- Ein Beispiel insbesondere von dem philosophischen
- Beurtheilungsvermögen des Zeitalters.
-
-Es möchte gerathen seyn, diese fast allgemeine Schlaffheit und
-Geistlosigkeit des Zeitalters, noch insbesondere in Sachen der
-Philosophie, an einem neuerlichen, noch fortdauernden frappanten
-Beispiele darzulegen. Des Zeitalters, habe ich gesagt, im Allgemeinen;
-denn ich will nicht, dass der Mann, dessen Namen unten genannt werde,
-glaube, dass ich ihn für die Person meiner Gegensetzung würdige, oder
-dass er mir selber als Repräsentant jener allgemeinen Seichtigkeit gut
-genug sey, wodurch ich in der That übertrieben, und gegen die übrigen
-ungerecht seyn würde. Nur dass ein im Ganzen dennoch unterrichteteres
-Publicum durch ihn sich irre machen lassen konnte, ist es, was ihm die
-Ehre erwirbt, hier namentlich aufgeführt zu werden.
-
-Es war nemlich durch die Kantischen und durch unsere Schriften doch
-endlich dahingekommen, dass, obwohl die im Dogmatismus Aufgewachsenen
-nicht bekehrt wurden, dennoch unter den später Gebildeten mehrere zu der
-Ueberzeugung geführt worden waren, und auf derselben fest zu beruhen
-schienen, dass die Realität keinesweges in die Dinge, sondern dass sie
-in das Denken und seine Gesetze gesetzt werden müsse, obwohl keiner so
-recht eigentlich wusste, wie das letztere zu bewerkstelligen seyn möge;
-als es einem der verworrensten Köpfe, welche die Verwirrung unserer Tage
-hervorgebracht, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, gelingen konnte,
-durch das Gespenst eines Subjectivismus der Wissenschaftslehre, welches
-lediglich in seinem grossen Unverstande sich erzeugt hatte, selbst diese
-durch seine Autorität zu einem Irrthume zurückzubringen, welchen durch
-sich selbst zu fassen sie doch zu verständig waren, und dieselben von
-Kant und der Wissenschaftslehre zu Spinoza und Plato zurückzuscheuchen,
-bloss weil durch die noch tiefere Unwissenheit, wovon eigentlich die
-Rede sey, der Mann mit noch grösserem Muthe ausgerüstet wurde. Sie
-wussten sich nicht weiter zu rathen, und forderten wiederholt und in
-strafedrohenden Edicten den Verfasser der Wissenschaftslehre auf, zu
-widerlegen, wenn er könne, wozu es weder Kants, noch der
-Wissenschaftslehre bedurfte, sondern wovon schon seit Leibnitz nicht
-mehr die Rede seyn konnte. Dass der Mann dadurch seine absolute Unkunde
-von dem, was die Speculation sey und wolle, und seine natürliche
-Unfähigkeit zum Speculiren, sowie die durch ihn Geirrten die
-Unsicherheit ihrer Kunde gezeigt, leuchtet von selber ein und bedarf
-nach den obigen Erinnerungen keines weiteren Beweises. Aber inwiefern
-etwa die übrige dialektische Kunst, das schriftstellerische Talent, der
-sophistische Witz und die Gewandtheit des Mannes den Getäuschten zu
-einiger Entschuldigung gereiche, und was überhaupt dieser Mann an Geist
-und Kunst vermöge und aufzuwenden habe, möchte eine belehrende
-Erörterung abgeben.
-
-Wir wollen in dieser Erörterung, um mit der allerhöchsten Billigkeit zu
-verfahren, uns weder an die früheren Schriften des Mannes, noch auch an
-dessen sogenanntes Identitätssystem halten; obwohl dieses letztere so
-bedeutend geschienen, dass wir von einem der stehenden literarischen
-Tribunale namentlich aufgefordert wurden, dieses zu widerlegen oder
-anzuerkennen. War denn nun in diesem Systeme, so wie es im zweiten Hefte
-des zweiten Bandes der Zeitschrift für speculative Physik dargelegt ist,
-über welche Darlegung wir nur im Vorbeigehen einige Worte sagen wollen,
-der Irrthum so künstlich und so täuschend verarbeitet, dass man ohne
-fremde Hülfe sich nicht füglich rathen konnte?
-
-Diese Darstellung hebt §. 1. an mit der Erklärung: »Ich nenne Vernunft
-die absolute Vernunft oder die Vernunft, insofern sie als totale
-Indifferenz des Subjectiven und Objectiven gedacht wird.« -- Dass nun
-durch diesen Ausgangspunct der Mann gleich von vornherein die Vernunft
-von sich selbst ausscheide, und Verzicht darauf thue, selber vernünftig
-zu seyn, und sich ein einzigesmal zu besinnen, wie er es denn mache, um
-zu allen den Behauptungen, die nachfolgen sollen, zu kommen; -- dieses
-zu bemerken konnte dem Publicum, weil dadurch das bekanntermaassen
-abgehende Organ der Speculation vorausgesetzt würde, nicht wohl
-angemuthet werden. Dass aber die Eine und absolute Vernunft, ausser der
-nichts seyn solle, nicht die Indifferenz des Subjectiven und Objectiven
-seyn könne, ohne zugleich auch in derselben ungetheilten Wesenheit die
-Differenz desselben zu seyn; dass hier sonach ausser der Einen
-indifferenzirenden Vernunft noch eine zweite differenzirende im Sinne
-behalten würde, welche sodann auch wohl in aller Stille gute Dienste
-leisten dürfte; und dass dieser Fehler nicht etwa nur ein kleiner und
-unbedeutender Verstoss, sondern von den wichtigsten Folgen seyn möchte,
-hätte man gleichwohl, ohne alles Organ für Speculation, durch ein nur
-nicht ganz flüchtiges Tappen greifen können. Dass sie nicht bemerkten,
-dass durch diese Erklärung die Vernunft nun vollkommen bestimmt und in
-sich abgeschlossen, d. i. todt sey, und ihr philosophischer Heros nun
-zwar seinen ersten Satz nach Belieben werde wiederholen können, niemals
-aber auf eine rechtliche und consequente Weise ein Mittel finden, um aus
-ihm heraus zu einem zweiten zu kommen, wollen wir ihnen ebenso
-grossmüthig erlassen. Dass sie aber, als er nun wirklich nach seiner
-Weise anfängt, den Todten wieder zu erwecken, und in den folgenden §§.
-die Prädicate des Nichts und der Allheit, der Einheit und Gleichheit mit
-sich selber u. s. w., an diese seine Vernunft hält, und sie
-glücklicherweise in dieselbe hineindemonstrirt, sich nicht ein wenig
-gewundert, wie denn fürs erste nur er selber ^zu diesen Prädicaten^
-gelange, noch ihn darüber befragt; indem ja, wenn durch die erste
-Erklärung das Wesen der Vernunft wirklich erschöpft wäre, diese
-Prädicate selber erst, durch eine Analyse jener Erklärung, aus der
-Vernunft, als in ihr nothwendig begründet, abgeleitet werden mussten,
-keinesweges aber, Gott weiss woher geschöpft, durch blinde Willkür davon
-gehalten werden dürften; dass die Leser nicht hier das Leben und Regen
-jener §. 1. im Sinne behaltenen differenzirenden Vernunft in der Person
-ihres Autors selber fühlten; ja dass ihnen nicht einmal die materiale
-Willkür desselben in der beliebigen Folge der Prädicate, die er der
-Vernunft anzudemonstriren beliebt, auffiel, ist ein wenig schwerer zu
-verzeihen.
-
-Was aber soll man erst sodann sagen, wenn man diese Andemonstrirungen
-selber ansieht, und die Widersprüche, Erschleichungen und
-Ungereimtheiten entdeckt, durch welche eine ungebildete und verworrene
-Phantasie den Verfasser blind hinüberreisst, und wenn man sieht, dass im
-consequenten Verfahren aus seinem ersten Satze allenthalben das gerade
-Gegentheil seiner Behauptung erfolgt, und dennoch erlebt, dass diese
-Misgeburt von System anders, als mit allgemeinem und unauslöschlichem
-Gelächter empfangen wird?
-
-So lautet z. B. §. 2.: »^Ausser der Vernunft ist nichts, und in ihr ist
-Alles.^ Wird die Vernunft so gedacht, wie wir es (§. 1.) gefordert
-haben, so wird man auch unmittelbar inne, dass ausser ihr nichts seyn
-könne. Denn man setze, es sey etwas ausser ihr, so ist es entweder für
-sie selbst ausser ihr« -- So? ^für sie selbst^? Davon, dass ^für^ die
-Vernunft etwas seyn könne, haben wir ja in §. 1. kein Wörtlein
-vernommen, sondern es schiebt sich hier in aller Stille, und ohne dass
-wir wissen, woher sie komme, diese Voraussetzung zum Behufe des Beweises
-ein, und der Verfasser selber hat die Vernunft nicht gedacht, wie er §.
-1. gefordert hatte, sondern verleitet unmittelbar, indem er es dem Leser
-einschärft, ihn zum Gegentheile dieses Gedankens. Aber der Leser wird es
-wohl nicht merken, und so kann ihm der Beweis wohl gelingen. Er gelingt
-ihm, wie folgt: »es ist entweder für sie selbst ausser ihr; sie ist also
-das Subjective, welches wider die Voraussetzung ist; oder es ist nicht
-für sie selbst ausser ihr, so verhält sie sich zu jenem Ausserihr, wie
-Objectives zu Objectivem, sie ist also objectiv, allein dieses ist
-abermals wider die Voraussetzung.« Im Vorbeigehen: die zweite Hälfte des
-Beweises ist ohne allen Sinn und Verstand, wie der Leser selber finden
-mag, wenn er will, indem wir dabei uns nicht aufhalten wollen.
-
-Der richtige und ohne Erschleichung vollzogene §. 2. zu einem solchen §.
-1. über dem Prädicate des Nichts, ist der folgende: ^In der Vernunft und
-für die Vernunft ist schlechthin nichts.^ Wird die Vernunft so gedacht,
-wie wir es §. 1. gefordert haben, so wird man unmittelbar inne, dass
-weder in noch für die Vernunft etwas seyn könne. Denn setze, es solle
-etwas in oder für die Vernunft seyn, so könnte dieses nur dadurch
-geschehen, dass und insoweit die Vernunft selber es wäre; und zwar
-könnte dieses Etwas nur das subjective seyn, oder das objective, oder
-beides, indem wir ausser diesem in unserem §. 1. nichts vorfinden. Aber
-dass die Vernunft das subjective sey, oder das objective, oder beides,
-widerspricht schlechthin der Voraussetzung, dass sie nur sey die
-Indifferenz beider.
-
-Freilich wird in diesem Beweise vorausgesetzt, dass ja der Beweisführer
-während desselben sich nicht besinne, dass in demselben allerdings die
-Vernunft für ihn sey, und gesetzt sey; dass daher die eigene factische
-Möglichkeit des Beweises dasselbe voraussetze, wovon die Unmöglichkeit
-in ihm erwiesen wird; und zwar wird dieses mit Recht vorausgesetzt,
-indem das Gegentheil in einem Systeme, das lediglich durch
-Nichtbesinnung möglich ist, gegen die allererste Verabredung streiten
-würde.
-
-So lautet der Anfang von §. 3.: »^Die Vernunft ist schlechthin Eine, und
-schlechthin sich selbst gleich^, denn wäre nicht jenes, so müsste es von
-dem Seyn der Vernunft noch einen anderen Grund geben« -- (Hier schiebt
-sich demnach, zum Behuf des zweiten Beweises die zweite Voraussetzung
-ein, dass jedes Seyn einen Grund haben müsse? Woher wissen wir denn das?
-Woher überhaupt plötzlich die Kategorie des Grundes, noch dazu zum Behuf
-des Beweises der (formellen) Einheit der Vernunft? Grund ist eine weit
-speciellere Kategorie, erst eintretend in der Sphäre endlicher
-Bedingungen und Folgen.) -- der Beweis geht fort -- »noch einen anderen
-Grund geben, als sich selbst: denn sie selbst enthält nur den Grund,
-dass sie selbst ist, nicht aber, dass eine andere Vernunft sey.« So?
-woher wissen wir denn wiederum dieses? Liegt das auch in §. 1. oder in
-§. 2.? Doch erlassen wir ihm die Frage nach dem Woher! lassen wir seine
-Anwendung des Satzes vom Grunde, und die unbewiesene Behauptung, dass
-die Vernunft nur der Grund ihrer selbst sey, stehen; was würde denn nun
-mit alle dem der Satz beweisen? Warum könnte denn nicht doch die
-Vernunft innerlich und in sich selbst, eben als Vernunft, qualitativ
-Eins bleiben, wenn es auch einen Grund ihres formalen Daseyns ausser ihr
-selber gäbe? Nur das Seyn wäre sodann nicht Eins, und die Vernunft wäre
-nicht alles Seyn, und Eins mit dem Seyn. Die Einheit des Seyns daher,
-keinesweges aber die der Vernunft, wäre bewiesen, wenn dieser doppelt
-und dreifach falsche Beweis etwas beweisen könnte; aber unser Verfasser
-setzt hinzu: ^die Vernunft ist also Eine^, seinen eigenen Beweis nicht
-einmal verstehend.
-
-Der richtige §. 3. über dem Prädicate der Einheit und Sichgleichheit zu
-einem solchen §. 1. und 2. wäre der folgende: ^die Vernunft ist
-schlechthin weder Eines, noch sich selbst gleich.^ Denn setzet, dass sie
-das seyn solle, so könnte sie, da ausser ihr gar nichts ist, dasselbe
-nur in und für sich selbst seyn. Nun ist es (§. 2.) überhaupt unmöglich,
-dass in ihr oder für sie überhaupt etwas sey, daher kann in ihr oder für
-sie auch nicht Einheit und Sichselbstgleichheit seyn, daher kann
-überhaupt nicht Einheit und Sichselbstgleichheit seyn, und eben darum
-auch nicht die der Vernunft seyn. -- Freilich wird auch hier
-vorausgesetzt, dass ja niemand sich besinne, wie er selber doch wirklich
-und in der That in diesem Beweise Einheit und Gleichheit setze, wodurch
-derselbe Widerspruch zwischen dem Thun und Sagen, den wir schon bei dem
-vorigen Beweise nachwiesen, einträte, und der ganze Scherz in Nichts
-zerginge.
-
-Nach dieser Weise geht es nun fort durch das ganze Scriptum, und keine
-der folgenden Demonstrationen ist anderer Natur, als die eben geprüften.
-Der Erfolg aber aller dieser Anstalten ist der, dass, auf eine durchaus
-nur erdichtete Weise, und durch absolute Aufhebung des Satzes, von
-welchem ausgegangen wurde, die specifische Verschiedenheit der
-mancherlei wirklichen Dinge erklärt wird aus der Verschiedenheit des
-quantitativen Verhältnisses des Subjectiven und Objectiven in ihnen.
-Dass diese Erklärung völlig willkürlich und eine leere Hypothese sey,
-leuchtet unmittelbar ein; denn wie könnte irgend jemand auf sie kommen,
-der nicht schon als bekannt und ausgemacht voraussetzte, dass es
-specifisch verschiedene Dinge gebe, und der sich nicht in den Kopf
-gesetzt hätte, diese Verschiedenheit, es möchte nun Gott lieb oder leid
-seyn, zu erklären. Dass sie aber dem ersten Grundsatze widerspricht und
-ihn aufhebt, leuchtet also ein: Ist die Vernunft die absolute
-Indifferenz des Subjectiven und Objectiven, und giebt es gar kein
-anderes Seyn, ausser dem der Vernunft, so kann in keinem Seyn diese
-Indifferenz aufgehoben werden, und eine quantitative Differenz an die
-Stelle treten.
-
-Inzwischen, wie schon oben gesagt, ich will auch nicht nach dieser
-verjährten, und wenn auch nicht von dem naturphilosophischen Publicum
-erkannten, dennoch vielleicht von ihrem Urheber schon bereuten Sünde ihn
-richten,[37] sondern meine Untersuchung seines Geistes und Talentes auf
-eine andere Schrift, die er selbst für so heilig hält, dass er durch
-das: »Rühre nicht Bock, denn es brennt,« die Profanen an der Schwelle
-zurückweiset, und welche wirklich auch nach meinem Erachten die beste,
-d. h. die noch am wenigsten stümperhafte unter den zahlreichen Producten
-seiner Feder ist; auf seine Schrift: ^Religion und Philosophie^ betitelt
-(Tübingen, bei Cotta, 1804.), bauen.
-
-[Fußnote 37: Durch diese, übrigens ihre guten factischen Gründe für sich
-habende Vermuthung haben wir indessen, wie hinterher sich gefunden, ihm
-zu viel Ehre erwiesen. Es ist uns nemlich seit Abfassung jener Stelle
-das erste Heft der Jahrbücher der Medicin etc. in die Hände gefallen, wo
-(S. 9.) die soeben berührte Darstellung, und besonders »die allgemeinen
-Gründe, wie sie §. 1 bis 50. aufgestellt seyen,« noch immer als bewährt
-gepriesen und citirt werden. »Selbst dasjenige, was mehr noch aus
-Divination, als aus bewusster Erkenntniss entsprungen gewesen, habe sich
--- zum Wunder! -- bewährt.« Seine Divinationen also hat der Mann als
-Philosopheme drucken lassen, und sagt es selber, ohne ein Arges daraus
-zu haben? Welche Begriffe mag er von Philosophie haben und von
-Schriftstellerei überhaupt? Das Wunder inzwischen jener gerühmten
-Bewährung kann man irgendwo von uns sehr natürlich erklärt finden.
-Uebrigens ist in diesen Jahrbüchern die dogmatische Verstocktheit, das
-ohnmächtige Pochen auf die Unbesonnenheit, die trotzige Versicherung,
-dass diese eben das Rechte sey, und das grobe Misverstehen des
-Idealismus so arg, als jemals, und es ist Schonung, dass wir die
-gewählte Prüfung stehen lassen, und unseren Maassstab nicht an dieses
-neueste Product legen, das den sichtbaren Verfall seines Urhebers in
-jeder geistigen Kraft bezeugt.]
-
-Der bei weitem grösste Theil dieser Schrift hat es gar kein Hehl, dass
-nur frei und frank hinphantasirt werde, ohne dass man sich auch nur die
-Miene des Denkens oder der Untersuchung gäbe: es wird versichert,
-betheuert, behauptet, entschieden, ohne dass auch nur ein Schatten eines
-Beweises dazwischen eintritt. Alles also Beschaffene spricht schon durch
-sich selbst sich sein Urtheil, und wir können es übergehen. Wir wenden
-uns daher sogleich zur hervorstechendsten Stelle des ganzen Buches, die
-den Anschein des Denkens wirklich an sich nimmt, und über die dermalen
-höchsten Principien dieses Philosophen Auskunft zu geben verspricht,
-indem wir, wie schon oben gesagt, immer ungerügt lassen den Grundirrthum
-des Objectivirens, und bloss zusehen, mit welcher Fähigkeit und
-Gewandtheit man sogar im Irrthume sich bewege.
-
-Von S. 18. an wird eine Ableitung der endlichen Dinge aus dem Absoluten
-und eine Darstellung des Verhältnisses zu ihm angekündigt, mit welcher
-es denn auch S. 21. also zum Schlage kommt:
-
-»So gewiss jenes schlechthin einfache Wesen der intellectuellen
-Anschauung« (mit dem Worte: ^Wesen^ meint er das ^Object^ der erwähnten
-Anschauung; er hat aber seinen guten, uns sehr wohlbekannten Grund,
-dieses letztere Wort hier ja nicht in den Mund zu nehmen, indem dieses
-ihn in schlimme Verlegenheiten mit der Wissenschaftslehre bringen
-könnte) -- »so gewiss dieses Wesen Absolutheit ist: so gewiss kann ihm
-kein Seyn zukommen, als das durch seinen Begriff (denn wäre dieses
-nicht, so müsste es durch etwas anderes ausser sich bestimmt seyn, was
-unmöglich ist).«
-
-Halten wir gleich hier den schwellenden Strom dieses Beweises an, indem
-wir über einiges darin nicht ganz so leicht hinwegkommen können, als
-sein Urheber. Ich verstehe deutlich: wäre es nicht durch sich bestimmt,
-so wäre es durch ein anderes bestimmt, nemlich, wenn es überhaupt
-^durch^ etwas bestimmt seyn müsste, wofür der Beweis keinen Grund
-angiebt, sondern es nur eben hindichtet. Ich sehe, dass dieser Beweis
-sein Absolutes, das erst Eins seyn sollte, in zweie, in ein bestimmendes
-und in ein bestimmtes zerreisst, und so mit einer inneren und materialen
-Disjunction (die ursprüngliche und formale, dass es Hingeschautes ist
-aus einem Schauen, wird unserem Versprechen gemäss erlassen), über die
-er keine Rechenschaft giebt, anhebt; welches der erste Act der blinden
-Willkür ist. Sehe ich dieses Verfahren tiefer an, so finde ich, dass der
-bekannte Begriff vom Absoluten, dass es sey von sich, aus sich, durch
-sich, hier vollzogen werde, welcher, als blosser Begriff, äussere
-Charakteristik und Schema des Absoluten, und blosse Beschreibung seiner
-Form im Gegensatze mit der Form des Nichtabsoluten, das da nicht ist von
-sich selbst, keinesweges in dasselbe selber uns hineinzuführen vermag,
-sondern dasselbe unserem Blicke auf ewig verschliesst; welches nicht zu
-bemerken die zweite Blindheit ist. Ich sehe ferner, dass der Ausdruck:
-das sey unmöglich, wie er dasteht, eine Unmöglichkeit lediglich des
-Denkens ausdrücke, dessen reale Bedeutung vor allen Dingen
-hätte gesichert werden müssen; welches die dritte sehr grobe
-Unterlassungssünde ist. Wenn ich übrigens dieses alles hingehen, und mir
-das Absolute in seiner Zweifachheit als bestimmendes und bestimmtes
-gefallen lasse, so sehe ich noch immer nicht ein, warum es in seiner
-ersten Qualität, als bestimmendes, gerade ein Begriff seyn solle, wie
-mir gleichfalls ohne irgend eine Anführung des Grundes angemuthet wird;
-welches sonach die vierte blinde Willkür wäre. Ich sehe inzwischen sehr
-wohl ein, warum also verfahren werden musste; indem es nemlich auf
-andere Weise nicht zu der begehrten Schlussfolge: »das Absolute ist also
-überhaupt nicht ^real^, sondern an sich selbst nur ^ideal^,« kommen
-könnte.
-
-Ich will nicht nur gefällig seyn, sondern sogar ein Uebriges thun; ich
-will wirklich denken, was der Beweis von mir verlangt, und so nachholen,
-was sein Urheber versäumt hat; indem dieser, wie tiefer unten sich
-zeigen wird, das Begehrte in der That nicht gedacht, sondern nur leere
-Worte gemacht hat; welches, falls der besprochene Beweis uns gelingt,
-die fünfte Blindheit seyn würde.
-
-»Es kann dem Absoluten kein Seyn zukommen, ausser ^durch seinen
-Begriff^.« Wenn ich das letztere in vollem Ernste und wirklich, und
-nicht etwa bloss faselnd, so dass es wahr seyn solle, und doch wieder
-auch nicht wahr, denke, so denke ich, dass das Absolute einen Begriff
-von sich selber, eine Anschauung seiner selber, ein schematisches Seyn
-ausser seinem Seyn, -- denn also ist ein Begriff zu denken -- habe, und
-zwar von sich, als einem ^also^ bestimmten und beschränkten Seyn, wie es
-sich begreift. Ich sehe nunmehro klar ein, was dem Beweisführer selber,
-der nicht wirklich dachte, sondern nur faselte, bloss dunkel vorschweben
-konnte, dass auf diese Weise das Absolute in sich selbst durchaus nur
-ideal seyn könne; indem ich ja so consequent seyn werde, das Absolute
-selbst, und diesen seinen Begriff von sich selbst, durchaus für Eins und
-dasselbe zu halten, und ihm kein anderes formales oder materiales Seyn,
-und keinen anderen Sitz und Mittelpunct dieses letzteren zuschreiben
-werde, ausser eben in seinem Begriffe von sich selber unmittelbar und
-ganz. Das Absolute wird nun wieder Eins, ein zugleich bestimmendes und
-bestimmtes in der formalen Einheit des Begriffes, und die andere Hälfte
-der realen Bestimmtheit, welche ohne Zweifel nur als Hülfslinie des
-Beweises erst angelegt war, fällt hinweg. Zwar bekomme ich statt dieser
-Zweiheit in mein Absolutes die von der Form des Begriffes, in welcher
-Form nun das Absolute aufgeht, unabtrennbare Fünffachheit; aber das ist
-nun einmal unvermeidlich, und ich thue wohl, in das Unvermeidliche mich
-zu ergeben. Dass ich mich ja nicht besinne, dass zuletzt doch ich selber
-es sey, der jenen Begriff von einem Begriffe des Absoluten von sich
-selbst habe, und dass ich denselben auf das Zureden dieses stattlichen
-Beweises, mit sehr bewusster Willkür gebildet habe, -- wodurch ich zwar
-in das leere Reflectirsystem fallen, aber die Sache ein verwickelteres
-Ansehen erhalten würde, -- versteht sich, indem dies gegen die Abrede
-laufen würde.
-
-So weit im Reinen, lasset uns das Weitere vernehmen! »Aber gleich ewig
-mit dem schlechthin Idealen ist die ewige Form.« Gleich ewig? Wir
-erfahren sonach nebenbei und im Vorbeigehen, dass das schlechthin Ideale
-unter anderm auch ewig ist. Woher mag uns diese Kunde kommen, und was
-mag das heissen, ewig seyn? Seyen wir jedoch diesmal ausser Sorgen; der
-Verfasser will uns hier nichts aufbinden oder erschleichen; er denkt das
-Gesagte in der That nicht, und denkt diesmal gar nichts; er hat sich das
-Wort »ewig« nur stark angewöhnt, und es entfährt ihm hier unwillkürlich;
-denn wenn er daran gedacht hätte, dass er es vorbrächte, so hätte er
-zugleich auch gedacht, was es doch bedeuten möge; welches somit die
-sechste und die siebente Blindheit auf Einen Schlag ist.
-
-Gleich ewig ist also die ewige Form? Dies versteht sich eigentlich von
-selbst; denn wir haben ja schon oben gesehen, dass das Absolute, als
-durchaus nichts anderes, denn sein Begriff von sich selbst, in dieser
-Form des Begriffes aufgehe, welche Form somit ebenso absolut ist, als
-dasselbe selber, da sie es ja selber ist, und die, wenn das Wort »ewig«
-eine Bedeutung haben sollte, und das Absolute ewig wäre, auch ebenso
-ewig seyn würde, als dieses. Meint denn nun der Verfasser ^diese^ Form,
-oder meint er eine andere? Er meint eine andere; denn dass er schon an
-dem Begriffe des Absoluten von sich selber eine recht tüchtige und
-haltbare und sogar fünffache Form habe, ist ihm verborgen geblieben,
-woraus eben hervorgeht, dass er das oben dem Leser angemuthete Denken
-selbst nicht vollzogen, und so der oben versprochene Beweis
-nachgeliefert ist. Dass er aber noch eine zweite Form begehrt, kommt
-daher, weil er irrigerweise meint, vermittelst der ersten, selbst wenn
-er sie sich klar mache, lasse sich nichts aus dem Absoluten heraus
-ableiten, welches letztere doch sein eigentlicher Zweck ist.
-Irrigerweise meint er das, sagte ich; wenigstens wäre uns für unsere
-Person gar nicht bange, wenn wir einen solchen Begriff des Absoluten von
-sich selber unter die Hände bekämen, dass wir nicht daraus mit leichter
-Mühe Erde und Himmel, und alle ihr Heer sollten ableiten können. Wir
-haben ja in diesem Begriffe das ganze qualitative Seyn des Absoluten,
-welches es anschaut; dies wird doch wohl ohne Zweifel ein ergiebiges
-Mannigfaltige uns liefern. Wir dürfen von nun an nur die Augen und Hände
-aufthun, und uns geben lassen, was da ist; und haben nun für jedes Ding,
-das uns vorkommen mag, die immer fertige und stets sich gleich bleibende
-Antwort: das ist auch ein Qualitatives im Absoluten, und dieses
-gleichfalls, und dieses, und so ins Unendliche fort. Die einzige noch
-übrige Schwierigkeit wäre nur die, begreiflich zu machen, wie wir andern
-zur Mitwissenschaft vom Seyn des Absoluten, und zur Theilnahme an seinem
-Begriffe von sich selber gelangten; aber da unwidersprechlich erhellet,
-dass die innere Grundform des Begriffes des Absoluten von sich selbst
-die Ichform ist, so könnte ja wohl gerade durch diese Form jedwedes Ich
-an dem Absoluten Theil haben, und in dasselbe versinken; zu welcher
-kühneren Lösung der Aufgabe dieser Schriftsteller nur zu blöde und zu
-verzagt ist, und das Absolute, soweit als irgend möglich, sich vom Leibe
-hält. Aus diesem Grunde bleibt die erste Form unbenutzt, und es muss ihm
-eine zweite herbeigeschafft werden, in welche, als weniger vornehm, er
-mit einem kleineren Maasse von Unbescheidenheit seine Person
-hineinzuschieben hofft.
-
-Es ist also eine Form des Absoluten; und diese ist gleich ewig mit ihm;
--- so haben wir vernommen, ein Schatten eines Beweises aber erscheint
-nicht. Woher weiss denn der Verfasser, was er behauptet? und wie mag er
-wohl dazu kommen, eine solche Form anzunehmen? das werden wir ohne
-Zweifel am besten erfahren, wenn wir sehen, wozu er sie braucht und
-gebraucht. Aber er gebraucht sie bald darauf, um vermittelst derselben
-die Realität aus dem Absoluten zu erklären. Sein Bedürfniss demnach,
-diese Erklärung zu liefern, ist der wahre Schöpfer, und der wahre
-verschwiegen gebliebene Beweisgrund des Seyns einer solchen Form.
-
-Und so haben wir denn schon hier den Begriff dieses Mannes von
-Philosophie, und sein ganzes Verfahren, in unermesslicher Evidenz vor
-uns liegen. Die Realität ist eben an sich; darüber wird gar kein Zweifel
-rege, und dieses ist der wahre Grundpfeiler seines Systems. Diese kann
-und muss erklärt werden; und es ist das Geschäft der Philosophie, diese
-Erklärung zu liefern. Auch hierüber, als den zweiten Grundsatz dieses
-Systems, wird ebensowenig ein Zweifel rege. Zum Behufe dieser Erklärung
-muss nun eine ewige Form, und zum Behufe der Füllung dieser Form ein
-Absolutes angenommen werden, welches der dritte Theil und die wirkliche
-Vollziehung dieses Systemes ist. Der Ausgangspunct desselben ist daher
-der allerblindeste und stockgläubigste Empirismus, und ein Absolutes
-wird lediglich der Welt zu Liebe angenommen. Dies ist die wahre Meinung
-des Mannes vom Absoluten, denn also gebraucht er es; und wenn er ein
-andermal zur Abwechslung von unmittelbarer Erkenntniss und Anschauung
-des Absoluten redet, so ist dies leere Prahlerei und purer Scherz, indem
-er gar nicht aus dieser Prämisse, sondern aus der entgegengesetzten
-wirklich urtheilt und philosophirt. Höchstens mag an dem Ersteren, wie
-wir grossmüthig voraussetzen wollen, so viel wahr seyn, dass er die
-Nothwendigkeit einer unmittelbaren Erkenntniss, falls es jemals zu einer
-mittelbaren kommen sollte, überhaupt einsieht, ohne dass er sie doch an
-sich zu bringen weiss, noch auf seinem Wege jemals sie an sich bringen
-wird. Uebrigens ist dieses Nichtverstehen seiner eigenen wahren Meinung
-und Nichtbemerken seines blinden Empirismus und seines Erklärens durch
-eine willkürlich gesetzte Hypothese, die radicale Blindheit des Mannes,
-und von den hier geprüften die achte an der Zahl.
-
-Lassen wir inzwischen uns weitere Auskunft geben über diese ewige Form!
--- »Nicht das schlechthin Ideale steht unter dieser Form, denn es ist
-^selbst^ ausser aller Form, so gewiss es absolut ist.« Ausser aller
-Form; es ist somit das oben über desselben Begriff von sich selbst
-Gesagte, wenige Zeilen darauf, nachdem es gesagt worden, zurückgenommen,
-ohne dass es gemerkt wird, welches die neunte Blindheit wäre. Aber sehen
-wir doch näher hin, was der Mann eigentlich schwatzt. Das »selbst« ist
-auch im Urtext beschwabachert, und es thut wohl noth, wiewohl auch von
-der anderen Seite es ihm Verdruss bringen dürfte. Ich frage: ist es denn
-dasselbe Eine Absolute, von welchem oben geredet worden, das da seyn
-soll in der ewigen Form? Es muss wohl; denn sonst hätten wir ein zweites
-Absolutes, und wären mit dem ersten ganz vergebens bemüht worden, und es
-wäre ein Fehler, dass man uns nicht gleich von vornherein vor die rechte
-Schmiede des ergiebigen und erklecklichen Absoluten geführt hätte. Also
-ist es doch das Absolute selbst, das in der Form ist. Nun aber soll es
-doch wiederum nicht ^selbst^ in der Form seyn. Also ein Selbst, das
-zugleich auch Nichtselbst, eine Identität, die zugleich auch
-Nichtidentität ist? Giebt es kein Mittel, diesen Unsinn klar in die
-Augen springen zu lassen? Ich hoffe, Folgendes soll Dienste leisten. Ich
-frage: ist denn das Absolute in jenem Sichformiren ganz und ungetheilt
-dabei? oder ist es nicht ganz und ungetheilt dabei? Ist das Erste, so
-ist es ganz und in ungetheilter Wesenheit in der Form, und es ist
-nirgends und auf keine andere Weise, ausser in der Form. Unser Philosoph
-will nicht, dass es so sey, weil ihm um seine eigene selbstständige
-Individualität, welche sodann in das Absolute versänke, bange ist. Nach
-ihm ist also das Letztere; ist aber dies, so theilt in dieser Formirung
-das Absolute sich in zwei absolute Hälften, mit deren einer es selbst
-ausser aller Form bleibt, mit deren anderer aber es selbst ist in der
-Form. Wird dies unser Philosoph zugeben wollen? Ich hoffe das
-Gegentheil; inzwischen hat er es dennoch gesagt, ohne selbst zu wissen,
-was er redet, welches die zehnte hier obwaltende Blindheit ist.
-
-Ich werde es müde, und vielleicht eben also der Leser, dem Manne noch
-ferner Schritt vor Schritt zu folgen, und ihm seine Verworrenheiten
-vorzuzählen; und breche gerade hier um so lieber ab, da sogleich die
-zwei folgenden Zeilen so dicken und zähen Unsinn enthalten, dass gar
-manches Wort erfordert würde, ihn fliessend zu machen. Ich setze nur
-noch den Schluss dieser Erörterung über die ewige Form her. »Diese Form
-ist, dass das schlechthin Ideale, unmittelbar als solches, ohne also aus
-seiner Identität herauszugehen, auch als ein Reales sey.« Was mag real
-heissen? Nun, denkt der Mann, das weiss ja wohl jedes Kind, und macht
-sich keine Mühe mit der Bestimmung seines Begriffes. Wir aber möchten
-doch gleichwohl gerne wissen, welchen Sinn er mit diesem Begriffe zu
-verbinden hätte, und müssen es schon selber aus dem Zusammenhange
-aufsuchen. Real ist dem Verfasser der Gegensatz zum Idealen; das Ideale
-aber ist ihm, theils nach seinen ausdrücklichen Worten, theils zufolge
-der höheren Klarheit, welche wir denselben durch die wirkliche
-Vollziehung des angemutheten Denkens gegeben haben, dasjenige, was
-keines anderen Seyns bedürftig oder fähig ist, ausser im Begriffe: das
-Reale muss daher seyn ein Seyn, das keines anderen Seyns fähig ist, als
-nur des ausser dem Begriffe, die absolute Bewusstlosigkeit.
-
-So, sage ich, müsste nach unserem Philosophen das Reale gedacht werden,
-obwohl derselbe bei anderen Gelegenheiten wiederum sehr entfernt ist, es
-also zu denken; denn S. 23. »tritt die Form ^der Bestimmtheit^ des
-Realen durch das Ideale als ^Wissen^ ein in die Seele.« Wir hatten oben
-nur die Sichformirung des Idealen vermittelst und in der Form zum
-Realen, das unmittelbare Verschmelzen der Idealität in Realität (J X R):
-woher kommt uns denn jetzt diese neue Form höherer Abstraction ^einer
-Bestimmtheit^ des Realen durch das Ideale, welche wechselseitig seyn
-muss, und der blossen Realität zugleich den Grund ihres Soseyns
-hinzufügt
-
- F
- (J X R),
-
-und noch obenein eine ^Seele^, in welcher diese Form der Form eintritt?
-Es scheint ja, dass an diesem Systeme der würtembergische Katechismus
-wohl ebenso viel Antheil habe, als die Speculation.
-
-Mit der wirklichen Ableitung endlicher Dinge aus dem Absoluten gelingt
-es ihm nun, zu Ende von mancher Noth und Plackerei, die er sich bis
-dahin anthut, S. 29. unverhoffterweise folgendermaassen: »Das Absolute
-würde in dem Realen nicht wahrhaft objectiv, theilte es ihm nicht die
-Macht mit, gleich ihm, seine Idealität in Realität umzuwandeln und sie
-in besonderen Formen zu objectiviren.« Nun, da ist ja mit Einemmale
-alles gewonnen, und die Aufgabe aller Speculation in unermesslicher
-Klarheit und Leichtigkeit, zu allgemeinem Vergnügen und Bequemlichkeit,
-gelöst! Dass wir andern alle das Reale, in welchem das Absolute wahrhaft
-objectiv geworden, seyen, leidet keinen Zweifel; die Macht, unsere
-Idealität in Realität umzuwandeln, und sie in besondern Formen zu
-objectiviren, geht zufolge dieser Versicherung uns auch nicht ab; und so
-wird denn wohl die Welt nichts anderes seyn, als die Ausübung jener
-unserer Macht. Thun wir von nun an nur unsere Sinne, oder, in der
-Terminologie unseres Weltweisen, die uns mitgetheilte Macht, unsere
-Idealität in Realität umzuwandeln, auf, so werden wir ja hören und
-sehen, wie jene Macht in besonderen Formen sich objectivire; und so sind
-wir denn, freilich auf einem etwas mühsamen und holprigen Umwege, gerade
-bei demjenigen angekommen, wozu ich schon oben geglaubt, dass der
-Begriff des Absoluten von sich selber dienen könne. Was von nun an uns
-auch vorkommen könne, wir werden jedesmal zu sagen wissen, es sey dies
-eine Aeusserung der Macht, unsere Idealität in Realität umzuwandeln,
-durch welche Macht das Absolute in uns objectiv geworden.
-
-Leider werden wir in den freudigen Empfindungen, die wir hierüber
-gefasst haben möchten, schon S. 34. durch die unerwarteten und
-merkwürdigen Worte gestört: »Mit Einem Worte, vom Absoluten zum
-Wirklichen giebt es keinen stätigen Uebergang, der Ursprung der
-Sinnenwelt« (man bemerke, dass dieses Wort hier gleichbedeutend ist mit
-dem Wirklichen) »ist nur als ein vollkommenes Abbrechen von der
-Absolutheit, durch einen Sprung denkbar.« »Der Grund der endlichen Dinge
--- so beschliesst die S. 18. uns verheissene Auskunft über die Abkunft
-der endlichen Dinge aus dem Absoluten -- »der Grund der endlichen Dinge
-kann nicht in einer ^Mittheilung^ von Realität an sie, oder an ihr
-Substrat, welche Mittheilung vom Absoluten ausgegangen wäre, er kann nur
-in einer ^Entfernung^, in einem ^Abfall^ vom Absoluten liegen. Diese
-ebenso klare und einfache, als erhabene Lehre« (So? es scheint, der
-Geschmack ist mancherlei) »ist auch -- die wahrhaft Platonische. -- Nur
-durch den Abfall vom Urbilde lässt Plato die Seele von ihrer ersten
-Seligkeit herabsinken.« -- »Es war ein Gegenstand der geheimeren Lehre
-in den griechischen Mysterien, auf welche auch Plato nicht undeutlich
-hinweiset.«
-
-Nun, wenn Plato und die griechischen Mysterien das annahmen, so werden
-wir andern wohl Respect haben, und es uns gleichfalls gefallen lassen
-müssen; sollte es sich auch finden, dass in der ganzen Lehre durchaus
-kein Sinn und Verstand sey, und dass das Angemuthete niemals im
-wirklichen Denken vollzogen, sondern nur gesagt werden könne.
-
-Wir haben grossen Verdacht, dass das Letztere sich finden werde. Denn
-was soll doch dasjenige seyn, das da abfällt vom Absoluten? Es sind nur
-zwei Fälle möglich: entweder nemlich ist es das Absolute selbst, in
-welchem Falle dieses von sich selbst abfallen, d. h. sich in sich selber
-und durch sich selber vernichten müsste, welches absurd ist; oder es ist
-nicht das Absolute selbst; so ist es von, aus, durch sich selber, und
-wir haben der Absoluten zwei an der Zahl, was abermals absurd ist. Es
-geht nicht, dass man sage, das Absolute habe jenes andere gemacht, und
-es gut gemacht, und es sey nur nachher abgefallen: denn sodann müsste
-das in ihm liegende Vermögen, abzufallen, ihm entweder das Absolute
-ertheilt haben, in welchem Falle in der Ertheilung dieses Vermögens das
-Absolute in der That von sich abgefallen wäre, welches die erste
-Absurdität ist; oder es müsste dieses Vermögen von und aus sich selber
-haben, wodurch es wenigstens in Absicht dieses Vermögens absolut würde,
-welches die zweite Absurdität ist.
-
-Jedoch, wenn wir dieses Alles dem Verfasser übersehen wollten, wie passt
-denn diese Aeusserung zu allen seinen früheren Operationen? Ich bitte,
-ist denn das Absolute wirklich und in der That vorhanden, oder ist es
-nicht wirklich vorhanden? Ist denn an dem Objectivwerden dieses
-Absoluten in einer Macht, seine Idealität in Realität umzuwandeln, und
-sie wiederum in verschiedenen Formen zu objectiviren, ein wahres Wort,
-oder ist daran kein wahres Wort? Ist das Erstere, so ist ja die
-Wirklichkeit allerdings erklärt, und der stätige Uebergang vom Absoluten
-zum Wirklichen ist gefunden. Wird aber das Letztere angenommen, wie
-dadurch, dass die Unerklärbarkeit des Wirklichen aus dem Absoluten
-behauptet wird, allerdings geschieht, so wird ja alles früher Gesagte
-für unwahr erklärt und zurückgenommen, und es wird alle, sowohl wahre,
-als die hier herrschende vermeinte Speculation aufgehoben. Warum liess
-denn der Verfasser dennoch seinen Anfang stehen, nachdem er ein solches
-Ende gewonnen hatte?
-
-Haben wir ihn vielleicht nur nicht recht verstanden? Abgeleitet habe er
-nun wirklich und in der That etwas, lässt er sich vernehmen, aber dieses
-sey denn doch nur die pure Idee; und jenes uns so erfreuliche
-Objectiviren seiner Idealität in verschiedenen Formen mag wohl auch nur
-das blosse leidige Handeln, keinesweges aber, wie wir hofften, zugleich
-auch die ursprünglichen Weltvorstellungen bedeuten? Ich bitte, ist denn
-die Idee nicht wirklich, und kann sie denn nicht wirklich werden, und
-ist sie denn nicht in der ersten Hälfte des Buches, in der stattlichen
-Ableitung unseres Herrn Verfassers in der That wirklich geworden? Ja,
-wer vor Demuth zu einer solchen Annahme kommen könnte! Das ist Alles
-wohl gut, sagt der Mann, aber das ist doch nicht das rechte Wirkliche,
-nicht das wirklich Wirkliche; dafür lasse ich lediglich und allein die
-materielle Sinnenwelt gelten. Ist ihm denn aber im Laufe seines
-philosophischen Lebens niemals die Behauptung zu Ohren gekommen, dass
-eine Sinnenwelt überhaupt nur im Sinne, der Sinn aber nur in der Idee,
-als Sphäre des selbstständigen Lebens der Idee, wirklich da sey? Will er
-nun dieses nicht zugeben, wie er es denn allerdings nicht will; wie
-bringt er denn zuvörderst seinen Begriff von der Wirklichkeit zu Stande?
-Offenbar nur durch den Gegensatz mit der Idee; ein Seyn der Materie,
-durchaus unabhängig von der Idee, und da doch ohne Zweifel ausser der
-Idee und der Materie es nicht noch ein drittes wird geben sollen,
-unabhängig von irgend etwas Anderem, also ein wahres Ansich und
-innerliches Absolutes, das zweite an der Zahl, wenn es nemlich sein
-Ernst ist, dass es zugleich auch eine absolute Idee gebe. Und so ist
-denn bei diesem philosophischen Heros, wo es Ernst wird, nichts mehr zu
-finden, als der alte und wohlbekannte Scherz eines materialistischen
-Dualismus. Nicht Wissenschaftslehre, nicht Kant, sondern du, heiliger
-Leibnitz, bitte für ihn! Ferner, wie gedächte sich denn wohl der Mann
-bei dieser Denkart gegen diejenigen, welche auf der Einheit des
-Absoluten, und auf der Idee, als der einzig möglichen Realität
-beständen, zu schützen? Er wird niemals eine andere Weise finden, als
-diejenige, deren er sich wirklich bedient, dass er, als ein zweiter
-Friedrich Nicolai, sich auf das Zeugniss seiner Sinne, und auf den
-gesunden Menschenverstand berufe, und hoch betheure, die materiellen
-Gegenstände müssten aber doch seyn, denn er sehe sie ja, und höre sie,
-und keiner soll ihn jemals eines anderen bereden. Und so fällt denn an
-dieser Stelle dem Manne die Maske der Speculation, die er auch sonst
-locker genug trägt, völlig ab, und es tritt hervor die natürliche Haut
-des rohesten, stockgläubigsten Empirismus, wie denn sich über das
-Ansichseyn der Materie auch nicht einmal ein Verdacht regt.
-
-Da man unserm Publicum alles ausdrücklich sagen muss, und fast niemals
-darauf rechnen kann, dass es selber folgern oder annehmen werde, dass
-jemand wirklich wolle und zugebe, was aus seinen Sätzen folgt: so merke
-ich hier noch ausdrücklich an, dass alle Naturphilosophie auf diese
-Stockgläubigkeit, dieses Entsetzen und Erschrecken vor der Materie, und
-diese Scheu, selber lebendig, und nicht als ein blosses Naturproduct da
-zu seyn, sich gründe, und dass diese denen, die ihnen widersprechen,
-niemals eine andere Antwort werden geben können, als dass es ihnen am
-Gefühle fehlen müsse. Nun ist, da wir ebensowohl leben, denn sie, ohne
-Zweifel zu erwarten, dass wir ebensowohl hören und sehen mögen, denn
-sie; nur dass wir diesen Erscheinungen der Sinne nicht unmittelbar und
-ohne Weiteres Glauben beimessen, sondern sie mit dem Begriffe
-durchdringen, und in ihrer Bedeutung, als dem wahrhaft Realen an ihnen,
-sie verstehen. Woran es uns daher, ihnen gegenüber, in der That fehlt,
-das ist ihr blinder Aberglaube, und wenn sie unter ihrem Gefühle diesen
-verstehen, so haben sie ganz recht mit ihrem Verdachte, dass irgend
-etwas, das sie besitzen, uns abgehen möge. Möge ihnen doch nie ein Licht
-darüber aufgehen, welche Thoren sie geworden sind, da sie sich für Weise
-hielten.
-
-Um zurückzukehren zu unserem Philosophen: ein so über alle Maassen
-ungeschickter und stümperhafter Sophist, wie wir es ihm nachgewiesen
-haben, ist also der Mann, dem es gelungen ist, die Philosophen dieses
-Zeitalters irre zu machen.
-
-Inzwischen dürfte es eine Ungerechtigkeit sowohl gegen mich selber, als
-gegen den genannten Mann involviren, wenn ich hiermit dieses Capitel
-beschlösse. Gegen mich selber, indem ich nicht will, dass gewisse
-Gegner, über die er sich beklagt, und die er besonders in den Gegenden
-seines jetzigen Aufenthalts gefunden, glauben sollen, dass ich mich
-ihnen beigesellt habe; gegen ihn, indem, da es eine Zeit gegeben, da ich
-weniger geringschätzig über ihn geurtheilt, und da bekannt ist, dass wir
-beide ehemals in persönlichen Beziehungen gestanden, jemand glauben
-möchte, dass er noch auf andere Weise, denn als Philosoph, mir
-verwerflich geworden. Was zuerst meine früheren, weniger
-geringschätzigen Urtheile betrifft, so gebe ich dabei zu bedenken, dass
-damals, als ich diese fällte, der Mann schon um seiner Jugend willen der
-philosophischen Reife und Klarheit durchaus unfähig war, und ich daher
-diese an ihm loben weder wollte noch konnte; dass ich aber hoffte, er
-werde fleissig seyn, und nicht zweifelte, dass durch Fleiss ihm etwas
-gelingen könnte, und dass es allein diese Hoffnungen waren, welche ich
-aussprach. Wie ich über die im wirklichen Besitze des Mannes
-befindlichen philosophischen Kenntnisse von jeher geurtheilt, kann
-gleich im ersten Jahrgange des von mir mit herausgegebenen Journals eine
-meiner Noten zu einer Abhandlung desselben, in welcher die ersten Spuren
-des Irrthums, der sich nun gar stattlich zu einer Naturphilosophie
-herausgebildet, zum Vorschein kamen, noch bis heute klärlich beurkunden.
-Jene meine guten Hoffnungen von ihm hat er nun keinesweges erfüllt,
-sondern durch unverständige Schmeichler früh sich verderben lassen, und
-seit dieser Zeit keines anderen Dinges sich beflissen, denn des
-Hochmuths und des Eigendünkels, und durchaus den Rang ablaufen wollen
-demjenigen, welchen auch nur zu verstehen er gleichwohl fortdauernd
-unfähig geblieben.
-
-Um von denen seiner Gegner, denen ich nicht gleichen mag, mich
-auszuscheiden: -- Dass, wenn des Mannes System consequent verfolgt wird,
-kein Gott übrig bleibe, denn die Natur, und keine Moralität, ausser die
-der Naturerscheinungen, sehe ich klar ein; aber man muss dasjenige, was
-die Menschen bloss sagen, ebensowenig ihnen zum Nachtheil anrechnen, als
-diese Erörterung gemeint gewesen ist, es ihnen zum Vortheile gelten zu
-lassen. Die Worte sind überhaupt nichts, und nur das Leben will etwas
-bedeuten. Was nun die innere Religion des Mannes anbetrifft, so
-bescheide ich mich hierüber von Rechtswegen alles Urtheils, und halte
-dafür, dass dieses auch dem übrigen Publicum ebenso sehr gezieme. Was
-die Moralität anbetrifft, dürfte es nicht unschicklich seyn, folgenden
-Umstandes bei dieser Gelegenheit zu erwähnen.
-
-Es scheint geglaubt worden zu seyn, und ich finde noch vor kurzer Zeit
-in einem öffentlichen Blatte diese Insinuation wiederholt, dass der
-Genannte zu denen gehöre, welche bei meinem Abgange von Jena ein
-gewisses mir gegebenes Wort nicht erfüllt hätten. Ich halte es für
-angemessen, bei der gegenwärtigen Gelegenheit dieser Meinung förmlich zu
-widersprechen. Ich stand mit ihm keinesweges auf dem Fusse, dass ich
-über zu fassende bedeutende Entschliessungen mich vor der That mit ihm
-berathen hätte; was ihm mitgetheilt worden, ist ihm erst nach der That
-mitgetheilt worden; wie ich denn auch einem anderen meiner Freunde und
-Collegen, auf welchen, als Mitherausgeber des philosophischen Journals,
-gleichfalls einiger Verdacht gefallen, erst nach der That mich eröffnet.
-Derjenige Mann, der durch seinen ungesuchten Eintritt meinen unbedingten
-Entschluss, auf einen gewissen Fall meine Lehrstelle an der Universität
-Jena niederzulegen, den ich ohne ihn einfach und natürlich würde
-ausgeführt haben, in einen Versuch, zu capituliren, verwandelte, der
-einen gewissen ersten Brief, welcher ohne seine Dazwischenkunft nicht
-wäre geschrieben worden, mit mir verabredete und billigte; und als der
-Erfolg ausfiel, wie er ausfiel, mir einen zweiten, dessen ich bei meinem
-schon vorher gefassten festen Entschlusse nicht bedurfte, sondern der
-nur ihn decken sollte, abquälte und abpresste, und so auf eine ganz
-richtige, anständige und gebührliche Entschliessung von mir, die ich
-noch jetzt, nach Verlauf von acht Jahren, durchaus billige, und in
-derselben Lage heute wiederholen würde, den Anschein von Schwäche und
-Zweideutigkeit brachte, war ein anderer, und es war nur Einer, nicht
-mehrere; daher man auch meine übrigen Jenaischen Freunde und Collegen
-mit jenem Argwohn verschonen wolle. Inzwischen zürne ich auch diesem
-Einen so wenig, dass ich vielmehr gleich nach der That nur mich selber
-verurtheilt habe, indem der Stärke, die mit der nur einen Augenblick
-aufflammenden Schwäche gemeinsame Sache macht, ohne vorherzusehen, dass
-der augenblickliche Muth nicht fortdauern werde, ganz recht geschieht,
-wenn sie verlassen wird; und ich habe mit mir selbst mich ausgesöhnt
-lediglich durch die erworbene Sicherheit, dass mir dieses nicht zum
-zweiten Male begegnen wird.[38]
-
-Dies sey denn hiermit gesagt und abgethan; indem wir hoffen, dass die
-verworrene Leidenschaftlichkeit jener Tage nunmehr sich gesetzt habe,
-und man begreife, dass keinem Menschen in der Welt, ausser etwa den
-Weimarischen Finanzen, welche uns andere nichts angehen, daran liegen
-könne, ob dieser oder jener Mann Professor zu Jena sey, oder nicht, und
-ob Jena eine blühende, oder eine verlassene, oder auch gar keine
-Universität habe.
-
-[Fußnote 38: Zur Aufhellung der oben im Texte befindlichen Stelle ist
-Fichte's Lebensbeschreibung (I. S. 366. II. S. 300.) zu vergleichen. H.
-E. G. Paulus, der hier gemeint war, hat indess gegen jede solche
-Beziehung zu Fichte in den »Skizzen aus meiner Bildungs- und
-Lebensgeschichte« (Heidelberg, 1839. S. 168-170) protestirt, woraus eine
-Reihe von Verhandlungen zwischen ihm und dem Unterzeichneten sich
-ergeben hat, deren Erwähnung hier nicht umgangen werden kann, indem auch
-sie vorübergehend lebhafte Aufmerksamkeit erregten. Da jedenfalls beide
-Männer auch in dieser Beziehung mit einander vor die Nachwelt treten, so
-bleibt nichts übrig, um den Leser zu einem selbstständigen Urtheile in
-dieser Angelegenheit zu veranlassen, als ihn ausser dem schon
-Angeführten auf die weiteren Actenstücke zu verweisen. Man vergleiche:
-»Paulus und Fichte; über einen berichtigenden Zusatz zu J. G. Fichte's
-Lebensbeschreibung, als Anfrage oder Gegenberichtigung von J. H. Fichte«
-im ^Freihafen^ 1840. Zweites Heft S. 176-229; »Beleuchtung des
-Verhältnisses, welches zwischen Professor Fichte dem Vater und Dr.
-Paulus bei dem Atheismusstreit des Ersteren stattfand« in ^Paulus neuem
-Sophronizon^, I. Mittheilung 1841 S. 80-134; endlich: »Offenes Schreiben
-an Herrn Dr. Paulus in Bezug auf dessen Beleuchtung etc. von J. H.
-Fichte« in dessen ^Zeitschrift für Philosophie^, Bd. VII. S. 151-155.
-
- (Anmerkung des Herausgebers.)]
-
-Uebrigens ist auch das, was der Mann durch seine Speculation sucht und
-anstrebt, keinesweges etwas Schlechtes und Gemeines, sondern es ist das
-Höchste, dessen der Mensch theilhaftig werden kann; die Erkenntniss der
-Einheit alles Seyns mit dem göttlichen Seyn. Seine Absicht ist daher
-aller Ehren werth. Ebendasselbe will ja auch ich, und leiste es; er aber
-redet nur daran herum, und vermag es nicht zur Wirklichkeit zu bringen,
-tritt in den Weg denen, die es können, und macht irre andere, die ohne
-ihn vielleicht hören und verstehen würden; und dieses ist es, was ihm
-meinen Tadel zuzieht. Er hasset und fliehet die Besonnenheit, in welcher
-allein das Heilmittel vom Irrthume liegt, mit gutem Bedachte, indem er
-sie nur für leere Klarheit hält, und macht so die Unbesonnenheit zur
-ausdrücklichen Grundmaxime alles Realismus, erwartend von einer blinden
-Natur die Heilung. Dies ist nun absolute Unphilosophie und
-Antiphilosophie, und so lange er auf dieser Maxime beharrt, ist Alles,
-was er vorbringt, ohne Ausnahme nothwendig falsch, irrig und thöricht,
-und es vermag kein Funke von Speculation in seine Seele zu kommen. Und
-so werfe ich ihn denn, indem ich den Menschen an ihm in allem seinem
-möglichen Werthe lasse, als Philosophen ganz und unbedingt weg; und als
-Künstler erkenne ich ihn für einen der grössten Stümper unter allen, die
-jemals mit Worten gespielt haben.
-
-Was hier insbesondere ihm nachgewiesen worden, leidet, als gegründet
-lediglich auf die blosse allgemeine Logik, durchaus keinen Widerspruch,
-Ausrede oder Ausflucht, und es kann dagegen nichts vorgebracht werden,
-ausser etwa, man habe in den Einheitspunct eben nicht recht hineinkommen
-können, man meine ja doch das Rechte, und habe recht in der Sache, wenn
-auch die Form mangelhaft geblieben sey, welches Alles, als selber
-absolute Antiphilosophie, schon ehe es vorgebracht worden, abgewiesen
-ist. Sollten seine Mitstreiter, im Schmerze, ihren Vorfechter also
-abgefertigt zu sehen, etwas vorbringen wollen, so werde ich antworten,
-oder auch nicht, wie es mir gefallen wird, indem ich hierüber zu nichts
-verbunden seyn will. Mit dem genannten Manne selber rede ich, da wir
-durchaus von contradictorisch entgegengesetzten Maximen ausgehen,
-niemals, wie ich denn auch hier nicht mit ihm, sondern mit seinem
-Publicum geredet habe.
-
-
-
-
- Recensionen.
-
-
-
-
- A.
- Giessen, bei Heyer: Skeptische Betrachtungen über die Freiheit
- des Willens mit Hinsicht auf die neuesten Theorien über
- dieselbe, von Leonhard Creuzer. 1793. XVI. Vorrede (von Herrn
- Prof. Schmid). 252. 8.
-
-
- (Jenaer Allgem. Literatur-Zeitung, 1793. No. 303.)
-
-Wie es von jeher ergangen ist, ergeht es noch immer. Das dogmatische
-Verkennen der Grenzen der Vernunft erregte die Angriffe der Skeptiker
-auf dieses Vermögen selbst, und nöthigte dasselbe, sich einer Kritik zu
-unterwerfen.
-
-Sowie diese Grenzen von neuem überschritten werden, regt sich von neuem
-der Widerspruch der Skeptiker, und nöthigt, -- zum Glück nicht, eine
-neue Kritik zu unternehmen, aber -- an die Resultate der ehemals
-unternommenen wieder zu erinnern. Herrn Creuzers freilich nur
-uneigentlich sogenannter Skepticismus -- denn er nimmt mit der
-Kantischen Schule das Daseyn eines Sittengesetzes im Menschen als
-Thatsache des Bewusstseyns an -- hat die Theorien über Freiheit zum
-Gegenstande; das Resultat seiner Untersuchungen ist, dass keine der
-bisherigen den Streit zwischen dem Interesse der praktischen Vernunft
-und dem der theoretischen befriedigend löse; und ihr lobenswürdiger
-Zweck, zu Erfindung einer neuen und genugthuendern die Veranlassung zu
-geben. Ohne von der ganzen Schrift, welche theils über einen unrichtigen
-Grundriss aufgeführt worden (eine Behauptung, die sich nur durch
-Vorlegung des einzig richtigen darthun liesse, welches die Grenzen einer
-Recension überschreitet), daher nicht mit der strengsten Ordnung
-geschrieben ist, jetzt sich wiederholt, jetzt Dinge in ihren Plan
-aufnimmt, die nicht hineingehören, z. B. die Widerlegung des
-Spinozistischen Pantheismus, des Egoismus u. dergl. m.; theils gegen die
-vor-Kantischen Freiheitstheorien nichts gesagt, was nicht schon ehemals
-gesagt worden, -- ohne von ihr einen Auszug zu geben, möchte Rec. die
-Untersuchung nur auf denjenigen Punct lenken, der wenigstens für die
-Darstellung der Wissenschaft wahren Gewinn verspricht. -- Es ist von
-mehreren Freunden der kritischen Philosophie erinnert, und von Reinhold
-einleuchtend gezeigt worden, dass man zwischen ^derjenigen^ Aeusserung
-der absoluten Selbstthätigkeit, durch welche die Vernunft praktisch ist
-und sich selbst ein Gesetz giebt, und ^derjenigen^, durch welche der
-Mensch sich (in dieser Function seinen ^Willen^) bestimmt, diesem
-Gesetze zu gehorchen oder nicht, sorgfältig zu unterscheiden habe. Dass
-Hr. Creuzer diese Unterscheidung bald zu beobachten scheint, bald wieder
-vernachlässigt und mithin in ihrer ganzen Bestimmtheit sie sicher nicht
-gedacht hat, wollen wir nicht rügen. Aber er nimmt die durch Reinhold,
-Heydenreich, und zuletzt durch Kant selbst gegebene, im Wesentlichen
-einstimmige Definition der Freiheit des Willens, dass dieselbe ein
-Vermögen sey, durch absolute Selbstthätigkeit sich zum Gehorsam oder
-Ungehorsam gegen das Sittengesetz, mithin zu contradictorisch
-entgegengesetzten Handlungen zu bestimmen, als gegen das Gesetz des
-logischen Grundes streitend, in Anspruch. Reinhold -- (denn da es Rec.
-weniger um die Bestimmung des Verdienstes des Schriftstellers, als um
-die Bestimmung des bis jetzt fortdauernden Werthes seiner Schrift zu
-thun ist; so trägt er kein Bedenken, sich auf ein Buch zu beziehen, von
-welchem ihm, da er den deutschen Mercur nicht bei der Hand hat,
-unbekannt ist, ob Hr. Creuzer bei Abfassung des seinigen den Inhalt
-desselben habe benutzen können, oder nicht) -- Reinhold also hat diesen
-möglichen Einwurf (S. 282 ff. 2. Bd. der Briefe über die Kantische
-Philosophie) zwar schon im voraus gründlich widerlegt, aber nach Rec.
-Ueberzeugung, die er mit voller Hochachtung gegen den grossen
-Selbstdenker gesteht, den Grund des Misverständnisses weder gezeigt,
-noch gehoben. »Das logische Gesetz des zureichenden Grundes,« sagt
-Reinhold, »fordert keinesweges für alles, was ^da ist^, eine von diesem
-Daseyn verschiedene Ursache« -- -- »sondern nur, dass nichts ohne Grund
-^gedacht^ werde. Die Vernunft hat aber einen sehr reellen Grund, die
-Freiheit als eine absolute Ursache zu denken« -- und tiefer unten --
-»als ein ^Grundvermögen^, das sich als ein solches von keinem Anderen
-ableiten, und daher auch aus keinem Anderen begreifen und erklären
-lässt.« Rec. ist mit dieser Erklärung vollkommen einverstanden; nur
-scheint ihm der Fehler darin zu liegen, dass man durch anderweitige
-Merkmale verleitet wird, dieses Vermögen nicht als ein Grundvermögen zu
-denken. -- Es ist nemlich zu unterscheiden zwischen dem ^Bestimmen^, als
-freier Handlung des intelligiblen Ich, und dem ^Bestimmtseyn^, als
-erscheinendem Zustande des empirischen Ich.
-
-Die oben zuerst genannte Aeusserung der absoluten Selbstthätigkeit des
-menschlichen Geistes erscheint in einer Thatsache: in dem Bestimmtseyn
-des ^oberen Begehrungsvermögens,^ welches freilich mit dem Willen nicht
-verwechselt, aber ebensowenig in einer Theorie desselben übergangen
-werden muss; die Selbstthätigkeit giebt diesem Vermögen seine
-^bestimmte,^ und ^nur auf Eine Art bestimmbare Form,^ welche als
-Sittengesetz erscheint. Die von jener zu unterscheidende Aeusserung der
-absoluten Selbstthätigkeit im ^Bestimmen^ des ^Willens^ erscheint nicht,
-und kann nicht erscheinen, weil der Wille ursprünglich ^formlos^ ist;
-sie wird bloss als Postulat des durch jene Form des ursprünglichen
-Begehrungsvermögens dem Bewusstseyn gegebenen Sittengesetzes angenommen,
-und ist demnach nicht Gegenstand des Wissens, sondern des Glaubens. Die
-^Neigung^ (^propensio^ überhaupt) als ^Bestimmtseyn^ des (oberen oder
-niederen) ^Begehrungsvermögens^ erscheint; aber nicht das Erheben
-derselben zum wirklichen ^Wollen.^ Der Wille in der Erscheinung ist nie
-^bestimmend,^ sondern ^immer bestimmt,^ die Bestimmung ist schon
-geschehen; wäre sie nicht geschehen, so erschiene er nicht als ^Wille,^
-sondern als ^Neigung.^ Die scheinbare Empfindung des Selbstbestimmens
-ist keine Empfindung, sondern eine unvermerkte Folgerung aus der
-Nichtempfindung der bestimmenden Kraft. Insofern der Wille sich
-»selbstbestimmend« ist, ist er gar kein Sinnen-, sondern ein
-übersinnliches Vermögen. Aber das ^Bestimmtseyn^ des Willens erscheint,
-und nun entsteht die Frage: ist jenes für die Möglichkeit der Zurechnung
-als Vernunftpostulat anzunehmendes Selbstbestimmen zu einer gewissen
-Befriedigung oder Nichtbefriedigung, ^Ursache^ der ^Erscheinung^ des
-Bestimmtseyns zu derselben Befriedigung oder Nichtbefriedigung?
-Beantwortet man diese Frage mit Ja, wie sie Reinhold (S. 284 der
-angeführten Briefe) wirklich beantwortet (»aus ihren ^Wirkungen,^ durch
-welche sie unter den ^Thatsachen^ des Bewusstseyns vorkommt, ist mir die
-Freiheit (des Willens) völlig begreiflich u. s. w.«); so zieht man ein
-Intelligibles in die Reihe der ^Naturursachen^ herab, und verleitet
-dadurch, es auch in die Reihe der Naturwirkungen zu versetzen; ein
-Intelligibles anzunehmen, das kein Intelligibles sey. Wenn man sagt:
-»wer sich zur Frage berechtigt glaubt, aus welchem ^Grunde^ die
-^Freiheit^ sich zu ^A^ und nicht vielmehr zu Nicht-A bestimmt habe,
-beweist durch einen Cirkel die Nichtigkeit der Freiheit aus ihrer schon
-vorausgesetzten Nichtigkeit, und wenn er sich recht versteht, aus der
-Nichtigkeit eines Willens überhaupt:« -- so ist dies freilich sehr wahr
-erinnert; aber durch die Annahme, dass die Freiheit wenigstens Ursache
-in der Sinnenwelt seyn könne, hat man ihn unvermerkt in diesen Cirkel
-hineingezogen. Nur durch die Rückkehr zu dem, was Rec. der wahre Geist
-der kritischen Philosophie scheint, ist die Quelle dieses
-Misverständnisses zu verstopfen. Nemlich -- auf das ^Bestimmen^ der
-absoluten Selbstthätigkeit durch sich selbst (zum Wollen) kann der Satz
-des zureichenden Grundes gar nicht angewendet werden; denn das ist Eine,
-und eine einfache, und eine völlig isolirte Handlung; das Bestimmen
-selbst ist zugleich das Bestimmtwerden, und das Bestimmende das
-Bestimmtwerdende. Für das ^Bestimmtseyn^ als Erscheinung muss nach dem
-Gesetze der Naturcausalität ein wirklicher Realgrund in einer
-vorhergegangenen Erscheinung angenommen werden. Dass aber das
-Bestimmtseyn durch die Causalität der Natur, und das Bestimmen durch
-Freiheit ^übereinstimme,^ welches zum Behuf einer ^moralischen
-Weltordnung^ gleichfalls anzunehmen ist; davon lässt sich der Grund
-weder in der Natur, welche keine Causalität auf die Freiheit, noch in
-der Freiheit, welche keine Causalität in der Natur hat, sondern nur in
-einem höheren Gesetze, welches beide unter sich fasse und vereinige,
-annehmen: -- gleichsam in einer vorherbestimmten Harmonie der
-Bestimmungen durch Freiheit mit denen durchs Naturgesetz. (Vergl. Kant,
-über eine neue Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft
-durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll, S. 122 ff.) Nicht
-darin, wie ein von dem Gesetze der Naturcausalität unabhängiges »Ding an
-sich« sich selbst bestimmen könne, noch darin, dass eine Erscheinung in
-der Sinnenwelt nothwendig ihren Grund in einer vorhergegangenen
-Erscheinung haben müsse, sondern darin, wie beide gegenseitig von
-einander völlig unabhängige Gegenstände zusammenstimmen können, liegt
-das Unbegreifliche: das aber lässt sich begreifen, warum wirs nicht
-begreifen können, weil wir nemlich keine Einsicht in das Gesetz haben,
-das beides verbindet. -- Dass übrigens dies Kants wahre Meinung sey, und
-dass die in mehrern Stellen seiner Schriften vorkommende Aeusserung,
-dass die Freiheit eine Causalität in der Sinnenwelt haben müsse, nur ein
-vorläufig, und bis zur näheren Bestimmung aufgestellter Satz sey,
-scheint Rec. daraus zu erhellen, dass er zwischen einem empirischen und
-einem intelligiblen Charakter des Menschen unterscheidet; dass er
-behauptet, Niemand könne den wahren Grad seiner eigenen Moralität (als
-welcher sich auf seinen unerkennbaren intelligiblen Charakter gründet)
-wissen; dass er die Zweckmässigkeit als Princip der, beide
-Gesetzgebungen verknüpfenden, reflectirenden Urtheilskraft aufstellt
-(als welche Zweckmässigkeit sich nur durch eine höhere, dritte
-Gesetzgebung möglich denken lässt). Vorzüglich aber scheint eben dieses
-in seiner Schrift vom radicalen Bösen (jetzt dem ersten Stücke der
-^Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft^) aus seinem
-Beweise für die Annehmbarkeit eines absolut freien Willens ^aus der
-Nothwendigkeit der Zurechnung,^ und aus seiner Berufung auf ^einen
-unerforschlichen höheren Beistand^ (der nicht etwa unseren
-intelligiblen, bloss durch absolute Selbstthätigkeit zu bestimmenden
-Charakter statt unserer bestimme, sondern unsern erscheinenden
-empirischen mit jenen übereinstimmend mache, welches nur kraft jener
-höheren Gesetzgebung geschehen kann) hervorzugehen. Jene Beweisart und
-diese Berufung sind so innig mit dem Geiste der kritischen Philosophie
-verwebt, dass man wirklich sehr wenig mit ihm bekannt seyn muss, um in
-dieser Philosophie dieselben so abenteuerlich, so wider den gesunden
-Menschenverstand streitend, und so lächerlich zu finden, als Herr
-Creuzer sie findet. Es würde ein Leichtes seyn, ihm zu zeigen, dass er
-selbst zufolge der Prämissen, die er mit der Kantischen Schule annimmt,
-auch diese Sätze nothwendig annehmen müsse.
-
-Von Untersuchung dieser Theorie geht Herr Creuzer zur Prüfung des allen
-Lesern der A. L. Z. sattsam bekannten Schmidschen intelligiblen
-Fatalismus über. So sehr diese Theorie, von der speculativen Seite
-angesehen, ihn befriediget, so klar und einleuchtend thut er dar, dass
-sie alle Moralität völlig aufhebe. Rec. ist über den zweiten Punct
-völlig mit ihm einverstanden, und das, was Hr. Prof. Schmid selbst in
-der Vorrede zu diesem Buche zu seiner Vertheidigung hierüber sagt, hat
-ihm wenigstens noch ärger, als die Anklage geschienen. Zurechnung,
-Schuld und Verdienst fällt bei dieser Theorie, nach Hrn. Schmids eigenem
-Geständnisse, weg; nun wäre es an ihm, zu zeigen, wie man sich dabei
-noch ein für ^jede^ Handlung, die nach dem Gesetze beurtheilt wird,
-^gültiges Gesetz^ denken könne. Die Moralität, welche übrig bleiben
-soll, ist eben diejenige, welche in den ehemaligen Glückseligkeits- und
-Vollkommenheitstheorien übrig blieb: gut seyn ist ein Glück, und böse
-seyn ein Unglück. Ueber den ersteren Punct hören wir Hrn. Schmid selbst.
-»Man kann den undenkbaren Gedanken, den Nichtgedanken (einer
-Nothwendigkeit, die nicht Nothwendigkeit ist, eines unbeschränkten
-Vermögens, das nicht alles vermag, eines Unvermögens, das doch das
-völligste Vermögen ist, eines nothwendigen Grundes, der nicht nothwendig
-begründet, eines Individualdinges, das sich wie ein abgezogenes
-Allgemeinding verhält, also bestimmt und auch unbestimmt ist, endlich
-einer Unabhängigkeit, die aus einer doppelten Abhängigkeit hervorgeht«
-[passt denn diese Charakteristik auch auf die Reinholdsche Definition
-der Freiheit des Willens, oder etwa nur auf diejenige, welche praktische
-Vernunft und Willen verwechselt?]), »der doch für einen Hauptgedanken
-gelten soll, von einer Stelle der Theorie an einen anderen Platz
-hinbringen; man kann ihn aus der Sinnenwelt in die Welt der Noumenen
-verpflanzen; man kann gewissen anstössigen, und wegen ihrer Bestimmtheit
-ein wenig unbequemen Formeln aus dem Wege gehen, und bequemere (ich
-meine lenksamere, unbestimmtere) dafür gebrauchen; man kann endlich neue
-Vermögen der Willkür erdichten, sie aus ihrer Naturverbindung
-herausreissen, und so als isolirte Unbestimmtheiten aufstellen« (ganz
-eigentlich das, wenn man die Ausdrücke nicht ganz genau nimmt, hat Rec.
-hier gethan, und fragt: ob man das Daseyn eines allgemeingültigen
-Sittengesetzes anerkennen und consequent seyn, und dennoch das auch
-nicht thun könne?) -- -- »aber der Widerspruch selbst bleibt, was er
-war; der Verstand kann nicht denken wider die Gesetze der Möglichkeit
-alles Denkens.« Und jetzt entscheide das Publicum, ob hier noch ein
-Widerspruch, oder ob blosse Unbegreiflichkeit vorhanden sey? --
-Uebrigens glaubt Rec., dass die Philosophie sich von Hrn. Creuzer,
-sobald in seine ausgebreitete und mannigfaltige Belesenheit mehr
-Ordnung, und in seine Geistesthätigkeit mehr Reife gekommen seyn werde,
-viel Gutes zu versprechen habe. --
-
-
-
-
- B.
- Gotha, bei Ettinger: Ueber die sittliche Güte aus
- uninteressirtem Wohlwollen, von Friedrich Heinrich Gebhard.
- 1792. 290 S. 8. mit Dedic. und Vorber.
-
-
- (Jenaer Allgem. Literatur-Zeitung 1793. N. 304.)
-
-Rec. nahm dieses Buch nicht ohne grosse Erwartung zur Hand, da es ihm
-die Auflösung einer Schwierigkeit zu versprechen schien, die er noch
-nirgends befriedigend gelöst fand, und von deren Auflösung, wenigstens
-seiner Ueberzeugung nach, darum nicht minder die Allgemeingültigkeit des
-Kantschen Moralprincips abhängt; und er war höchst unzufrieden mit sich
-selbst, dass er bei den Ausdrücken des Verfassers sich so selten etwas
-Bestimmtes denken konnte, bis ihm endlich durch die Stelle S. 84.: »Das
-moralische Gefühl besteht in einer Billigung oder ^Misbilligung^ einer
-^Wirkung^ der ^praktischen Vernunft;^ denn sonst wäre ja nichts da, was
-gebilligt oder misbilligt werden könnte. Also ist es kein sittliches
-Gefühl, was uns zur uninteressirten Thätigkeit treibt, sondern jenes
-wird erst von dieser (der prakt. Vernunft) und von dem Bewusstseyn
-derselben erzeugt;« -- auf einmal völlig einleuchtend wurde, wie weit
-der Verf. selbst vom bestimmten Denken über seinen Gegenstand noch
-entfernt seyn müsse. Ein Aufsatz im Braunschweiger Journal (Juni 1791),
-der das von Smith als Moralprincip aufgestellte reine oder
-uninteressirte Wohlwollen gegen das Kantische Princip in Schutz nahm,
-war die Veranlassung der ersten drei Abschnitte dieser Schrift. Der
-erste Abschnitt vertheidigt Kant gegen die Beschuldigung des
-Journalisten, dass er nicht definirt habe, ^was^ sittlich gut sey, durch
-die Vorlegung der Kantischen Definition: es sey dasjenige, was man
-zufolge des mit Nothwendigkeit gebietenden praktischen Vernunftgesetzes
-^solle;^ und entwickelt überhaupt das Kantische Moralprincip. Hat etwa
-der Journalist eine Realdefinition begehrt (denn sollten ihm wohl jene
-Nominaldefinitionen unbekannt geblieben seyn? --); so hätte ihm Hr.
-Gebhard befriedigender geantwortet, wenn er ihm gezeigt hätte, ^dass^
-und ^warum^ das ^Materiale^ eines bloss ^formalen^ Imperativs sich nicht
-vorlegen lasse, und dass er mithin in seiner Forderung schon
-voraussetze, was er durch sie erweisen wolle. Neues hat Rec. unter einem
-unerschöpflichen Wortreichthume in diesem Abschnitte nichts gefunden,
-als das, dass der Verf. die allgemeingeltenden Vorschriften des
-Sittengesetzes nicht für bloss negativ (für Einschränkungen der den
-Willen bestimmenden Anmaassung des sinnlichen Triebes), sondern für
-positiv hält; dass es z. B. nach ihm Pflicht ist, nicht -- nie eine
-Unwahrheit zu sagen, sondern die Wahrheit immer, und in jedem Falle
-gerade herauszusagen. Der zweite Abschnitt untersucht, ob das reine
-Wohlwollen Princip der Moral seyn könne. Dass eine solche Untersuchung
-nicht aus bestrittenen Kantischen Prämissen, sondern aus solchen, die
-sein Gegner mit ihm gemeinschaftlich annimmt, geführt werden müsse,
-scheint der Verf., nach einer Stelle zu urtheilen, gefühlt zu haben; ob
-er diesem Gefühle gefolgt sey, wird sich zeigen. »Ein reines Wohlwollen
-sey ein uninteressirtes. Interesse sey rein oder pathologisch. Das
-letztere entstehe aus dem sinnlichen Triebe, und könne hier nicht
-gemeint seyn. Das erstere sey das durch die Gesetzgebung der praktischen
-Vernunft erzeugte, und könne ebensowenig gemeint seyn; denn sonst wäre
-ja dieses System mit dem Kantischen nicht im Widerspruche.« -- Dawider
-kann nun der Gegner die gegründete Einwendung machen: er nehme
-allerdings mit Kant eine uneigennützige (nicht auf Befriedigung des
-sinnlichen Triebes ausgehende) Neigung an; sein Wohlwollen gründe
-sich ebensowenig auf ein Interesse, als das Kantische obere
-Begehrungsvermögen; aber es bringe, ebenso wie dieses, eines hervor: nur
-leite er dieses zugestandene Gefühl keinesweges von einer absoluten
-Selbstthätigkeit des menschlichen Geistes ab, sondern halte es für einen
-Grundtrieb des Gemüths, der sich von keinem höheren Vermögen ableiten,
-noch daraus erklären lasse. Um zu zeigen, dass ein solches
-uninteressirtes Wohlwollen, wie er dem Gegner andichtet, überhaupt nicht
-möglich sey, verwechselt der Verf. kurz darauf ^Interesse,^ geistiges
-Wohlgefallen an der blossen Vorstellung von dem Daseyn eines
-Gegenstandes, mit ^Vergnügen,^ Lust an dem durch Empfindung als wirklich
-gegebenen Gegenstande: »wenn der Gegenstand unseres wohlwollenden
-Triebes realisirt würde, so würden wir nicht ermangeln, ein wirkliches
-Vergnügen zu empfinden, mithin sey unser Wohlwollen doch (pathologisch)
-interessirt.« Empfindet denn, kann ihn hier der Gegner fragen, der durch
-das praktische Vernunftgesetz Bestimmte kein Vergnügen, wenn er den
-Gegenstand seiner Willensbestimmung als realisirt empfindet? »Aber,«
-lässt er bald darauf den Gegner richtig antworten, »die Vorstellung
-dieses Vergnügens soll nur nicht der bestimmende Grund des Willens
-seyn.« Aber was denn? die Vernunft? so ist der Gegner ein Kantianer. Der
-Trieb selbst? Das kann Hr. Gebhard nicht einsehen. Von einem Dritten,
-das den Willen bestimmen könnte, einer absoluten Selbstthätigkeit, ist
-im ganzen Buche nicht die Rede.
-
-Nach diesen Vorübungen setzt endlich Hr. Gebhard den wahren Streitpunct
-sehr richtig so fest: Soll man der Vernunft oder dem reinen Wohlwollen
-das Primat zuerkennen? Hier entspinnt sich zuerst eine ermüdende
-langweilige Erörterung, dass die Vernunft, »wenn man sie auch etwa für
-die bloss theoretische Vernunft anerkennen wolle« (?), doch über die
-Anwendbarkeit des Princips des Wohlwollens auf bestimmt gegebene Fälle
-Richterin seyn müsse. Rec. sollte meinen, das wäre überhaupt nicht die
-Vernunft (das Vermögen ^ursprünglicher^ Gesetze), sondern die
-Urtheilskraft, die im Systeme seines Gegners hierunter das durch jenes
-wohlwollende Gefühl aufgestellte Gesetz (welches der Verstand in eine
-logische Formel zu bringen hätte) subsumiren würde; und dann -- muss
-denn nicht dieselbe Urtheilskraft auf dieselbe Art auch unter das
-praktische Vernunftgesetz subsumiren? Und nun endlich kömmt der Verf. zu
-dem, was er den Beweis nennt, dass der Vernunft, und zwar der
-praktischen Vernunft, das Primat über das reine Wohlwollen zukomme.
-»Warum kann man denn den Werth oder Unwerth des uninteressirten
-Wohlwollens nicht ebensogut, wie tausend andere Fragen, unentschieden
-lassen?« (Ist sein Gegner consequent, so läugnet er ihm die Befugniss zu
-einer solchen Frage geradezu ab: ist ihm der Werth dieses Wohlwollens
-absolut derjenige, nach welchem jeder andere Werth beurtheilt, welcher
-selbst aber nach keinem andern beurtheilt wird.) -- »Entschieden ^muss^
-werden, weil es hier auf Handeln und auf fehlerlose Richtigkeit des
-Handelns ankömmt. Nothwendigkeit des Handelns, verbunden mit dieser
-Regelmässigkeit desselben, ist aber hier noch nicht Sache des
-Wohlwollens; denn hierüber ist eben erst die Frage; sondern der
-Vernunft, und zwar nicht der theoretischen, sondern der praktischen.«
-
-Versteht Rec. diese Worte, so sagen sie so viel: das Wohlwollen kann
-nicht absolut erstes Gesetz des Handelns seyn; ich will hier einmal nach
-einem höheren Grunde fragen; mithin giebt es einen solchen höheren
-Grund: diesen höheren Grund will ich Vernunft, und zwar nicht
-theoretische, sondern praktische Vernunft nennen; mithin -- u. s. f.
-»Und so ist denn,« fährt Hr. Gebhard in Schwabacher Schrift fort, »die
-Subordination des uninteressirten Wohlwollens unter die praktische
-Vernunft klar erwiesen?« -- Ja wohl, wenn schon vorher angenommen war,
-dass die Vernunft auch praktisch seyn könne, und auch wirklich sey.
-
-Und was heisst denn Vernunft überhaupt; und wie ist denn insbesondere
-die praktische von der theoretischen unterschieden? Rec. hat im ganzen
-Buche vergebens nach einer Spur gesucht, woraus hervorginge, dass der
-Verf. auch nur eine leise Ahnung habe, was Vernunft überhaupt, und was
-praktische Vernunft in der kritischen Philosophie bedeute; vielmehr hat
-er dieses Wort bald für Verstand, bald für Urtheilskraft, bald für
-Willen, und endlich gar für sittliches Gefühl, kurz fast für alles
-gebraucht gefunden, was dem Verf. unter die Feder kam. -- »Das Princip
-des uninteressirten Wohlwollens sey unbestimmt. Uninteressirt sey ein
-unbestimmter Begriff.« ^Uninteressirt,^ wie es oben erklärt worden, ist
-ein negativer Begriff, aber kein unbestimmter; er erhält seine
-Bestimmung in der Erfahrung von dem ihm entgegengesetzten ^interessirt^
-(durch sinnlichen Trieb zur Neigung bestimmt).
-
-»Wohlwollen beziehe sich auf Glückseligkeit, und werde durch die
-Unbestimmbarkeit dieses Begriffs auch unbestimmbar.« Theoretisch wohl,
-aber nicht als Princip der Willensbestimmung, wenn diesem nicht die
-hervorzubringende, sondern bloss die rein zu berichtigende
-Glückseligkeit als Zweck aufgestellt wird. Ein Wille, der Glückseligkeit
-ausser sich wirklich machte, wäre in diesem Systeme legal; einer, dessen
-Triebfeder nur lediglich die Vorstellung dieses Zweckes gewesen wäre,
-wäre moralisch. Hr. Gebhard macht die Bestreitung dieses Systems sich
-noch ferner bequem, indem er die Unterscheidung der eigenen von der
-fremden Glückseligkeit in das Princip aufnimmt, und es nun, wie
-natürlich, bei der Anwendung in Widerstreit mit sich selbst gerathen
-lässt. Aber ein consequenter Vertheidiger desselben wird den Grund
-dieser Unterscheidung bloss in der interessirten sinnlichen Neigung
-aufsuchen, und für das uninteressirte Wohlwollen Glückseligkeit
-überhaupt, ohne Rücksicht auf das Subject derselben, zum Objecte
-aufstellen. »Dies Princip sey ferner unverständlich. Ein Princip müsse
-vernünftig gedacht, besonnen seyn.« Das heisst entweder: es muss für die
-Wissenschaft sich in einer bestimmten Formel aufstellen lassen (und
-warum liesse sich denn das Bestrittene nicht in der Formel aufstellen:
-die Hervorbringung der, deinem besten Wissen nach, möglichst grössten
-Summe der Glückseligkeit in der empfindenden Welt sey höchster Endzweck
-deiner freien Handlungen?), oder: es muss in dieser bestimmten Formel
-dem Bewusstseyn beim Bestimmen des Willens vorschweben; und der Verf.
-besteht besonders auf dem letzteren. Aber warum könnte es denn in jener
-Formel das nicht, wenn es müsste? oder warum müsste es denn? Wird denn
-nicht auch das praktische Vernunftgesetz dem Bewusstseyn bloss durch ein
-Gefühl gegeben; und ist denn keine Handlung rein moralisch, die sich
-bloss auf dieses Gefühl, und nicht auf eine klare, deutliche und
-vollständige Kenntniss des kategorischen Imperativs gründet? »Der
-Uebergang eines Gefühls in Handlungen lasse sich nicht begreifen.« Wie
-mag sich der Verf. doch den Uebergang des auf die praktische Vernunft
-sich gründenden sittlichen Gefühls in Handlungen begreiflich machen?
-
-Hoffentlich haben sowohl Hr. Gebhard, als die Leser an diesen Beweisen
-der völligen Unfähigkeit dieses Kantianers zur Lösung der aufgeworfenen
-Streitfrage genug; und überheben Rec. des langweiligen Geschäfts, den
-Auszug aus einer solchen Schrift fortzusetzen.
-
-Dass der Trieb des Wohlwollens, wenn er bei seiner Anwendung auf
-bestimmte Fälle von der Vorstellung der Glückseligkeit geleitet werden
-soll, welche erst durch Sinnenempfindung gegeben werden müsste, und in
-welchem Falle die Formel: was du ^willst^, dass man dir erzeige u. s.
-f., soviel heissen würde, als: was du durch den sinnlichen Trieb
-begehrest, was dir angenehm seyn würde, das sollst du u. s. f., nicht
-Princip der Moral seyn könne, lässt sich schon aus dem Bewusstseyn
-darthun, vermöge dessen wir manches für moralisch nothwendig anerkennen
-müssen, das uns doch als die Quelle des höchsten und allgemeinsten
-Elendes erscheint. Aber diese Beziehung auf Glückseligkeit, durch das
-handelnde Subject selbst, ist etwas dem Systeme zufälliges. Die
-Hauptfrage ist die: ob jenes Gefühl des schlechthin Rechten (nicht eines
-Glückseligkeit beabsichtigenden Wohlwollens), dessen Daseyn im
-Bewusstseyn der Gegner in seiner ganzen Ausdehnung zugestehen kann, von
-etwas Höherem, und zwar von einer praktischen Vernunft, abzuleiten sey,
-oder nicht? Gegen den, der dieses läugnet, kann man sich weder auf eine
-Thatsache berufen; -- denn was wirklich Thatsache ist, das gesteht er
-zu, und dass die Vernunft praktisch sey, und durch dieses ihr Vermögen
-jenes Gefühl bewirke, ist nicht Thatsache: -- noch auf das Gefühl einer
-moralischen Nothwendigkeit (jenes ^Sollen^), das damit vereinigt ist;
-denn dies entsteht auch im Kantischen Systeme aus der Bestimmung des
-oberen Begehrungsvermögens, als oberen, zur Neigung: -- noch auf einen
-in diesem Systeme stattfindenden Mangel eines Unterscheidungsgrundes
-zwischen dem sittlichen und widersittlichen Triebe; denn der
-Vertheidiger desselben kann nur den Grundsatz aufstellen: was sich als
-allgemein, stets, immer und auf jeden Fall, gültige Maxime für das
-Subject ohne Widerspruch denken lässt, ist Wirkung des sittlichen
-Triebes, und was sich, in dieser Allgemeinheit (für das Subject)
-gedacht, widerspricht, das widerspricht dem Sittlichen; -- denn wenn
-jenes Gefühl ursprünglich und einfach seyn soll, so kann es sich nicht
-selbst widersprechen (vom nichtsittlichen, dem animalischen Instincte,
-ist es freilich nicht zu unterscheiden, aber es soll auch in diesem
-System nicht davon unterschieden werden; seine Befriedigung ist hier
-selbst Pflicht): -- noch endlich darauf, dass in demselben jeder Grund,
-eine Freiheit des Willens anzunehmen, wegfalle; denn wenn eine solche
-Freiheit keine Thatsache des Bewusstseyns, sondern ein blosses Postulat
-des als Wirkung der praktischen Vernunft angenommenen Sittengesetzes
-ist; so behilft ein System, das ihrer nicht bedarf, sich gern ohne
-dieselbe; das sittliche Gefühl wirkt unwiderstehlich, wo kein Hinderniss
-seiner Wirkung vorhanden ist. Die eigentliche Moralität wäre freilich
-vernichtet, und wir wären wieder an die Kette der Naturnothwendigkeit
-angefesselt, aber die Thatsachen unseres Bewusstseyns wären
-doch befriedigend und mit höchster Consequenz erklärt, alle
-Unbegreiflichkeiten des Kantischen Systems gehoben, und jene Moralität
-eine erweisbare Täuschung. Um jene Triebfeder des schlechthin Rechten
-mit der übrigen Natur in Zusammenhang zu bringen, und den öfteren
-Widerstreit derselben mit dem ebenso natürlichen Glückseligkeitstriebe
-aufzuheben, würden wir auf die Hypothese getrieben: dass jene Triebfeder
-eine Veranstaltung der Natur sey, um die uns unbekannte Glückseligkeit
-auch ohne unser Wissen durch uns hervorzubringen, und dass das
-Rechtthun, wenn auch nicht in unserem gegenwärtigen, oder überhaupt in
-dem unsrigen, dennoch in irgend einem Verstande letztes Mittel zum
-höchsten Endzwecke der Natur, der Glückseligkeit, sey. Der wesentliche
-Unterschied eines solchen Systems vom Kantischen wäre der, dass in jenem
-das sittliche Gefühl zwar auch Wirkung der Vernunft (als Vermögen
-ursprünglicher Gesetze) wäre, aber der ^theoretischen^; dass mithin
-dieses Gesetz durch den Mechanismus unseres Geistes ^bedingt^, und auf
-alle Fälle, worauf es anwendbar wäre, mit ^Nothwendigkeit^ angewendet
-würde (die Erscheinung der Unabhängigkeit von ihm, welche allein es von
-den übrigen Gesetzen der theoretischen Vernunft unterscheiden, und das
-bei Anwendung jener Gesetze vorhandene Gefühl des Müssens in ein Gefühl
-des Sollens verwandeln würde, entstände daher, dass die Hindernisse der
-Anwendung desselben auf Fälle, worauf es anwendbar schiene, nicht
-ebenso, wie bei jenen, zu unserem deutlichen Bewusstseyn gelangten): in
-diesem aber dasselbe Wirkung einer Vernunft wäre, welche in dieser
-Function unter keiner andern Bedingung stände, als unter der
-Bedingung ihres eigenen Wesens (der absoluten Einheit und mithin
-Gleichförmigkeit), einer praktischen Vernunft.
-
-Dieses letztere nun lässt sich weder für eine Thatsache ausgeben, noch
-irgend einer Thatsache zufolge postuliren, sondern es muss bewiesen
-werden. Es muss bewiesen werden, ^dass^ die Vernunft praktisch sey. Ein
-solcher Beweis, der zugleich gar leicht Fundament ^alles^
-philosophischen Wissens (der Materie nach) seyn könnte, müsste ungefähr
-so geführt werden: der Mensch wird dem Bewusstseyn als Einheit (als Ich)
-gegeben; diese Thatsache ist nur unter Voraussetzung eines schlechthin
-Unbedingten in ihm zu erklären; mithin muss ein schlechthin Unbedingtes
-im Menschen angenommen werden. Ein solches schlechthin Unbedingtes aber
-ist eine praktische Vernunft: -- und nun erst dürfte mit Sicherheit
-jenes, allerdings in einer Thatsache gegebene sittliche Gefühl als
-Wirkung dieser erwiesenen praktischen Vernunft angenommen werden.
-
-Der vierte Abschnitt: »ob das höchste Princip der reinen praktischen
-Vernunft sich mit dem der Glückseligkeit verbinden lasse,« -- ist
-gerichtet gegen Hrn. Rapps Abhandlung ^über die Untauglichkeit des
-Princips der allgemeinen und eigenen Glückseligkeit zum Grundgesetze der
-Sittlichkeit^, Jena, bei Mauke, 1791. Hr. Rapp habe anfangs das
-Kantische Moralprincip in seiner völligen Reinheit aufgestellt, aber am
-Ende seiner Schrift sich zu einem Synkretismus der reinen Vernunft- und
-der Glückseligkeitstheorie hingeneigt. Gleich den ersten Satz, den der
-Verf. Hrn. Rapps Satze: der sittliche gute Wille sey zwar das höchste
-Gut, aber deshalb doch nicht der ganze letzte Zweck des Menschen --
-entgegengestellt: der sittliche Wille sey nicht nur das Absolutgute,
-sondern auch das höchste, und zwar das ganze höchste Gut -- könnte man
-ihm gelten lassen, wenn er unter dem sittlichen Willen nur wirklich den
-sittlichen ^Willen^ verstände. Da er aber auch hier, wie immer, die
-praktische Vernunft mit dem eigentlichen Willen verwechselt, so ist
-klar, dass ihn niemand verstehen kann, weil er selbst sich nicht
-verstanden hat.
-
-Der bescheidene Verf. bittet in der Vorrede nicht um Nachsicht, sondern
-um eine wohlthätig aufklärende Zurechtweisung, und nach allem scheint es
-ihm mit dieser Bitte ein Ernst zu seyn. Rec. kann ihm hier bloss den
-Rath geben, noch eine geraume Zeit über Kants und anderer grosser
-Selbstdenker Schriften nachzudenken, und wenn er dann ja die Resultate
-seines Nachdenkens mittheilen, und gelesen seyn will, sich einer
-grösseren Präcision, und besonders der Einfachheit, in seinem Ausdrucke
-zu befleissigen. Es ist unangenehm, da, wo man bestimmte Erklärungen
-erwartet, auf Kräuseleien zu stossen, wie folgende: »Es giebt Charaktere
-(^sic^) und Handlungen, deren Erhabenheit und Grösse wie ein ewig
-flammender Strahl von den Zeiten des grauen Alterthums bis zur jüngsten
-Menschenwelt herableuchtet.« Bruchstücke aus dergleichen Chrien in
-zierlicher Schreibart schiebt der Verf. ein, wo es sich nur irgend thun
-lässt.
-
-
-
-
- C.
- Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel
- Kant. Königsberg, bei Nicolovius. 1795. 104 S. 8.
-
-
- (Philos. Journal Bd. IV. S. 81-92. 1796.)
-
-Der Name des grossen Verfassers, das Interesse für die gegenwärtigen und
-nächstkünftigen politischen Ereignisse, die Parteilichkeit für oder
-wider gewisse Beurtheilungen derselben, die Begierde zu wissen, wie
-dieser grosse Mann sie ansehen möge, und wer weiss, welche Gründe noch
--- haben ohne Zweifel diese Schrift schon längst in die Hände aller, die
-die Lectüre lieben, gebracht, und unsere Anzeige käme für die meisten
-Leser dieses Journals wohl zu spät, wenn sie dieselben erst mit ihrer
-Existenz bekannt machen wollte. Aber gerade diese Beziehung derselben
-auf das Interesse des Tages, die Leichtigkeit und Annehmlichkeit des
-Vortrags, und die anspruchslose Weise, mit welcher die in ihr
-vorgetragenen erhabenen, allumfassenden Ideen hingelegt werden, dürfte
-mehrere verleiten, derselben nicht die Wichtigkeit beizumessen, die sie
-unseres Erachtens hat, und die Hauptidee derselben für nicht viel mehr
-anzusehen, als für einen frommen Wunsch, einen unmaassgeblichen
-Vorschlag, einen schönen Traum, der allenfalls dazu dienen möge,
-menschenfreundliche Gemüther einige Augenblicke angenehm zu unterhalten.
-Es sey uns erlaubt, auf die entgegengesetzte Meinung aufmerksam zu
-machen, dass diese Hauptidee doch wohl noch etwas mehr seyn möge; dass
-sich vielleicht von ihr ebenso streng, als von anderen ursprünglichen
-Anlagen erweisen lasse, dass sie im Wesen der Vernunft liege, dass die
-Vernunft schlechthin ihre Realisation fordere, und dass sie sonach auch
-unter die zwar aufzuhaltenden, aber nicht zu vernichtenden Zwecke der
-Natur gehöre. Auch sey es uns erlaubt, anzumerken, dass diese Schrift,
-wenn auch nicht durchgängig die Gründe, doch zum wenigsten die Resultate
-der Kantischen Rechtsphilosophie vollständig enthält, und sonach auch in
-wissenschaftlicher Rücksicht äusserst wichtig ist.
-
-^Erster Abschnitt.^ Präliminarartikel zum ewigen Frieden unter Staaten.
-1) »Es solle kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem
-geheimen Vorbehalt des Stoffes zu einem künftigen Kriege gemacht
-worden;« in welchem der schon bekannte oder unbekannte Grund eines
-künftigen Krieges nicht zugleich mit aufgehoben werde. Ausserdem wäre
-kein Friede, sondern nur ein Waffenstillstand geschlossen, sagt Kant. Es
-liegt im Begriff des ^Friedens.^ Durch ihn versetzen sich, glaubt Rec.,
-die Contrahirenden, so gewiss sie contrahiren, überhaupt in ein
-rechtliches Verhältniss gegeneinander, und vertragen sich nicht nur über
-das bis jetzt streitige, sondern über alle Rechte, die zur Zeit des
-Friedensschlusses ein jeder sich zuschreibt. Wogegen nicht ausdrücklich
-Einspruch geschieht (wodurch aber der Friede aufgehoben würde), das
-gestehen die Parteien einander stillschweigend zu.
-
-2) »Es solle kein für sich bestehender Staat (klein oder gross, das
-gelte hier gleichviel) von einem anderen Staate durch Erbung, Tausch,
-Kauf oder Schenkung erworben werden können;« -- weil es, so wie die
-Verdingung der Truppen eines Staates an den anderen, überhaupt gegen den
-Staatsvertrag laufe; wie ^an sich^ klar ist: -- in Beziehung auf den
-beabzweckten ewigen Frieden; weil dies eine nothwendige Quelle vieler
-Kriege gewesen sey, und fortdauernd seyn werde.
-
-3) »Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören« -- weil sie
-beständig mit Krieg drohen, und die Errichtung, Vermehrung, Erhaltung
-derselben oft selbst eine Ursache des Krieges werde.
-
-4) »Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äussere Staatshändel
-gemacht werden;« -- als ^Erleichterungsmittel der Kriege^ zu verbieten,
-wie die stehenden Heere, -- auch um des möglichen und zu seiner Zeit
-unvermeidlichen Staatsbanquerots willen.
-
-5) »Kein Staat solle sich in die Verfassung und Regierung eines anderen
-Staates gewaltthätig einmischen;« -- nicht etwa unter dem Vorwande des
-Skandals. Es sey allemal ^scandalum acceptum,^ und die fremde
-Einmischung selbst ein grosses Skandal.
-
-6) »Es solle sich kein Staat im Kriege mit einem anderen
-Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im
-künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, ^Anstellung der
-Meuchelmörder, Giftmischer, Brechung der Capitulation, Anstiftung des
-Verrathes^ in dem bekriegten Staate« u. s. w. -- weil dadurch der Friede
-unmöglich, und ein ^bellum internecinum^ herbeigeführt würde.
-
-Beiläufig wird aufmerksam gemacht auf den Begriff einer ^lex
-permissiva.^ Sie ist nur möglich dadurch, dass das Gesetz auf gewisse
-Fälle nicht gehe, -- woraus man, wie Rec. glaubt, hätte ersehen mögen,
-dass das Sittengesetz, dieser ^kategorische^ Imperativ, ^nicht^ die
-Quelle des Naturrechts seyn könne, da er ohne Ausnahme und unbedingt
-gebietet: das letztere aber nur ^Rechte^ giebt, deren man sich bedienen
-kann, oder auch nicht. Es ist hier nicht der Ort, sich weiter darüber
-auszulassen.
-
-^Zweiter Abschnitt,^ welcher die Definitivartikel zum ewigen Frieden
-unter Staaten enthält. -- Alles ist aufgebaut auf die Sätze, die Kant
-schon ehemals aufgestellt, die nicht geringen Anstoss erregt haben, und
-deren Prämissen auch hier nicht weiter als durch Winke angedeutet sind:
-»^Alle Menschen, die aufeinander wechselseitig einfliessen können,
-müssen zu irgend einer bürgerlichen Verfassung gehören.^« »Jeder hat das
-Recht, den anderen, den er dazu aufgefordert hat, feindlich zu
-behandeln; auch ohne dass derselbe ihn vorher beleidigt.« Es sey dem
-Rec. -- der, bei seinen Untersuchungen über das Naturrecht, aus
-Principien, die von den bis jetzt bekannten Kantischen unabhängig sind,
-auf diese und auf die tiefer unten folgenden Kantischen Resultate
-gekommen, und den Beweis derselben gefunden, auch sie öffentlich
-vorgetragen hat, ehe dieses Buch in seine Hände gekommen, -- erlaubt,
-einige Worte hinzuzusetzen, um vorläufig die Befremdung, die bei der
-herrschenden Denkart diese Sätze erregen müssen, ein wenig zu mildern.
-
-Nur inwiefern Menschen in Beziehung aufeinander gedacht werden, kann von
-Rechten die Rede seyn, und ausser einer solchen Beziehung, die sich aber
-dem Mechanism des menschlichen Geistes zufolge von selbst und unvermerkt
-findet, weil die Menschen gar nicht isolirt seyn können, und kein Mensch
-möglich ist, wenn nicht mehrere bei einander sind, ist ein Recht nichts.
-Wie können freie Wesen, als solche, bei einander bestehen? ist die
-oberste Rechtsfrage; und die Antwort darauf: wenn jeder seine Freiheit
-so beschränkt, dass neben ihr die der anderen auch bestehen kann. Die
-Gültigkeit dieses Gesetzes ist sonach bedingt durch den Begriff einer
-Gemeinschaft freier Wesen; sie fällt weg, wo diese nicht möglich ist,
-sie fällt weg gegen jeden, der in eine solche Gemeinschaft nicht passt,
-und es passt keiner hinein, der sich diesem Gesetze nicht unterwirft.
-Ein solcher hat mithin gar keine Rechte, er ist rechtlos. -- So lange
-Menschen nebeneinander leben, ohne anders, als vermittelst der
-gegenseitigen Erkenntniss aufeinander einzufliessen, ist es von beiden
-problematisch, ob sie jenem Gesetze sich im Herzen unterwerfen, oder
-nicht. Da jeder von dem anderen ebensowohl das letztere annehmen kann,
-als das erstere, so kann er vor demselben nie sicher seyn; auch schon
-darum nicht, weil der andere ebensowenig weiss, ob er sich dem Gesetze
-unterwerfe, und demzufolge Rechte habe, oder rechtlos sey. Es muss jedem
-Angelegenheit seyn, dem anderen seine Anerkenntniss des Rechtsgesetzes
-zu erklären, sich von seiner Seite die seinige von ihm zusichern, und,
-da keiner dem anderen vertrauen kann, sie sich von ihm ^garantiren^ zu
-lassen; welches lediglich durch die Vereinigung mit einem gemeinen Wesen
-möglich ist, in welchem jeder durch Zwang verhindert wird, das Recht zu
-verletzen. Wer diesen Vorschlag nicht annimmt, erklärt dadurch, dass er
-dem Rechtsgesetze sich nicht unterwerfe, und wird völlig rechtlos.
-
-»Alle rechtliche Verfassung ist sonach (nach Kant), in Absicht der
-Personen, die darin stehen: 1) die nach dem ^Staatsbürgerrechte^ der
-Menschen in einem Volke (^jus civitatis^); 2) nach dem ^Völkerrechte^
-der Staaten im Verhältniss gegeneinander (^jus gentium^); 3) die nach
-dem ^Weltbürgerrechte^, sofern Menschen und Staaten, in äusserem
-aufeinander einfliessendem Verhältnisse stehend, als Bürger eines
-allgemeinen Menschenstaates anzusehen sind (^jus cosmopoliticum^).«
-
-Es giebt sonach, wie jeder daraus leicht folgern kann, nach Kants Lehre
-gar kein eigentliches Naturrecht, kein rechtliches Verhältniss der
-Menschen, ausser unter einem positiven Gesetze und einer Obrigkeit; und
-der Stand im Staate ist der einzige wahre Naturstand des Menschen: --
-alles Behauptungen, die sich unwidersprechlich darthun lassen, wenn man
-den Rechtsbegriff richtig deducirt.
-
-^Erster Definitivartikel. »Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate
-soll republikanisch seyn.^« -- Diese Verfassung sey die einzig
-rechtliche an sich, dem Staatsbürgerrechte nach, und führe den ewigen
-Frieden herbei, der durch das Völkerrecht gefordert werde: indem nicht
-zu erwarten sey, dass die Bürger über sich selbst die Drangsale des
-Krieges beschliessen werden, die ein Monarch, ohne für sich das
-geringste dabei zu verlieren, so leicht über sie beschliesst. Die
-^Republik^ sey von der ^Demokratie^ wohl zu unterscheiden. Die letztere
-sey diejenige Verfassung, in welcher das Volk in eigener Person die
-executive Gewalt ausübt, mithin immer Richter in seiner eigenen Sache
-ist, welches eine offenbar unrechtmässige Regierungsform sey: der
-Republikanism diejenige, in welcher die legislative und executive Macht
-getrennt (ob nun die letztere an Eine Person, oder an mehrere
-übertragen), mithin das Repräsentationssystem eingeführt sey.
-
-Dem Rec. hat diese vorgeschlagene Trennung der legislativen von der
-executiven Macht immer nicht bestimmt genug, wenigstens manchen
-Misdeutungen ausgesetzt, geschienen. Er glaubt, dass diejenige Macht,
-die der executiven entgegenzusetzen ist, einer näheren Bestimmung fähig
-sey. Er hat, wenn es ihm erlaubt ist, seine Darstellung der Kantischen
-hinzuzufügen, die Sache so gefunden -- das höchste Rechtsgesetz ist
-durch die reine Vernunft gegeben: jeder beschränke seine Freiheit so,
-dass neben ihm alle übrigen auch frei seyn können. ^Wie weit^ eines
-jeden Freiheit gehen solle, d. h. über das Eigenthum im allerweitesten
-Sinne des Wortes, müssen die Contrahirenden sich vergleichen. Das Gesetz
-ist nur ^formal, dass^ jeder seine Freiheit beschränken soll, aber nicht
-^material, wie weit^ sie jeder beschränken solle. Hierüber müssen sie
-sich vereinigen. Aber dass überhaupt jeder darüber etwas declarire,
-fordert das Gesetz. Die höchste Formel für alle möglichen Strafgesetze
-ist durch reine Vernunft gleichfalls gegeben: jeder muss von seiner
-Freiheit gerade so viel wagen, als er die des anderen zu beeinträchtigen
-versucht ist. Die Menge der Menschen, die sich im Staate vereinigen, der
-Bezirk, den sie einnehmen, und die Nahrungszweige, die sie bearbeiten,
-giebt also immer das positive Gesetz für den Staat, den sie errichten;
-und jeder kann ihnen ihr bestimmtes positives Gesetz aufstellen, dem man
-nur jene Data giebt. Alle, so wie sie in diesen bestimmten Staat treten
-wollen, sind verbunden, dieses bestimmte Gesetz anzuerkennen, und es
-bedarf da keiner Sammlung der Stimmen. Jeder hat nur zu sagen: ich will
-in diesen Staat treten; und er sagt damit alles. Die Gemeine darf das
-Zwangsrecht nicht unmittelbar durch sich selbst ausüben, denn sie würde
-dadurch Richter in ihrer eigenen Sache, welches nie erlaubt ist. Sie
-muss sonach die Ausübung desselben, es sey einem Einzelnen oder einem
-ganzen Corps, übertragen, und wird durch diese Absonderung erst ^Volk^
-(^plebs^). Dieses gewalthabende Corps kann zu nichts verbunden werden,
-als nur schlechtweg was Rechtens ist in Ausübung zu bringen. Dafür ist
-es ^verantwortlich^, und die allgemeinen und besonderen Anwendungen der
-Regel des Rechts auf bestimmte Fälle bleiben ihm sonach billigerweise
-überlassen. Es ist inappellabel; alle Privatpersonen sind ihm ohne
-Einschränkung unterworfen, und jede Widersetzlichkeit gegen dasselbe ist
-Rebellion. Wie es das Recht verwalte, darüber ist nur das Volk Richter,
-und es muss das Urtheil hierüber sich schlechthin vorbehalten. Aber so
-lange jenes Corps im Besitze seiner Gewalt ist, giebt es kein Volk,
-sondern nur einen Haufen von Unterthanen; und kein einzelner kann sagen:
-das Volk soll sich als Volk erklären, ohne sich der Rebellion schuldig
-zu machen, und die executive Gewalt wird das nie sagen; das Volk könnte
-nur sich selbst constituiren, aber es kann sich nicht constituiren, wenn
-es nicht ist. Es müsste sonach der executiven Gewalt ein anderer
-Magistrat, ein ^Ephorat^, an die Seite gesetzt werden, der -- sie nicht
-^richtete^, -- aber, wo er Freiheit und Recht in Gefahr glaubte, immer
-auf seine eigene Verantwortung, ^das Volk zum Gericht über sie beriefe^.
-
-^Zweiter Definitivartikel.^ »Das Völkerrecht solle auf einem
-^Föderalism^ freier Staaten gegründet seyn.« -- Es giebt kein
-Völkerrecht zum Kriege. Recht ist Friede. Der Krieg ist überhaupt kein
-rechtlicher Zustand, wäre dieser zu erhalten, so wäre kein Krieg. -- Wir
-begnügen uns auch nur mit Winken dies anzuzeigen, wie Kant. Es hat wohl
-nie eine ungereimtere Zusammensetzung gegeben, als die eines
-^Kriegsrechts^.
-
-Es könne für Staaten, um in Beziehung aufeinander aus dem gesetzlosen
-Zustande des Krieges herauszugehen, kein anderes Mittel geben, als
-dasselbe, welches es für einzelne giebt: dass sie sich, so wie diese zu
-einem Bürgerstaate, sie zu einem Völkerstaate vereinigen, in welchem
-ihre Streitigkeiten untereinander nach positiven Gesetzen entschieden
-werden. -- Dies ist allerdings die Entscheidung der reinen Vernunft, und
-der von Kant vorgeschlagene Völkerbund zur Erhaltung des Friedens ist
-lediglich ein Mittelzustand, durch welchen die Menschheit zu jenem
-grossen Ziele wohl dürfte hindurchgehen müssen; so wie ohne Zweifel die
-Staaten auch erst durch Schutzbündnisse einzelner Personen unter sich
-entstanden sind.
-
-^Dritter Definitivartikel.^ »Das ^Weltbürgerrecht^ solle auf Bedingungen
-der allgemeinen ^Hospitalität^ eingeschränkt seyn;« -- d. h. auf das
-Recht jedes Menschen, um seiner blossen Ankunft willen auf dem Boden
-eines anderen Staates, nicht feindselig behandelt zu werden; wozu nach
-den Grundsätzen des blossen Staatsrechts der Staat allerdings das
-vollkommenste Recht hätte.
-
-^Zusatz. Von der Garantie des ewigen Friedens.^ -- Wenn sich nun gleich
-zeigen lässt (wie es sich zeigen lässt), dass die Idee des ewigen
-Friedens, als Aufgabe, in der reinen Vernunft liege: wer steht uns denn
-dafür, dass sie mehr als ein blosser Begriff werden, dass sie in der
-Sinnenwelt werde realisirt werden? Die Natur selbst, antwortet Kant,
-durch die nach ihrem Mechanism geordnete Verbindung der Dinge. Nach den
-drei Arten des rechtlichen Verhältnisses hatte die Natur dreierlei
-Zwecke sich vorzusetzen.
-
-^Zuvörderst^, nach dem Postulate des Staatsbürgerrechts, den: die
-Einzelnen zur Vereinigung in Staaten zu treiben. Würde auch nicht die
-innere Mishelligkeit, so würde doch der Krieg von aussen, der
-gleichfalls in dem Plane der Natur lag, die Menschen genöthiget haben,
-ihre Macht zu vereinigen. Dass die Form dieser Vereinigung der allein
-recht- und vernunftmässigen sich immer mehr nähere, dafür ist durch das
-allgemeindrückende der Ungerechtigkeit und Gewaltthätigkeit gesorgt, so
-dass die Menschen endlich durch ihren eigenen Vortheil werden gezwungen
-werden, zu thun, was Rechtens ist.
-
-^Dann^, nach dem Postulate eines Völkerrechts, den: die Völker
-voneinander abzusondern, welches durch die Verschiedenheit der Sprachen
-und Religionen befördert wurde, wodurch zwar anfangs der Krieg erzeugt,
-endlich aber doch durch das entstandene Gleichgewicht ein beständiger
-Friede hervorgebracht werden muss; wozu ^drittens^ der Handelsgeist, der
-auf den Eigennutz eine Sicherheit gründet, die das Weltbürgerrecht
-schwerlich hervorgebracht haben würde, beiträgt.
-
-Es sey dem Rec. erlaubt, zur Erläuterung hinzuzusetzen, wie er selbst
-die Sache ansieht. -- Die allgemeine Unsicherheit, welche jede
-rechtswidrige Constitution mit sich führt, ist allerdings so drückend,
-dass man glauben sollte, die Menschen müssten schon längst durch ihren
-eigenen Vortheil, welcher allein die Triebfeder zur Errichtung einer
-rechtmässigen Staatsverfassung seyn kann, bewogen worden seyn, eine
-solche zu errichten. Dies ist bisher nicht geschehen; die Vortheile der
-Unordnung müssen sonach noch immer die der Ordnung im allgemeinen
-überwiegen; ein beträchtlicher Theil der Menschen muss bei der
-allgemeinen Unordnung noch immer mehr gewinnen als verlieren, und
-denjenigen, die nur verlieren, muss doch noch die Hoffnung übrig seyn,
-auch zu gewinnen. So ist es. Unsere Staaten sind für Staaten insgesammt
-noch jung, die verschiedenen Stände und Familien haben sich im
-Verhältniss aufeinander noch wenig befestigt, und es bleibt allen die
-Hoffnung, durch Beraubung der anderen sich zu bereichern; die Güter in
-unseren Staaten sind noch bei weitem nicht alle benutzt und vertheilt,
-und es giebt noch so vieles zu begehren und zu occupiren, und endlich,
-wenn auch zu Hause alles aufgezehrt seyn sollte, eröffnet die
-Unterdrückung fremder Völker und Welttheile im Handel eine stets
-fliessende, ergiebige Hülfsquelle. So lange es so bleibt, ist die
-Ungerechtigkeit bei weitem nicht drückend genug, als dass man auf die
-allgemeine Abschaffung derselben sollte rechnen können. Aber sobald der
-Mehrheit die sichere Erhaltung dessen, was sie hat, lieber wird, als der
-unsichere Erwerb dessen, was andere besitzen, tritt die recht- und
-vernunftmässige Constitution ein. Auf jenen Punct nun muss es endlich in
-unseren Staaten kommen. Durch das fortgesetzte Drängen der Stände und
-der Familien untereinander müssen sie endlich in ein Gleichgewicht des
-Besitzes kommen, bei welchem jeder sich erträglich befindet. Durch die
-steigende Bevölkerung und Cultur aller Nahrungszweige müssen endlich die
-Reichthümer der Staaten entdeckt und vertheilt werden; durch die Cultur
-fremder Völker und Welttheile müssen doch diese endlich auch auf den
-Punct gelangen, wo sie sich nicht mehr im Handel bevortheilen, und in
-die Sklaverei wegführen lassen, so dass der letzte Preis der Raubsucht
-gleichfalls verschwinde. Zwei neue Phänomene in der Weltgeschichte
-bürgen für die Erreichung dieses Zweckes: der auf der anderen Hemisphäre
-errichtete blühende nordamericanische Freistaat, von welchem aus sich
-nothwendig Aufklärung und Freiheit über die bis jetzt unterdrückten
-Welttheile verbreiten muss; und die grosse europäische Staatenrepublik,
-welche dem Einbruche barbarischer Völker in die Werkstätte der Cultur
-einen Damm setzt, den es in der alten Welt nicht gab, dadurch den
-Staaten ihre Fortdauer, und eben dadurch den Einzelnen das nur mit der
-Zeit zu erringende Gleichgewicht in denselben garantirt. So lässt sich
-sicher erwarten, dass doch endlich ein Volk das theoretisch so leicht zu
-lösende Problem der einzig rechtmässigen Staatsverfassung in der
-Realität aufstellen, und durch den Anblick ihres Glückes andere Völker
-zur Nachahmung reizen werde. Auf diese Weise ist der Gang der Natur zur
-Hervorbringung einer guten Staatsverfassung angelegt: sobald aber diese
-realisirt ist, erfolgt unter den nach diesen Grundsätzen eingerichteten
-Staaten das Verhältniss des Völkerrechts, der ewige Friede von selbst,
-weil sie bei dem Kriege nur verlieren können; dahingegen vor Erreichung
-des ersten Zweckes an die Erreichung des zweiten nicht zu denken ist,
-indem ein Staat, der in seinem Innern ungerecht ist, nothwendig auf
-Beraubung der Nachbarn ausgehen muss, um seinen ausgesogenen alten
-Bürgern einige Erholung zu geben, und neue Hülfsquellen zu eröffnen.
-
-Der Anhang ^über die Mishelligkeit zwischen der Moral und der Politik,
-in Beziehung auf den ewigen Frieden^, enthält eine Menge treffend
-gesagter Wahrheiten, deren reifliche Beherzigung jeder, dem Wahrheit und
-Geradheit am Herzen liegt, wünschen muss.
-
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-
- Poesien
- und
- metrische Uebersetzungen.
-
-
- (Meist ungedruckt.)
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- A.
- Das Thal der Liebenden.
- Eine Novelle.[39]
-
-
-In der anmuthigsten Gegend der Veltelin, ohnweit der Grenze von Italien,
-liegt ein kleines Thal, das Thal der Liebenden genannt. Haine von
-Lorbeeren und Pomeranzen und Citronen, die ohne Pflege wachsen, erfüllen
-es, und duften Sommer und Winter die angenehmsten Gerüche: in der Mitte
-desselben ist ein kleines Myrtenwäldchen, und im Myrtenwäldchen ein
-grosser Grabhügel, von immer blühenden Rosen umgeben. Vom hohen waldigen
-Gebirge bedeckt, von Felsen eingezäunt, erblickt es selten das Auge
-eines Sterblichen, verirrt dahin sich selten der Fuss des Wanderers. Nur
-wenige sind hineingekommen. Ein geistiges Wehen, wie Küsse eines Engels,
-fühlten sie an ihren Wangen; eine sanfte Wehmuth erfüllte ihre Seele;
-unvermerkt enttröpfelten ihren Augen Thränen, und das war ihnen so süss!
-Die Bilder ihrer verstorbenen Freunde oder Geliebten gingen vor ihrer
-Seele vorüber, und Ahnungen von Wiedersehen, Vorgefühle des ewigen
-Lebens erfüllten sie, wenn sie auf dem Grabeshügel im Myrtenwäldchen
-fünf Flämmchen blinken sahen, Symbole wiedervereinigter Treue nach dem
-Tode. Einst drang ein Landvogt auf der Jagd einem verwundeten Rehe nach,
-das hieher seine Zuflucht genommen hatte, in das Thal ein. Bangigkeit
-und Angst überfiel ihn, kalter Schweiss rollte über seine Stirn herab,
-er musste den geweihten Boden verlassen.
-
-[Fußnote 39: Geschrieben zu Zürich im Jahre 1786 oder 1787. -- Man
-vergleiche die Vorrede S. XVI.]
-
-In diese Gegenden hatte sich vor Jahrhunderten, erzählen die Hirten, ein
-junger Ritter verirrt. Im hohen Walde verloren, ermattet und hungrig,
-erblickte er durch die Nacht hin von ferne ein Feuer. Es waren Hirten,
-die bei ihrem Vieh wachten. Sie theilten willig mit ihm ihre geringe
-Kost, und er wärmte sich an ihrem Feuer. -- »Wie es dort wieder im
-Gebüsch heult!« sagte der eine, der jetzt eben zu ihnen hinzukam; »wie
-der Geist des armen Einsiedlers wieder winselt und ächzt! weiss Gott,
-die Haut schauert mir allemal, wenn ich da vorbeigehe.« -- »Mir auch,
-sagte der andere, ich mache lieber einen Umweg von einer Stunde. Und es
-war doch ein so guter frommer Mann, der Einsiedler: betete so fleissig,
-grüsste jedes Kind so freundlich, und wies zurechte und half. Weisst du
-noch, wie er mir den kranken Fuss heilte, den ich mir beim Herabstürzen
-von jenem Felsen zerquetscht hatte?« -- »Und wie er mir meine verirrten
-Lämmer wiederbrachte? Ach! wie wird es erst unser einem einmal gehen?
-Komm, wir wollen ein Vaterunser für seine arme Seele beten.«
-
-Wehmuth und Mitleiden erfüllten den Ritter. -- »Kommt, führet mich an
-den Ort.« Sie führten ihn hin. Es war eine trübe Nacht; der Wind sausete
-durch den Busch dem Ritter entgegen; es winselte und ächzte dumpf im
-Gebüsch. -- »Wer du auch seyest, unglückliche Seele, die im Fegefeuer
-leidet; können Gaben oder Seelenmessen, oder das Gebet irgend eines
-Sterblichen deine Qualen lindern, so entdecke dich mir: meine Seele
-liebt und bedauert dich,« sagte der Ritter, und plötzlich stieg unter
-dem Hügel eine Gestalt hervor. Ein langer Bart wallte ihm herab bis auf
-den Gürtel; sein Auge war eingefallen und erloschen, seine Wange
-abgewelkt, nagender Kummer war über sein Gesicht verbreitet; aber durch
-die dicke Wolke des Grams, die auf ihm lag, blickte ein einziger
-schwacher Zug von Ruhe und entfernter Hoffnung hindurch. Sein Anblick
-erfüllte die Seele mit Mitleid, aber nicht mit Grauen.
-
-»Jüngling,« so redete der Geist, »schaudere nicht vor mir zurück! Noch
-sind es nicht zehn Jahre, so war ich ein Ritter, jung und feurig, und
-mannhaft wie du -- solltest du nie den Namen Rinaldo gehört haben? --
-und ach! wie glücklich! Nicht umsonst vielleicht führte dich das
-Schicksal zu meiner Gruft, die noch nie ein Sterblicher so in der Nähe
-betrat. Höre die Geschichte meiner Leiden, und beklage mich.«
-
-»In meinen ersten Jünglingsjahren, jeder Tropfen Bluts in mir Feuer, und
-jede Nerve Kraft, kam ich an den Hof nach Paris. In jedem Turnier war
-der Preis für mich. Ich gefiel; die Ritter verleumdeten mich, und die
-Damen sprachen nur unter sich allein von mir. Einer der schönsten Tage
-meines Lebens war der Vermählungstag der Königstochter. Aus allen
-Ländern der Franken hatte die Krone der Ritter sich versammelt zum
-feierlichen Turnier. Wir kämpften drei Tage, und ich war Sieger. Die
-neidischen Blicke der Ritter und das laute Zujauchzen des Volkes von den
-Schranken her, beides war mir gleich festlich. Im Taumel der Freude sah
-ich rund um mich her, um alle Blicke des Beifalls einzusaugen, und sahe
-in der ersten Reihe in den Schranken ein Fräulein; ihr trübes
-schwimmendes Auge zur Erde gesenkt, ihr Haupt nach einer Seite geneigt,
-wie eine Lilie vor der Sonnenhitze sich herabbeugt; Ernst und tiefes
-Nachdenken in ihren sanften schwärmerischen Zügen. Kein fröhliches
-Händeklatschen, kein Lächeln, kein verlorener Seitenblick auf mich; --
-sie allein unter den Tausenden, die sie umgaben, kalt und ernsthaft! --
-Ich ward tief herabgeschleudert. -- Warum verachtet sie dich? eben sie,
-die vollkommenste unter den Mädchen?«
-
-»Ein Tanz beschloss den Tag. Alle drängten sich zu dem Sieger, stolz an
-seiner Seite die Reihen durchzuwallen, seine Blicke aufzufangen, und er
-suchte die in einem Winkel verborgene Verächterin. Sie flog mir
-entgegen, -- und auf einmal, wie aufgehalten, schien sich ihr unwilliger
-Fuss zu sträuben. Schüchtern und verscheucht tanzte sie; riss sich los,
-entfernte sich, tanzte mit andern, und feuriger. Sie verachtet dich,
-tönte es im Innersten meiner Seele, aber warum? -- Ich hätte mich selbst
-verachten mögen. -- Jetzt empörte sich beleidigter Stolz, sie zu meiden;
-jetzt sprach Liebe und Neugier, sie zu suchen. Ich schwur mir
-tausendmal, sie nie wieder zu sehen, und ging den ersten Morgen an einen
-Ort, wo ich sie zu finden hoffte. Sie war heiter bei meiner Ankunft;
-ihre Stirn umwölkte sich, sobald sie mich sah. So war sie immer.«
-
-»Ich beschloss, Paris zu verlassen, und sie nie wieder zu sehen. Ich
-beurlaubte mich vom Hofe. Schon war ich die Stufen herabgestiegen, als
-die Zofe mir ein Blatt folgenden Inhalts in die Hand drückte: »»Dank
-euch, edler Ritter, dass ihr Paris verlasset, und durch eure Entfernung
-einer Unglücklichen die Ruhe wiedergebt, die eure Gegenwart ihr raubte:
-ein Geständniss, das während derselben keine irdische Macht mir würde
-entrissen haben. Würdiget Eures Andenkens, Eurer Thränen, Eures Gebets
-die unglückliche Maria.««
-
-»Wonnegefühl engte meine Brust, ich musste ihr Luft machen. Ich eilte
-auf den Flügeln der Liebe zu ihr. Ich fand sie nicht; -- Unmuth ergriff
-mich. Die Falsche, sie lockt mich an, und stösst mich wieder zurück! --
-Ich konnte nach meinem Abschiede vom Hofe nicht mehr öffentlich
-erscheinen; stellte mich krank, um einen Vorwand für mein längeres
-Bleiben zu haben; und wards vor Liebe und Schmerz. Verlangen nach ihr
-gab mir das Leben wieder. Ich ging, und überraschte sie in einer
-einsamen Laube. Sie sass über einer Stickerei, in Trübsinn versunken.
-Noch ehe sie mich erblickte, lag ich zu ihren Füssen. -- »»Verlasst
-mich, grossmüthiger Ritter, rief sie: verlasst die Gegend, in der ich
-lebe. O das unselige Geständniss! warum musste es sich doch aus diesem
-Herzen heraufdrängen, das bei Euch nur einer flüchtigen Neigung zu
-begegnen fürchtete!«« Ich besänftigte sie. Bebend hörte sie meine
-Schwüre, auf ewig der ihrige zu seyn; bebend empfing sie meine heissen
-Küsse. Ein trauriges Vorgefühl schien ihre Seele zu durchschauern.«
-
-»Ihr Herz war offener; es kämpfte noch, aber es unterlag allmählig dem
-Gefühle der Liebe. Ich sah sie öfters in dieser Laube. Ein feindlicher
-Dämon gab mir ein, es gehöre unter die Trophäen eines Ritters, die
-Unschuld zu morden. Es war die Moral, die bei festlichen Gelagen oft an
-der Tafel meines Vaters ertönt hatte. -- In süsse Schwärmereien
-versunken, überraschte uns einst die schönste Sommernacht in unserer
-lieben Laube. Ich bestürmte ihre Tugend, und ich merkte mit jeder Minute
-ihren Widerstand schwächer werden. Schon glaubte ich gesiegt zu haben,
-als sie in Thränen zerfliessend meine Füsse umschlang. -- »Mann mit der
-stärkeren Seele, schluchzte sie, schone die schwächere weibliche. Siehe,
-ich bin in deiner Gewalt; du kannst der Schwachen, die jetzt ihr Leben
-für dich verbluten würde, das rauben, was ihr mehr ist als das Leben;
-aber schone der Armen, sey grossmüthig und thu' es nicht.« -- Kalter
-Schauer überfiel mich; die Tugend fing an, in mein Herz zurückzukehren;
-aber -- »besiegst du sie jetzo nicht, so entfernt sie dich nun auf immer
-von sich« -- flüsterte der feindliche Dämon, und -- er siegte.«
-
-»Ich verliess sie in Thränen gebadet. In meiner Wohnung traf ich Boten
-von meinem Vater: er erwarte seinen Tod; ich solle eilen, ihn noch
-lebendig zu finden. -- Ich verliess Paris sogleich, ohne sie sehen, ohne
-ihr ein Lebewohl sagen zu können. Mein Herz zog mich gewaltig zurück:
-aber der Zug ward schwächer, als neue, unerwartete Eindrücke mich
-bestürmten. Mein Vater starb in meinen Armen. Das Bild eines sterbenden
-geliebten Vaters, neue Sorgen, andere Gegenstände, alles vereinigte
-sich, das Andenken an Marien in meiner Seele zurückzudrängen. Eine
-dumpfe, theilnahmlose Trauer hielt lange meine Seele umfangen. Da sah
-ich Laura, das Meisterwerk des Schöpfers, und mit dem ersten Blicke
-waren unsere Seelen Eins. Heilige Bande verknüpften uns; wir tranken die
-Seligkeit der Liebe in vollen Zügen.«
-
-»Innige Liebe liebt keine Zuschauer: wir verliessen das Geräusch der
-Stadt, um in der einsamsten Gegend am Fusse der Alpen unseren Himmel
-aufzuschlagen. Wir durchirrten Arm in Arm die paradiesischen Fluren. Sie
-ging einst allein aus, um eine Gegend hinter einem angenehmen Hügel, der
-immer das Ziel unserer Wanderungen gewesen war, zu sehen. Ich war durch
-einen Zufall zu Hause geblieben. Ihre Zurückkunft verzog sich. Ich
-lauschte an der Laube, die ich ihr unterdessen an ihrem Lieblingsplatze
-bereitet hatte, um sie bei ihrer Rückkunft angenehm zu überraschen. Bei
-jedem Rauschen eines Blattes, jedem leisen Fusstritte glaubte ich sie zu
-hören. Es kam ein Bote von ihr. Zitternd eröffnete ich das Blatt, das er
-mir gab, und las folgende Worte: »»Wie könnte ich Rinaldo'n besitzen,
-indess Maria verlassen weint? Rührt dich ihr Elend nicht, so lass die
-Bitten der Laura -- ach deiner Laura! -- dich rühren, an ihr tief
-verwundetes, noch immer nur für dich schlagendes Herz zurückzukehren.
-Vergiss Lauren und störe die Ruhe nicht, der ich entgegeneile. Gehe
-ostwärts von deiner Wohnung, nach dem Hügel zu, den wir heute früh von
-der Morgensonne so schön vergoldet sahen, wo ein früher geliebtes Weib
-und eine süsse Tochter, ganz das Ebenbild Rinaldo's, auf deine
-Umarmungen warten.««
-
-»Der Schlag war fürchterlich. Nach geraumer Zeit erst erhielt ich meine
-Besonnenheit wieder. Die Scham hielt mich ab, Marien aufzusuchen: Laura
-war mir durch ihre Grossmuth doppelt theuer geworden. Ich wandte Alles
-an, sie wieder zu finden; kein Kloster, keine Einsiedelei, keine einsame
-Gegend wurde undurchsucht gelassen: ich durchstreifte selbst als Pilger
-die halbe Erde: ich hoffte sie durch meine Bitten zu erweichen; aber
-vergebens, ich fand sie nicht. Ich kam endlich in dieses Thal, lebte als
-Eremit in demselben, errichtete meiner Laura, die ich für längst todt
-hielt, ein Grab, betete und weinte auf ihrem Hügel, und starb auf ihm.«
-
-»Wenn der Geist die irdischen Fesseln verlassen, und von aller
-Zumischung der Sinnlichkeit frei ist, sieht er alles in einem anderen
-Lichte. Taumel dieser Sinnlichkeit berauschte mich, im Leben Marien zu
-vergessen; jetzt fühlte ich ihre Schmerzen, die Schmerzen Laurens und
-die Schmerzen der Armen, die unter Thränen geboren, dem Elende geweiht,
-nie den Vaternamen gestammelt hat; die vielleicht bestimmt ist, eine
-Beute des Elendes oder des Lasters zu werden. Ich leide alle Qualen, die
-ich diesen verursacht habe, im Fegefeuer, das die Reue eben gebiert und
-das stete Gedächtniss der unabänderlichen Vergangenheit, -- bis Laura
-und Maria glücklich sind, bis ich mein Kind an dem Arme eines Mannes
-sehe, der nur sie liebt. Ach! wird meine Qual wohl je aufhören? -- Aber
-ich fühle das Wehen der Morgenluft. Nicht umsonst vielleicht führte dich
-das Schicksal an meine Gruft. Lerne die Unschuld verehren, und rührt
-dich das Elend der Seele des armen Rinaldo, so bete für mich, und
-wallfahrte zum heiligen Grabe.« -- Hiermit verschwand der Geist.
-
-Schauder ergriff Don Alfonso; so hiess der junge Ritter. Er kniete
-nieder, und legte auf Rinaldo's Grabe das heilige Gelübde ab, nicht zu
-ruhen, bis er etwas zur Befreiung der armen Seele beigetragen, und die
-Unschuld immer zu verehren. Die Hirten versichern, dass er dieses
-Gelübde nie gebrochen.
-
-Durch seinen natürlichen Hang zur Andacht sowohl, als durch die
-Empfindungen, die an der Gruft Rinaldo's sich seiner bemächtigt hatten,
-begeistert, trat er die Reise nach dem heiligen Grabe an. Er besuchte
-alle die Oerter, wo der Weltheiland gelitten. Als er einst, sich selbst
-und die Welt um sich vergessend, auf dem heiligen Grabe in warmer
-Andacht kniete, und für die Seele des armen Rinaldo betete, überfiel ein
-Haufen sarazenischer Räuber Jerusalem, und führte ihn gefangen weg. Man
-brachte ihn unter die Sklaven des Emir von Medina.
-
-Je mehr seine Gestalt die Herzen der Heiden für ihn eingenommen hatte,
-desto heftiger wurden sie durch seine standhafte Weigerung, die Lehre
-ihres Propheten anzunehmen, erbittert. Er wurde mit den niedrigsten der
-Sklaven gebraucht, in den Gärten des Emir zu graben. Die Härte der
-ungewohnten Arbeit, die Strenge, mit der er behandelt wurde, und das
-brennende Klima verzehrten seine Kräfte. Er fiel an einem Abende, zur
-Zeit, da die Gärten geschlossen und die Arbeiter herausgelassen wurden,
-ohnmächtig nieder, und erwartete das Ende seiner Leiden. Niemand
-bemerkte den Vorfall.
-
-Eine süsse klagende Stimme, die in einem Zimmer des Serail, das an die
-Gärten stiess, in französischer Sprache ein Lied an die Jungfrau Maria
-sang, und durch öfteres Weinen und Schluchzen sich unterbrach, brachte
-ihn wieder zum Bewusstseyn. -- »O holde Mutter! seufzte die Stimme, wo
-bist du, um die Blume welken zu sehen, die du so zärtlich pflegtest?
-theure Cölestina! die du jedes Gefühl der Tugend in mir wecktest, wo
-bist du, um den letzten Trost in meine Seele zu giessen, und dies
-brechende Auge zu schliessen?« Sie schloss mit einem rührenden Gebete an
-die heilige Jungfrau, worin sie mit schwärmerischer Andacht ihren
-Entschluss entdeckte, sich den Dolch in das Herz zu stossen, ehe sie
-sich der Wollust des Emir aufopfere, die ihr diese Nacht drohe; und sie
-bat, ihr für diese That entweder Gnade bei Gott zu erflehen, oder ihr
-Hülfe zu senden.
-
-»Sie hat sie dir gesendet;« rief der Ritter, dem fremdes Elend die
-Kräfte wiedergab, die sein eigenes ihm genommen hatte, -- »hier ist mein
-Arm, und wenn tausende in Waffen gegen mich ständen, so rettete er
-dich!« -- »Eiserne Riegel und Gitter verwahren mich, edler Fremdling,
-ein Heer von Wächtern lauert auf mich. Dein Arm ist zu schwach, mich zu
-retten. Habe Dank für dein Mitleiden, habe Dank, dass ich nicht
-unbedauert sterben werde; und bist du ein Franke und ein Christ, wie
-deine Sprache zu zeigen scheint, so bete für die Seele der armen Marie.«
-
-Er ergriff zwei Baumleitern, und band sie zusammen, um das Zimmer
-Mariens zu ersteigen.
-
-Indessen war von dem Aufseher der Sklaven seine Abwesenheit bemerkt
-worden. Der erste Verdacht fiel auf den Garten. Man ging hinein, und
-traf ihn mitten in seiner Unternehmung. Die Absicht derselben war nicht
-zweideutig. Es wurde sogleich dem Emir gemeldet. Sein Zorn war grimmig;
-er bestimmte den nächsten Morgen zu seiner Hinrichtung.
-
-In jeder anderen Lage wäre vielleicht der Tod dem Alfonso willkommen
-gewesen, er hätte ihn nur als seinen Retter aus einer Sklaverei
-betrachtet, die ihm ebenso erniedrigend als hart schien; und hätte ihn
-gern gegen ein thatenloses Leben umgetauscht: aber jetzt kränkte das
-Schicksal der armen Marie, die er nicht retten konnte, ihn mehr, als
-sein eigenes, und auch jener Wunsch, vor seinem Ende noch etwas zur
-Befreiung der Seele Rinaldo's beizutragen, wurde lauter, je mehr er sich
-demselben zu nähern glaubte. Er ging, mehr unerschrocken als freudig,
-seinem Tode entgegen.
-
-Die Werkzeuge seiner Hinrichtung waren bereitet. Im Hofe des Serail war
-ein Scheiterhaufen errichtet. Der Pöbel strömte dem Schauspiele zu, und
-der Emir erschien mit seiner neuesten Favorite, Alzire, auf einem
-Balkon, um die Hinrichtung mit anzusehen.
-
-Er kam eben von dem ersten Genusse ihrer höchsten Gunst, und sein Feuer
-war dadurch gegen sie nicht erkaltet. Er war ihr ergebener, als er es
-seit langer Zeit einem Weibe gewesen war, und hatte ihr versprochen, ihr
-die erste Bitte, die sie an ihn thun würde, sie betreffe, was sie wolle,
-uneingeschränkt zu gewähren. War es ein geheimes Wohlwollen, das das
-Herz der Alzire bei Alfonso's Anblick plötzlich zu ihm neigte; oder
-konnte sie die That, dem Emir diejenige rauben zu wollen, von der allein
-sie ihren Sturz befürchten durfte, nicht sehr strafbar finden; oder war
-es eine unmittelbare Wirkung der Vorsehung, die Alfonso'n erhalten
-wollte: Alzire bat um sein Leben. Unwillig, aber ehrliebend genug, um
-sein Wort nicht zu brechen, und zu schwach, um Alzirens Bitte
-widerstehen zu können, gab der Emir sogleich Befehl, den Alfonso über
-die Grenze zu bringen.
-
-Der Ritter, untröstlicher, diejenige ihrem Schicksal zu überlassen, die
-er so gern mit Verlust seines Lebens gerettet hätte, als erfreut über
-die unvermuthete Rettung seines Lebens, durchirrte die rauhen Wüsten
-Arabiens. Wurzeln, die er sparsam fand, waren seine einzige Nahrung, und
-der heisse Sand brannte seine Füsse, und trocknete seine Kräfte aus. In
-der vierten Nacht, indess der Sturm ihn umheulte, und die Wolken den
-Schimmer des letzten Sterns vor seinem Auge verdeckten, arbeitete er
-sich mühsam durch verwachsene Büsche hindurch; und eben waren seine
-letzten Kräfte im Schwinden, als er aus einer Felsenkluft ein mattes
-Licht schimmern sah. Hoffnung belebte die Kraft, die ihm noch übrig war:
-er erreichte die Grotte.
-
-Ein Weib, weiss gekleidet, von schlankem Wuchse, trat ihm entgegen. Die
-ehemalige Schönheit der Jugend schien auf ihrem Gesichte einer
-erhabenern Schönheit Platz gemacht zu haben. Die geistigste Andacht
-flammte in ihrem grossen, zum Himmel emporgewöhnten Auge, und
-verbreitete sich über ihr ganzes Gesicht. Nichts liess in ihr die
-Sterbliche errathen, als die sanfte Wehmuth, von der alle diese Züge
-gemildert waren, und welche die Spur ehemaliger Leiden verwischt zu
-haben schien. Sehr verzeihbar war also der Irrthum des Ritters. --
-»Heilige Jungfrau, redete er sie an, und sank auf seine Kniee;
-wunderthätige Helferin! -- wer bin ich, dass du mich würdigest, den
-Himmel zu verlassen, um mich zu retten?« -- »O steh auf! rief ihm jene
-zu, und entweihe nicht den Namen der Heiligen. Ich bin eine Sterbliche,
-wie du; glücklich, wenn die Mutter Gottes sich meiner bedienen will, dir
-zu helfen! Aber welches Schicksal treibt dich in diese unzugängliche
-Wüste, wo ich seit vielen Jahren keinen Wanderer erblickte? Kann ich und
-womit kann ich dir dienen?«
-
-Die Entkräftung des Ritters erlaubte ihm nicht, auf die erste dieser
-Fragen zu antworten; aber sie nöthigte ihn, es auf die andere zu
-thun.[40] Er bat sie um einen Trunk Wasser und um etwas Speise.
-
-Sie ging und schöpfte ihm aus der Quelle, die hart an ihrer Grotte aus
-dem Felsen rieselte, und brachte milde Früchte, die sie selbst gezogen
-hatte. -- »Erquickt euch, Fremdling; sagte sie zu ihm, mit dem wenigen,
-was ich euch geben kann; und nehmet dann dieses Lager ein. Ich werde
-schon auch einen Platz finden. Wer wollte sich durch eine falsche
-Anständigkeit abhalten lassen, die Pflichten der Menschlichkeit zu
-erfüllen, wenn es nicht gegen unser eigenes Geschlecht ist?«
-
-Der Ritter war durch alles, was er sah und hörte, wie betäubt. Erst
-nachdem er von seiner Entkräftung sich ein wenig erholt, und einer
-ruhigen Besinnung mächtig war, fing die Neugierde und Verwunderung an,
-an die Stelle dieser Betäubung zu treten; aber seine Unbekannte, die
-allein sie hätte befriedigen können, war verschwunden. Wunderbare
-Ahnungen strömten durch seine Seele; noch konnte er sich nicht
-überreden, ein sterbliches Weib gesehen zu haben: aber bald wurden alle
-seine Zweifel durch einen festen Schlaf gefesselt.
-
-Das Erste, was seine Sinne traf, als er wieder erwachte, war die Melodie
-des Liedes, das die arme Maria gesungen hatte. Es war ihm, als ob ein
-Traum ihn wieder in die Gärten des Emir versetzte; er brauchte Zeit, um
-sich zu überzeugen, er wache; er horchte und horchte genauer; der Gesang
-kam vom Eingange der Grotte her. Die Unbekannte sass an der Morgensonne,
-und sang mit der rührendsten Stimme jenes Lied. Seine ganze Seele
-lauschte auf ihren Gesang: wie wär' es ihm möglich gewesen, sich selbst
-durch Muthmaassungen und Untersuchungen zu unterbrechen! -- Das Lied
-schloss und die Stimme schwieg. Eben war er im Begriff, sich seinem
-Erstaunen und seiner Begierde, sich diese Begebenheiten alle zu
-erklären, von neuem zu überlassen, als ein anderer Vorfall seine
-Betrachtungen unterbrach.
-
-[Fußnote 40: »Voltairisch!« (Randglosse des Verfassers.)]
-
-»Bist du es wirklich, meine Tochter?« sagte die Unbekannte zu einem
-jungen Frauenzimmer, das sich sprachlos und schluchzend in ihre Arme
-warf, und ihr weinendes Gesicht an ihrem Busen verbarg; -- »schenkt die
-heilige Jungfrau die als todt Beweinte mir wieder? -- Ja, du bist es,
-ich fühls an dem starken Schlagen deines Herzens gegen das meinige, an
-deinem freudigen Zittern in meinen Armen. Wer, als meine holde Maria,
-könnte mich so lieben? Aber, sieh mich an; lass mich dies so lang
-entbehrte Antlitz wieder sehen; lass michs auch in deinen Augen, in
-allen den wohlbekannten Zügen deines Gesichts lesen, dass du es bist,
-die mich so liebt. -- So sollte ich denn auch diese Freude noch auf der
-Erde haben, dich wieder zu sehen; sollte noch nicht von allem Irdischen
-mein Herz losreissen! Ich hatte auch diesen Wunsch daraus vertilgt, dich
-wieder zu haben; das ward mir schwer. -- Heiliger Gott, und du,
-gnadenvolle Mutter desselben, diese Belohnung meiner Leiden wagte ich
-nicht zu hoffen. Ich dankte dir für den Seelenfrieden und die
-Heiterkeit, die du mir gabst, meinen letzten und härtesten Verlust zu
-ertragen. Aber jetzt hilf mir die Freude tragen, dass sie mein Herz
-nicht von dir abziehe; und -- sieh auf mich herab, -- wenn du mir die
-Holde wieder nehmen willst, oder wenn ich sie nicht mehr rein und nur
-dir treu wiedergefunden hätte: hier bin ich, -- ich ergebe mich in
-deinen Willen! -- Und jetzt, liebe Tochter, erzähle mir: wo warst du
-seit jenem traurigen Tage, der dich von mir trennte, und was trennte
-dich von mir?«
-
-»Du warst, seitdem meine gute erste Mutter gestorben war, gütige
-Cölestina!« -- hörte der Ritter jene Stimme sagen, die er schon in den
-Gärten zu Medina gehört hatte, -- »nicht mehr immer so ganz heiter, als
-du es vorher warest. Ich bemerkte zuweilen, dass, wenn du mich an dein
-Herz drücktest, du plötzlich dich abwandtest, und dann kam es mir vor,
-als ob du eine Thräne unterdrücktest. Du gingest dann hinaus auf meiner
-Mutter Grab, und betetest, und bliebst oft lange; und wenn du
-zurückkamst, war so ein Glanz und so eine Heiterkeit in deinem Gesichte,
-und du warst so sanft und so feierlich froh, und mir war so wehmüthig
-wohl an deiner Seite, dass mich dünkte, du seyest auf dem Grabe verklärt
-worden, und seyest nicht mehr meine Mutter Cölestina, sondern ein
-heiliger Engel. -- Doch vernimm das Schicksal, das mich von dir getrennt
-hat. Einst an einem Morgen -- du ruhtest noch -- war ich ausgegangen,
-Blumen zu suchen, und meiner Mutter Grab damit zu schmücken. Ich hatte
-mich wohl zu weit entfernt, denn plötzlich erschienen die Räuber der
-Wüste, die mich mit Gewalt fortschleppten, und als ich schrie, damit du
-mir helfen solltest, mir den Mund verstopften. Sie hörten nicht auf mein
-Weinen noch Bitten, sondern brachten mich durch lange Wüsteneien in eine
-Stadt. Die Stadt hiess Medina, wie ich nachher erfuhr. Hier bedeckten
-sie mein Angesicht mit einem Schleier, bis sie mich zu einem reichen
-Manne brachten, der den Räubern Geld gab, und mich seinen Weibern
-übergab.«
-
-»Heilige Mutter Gottes! was waren dies für Weiber! Schön waren sie;
-einige dünkten mich noch schöner, als du, meine Mutter; aber doch sah
-ich sie nicht gern, und es war mir nie recht wohl, wenn sie mir ins
-Gesicht sahen. Man sah es nicht, ob sie mich liebten, oder ob sie sich
-untereinander liebten. Sie liebten mich wohl auch nicht? -- Wenn ich
-redete, so lachten sie. Ich musste ihre Sprache lernen; und ich lernte
-sie so gerne und so fleissig, damit ich mit ihnen reden könnte, und
-damit sie meine Freundinnen würden. -- Kaum lernte ich sie verstehen, so
-hörte ich, dass sie nichts vom Weltheilande und von seiner Mutter
-wussten; und als ich ihnen davon sagen wollte, und ihnen erzählen, wie
-gütig und huldreich sie wären, verlachten sie mich abermals, und redeten
-dagegen viel von einem grossen Propheten, der wohl ein falscher Prophet
-seyn muss, weil du mir nichts von ihm gesagt hast. -- Endlich kam einst
-jener reiche Mann wieder, der den Männern, die mich geraubt hatten, Geld
-gegeben hatte, und verlangte, ich sollte ihn lieben; und das konnte ich
-doch nicht: denn er sah so wild und grausam, und wusste ebensowenig vom
-Weltheilande, als seine Weiber, und that allerhand Dinge mit mir, die
-wohl schändlich seyn müssen, weil er sie that, und weil er so verstört
-dazu aussah. Ich stiess ihn zurück: die Mutter Gottes gab mir eine
-Kraft, die ich nie gefühlt hatte, dass ich Schwache dem starken Manne
-Widerstand leisten konnte. Ich weinte bitterlich; da ward der Mann sehr
-zornig, und sagte mir mit wildem Gesichte: er würde diese Nacht
-wiederkommen, und da würde mich nichts vor ihm retten.«
-
-»Mir war sehr eng ums Herz. Ich betete inbrünstig zur Mutter Gottes,
-mich zu erleuchten, was ich thun sollte; und wie ich feuriger betete,
-wurde ich immer muthiger. Es war, als ob eine geheime Stimme mir ins
-Herz flüsterte, es sey schändlich und sehr schändlich, was dieser Mann
-mit mir thun wolle, und ich müsse eher sterben, ehe ich es ertrüge. Ich
-wusste, dass eine meiner Gespielinnen ein Werkzeug hatte, -- sie nannte
-es einen Dolch -- wovon sie mir einst sagte, man könne jemand damit
-tödten. Damit kann man ja wohl auch sich selbst tödten, dachte ich. --
-Sage mir, liebste Mutter, that ich unrecht, dass ich es ihr heimlich
-wegnahm? Sie konnte es ja dann immer wieder haben, glaubte ich.« --
-»Erzähle weiter,« sagte Cölestina. -- »Der Entschluss mich zu tödten,
-ehe ich mich der Gewaltthätigkeit des Mannes überliesse, wurde nun immer
-fester in mir; und nachdem ich ihn der heiligen Jungfrau vorgetragen
-hatte, wurde mir innerlich wohl dabei, und ich glaubte gewiss, dass sie
-mir für diese That Gnade bei Gott erflehen werde; als plötzlich jemand
-unter dem Fenster rief: er wolle mich retten, und einige Leitern
-zusammenband, wie ich hörte. Gleich darauf aber vernahm ich, dass er
-ergriffen und unter tausend Verwünschungen weggeführt wurde. War es ein
-Sterblicher, -- er musste es ja wohl seyn, weil er sich ergreifen und
-fortführen liess, und mich nicht retten konnte, -- wie wird es dem Armen
-ergangen seyn, der um meinetwillen sich in diese Gefahr stürzte! Wie er
-ergriffen wurde, verschwand meine Ruhe. Sein Schicksal hat seitdem mir
-mehr Kummer gemacht, als das meinige.«
-
-»Er ist gerettet« -- rufte der Ritter, der jetzt erst es wagte, Theil an
-der Unterredung zu nehmen, weil er sich unter alten Bekannten zu seyn
-dünkte; -- »und hatte seit jener Nacht den ersten angenehmen Augenblick,
-da er auch dich gerettet sah.«
-
-Maria warf einen schüchternen, aber dankbaren Blick auf den Ritter, um
-sich -- schien es -- von der Wahrheit dessen zu überzeugen, was er
-sagte: und Alfonso erblickte ein Gesicht, auf welchem alle Reize der
-aufblühenden Jugend sich vereinigten, den reinsten Abdruck ihres
-unschuldigen Herzens darzustellen.
-
-Cölestina reichte ihm die Hand: »Seyd mir nochmals willkommen, edler
-Fremdling! -- aber erzähle weiter, du meine Tochter.«
-
-»Wunderbare Hülfe ward mir gesandt: erzählte sie; ich blieb diese Nacht
-über unbeunruhigt.« -- »Ja, sagte der Ritter, denn der Emir hat sie bei
-einer anderen neu angekommenen Schönen des Serail zugebracht, die ihn
-mit dem ersten Blicke gefesselt hatte, und die ihm weniger
-Schwierigkeiten entgegenstellte.« -- »Ich fühlte mich sogar nach einigen
-Stunden so ruhig, dass ein sanfter Schlaf auf mich herabsank. Ich wurde
-am Morgen durch ein Getümmel im Hofe des Serail aufgeweckt.« -- »Es war
-das Volk, das sich versammelte, mich verbrennen zu sehen;« sagte der
-Ritter. -- »Euch verbrennen wollte man? und der Todesgefahr, die Ihr
-ausgestanden, sollte ich meine Rettung verdanken? Doch, Gott Lob, dass
-Ihr gerettet seyd! -- das Getümmel nahm ab; es entstand eine lange,
-fürchterliche, erwartende Stille« -- »Alzire, so hiess die neue Favorite
-des Emir, sagte der Ritter, bat um mein Leben. Der Emir begnadigte mich,
-und liess mich sogleich über die Grenze bringen; daher entstand
-wahrscheinlich diese Stille.« -- »Jetzt erhob sich ein Gemurmel, fuhr
-Maria fort; nun ward es lauter; nun brausete es, wie das tobende Meer.
--- Wie? dem Hunde von Franken das Leben schenken? Er soll nicht
-verbrannt werden? Wir sind vergebens hieher geladen worden? Leidet es
-nicht! schienen einige Stimmen, die das Getümmel überschrien, zu sagen.
-Der Aufruhr verbreitete sich über die ganze Stadt: alles lief zu den
-Waffen. Die Wachen verliessen die Thüren des Serail, und stürzten sich
-bewaffnet gegen das Volk. -- War es ein unsichtbares Wesen, das mir den
-Entschluss eingab, mich jetzt durch die Flucht zu retten? ich fand alle
-Zugänge unbesetzt; ich drängte mich durch das Volk, das nichts sahe, als
-die Gegenstände seiner Rache. Ich kam -- ob ich mich noch dunkel des
-ehemaligen Weges erinnerte, oder ob unsichtbar Engel mich leiteten, --
-ich kam durch die lange Wüste wieder zu deiner Grotte, theuerste Mutter;
-bin wieder dein, um mich nimmer von dir zu trennen.«
-
-»Gott sey gelobt, dass ich dich wieder habe, meine Tochter, sagte
-Cölestina, und dass ich dich so wieder habe, wie ich dich verlor. Und er
-sey gelobet, dass er auch Euch erhielt, edler Fremdling! und Euch hieher
-brachte, dass ich Euch für den Antheil danken kann, den Ihr an dieser
-Unschuldigen nahmt.«
-
-»Schon lange scheint eine Frage auf Eurer Lippe zu schweben, und es ist
-billig, dass ich Eure Neugier befriedige, insoweit ich darf. Ich bin ein
-Weib, welches einst in der Welt sehr glücklich war. Aber vielleicht
-hatte ich mein Herz zu sehr in diesem Erdenglück verloren: Gott entzog
-es mir, um mir zu zeigen, dass nur Er es sey, in welchem man
-befriedigende und dauerhafte Glückseligkeit finde. -- Ich trennte mich
-von der Welt und von dem, der in ihr mein Abgott war. In der Stunde der
-Begeisterung, da ich dieses Opfer, das Tugend und Ehre und mein eigenes
-wahres Wohl heischte, begann, schien es mir so leicht, und nachdem es
-geschehen war, wollte mein Herz brechen. Ich suchte Trost und Ruhe an
-den heiligen Oertern, wo uns allen die Seligkeit erworben wurde. Da traf
-ich die Gesellin meiner Leiden, mit diesem ihrem Kinde. Ich hatte sie
-durch mein Elend glücklich machen wollen. Auf die Art, wie ich es mir
-gedacht hatte, sollte es nicht seyn. Wir sollten beide durch längeres
-Leiden zu einer reineren Glückseligkeit eingehen.«
-
-»Wir waren beide für die Welt, und sie für uns, auf immer verloren. In
-der heiligen Stadt und in ihrer Nähe waren wir kaum den sarazenischen
-Räubern entgangen. Wir beschlossen, uns in diese Wüsten, durch welche
-Gott einst sein auserwähltes Volk führte, zu begeben, und kamen in die
-Nähe des Gebirges, das Ihr hier vor Euch erblickt. Es ist das Gebirge
-Sinai.« --
-
-»Gott hatte uns den Platz unserer Ruhe schon bereitet. Wir fanden hier
-diese Grotte, und dort das Gärtchen; zwar damals verwildert, aber durch
-eine geringe Arbeit war es wieder in Stand gesetzt. Vielleicht dass
-ohnlängst hier ein frommer Einsiedler sein Gott geweihtes Leben
-beschlossen hatte.«
-
-»Hier haben wir geweint und gelitten. -- So lange noch eine geliebte
-Freundin gleiche Leiden mit mir litt, wurden die meinigen mir leichter.
-Ich stärkte meine Kräfte, um ihren Kummer tragen zu helfen, und vergass
-des meinigen, um Trost in ihre Seele zu giessen, und fand ihn dadurch
-selbst. Aber sie schlummerte bald in eine bessere Ruhe hinüber, und
-liess mich allein. Ich segnete ihr Geschick; aber -- du hattest es wohl
-gesehen, meine Tochter, -- das meinige ward mir schwerer. Nur die
-Zärtlichkeit gegen dich, und deine kindliche Liebe zu mir, holdes Kind,
-hielten mich aufrecht. Aber du konntest meine Leiden nicht mit mir
-fühlen.«
-
-»Noch hing mein Herz an etwas Irdischem; es hing an dir. Du musstest mir
-genommen werden. Musste durch so rauhe Wege Gott mich zu meinem Heile
-führen? -- Nichts war mir nun übrig, als Er. Nur in sein Herz konnte ich
-meine Empfindungen ausgiessen; nur von ihm Gegenliebe erwarten. O, hätte
-ich es doch eher gewusst, welchen süssen Frieden dies über mein Herz
-ausgiesset, wie völlig dies eine Seele befriedigt! -- welch eine Menge
-von Leiden hätte ich mir ersparen können!«
-
-»Aber verzeiht, guter Fremdling! dass ich so flüchtig über die näheren
-Umstände meiner Geschichte hinwegeilen musste. Es ist nicht Mistrauen.
-Wer so lange, als ich, sich nur mit Gott unterhalten hat, kennt dieses
-nicht; und in ein Antlitz, wie das Eurige, setzt es niemand. -- Ich habe
-Ruhe gefunden: aber noch lebt vielleicht Einer, der mir einst nur zu
-theuer war. Kann ich ihm den Seelenfrieden nicht geben, wenn er ihn noch
-nicht errungen hat, so will ich ihm doch denselben auch nicht nehmen,
-wenn er ihn etwa errungen hätte. Ihr kehrt in die Welt zurück, und seyd,
-wenn mich nicht Alles täuscht, von eben dem Stande und aus eben den
-Ländern, in denen er lebte. Ihr könntet ihn antreffen; ihn vielleicht
-antreffen, ohne ihn zu kennen. Gutherzigkeit oder ein von ohngefähr
-entfahrendes Wort könnte alle die Kämpfe in seiner Seele erneuern, die
-er vielleicht längst ausgekämpft hat.«
-
-»Ich muss freilich wieder von Euch weg, und in die Welt zurück: sagte
-der Ritter; aber Verehrung gegen Euch wird mich allenthalben begleiten,
-und Euer Wille wird immer mein Gesetz seyn.« Er sagte das Erstere so,
-als ob ihn dieser Entschluss etwas koste.
-
-Die Lage, in der er Marien in den Gärten von Medina zuerst gefunden,
-hatte so etwas Romantisches; Mitleiden und Theilnehmung an ihrem
-Schicksale hatten sich sogleich seines ganzen Herzens bemächtigt. Seine
-Phantasie hatte nicht gezögert, sie, die er nur gehört, nie gesehen
-hatte, in einen Körper zu kleiden; sie hatte ihn freigebig mit allen
-Reizen, die ihrer Silberstimme angemessen wären, ausgeschmückt. Er sah
-sie jetzt; und sie war weit über das Bild erhaben, das er sich von ihr
-gemacht hatte. Die blühende Wange, das sanfte Auge, das weiche, wallende
-Haar konnte er seinem Bilde geben; aber nicht jenen lebendigen Ausdruck
-der Unschuld, der Treue, der kindlichen Zärtlichkeit, weil es ihm dazu
-am Urbilde fehlte. Er sah sie jetzt, und sah sie in aller Freude des
-Wiedersehens an den Busen derjenigen, die ihr das Theuerste auf der Welt
-war, hingegossen; sah, wie sie in stummen Gefühlen an ihren Augen hing,
-gleichsam um alle die geliebten Züge wieder zu spähen, und die alte
-Vertraulichkeit mit ihnen zu erneuern. War es ein Wunder, dass seine
-Seele von eben den Gefühlen ergriffen wurde, deren reizendsten Abdruck
-er vor sich sah, und dass er sie mit der zu theilen wünschte, die ihm
-zuerst das schönste Bild derselben darstellte?
-
-Maria hatte den Unbekannten, der sich für sie in Lebensgefahr stürzte,
-bedauert, und, wie sie gewissenhaft war, sich den Vorwurf gemacht, die
-Ursache seines Todes zu seyn. Diese Empfindung allein hatte die Freude
-über ihre Errettung getrübt. Hier fand sie ihn unvermuthet wieder, an
-dem Orte, der ihr der liebste auf der Erde war. Nun erst getraute sie
-sich, sich ganz dem Gefühle, dass sie ihrer Pflegemutter wiedergegeben
-sey, zu überlassen; und es ist möglich, dass die Freude über seine
-Gegenwart unvermerkt einigen Antheil an dem stärkeren Ausdrucke ihrer
-Zärtlichkeit gegen ihre Pflegemutter hatte; und dass sie, ohne es zu
-wissen, einen Theil dessen, was sie bloss für Cölestinen zu empfinden
-glaubte, für Alfonso empfand.
-
-»Aber, kann ich, darf ich zurückkehren -- fuhr der Ritter fort -- ohne
-Trost für die Seele des armen Rinaldo gefunden zu haben? Ich hoffte doch
-gewiss am heiligen Grabe --«
-
-»Rinaldo? fiel Cölestina ihm in die Rede. Wer ist dieser Rinaldo? was
-wisst Ihr von ihm?«
-
-Alfonso erzählte, was er von seinem geängsteten Geiste selbst an seiner
-Gruft gehört hatte; erzählte die Bedingungen, unter welchen seine Qualen
-enden sollten; Cölestina hörte seine Erzählung mit stummer Betrübniss,
-und Maria mit Thränen an.
-
-»O möchten sie enden, die Qualen der unglücklichen Seele! und vielleicht
-sind sie schon grösstentheils geendet, sagte Cölestina. Maria hat ihre
-Leiden längst beschlossen; sie war die Freundin, die mir hier starb; sie
-ruht unter jenem Hügel. Das ist ihre und Rinaldo's Tochter. -- Ich habe
-aufgehört zu leiden. Ich habe die Wege der Vorsehung erkannt; sie waren
-nichts als Güte. -- Ich bin Laura: Maria wollte mich nicht anders als
-Cölestina nennen; drum habt Ihr mich hier so nennen hören.«
-
-»Und die letzte Bedingung seiner Erlösung -- sagte Alfonso -- möchte
-doch auch sie erfüllt werden! -- Ja, edle würdige Frau, ich darf es Euch
-sagen; -- ich habe nie geliebt; aber seitdem ich die Stimme dieses
-holden Geschöpfes gehört, seitdem ich sie hier an Eurem Herzen gesehen
-habe, -- entweder ich weiss nicht, was Liebe ist, oder ich liebe sie
-über Alles. Lasst mich -- o, Ihr seyd ja auch ihre Mutter, lasst mich
-sie an meinem Arme an die Gruft ihres Vaters führen; der Anblick wird
-den Geist erlösen.«
-
-Maria verbarg ihr Gesicht an Laurens Busen. Ihr Herz schlug stärker.
-
-»Fremdling, sagte Laura -- nehmt nicht etwa eine flüchtige Rührung, ein
-mattes Wohlbehagen, einige sich unwillkürlich Euch aufdringende Wünsche
-sogleich für Liebe. -- Ihr habt nie geliebt, sagt Ihr; -- Euer Herz ist
-unerfahren und leicht zu bewegen. Ihr habt dieses Kind im Leiden
-gesehen, und habt gewünscht, habt Euch bemüht, sie zu retten. Ihr seyd
-durch den Antheil, den Ihr an ihr nahmt, in Gefahr gekommen. Das kettet
-edle Seelen an den Gegenstand ihrer Grossmuth: aber diese Anhänglichkeit
-ist noch nicht Liebe. Ihr habt sie hier in allen Rührungen der
-zärtlichen Tochter gesehen; das hat sich Euch mitgetheilt. Uebereilet
-Euch nicht, edler Fremdling.«
-
-»Grossmüthige Frau, versetzte der Ritter, was ich fühle, fühl' ich so
-wahr und so stark, dass ich für die ewige Dauer desselben gut bin. Es
-ist wie mit Flammenschrift in mein Herz geschrieben, dass diese Mein
-seyn muss, dass sie Mir bestimmt ist, und dass ohne sie es kein Glück
-mehr auf der Erde für mich giebt.«
-
-»Ich glaube Euch, edler Mann, sagte Laura: Ihr scheint wahr und gut; ich
-glaube, dass Ihr mich nicht täuschen wollt: aber weder ich, noch selbst
-Ihr könnt wissen, ob Ihr nicht vielleicht Euch selbst täuschet. Erwartet
-es, bis Eure Empfindungen sich Euch selbst aufklären und entwickeln; und
-kommt Ihr dann, und sagt noch eben das, so ist sie Euer.«
-
-»Verzeiht, edle Frau, versetzte der Ritter: wie könnte ich in dem, was
-ich so innig und so warm fühle, mich täuschen? Täusche ich mich
-vielleicht auch, wenn ich mein Daseyn empfinde? -- Aber, ich soll
-warten, soll Euch verlassen, in Länder gehen, die weite Meere von Euch
-trennen? Wie werde ich das ertragen?«
-
-»Ihr sollt nicht allein gehen, sagte Laura. Dunkle Ahnung einer höheren
-Glückseligkeit, ein geheimes Verlangen, auf dem Grabe Rinaldo's zu seyn,
-durchströmt meine Seele. Ihr werdet mich und diese dahin begleiten, und
-dann -- wenn Ihr dann noch so denkt, ist diese Euer.«
-
-Sie hatten keine langen Zubereitungen zur Abreise zu machen. Es waren
-noch einige Juwelen von denen, die Maria bei ihrer Abreise aus Paris mit
-sich genommen hatte, vorhanden. -- »Hätte ich glauben können, dass ihr
-noch einst einen Werth für mich haben würdet?« sagte Laura, als sie sie
-zu sich nahm.
-
-Sie zogen unbeschädigt durch Arabien und Palästina, und setzten sich zu
-Damaskus auf ein Schiff. Ein günstiger Wind leitete sie; sie landeten
-bald an der europäischen Küste.
-
-In einer angenehmen Sommernacht kamen sie zu Rinaldo's Grabe. Ein
-sanfter Wind säuselte: Rosenduft erfüllte die Lüfte. Ruhe und Heiterkeit
-im Gesichte, glänzend und verklärt entstieg der Geist seiner Gruft.
-
-»Sey mir gesegnet, Alfonso! sagte er; du hast dein heiliges Gelübde
-gehalten. Du bist seiner werth, meine Tochter. In heiligeren Gefilden
-sehen wir uns wieder. -- Deine unglückliche Mutter hat ihre Leiden
-beschlossen; ihr Leib ruht weit von dem meinigen, aber ihr Geist ist bei
-mir: und du, meine Laura, wirst sie bald beschliessen.«
-
-Der Geist verschwand. Laura sank in süsser Wehmuth auf das Grab, und
-schlummerte in ein besseres Leben hinüber.
-
-Sanfte Trauer erfüllte Mariens und Alfonso's Seele. Die Klagen über den
-Verlust der Glückseligen wurden ihnen süss.
-
-Sie lebten in diesen Gegenden das Leben der Zärtlichkeit und der Liebe.
-Jeder Unglückliche segnete ihr Haus; es war Zuflucht jedes Hülfslosen.
-
-Am fünfzigsten Gedächtnisstage ihrer Vermählung, nachdem sie schon die
-Kinder ihrer Enkel zu ihren Füssen hatten spielen sehen, sassen sie in
-stummer Zärtlichkeit auf der Gruft, und das Andenken der Begebenheiten
-ihres Lebens ging vor ihrer Seele vorüber. Ein sanfter Schauer überfiel
-sie, sie umarmten sich, und ihre Seelen gingen vereint in das Vaterland
-der Liebe.
-
-Die Hirten fanden sie erstarrt auf dem Grabe liegen, und begruben sie
-nebeneinander, da, wo sie lagen. Rosenstöcke und Vergissmeinnicht und
-Tausendschön entsprossten dem Boden um das Grab herum und blühten.
-Ahnungen von Wiedersehen der Freunde erfüllten die Seelen der Hirten.
-Ihren Augen enttröpfelten Thränen. Sie gingen, und als sie hinter sich
-sahen, sahen sie fünf Flämmchen auf dem Grabe blinken. Hinter ihnen
-schloss sich das Thal. Sie hatten den Weg dahin nicht wieder gefunden.
-Sie nannten es das Thal der Liebenden.
-
-
-
-
- B.
- Kleinere Gedichte.
-
-
- Idylle.
-
- (Musenalmanach von A. W. Schlegel und L. Tieck, Tübingen 1802, S.
- 170.)
-
- Was regst du, mein Wein, in dem Fass dich?
- »Es brachten die Lüfte mir Kunde
- Von der Inbrunst meines Erzeugers,
- Das regte das Inn're mir auf!«
-
- »Ich möchte die Bande zersprengen,
- Die von ihm ferne mich halten,
- Und zerfliessen und in den Düften
- Zusammenströmen mit ihm!«
-
- So bringen heimliche Stimmen
- Der Geister Psychen die Kunde
- Von der unendlichen Liebe
- Im Unendlichen, ihrem Erzeuger;
-
- Und es dehnet sich ihr das Herz aus
- In unbeschreiblicher Wehmuth,
- In unaussprechlicher Sehnsucht,
- Bis die irdische Hülle zerreisst.
-
-
- Sonette.
-
-
- 1.
-
- Wenn dir das inn're Götterwort wird spruchlos,
- Verblasset auch die äussere Verspürung,
- Was dich umgiebt, verlieret die Verzierung,
- Was von dir ausgeht, wird nur schnöd' und ruchlos.
-
- Die Blüthe deines Lebens steht geruchlos,
- Was andre leitet, das wird dir Verführung;
- Denn du bist ausserhalb des Alls Berührung,
- Darum wird dir der äuss're Laut auch spruchlos.
-
- Das innen Todte glänze noch so scheinsam,
- Doch treibt dich fort zu ungemess'ner Wehmuth,
- Die unaufhaltsam schon dich griff, die Brandung. --
-
- Drum bleib' ich in mir selber still und einsam
- Und pflege fort mit kindergleicher Demuth
- Das Unterpfand der einst'gen frohen Landung.
-
-
- 2.
-
- Was meinem Auge diese Kraft gegeben,
- Dass alle Misgestalt ihm ist zerronnen,
- Dass ihm die Nächte werden heitre Sonnen,
- Unordnung Ordnung, und Verwesung Leben?
-
- Was durch der Zeit, des Raums verworr'nes Weben
- Mich sicher leitet hin zum ew'gen Bronnen
- Des Schönen, Wahren, Guten und der Wonnen,
- Und drin vernichtend eintaucht all' mein Streben? --
-
- Das ist's. Seit in Urania's Aug', die tiefe
- Sich selber klare, blaue, stille, reine
- Lichtflamm', ich selber still hineingesehen;
-
- Seitdem ruht dieses Aug' mir in der Tiefe
- Und ^ist^ in meinem Seyn, -- das ewig Eine,
- ^Lebt^ mir im Leben, ^sieht^ in meinem Sehen.
-
-
- 3.
-
- Nichts ist denn Gott, und Gott ist nichts denn Leben;
- Du weissest, ich mit dir weiss im Verein;
- Doch wie vermöchte Wissen dazuseyn,
- Wenn es nicht Wissen wär' von Gottes Leben!
-
- »Wie gern' ach! wollt' ich diesem hin mich geben,
- Allein wo find' ich's? Fliesst es irgend ein
- In's Wissen, so verwandelt's sich in Schein,
- Mit ihm vermischt, mit seiner Hüll' umgeben.«
-
- Gar klar die Hülle sich vor dir erhebet,
- Dein Ich ist sie; es sterbe, was vernichtbar,
- Und fortan lebt nur Gott in deinem Streben.
-
- Durchschaue, was dies Streben überlebet,
- So wird die Hülle dir als Hülle sichtbar,
- Und unverschleiert siehst du göttlich' Leben!
-
-
- Vorbereitung zur gemeinschaftlichen Andacht.
-
- Die Gemeine.
-
- Müde von des Lebens Leiden,
- Müder von des Lebens Freuden,
- Flüchten wir in eure Stille,
- Ob uns hier Erquickung quille.
- Frohseyn ist uns nie gelungen,
- Wie wir eifrig auch gerungen,
- Und wir sind des Treibens müde,
- Suchen Ruhe, wünschen Friede.
-
- Die Pfleger.
-
- Kommt Belad'ne zur Erquickung,
- Kommt Erschöpfte zur Entzückung!
- Neue Stärke soll die Matten
- Ueberschwänglich überschatten;
- Nur dass draussen ihr versenken
- Wollet euer Thun und Denken,
- Abthun euer altes Streben,
- Sterben ab dem eig'nen Leben.
-
- Die Gemeine.
-
- Und was habt ihr uns zu geben,
- Zum Ersatz für unser Leben?
-
- Die Pfleger.
-
- Solch' ein Leben, das gegründet
- In sich selber, nimmer schwindet,
- Nimmer wandelt, selbst sich gnüget.
- Dieses hier euch offen lieget.
- Aber nur von euch geschieden
- Geht ihr ein in seinen Frieden!
-
-
- Dem 15. März 1810.[41]
-
- Du edler Keim, der aus der kalten Erde
- Sich unaufhaltsam in das Lichtreich drängte,
- Du sinn'ge Blume, die, die Sonne fühlend,
- Mit allen Regungen nach ihr sich wandte:
-
- Wir streben beide, doch in anderm Sinne
- Jedwedes, liebend nach demselben Ziele,
- Und mehr als andres, eint uns dieses Streben,
- Und weiht mich dir mit inniger Ergebung.
-
- Nimm diese Früchte, die dasselbe Streben,
- Auf dir verschwistertem Stamme hat getrieben!
- Vielleicht, dass auch aus uns'rer Lieb' ein Zweig entsteht,
- Der einstens zeug' von unsrer höhern Liebe.
-
-
- Philomele.
-
- Meine Stimme von Staub spricht dich gefällig an?
- Aber möchtest du erst hören der Sphären Klang!
- Ich zwar sing' in dem Chore gezwungen und gerne. Das Ganze
- Fasset allein der sinnige Mensch.
-
- Jenseit des Aethers ström' eine Quelle
- Des Tones, der Schönheit, -- diese sind Eins, --
- Also lehrete mich mein Meister,
- Selber er tonlos, doch schlägt er den Tact!
-
-[Fußnote 41: Der Gattin zum Geburtstage, mit dem Geschenke von
-Klopstocks Werken, des Oheims derselben.]
-
-
- Prolog zur »Vesta.«[42]
-
- (Ungedruckt.)
-
- Die Herausgeber, ein Pränumerant.
-
- Die Herausgeber.
-
- Euer Edlen sind, hören wir, ein braver Mann,
- Nehmen sich auch der leidenden Menschheit an;
- So kommen wir denn von gleichem Triebe
- Beseelt und bitten Sie um die Liebe,
- Dass Sie doch möchten pränumeriren
- Ein Thaler quartaliter auf ein Journal:
- Wir werden's Vesta nennen zumal,
- Womit wir nächstens die Welt wollen zieren.
-
- Der Pränumerant.
-
- Ihr Journal und die Menschheit in Leiden,
- Wie hängen denn zusammen die beiden?
-
- Die Herausgeber.
-
- Die Armen sollen haben ohne Verdruss
- Von unserm Gewinne den Ueberschuss!
-
- Der Pränumerant.
-
- Ich verstehe! -- Doch nach welchem Plan oder Geist
- Werden Sie denn schreiben allermeist?
- Nach welchem wählen die Genossen?
-
- Die Herausgeber.
-
- Nach keinem: -- »Keiner ist ausgeschlossen,
- Und jeder Freund der Wahrheit, Anmuth und Kraft
- Ist uns willkommen« -- sofern er uns was schafft!
-
- Der Pränumerant.
-
- Ich verstehe ganz: -- ein Allerlei
- Von Sauer und Süss mit Façon dabei!
- Die Herren, so denk' ich mir's, jucket der Kitzel
- Gedruckt zu sehen ihre Papierschnitzel.
- Kein Verleger mag sie; für eigenes Geld
- Sich drucken zu lassen ihnen auch nicht gefällt.
- Da muss die Noth helfen aus der Noth:
- Nun können sie eher, ohne zu werden roth,
- Antragen auf Pränumeration,
- Und den Willigen wünschen ein Gotteslohn!
- Wer auch ihres Schreibsels nicht begehrt,
- Denkt, es sey den Armen ein Almosen beschert.
- Kann's leiden, dass man das Heft mir bringt;
- Niemand ist ja, der's zu lesen zwingt.
- Indess stehen die Herrn schon schwarz auf weiss,
- Mehr wollten sie nicht und sie haben ihren Preis.
- Drum genug, ihr Herrn! Hier ist mein Thaler,
- Wünsch' Ihnen recht viele und reichliche Zahler,
- Damit Ihre geistige Armuth und Noth
- Den leiblich Armen schaff' ein Stück Brot!
-
-[Fußnote 42: Zeitschrift, erschienen zu Königsberg 1807.]
-
- Die Herausgeber.
-
- So muss man es durchaus nicht anseh'n,
- Obwohl wir selber, wie uns gescheh'n
- Nicht recht zu wissen gern bekennen.
- Wir wollen für hohe Zwecke entbrennen,
- Eingreifen gewaltig in's Rad der Zeit,
- Dem Bedürfniss, dem Niemand Hülfe beut,
- Auch keiner als wir es kennt, reichen die Hand!
-
- Der Pränumerant.
-
- Ei sieh, Ihr seyd wohl gar auch arrogant?
-
- Die Herausgeber.
-
- Das wollen wir hoffen; -- dies gilt bei den Leuten,
- Succurs und Beifall sich zu bereiten!
- Drum darf auch die Zeitschrift sich nicht schämen,
- Irgend ein Erhab'nes zum Vorwand zu nehmen.
- »Wer für den Staat auch nicht die Waffen trägt,
- Der ist durch heil'ge Bürgerpflicht bewegt,
- Dass er ableite des Volkes Aufmerksamkeit
- Von dem die Kriege begleitenden Leid,
- Damit er dessen Blicke wende
- Von dem unvermeidlichen Kriegselende.«
-
- Der Pränumerant.
-
- Elend nur sieht und er nur sieht das Elend,
- Wer selber elend ist im Innersten;
- Denn seiner Leere, seines tiefen Grams,
- Seiner Zerrüttung Bild steigt aus dem Herzen
- In's Aug' empor und lagert ihm sich hin
- Ueber der Dinge breite Oberfläche;
- Sie geben stets ihm nur ihn selbst zurück!
- So auch wer in sich klar und mit sich Eins ist,
- Er bleibt gewiss der ew'gen Harmonie
- Im trüben, wildverschlungenen Gewirre
- Ird'scher Erscheinung; und ihm leuchtet hell
- Im Jammer selbst die immer nahe Hülfe! -- --
-
- Ein Herausgeber (ihm nachsehend).
-
- Der Mensch ist ein seltsam Kunstproduct,
- Vorweltlich, in alt ogygischem Stil!
-
- Der andere.
-
- Sey ruhig, Herr Bruder, wir sind ja gedruckt;
- Das Andre bedeutet uns nicht so viel!
- Und wo wär' Etwas von eigenem Werth,
- Wogegen sich nicht die Misgunst kehrt?
-
- Beide.
-
- Das ist der plausibelste Trost in der Welt,
- Dass man stets sich selber am Besten gefällt!
-
-
- Am 18. Januar 1812.[43]
-
- Ehrwürd'ge deutsche christliche Gesellschaft,
- Edle, biedere Tischgenossenschaft!
- Indem ich, als bestellt zum Sprechen,
- Zum erstenmale das Schweigen will brechen,
- Bitt' ich, dass man es günstig verspüre,
- Wenn ich im Knittelvers haranguire;
- Denn eingefasst von Rindfleisch und Braten
- Dürfte die Prosa zu vornehm gerathen!
-
- * * * * *
-
- Zuvörderst sollt' ich mit zierlichen Worten,
- Wie es gebräuchlich aller Orten,
- Mit Bezeugung schuldiger Devotion
- Ihnen danken für die Decoration,
- Die Sie durch dieses Amt mir verlieh'n.
- Doch: danke durch Thaten, spricht deutscher Sinn!
-
- Wie hoch ich es schätze im Herzensgrunde,
- Mit Ihnen zu bleiben im freundlichen Bunde,
- Und allen Ihren Wunsch und Willen
- Auch meinerseits gern mag erfüllen:
- Beweise, dass mit Herzlichkeit
- Ich Ihrem Wunsche mich geweiht;
- Beweise, wie ich die Geschäfte,
- So lang's verstatten meine Kräfte
- Und meine sonst besetzte Zeit,
- Werd' immer führen mit Heiterkeit.
- Was Sie an Gelde mir werden geben,
- Das werd' ich sorgfältig aufheben
- Und treulich bewahren und verwalten.
- Auch über die Gesetze will ich halten,
- Ohn' alles Anseh'n der Person.
- Zeigt gute Laune sich oder Liederton,
- Will ich, so gut ich kann, mitsingen.
- Auch die Gesundheiten will ich ausbringen;
- Und erscheint einst der festliche Pokal,
- Geziert mit dem Juden Simson zumal,
- So werd' ich um weitere Vorschrift bitten,
- Und diese sey nie überschritten.
-
-[Fußnote 43: Ueber die Veranlassung zu dieser Rede in Versen hat ihr
-Einsender uns zugleich Folgendes mitgetheilt: »A. v. Arnim hatte in
-Berlin eine christlich deutsche Gesellschaft errichtet, deren Vorsitz
-Fichte an jenem Tage übernahm. Bei dieser Veranlassung hielt er einen
-Vortrag in Knittelversen, welcher damals ungemein ansprach und auch, wie
-ich bestimmt weiss, noch jetzt in Ehren gehalten wird. Da ich das
-Tagblatt besitze, worin dieser Vortrag aufgeschrieben ist, so macht es
-mir ein grosses Vergnügen, Ihnen denselben mittheilen zu können.«]
-
- * * * * *
-
- Im Uebrigen kann ich von meinem Sprechen
- In voraus eben nicht viel versprechen.
- Zum Beispiel: Witzig zu seyn aus heiler Haut
- Ist ein Talent, nicht Jedem anvertraut;
- So selten fast als reine Vernunft, ist reiner Witz,
- Und beide, denk' ich, sind gleich viel nütz'.
- Wer witzig ist, ist's über Was und nebenbei,
- Denn Witz ist ja nicht Gold, noch Silber, noch Zinn, noch Blei,
- Sondern von Allem nur die Façon!
-
- So Jemand den Witz recht wollte pflegen und nähren,
- Der müsst' ihm nur reichlichen Stoff gewähren
- Durch tolle Streich' und Narrheiten viel,
- Und nur ihn treiben lassen sein Spiel,
- Und ja sich hüten, was übel zu nehmen.
- Zu dem Ersten wird die ehrbare Gesellschaft sich nie bequemen;
- So muss sie denn eben ohne Witz vorlieb nehmen!
-
- Zudem sind die bisherigen Stoffe verbraucht;
- Nicht Jude, nicht Philister mehr taugt,
- Um an ihnen zu finden ein Körn'chen Spass,
- Das nicht schon einigemale dawas! --
- Auch will es in der That was bedeuten,
- Ueber dergleichen zu spotten vor Leuten,
- Dass der Spott nicht auf uns selbst sitzen bleibe.
- Den Juden schiebt man sich wohl noch vom Leibe,
- Man ist nicht beschnitten; -- ^ergo^ ist man keiner.
- Mit dem Philister ist die Sache schon feiner.
- Streng genommen, Keiner sich durchschaut,
- So lang er steckt in der sündigen Haut,
- In Unschuld Keiner soll waschen die Hände,
- Wie Keiner selig ist vor seinem Ende!
- Ob wir durchaus nicht Philister waren,
- Werden wir im ewigen Leben erfahren.
- Doch es giebt auch für sterbliche Augen
- Kennzeichen, die zur Prüfung taugen,
- Dass man sich orientiren kann.
- Das Eine geb' ich im Gleichniss an.
-
- Es geschieht wohl, dass Einer träume, er wache,
- Und sich's versichre, und glaublich mache,
- Und ist doch gerade dies sein Traum!
- Wer wirklich wacht, kurzum der wacht,
- Und ist nicht weiter auf's Wachen bedacht.
- So, wer in der That nicht Philister ist,
- Der denket dessen zu keiner Frist;
- Ohne seinen Dank und Willen, und schlechtweg er's nicht ist.
- Wer aber sich's hin und her beweist
- Und Gott am Morgen und Abend preist,
- Dass er nicht ist, wie andre Leut,
- Ist vom Philisterthum nicht weit;
- Ja ihm sitzt die Philisterei
- Gerade im Denken, dass er's nicht sey!
-
- Da dieses sich so weit erstreckt
- Und bringen kann gar schlimmen Ruhm,
- So bleibt vor mir wohl ungeneckt
- So Juden- wie Philisterthum!
-
- * * * * *
-
- Doch reinige sich der Gedanke,
- Der über Niedrem schwebte,
- Um mit dem Höhern ganz sich auszufüllen!
- Füllet die Gläser! --
- Es lebe die Krone,
- Sie steig' auf in der alten Pracht,
- Ausgerüstet mit der alten Kraft,
- Umgeben von der alten Treue!
-
-
-
-
- C.
- Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und
- Italiänischen.
-
-
- Aus Camoens' Lusiade.[44]
-
-
- Gesang 3, Stanze 118.
-
- Alfonso kehrt, nach dieses Sieges Glücke,
- Hinwieder zu des Tajo schönem Becken;
- Dass auch der Fried' ihn mit den Kränzen schmücke,
- Womit die Schlachten ihn so reich bedecken:
- O welch erbarmungswürdiges Geschicke,
- Das Todte könnt aus ihren Gräbern wecken,
- Trifft da die arme, zarte Dulderin,
- Die erst getödtet ward, dann Königin!
-
- Allein durch dich, durch dein allmächtig Sehnen,
- O reine Lieb', erstarb der Zeiten Zierde,
- Als dürftest du sie deine Feindin wähnen,
- Die treue, der dein schönster Lohn gebührte.
- Wohl sagt man, Amor, dass durch bittre Thränen
- Gestillt nicht werde deine grimme Gierde;
- Soll Menschenblut nun strömen vom Altare
- Zur süssen Augenweide dir, Barbare?
-
-[Fußnote 44: Zuerst abgedruckt im »Pantheon, Zeitschrift für
-Wissenschaft und Kunst, von Büsching und Kannegiesser. Berlin, 1810.« I.
-Bd. 1. Heft. Seite 1-8.]
-
- Man sah dir hold der Jahre Lenz verfliessen,
- In jene Seelenruh warst du versenket,
- Ignes, und in den Wahn, den blinden, süssen,
- Den keinem noch auf lang das Glück geschenket,
- In des Mondego angenehmen Wiesen,
- Den deiner schönen Augen Born getränket,
- Den Bergen lehrend, und der Flur den lieben
- Namen, der tief dir in die Brust geschrieben.
-
- Auch deines Prinzen Regungen vergalten
- Dein Sehnen wohl mit seelenvollem Danken;
- Dein Bild sie fest vor seinen Augen halten,
- Wenn er verbannt aus deiner Blicke Schranken:
- Des Nachts ihn täuschen süsse Traumgestalten,
- Des Tags entrücken ihn zu dir Gedanken,
- Und was er sinnt, und was er sieht im Innern,
- Ist alles nur Ein wonnevoll Erinnern.
-
- So vieler Fürstentöchter, schöner Frauen
- Bewerben hat bei ihm das Ziel verfehlet;
- Wie denn auf andres pflegt herabzuschauen
- Wess Herz die Eine, traute, hat erwählet.
- Der alte Vater blickt mit stillem Grauen
- Auf die Verirrung dieser Lieb', ihn quälet
- Des Volkes Murren und das Widerstreben
- Des Sohns, sich in der Ehe Band zu geben.
-
- Und so beschliesst er denn in argem Muthe
- Ignes dem süssen Lichte zu entrücken.
- Es könne nur in frech vergoss'nem Blute,
- So meint er, solcher Liebe Brand ersticken.
- War's Wahnsinn, der ihn trieb, sein Schwert, das gute,
- Das Schrecken sende nur der Feinde Blicken,
- Vor dem der Mauren Wuth gemusst erbeben,
- Gegen ein zartes Fräulein zu erheben?
-
- Zu ihm, dess Herz wohl möchte sich versöhnen,
- Wird sie geschleppt von wilden Ungeheuern,
- Und es gelingt den mordbegier'gen Tönen
- Des Pöbels, seinen Zorn neu anzufeuern.
- Sie aber -- flehend und mit bangem Stöhnen,
- Erpresst von Mitleid bloss mit ihrem Theuern
- Und mit den Kindern, die sie unterm Herzen
- Ihm trug, die mehr denn eigner Tod sie schmerzen;
-
- Die Augen hebend zu des Himmels Milde
- Aus denen eine grosse Zähre rollte,
- (Die Augen, denn die Hände hielt der wilde
- Mordknecht, der sie in Fesseln schlagen wollte)
- Dann nieder auf der Kinder zarte Bilde
- Sie senkend, die sie jetzt verlassen sollte
- Verwaiset, einsam, ohne Schutz und Rather --
- Spricht also an den grausamen Grossvater:
-
- Wenn wilde Thiere, deren Sinn zum Hassen
- Natur bestimmt, und Eis um sie geschlagen,
- Der Wüste Vögel, die, um Raub zu fassen
- Und anders nicht, den Flug in Wolken wagen,
- Mit kleinen Kindern, die sie seh'n verlassen,
- Solch zärtlich Mitleid und Erbarmen tragen,
- Wie man an Ninus Mutter hat geschauet,
- Und an den Brüdern, welche Rom erbauet;
-
- So trag auch du, dess Herz durchströmt vom warmen
- Menschlichen Blute schlägt (falls es zu nennen
- Menschlich, den Tod zu geben einer Armen,
- Bloss weil ihr Herz in Liebe musst' entbrennen),
- Trage mit diesen Kleinen das Erbarmen,
- Das man in meinem Urtheil muss verkennen.
- Mög' ihre Noth Mitleid in dir erregen,
- Da meine Unschuld dich nicht kann bewegen!
-
- Und wie du wusstest einst mit Schwert und Feuer
- Den Tod zu senden in der Mauren Reihen,
- Sey jetzt vom Tode gnädiglich Befreier
- Der Schwachen, die du keiner Schuld kannst zeihen.
- Falls aber Unschuld büssen soll so theuer,
- Verweis auf ewig mich in Wüsteneien,
- In Libyens Gluth, in Scythiens kalte Schauer,
- Wo ich mein Leben enden mög' in Trauer.
-
- Lass mich, wo alle Schrecken sich erheben,
- Hin in der Löwen und der Tiger Erbe,
- Dass ich, was Menschenherz nicht mochte geben,
- Erbarmen dort und Mitleid mir erwerbe.
- Dort will ich pflegen, innig hingegeben
- In's Angedenken dess, für den ich sterbe,
- Der nachgelass'nen Pfänder theure Gabe,
- Zu der leidvollen Mutter einziger Labe.
-
- Der König sinnt schon drauf, sie zu befreien,
- Ob ihrer Worte, die ihn tief bewegen;
- Das störr'ge Volk nur will ihr nicht verzeihen,
- Noch ihre Sterne, die nicht brachten Segen.
- Die, welche glauben, dass die That Gedeihen
- Dem Reiche bringe, ziehen scharfe Degen,
- Gegen ein Fräulein. Herz, schwarz und bitter,
- Ihr zeiget euch als Henker, nicht als Ritter!
-
- Wie gegen Priams Tochter, Polyxene,
- Aus der der Mutter letzte Freuden quellen,
- Damit Achilles Schatten sich versöhne,
- Man Pyrrhus sahe sich gerüstet stellen;
- Sie aber ihre jungfräuliche Schöne --
- Die Augen, welche wohl die Trüb' erhellen,
- Hin auf die Mutter, die vor Schmerzen wüthet,
- Gerichtet, -- zum Sühnopfer willig bietet:
-
- So gegen Sie, die Wüthenden; die Auen,
- Aus denen Liebe sieht mit hellen Blicken,
- In jedes Auge, das sie mag erschauen,
- Sanftheit und Milde strahlend und Entzücken,
- Und ihre süssen Blumen, die getrauen
- Sie sich mit Blutesströmen zu ersticken,
- Grimmig erbos't die Schwerter drein versenkend,
- Der Rache, die herannaht, nicht gedenkend.
-
- O hohe Sonne, hat dein Strahl genommen
- Von des Entsetzens That wohl Blick und Kunde?
- Ist er nicht auch denselben Tag verglommen,
- Wie in Thyestes Gastmahls Gräuelstunde?
- Ihr hohlen Thäler, die ihr da vernommen
- Das letzte Wort aus dem erblassten Munde,
- Noch lange hallte fort in euerm Laute
- Der Name Pedro, den sie euch vertraute.
-
- Wie einer Blume, so in Zier getauchet,
- Dass sie der Schmuck war auf den blüh'nden Heiden,
- Wenn sie gebrochen und zum Kranz verbrauchet,
- Der rohen Hand Betastung musst' erleiden,
- Der Schmelz vergeht, der süsse Duft verhauchet:
- So ist das Fräulein nach dem bittern Scheiden;
- Der Lippen Ros' erblasset, es entschweben
- Die lichten Farben mit dem süssen Leben.
-
- Der That zum ewigen Andenken kehren
- Mondego's Töchter, die sie lange klagen,
- In einen Quell die da geweinten Zähren,
- Und geben ihm den Namen, den er tragen
- Auf alle Zeiten soll: noch jetzo nähren
- Wo Ignes lebt und liebt in ihren Tagen,
- Von einem Quelle sich der Blumen Triebe,
- Dess Wasser Zähren sind, der Name: Liebe.
-
-
- Aus dem Spanischen.
-
-
- Madrigal.
-
- Ihr Augen, hell und reine,
- Da eure süssen Blicke preist die Menge,
- Warum, wenn ihr mich anschaut, blickt ihr strenge?
- Wenn ihr, je mehr voll Hulden,
- So mehr die Welt erfreut mit heitrem Scheine,
- Warum blickt ihr mit Zorn auf mich alleine?
- Ihr Augen, hell und reine,
- Erscheint mir nur, sey's auch mit solchem Scheine!
-
-
- Aus Cervantes.
-
-
- Amadis von Gallia an Don Quixote de la Mancha.
-
- Du, der nachahmtest jenes Thränenleben,
- Das auf des Armuthfelsens schroffer Kante
- Ich führte, da Verschmähung mich verbannte
- Von Freuden, mich der Busse zu ergeben;
-
- Du, dem vom Auge Fluthen man sah beben,
- Dass ihm der Salztrank schier das Herz abbrannte,
- Dem, als ihn Silber, Kupfer, Zinn schon nannte,
- Die Erd' auf Erde dürft'ges Mahl gegeben:
-
- Sey sicher, dass in alle Ewigkeiten,
- Mindstens so lang', als in der vierten Sphäre
- Der feuerrothe Phöbus treibt die Pferde,
-
- Den Preis der Tapfern keiner dir bestreiten,
- Dein Vaterland vor allen seyn das hehre,
- Dein weiser Meister einzig bleiben werde!
-
-
- Don Belianis von Gräcia an denselben.
-
- Mehr als ein Ritter auf dem Erdenrunde
- Thät ich in Handeln, Sprechen, Stechen, Hauen,
- Ob meiner Thatkraft all' erfasst' ein Grauen,
- All' Unbill rächend, die mir kam zur Kunde.
-
- Ich gab Grossthaten Fama's ew'gem Munde,
- Ich war galant, ich war beliebt bei Frauen;
- Wie Zwerglein thät ich alle Riesen schauen,
- Zu Kampf und Streit bereit in jeder Stunde.
-
- Fortuna lag zu meinem Fuss geschmieget,
- Das Glück stand meiner Weisheit treu ergeben,
- Wie eine gute Magd, stets zu Gebote.
-
- Ob nun mein Ruhm des Monds Horn überflieget,
- Ob auch noch nichts mir hat getrübt das Leben,
- Neid' ich doch dich, du grosser Held Quixote!
-
-
- Petrarca's Sonnet 36.
-
- Sie tritt mir vor's Gemüth -- vielmehr ist drinne,
- Dass Lethe nicht vermag sie wegzuheben, --
- Wie sie von ihres Sterns Strahlen umgeben,
- Im Lenz des Lebens trat mir vor die Sinne;
-
- Dass ersten Blickes ich ein Bild gewinne
- Von ihr, so sittig, still und gottergeben,
- Dass ich, »sie ist's,« mir sage, »ist am Leben,«
- Und Frag' an sie und hold Gespräch beginne.
-
- Bald giebt sie Antwort, schweigt auch wohl, dann siehe,
- Wie man halb wacht im Traum, der Irrthum webte,
- Sag ich meinem Gemüth: Du bist im Fehle;
-
- Tausend, dreihundert, acht und vierzig, frühe
- Ein Uhr, den sechsten des Aprils, entschwebte
- Dem süssen Leibe ja die sel'ge Seele.
-
-
- Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.
-
-
-
-
-
-
-
-
-
- Nachtrag zum ersten Bande.
-
-
-S. 95 Zeile 5 von oben ist nach den Worten: »denn er ist gleich dem
-Satze X,« als Note unter dem Texte aus der 2. Auflage der
-Wissenschaftslehre folgender Zusatz hinzuzufügen:
-
-»D. h. ganz populär ausgedrückt: Ich, das in der Stelle des Prädicats A
-setzende, ^dem^ zufolge, ^dass es in der des Subjects gesetzt wurde^,
-weiss nothwendig von meinem Subjectsetzen, also von mir selbst, schaue
-wiederum mich selbst an, bin mir dasselbe.« (Anmerk. * * zur 2.
-Ausgabe.)
-
-Zu bemerken ist noch, dass die S. 91, 95 und 98 hinzugefügten Zusätze
-der 2. Ausgabe ^nur^ in der zweiten »verbesserten« Ausgabe, Jena und
-Leipzig bei Gabler 1802, nicht in der bei Cotta erschienenen
-»unveränderten,« sich finden.
-
-
-
-
- Druckfehler im siebenten Bande.
-
-
- S. 520, Z. 2 v. u. statt jener Zeitalter l. jenes Zeitalters.
- - 527, - 6 v. o. - erfolge l. erfolgte.
-
-
-
-
- Nachtrag.
-
-
- (Aus dem in ^Friedr. Schiller's Nachlass^ nach bereits beendetem
- Abdrucke dieses Bandes aufgefundenen Originaltexte der
- Abhandlung.)
-
-
-
-
- Zur Abhandlung: »Geist und Buchstab« S. 284. Z. 7. nach dem
- Worte:
- ^wollen^.
-
-
-[Fußnote 45: Durch diesen Wink soll nicht etwa dem ^intelligibeln
-Fatalismus^ das Wort geredet werden. Zwar wird der Wille allemal durch
-die für das Subject in seiner gegenwärtigen Stimmung überwiegenden
-Gründe bestimmt; aber dass ^diese^ Gründe überwiegen und nicht die
-entgegengesetzten, und dass das Subject gerade in dieser Stimmung ist
-und in keiner anderen, davon liegt der Grund in der absoluten
-Selbstthätigkeit. Diese ist es, welche das entscheidende Uebergewicht in
-die Wagschale legt durch freie Reflexion und Abstraction in dem
-absoluten Anfange eines jeden innern Lebensactes, der von da aus durch
-die mannigfaltigen Geschäfte des menschlichen Geistes hindurch
-nothwendigen Gesetzen folgt. Der Trieb treibt den Menschen nicht
-unwiderstehlich, wie etwa die Elasticität materieller Körper; denn es
-ist ein Trieb, gerichtet an ein selbstständiges Wesen. Es bedarf der
-Reflexion auf seine Richtung; diese Reflexion ist der Anfangspunct des
-fortgehenden steten Fadens, und von dem Grunde, ob überhaupt reflectirt
-wird oder nicht, und davon, wie reflectirt wird, ob auf die vollständige
-Anregung oder nur auf einen Theil derselben, hängt es ab, wie die
-Willensbestimmung ausfalle. Also: der Wille ist nicht frei, aber ^der
-Mensch ist frei^. Alle seine Vermögen hängen innigst zusammen, und
-greifen bei dem Handeln gesetzmässig in einander ein; und nur daraus,
-dass man für wirklich zersplittert hielt, was nur willkürlich und zum
-Behufe der Speculation zertheilt wurde, entstanden Theorien, die
-entweder dem natürlichen Gefühle oder dem Räsonnement, oder richtiger
-beiden zugleich widersprechen. Nicht bloss -- so hart diese Behauptung
-auch Manchem vorkommen mag -- nicht bloss die Willensbestimmung des
-empirischen Individuums, sondern sein gesammter innerer Charakter, seine
-Vorstellungs- und Begehrungsweise, woran er Vergnügen oder Misvergnügen
-finde sogar, hängt von eines Jeden Selbstthätigkeit ab. Man übertrug die
-durch das Selbstgefühl angekündigte Freiheit zuerst auf den Willen, weil
-dieser jeden innern Lebensact abschliesst und vollendet, und weil
-derselbe von ihm aus sogleich in die Aussenwelt übergeht, mithin auf
-diesem Grenzpuncte zuerst die Verschiedenheit des freien Subjects und
-des gebundenen Objects bemerkt wurde. Aber gerade darum, weil er die
-angeführte Stelle in der Reihe der Geistesgeschäfte einnimmt, ist der
-Wille am wenigsten frei, denn er ist durch das mehrste Vorhergehende
-bestimmt. Mit dem Willen fängt der Mensch einen neuen Zustand in der
-Sinnenwelt an; man folgerte, dass er mit demselben Willen auch den
-nothwendig vorauszusetzenden neuen Zustand in sich selbst anfinge; aber
-diese Folgerung ist unrichtig, und sie war zugleich unwahrscheinlich.
---]
-
-
-
-
- Dritter Brief. (S. 291.) Anfang.
-
-
-[Fußnote 46: Dem Nachbar, dem Sie meinen vorigen Brief mitgetheilt
-haben, ist in dem ganzen Zusammenhange desselben nur dasjenige
-aufgefallen -- melden Sie mir, -- was ich über die Hindernisse sagte,
-welche der Mangel an äusserer Freiheit der ästhetischen Bildung in den
-Weg stellte; er hat geeilt, die Anwendung davon auf sein Zeitalter und
-sein Vaterland zu machen, und wer weiss welche gefährliche Einflössungen
-in meinen Worten gefunden. Ich will mich nun seiner Besorgnisse wegen
-noch deutlicher erklären.
-
-In den von Germanen abstammenden Verfassungen Europens -- in den
-slawischen weit weniger; aber bin ich denn verbunden, auch auf diese
-Rücksicht zu nehmen, oder wenn ich in Deutschland schreibe, zu sorgen,
-dass meine Ausdrücke nicht gegen den Kaiser von Marokko oder den Dei von
-Algier verstossen? -- in den germanischen Verfassungen also hat es sich
-so gefügt, dass von Zeit zu Zeit Einzelne von den Unterdrückten unter
-der Last sich aufrichteten, Einzelne aus den unterdrückenden Ständen,
-durch Zufall oder durch freie Wahl, ihr Gewicht verloren oder aufgaben,
-und beide in einen glücklichen Mittelstand zusammenflossen; dadurch das
-Loos der Unterdrückten erleichterten, indem sie ihnen den Raum weiter
-machten, und auch die Sorgen der Unterdrücker mässigten, indem die Zahl
-derer, die sie zu bewachen hatten, sich verminderte. Hierdurch wurde
-denn auch die sonst unvermeidliche Progression der Sklaverei verhindert
-und die Sachen konnten vermittelst des entstandenen Spielraums mehr in
-der gleichen Lage bleiben, wie sie es denn auch, einzelne Zwischenzeiten
-abgerechnet, denen aber bald günstigere folgten, in der That geblieben
-sind. Aus jenem Mittelstande nun muss und wird sich alles Heil
-entwickeln, das noch über die Menschheit kommen soll. Jeder, den das
-Glück in diesen schönen Stand setzte, kehre daher nur sein Auge in sich
-selbst, ehe er es nach aussen wendet; er mache sich selbst frei, ehe er
-Andere befreien wolle; er erhebe sich zu der Denkart, die auf ihr selber
-ruhend, ihr selbst getreu und in sich ganz gerundet, über zeitliche
-Zwecke und irdische Befürchtungen sich erhebt, und nun lasse er den
-lebendigen Ausdruck dieser Denkart in Wort und Wandel auf seine
-Zeitgenossen wirken, wie er kann; und überlasse es der allmächtigen
-Natur, vor der Jahrtausende sind wie ein Tag, die Saat, die er streut,
-zu entwickeln und zu reifen. Wer diesen Geist nicht hat, der will weder
-sich, noch Andere befreien, sondern er will die Gewalthaber stürzen, um
-selbst an ihre Stelle zu treten, sey's auch unter der Form der Freiheit;
-er will nur die Gestalt der Knechtschaft verändern, -- er drohe nun
-offenbar den Tyrannen, oder er krieche an ihren Stufen, um einen Theil
-ihrer Gewalt zu erschmeicheln, die er zu ertrotzen nicht den Muth hat,
-und die er kühner durch den Erfolg ganz begehren wird. Ein solcher ist
-fern von der wahren Freiheit; denn er hat sich noch nicht von sich
-selbst befreit. Dies ist meine ganze Meinung, und ich mag wohl, dass sie
-der Nachbar wisse. --
-
-In unserem Innern, in welchem wir, wie soeben gefordert wurde,
-einheimisch seyn müssen, wenn eine unserer Wirkungen nach aussen einen
-Werth haben soll, giebt der Sinn für das Aesthetische uns den ersten
-festen Standpunct. Das Genie kehrt darin ein, u. s. w.]
-
-
-
-
- Liste der Unterzeichner
- auf
- Fichte's sämmtliche Werke.
-
-
- Aachen.
-
- Herr Buchhändler _J. A. Mayer_ 1
- für: Herrn Regierungsrath _Ritz_.
-
- Aarau.
-
- Löbl. _Sauerländer_sche Sortiments-Buchhandlung 3
- für: Herrn _E. Dorer-Egloff_ in Baden in der Schweiz
- -- _J. Correvon_, officier féderal du Génie in
- Iverdun.
- Bibliothèque cantonale in Lausanne.
-
- Altena.
-
- Herr Buchhändler _P. A. Santz_ 1
-
- Altenburg.
-
- Löbl. _Schnuphase_sche Buchhandlung 1
-
- Altona.
-
- Herr Buchhändler _G. Blatt_ 1
-
- Amsterdam.
-
- Herr Buchhändler _C. G. Sülpke_ 1
- für: Herrn _R. E. Bischofsheim_.
-
- Arnsberg.
-
- Herr Buchhändler _A. L. Ritter_ 1
- für: Herrn Ober-Landesgerichts-Referendar _Kaupisch_.
-
- Aschaffenburg.
-
- Herr Buchhändler _Th. Pergay_ 1
-
- Augsburg.
-
- Herr Buchhändler _Kollmann_ 1
- für: Herrn Königl. Studienlehrer _J. K. E. Oppenrieder_.
-
- Basel.
-
- Löbl. _Schweighauser_sche Buchhandlung 2
- für: Oeffentliche Bibliothek.
- Herrn Dr. _Joh. Gihr_ in Liestal.
-
- Herr Buchhändler _J. G. Neukirch_ 1
- für: Herrn Dr. _Drechsler_.
-
- Bautzen.
-
- Herr Buchhändler _Aug. Weller_ 1
- für: Herrn Canonicus Dr. _Prihonski_.
-
- Berlin.
-
- Herr Buchhändler _Adolf u. Comp._ 1
-
- Löbl. _Amelang_'sche Buchhandlung 2
- für: Herrn Dr. _R. Haym_.
- -- Commerzien-Rath _Westphal_.
-
- Herr Buchhändler _W. Besser_ 5
- für: Herrn Dr. _Ribbentropp_.
- -- -- _Schrader_ in Brandenburg.
- -- -- _Dalmer_ in Halle.
- -- Geh. Rath Dr. _Bunsen_ in London.
- -- Dr. _Thaulow_ in Kiel.
-
- Herr Buchhändler _Alex. Dunker_ 7
- für: Herrn Baron von _Richthofen_.
- -- Obristlieutenant von _Willisen_, Flügel-Adjutant
- des Königs.
- -- Geschichts- und Portraitmaler _Mila_.
- -- _Türrschmidt_.
- -- Professor Dr. _Röstell_.
- -- v. d. _Lage_, Director des Pädagogiums in
- Charlottenburg.
- -- Ungenannt.
-
- Löbl. _Enslin_'sche Sortiments-Buchhandlung 4
- für: die Bibliothek des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums.
- Herrn Kammergerichts-Referendar _Haack_.
- -- Stadtschulrath _Schulze_.
- -- Prediger Dr. _Schütze_ in Lissabon.
-
- Löbl. _Hirschwald_'sche Buchhandlung 1
- für: K. St. Wladimirsuniversität in Kiew.
-
- Herr Buchhändler _A. H. W. Logier_ 1
- für: Herrn Privatdocent Dr. _F. A. Märcker_.
-
- Herr Buchhändler _E. S. Mittler_ 1
- für: Herrn Postsecretär _Kaumann_.
-
- Löbl. _Nicolai_'sche Buchhandlung 3
-
- Löbl. _Oehmigke_'sche Buchhandlung 2
- für: Herrn Director der höh. Stadtschule _Zinnow_.
- -- Graf _v. Grabowski_ auf Rodawnitz.
-
- Herr Buchhändler _E. H. Schröder_ 8
- für: Herrn Dr. _E. Meyen_.
- -- Dr. _Glaser_, Privatdocent.
- -- Graf _R. Raczynski_.
- -- _Reichenow_ in Charlottenburg.
- -- Assessor von _Mörner_.
- -- von _Neumann_.
- -- von _Kudrefzef_.
- -- _Reinbott_, Lehrer am Diesterwegschen Semin.
-
- Herr Buchhändler _Jul. Springer_ 6
- für: Herrn Prediger _Hoyer_ in Fürstenau.
- -- Baron _v. Holtzendorf-Vietmannsdorf_.
- -- _Fuss_.
- -- _Siegmund_.
- -- Dr. _Voigtländer_.
- -- Assessor _Witte_.
-
- Herren Buchhändler _Veit u. Comp._ 7
- für: Herrn Professor Dr. _H. G. Hotho_.
- -- Geheimrath _Varnhagen von Ense_.
- -- Ober-Appellationsgerichts-Rath _Meyer_.
- -- _J. Lehmann_, Redacteur.
- -- Baumeister _W. Hoffmann_.
- -- Geheimerath Professor Dr. _Böckh_.
- -- Prediger Dr. _Sachs_.
-
- Bern.
-
- Herren Buchhändler _Huber u. Comp._ 1
- für: Herrn Privatdocent Dr. _Ris_.
-
- Bielefeld.
-
- Herren Buchhändler _Velhagen u. Klasing_ 3
- für: Herrn Gymnasiallehrer Dr. _Stahlberg_ in Herford.
- -- Conrector _Wortmann_.
- -- Pastor _Smidt_.
-
- Bonn.
-
- Herr Buchhändler _Ad. Marcus_ 9
- für: Die Königl. Universitäts-Bibliothek.
- Bibliotheque de l'université de Louvain.
- Herrn Director Dr. _Kortegarn_ in Bonn.
- -- Professor Dr. _Lassen_.
- -- Ober-Consistorial-Rath Professor Dr. _Nitzsch_.
- -- Privatdocent Dr. _Clemens_.
- -- -- -- _Volkmuth_.
- -- _Erskine_.
- -- Buchhändler _Marcus_.
-
- Herr Buchhändler _E. Weber_ 1
- für: Herrn Professor Dr. _Mendelssohn_.
-
- Brandenburg.
-
- Herr Buchhändler _J. J. Wiesike_ 2
- für: Die Gymnasial-Bibliothek.
- Herrn Collaborator _Döhler_.
-
- Braunschweig.
-
- Herr Buchhändler _Ed. Leibrock_ 1
- für: Herrn Dr. _Hanne_.
-
- Bremen.
-
- Herr Buchhändler _A. D. Geisler_ 1
-
- Herr Buchhändler _J. G. Heyse_ 1
-
- Breslau.
-
- Herr Buchhändler _F. Aderholz_ 2
-
- Herren Buchhändler _Grass, Barth u. Comp._ 1
-
- Herr Buchhändler _Gosohorsky_ 2
- für: Herrn Rector _Jordan_ in Trebnitz.
- -- Professor _Braniss_ in Breslau.
-
- Herren Buchhändler _Jos. Max u. Comp._ 4
- für: Herrn Divisionsprediger Dr. _Rhode_.
- -- Medicinalrath Dr. _Ebers_.
- -- Professor Dr. _Röpell_.
- -- Buchhändler _Sowade_ in Pless.
-
- Herr Buchhändler _Ferd. Hirt_ 1
-
- Brieg.
-
- Herr Buchhändler _Ziegler_ 1
- für: Herrn _Const. v. Ziegler-Knyphausen_, Lieutenant
- im 22. Infant. Regiment.
-
- Bromberg.
-
- Herr Buchhändler _E. S. Mittler_ 2
- für: Herrn Prediger _Gessel_ in Thorn.
- Ungenannt.
-
- Brünn.
-
- Löbl. _C. Winiker_'sche Buchhandlung 1
-
- Brüssel.
-
- Herr Buchhändler _C. Muquardt_ 2
- für: Herrn Professor _Tandel_ in Lüttich.
- La Bibliothèque _Royale_.
-
- Cammin.
-
- Herren Buchhändler _Domine u. Comp._ 1
- für: Herrn Dr. _Puchstein_.
-
- Carlsruhe.
-
- Löbl. _Braun_'sche Hof-Buchhandlung 1
- für: das Museum in Carlsruhe.
-
- Herr Buchhändler _Georg Holtzmann_ 1
- für: Herrn Lehrer _Herrmann_ in Ettlingen.
-
- Cassel.
-
- Herr Buchhändler _J. J. Bohné_ 1
- für: die Kurfürstl. Landesbibliothek.
-
- Cöln.
-
- Herren Buchhändler _J. u. W. Boisserée_ 2
-
- Herr Buchhändler _E. Welter_ 1
-
- Cöslin.
-
- Herr Buchhändler _C. G. Hendess_ 1
- für: die Gymnasialbibliothek.
-
- Constanz.
-
- Herr Buchhändler _W. Meck_ 1
- für: Herrn Professor _F. A. Kreuz_ am Lyceum.
-
- Darmstadt.
-
- Herr Buchhändler _G. Jonghaus_ 1
- für: die Grossherzogl. Hessische Hofbibliothek.
-
- Dessau.
-
- Herr Buchhändler _J. Fritsche_ 2
-
- Dorpat.
-
- Löbl. _Franz Kluge_'sche Buchhandlung 1
-
- Dresden.
-
- Löbl. _Arnold_'sche Buchhandlung 1
-
- Herr Buchhändler _H. M. Gottschalk_ 1
-
- Düsseldorf.
-
- Löbl. _Schaub_'sche Buchhandlung 1
- für: die Landesbibliothek.
-
- Elberfeld.
-
- Herren Buchhändler _J. Löwenstein u. Comp._ 1
- für: die Landesbibliothek.
-
- Elbing.
-
- Herr Buchhändler _Fr. L. Levin_ 1
- für: Herrn Director Dr. _Herzberg_.
-
- Flensburg.
-
- Herr Buchhändler _J. C. Korte-Jessen_ 2
- für: Herrn Oberlandesgerichts-Advocat _Fr. Johannsen_.
- -- Buchhändler _Korte-Jessen_.
-
- Frankfurt a. M.
-
- Löbl. _Jäger_'sche Buchhandlung 3
- für: Herrn _W. H. Ackermann_, Lehrer a. d. Musterschule.
- -- _W. C. Cartwright_ Esqu. in London.
- Ungenannt.
-
- Herr Buchhändler _C. Jügel_ 1
- für: Herrn Dr. _F. A. Balling_, Brunnenarzt in Kissingen.
-
- Herr Buchhändler _J. D. Sauerländer_ 1
- für: die Stadtbibliothek.
-
- Löbl. _Varrentrapp_'sche Sortiments-Buchhandlung 1
- für: Herrn Justiz- und Domänenrath Dr. _Oelschläger_
- in Regensburg.
-
- Freiburg im Breisgau.
-
- Herren Buchhändler _Lippe u. Comp._ 1
- für: Herrn Pfarrverweser _Lump_ in Riegel.
-
- Genf.
-
- Herr Buchhändler _J. Kessmann_ 1
-
- Giessen.
-
- Herr Buchhändler _G. F. Heyer Sohn_ 3
- für: die Universitätsbibliothek.
- Herrn Stud. _Liebknecht_.
- das Predigerseminar in Friedberg.
-
- Herr Buchhändler _J. Ricker_ 1
- für: Herrn Dr. _M. Carrière_.
-
- Glatz.
-
- Herr Buchhändler _E. L. Prager_ 1
- für: Herrn _Rostock_, Prinzl. Oberamtmann in Seitenberg.
-
- Glogau.
-
- Herr Buchhändler _C. Flemming_ 1
- für: die Lehrerbibliothek des kathol. Gymnasiums.
-
- Görlitz.
-
- Herr Buchhändler _G. Köhler_ 3
- für: Herrn Geh. Justizrath _Blumenthal_ in Friedersdorf
- bei Greifenberg.
- die Oberlausitzsche Gesellschaft der Wissenschaften.
-
- Göttingen.
-
- Herr Buchhändler _Deuerlich_ 3
- für: Herrn Hofrath Professor Dr. _Ritter_.
- -- Professor Dr. _Götze_.
- -- Professor Dr. _Dunker_.
-
- Löbl. _Dietrich_'sche Buchhandlung 1
-
- Herren Buchhändler _Vandenhoeck u. Ruprecht_ 1
- für: Herrn Cand. d. Theol. _Petersen_ in Hannover.
-
- Gotha.
-
- Herr Buchhändler _Carl Glaeser_ 1
- für: die Herzogl. öffentliche Bibliothek.
-
- Greifswald.
-
- Herr Buchhändler _Otte_ 3
- für: Herrn Professor Dr. _Semisch_.
- -- Professor Dr. _Boström_ in Upsala.
- Ungenannt.
-
- Halberstadt.
-
- Herr Buchhändler _F. A. Helm_ 1
-
- Halle.
-
- Herr Buchhändler _Anton_ 1
- für: Herrn. Professor Dr. _Ulrici_.
-
- Herr Buchhändler _Lippert u. Schmidt_ 4
- für: Herrn Professor Dr. _Schaller_.
- -- Privatdocent Dr. _Weissenborn_.
- -- Stud. phil. _Seifart_.
- -- Dr. _Dalmer_.
-
- Herr Buchhändler _Rich. Mühlmann_ 2
-
- Herren Buchhändler _C. H. Schwetschke u. Sohn_ 5
-
- Hamburg.
-
- Herren Buchhändler _F. H. Nestler u. Melle_ 4
- für: die Hamburgische Stadtbibliothek.
- _Osmond de Beauvoir Priaulx_ (Oxford et Cambridge
- Clubb).
- Sir _William Hamilton_ in _Edinburg_.
- Ungenannt.
-
- Herren Buchhändler _Perthes, Besser u. Mauke_ 2
- für: Herrn Professor Dr. _Ullrich_.
- Ungenannt.
-
- Hamm.
-
- Herr Buchhändler _C. Wickenkamp_ 1
- für: die Bibliothek des Gymnasiums.
-
- Hannover.
-
- Löbl. _Hahn_'sche Hofbuchhandlung 1
- für: die _Hahn_'sche Hofbuchhandlung.
-
- Löbl. _Helwing_'sche Hofbuchhandlung 2
- für: die Bibliothek der Ständeversammlung.
- Herrn Advocat _Ebhardt_.
-
- Heidelberg.
-
- Herr Buchhändler _E. Mohr_ 1
- für: Herrn Kirchenrath _Rothe_.
-
- Herr Buchhändler _K. Winter_ 2
- für: die Grossherzogl. Hofbibliothek in Carlsruhe.
- Herrn Pfarrer _Sturm_ in Buch am Ahorn.
-
- Jena.
-
- Herr Buchhändler _Fr. Frommann_ 3
- für: die Grossherzogl. Hofbibliothek in Weimar.
- Ihre Durchlaucht die Prinzessin _Caroline_ von
- Schaumburg-Lippe in Rudolstadt 2 Exempl.
-
- Kiel.
-
- Löbl. Akademische Buchhandlung 1
- für: Herrn Candidat _Sierck_.
-
- Löbl. _Schwers_'sche Buchhandlung 1
- für: Herrn Professor Dr. _Chalybaeus_.
-
- Königsberg.
-
- Löbl. _Bornträger_'sche Buchhandlung 9
- für: die Königl. akadem. Handbibliothek.
- die Königl. Bibliothek.
- die Bibliothek des Lyceum Hosianum in Braunsberg.
- Herrn Candidat _Böttcher_ in Koewe.
- -- Professor Dr. _Rosenkranz_.
- -- _von Stomczewski_.
- für: Herrn _Sydow_.
- -- Conrector _Suck_ in Wehlau.
- -- Professor Dr. _K. Lehrs_.
-
- Herren Buchhändler _Graefe u. Unzer_ 3
- für: Herrn Consistorialrath Dr. _Lehnerdt_.
- -- Divisionsprediger Dr. _Toop_.
- das Collegium Fredericianum.
-
- Herr Buchhändler _E. H. Mangelsdorf_ 1
- für: Herrn Subrector _G. W. A. Wechsler_.
-
- Kopenhagen.
-
- Herr Buchhändler _Eibe_ 1
-
- Löbl. _Gyldendal_'sche Buchhandlung 3
- für: die Grosse Königl. Bibliothek.
- die Akademie in Soröe.
- Herrn _Feilberg_ und _Landmark_, Buchhändler in
- Christiania.
-
- Herr Buchhändler _Andr. Fr. Höst_ 2
- für: Herrn Mag. Dr. _Cronholm_ in Malmö 2 Exempl.
-
- Herr Buchhändler _H. C. Klein_ 2
- für: Herrn _G. Plaug_, Cand. phil.
- die theologische Bibliothek.
-
- Herr Buchhändler _C. A. Reitzel_ 4
-
- Krakau.
-
- Herr Buchhändler _D. E. Friedlein_ 1
- für: Herrn _Goleberski_, Anwalt beim Tribunal.
-
- Landshut.
-
- Löbl. _Krüll_'sche Univ. Buchhandlung 1
- für: Herrn Appellationsgerichts-Accessist _v. Hessling_.
-
- Langensalza.
-
- Herr Buchhändler _Körner_ 1
- für: Herrn Conrector Dr. _Karl Schramm_.
-
- Leipzig.
-
- Herr Buchhändler _F. A. Brockhaus_ 2
-
- Löbl. _Dyk_'sche Buchhandlung 1
-
- Herr Buchhändler _C. L. Fritzsche_ 1
- für: Herrn Professor Dr. _Niedner_.
-
- Löbl _J. C. Hinrichs_'sche Buchhandlung 2
- für: die Stadtbibliothek.
- Ungenannt.
-
- Herr Buchhändler _K. Fr. Köhler_ 4
- für: Herrn Hofrath _Otto_ in Dorpat.
- die Universitätsbibliothek daselbst
- Ungenannt.
-
- Herr Buchhändler _Jul. Klinkhardt_ 1
-
- Herr Buchhändler _C. H. Reclam_ sen. 2
- für: Herrn Ober-Landesgerichts-Assessor _Lobedan_ in
- Naumburg.
- -- Gymnasiallehrer _Passow_ in Meiningen.
-
- Herren Buchhändler Gebr. _Reichenbach_ 1
- für: Herrn Dr. _C. Rössler_.
-
- Herr Buchhändler _Ludw. Schreck_ 1
- für: Herrn _W. Nemeth_, Buchhändler in Kronstadt.
-
- Herr Buchhändler _Leop. Voss_ 2
- für: Herrn Professor Dr. _Drobisch_.
- die Universitätsbibliothek.
-
- Lemberg.
-
- Herr Buchhändler _Joh. Millikowsky_ 2
- für: Herrn Domvicar _Mich. Formanyos_.
- die _Ossolinski_'sche Bibliothek.
-
- Liegnitz.
-
- Herr Buchhändler _C. E. Reisner_ 1
- für: Herrn Diaconus _Peters_.
-
- Lintz.
-
- Herren Buchhändler _Fr. Eurich u. Sohn_ 1
- für: die Stiftsbibliothek in Kremsmünster.
-
- London.
-
- Herren Buchhändler _A. Asher u. Comp._ 13
-
- Herren Buchhändler _Williams u. Norgate_ 13
-
- Lübeck.
-
- Löbl. _von Rohden_'sche Buchhandlung 1
-
- Luxemburg.
-
- Herr Buchhändler _G. Michaelis_ 1
- für: Herrn Pastor _Drischel_.
-
- Magdeburg.
-
- Herr Buchhändler _W. Heinrichshofen_ 1
- für: Herrn Rector _Bracker_ in Hundisburg.
-
- Löbl. _Rubach_'sche Buchhandlung 2
- für: Herrn Criminaldirector, Oberlandesger. Rath _Fritze_.
- die Stadtbibliothek.
-
- Mailand.
-
- Herr Buchhändler _Joh. Meiners u. Sohn_ 2
-
- Herren Buchhändler _Tendler u. Schaefer_ 2
- für: Herrn _Marchese Gozzani_ St. Georges in Turin.
- -- Abbate _Don Raimondi_ in Mailand.
-
- Marburg.
-
- Löbl. _Bayrhoffer_'sche Universitätsbuchhandlung 3
- für: die Kurfürstl. Universitätsbibliothek.
- Herrn Professor Dr. _Bayrhoffer_.
- -- -- -- _Franz Vorländer_.
-
- Herr Buchhändler _N. G. Elwert_ 1
-
- Marienwerder.
-
- Herr Buchhändler _Alb. Baumann_ 3
- für: Herrn Oberlandesgerichts-Rath _Scherres_.
- die Bibliothek der Königl. Regierung.
- die Bibliothek des Königl. Gymnasiums.
-
- Herr Buchhändler _E. Levysohn_ 1
- für: Herrn Referendar _Döring_.
-
- Meiningen.
-
- Herr Buchhändler _W. Blum_ 1
-
- Löbl. _Kesselring_'sche Hofbuchhandlung 1
- für: die Herzogl. öffentliche Bibliothek.
-
- Mitau.
-
- Herr Buchhändler _G. A. Reyher_ 1
- für: Herrn Professor Dr. _Strümpell_ in Dorpat.
-
- München.
-
- Löbl. _Literarisch-artistische Anstalt_ 2
-
- Herr Buchhändler _Georg Franz_ 1
- für: die Bibliothek des Oberconsistoriums.
-
- Löbl. _Palm_'sche Hofbuchhandlung 1
- für: die Königl. Hof- u. Staatsbibliothek.
-
- Münster.
-
- Löbl. _Wundermann_'sche Buchhandlung 1
- für: Herrn Regimentsarzt Dr. _Rudolph_.
-
- Löbl. _Theissing_'sche Buchhandlung 1
-
- Neisse.
-
- Herr Buchhändler _F. Burckhardt_ 1
- für: Herrn Graf _von Reichenbach_ auf Waltdorf.
-
- Nordhausen.
-
- Herr Buchhändler _Büchting_ 1
-
- Herr Buchhändler _F. Förstemann_ 1
- für: Herrn _M. L. von Eberstein_.
-
- Nürnberg.
-
- Herr Buchhändler _J. A. Stein_ 1
- für: die Gymnasialbibliothek.
-
- Oldenburg.
-
- Löbl. _Schulze_'sche Buchhandlung 1
- für: die Grossherzogl. Oldenburgische Bibliothek.
-
- Paris.
-
- Herr Buchhändler _A. Frank_ 2
-
- Herren Buchhändler _Degetau u. Comp._ 1
- für: Herrn _Rehfeld_.
-
- Herr Buchhändler _Klincksieck_ 6
- für: Herrn _Georg Herwegh_.
- la Bibliothèque Royale.
- Herrn _Victor Cousin_, Pair de France.
- -- _Ad. Lafont de Ladebas_.
- -- _Lerminier_.
- -- _Verny_.
-
- Pesth.
-
- Herr Buchhändler _Gust. Emich_ 1
- für: Herrn _Stancsics Mihaly_.
-
- Herr Buchhändler _C. Geibel_ 1
-
- Herr Buchhändler _C. A. Hartleben u. Altenburger_ 3
- für: Herrn Professor _August v. Széchy_.
- -- Director _Cyrill von Horváth_ in Szegedin.
- -- K. K. Kämmerer Graf _v. Zichy_ in Láng.
-
- Herr Buchhändler _Gust. Heckenast_ 1
- für: Herrn K. K. Major _Bein_.
-
- Herren Buchhändler _Kilian u. Comp._ 2
- für: die K. K. Universitätsbibliothek.
- Herrn _Marton_.
-
- Herr Buchhändler _Kilian_ sen. u. _Weber_ 3
- für: Herrn _Bartholomäus von Fischer_, Profess. der
- Moral und Theologie.
- -- _Jos. von Urmenyi_, Königl. Rath und Obergespann.
- -- _von Adamowics_.
-
- Petersburg.
-
- Herren Buchhändler _Eggers u. Comp._ 2
- für: Herrn wirkl. Staatsrath _v. Kranichfeld_.
- Ungenannt.
-
- Posen.
-
- Herr Buchhändler _E. S. Mittler_ 4
- für: Herrn Regierungs-Assessor _Duncker_.
- -- -- -- _Edler_.
- -- -- -- _Besser_.
- -- Consistorialrath _Kissling_.
-
- Herren Buchhändler Gebr. _Scherk_ 1
-
- Herr Buchhändler _Zupaíski_ 1
-
- Potsdam.
-
- Herr Buchhändler _Ferd. Riegel_ 1
- für: Herrn Braueigner _Müller_.
-
- Löbl. _Stuhr_'sche Buchhandlung 1
-
- Prag.
-
- Herren Buchhändler _Borrosch u. André_ 1
- für: Herrn Professor Dr. _Exner_.
-
- Herr Buchhändler _Ehrlich_ 2
- für: Herrn Candidat der Medicin _Springer_.
- -- Dr. _Smetana_.
-
- Herren Buchhändler _Kronberger u. Rziwnatz_ 2
- für: Herrn Professor Dr. _Bolzano_.
- Ungenannt.
-
- Presburg.
-
- Herr Buchhändler _C. Fr. Wigand_ 1
-
- Quedlinburg.
-
- Löbl. _Ernst_'sche Buchhandlung 1
- für: Herrn Geheimerath _Hertel_.
-
- Reichenbach.
-
- Herr Buchhändler _Fr. George_ 1
- für: Herrn Candidat _Peinert_ in Olbersdorf.
-
- Riga.
-
- Herr Buchhändler _J. Deubner_ 2
- für: Herrn Pastor Dr. _Martin Berkholz_.
- -- Bürgermeister Ritter _v. Timm_, Magnificenz.
-
- Herr Buchhändler _N. Kymmel_ 1
-
- Rostock.
-
- Herr Buchhändler _F. L. Schmidtchen_ 2
- für: Herrn Professor Dr. _Schmidt_.
- Ungenannt.
-
- Löbl. _Stiller_'sche Hofbuchhandlung 1
- für: die Grossherzogl. Universitätsbibliothek.
-
- Schaffhausen.
-
- Löbl. _Hurter_'sche Buchhandlung 1
- für: Herrn Decan _Benker_ in Diessenhofen.
-
- Schwäbisch-Hall.
-
- Herr Buchhändler _Nitschke_ 1
-
- Schweidnitz.
-
- Herr Buchhändler _C. F. Weigmann_ 2
-
- Solothurn.
-
- Herr Buchhändler _L. Jent_ 1
- für: die Professorenbibliothek.
-
- Speyer.
-
- Löbl. _F. C. Neidhard_'sche Buchhandlung 1
- für: die Bibliothek des K. Gymnasiums.
-
- Stettin.
-
- Herr Buchhändler _L. Saunier_ 1
- für: die Bibliothek des Königl. Gymnasiums.
-
- St. Gallen.
-
- Herr Buchhändler _C. P. Scheitlin_ 1
- für: die Stiftsbibliothek.
-
- Stockholm.
-
- Herr Buchhändler _F. Bonnier_ 3
-
- Strasburg.
-
- Herren Buchhändler _Treuttel u. Würtz_ 2
- für: die Bibliothek des protestantischen Seminars.
- Herrn _Colany_, Candidat der Theologie.
-
- Herr Buchhändler _Levrault_ 1
- für: Herrn Professor _Willm_.
-
- Stuttgart.
-
- Herren Buchhändler _Beck u. Fränkel_ 1
-
- Herr Buchhändler _Fr. H. Köhler_ 1
- für: Herrn Diaconus _Kornbeck_ in Marbach.
-
- Löbl. _J. B. Metzler_'sche Buchhandlung 1
- für: Herrn _Alexander Simon_.
-
- Herr Buchhändler _Paul Neff_ 2
- für: Herrn Rechtsconsulent Dr. _Steudel_.
- die Königl. Handbibliothek.
-
- Herr Buchhändler _Rommelsbacher_ 1
- für: die Königl. öffentl. Bibliothek.
-
- Thorn.
-
- Löbl. _E. Lambeck_'sche Buchhandlung 1
-
- Trier.
-
- Löbl. _Lintz_'sche Buchhandlung 2
- für: Herrn Ober-Amtmann _Sulz_.
- -- Dr. _Montigny_, Lehrer am Gymnasium.
-
- Tübingen.
-
- Herr Buchhändler _L. F. Fues_ 8
- für: die K. Universitätsbibliothek.
- die K. Seminarbibliothek.
- Herrn Professor Dr. _Reiff_.
- -- Stud. theol. _Jaeger_ }
- -- -- -- _Schuster_ }
- -- -- -- _Schnitzer_ } im Stift.
- -- -- -- _Fricker_ }
- -- -- -- _Koestlin_ }
-
- Löbl. _Zu Guttenberg_'sche Sortimentsbuchhandlung 1
- für: Herrn Pfarrer _Zotz_ in Ahldorf.
-
- Ulm.
-
- Löbl. _Stettin_'sche Sortimentsbuchhandlung 1
- für: Herrn Rechtsconsulent Dr. _Göritz_.
-
- Utrecht.
-
- Herren Buchhändler _Kemink u. Sohn_ 2
-
- Wien.
-
- Löbl. _Fr. Beck_'sche Univ. Buchhandlung 1
-
- Herren Buchhändler _Braumüller u. Seidel_ 16
-
- Herren Buchhändler _C. Gerold u. Sohn_ 6
-
- Herr Buchhändler _J. G. Heubner_ 1
- für: Herrn Abt _Altmann_ zu Goettweil.
-
- Löbl. _Jasper_'sche Buchhandlung 1
-
- Herren Buchhändler _Kaulfuss Ww., Prandel u. Comp._ 2
-
- Herren Buchhändler _Mörschner's Ww. u. Bianchi_ 2
-
- Herr Buchhändler _P. Rohrmann_ 3
- für: die K. K. Hofbibliothek.
- die K. K. Universitätsbibliothek.
- Herrn Dr. _Dworzak_.
-
- Herren Buchhändler _Schaumburg u. Comp._ 2
- für: Herrn Baron _Nicolaus Mattencloit_.
-
- Löbl. Fr. _Volke_'sche Buchhandlung 1
- für: Herrn Hofrath _v. Witteczek_.
-
- Herr Buchhändler _J. B. Wallishauser_ 1
- für: Herrn Baron _v. Locella_.
-
- Herren Buchhändler _Wimmer, Schmidt u. Leo_ 3
- für: Herrn Dr. med. _Lederer_.
- -- Edler _von Hasner_.
- Ungenannt.
-
- Wiesbaden.
-
- Löbl. _Friedrich_'sche Buchhandlung 1
- für: die Herzogl. Nassauische öffentl. Landesbibliothek.
-
- Herr Buchhändler _C. W. Kreidel_ 1
- für: Herrn Collaborator _Seyberth_ in Weilburg.
-
- Wittenberg.
-
- Löbl. _Zimmermann_'sche Buchhandlung 1
- für: die Bibliothek des Gymnasiums.
-
- Würzburg.
-
- Löbl. _Stahel_'sche Buchhandlung 1
- für: Herrn Rector Professor Dr. _Franz Hoffmann_.
-
- Herr Buchhändler _Ludw. Stabel_ 1
- für: Herrn Rechtspraktikant Dr. _Reder_.
-
- Züllichau.
-
- Herr Buchhändler _H. Sporleder_ 1
- für: die Bibliothek der Realschule in Meseritz.
-
- Zürich.
-
- Herren Buchhändler _Meyer u. Zeller_ 2
- für: Herrn Dr. _Mager_.
- -- Professor Dr. _Bobrich_.
-
- Herren Buchhändler _Orell, Füssli u. Comp._ 2
-
- Herr Buchhändler _Fr. Schulthess_ 2
- für: Herrn Regierungsrath _Hotz_ in Balchrist.
- -- Vicar _Fries_.
-
-
-
- Johann Gottlieb Fichte's
-
-
- von seinem Sohne herausgegebene sämmtliche Werke liegen nun
- vollständig in acht Bänden dem Publicum vor. Der Umfang des
- Ganzen beträgt gegen 300 Bogen und den Preis von 15 Thalern
- lassen wir vorläufig fortbestehen.
-
- Die Abtheilungen der Gesammtwerke werden auch besonders verkauft,
- und zwar:
-
- 1) Erste Abtheilung. Zur theoretischen Philosophie. Thlr. 5.
- Band I. und II.
- 2) Zweite Abtheilung. A. Zur Rechts- und Sittenlehre. Thlr. 5.
- Band III. und IV.
- 3) Zweite Abtheilung. B. Religionsphilosophische Thlr. 2 1/3.
- Schriften. Band V.
- 4) Dritte Abtheilung. Populär-philosophische Schriften. Thlr. 6.
- Band VI., VII. und VIII.
-
- Einer ganz besondern Verbreitung fähig sind namentlich die
- _Zweite Abtheilung_ B. (3) und die _Dritte_ (4), welche in die
- politische und religiöse Bewegung der Gegenwart so unmittelbar
- eingreifen, dass kein denkender Beobachter der Zeit sie ungelesen
- lassen darf. In den genannten Abtheilungen ist _Fichte_ weniger
- speculativer Philosoph als begeisterter Volksredner, der nächst
- Luther und Lessing das kräftigste Deutsch geschrieben hat. Diese
- vier Bände wird Niemand entbehren können, _der die deutschen
- Classiker in seiner Bibliothek vereinigen will_.
-
-
- Die zweite Abtheilung B. enthält:
-
- Aphorismen über Religion und Deismus, aus dem Jahre 1790.
-
- Versuch einer Kritik aller Offenbarung, 1792.
-
- Ueber den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung,
- 1798.
-
- Appellation an das Publicum gegen die Anklage des Atheismus, 1799.
-
- Gerichtliche Verantwortung gegen die Anklage des Atheismus, 1799.
-
- Rückerinnerungen, Antworten, Fragen. (Ungedruckt, aus dem Anfange
- 1799).
-
- Aus einem Privatschreiben, im Jänner 1800.
-
- Die Anweisung zum seligen Leben, oder auch die Religionslehre, 1806.
-
-
- Die dritte Abtheilung enthält:
-
- Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europens, die sie
- bisher unterdrückten, 1793.
-
- Beiträge zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die
- französische Revolution, 1793.
-
- Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 1794.
-
- Ueber das Wesen des Gelehrten, und seine Erscheinungen im Gebiete
- der Freiheit, 1805.
-
- Ueber die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit, 1812.
-
- Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 1804.
-
- Reden an die deutsche Nation, 1808.
-
- Anhang zu den Reden an die deutsche Nation, geschrieben im Jahre
- 1806. (Ungedruckt).
-
- Politische Fragmente aus den Jahren 1807 und 1813. (Ungedruckt).
- A. Bruchstücke aus einem unvollendeten politischen Werke vom
- Jahre 1806-7.
- 1) Episode über unser Zeitalter.
- 2) Die Republik der Deutschen.
- B. Aus dem Entwurfe einer politischen Schrift im Jahre 1813.
- C. Excurse zur Staatslehre, 1813.
- 1) Ueber Errichtung des Vernunftreiches.
- 2) Ueber Zufall, Loos, Wunder.
- 3) Ueber die Ehe, den Gegensatz von altem und neuen Staate
- und Religion u. s. w.
-
- Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen, 1801.
-
- Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt,
- 1807.
- Beilagen zum Universitätsplane (Ungedruckt):
- a. Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an
- einer deutschen Universität, 1805.
- b. Rede bei einer Ehrenpromotion an der Universität zu
- Berlin, am 16. April 1811.
-
- Vermischte Aufsätze:
- A. Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdruckes, ein
- Räsonnement und eine Parabel, 1791.
- B. Zwei Predigten aus dem Jahre 1791 (Ungedruckt).
- C. Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie, 1794.
- D. Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache, 1795.
- E. Ueber Belebung und Erhöhung des Interesse an Wahrheit, 1795.
- F. Aphorismen über Erziehung, 1804 (Ungedruckt).
- G. Bericht über die Wissenschaftslehre und die bisherigen
- Schicksale derselben, 1806 (Ungedruckt).
-
- Recensionen von:
- A. Creuzers skeptischen Betrachtungen über die Freiheit des
- Willens, 1793.
- B. Gebhard über sittliche Güte, 1793.
- C. Kant zum ewigen Frieden, 1796.
-
- Poesien und metrische Uebersetzungen:
- A. Das Thal der Liebenden, Novelle, 1786 (Ungedruckt).
- B. Kleinere Gedichte, (meist ungedruckt).
- C. Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und
- Italiänischen, (meist ungedruckt).
-
- Veit & Comp.
-
-
-
-
-Anmerkungen zur Transkription
-
-
-Die »Liste der Unterzeichner auf Fichte's sämmtliche Werke« wurde vom
-Anfang an das Ende des Buches verschoben.
-
-Hervorhebungen, die im Original g e s p e r r t sind, wurden mit
-Unterstrichen wie _hier_ gekennzeichnet. Textstellen, die im Original
-kursiv gesetzt sind, wurden ^so^ markiert.
-
-Die variierende Schreibweise des Originales wurde weitgehend
-beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert
-wie hier aufgeführt (vorher/nachher):
-
- [S. 1020]:
- ... ihm -- sein Geschichtschreiber sagt dies an seiner Urne mit ...
- ... ihm -- sein Geschichtsschreiber sagt dies an seiner Urne mit ...
-
- [S. 1039]:
- ... nicht eine ansgemachte Wahrheit unter allen alten
- Schriftstellern ...
- ... nicht eine ausgemachte Wahrheit unter allen alten
- Schriftstellern ...
-
- [S. 1064]:
- ... Resensionen herumblättern will, wird auf die oben angeführten
- Aeusserungen ...
- ... Recensionen herumblättern will, wird auf die oben angeführten
- Aeusserungen ...
-
- [S. 1076]:
- ... Oder hat etwa das deutsche Publicum bisjetzt in allem ...
- ... Oder hat etwa das deutsche Publicum bis jetzt in allem ...
-
- [S. 1105]:
- ... noch auschaulicher zu machen: -- Der Stoff, welchen der
- Meister ...
- ... noch anschaulicher zu machen: -- Der Stoff, welchen der
- Meister ...
-
- [S. 1124]:
- ... sich verleiten, dem Widerspuche zu widersprechen, so müsste ...
- ... sich verleiten, dem Widerspruche zu widersprechen, so müsste ...
-
- [S. 1141]:
- ... als den üblichen Fleiss uud Berufstreue gerechnet werden;
- indem ...
- ... als den üblichen Fleiss und Berufstreue gerechnet werden;
- indem ...
-
- [S. 1144]:
- ... wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem
- geinschaftlichen ...
- ... wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem
- gemeinschaftlichen ...
-
- [S. 1151]:
- ... oder Relegation, oder dess etwas stattfinde. Durch die ...
- ... oder Relegation, oder dass etwas stattfinde. Durch die ...
-
- [S. 1163]:
- ... möchten auch an diese Lehrer für diese eigenlich nicht im ...
- ... möchten auch an diese Lehrer für diese eigentlich nicht im ...
-
- [S. 1241]:
- ... noch zeugen kann, und die Kiuder dieser Kinder: und ziehe ...
- ... noch zeugen kann, und die Kinder dieser Kinder: und ziehe ...
-
- [S. 1241]:
- ... Es sagen zwar freilich verleumderiche Zungen, dass das ...
- ... Es sagen zwar freilich verleumderische Zungen, dass das ...
-
- [S. 1277]:
- ... Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das einige
- Unabhängige ...
- ... Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das einzige
- Unabhängige ...
-
- [S. 1317]:
- ... gelernten Zeichen nachher auch in seiner Famile. ...
- ... gelernten Zeichen nachher auch in seiner Familie. ...
-
- [S. 1331]:
- ... mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und werpen ...
- ... mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und werden ...
-
- [S. 1348]:
- ... so gerinfügig der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im ...
- ... so geringfügig der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im ...
-
- [S. 1352]:
- ... fest, frei und kühn au jede Untersuchung mich wagen darf, ...
- ... fest, frei und kühn an jede Untersuchung mich wagen darf, ...
-
- [S. 1457]:
- ... einer höheren Giückseligkeit, ein geheimes Verlangen, auf dem ...
- ... einer höheren Glückseligkeit, ein geheimes Verlangen, auf dem ...
-
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Sämmtliche Werke 8: Vermischte
-Schriften und Aufsätze, by Johann Gottlieb Fichte
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÄMMTLICHE WERKE 8: ***
-
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-things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
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-Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
-of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual
-works in the collection are in the public domain in the United
-States. If an individual work is unprotected by copyright law in the
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-with the defective work may elect to provide a replacement copy in
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-limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
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-or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
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-<title>The Project Gutenberg eBook of Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften und Aufsätze, by Johann Gottlieb Fichte</title>
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-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften
-und Aufsätze, by Johann Gottlieb Fichte
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
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-
-Title: Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften und Aufsätze
- Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen / Deducirter Plan
- einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt /
- Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks und
- andere Aufsätze / Recensionen / Poesien und metrische
- Uebersetzungen
-
-Author: Johann Gottlieb Fichte
-
-Editor: Immanuel Hermann Fichte
-
-Release Date: March 5, 2016 [EBook #51359]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÄMMTLICHE WERKE 8: ***
-
-
-
-
-Produced by Karl Eichwalder, Jens Sadowski, and the Online
-Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net This
-book was produced from scanned images of public domain
-material from the Google Books project.
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="titlematter">
-<h1 class="title">
-<span class="line1">Johann Gottlieb Fichte&rsquo;s</span><br />
-<span class="line2">sämmtliche Werke.</span>
-</h1>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="edt">
-<span class="line1">Herausgegeben</span><br />
-<span class="line2">von</span><br />
-<span class="line3">I. H. FICHTE.</span>
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="vol">
-<span class="line1">Achter Band.</span>
-</p>
-
-<hr />
-
-<p class="pub">
-<span class="line1">Berlin, 1846.</span><br />
-<span class="line2">Verlag von Veit und Comp.</span>
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="titlematter">
-<p class="title">
-<span class="line1">Johann Gottlieb Fichte&rsquo;s</span><br />
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-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="edt">
-<span class="line1">Herausgegeben</span><br />
-<span class="line2">von</span><br />
-<span class="line3">I. H. FICHTE.</span>
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="dep">
-<span class="line1">Dritte Abtheilung.</span><br />
-<span class="line2">Populärphilosophische Schriften.</span>
-</p>
-
-<p class="vol">
-<span class="line1">Dritter Band:</span><br />
-<span class="line2">Vermischte Schriften und Aufsätze.</span>
-</p>
-
-<hr />
-
-<p class="pub">
-<span class="line1">Berlin, 1846.</span><br />
-<span class="line2">Verlag von Veit und Comp.</span>
-</p>
-
-</div>
-
-<h2 class="l2s part" id="part-1">
-<a id="page-III" class="pagenum" title="III"></a>
-<span class="line1">Inhaltsanzeige</span><br />
-<span class="line2">des achten Bandes.</span>
-</h2>
-
-<div class="table">
-<table class="toc1" summary="Table-1">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&nbsp;</td>
- <td class="col3">Seite</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">1)</td>
- <td class="col2">Nicolai&rsquo;s Leben und sonderbare Meinungen, 1801</td>
- <td class="col3"><a href="#page-3">3</a>-<a href="#page-93">93</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">2)</td>
- <td class="col2">Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, 1807</td>
- <td class="col3"><a href="#page-97">97</a>-<a href="#page-204">204</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Beilagen zum Universitätsplane (ungedruckt):</td>
- <td class="col3">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">a. Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an einer deutschen Universität, 1805</td>
- <td class="col3"><a href="#page-207">207</a>-<a href="#page-216">216</a></td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">b. Rede bei einer Ehrenpromotion an der Universität zu Berlin, am 16. April 1811</td>
- <td class="col3"><a href="#page-216">216</a>-<a href="#page-219">219</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">3)</td>
- <td class="col2">Vermischte Aufsätze:</td>
- <td class="col3">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">A. Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks, ein Räsonnement und eine Parabel, 1791</td>
- <td class="col3"><a href="#page-223">223</a>-<a href="#page-244">244</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">B. Zwei Predigten aus dem Jahre 1791 (ungedruckt)</td>
- <td class="col3"><a href="#page-245">245</a>-<a href="#page-269">269</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">C. Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie, 1794</td>
- <td class="col3"><a href="#page-270">270</a>-<a href="#page-300">300</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">D. Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache, 1795</td>
- <td class="col3"><a href="#page-301">301</a>-<a href="#page-341">341</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">E. Ueber Belebung und Erhöhung des Interesse an Wahrheit, 1795</td>
- <td class="col3"><a href="#page-342">342</a>-<a href="#page-352">352</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">F. Aphorismen über Erziehung, 1804 (ungedruckt)</td>
- <td class="col3"><a href="#page-353">353</a>-<a href="#page-360">360</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">G. Bericht über die Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben, 1806 (ungedruckt)</td>
- <td class="col3"><a href="#page-361">361</a>-<a href="#page-407">407</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">4)</td>
- <td class="col2">Recensionen:</td>
- <td class="col3">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">A. Von Creuzers skeptischen Betrachtungen über die Freiheit des Willens, 1793</td>
- <td class="col3"><a href="#page-411">411</a>-<a href="#page-417">417</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">B. Von Gebhard über sittliche Güte, 1793</td>
- <td class="col3"><a href="#page-418">418</a>-<a href="#page-426">426</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">C. Von Kant zum ewigen Frieden, 1796</td>
- <td class="col3"><a href="#page-427">427</a>-<a href="#page-436">436</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">5)</td>
- <td class="col2">Poesien und metrische Uebersetzungen:</td>
- <td class="col3">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">A. Das Thal der Liebenden, Novelle, 1786 (ungedruckt)</td>
- <td class="col3"><a href="#page-439">439</a>-<a href="#page-459">459</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">B. Kleinere Gedichte (meist ungedruckt)</td>
- <td class="col3"><a href="#page-460">460</a>-<a href="#page-471">471</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">C. Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Italiänischen (meist ungedruckt)</td>
- <td class="col3"><a href="#page-472">472</a>-<a href="#page-479">479</a></td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<h2 class="part" id="part-2">
-<a id="page-V" class="pagenum" title="V"></a>
-<span class="line1">Vorrede des Herausgebers.</span>
-</h2>
-
-<p class="first">
-<span class="firstchar">D</span>er vorliegende achte Band der Werke enthält Alles, was
-von gedruckten und von ungedruckten Aufsätzen vermischten
-Inhaltes der Aufbewahrung werthgehalten wurde, und
-was im dritten Theile der &bdquo;Nachgelassenen Werke&ldquo; noch
-nicht erschienen ist. Diese beiden Bände stehen daher in
-nächster ergänzender Beziehung zueinander.
-</p>
-
-<p>
-Die Schrift, welche hier die Reihe eröffnet: &bdquo;Nicolai&rsquo;s
-Leben und sonderbare Meinungen&ldquo; (1801), wird bei ihrem
-Wiedererscheinen, da ihr Gegenstand unserer unmittelbaren
-Erinnerung und unserem parteinehmenden Interesse entrückt
-ist, wohl so heiter und so objectiv aufgenommen werden,
-als sie ursprünglich entworfen ward. Gleichwie wir aus
-den Selbstbekenntnissen des Dichters wissen, dass er sich
-mit dem ihm Feindlichen am Sichersten versöhnt habe, indem
-er es zum Gegenstande poetischer Darstellung machte:
-so ist es die ächte, überwindende und abschliessende Polemik
-des Denkers, wenn er das Gegnerische aus seinem
-Principe begreift und in der unwillkürlichen Consequenz seiner
-Verkehrtheit erschöpfend darlegt. Als Beispiel dieses
-<a id="page-VI" class="pagenum" title="VI"></a>
-Humors der Gründlichkeit wird das kleine Werk eine eigenthümliche
-Stelle behaupten neben den wenigen polemischen
-Musterstücken unserer Literatur. Das dreizehnte oder Schlusscapitel
-aus demselben: &bdquo;Von den letzten Thaten, dem Tode
-und der wunderbaren Wiederbelebung unseres Helden,&ldquo;
-(Bd. VIII. S. 89 ff.) welches der ursprüngliche Abdruck nur
-bruchstückweise enthält (S. 128 ff.), ist zwar im Manuscripte
-noch vollständig vorhanden; doch bleibt es, aristophanischer
-Derbheiten voll, auch jetzt kaum mitzutheilen.
-</p>
-
-<p>
-Der &bdquo;Universitätsplan&ldquo; gehört in jene Reihe von Entwürfen
-zur Umgestaltung der gesammten Nationalbildung,
-von denen wir in der Vorrede zum siebenten Bande Bericht
-erstattet. Er schrieb ihn auf Anregung des damaligen
-preussischen Cabinetsraths Beyme, der in Betreff desselben
-&bdquo;sein ganzes Vertrauen auf ihn setzte&ldquo; und bei dem Entwurfe
-selbst ihn davon lossprach, &bdquo;an das Alte und Ueberlieferte
-sich zu binden&ldquo; (Worte aus einem ungedruckten
-Briefe des Letzteren).
-</p>
-
-<p>
-So entstand jener Plan auf einer völlig neuen Grundlage
-des Begriffes einer Universität, und war ebenso auf
-ein neues Ziel gerichtet. In ersterer Beziehung wurde geltend
-gemacht, dass die Universität weit weniger Lehranstalt
-seyn solle, als Bildungsschule des freien Verstandesgebrauches:
-leitender Grundsatz sey, durchaus nichts mündlich zu
-lehren, was auch im Drucke vorliege und auf diese Weise
-weit besser und sicherer an den Zögling gebracht werden
-könne; vielmehr solle der akademische Unterricht nur in
-dem ununterbrochenen und innigen Wechselverkehr zwischen
-Lehrer und Lernenden bestehen, in Modificationen, welche
-der Plan ausführlich darlegt, um eben dadurch zur &bdquo;Kunstschule
-des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches&ldquo; sich
-<a id="page-VII" class="pagenum" title="VII"></a>
-zu erheben. Als Ziel aber wurde gezeigt, dass dem Zöglinge
-dieser Kunstschule nach dem Eigenthümlichen seines
-Talentes und nach dem Ergebnisse seines Fleisses und seiner
-Ausbildung, auch die sichere Aussicht auf die höchsten
-Staatsämter eröffnet werde, ohne dass dabei, wie bisher,
-dem Stande oder sonstigen zufälligen Unterschieden der geringste
-Einfluss bleibe, damit der auch von daher neu umgestalteten
-Staatsverwaltung (auf Preussen wurde nemlich dabei
-zuerst gerechnet) die höchste Blüthe der Wissenschaft
-und des Talentes zu steter Erfrischung und Selbsterneuerung
-immerfort zu Gute komme.
-</p>
-
-<p>
-Es ist leicht erklärbar, nachdem zugleich die oberste
-Leitung der Universitätsangelegenheiten in andere Hände gekommen
-war, warum unter den damaligen Umständen, die
-guten Theiles noch jetzt fortdauern, ein solcher Plan, sowohl
-in seinem Ausgangspuncte, als in seiner letzten Absicht, unausführbar
-befunden werden musste. Berlin wurde eine
-Hochschule, wie jede andere auch; und was ihr höheren
-Glanz verlieh, war nicht das Vollkommene oder Rationellere
-ihrer ursprünglichen Organisation, sondern der Ruf einzelner
-Lehrer, die verschwenderische Fülle der Lehrmittel, welche
-sie darbot, endlich das äussere Ansehen, das ihre eigenthümliche
-Stellung in der Nähe der obersten Regierungsgewalten
-ihr verlieh.
-</p>
-
-<p>
-Dies Verhältniss erzeugte jedoch im weiteren Verlaufe
-eine andere, also noch nie dagewesene Erscheinung. Man
-sah vor Augen, wie mächtig der Einfluss der Wissenschaft
-sey auf die geistigen Bewegungen der Zeit, und so empfahl
-es sich als höchste Maxime der Staatsklugheit, eine Universität
-vor allen Dingen zur Bildungsanstalt künftiger Beamten zu
-stempeln, und den Geist derselben den jedesmal herrschenden
-<a id="page-VIII" class="pagenum" title="VIII"></a>
-Wünschen und Absichten der Regierung anzupassen. Hätte
-man bedacht, was eigentlich in diesem Grundsatze liegt,
-und könnte es gelingen, consequent ihn durchzuführen, so
-würde ans Licht kommen, dass er in Wahrheit nichts Geringeres
-fordert, als jeden Keim der Zukunft der jedesmaligen
-Gegenwart aufzuopfern und so den Stillstand zu verewigen!
-</p>
-
-<p>
-Wird nun irgend einmal unter den Gegenständen, welche
-in unserem Vaterlande einer nothwendigen Umgestaltung
-entgegengehen, die Reihe auch an unsere Universitäten kommen;
-wird man sich sodann die Frage zur klaren Entscheidung
-bringen müssen, ob sie auch künftig bloss Pflanzschulen
-für Beamte seyn sollen, oder wirklich und ungeschmälert
-freie Pflegerinnen der Wissenschaft, von denen der erste
-Antrieb zu jedem Weiterschreiten im Staate selber ausgehen
-müsse: so wird man gewiss auf denselben höchsten Grundsatz
-und wenigstens auf ähnliche Einrichtungen zurückkommen
-müssen, wie sie in Fichte&rsquo;s Universitätsplane vorgeschlagen
-sind, und dieser näheren oder ferneren Zukunft mag dann
-eine erneuerte Erwägung desselben vorbehalten bleiben. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Von den nun folgenden &bdquo;vermischten Aufsätzen&ldquo; schien
-uns jeder beachtenswerth in verschiedener Beziehung, als
-Zeugniss von den Interessen, welchen sich Fichte&rsquo;s Geist zu
-verschiedenen Zeiten zugewandt. Ehe er ganz von der Kantschen
-Philosophie dahingenommen wurde, war es sein höchstes
-Ziel, sich zum Kanzelredner zu bilden: was er darin
-erstrebte und für das Rechte hielt, mögen die abgedruckten
-Predigten zeigen, zusammengehalten mit der schon früher,
-im dritten Bande der &bdquo;Nachgelassenen Werke&ldquo; (S. 209.),
-mitgetheilten. Alle drei scheinen uns nicht ohne urkundliche
-<a id="page-IX" class="pagenum" title="IX"></a>
-Kraft und Eigenthümlichkeit, den künftigen wissenschaftlich-popularen
-Redner ankündigend.
-</p>
-
-<p>
-Von den weiteren Abhandlungen müssen wir &bdquo;die Briefe
-über Geist und Buchstab in der Philosophie&ldquo; (1794, ursprünglich
-für Schillers Horen bestimmt) auszeichnen. Sie
-stammen aus der ersten, frischesten Zeit der Erfindung seines
-Systemes, und geben zugleich am Ausführlichsten von
-seinen ästhetischen Principien Kunde. Der ästhetische Trieb
-wird darin als das Mittlere zwischen dem Erkenntniss- und
-dem praktischen Triebe bezeichnet, als das Ideelle, die Vernunft,
-aber in Form der Natur, der <em class="italic">Unmittelbarkeit</em> des Bewusstseyns,
-wodurch der ästhetische Sinn, beiden Welten
-angehörend, beide eben vermitteln kann, weil Vernunft und
-Natur in ihm auf ursprüngliche Weise als Eins gesetzt sind.
-So hätte, diesem unmittelbarsten Entwurfe seines Systemes
-nach, die Aesthetik die dritte vermittelnde Disciplin zwischen
-den beiden Theilen der Wissenschaftslehre, dem theoretischen
-und dem praktischen, seyn sollen, &mdash; eine Auffassung, welcher
-indess keine weitere Folge gegeben worden ist, wiewohl sie
-auch in Fichte&rsquo;s Sittenlehre (Bd. IV. S. 353.) noch dem Begriffe
-des Schönen und der Kunst zu Grunde gelegt wird,
-indem er das Princip derselben dort also bezeichnet: &bdquo;dass
-die schöne Kunst den <em class="italic">transscendentalen Gesichtspunct</em>&ldquo; (den
-der Vernunft) &bdquo;zum gemeinen&ldquo; (unmittelbaren) &bdquo;mache.&ldquo;
-Wir finden in dieser Bestimmung keinen wesentlichen Unterschied
-von der in den späteren Systemen, das Schöne sey
-die Idee in sinnlicher Unmittelbarkeit, vielmehr dasselbe, wiewohl
-noch unausgeführt und in unbestimmtem Umrisse. Nur
-dies hinderte bei Fichte die fruchtbare Entfaltung dieses Gedankens,
-dass ihm das eigentlich nächste und unmittelbarste
-Gebiet dieses Sinnlichwerdens der Idee, die Natur, fortwährend
-<a id="page-X" class="pagenum" title="X"></a>
-<em class="italic">blosse</em> Sinnenwelt, ein schematisches, der Idee untheilhaftes
-Bewusstseyn blieb. Er konnte kein <em class="italic">Naturschönes</em> anerkennen,
-und <em class="italic">deshalb</em> musste er auf die Frage, wo die Welt
-des schönen Geistes sey, antworten: &bdquo;Innerlich in der Menschheit,
-<em class="italic">und sonst nirgends</em>&ldquo; (S. 354.). Diese Ausschliesslichkeit
-gegen die Natur tritt nun in jener Abhandlung noch
-nicht hervor: das neue Princip sucht noch das Reich der
-Wahrheit sich zu gewinnen, ohne genau die Grenzen abzustecken
-oder Etwas von sich auszuschliessen, und solche
-ursprünglichen Urtheile müssen immer für die bezeichnendsten
-und dem eigentlichen Sinne des Principes gemässesten
-gehalten werden.<a class="fnote" href="#footnote-1" id="fnote-1">[1]</a> Vielleicht auch eines Kunsturtheils wegen
-kann der Aufsatz für merkwürdig gelten. In jener Zeit,
-als ganz andere Dichter das Publicum beherrschten, verkündete
-er, als einer der frühesten, die Grösse des Goetheschen
-Dichtergeistes, nicht in seinen damals allein etwa beliebten
-Jugendwerken, sondern in seinen späteren Dichtungen,
-indem es ihnen gelungen sey, gerade durch Mässigung
-der höchsten Kraft, die in sich harmonische Schönheit darzustellen. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Die Abhandlung: &bdquo;über Sprachfähigkeit und Ursprung
-der Sprache&ldquo; wird auf den ersten Anblick vielleicht merkwürdig
-erscheinen durch das befremdliche Resultat, auf
-<a id="page-XI" class="pagenum" title="XI"></a>
-welches sie hinausgeht. Entschieden ist wenigstens, dass
-Fichte späterhin die Sprache nicht bloss mehr für freies Erzeugniss
-einer schon ausgebildeten Vernunftthätigkeit hielt,
-wiewohl zuzugeben ist, dass er die volle Bedeutung der
-Sprache überhaupt zur Verwirklichung des Vernunftbewusstseyns
-im <em class="italic">Einzelsubjecte</em>, in keiner von seinen wissenschaftlichen
-Darstellungen vollständig gewürdigt hat.
-</p>
-
-<p>
-Dennoch war der Grund von diesem Allem, wie eben
-aus jener Abhandlung deutlich erhellt, ein tiefer und ächt
-idealistischer. Die Vernunft ist das Ursprünglichste, Selbstständigste,
-Unabhängigste im Menschen; sie bedarf zu ihrer
-Wirklichkeit nicht, sich an Tonbildern zu befestigen, die sie
-vielmehr &mdash; (so sah man überhaupt damals dies Verhältniss
-an) &mdash; nur in zufällig willkürlicher Gestaltung aus sich hervorbringt.
-Statt sprechend, kann sie sich daher auch in der stolzen
-Innerlichkeit des Schweigens genügen. Deshalb behauptete er,
-dass man die Tonsprache für viel zu wichtig gehalten habe,
-wenn geglaubt worden sey, dass ohne sie kein Vernunftgebrauch
-habe stattfinden können. So war er auch bei anderer
-Gelegenheit auf die Frage: ob man nur in Worten zu
-denken vermöge, geneigt, darauf mit Nein zu antworten, wo
-jedoch die genauere Selbstbeobachtung ihn im Stiche lässt.
-</p>
-
-<p>
-Es sey daher gestattet auf den gegenwärtigen Standpunct
-dieser Frage einen Blick zu werfen, um das Verhältniss
-jener Abhandlung zur philosophischen Sprachwissenschaft
-der Gegenwart bestimmter festzustellen. Seit W. von
-Humboldts Untersuchungen über diesen Gegenstand steht
-fest, dass von der Vorstellung, die auch Fichte hier vertritt,
-die Tonsprache sey erst ein Product des Bedürfnisses bei
-schon erwachter Vernunftthätigkeit gewesen, völlig abgesehen
-<a id="page-XII" class="pagenum" title="XII"></a>
-werden müsse. Das tonbildende Vermögen, so zeigte
-Humboldt, ist ein durchaus ursprüngliches, vom Seyn des
-Menschen unabtrennliches, mit unwillkürlicher Kraft, aber in
-tiefer Gesetzlichkeit, sich Luft machend: &mdash; was er nun an
-einer vergleichenden Physiologie und Semiotik der Laute
-weiter durchführt und mit grossem Reichthume der Beobachtung
-im Einzelnen begründet. Bis so weit nun, als Humboldt
-hierin führt, und von dieser Seite, ist der Grund und
-Ursprung der Sprachbildung aufgedeckt; aber die eigentliche
-Mitte des Problems ist damit noch nicht erreicht worden.
-Dies zum Bewusstseyn zu bringen, ist Fichte&rsquo;s Abhandlung
-geeignet, die zugleich noch eine andere, von jener unabtrennliche
-Frage anregt, die Frage über das Verhältniss der
-Zeichen- zur Tonsprache.
-</p>
-
-<p>
-Die erstere macht er zur <em class="italic">Ursprache</em>, und fügt hinzu,
-dass sich diese vielleicht erst nach Jahrtausenden in Gehörsprache
-verwandelt habe, weil für Ausbildung der letzteren
-schon eine wirkliche Thätigkeit der Vernunft vorauszusetzen
-sey, wie er dies im weiteren Verlaufe der Abhandlung an
-der Erzeugung der grammatischen Formen ausführlich nachweist.
-Dies ist ein bedeutender Wink, der nur weiter auszubilden
-wäre, und auch der dabei geforderte Zeitverlauf
-ist ein wichtiges, wohl zu beachtendes Moment.
-</p>
-
-<p>
-Zunächst jedoch muss es als ungerechtfertigt erscheinen,
-Zeichen- und Tonsprache in ihrem unmittelbaren Ursprunge
-überhaupt von einander zu trennen, und diese später entstehen
-zu lassen. Unstreitig treten beide ursprünglich <em class="italic">mit</em> einander
-hervor, und gehen sogar noch immer, wie wir täglich
-bei lebhaft Sprechenden bemerken können, sich ergänzend
-und unterstützend nebeneinander her; ja bei Armuth der
-<a id="page-XIII" class="pagenum" title="XIII"></a>
-Tonsprache (wie im Chinesischen), oder bei dem Mangel
-derselben (wie in Taubstummheit), kann die Zeichensprache
-durch Reflexion und Absicht ebenso zur articulirten gesteigert
-werden, wie jene. Dennoch hat Fichte recht: nur allmählig,
-im Zeitverlaufe, wird die Tonsprache zum gegliederten
-Sprachorganismus, indem die bewusstwerdende Vernunft,
-das Denken, immer reicher in sie sich einbildet.
-</p>
-
-<p>
-Hier sind wir nun, dem unmittelbaren Anscheine nach,
-in einen Cirkel gerathen, zu dessen Vermeidung Fichte eben
-seine Hypothese von dem allmähligen Uebergange der Zeichen-
-in Tonsprache ersann. Ohne Vernunftgebrauch keine
-Sprache; aber wie vermag umgekehrt die Vernunft sich auszubilden,
-wenn sie nicht eine Sprache vorfindet, als das gefügige
-Element ihrer eigenen Verwirklichung? Was ist hier
-das Erste, was das Letzte? Fichte hat, seinem Principe gemäss,
-der Vernunft den Primat gegeben, und was schon
-seine nächsten Vorgänger behaupteten, in der Abhandlung
-mit neuen, in ihrer Begrenzung schwer zu widerlegenden
-Gründen durchgeführt: die Sprache kann nur allmählig entwickelt
-seyn durch die steigende Vernunftthätigkeit. Die
-entgegengesetzte Ansicht (Bonalds, Franz Baders, Fr. Schlegels
-u. A.) legt den Nachdruck auf die andere Seite: die
-Sprache kann dem Menschen nur verliehen seyn, weil erst
-durch sie vermittelt die eigene Vernunft ihm objectiv, er
-ihrer bewusst wird. Am Sprechen lernt der Mensch erst zu
-denken; &mdash; was nicht minder richtig und unstreitig bleibt.
-Humboldt endlich hat die natürliche Grundlage hervorgehoben,
-aus deren unmittelbarer, aber tief gesetzmässiger Wirksamkeit
-alle Lautsprache hervorgeht, das ursprünglich tonbildende
-Vermögen des Menschen. Und so kann jetzt abschliessend
-<a id="page-XIV" class="pagenum" title="XIV"></a>
-ausgesprochen werden, dass zwischen jenen beiden
-Gegensätzen gar kein Widerstreit obwaltet, dass beide
-Geltung haben, aber in gegenseitig sich beschränkendem
-Sinne, der jedem daher seine scharfbegrenzte Wahrheit giebt.
-Die Sprache ist ebenso &bdquo;eingeboren,&ldquo; &mdash; <em class="italic">Ursprache</em>, äusserlich
-bedingt durch das tonbildende Vermögen des Menschen,
-innerlich durch die Immanenz der Vernunft im Menschengeiste
-&mdash; als sie zu ihrer Ausbildung und Gliederung doch
-des steten Fortwirkens jener beiden Factoren bedarf. Es
-ist derselbe Process, nur energischer und reicher, der sich
-auch in den schon gebildeten Sprachen fortwährend entdecken
-lässt, indem die Denkweise eines Zeitalters unwillkürlich
-in den Veränderungen der Sprache sich abbildet, sie
-erweiternd oder verengend, vergeistigend oder entgeistend.
-Ebenso scheint von hier aus die Frage nach der Einheit
-und Verwandtschaft aller Sprachen von selbst sich zu
-lösen. Jene &bdquo;Ursprache&ldquo; ist als vollendete und für sich bestehende,
-nicht geredet worden bei irgend einem Volke oder
-in einer bestimmten Zeit: sie wird noch immer geredet und
-spricht sich hinein in alle individuellen Sprachen, deren grössere
-oder geringere Verwandtschaft von daher stammt; denn
-sie ist nur jene im tonbildenden Vermögen liegende Gesetzmässigkeit
-alles Sprechens. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Das philosophische Fragment endlich, &bdquo;Bericht über den
-Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale
-derselben&ldquo; (1806), dessen erster Abschnitt bereits in den
-&bdquo;Nachgelassenen Werken&ldquo; erschienen war, glaubten wir
-jetzt, trotz seines polemischen Inhaltes, in seiner Vollständigkeit
-nicht mehr zurückhalten zu dürfen, indem es als Actenstück
-in der Geschichte des Fichteschen und Schellingschen
-<a id="page-XV" class="pagenum" title="XV"></a>
-Systemes eine wesentliche Stelle einnimmt. Wenn
-es aber überhaupt mitgetheilt wurde, so musste dies in ungeschmälerter
-Ursprünglichkeit geschehen. Was dagegen zu
-erinnern wäre, verschwindet grossentheils vor der Betrachtung,
-dass hierbei die Erneuerung alter Kämpfe nicht zu besorgen
-steht: beide Systeme in ihrer damaligen Gestalt gehören
-der Geschichte an, und sind uns zu parteilosem Urtheile
-schon in eine so bedeutende Ferne gerückt, dass der
-Kundige, nach der einen wie der anderen Seite hin des
-Rechten nicht verfehlen oder aus anderen Quellen es leicht
-sich aneignen kann.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Unter den wiederabgedruckten Recensionen machen wir
-namentlich auf die beiden letzten aufmerksam. Die eine
-(von Gebhards Schrift über sittliche Güte, 1793) stellt an
-ihrem Schlusse, hier am Frühesten und zum Erstenmale, das
-neue Princip auf, mit welchem Fichte über Kants Idealismus
-hinausging. Es wird in der Wendung ausgedrückt: die praktische
-Vernunft habe nicht bloss, wie bei Kant, den Primat
-über die theoretische, sondern das Praktische, die That, sey
-als die Eine Grundbestimmung aller Vernunft und als Fundament
-alles <em class="italic">Wissens</em> zu bezeichnen. &mdash; Ebenso ist die kurze
-Recension von Kants Schrift &bdquo;zum ewigen Frieden&ldquo; (1796),
-gedankenreich und bedeutend: sie enthält in gedrängter Darstellung
-das Unterscheidende der eigenen Rechtslehre von
-der Kantischen, und kann so zur Ergänzung des dritten Bandes
-der Werke und unserer Vorrede desselben dienen. Aber
-sie erhebt sich auch zu weiteren Fragen über die Zukunft
-<a id="page-XVI" class="pagenum" title="XVI"></a>
-der Geschichte; und hier werden Ansichten über die nothwendige
-Fortbildung der Gegenwart zum wahren Staate angedeutet,
-welche schon im Keime die Ideen seiner späteren
-Staatslehre zeigen.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-In Betreff der am Schlusse des Bandes mitgetheilten
-poetischen Versuche sind wir nicht frei von der Besorgniss,
-dass mancher Leser einen anderen Maassstab des Urtheiles
-zu ihnen hinzubringe, als hier zulässig wäre. Nicht eigentlich
-als dichterische Erzeugnisse sind sie aufzufassen, &mdash; ob
-überhaupt nemlich poetische Productivität zum Talente des
-Denkers sich gesellen könne, welcher in der bildlosen Reine
-des Begriffes und in der Virtuosität der Abstraction waltet,
-ist durchaus zu bezweifeln, &mdash; sondern um das Bild von
-Fichte&rsquo;s Charakter nach einer Seite hin zu vollenden, die in
-diesen Werken bisher am Wenigsten hervortreten konnte;
-&mdash; wir meinen die gesammte Gemüthsweise, welche in solchen
-Productionen am Unverkennbarsten sich darstellt, und
-die in ihm allezeit ebenso entschieden zur Einheit ausgeprägt
-war, wie seine wissenschaftliche Denkart, ja in dieser
-nur ihr übereinstimmendes Gegenbild fand. Jene nun,
-der tief religiöse Ernst, das kraftvolle Erfassen des Lebens
-auch in seinen äusseren und scheinbar gleichgültigen Spitzen,
-aus diesem höchsten Mittelpuncte, ist der gemeinsame Faden,
-der sich auch durch seine Poesien zieht, selbst bis in den
-Humor hinein; darum schienen sie uns charakteristisch und
-aufbehaltenswerth, und so möge auch die Aufnahme seines
-ältesten poetischen Versuches (einer &bdquo;Novelle&ldquo; aus dem
-<a id="page-XVII" class="pagenum" title="XVII"></a>
-Jahre 1786, überhaupt des Frühesten, was im Nachlasse übriggeblieben
-ist) erklärt und gerechtfertigt seyn. Vielleicht
-verdient sie als literarische Merkwürdigkeit selbst einige Beachtung,
-wenn man sie mit dem damals herrschenden Geiste
-in solchen Erzählungen vergleichen will.
-</p>
-
-<p>
-Von hier aus können wir zugleich auf seine ästhetischen
-Neigungen noch einen Blick werfen. Wie er in der
-neueren Poesie dem objectiven Werthe nach Goethe unbedingt
-am Höchsten stellte und unter seinen Werken, gegen
-die gewöhnliche, auch bis jetzt noch geltende Annahme,
-seine &bdquo;natürliche Tochter,&ldquo; könnte aus seinem Briefwechsel
-bekannt seyn (Leben und Briefwechsel, Bd. II. S. 326 ff.).
-Dennoch war er auch der Romantik, namentlich der religiösen,
-bis in ihre Nebenabsenker mit Vorliebe zugethan, während
-ihm Jean Pauls Gefühlsweichheit ebenso, wie sein geschraubter
-Humor, ungeniessbar blieb. In Novalis, besonders
-seinen geistlichen Liedern, sah er neue Quellen ächter,
-tieferfrischender Poesie seinem Zeitalter geöffnet, und Tiecks
-&bdquo;heilige Genoveva&ldquo; erregte bei ihrem ersten Erscheinen ein
-so nachhaltiges Interesse in ihm, dass er diese Gattung romantisch
-religiöser Dramen selbst zur Darstellung philosophischer
-Ideen glaubte erheben zu können. Es ist noch
-von ihm der ausführliche Entwurf eines romantischen Trauerspiels:
-&bdquo;der Tod des heiligen Bonifacius&ldquo; vorhanden, in welchem
-er den Sieg der Idee eben dadurch, dass sie äusserlich
-sich opfert und in sinnlicher Gegenwart untergeht, zu
-schildern gedachte. &mdash; In späteren Jahren endlich, als ihn
-das Studium des Italiänischen, Spanischen und Portugiesischen
-beschäftigte, war es besonders Dante, der ihn mächtig
-ergriff und zu dessen Betrachtung er mit immer neuem
-<a id="page-XVIII" class="pagenum" title="XVIII"></a>
-Interesse zurückkehrte. Von seinem <em class="italic">Purgatorio</em> ist eine
-zum Theil metrische Uebersetzung mit Commentar im Nachlasse
-vorhanden (wovon ein Fragment in der Zeitschrift:
-&bdquo;Vesta, Königsberg 1807&ldquo; abgedruckt ist). Die anderen
-grossen Dichter jener Nationen, Petrarca, Cervantes, Calderon,
-Camoens schlossen sich in diesen Studien an, und
-von vielen Uebersetzungsversuchen aus ihren Werken haben
-wir einige zum Abdruck ausgewählt, welche uns die
-nach Wahl eigenthümlichsten, nach Ausführung gelungensten
-schienen.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-1" id="footnote-1">[1]</a> Bekanntlich hat Solger im Erwin (I. S. 77.) Fichte&rsquo;s ästhetisches
-Princip einer Kritik unterworfen; ebenso ist es neuerdings von Th. W.
-Danzel charakterisirt worden in einer sehr beachtenswerthen Abhandlung:
-&bdquo;über den gegenwärtigen Zustand der Philosophie der
-Kunst&ldquo; (in des Herausgebers Zeitschrift für Philosophie etc. Bd. XIV.
-S. 165 ff.). Das Obenangedeutete und Fichte&rsquo;s hier wiederabgedruckte
-Abhandlung mögen dafür zur Ergänzung und Berichtigung dienen.
-</p>
-
-<h2 class="l1s part" id="part-3">
-<a id="page-1" class="pagenum" title="1"></a>
-<span class="line1">Friedrich Nicolai&rsquo;s</span><br />
-<span class="line2">Leben und sonderbare Meinungen.</span>
-</h2>
-
-<p class="subt">
-Ein Beitrag zur Literargeschichte des vergangenen und zur
-Pädagogik des angehenden Jahrhunderts.
-</p>
-
-<p class="aut1">
-<span class="line1">Von</span><br />
-<span class="line2">Johann Gottlieb Fichte.</span>
-</p>
-
-<p class="edt1">
-<span class="line1">Herausgegeben</span><br />
-<span class="line2">von</span><br />
-<span class="line3">A. W. Schlegel.</span>
-</p>
-
-<p class="edn">
-<em class="gesperrt">Erste Ausgabe</em>: Tübingen, in der J. G. Cottaschen Buchhandlung.
-1801.
-</p>
-
-<h3 class="pbb chapter" id="chapter-3-1">
-<a id="page-3" class="pagenum" title="3"></a>
-<span class="line1">Vorrede des Herausgebers.</span>
-</h3>
-
-<p class="first">
-<span class="firstchar">D</span>er Verfasser dieser Schrift hatte anfänglich die Absicht, sie
-unter seinen Augen dem Drucke zu übergeben. Da hiebei
-zufällige Hindernisse eintraten, und der nächste Zweck derselben
-durch die Unterhaltung, welche er bei ihrer Abfassung
-gefunden und seinen Freunden durch die Mittheilung verschafft
-hatte, eigentlich schon erreicht war, so wollte er von keiner
-weiteren Bemühung damit etwas wissen und zog seine Hand
-gänzlich von ihr ab. Das Manuscript kam in dem Kreise seiner
-Freunde auch an mich; ich bin durch keine Bevorwortung des
-Verfassers bei dem Gebrauche, den ich etwa davon möchte
-machen wollen, eingeschränkt, und so gestehe ich, dass ich
-mir ein Gewissen daraus machen würde, diese bündige und
-erschöpfende Charakteristik eines in seiner Art merkwürdigen
-Individuums dem Publicum vorzuenthalten. Der Würde Fichte&rsquo;s
-wäre es vielleicht angemessener, sein bisheriges verachtendes
-Stillschweigen auch jetzt nicht zu brechen: allein da er einmal
-die gutgelaunte Grossmuth gehabt hat, so viel Worte und Federzüge
-an Nicolai zu wenden, so muthe ich ihm auf meine
-Gefahr auch die zweite zu, die Welt seine ausgeübte Herablassung
-erfahren zu lassen. Was Nicolai betrifft, so weiss ich
-wohl, dass ich ihm durch die Herausgabe dieser Schrift die
-grösste Wohlthat erweise. Was könnte ihm, der seine hauptsächlichen
-Gegner nicht einmal dahin bringen kann, seine
-weitläufigen Streitschriften zu lesen, geschweige denn zu beantworten,
-der ihnen höchstens nur einige hingeworfene Sarkasmen
-<a id="page-4" class="pagenum" title="4"></a>
-abgelockt, glorreicheres begegnen, als dass Fichte auf
-ihn, als auf ein wirklich existirendes Wesen, sich förmlich
-einlässt, ihn aus Principien construirt, und ihn wo möglich sich
-selbst begreiflich macht? Der Tag, wo diese Schrift erscheint,
-ist unstreitig der ruhmbekrönteste seines langen Lebens, und
-man könnte besorgen, er werde bei seinem ohnehin schon
-schwachen Alter ein solches Uebermaass von Freude und Herrlichkeit
-nicht überleben. Verdient hat er es ganz und gar nicht
-um mich, dass ich ihm ein solches Fest bereite, da er mir die
-Schmach angethan, mich in früheren Schriften ordentlich zu
-loben, und noch in den letzten mir Kenntnisse und Talente zuzugestehen.
-Indessen die Lesung der folgenden Schrift hat
-mich in die darin herrschende grossmüthige Stimmung versetzt,
-und wenn er sich diese Anmaassung nicht wieder zu Schulden
-kommen lassen will, so sey das bisherige vergeben und vergessen.
-</p>
-
-<h3 class="chapter" id="chapter-3-2">
-<span class="line1">Einleitung.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Ich habe zu Friedrich Nicolai&rsquo;s zahllosen Schmähungen und
-Verdrehungen meiner Schriften stillgeschwiegen, so lange es
-lediglich die Schriften traf; indem ich in demjenigen Theile des
-Publicums, wenn es einen solchen noch giebt, in welchem Nicolai
-über literarische Angelegenheiten eine Stimme hat, keine
-zu haben begehre. Nunmehro hat Nicolai auch meine persönliche
-Ehre angegriffen; &mdash; denn dass er der Verfasser sey von
-der in der neuen deutschen Bibliothek, 56. B. 1. St. zu Ende des
-zweiten und zu Anfange des dritten Heftes befindlichen Anzeige,
-in welcher jene Angriffe geschehen, leidet keinen Zweifel und
-bedarf keines Beweises. Selbst auf den unerwarteten Fall, dass
-Nicolai seine Autorschaft abläugnete, werde ich diesen Beweis
-<a id="page-5" class="pagenum" title="5"></a>
-<a id="pagehdr-5" class="orig-page" title="1"></a>
-nicht führen; denn es ist jedem, der die lebenden Schriftsteller
-kennt, unmittelbar klar, dass nur Einer, nur Friedrich Nicolai,
-dies schreiben konnte. &mdash; Ich bin es zwar nicht dem Herrn
-Nicolai, der die gegen mich vorgebrachten Beschuldigungen
-entweder selbst nicht glaubt, oder durch den Leichtsinn, mit
-welchem er sie vorbringt, auf alle persönliche Achtung Verzicht
-thut, &mdash; wohl aber dem Publicum, welches dieselben ganz
-oder halb glauben dürfte, schuldig, mich vor ihm zu stellen
-und mich zu verantworten. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Nachdem es nun Nicolai endlich erzwungen, dass ich noch
-während seines Lebens von ihm spreche, so führe ich hiebei
-zugleich, früher als ich gerechnet hatte, einen alten Vorsatz aus.
-Nemlich ich scheue mich nicht zu gestehen, dass, seitdem
-ich die mich umgebende Welt kenne und selbst eine Meinung
-habe, nichts mir verhasster und verächtlicher gewesen ist, als
-die elende Behandlung der Wissenschaften, da man allerlei <em class="italic">Facta</em>
-und Meinungen, wie sie uns unter die Hände kommen, zusammenrafft,
-ohne irgend einen Zusammenhang oder einen Zweck,
-ausser dem, sie zusammenzuraffen und über sie hin und her
-zu schwatzen; da man über alles für und wider disputirt, ohne
-sich für irgend etwas zu interessiren, oder es ergründen auch
-nur zu wollen, und in allen menschlichen Kenntnissen nichts
-erblickt, als den Stoff für ein müssiges Geplauder, dessen Haupterforderniss
-dies ist, dass es ebenso verständlich sey am Putztische,
-als auf dem Katheder; jene schaale Wisserei und Stümperei,
-Eklekticismus genannt, die ehemals beinahe allgemein
-waren, und auch gegenwärtig noch sehr häufig angetroffen
-werden. &mdash; Ausser eignen Arbeiten und Untersuchungen, die
-für einen ernsthaften Zweck unternommen, und mit einem bessern
-Geiste geführt würden, und die immer das Gegenmittel gegen
-jenen verderblichen Hang bleiben müssen, schien mir auch noch
-ein zweites Gegenmittel sehr zweckmässig zu seyn: die lebendige
-Darstellung der unausbleiblichen Folgen jener Behandlung der
-Wissenschaft zur absoluten Ertödtung alles Sinnes für Wahrheit,
-Ernst und Gründlichkeit, und zur radicalen Verkehrung und Zerrüttung
-des Geistes. Das vollendetste Beispiel einer solchen radicalen
-Geisteszerrüttung und Verrückung in unserm Zeitalter war mir,
-<a id="page-6" class="pagenum" title="6"></a>
-<a id="pagehdr-6" class="orig-page" title="3"></a>
-seitdem ich ihn gekannt habe &mdash; ich lernte ihn in dem Streite
-zwischen Mendelssohn und Jacobi kennen &mdash; Friedrich Nicolai.
-Sein Bild wollte ich, wenn er seine verkehrte Laufbahn geschlossen
-haben würde, welches er freilich nur mit seinem
-Tode thun wird, allen studirenden Jünglingen, in denen ein
-Hang seyn könnte, seine Bahn zu betreten, und allen, die auf
-die Bildung dieser Jünglinge Einfluss hätten, zum warnenden
-Beispiele hinstellen.
-</p>
-
-<p>
-Diesen alten Vorsatz werde ich gleich bei der gegenwärtigen
-Gelegenheit ausführen; und dadurch einem Geschäfte, an
-welches ich, wenn es für eine blosse Vertheidigung meiner
-selbst gegen Nicolai angesehen würde, nicht ohne tiefe Beschämung
-gehen könnte, eine liberalere und allgemeinere Richtung
-zu geben suchen. Nicolai selbst, wenn darnach gefragt werden
-könnte, kann dies nicht übelnehmen. Er hat Zeit seines Lebens
-die grössten und verdientesten Männer der Nation auf
-eine Weise behandelt, dass er selbst, wenn er nur fähig wäre
-einen Augenblick lang andern dieselben Rechte gegen sich zuzuschreiben,
-die er sich gegen andere zuschreibt, es ganz billig
-finden müsste, dass man eine Rücksicht, die er nie gekannt
-hat, auch gegen ihn nicht beobachtet, keine Notiz davon nimmt,
-dass er noch unter den Lebendigen existirt, und ohne Bedenken
-eine Untersuchung, die ihn zum blossen Thema macht,
-unter seinen Augen anstellt.
-</p>
-
-<p>
-Zwar sehe ich bei diesem Unternehmen den Tadel zweier
-durchaus entgegengesetzter Parteien voraus. Zuvörderst den
-Tadel derjenigen, welche über Kunst und Wissenschaft im Wesentlichen
-mit mir gleich denken. Ihnen ist, so viel ich habe
-bemerken können, Nicolai ein so unbedeutender und verächtlicher
-Gegenstand, dass man in ihren Augen nur sich selbst
-herabsetzt, wenn man ihn einer Erwähnung und Beachtung
-würdigt. Sie haben vollkommen recht, und ich bin
-ganz ihrer Meinung, wenn von Nicolai als von einer Person
-geredet werden sollte. Als Object aber, als vollendete Darstellung
-einer absoluten Geistesverkehrtheit ist er, meines
-Erachtens, dem Literarhistoriker und Pädagogen wichtig, und
-so interessant, als dem Psychologen ein origineller Narr, oder
-<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a>
-<a id="pagehdr-7" class="orig-page" title="4"></a>
-dem Physiologen eine seltene Misgeburt nur immer seyn kann.
-Ich bekenne, dass es meine Schuld seyn würde, wenn ich dieses
-Interesse für meinen Gegenstand nicht zu erregen vermöchte.
-</p>
-
-<p>
-Sodann habe ich mich auf den Tadel der gutmüthigen
-Mittelmässigkeit gefasst zu halten, welche, seit die Urtheile der
-grössten deutschen Männer, eines Kant, Goethe, Schiller, über
-jenen Gegenstand in das Publicum gekommen, aus mehrern
-Winkeln der Literatur uns erinnern, denn doch auch die bedeutenden
-Verdienste des Mannes nicht zu vergessen. Ich
-werde tiefer unten meine Ueberzeugung, dass Nicolai für seine
-Person sein ganzes Leben hindurch nie etwas Kluges, sondern
-eitel Verkehrtes und Thörichtes angefangen habe, und dass auf
-ihm nicht das mindeste Verdienst, sondern eitel Schuld ruhe,
-weder verläugnen, noch sie zu begründen vergessen. Dass jene
-Stimmführer der Mittelmässigkeit wirklich zu wissen wähnen,
-was sie von jenen Verdiensten sagen, will ich glauben. Nicolai
-und sein Anhang haben es ja über ein Vierteljahrhundert lang
-genugsam wiederholt, dass Nicolai Verdienste habe, so dass
-endlich in dem Gedächtnisse jener wohl hangengeblieben seyn
-mag, dass so etwas gesagt worden. Sollten sie dieselbe Behauptung
-auch bei der gegenwärtigen Veranlassung wiederholen
-wollen, so ersuche ich sie, nur diesmal nicht so, wie sie
-immer zu thun pflegen, bloss ins unbestimmte hin zu versichern,
-sondern mir eines jener Verdienste namentlich anzugeben; mir
-irgend ein richtiges, treffendes Urtheil, das Nicolai gefällt, irgend
-eine gründliche Abhandlung, die er über etwas, das des Wissens
-werth ist, geschrieben, nachzuweisen, damit ich sie auch
-kennen lerne. Ich ersuche jene Stimmführer bei dieser Gelegenheit,
-sich zugleich vor sich selbst die Frage zu beantworten,
-welche Geisteskraft, oder welches Talent sie denn etwa Herrn
-Nicolai in einem vorzüglichen Grade zuschreiben möchten, ob
-Phantasie, oder Witz, oder Scharfsinn, oder Tiefsinn, oder, ich
-sage nicht eine vorzügliche, sondern auch nur richtige Schreibart;
-ob sie irgend etwas Eigenthümliches an ihm finden, als
-ein unversiegbares Geschwätz und die Kunstfertigkeit, alles, was
-ihm unter die Hände kommt, zu verdrehen; ich ersuche sie,
-diese Frage zuvörderst sich selbst, und sodann auch mir zu
-<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a>
-<a id="pagehdr-8" class="orig-page" title="6"></a>
-beantworten. Da ich sehr wohl wusste, dass sie keins von
-beiden befriedigend leisten würden, so mögen sie mir immer
-verzeihen, dass ich so gethan, als ob sie gar nichts sagen würden,
-und als ob sie überhaupt nicht vorhanden wären.
-</p>
-
-<p>
-Wir gehen an unser Vorhaben.
-</p>
-
-<p>
-Sollen das Leben und die sonderbaren Meinungen unsers
-Helden nicht rhapsodisch, so wie jedes uns in den Wurf kommt,
-oder chronologisch, sondern systematisch, in einer festen Charakterschilderung
-dargestellt werden: so müssen wir ein Grundprincip
-dieses Charakters nachweisen, aus welchem, und aus
-welchem allein, alle Phänomene in dem Leben unsers Helden
-sich befriedigend erklären lassen. Es kommt hierbei nicht auf
-Häufung der Phänomene an. Ein einziges, das sich durchaus
-nicht erklären lässt, ausser aus dem vorausgesetzten Princip,
-beweist so gut, wie tausende, dass dieses Princip und kein anderes
-dem zu erklärenden Leben zum Grunde gelegen habe.
-</p>
-
-<p>
-Jedem nur festen und ausgebildeten Charakter liegt ein
-solches Princip der Einheit zum Grunde; und der Unterschied
-dabei ist nur der: ob der Besitzer dieses Charakters wisse,
-dass dies sein Princip sey, oder ob er es nicht wisse. Ist der
-Charakter mit Freiheit und Bewusstseyn nach jenem Grundsatze
-gebildet, so ist dieser Grundsatz freilich dem Besitzer des Charakters
-bekannt; ist er ihm durch das Ungefähr, durch Natur
-und Schicksal angebildet, so ist ihm dieses Princip nicht bekannt.
-Unser Held befand sich in dem letztern Falle; es ist daher
-gar nicht zu glauben, dass ihm der Grundsatz alles seines
-Denkens und Handelns je bekannt geworden.
-</p>
-
-<p>
-Wir haben nach allem Gesagten zuvörderst das Grundprincip
-von unsers Helden intellectuellem Charakter (denn von diesem
-allein soll hier die Rede seyn) aufzustellen, und von gewissen
-Phänomenen zu zeigen, dass sie durchaus nur aus
-jenem Princip erschöpfend und vollkommen hinreichend zu erklären
-sind. Auf diesem Puncte der absoluten Unmöglichkeit
-jeder andern Erklärung beruht die Richtigkeit unserer Angabe
-des Princips; wir ersuchen daher unsere Leser, darauf vorzüglich
-ihre Aufmerksamkeit zu richten. Wir werden sodann noch
-einige originelle Grundzüge des Charakters unsers Helden, die
-<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a>
-<a id="pagehdr-9" class="orig-page" title="7"></a>
-sich nur aus jenem Princip erklären lassen, anführen, sie mit
-ihren Phänomenen belegen, und so den Beweis der Richtigkeit
-unsers Grundprincips vollenden.
-</p>
-
-<p>
-Wir werden in dieser ganzen Schilderung unsern Helden
-betrachten als einen todten Mann, und von ihm reden, wie
-von einer Person aus der vergangenen Zeit. Dies ist jeder
-Charakterschilderung eigen. Der Grund, warum anderwärts
-man den Charakter eines Mannes während seines noch fortdauernden
-Lebens nicht zu schildern vermag, &mdash; weil nemlich die
-Reihe der Erscheinungen noch nicht geschlossen und es nie
-sicher ist, dass nicht neue Phänomene eintreten, die auf ein
-anderes Princip der Erklärung führen dürften, auch man nicht
-wissen kann, ob nicht etwa die Person noch durch Freiheit
-ihre Maximen ändern werde &mdash; fällt bei Nicolai ganz weg. Es
-wird sich hoffentlich in der folgenden Schilderung zeigen, dass
-das Princip seiner Denkweise die Unabänderlichkeit unmittelbar
-in sich selbst enthält. Unser Held ist befestigt, er kann
-sich nicht mehr ändern oder geändert werden; ist auch die
-Reihe der Phänomene seines Lebens nicht beschlossen, so ist
-es doch der Charakter. Der Verfasser dieser Beschreibung ist
-dessen so innig überzeugt, dass er sehr gern allen seinen Anspruch
-auf Menschenkenntniss aufgeben will, wenn sich finden
-sollte, dass Friedrich Nicolai vor seinem Ende noch irgend einen
-der ihm hier als charakteristisch beigelegten Grundzüge
-und Handelsweisen abänderte.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-3">
-<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a>
-<a id="pagehdr-10" class="orig-page" title="9"></a>
-<span class="line1">Erstes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Höchster Grundsatz, von welchem alle Geistesoperationen unsers Helden ausgegangen sind.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Unser Held war seit seinen reifen Jahren der festen Meinung,
-dass alles mögliche menschliche Wissen in seinem Gemüthe
-umfasst, erschöpft und aufbewahrt sey, dass sein Urtheil
-über die Ansicht, die Behandlung, den Inhalt und den Werth
-aller Wissenschaft untrüglich und unfehlbar sey, und dem Urtheile
-aller andern vernünftigen Wesen zur Richtschnur und
-zum Kriterium ihrer eignen Vernünftigkeit dienen müsse; mit
-Einem Worte, dass er alles, was in irgend einem Fache richtig
-und nützlich sey, gedacht habe, und alles dasjenige unrichtig
-und unnütz sey, was er nicht gedacht hätte, oder nicht denken
-würde.
-</p>
-
-<p>
-Diese Meinung setzte ihn nicht nur vor sich selbst über
-alle Zweifel, alle spätere Untersuchung und alle Besorgniss hinweg,
-dass er sich doch etwa über dieses oder jenes im Irrthume
-befinden möchte; sondern er war noch überdies von
-allen andern Menschen ebenso fest überzeugt, und muthete es
-ihnen an, dass sie über alle Zweifel hinausseyn müssten, sobald
-sie nur recht wüssten, wie er selbst eine Sache fände.
-Alle seine Widerlegungen gingen von dem Hauptsatze aus: ich
-bin anderer Meinung; daher er denn zu diesem Hauptgrunde
-noch andre Nebengründe hinzuzufügen gewöhnlich unterliess.
-Die Gegner, glaubte er, könnten schon daraus sattsam ersehen,
-dass sie unrecht hätten. Bei allen Verweisen und Züchtigungen,
-die er in seinen spätern Jahren an das ausser der Art schlagende
-Zeitalter ergehen zu lassen genöthigt wurde, hob er nur
-immer davon an, dass er zeigte, man habe nicht nach seinem
-Rathe gehandelt; dies allein, glaubte er, würde sie schon dahin
-bringen, dass sie sich schämten und in sich gingen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a>
-<a id="pagehdr-11" class="orig-page" title="10"></a>
-In dieser Voraussetzung liess er sich denn auch durch keinen
-noch so sonderbaren Vorfall, der sich etwa ereignen mochte,
-irre machen. Sogar wenn ihm, wie dies in seinem spätern
-Alter häufig begegnete, von allen Seiten her einmüthig zugerufen
-wurde: er werde wohl selbst eines Urtheils über gewisse
-Dinge sich bescheiden, oder auch &mdash; er sey ein geborner Dummkopf,
-ein Salbader, ein alter Geck, und was man noch alles
-für Freiheiten sich mit ihm herausnahm, mochte er doch immer
-lieber voraussetzen, man sage dies bloss aus Schalkheit,
-und um sich für die empfangenen Züchtigungen zu rächen, als
-dass er irgend einem Menschen die Verkehrtheit zugetraut hätte,
-dass er fähig wäre, in allem Ernste und im Herzen einen Nicolai
-nicht anzuerkennen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Meinung von ihm selbst war ihm nach und nach so
-zur fixen Idee geworden, hatte sich so mit seinem Selbst verwebt
-und war selbst zu seinem innersten eigensten Selbst geworden,
-dass man keine Spur hat, er habe dieselbe je deutlich
-in sich wahrgenommen und sie zum bestimmten Bewusstseyn
-erhoben. Er räsonnirte, urtheilte, richtete <em class="italic">von ihr aus</em>, als seinem
-einzig möglichen Standpuncte, niemals <em class="italic">über sie</em>. Er starb
-daher alt und lebenssatt, ohne je mit seinem Denken, auch nur
-in sich selbst zu Ende gekommen zu seyn.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-4">
-<span class="line1">Zweites Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Wie unser Held zu diesem sonderbaren höchsten Grundsatze gekommen seyn möge.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Gleiche Ursachen bringen allenthalben die gleichen Wirkungen
-hervor. Nun haben die ausser unserm Helden selbst
-liegenden Umstände, welche unsers Erachtens die beschriebene
-<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a>
-<a id="pagehdr-12" class="orig-page" title="11"></a>
-sonderbare Meinung in ihm erzeugt, sich auch bei andern Menschen
-gefunden, und haben auch bei ihnen in einem gewissen
-Grade denselben Erfolg gehabt. Aber so unerschütterlich auf
-jenem Princip beharrt, so allumfassend und so consequent durchgeführt
-hat es, so viel uns bekannt ist, keiner, ausser unserm
-Helden; und dies eben ist es, was ihm die Ehre erwirbt, als
-Muster seiner Gattung aufgestellt und der Nachwelt überliefert
-zu werden. Es muss sonach bei ihm, zu jenen anzuführenden
-äussern Umständen der Entwickelung jenes Princips, noch eine
-vorzügliche innere Empfänglichkeit seiner Natur dafür hinzugekommen
-seyn. Zum grössten Glücke für die Menschheit hat
-unser Held selbst &mdash; denn warum sollte ich nicht ebensowohl
-wie Klopstock, in seiner Zueignungsschrift vor Herrmanns Schlacht,
-als schon geschehen ankündigen, was geschehen wird, und weit
-sicherer geschehen wird, als das durch Klopstock Verkündigte
-geschehen konnte &mdash; er selbst hat, nachdem im Jahre 1803
-sein letzter Feind, der transscendentale Idealismus, ausgetilgt,
-und die A. D. B. wiederum gehörig in den Gang gebracht war<a class="fnote" href="#footnote-2" id="fnote-2">[2]</a>,
-seine glorreich errungene Musse dazu angewendet, die Geschichte
-seiner Bildung bis in seine Knaben- und Kindesjahre,
-und bis zu seiner Wiege zurückzuführen; hat diese Krone seiner
-Werke vollendet, und dann seinen Geist dem Himmel wiedergegeben.
-In den ersten drei Bänden dieses klassischen
-Werks können die Leser sich unterrichten, wie der erste Schrei
-des Neugebornen die Schriftstellerwelt erschütterte und alle
-Sünder in ihr erbeben machte, und wie schon seine Windeln
-von dem attischen Salze dufteten, das er seitdem in unsterblichen
-Worten ausgehaucht und angesetzt hat, so dass alle Umstehenden
-sich verwunderten, und sprachen: was will aus dem
-Kindlein werden? In den folgenden Bänden können sie finden,
-wie er, seitdem er sich seiner erinnern kann &mdash; und er kann
-sich seiner seit den frühesten Jahren erinnern &mdash; durch seine
-lebhafte Phantasie, einen Trieb zu lernen und eine Fassungskraft,
-weit über alle Kinder seiner Gesellschaft und seines Alters
-in sich verspürt, so dass er von seinen Eltern und seinen
-Lehrern als ein wahres Wunderkind ausgerufen worden. Aber
-wir überlassen den Lesern, dieses in der ausführlichen und
-<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a>
-<a id="pagehdr-13" class="orig-page" title="13"></a>
-grazienvollen Beschreibung des Helden selbst nachzulesen, und
-schränken uns, sowohl hier als ins künftige, auf dasjenige ein,
-was der berühmte Verfasser übergeht, und was wir nur aus
-andern Denkmälern jenes Zeitalters schöpfen können.
-</p>
-
-<p>
-Ich will hier nicht untersuchen, ob es nothwendig sey, dass
-der Uebergang der Schriftstellerei einer Nation aus der gelehrten
-in die lebende Sprache eine Epoche des Verfalls der wahren
-gründlichen Gelehrsamkeit bei sich führe. Bei den Deutschen
-wenigstens war dies der Erfolg. Man bildete sich etwas
-ein darauf, endlich deutsch schreiben gelernt zu haben; man
-wollte, dass es auch für Deutsch anerkannt würde, und bemühte
-sich daher, über alle Gegenstände so zu schreiben, dass
-denn auch in der That nichts weiter zum Verstehen gehöre,
-als die Kenntniss der deutschen Sprache. Der Vortrag wurde
-die Hauptsache, das Vorzutragende mochte sich bequemen; was
-sich nicht so sagen liess, dass die halbschlummernde Schöne
-an ihrem Putztische es auch verstände, wurde eben nicht gesagt;
-&mdash; und da man nur um sagen zu können lernte, auch nicht
-weiter gelernt, &mdash; späterhin verachtet, als elende Spitzfindigkeit
-und Pedanterie: kurz, das elende Popularisiren kam an die
-Tagesordnung und von nun an wurde Popularität der Maassstab
-des Wahren, des Nützlichen und des Wissenswürdigen. In diese
-Epoche fiel unsers Helden erste Bildung. Er wollte schon früh
-etwas bedeuten, und dünkte sich schon früh etwas zu bedeuten;
-ohne alle klassische Gelehrsamkeit, wie er damals war,
-und trotz des Anscheins derselben, mit dem er späterhin sich
-behängte, immer blieb, musste dieser Dünkel bei ihm um so
-verderblicher werden. Zu seinem Unglücke kam er in die Bekanntschaft
-zweier Männer, deren erster ohne Zweifel weit
-mehr Ernst und Reinheit der Gesinnung hatte, als Nicolai; aber
-dieselbe Beschränktheit des Geistes, der Einsicht und des Zwecks.
-&mdash; Hatte wohl im Grunde einer von diesen beiden anfangs eine
-höhere Tendenz, als die, dieses und jenes Aberglaubens ihrer
-Kirchen sich zu erwehren, ihre Confessionen so vernünftig zu
-machen, als sie selbst wären, und, wenn das Glück gut wäre,
-sich eine natürliche Religion zu bauen, bei der sie jener Confessionen
-ganz entbehren könnten; nur dass es der Andere auch
-<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a>
-<a id="pagehdr-14" class="orig-page" title="14"></a>
-hierin ernstlicher und herzlicher meinte, als unser Held? &mdash;
-Der zweite dieser Männer, in deren Bekanntschaft unser Held
-kam, war ein allumfassender, lebendiger, rastloser Geist, und
-ein Charakter, für das Wahre, Rechte und Gute gebildet; nur
-dass er damals in der Unendlichkeit seines Wesens noch nichts
-Bestimmtes zu ergreifen und festzuhalten vermochte. Unser Held,
-der damals noch nicht alle Fähigkeit verloren hatte, eine Superiorität
-ausser sich anzuerkennen, anerkannte die dieses gewaltigen
-Geistes; aber nachdem er sich mit Mühe und Noth
-einiges Vermögen erworben hatte, mitzutreiben, womit dieser
-noch nicht fixirte Geist sein Spiel trieb, hielt er dieses Spielwerk
-für das Höchste, und sich selbst für jenes Geistes gleichen.
-</p>
-
-<p>
-Mit diesem Augenblicke war er vollendet und fiel. Er ist
-seitdem nicht weiter gekommen, und nicht zur Besinnung. Später
-hat er sich noch für einen weit höhern Geist gehalten als
-jenen, den er nun für ein, gutem Rathe nicht folgendes, überspanntes
-Genie ausgab.
-</p>
-
-<p>
-Unser Held hatte, mit jenen vereinigt, einen kritischen
-Kreuzzug gethan; entscheidend gegen einige schlechte Reimer,
-in andern Fächern, z. B. dem der Philosophie, nicht ganz so
-glorreich. Sein grosser Mitkämpfer wurde allmählig inne, dass
-dies ein schlechtes Geschäft sey, und dass er es nicht in der
-besten Gesellschaft treibe. Er zog sich zurück, und unser Held
-beschloss nunmehro, die Sache in das Weitere zu treiben, und
-sich selbst, sich allein, zum Mittelpuncte der deutschen Literatur
-und Kunst zu constituiren. Die allgemeine deutsche Bibliothek
-entstand, schon an sich ein widersinniges Unternehmen,
-verderblich durch die Art, wie es ausgeführt wurde, am allerverderblichsten
-für den Urheber selbst.
-</p>
-
-<p>
-Unser Held mag von dem sehr richtigen Vordersatze ausgegangen
-seyn: der Redacteur eines die ganze Literatur und
-Kunst umfassenden periodischen Werks muss selbst die ganze
-Literatur und Kunst umfassen; muss, und zwar in jedem besonderen
-Fache, höher stehen und alles besser wissen, als irgend
-einer seiner Zeitgenossen. Er muss in jedem Fache die
-grössten Meister, zu Beurtheilung derer, die unter ihnen sind,
-wählen, sie zu finden, sie sich zu verbinden wissen; er muss
-<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a>
-<a id="pagehdr-15" class="orig-page" title="16"></a>
-aber sogar diese grössten Meister der Fächer übersehen, um
-ihre eingesendeten Beurtheilungen zu prüfen und ersehen zu
-können, ob sie mit dem gewohnten Fleisse und Gründlichkeit
-bearbeitet sind, ob nicht etwa diese Männer sinken, ob nicht
-jüngere grössere neben ihnen aufkommen.
-</p>
-
-<p>
-Anstatt nun von diesem richtigen Vordersatze aus weiter
-so zu folgern: Ich wenigstens habe diese notwendigen Erfordernisse
-nicht an mir, und von mir wird jene Idee einer allgemeinen
-deutschen Bibliothek wohl unausgeführt bleiben;
-schloss er umgekehrt: da ich nun jene Idee ausführen will,
-so muss ich annehmen und mich betragen, als ob ich alle jene Erfordernisse
-an mir hätte; als ob ich ein allumfassender Polyhistor
-und der geistreichste und geschmackvollste Mann meines
-Zeitalters und aller vergangenen und künftigen Zeitalter wäre.
-Ich muss Untrüglichkeit mir kräftigst zueignen. Da ein Ausführer
-jener Idee die grössten Männer aller Fächer erkennen, wählen
-und mit sich verbinden muss, so muss ich den Satz umkehren
-und annehmen, dass diejenigen, die ich erkennen, wählen
-und mit mir verbinden werde, die grössten Männer in ihren
-Fächern sind.
-</p>
-
-<p>
-Es ist schwer auszumachen, ob unser Held schon damals
-im ganzen Ernste von sich selbst geglaubt, was er von nun an
-freilich gegen alle Welt behaupten und unerschütterlich voraussetzen
-musste. Das Wahrscheinlichste ist, dass es ihm ergangen,
-wie allen, die in die Lage kommen, unaufhörlich eine Aussage
-zu wiederholen, von der sie selbst nicht recht überzeugt
-sind. Am Ende glauben sie selbst an ihre Wahrheit. Für möglich
-konnte Nicolai jene Voraussetzung von sich immer halten;
-er fand nirgends ausser sich eine höhere Weisheit, als die seinige,
-indem er nur die seinige begriff, derjenigen Seelenkraft
-aber, die da Ahnung eines Höhern heisst, von jeher gänzlich
-ermangelte. Auf die Wirklichkeit dieser Voraussetzung hätte er
-damals vielleicht noch nicht geschworen. Aber seitdem er die
-Redaction seiner Bibliothek ergriff, musste er alle Stunden seines
-Lebens jene Meinung voraussetzen, sie behaupten, jeden
-Zweifel dagegen kräftigst niederschlagen, und kam von dieser
-Arbeit nie zur ruhigen Besinnung; so dass es durchaus begreiflich
-<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a>
-<a id="pagehdr-16" class="orig-page" title="17"></a>
-wird, wie dieser Glaube diese langen Jahre hindurch sich
-ihm fest einverleiben und mit ihm zusammenwachsen musste.
-</p>
-
-<p>
-Das Unternehmen jener Bibliothek ergriff das Zeitalter.
-Die leichte Weisheit und die wohlfeile Gelehrsamkeit, welche
-durch das grosse Werk herbeigeführt, und schnell von einem
-Ende Deutschlands bis zum andern verbreitet wurden, fand
-Beifall. Der geringste unter den Lesern glaubte sich selbst zu
-lesen; gerade so hatte er die Sache sich auch von jeher gedacht,
-und nur nicht den Muth gehabt, es sich laut zu gestehen.
-Die Unmündigen erhielten die Sprache, und das gefiel
-ihnen. Unser Held sahe diese grosse Revolution, deren Stifter,
-die schnelle allgemeine Erleuchtung, deren Urheber er war.
-Warum hätte nicht der Glaube andrer an sein Werk seinen eignen
-Glauben an sich bestärken sollen?
-</p>
-
-<p>
-Schriftsteller, denen an dem Beifalle des grossen Volks gelegen
-war, versammelten sich um den Ausspender dieses Beifalls,
-gaben ihm Beiträge, liessen sich von ihm berathen und
-erziehen, und schmeichelten auf jede Weise seiner Eitelkeit<a class="fnote" href="#footnote-3" id="fnote-3">[3]</a>.
-Man glaubt leicht, was man wünscht; Nicolai nahm in aller Unbefangenheit
-alles für baare Münze, und ihm fiel nicht bei, dass
-diese Lobeserhebungen vielleicht nur dem Redacteur der allgemeinen
-deutschen Bibliothek, keinesweges aber seinen persönlichen
-Verdiensten gelten möchten. Jene Männer waren seinem
-Princip nach ohnehin, als Mitarbeiter an der Bibliothek, die ersten
-Köpfe der Nation. Er fand sich sonach von den ersten
-Männern der Nation gelobt, anerkannt, zu ihrem Meister erhoben.
-Wer konnte es ihm verargen, dass er ihnen glaubte?
-</p>
-
-<p>
-Und so verschmolz allmählig in seiner Seele der Begriff
-von deutscher Literatur und Kunst mit dem Begriffe seiner
-Bibliothek; diese mit dem Begriffe von ihm selbst. Die Bibliothek
-wurde ihm zum Mittelpuncte des deutschen Geistes, er
-selbst zur innersten Seele dieses Mittelpuncts. An den Recensionen
-dieser Bibliothek mussten alle literarische und artistische
-Bestrebungen der Nation, und hinwiederum an seiner Einsicht &mdash; diese
-Recensionen sich orientiren. Ausser jener Bibliothek
-war ihm jetzt und zu ewigen Zeiten kein Heil und keine Wahrheit
-für die Wissenschaft; und für die Bibliothek selbst kein
-<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a>
-<a id="pagehdr-17" class="orig-page" title="19"></a>
-Heil und keine Wahrheit ausser ihm. Jene war seine Welt,
-und er die Seele dieser Welt; was er erblickte, erblickte er
-durch jene hindurch, jene aber erblickte er durch sich hindurch.
-In dieser beruhigenden Stimmung lebte er und starb
-im frohen Glauben an die Unsterblichkeit seines Werks.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-4-1">
-<span class="line1">Anmerkungen.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-2" id="footnote-2">[2]</a> Mit dem im Texte erwähnten Jahre 1803 verhält es sich so:
-Nicolai hatte im 11. Bande seiner Reisebeschreibung vorher verkündigt, dass
-Fichte und alle seine Schriften im Jahre 1840 rein vergessen seyn würden.
-Er wurde hierüber, wie über so manches andere, in gewissen <em class="italic">Briefen über
-die Guckkastenphilosophie des ewigen Juden</em> verspottet. In dem Aerger
-hierüber decretirte und enuncirte er, &mdash; in der Schrift gegen die Xenien,
-wo ich nicht irre, &mdash; es solle nunmehr mit Fichte nicht einmal bis zum
-Jahre 1840 Frist haben, sondern schon Anno 1804 solle er vergessen seyn. Das Jahr
-1800 ist verflossen, das 1801 angebrochen; das fatale Jahr der Vorhersagung tritt
-näher, und noch zeigen sich keine Spuren, dass die Weissagung anfange in
-Erfüllung zu gehen. Dies fiel unserem Helden bei Abfassung der im Eingange
-erwähnten Anzeige aufs Gewissen; er fand nun doch, &bdquo;dass <em class="italic">andere</em>
-Gelehrte wohl etwa glauben möchten, hinter den Spitzfindigkeiten der neuen
-Philosophie u. s. w. stecke etwas, dass <em class="italic">er</em> aber sagen könne, dass es durchaus
-eine Nullität sey, und dass i. J. 1803 sich darüber mehr werde reden
-lassen.&ldquo; Freilich, wenn i. J. 1804 diese Philosophie rein vergessen seyn
-sollte, so müsste wenigstens i. J. 1803 die Nullität derselben dargethan
-werden.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-3" id="footnote-3">[3]</a> Damit ja niemand in Zweifel stelle, ob deutsche Gelehrte sich so
-weit herabgelassen, unserm Helden zu schmeicheln, hat er selbst, in seiner
-Schrift gegen die Xenien, bezeugt: &bdquo;ihm sey von jeher sehr geschmeichelt
-worden.&ldquo;
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-5">
-<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a>
-<a id="pagehdr-18" class="orig-page" title="20"></a>
-<span class="line1">Drittes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Wie im allgemeinen dieser höchste Grundsatz im Leben unsers Helden sich geäussert habe.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Theils nach den öffentlichen Handlungen und Aeusserungen
-unsers Helden, theils nach mehreren Anekdoten von ihm, die
-zu seiner Zeit im allgemeinen Umlaufe waren, schrieb er sich
-selbst ausschliessend die Fähigkeit zu, alle Gegenstände des
-menschlichen Wissens mustermässig zu bearbeiten. Er pflegte,
-so oft in seiner Gegenwart das Gespräch auf irgend einen solchen
-Gegenstand fiel, nur das zu beklagen, dass seine übrigen
-Geschäfte ihm nicht Zeit liessen, ein Muster der Behandlung
-desselben zu liefern. Alles, zu dessen Bearbeitung er ohnerachtet
-dieser überhäuften Geschäfte denn doch noch Zeit fand,
-bearbeitete er auch wirklich mustermässig. So war seine Topographie
-von Berlin das Muster, wornach alle Arbeiten dieser
-Art gemacht werden sollten, und er ergriff jede Gelegenheit,
-sie als solches zu empfehlen; keinesweges, wie er hinzuzusetzen
-pflegte, aus Eigenlob, sondern weil sich die Sache wirklich so
-verhielt<a class="fnote" href="#footnote-4" id="fnote-4">[4]</a>. Wozu er nicht Zeit fand, mochten seine Zeitgenossen
-bearbeiten. Dass sie ihr Muster nie erreichen, dass sie nie
-es so machen würden, wie unser Held es gemacht hätte, wenn
-er nur die Zeit dazu gefunden, das verstand sich. Aber sie
-hatten ja ihn bei sich; und er ertheilte gern Rath, wenn man
-ihn bescheiden darum ersuchte.
-</p>
-
-<p>
-Diesen Rath sollten sie lehrbegierig und folgsam annehmen,
-fortarbeiten und sich bestreben, seine Idee immer besser zu
-treffen. Sie sollten ja nur die Zeit zur Ausführung hergeben,
-die ihm mangelte; den Geist und die Uebersicht wollte er hergeben.
-So würden sie immer höher steigen, und ihm, ihrem
-Muster, stets näher kommen. Auf diese Weise hatte er in der
-Schule seiner Bibliothek und seines handschriftlichen Rathes die
-<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a>
-<a id="pagehdr-19" class="orig-page" title="22"></a>
-grössten Schriftsteller der Nation gebildet: einen Lessing, der
-nur leider in seinen spätern Jahren umschlug, rechthaberisch
-und unfolgsam wurde, und dafür zur wohlverdienten Strafe in
-Zweifel an der Gründlichkeit der bibliothekarischen Aufklärung
-und an der Evidenz der Mendelssohnschen Demonstrationen
-verfiel; einen Mendelssohn; einen Justus Möser, und so viele
-noch Lebende, deren Bescheidenheit mir verbietet, sie zu nennen:
-&mdash; hat er nicht Schriftsteller allein, sondern durch die vortrefflichen
-Bildnisse deutscher Gelehrten vor der Bibliothek und
-der Berliner Monatsschrift in seinem Verlage, welche, wie ich
-als Augenzeuge betheuren kann, in Berlin noch immer regelmässig
-ausgegeben wird &mdash; hat er dadurch auch junge bildende
-Künstler herangezogen, ermuntert und unterstützt. Die Bildung
-ging von ihm aus, als ihrem Centrum, und verbreitete sich regelmässig
-umher.
-</p>
-
-<p>
-Dieser gesetzte, geordnete, gemässigte Gang wurde nun
-durch einige excentrische Köpfe gestört. In der Kunst erschien
-Goethe, Schiller, in der Philosophie Jacobi, Kant, die transscendentalen
-Idealisten. Was hätte an ihnen daran seyn können?
-&mdash; Hatten sie sich denn erst in der A. D. B. unter Nicolai&rsquo;s
-Aufsicht im Schreiben geübt? Oder hatten sie ihm ihre Pläne
-vor der Ausführung vorher vorgelegt, und mit ihm darüber
-correspondirt, wie Lessing in seiner guten Zeit, und Mendelssohn,
-und alle die, welche Meisterwerke geliefert haben? Keins
-von diesen allen hatten sie gethan; sie hatten ein so böses Gewissen
-gehabt, dass sie ihm ihre Arbeiten nicht einmal zum
-Verlage angeboten; die letzte Gelegenheit, bei der sie hätten
-erfahren können, wie sie mit denselben daran wären, und was
-sie darüber zu urtheilen hätten.
-</p>
-
-<p>
-Dass an ihren vermeinten Kunstwerken und Entdeckungen
-durchaus nichts seyn konnte, war sonach ohne weitere Untersuchung
-und Prüfung, mit der man nur die ohnedies so beschränkte
-Zeit verloren haben würde, unmittelbar klar; und
-man konnte ohne weiteres mit den Waffen des Lächerlichen,
-welche unser Held zu führen glaubte, wie kein andrer, dagegen
-vorschreiten. So entstanden Freuden Werthers, die witzige Schrift
-gegen die Xenien, der dicke Mann, Sempronius Gundibert, die
-<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a>
-<a id="pagehdr-20" class="orig-page" title="23"></a>
-spasshaften Theile der Reisebeschreibung; und was weiss ich,
-was noch alles entstand.
-</p>
-
-<p>
-Zwar liess sich einigen jener excentrischen Subjecte und
-Querköpfe nicht alles Talent und alle Kenntniss ganz absprechen,
-nur verhinderte sie ihre eigenliebige Meinung, dass sie
-ausser dem Umkreise der richtigen Schule für sich allein fortkommen
-könnten, daran, diesem Talente die wahre Richtung
-zu geben. Man musste suchen, diese etwanigen Gaben doch
-noch nützlich zu machen und sie der deutschen Literatur, d. i.
-dem Umkreise der allgemeinen deutschen Bibliothek, wiederzugeben.
-Unser Held fand sich sonach in der Nothwendigkeit,
-jene Menschen scharf zu züchtigen, ob sie nicht etwa in sich
-gehen und den rechten Weg einschlagen möchten. Man sah es
-ihm &mdash; sein <a id="corr-1"></a>Geschichtsschreiber sagt dies an seiner Urne mit
-der vollsten Ueberzeugung &mdash; man sah es ihm an, dass nie
-persönlicher Hass oder Feindschaft, sondern immer der redlichste
-Eifer für die Literatur ihn trieb; dass er mit einer Art
-von Wehmuth an das Amtsgeschäft einer solennen und ausführlichen
-Ausstäupung ging (mit kleinen beiläufigen Hieben
-nahm er freilich es etwas leichter); man bemerkte, wie ein geheimes
-väterliches Wohlwollen gegen die Bestraften selbst seinem
-Feuereifer für die Literatur eine gewisse rührende Milde beimischte,
-und wie er schon ein Vorgefühl von dem Danke hatte,
-den ihm die Gezüchtigten selbst, wenn sie einst zu Verstande
-kämen, bringen würden. Er war daher nicht leicht zu bewegen,
-alle Hoffnung an einem Menschen aufzugeben, und er
-wusste geschickt diese Hoffnung zu zeigen, um dem Sünder
-nicht allen Muth zur Besserung zu benehmen.
-</p>
-
-<p>
-Traf es sich nun, dass einer wirklich sich besserte, so war
-die Milde rührend, mit der er ihn wieder zu Gnaden annahm.
-So gab es in diesen Tagen einen gewissen höchst perfectibeln
-Krug, welcher freilich in der allgemeinen Achtserklärung gegen
-die philosophischen Querköpfe mitbegriffen war. Dieser
-ging in sich und gab unserm Helden eine Aehrenlese von den
-Feldern anderer Philosophen zum Verlage, worüber er vermuthlich
-auch Nicolai&rsquo;s Rath eingezogen; &mdash; denn den pflegte dieser
-keinem, der bei ihm verlegen liess, vorzuenthalten. Dafür segnete
-<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a>
-<a id="pagehdr-21" class="orig-page" title="24"></a>
-auch Gott diesen Krug, dass ihm auf eignem Boden eine
-Rechtslehre erwuchs, die einem philosophischen Recensenten
-an der allgemeinen deutschen Bibliothek wie aus der Seele geschrieben
-ist<a class="fnote" href="#footnote-5" id="fnote-5">[5]</a>. Jederman war damals der Meinung, dass
-wenn der junge Mann nur so fortführe, er es mit der Zeit
-wohl selbst bis zum ordentlichen Recensenten an der allgemeinen
-deutschen Bibliothek unter Nicolai&rsquo;s eigener Redaction bringen
-könnte.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-5-1">
-<span class="line1">Anmerkungen.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-4" id="footnote-4">[4]</a> M. s. z. B. den 6ten Band der Nicolai&rsquo;schen Reisen. S. 337 ff.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-5" id="footnote-5">[5]</a> M. s. in demselben Hefte der N. D. B., in welchem die Eingangs
-erwähnte Anzeige sich befindet (56. B. St. 1. Heft 2.), kurz vor derselben
-die Recension des Krugschen Buches.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-6">
-<span class="line1">Viertes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Worauf es, zufolge dieses höchsten Grundsatzes, unserm Helden bei allen seinen Disputen angekommen sey.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-So oft unser Held im Begriff war, seinen Mund öffentlich
-aufzuthun, um dem Zeitalter einen Rath zu geben, oder eine
-Thorheit zu misbilligen und zu züchtigen, so trieb ihn seine
-liebenswürdige Bescheidenheit immer an, zuvörderst sich zu
-entschuldigen, dass er gerade die Sache zur Sprache bringe,
-dass er sie jetzt, in diesem Zeitpuncte, bei dieser Veranlassung
-zur Sprache bringe. Hierüber gab er immer seine guten Gründe
-an. Dass er aber die Sache, wovon die Rede war, verstehe,
-und dass er die Wahrheit, die pure lautere Wahrheit sagen
-könne, darüber gab er nie einen Beweis, indem es ihm gar
-<a id="page-22" class="pagenum" title="22"></a>
-<a id="pagehdr-22" class="orig-page" title="26"></a>
-nicht beikam, dass über diesen Punct irgend ein Leser oder
-Gegner den mindesten Zweifel hegen würde.
-</p>
-
-<p>
-So hub er, als er im 11. Bande seiner Reisebeschreibung
-von Tübingen aus auf die Horen, und von diesen aus auf die
-neue Philosophie schmälen wollte, damit an, dass er beklagte:
-es scheine nun einmal sein Beruf, dem Zeitalter unangenehme
-Wahrheiten zu sagen; und fuhr dann fort und sagte seine unangenehme
-Wahrheit; und alle Leser waren überzeugt und alle
-Gegner beschämt. Entweder hatten die letzten bisher, mit dem
-eignen guten Bewusstseyn, dass sie unrecht hatten, ihr Wesen
-getrieben, lediglich um etwas Neues, in der allgemeinen deutschen
-Bibliothek Unerhörtes anzubringen und Aufsehen zu erregen,
-und Nicolai wollte dies nun offenbaren; oder, wenn sie
-wirklich geglaubt hatten, recht zu haben, so sollten sie jetzt
-aus Nicolai&rsquo;s Versicherung, dass er ihnen die wahrste Wahrheit
-sage, vernehmen, dass sie denn also doch unrecht hätten.
-</p>
-
-<p>
-So sagt man, dass er allen mündlich geäusserten Vorstellungen
-und Bedenklichkeiten seiner Freunde, besonders wegen
-seiner spätern philosophischen Streitigkeiten, immer so zu begegnen
-gepflegt habe: man müsse überall mit der Sprache gerade
-herausgehn und die Wahrheit sagen. Ob sie gefalle oder
-nicht, ob man sich dadurch Feinde mache oder nicht, darnach
-könne nicht gefragt werden. Wenn die entgegengesetzte Maxime
-gelten solle, so hätten auch die Literaturbriefe nicht geschrieben
-werden müssen. So war er auf ewig gegen die Vermuthung
-befestigt und gesichert, dass irgend jemand glauben
-könne, er habe in der Sache selbst unrecht, und hielt jene
-Warnungen für nichts weiter, als für die zärtlichen Besorgnisse
-seiner schüchternen Freunde, durch die sie ihn verleiten wollten,
-aus Sorgfalt für seine persönliche Ruhe die Sache der
-Wahrheit zu verläugnen.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-7">
-<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a>
-<a id="pagehdr-23" class="orig-page" title="27"></a>
-<span class="line1">Fünftes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Wirkliche Disputirmethode unsers Helden, aus diesem höchsten Grundsatze.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Kam es nun wirklich zum Dispute, so machte unser Held
-es sich zum einzigen Augenmerk, die Wahrheit des Factums zu
-constatiren und dem Gegner den Ausweg des Abläugnens seiner
-That oder seiner Aeusserung abzuschneiden. Hierbei verfuhr
-er mit seiner gewöhnlichen Sorgfalt und Genauigkeit. Hatte
-er nur diesen Punct erst ins Reine gebracht, so schritt er ohne
-weiteres zum Endurtheile; denn er konnte den Glauben an den
-gesunden Menschenverstand seiner Gegner nie so weit aufgeben,
-um anzunehmen, dass sie der Thaten oder Aeusserungen,
-die sie aus seinem Munde wieder hören müssten, und von denen
-sie leicht abnehmen könnten, dass er sie misbillige, nicht
-sogleich sich innigst schämen, die Unrichtigkeit derselben einsehen
-und sie bereuen sollten.
-</p>
-
-<p>
-So kam in jenen Tagen zu Jena eine gewisse auch allgemeine
-Literaturzeitung heraus, welche sogleich in ihr Nichts
-verschwand, nachdem unser Held die Zügel der allgemeinen
-deutschen Bibliothek mit starken Händen wieder ergriffen hatte,
-und jener Zeitung die, bei Gelegenheit des Schellingschen und
-Schlegelschen Streits mit ihr zu Tage gekommene Abhängigkeit
-vorrückte. Dieser Zeitung sagte er in der oben angeführten
-unsterblichen Besitzergreifungsacte<a class="fnote" href="#footnote-6" id="fnote-6">[6]</a>, zwar mit grossmüthigem
-Bedauern, dass dieses ihr Factum gewesen, jedoch übrigens
-kurz, fest und entschlossen, auf den Kopf zu, dass sie Kant gelobt
-hätte, und Reinhold gelobt hätte, er fügte jedesmal in
-Schwabacher hinzu, <em class="italic">dass dies nicht zu läugnen wäre</em>. Freilich
-hatte jene Zeitung gehofft und geglaubt, dass kein Mensch als
-Nicolai jenen Verstoss entdeckt habe, und dass dieser es nicht
-weitersagen werde.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-24" class="pagenum" title="24"></a>
-<a id="pagehdr-24" class="orig-page" title="28"></a>
-So muss in jenen Tagen ein gewisser Fichte, von dem seit
-dem Jahre 1804 alle Nachrichten verschwinden, sein Wesen getrieben
-haben. Diesem führt unser Held in derselben klassischen
-Acte mehrere seiner höchststräflichen Aeusserungen kurz
-und gut zu Gemüthe; dass z. B. dieser Fichte, und noch dazu
-vom Anfange an, und noch dazu ganz laut gesagt habe, kein
-einziger von Kants zahlreichen Nachfolgern habe verstanden,
-wovon eigentlich die Rede sey, &mdash; ausser er, Fichte, wie sich
-verstehe, setzt unser Held dazu. (Wenn dieser Fichte nur die
-gemeinste Logik hatte, so versteht sich dies freilich; wie hätte
-er urtheilen können, dass alle übrigen es nicht verständen,
-wenn er nicht selbst es zu verstehen geglaubt hätte?) Um allen
-Zweifel über die Sträflichkeit und Absurdität dieser Aeusserungen
-zu heben, versichert er, <em class="italic">es seyen dies wirklich Fichte&rsquo;s
-eigne Worte</em>, und citirt allenthalben Buch und Seite; und in
-einigen Blättern, welche dem allgemeinen Austilgungskriege gegen
-Fichte vom Jahre 1803 entgangen, findet sich auch wirklich,
-dass diese Citationen richtig sind.
-</p>
-
-<p>
-Unser Held war ein unbarmherziger Gegner. Wie muss
-es den armen Fichte niedergedrückt haben, durch Nicolai an
-den Tag gebracht zu sehen, was von ihm zum Drucke befördert
-sey.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-7-1">
-<span class="line1">Anmerkung.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-6" id="footnote-6">[6]</a> Wir nennen die oft erwähnte Anzeige eine Besitzergreifungsacte;
-denn lasst uns nur in einer Note, die mancher Leser vielleicht auch nicht
-liest, bekennen, dass alle die getroffenen Anstalten nicht lediglich um der
-Herren Schelling, W. und F. Schlegel, Tieck, Fichte, und wie die Gezüchtigten
-noch alle heissen, unternommen sind; dass diese nur das Mittel sind zum
-höhern Zwecke, und die gegen sie aufgestellten Truppen nur dazu dienen,
-den Punct des eigentlichen Angriffs zu verdecken. Dieser geht, dass wir
-es nur zu unsrer eigenen Demüthigung gerade heraussagen, eigentlich &mdash;
-<em class="italic">gegen die Jenaische Literaturzeitung</em>.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Nicht von den anzuzeigenden Schriften &mdash; eigentlich den zwischen
-Schelling, A. W. Schlegel und der A. L. Z. gewechselten Streitschriften &mdash;
-nein, vom unsterblichen Stifter der A. D. B. hebt die Rede an, wie dieser
-zuerst die Idee gefasst, zur Verhütung aller Einseitigkeit und Parteilichkeit (!)
-Mitarbeiter aus allen deutschen Ländern und Provinzen einzuladen. S. 145.
-lässt sich zwar nicht läugnen, dass <em class="italic">auch die Redactoren der A. L. Z. dieser
-Idee gefolgt</em>. S. 150 aber sind bei ihr gerade die unangenehmen
-Fälle eingetreten, &bdquo;<em class="italic">welche der Stifter der A. D. B. eben durch die Einladung
-von Mitarbeitern aus allen deutschen Ländern und Provinzen &mdash;
-vom Anfange an &mdash; so vorsichtig zu vermeiden wusste</em>.&ldquo; Es bekamen
-nemlich <em class="italic">nun</em> &mdash; wie denn <em class="italic">nun</em>? folgten denn nun die Redactoren der <em class="italic">A. L. Z.</em>
-nicht mehr der Idee des unsterblichen Stifters der A. D. B.? Ei, was
-weiss ichs: kurz &mdash; &bdquo;es bekamen <em class="italic">nun</em> durch die individuelle Lage der Redactoren
-der <em class="italic">A. L. Z.</em> gegen Mitarbeiter, die mit ihnen in zu naher Verbindung
-an Einem Orte lebten, und gegen deren Freunde, persönliche Rücksichten
-einen merklichen Einfluss auf das Werk, welcher demselben sicher
-nicht vortheilhaft war, und &mdash; <em class="italic">bei unparteiischen Lesern <em class="gesperrt">das Vertrauen
-zu demselben sicher verminderte</em></em>.&ldquo; &mdash; In der ganzen Anzeige kann
-man weiter ersehen, wie eben durch jene Streitschriften der <em class="italic">A. L. Z.</em> und
-ihrer Gegner, &bdquo;die freilich keinem von beiden Theilen vortheilhaft sind&ldquo; und
-deren <em class="italic">deswegen</em>, &bdquo;gegen die sonstige Gewohnheit der D. B., in anderen gelehrten
-Zeitschriften erhobene Streitigkeiten aufzunehmen und fortzuführen,&ldquo;
-allerdings erwähnt werden musste &mdash; wie, sage ich, durch jene Streitschriften
-so recht an den Tag gekommen, dass die Schlegel und Schelling in die
-<em class="italic">L. Z.</em> Einfluss gehabt, dass diese von ihnen <em class="italic">abgehangen</em>. Nun kann der
-scharfsinnige Leser selbst ermessen, welch&rsquo; ein erbärmlicher Wicht die <em class="italic">L. Z.</em>
-seyn möge, da sie von so erbärmlichen Wichten, deren und ihrer Freunde
-Personalien eben deswegen hier wieder in frisches und geschärftes Gedächtniss
-gebracht werden mussten, abgehangen; &mdash; diese <em class="italic">L. Z.</em>, von der sich ohnedies
-nicht läugnen lässt, dass sie Kant gelobt, und Reinhold gelobt.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Dagegen kann jeder Leser wissen, dass die D. B. der neuen und
-neusten Philosophie von jeher im Wege gestanden; die unartigen Schleifwege,
-auf denen sich doch einmal ein gutes Wörtchen über sie in diese B. eingeschlichen,
-sind nun auch entdeckt und, besonders seit Nicolai wieder das
-Regiment führt, sicherlich verhauen. Es ist der Bescheidenheit, die alles
-Selbstlob verschmäht, angemessen, dieses anonym in den letzten Heften der
-bei Bohn herauskommenden neuen B. zu der Zeit, da die ersten Bände der
-wieder alt gewordenen B. bei Nicolai erscheinen, und das Vertrauen der Leser
-zur <em class="italic">A. L. Z.</em> durch den Schellingschen Streit in frischer Verminderung
-begriffen ist, gehörig auseinanderzusetzen, damit die Leser wissen, wohin
-sie sich nun mit ihrem Vertrauen zu wenden haben.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Jene Anzeige ist sonach, ihrer wahren Bestimmung nach, eine Besitzergreifungsacte
-des alten Vertrauens für die alte Bibliothek, von dessen Verminderung
-der alte Herausgeber doch einige Spur haben muss.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Wir wünschen sehr, dass der scharfsinnige und scharftreffende Herr
-Hofrath Schütz diese wahre Tendenz jener Anzeige ja nicht merke, sondern
-sie unbefangen als eine blosse Ausstäupung dieser Schlegel, dieses Schellings,
-dieses Fichte hinunterschlucke; auch, dass nicht etwa diese unsere
-Note ihm zu Gesichte komme: denn sonst &mdash; möchten wir nicht an Herrn
-Nicolai&rsquo;s Stelle seyn. Auch dürfte sodann vielleicht uns selbst unser Eifer
-für die Ehre und den Flor jenes grossen literarischen Instituts nicht zum
-Besten bekommen.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-8">
-<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a>
-<a id="pagehdr-26" class="orig-page" title="31"></a>
-<span class="line1">Sechstes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Eine der allersonderbarsten Meinungen unsers Helden, zufolge jenes höchsten Grundsatzes.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Mag der Grund in einer ursprünglichen Unfähigkeit der
-Natur unsers Helden, oder in einer frühern Verbildung desselben
-gelegen haben, kurz, es war unter seinen grössten Verehrern
-und wärmsten Freunden darüber nur Eine Stimme, dass
-er für die Philosophie ganz untauglich sey. Sein Geist war ein
-dürrer Chronikengeist. Nie vermochte er sich über die Erfahrung,
-und zwar über die Erfahrung im allerniedrigsten Sinne
-des Worts, über das blosse Aneinanderknüpfen von Sinneseindrücken
-und den Erzählungen davon hinweg, bis zum Begriffe
-eines allgemeinen Gesetzes, nach dem jene Erscheinungen
-erfolgten, oder erfolgen sollten, als dem <em class="italic">Materiale</em> aller
-Philosophie, zu erheben. Doch was rede ich von dem Begriffe
-eines Gesetzes? Nicht einmal zu dem Begriffe eines Vordersatzes
-wusste er sich zu erheben; wie hätte er sonach jemals
-die leiseste Ahnung, auch nur von dem <em class="italic">Formalen</em> der Philosophie,
-von dem Zusammenhange der Gedanken in einer philosophischen
-Untersuchung, von dem Werthe und der Bestimmung,
-die sie von der Stelle erhalten, da sie stehen, von einem
-organischen Ganzen des Denkens, haben können? Jeden
-möglichen Gedanken, den er äusserte, trug er vor als unmittelbar
-gewiss, und durch sich selbst klar; ob, weil er ihn
-sagte, oder durch die Art, wie er ihn sagte, lassen wir an
-seinen Ort gestellt. Diese alle gleich unmittelbar gewissen Gedanken
-<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a>
-<a id="pagehdr-27" class="orig-page" title="33"></a>
-setzte er nun zusammen, wie sie ihm unter die Hände
-kamen, jeden möglichen an jeden andern möglichen, und so verwandelte
-sich ihm alles menschliche Denken in einen grossen
-Sandhaufen, in welchem jedes Körnchen für sich besteht, und
-alle durcheinander geworfen werden können, ohne dass in dem
-Einzelnen etwas verändert wird. Wir werden tiefer unten Belege
-dieses Verfahrens anführen.
-</p>
-
-<p>
-Nun ist zwar demjenigen, der zu einer gewissen Sache absolut
-unfähig ist, nicht füglich anzumuthen, dass er diese seine Unfähigkeit
-erkenne; denn gerade dasselbe, was ihn zur Sache
-unfähig macht, macht ihn auch unfähig, seine Fähigkeit zur
-Sache zu beurtheilen. Aber bei gewöhnlichen Menschen wird
-durch ein dunkles Gefühl ersetzt, was ihnen an klarem Urtheil
-abgeht. So ist es in Absicht des Faches, wovon wir hier sprechen,
-nichts Seltenes, Personen, wenn sie nur nicht als Professoren
-der Metaphysik, oder als philosophische Recensenten
-an der A. D. B. ihr Brot verdienen müssen, gestehen zu hören,
-dass Metaphysik ihr wahres Kreuz sey, dass es ihnen damit
-noch nie recht habe gelingen wollen, oder wenn sie mehr Eigendünkel
-haben, dass dies leere Spitzfindigkeiten seyen, mit
-denen sie sich den Kopf zerbrechen, &mdash; nur nicht möchten. &mdash;
-Ferner hat ja jeder Mensch irgend einen vertrautern Bekannten
-oder Freund; und Nicolai hatte deren so viele unter seinen
-Zeitgenossen, die sich doch auch ein Urtheil über Philosophie
-zuschrieben. Sollte denn niemals einer von diesen unserm
-Helden mit aller Bescheidenheit zu verstehen gegeben haben,
-dass er zwar in andern Geschäften des menschlichen Scharfsinns,
-in der Fähigkeit, die feinsten Machinationen der Jesuiten
-zu wittern, den seltensten Zuschnitt eines Predigerüberschlags
-oder einer Perrücke auszuspüren, seines Gleichen nicht habe;
-dass er aber in der eigentlich sogenannten höhern Philosophie
-nicht dieselbe Stärke besitze? Setzte nicht Kant, dem unser
-Held doch auch nicht allen Scharfsinn absprach, zutrauungsvoll
-von ihm voraus, er werde wohl selbst eines Urtheils über Gegenstände
-der höhern Speculation sich bescheiden?
-</p>
-
-<p>
-Was that unser Held? Leistete er etwa, durch jenes dunkle
-Gefühl gewarnt, gleich von vornherein Verzicht auf dieses ihm
-<a id="page-28" class="pagenum" title="28"></a>
-<a id="pagehdr-28" class="orig-page" title="34"></a>
-durch seine Natur verschlossene Fach, oder achtete er auf
-jene Warnungen, und gab späterhin seine Theilnahme an demselben
-auf?
-</p>
-
-<p>
-Wie konnte er? Gehört denn nicht die Philosophie zum
-Umfange der menschlichen Kenntnisse, und ist sie nicht von
-jeher von allen Besitzern dieser Kenntnisse sogar an die Spitze
-derselben gestellt worden? Hatte nicht die Bibliothek von jeher
-auch das Fach der Philosophie umfasst? War es denn
-möglich, dass jemand Redacteur dieser Bibliothek, sonach die
-Seele derselben, sonach die Seele aller Geistesbildung wäre,
-der nicht eben darum der erste untrüglichste und allumfassendste
-aller Philosophen sey? Das Höchste, was er aus Herablassung
-gegen den alten Mann, den Kant, thun konnte, war,
-dass er einen historischen Bericht über seine philosophische
-Bildung abstattete. Aber gerade das, dass man fähig gewesen
-war, jenen Zweifel über unsers Helden Fähigkeit zu erheben,
-zeigte am deutlichsten den tiefen Verfall und die schreckliche
-Verwilderung in diesem Fache, und machte es ihm zur dringendsten
-Pflicht, von nun an alle seine Kräfte der Wiederherstellung
-desselben zu widmen.
-</p>
-
-<p>
-Auch hier, so wie allenthalben ging unser Held von dem
-Princip aus: ich, Friedrich Nicolai, bin anderer Meinung als ihr;
-und daraus könnt ihr ersehen, dass ihr unrecht habt. Er hat
-diesen höchsten Grundsatz seines speculativen Systems mehrere
-Male in bestimmten Worten ausgesprochen, ohnerachtet er
-sonst mehr für den rhapsodischen als für den systematischen
-Gang war. Es gehört zur Geschichte des Helden, wenigstens
-einige jener Aussprüche anzuführen.
-</p>
-
-<p>
-Jacobi hatte geäussert, und durch eine mit Lessing gehabte
-Unterredung belegt, dass der letztere in der höhern Speculation
-den Spinozischen Principien zugethan gewesen. Jene Aeusserung
-Jacobi&rsquo;s musste &mdash; so wollten es die Freunde und &mdash; Ehrenretter
-des Verstorbenen &mdash; nicht wahr seyn; Lessing musste
-von den gesunden und moderaten Begriffen eines Nicolai und
-Mendelssohn nicht abgewichen seyn. Auch unser Held brachte
-seinen Beweis gegen Jacobi an. Und was für einen Beweis
-brachte er an? &mdash; <em class="italic">Er, Nicolai, könne am gewissesten sagen,
-<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a>
-<a id="pagehdr-29" class="orig-page" title="36"></a>
-dass Jacobi Lessing sicherlich misverstanden hätte, indem er
-sagen könne, dass &mdash; <em class="gesperrt">Er selbst mit Lessing über jene
-Materie disserirt hätte</em></em><a class="fnote" href="#footnote-7" id="fnote-7">[7]</a>. Freilich war Jacobi nun hinlänglich
-beschämt. Welcher Leser hätte nach einem solchen
-Zeugnisse noch ein Wort von ihm angehört; und was hätte
-er auch vorbringen können, ohne vor sich <em class="italic">selbst</em> bis in die innerste
-Seele zu erröthen? &mdash; Auf dieselbe Weise fürchtete er
-in der erwähnten berühmten Acte, dass freilich wohl <em class="italic">andere</em>
-Gelehrte glauben möchten, hinter den spitzfindigen Grübeleien
-der Ichphilosophie und der daraus gefolgerten speculativen Physik
-und Poetik stecke vielleicht etwas Wichtiges verborgen. <em class="italic">Er</em>
-aber, <em class="italic">Er Nicolai</em> wusste sehr wohl und verkündigte laut, dass die
-Nullität jener Philosophie nur immer deutlicher erhellen werde,
-und dass man im Jahre 1803 darüber mehr würde sprechen
-können<a class="fnote" href="#footnote-8" id="fnote-8">[8]</a>.
-</p>
-
-<p>
-Aus diesem hier und da deutlich ausgesprochenen Princip
-führte nun unser Held unverrückt sein Richteramt in der Philosophie;
-auch da, wo er jenes Princip nicht deutlich aussprach.
-Alle seine Beweise beruhten allein darauf. Er hatte, seiner <em class="italic">Bildung</em>
-zufolge, einst gleichfalls Philosophie studirt, die philosophische
-Wahrheit ausgemessen, umfasst und in sich aufgenommen. Was
-damit übereinstimmte, &mdash; war freilich nie so stark, so durchgeführt,
-so trefflich gesagt, als er es gesagt haben würde, wenn
-er nur Zeit dazu gehabt hätte, aber da er diese nun einmal
-nicht hatte &mdash; mochte es doch existiren! Was damit nicht
-übereinstimmte, bei jener allgemeinen Ausmessung des philosophischen
-Gebiets von Nicolai nicht mit ermessen war, &mdash; Jacobi&rsquo;s,
-Kants, der transscendentalen Idealisten Philosopheme &mdash;
-welche Frage, ob sie falsch seyen? Wie konnten sie anders?
-&mdash; indem ja, wenn sie wahr wären, Nicolai sie schon ehedem,
-eh&rsquo; von allen diesen Menschen etwas gehört wurde, gefunden
-haben müsste. Falsch waren sie, das verstand sich, und unser
-Held musste, seinem beständigen Kriegsplane nach, ohne weiteres
-mit den Waffen des Lächerlichen dagegen vorschreiten.
-</p>
-
-<p>
-Kant war, als er mit seinem Systeme hervortrat, schon bejahrt,
-und dieses Verdienst blieb in den reifern Jahren unsers
-Helden nie ohne Wirkung auf ihn. Auch mochte vielleicht jener
-<a id="page-30" class="pagenum" title="30"></a>
-<a id="pagehdr-30" class="orig-page" title="37"></a>
-Philosoph, der bekanntlich sehr verschiedene Stufen der Bildung
-durchgegangen war, auf einer der frühern dieser Stufen einigen
-Wohlgefallen an der Aufklärerei der Bibliothekare gefunden und
-geäussert haben. Kant war daher ein übrigens (inwiefern er
-Nicolai&rsquo;s Grundprincip anzuerkennen schien) vernünftiger und
-gelehrter Mann, an welchem es umsomehr zu bewundern
-war, dass er Sätze als wahr behaupten könne, die Nicolai nicht
-aufgefunden. Die Streiche des Lächerlichen konnten ihm freilich
-nicht geschenkt, sondern mussten vielmehr, gerade weil
-er ein übrigens vernünftiger Mann war, von dem noch am ersten
-Besserung sich hoffen liess, wo möglich geschärft werden.
-</p>
-
-<p>
-Jacobi, als er als Schriftsteller auftrat, eben so die transscendentalen
-Idealisten, waren jünger als Nicolai; und in Rücksicht
-des jungen Anwuchses hatte unser Held die Maxime, sie
-scharf zu züchtigen, damit er in reiferen Jahren Ehre und Freude
-an ihnen erlebe. Daher war Jacobi einer jener mittelmässigen
-Köpfe, die alles drucken lassen, was sie etwa im Discurs gehört
-haben, oder vielmehr halb gehört haben, um sich ein Ansehn
-zu geben, ein Mann, der seine Materie nie recht durchdacht
-hatte, der nicht einmal schreiben konnte<a class="fnote" href="#footnote-9" id="fnote-9">[9]</a>. Die transscendentalen
-Idealisten waren Querköpfe, und wer weiss was
-sie noch alles waren.
-</p>
-
-<p>
-Und so benahm unserm Helden bis an sein Ende niemand
-die selige Ueberzeugung, dass im Umrütteln des oben erwähnten
-Sandhaufens das wahre Philosophiren bestehe; dass dies
-keiner besser könne, als er; und dass er sonach nicht nur der
-erste Philosoph aller Zeiten, sondern zugleich auch der gewaltigste
-philosophische Streiter sey. Die in seinen letzten Jahren
-häufiger an ihn ergehenden Zurufe, dass er in diesem Fache
-gar nichts verstehe, und hierüber am wenigsten eine Stimme
-habe, dienten ihm zum äussern, seiner innern Ueberzeugung
-freilich entbehrlichen Beweise, dass jene seine Meinung, von
-seiner philosophischen Superiorität, von jederman im Herzen
-anerkannt werde. Denn, sagte er bei sich selbst, wenn sie
-hoffen könnten, gegen meine Gründe etwas auszurichten, so
-würden sie ja diese zu entkräften suchen. Aber, da der blosse
-Anblick dieser Gründe sie zur Verzweiflung bringt (welches
-<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a>
-<a id="pagehdr-31" class="orig-page" title="39"></a>
-sich auch allerdings also verhielt): so bleibt ihnen nichts übrig,
-als einen Machtspruch zu thun, und zu sagen: ich verstehe
-nichts von der Sache. Dies aber beweist mir, dass sie wohl
-einsehen, ich allein verstehe die Sache.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-8-1">
-<span class="line1">Anmerkungen.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-7" id="footnote-7">[7]</a> M. s. <em class="italic">Jacobi wider Mendelssohns Beschuldigungen etc.</em> (Leipzig
-bei Goeschen 1786, eine Schrift, deren Inhalt noch immer zur Tagesordnung
-gehört) S. 99., wo Jacobi die A. D. B. 65. B. 2. St. S. 630. citirt. &mdash;
-Eben daselbst sind die Beschuldigungen nachgewiesen, dass Jacobi nicht
-schreiben könne, seiner Materie nie mächtig sey, u. s. w.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-8" id="footnote-8">[8]</a> M. s. S. 167 der oft angeführten Anzeige in der N. D. B.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-9" id="footnote-9">[9]</a> In dem von ihm selbst herausgegebenen Lessingschen Briefwechsel
-mit Ramler, Eschenburg, Ihm (bei Ihm 1794) sagt Nicolai in der Vorrede,
-nachdem er beklagt, dass Mendelssohn Lessings Charakteristik nicht herausgegeben,
-&mdash; woran bekanntermaassen diesen Freunden Lessings zufolge
-Jacobi&rsquo;s Notiz über Lessings wahres speculatives System ihn verhindert haben
-sollte: &bdquo;dies ist nicht der erste Schaden, den die in Deutschland so
-übliche Anekdotenjägerei&ldquo; &mdash; oder vielmehr Klatscherei (gab es in Deutschland
-wohl je eine ärgere Klatsche, als der Verfasser der bekannten Reisen?)
-&bdquo;angerichtet hat, <em class="italic">da</em> jeder mittelmässige Kopf, was er etwa im Discurse
-hört, &mdash; oder halb hört, <em class="italic">gleich</em> drucken lässt &mdash; um (Nicolai&rsquo;s bekannte
-pragmatische Methode) sich ein Ansehen zu geben.&ldquo; Jacobi eben sollte nur
-halb gehört haben; er war es, durch dessen Druckenlassen die allein heilbringende
-Philosophie so aufgebracht war. Er war dieser Eine unter den
-mittelmässigen Köpfen.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Armer Wicht, ahnete dir denn gar nicht von den Versuchungen des
-Teufels, als du diese Stelle niederschriebst? Hattest du denn gar keinen
-Freund, der dir in die Ohren geraunt hätte, dass wenn die Geisteskraft dieses
-mittelmässigen Kopfes, Friedrich Heinrich Jacobi, unter zehnmalzehnmal
-zehn Nicolai zu gleichen Theilen vertheilt würde, jeder dieser Nicolai seinen
-Kopf doch noch mit weit mehr Ehre durch die Welt tragen würde, als du,
-allererbärmlichster Friedrich Nicolai?
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Und hiebei denn für mehrere Stellen dieser Schrift folgende Bemerkung.
-Ohnerachtet zwischen Jacobi und mir sich merkliche Differenzen erhoben
-haben, deren Hauptgrund ich darin finde, dass Jacobi über sehr wesentliche
-Puncte mich nicht genug verstanden, oder, wenn der Fehler an meinem
-Ausdrucke liegt, diese Puncte nicht in den Zusammenhang hineindenkt, aus
-welchem sie in meinem Denken hervorgehen, und in welchen ich sie sobald
-als möglich für alle Denker deutlich hineinsetzen werde &mdash; vielleicht
-auch mit darin, dass Jacobi in seinem Kriege gegen den Nicolaismus sich
-gewöhnt hat, bei jedem seiner Gegner wenigstens eine kleine Portion dieses
-Nicolaismus, d. i. der leeren zwecklosen Denkerei, vorauszusetzen; &mdash; ferner,
-wie Jacobi über mich und meine Unternehmungen auch je sich äussern,
-und ich nöthig finden möchte, diesen Aeusserungen zu begegnen; endlich,
-wenn es sich auch zutragen sollte, dass Jacobi nach dem allgemeinen
-menschlichen Schicksale späterhin durch Altersschwäche herabsänke, es selbst
-nicht bemerkte, keinen Freund hätte, der ihn warnte, und so vor dem Publicum
-seinem ehemaligen Selbst unähnlich erschiene: so soll mich doch
-dieses alles nicht abhalten, ihn für das Vergangene für einen der ersten
-Männer seines Zeitalters, für eines der wenigen Glieder in der Ueberlieferungskette
-der wahren Gründlichkeit, laut anzuerkennen: und dies nicht, um
-irgend jemandes Neigung mir zu erhalten, sondern weil es sich so gebührt.
-Hochachtung vor Männern gründet sich nicht auf zufällige Beziehungen, sondern
-auf Erkenntniss ihrer Verdienste; und es giebt des Achtungswürdigen
-wahrlich nicht so viel, dass man Ursache hätte, selbst dieses noch um kleiner
-Verstösse, oder wohl gar aus persönlichen Gründen, herabzusetzen.
-Ich erinnere dieses einmal für immer für diesen und ähnliche Fälle zur
-Vermeidung alles Anstosses und Misverständnisses, in unserm Zeitalter der
-Parteien. Es giebt nur Eine Partei, die man zu ergreifen hat, die für das
-Talent und die Gründlichkeit, und gegen die Dummheit und die Bosheit; von
-dieser Partei zu seyn, hat der Verfasser immer gewünscht.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-9">
-<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a>
-<a id="pagehdr-32" class="orig-page" title="40"></a>
-<span class="line1">Siebentes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Eine andere fast noch unglaublichere Meinung unsers Helden von sich selbst, zufolge jenes höchsten Grundsatzes.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Ein anderes, beinahe unerklärliches Misgeschick unsers Helden
-war dies, dass, obgleich er allein mehr Papier beschrieben,
-als ein Dutzend seiner schreibseligsten Zeitgenossen, er doch
-bis an sein Ende nicht schreiben lernte. Man fand keine Zeile
-bei ihm, in welcher nicht ein oder ein paar unrecht angewendete
-Wörter und einige überflüssige vorgekommen wären. Am
-<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a>
-<a id="pagehdr-33" class="orig-page" title="42"></a>
-deutlichsten konnte man dies sehen, wenn man etwa das Unglück
-hatte, einiges aus seinen Druckschriften abschreiben zu
-müssen. Der Verfasser dieser seiner Geschichte sieht mit
-Schrecken vorher, dass tiefer unten diese Nothwendigkeit ohnedies
-ihn treffen werde. Er könnte es über das Herz bringen,
-grausamen Lesern, die ihm wohl gar anmuthen dürften, auch
-hier besondere Belege für seine Behauptung beizubringen, dafür
-anzuwünschen, dass sie selbst ein paar Seiten von Nicolai
-abschreiben müssten.
-</p>
-
-<p>
-Das Ganze seines Vortrages aber war so beschaffen: Es
-lag ihm stets innig am Herzen, dass seine Leser ihn doch ganz
-vernehmen und recht verstehen möchten. Es kam ihm daher,
-so wie er den ersten Perioden geendet hatte, immer so vor,
-als ob er noch was vergessen und noch nicht deutlich genug
-geredet hatte. Er fing sonach in einem zweiten wieder von
-vorn an, um zu sehen, ob ihm nicht im Reden das Vergessene
-beifallen, und ob es ihm mit der Deutlichkeit diesmal nicht noch
-besser gelingen möchte. Da es ihm nun aber mit dem zweiten Perioden
-eben so ergangen seyn könnte, wie bei dem erstern, so
-musste er nun freilich in einem dritten, und nach Endigung dieses
-in einem vierten wiederum von vorn anfangen, und so immerfort.
-So rang er rastlos nach immer höherer Deutlichkeit und Vollständigkeit;
-und wenn er endlich doch einmal aufhörte, wie
-er denn wirklich zuletzt noch immer aufgehört hat, so geschah
-dies lediglich darum, weil seine übrigen wichtigen Geschäfte
-ihn abriefen und ihm die nöthige Zeit zur vollkommenen Ausführung
-seines Themas nicht verstatteten.
-</p>
-
-<p>
-Dabei hatte er eine grosse Liebhaberei zum Witze, und
-seinen Geist schon früh bei den geistreichen Engländern,
-den Shaftsbury, Buttler, Smollet, den Verfassern des John Bunkel
-u. a. in die Nahrung gethan. Dennoch behielten bis in sein
-goldenstes Zeitalter, &mdash; das der Gundiberte und der witzigen
-Theile von den Reisen &mdash; seine Spässe eine gewisse dicke
-Zähheit, Plattheit und Gemeinheit. &mdash; Da man in Nicolai&rsquo;s Witze
-den grössten Theil des polemischen Witzes seines Zeitalters
-zugleich mit charakterisirt, so dürfte vielleicht eine kurze Classification
-dieses Witzes hier nicht an der unrechten Stelle stehen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a>
-<a id="pagehdr-34" class="orig-page" title="43"></a>
-Wir theilen diesen Witz trichotomisch ein, und finden
-an ihm eine vollständige Synthesis. Die erstere Art ist der
-<em class="italic">repetirende</em> Witz; wenn am Markte einer aus dem Pöbel vor
-dem ganzen herumstehenden Haufen einer Hökerin sagt: du bist
-eine Diebin; und diese sich zu dem Haufen wendet und schreit:
-&bdquo;Ich bin eine Diebin; sagt er:&ldquo; <em class="italic">Absolute Thesis des Witzes.</em>
-Mit dieser Art pflegte unser Held seinen Widersachern die tiefsten
-Wunden zu schlagen; und die Schule der transscendentalen
-Philosophen soll allein daran sich zu Tode geblutet haben.
-&mdash; Die zweite Art des Witzes ist die <em class="italic">der einfachen Retorsion</em>;
-wenn jener sein Wort: &bdquo;du bist eine Diebin&ldquo; wiederholt,
-und die Hökerin ihm nun antwortet: &bdquo;nein du, du bist ein Dieb:&ldquo;
-<em class="italic">Antithesis des Witzes.</em> Auch diese Art wusste unser Held vortrefflich
-zu handhaben, und bediente sich derselben häufig.
-Endlich, die dritte Sorte ist die <em class="italic">der spöttischen Retorsion</em>;
-wenn unser Mann sein Wort nochmals wiederholt, und die Hökerin
-ihm antwortet: &bdquo;ja du wärst mir der Rechte, dass du
-mir das sagen solltest, du sähst mir so aus, du hättest es auf
-dem Leibe:&ldquo; <em class="italic">Synthesis des Witzes.</em> Man muss es unserm Helden
-zum Ruhme nachsagen, dass er dieser letzten beissenden
-Sorte, ohnerachtet er auch sie sehr geschickt zu behandeln verstand,
-sich doch nur selten, und nur gegen sehr eingewurzelte
-Schäden bediente. Dies war der Umfang seiner Schalkheit,
-und andere Sorten haben in seinen zahlreichen Schriften sich
-nicht gefunden.
-</p>
-
-<p>
-So war es mit Nicolai&rsquo;s Talent zur Schriftstellerei nach der
-Wahrheit beschaffen.
-</p>
-
-<p>
-Was glaubte nun er selbst über dieses Talent? &mdash; Lasset
-uns auch hier billig seyn. Wenn ein alter, misgeschaffener,
-von Gicht und Podagra zerrissener Faun, der in einem vorüberfliessenden
-Bache seine Gestalt erblickte, dieselbe männlich anständig
-und ehrwürdig fände: wer würde es ihm so sehr verdenken?
-Gehören doch die Augen, durch welche er sieht, auch
-zu ihm selbst. Wenn aber derselbe die krampfhaften Zuckungen
-der Gicht in seinem behaarten Gesichte für ein Lächeln
-der himmlischen Venus, und das Schlottern seiner verdorrten
-Schenkel und die Bebungen seiner spitzigen Bocksfüsse für die
-<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a>
-<a id="pagehdr-35" class="orig-page" title="45"></a>
-Tanzübung einer Grazie ansähe: so würde dies doch zu sehr
-das Mittelmaass der einem Faun allenfalls zu verstattenden Eigenliebe
-überschreiten.
-</p>
-
-<p>
-Es erging unserm Helden nicht viel besser als diesem Faune.
-Dass er sich für einen Richter und Meister über Sachen des
-Stils gehalten, beweisen theils der Tadel, den er so oft gegen
-anderer Schreibart ergehen lassen, wenn er z. B. Jacobi, ohne
-Zweifel einem der besten Stilisten seines Zeitalters, vorrückte:
-er könne nicht schreiben; theils die Liebkosungen, die er von Zeit
-zu Zeit ganz unverhohlen seinem eignen Vortrage machte, indem
-er sagte: die blossen Büchergelehrten wüssten gar nicht, wie
-man dem Publicum etwas vortragen müsse; er aber, ein Mann,
-der in der Welt gelebt, wisse es, und darauf Proben von dieser
-Fertigkeit gab<a class="fnote" href="#footnote-10" id="fnote-10">[10]</a>. Für welchen satirischen Kopf und durchtriebenen
-Schalk er sich gehalten, ist daraus zu ersehen, dass
-er die Horazisch-Shaftsburysche Maxime, durch das Lächerliche
-die Thorheit an den Tag zu bringen, zu der seinigen gemacht,
-und bis an sein Ende geglaubt, dass er der geborne und bestellte
-Verfolger aller Thorheit durch jene Waffen des Lächerlichen
-sey. Diese Meinung, da sie durchaus ohne alle äussere
-Veranlassung und von aller Wahrscheinlichkeit entblösst war,
-konnte durch nichts Anderes entstanden und befestigt seyn,
-ausser durch die Begriffe, welche unser Held von seinen Talenten
-überhaupt hatte.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-9-1">
-<span class="line1">Anmerkung.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-10" id="footnote-10">[10]</a> In sehr vielen Stellen der Nicolaischen Reisebeschreibung.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-10">
-<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a>
-<a id="pagehdr-36" class="orig-page" title="46"></a>
-<span class="line1">Achtes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Sonderbare Begriffe unsers Helden über seine und seiner Gegner gegenseitige Rechte, aus jenem höchsten Grundsatze.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Da, wie gesagt, unser Held voraussetzte, dass er nie anders
-als recht haben könnte, und dass alle Welt gleichfalls,
-wenigstens im Herzen, derselben Ueberzeugung wäre, dass er
-nie unrecht haben könnte: so begegnete es ihm nicht selten, dass
-er seinem Gegner gerade dasselbe ernstlich verwies, was er
-selbst immer that, und vielleicht in demselben Augenblicke
-that, da er es jenem verwies. Sie sollten nemlich denken: ja
-dem Nicolai ist das wohl erlaubt, denn der hat recht; uns
-aber ist es nicht erlaubt, denn wir haben ja unrecht.
-</p>
-
-<p>
-So, nachdem er in der berühmten Acte mit grossmüthigem
-Bedauern gemeldet, dass es das Schicksal der Jenaischen allgemeinen
-Literatur geworden, Kant zu loben, und Reinhold:
-sagt er einige Seiten später ohne Bedauern, vielmehr mit Ruhme,
-dass seine allgemeine Literatur der neuen und neuesten Philosophie
-stets im Wege gewesen<a class="fnote" href="#footnote-11" id="fnote-11">[11]</a>. Man sollte meinen, Parteilichkeit
-<em class="italic">für</em> und Parteilichkeit <em class="italic">wider</em> sey doch immer beides
-Parteilichkeit, und eine der andern werth. &mdash; Ja, aber die neue
-und neueste Philosophie ist ja falsch, denn sonst könnte die
-alte Nicolaische nicht wahr seyn; und es ist sonach allerdings
-ruhmwürdig, der ersten im Wege zu stehen, und sehr tadelnswürdig,
-sie zu loben.
-</p>
-
-<p>
-In derselben Acte beschuldigte er die Herren Schelling, A. W.
-Schlegel, Fichte, dass sie günstige Beurtheilungen ihrer
-Schriften in die Jenaische Allgemeinheit zu bringen, ja, dass
-der letztere sogar die bibliothekarische Allgemeinheit sich geneigt
-zu machen gesucht habe. Wenn sich dies auch nun so
-verhalten hätte (mikrologische Geschichtsforscher jener Zeiten,
-die ihren Fleiss sogar über die Lebensumstände jener nun vergessenen
-<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a>
-<a id="pagehdr-37" class="orig-page" title="47"></a>
-Schriftsteller verbreiten, versichern einstimmig, diese
-hätten die Wahrheit jener Beschuldigung beständig abgeläugnet),
-wenn es sich nun auch so verhalten hätte, hätte es ihnen denn
-Nicolai so sehr verdenken sollen, der sich rühmt, in seiner Bibliothek
-nur ungünstige Recensionen jener Philosophie, die eben
-darum seiner eigenen günstig sind, zuzulassen; und von welchem
-es in jenen Tagen bekannt war, dass er auch der Jenaischen
-allgemeinen Literatur dasselbe Princip angemuthet, und
-einem der Statthalter jener Literatur derb den Kopf dafür gewaschen,
-dass man ein paar Schriften von Fichte durch Reinhold
-habe recensiren lassen, und nicht vielmehr durch einen
-Mann, &mdash; &bdquo;der die Blössen jener Fichteschen Philosophie so
-recht an den Tag gebracht hätte?&ldquo; &mdash; Aber, war es denn jenen
-Männern noch nicht gesagt worden, dass sie unrecht hätten,
-von Nicolai selbst gesagt worden? War es nicht eine
-Schande, dass sie das Gift ihrer verworfenen Meinungen, mit
-dem sie für ihre Person leider angesteckt waren, nun auch
-durch die geheiligten Quellen der öffentlichen Literaturen in
-das Publicum zu bringen suchten, anstatt in die Einsamkeit
-sich zurückzuziehen und sich selbst heilen zu lassen?
-</p>
-
-<p>
-Dem Fichte besonders wird in jener Acte ein schweres
-Sündenregister zu Gemüthe geführt<a class="fnote" href="#footnote-11">[11]</a>. &bdquo;Er habe sich in Jena
-auf Reinholds Stuhl gesetzt&ldquo; (man hat mehrere Erklärungen der
-Antiquitätenkenner von dieser wichtigen Stelle, keine aber befriedigt
-uns, und wir müssen daher sie, die sehr leicht das
-grösste Verbrechen jenes Mannes enthalten mag, als unverständlich
-übergehen); &bdquo;er habe gewusst, diesen so ungemein verehrten
-Lehrer bei den Studenten in Jena in kurzer Zeit fast
-in Vergessenheit zu bringen.&ldquo; Unser Held hat nicht hinzugesetzt,
-welcher Mittel sich hierbei der Mann bedient; auf jeden Fall
-aber sollte man hieraus beinahe schliessen, dass es demselben
-nicht an allem Lehrertalente gefehlt haben müsse. Dies ist
-doch wohl nicht sein Vergehen? &mdash; Vielleicht nur der üble Gebrauch,
-den er von jenem Talente machte? Aber der Reinhold,
-den er in Vergessenheit brachte, war ja, nach den Nachrichten
-der besten Geschichtschreiber, selbst ein Kantianer, und weit
-davon entfernt, in den Umkreis der allein wahren Bibliothek
-<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a>
-<a id="pagehdr-38" class="orig-page" title="48"></a>
-zu gehören. Diesen in Vergessenheit gebracht zu haben, kann
-Fichte&rsquo;s Vergehen nicht seyn. &mdash; Lesen wir weiter. &bdquo;<em class="italic">Nun</em>&ldquo;
-(hier mildert der grossmüthige Mann ganz offenbar die Schuld
-des Angeklagten. Nach den besten Nachrichten hatte Fichte
-nicht erst, nachdem es ihm bei den Studenten gelungen war,
-Reinhold in Vergessenheit zu bringen, sondern sogar schon
-vor seiner Ankunft in Jena eine Schrift verfasst und dem Drucke
-übergeben, in welcher er geradezu die Kantische Philosophie
-für unvollendet erklärt, von den Reinholdschen Bemühungen
-bloss schonend gesprochen, und seinen Vorsatz, die Sache zu
-vollenden, bestimmt angekündigt.) &mdash; &bdquo;<em class="italic">nun</em> habe es jenem Manne
-ein Leichtes geschienen, auch Kant von dem hohen Stuhle, der
-ihm als dem <em class="italic">ersten Philosophen Deutschlands</em> gesetzt worden,
-herunterzustossen.&ldquo; Unser Held sprach nie und spricht auch
-hier nicht mit Billigung davon, dass Kant dieser hohe Stuhl gesetzt
-worden. Es war das unablässige Bestreben aller literarischen
-Thätigkeit seiner letzten Tage, ihn von diesem Stuhle
-herunterzustossen. Sonach wären ja Nicolai und Fichte einiger
-gewesen, als man glaubt, und der erstere hätte den
-letztern nimmermehr darüber tadeln können, dass er mit ihm
-für Einen Zweck arbeite. Lesen wir also weiter &mdash; &bdquo;<em class="italic">und sich
-selbst darauf zu setzen</em>.&ldquo; Ja so, dies wollte Fichte, und hierin
-liegt sein Verbrechen! Dass er Reinhold in Vergessenheit
-brachte, war brav: dass er Kant vom hohen Stuhle herunterzustossen
-suchte, verdienstlich. Nur hätte er von da an in
-die Gemeine der Bibliothek, wo der wahre hohe Stuhl mit dem
-wahren ersten Philosophen Deutschlands schon längst besetzt
-war, selbst zurückkehren und die Seinigen dahin leiten sollen.
-Dann hätte man ihm seinen akademischen Beifall wohl gönnen
-mögen; er wäre vor seinen verderblichen Irrthümern bewahrt
-geblieben, hätte Reinholds Stuhl behalten bis an sein Ende,
-und sein Name lebte noch jetzt unter den andern berühmten
-Namen der Bibliothekare.
-</p>
-
-<p>
-In derselben Acte, und sonst noch an mehreren Orten,
-verweist Nicolai Schelling und Fichte die Unanständigkeit sehr
-ernstlich, dass ihnen zuweilen ihren Gegnern gegenüber so ein
-Wort von Halbköpfigkeit entschlüpft sey. Zwar war dieses, so
-<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a>
-<a id="pagehdr-39" class="orig-page" title="50"></a>
-viel man weiss, immer nur geschehen, wenn sie im Allgemeinen
-sprachen, und nie gegen bestimmte genannte Personen.
-Zwar hatten diese Schriftsteller seit Jahren ein System dem Publicum
-vorgelegt, das seinen Grundtheilen nach vollendet und
-vollständig bewiesen und begründet war. Warum man nun
-auf dasselbe sich nicht ernstlich einlasse, darüber hatten sie bis
-zu jener Epoche noch das erste vernünftige Wort aus dem Publicum
-zu vernehmen. Keiner ihrer Gegner verstand sie, und
-alles schwatzte, und muthete ihnen an, zehnmal abgewiesene
-Misverständnisse zum eilftenmale abzuweisen. Es wäre ihnen
-vielleicht zu verzeihen gewesen, wenn ihnen im Unwillen zuweilen
-etwas Menschliches begegnete. Nicolai hatte sie unter
-ihrem Namen, und mit ihnen zugleich noch eine Menge anderer
-genannter Männer in öffentlichen Schriften Querköpfe genannt,
-und noch mancherlei andere Schimpfworte ihnen angeworfen.
-Man hätte denken sollen, eine Zusammensetzung mit Kopf sey
-der andern werth, und die Benennung des Halbkopfs, der ja
-wohl noch wachsen kann, sey immer milder, als die eines völlig
-in die Quere gedrehten Kopfes; und Nicolai hätte sonach
-recht gut gleiches mit gleichem aufgehen lassen können.
-</p>
-
-<p>
-Aber wie können wir uns auch nur einfallen lassen, hier
-eine Gleichheit des Verhältnisses zu setzen? Hatte nicht zuvörderst
-Nicolai recht, und die Wahrheit auf seiner Seite? und
-war es an ihm zu tadeln, wenn im hohen Eifer für die Wahrheit
-ihm auch wohl ein derbes Scheltwort entfuhr? Vertheidigten
-die Gegner nicht den Irrthum, und war ihnen dies nicht
-etwa gesagt? Jemanden auch noch dazu zu schimpfen, weil
-er unsern Irrthum nicht gegen die Wahrheit vertauschen will:
-welche Verkehrtheit und Impertinenz! War nicht ferner Nicolai
-ein alter Mann, und jene Schriftsteller junge Leute; und ist es
-nicht eine <a id="corr-2"></a>ausgemachte Wahrheit unter allen alten Schriftstellern
-des Nicolaischen Kreises, dass die Alten auf die Jungen schimpfen
-dürfen, so viel sie wollen, diese aber nicht wiederschimpfen,
-sondern sich ziehen lassen müssen? Respect für das Alter!
-heisst es in dieser Schule; sogar wenn der alte Mann ein alter
-Narr ist. &mdash; War Nicolai nicht der angestellte Altmeister aller
-Schriftsteller, und war es nicht sein ausdrücklicher besonderer
-<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a>
-<a id="pagehdr-40" class="orig-page" title="51"></a>
-Beruf, die Jugend durch jedes Mittel zum Guten zu ziehen; und
-konnten nicht auch harte Scheltworte unter diese Mittel gehören?
-Und diese Jugend, statt sich weisen zu lassen, schimpfte
-wieder. Welche Insubordination! Kurz, wenn Nicolai schimpfte,
-so that er es immer am rechten Orte, zu rechter Zeit, und
-schimpfte mit Grazie. Wenn andere schimpften, so war es gemein
-und pöbelhaft. Nicolai allein verstand zu schimpfen, und
-darum musste man es ihm allein überlassen.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-10-1">
-<span class="line1">Anmerkung.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-11" id="footnote-11">[11]</a> M. s. S. 147 der angeführten Anzeige in der N. D. B.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-11">
-<span class="line1">Neuntes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Wie unser Held, zufolge seines höchsten Grundsatzes, sich zu nehmen gepflegt, wenn derselbe angefochten worden.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-So fest und unerschütterlich unsers Helden Meinung war,
-dass ihn jederman für den ersten Menschen des Zeitalters anerkenne,
-so beharrlich war, wie jeder andere bemerken musste,
-sein Misgeschick, dass man ihn nicht einmal so recht im Mittelschlage
-mit wollte gelten lassen. So beliebt auch sehr bald
-seine Bibliothek wurde, so wusste man doch im grössern Publicum
-nicht viel anderes darüber, als dass er sie eben drucken
-liesse. Man hielt ihn höchstens für einen industriösen Buchhändler,
-und für einen Dilettanten in der Wissenschaft, der,
-weil viele Bücher durch seine Hände gingen, glaubte, wie eben
-jeder andere Buchhändler auch, über Bücher mitsprechen zu
-können. Für einen unstudirten Buchhändler, meinte man, möchten
-seine Räsonnements noch so hingehen. Er hat es in seinen
-<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a>
-<a id="pagehdr-41" class="orig-page" title="53"></a>
-alten Tagen dem Publicum oft genug in die Ohren rufen
-müssen, dass er sich wirklich und in der That nicht für einen
-blossen unstudirten Buchhändler, sondern in allem Ernste für
-einen wirklichen und wahren Gelehrten gehalten. Dennoch hat
-er es in keinem Zeitpuncte seines Lebens im Publicum zu derjenigen
-Reputation gebracht, welche in seinem Zeitalter jeder
-Gelehrte sich erwarb, der nur ungefähr ein Jahrzehend hindurch
-fleissig und anhaltend Bücher schrieb.
-</p>
-
-<p>
-Dies war wohl zum Theil Misgeschick, zum Theil aber auch
-eigene Schuld. Hätte er, nachdem er den Verstoss des Publicums
-merkte, nur mit seiner Emphase in der Welt verbreitet,
-dass er die Bibliothek nicht nur drucke, dass er auch an ihr
-recensire, ja, dass er sie redigire; hätte er sich vor aller eigenen
-Schreiberei unter seinem Namen sorgfältig gehütet: so würde
-er bald in dasselbe Ansehen gekommen seyn, welches so mancher
-andere höchst mittelmässige Redacteur berühmter gelehrter
-Zeitschriften geniesst, der der eigenen Autorschaft sorgfältiger
-aus dem Wege geht; und wir, sein Geschichtschreiber, wären
-der Hinzufügung des gegenwärtigen Capitels überhoben. Unser
-Held aber schrieb Bücher, dicke Bücher, unter eignem Namen,
-und dadurch verdarb er alles.
-</p>
-
-<p>
-Sein Sebaldus zwar hätte hingehen mögen. Dieser war
-dem Zeitalter seiner Erscheinung so angemessen, dass man ihn
-der Fähigkeit unsers Helden sogar nicht zutrauen wollte. Es
-sind wohl nicht viel unter meinen Lesern, denen ein zu jener
-Zeit ziemlich allgemein verbreitetes Gerücht nicht zu Ohren gekommen
-seyn sollte: Nicolai sey gar nicht der Verfasser des
-Sebaldus, er habe sich unrechtmässigerweise dafür ausgegeben;
-der wahre Verfasser, ein immer Geld bedürfender Gelehrter,
-bediene sich dieses Nicolaischen Plagiats, um durch die
-Drohung, es bekannt zu machen, in jedem Bedürfnisse Geld
-von ihm zu erpressen. &mdash; Wir haben dieses Gerücht nicht angeführt,
-als ob wir selbst ihm Glauben zustellten; jenes Werk
-trägt zu unverkennbar das Gepräge der Nicolaischen Feder; sondern
-um zu zeigen, wie das Publicum von jeher über unsern
-Helden gedacht.
-</p>
-
-<p>
-Es folgte John Bunkel. Diesen hatte unser Held, seiner
-<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a>
-<a id="pagehdr-42" class="orig-page" title="54"></a>
-eigenen Versicherung nach, nicht selbst gemacht, sondern übersetzt.
-Aber das Buch fiel auf als schlecht; und darum stritt
-man ihm hier die Autorschaft auf, die man dort ihm abstritt;
-er sollte und musste mit aller Gewalt nicht der blosse Uebersetzer,
-sondern der Urheber selbst seyn. Und als man nun
-nicht länger läugnen konnte, dass er es übersetzt habe, war er
-darum um nichts gebessert. Der Verfasser der durchaus originellen,
-leider nicht sehr bekannt gewordenen <em class="italic">Geschichte einiger
-Esel</em> fing schon damals an, treffliche Beiträge zur Geschichte
-unsers Helden zu liefern.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt trat unser Held seine Reisen an. Sein Weg führte
-den Berliner, der bisher zwischen dem protestantischen Berlin
-und dem protestantischen Leipzig und seiner Buchhändlermesse
-sein Wesen getrieben hatte, durch katholische Provinzen. Da
-sahe er Crucifixe an den Strassen, Heiligenbilder, Amulete,
-Votivtafeln; hörte, dass gewisse Heilige die Schutzpatrone gegen
-gewisse Landplagen oder Krankheiten wären; hörte,
-dass ein wohlmeinender Katholik, da seine Religion ihm allein
-seligmachend ist, jeden Menschen in den Schooss derselben
-zu bringen suchen müsse u. s. w. &mdash; Dergleichen hatte er in
-Berlin und Leipzig nicht gesehen; hatte er ja von andern, die
-es gesehen hatten, etwas der Art erzählen gehört, so hatte er
-es für Aufschneiderei und für schlechten Spass gehalten; denn
-wie könnte doch irgendwo etwas anders seyn, als zu Berlin
-oder zu Leipzig; wie in aller Welt könnte man doch ein katholischer
-Katholik seyn? Jetzt sah er es mit seinen Augen, und
-rief athemlos durch das heilige römische Reich: hörts, Deutsche
-hörts, das Unglück &mdash; die Entdeckung meines Scharfsinns; es
-giebt, o es giebt Katholiken, die da katholisch sind &mdash; und damit
-man es ihm doch ja glauben möchte, brachte er alle Bilder
-und Gebetzettel aus allen Gegenden zu Hauf, und gab sie in
-den Kauf obenein.
-</p>
-
-<p>
-Nicht lange nachher begegnete ihm ein Verdruss mit seiner
-Bibliothek. Sie sollte &mdash; welches, dass ich es im Vorbeigehen
-sage, nur zu wahr, offenbar und klar ist &mdash; sie sollte ein der
-<em class="italic">Religion</em> gefährliches Werk seyn. Das war ihm zu hoch. Athmete
-doch dieses Werk seinem besten Wissen nach durchaus das,
-<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a>
-<a id="pagehdr-43" class="orig-page" title="55"></a>
-was er den reinsten Protestantismus nannte. Nur dem nunmehro
-seit seinen Reisen an den Tag gekommenen Antiprotestantismus,
-nur der <em class="italic">katholischen</em> Religion konnte es gefährlich
-seyn. Beide Visionen vermengten sich in seinem schwachen
-Kopfe, und dazu mischte sich noch eine dritte, die allein schon
-fähig gewesen wäre, ihn zu verwirren, die der geheimen Orden,
-der Gold- und Rosenkreuzerei. Nun konnten die Gegner seiner
-Bibliothek nichts Anderes seyn, als Kryptokatholiken, welche
-durch geheime Orden und andere Machinationen die Protestanten
-in den Schooss der römischen Kirche zurückzuführen suchten,
-und denen er durch seine Bibliothek und durch die wichtigen
-Entdeckungen seiner Reisen im Wege stand: und es musste
-von nun an alles von solchen Machinationen wimmeln. Noch
-im Jahre 1800 erzählte Nicolai in der Vorrede zum ersten Stück
-der von ihm wieder herausgegebenen Bibliothek sehr ernsthaft
-das alte Mährchen, und verrieth in aller Unbefangenheit den
-wahren Grund, der ihn auf diese Vision gebracht, die Anfechtungen
-nemlich, welche er und seine Bibliothek von einem Minister
-und einigen geistlichen Räthen unter der vorigen Regierung
-erdulden müssen. Jene vorgeblichen Verbreiter des Katholicismus
-thaten unserem Helden nur nicht die Liebe an, dass
-sie selbst katholisch geworden wären, geschweige, dass sie andere
-bedeutende Personen dazu gemacht hätten. Diejenigen,
-welche vielleicht anfangs durch das heftige Geschrei mit fortgerissen
-wurden, mussten sich denn doch nun, nachdem von allem
-Prophezeiten nichts erfolgte, und sie kälter wurden, erinnern,
-dass sie ja alles, was Nicolai ihnen erzählt, schon vorher auch
-gewusst und gesehen hätten, und dass beinahe alle Welt es gewusst
-und gesehen hätte, sie mussten sich wundern, dass es
-unserm Helden allein vorbehalten gewesen, diese Sachen so
-bedeutend zu nehmen, und so scharfsinnige Schlüsse daraus zu
-entwickeln, sich fragen, warum sie denn nicht selbst auch von
-denselben Prämissen aus auf dieselben Entdeckungen gekommen,
-und das Ganze konnte sich nur durch ein lautes und allgemeines
-Gelächter über unsern Helden beschliessen.
-</p>
-
-<p>
-Noch stand ihm eine andere traurige Epoche seines Lebens
-bevor: seine Feldzüge gegen die neuere Philosophie. Zwar
-<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a>
-<a id="pagehdr-44" class="orig-page" title="57"></a>
-waren seine Einwendungen gegen diese Philosophie, &mdash; etwa,
-dass ja die Erscheinung der Sinnenwelt so gar nicht vor Blutigeln
-weiche, vor denen doch sonst jede Erscheinung verschwinde,
-oder dass, wenn alles, was da ist, das Ich selbst
-sey, ein Mensch, der eine wilde Schweinskeule ässe, sich selbst
-ässe, &mdash; diese Einwendungen waren sämmtlich von der Art,
-dass jeder Knecht und jede Magd im römischen Reiche, die sie
-vernahmen, finden mussten, sie hätten dieselben wohl auch vorbringen
-können. Aber dadurch, dass unser Held sie ihnen so
-vor dem Munde wegnahm, empfahl er sich schlecht ihrer Zuneigung.
-Ueberdies hörten sie auch nicht, dass man jene Philosophen
-von Obrigkeitswegen in die Tollhäuser gebracht, welches
-doch, wenn ihre Behauptungen durch jene Einwendungen
-getroffen würden, nothwendig hätte geschehen müssen. Sie
-blieben also immer geneigter, anzunehmen, dass jene Sätze
-wohl noch einen andern Sinn haben dürften, den Nicolai nur
-nicht verstände, oder hämischerweise verdrehe; und so that
-selbst bei den gemeinsten Lesern diese Art der Polemik der
-Ehre unsers Helden weit grössern Abbruch, als der Ehre jener
-Philosophen.
-</p>
-
-<p>
-Diese zusammenhängende Reihe von Unglücksfällen musste
-nothwendig unsern Helden, der nie einen befestigten Credit besessen,
-immer verächtlicher und lächerlicher machen. Er kam
-in seinen letzten Tagen nach dem Jahre 1803 so herab, dass
-jeder Muthwillige, der gerade keinen spasshaftern Zeitvertreib
-hatte, den alten Steinbock zu Berlin neckte und am Barte zupfte,
-um sich an seinen Capriolen zu belustigen.
-</p>
-
-<p>
-Wie benahm sich nun unser Held dabei? Ging ihm denn
-noch kein Licht darüber auf, dass das Zeitalter ihn nicht für
-seinen ersten Mann hielte? Keinesweges. Gegen diese Ahnung
-hatte er schon früher sich befestigt gezeigt.
-</p>
-
-<p>
-War es irgend möglich zu hoffen, dass man eine gegen ihn
-ergangene Schmähung überhört habe, so pflegte er derselben
-lieber gar nicht zu erwähnen, sondern sie mit grossmüthigem
-Stillschweigen zu übergehen. So hatten allerdings mehrere aus
-der Schule der transscendentalen Idealisten ihn oft etwas respectwidrig
-behandelt. Fichte hatte das einzige Mal, da er seiner
-<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a>
-<a id="pagehdr-45" class="orig-page" title="58"></a>
-erwähnt, ihn als die <em class="italic">seufzende Creatur</em> charakterisirt; Schelling
-hatte ihn einmal <em class="italic">einen alten Californier</em>, und ein andermal <em class="italic">einen
-alten Geck</em> gescholten; Niethammer hatte gar die &mdash; zwar
-ungegründete, und tiefer unten zu widerlegende Hypothese geäussert:
-Nicolai sey nun wirklich übergeschnappt, und er sey
-der Gott Vater zu Bedlam, der gegen seinen Nachbar Jesus
-Christus, &mdash; etwa den Ritter Zimmermann, die Zähne fletsche.
-Dennoch hat Nicolai, so oft er auch hinterher veranlasst worden,
-diesen Männern ihr übriges Unrecht hart zu verweisen,
-dieser ihm selbst widerfahrenen Beleidigungen nie auch nur
-erwähnen mögen. Er hat vielmehr immer standhaft vorausgesetzt,
-dass jene Männer seiner Weisungen allerdings achteten,
-und lehrbegierig darauf hörten, und durch dieselben schon noch
-zur Besinnung gebracht werden würden. Tieck hatte ihn beinahe
-in allen seinen Schriften auf eine sehr empfindliche Weise
-durch wahren, tief eingreifenden Witz angezapft; besonders aber
-erschien im ersten Hefte seines poetischen Journals ein alter
-Mann, der unserm Helden wie aus den Augen geschnitten war;
-auch stellte im jüngsten Gerichte desselben Hefts Nicolai namentlich
-sich in einer höchst possirlichen Gestalt dar. Dadurch
-wurde unser Held so wenig beleidigt, dass er Kaltblütigkeit genug
-beibehielt, in eigner Person jenes Heft zu recensiren<a class="fnote" href="#footnote-12" id="fnote-12">[12]</a>.
-Zwar konnte er es nicht verbergen, dass die beiden Aufsätze,
-in denen er angegriffen war, nichts taugten; war aber schonend
-genug, den eigentlichen faulen Fleck in denselben nur
-ganz leise, wie wir unten sehen werden, zu berühren.
-</p>
-
-<p>
-War aber der Verstoss in zu grosser und guter Gesellschaft
-gemacht, und liess sich nicht annehmen, dass er auf die Erde
-gefallen sey, so wusste unser Held immer gut nachzuweisen,
-warum die Gegner so sprechen müssten, wie sie sprachen.
-Es fand sich immer, dass er sie schon früher angegriffen, und
-ihre Eigenliebe gekränkt habe, dass sie nur dafür sich rächen
-wollten, und deswegen Dinge vorbrächten, denen ihre wahre
-Herzensmeinung widerspräche. So war in den bekannten Xenien
-der Spass mit unserm Nicolai wirklich weit gegangen,
-auch liess sich die Kunde davon nicht gut abläugnen. Unser
-Held aber zeigte, dass die Verfasser jene Gedichte nur deswegen
-<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a>
-<a id="pagehdr-46" class="orig-page" title="60"></a>
-publicirt hätten, um die tiefen Wunden, die er ihnen durch
-den 11. Band seiner Reisen geschlagen, zu rächen. &bdquo;Freilich
-höre niemand gern die Wahrheiten, die er ihnen dort sage, es
-sey ihnen eben nicht zu verdenken, dass sie sich rächten, so
-gut sie vermöchten.&ldquo; Uebrigens wusste er, dass sie ihn im
-Herzen doch verehrten, ihn für einen Meister anerkannten, und
-gewaltige Furcht vor ihm hatten<a class="fnote" href="#footnote-13" id="fnote-13">[13]</a>.
-</p>
-
-<p>
-So sagte er von den transscendentalen Idealisten, dass sie
-die D. B. zu verachten nur affectirten<a class="fnote" href="#footnote-14" id="fnote-14">[14]</a>. Freilich waren sie
-eine rohe, ungeschlachte Rotte, jene Idealisten, die für manches
-Geachtete wenig Achtung bezeigten. Aber die Bibliothek, dieses
-grösste Werk unsers Helden, wirklich und in der That nicht
-zu achten &mdash; diese Verkehrtheit konnte selbst ihnen Nicolai
-nicht zutrauen. Nein, sie stellten sich nur so, sie affectirten
-nur Nichtachtung, weil ihnen die Trauben des schmackhaften
-Lobes jener Bibliothek zu hoch hingen.
-</p>
-
-<p>
-So setzte er bei der oben erwähnten Recension des Tieckschen
-Journals hinzu: &bdquo;Tieck äussere da sein Misfallen an einigen
-Personen, denen er selbst und seine Verse wohl auch nicht
-gefallen haben möchten.&ldquo; &mdash; Mochte doch diese Stelle denjenigen,
-die dieses Journal nicht gelesen hatten, dunkel bleiben.
-Was sollte doch er selbst durch seine Bibliothek das leider erhobene
-Skandal weiter verbreiten? Waren aber welche unter
-den Lesern, die jenes Journal gesehen hatten, so konnten diese
-nur glauben, Nicolai möchte Herrn Tieck früher etwas zu Leide
-gethan haben, dieser habe dafür sein Müthchen an ihm kühlen
-wollen; nicht, als ob er im Herzen nicht voller Achtung und
-Respect für ihn sey, sondern lediglich aus dem boshaften Grunde,
-sich an ihm zu rächen.
-</p>
-
-<p>
-Auf diese Weise entging unser Held dem, was in jedem
-andern Falle sicher zu erwarten gewesen wäre, dem sichtbar
-erscheinenden und im bürgerlichen Leben sich äussernden Wahnsinne.
-Mit dem Ritter Zimmermann, welchem Nicolai seine Eitelkeit
-nicht verzeihen konnte, ohnerachtet er selbst daran einen
-grössern Antheil hatte, und mit demselben Wohlgefallen
-von seinem Schachspielen mit dem Minister Wöllner, und von
-der witzigen Abfertigung, die er ihm gegeben, erzählte, als jener
-<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a>
-<a id="pagehdr-47" class="orig-page" title="61"></a>
-von seinen Unterredungen mit Friedrich dem Zweiten erzählt
-hatte &mdash; mit dem armen Ritter endete es traurig, und
-auch dem unglücklichen Wetzel bekam seine Göttlichkeit übel.
-Es glaubten deswegen viele, dass es auch mit unserm Helden
-auf dieselbe Weise enden würde; und der oben angeführte Gelehrte
-glaubte sogar einstmals, dass dieser Fall wirklich eingetreten
-sey. Diesen Männern entging nur folgendes, dass man,
-um wahnsinnig werden zu können, doch noch irgend einen
-wahren und richtigen Gedanken unaustilgbar in sich haben
-muss, welcher mit den ebenso fest eingewurzelten unrichtigen
-und falschen in einen nie zu entscheidenden Widerstreit geräth,
-und dadurch das Phänomen der Geistesverwirrung erzeugt.
-Totale und radicale Verkehrtheit aber, mit welcher auch nicht
-Ein richtiger Gedanke verbunden ist, stimmt mit sich selbst
-innig zusammen, und macht das Verfahren ebenso fest und
-unerschütterlich und gleichmässig, als die Wahrheit. Ein solcher
-ist in seinem Ideenkreise beschlossen, und kein Gott würde
-einen Gedanken in denselben hineinbringen, der nicht darein
-passte. &mdash; Hierzu kommt, dass besonders diejenige Art der Verrücktheit,
-welche aus Eigendünkel entsteht, und in welcher die
-Menschen sich für ganz etwas Anderes halten, als sie sind, eigentlich
-nur durch den Widerspruch anderer erhitzt, erbittert,
-und zu den wilden Aeusserungen, in die sie öfters ausbricht,
-bewogen wird. Bete man nur jenen Gott Vater zu Bedlam,
-und seinen Sohn Jesus Christus gläubig an; lasse man sie nur
-ruhig bei der Meinung, dass sie die Welt regieren und alle Tage
-das Wetter machen, und sie werden sehr sanfte wohlthätige
-Gottheiten bleiben. Nur der Widerspruch reizt sie. Gegen
-diese Reizung war unser Gott Vater durch ein in seiner Narrheit
-selbst liegendes Mittel gesichert: er glaubte nie, dass der
-Widerspruch ernstlich gemeint sey. Die Schnippchen, die man
-gegen seinen papiernen Olymp heraufschlug, hielt er für eigen
-gestaltete Dämpfe des Weihrauchs. Handelten die Sterblichen
-unter ihm nicht nach seinem Sinne, so griff er zu etwas, das
-er treuherzig für seinen Donnerkeil hielt, schleuderte es, und
-war nun fest überzeugt, dass alles um ihn herum zerschmettert
-und vernichtet wäre.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a>
-<a id="pagehdr-48" class="orig-page" title="63"></a>
-Ein Narr war er freilich; denn es ist ohne Zweifel ebenso
-närrisch, wenn ein einfältiger unstudirter Buchhändler, der nie
-eines systematischen Unterrichts genossen, und nie die entfernteste
-Idee davon gehabt, was eine Wissenschaft sey, sich für
-den ersten aller Gelehrten, ein geborner stumpfer Kopf, der es
-nie dahin bringen können, auch nur einen Perioden sprachrichtig
-und logisch zu schreiben, sich für einen Mann von allgemeinem
-und ausserordentlichem Talent, und ein ausgemachter
-Berliner Badaud<a class="fnote" href="#footnote-15" id="fnote-15">[15]</a> und ungezogener tölpelhafter Schwätzer
-sich für einen grossen Weltkenner und Weltmann hält: als es
-närrisch ist, wenn ein armer Schuhflicker sich für den König
-von Jerusalem ansieht. Aber in dieser Verrücktheit blieb er
-sich so unerschütterlich gleich und alles sein Handeln, Glauben
-und Denken stimmte mit ihr, und unter sich so wohl überein,
-dass, wenn man bloss seine Aeusserungen unter einander
-verglich, und mit der ungeheuren Falschheit der ersten Voraussetzung
-nicht bekannt war, man bis an sein Ende nicht die
-geringste Spur einer Verstandesverwirrung an ihm entdecken
-konnte.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-11-1">
-<span class="line1">Anmerkungen.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-12" id="footnote-12">[12]</a> M. s. 3. Heft. 1. St. 56. B. der neuen deutschen Bibliothek.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-13" id="footnote-13">[13]</a> M. s. Nicolai&rsquo;s Schrift gegen die Xenien.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-14" id="footnote-14">[14]</a> M. s. das 2. Heft des oben angeführten Stücks der N. D. B.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-15" id="footnote-15">[15]</a> Wir erklären uns über diese Benennung in der 4ten Beilage.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-12">
-<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a>
-<a id="pagehdr-49" class="orig-page" title="64"></a>
-<span class="line1">Zehntes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Ein Grundzug des Geistescharakters unsers Helden, der aus jenem höchsten Grundsatze natürlich folgte.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Wer bei aller Geistesthätigkeit keinen andern Zweck hat,
-als den, sich geltend zu machen und sein Uebergewicht zu zeigen,
-weil er ein solches Uebergewicht zu haben vermeint, der
-verliert sehr bald durchaus allen Sinn für jeden möglichen andern
-Zweck der Geistesthätigkeit. Ihm ist alles Forschen und
-Nachdenken lediglich Mittel zum Disputiren, keinesweges aber
-zur Auffindung einer bleibenden Wahrheit, die allem weitern
-Disput ein Ende mache. Eine solche Wahrheit, die da nun
-wahr sey und bleibe, ist ihm ein Greuel, er hasst sie und wüthet
-gegen ihre Idee; denn wenn sie gefunden würde, so müsste
-ja auch er sich ihr unterwerfen und dürfte nichts gegen sie
-sagen.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Hass gegen alle positive bleibende Wahrheit musste
-also ein Grundzug unsers Helden seyn, der von dem nun sattsam
-beschriebenen Princip ausging. Gab er ja eine für sich
-bestehende und bleibende Wahrheit zu, so war es die der Anekdote;
-und sogar das ist zweifelhaft, ob er auch diese zugab.
-In allem, was über diesen Standpunct hinauslag, und ganz besonders
-in philosophischen und religiösen Materien, erblickte
-er nichts weiter, als einen Gegenstand des Disputs, wo jede
-Meinung so viel werth wäre, als jede andere, und der überall
-keinen Gebrauch hätte, als den, den Scharfsinn zu üben. Seine
-Maxime war: man müsse jedem, was über dergleichen Gegenstände
-zuletzt vorgebracht wäre, widersprechen, damit es nicht
-etwa dabei sein Bewenden behielte, und die einzige wahre Bestimmung
-des menschlichen Geistes, der Disput, ins Stocken
-geriethe.
-</p>
-
-<p>
-Darum waren <em class="italic">Protestantismus</em>, <em class="italic">Denkfreiheit</em>, <em class="italic">Freiheit des
-<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a>
-<a id="pagehdr-50" class="orig-page" title="65"></a>
-Urtheils</em> seine beständigen Stichworte. Sein <em class="italic">Protestantismus</em>
-nemlich war die Protestation gegen alle Wahrheit, die da Wahrheit
-bleiben wollte; gegen alles Uebersinnliche und alle Religion,
-die durch Glauben dem Dispute ein Ende machte. Nach
-ihm war das eben der Zweck der Kirchenverbesserung, jeden
-Laien in den Stand zu setzen, über religiöse Gegenstände ins
-unbedingte hin und her zu disputiren, wie ein allgemeiner Bibliothekar,
-keinesweges aber irgend etwas gläubig zu ergreifen
-und in diesem Glauben zu handeln. Ihm war alle Religion nur
-Bildungsmittel des Kopfs zum unversiegbaren Geschwätz, keinesweges
-aber Sache des Herzens und des Wandels. Seine
-<em class="italic">Denkfreiheit</em> war die Befreiung von allem <em class="italic">Gedachten</em>; die Ungezähmtheit
-des leeren Denkens, ohne Inhalt und Ziel. <em class="italic">Freiheit
-des Urtheils</em> war ihm die Berechtigung für jeden Stümper und
-Ignoranten, über alles sein Urtheil abzugeben, er mochte etwas
-davon verstehen oder nicht, und was er vorbrachte, mochte
-gehauen seyn oder gestochen. So fragt er in jener berühmten
-Acte Schelling, der sich über die Aufnahme zweier ungeschickten
-Recensionen einer seiner naturphilosophischen Schriften in
-die Jenaische gelehrte Zeitung beschwerte: &bdquo;ob denn der Mann
-gar keinen Begriff von der Freiheit des Urtheils der Gelehrten
-habe?&ldquo; Wohl mochte Schelling und alle seines Gleichen keinen
-Begriff haben von der Unverschämtheit, mit welcher jeder Stümper
-in Dinge hineintappte, von denen er recht wohl wusste,
-dass er sie nie gelernt hätte, und jeder Esel seinen Mund zur
-Antwort öffnete, ohne gefragt zu seyn.
-</p>
-
-<p>
-Und so brachte Nicolai sein Leben hin, gegen Papismus,
-ebenso wie gegen Kriticismus und Idealismus zu disputiren;
-denn gegen beides disputirte er aus demselben Grunde, &mdash; als
-gegen eine fremde Autorität, die sich den Menschen aufdringen
-wollte, zum Nachtheil der unbegrenzten Disputirfreiheit, genannt
-Protestantismus, und seiner eigenen wohlerworbenen Autorität. Mit
-der eklektischen Philosophie hatte er sich wohl vertragen können;
-diese hatte auch sein protestantisches Princip, über alles hin
-und her zu meinen, nichts aber zu ergründen und auszumachen.
-Die neuere Philosophie aber wollte ergründen und ausmachen
-und entscheiden; es war ihr Ernst, das Zeitalter zum Redestehen
-<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a>
-<a id="pagehdr-51" class="orig-page" title="67"></a>
-und zur Entscheidung zwischen Ja oder Nein zu bringen, und
-dass es dabei sein Bewenden habe. Diese Anmuthung erschien
-unserem Helden als eine sträfliche Anmaassung. Dass jemand
-in allem Ernste an eine für sich bestehende Wahrheit glauben
-und überzeugt seyn könne, derselben auf die Spur gekommen
-zu seyn, setzte er nur nicht voraus. Diese Verkehrtheit selbst
-seinem verhasstesten Gegner zuzutrauen, war er doch zu grossmüthig.
-Er sahe sonach in den Sätzen jener Philosophen nichts
-als Meinungen, ihrem eigenen guten Bewusstseyn nach nur
-Meinungen, die nicht besser seyn wollen dürften, als andere
-Meinungen; und in dem Ernste und dem entscheidenden Tone,
-mit dem sie dieselben vortrugen, nichts, als die Bemühung, dem
-Publicum zu imponiren. Drum schrie er über Autorität. Für
-den, der keine Kraft hat, selbstständig aus sich Wahrheit zu
-erzeugen, giebt es auch wirklich nirgend etwas Anderes als
-Autorität.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-13">
-<span class="line1">Eilftes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Ein paar andere Grundzüge, welche aus dem ersten Grundzuge und höchsten Grundsatze unseres Helden erfolgt sind.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Wer die Rede des anderen hört, oder seine Schrift liest,
-lediglich um etwas daran auszusetzen und ihm zu widersprechen,
-und dem es, da er gar nichts Anderes zu thun hat, leid
-thun würde, jenen noch einen Augenblick fortreden zu lassen,
-nachdem er Gelegenheit zum Widerspruche gefunden, ergreift
-immer die nächste Gelegenheit. Diese aber kann jeder, dem
-es nur ernstlich um das Widersprechen zu thun ist, immer auf
-der Oberfläche finden. Da es ihm nun nur darum zu thun ist, so
-hat er nie ein Bedürfniss, über diese Oberfläche hinauszugehen;
-<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a>
-<a id="pagehdr-52" class="orig-page" title="68"></a>
-es wird ihm habituell, nie über sie hinauszugehen, und so entsteht
-in ihm und verwächst mit seinem Selbst das Phänomen <em class="italic">der
-absoluten Oberflächlichkeit und totalen Seichtigkeit</em>. Dies war das
-Schicksal unseres Helden. Es war schlechterdings unmöglich,
-bei irgend einem Gegenstande ihn auch nur um eine Linie unter
-die Oberfläche in das Innere zu bringen.
-</p>
-
-<p>
-Die absolute Oberfläche ist das nackte abgerissene Factum,
-als solches. Daher war der Kreis, in welchen das Nicolaische
-Vermögen gebannt blieb, der der Anekdote und der Curiosität.
-Es war ihm Herzensfreude, wenn die Untersuchung sich dahin
-lenkte. Welch ein Fest für ihn, als Friedrich der zweite starb,
-und Anekdoten in Fülle über ihn erschienen! Da war er in
-seinem Felde; da gab es zu widerlegen, zu berichtigen, zu ergänzen.
-</p>
-
-<p>
-Das blosse Wissen der geringfügigsten Anekdote war ihm
-Zweck an sich: durch dergleichen Wisserei erfüllte er, seiner
-Meinung nach, den Zweck des menschlichen Daseyns, und stillte
-sein unendliches Sehnen nach Wahrheit. Je seltener diese Wisserei
-war, desto lieber war sie ihm, denn dann konnte er am
-meisten damit prahlen; und diese Seltenheit der Wisserei war
-die einzige Art der Gründlichkeit, die er kannte. Daher sein
-Hang nach Curiositäten, nach Predigerüberschlägen, Perrücken
-und Haartouren, den leichtesten Angelhaken; &mdash; und wer möchte
-die Kleinigkeiten alle aufzählen, mit denen er seinen Forschungsgeist
-nährte. &mdash; Dass er die entfernteste Ahnung gehabt, wozu
-die genaue Erforschung dieser einzelnen an sich geringfügig erscheinenden
-Dinge im <em class="italic">Ganzen</em> gebraucht werden könnte; &mdash;
-dass dieser Anekdotengeist sich je auch nur zum dunkelsten
-Begriffe von Geschichte erhoben habe, davon findet in seinen
-Schriften sich nicht die geringste Spur.
-</p>
-
-<p>
-Vor dieses ihm allein sichtbare Forum der Anekdote zog
-er nun alles andere, was ihm unter die Hände kam, und selbst
-die Philosophie. Die seinige, bei der es, ihm zufolge, eben sein
-Bewenden haben sollte, war selbst nichts Anderes, als eine
-Sammlung von Anekdoten über die Sprüche und Meinungen
-ehemaliger Philosophen. Und so widerlegte er denn auch die
-Speculation anderer durch Anekdoten, wahre oder erfundene
-<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a>
-<a id="pagehdr-53" class="orig-page" title="70"></a>
-Geschichte; und ein Sempronius Gundibert schlug eine Kritik
-der reinen Vernunft. Gegen den kategorischen Imperativ erinnerte
-er, und erinnerte wieder, dass es nach demselben im
-Leben nicht herginge, und glaubte bis an sein Ende, jenem Imperativ
-dadurch den Garaus gemacht zu haben.
-</p>
-
-<p>
-Dies ist die absolute Seichtigkeit, welche man die <em class="italic">materiale</em>
-nennen könnte. Ebenso innig mit unserem Helden verwachsen,
-und aus demselben Grundzuge hervorgegangen, war eine zweite,
-die wir die Seichtigkeit <em class="italic">in der Form</em> nennen wollen.
-</p>
-
-<p>
-Wem es nur darum zu thun ist, den anderen in die Rede
-zu fallen, und mit seinem Widerspruche schnell anzukommen,
-dem ist jeder Gedanke, der ihm zuerst in den Sinn kommt,
-recht. In welchem Zusammenhange des Denkens der Andere
-seine Meinung vortrage, <em class="italic">woraus</em> er sie beweise, und <em class="italic">was</em> er
-hinwiederum aus ihr erweisen wolle, wie sie daher durch dieses
-Vorhergehende und Nachfolgende bestimmt, und dieser Bestimmung
-nach eigentlich zu verstehen sey, &mdash; dies zu bedenken,
-hat er nicht Zeit; und wenn er überhaupt nur hört, und
-von jeher nur gehört hat, um zu widersprechen, kommt er nie
-zu dem Begriffe von einem solchen Zusammenhange. Ihm hängt
-absolut alles Denkbare unmittelbar zusammen, weil man mit
-jedem jedem widersprechen kann; und es entsteht ihm das
-schon oben beschriebene System des aus unmittelbar gewissen
-Körpern bestehenden grossen Sandhaufens; denn dieses ist das
-tauglichste zum eilfertigen Widerspruche.
-</p>
-
-<p>
-So war es unserem Helden ein Leichtes, dem Princip des
-transscendentalen Idealismus ein halbes Dutzend Blutigel, eine
-Schweinskeule, eine <em class="italic">chaise percée</em> in den Weg zu werfen, sowie
-eins dieser Dinge ihm zuerst unter die Hände kam; ohne abzuwarten,
-wie es etwa jenes System machen würde, um den
-Blutigeln und den Schweinskeulen auszuweichen. Bei ihm entstand
-durchaus kein Zweifel, ob diese Einwürfe auch wohl passen möchten.
-Warum sollten sie denn nicht passen? Hatte er sie doch
-angepasst.
-</p>
-
-<p>
-Aus dieser absoluten Seichtigkeit entsteht nun schon an
-und für sich <em class="italic">Schiefheit</em> für alles, was da höher liegt, als die
-<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a>
-<a id="pagehdr-54" class="orig-page" title="71"></a>
-blosse Anekdote, oder durch seinen Zusammenhang bestimmt
-wird. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Aber zu dieser aus der Seichtigkeit natürlich erfolgenden
-Schiefheit hatte Nicolai noch eine andere durch Kunst sich erworben,
-und durch Uebung sich angebildet und zur zweiten
-Natur gemacht. Damit verhielt es sich so. Wer den anderen
-bloss darum anhört, um ihm zu widersprechen, dem ist es immer
-Hauptaugenmerk, die Dinge nicht in dem Lichte zu sehen,
-in welchem der andere sie zeigen will, denn dann dürfte er
-einig mit ihm seyn, sondern in dem, in welchem der andere
-sie nicht zeigen will; sonach alles zu verdrehen, aus seiner
-natürlichen Lage zu richten und auf den Kopf zu stellen. Wer
-dieses Handwerk eine Zeitlang treibt, dessen Sehorgane wird
-durch die beständige schiefe Richtung, die man ihm giebt, diese
-Richtung endlich natürlich: sein Auge wird zum Schalke. Er
-will nicht mehr verdrehen und schief sehen; es stellt sich ihm
-schon von selbst alles verkehrt, verdreht und auf dem Kopfe
-stehend dar. So war es unserem Helden ergangen, und daher
-entstanden die zusammengesetzten Schiefheiten, die Schiefheiten
-der Schiefen von den Schiefen, die sich in allen seinen
-Ansichten befanden. Die einfache und ihm natürliche: dass er
-die Dinge aus ihrem Standpuncte und dem Zusammenhange des
-Denkens riss; die zweite künstliche: dass er, sogar in dieser
-Lage, sie noch ein oder einige Male verrückte. Es lässt sich
-ihm nachweisen, dass er z. B. in seinen philosophischen Streiten
-weit plausiblere Dinge gegen die angegriffenen Systeme
-hätte vorbringen können, wenn er, wie andere seiner Zeitgenossen,
-sich mit dem ersten einfachen, jedem unphilosophischen
-Kopfe natürlichen und jedem anderen unphilosophischen Kopfe
-leicht mitzutheilenden Misverständnisse hätte begnügen wollen.
-Aber das war ihm zu einfach, zu wenig originell; es musste
-mannigfaltiger und künstlicher verdreht werden; und so arbeitete
-er oft selbst seinem Zwecke entgegen. &mdash; Es gereicht vielleicht
-zur Ergötzung des Lesers, diese Grundschiefheit unseres
-Helden in einem Beispiele dargestellt zu sehen. Wir wählen
-das erste, das uns unter die Hände fällt.
-</p>
-
-<p>
-Nicolai unternimmt in jener berühmten Acte, das Fichtesche
-<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a>
-<a id="pagehdr-55" class="orig-page" title="72"></a>
-System aus seinen Gründen zu prüfen und zu widerlegen. Wie
-mag er zuvörderst wohl bei der historischen Aufstellung des
-Inhalts dieses Systems zu Werke gegangen seyn? Nun, ohne
-Zweifel hat er eine speculative Schrift jenes Schriftstellers, in
-der dieser die Principien seiner Philosophie am deutlichsten
-vorzutragen behauptet, &mdash; etwa die ersten §§. der Grundlage der
-Wissenschaftslehre, oder das erste Capitel einer neuen Darstellung
-dieser Wissenschaft im philosophischen Journale, angeführt
-und einen wörtlichen Auszug davon seiner Prüfung zu Grunde
-gelegt? &mdash; Falsch gerathen! Aus abgerissenen Sätzen sehr vieler
-Schriften jenes Schriftstellers hat er seinen Bericht zusammengeflickt.
-&mdash; Nun so wird er bei dieser Arbeit sich doch
-wenigstens auf eigentlich strenge scientifische Schriften des
-Mannes eingeschränkt haben? &mdash; Wiederum falsch gerathen.
-Dann bliebe es ja bei der einfachen Schiefheit. &mdash; Oder hat er
-die angeführten Stellen aus populären Schriften des Verfassers
-herausgerissen? &mdash; Nun das wäre allerdings etwas; aber doch
-noch nicht genug für unseren Helden. Aus populären und
-scientifischen Schriften, aus abgerissenen Phrasen der Appellation,
-der Wissenschaftslehre, der Bestimmung des Menschen, des
-Naturrechts des Verfassers, im buntesten Gemisch nebeneinandergestellt,
-hat er seinen Bericht zusammengeflickt; und hat
-so wenig Ahnung, dass jemand gegen dieses Verfahren etwas
-haben könne, dass er höchst pünktlich über historische Wahrheit
-zu wachen glaubt, indem er bei jedem Citat hinzusetzt: es
-seyen Fichte&rsquo;s eigene Worte, und die Seitenzahl angiebt.
-</p>
-
-<p>
-Und wie geht es mit der Prüfung und Widerlegung des
-Systems? &mdash; Wir wollen unsere Leser nicht vergeblich mit
-Rathen auf die Folter spannen; indem wir sehr wohl wissen,
-dass schlechthin keiner, und sey er der wiedererwachte Oedipus,
-fähig ist zu errathen, wie es damit geht. Wer möchte auf
-den Grad der Schiefheit rathen, dass unser Held in einem
-Athemzuge die Wahrheit und Richtigkeit des Systems durchaus
-anerkennt, und in demselben Athemzuge sie wieder abläugnet?
-Und doch hat es sich wirklich also begeben. Er lässt sich vernehmen:
-&mdash; &bdquo;Das Ich ist Subject und Object zugleich; nun
-dies ist richtig und giebt eine gute Beschreibung des Bewusstseyns.&ldquo;
-<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a>
-<a id="pagehdr-56" class="orig-page" title="74"></a>
-&mdash; So? wenn dies richtig ist, so richtig ist, als F. es
-nahm, als ein absolut identischer Satz, so dass man ihn auch
-umkehren könne: Identität des Subjects und Objects = dem
-Ich, oder auf die gewöhnlichere Weise ausgedrückt, das Ich ist
-durchaus nichts anderes, als Identität des Subjects und Objects:
-so ist das ganze System richtig, denn dieses System besteht
-durchaus in nichts anderem, als in einer vollständigen Analyse
-des zugestandenen Satzes.
-</p>
-
-<p>
-Wie fängt es denn nun Nicolai an, um in demselben Athemzuge
-wieder zurückzunehmen, was er hier zugesteht? Auch
-hier sind wir sicher, dass kein Leser auf das räth, was sich
-wirklich zuträgt. Es trägt sich nemlich nichts geringeres zu,
-als dies, dass Nicolai den <em class="italic">eigentlichen Inhalt</em> dieser Philosophie,
-in dessen vollständigem und durchgeführtem Beweise eben jenes
-System bestand, für eine der <em class="italic">Prämissen</em> dieses Systems, und
-zwar für eine willkürlich und ohne allen Beweis vorgebrachte
-Prämisse ansieht; das Gebäude selbst für die Kelle, womit das
-Gebäude gemauert worden, die Erde für die Schildkröte, von
-welcher die Erde getragen wird. Denn so lässt er sich vernehmen:
-</p>
-
-<p class="block">
-&bdquo;<em class="italic">der Satz, dass das Ich die Intelligenz, und die Intelligenz
-das Ich sey, sey lediglich eine willkürliche Terminologie:
-es werde nichts für den Beweis dieses Satzes vorgebracht,
-auf welchen doch der ganze transscendentale
-Idealismus sich gründe</em>&ldquo; &mdash;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-schreibe: <em class="italic">sich gründe</em>. &mdash; Damit ja kein Zweifel übrig bleibe,
-wie dies zu nehmen sey, setzt er tiefer unten hinzu: <em class="italic">man (nemlich
-Nicolai) wende gegen jenen Satz ein: mein Ich ist nicht
-blosse Intelligenz, sondern Vernunft, Sinnlichkeit, Denkkraft,
-körperliche Kraft gehört dazu</em>, schreibe: <em class="italic">gehört dazu</em>.
-</p>
-
-<p>
-Also: die lediglich auf eine willkürliche Terminologie sich
-gründende, durch nichts bewiesene Prämisse des Fichteschen
-Idealismus ist der Satz: Ich, <em class="italic">oder</em> Intelligenz, <em class="italic">oder</em> Vernunft,
-Sinnlichkeit, Denkkraft, körperliche Kraft sind durchaus identisch.
-&mdash; Diesem Satze stellt Nicolai als unmittelbar gewissen
-Satz entgegen: <em class="italic">Mein Ich ist freilich unter anderen auch Intelligenz</em>
-(denn indem er sagt, dass es nicht <em class="italic">blosse</em> Intelligenz sey,
-<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a>
-<a id="pagehdr-57" class="orig-page" title="75"></a>
-sagt er ohne Zweifel, dass es diese doch auch mit sey); aber
-es gehören noch ausser der <em class="italic">Intelligenz</em> mit dazu, <em class="italic">Vernunft</em>,
-<em class="italic">Sinnlichkeit</em>, <em class="italic">Denkkraft</em>, <em class="italic">körperliche Kraft</em>. &mdash; Durch diese Gegensetzung
-nun hebt er jene Fichtesche Prämisse auf, und sprengt,
-da ganz allein auf diese sich der ganze transscendentale Idealismus
-gründet, diesen zugleich mit in die Luft; denn <em class="italic">cessante
-fundamento cessat fundatum</em>.
-</p>
-
-<p>
-Es ist zu beklagen, dass Nicolai nicht unmittelbar darauf,
-als er diese Widerlegung zu Ende gebracht hatte, aufgehenkt
-worden, damit er im Bewusstseyn dieses glorreichen Arguments
-seine speculative Laufbahn beschlossen hätte, und die Nachkommen
-hierbei seiner gedenken möchten. Zuvörderst ist sehr
-merkwürdig, dass in jenem Gegensatze, ausser und neben der
-<em class="italic">Intelligenz</em>, auch noch <em class="italic">Vernunft</em>, <em class="italic">Denkkraft</em>, <em class="italic">Sinnlichkeit</em> (denn
-die körperliche Kraft können wir ihm hier erlassen) aufgezählt
-wird. Hätte Nicolai seinen Fleiss auf eine Beschreibung der
-preussischen Armee gerichtet, so würde er bemerkt haben, dass
-der König ausser seiner Armee auch noch Infanterie gehalten
-hätte, und Husaren und Pfeifer.
-</p>
-
-<p>
-Ferner stellt Nicolai, wie er immer thut, seinen Gegensatz
-so hin, als ob sich die Wahrheit desselben von selbst verstände.
-Also er führt ihn als eine Thatsache des unmittelbaren Bewusstseyns.
-Hatte denn Nicolai gar keinen philosophischen Freund &mdash;
-er selbst freilich konnte dies nicht wissen, ohnerachtet er sich
-zum Richter in Sachen der Philosophie aufwarf &mdash; der ihm gesagt
-hätte, dass es wohl etwa Thatsache genannt werden könne,
-dass man in einem bestimmten Falle vernehme, denke, empfinde,
-sinnlich wirke, dass aber Vernunft in Bausch und Bogen, und
-die Sinnlichkeit, und die Denk- oder körperliche Kraft, <em class="italic">als Kraft</em>,
-für Thatsachen des Bewusstseyns auszugeben, in jenem Zeitalter
-nur noch einem durchaus unkritischen Ignoranten zu verzeihen
-war?
-</p>
-
-<p>
-Endlich war der Satz, dass das Ich, inwiefern es Subject-Object
-sey, die Intelligenz selbst, also Vernunft, Denkkraft, Willensvermögen,
-sinnliche Anschauung, physische Kraft sey, so
-wenig eine Prämisse jenes Systems, dass er vielmehr das System
-selbst war; und dieses in seinem ganzen Umfange nichts
-<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a>
-<a id="pagehdr-58" class="orig-page" title="77"></a>
-anderes zu thun hatte, als zu zeigen, dass alle jene Erscheinungen
-im Gemüthe nichts wären, denn die verschieden gebrochene
-und sich zu einander verhaltende Subject-Objectivität
-selbst. Auf diese Beweise und Ableitungen musste sich ein
-Gegner dieses Systems einlassen, und sie zu entkräften, oder
-Lücken und Mängel in ihnen zu entdecken suchen. Statt dessen
-zu widersprechen, wie unser Held es that, war gerade so,
-als ob ein Physiker aufgetreten wäre, und gesagt hätte: mir
-ist es ausgemacht, dass alle mögliche Farben nichts sind, als
-verschiedene Brechungen des Einen farblosen Lichtstrahls; und
-Euch anderen will ich dieses durch eine Reihe von Experimenten
-beweisen, indem ich durch bestimmte Brechungen
-desselben farblosen Lichtstrahls alle andere Farben vor euren
-eigenen Augen entstehen lasse; und einer aus dem Pöbel, ohne
-nach seinen Experimenten nur zu sehen, die Zunge herausgesteckt,
-dem Physiker Esel gebohrt, und geschrien hätte: der
-Narr denkt, alle Kühe sind weiss, er weiss noch nicht, dass es
-auch schwarze und gefleckte Kühe giebt. So wurde beim Hindurchgehen
-durch das Sehorgan unseres Helden alles schief,
-verzerrt und gar wunderlich. Es ist ihm während seines Lebens
-sehr häufig vorgeworfen worden, dass er alles, was
-er unter die Hände bekäme, hämischerweise verdrehe, und
-schmutzigerweise besudle. Wir nehmen ihn gegen diese Beschuldigung
-in Schutz. Es war sehr wahr, dass aus seinen
-Händen alles beschmutzt und verdreht herausging; aber es war
-nicht wahr, dass er es beschmutzen und verdrehen wollte. Es
-ward ihm nur so durch die Eigenschaft seiner Natur. Wer
-möchte ein Stinkthier beschuldigen, dass es boshafterweise
-alles, was es zu sich nehme, in Gestank, &mdash; oder die Natter,
-dass sie es in Gift verwandle. Diese Thiere sind daran sehr
-unschuldig; sie folgen nur ihrer Natur. Ebenso unser Held, der
-nun einmal zum literarischen Stinkthiere und der Natter des
-achtzehnten Jahrhunderts bestimmt war, verbreitete Stank um
-sich, und spritzte Gift, nicht aus Bosheit, sondern lediglich
-durch seine Bestimmung getrieben.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-3-14">
-<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a>
-<a id="pagehdr-59" class="orig-page" title="78"></a>
-<span class="line1">Zwölftes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Wie es zugegangen, dass unser Held unter allen diesen Umständen dennoch einigen Einfluss auf sein Zeitalter gehabt.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Wir würden ein grosses Mistrauen in die Penetration unseres
-Lesers setzen, wenn wir nöthig fänden, nach allem Gesagten
-hinzuzusetzen, dass wir Friedrich Nicolai für den einfältigsten
-Menschen seines Zeitalters halten, und nicht glauben, dass
-irgend etwas recht Menschliches an ihm gewesen, ausser der
-Sprache.
-</p>
-
-<p>
-Dass er nun von dieser seiner grossen Geistesgebrechlichkeit
-selbst durchaus nichts gespürt, und mit der Meinung aus
-der Welt gegangen, er, der allereinfältigste, sey gerade der
-allerklügste, ist kein Wunder; denn diese Meinung von sich
-selbst, und diese totale Unerschütterlichkeit durch irgend ein
-fremdes Urtheil, folgte aus seiner extremen Dummheit selbst,
-und er hätte um ein gutes Theil weniger dumm seyn können,
-ehe er begriffen hätte, dass er dumm sey.
-</p>
-
-<p>
-Aber er hat auf seine Zeitgenossen gewirkt, und ist, zwar
-nicht öffentlich anerkannt, aber wie der unparteiische Forscher
-gestehen wird, wirklich und in der That, der Urheber eines
-grossen Theils des Meinungssystems gewesen, welches in seinem
-Zeitalter die Mittelmässigkeit zu dem ihrigen gemacht hatte.
-Wir geben wohl etwa in einer Beilage nähere Nachweisung
-über dieses Meinungssystem<a class="fnote" href="#footnote-16" id="fnote-16">[16]</a>.
-</p>
-
-<p>
-Wie in aller Welt ging es nun zu, dass diesmal die Armuth
-ihr Eigenthum beim Bettel, die Einfalt ihre Weisheit bei
-der Dummheit, die Schielenden ihre Einsichten beim Stockblinden
-holten, da sie doch dieses alles auf eigenem Boden, und
-durch ihre eigenen Augen weit besser hätten erzeugen können?
-</p>
-
-<p>
-Den Menschenkenner kann dies sonderbare Phänomen nicht
-befremden, wenn er nur weiss, dass unser Held bei seiner
-<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a>
-<a id="pagehdr-60" class="orig-page" title="79"></a>
-extremen Dummheit zugleich einer der rührigsten und der allerunverschämteste
-unter seinen Zeitgenossen war. Er trug kein
-Bedenken, alles, was ihm durch den Kopf ging, sogleich auf
-allen Dächern zu predigen, und es unaufhörlich an allen Ecken
-den Leuten in die Ohren zu rufen; und liess sich schlechthin
-durch nichts irre machen oder aus der Rede bringen. Das
-Volk, das nicht selbst arbeiten mag, und dem von allen Seelenkräften
-beinahe nur das Gedächtniss zu Theil geworden, konnte
-nicht umhin, jene Weisheit sich endlich zu merken. Sie hatten
-nun längst vergessen, von wem sie dieses alles zuerst gehört
-hätten, sie erinnerten sich nur noch dunkel, dass sie es einmal
-gewusst, und glaubten nach und nach, sie hätten es selbst
-entdeckt und wahr befunden. Es fiel ihnen in den Gemeinschatz
-der ausgemachten Wahrheiten und Thatsachen: und es
-war allerdings Thatsache, dass sie es oft genug gehört hatten.
-Und so ward unser Held der Urheber eines grossen Theils der
-Denkart seines Zeitalters, ohne dass eben jemand ihm sonderlich
-dafür dankte, noch wusste, woher diese Denkart eigentlich
-wäre. Er aber wusste es; und die schreiende Unerkenntlichkeit
-der Zeitgenossen, um die er sich doch so sehr verdient
-gemacht, mag sehr viel zu der üblen Laune seines höheren
-Alters beigetragen haben.
-</p>
-
-<p>
-Es ist kein Zweifel, dass auch ein Hund, wenn man ihm
-nur das Vermögen der Sprache und Schrift beibringen könnte,
-und die Nicolaische Unverschämtheit und das Nicolaische Lebensalter
-ihm garantiren könnte, mit demselben Erfolge arbeiten
-würde, als unser Held. Möchte man sich immer anfangs
-an seiner Hundenatur stossen, wie man sich eben auch an die
-Nicolainatur unseres Helden stiess. Wenn er sich nur nicht
-irre und schüchtern machen liesse, dieser Hund, wenn er nur
-das Gesagte immer wieder sagte und fest dabei bliebe, und
-unermüdet schrie und schriebe, er habe doch recht, und alle
-Andern hätten unrecht; wenn er sich wohl gar noch durch den
-Gedanken begeistern liesse, und sich damit brüstete, dass er
-schon als ein blosser unstudirter Hund dies einsähe, wie Nicolai
-sich auch immer damit gebrüstet, dass er als ein unstudirter
-Bürgersmann alles dies wisse: so wäre uns gar nicht
-<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a>
-<a id="pagehdr-61" class="orig-page" title="81"></a>
-bange, dass nicht dieser Hund sich einen sehr verbreiteten
-Einfluss verschaffen sollte. Seine Theorien würden das Zeitalter
-ergreifen, ohne dass man sich eben erinnerte, dass sie
-von unserem Hunde herkämen; es würde eine Aesthetik entstehen,
-nach welcher jeder Spitz die Schönheit einer Emilia
-Galotti kunstmässig zerlegen, und die Fehler in Herrmann und
-Dorothea so fertig nachweisen könnte, als es jetzt nur Gottfried
-Merkel vermag; und die Bibel würde endlich von allem
-noch übrigen Aberglauben gereinigt und so ausgelegt werden,
-wie ein aufgeklärter Pudel sie verständig finden, und wie er
-selbst sie geschrieben haben könnte.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-3-14-1">
-<span class="line1">Anmerkung.</span>
-</h4>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-16" id="footnote-16">[16]</a> Der Leser kann die in der dritten Beilage gelieferte Charakteristik des
-Geistes der deutschen Bibliothek zugleich für eine solche Nachweisung nehmen.
-</p>
-
-<h3 class="l2s chapter" id="chapter-3-15">
-<span class="line1">Erste Beilage.</span><br />
-<span class="line2">(Zur Einleitung.)</span>
-</h3>
-
-<p class="center">
-<em class="italic">Angriffe Nicolai&rsquo;s auf die persönliche Ehre und den Charakter des Verfassers enthalten die folgenden Stellen:</em>
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-3-15-1">
-<span class="line1">1.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Nachdem Nicolai die Herren Schelling und Schlegel beschuldigt,
-dass sie günstige Beurtheilungen ihrer Schriften in
-die Jenaische Literaturzeitung zu bringen gesucht, fährt er (S.
-159. der oben angeführten Anzeige) so fort: &bdquo;Es ist der Schule
-der Ich-Philosophen schon länger&ldquo; (dem Zusammenhange nach
-<em class="italic">früher</em>, ehe die obengenannten gethan, dessen Nicolai sie beschuldigt,
-und ehe sie zu dieser Schule zu rechnen gewesen)
-<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a>
-<a id="pagehdr-62" class="orig-page" title="82"></a>
-&bdquo;eigen gewesen, dass sie, wenn es nicht anders zu beschaffen
-war&ldquo; (welch ekelhaftes Geschäft, dergleichen Schreiberei abschreiben
-zu müssen!), &bdquo;für ihren transscendentalen Idealismus
-Anpreisung zu <em class="italic">erschleichen</em> suchte. Sie affectirten zwar bei
-aller Gelegenheit, die allgemeine deutsche Bibliothek zu verachten,
-<em class="italic">aber arbeiteten nicht wenig unter der Hand</em>, sie sich geneigt
-zu machen (1). Sie versuchten Mitarbeiter anzubieten,
-welche eben Herrn Fichte&rsquo;s Schule verlassen hatten, und da
-dieses nicht ging, so (2) suchten sie durch einen Mitarbeiter
-der allgemeinen deutschen Bibliothek, der gar nicht im philosophischen
-Fache arbeitete, <em class="italic">unverlangt</em> solche Recensionen einzuschicken,
-wie sie ihren Absichten dienten, die, wie allenfalls
-durch gewisse Kennzeichen zu zeigen wäre, aus <em class="italic">Jena</em> kamen.
-Die damalige Direction der neuen deutschen Bibliothek war auf
-solchen <em class="italic">unartigen Schleifweg</em> nicht gleich aufmerksam genug
-u. s. w. (3). Man sahe nun also wirklich in der neuen deutschen
-Bibliothek XVIII. B. S. 355. eine solche heimlich eingeschwärzte
-Recension von Fichte&rsquo;s Grundriss der gesammten
-Wissenschaftslehre, in welcher ein in die allgemeine deutsche
-Bibliothek sich unverlangt eingeschlichener Fichtianer schlau so
-anhebt&ldquo; u. s. w.
-</p>
-
-<p>
-Wer sind denn diese <em class="italic">Sie</em> aus der ichphilosophischen <em class="italic">Schule</em>
-(der verständige Leser verzeiht mir wohl, dass ich, sowohl hier
-als im folgenden, um der Kürze willen, die Ausdrücke dieses
-Schulmeisters beibehalte, der allenthalben nur Schulen erblickt,
-so innig auch mir diese Ausdrücke zuwider sind), wer sind,
-sage ich, diese Sie, die <em class="italic">früher</em> noch, als Schelling an dieser
-Art des Philosophirens öffentlich Theil nahm, <em class="italic">früher</em>, als jene
-Recension des Fichteschen Grundrisses eingeschwärzt wurde, &mdash;
-der erste Streich, nach Herrn Nicolai, der ihnen gelang, &mdash;
-offenbar <em class="italic">um ein beträchtliches früher</em>, denn durch die vorhergegangenen
-vereitelten Machinationen müssen sie doch auch
-Zeit verloren haben &mdash; welche, sage ich, zu dieser Zeit das
-thaten, dessen Nicolai sie unter (1) und (2) beschuldigt; diese
-<em class="italic">Sie</em> von der Ichschule, die damals die allgemeine deutsche Bibliothek
-zu verachten affectirten, &mdash; ohne Zweifel <em class="italic">öffentlich</em>, da
-ihre entgegengesetzten Bestrebungen <em class="italic">unter der Hand</em> geschahen,
-<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a>
-<a id="pagehdr-63" class="orig-page" title="84"></a>
-in <em class="italic">öffentlichen Schriften</em> also (wie könnte auch sonst Nicolai
-um jene Affectationen wissen?), diese Sie also, die schon damals
-in öffentlichen Schriften sich als Ichphilosophen zeigten? Wer
-können sie seyn, diese Sie? Weiss Nicolai aus diesem Zeitalter
-irgend einen Schriftsteller mir zu nennen, der sich für das
-System der Wissenschaftslehre erklärt hätte, ausser mir selbst?
-Kann er aus jenem Zeitpuncte irgend jemand zu seiner Ichschule
-rechnen, ausser mir und meinen Zuhörern, deren keiner
-Schriftsteller war, und die wohl nur durch mich literarische
-Connexionen hätten erhalten können?
-</p>
-
-<p>
-Will etwa Nicolai insinuiren, dass ich an der Spitze der
-vorgegebenen geheimen Machinationen gestanden, oder wenigstens
-an ihnen Theil genommen? Das muss er wohl wollen;
-denn seine Beschuldigung muss doch irgend jemanden treffen
-sollen; sie muss doch einen von den früher genannten und angegriffenen
-Männern treffen sollen, und da sie die anderen, den
-Herrn Prof. Schelling, die beiden Schlegel, Herrn Tieck nicht
-treffen soll, indem das Factum in eine frühere Zeit gesetzt wird,
-&mdash; sie muss den einzigen, welcher noch übrig bleibt, sie muss
-<em class="italic">mich</em> treffen sollen. Auf mich wird sie auch jeder Leser, der
-die Stelle in ihrem Zusammenhange liest, beziehen. Dies musste
-Nicolai vorhersehen; und da er es vorhersah, und doch redete,
-wie er geredet hat, musste er beabsichtigen, dass es geschehen
-möchte. Oder, wollte er nicht, dass jene Beschuldigung auf
-mich bezogen würde, wollte er nur überhaupt in das blaue
-Feld hin, so dass kein bestimmter Mensch getroffen würde, beschuldigen,
-so musste er ausdrücklich erklären, dass er mich
-nicht meine, dass er keinen Grund habe zu glauben, dass ich
-für meine Person an jenem Getreibe Theil genommen, von demselben
-gewusst habe und dergleichen.
-</p>
-
-<p>
-Dies hat Nicolai nicht gethan; er hat sonach gewollt, dass
-die Beschuldigung auf mich bezogen werde.
-</p>
-
-<p>
-Das Betragen, dessen er mich beschuldigt, ist Nicolai&rsquo;s eigenem
-guten Bewusstseyn, Vortrage und Sinne nach, ein höchst
-verächtliches und nichtswürdiges Betragen; er will, dass die
-Leser es ebenso ansehen, und bedient sich der Ausdrücke, die
-es als ein solches beschreiben. Er redet von <em class="italic">Erschleichungen</em>,
-<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a>
-<a id="pagehdr-64" class="orig-page" title="85"></a>
-<em class="italic">unartigen Schleifwegen, heimlichem Einschwärzen</em>, von Versuchen,
-<em class="italic">unter der Hand sich geneigt zu machen, was man öffentlich
-zu verachten affectirt</em>.
-</p>
-
-<p>
-Dasselbe Betragen ist nach meinen Begriffen und nach den
-Begriffen aller Leser, deren Achtung Werth für mich hat, noch
-unendlich nichtswürdiger, verächtlicher &mdash; und dümmer dazu,
-als Nicolai verstehen und begreifen kann. Denn ich und alle
-die, mit welchen und auf welche zu wirken ich wünschen
-kann, haben überhaupt gar wenig Respect für die gewöhnlichen
-gelehrten Zeitungen, ihre Urtheile, und das Urtheil derer,
-die auf jene Urtheile etwas geben.
-</p>
-
-<p>
-Was aber insbesondere die allgemeine deutsche Bibliothek
-anbelangt, ob sie in Bohns oder in Nicolai&rsquo;s Verlage herauskomme,
-so affectire ich nicht dieselbe zu verachten, sondern
-ich verachte sie wirklich und im ganzen Ernste, wegen ihrer
-allgemeinen Tendenz, und in dem besonderen Fache, in welchem
-ich mir ein Urtheil zuschreiben darf, in dem der Philosophie.<a class="fnote" href="#footnote-17" id="fnote-17">[17]</a>
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a>
-<a id="pagehdr-65" class="orig-page" title="87"></a>
-Dieselbe Verachtung habe ich ohne Ausnahme bei allen
-angetroffen, deren Gesinnungen über diesen Punct ich zu erfahren
-Gelegenheit hatte. Und nun will Nicolai, dass man von
-mir glaube, ich habe dieses Blatt, dessen Verächtlichkeit unter
-die gemeingeltenden Dinge gehört, mir geneigt zu machen
-gesucht.
-</p>
-
-<p>
-Ein solches Betragen wäre, sagte ich unter anderen, auch
-dümmer, als Nicolai begreifen kann. In der Gegend, in welcher
-ich damals mich aufhielt und in dem noch südlicheren
-Deutschlande ist die Verachtung gegen die allgemeine deutsche
-Bibliothek, selbst bei den gemeinsten Lesern, sogar zum Vorurtheile
-geworden; sieht man sie ja noch an, so thut man es
-in den Stunden der Verdauung, um sich an den wunderlichen
-Wendungen und Renkungen der Trivialität und Nullität, die es
-selbst zu merken anfängt, dass sie Nullität ist, zu belustigen.
-Wer in jenen Gegenden lebt, hält ein Lob in dieser Bibliothek
-für eine schlechte Empfehlung. Auf dieses Blatt giebt man
-nur noch in einigen finsteren Provinzen Deutschlands etwas,
-wo man im Ganzen noch auf der Stufe der Bildung steht, auf
-der wir vor 40 Jahren standen, und noch aus dem Grundtexte
-berichtet zu seyn wünscht, ob in einer Stelle des neuen
-Testaments vom Teufel wirklich die Rede sey, oder nicht, oder
-gegen die Furcht vor dem Umsturze der theuren protestantischen
-Denkfreiheit durch die Machinationen der Jesuiten Beruhigung
-sucht.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a>
-<a id="pagehdr-66" class="orig-page" title="88"></a>
-Also das Betragen, dessen Nicolai mich beschuldigt, ist
-nichtswürdig, verächtlich, dumm. Er führt nichts an, um seine
-Beschuldigung zu beweisen. Ich kann einen nicht geführten
-Beweis nicht widerlegen. &mdash; Da ich im Ernste nicht wieder
-zu Nicolai zurückkommen mag, so muss ich mich begnügen,
-ehrliebende Leser zu versichern, dass die ganze Beschuldigung
-rein erdichtet ist, dass ich nie in freundschaftlichem Umgange
-oder Verbindung mit irgend einem Menschen gestanden, der
-mir als Mitarbeiter an der allgemeinen deutschen Bibliothek
-oder als zusammenhängend mit der Redaction derselben bekannt
-gewesen, dass ich um die Urtheile in der allgemeinen
-deutschen Bibliothek mich nie bekümmert, und nie das Geringste
-gethan habe, um auf dieselben einen Einfluss zu erhalten. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Der Verweis, den ich dem damaligen Verleger derselben,
-Herrn Bohn, zu geben genöthigt wurde, wegen der Imbecillität,
-mit welcher er Pasquille auf mich im Intelligenzblatte jener
-Zeitschrift abdrucken liess, und als ich hierüber Nachfrage anstellte,
-nicht wusste, wovon die Rede war, war doch ohne
-Zweifel keine Gunstbewerbung.
-</p>
-
-<p>
-Es ist jetzt an den Lesern, die meiner Versicherung nicht
-glauben, Nicolai zum öffentlichen Beweise seiner Beschuldigung
-anzuhalten. Ich weiss sicher, dass er nichts als Erdichtungen
-und Lügen wird vorbringen können, und diese werden
-hoffentlich von der Art seyn, dass man, ohne vor dem Publicum
-sich mit ihm abzugeben, ihn vor dem bürgerlichen Gerichtshofe
-belangen, und diesem das Urtheil übergeben könne.
-</p>
-
-<p>
-Jedoch, ist es denn nicht Factum, was Nicolai Nr. 3 anführt,
-dass eine, wie Nicolai meint, lobpreisende Recension
-meiner Grundlage der Wissenschaftslehre in der neuen deutschen
-Bibliothek abgedruckt worden? Für Nr. 1 und 2 hat Nicolai vielleicht
-gar keine Beweise; er hat es vielleicht aus Nr. 3 durch
-seine bekannte Conjecturalkritik nur gefolgert, und kein Bedenken
-getragen, seine Folgerungen als historische Thatsachen
-hinzustellen.
-</p>
-
-<p>
-Welche Folgerungen! Weil eine Anzeige, die meine Gedanken
-nur nicht sogleich weggeworfen haben will, sondern
-<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a>
-<a id="pagehdr-67" class="orig-page" title="89"></a>
-sie einem weiteren Nachdenken empfiehlt, in die neue deutsche
-Bibliothek, deren Grundmaxime es ist, alles Neue ohne
-weiteres wegzuwerfen, sich verläuft; muss sie von einem ausgemachten
-Fichtianer seyn, muss sie in Jena verfertigt seyn,
-muss ich an der Einsendung derselben Theil haben, muss ich
-schon seit langem ähnliche Versuche vergebens gemacht haben?
-</p>
-
-<p>
-Wäre denn nicht auch etwa <em class="italic">der</em> Fall möglich, dass jene
-Anzeige von einem Gelehrten herkäme, der <em class="italic">nicht</em> zu Jena lebte,
-der mich nie persönlich gekannt, und bis diese Stunde mich
-nicht persönlich kennt, der kein Interesse für mich haben
-konnte, als das, welches ihm die angezeigte Schrift einflösste,
-und von dessen Existenz sogar ich erst durch die Existenz jener
-Anzeige unterrichtet wurde? Wäre es nicht möglich, dass
-dieser Gelehrte diese Anzeige ohne alle Bestellung irgend eines
-Redacteurs, lediglich aus Interesse für die Sache, und in der
-gutmüthigen Meinung, dass dieser durch eine Recension nachgeholfen
-werden könnte, abgefasst, und sie zuerst an eine andere
-wirklich gangbare gelehrte Zeitschrift eingesendet; dass
-sie von da aus, etwa weil man sie, wofür auch Nicolai sie erkannt
-haben will, für einen blossen trockenen Auszug gehalten,
-zurückgesendet worden, und nun erst &mdash; Nicolai mag wissen
-auf welchem Wege, ich weiss es nicht &mdash; an die N. D. B.
-gekommen, bloss damit sie nicht vergebens geschrieben wäre;
-dass ich von diesem letztern Schicksale jener Anzeige durchaus
-nichts vorher gewusst oder erfahren, und mit einer ähnlichen
-Befremdung, als Nicolai, sie in dem angeführten Hefte
-der N. D. B. abgedruckt gefunden? Wäre dieser Fall nicht
-ebenso möglich? Aber warum soll ich es nicht gerade heraussagen:
-durch ein Ungefähr bin ich hierin besser unterrichtet,
-als der sonst immer so wohl unterrichtete Nicolai; &mdash; der
-als möglich vorausgesetzte Fall ist wirklich; gerade so, wie ich
-es oben angegeben, hat es sich zugetragen. Nicolai will wissen,
-dass jene Anzeige durch einen Mitarbeiter an der A. D. B.,
-der gar nicht im philosophischen Fache arbeitete, der ihm sonach
-sehr wohl bekannt seyn muss, eingesandt worden; und
-hierin weiss er mehr, als ich. Er hatte sonach einen festen
-Punct, um seine sorgfältigen und wichtigen Untersuchungen
-<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a>
-<a id="pagehdr-68" class="orig-page" title="91"></a>
-anzuknüpfen. Hätte er doch, er, der auf manchem Blatte<a class="fnote" href="#footnote-18" id="fnote-18">[18]</a>
-seinen Lesern erzählt, wie weit herum er correspondire, um
-gründlichen Bericht abstatten zu können, wo die leichtesten
-Angelhaken verfertigt würden, &mdash; hätte er doch auch hier ein
-paar Briefe sich nicht gereuen lassen! Oder ist er vielleicht
-auch über diesen Gegenstand besser unterrichtet, als er sichs
-will abmerken lassen, und diente es nur nicht in seinen Kram,
-zu verrathen, dass die von ihm wieder aufgenommene A. D. B.
-fürlieb genommen, was eine andere gelehrte Zeitschrift abgewiesen,
-und auf mein eigenes Anrathen abgewiesen hatte?
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-3-15-2">
-<span class="line1">2.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Ich komme zu Nicolai&rsquo;s zweitem ehrenrührigen Angriffe.
-Er beschuldigt mich (S. 176), ich habe, in Beziehung auf einen
-Gegner, &bdquo;<em class="italic">der mir gezeigt habe, was offenbar aus meinen Sätzen
-folge</em>,&ldquo; von Schurkerei und Büberei gesprochen.
-</p>
-
-<p>
-Ich weiss nicht, ob Nicolai selbst begreift, wessen er dadurch
-mich beschuldigt, und ich zweifle, dass er es begreift.
-Er wirft diese Schmähung zusammen, und bringt sie in Einem
-Athemzuge vor mit einer anderen Anklage, mit der, dass ich
-von gewissen Gegnern als von Halbköpfen gesprochen. Dünkt
-ihm etwa dieses letztere und jenes erstere so ohngefähr gleich?
-</p>
-
-<p>
-Dünke ihm, was da wolle, es kommt nicht darauf an, was
-Er von mir glaubt, sondern darauf, was er andere von mir
-glauben machen will. In den Augen desjenigen Theils des Publicums,
-an dessen Achtung mir etwas liegt, und in meinen
-eigenen Augen, ist dieses letztere und jenes erstere nicht
-gleich.
-</p>
-
-<p>
-Einen literarischen Angriff durch einen Angriff auf die
-persönliche moralische Ehre des Gegners erwiedern, und die
-Anführung von Gründen Schurkerei und Büberei nennen, ist
-nach meinem Urtheile, und wie ich hoffe nach dem Urtheile
-<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a>
-<a id="pagehdr-69" class="orig-page" title="92"></a>
-aller verständigen und ehrliebenden Männer, nur das Betragen
-eines wüthenden Narren, oder tückischen und hämischen Wahrheitsfeindes
-und Bösewichts.
-</p>
-
-<p>
-Hätte der Gegner nur wirklich aus <em class="italic">meinen</em> Sätzen gefolgert,
-gesetzt auch, er hätte diese Sätze falsch verstanden, oder
-er hätte unrichtig aus ihnen gefolgert, und ich hätte ihm das
-Misverständniss oder die Fehlschlüsse handgreiflich darthun
-können, so hätte ich ihm allerdings Unverstand, Inconsequenz
-und dergleichen Verstandesgebrechen vorrücken, aber ich hätte
-nimmermehr von Schurkerei und Büberei sprechen dürfen, so
-lange noch die mindeste Möglichkeit übrig gewesen, anzunehmen,
-dass er ehrlicherweise <em class="italic">selbst glaube</em>, was er behauptet.
-</p>
-
-<p>
-Wie verhält sich denn nun die Sache? Zum Glücke lässt
-in diesem Handel das Factum, worauf Nicolai seine Beschuldigung
-baut, sich zu Tage liefern. Er giebt die Stelle richtig
-an (Philos. Journal v. J. 1798, Heft 8, S. 386.<a class="fnote" href="#footnote-19" id="fnote-19">[19]</a> &mdash;) Hier ist
-sie im Zusammenhange.
-</p>
-
-<p>
-Ich sage S. 385 oben im Texte: &bdquo;ich habe die lügenhaften
-Verdrehungen, die z. B. Hr. Heusinger mit dem Gesagten vornimmt,
-weder verdient, noch veranlasst;&ldquo; und setze in einer
-Note hinzu: &bdquo;Ich sage (S. 10 meines Aufsatzes über den Grund
-unseres Glaubens an eine moralische Weltregierung, im 1. Hefte
-des Phil. Journals desselben Jahrganges), um die nothwendige
-Consequenz beider Gedanken auszudrücken: Ich muss, wenn ich
-nicht mein eigenes Wesen verläugnen will, die Ausführung jenes
-Zwecks (der Moralität) mir vorsetzen; &mdash; habe diesen Satz
-zu analysiren, wiederhole ihn daher auf der folgenden Seite
-<em class="italic">verkürzt</em> mit Hinweglassung der Merkmale, die keiner Analyse
-bedürfen, so: ich muss schlechthin den Zweck der Moralität
-mir vorsetzen, <em class="italic">heisst</em>: u. s. w. &mdash; Die Rede ist sonach gleich
-der folgenden: In einem rechtwinkligen Triangel ist das Quadrat
-der Hypotenuse gleich dem Quadrate der beiden Katheten.
-In <em class="italic">einem Triangel</em> ist das Quadrat der Hypotenuse etc.
-<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a>
-<a id="pagehdr-70" class="orig-page" title="94"></a>
-<em class="italic">heisst</em>: u. s. w. &mdash; Hr. Heusinger aber<a class="fnote" href="#footnote-20" id="fnote-20">[20]</a> hält sich an den letzten
-Ausdruck des Satzes, als den <em class="italic">directen</em>, erklärt meine ganze
-Theorie aus diesem unbedingt gesetzten <em class="italic">Muss</em>, um mich eines
-Fatalismus zu bezüchtigen (da doch jedem, der nur eine Sylbe
-von mir gelesen, bekannt seyn muss, dass auf die Freiheit des
-Willens mein ganzes Denken aufgebaut ist), und es recht klar
-darzulegen, wie nach mir die moralische Ordnung <em class="italic">sich selbst
-mache</em>, und wie ich mit meinem guten Bewusstseyn ein offenbarer
-Atheist sey. &mdash; Im gemeinen Leben nennt jeder Ehrliebende
-ein solches Benehmen Schurkerei, Büberei, Lüge. Wie
-soll man es in der Literatur nennen?&ldquo; &mdash; Dies ists, was ich
-geschrieben hatte. Ich bitte den verständigen und ehrliebenden
-Leser sich folgende Fragen zu beantworten:
-</p>
-
-<p>
-1) Heisst das, <em class="italic">aus meinen Sätzen folgern</em>, wie Nicolai es
-nennt, wenn man mir einen <em class="italic">bedingten Satz</em> in einen <em class="italic">unbedingten</em>
-verwandelt, um mir eine Meinung anzudichten, von welcher
-jeder, der in der neuen philosophischen Literatur bewandert
-ist, wissen muss, und Hr. Heusinger sicher wusste, dass
-ich mich von jeher auf das stärkste gegen sie erklärt habe?
-Es ist also nicht von <em class="italic">Folgerungen</em>, es ist von <em class="italic">Verdrehungen
-und Erdichtungen</em> die Rede.
-</p>
-
-<p>
-2) Kann man umhin, anzunehmen, dass diese Verdrehung
-nicht aus Irrthum, sondern mit gutem Wissen und Bedacht
-gemacht worden, wenn der Verfasser seinen Zweck, eine dem
-Gegner gemachte Beschuldigung (die des Atheismus) als gegründet
-zu erweisen, gleich von vornherein angiebt, und wenn
-dieser Zweck <em class="italic">nur durch dieses Mittel</em> zu erreichen ist?
-</p>
-
-<p>
-3) Wie würde man ein ähnliches Benehmen im bürgerlichen
-Leben nennen? Wenn ich z. B. im Gespräche gesagt
-hätte: wenn Nicolai nicht ein grundschiefer und zerrütteter
-Kopf ist, so ist er ein hämischer Bösewicht: und Nicolai hätte
-mehr zu bedeuten, als er hat, und es ginge einer zu ihm, und
-erzählte ihm, ich, Fichte, habe gesagt, er, Nicolai, sey ein hämischer
-Bösewicht; und dieser Erzähler thäte es in der laut
-<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a>
-<a id="pagehdr-71" class="orig-page" title="95"></a>
-zugestandenen Absicht, einer Anklage, durch welche ein unauslöschliches
-Brandmal auf meinen Charakter gebracht werden
-sollte, und durch deren Erfolg ich aus meiner Laufbahn
-geworfen worden, die öffentliche Beistimmung zu verschaffen:
-würde man dieses Benehmen anders bezeichnen können, ausser
-durch die Benennung der Lüge, der Schurkerei und
-Büberei?
-</p>
-
-<p>
-4) Ist die Anfrage: im bürgerlichen Leben nennt man dies
-Schurkerei, Büberei, Lüge, wie soll man es in der Literatur
-nennen? &mdash; gleich <em class="italic">dem</em> Satze: man soll es in der Literatur
-ebenso nennen, und ich will es hiermit also genannt haben?
-Zwar bin ich, damit nicht etwa jemand glaube, dass ich mich
-zurückziehen wolle, ich bin allerdings der Ueberzeugung, dass
-man es auch in der Literatur so nennen solle, wenn es nur
-über literarische Rechtlichkeit eine ebenso befestigte und verbreitete
-allgemeine Meinung gäbe, wie über bürgerliche Ehre.
-Ich bin allerdings der Ueberzeugung, und scheue mich nicht,
-es laut zu erklären, dass dieser Herr Heusinger sehr nichtswürdig
-gehandelt hat.
-</p>
-
-<p>
-5) Nicolai&rsquo;s Betragen, der, wenn er nicht von so immensem
-Gedächtnisse ist, dass er darin sogar die Seitenzahlen unseres
-philosophischen Journals gegenwärtig hat, die oben angeführte
-Stelle, welche er richtig citirt, aufgeschlagen und vor Augen
-haben musste, und dennoch fähig war niederzuschreiben: ich
-habe darüber, dass <em class="italic">ein Gegner mir gezeigt, was aus meinen
-Sätzen folge</em>, von Schurkerei und Büberei gesprochen, &mdash; dieses
-Betragen Nicolai&rsquo;s zu beurtheilen und zu benennen, überlasse
-ich ganz allein dem ehrliebenden Leser.
-</p>
-
-<p>
-Soviel über diese ehrenrührigen Angriffe Nicolai&rsquo;s, die auf
-erdichtete Thatsachen sich gründen. Was er (S. 154 u. S. 177)
-über mein Benehmen bei der Niederlegung meines Lehramtes
-an der Universität Jena urtheilt, übergehe ich mit Stillschweigen,
-indem er hierin wenigstens nicht offenbar falsche Thatsachen
-erdichtet, obgleich er mir Empfindungen und Gesinnungen
-zuschreibt, welche nie die meinigen waren. Das Urtheil
-eines Nicolai ist mir zu unbedeutend und zu verächtlich, als
-dass ich mich dagegen vertheidigen oder annehmen sollte, dass
-<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a>
-<a id="pagehdr-72" class="orig-page" title="96"></a>
-irgend jemand, an dessen Achtung mir liegen könnte, dieses
-Urtheil theilte. Es dürfte vielleicht, ausser dem, was über jene
-Sache bekannt worden, noch andere Umstände geben, die da
-unbekannt geblieben, und welche mein Betragen dabei in ein
-anderes Licht stellen würden, als dasjenige ist, in welchem Nicolai
-zweckmässig findet, dieses Betragen erscheinen zu lassen;
-aber Nicolai gerade ist der letzte, der über diese Dinge
-mich zur Rede bringen soll.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-17" id="footnote-17">[17]</a> Und wie könnte ich anders, als sie verachten, von der Seite ihres
-Geistes versteht sich, diese Recensenten, denen nicht einmal der Nicolaische
-Kunsttrieb zu Theil wurde, miszuverstehen, zu verdrehen, und sodann sich
-das Ansehen zu geben, als ob sie widerlegten; sondern die sich geradezu
-hinstellen, bekennen und bejammern, wie der Schulknabe, der seine Lection
-aufsagen soll, und sie nicht gelernt hat, dass sie das Vorgebrachte denn doch
-gar nicht verstehen und klar kriegen könnten; dass philosophische Schriften
-denn doch zum allerwenigsten so deutlich seyn sollten, dass sie <em class="italic">von Philosophen</em>
-(sie sind wohl auch welche, diese Recensenten? ein Philosoph ist
-wohl ein Mensch, der im philosophischen Fache an der A. D. B. recensirt?),
-dass sie, sage ich, von Philosophen verstanden werden könnten; die denn
-doch bei alle dem ihre Abneigung gegen das, was sie nicht zu verstehen
-bekennen, nicht bergen können, und zuletzt mit dem Troste für ihren Redacteur,
-ihre Leser und sich selbst, abtreten, dass noch zeitig genug die
-Zeit kommen werde, da diese verzweifelte neueste Philosophie widerlegt seyn
-werde; diese Recensenten, mit deren Belesenheit es so beschaffen ist, dass
-sie aus Citaten Druckfehler abdrucken lassen, und sich hinterher über den
-sonderbaren Ausdruck verwundern. So lässt neulich einer aus Heydenreichs
-Vesta unbefangen folgenden Satz als den meinigen abdrucken: &bdquo;Das eheliche Verhältniss
-ist die von der Natur geforderte <em class="italic">Masse</em> (<em class="italic">Weise</em> steht in meinem Texte,
-m. s. mein Naturrecht Bd. III. 316. [2. Th. 174]) des erwachsenen Menschen von
-beiden Geschlechtern zu existiren.&ldquo; Allerdings eine sonderbare Art sich auszudrücken,
-ruft der Recensent in einer Parenthese aus.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Jeder, der in den neuesten Stücken der N. D. B. unter den philosophischen
-<a id="corr-3"></a>Recensionen herumblättern will, wird auf die oben angeführten Aeusserungen
-stossen.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Nun wird zwar Nicolai, der bei der Wiederübernehmung der Herausgabe
-jener Bibliothek die bisherigen Recensenten beizubehalten verspricht
-(auch nimmermehr andere bekommen würde), versichern, dass jene Recensenten
-unter die ersten deutschen Schriftsteller gehörten, wie er dies von
-dem Recensenten der Schellingschen Weltseele in der Jenaischen Literaturzeitung
-versichert, und wohl gar so grossmüthig seyn, sich in meine Seele,
-ebenso wie in Schellings zu schämen, dass ich von diesen Männern spreche,
-wie von einfältigen Schulknaben; wie ich denn auch allerdings thue.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-18" id="footnote-18">[18]</a> S. die Vorrede zum XI. Theile seiner Reisebeschreibung.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-19" id="footnote-19">[19]</a> Sämmtliche Werke Bd. V. S. 394. &mdash; Die im Folgenden erwähnte
-Note ist dort weggelassen worden, als längst vergessenen polemischen Beziehungen
-angehörig. (Anmerk. des Herausgebers.)
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-20" id="footnote-20">[20]</a> In seiner Schrift: über das idealistisch-atheistische System des Herrn
-Prof. Fichte.
-</p>
-
-<h3 class="l2s chapter" id="chapter-3-16">
-<span class="line1">Zweite Beilage.</span><br />
-<span class="line2">(Zum zweiten Capitel.)</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Gegen die Schilderung Mendelssohns im Texte, dass er
-ein Mann von dem besten Willen, aber von eingeschränkten
-Einsichten und Zwecken gewesen sey, wird ohne Zweifel niemand
-etwas einwenden, der diesen Mann aus seinen Schriften
-und öffentlichen Verhandlungen, aus dem Lessingschen Briefwechsel,
-und etwa auch aus mündlichen Erzählungen kennt; &mdash;
-wenn nemlich der Beurtheiler nicht etwa selbst von eingeschränkten
-Einsichten und Zwecken ist. Mit Beurtheilern der
-Art aber wollen wir hier nicht die Zeit verlieren.
-</p>
-
-<p>
-Dass Lessing &mdash; wir beziehen uns hier allenthalben auf
-die früheren Schriften desselben und die von seinem Bruder
-herausgegebene Lebensbeschreibung und Briefwechsel, und
-wünschten, dass der Leser, der ein Urtheil in dieser Sache
-begehrt, damit sehr bekannt wäre, &mdash; dass, sage ich, Lessing
-in seiner frühen Jugend sich in einer unbestimmten literarischen
-Thätigkeit herumgeworfen, dass alles ihm recht war, was nur
-seinen Geist beschäftigte und übte, und dass er hierbei zuweilen
-auf unrechte Bahnen gekommen, wird kein Verständiger
-läugnen. Die eigentliche Epoche der Bestimmung und Befestigung
-<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a>
-<a id="pagehdr-73" class="orig-page" title="98"></a>
-seines Geistes scheint in seinen Aufenthalt in Breslau zu
-fallen, während dessen dieser Geist, ohne literarische Richtung
-nach aussen, unter durchaus heterogenen Amtsgeschäften, die
-bei ihm nur auf der Oberfläche hingleiteten, sich auf sich
-selbst besann, und in sich selbst Wurzel schlug. Von da an
-wurde ein rastloses Hinstreben nach der Tiefe und dem Bleibenden
-in allem menschlichen Wissen an ihm sichtbar; und
-eine der deutlichsten Erscheinungen dieser Veränderung war
-eine sich durchaus nicht verbergende Verachtung gegen Nicolai&rsquo;s
-Person, und ganzes Werk und Wesen, indess er die gutmüthige
-Beschränktheit Mendelssohns fortdauernd mit schonendem
-Stillschweigen trug.
-</p>
-
-<p>
-Schon früher hatte er unserem Helden die Verweise seiner
-Unwissenheit, Ungeschicktheit und Suffisance nicht erlassen.
-(M. s. S. 98 ff. u. S. 109 ff. des von Nicolai selbst edirten
-Briefwechsels.) Von jetzt an correspondirte er mit ihm nur
-noch über Verlagsangelegenheiten, um ihm Aufträge zu geben,
-z. B. dass er ihm Schuhe überschicken solle, und um Neuigkeiten
-von der Buchhändlermesse durch ihn zu erhalten. Sein
-Vertrauen hatte Nicolai so wenig, dass Lessing unverhohlen
-über einen gewissen Plan ihm schrieb: den könne er ihm nicht
-mittheilen, der müsse unter <em class="italic">den Freunden</em> (Klopstock, Bode
-u. a.) bleiben; ohnerachtet er freilich fürchtete, dass ihm beim
-Herumgehen um das Thor zu Leipzig ein Wink darüber entschlüpft
-seyn möchte (S. 177 des angeführten Briefwechsels);
-seine literarische Unterstützung und Billigung der Unternehmungen
-so wenig, dass Lessing nie eine Recension in die D. B.
-verfertigt, so sehr auch Nicolai suchte, ihm dergleichen abzuschmeicheln
-(S. 147), und sich genöthigt fand, dies öffentlich
-zu erklären (S. 255), und dass er nicht dazu zu bringen war,
-ihm Beiträge aus der Wolfenbüttelschen Bibliothek für seine
-(Nicolai&rsquo;s) Volkslieder zu senden, &bdquo;indem doch der ganze Spass
-nur auf Verwechselung des Pöbels mit dem Volke hinauslaufe&ldquo;
-(S. 393). Man sehe dagegen, mit welcher Dienstfertigkeit und
-innigen Achtung derselbe Mann Conrad Arnold Schmid
-(29. Theil der Lessingschen Schriften) und den fleissigen, biederen
-Reiske (28. Theil) behandelte. Einen Zug in einer Nicolaischen
-<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a>
-<a id="pagehdr-74" class="orig-page" title="99"></a>
-Recension nannte Lessing, kurz und gut, sowie er
-es wirklich war, ihm unter die Augen <em class="italic">hämisch</em> (S. 213 d. a.
-Briefwechsels). Nicht nur Nicolai&rsquo;s Person, sein ganzes Werk
-und Wesen verachtete er. So war ihm die Aufklärerei und
-der Neologismus in der Theologie, wie er in der D. B. getrieben
-wurde, ein wahrer Gräuel, und er drückte unter vier
-Augen sich oft kräftig darüber aus. So schreibt er seinem
-Bruder (30. Theil S. 286): &bdquo;was ist sie anders, unsere neumodische
-Theologie gegen die Orthodoxie, als Mistjauche gegen
-unreines Wasser?&ldquo; Und auf der folgenden Seite: &bdquo;Flickwerk
-von Stümpern und Halbphilosophen ist das Religionssystem,
-welches man jetzt (wo anders als in der D. B.?) an die Stelle
-des alten setzen will, und mit weit mehr Einfluss auf Vernunft
-und Philosophie, als sich das alte anmaasst.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Wielands Pläsanterie über den Bunkel findet er so gerecht
-als lustig (29. Theil S. 495). Was er daselbst noch weiter
-hinzusetzt, &mdash; ohnerachtet es auf eine unseres Erachtens
-sehr unrichtige Voraussetzung sich gründet, &mdash; um Nicolai zu
-entschuldigen, zeigt doch wenigstens an, zu welcherlei Handwerk
-Lessing diesen Mann allenfalls noch tauglich gefunden:
-&bdquo;zu Verbreitung &mdash; <em class="italic">solcher</em> Ideen, die für ein gewisses Publicum,
-das doch auch mit diese Stufe besteigen müsse, wenn
-es weiter kommen solle, ihren Werth hätten, durch &mdash; <em class="italic">so
-einen Roman</em>.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Und Nicolai, der sich mit Lessings Freundschaft brüstete,
-der die Ehre des Todten gegen den Vorwurf vertheidigte, dass
-er &mdash; kein so seichter Kopf gewesen sey, als ein Nicolai, hat
-die Stirn, seinen Briefwechsel mit Lessing, aus dem wir oben
-Auszüge geliefert, selbst herauszugeben? Warum nicht? Er
-hat lange Noten dazu gemacht, in denen er sich herausredet,
-Lessing für einen wunderlichen Kopf, für einen übellaunigen
-Brummer, für ein überspanntes Genie ausgiebt, und seine ihm
-(dem Nicolai) selbst ungelegenen Meinungen aus der leidigen
-Paradoxie und Disputirsucht erklärt.
-</p>
-
-<p>
-Heiliger Schatten, vergieb uns, dass wir in demselben Zusammenhange
-von dir redeten und von ihm. Wenn auch keine
-deiner Behauptungen, wie du sie in Worte fasstest, die Probe
-<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a>
-<a id="pagehdr-75" class="orig-page" title="101"></a>
-halten, keines deiner Werke bestehen sollte, so bleibe doch
-dein Geist des Eindringens in das innere Mark der Wissenschaft,
-deine Ahnung einer Wahrheit, die da Wahrheit bleibt,
-dein tiefer inniger Sinn, deine Freimüthigkeit, dein feuriger
-Hass gegen alle Oberflächlichkeit und leichtfertige Absprecherei
-unvertilgbar unter deiner Nation!
-</p>
-
-<h3 class="l2s chapter" id="chapter-3-17">
-<span class="line1">Dritte Beilage.</span><br />
-<span class="line2">(Zum zweiten Capitel.)</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Ich nenne die deutsche Bibliothek <em class="italic">ein an sich widersinniges
-Unternehmen</em>. Dies ist unter einer Nation, die in ihrer
-eigenen Sprache schreibt, ihre eigene Literatur und einen sehr
-verbreiteten Buchhandel hat, und viel liest, der Strenge nach
-<em class="italic">jedes allgemeine Recensionswerk</em>.
-</p>
-
-<p>
-Es ist zu beklagen, dass ich daran ein Paradoxon sage;
-denn dies ist jede einem jedem gerade vor den Füssen liegende
-Wahrheit jedem verkünstelten Zeitalter. Könnte ich nur
-einige Augenblicke auf unbefangene Leser rechnen, so würde
-ich sie bitten, folgendes mit mir zu überlegen.
-</p>
-
-<p>
-Der Leser will doch ohne Zweifel ein richtiges Urtheil
-über die Producte der Kunst und der Wissenschaft, auf das
-er sich auch verlassen könne. Wer kann denn nun, und wer
-soll diese Urtheile fällen? Doch wohl die ersten Meister in jedem
-Fache der Kunst und der Wissenschaft?
-</p>
-
-<p>
-Wenn nun zuvörderst der einige grösste Meister in einem
-Fache &mdash; denn es ist doch wohl nicht anzunehmen, dass die
-Grossen wie Pilze aus der Erde wachsen &mdash; etwas schriebe,
-wer soll denn diesem sein Urtheil fällen? Wer soll gegenwärtig
-in der Kunst über Goethe, wer sollte zu seiner Zeit in der
-Philosophie über Leibnitz, wer sollte, als Kant mit seiner Kritik
-<a id="page-76" class="pagenum" title="76"></a>
-<a id="pagehdr-76" class="orig-page" title="102"></a>
-der reinen Vernunft hervortrat, über Kant urtheilen? Ueber
-den letzten etwa die Garve, die Eberharde? Nun, sie haben
-es gethan, und es ist darnach. Diesen Fall aber abgerechnet:
-sollten denn die grössten Meister die Geneigtheit haben, dieses
-Richteramt über die Schriften zu übernehmen; sollten sie nicht
-etwas Besseres thun können, das dem gemeinen Wesen
-noch erspriesslicher sey? &mdash; Der Lebenslauf jedes wahrhaften
-Künstlers oder wissenschaftlichen Kopfs ist eine fortgehende
-Entwickelung seiner eigenen Originalität. Seine Kunst oder
-seine Wissenschaft erlernt, und auf den Punct sich erhoben,
-wo das Zeitalter stand, hat er; das versteht sich, und dies
-ist nun vorbei. Er geht <em class="italic">seinen</em> Gang, entwickelt sich selbst
-in eigenen Schriften, die er bei der vorausgesetzten Ausbreitung
-des Buchhandels leicht ins Publicum bringen kann; von
-den Arbeiten anderer nimmt er Notiz, nur inwiefern sie gerade
-seinen Gang berühren, und ihm im oder am Wege liegen,
-und er wird ohne Zweifel in seinen eigenen Werken die nöthige
-Rücksicht darauf nehmen. Sollte er sich wohl in diesem
-Kreise unterbrechen lassen, um sich alle Wochen in einen ganz
-anderen Kreis eines ihm zur Recension zugesandten Buches
-zu versetzen? Es ist nicht wahrscheinlich.
-</p>
-
-<p>
-Oder hat etwa das deutsche Publicum <a id="corr-4"></a>bis jetzt in allem
-Ernste geglaubt, dass es zwei Klassen grosser Gelehrten habe:
-die eine, deren Namen es kennt, und die die Bücher schreiben;
-und die zweite, wohl ebenso bedeutende, deren Namen
-es nicht kennt, und die die Recensionen schreiben?
-</p>
-
-<p>
-Wer selbst ein Buch schreiben kann, der schreibt ein Buch
-und keine Recension, und für die Recensionen bleiben <em class="italic">in der
-Regel</em> nur diejenigen übrig, die kein Buch schreiben können:
-hinter ihrem Zeitalter zurückgebliebene <em class="italic">Invaliden</em>, deren Bücher
-keinen Absatz, und also keinen Verleger finden, und
-<em class="italic">Schüler</em>, die zwar ein Aufsätzchen in Grösse einer Recension
-zusammenbringen, aber nicht den Plan eines Buchs entwerfen
-können. Dafür, meine Leser, dafür ist die Anonymität der
-Recensenten. Das Publicum würde ein schönes Schauspiel erhalten,
-wenn die Redactoren der recensirenden Institute plötzlich
-genöthigt würden, die Verfasser aller seit 5 Jahren erschienenen
-<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a>
-<a id="pagehdr-77" class="orig-page" title="104"></a>
-Recensionen zu nennen. &mdash; <em class="italic">In der Regel</em> ist es so, habe
-ich gesagt: denn es ist möglich, dass ein wirklicher Schriftsteller
-etwas in seinen gegenwärtigen Gedankenkreis Fallendes
-beurtheile, und da er gerade kein Buch unter der Feder hat,
-in welches diese Beurtheilung passe, sie vorläufig in einem recensirenden
-Blatte abdrucken lasse. Auf dergleichen Beiträge
-aber rechnet ganz gewiss kein Redacteur, der seinen Messkatalog
-herunterrecensiren lassen, und sein Blatt alle Tage voll
-haben muss: er muss bestellte, pünctliche Arbeiter haben. Oder
-es dürfte sich, <em class="italic">da das leidige Vorurtheil für Recensionen einmal
-in der Welt ist, und vor der Hand wohl nicht leicht auszurotten
-seyn dürfte</em>, eine Gesellschaft von Männern, die allerdings
-selbst Meisterwerke liefern könnten, verbinden, sich selbst
-zu verläugnen, und auf dem Wege des Recensirens in das Zeitalter
-einzugreifen. Die Redaction der Erlanger Literaturzeitung
-leistet in einer neuerlichen Ankündigung Versprechungen dieser
-Art, und zeigt, dass sie durchaus wisse, worauf es dabei
-ankomme; so dass sich billigerweise annehmen lässt, sie sey
-im Besitze des Mittels, diese Versprechungen zu halten, und
-gründe sich auf eine solche patriotische Verbindung; auch berechtigt
-der Anfang zu immer grösseren Hoffnungen auf die
-Zukunft. Diese Zeitung würde sodann eine höchst seltene und
-höchst ehrenvolle Ausnahme von dem obigen allgemeinen Urtheile
-machen.
-</p>
-
-<p>
-Ein <em class="italic">Invalid</em> also, oder ein <em class="italic">Schüler</em> wird in den <em class="italic">8 oder 14
-Tagen</em>, da er das Buch flüchtig durchläuft, und recensirt, sich
-über den Autor erheben, der <em class="italic">Jahre lang</em>, oder vielmehr, da
-jede seiner Arbeiten doch immer Resultat seines ganzen Lebenslaufes
-ist, <em class="italic">sein ganzes Leben</em> an diese Materie ausschliessend
-verwendete? Es ist nicht wahrscheinlich.
-</p>
-
-<p>
-Der <em class="italic">Invalid</em> &mdash; mit ihnen sind diejenigen literarischen Institute,
-die auf Reputation halten, am meisten besetzt, damit
-sie im Falle der Noth sich mit einem Namen decken können,
-der vor 20 Jahren galt &mdash; der Invalid wird das Zeitalter, in
-welchem er etwas bedeutete, in seinen Recensionen zurückzuführen
-suchen, und alles neue verurtheilen, weil es neu ist.
-Der <em class="italic">Schüler</em> wird, wenn er noch am unbefangensten ist, auf
-<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a>
-<a id="pagehdr-78" class="orig-page" title="105"></a>
-seinem Richterstuhle herumtappen, und vor den Lesern, die ein
-Urtheil von ihm erwarten, zu begreifen suchen, worüber er
-richtet. Seine Recension wird eine seiner Schulübungen
-werden.<a class="fnote" href="#footnote-21" id="fnote-21">[21]</a>
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a>
-<a id="pagehdr-79" class="orig-page" title="106"></a>
-Und welche verächtliche Leidenschaften werden durch
-diese ganze Verfassung erregt und genährt! Welcher Eigendünkel
-bei guten Jünglingen, welche grösstentheils dergleichen Einrichtungen
-<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a>
-<a id="pagehdr-80" class="orig-page" title="108"></a>
-wirklich für das halten, was sie seyn müssten, wenn
-sie überhaupt seyn sollten! Der Wahl tappender und schielender
-Redactoren vertrauend, glauben sie vom Tage ihrer Einladung
-zur Mitgliedschaft einer berühmten Recensentengilde
-wirklich die Fähigkeiten zu besitzen, die sie in ihrer Unbefangenheit
-den Recensenten zuschreiben, zürnen auf ihre redlichen
-Lehrer, welche vielleicht diese Fähigkeiten in ihnen noch nicht
-bemerken wollten, und ergreifen die Gelegenheit, diesen ihre
-Uebermacht fühlbar werden zu lassen!<a class="fnote" href="#footnote-22" id="fnote-22">[22]</a> Welche schöne Aussichten
-für Literaten aller Art, ihre gelehrte Eifersucht, ihren
-Neid, ihre Rachsucht gegen jeden, der ihnen irgendwo im Wege
-gestanden, zu befriedigen, ohne dass jemand wisse, woher die
-Streiche kommen! Jeder Gedrückte tröstet sich in aller Stille
-damit: ei, ich will ihm schon einmal in einer Recension eins
-versetzen; und er hält Wort. &mdash; Welches Schauspiel würde das
-Publicum auch in dieser Rücksicht erhalten, wenn die Redactoren
-plötzlich genöthigt würden, die Verfasser der bisher erschienenen
-Recensionen anzugeben; und die recensirten oder
-gelegentlich angezapften Schriftsteller hierauf anfingen, Particularia
-und Personalia zu erzählen!
-</p>
-
-<p>
-Welch ein ganz eigener Ton, der besonders in den Verantwortungen
-angefochtener Redactoren und noch stärker in
-den Antworten der durch die Anonymität gedeckten Recensenten
-<a id="page-81" class="pagenum" title="81"></a>
-<a id="pagehdr-81" class="orig-page" title="110"></a>
-auf Antikritiken, in seiner ganzen Originalität erscheint!
-Da stösst ein Mann, der im Grunde weder witzig noch hitzig
-ist, und es sehr gut weiss, dass er unrecht hat, sich bei jedem
-Athemzuge in die Rippen, um die Langmüthigkeit seiner Natur
-zum Zorne, zur Grobheit, zur Pöbelhaftigkeit zu reizen; jener
-lediglich, um sein Blatt beim Publicum, dieser, um sich beim
-Redacteur, der allein ihn kennt, in Respect zu erhalten. &bdquo;Ei,
-die verstehns; die wissen recht einem jeden eins zu versetzen,&ldquo;
-soll der Lesepöbel denken.
-</p>
-
-<p>
-Welch ein abenteuerliches System von Begriffen und Meinungen,
-das aus dieser Einrichtung hervorgegangen ist! Zuvörderst
-der Begriff einer <em class="italic">Kritik</em>, die ausserhalb der Meister und
-der Meisterschaft und von ihnen abgesondert wohnen soll! Eine
-Partei, die die Werke liefert, ohne Kritik; eine andere Partei,
-die die Kritik besitzt, und sie über die Werke anderer hingiesst,
-ohne selbst Werke hervorzubringen. Dann der Begriff
-von einer <em class="italic">Urtheilsfreiheit der Gelehrten</em>: d. h. dass es jedem,
-der einige Perioden deutsch zu schreiben vermag, erlaubt seyn
-müsse, über alles Geschriebene in den Tag hineinzuschreiben,
-ob er davon etwas gelernt habe, oder nicht, und dass über
-sein Geschwätz kein anderer lachen dürfe. Dann die Meinung,
-dass jedes erscheinende Buch ein <em class="italic">corpus delicti</em> sey, das sogleich
-vor den Richterstuhl gezogen werden müsse; dass die
-Bücher eigentlich nur darum geschrieben würden, um recensirt
-zu werden; und dass die Recensenten weit vornehmere Wesen
-seyen, als die Schriftsteller; dass nur schlechte Schriftsteller
-sich gegen die &mdash; Kritik, verstehe die Recensenten, auflehnen,
-gute aber sich ihr demüthig unterwerfen und sich bessern. &mdash;
-Armes Publicum, dass du dir dergleichen Dinge aufbinden lassen!
-Wisse, dass jedes Werk, das da werth war zu erscheinen,
-sogleich bei seiner Erscheinung gar keinen Richter finden
-kann; es soll sich erst sein Publicum erziehen, und einen Richterstuhl
-für sich bilden; es ist eine Lection an dich, gutes Publicum,
-und kein <em class="italic">corpus delicti</em>. Spinoza hat über ein Jahrhundert
-gelegen, ehe ein treffendes Wort über ihn gesagt wurde;
-über Leibnitz ist vielleicht das erste treffende Wort noch zu
-erwarten, über Kant ganz gewiss. Findet ein Buch sogleich bei
-<a id="page-82" class="pagenum" title="82"></a>
-<a id="pagehdr-82" class="orig-page" title="111"></a>
-seiner Erscheinung seinen competenten Richter, so ist dies der
-treffendste Beweis, dass dieses Buch ebensowohl auch ungeschrieben
-hätte bleiben können.
-</p>
-
-<p>
-So mit den <em class="italic">allgemeinen</em> Recensionsanstalten, die auf Universalität
-der Wissenschaft und auf Mitarbeiter aus allen Provinzen
-des deutschen Vaterlandes Anspruch machen. Ein wenig
-unschuldiger sind die kleinen Particular-Recensionsfabriken.
-Mit diesen will man entweder den Ort, wo sie erscheinen, ehren,
-und beweisen, dass derselbe auch Gelehrte habe, die ein
-Wort mitsprechen können. Unseres Erachtens ein sehr mislicher
-Beweis; es wäre dem Orte mehr Ehre, er hätte viele
-Gelehrte, die etwas besseres zu thun hätten, als zu recensiren.
-Oder dergleichen kleine Zeitungen enthalten die Ausreden
-der vornehmen Herren Professoren an die gelehrten Mitbürger,
-denen durch alle Mühe, die man sich darum giebt,
-doch das Lesen auswärtiger Schriftsteller sich nicht ganz verkümmern
-lässt, warum sie von ihren Kathedern herab nicht
-ebenso belehrt werden, als es in dieser eingeführten literarischen
-Contrebande geschieht; auch kräftige Anpreisungen der
-eigenen Producte dieser vornehmen Professoren. Solche Recensionen
-zeichnen sich durch die Formeln aus: &bdquo;Rec. trug
-dies immer so vor;&ldquo; oder: &bdquo;was der Verfasser da sagt, ist
-zwar wahr, doch aber sind wir auch der Ueberzeugung, dass
-auch die entgegengesetzte Ansicht, welche der Rec. immer gegeben
-hat, richtig ist;&ldquo; oder: &bdquo;wie kann der Mann nur das
-rühmen, wovon wir immer gesagt haben, dass es nichts tauge;
-so er etwas rühmen will, so rühme er unsere Apodiktik.&ldquo; Das
-unsterbliche Muster in dieser Art werden immer die Gelehrtenanzeigen
-der Göttingischen Universität bleiben, deren Lehrer
-sehr oft mit auswärtigen Schriftstellern in Collision kommen
-mögen. Sie sind lediglich auf die gelehrten Mitbürger berechnet;
-und wer sie für mehr hält, auf dessen Kopf falle der
-Schade!
-</p>
-
-<p>
-Aber es ist doch so bequem für das grössere Publicum,
-und selbst für die wirklichen Gelehrten, beim Durchblättern
-einer einzigen Zeitschrift zu erfahren, was in jedem Fache Neues
-erschienen, welches der Inhalt desselben sey, und nun zu beurtheilen,
-<a id="page-83" class="pagenum" title="83"></a>
-<a id="pagehdr-83" class="orig-page" title="113"></a>
-ob sie das Buch sich selbst anzuschaffen haben, oder
-ob sie es entbehren können. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Ohne Zweifel; und dieser Vortheil soll beibehalten werden;
-nur die unbefugte Richterei und Urtheilerei soll wegfallen.
-</p>
-
-<p>
-Wie man Petersilie, Pilze und Bücklinge auf den Strassen
-ausruft, ebenso sollen auch die Bücher ausgerufen werden;
-nicht durch die ersten Erzeuger, wie sich versteht, sondern
-durch die Verkäufer, die Buchhändler. Das Verfahren hierbei
-ist durch die Natur der Sache bestimmt und ist sehr einfach.
-Vereinigen sich die deutschen Buchhändler, und übertragen einem
-aus ihrer Mitte, ebenso wie sie ehemals der Weidmannschen
-Buchhandlung die Herausgabe des Messkatalogs überliessen,
-die Herausgabe eines ausführlichen Messkatalogs; &mdash; oder
-sey dabei auch durchaus freie Concurrenz. Dieser Messkatalog
-enthalte den Titel des Buches, die Verlagshandlung, den Ladenpreis,
-einen verhältnissmässigen Auszug des Inhalts, &mdash; wo es
-hingehört, Proben der Schreibart. Um dergleichen Anzeigen
-zu verfertigen, bedarf es nur einiger Commis, die da lesen können
-und schreiben, höchstens auf einer lateinischen Schule bis
-in Secunda gekommen sind. Man hat ja überdies in einer jeden
-wohl eingerichteten Druckerei einen Corrector, der ein Literatus
-ist; dieser sey der Redacteur des Blattes; ihm gebe
-man mit dem Correcturbogen zugleich das angezeigte Buch mit
-ein, damit er urtheilen könne, ob der Auszug richtig und zweckmässig
-ist. Es mag ihm auch verstattet werden, sich als Herausgeber
-auf dem Titelblatte zu nennen. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Alles eigenen Urtheils enthalten diese Commis und dieser
-Corrector sich gänzlich; oder wollen sie ja etwas von ihrem
-Eigenen hinzuthun, so loben sie <em class="italic">alle</em> Bücher, die sie anzeigen,
-aus gleich vollen Backen. Sie schreiben im Namen der sämmtlichen
-Verleger, und es ist sehr natürlich und sehr unschuldig,
-dass ein Verkäufer seine Waare lobt. Wer dadurch getäuscht
-wird, der schreibe es lediglich seiner eigenen Unerfahrenheit
-zu. Mehrere Buchhändler, welche die Fertigkeiten der beschriebenen
-Commis in sich vereinigen, haben dies schon recht gut
-angefangen, und es könnte den Verfassern solcher Anzeigen,
-wie wir sie meinen, keinesweges an Mustern fehlen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-84" class="pagenum" title="84"></a>
-<a id="pagehdr-84" class="orig-page" title="115"></a>
-<em class="italic">Zweitens</em> habe ich gesagt, die allgemeine deutsche Bibliothek
-sey verderblich geworden &mdash; durch die Art ihrer Ausführung.
-Jene Bibliothek wurde nemlich, wie wir jedem, der
-nicht selbst zu den Seichten gehört, zu finden anmuthen &mdash; sie
-wurde der Mittelpunct der Seichtigkeit, der Popularität, des leeren
-Geschwätzes. Eine Philosophie, die hinüber und herüberschwatzte,
-ohne Regel und feste Bahn, eine Theologie, deren
-Hauptzweck war, die Bibel so vernünftig zu machen, als diese
-seichten philosophischen Schwätzer selbst waren, eine Kunstkritik,
-die auf nichts sah, als auf die Wahrscheinlichkeit der
-Fabel, und die moralische Erbaulichkeit, eine Gelehrsamkeit,
-die im Zusammenschleppen seltener Raritäten auf einen confusen
-Haufen bestand, eine flache breite Schreiberei: dies war
-von jeher der Geist dieses Werkes. Dieser Geist hat der Cultur
-der Wissenschaften in unserem Vaterlande unendlich geschadet;
-er lebt noch und fährt noch fort zu schaden. &mdash; Man
-irrt sich sehr über den eigentlichen Zweck derer, die Nicolai
-und seinem Anhange so sehr zuwider sind. Sie wollen nicht
-gerade diese oder jene Philosophie herrschend machen. Nur
-den Geist der Seichtigkeit und Popularität möchten sie durch
-den Geist wahrer Gründlichkeit und Wissenschaftlichkeit verdrängen;
-&mdash; durch den Geist, der durch die Lessinge, die Jacobi,
-die Kante, aus der besseren alten Welt durch die Zeit
-der Ueberschwemmung hindurch in die neue Welt herüber gerettet
-worden. Sodann mag auch über Philosophie, Aesthetik,
-Naturlehre etwas ausgemacht werden.
-</p>
-
-<p>
-Dass, wie ich <em class="italic">drittens</em> gesagt habe, dieses Unternehmen
-der Bibliothek keinem verderblicher gewesen, als dem Urheber
-selbst, ist in dieser Schrift zur Genüge erwiesen.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-21" id="footnote-21">[21]</a> Ein Beispiel aus tausenden, um es dem Leser recht vor die Augen
-zu stellen, in welche Verlegenheiten heutzutage ein ehrlicher Redacteur kommen
-kann, und wie kläglich sich dieselben oftmals behelfen müssen!
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Die Jenasche Literaturzeitung fand sich genöthiget, noch ein Ergänzungsblatt,
-gleichsam einen Beiwagen zu der immer zu stark besetzten ordinären
-Landkutsche, anzulegen. Es wurde ausdrücklich und namentlich angekündigt,
-dass dieses Ergänzungsblatt unter anderen auch einen Bericht über die durch
-die Fichteschen Religionslehren entstandenen Bewegungen enthalten würde.
-Jeder Leser musste glauben, dass dieser Bericht ein vorzügliches Meisterwerk,
-und ein wahres Bravourstück des Recensionswesens seyn würde, von dessen
-Vortrefflichkeit er auf das Ganze schliessen könnte, da es ihm schon im voraus
-so bedeutend angekündigt wurde; und höchstwahrscheinlich hatte der
-Herr Hofrath Schütz wirklich auf ein solches Meisterstück Bestellung gemacht
-und erwartete täglich die Ankunft desselben. Und was hat er erhalten!
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Zwar so lange der Recensent Gefahr ahnt und deswegen auf seiner Hut
-ist, zieht er sich listig genug aus dem Handel. Statt irgend eine Eigenthümlichkeit
-der angefochtenen Lehre anzugeben, sagt er nur kurz: was im Forbergschen
-Aufsatze richtig sey, sey Kantisch, und auch Fichte&rsquo;s Lehre sey
-Kantisch, ausser dass der letztere diese Lehre an seine Wissenschaftslehre
-anzuknüpfen suche. Nun thue ihm einer etwas! Fragt ihr, was denn nun
-richtig sey in diesen Aufsätzen, so ist die Antwort: das Kantische; und fragt
-ihr wiederum, was denn das Kantische sey, so ist die Antwort: dasjenige
-was richtig ist.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Dagegen aber fällt ihn sein Unglück da an, wo er keine Gefahr weiter
-ahnet. Von der Substanz, meint er, habe noch kein Philosoph einen bestimmten
-Begriff aufgestellt. &mdash; Welcher Philosoph weiss nicht, dass seit Locke
-eine sehr bestimmte Nominalerklärung der Substanz vorhanden ist: die, dass
-sie sey <em class="italic">der Träger der Accidenzen</em>? Auch würde der Recensent gerade
-in dieser Wissenschaftslehre, von welcher er zu sagen weiss, dass Fichte sein
-Religionssystem daran anzuknüpfen suche, eine, wie wir glauben, sehr bestimmte
-Real- und genetische Erklärung der Substanz gefunden haben; dass
-sie nemlich sey <em class="italic">die</em> (allein im Denken geschiedenen) <em class="italic">Accidenzen selbst, in
-sinnlicher Anschauung zusammen- und als Eins aufgefasst</em>, wenn er diese
-Wissenschaftslehre jemals durchblättert hätte: und er hätte sodann den Lesern
-der <em class="italic">A. L. Z.</em> berichten können, warum Gott, der in sinnlicher Anschauung
-nicht vorkomme, das Prädicat der Substanz sich nicht beilegen lasse; welches
-den Lesern zu grosser Erbauung, und der Literaturzeitung zu grossem Ruhme
-gereicht haben würde. Von diesem allen hat er nichts gethan und nichts
-gewusst. Man sieht, die Philosophie ist dieses Recensenten Fach nicht.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Nun, was ist er denn also, und welches ist sein Fach?
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Er fürchtet, Fichte möge sich im Ausdrucke vergriffen haben, und geht
-daran herum, ihm denselben zu verbessern. Man sieht, dass er gewohnt ist,
-<em class="italic">exercitia stili</em> zu corrigiren. Ein Sprachmeister ist er.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Und was für ein Sprachmeister! &mdash; Fichte hat gesagt, dass man Gott
-das Prädicat der Substanz nicht beilegen könne, und fährt darauf fort: &bdquo;es
-ist erlaubt, dieses aufrichtig zu sagen, und das Schulgeschwätz niederzuschlagen,
-damit die Religion des freudigen Rechtthuns <em class="italic">sich erhebe</em>.&ldquo; Unser Sprachmeister
-nimmt von diesem letzteren Ausdrucke die Gelegenheit, Fichte dem
-Verfasser des <em class="italic">Schreibens eines Vaters etc.</em>, welcher Verfasser Forberg und
-Fichte zuerst öffentlich des Atheismus bezüchtigt, &mdash; so ungefähr gleichzustellen
-(denn dieser Sprachmeister hat zugleich ein sehr gutes Gemüth gegen
-Fichte, und zeigt es in diesem einzigen Blatte, das die Langweiligkeit des
-Ganzen uns zugelassen hat, durchzulaufen, auch noch an anderen Stellen),
-indem auch Fichte, nur freilich etwas feiner, in der Speculation anders Denkende
-ohne weiteres der Irreligiosität beschuldige, und hier insinuire, dass
-der Begriff von Gott als Substanz erst niedergeschlagen werden müsse, ehe
-die wahre Religion stattfinde. Ihm sind sonach <em class="italic">sich erheben</em> (über Hindernisse
-und Zweifel) und <em class="italic">entstehen</em> Synonyme.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Forbergs Benehmen, das er höher oben als petulant, und der Wichtigkeit
-der Sache nicht angemessen beschreibt, nennt er tiefer unten, um doch
-auch seine Kenntniss des Französischen zu zeigen, <em class="italic">niaiserie</em>. Er mag wohl
-dieses Wort in seinem Dictionnäre durch <em class="italic">läppisches Wesen</em> übersetzt finden,
-und es seinen Schülern immer so übersetzt haben, ohne einen Unterschied
-zu bemerken zwischen einem <em class="italic">unschicklichen</em> Betragen aus Muthwillen (dessen
-er ohne Zweifel Forberg beschuldigen will) und einem <em class="italic">ungeschickten</em>
-und täppischen aus Unbeholfenheit, dessen weder er noch irgend jemand
-Forberg beschuldigen wird, und welches allein doch durch das Wort <em class="italic">niaiserie</em>
-bezeichnet wird. (<em class="italic">Niais</em>, höchst wahrscheinlich von <em class="italic">nidus</em>, eigentlich,
-ein junger Vogel, der, noch ehe er fliegen konnte, aus dem Neste genommen
-worden und dessen Flug daher unbeholfen bleibt.)
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Der Recensent ist sonach ein verdorbener, heruntergekommener Sprachmeister,
-der bei dieser Unwissenheit freilich seine Kunden verlieren musste,
-und nun durch Recensionen an der Literaturzeitung sich seinen Unterhalt zu
-erwerben sucht.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Kein Mensch, und am allerwenigsten der Verfasser, wird glauben, dass
-ein so berühmter Philolog, als der Herr Hofrath Schütz, diese argen Verstösse
-nicht bemerkt habe. Aber was konnte er machen? Der Abgang des
-Beiwagens war angekündigt, die Stunde war da, und kein anderes Gut vorhanden.
-Er musste eben aufladen, was er hatte.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-22" id="footnote-22">[22]</a> Der Verfasser kann zwar nicht ganz in der beschriebenen, aber doch
-in einer ähnlichen Weise aus eigener Erfahrung sprechen. Nachdem er ein
-&mdash; von ihm selbst schon damals dafür erkanntes &mdash; schlechtes Buch geschrieben
-hatte, dafür in einer berühmten Zeitung mächtig gelobt, und gleich
-darauf zur Mitarbeit an dieser Zeitung eingeladen wurde &mdash; ei, dachte er,
-gehört dazu nichts weiter? und hatte einige Freude, und wurde auch wirklich,
-so lange er selbst in seiner Wissenschaft noch keinen festen Standpunct
-hatte, zum Ritter an ein paar jungen Schriftstellern, die noch weniger feststanden
-als er selbst. Seitdem er diesen Standpunct gefunden und bessere
-Schriften schreiben zu können glaubte, hat er jene Mitgliedschaft aufgegeben.
-Er kann nicht dafür stehen, dass er nicht einst, wenn er etwa durch Altersschwäche
-herunterkommen sollte, wieder zu derselben greifen werde, und
-will für diesen Fall jener berühmten Zeitung, und ihrem berühmten Redacteur,
-welche ohne Zweifel dann noch fortdauern werden, sich hiermit schon
-im voraus zu gutem Andenken und zu brüderlicher Schonung empfohlen
-haben. &mdash;
-</p>
-
-<h3 class="l2s chapter" id="chapter-3-18">
-<a id="page-85" class="pagenum" title="85"></a>
-<a id="pagehdr-85" class="orig-page" title="116"></a>
-<span class="line1">Vierte Beilage.</span><br />
-<span class="line2">(Zum neunten Capitel.)</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Das im Texte erwähnte Geschwätz über Katholicismus und
-Kryptokatholicismus ist ein trauriger Beweis, was dem guten
-deutschen Volke jeder Schwätzer anmuthen kann, wenn er nur
-kräftig schreit. Möchte es doch auch ein abschreckender Beweis
-für die Zukunft seyn!
-</p>
-
-<p>
-Nicolai war und ist eigentlich seines Zeichens ein ausgemachter
-Berliner <em class="italic">Badaud</em>, so sehr er sich auch für einen Weltkenner
-hält. Es gehört eben mit zum Charakter eines <em class="italic">Badaud</em>,
-dass er sich für einen Weltkenner halte. Ein <em class="italic">Berliner Badaud</em>,
-habe ich gesagt; nicht, als ob man nicht ebensowohl ein Wiener,
-oder Pariser, oder auch ein Golitzer und Kohlgartenscher
-<em class="italic">Badaud</em> seyn könnte, oder als ob die Berliner mehr Hang hätten,
-es zu seyn, als die Bewohner anderer grossen Städte, sondern
-weil <em class="italic">der Badaud</em>, von welchem ich hier rede, nun einmal
-aus Berlin ist. Ein <em class="italic">Badaud</em> ist nemlich ein Mensch, der, um
-ganz populär davon zu sprechen, nie hinter seinem Backofen
-hervorgekommen ist, daher sich einbildet, es müsse allenthalben
-in der Welt so aussehen, wie hinter seinem Backofen, und,
-wenn er doch einmal hervorkommt, alles, was er erblickt, maulaufsperrend
-bewundert. Mein Dictionnäre übersetzt dieses
-Wort durch <em class="italic">Maulaffe</em>. Nicolai&rsquo;s ganze Reise ist die Reise eines
-solchen Maulaffen. Alles, von den heiligen Bildern an bis zu
-den geflochtenen Zöpfen der Tübinger Mädchen begafft er voll
-Verwunderung. Und lediglich aus dieser bewundernden Gafferei
-des Berliner <em class="italic">Badaud</em> entstand das Geschrei über Katholicismus,
-und hinterher, da seine Bibliothek angefochten wurde,
-über Kryptokatholicismus.
-</p>
-
-<p>
-Was hat man denn durch alles dieses Geschrei der Welt
-entdeckt, das nicht jeder, der weitergekommen als Nicolai, oder
-der auch nur die Geschichte und einige Reisebeschreibungen
-gelesen, oder einige Fremde gesprochen, schon vorher auch
-<a id="page-86" class="pagenum" title="86"></a>
-<a id="pagehdr-86" class="orig-page" title="117"></a>
-gewusst hätte? &bdquo;Es sey mit der Aufklärung (es war immer
-nur von der Nicolaischen negativen Aufklärung, der Befreiung
-von diesem oder jenem Aberglauben, die Rede) der Katholiken
-noch gar nicht so weit gekommen, als etwa gutmüthige Protestanten
-glauben dürften.&ldquo; Ei, wer waren denn diese gutmüthigen
-Protestanten? Doch wohl nur Nicolai und seine Bibliothekare,
-welche <em class="italic">ihr</em> Licht in jene Länder verbreitet zu haben
-hofften. &bdquo;Es werde in den katholischen Ländern durch die
-Mönche noch immer der alte Aberglauben aufrechterhalten,
-auch wohl noch neuer hinzugebracht.&ldquo; Wer hatte es denn je
-anders gewusst oder gesagt? &bdquo;Der Papst nehme seine Behauptungen
-in der Regel nie zurück; er rechne auch die protestantischen
-Länder gewissermaassen noch immer unter seinen
-Sprengel, und suche sie besonders durch Bekehrungen in den
-deutschen fürstlichen Familien in den Schooss der Kirche zurückzuführen.&ldquo;
-Wer hat denn die Geschichte gelesen und dies
-nicht gewusst; wer hat aber auch nicht gewusst, dass in Absicht
-der Unterthanen dies nichts fruchtet, und sie sich ihre
-Religionsprivilegien nur noch fester versichern lassen? Woher
-denn nun jetzt auf einmal der Lärm, nachdem Friedrich Nicolai
-auf Reisen ging? War denn alles dies etwas Neues, erst jetzt
-Entdecktes? Ich könnte nicht sagen; ausser etwa für Nicolai
-und seines Gleichen. Oder wurden etwa jetzt jene Bemühungen
-kräftiger und glücklicher? Keinesweges, vielmehr geschah
-ihnen gerade in diesem Zeitpuncte durch die Unternehmungen
-Kaiser Josephs des Zweiten grosser Abbruch.
-</p>
-
-<p>
-Ja; aber die eifrige Verbreitung der geheimen Orden, die
-Ceremonien in denselben, das Räuchern, Salben, Händeauflegen!
-Sind dies nicht offenbar katholische Ceremonien? Sieht
-man da nicht &mdash; so nemlich connectirt Nicolai &mdash; offenbar die
-Tendenz der Katholiken, die Protestanten an ihre kirchlichen
-Gebräuche zu gewöhnen, und dadurch u. s. w.? &mdash; Jedes Zeitalter
-hat sein besonderes Steckenpferd. Das des abgelaufenen
-Jahrhunderts waren geheime Ordensverbindungen. Es ist aus
-tausend Gründen begreiflich, dass höhere Grade entstanden,
-und dass diese durch besondere Ceremonien ausgezeichnet
-wurden. Warum sollen diese Ceremonien denn gerade katholisch
-<a id="page-87" class="pagenum" title="87"></a>
-<a id="pagehdr-87" class="orig-page" title="119"></a>
-seyn; warum nicht ebensowohl jüdisch und heidnisch?
-denn von daher sind sie erst in die christliche Kirche gekommen.
-Kurz, sie sind aus dem Alterthume. &mdash; Hätte Nicolai
-diesen Lärm erhoben, als der Baron Hund, der in Frankreich
-wirklich katholisch geworden, sein Tempelherrnsystem einführte,
-als Stark mit seinem allerdings sonderbaren Klerikate auftrat,
-so hätte die Sache einigen Anschein für sich gehabt. Aber zu
-<em class="italic">der</em> Zeit ihn zu erheben, da er ihn erhob, so lange nach dem
-Mittagsessen mit seinem Senfe zu kommen! Zeige er doch aus
-diesen Zeiten Ein Beispiel, dass jemand in geheimen Orden zur
-katholischen Religion gebracht worden!
-</p>
-
-<p>
-Nicolai ist zwar stets bereit, jedem Gelehrten, der ihm in
-dieser Sache widerspricht, zu antworten: auf der Studirstube
-freilich erfahre man so etwas nicht, und durch Schlüsse <em class="italic">a priori</em>
-lasse es sich nicht herausbringen: das erführen nur Weltleute
-seiner Art; denn für einen solchen hält er sich, weil er über
-Wien und München nach Zürich gereist, und mit dem Minister
-von Wöllner Schach gespielt. Der Verfasser dieses hat über
-acht Jahre in Ländern, wo Protestanten und Katholiken vermischt
-sind, gelebt, und ist in ihnen gereist: in der Lausitz,
-im südlichen Deutschlande, in der Schweiz, in Polen, in Westpreussen.
-Er ist diese Länder nicht durchflogen, um sie in
-der Eile zu beschreiben, zu lauern und, wie es Leuten dieser
-Art geht, zu sehen und sich aufbinden zu lassen, was man gern
-sehen und hören will; er hat in ihnen gelebt, Geschäfte gehabt,
-und selbst mitgehandelt, wo man ohne Zweifel besser
-sieht, als wenn man nur durchreiset; hat Umgang gehabt mit
-Leuten von allerlei Confessionen und Meinungen, und glaubt
-seine Augen eben auch offen gehabt zu haben, ob er gleich
-keine seiner Beobachtungen so neu und so interessant gefunden,
-um sie dem Publicum vorzulegen. Das Sichtbare, was
-Nicolai gesehen, hat er eben auch gesehen; aber er hat keine
-Veranlassung gefunden, darauf die Schlüsse zu bauen, die Nicolai
-aufbaut. Ebenso ist er mit dem Innern der geheimen Orden
-vielleicht so gut bekannt, als Nicolai, vielleicht besser. Er
-würde nie darauf gefallen seyn, ihnen die Wichtigkeit und die
-Tendenz zuzuschreiben, die Nicolai ihnen zuschreibt.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-88" class="pagenum" title="88"></a>
-<a id="pagehdr-88" class="orig-page" title="120"></a>
-Halte doch Nicolai sich nicht so sehr auf über den Abt
-Barruel! Die Jacobinerriecherei ist das ächte Gegenstück zur
-Jesuitenriecherei, und Barruel ist in der erstern ganz dasselbe,
-was Nicolai in der zweiten war.
-</p>
-
-<h3 class="l2s chapter" id="chapter-3-19">
-<span class="line1">Fünfte Beilage.</span><br />
-<span class="line2">(Zum neunten Capitel.)</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Die A. d. B. war allerdings ein der Religiosität der Nation
-höchst schädliches Unternehmen. Religiosität ist Tiefe des Sinns,
-und geht aus ihr hervor; die ganze Tendenz jenes Unternehmens
-geht auf Oberflächlichkeit; Religion deutet auf das übersinnliche
-höhere Leben; der ganze Zweck jenes Unternehmens
-ist unmittelbare Brauchbarkeit und Nützlichkeit für das Gröbste
-dieses Lebens. Die von dieser Clique haben die Religionsaufklärung
-und einen Volkslehrer sattsam gelobt, wenn sie erzählt
-haben, dass die Bauern weniger Processe führen, sich seltener
-betrinken, und die Stallfütterung eingeführt haben.
-</p>
-
-<p>
-Doch was soll ich hier noch viel Worte über diesen Gegenstand
-machen? Jene <em class="italic">Appellation an das Publicum</em> etc., die
-Nicolai auch so zuwider ist, und von der er glaubt, dass sie
-nur im Zorne geschrieben seyn könne (der arme Mann!), redet,
-indem sie von wahren Gottesläugnern, Götzendienern, Dienern
-eines bösen Weltgeistes spricht, ganz eigentlich von Nicolai und
-denen, die ihm gleichen. Wem diese nicht bewiesen hat, was
-hier zu beweisen wäre, für den ist jeder andere Beweis verloren.
-</p>
-
-<h3 class="b1a chapter" id="chapter-3-20">
-<a id="page-89" class="pagenum" title="89"></a>
-<a id="pagehdr-89" class="orig-page" title="123"></a>
-<span class="line1">Noch eine Beilage</span><br />
-<span class="line2">oder</span><br />
-<span class="line3">Dreizehntes Capitel.</span><br />
-<span class="line4">Von den letzten Thaten, dem Tode und der wunderbaren Wiederbelebung unsers Helden.</span>
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Die Betriebsamkeit gewisser Buchhändler ging in jenen Tagen
-so weit, dass sie, nachdem beim Nachdrucken nicht genug
-mehr zu gewinnen war, die Kunst erfanden, Vordrucke zu veranstalten.
-Auf diese Weise erschien noch bei Nicolai&rsquo;s Lebzeiten
-ein unrechtmässiger Vordruck der gegenwärtigen Lebensbeschreibung
-unsers Helden, die wir jetzt in der ersten, einzig
-rechtmässigen Ausgabe den rechtlichen und gewissenhaften Lesern
-mitgetheilt haben.
-</p>
-
-<p>
-Nicolai verwendete gegen diese also erschienene Lebensbeschreibung
-seine ganze polemische Taktik. Zuerst versuchte
-er, dieselbe zu ignoriren, und an der Erziehung Fichte&rsquo;s und
-seiner Genossen so unbefangen, wie bisher, fortzuarbeiten. Als
-dieses sich nicht thun liess, griff er zum Fache des Erhabenen,
-verbreitete selbst die Schrift durch seinen Buchhandel, erklärte
-öffentlich, dass der Spass so übel nicht sey, und dass er selbst
-bei mehreren Stellen gelacht habe; &mdash; nur hätte, fügte er hinzu,
-der Autor sich kürzer fassen sollen. Hierauf begab er sich
-mitten in das Gründliche und Ausführliche hinein; erzählte,
-zur Widerlegung des Vorgebens, dass er nie eines gelehrten
-Unterrichts genossen, seine ganze Jugendgeschichte, wie er erst
-die Buchstaben kennen gelernt, darauf buchstabiren, dann lesen,
-sodann schreiben; wiederholte alle Lectionen, die er von
-Jugend auf erhalten, vollständig, legte zum Beweise seiner
-Wahrhaftigkeit seine Schreibebücher, in einem saubern Holzschnitte
-nachgestochen, und abgedruckt, und alle seine <em class="italic">exercitia
-stili</em> bei. Dies gab 4 Alphabete; Format und Druck, wie
-in den Beilagen zu seinen Reisen. Er setzte hierauf sein wahres
-<a id="page-90" class="pagenum" title="90"></a>
-<a id="pagehdr-90" class="orig-page" title="124"></a>
-Verhältniss mit Lessing durch ausführlichere und deutlichere
-Noten zu dem schon gedruckten Briefwechsel, und durch die
-Erzählung aller &bdquo;Discurse,&ldquo; die er in seinem Leben mit jenem
-geführt, auseinander; ebenso bewies er durch die vollständige
-und ausführliche Aufführung aller Discurse, die er mit Moses
-Mendelssohn geführt, dass derselbe keinesweges ein Mann von
-eingeschränkten Begriffen und Zwecken gewesen. Dies gab
-abermals 4 Alphabete, in besagtem Format und Druck. Er erzählte
-ferner alle die Gedanken, die er so bei sich geführt, als
-er mit der Stiftung der allgemeinen deutschen Bibliothek umgegangen;
-erzählte die pragmatische Geschichte jeder in dieser
-Bibliothek befindlichen Recension, so wie jeder seiner eignen
-Schriften; brachte, um zu beweisen, wie er ehedessen geschätzt
-worden sey, alle Briefe der Gelehrten an ihn bei; bewies nochmals,
-noch einleuchtender als ehemals, die für den Kryptokatholicismus
-beigebrachten Facta; zählte, um zu zeigen, dass er
-kein Badaud und Tölpel, sondern ein Mann von Welt und Lebensart
-sey, alle königliche und fürstliche Personen, Minister,
-Generale, Gesandte u. s. w. auf, die er in seinem Leben gesehen,
-und mit ihnen gesprochen, erzählte, was er mit ihnen
-gesprochen, bei ihnen gegessen und getrunken, welche witzige
-Einfälle er gehabt, legte alle die Schachpartien vor, die er in
-seinem Leben mit hohen Personen gespielt: &mdash; und wir müssten
-die Geduld haben, die er hatte, oder die Inhaltsanzeige seines
-Werks nachdrucken lassen, um vollständig zu verzeichnen, was
-er alles beibrachte. Das Ganze belief sich auf 16 Alphabete,
-in besagtem Format und Druck, und war um einen äusserst civilen
-Preis in seiner Handlung zu haben. Kein Mensch las oder
-kaufte diese 16 Alphabete.
-</p>
-
-<p>
-Unser Held stutzte; aber bescheiden, wie er immer gewesen,
-sahe er bald ein, wo der Fehler läge, und war aufrichtig genug
-gegen sich selbst, sich denselben zu gestehen. Er fand,
-dass er noch nicht deutlich, ausführlich, kräftig, lebhaft und
-witzig genug geschrieben habe. Er verfasste daher 32 Alphabete
-in demselben Format, um auf die ersten 16 aufmerksam
-zu machen; erläuterte, ergänzte, verstärkte, und brachte noch
-weit mehr Spässe an. Diese 32 Alphabete waren um einen
-<a id="page-91" class="pagenum" title="91"></a>
-<a id="pagehdr-91" class="orig-page" title="125"></a>
-noch civilern Preis in seiner Buchhandlung zu haben; aber kein
-Mensch kaufte oder las diese 32 Alphabete, ebensowenig, als
-die sechszehn.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;<em class="italic">Noch</em> nicht deutlich genug! sagte er bei sich selbst. Das
-sind die fatalen Geschäfte, die einem alle Zeit rauben. Aber ich
-will mich endlich frei machen.&ldquo; So übergab er seine Handlung
-und die Redaction seiner geliebten allgemeinen Bibliothek in
-treue Verwaltung, zog auf das Land, schloss sich ein, und dictirte
-unablässig Tag und Nacht fort einem Dutzend Schreibern.
-Aber auch die nunmehrige Deutlichkeit und Vollständigkeit genügte
-ihm nicht, und sein Stündlein überfiel ihn, ehe er vollendet
-hatte und mit sich selbst zufrieden war.<a class="fnote" href="#footnote-23" id="fnote-23">[23]</a>
-</p>
-
-<p>
-Sein alter Freund hatte die Besorgung der Verlassenschaft
-übernommen. Gern hätte er den schriftstellerischen Nachlass
-des Vollendeten durch den Druck der Welt mitgetheilt; aber
-es fand sich, dass das Unternehmen einiger Tausende von starken
-Bänden die Kräfte des Zeitalters übersteige, er beschloss
-daher auf einem ganz andern Wege diesen kostbaren Nachlass
-<a id="page-92" class="pagenum" title="92"></a>
-<a id="pagehdr-92" class="orig-page" title="127"></a>
-aufzulösen, den Geist desselben zu entbinden und in das Universum
-hineinströmen zu lassen.
-</p>
-
-<p>
-Es wurde auf seinen Befehl unter freiem Himmel folgendes
-Denkmal errichtet. Man gab den hinterlassenen Handschriften
-die Form eines ruhenden Kolossen, dessen äussere
-Gestalt und Bildung dem Seligen so nahe kam, als möglich.
-Zur Unterlage diente ihm die allgemeine deutsche Bibliothek,
-zum Kopfkissen die alte und neue Berliner Monatsschrift, die
-Backenseiten waren durch die neuern Hefte der Jenaischen Literaturzeitung
-unterstützt. Der alte Freund hatte von allen
-Parteien einige zur Einweihung des Denkmals eingeladen, damit
-sie unter der Beschattung desselben sich brüderlich vereinigen
-möchten. Da standen, durch das gemeinschaftliche Leid
-endlich verträglich gemacht, und insgesammt Ein Herz und
-Eine Seele, Reinhard und Zöllner, Gedike, die beiden Schlegel,
-Biester, Tieck, Jacobi, der Hofrath Schütz, Reinhold, die Jesuiten,
-die Bibliothekare, und die Grossen alle.
-</p>
-
-<p>
-Durch eine wunderbare Fügung hatten Fichte und Schelling,
-die unter den Eingeladenen sich befanden, und mit den
-Rücken an das papierne Denkmal sich angelehnt hatten, sich
-gerade,<a class="fnote" href="#footnote-24" id="fnote-24">[24]</a> &bdquo;jener mit Hasenbraten, dieser mit einer wilden
-Schweinskeule <em class="italic">allzuvoll gestopft</em>, &mdash; wie denn dies dem ernsthaftesten
-Philosophen unvermerkt begegnen kann &mdash; und der
-eine konnte nun schlechterdings nicht, er mochte sich anstrengen,
-wie er wollte, an der Bestimmung des Menschen, noch
-der andere an der Deduction der Kategorien der Physik weiter
-fortarbeiten, sondern sie mussten endlich die Feder wegwerfen
-und zum Rhabarber greifen.&ldquo; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-O, nie genug zu beweinender Schade! Gerade von dieser
-Stelle an, wo man nun das Interessanteste erwartet, ist unsre
-Handschrift so zerfressen, dass wir mit aller Conjecturalkritik
-<a id="page-93" class="pagenum" title="93"></a>
-<a id="pagehdr-93" class="orig-page" title="129"></a>
-keinen Sinn herausbringen können, und uns durchaus ausser
-Stand befinden, anzugeben, was es mit der in der Aufschrift
-gemeldeten Wiederbelebung unsers Helden für eine Bewandtniss
-gehabt, durch welches wunderbare Mittel sie erfolgt, und
-ob es der eigentliche wahre fleischliche Leib desselben, oder
-der beschriebne papierne gewesen, in welchen die Seele zurückgekehrt.
-So viel wird uns aus einigen übriggebliebenen
-Sylben wahrscheinlich, dass alle die genannten, und noch mehrere
-an dem Wunder Antheil gehabt; und nach manchen ganz unleserlichen
-Seiten bringen wir gegen das Ende der Schrift noch
-folgendes heraus:
-</p>
-
-<p>
-&mdash; &bdquo;vordere Mund, den der Freund so inbrünstig küsste. &mdash;
-Indessen dehnten und reckten sich die zwei fest umschlungenen
-Heroen aus über das ganze Land, die Umrisse ihrer Glieder
-verschwanden, so wie sie selbst, und es blieb an ihrer
-Stelle nur eine lieblich dämmernde Aufklärung übrig. Alle
-Umste&ldquo; &mdash; &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Von da an ist das Manuscript wieder völlig zerfressen und
-unleserlich.
-</p>
-
-<p>
-Es wäre gewiss eine interessante Untersuchung anzustellen,
-wie dieses kostbare Ueberbleibsel des Alterthums in einen solchen
-Zustand gekommen, und wir muntern alle unsere jungen
-Kritikbeflissenen auf, an dieser Untersuchung ihre Kräfte zu
-üben. Zwar behauptet ein grosser Gelehrter, dessen wir mit
-hoher Ehrerbietung erwähnen, dass diese Handschrift von den
-berühmten Blutigeln, welche Friedrich Nicolai von aller Geisteserscheinung
-auf immer geheilt, so zerfressen worden: eine
-höchst scharfsinnige Muthmaassung. Jederman aber sieht ein,
-dass dieselbe ungereimt ist; denn die Blutigel fressen kein Papier.
-</p>
-
-<p>
-Indessen gebe ich dem Leser mein Wort, dass ich dieses
-Capitel aus Handschriften sicher wiederherstellen, und es zu
-seiner Zeit durch den Druck bekannt machen werde. Ich schlage
-dafür den Weg der Pränumeration ein. Liebhaber haben die
-Güte sich im Comptoir der Allgemeinen Literaturzeitung zu
-melden.
-</p>
-
-<p class="sign">
-Der erste wahre Autor dieser Lebensbeschreibung<br />
-im Jahre 1840.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-23" id="footnote-23">[23]</a> Es findet sich hier ein Dissensus der Geschichtschreiber. Einige
-sagen, dass auch das gegenwärtige dreizehnte Capitel in dem erwähnten
-diebischen Vordrucke mit abgedruckt gewesen, Nicolai daher unmöglich habe
-thun können, wovon ihm vorhergesagt worden, dass er es thun werde. Er
-habe bloss kurz gesagt: der zukünftige Verfasser dieser vorgedruckten Schrift
-müsse sehr eitel und einbildisch seyn, um zu glauben, dass man gegen
-seine leidenschaftliche und schmutzige Broschüre sich ernsthaft vertheidigen
-werde; so etwas übergehe ein Ehrenmann, wie er sey, mit stillschweigender
-Verachtung. &mdash; Die 48 Alphabete, das unablässige Dictiren und der Tod,
-welches alles an sich wohl guten Grund habe, habe sich auf eine andere
-Veranlassung begeben. Ein anderer Theil der Geschichtschreiber berichtet,
-dass entweder das gegenwärtige dreizehnte Capitel nicht mit vorgedruckt
-worden, oder dass Nicolai doch gethan, was er nicht lassen können, unerachtet
-man es ihm vorausgesagt, und dass alles sich durchaus so zugetragen
-habe, wie wir es oben erzählen. Hieraus ersieht sonach der geliebte
-Leser, dass das letztere die allein wahre und richtige Meinung ist; und wir
-wollen keinem rathen, das Gegentheil anzunehmen, widrigenfalls es ihm in
-der nächsten Recension, die wir verfertigen, übel ergehen soll.
-</p>
-
-<p class="sign footnote2">
-Der erste einzig wahre Verfasser dieser Lebensbeschreibung<br />
-im Jahre 1840 &mdash; zugleich Recensent an der<br />
-weltberühmten allgemeinen Literaturzeitung.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-24" id="footnote-24">[24]</a> Das Folgende sind Herrn Nicolai&rsquo;s eigne Worte, S. 174. f. der angeführten
-Anzeige; und selbst diese Citation geschieht in Nicolai&rsquo;s eignen
-Worten.
-</p>
-
-<h3 class="pbb chapter" id="chapter-3-21">
-<a id="page-94" class="pagenum" title="94"></a>
-<span class="line1">Inhalt</span>
-</h3>
-
-<div class="table">
-<table class="toc2" summary="Table-2">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Seite</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Einleitung</em></td>
- <td class="col2"><a href="#page-4">4</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Erstes Capitel.</em> Höchster Grundsatz, von welchem alle Geistesoperationen unsers Helden ausgegangen sind</td>
- <td class="col2"><a href="#page-10">10</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Zweites Capitel.</em> Wie unser Held zu diesem sonderbaren höchsten Grundsatze gekommen seyn möge</td>
- <td class="col2"><a href="#page-11">11</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Drittes Capitel.</em> Wie im allgemeinen dieser höchste Grundsatz im Leben unsers Helden sich geäussert habe</td>
- <td class="col2"><a href="#page-18">18</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Viertes Capitel.</em> Worauf es, zufolge dieses höchsten Grundsatzes, unserm Helden bei allen seinen Disputen angekommen sey</td>
- <td class="col2"><a href="#page-21">21</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Fünftes Capitel.</em> Wirkliche Disputirmethode unsers Helden, aus diesem höchsten Grundsatze</td>
- <td class="col2"><a href="#page-23">23</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Sechstes Capitel.</em> Eine der allersonderbarsten Meinungen unsers Helden, zufolge jenes höchsten Grundsatzes</td>
- <td class="col2"><a href="#page-26">26</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Siebentes Capitel.</em> Eine andere fast noch unglaublichere Meinung unsers Helden von sich selbst, zufolge jenes höchsten Grundsatzes</td>
- <td class="col2"><a href="#page-32">32</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Achtes Capitel.</em> Sonderbare Begriffe unsers Helden über seine und seiner Gegner gegenseitige Rechte, aus jenem höchsten Grundsatze</td>
- <td class="col2"><a href="#page-36">36</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Neuntes Capitel.</em> Wie unser Held, zufolge seines höchsten Grundsatzes, sich zu nehmen gepflegt, wenn derselbe angefochten worden</td>
- <td class="col2"><a href="#page-40">40</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Zehntes Capitel.</em> Ein Grundzug des Geistescharakters unsers Helden, der aus jenem höchsten Grundsatze natürlich folgte</td>
- <td class="col2"><a href="#page-49">49</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Eilftes Capitel.</em> Ein paar andere Grundzüge, welche aus dem ersten Grundzuge und höchsten Grundsatze unsers Helden erfolgt sind</td>
- <td class="col2"><a href="#page-51">51</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Zwölftes Capitel.</em> Wie es zugegangen, dass unser Held unter allen diesen Umständen dennoch einigen Einfluss auf sein Zeitalter gehabt</td>
- <td class="col2"><a href="#page-59">59</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><em class="gesperrt">Beilagen</em></td>
- <td class="col2"><a href="#page-61">61</a></td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<h2 class="l2s part" id="part-4">
-<a id="page-95" class="pagenum" title="95"></a>
-<span class="line1">Deducirter Plan</span><br />
-<span class="line2">einer</span><br />
-<span class="line3">zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt.</span>
-</h2>
-
-<p class="aut2">
-<span class="line1">Geschrieben im Jahre 1807</span><br />
-<span class="line2">von</span><br />
-<span class="line3">Johann Gottlieb Fichte.</span>
-</p>
-
-<p class="edn">
-<em class="gesperrt">Erste Ausgabe</em>: Stuttgart und Tübingen, in der Cottaschen
-Buchhandlung. 1817.
-</p>
-
-<p class="pbb tit">
-<a id="page-97" class="pagenum" title="97"></a>
-<span class="line1">Deducirter Plan</span><br />
-<span class="line2">einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in gehöriger Verbindung mit einer Akademie der Wissenschaften stehe.</span>
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-4-1">
-<span class="line1">Erster Abschnitt.</span><br />
-<span class="line2">Begriff einer durch die Zeitbedürfnisse geforderten höheren Lehranstalt überhaupt.</span>
-</h3>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-1">
-<span class="line1">§. 1.</span>
-</h4>
-
-<p class="first">
-<span class="firstchar">A</span>ls die Universitäten zuerst entstanden, war das wissenschaftliche
-Gebäude der neueren Welt grossentheils noch erst
-zu errichten. <em class="italic">Bücher</em> gab es überhaupt nicht viel; die <em class="italic">wenigen</em>,
-die es gab, waren selten, und schwer zu erhalten; und wer
-etwas Neues mitzutheilen hatte, kam zunächst in Versuchung,
-es auf dem schwierigeren Wege der Schriftstellerei zu thun.
-So wurde die <em class="italic">mündliche Fortpflanzung</em> das allgemein brauchbarste
-Mittel zu der Erbauung, der Aufrechterhaltung und der
-Bereicherung des wissenschaftlichen Gebäudes, und die Universitäten
-wurden der Ersatz der nicht vorhandenen oder seltenen
-Bücher.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-2">
-<span class="line1">§. 2.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Auch nachdem durch Erfindung der Buchdruckerkunst die
-Bücher höchst gemein worden, und die Ausbreitung des Buchhandels
-<a id="page-98" class="pagenum" title="98"></a>
-<a id="pagehdr-98" class="orig-page" title="4"></a>
-jedwedem es sogar weit leichter gemacht hat, durch
-Schriften sich mitzutheilen, als durch mündliche Lehrvorträge;
-nachdem es keinen Zweig der Wissenschaft mehr giebt, über
-welchen nicht sogar ein Ueberfluss von Büchern vorhanden
-sey, hält man dennoch noch immer sich für verbunden, durch
-Universitäten dieses gesammte Buchwesen der Welt <em class="italic">noch einmal
-zu setzen</em>, und ebendasselbe, was schon <em class="italic">gedruckt</em> vor
-jedermans Augen liegt, auch noch durch Professoren <em class="italic">recitiren</em>
-zu lassen. Da auf diese Weise dasselbe Eine in zwei verschiedenen
-Formen vorhanden ist, so ermangelt die Trägheit nicht,
-sowohl den <em class="italic">mündlichen</em> Unterricht zu versäumen, indem sie ja
-dasselbe irgend einmal auch aus dem Buche werde lernen können,
-als den durch <em class="italic">Bücher</em> zu vernachlässigen, indem sie dasselbige
-ja auch <em class="italic">hören</em> könne, wodurch es denn dahin gekommen,
-dass, wenige Ausnahmen abgerechnet, gar nichts mehr
-gelernt worden, als was durch das Ohngefähr auf einem der
-beiden Wege an uns hängen geblieben, sonach überhaupt nichts
-im Ganzen, sondern nur abgerissene Bruchstücke; zuletzt hat
-es sich zugetragen, dass die Wissenschaft, &mdash; als etwas nach
-Belieben immerfort auf die leichteste Weise an sich zu bringendes,
-bei der Menge der Halbgelehrten, die auf diese Weise entstanden,
-in tiefe Verachtung gerathen. Nun ist von den genannten
-zwei Mitteln der Belehrung das eigene Studiren der
-Bücher sogar das vorzüglichere, indem das Buch der frei zu
-richtenden Aufmerksamkeit Stand hält, und das, wobei diese
-sich zerstreute, noch einmal <em class="italic">gelesen</em>, das aber, was man nicht
-sogleich versteht, bis zum erfolgten Verständnisse hin und her
-überlegt werden, auch die Lectüre nach Belieben fortgesetzt
-werden kann, so lange man Kraft fühlt, oder abgebrochen werden,
-wo diese uns verlässt; dagegen in der Regel der Professor
-seine Stunde lang seinen Spruch fortredet, ohne zu achten, ob
-irgend jemand ihm folge, ihn abbricht, da wo die Stunde
-schlägt, und ihn nicht eher wieder anknüpft, als bis abermals
-seine Stunde geschlagen. Es wird durch diese Lage des Schülers,
-in der es ihm unmöglich ist, in den Fluss der Rede seines
-Lehrers auf irgend eine Weise einzugreifen und ihn nach seinem
-Bedürfnisse zum Stehen zu bringen, das leidende Hingeben
-<a id="page-99" class="pagenum" title="99"></a>
-<a id="pagehdr-99" class="orig-page" title="5"></a>
-als Regel eingeführt, der Trieb der eigenen Thätigkeit vernichtet,
-und so dem Jünglinge sogar die Möglichkeit genommen,
-des zweiten Mittels der Belehrung, der Bücher, mit freithätiger
-Aufmerksamkeit sich zu bedienen. Und so sind wir denn, um
-von der Kostspieligkeit dieser Einrichtung für das gemeine und
-das Privatwesen, und von der dadurch bewirkten Verwilderung
-der Sitten hier zu schweigen, durch die Beibehaltung des <em class="italic">Nothmittels</em>,
-nachdem die Noth längst aufgehoben, auch noch für
-den Gebrauch des <em class="italic">wahren und besseren Mittels</em> verdorben
-worden.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-3">
-<span class="line1">§. 3.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Um nicht ungerecht, zugleich auch oberflächlich zu seyn,
-müssen wir jedoch hinzusetzen, dass die neueren Universitäten
-<em class="italic">mehr</em> oder <em class="italic">weniger</em> ausser dieser blossen <em class="italic">Wiederholung</em> des
-vorhandenen Buchinhalts noch einen anderen edleren Bestandtheil
-gehabt haben, nemlich das Princip der Verbesserung dieses
-Buchinhalts. Es gab selbstthätige Geister, welche in irgend
-einem Fache des Wissens durch den ihnen wohlbekannten
-Bücherinhalt nicht befriedigt wurden, ohne doch das Befriedigende
-hierin sogleich bei der Hand zu haben, und es in
-einem neuen und besseren Buche, als die bisherigen waren,
-niederlegen zu können. Diese theilten ihr Ringen nach dem
-Vollkommneren vorläufig mündlich mit, um entweder in dieser
-Wechselwirkung mit anderen in sich selber bis zu dem beabsichtigten
-Buche klar zu werden, oder, falls auch sie selbst in
-diesem Streben von geistiger Kraft oder dem Leben verlassen
-würden, Stellvertreter hinter sich zu lassen, welche das beabsichtigte
-Buch, oder auch statt desselben, und aus diesen Prämissen,
-ein noch besseres hinstellten. Aber selbst in Absicht
-dieses Bestandtheiles lässt sich nicht läugnen, dass er von jeher
-der bei weitem kleinere auf allen Universitäten gewesen, dass
-keine Verwaltung ein Mittel in den Händen gehabt, auch nur
-überhaupt den Besitz eines solchen Bestandtheiles sich zu garantiren,
-oder auch nur deutlich zu wissen, ob sie ihn habe,
-oder nicht, und dass selbst dieser kleine Bestandtheil, wenn er
-durch gutes Glück irgendwo vorhanden gewesen, selten mit
-<a id="page-100" class="pagenum" title="100"></a>
-<a id="pagehdr-100" class="orig-page" title="7"></a>
-einiger klaren Erkenntniss seines Strebens und der Regeln, nach
-denen er zu verfahren hätte, gewirkt und gewaltet.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-4">
-<span class="line1">§. 4.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Eine solche zunächst überflüssige, sodann in ihren Folgen
-auch schädliche Wiederholung desselben, was in einer anderen
-Form weit besser da ist, soll nun gar nicht existiren; es müssten
-daher die Universitäten, wenn sie nichts Anderes zu seyn
-vermöchten, sofort abgeschafft, und die Lehrbedürftigen an das
-Studium der vorhandenen Schriften gewiesen werden. Auch
-könnte es diesen Instituten zu keinem Schutze gereichen, dass
-sie den soeben berührten edleren Bestandtheil für sich anführten,
-indem in keinem bestimmten Falle (auf keiner gegebenen
-Universität) dieser edlere Theil Rechenschaft von sich zu geben,
-noch sein Daseyn zu beweisen, noch die Fortdauer desselben
-zu garantiren vermag; und sogar, wenn dies nicht so wäre,
-doch immer der schlechtere Theil, die blosse Wiederholung des
-Buchwesens, weggeworfen werden müsste. Sowie Alles, was
-auf das Recht der Existenz Anspruch macht, <em class="italic">seyn</em> und <em class="italic">leisten</em>
-muss, was <em class="italic">nichts</em> ausser ihm zu seyn und zu leisten vermag,
-zugleich sein Beharren in diesem seinem Wesen, und seine unvergängliche
-Fortdauer verbürgend: so muss dies auch die Universität,
-oder wie wir vorläufig im antiken Sinne des Wortes
-sagen wollen, die <em class="italic">Akademie</em>, oder sie muss vergehen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-5">
-<span class="line1">§. 5.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Was, im Sinne dieser höheren Anforderung an ihre Existenz,
-die Akademie seyn könne, und, falls sie seyn soll, seyn müsse,
-geht sogleich hervor, wenn man die Beziehung der Wissenschaft
-auf das wirkliche Leben betrachtet.
-</p>
-
-<p>
-Man studirt ja nicht, um lebenslänglich und stets dem Examen
-bereit das Erlernte in Worten wieder von sich zu geben,
-sondern um dasselbe auf die vorkommenden Fälle des Lebens
-anzuwenden, und so es in <em class="italic">Werke</em> zu verwandeln; es nicht bloss
-zu wiederholen, sondern etwas Anderes daraus und damit zu
-machen: es ist demnach auch hier letzter Zweck keinesweges
-das Wissen, sondern vielmehr die Kunst, das Wissen zu gebrauchen.
-<a id="page-101" class="pagenum" title="101"></a>
-<a id="pagehdr-101" class="orig-page" title="8"></a>
-Nun setzt diese Kunst der Anwendung der Wissenschaft
-im Leben noch andere der Akademie fremde Bestandtheile
-voraus, Kenntniss des Lebens nemlich und Uebung der
-Beurtheilungsfähigkeit der Fälle der Anwendung, und es ist
-demnach von ihr zunächst nicht die Rede. Wohl aber gehört
-hierher die Frage, auf welche Weise man denn die Wissenschaft
-selbst so zum freien und auf unendliche Weise zu gestaltenden
-Eigenthume und Werkzeuge erhalte, dass eine fertige Anwendung
-derselben auf das, freilich auf anderem Wege zu erkennende,
-Leben möglich werde?
-</p>
-
-<p>
-Offenbar geschieht dies nur dadurch, dass man jene Wissenschaft
-gleich anfangs mit klarem und freiem Bewusstseyn
-erhalte. Man verstehe uns also. Es macht sich vieles von
-selbst in unserem Geiste, und legt sich demselben gleichsam
-an durch einen blinden und uns selber verborgen bleibenden
-Mechanismus. Was also entstanden, ist nicht mit klarem und
-freiem Bewusstseyn durchdrungen, es ist auch nicht unser sicheres
-und stets wieder herbeizurufendes Eigenthum, sondern es
-kommt wieder oder verschwindet nach den Gesetzen desselben
-verborgenen Mechanismus, nach welchem es sich erst in uns
-anlegte. Was wir hingegen mit dem Bewusstseyn, <em class="italic">dass</em> wir
-es thätig erlernen, und dem Bewusstseyn der <em class="italic">Regeln</em> dieser
-erlernenden Thätigkeit, auffassen: das wird, zufolge dieser eigenen
-Thätigkeit und des Bewusstseyns ihrer Regeln, ein eigenthümlicher
-Bestandtheil unserer Persönlichkeit, und unseres frei
-und beliebig zu entwickelnden Lebens.
-</p>
-
-<p>
-Die freie Thätigkeit des Auffassens heisst Verstand. Bei
-dem zuerst erwähnten mechanischen Erlernen wird der Verstand
-gar nicht angewendet, sondern es waltet allein die blinde
-Natur. Wenn jene Thätigkeit des Verstandes und die bestimmten
-Weisen, wie dieselbe verfährt, um etwas aufzufassen, <em class="italic">wiederum
-zu klarem Bewusstseyn erhoben</em> werden, so wird dadurch
-entstehen eine besonnene Kunst des Verstandesgebrauches
-im Erlernen. Eine kunstmässige Entwickelung jenes Bewusstseyns
-der Weise des Erlernens &mdash; im Erlernen irgend
-eines Gegebenen &mdash; würde somit, unbeschadet des jetzt aufgegebenen
-Lernens, zunächst nicht auf das Lernen, sondern auf
-<a id="page-102" class="pagenum" title="102"></a>
-<a id="pagehdr-102" class="orig-page" title="10"></a>
-die Bildung des Vermögens zum Lernen ausgehen. Unbeschadet
-des jetzt aufgegebenen Lernens, habe ich gesagt, vielmehr
-zu seinem grossen Vortheile; denn man weiss gründlich und
-unvergesslich nur das, wovon man weiss, wie man dazu gelangt
-ist. Sodann wird, indem nicht bloss das zuerst Gegebene
-gelernt, sondern an ihm zugleich die Kunst des Erlernens überhaupt
-gelernt und geübt wird, die <em class="italic">Fertigkeit</em> entwickelt, ins
-Unendliche fort nach Belieben leicht und sicher alles Andere
-zu lernen; und es entstehen <em class="italic">Künstler</em> im Lernen. Endlich wird
-dadurch alles Erlernte oder zu Erlernende ein sicheres Eigenthum
-des Menschen, womit er nach Belieben schalten könne,
-und es ist somit die erste und ausschliessende Bedingung des
-praktischen Kunstgebrauches der Wissenschaft im Leben herbeigeführt
-und erfüllet. Eine Anstalt, in welcher mit Besonnenheit
-und nach Regeln das beschriebene Bewusstseyn entwickelt,
-und die dabei beabsichtigte Kunst geübt würde, wäre,
-was folgende Benennung ausspricht: <em class="italic">eine Schule der Kunst des
-wissenschaftlichen Verstandesgebrauches</em>.
-</p>
-
-<p>
-Ohnerachtet auf den bisherigen Universitäten von ohngefähr
-zuweilen geistreiche Männer aufgetreten, die im Geiste des
-obigen Begriffes in einem besonderen Fache des Wissens Schüler
-gezogen, so hat doch sehr viel gefehlt, dass die Realisirung
-dieses Begriffes im Allgemeinen mit Sicherheit, Festigkeit und
-nach unfehlbaren Gesetzen auch nur deutlich gedacht und vorgeschlagen,
-geschweige denn, dass sie irgendwo ausgeführt
-worden. Dadurch aber ist die Erhaltung und Steigerung der
-wissenschaftlichen Bildung im Menschengeschlechte dem guten
-Glücke und blinden Zufalle preisgegeben gewesen, aus dessen
-Händen sie unter die Aufsicht des klaren Bewusstseyns lediglich
-durch die Darstellung des erwähnten Begriffes gebracht
-werden könnte. Und so ist es die Ausführung dieses Begriffes,
-die in Beziehung auf das wissenschaftliche Wesen in dem Abfluss
-der Zeit dermalen an der Tagesordnung ist, und die sogar
-in ihrer Existenz angegriffene Akademie würde wohlthun, diese
-Ausführung zu übernehmen, da das, was sie bis jetzt gewesen,
-gar nicht länger das Recht hat, dazuseyn.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-6">
-<a id="page-103" class="pagenum" title="103"></a>
-<a id="pagehdr-103" class="orig-page" title="11"></a>
-<span class="line1">§. 6.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Aber sogar dieses Anspruches alleinigen und ausschliessenden
-Besitz wird etwas Anderes der Akademie streitig machen,
-die niedere Gelehrtenschule nemlich. Diese, vielleicht selbst
-erst bei dieser Gelegenheit über ihr wahres Wesen klar geworden,
-wird anführen, dass sie, bis auf die Zeiten der neueren
-verseichtenden Pädagogik, weit besser und vorzüglicher
-eine solche Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches
-gewesen, denn irgend eine Universität. Somit wird
-die Akademie zuvörderst mit dieser niederen Gelehrtenschule
-eine Grenzberichtigung treffen müssen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Grenzberichtigung wird ohne Zweifel zur Zufriedenheit
-beider Theile dahin zu Stande kommen, dass der niederen
-Schule die Kunstübung des allgemeinen Instrumentes aller Verständigung,
-der Sprache, und von dem wissenschaftlichen Gebäude
-das allgemeine Gerüst und Geripp des vorhandenen
-Stoffes, ohne Kritik, anheimfalle; dagegen die höhere Gelehrtenschule
-die Kunst der Kritik, des Sichtens des Wahren vom
-Falschen, des Nützlichen vom Unnützen, und das Unterordnen
-des minder Wichtigen unter das Wichtige, zum ausschliessenden
-Eigenthum erhalte; somit die erste: Kunstschule des wissenschaftlichen
-Verstandesgebrauches, als blossen Auffassungsvermögens
-oder Gedächtnisses, die letzte: Kunstschule des Verstandesgebrauches,
-als Beurtheilungsvermögens, würde.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-7">
-<span class="line1">§. 7.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Kunstfertigkeit kann nur also gebildet werden, dass der
-Lehrling nach einem bestimmten Plane des Lehrers unter desselben
-Augen selber arbeite, und die Kunst, in der er Meister
-werden soll, auf ihren verschiedenen Stufen von ihren ersten
-Anfängen an bis zur Meisterschaft, ohne Ueberspringen regelmässig
-fortschreitend, ausübe. Bei unserer Aufgabe ist es die
-Kunst wissenschaftlichen Verstandesgebrauches, welche geübt
-werden soll. Der Lehrer giebt nur den Stoff und regt an die
-Thätigkeit; diesen Stoff bearbeite der Lehrling selbst; der Lehrer
-muss aber in der Lage bleiben, zusehen zu können, ob und
-<a id="page-104" class="pagenum" title="104"></a>
-<a id="pagehdr-104" class="orig-page" title="13"></a>
-wie der Lehrling diesen Stoff bearbeite, damit er aus dieser
-Art der Bearbeitung ermesse, auf welcher Stufe der Fertigkeit
-jener stehe, und auf diese den neuen Stoff, den er geben wird,
-berechnen könne.
-</p>
-
-<p>
-Nicht bloss der Lehrer, sondern auch der Schüler muss
-fortdauernd sich äussern und mittheilen, so dass ihr gegenseitiges
-Lehrverhältniss werde eine fortlaufende Unterredung, in
-welcher jedes Wort des Lehrers sey Beantwortung einer durch
-das unmittelbar Vorhergegangene aufgeworfenen Frage des Lehrlings,
-und Vorlegung einer neuen Frage des Lehrers an diesen,
-die er durch seine nächstfolgende Aeusserung beantworte; und
-so der Lehrer seine Rede nicht richte an ein ihm völlig unbekanntes
-Subject, sondern an ein solches, das sich ihm immerfort
-bis zur völligen Durchschauung enthüllt; dass er wahrnehme
-dessen unmittelbares Bedürfniss, verweilend und in anderen
-und wieder anderen Formen sich aussprechend, wo der
-Lehrling ihn nicht gefasst hat, ohne Verzug zum nächsten Gliede
-schreitend, wenn dieser ihn gefasst hat; wodurch denn der
-wissenschaftliche Unterricht aus der Form einfach fortfliessender
-Rede, die er im Buchwesen auch hat, sich verwandelt in
-die dialogische Form, und eine wahrhafte Akademie im Sinne
-der Sokratischen Schule, an welche zu erinnern wir gerade
-dieses Wortes uns bedienen wollten, errichtet werde.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-8">
-<span class="line1">§. 8.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Der Lehrer muss ein ihm immer bekannt bleibendes festes
-und bestimmtes Subject im Auge behalten, sagten wir. Falls
-nun, wie zu erwarten, dieses Subject nicht zugleich auch aus
-Einem Individuum, sondern aus mehreren bestände, so müssen,
-da das Subject des Lehrers Eins und ein bestimmtes seyn muss,
-diese Individuen selber zu einer geistigen Einheit und zu einem
-bestimmten organischen Lehrlingskörper zusammenschmelzen.
-Sie müssen darum auch unter sich in fortgesetzter Mittheilung
-und in einem wissenschaftlichen Wechselleben verbleiben, in
-welchem jeder allen die Wissenschaft von derjenigen Seite zeige,
-von welcher er, als Individuum, sie erfasst, der leichtere Kopf
-<a id="page-105" class="pagenum" title="105"></a>
-<a id="pagehdr-105" class="orig-page" title="14"></a>
-dem schwerfälligeren etwas von seiner Schnelligkeit, und der
-letzte dem ersten etwas von seiner ruhigen Schwerkraft abtrete.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-9">
-<span class="line1">§. 9.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Um unsern Grundbegriff durch weitere Auseinandersetzung
-noch <a id="corr-5"></a>anschaulicher zu machen: &mdash; Der Stoff, welchen der Meister
-dem Zöglinge seiner Kunst giebt, sind theils seine eigenen
-Lehrvorträge, theils gedruckte Bücher, deren geordnetes und
-kunstmässiges Studium er ihm aufgiebt; indem in Absicht
-des letzteren es ja ein Haupttheil der wissenschaftlichen Kunst
-ist, durch den Gebrauch von Büchern sich belehren zu können,
-und es sonach eine Anführung auch zu dieser Kunst geben
-muss; sodann aber auf einer solchen Akademie der bei weitem
-grösste Theil des wissenschaftlichen Stoffes aus Büchern
-wird erlernt werden müssen, wie dies an seinem Orte sich finden
-wird.
-</p>
-
-<p>
-Die Weisen aber, wie der Meister seinem Lehrlinge sich
-enthüllt, sind folgende:
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Examina</em>, nicht jedoch im Geiste des Wissens, sondern in
-dem der Kunst. In diesem letztern Geiste ist jede Frage des
-Examinators, wodurch das Wiedergeben dessen, was der Lehrling
-gehört oder gelesen hat, als Antwort begehrt wird, ungeschickt
-und zweckwidrig. Vielmehr muss die Frage das Erlernte
-zur Prämisse machen, und eine Anwendung dieser Prämisse
-in irgend einer Folgerung als Antwort begehren.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Conversatoria</em>, in denen der Lehrling fragt, und der Meister
-zurückfragt über die Frage, und so ein expresser Sokratischer
-Dialog entstehe, innerhalb des unsichtbar immer fortgehenden
-Dialogs des ganzen akademischen Lebens.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Durch schriftliche Ausarbeitungen zu lösende <em class="gesperrt">Aufgaben</em>
-an den Lehrling</em>, immer im Geiste der Kunst, und also, dass
-nicht das Gelernte wiedergegeben, sondern etwas Anderes damit
-und daraus gemacht werden solle, also, dass erhelle, ob und
-inwieweit der Lehrling jenes zu seinem Eigenthum und zu
-seinem Werkzeuge für allerlei Gebrauch bekommen habe. Der
-natürliche Erfinder solcher Aufgaben ist zwar der Meister; es
-soll aber auch der geübtere Lehrling aufgefordert werden, dergleichen
-<a id="page-106" class="pagenum" title="106"></a>
-<a id="pagehdr-106" class="orig-page" title="16"></a>
-sich auszusinnen, und sie für sich oder für andere
-in Vorschlag zu bringen. &mdash; Es wird durch diese schriftlichen
-Ausarbeitungen zugleich die Kunst des schriftlichen Vortrages
-eines wissenschaftlichen Stoffes geübt, und es soll darum der
-Meister in der Beurtheilung auch über die Ordnung, die
-Bestimmtheit und die sinnliche Klarheit der Darstellung sich
-äussern.<a class="fnote" href="#footnote-25" id="fnote-25">[25]</a>
-</p>
-
-<h4 class="l2si subchap" id="subchap-4-1-10">
-<span class="line1">§. 10.</span><br />
-<span class="line2">Vom Lehrlinge einer solchen Anstalt.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die äussern Bedingungen, wodurch derselbe theils zu Stande
-kommt, theils in seinem Zustande verharrt, sind die folgenden:
-</p>
-
-<p>
-1) <em class="italic">Gehörige Vorbereitung auf der niederen Gelehrtenschule
-für die höhere.</em> Welche Leistungen für die Bildung des Kopfs
-zur Wissenschaft der niederen Schule anzumuthen sind, haben
-wir schon oben (§. 6.) ersehen. Dies muss nun, wenn die
-höhere Schule mit sicherm Schritt einhergehen soll, von der
-niedern nicht wie bisher, wie gutes Glück und Ohngefähr es
-geben, sondern nach einem festen Plane, und so, dass man
-<a id="page-107" class="pagenum" title="107"></a>
-<a id="pagehdr-107" class="orig-page" title="17"></a>
-immer wisse, was gelungen sey und was nicht, geschehen. Die
-Verbesserung der höheren Lehranstalten setzt sonach die der
-niedern nothwendig voraus, wiewohl wiederum auch umgekehrt
-eine gründliche Verbesserung der letzten nur durch die Verbesserung
-der ersten, und indem auf ihnen die Lehrer der niedern
-Schule die ihnen jetzt grossentheils abgehende Kunst des
-Lehrens erlernen, möglich wird; dass daher schon hier erhellet,
-dass wir nicht mit Einem Schlage das Vollkommene werden hinstellen
-können, sondern uns demselben nur allmählig und in
-mancherlei Vorschritten werden annähern müssen.
-</p>
-
-<p>
-Zur Verbreitung höherer Klarheit über unsern Grundbegriff
-füge ich hier noch folgendes hinzu. Dass der für ein wissenschaftliches
-Leben bestimmte Jüngling zuvörderst mit dem allgemeinen
-Sprachschatze der wissenschaftlichen Welt, als dem
-Werkzeuge, vermittelst dessen allein er, so zu verstehen, wie
-sich verständlich zu machen vermag, vertraut werden müsse,
-ist unmittelbar klar. Diese positive Kenntniss der Sprache aber,
-so unentbehrlich sie auch ist, erscheint als leichte Zugabe,
-wenn wir bedenken, dass besonders durch Erlernung der Sprachen
-einer andern Welt, welche die Merkmale ganz anders zu
-Wortbegriffen gestaltet, der Jüngling über den Mechanismus,
-womit die angeborne moderne Sprache, gleichsam als ob es
-nicht anders seyn könnte, ihn fesselt, unvermerkt hinweggehoben,
-und im leichten Spiele zur Freiheit der Begriffebildung
-angeführt wird; ferner, dass beim Interpretiren der Schriftsteller
-er an dem leichtesten und schon fertig ihm hingelegten
-Stoffe lernt, seine Betrachtung willkürlich zu bewegen, dahin
-und dorthin zu richten für einen ihm bekannten Zweck, und
-nicht eher abzulassen in dieser Arbeit, als bis der Zweck erreicht
-dastehe. Es wird nun, um dieses Verhältnisses willen
-der <em class="italic">niedern</em> Kunst des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches
-zu der <em class="italic">höhern</em>, nothwendig seyn, dass die Schule in ihrem
-Sprachunterrichte also verfahre, dass nicht bloss der erste Zweck
-der historischen Sprachkenntniss, sondern zugleich auch der
-letzte der Verstandesbildung an ihr sicher, allgemein und für
-klare Documentation ausreichend erfüllt werde; dass z. B. der
-Schüler auf jeder Stufe des Unterrichts verstehen lerne, was
-<a id="page-108" class="pagenum" title="108"></a>
-<a id="pagehdr-108" class="orig-page" title="18"></a>
-er verstehen soll, vollkommen und bis zum Ende, und wissen
-lerne, <em class="italic">ob</em> er also verstanden, und den Beweis davon führen
-lerne; keinesweges aber, wie es bisher so oft geschehen, hierüber
-vom guten Glücke abhänge, und im Dunkeln tappe, indem
-sehr oft sein Lehrer selbst keinen rechten Begriff vom Verstehen
-überhaupt hat, und gar nicht weiss, welche Fragen alle
-müssen beantwortet werden können, wenn man sagen will,
-man habe z. B. eine Stelle eines Autors verstanden.
-</p>
-
-<p>
-Betreffend das Grundgerüst des vorhandenen wissenschaftlichen
-Stoffes, als das zweite Stück der nöthigen Vorbereitung, die
-der Schule zukommt, mache ich durch folgende Wendung mich
-klarer. Man hat wohl, um den Forderungen einer solchen geistigen
-Kunstbildung, wie sie auch in diesem Aufsatze gemacht
-werden, auszuweichen, die Bemerkung gemacht: eine solche
-besonnene Ausbildung der Geistesvermögen sey wohl bei den
-alten klassischen Völkern möglich gewesen, weil das sehr beschränkte
-Feld der positiven Kenntnisse, die sie zu erlernen
-gehabt, ihnen Zeit genug übriggelassen hätte; dagegen unsere
-Zeit und Vermögen durch das unermessliche Gebiet des zu Erlernenden
-gänzlich aufgezehrt werde, und für keine anderen
-Zwecke uns ein Theil derselben übrigbleibe. Als ob nicht
-vielmehr gerade darum, weil wir mit ihm weit mehr zu leisten
-haben, eine kunstmässige Ausbildung des Vermögens um so
-nöthiger würde, und wir nicht um so mehr auf Fertigkeit und
-Gewandtheit im Lernen bedacht seyn müssten, da wir eine so
-grosse Aufgabe des Lernens vor uns haben. In der That kommt
-jenes Erschrecken vor der Unermesslichkeit unsers wissenschaftlichen
-Stoffes daher, dass man ihn ohne einen ordnenden
-Geist und ohne eine mit Besonnenheit geübte Gedächtnisskunst,
-deren Hauptmittel jener ordnende Geist ist, erfasset;
-vielmehr blind sich hineinstürzt in das Chaos, und ohne Leitfaden
-in das Labyrinth, und so im Herumirren bei jedem Schritte
-Zeit verliert; also, dass die wenigen, welche in diesem ungeheuren
-Oceane, vom Versinken gerettet, noch oben schwimmen,
-beim Rückblicke auf ihren Weg erschrecken vor der eigenen
-Arbeit und dem gehabten Glücke, und, die noch immer vorhandenen
-Lücken in ihrem Wissen entdeckend, glauben, es
-<a id="page-109" class="pagenum" title="109"></a>
-<a id="pagehdr-109" class="orig-page" title="19"></a>
-habe ihnen nichts weiter gemangelt, denn <em class="italic">Zeit</em>, &mdash; da doch
-die ordnende Kunst, die sie nicht kennen, indem sie keinen
-Schritt vergebens thut, die Zeit ins Unendliche vervielfältigt
-und eine kurze Spanne von Menschenleben ausdehnt zu einer
-Ewigkeit. Wenn schon die erste Schule für den Anfänger
-nicht länger das fähige Gedächtniss des einen Knaben für einen
-glücklichen Zufall, das langsamere eines andern für ein
-unabwendbares Naturunglück halten, sondern lernen wird, das
-Gedächtniss sowohl überhaupt, als in seinen besonderen, für besondere
-Zweige passenden, Fertigkeiten kunstmässig zu entwickeln
-und zu bilden; wenn sie diesem Gedächtnisse erst ein
-ganz ins Kurze und Kleine gezogenes, aber lebendiges und klares
-Bild des Ganzen eines bestimmten wissenschaftlichen Stoffes
-(z. B. für die Geschichte ein allgemeines Bild der Umwandlungen
-im Menschengeschlechte durch die Hauptbegebenheiten
-der herrschenden Völker, neben einem Bilde von der
-allgemeinen Gestalt der Oberfläche des Erdbodens, als dem
-Schauplatze jener Umwandlungen 1) hingeben, und unaustilgbar
-fest in die innere Anschauung einprägen wird; sodann diese
-Bilder Tag für Tag wieder hervorrufen lassen, und sie allmählig,
-aber verhältnissmässig nach allen ihren Theilen, nach
-einer gewissen Regel der nothwendigen Folge der <em class="italic">Gesichtspuncte</em>,
-und so, dass kein einzelner zum Schaden der übrigen
-ungebührlich anwachse, vergrössern wird: so wird jenes Entsetzen
-vor der Unermesslichkeit gänzlich verschwinden, und
-die also gebildeten Köpfe werden leicht und sicher alles, was
-ihnen vorkommt, auf jene mit ihrer Persönlichkeit verwachsenen
-Grundbilder, jedes an seiner Stelle auftragen, nicht auf
-ein unbekanntes Weltmeer versprengt, sondern in ihrer väterlichen
-Wohnung die ihnen wohlbekannten Kammern mit Schätzen
-ausfüllend, die sie nach jedesmaligem Bedürfnisse wieder da
-hinwegnehmen können, wo sie dieselben vorher hingestellt.
-</p>
-
-<p>
-Somit fällt die Vorbereitung, welche der Lehrling einer höhern
-Kunstschule auf der niedern erhalten haben muss, die
-Rechenschaft, die er vor der Aufnahme von seiner Tüchtigkeit
-zu geben hat, und die Vollkommenheit, bis zu welcher die
-niedere Schule verbessert werden muss, zu folgenden zwei
-<a id="page-110" class="pagenum" title="110"></a>
-<a id="pagehdr-110" class="orig-page" title="21"></a>
-Stücken zusammen. Zuvörderst muss der Adspirant eine seinen
-Fähigkeiten angemessene, ihm vorgelegte Stelle eines Autors
-in gegebener Zeit gründlich verstehen lernen, und den
-Beweis führen können, dass er sie recht verstehe, indem sie
-gar nicht anders verstanden werden könne. Sodann muss er
-zeigen, dass er ein allgemeines Bild des gesammten wissenschaftlichen
-Stoffes, erhoben und bereichert bis zu derjenigen
-Potenz des Gesichtspunctes, an welche die höhere Schule ihren
-Unterricht anknüpft, in freier Gewalt und zu beliebigem Gebrauche
-als sein Eigenthum besitze.
-</p>
-
-<p>
-2) <em class="italic">Aufgehen seines gesammten Lebens in seinem Zwecke,
-darum Absonderung desselben von aller andern Lebensweise,
-und vollkommene Isolirung.</em> Der Sohn eines Bürgers, welcher
-ein bürgerliches Gewerbe treibt, besucht vielleicht auch des
-Tages mehrere Stunden eine gute Bürgerschule, worin mancherlei
-gelehrt wird, das die gelehrte Schule gleichfalls vorträgt.
-Dennoch ist die Schule nicht der Sitz seines wahren, eigentlichen
-Lebens, und er ist nicht daselbst zu Hause, sondern sein
-wahres Leben ist sein Familienleben, und der Beistand, den er
-seinen Eltern in ihrem Gewerbe leistet; die Schule aber ist
-Nebensache und blosses Mittel für den bessern Fortgang des
-bürgerlichen Gewerbes, als den eigentlichen Zweck. Dem Gelehrten
-aber muss die Wissenschaft nicht Mittel für irgend einen
-Zweck, sondern sie muss ihm selbst Zweck werden; er
-wird einst, als vollendeter Gelehrter, in welcher Weise er auch
-künftig seine wissenschaftliche Bildung im Leben anwende, in
-jedem Falle allein in der Idee die Wurzel seines Lebens haben,
-und nur von ihr aus die Wirklichkeit erblicken, und nach ihr
-sie gestalten und fügen, keinesweges aber zugeben, dass die
-Idee nach der Wirklichkeit sich füge; und er kann nicht zu
-früh in dieses sein eigenthümliches Element sich hineinleben
-und das widerwärtige Element abstossen.
-</p>
-
-<p>
-Es ist eine bekannte Bemerkung, dass bisher auf Universitäten,
-die in einer kleinern Stadt errichtet waren, bei einigem
-Talente der Lehrer, sehr leicht ein allgemeiner wissenschaftlicher
-Geist und Ton unter den Studirenden sich erzeugt habe,
-was in grössern Städten selten oder niemals also gelungen.
-<a id="page-111" class="pagenum" title="111"></a>
-<a id="pagehdr-111" class="orig-page" title="23"></a>
-Sollten wir davon den Grund angeben, so würden wir sagen,
-dass es deswegen also erfolge, weil in dem ersten Falle die
-Studirenden auf den Umgang unter sich selber, und den Stoff,
-den dieser zu gewähren vermag, eingeschränkt werden; dagegen
-sie im zweiten Falle immerfort verfliessen in die allgemeine
-Masse des Bürgerthums, und zerstreut werden über den gesammten
-Stoff, den dieses liefert, und so das Studiren ihnen
-niemals zum eigentlichen Leben, ausser welchem man ein anderes
-gar nicht an sich zu bringen vermag, sondern wo es
-noch am besten ist, zu einer Berufspflicht wird. Jener bekannte
-Einwurf gegen grosse Universitätsstädte, dass in ihnen
-die Studirenden von einem Hörsaale zum andern weit zu gehen
-hätten, möchte sonach nicht der tiefste seyn, den man vorbringen
-könnte, und er möchte sich eher beseitigen lassen, als das
-höhere Uebel der Verschmelzung des studirenden Theiles des
-gemeinen Wesens mit der allgemeinen Masse des gewerbtreibenden
-oder dumpfgeniessenden Bürgerthumes; indem, ganz
-davon abgesehen, dass bei einem solchen nur als Nebensache
-getriebenen Studiren wenig oder nichts gelernt wird, auf diese
-Weise die ganze Welt verbürgern, und eine über die Wirklichkeit
-hinausliegende Ansicht der Wirklichkeit, bei welcher allein
-die Menschheit Heilung finden kann gegen jedes ihrer Uebel,
-ausgetilgt werden würde in dem Menschengeschlechte; und
-mehr als jemals würde hierauf Rücksicht zu nehmen seyn in
-einem solchen Zeitalter, welches in dringendem Verdachte einer
-beinahe allgemeinen Verbürgerung steht.
-</p>
-
-<p>
-3) <em class="italic">Sicherung vor jeder Sorge um das Aeussere, vermittelst
-einer angemessenen Unterhaltung fürs Gegenwärtige, und Garantie
-einer gehörigen Versorgung in der Zukunft.</em> Dass das
-Detail der kleinen Sorgfältigkeiten um die täglichen Bedürfnisse
-des Lebens zum Studiren nicht passt; dass Nahrungssorgen den
-Geist niederdrücken; Nebenarbeiten ums Brot die Thätigkeit
-zerstreuen, und die Wissenschaft als einen Broterwerb hinstellen;
-Zurücksetzung von Begüterten Dürftigkeits halber, oder
-die Demuth, der man sich unterzieht, um jener Zurücksetzung
-auszuweichen, den Charakter herabwürdigen: dieses alles ist,
-wenn auch nicht allenthalben sattsam erwogen, denn doch
-<a id="page-112" class="pagenum" title="112"></a>
-<a id="pagehdr-112" class="orig-page" title="25"></a>
-ziemlich allgemein zugestanden. Aber man kann von demselben
-Gegenstande auch noch eine tiefere Ansicht nehmen. Es
-wird nemlich ohnedies gar bald sehr klar die Nothwendigkeit
-sich zeigen, dass im Staate, und besonders bei den höheren
-Dienern desselben, recht fest einwurzele die Denkart, nach welcher
-man nicht der Gesellschaft dienen will, um leben zu können,
-sondern leben mag, allein um der Gesellschaft dienen zu
-können, und in welcher man durch kein Erbarmen mit dem
-eigenen, oder irgend eines Anderen, Lebensgenusse bewegt
-wird, zu thun, zu rathen, oder, wo man hindern könnte, zuzulassen,
-was nicht auch gänzlich ohne diese Rücksicht durch
-sich selber sich gebührt; aber es kann diese Denkart Wurzel
-fassen nur in einem durch das Leben in der Wissenschaft veredelten
-Geiste. Mächtig aber wird dieser Veredelung und dieser
-Unabhängigkeit von der erwähnten Rücksicht vorgearbeitet
-werden, wenn die künftigen Gelehrten, aus deren Mitte ja
-wohl die Staatsämter werden besetzt werden, von früher Jugend
-an gewöhnt werden, die Bedürfnisse des Lebens nicht
-als Beweggrund irgend einer Thätigkeit, sondern als etwas, das
-für sich selbst seinen eigenen Weg geht, anzusehen, indem es
-ihnen, sogar ohne Rücksicht auf ihren gegenwärtigen zweckmässigen
-Fleiss, der aus der Liebe zur Sache hervorgehen soll,
-zugesichert ist.
-</p>
-
-<h4 class="l2si subchap" id="subchap-4-1-11">
-<span class="line1">§. 11.</span><br />
-<span class="line2">Wie muss der Lehrer an einer solchen Anstalt beschaffen seyn, und ausgestattet?</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Zuvörderst, wie sich von selbst versteht, indem keiner
-lehren kann, was er selbst nicht weiss, muss er sich im Besitze
-der Wissenschaft befinden, und zwar auf die oben angegebene
-Weise, als freier Künstler, so dass er sie zu jedem gegebenen
-Zwecke anzuwenden und in jede mögliche Gestalt
-hinüberzubilden vermöge. Aber auch diese Kunstfertigkeit muss
-ihn nicht etwa mechanisch leiten, und bloss als natürliches Talent
-und Gabe ihm beiwohnen, sondern er muss auch sie wiederum
-mit klarem Bewusstseyn durchdrungen haben, bis zur
-Erkenntniss im Allgemeinen sowohl, als in den besonderen individuellen
-<a id="page-113" class="pagenum" title="113"></a>
-<a id="pagehdr-113" class="orig-page" title="26"></a>
-Bestimmungen, die sie bei Einzelnen annimmt, indem
-er ja jeden Schüler dieser Kunst soll beobachten, beurtheilen
-und leiten können.
-</p>
-
-<p>
-Aber sogar dieses klare Bewusstseyn und dieses Auffassen
-der wissenschaftlichen Kunst, als eines organischen Ganzen,
-reicht ihm noch nicht hin, denn auch dieses könnte, wie alles
-blosse Wissen, todt seyn, höchstens bis zur historischen Niederlegung
-in einem Buche ausgebildet. Er bedarf noch überdies
-für die wirkliche Ausübung der Fertigkeit, jeden Augenblick
-diejenige Regel, die hier Anwendung findet, hervorzurufen,
-und der Kunst, das Mittel ihrer Anwendung auf der Stelle zu
-finden. Zu diesem hohen Grade der Klarheit und Freiheit
-muss die wissenschaftliche Kunst sich in ihm gesteigert haben.
-Sein Wesen ist die Kunst, den wissenschaftlichen Künstler selber
-zu bilden, welche Kunst eine Wissenschaft der wissenschaftlichen
-Kunst auf ihrer ersten Stufe voraussetzt, für deren
-Möglichkeit wiederum der eigene Besitz dieser Kunst auf der
-ersten Stufe vorausgesetzt wird; in dieser Vereinigung und
-Folge sonach besteht das Wesen eines Lehrers an einer Kunstschule
-des wissenschaftlichen Verstandesgebrauchs.
-</p>
-
-<p>
-Das Princip, durch welches die wissenschaftliche Kunst
-zu dieser Höhe sich steigert, ist die Liebe zur Kunst.
-</p>
-
-<p>
-Dieselbe Liebe ist es auch, die die wirklich entstandene Kunst
-der Künstlerbildung immerfort von neuem beleben, und in jedem
-besonderen Falle sie anregen und sie auf das Rechte leiten
-muss. Sie ist, wie alle Liebe, göttlichen Ursprungs und
-genialischer Natur, und erzeugt sich frei aus sich selber; für
-sie ist die übrige wissenschaftliche Kunstbildung ein sicher zu
-berechnendes Product, sie selbst aber, die Kunst dieser Kunstbildung,
-lässt sich nicht jederman anmuthen, noch lässt sie
-selbst da, wo sie war, sich erhalten, falls ihr freier Geniusflügel
-sich hinwegwendet.
-</p>
-
-<p>
-Diese Liebe jedoch pflanzt auf eine unsichtbare Weise sich
-fort, und regt unbegreiflich den Umkreis an. Nichts gewährt
-höheres Vergnügen, als das Gefühl der Freiheit und zweckmässigen
-Regsamkeit des Geistes, und des Wachsthums dieser
-Freiheit, und so entsteht das liebevollste und freudenvollste
-<a id="page-114" class="pagenum" title="114"></a>
-<a id="pagehdr-114" class="orig-page" title="28"></a>
-Leben des Lehrlings in diesen Uebungen, und in dem Stoffe
-derselben.
-</p>
-
-<p>
-Diese Liebe für die Kunst ist in Beziehung auf andere <em class="italic">achtend</em>,
-und richtet vom Lehrer, als dem eigentlichen Focus, ausgegangen
-mit dieser Achtung aus dem Individuum heraus sich
-auf die anderen, welche gemeinschaftlich mit ihm diese Kunst
-treiben, und zieht jeden hin zu allen übrigen, wodurch die
-§. 8 geforderte wechselseitige Mittheilung Aller, und die Verschmelzung
-der Einzelnen zu einem lernenden organischen
-Ganzen, wie es gerade nur aus diesen lernenden Individuen
-sich bilden kann, entstehet, deren Möglichkeit noch zu erklären
-war.
-</p>
-
-<p>
-(Ein geistiges Zusammenleben, das <em class="italic">zunächst</em> der schnelleren,
-fruchtbareren und in den Formen sehr vielseitigen Geistesentwickelung,
-<em class="italic">später</em> im bürgerlichen Leben der Entstehung
-eines Corps von Geschäftsleuten dient, in welchem nicht, wie
-bisher, der eigentliche Gelehrte, der dem Geschäftsmanne für
-einen Quer- und verrückenden Kopf gilt, diesem meist mit Recht
-den stumpfen Kopf und den empirischen Stümper zurückgiebt,
-&mdash; sondern, die einander frühzeitig durchaus kennen und achten
-gelernt haben, und die von einer Allen gleichbekannten
-und unter ihnen gar nicht streitigen Basis in allen ihren Berathungen
-ausgehen.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-1-12">
-<span class="line1">§. 12.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Diese Kunst der wissenschaftlichen Künstlerbildung, falls
-sie etwa in irgend einem Zeitalter zum deutlichen Bewusstseyn
-hervorbrechen und zu irgend einem Grade der Ausübung gedeihen
-sollte, muss, in Absicht ihrer Fortdauer und ihres Erwachsens
-zu höherer Vollkommenheit, keinesweges dem blinden
-Ohngefähr überlassen werden; sondern es muss, und dieses
-am schicklichsten an der schon bestehenden Kunstschule
-selbst, eine feste Einrichtung getroffen werden, dieselbe mit
-Besonnenheit und nach einer festen Regel zu erhalten, und zu
-höherer Vollkommenheit zu bilden; wodurch diese Kunstschule,
-so wie jedes mit wahrhaftem Leben existirende Wesen soll,
-ihre ewige Fortdauer verbürgen würde.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-115" class="pagenum" title="115"></a>
-<a id="pagehdr-115" class="orig-page" title="29"></a>
-Sie ist, wie oben gesagt, selbst der höchste Grad der
-wissenschaftlichen Kunst, erfordernd die höchste Liebe und die
-höchste Fertigkeit und Geistesgewandtheit. Es ist darum klar,
-dass sie nicht allen angemuthet werden könne, wie man denn
-auch nur weniger, die sie ausüben, bedarf; aber sie muss allen
-angeboten und mit ihnen der Versuch gemacht werden,
-damit man sicher sey, dass nirgends dieses seltene Talent, aus
-Mangel an Kunde seiner, ungebraucht verloren gehe.
-</p>
-
-<p>
-Für diesen Zweck wäre demnach der Lehrling, doch ohne
-Ueberspringen und nach erlangter hinlänglicher Gewandtheit in
-den niederen Graden der Kunst, zur Ausübung aller der oben
-erwähnten Geschäfte des Lehrers anzuhalten, unter Aufsicht
-und mit der Beurtheilung des eigentlichen Lehrers, so wie der
-anderen, in demselben Grade befindlichen Lehrlinge. So denselben
-Weg zurücklegend unter der Leitung des schon geübten
-Lehrers, und vertraut gemacht mit dessen Kunstgriffen, welchen
-Weg der Lehrer selbst, von keinem geholfen und im
-Dunkeln tappend, gehen musste, wird dieser Lehrling es ohne
-Zweifel noch viel weiter bringen in geübter und klarer Kunst,
-denn sein Lehrer, und einst selber nach demselben Gesetze
-eine noch geübtere und klarere Generation hinterlassen.
-</p>
-
-<p>
-(Es geht hieraus hervor, dass eine solche Pflanzschule wissenschaftlicher
-Künstler überhaupt, nach den verschiedenen
-Graden dieser Kunst, auf ihrer höchsten Spitze ein Professor-Seminarium
-seyn würde, und also genannt werden könnte.
-Man hat homiletische Uebungen gehabt, um zur Kunst des Vortrages
-für das Volk, man hat Schullehrer-Seminaria gehabt,
-um den Vortrag für die niedere Schule zu bilden; an eine
-besondere Uebung oder Prüfung in der Kunst des akademischen
-Vortrages aber hat unseres Wissens niemand gedacht,
-gleich als ob es sich von selbst verstände, dass man, was man
-nur wisse, auch werde sagen können: zum schlagenden Beweise,
-dass man mit deutlichem Bewusstseyn, so weit dieses
-in dieser Region gedrungen, mit der Universität durchaus nichts
-mehr beabsichtigt, als dem gedruckten Buchwesen noch ein
-zweites redendes Buchwesen an die Seite zu setzen; wodurch
-<a id="page-116" class="pagenum" title="116"></a>
-<a id="pagehdr-116" class="orig-page" title="31"></a>
-unsere Rede wieder in ihren Ausgangspunct hineinfällt, zum
-Beweise, dass sie ihren Kreis durchlaufen hat.
-</p>
-
-<h4 class="l2si subchap" id="subchap-4-1-13">
-<span class="line1">§. 13.</span><br />
-<span class="line2">Corollarium.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Der bis hierher entwickelte Begriff, selbst angesehen in
-einem wissenschaftlichen Ganzen, giebt der Kunst der Menschenbildung
-oder der Pädagogik den Gipfel, dessen sie bisher
-ermangelte. Ein anderer Mann hat in unserem Zeitalter die
-ebenfalls vorher ermangelnde Wurzel derselben Pädagogik gefunden.
-Jener Gipfel macht möglich die höchste und letzte
-Schule der wissenschaftlichen Kunst; diese Wurzel macht möglich
-die erste und allgemeine Schule des Volks, das letzte Wort
-nicht für Pöbel genommen, sondern für die Nation. Der mittlere
-Stamm der Pädagogik ist die niedere Gelehrtenschule.
-</p>
-
-<p>
-Aber der Gipfel ruht fest nur auf dem Stamme, und dieser
-zieht seinen Lebenssaft nur aus der Wurzel; alle insgesammt
-haben nur an-, in- und durcheinander Leben und versicherte
-Dauer. Ebenso verhält es sich auch mit der höheren
-und der niederen Gelehrtenschule, und mit der Volksschule.
-Wir unseres Ortes, die wir die erstere beabsichtigen, gehen,
-so gut wir es unter diesen Umständen vermögen, aus unserem
-besonderen und abgeschnittenen Mittelpuncte aus, unseren Weg
-fort, nur auf die niedere Gelehrtenschule, mit der wir allernächst
-zusammenhängen, und ohne deren Beihülfe wir nicht füglich
-auch nur einen Anfang machen können, die nöthige Rücksicht
-nehmend. Ebenso geht ihres Orts, und unser, die wir nur
-selbst erst unser eigenes Daseyn suchen, unserer Hülfe und
-unseres leitenden Lichtes entbehrend, die allgemeine Pädagogik
-ihren Weg fort, so gut sie es vermag. Aber arbeiten wir nur
-redlich fort, jeder an seinem Ende: wir werden mit der Zeit
-zusammenkommen, und insgesammt in einander eingreifen;
-denn jedweder Theil, der nur in sich selber etwas Rechtes
-ist, ist Theil zu einem grösseren ewigen Ganzen, das in der
-Erscheinung nur aus der Zusammenfügung der einzelnen Theile
-zusammentritt. Da aber, wo wir zusammenkommen werden,
-wird der armen, jetzt in ihrer ganzen Hülfslosigkeit dastehenden
-<a id="page-117" class="pagenum" title="117"></a>
-<a id="pagehdr-117" class="orig-page" title="32"></a>
-Menschheit Hülfe und Rettung bereit seyn; denn diese Rettung
-hängt lediglich davon ab, dass die Menschenbildung im
-Grossen und Ganzen aus den Händen des blinden Ohngefährs
-unter das leuchtende Auge einer besonnenen Kunst komme.
-</p>
-
-<p>
-Diese Einsicht und das Bewusstseyn, dass uns ein grosser
-Moment gegeben ist, der, ungenutzt verstrichen, nicht leicht
-wiederkehrt, bringe heiligen Ernst und Andacht in unsere Berathungen.
-</p>
-
-<h4 class="l1i subchap" id="subchap-4-1-14">
-<span class="line1">Anmerkung.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Da man oft unerwartet auf Verkennung jenes höchsten
-Grundsatzes alles unseres Lebens und Treibens stösst, so ist
-es vielleicht nicht überflüssig, hierüber noch einige Worte hinzuzufügen.
-</p>
-
-<p>
-Ein blindes Geschick hat die menschlichen Angelegenheiten
-erträglich, und obgleich langsam, dennoch zu einiger Verbesserung
-des ganzen Zustandes geleitet, so lange in diese
-Dunkelheit das gute und böse Princip in der Menschheit gemeinschaftlich
-und mit einander verwachsen eingehüllt war.
-Diese Lage der Dinge hat sich verändert, durch diese Veränderung
-ist eben ein durchaus neues Zeitalter, gegen dessen
-Anerkenntniss man sich noch so häufig sträubt, und es sind
-durchaus neue Aufgaben an die Zeit entstanden. Das böse
-Princip hat nemlich aus jener Mischung sich entbunden zum
-Lichte; es ist sich selbst vollkommen klar geworden, und schreitet
-frei und besonnen und ohne alle Scheu und Scham vorwärts.
-Klarheit siegt allemal über die Dunkelheit; und so wird
-denn das böse Princip ohne Zweifel Sieger bleiben so lange,
-bis auch das gute sich zur Klarheit und besonnenen Kunst
-erhebt.
-</p>
-
-<p>
-In allen menschlichen Verhältnissen, besonders aber in
-der Menschenbildung, ist das Alte und Hergebrachte das Dunkele;
-eine Region, die mit dem klaren Begriffe zu durchdringen
-und mit besonnener Kunst zu bearbeiten man Verzicht
-leistet, und aus welcher herab man den Segen Gottes ohne
-sein eigenes Zuthun erwartet. Setzt man in diesem Glaubenssysteme
-jenem göttlichen Segen etwa noch eine menschliche
-<a id="page-118" class="pagenum" title="118"></a>
-<a id="pagehdr-118" class="orig-page" title="34"></a>
-Direction und Oberaufsicht an die Seite, so ist das eine blosse
-Inconsequenz. Das Alte ist ja jedermänniglich bekannt, diesem
-soll gefolgt werden, es giebt darum keine Pläne auszudenken;
-der Erfolg kommt von oben herab, und keine menschliche
-Klugheit kann hier etwas ausrichten; es giebt darum auch nichts
-zu leiten, und die Oberaufsicht ist ein völlig überflüssiges Glied.
-Nur in dem Falle, dass Behauptungen, wie die unsrige, von
-freier und besonnener Kunst sich vernehmen liessen und einen
-Einfluss begehrten, erhielte sie eine Bestimmung, die, der Neuerung
-sich kräftig zu widersetzen, und festzuhalten über dem
-alten hergebrachten Dunkel.
-</p>
-
-<p>
-Es ist nicht zu hören, wenn die Sicherheit dieses alten
-und ausgetretenen Weges gepriesen, dagegen das Unsichere
-und Gewagte aller Neuerungen gefürchtet wird. Bleibt man
-beim Alten, so wird der Erfolg schlecht seyn, darauf kann
-man sich verlassen; denn es kann, nachdem die Welt einmal
-ist, wie sie ist, aus dem Dunkeln nichts Anderes mehr hervorgehen,
-denn Böses. Hofft man etwa dabei das zu gewinnen,
-dass man sich sagen könne, man habe das Böse wenigstens
-nicht durch sein thätiges Handeln herbeigeführt, es sey
-eben von selbst gekommen, und man würde nichts dagegen
-gehabt haben, wenn statt dessen das Gute gekommen wäre?
-Man muss leicht zu trösten seyn, wenn man damit sich beruhigt.
-Und warum sollte es denn ein so grosses Wagstück
-seyn, nach einem klaren und festen Begriffe einherzugehen?
-Wagen wird man allein in den beiden Fällen, wenn man entweder
-seines Begriffes nicht Meister ist, oder nicht schon im
-voraus entschlossen, sein Alles an die Ausführung desselben
-zu setzen. Aber nichts nöthigt uns, uns in einem dieser beiden
-Fälle zu befinden.
-</p>
-
-<p>
-Am wenigsten würden wir den Grundbegriff von einer
-Universität gelten lassen, dass dieselbe sey keinesweges eine Erziehungsanstalt,
-deren unfehlbaren Erfolg man soviel möglich
-sichern müsse, sondern eine im Grunde überflüssige und nur
-als freie Gabe zu betrachtende Bildungsanstalt, die jeder, der
-in der Lage sey, mit Freiheit gebrauchen könne, wie er eben
-<a id="page-119" class="pagenum" title="119"></a>
-<a id="pagehdr-119" class="orig-page" title="35"></a>
-wolle. Giebt es solche Anstalten, als da etwa wäre das Werkmeistersche
-Museum u. dergl., so können dieselben nur seyn
-für weise Männer und gemachte Bürger, die in Absicht einer
-persönlichen Bestimmung und eines festen Berufes mit dem
-Staate sich schon abgefunden haben, keinesweges für Jünglinge,
-die einen Beruf noch suchen. Auch hat bisher der Staat, &mdash;
-und dies ist auch ein Altes und Wohlhergebrachtes, bei welchem
-es ohne Zweifel sein Bewenden wird haben müssen, &mdash;
-es hat der Staat allerdings auf die Universitäten gerechnet, als
-eine nothwendige und bisher durch nichts Anderes ersetzte
-Erziehungsanstalt eines Standes, an dem ihm viel gelegen ist:
-und es wäre zu erwarten, was erfolgen würde, wenn nur drei
-Jahre hintereinander es der Freiheit aller Studirenden gefiele,
-die Universität nicht auf die rechte Weise zu benutzen. Oder
-soll man voraussetzen, dass es mitten in unseren gebildeten
-Staaten noch einen Haufen von Menschen gebe, deren angeborenes
-Privilegium dies ist, dass kein Mensch Anspruch auf ihre
-Kräfte und die Bildung derselben habe, und denen es freistehen
-muss, ob sie zu etwas oder zu nichts taugen wollen, weil
-sie ausserdem zu leben haben? Soll für diese vielleicht jene
-freie und auf gar nichts rechnende Bildungsanstalt angelegt
-werden, damit sie, wenn sie wollen, hier die Mittel erwerben,
-ihr einstiges müssiges Leben mit weniger Langeweile hinzubringen?
-Alles zugegeben, möchten wenigstens diese Klassen
-selbst für die Befriedigung dieses ihres Bedürfnisses sorgen;
-aber dem Staate liessen die Kosten einer solchen Anstalt sich
-keinesweges aufbürden.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-25" id="footnote-25">[25]</a> Es dürfte vielleicht nicht überflüssig seyn, der Erwähnung solcher
-Aufgaben noch ausdrücklich die Bemerkung hinzuzufügen, dass nicht bloss
-in dem apriorischen Theile der Wissenschaft, sondern auch in ganz empirischen
-Scienzen solche, die Selbstthätigkeit des Auffassens erkundende, Aufgaben
-möglich seyen. In der Philologie, der Theologie u. s. w. ist ja wohlbekannt,
-dass diese Fächer der eignen Combinationsgabe und Conjecturalkritik
-ein fast unermessliches Feld darbieten, wobei, gesetzt auch die Ausbeute
-wäre nicht von Bedeutung, dennoch die Selbstthätigkeit des Geistes
-geübt und documentirt wird. Aber auch der Lehrer der Universalgeschichte
-könnte, meines Erachtens, ein nicht wirklich eingetretenes Ereigniss fingiren,
-mit der Aufgabe an sein Auditorium, zu zeigen, was bei diesem oder diesem
-von ihnen erlernten Zustande der Welt daraus am wahrscheinlichsten erfolgt
-seyn würde; oder der des römischen Rechts irgend einen Fall, mit der
-Aufgabe an sein Auditorium, das aus dem Ganzen der römischen Gesetzgebung
-hervorgehende, und in dasselbe organisch einpassende Gesetz für diesen
-Fall anzugeben. Es würde aus dem Versuche der Lösung dieser Aufgaben
-ohne Zweifel klar hervorgehen, zuvörderst, ob seine Zuhörer die Geschichte
-oder das römische Recht wirklich wüssten, sodann, ob und inwieweit
-sie diese Scienzen in ihrem Geiste durchdrungen, oder dieselben nur
-mechanisch auswendig gelernt hätten.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-4-2">
-<a id="page-120" class="pagenum" title="120"></a>
-<a id="pagehdr-120" class="orig-page" title="36"></a>
-<span class="line1">Zweiter Abschnitt.</span><br />
-<span class="line2">Wie unter den gegebenen Bedingungen der Zeit und des Orts der aufgegebene Begriff realisirt werden könne.</span>
-</h3>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-1">
-<span class="line1">§. 14.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Soll unsere Lehranstalt keinesweges etwa eine in sich
-selbst abgeschlossene Welt bilden, sondern soll sie eingreifen
-in die wirklich vorhandene Welt, und soll sie insbesondere
-das gelehrte Erziehungswesen dieser Welt umbilden, so muss
-sie sich anschliessen an dasselbe, so wie es ist und sie dasselbe
-vorfindet. Dieses muss ihr erster Standpunct seyn; dies
-der von ihr anzueignende und durch sie zu organisirende Stoff;
-sie aber das geistige Ferment dieses Stoffes. Sie muss sich
-erzeugen und sich fortbilden innerhalb einer gewöhnlichen Universität,
-weil wir dies nicht vermeiden können, so lange bis
-die letztere in die erste aufgehend gänzlich verschwinde: keinesweges
-aber müssen wir von dem Gedanken ausgehen, dass
-wir eine ganz gewöhnliche Universität und nichts weiter bilden
-wollen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-2">
-<span class="line1">§. 15.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Diese nothwendige Stätigkeit des Fortgangs in der Zeit sogar
-abgerechnet, vermögen wir in dieses Vorhabens Ausführung
-um so weniger anders, denn also zu verfahren, da die
-freie <em class="italic">Kunst der besonderen Wissenschaft sowohl überhaupt,
-als in ihren einzelnen Fächern</em> dermalen noch gar nicht also
-vorhanden ist, dass sie sicher und nach einer Regel aufbehalten
-und fortgepflanzt werden könnte; sondern diese freie Kunst
-der <em class="italic">besonderen</em> Wissenschaft erst selber in der schon vorhandenen
-Kunstschule zu deutlichem Bewusstseyn und zu geübter
-Fertigkeit erhoben werden, und so die Kunstschule einem ihrer
-<a id="page-121" class="pagenum" title="121"></a>
-<a id="pagehdr-121" class="orig-page" title="37"></a>
-wesentlichen Theile nach sich selber erst erschaffen muss. So
-nun nicht wenigstens der Ausgangspunct dieser Kunst in der
-Wissenschaft überhaupt, und unabhängig von dem Vorhandenseyn
-der Schule, irgendwo und irgendwann zu existiren vermöchte,
-so würde es niemals zu einer solchen Kunstschule,
-ja sogar nicht zu dem Gedanken und der Aufgabe derselben
-kommen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-3">
-<span class="line1">§. 16.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Mit diesem Ausgangspuncte der wissenschaftlichen Kunst
-verhält es sich nun also. Kunst wird (§. 4) dadurch erzeugt,
-dass man deutlich versteht, <em class="italic">was</em> man und <em class="italic">wie</em> man es macht.
-Die besondere Wissenschaft aber ist in allen ihren einzelnen
-Fächern ein besonderes Machen und Verfahren mit dem Geistesvermögen;
-und man hat dies von jeher anerkannt, wenn
-man z. B. vom historischen Genie, Tact und Sinne, oder von
-Beobachtungsgabe u. dergl., als von besonderen, ihren eigenthümlichen
-Charakter tragenden Talenten gesprochen. Nun ist
-ein solches Talent allemal Naturgabe, und da es ein besonderes
-Talent ist, so ist der Besitzer desselben eine besondere
-und auf diesen Standpunct beschränkte Natur, die nicht wiederum
-über diesen Punct sich erheben, ihn frei anschauen,
-ihn mit dem Begriffe durchdringen und so aus der blossen
-Naturgabe eine freie Kunst machen könnte. Und so würde
-denn die besondere Wissenschaft entweder gar nicht getrieben
-werden können, weil es an Talent fehlte, oder, wo sie getrieben
-würde, könnte es, eben weil dazu Talent, das eben nur
-Talent sey, gehört, niemals zu einer besonnenen Kunst derselben
-kommen. So ist es denn auch wirklich. Der Geist jeder
-besonderen Wissenschaft ist ein beschränkter und beschränkender
-Geist, der zwar in sich selber lebt und treibet, und
-köstliche Früchte gewährt, der aber weder sich selbst, noch
-andere Geister ausser ihm zu verstehen vermag. Sollte es nun
-doch zu einer solchen Kunst in der besonderen Wissenschaft
-kommen, so müsste dieselbe, unabhängig von ihrer Ausübung,
-und noch ehe sie getrieben würde, verstanden, d. i. die Art
-<a id="page-122" class="pagenum" title="122"></a>
-<a id="pagehdr-122" class="orig-page" title="38"></a>
-und Weise der geistigen Thätigkeit, deren es dazu bedarf, erkannt
-werden, und so der allgemeine <em class="italic">Begriff</em> ihrer Kunst der <em class="italic">Ausübung</em>
-dieser Kunst selbst vorhergehen können. Nun ist dasjenige,
-was die <em class="italic">gesammte</em> geistige Thätigkeit, mithin auch alle
-besonderen und weiter bestimmten Aeusserungen derselben
-wissenschaftlich erfasst, die Philosophie: von philosophischer
-Kunstbildung aus müsste sonach den besonderen Wissenschaften
-ihre Kunst gegeben, und das, was in ihnen bisher blosse,
-vom guten Glücke abhängende Naturgabe war, zu besonnenem
-Können und Treiben erhoben werden; der Geist der Philosophie
-wäre derjenige, welcher zuerst sich selbst, und sodann
-in sich selber alle anderen Geister verstände; der Künstler in
-einer besonderen Wissenschaft müsste vor allen Dingen ein
-philosophischer Künstler werden, und seine besondere Kunst
-wäre lediglich eine weitere Bestimmung und einzelne Anwendung
-seiner allgemeinen philosophischen Kunst.
-</p>
-
-<p>
-(Dies dunkel fühlend hat man, wenigstens bis auf die letzten
-durch und durch verworrenen und seichten Zeiten, geglaubt,
-dass alle höhere wissenschaftliche Bildung von der Philosophie
-ausgehen, und dass auf Universitäten die philosophischen
-Vorlesungen von Allen und zuerst gehört werden müssten.
-Ferner hat man in den besonderen Wissenschaften z. B.
-von philosophischen Juristen oder Geschichtsforschern oder
-Aerzten gesprochen, und man wird finden, dass von denen,
-welche sich selber verstanden, immer diejenigen mit dieser
-Benennung bezeichnet wurden, die mit der grössten Fertigkeit
-und Gewandtheit ihre Wissenschaft vielseitig anzuwenden wussten,
-sonach die <em class="italic">Künstler</em> in der Wissenschaft. Denn diejenigen,
-welche <em class="italic">a priori</em> phantasirten, wo es galt Facta beizubringen,
-sind ebenso, wie diejenigen, die sich auf die wirkliche Beschaffenheit
-der Dinge beriefen, wo das apriorische Ideal dargestellt
-werden sollte, von den Verständigen mit der gebührenden
-Verachtung angesehen worden.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-4">
-<span class="line1">§. 17.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die erste und ausschliessende Bedingung der Möglichkeit,
-eine wissenschaftliche Kunstschule zu errichten, würde demnach
-<a id="page-123" class="pagenum" title="123"></a>
-<a id="pagehdr-123" class="orig-page" title="39"></a>
-diese seyn, dass man einen Lehrer fände, der da fähig
-wäre, das Philosophiren selber als eine Kunst zu treiben, und
-der es verstände, eine Anzahl seiner Schüler zu einer bedeutenden
-Fertigkeit in dieser Kunst zu erheben, mit welcher nun
-einige dieser wiederum den ihnen anderwärts herzugebenden
-positiven Stoff der besonderen Wissenschaften durchdrängen,
-und sich auch in diesen zu Künstlern bildeten; von welchen
-letzteren wiederum diejenigen, die es zu dem Grade der Klarheit
-dieser Kunst gebracht hätten, dass sie selbst Künstler zu
-bilden vermöchten, ihre Kunst fortpflanzten. Nachdem dieses
-Letztere über das ganze Gebiet der Wissenschaften möglich
-geworden, in einer solchen Ausdehnung, dass man auf die
-sichere Fortpflanzung der gesammten wissenschaftlichen Kunst
-bis ans Ende der Tage rechnen könnte: alsdann stände die
-beabsichtigte wissenschaftliche Kunstschule da, und wäre errichtet.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-5">
-<span class="line1">§. 18.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Dieser philosophische Künstler muss, beim Beginnen der
-Anstalt, ein einziger seyn, ausser welchem durchaus kein anderer
-auf die Entwickelung des Lehrlings zum Philosophiren
-Einfluss habe. Wer dagegen einwenden wollte, dass es, um
-die Jünglinge vor Einseitigkeit und blindem Glauben an Einen
-Lehrer zu verwahren, auf einer höheren Lehranstalt vielmehr
-eine Mannigfaltigkeit der Ansichten und Systeme, und eben
-darum der Lehrer geben müsse, würde dadurch verrathen,
-dass er weder von der Philosophie überhaupt, noch vom Philosophiren,
-als einer Kunst, einen Begriff habe. Denn obwohl,
-falls es Gewissheit giebt und dieselbe dem Menschen erreichbar
-ist (wer über diesen Punct sich noch in Zweifel befände,
-der wäre nicht ausgestattet, um mit uns über die Einrichtung
-eines <em class="italic">wissenschaftlichen</em> Instituts zu berathschlagen), der Lehrer,
-den wir suchen, selber in sich seiner Sache gewiss seyn
-und ein System haben muss, indem im entgegengesetzten Falle
-er mit seinem Philosophiren nicht zu Ende gekommen wäre,
-mithin die ganze Kunst des Philosophirens nicht einmal selber
-ausgeübt hätte und so durchaus unfähig wäre, dieselbe in
-<a id="page-124" class="pagenum" title="124"></a>
-<a id="pagehdr-124" class="orig-page" title="41"></a>
-ihrem ganzen Umfange mit Bewusstseyn zu durchdringen, und
-sie anderen mitzutheilen, und wir uns daher in der Wahl der
-Person vergriffen hätten &mdash; obwohl, sage ich, dies also ist, so
-wird er dennoch in seinem Bestreben, selbstthätige, die Gewissheit
-in sich selbst erzeugende und das System selbst erfindende
-Künstler zu bilden, nicht von seinem Systeme, noch
-überhaupt von irgend einer positiven Behauptung <em class="italic">ausgehen</em>;
-sondern nur ihr systematisches Denken anregen, freilich in der
-sehr natürlichen Voraussetzung, dass sie am Ende desselben
-bei demselben Resultate ankommen werden, bei dem auch er
-angekommen, und dass, wenn sie bei einem anderen ankommen,
-irgendwo in der Ausübung der Kunst ein Fehler begangen
-worden. Wäre irgend ein anderer neben ihm, der ihm
-widerspräche, so müsste dieser etwas <em class="italic">behaupten</em>; liesse er
-sich verleiten, dem <a id="corr-6"></a>Widerspruche zu widersprechen, so müsste
-nun auch er behaupten, und es entstände Polemik. Wo aber
-Polemik ist, da ist Thesis, und wo Thesis ist, da wird nicht
-mehr thätig philosophirt, sondern es wird nur das Resultat des,
-so Gott will, vorher ausgeübten thätigen Philosophirens historisch
-erzählt; somit hebt die Polemik das Wesen einer philosophischen
-Kunstschule gänzlich auf, und es ist ihr darum aller
-Eingang in diese abzuschneiden. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-(Dieselbe Unbekanntschaft mit dem Wesen der Philosophie
-würde verrathen eine andere Bemerkung, die folgende: es
-müsse auf einer solchen Anstalt die Vollständigkeit der sogenannten
-philosophischen Wissenschaften beabsichtigt werden,
-und dies, da sie einem Einzigen nicht wohl anzumuthen sey,
-werde eine Mehrheit der Lehrer der Philosophie verlangen.
-Denn wenn nur wirklich der philosophische Geist und die
-Kunst des Philosophirens entwickelt ist, so wird ganz von
-selbst diese sich über die gesammte Sphäre des Philosophirens
-ausbreiten, und diese in Besitz nehmen; sollte aber für andere,
-an welchen das Streben, sie in diese Kunst einzuweihen, mislingt,
-die wir aber dennoch, aus Mangel besserer Subjecte, in
-den bürgerlichen Geschäften anstellen und brauchen müssten,
-irgend ein historisch zu erlernender <em class="italic">philosophischer Katechismus</em>,
-als Rechtslehre, Moral u. dergl. nöthig seyn, so wird ja
-<a id="page-125" class="pagenum" title="125"></a>
-<a id="pagehdr-125" class="orig-page" title="42"></a>
-wohl dieser in gedruckten Büchern irgendwo vorliegen, an deren
-eigenes Studium auch hier, so wie in den anderen Fächern,
-dergleichen Subjecte vom Lehrer der Philosophie hingewiesen,
-und erforderlichenfalles darüber examinirt würden.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-6">
-<span class="line1">§. 19.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Mit diesem also entwickelten philosophischen Geiste, als
-der reinen Form des Wissens, <em class="italic">müsste nun der gesammte wissenschaftliche
-Stoff in seiner organischen Einheit</em> auf der höheren
-Lehranstalt aufgefasst und durchdrungen werden, also dass
-man genau wüsste, was zu ihm gehöre oder nicht, und so die
-strenge Grenze zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft
-gezogen würde; dass man ferner das organische Eingreifen der
-Theile dieses Stoffes ineinander, und das gegenseitige Verhältniss
-derselben unter sich allseitig verstände, damit man daraus
-ermessen könnte, ob dieser Stoff am Lehrinstitute vollständig
-bearbeitet werde, oder nicht; in welcher <em class="italic">Folge</em> oder <em class="italic">Gleichzeitigkeit</em>
-am vortheilhaftesten diese einzelnen Theile zu bearbeiten
-seyen; bis zu welcher Potenz die <em class="italic">niedere</em> Schule denselben
-zu erheben, und wo eigentlich die höhere einzugreifen habe;
-ferner, bis zu welcher Potenz auch auf der letzteren <em class="italic">alle</em>, die
-auf den Titel eines wissenschaftlichen Künstlers Anspruch machen
-wollten, ihn auszubilden hätten, und wie viel dagegen der
-<em class="italic">besonderen</em> Ausbildung für ein <em class="italic">bestimmtes praktisches</em> Fach anheimfiele
-und vorbehalten bleiben müsse. Dies gäbe eine philosophische
-Encyklopädie der gesammten Wissenschaft, als stehendes
-Regulativ für die Bearbeitung aller besonderen Wissenschaften.
-</p>
-
-<p>
-(Wenn auch allenfalls die Philosophie schon jetzt fähig seyn
-sollte, zu einer solchen encyklopädischen Ansicht der gesammten
-Wissenschaft in ihrer organischen Einheit einige Auskunft
-zu geben, so ist doch die übrige wissenschaftliche Welt viel
-zu abgeneigt, der Philosophie die Gesetzgebung, die sie dadurch
-in Anspruch nähme, zuzugestehen, oder dieselbe in dergleichen
-Aeusserungen auch nur nothdürftig zu begreifen, als dass sich
-hiervon einiger Erfolg sollte erwarten lassen. Auch müssten,
-da es hier nicht um theoretische Behauptung einiger Sätze,
-<a id="page-126" class="pagenum" title="126"></a>
-<a id="pagehdr-126" class="orig-page" title="44"></a>
-sondern um Einführung einer Kunst zu thun ist, erst eine beträchtliche
-Anzahl von Männern gebildet werden, die da fähig
-wären, eine solche Encyklopädie nicht bloss zu verstehen und
-wahr zu finden, sondern auch nach den Regeln derselben die
-besonderen Fächer der Wissenschaft wirklich zu bearbeiten;
-dass es daher am schicklichsten seyn wird, hierüber sich vorläufig
-gar nicht auszusprechen, sondern jene Encyklopädie durch
-das wechselseitige Eingreifen der Philosophie und der philosophisch
-kunstmässigen Bearbeitung der nun eben vorhandenen
-besonderen Fächer der Wissenschaft, allmählig von selber erwachsen
-zu lassen; dass mithin in Absicht dieses ihr sehr wesentlichen
-Bestandtheiles die Kunstschule sich selbst innerhalb
-ihrer selbst erschaffen müsste.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-7">
-<span class="line1">§. 20.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Beim Anfange und so lange, bis es dahin gekommen, müssen
-wir uns begnügen, die vorliegenden Fächer ohne organischen
-Einheitspunct bloss historisch aufzufassen, nur dasjenige,
-wovon wir schon bei dem gegenwärtigen Grade der allgemeinen
-philosophischen Bildung darthun können, dass es dem wissenschaftlichen
-Verstandesgebrauche entweder geradezu widerspreche,
-oder nicht zu demselben gehöre, von uns ausscheidend,
-das Uebrige aufnehmend, und es in seiner Würde und
-an seinem Platze bis zur besseren allgemeinen Verständigung
-stehen lassend; ferner in diesen Fächern die am meisten <em class="italic">philosophischen</em>,
-d. i. die mit der grössten Freiheit, Kunstmässigkeit
-und Selbstständigkeit in denselben verfahrenden unter den
-Zeitgenossen, zu Lehrern uns anzueignen; endlich, diese zu der
-am meisten philosophischen, d. i. zu der, Selbstthätigkeit und
-Klarheit am sichersten entwickelnden, Mittheilung ihres Faches
-anzuhalten und sie darauf zu verpflichten.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-8">
-<span class="line1">§. 21.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Ueber den ersten Punct, betreffend die Ausscheidung, werden
-wir demnächst beim Durchgehen der vorhandenen wissenschaftlichen
-Fächer uns erklären. Ueber den zweiten merke
-ich hier im allgemeinen nur das an, dass wir den Vortheil haben,
-<a id="page-127" class="pagenum" title="127"></a>
-<a id="pagehdr-127" class="orig-page" title="45"></a>
-in einigen der Hauptfächer diejenigen, welche als die freisten
-und selbstthätigsten allgemein anerkannt sind, schon jetzt
-die unserigen zu nennen, und dass, falls nicht etwa einige für
-die Herablassung und für das Wechselleben mit ihren Schülern,
-das dieser Plan ihnen anmuthet, sich zu vornehm dünken, wir
-hoffen dürfen, sie für unseren Zweck zu gewinnen, und dass
-in anderen Fächern, in denen wir nicht mit derselben Zuversichtlichkeit
-dasselbe rühmen können, der Unterschied zwischen
-den Zeitgenossen in Absicht des angegebenen Gesichtspunctes
-überhaupt nicht sehr gross ist, und wir darum hoffen dürfen,
-ohne grosse Schwierigkeit die nothwendigen Stellen so gut zu
-besetzen, als sie unter den gegenwärtigen Umständen überhaupt
-besetzt werden können; dass es aber ausschliessende Bedingung
-sey, dass dieselben schon vor ihrer Berufung und Anstellung
-sowohl über unseren Hauptplan, als über den dritten Punct
-in Absicht des zu wählenden Vortrages unterrichtet, und aufrichtig
-mit uns einverstanden seyen. In Absicht dieses dritten
-Punctes endlich, stellen wir als eine Folge aus allem Bisherigen
-fest, dass &mdash; die oben erwähnten Examina, Conversatorien und
-Aufgaben, als die erste charakteristische Eigenheit unserer Methode,
-deren Anwendung im besonderen Falle am gehörigen
-Orte näher wird beschrieben werden, noch abgerechnet, &mdash; alle
-mündliche Mittheilung über ein besonderes Fach ausgehen müsse
-von der <em class="italic">Encyklopädie</em> dieses Faches, und dass dieses die allererste
-Vorlesung jedes bei uns anzustellenden Lehrers seyn und
-von jedem Schüler zu allererst gehört werden müsse. Denn
-die bis zur höchsten Klarheit gesteigerten einzelnen Encyklopädien
-der besonderen Fächer, besonders wenn sie alle zusammen
-den Lehrern und Zöglingen der Anstalt bekannt sind,
-sind das zunächst in die von der Philosophie ausgehen sollende
-<em class="italic">allgemeine Encyklopädie</em> (§. 19. am Schlusse) eingreifende Glied,
-arbeiten derselben mächtig vor, und werden der letzteren,
-wenn sie entstehen wird, die vollkommene Verständlichkeit ertheilen
-müssen, indem auch sie selber umgekehrt von ihr neue
-Festigkeit und Klarheit erhalten werden. Sodann ist Einheit
-und Ansicht der Sache aus Einem Gesichtspuncte heraus der
-Charakter der Philosophie und der freien Kunstmässigkeit, die
-<a id="page-128" class="pagenum" title="128"></a>
-<a id="pagehdr-128" class="orig-page" title="47"></a>
-wir anstreben; dagegen unverbundene Mannigfaltigkeit und
-mit nichts zusammenhängende Einzelheit der Charakter der Unphilosophie,
-der Verworrenheit und der Unbehülflichkeit, welche
-wir eben aus der ganzen Welt austilgen möchten, und sie
-darum nicht in uns selbst aufnehmen müssen. Endlich, wenn
-auch dieses alles nicht so wäre, können wir aus Mangelhaftigkeit
-der niederen Schule zu Anfange bei unseren Schülern
-nicht auf ein solches schon fertiges Gerüst des gesammten wissenschaftlichen
-Stoffes, wie es oben (§. 10.) beschrieben worden,
-rechnen, und müssen zu allererst diesen Mangel in unseren
-besonderen Encyklopädien ersetzen. Die Hauptgesichtspuncte
-einer solchen auf eine wissenschaftliche Kunstschule
-berechneten Encyklopädie sind die folgenden: <em class="italic">dass sie zuvörderst
-die eigentliche charakteristische Unterscheidung des Verstandesgebrauches</em>
-in diesem Fache, und die besonderen Kunstgriffe
-oder Vorsichtsregeln in ihm mit aller dem Lehrer selbst
-beiwohnenden Klarheit angebe, und sie mit Beispielen belege
-(und so eben z. B. das <em class="italic">historische Talent</em>, oder die <em class="italic">Beobachtungsgabe</em>
-mit dem Begriffe durchdringe); dass sie die Theile
-dieser Wissenschaft vollständig und umfassend vorlege, und
-zeige, auf welche besondere Weise jeder, und in welcher Zeitfolge
-sie studirt werden müssen; endlich, dass sie die für den Zweck
-des Lehrlings nöthige Literaturkenntniss des Faches gebe, und
-ihn berathe, <em class="italic">was</em>, und in <em class="italic">welcher Ordnung</em> und etwa mit welchen
-Vorsichtsmaassregeln, er zu lesen habe. Besonders in
-der letzten Rücksicht ist der Lehrer dem Lehrlinge ein allgemeines
-Register und Repertorium des <em class="italic">gesammten Buchwesens</em>
-in diesem Fache, inwieweit dasselbe dem Lehrlinge nöthig ist,
-schuldig; welches nun der Lehrling selber, nach der ihm gegebenen
-Anleitung, zu lesen, keinesweges aber vom Lehrer zu
-erwarten hat, dass auch dieser es ihm noch einmal recitire.
-Gehört nun ferner, wie wir hoffen, der Lehrer zu dem oben
-erwähnten edleren Bestandtheile der bisherigen Universitäten,
-dass er mit dem gesammten Buchwesen seines Faches nicht
-allerdings zufrieden und fähig sey, dasselbe hier und da zu
-verbessern, so zeige er in seiner Encyklopädie diese fehlerhaften
-Stellen des grossen Buches an, und lege dar seinen Plan,
-<a id="page-129" class="pagenum" title="129"></a>
-<a id="pagehdr-129" class="orig-page" title="48"></a>
-wie er in besonderen Vorlesungen diese fehlerhaften Stellen
-verbessern wolle, und in welcher Ordnung diese besonderen
-Vorlesungen, die insgesammt auf der festen Unterlage seiner
-Encyklopädie ruhen, und auf ihr geordnet sind, zu hören seyen.
-Ist dessen so viel, dass er es allein nicht bestreiten kann, so
-wähle er sich einen Unterlehrer, der verbunden ist, in seinem
-Plane zu arbeiten. Nur sage er nicht, was im Buche auch
-steht, sondern nur das, was in keinem Buche steht. (Als Beispiel:
-dass in den Schüler der niederen Schule sehr früh ein
-Inbegriff der Universalgeschichte hineingebildet werden müsse,
-versteht sich, und ist oben gesagt; wozu aber, ausser der Anweisung,
-wie man die gesammte Menschengeschichte zu <em class="italic">verstehen</em>
-habe, welche wohl am schicklichsten dem Philosophen anheimfallen
-dürfte, auf der höheren Schule ein Cursus der Universalgeschichte
-solle, bekenne ich nicht zu begreifen; dagegen
-aber würde ich es für sehr schicklich und alles Dankes werth
-halten, wenn ein Professor der Geschichte ein Collegium ankündigte
-über besondere Data aus der Weltgeschichte, <em class="italic">die keiner
-vor ihm so richtig gewusst habe, wie er</em>, und er mit diesem
-Versprechen Wort hielte.)
-</p>
-
-<p>
-(Wir setzen der Erwähnung dieser von vielen so sehr angefeindeten
-Encyklopädien, zur Vorbauung möglichen Misverständnisses,
-noch folgendes hinzu. Mit derselben vollkommenen
-Ueberzeugung, mit welcher wir zugeben, dass das Bestreben,
-bei solchen allgemeinen Uebersichten und Resultaten <em class="italic">stehenzubleiben</em>,
-von Seichtigkeit, Trägheit und Sucht nach wohlfeilem
-Glanze zeuge, und diese Schlechtigkeiten befördere, sehen wir
-zugleich auch ein, dass das Widerstreben, <em class="italic">von ihnen auszugehen</em>,
-den Lehrling ohne Steuerruder und Compass in den verworrenen
-Ocean stürze, dass, obwohl einige sich rühmen hierbei
-ohne Ertrinken davongekommen zu seyn, man darum doch
-nicht das Recht habe, jederman derselben Gefahr auszusetzen,
-dass selbst die Geretteten gesunder seyn würden, wenn sie
-der Gefahr sich nicht ausgesetzt hätten; und dass die Quellen
-dieses Widerstrebens keinesweges aus einer besseren Einsicht,
-sondern dass sie grösstentheils aus dem persönlichen Unvermögen
-hervorgehen, solche encyklopädische Rechenschaft über
-<a id="page-130" class="pagenum" title="130"></a>
-<a id="pagehdr-130" class="orig-page" title="50"></a>
-das eigene Fach zu geben, indem diese, nur gross im Einzelnen,
-niemals zur Ansicht eines Ganzen sich erhoben haben.
-Wer nun eine solche Encyklopädie seines Faches geben nicht
-könnte oder nicht wollte, der wäre für uns nicht bloss unbrauchbar,
-sondern sogar verderblich, indem durch seine Wirksamkeit
-der Geist unseres Institutes sogleich im Beginne getödtet
-würde.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-9">
-<span class="line1">§. 22.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Wir gehen an die historische Auffassung des auf den bisherigen
-Universitäten vorliegenden Stoffes, und schicken folgende
-zwei allgemeine Bemerkungen voraus. Eine Schule des
-wissenschaftlichen Verstandesgebrauches setzt voraus, dass verstanden
-und bis in seinen letzten Grund durchdrungen werden
-könne, was sie sich aufgiebt; sonach wäre ein solches, das den
-Verstandesgebrauch sich verbittet, und sich als ein unbegreifliches
-Geheimniss gleich von vornherein aufstellt, durch das
-Wesen derselben von ihr ausgeschlossen. Wollte also etwa
-die Theologie noch fernerhin auf einem Gotte bestehen, der
-etwas wollte ohne allen Grund; welches Willens Inhalt kein
-Mensch durch sich selber begreifen, sondern Gott selbst unmittelbar
-durch besondere Abgesandte ihm mittheilen müsste;
-dass eine solche Mittheilung geschehen sey, und das Resultat
-derselben in gewissen heiligen Büchern, die übrigens in einer
-sehr dunklen Sprache geschrieben sind, vorliege, von deren
-richtigem Verständnisse die Seligkeit des Menschen abhange:
-so könnte wenigstens eine Schule des Verstandesgebrauches
-sich mit ihr nicht befassen. Nur wenn sie diesen Anspruch
-auf ihr allein bekannte Geheimnisse und Zaubermittel durch
-eine unumwundene Erklärung aufgiebt, laut bekennend, dass
-der Wille Gottes ohne alle besondere Offenbarung erkannt werden
-könne, und dass jene Bücher durchaus nicht <em class="italic">Erkenntnissquelle</em>,
-sondern nur <em class="italic">Vehiculum des Volksunterrichtes</em> seyen,
-welche, ganz unabhängig von dem, was die Verfasser etwa
-wirklich gesagt haben, beim wirklichen Gebrauche also erklärt
-werden müssen, wie die Verfasser hätten sagen sollen; welches
-letztere, wie sie hätten sagen sollen, darum schon vor
-<a id="page-131" class="pagenum" title="131"></a>
-<a id="pagehdr-131" class="orig-page" title="51"></a>
-ihrer Erklärung anderwärtsher bekannt seyn müsse: nur unter
-dieser Bedingung kann der Stoff, den sie bisher besessen hat,
-von unserer Anstalt aufgenommen und jener Voraussetzung gemäss
-bearbeitet werden. Ferner haben mehrere bisher auf
-den Universitäten bearbeitete Fächer (als die soeben erwähnte
-Theologie, die Jurisprudenz, die Medicin) einen Theil, der nicht
-zur wissenschaftlichen Kunst, sondern zu der sehr verschiedenen
-praktischen Kunst der Anwendung im Leben gehört. Es
-gereicht sowohl einestheils zum Vortheile dieser praktischen
-Kunst, die am besten in unmittelbarer und ernstlich gemeinter
-Ausübung unter dem Auge des schon geübten Meisters erlernt
-wird, als anderentheils zum Vortheile der wissenschaftlichen
-Kunst selbst, welche zu möglichster Reinheit sich abzusondern
-und in sich selbst sich zu concentriren hat: dass jener Theil
-von unserer Kunstschule abgesondert, und in Beziehung auf
-ihn andere für sich bestehende Einrichtungen gemacht werden.
-Was inzwischen auch in dieser Rücksicht von der wissenschaftlichen
-Kunstschule zu beobachten sey, werden wir bei Erwähnung
-der einzelnen Fälle beibringen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-10">
-<span class="line1">§. 23.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Nächst der Philosophie macht die <em class="italic">Philologie</em>, als das allgemeine
-Kunstmittel aller Verständigung, mit Recht den meisten
-Anspruch auf Universalität. Ob auch wohl überhaupt <em class="italic">für das
-gesammte studirende Publicum</em> auf der höheren Schule es eines
-philologischen Unterrichtes bedürfen, oder vielmehr dieser
-schon auf der niederen Schule beendigt seyn solle, ob insbesondere
-für diejenigen, <em class="italic">die sich zu Schullehrern</em> bestimmen, und
-für die es allerdings einer weiteren Anführung bedarf, die dahingehörigen
-Anstalten nicht schicklicher mit den niederen Schulen
-selbst vereinigt werden würden: &mdash; die Beantwortung dieser
-Frage können wir für jetzt <em class="italic">dem</em> Zeitalter, da die allgemeine
-Encyklopädie geltend gemacht seyn, und die niedere Schule
-seyn wird, was sie soll, anheimgeben, und vorläufig es beim
-Alten lassen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-11">
-<a id="page-132" class="pagenum" title="132"></a>
-<a id="pagehdr-132" class="orig-page" title="52"></a>
-<span class="line1">§. 24.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Von der <em class="italic">Mathematik</em> sollte unseres Erachtens der reine
-Theil bis zu einer gewissen Potenz schon auf der niederen
-Schule vollkommen abgethan seyn; und es wäre hierdurch das,
-was oben über das Pensum dieser Schule gesagt worden, zu
-ergänzen. Da auch hierauf im Anfange nicht zu rechnen ist,
-so wäre vorläufig ein auf diesen gegenwärtigen Zustand der
-niederen Schule berechneter Plan des mathematischen Studiums
-zu entwerfen. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Auf allen Fall ist mein Vorschlag, dass ein <em class="italic">Comité</em> aus unseren
-tüchtigsten Mathematikern ernannt, diesen unser Plan im
-Ganzen vorgelegt, und ihnen aufgegeben würde, die Beziehung
-ihrer Wissenschaft auf denselben zu ermessen, und demzufolge
-durch allgemeine Uebereinkunft <em class="italic">Einen</em> aus ihrer Mitte zu ernennen,
-oder auch einen Fremden zur Vocation vorzuschlagen, dem
-die Encyklopädie, der Plan und die Direction dieses ganzen
-Studiums übertragen würde.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-12">
-<span class="line1">§. 25.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die gesammte Geschichte theilt sich in die Geschichte der
-<em class="italic">fliessenden</em> Erscheinung, und in die der <em class="italic">dauernden</em>. Die erste
-ist die vorzüglich also genannte Geschichte oder Historie, mit
-ihren Hülfswissenschaften; die zweite die Naturgeschichte, &mdash;
-welche ihren theoretischen Theil hat, die Naturlehre.
-</p>
-
-<p>
-In der ersten ist der zu berufende Ober- und encyklopädische
-Lehrer über unseren Grundplan zu verständigen; worüber
-er vorläufig mit uns einig seyn muss.
-</p>
-
-<p>
-Das ausgedehnte Fach der <em class="italic">Naturwissenschaft</em> betreffend,
-welche durchaus als ein organisches Ganze behandelt werden
-muss, kann ich nur ein <em class="italic">Comité</em>, so wie oben bei der Mathematik,
-in Vorschlag bringen, das aus seiner Mitte, oder auch
-einen Fremden rufend, den Encyklopädisten, Entwerfer des Lehrplans,
-und Director des ganzen Studiums erwähle, und falls es
-so nöthig befunden würde, nach seinem Plane den Vortrag desselben,
-auch hier mit der beständigen Rücksicht, dass nicht
-mündlich mitgetheilt werde, was so gut oder besser sich aus
-<a id="page-133" class="pagenum" title="133"></a>
-<a id="pagehdr-133" class="orig-page" title="54"></a>
-dem Buche lernen lässt, <em class="italic">unter sich vertheile</em>. Das Haupterforderniss
-eines solchen Planes ist Vollständigkeit und organische
-Ganzheit der Encyklopädie. Zugleich hat sie für ihr Fach sich
-mit der niederen Schule über die Grenze zu berichtigen, und
-dieser die Potenz, die sie hervorbringen soll, als ihr künftiges
-Pensum aufzugeben, welches auch für die oben erwähnten, sowie
-für alle folgenden Fächer gilt, und hier einmal für immer
-erinnert wird. Bloss die Philosophie verbittet die directe Vorbereitung
-der niederen Schule, und ist nur ausschliessend eine
-Kunst der höheren.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-13">
-<span class="line1">§. 26.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die drei sogenannten höheren Facultäten würden schon
-früher wohlgethan haben, wenn sie sich, in Absicht ihres wahren
-Wesens, in dem ganzen Zusammenhange des Wissens deutlich
-erkannt, und sich darum nicht, pochend auf ihre praktische
-Unentbehrlichkeit und ihre Gültigkeit beim Haufen, als ein abgesondertes
-und vornehmeres Wesen hingestellt, sondern lieber
-jenem Zusammenhange sich untergeordnet und mit schuldiger
-Demuth ihre Abhängigkeit erkannt hätten; indem sie nemlich
-verachteten, wurden sie verachtet, und die Studirenden anderer
-Fächer nahmen keine Notiz von dem, was jene ausschliessend
-für sich zu besitzen begehrten, wodurch sowohl ihrem
-Studium, als der Wissenschaft im Grossen und Ganzen sehr
-geschadet wurde. Wir werden auf Belege dieser Angabe stossen.
-Eine wissenschaftliche Kunstschule muthet ihnen sogleich
-bei ihrem Eintritte in ihren Umkreis diese Bescheidenheit zu.
-</p>
-
-<p>
-Der wissenschaftliche Stoff der <em class="italic">Jurisprudenz</em> ist ein Capitel
-aus der Geschichte; sogar nur ein Fragment dieses Capitels,
-wie sie bisher behandelt worden. Sie sollte seyn <em class="italic">eine Geschichte
-der Ausbildung und Fortgestaltung des Rechtsbegriffes
-unter den Menschen</em>, welcher <em class="italic">Rechtsbegriff</em> selber, unabhängig
-von dieser Geschichte, und als <em class="italic">Herrscher</em>, keinesweges als
-<em class="italic">Diener</em>, schon vorher durch Philosophiren gefunden seyn müsste.
-In ihrer gewöhnlichen ersten, lediglich praktischen Absicht, &mdash;
-nur <em class="italic">Richter</em>, welches ein untergeordnetes Geschäft ist, zu bilden,
-wird sie Geschichte jener Ausbildung in dem Lande, in
-<a id="page-134" class="pagenum" title="134"></a>
-<a id="pagehdr-134" class="orig-page" title="55"></a>
-welchem wir leben, und wenn es hoch geht, unter den Römern,
-und so Fragment; aber ihr letzter praktischer Zweck ist
-der, den <em class="italic">Gesetzgeber</em> zu bilden; und für diesen Behuf möchte
-ihr wohl das ganze Capitel rathsam seyn; denn obwohl, was
-überhaupt Gesetz seyn solle, schlechthin <em class="italic">a priori</em> erkannt wird,
-so dürfte doch die Kunst, die besondere Gestalt dieses Gesetzes
-für jede gegebene Zeit zu finden und es ihr anzuschmiegen, der
-Erfahrung der gesammten bekannten Zeit in demselben Geschäfte
-bedürfen. Richteramt sowohl als Gesetzgebung sind
-praktische Anwendung <em class="italic">der Geschichte</em>; und so hat die Jurisprudenz
-zu ihrer ersten Encyklopädie die Encyklopädie der Geschichte,
-indem dieses der Boden ist, auf welchem sie und der
-wissenschaftliche Verstandesgebrauch in ihr ruhet, und die Ausübung
-derselben in ihrer höchsten Potenz eigentlich die Kunst
-ist, eine Geschichte, und zwar eine erfreulichere, als die bisherige,
-hervorzubringen. Die Anführung aber zur praktischen
-Anwendung im Leben fällt ganz ausser den Umkreis der Schule,
-und wären hierin die Schüler an die ausübenden Collegia zu
-verweisen, unter deren Augen, aber auf die <em class="italic">Verantwortung</em> der
-Beamten, denen sie anvertraut worden, sie für die künftige Geschäftsführung
-sich vorbereiteten. Ich schlage daher für dieses
-Fach ein <em class="italic">Comité</em> vor, in welchem aber der oben beschriebene
-Encyklopädist der Geschichte Sitz, und für seinen Antheil entscheidende
-Stimme hätte. Dieses hätte einen besonderen Encyklopädisten
-für die <em class="italic">Theile</em> und die Literatur des beschriebenen
-Capitels anzustellen, den Studienplan vorzuzeichnen, und die
-Anstalten für praktische Bildung unabhängig von der wissenschaftlichen
-Kunstschule zu organisiren. Ich hoffe, dass bei entschiedener
-Durchführung des Satzes, nicht mündlich zu lehren,
-was im Buche steht, der Lectionskatalog dieser Facultät kürzer
-werden wird, als er bisher war; wiewohl durch unsere Grundsätze
-des zu Erlernenden mehr geworden ist.
-</p>
-
-<p>
-Die <em class="italic">Heilkunde</em> ruht auf dem zweiten Theile des positiv zu
-Erlernenden, der <em class="italic">Naturwissenschaft</em>; jedoch erlaubt ihr gegenwärtiger
-Zustand den Zweifel, in welchem auch der Schreiber
-dieses sich zu befinden gern bekennt, ob aus jener unstreitig
-wissenschaftlichen Basis in der wirklichen Heilkunde auch nur
-<a id="page-135" class="pagenum" title="135"></a>
-<a id="pagehdr-135" class="orig-page" title="57"></a>
-ein einziger <em class="italic">positiver Schluss</em> zu machen, und somit, ob diese
-Basis <em class="italic">Leiterin</em> sey in der Ausübung, wie in der Jurisprudenz
-dies offenbar der Fall ist, oder ob nur gewissen allgemeinen
-Resultaten jener Basis bloss nicht <em class="italic">widersprochen werden dürfe</em>
-durch die Ausübung; jene daher (die Wissenschaft) für diese
-(die Ausübung) nur <em class="italic">negatives Regulativ</em> und <em class="italic">Correctiv</em> wäre?
-Sollte, wie wir befürchten, das Letzte der Fall seyn, und wie
-wir gleichfalls befürchten, immerfort bleiben müssen, so gäbe
-es von der Wissenschaft in irgend einem ihrer Zweige zu der
-ausübenden Heilkunde gar keinen stätigen positiven Uebergang,
-sondern die letztere hätte ihren eigenthümlichen Boden in einer
-<em class="italic">besonderen</em>, niemals auf <em class="italic">positive Principien zurückzuführenden
-Beobachtung</em>; sie wäre somit von der wissenschaftlichen Schule,
-welche alle Zweige der Naturwissenschaft bis zu Anatomie, Botanik
-u. dergl. ohne alle Rücksicht auf Heilkunde, und als jedem
-wissenschaftlich gebildeten Menschen überhaupt durchaus anzumuthende
-Kenntnisse, sorgfältig triebe, abzusondern, und in
-einem für sich bestehenden Institute, rein und ohne wissenschaftliche
-Beimischung, die als in der Schule erlernt vorausgesetzt
-wird, von der <em class="italic">materia medica</em> z. B. an, die ja nichts ist,
-als die Anwendung der ärztlichen Empirie auf die Botanik und
-dergl., zu treiben. Welche unermesslichen Vortheile eine solche
-Verselbstständigung der Naturwissenschaft, die bisher häufig nur
-als Magd der Heilkunde betrachtet und bearbeitet wurde, und
-an ihrem Theile auch der Heilkunde, dadurch aber dem ganzen
-wissenschaftlichen Gemeinwesen bringen würde, leuchtet wohl
-von selbst ein. Es wäre daher aus Sachkundigen ein Comité
-zu Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage und zu Organisirung
-derjenigen Anstalten, welche das Resultat dieser Beantwortung
-erforderte, zu ernennen. Dass ein solches selbstständiges
-Institut der Heilkunde den ihm anheimgefallenen Stoff
-nach einem festen, auf seine Encyklopädie begründeten Plane,
-nach der Maxime, nicht zu lehren, was im Buche schon steht,
-behandelte, wäre auch ihm zu wünschen, und es würde sich von
-selbst verstehen.
-</p>
-
-<p>
-Nun aber, welches ja nicht aus der Acht zu lassen, haben
-auch die wichtigsten Resultate der fortgesetzten ärztlichen Beobachtung,
-<a id="page-136" class="pagenum" title="136"></a>
-<a id="pagehdr-136" class="orig-page" title="58"></a>
-deren wirkliche Vollziehung ihr allein überlassen wird,
-als ein Theil der gesammten Naturbeobachtung, Einfluss auf den
-Fortgang der ganzen Naturwissenschaft, und so muss auch die
-wissenschaftliche Schule sie keinesweges verschmähen, sondern
-sich in den Stand setzen, fortdauernd von ihr Notiz zu haben
-und bei ihr zu lernen. Jedoch wird die Ausbeute davon niemals
-sofort und auf der Stelle eingreifen in das Ganze, und so in
-den encyklopädischen Unterricht gehören; es wird drum eine
-andere, an ihrem Orte anzugebende Maassregel getroffen werden
-müssen, dieselbe aufzunehmen, und sie bis zur Eintragung
-in die Encyklopädie aufzubewahren.
-</p>
-
-<p>
-Dass die <em class="italic">Theologie</em>, falls sie nicht den ehemals laut gemachten
-und auch neuerlich nie förmlich zurückgenommenen Anspruch
-auf ein Geheimniss feierlich aufgeben wollte, in eine
-Schule der Wissenschaft nicht aufgenommen werden könne, ist
-schon oben gezeigt. Giebt sie ihn auf, so bequemt sie sich
-dadurch zugleich zu der bisher auch nicht so recht zugegebenen
-Trennung ihres praktischen Theiles von ihrem wissenschaftlichen.
-</p>
-
-<p>
-Um zuvörderst den ersten abzuhandeln: der Volkslehrer,
-den sie bisher zu bilden sich vorsetzte, ist in seinem Wesen
-der Vermittler zwischen dem höheren, dem wissenschaftlich ausgebildeten
-Stande (denn einen anderen höheren Stand giebt es
-nicht, und was nicht wissenschaftlich ausgebildet ist, ist Volk),
-und dem niederen, oder dem Volke. Zunächst zwar, und dies
-mit vollem Rechte, knüpft er sein Bildungsgeschäft an die Wurzel
-und das Allgemeinste aller höheren menschlichen Bildung,
-an die Religion an; aber nicht bloss diese, sondern alles, was
-von der höheren Bildung an das Volk zu bringen und seinem
-Zustande anzupassen ist, soll er immerfort demselben zuführen.
-</p>
-
-<p>
-Nichts verhindert, dass er nicht noch neben diesem Berufe
-ein die Wissenschaft selbst in ihrer Wurzel selbstthätig bearbeitender
-und sie weiter bringender Gelehrter sey, wenn er
-<em class="italic">will</em> und <em class="italic">kann</em>; aber es ist ihm für diesen Beruf nicht nothwendig,
-und drum ihm nicht anzumuthen. Es ist für ihn hinlänglich,
-dass er überhaupt die Kunst besitze, wissenschaftliche
-Gegenstände zu <em class="italic">verstehen</em> und sich über sie <em class="italic">verständlich zu
-<a id="page-137" class="pagenum" title="137"></a>
-<a id="pagehdr-137" class="orig-page" title="60"></a>
-machen</em>, die er ja schon in der niederen Schule, welche er auf
-alle Fälle durchzumachen hat, gelernt haben wird; ferner von
-dem gesammten wissenschaftlichen Umfange die allgemeinsten
-Resultate, und das Vermögen, erforderlichen Falles durch Nachlesen
-sich weiter zu belehren, worin ihm die an der wissenschaftlichen
-Schule eingeführten Encyklopädien den Unterricht
-und die nöthigen Literaturkenntnisse geben. Die nöthige Anführung
-zum Philosophiren hat er beim Philosophen zu holen.
-Für sein nächstes Geschäft der religiösen Volksbildung hat er
-zu allererst sein Religionssystem in der Schule des Philosophen
-zu bilden. Für das Anknüpfen seines Unterrichtes an die biblischen
-Bücher wird es vollkommen hinreichen, dass ein Buch
-geschrieben und ihm in die Hände gegeben werde, in welchem
-aus diesen Büchern der Inhalt ächter Religion und Moral entwickelt
-werde, wobei nun weder die Verfasser dieses Buches,
-noch der dadurch zur Bibel<em class="italic">anwendung</em> anzuleitende künftige
-Volkslehrer sehr bekümmert zu seyn brauchen über die Frage,
-ob die biblischen Schriftsteller es wirklich also gemeint haben,
-wie sie dieselben erklären; das Volk aber vor dieser, durchaus
-nicht in seinen Gesichtskreis gehörigen Frage sorgfältig zu bewahren
-ist. Der Volkslehrer hat darum durchaus nicht nöthig,
-die biblischen Schriftsteller nach <em class="italic">ihrem wahren, von ihnen beabsichtigten
-Sinne</em> zu verstehen; wie denn ohne Zweifel auch bisher,
-ohngeachtet es beabsichtiget und häufig vorgegeben worden,
-weder bei ihm, noch auch oft bei seinem Professor in der
-Exegese, dies der Fall gewesen; und wir somit nicht einmal
-eine Neuerung, sondern nur das Geständniss der wahren Beschaffenheit
-der Sache, und das besonnene Aufgeben eines unnöthigen
-und vergeblichen Strebens begehren. Ueber <em class="italic">Pastoralklugheit</em>,
-d. i. über seine eigentliche Bestimmung als Volkslehrer
-im Ganzen eines Menschengeschlechts, und die Kunstmittel, dieselbe
-zu erfüllen, wird er ohne Zweifel auch beim Philosophen
-einige Auskunft finden können. Sein eigenthümlich ihm anzumuthender
-Charakter, die <em class="italic">Kunst</em> der <em class="italic">Popularität</em>, und die Uebungen
-derselben durch katechetische, homiletische, auch <em class="italic">Umgangsinstitute</em>
-mit Gliedern aus dem Volke, sind der wissenschaftlichen
-Schule, welche den scientifischen Vortrag beabsichtigt,
-<a id="page-138" class="pagenum" title="138"></a>
-<a id="pagehdr-138" class="orig-page" title="61"></a>
-entgegengesetzt, drum von ihm abzusondern, und am
-schicklichsten den ausübenden Volkslehrern, wie bei den Juristen,
-zu übertragen. Das eigentliche Genie für den künftigen
-Volkslehrer ist ein frommes, Menschen und besonders das Volk
-liebendes Herz; hierauf wäre bei der Zulassung zu diesem Berufe
-hauptsächlich zu sehen, und besonders bei Besetzung der
-Consistorien, als etwa der künftigen Schulen solcher Lehrer,
-würde weit mehr auf diese Eigenschaften, als auf andere glänzende
-Talente oder auf ausgebreitete Kenntnisse Rücksicht genommen
-werden müssen.
-</p>
-
-<p>
-Der wissenschaftliche Nachlass dieser, als einer priesterlichen
-Vermittlerin zwischen Gott und den Menschen mit Tode
-abgegangenen Theologie an die wissenschaftliche Schule würde
-durch eine solche Veränderung seine ganze bisherige Natur
-ausziehen und eine neue anlegen. Es hat derselbe zwei Theile:
-ein von der Philologie abgerissenes Stück, und ein Capitel aus
-der Geschichte. Die morgenländischen Sprachen, zu denen der
-den Theologen bis jetzt fast ausschliessend überlassene hebräische
-Dialekt einen leichten und schicklichen Eingang darbietet,
-machen einen sehr wesentlichen Theil der Sprachentwickelung
-des menschlichen Geschlechts aus, und sind bei einer
-einst zu hoffenden organischen Uebersicht derselben ja nicht
-auszulassen; die hellenistische Form nun vollends der griechischen
-biblischen Schriftsteller gehört zur Kenntniss der griechischen
-Sprache im Ganzen, welche Sprache ja auf unseren
-Schulen getrieben wird. Beide erhalten gegen den aufgegebenen
-höchst zweideutigen Anspruch, heilige Sprachen zu seyn,
-den weit bedeutenderen, dass sie menschliche Sprachen sind,
-zurück, und fallen der niederen Schule, die sich ja der Trägheit
-schämen wird, die beschränkte hebräische Sprache nicht
-allgemein bearbeiten zu können, da sie die sehr reiche griechische
-Sprache mit Glück bearbeitet, wiederum anheim. Ferner
-sind die biblischen Schriftsteller ja höchst bedeutende Formen
-der Entwickelung des menschlichen Geistes, deren wahrer
-Werth bloss darum nicht beachtet worden, weil ein erdichteter
-falscher alle Aufmerksamkeit der einen Partei anzog, und den
-Hass und die unbedingte Nichtbeachtung der anderen Partei
-<a id="page-139" class="pagenum" title="139"></a>
-<a id="pagehdr-139" class="orig-page" title="63"></a>
-erregte. Von nun an, <em class="italic">sine ira et studio</em> in dieser Sache urtheilend,
-werden wir es ebenso belehrend und ergötzend finden,
-den Jesaias zu lesen, als den Aeschylos, und den Johannes als
-den Plato, und es wird uns mit dem richtigen Wortverständnisse
-derselben, <em class="italic">welches das gelehrte Studium allerdings anstreben
-wird</em>, weit besser gelingen, wenn auch die ersten ebensowohl
-als die zweiten zuweilen auch <em class="italic">unrecht</em> haben dürften,
-als vorher, da sie immer, und für die besondere Ansicht jedes
-neuen Exegeten, recht haben sollten, welches ohne mancherlei
-Zwang und ohne nie endenden Streit nicht zu bewerkstelligen
-war. Diese Exegese wird redlich seyn, auch redlich gestehen,
-was sie nicht versteht, dagegen die vom theologischen Principe
-ausgehende höchst unredlich war; (das oben Vorgeschlagene
-aber gleichfalls keine unredliche Exegese ist, da es überhaupt
-nicht Exegese ist, noch sich dafür giebt, indem eine solche
-eine gelehrte Aufgabe ist, die durchaus vor das Volk nicht
-gehört).
-</p>
-
-<p>
-Das Capitel aus der Historie, wovon die bisherige Theologie
-einen Haupttheil sich fast ausschliessend zugeeignet, ist die
-<em class="italic">Geschichte der Entwickelung der religiösen Begriffe unter den
-Menschen</em>. Es geht aus dem gebrauchten Ausdrucke hervor,
-dass die Aufgabe umfassender ist, als die Theologie sie genommen,
-indem auch über die Religionsbegriffe der sogenannten
-Heiden Auskunft gegeben werden müsste, und dass die wissenschaftliche
-Schule sie in dieser Ausdehnung nehmen wird. Mit
-diesen zu ihr gehörigen und sie erklärenden Bestandtheilen
-versehen, ferner ohne alles Interesse für irgend ein Resultat,
-und mit redlicher Wahrheitsliebe bearbeitet, wird auch die
-eigentliche Kirchengeschichte eine ganz andere Gestalt gewinnen,
-und man wird der Lösung mehrerer Probleme (z. B. über die
-wahren Verfasser mancher biblischen Schriften, über die ächten
-oder unächten Theile derselben, die Geschichte des Kanon,
-u. s. w.), die dem Unbefangenen noch immer nicht gründlich
-gelöst zu seyn scheinen könnten, näher kommen, oder auch
-genau finden und bekennen, was in dieser Region sich ausmitteln
-lasse, und was nicht. Es wäre, wie sich versteht, dieser
-Theil der Geschichte dem Encyklopädisten der gesammten Geschichte,
-<a id="page-140" class="pagenum" title="140"></a>
-<a id="pagehdr-140" class="orig-page" title="64"></a>
-zur Verflechtung in seinen Studienplan, anheimzugeben. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Zur Entscheidung über die oben vorgelegte Hauptfrage, und
-falls die Antwort darauf befriedigend ausfiele, zur Entwerfung
-eines festen Planes und Errichtung eines besonderen Institutes
-zur Bildung künftiger Volkslehrer wäre ein aus sachverständigen
-und guten Theologen und Predigern bestehendes Comité
-niederzusetzen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-14">
-<span class="line1">§. 27.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Diesen zu beauftragenden einzelnen Männern und Comités
-wäre, ausser den schon angeführten Geschäften, auch noch folgendes
-aufzugeben, dass sie vollständig untersuchten, was an
-gelehrtem Apparate für jedes Fach (Bücher, Kunst- und Naturaliensammlungen,
-physikalische Instrumente, und dergl.) vorhanden
-sey, welche Notwendigkeiten dagegen uns abgingen
-und angeschafft werden müssten; für vollständige Kataloge und
-Repertorien dieser Schätze sorgten; und in ihre Studienpläne
-den zweckmässigen, folgegemässen Gebrauch derselben aufnähmen.
-Falls die beauftragten einzelnen Männer neben ihrem
-ersten Geschäfte zu diesem nicht Zeit fänden, so wären sie
-zu ersuchen, einen anderen tüchtigen Mann für dasselbe zu
-ernennen.
-</p>
-
-<p>
-In diesem Geschäfte hätten sie von einer Seite sich sorgfältig
-zu hüten, dass sie, etwa um nichts umkommen zu lassen,
-oder aus Streben nach äusserem Glanze und Rivalität
-mit anderen gelehrten Anstalten, durch Beibehaltung überflüssiger
-Dinge der Reinheit und Einfachheit unserer Anstalt Abbruch
-thäten; sowie von der anderen Seite nichts zu sparen
-am wirklich Nöthigen. Was den äusseren Glanz betrifft, so
-wird uns dieser, falls wir nur das innere Wesen redlich ausbilden,
-von selbst zufallen; die bedachte Beachtung desselben
-aber, und die Nachahmung anderer, von denen wir nicht Beispiele
-annehmen, sondern sie ihnen geben wollen, würde uns
-wiederum in die Verworrenheit hineinwerfen, welche ja von uns
-abzuhalten unser erstes Bestreben seyn muss.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-15">
-<a id="page-141" class="pagenum" title="141"></a>
-<a id="pagehdr-141" class="orig-page" title="66"></a>
-<span class="line1">§. 28.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Durch die allseitige Lösung der aufgestellten Aufgaben wäre
-nun fürs erste zu Stande gebracht das <em class="italic">lehrende Subject</em> der
-wissenschaftlichen Kunstschule. Wir könnten mit den encyklopädischen
-Vorlesungen eine, fürs erste in ihren übrigen Bestimmungen
-<em class="italic">ganz gewöhnliche Universität</em> eröffnen. Es wären jedoch
-diese gesammten Vorlesungen, in denen, immer nach dem
-Ermessen des Lehrers, der fortfliessende Vortrag mit Examinibus
-und Conversatorien, deren Besuchung jedem Studirenden
-<em class="italic">freistände</em>, keiner aber dazu <em class="italic">verbunden</em> wäre, abwechselte, über
-das erste Unterrichtsjahr also zu vertheilen, dass die Studenten,
-und wenn sie es wollten, auch die Lehrer, diese Vorlesungen
-alle hören könnten, dennoch aber den ersteren zum
-aufgegebenen Bücherlesen und zur Ausarbeitung der Aufsätze,
-&mdash; von welchem demnächst, &mdash; den letzteren zu Beurtheilung
-dieser Aufsätze Zeit übrig bliebe. Es möchte in dieser Zeitberechnung
-bei beiden Theilen in Gottes Namen auf noch mehr
-als den üblichen Fleiss <a id="corr-7"></a>und Berufstreue gerechnet werden; indem
-diese Eigenschaften ohnedies an unserer Schule an die Tagesordnung
-kommen sollen, und drum nicht zu früh eingeführt
-werden können.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-16">
-<span class="line1">§. 29.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-<em class="italic">Während</em> dieser encyklopädischen Vorlesungen des ersten
-Lehrjahres stellen der philosophische Lehrer sowohl, als die
-übrigen encyklopädischen eine <em class="italic">Aufgabe</em> an ihr Auditorium, in
-dem oben sattsam charakterisirten Geiste; so dass das aus dem
-mündlichen Vortrage oder dem Buche Erlernte nicht bloss wiedergegeben,
-sondern dass es zur Prämisse gemacht werde, damit
-sich zeige, ob der Jüngling es zu seinem freien Eigenthume
-erhalten habe, und als anhebender Künstler etwas Anderes
-daraus zu gestalten vermöge. Diese Aufgabe bearbeitet jeder
-Studirende, der da will, in einem Aufsatze, den er zu einem
-bestimmten Termine vor Beendigung des Lehrjahres, mit einem
-versiegelten Zettel, der den Namen des Verfassers enthalte, bei
-<a id="page-142" class="pagenum" title="142"></a>
-<a id="pagehdr-142" class="orig-page" title="67"></a>
-dem aufgebenden Lehrer einsendet. Der Lehrer prüft diese
-Aufsätze und hebt die vorzüglichsten heraus.
-</p>
-
-<p>
-In dieser Beurtheilung der Aufsätze ist bei rein philosophischem
-Inhalte der Lehrer der Philosophie unbeschränkt: zur
-Krönung anderer aber, die einen positiv wissenschaftlichen Stoff
-haben, müssen der encyklopädische Lehrer des Faches und
-der Philosoph (später, wenn wir eine solche haben werden, die
-philosophische Klasse) sich vereinigen, der <em class="italic">erstere</em> entscheidend
-über die Richtigkeit und die auf dieser Stufe des Unterrichts
-anzumuthende Tiefe und Vollständigkeit der historischen Erkenntniss,
-der zweite über den philosophischen und Künstlergeist, mit
-welchem jener Stoff verarbeitet worden. Ein von <em class="italic">Einem</em> dieser
-beiden verworfener Aufsatz bleibt verworfen, obschon der andere
-Theil ihn billigte. Die Nothwendigkeit dieser Mitwirkung
-der philosophischen Klasse liegt im Wesen einer Kunstschule:
-die Mitwirkung des historischen Wissens aber soll uns dagegen
-verwahren, dass nicht in empirischen Fächern <em class="italic">a priori</em> phantasirt
-werde, statt gründlicher Gelehrsamkeit.
-</p>
-
-<p>
-Am <em class="italic">Schlusse</em> des ersten Lehrjahres wird das Resultat der
-also vollzogenen Beurtheilung der eingegebenen Aufsätze, und
-die Namen derer, deren Ausarbeitungen gebilligt sind, bekannt
-gemacht; und es treten von ihnen diejenigen, <em class="italic">welche wollen</em>,
-zusammen, als der erste Anfang eines <em class="italic">lernenden Subjects</em>, in
-höherem und vorzüglicherem Sinne, an unserer wissenschaftlichen
-Kunstschule. Welche wollen, sagte ich; denn obwohl die
-Ausfertigung eines Aufsatzes, und die Unterwerfung desselben
-unter die Beurtheilung des lehrenden Corps, diesen Willen
-vorauszusetzen scheint: so können mit dem ersten doch auch
-mancherlei andere Zwecke beabsichtigt werden, von denen zu
-seiner Zeit; alle Studirenden an unserer Universität können auch
-für diese Zwecke berechtiget werden; und es muss darum jedem,
-der sogar beitreten <em class="italic">dürfte</em>, überlassen werden, ob er <em class="italic">will</em>.
-Inzwischen wird die Fortsetzung unseres Entwurfes ohne Zweifel
-die sichere Vermuthung begründen, dass jeder wollen werde,
-der da dürfe.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-17">
-<a id="page-143" class="pagenum" title="143"></a>
-<a id="pagehdr-143" class="orig-page" title="68"></a>
-<span class="line1">§. 30.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Sie treten zusammen zu einer einzigen grossen Haushaltung,
-zu gemeinschaftlicher Wohnung und Kost, unter einer angemessenen
-liberalen Aufsicht. Ihre Bedürfnisse ohne alle Ausnahme,
-nicht ausgeschlossen Bücher, Kleider, Schreibmaterialien u. s. f.
-werden ihnen von der Oekonomieverwaltung in Natur gereicht,
-und sie haben, die Verwaltung eines mässigen Taschengeldes
-abgerechnet, wofür ein Maximum festgesetzt werden könnte,
-während ihrer Studienjahre mit keinem anderen ökonomischen
-Geschäfte zu thun. (Der Grund dieser Einrichtung ist schon
-oben angegeben worden; und auf die Einwendung, dass junge
-Leute auf der Universität zugleich das Haushalten mitlernen
-müssten, ist zu erwiedern, dass, falls dieselben bei uns das Ehrgefühl,
-die Gewissenhaftigkeit und die intellectuelle Bildung erhalten,
-die wir anstreben, es sich mit dem künftigen Haushalten
-von selbst finden werde; erhalten sie aber bei dem Grade der
-Sorgfalt, den wir anwenden werden, dieselbe nicht, so ist gar
-kein Schaden dabei, dass sie auch äusserlich verderben, und
-mag dies immer je eher je lieber geschehen.) Inwiefern aber
-diese Verpflegung <em class="italic">ihnen frei auf Kosten des Staates</em>, oder auf
-ihre eigenen Kosten gereicht werden solle, davon behalten wir
-uns vor, tiefer unten zu sprechen; und wollen wir mit dem
-Gesagten keinesweges unbedingt das Erste gesagt haben.
-</p>
-
-<p>
-Mit diesem also zu Stande gebrachten Stamme tritt nun
-das lehrende Corps in das oben beschriebene innige Wechselleben.
-Sie werden fortdauernd erforscht und in ihrem Geistesgange
-beobachtet, sie haben den ersten Zutritt zu den Examinibus,
-Conversatorien, dem Umgange und der Berathung der
-Lehrer, und stehen in der Benutzung der vorhandenen literarischen
-Hülfsmittel jedem Anderen vor; auf ihre nächsten unmittelbaren
-und wohlbekannten Bedürfnisse rechnet immerfort
-der gesammte mündliche Vortrag der Kunstschule. Im Falle der
-würdigen Benutzung dieser Schule, die durch eine tiefer unten
-zu beschreibende Prüfung documentirt wird, stehen sie bei Besetzung
-der höchsten Aemter des Staates allen Anderen vor
-(und tragen den von Gottes Gnaden durch ein vorzügliches Talent
-<a id="page-144" class="pagenum" title="144"></a>
-<a id="pagehdr-144" class="orig-page" title="70"></a>
-ihnen geschenkten, und durch würdige Ausbildung jenes
-ersteren verdienten Adel).
-</p>
-
-<p>
-Immerhin mögen neben ihnen andere Studirende an den
-vorhandenen Bildungsmitteln der Anstalt, welche recht eigentlich
-doch nur für jene sind, nach allem ihren Vermögen theilnehmen,
-und in freier Bildung jenen den Rang abzulaufen suchen,
-welches, falls es ihnen gelänge, auch nicht unanerkannt
-bleiben soll. Diese wachsen gewissermaassen wild, wie im
-Walde; jene sind eine sorgfältig gepflegte Baumschule, welche
-in alle Wege doch auch seyn soll, und aus welcher sogar dem
-Walde manches edlere Saamenkorn zufliegen wird. Jene sind
-<em class="italic">regulares</em>, und es wird wohl auch eine anständige deutsche
-Benennung für sie sich finden lassen; diese sind <em class="italic">irregulares</em>,
-blosse <em class="italic">Socii</em> und <em class="italic">Zugewandte</em>; und dies wären die beiden
-Hauptklassen, in die unser studirendes Publicum zerfiele.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-18">
-<span class="line1">§. 31.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Es würde auch fernerhin nach jedem abgelaufenen Lehrjahre
-denen, die bis jetzt noch unter den Zugewandten sich
-befänden, freistehen, durch gelungene Ausarbeitungen (indem
-gegen das Ende jedes Lehrjahres Aufgaben für dergleichen gegeben
-werden) ihre Aufnahme unter die Regularen nachzusuchen.
-Ausserdem würden diejenigen der jungen Inländer,
-welche vorzügliches Talent und Progressen von der niederen
-Schule zu documentiren vermöchten (über deren Grad und die
-Art der Beweisführung später etwas Festes bestimmt werden
-kann), gleich bei ihrem Eintritte auf die Universität ein Recht
-haben auf einen Platz unter den Regularen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-19">
-<span class="line1">§. 32.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Es wäre zu veranlassen, dass gleich bei der Eröffnung der Universität,
-da es noch keine Regulare giebt, diejenigen, welche die Aufnahme
-unter sie durch Ausarbeitungen zu suchen gedächten, ebenso
-wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem <a id="corr-8"></a>gemeinschaftlichen
-Haushalt zusammenträten. Diese, obwohl unter besonderer Aufsicht
-des Lehrinstituts stehend, wäre dennoch keine eigentliche
-öffentliche, sondern eine Privatanstalt, und die Mitglieder lebten
-<a id="page-145" class="pagenum" title="145"></a>
-<a id="pagehdr-145" class="orig-page" title="71"></a>
-nicht, wie es mit den Regularen unter gewissen Bedingungen
-wohl der Fall seyn kann, auf Kosten des Staates, sondern auf
-die eigenen, die jedoch, ganz wie bei den Regularen, gemeinschaftlich
-verwaltet würden. Es könnte auch denjenigen unter
-diesen Vereinigten, welche beim Anfange des zweiten Lehrjahres
-nicht unter die Regularen aufgenommen, und so aus dieser
-ersten Verbindung in eine neue hinübergenommen würden,
-nicht verwehrt werden, in dieser ihrer ersten Verbindung fortzuleben,
-indem sie zufolge des vorhergehenden §. beim Anfange
-des künftigen Lehrjahres glücklicher seyn können, und so <em class="italic">Candidaten</em>
-der <em class="italic">Regel</em> zu bleiben. Es könnten zu ihnen hinzutreten,
-um denselben Anspruch zu bezeichnen, andere, die bisher
-unter den Zugewandten sich befanden, desgleichen die von der
-niederen Schule Kommenden, die nicht schon von daher das
-Recht, unmittelbar unter die Regularen zu treten, mitbringen.
-Diese machen nun eine dritte Klasse der bei uns Studirenden,
-ein Verbindungsglied zwischen den Regularen und den Zugewandten:
-<em class="italic">Novizen</em>. Sie sind schon durch die Natur der Sache,
-indem die Lehrer wissen, dass vorzüglich aus ihrer Mitte beim
-Anfange des neuen Lehrjahres sie das Collegium der Regularen
-zu ergänzen haben werden, der besonderen Beachtung derselben
-empfohlen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-20">
-<span class="line1">§. 33.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Damit nun nicht etwa die Zugewandten, &mdash; denn von den
-Novizen, die ihren Anspruch auf die Regel durch ihr Zusammenleben
-bekennen, ist dies nicht zu befürchten &mdash; um der
-grösseren Licenz willen, jemals versucht werden, sich für vornehmer
-zu halten, denn die Regularen, soll der Vorzug der
-letzteren sogar äusserlich anschaubar gemacht werden durch
-eine <em class="italic">Uniform</em>, die kein Anderer zu tragen berechtigt sey, denn
-sie und ihre ordentlichen Lehrer. Damit dieser Rock gleich
-anfangs die rechte Bedeutung erhalte, sollen sogleich von Eröffnung
-der Universität an die ordentlichen Lehrer diese Uniform
-gewöhnlich tragen, also dass im ersten Lehrjahre nur sie,
-und diejenigen, die in demselben Verhältnisse mit ihnen zur
-Universität stehen, damit bekleidet seyen; später, nach Ernennung
-<a id="page-146" class="pagenum" title="146"></a>
-<a id="pagehdr-146" class="orig-page" title="73"></a>
-des ersten Collegiums von Regularen, sie auf diese fortgehe,
-und so ferner bei allen folgenden Ergänzungen des letzteren. &mdash;
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-21">
-<span class="line1">§. 34.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Diese Einrichtung soll zugleich die äussere sittliche Bildung
-unserer Zöglinge unterstützen, und die Achtung derselben bei
-dem übrigen Publicum befördern und sicherstellen. Gründliches
-und geistreiches Treiben der Wissenschaft veredelt ohnedies
-ganz von sich selbst; überdies wird für die Entwickelung
-der Ehrliebe und des Gefühls für das Erhabene, als das eigentliche
-Vehiculum der sittlichen Bildung des Jünglings, durch Beispiel
-und Lehre gesorgt werden; die Ordnung aber kommt
-durch die getroffene Einrichtung von selber in seinen Lebenslauf:
-und so ist für die innere Bildung gesorgt.
-</p>
-
-<p>
-Die äussere wird, bei entwickelter Ehrliebe, der Gedanke
-unterstützen, dass sein Rock ihn bezeichne, und dass dieses
-Kleid nicht im Müssiggange auf den Strassen sich herumtreiben,
-oder wohl gar an gemeinen Orten und bei Zusammenläufen
-sichtbar werden, sondern dass es, als Mitglied der Gesellschaft,
-nur in Ehrenhäusern erscheinen dürfe. Was aber Ehrenhäuser
-sind, wird man ihm sagen, und auf alle Weise die Erlaubniss,
-in solchen Häusern ihn zu empfehlen, zu verdienen suchen.
-(Z. B. mag immerhin beim jetzigen Zustande der Dinge unter
-gewissen Umständen ein ehrliebender Jüngling, der in ein Duell
-verflochten worden, Entschuldigung verdienen, so soll doch
-unser Zögling durchaus keine finden <em class="italic">darüber</em>, dass er sich erst
-unter Pöbel, von welcher Geburt derselbe auch übrigens seyn
-möge, begeben, wo dergleichen möglich war. Dahin werde der
-<em class="italic">point d&rsquo;honneur</em> des ganzen Corps gerichtet. Feige übrigens
-sollen sie nicht werden.)
-</p>
-
-<p>
-Nach aussen hin ist gegen die Hauptquelle der Verachtung
-im Leben, Unordnung im Haushalt und Schuldenmachen, unser
-Zögling gesichert. Dass bei Excessen, deren Urheber unbekannt
-bleiben sollten, nicht auch unschuldig, wie dies in den Universitätsstädten
-wohl zu geschehen pflegt, dies Corps als der stets
-vorauszusetzende allgemeine Sünder aufgestellt werde, dagegen
-<a id="page-147" class="pagenum" title="147"></a>
-<a id="pagehdr-147" class="orig-page" title="74"></a>
-werden die Lehrer sich durch die Vorstellung schützen: Habt
-ihr unsern Ehrenrock bei dem Excesse gesehen? Habt ihr dies
-nun nicht, so verleumdet nicht unsere Zöglinge, denn diese gehen
-nie aus, ausser in diesem Rocke: und sie (diese Lehrer)
-werden überhaupt alles Ernstes auf die Ehre ihrer Zöglinge
-und auf alle die Einrichtungen halten, die ihnen möglich machen,
-dies mit ihrer eigenen Ehre zu thun.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-22">
-<span class="line1">§. 35.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die <em class="italic">Zugewandten</em> stehen, da sie weder eigentliche Mitglieder
-unserer Anstalt, noch eigentliche angesessene Bürger
-sind, unter der allgemeinen Polizei, und es muss diese, ohne
-alle Mitwirkung von Seiten der Anstalt, und ganz auf ihre eigene
-Verantwortung, die Einrichtungen, wodurch den übrigen
-Bürgern die gehörige Garantie in Hinsicht dieser Fremden geleistet
-werde, treffen. Nicht anders würde es sich mit den
-Novizen verhalten; welche jedoch, da sie eine Einheit bilden,
-und ein sichtbares Band dieser Einheit an ihrer ökonomischen
-Verwaltung haben, eine tüchtigere Garantie zu geben, auch
-durch diesen ihren Repräsentanten in Unterhandlung mit der
-Polizei zu treten vermögen, und so, in Absicht der Individuen,
-einer liberaleren Gesetzgebung unterworfen werden können,
-als die ersteren. Nun aber steht die Lehranstalt mit diesen
-beiden Klassen noch in einem engeren Verhältnisse, denn die
-übrigen Bürger, und es ist der allgemeinen Polizei völlig fremd,
-dasjenige, was aus diesem engeren Verhältnisse hervorgeht, zu
-ordnen. Demnach fielen die dahin gehörigen Anordnungen dem
-Institute, als dem einen und vorzüglichsten Theilnehmer des
-abzuschliessenden Contractes anheim. &mdash; Diese Klassen haben
-zu allen von der Schule getroffenen Lehranstalten den Zutritt;
-da aber ferner die Schule weder um ihre wissenschaftlichen
-Fortschritte, noch um ihre Aufführung sich im mindesten bekümmert,
-so beschränkt sich ihr Recht an diese lediglich auf
-den Punct, <em class="italic">sich gegen die Verletzungen, welche aus der Ertheilung
-dieses Zutrittes entstehen könnten</em> (denn gegen andere
-Verletzungen schützt auch sie die allgemeine Polizei), <em class="italic">zu schützen</em>.
-</p>
-
-<p>
-Dergleichen Verletzungen würden seyn: Störung der Ruhe
-<a id="page-148" class="pagenum" title="148"></a>
-<a id="pagehdr-148" class="orig-page" title="76"></a>
-und Ordnung in den Lehrübungen, zu denen sie den Zutritt
-erhalten; Verletzung der Achtung, die das Verhältniss des Lernenden
-zum Lehrer, oder der Zugewandten zu denen, um deren
-willen die Anstalt eigentlich da ist, erfordert; endlich könnten,
-bei dem bekannten Eigendünkel und der verkehrten Reizbarkeit
-der gewöhnlichen Studirenden, aus dem, Dingen der
-ersten und zweiten Art entgegengesetzten Widerstande der Lehrer
-andere gröblichere Beleidigungen und Angriffe erfolgen,
-welche, als erfolgt lediglich aus dem verstatteten Zutritte, nicht
-nach allgemeinen polizeilichen Grundsätzen, sondern nach strengeren
-beurtheilt werden müssten.
-</p>
-
-<p>
-Es müsste demzufolge zwischen der Lehranstalt und jedem
-Individuum der Contract, durch den das letztere das Recht des
-Zutrittes erhält und sich auf die Bedingungen, unter denen es
-dasselbe erhält, verpflichtet, durch einen ausdrücklichen Act
-abgemacht werden. Dieser Act ist die <em class="italic">Inscription</em>; die Bedingungen
-aber sind die <em class="italic">Gesetzgebung</em> für den Zugewandten, welche,
-da das übrige Verhältniss desselben zu anderen Bürgern
-eine Sache der Polizei ist, durchaus nur sein Verhältniss zur
-Lehranstalt, <em class="italic">als solcher</em>, zu bestimmen hat. Die Novizen können,
-aus dem schon der Polizei gegenüber angegebenen Grunde,
-auch in dieser Beziehung unter eine mildere Gesetzgebung gesetzt
-werden.
-</p>
-
-<p>
-Der Act der Inscription und Verpflichtung auf die Gesetze
-ist ein juridischer, und wird drum am schicklichsten, sowie die
-unten zu bezeichnenden Justizgeschäfte einem besonders zu ernennenden
-<em class="italic">Justitiarius</em> der Lehranstalt anheimfallen.
-</p>
-
-<p>
-Da die Anstalt in gar kein anderes Verhältniss mit den Zugewandten
-eingeht, als auf die Erlaubniss des Zutrittes, so bleibt
-ihr auch kein anderes Zwangsmittel übrig, als die Zurücknahme
-dieser Erlaubniss. Dieses kann geschehen im <em class="italic">Besonderen</em> oder
-im <em class="italic">Allgemeinen</em>. In Absicht des ersteren muss es jedem einzelnen
-Lehrer, auf seine eigene Verantwortung vor seinem Gewissen,
-freistehen, einen Zugewandten, dessen Unruhe und
-Zerstreutheit ihn oder sein Auditorium stört, oder der ihn oder
-seine mit ihm enger verbundenen Schüler beleidigt hat, den
-Zutritt zu seinen Lehrübungen für eine gewisse Zeit, oder auch
-<a id="page-149" class="pagenum" title="149"></a>
-<a id="pagehdr-149" class="orig-page" title="77"></a>
-auf immer, zu untersagen; und das ganze lehrende Corps muss
-ihn hiebei, durch die Verwarnung vor grösserem Uebel, auf
-seine blosse Anzeige unterstützen. Das zweite erklärt sich selbst;
-und sind die Fälle, &mdash; unter die der, dass jemand der Verweisung
-eines einzelnen Lehrers aus seinem Auditorium nicht Folge
-geleistet hätte, mit gehört, &mdash; durch das Gesetz festzustellen.
-Sollte, bei Verborgenheit der Urheber beleidigender Attentate,
-etwas erst ausgemittelt werden müssen, so fällt diese Untersuchung
-dem Justitiarius der Universität anheim, vor dessen Gericht
-sich der Inscribirte, bei Strafe der Relegation <em class="italic">in contumaciam</em>,
-zu stellen hat. Bisherige Universitäten, z. B. die Nutritoren
-der Jenaischen Universität und derselben Senat, haben angenommen,
-dass es in solchen Fällen für die Verurtheilung keinesweges
-des strengen juridischen Beweises bedürfe, sondern dass
-ein dringender Verdacht dazu hinreiche; indem ja nicht irgend
-eine Strafe zugefügt, sondern nur eine frei ertheilte Erlaubniss
-wiederum zurückgenommen werde, weil deren Fortdauer gefährlich
-scheine; und der Verfasser dieses ist der Meinung, dass
-diese recht haben, und dass auch wir denselben Grundsatz
-aufzunehmen hätten. Der Justitiarius ist in dieser Qualität, als
-Verwalter des Rechtes des Institutes, sich selbst zu schützen,
-demselben verantwortlich.
-</p>
-
-<p>
-Mit der Zurücknehmung der Inscription ist, theils um die
-Mitglieder der Universität gegen den ferneren Ueberlauf und
-die Rache der Entlassenen zu sichern, theils, weil ein solcher
-gar keinen Grund mehr aufweisen kann, seinen Aufenthalt an
-diesem Orte fortzusetzen, die Verweisung aus der Universitätsstadt
-und ihrer nächsten Nachbarschaft, oder die <em class="italic">Relegation</em>
-natürlich verknüpft. Die Pflicht, über diese zu halten, fällt der
-Polizei, die in dieser Rücksicht gar nicht Richter oder Revisor
-des Urtheils, sondern lediglich Executor des schon gesprochenen
-Urtheils ist, anheim; und müsste gegen diese, falls sie ihre
-Pflicht lässig betriebe, die Universität als Kläger auftreten.
-</p>
-
-<p>
-(Sollte in dieser Ansicht einige Richtigkeit seyn, so würde
-daraus auch erhellen, wie die bisherige Justizverwaltung auf
-Universitäten, bald in der Voraussetzung, dass die Universität
-nicht mehr dürfe, als eine Erlaubniss zurücknehmen, die sie
-<a id="page-150" class="pagenum" title="150"></a>
-<a id="pagehdr-150" class="orig-page" title="79"></a>
-selbst gegeben, bald, indem sie zugleich das ihr fremde Geschäft
-der Polizei und der Civiljustiz ausüben sollte, endlich,
-indem ihr auch ein Gefühl ihrer Vater- und Erzieherpflichten
-entstand, geschwankt, und bald zu viel, bald zu wenig gethan
-habe. Hier ist durch die Trennung zwei sehr verschiedener
-Klassen von Studirenden der Widerspruch gelöst; und durch
-die anheimgegebene Freiheit, zu welcher Klasse jemand gehören
-wolle, das persönliche Recht behauptet.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-23">
-<span class="line1">§. 36.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-In Absicht der Verknüpfung der Relegation mit der Zurücknahme
-der Inscription, die bei Fremden ganz unbedenklich ist,
-dürfte in dem Falle, da die zu Relegirenden ihren elterlichen
-Wohnplatz in der Universitätsstadt hätten, billig das Bedenken
-eintreten, ob die Universität, sowie sie ohne Zweifel das Recht
-hat, diese aus ihren Hörsälen zu verweisen, auch das Recht
-habe, sie aus ihrem väterlichen Hause zu vertreiben. Da inzwischen,
-falls man ihr dieses Recht absprechen müsste, sie
-gegen diese durchaus nicht weniger gefährlichen Jünglinge ohne
-eine besondere Einrichtung nicht gesichert werden könnte, so
-wäre als eine solche besondere Einrichtung vorzuschlagen:
-1) dass Söhne aus der Universitätsstadt, falls sie nicht etwa
-schon als Mitglieder einer niederen Schule das gute Zeugniss
-dieser ihrer Lehrer für sich hätten, sich einige Zeit vor der Inscription
-zu derselben anmelden müssten, und von da an beobachtet
-würden, und dass man ihnen, falls diese Beobachtung
-Bedenklichkeit gegen sie einflösste, die Inscription verweigern
-könne. 2) Dass ihre Eltern eine namhafte Summe als Caution
-für sie stellten, deren erste Hälfte im Falle der Zurücknahme
-der Inscription, statt der Relegationsstrafe, mit der sie dermalen
-verschont blieben, verfiele; dass aber, falls sie hinführo von
-neuem sich einiger Excesse gegen die Lehranstalt schuldig machten,
-auch die andere Hälfte verfiele, und sie dennoch relegirt
-würden. Sollten Eltern diese Caution stellen nicht können oder
-wollen, so müssen sie sich es eben gefallen lassen, dass auch
-ihre Söhne im Falle der Verschuldung relegirt werden; sowie
-bisher zuweilen sogar Professoren sich haben gefallen lassen
-<a id="page-151" class="pagenum" title="151"></a>
-<a id="pagehdr-151" class="orig-page" title="80"></a>
-müssen, dass ihren unfertigen Söhnen dieses begegnet; indem
-es gänzlich in dem freien Vermögen aller Studenten in der Welt
-beruhet, diejenigen Handlungen, welche Relegation nach sich
-ziehen, und deren Katalog bei uns, die wir der Polizei und dem
-Civilgerichte überlassen würden, was ihres Amtes ist, gar nicht
-gross seyn würde, zu unterlassen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-24">
-<span class="line1">§. 37.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die Regularen werden vom Staate und seinem Organe, der
-allgemeinen Polizei (denn mit der Civiljustiz könnte wohl die
-Oekonomieverwaltung derselben, keinesweges aber ein Einzelner
-von ihnen zu thun bekommen), betrachtet als ein Familienganzes,
-das als solches für seine Mitglieder einsteht. Wäre von
-den letzteren gesündigt, so ist freilich das Ganze zur Verantwortung
-und Strafe zu ziehen; dagegen bleibt die Bestrafung
-des einzelnen Mitgliedes der Familie selbst überlassen und wird
-im Schoosse derselben vollzogen, und ist väterlich und brüderlich,
-und soll dienen als Erziehungs-, keinesweges aber als
-schreckendes Mittel. Nur wenn ein Individuum vom Körper abgesondert
-und ausgestossen werden müsste, könnte es wieder
-als Einzelner dastehen, und dem Forum, für welches es sodann
-gehörte, anheimfallen.
-</p>
-
-<p>
-Es erhellt, dass ohne vorhergegangene Degradation und
-Ausstossung keine der bisher aufgestellten gesetzlichen Verfügungen
-auf die Regularen passen, und dass für sie weder Justitiarius
-oder Relegation, oder <a id="corr-9"></a>dass etwas stattfinde. Durch die
-blosse Ausstossung könnten sie doch nicht weniger werden, als
-das, was sie ohne Einverleibung in das Corps der Regularen
-gewesen seyn würden, <em class="italic">Zugewandte</em>, und erst als solche müssten
-sie von neuem sich vergehen, um der Polizei oder dem Justitiarius,
-welchem sie ja von nun an erst anheimfallen, verantwortlich
-zu werden. Dass die Fälle, in denen ein Familienganzes
-seine Mitglieder nicht vertreten kann, z. B. Criminalfälle,
-ausgenommen sind, dass aber auch sodann die Degradation
-der Auslieferung an den Richter vorhergehen müsse, ist unmittelbar
-klar.
-</p>
-
-<p>
-Die Regularen hätten sonach zuvörderst für sich eine Regel
-<a id="page-152" class="pagenum" title="152"></a>
-<a id="pagehdr-152" class="orig-page" title="82"></a>
-zu finden, nach der die Möglichkeit solcher Fälle so gut als aufgehoben,
-und überhaupt alle Vorkehrungen so getroffen würden,
-dass die Polizei keine Gelegenheit fände, von ihnen Notiz zu
-nehmen: sodann ein Ephorat und Gericht zu errichten, das über
-die Ausübung dieser Regel hielte. Ohne dies würde in dem
-Hause, in welchem sie beisammen wohnten, ein alter ehrwürdiger
-Gelehrter, der selbst einst mit Ruhm und Verdienst Lehrer
-am Institut gewesen wäre, als der unmittelbarste Hausvater
-der Familie, mit ihnen wohnen und leben. (Sollte späterhin die
-Gesellschaft also anwachsen, dass sie in mehrere Häuser vertheilt
-werden müsste, so müsste diese nicht etwa durch die Benennung
-verschiedener Collegia getrennt, sondern das Einheitsband
-müsste durch die Gemeinschaftlichkeit Eines Hausvaters
-und durch andere Mittel auch äusserlich sichtbar bleiben.)
-Dieser wäre der natürliche Präsident dieses Familiengerichts. Ferner
-sind natürliche Beisitzer desselben alle ordentlichen Lehrer
-an der Anstalt, indem ja deren eigene Ehre von der Ehre ihres
-Zöglings abhängt; und könnten dieselben, zur Sparung ihrer
-Zeit, <em class="italic">abwechselnd</em> in demselben sitzen. Endlich wären, damit
-ein wahrhaftes Familien- und Brudergericht entstände, aus den
-Regularen selbst, nach einer leicht zu findenden Regel, Beisitzer
-zu ernennen. Deren richterliche Verwaltung trüge nun den
-oben angegebenen Grundcharakter, die Verhandlungen aber und
-Richtersprüche derselben blieben durchaus im Schoosse dieses
-Corps; hierüber anderen etwas mitzutheilen, würde betrachtet
-als eine Ehrlosigkeit, die unmittelbar die Ausstossung nach sich
-ziehen müsste.
-</p>
-
-<p>
-Eine ähnliche Einrichtung können die Novizen, falls sie eine
-Verwaltung finden, deren Garantie die Polizei annehmen will,
-treffen. Nur haben sie keinen Anspruch auf den Beisitz der
-ordentlichen Lehrer in ihrem Familiengerichte; es kann ihnen
-aber erlaubt werden, ausserordentliche Professoren, von denen
-zu seiner Zeit, oder auch andere brave Gelehrte, zu diesem Beisitze
-einzuladen. Ueberhaupt, so ähnlich auch das Noviziat
-jetzt oder künftig dem Collegium der Regularen werden möchte,
-so bleibt doch immer der Hauptunterschied, dass das letztere
-unter öffentlicher Autorität und Garantie steht, das erste aber
-<a id="page-153" class="pagenum" title="153"></a>
-<a id="pagehdr-153" class="orig-page" title="83"></a>
-ein mit Privatfreiheit zu Stande gebrachtes Institut ist, dessen
-Mitglieder von Rechtswegen keinen grösseren Anspruch haben,
-denn die Zugewandten, und die die Begünstigungen, welche
-Polizei und Universität ihnen etwa geben, nur anzusehen haben
-als ein freies Geschenk, das ihnen auch wieder entzogen
-werden kann.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-25">
-<span class="line1">§. 38.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Durch das Bisherige ist nun auch die Entstehung des <em class="italic">lernenden
-Subjectes</em> in seinen verschiedenen Abstufungen, und wie
-dasselbe immerfort ergänzt und erneuert werden solle, beschrieben.
-Wir können nunmehro auch an eine weitere Bestimmung
-des schon oben im Allgemeinen aufgestellten lehrenden Subjectes
-gehen.
-</p>
-
-<p>
-Auf den bisherigen Universitäten war es Doctoren und
-ausserordentlichen Professoren erlaubt, sich im Lesen zu versuchen
-und zu erwarten, ob ein Publicum sich um sie herum
-versammeln werde. Haben dieselben schon auf einer anderen
-Universität das Recht, Vorlesungen zu halten, gehabt, so können
-auch wir es ihnen erlauben. Im entgegengesetzten Falle mögen
-sie das anderwärts Gebräuchliche auch bei uns leisten. Die
-eigentlichen Lehrer für die Regularen und die, so es zu werden
-streben, sind freilich die encyklopädischen Lehrer, die ja auch
-die entscheidenden Aufgaben geben, sowie die von diesen etwa
-eingesetzten Lehrer des Theils eines Faches, welche, obwohl
-Unterlehrer, dennoch <em class="italic">ordentliche</em> Lehrer sind. Für diese, die
-wir immer insgesammt <em class="italic">ausserordentliche</em> Professoren nennen
-könnten, blieben demnach die Zugewandten übrig, an denen
-sie sich versuchen könnten. Dennoch sollen auch nicht nur
-Regulare, und zwar die geübtesten und befestigtsten, von dem
-encyklopädischen Lehrer des Faches zur Besuchung ihrer Vorlesungen
-ernannt werden, sondern auch dieser Lehrer selbst
-und andere Lehrer befugt seyn, denselben insoweit beizuwohnen,
-bis sie einen bestimmten Begriff von den Kenntnissen und
-dem Lehrertalent des Mannes sich erworben.
-</p>
-
-<p>
-Die erste Erlaubniss zu lesen geht nur auf Ein Lehrjahr.
-Nach Verfluss desselben muss abermals um dieselbe eingekommen
-<a id="page-154" class="pagenum" title="154"></a>
-<a id="pagehdr-154" class="orig-page" title="85"></a>
-werden, und es kann diese nach Befinden der Umstände
-erneuert oder verweigert werden; oder auch der zweckmässig
-befundene Lehrer kann als ordentlicher Unterlehrer oder auch
-als Encyklopädist, wenn der vorherige abgehen will, ernannt
-werden.
-</p>
-
-<p>
-Die Entscheidung über beide Gegenstände hängt, wie bei
-Beurtheilung der Aufsätze, ab von der Klasse des Faches, so
-wie von der philosophischen Klasse, wo die erstere über die
-Gründlichkeit der empirischen Erkenntniss, die zweite über die
-philosophische Freiheit und Klarheit entscheidet. Auch hier
-müssen für ein bejahendes Urtheil beide Stimmen sich vereinigen,
-indem jede Klasse erst unter sich und für sich einig
-seyn muss, und ihre Stimme hier nur für eine gezählt wird.
-Da jedoch, so wie das Alter beschuldigt wird, jeder Neuerung
-zuweilen sich feindselig zu zeigen, ebenso die kräftigere Jugend
-von Eifersucht gegen fremdes Verdienst nicht immer ganz
-frei zu sprechen ist, so müsste bei einem die Erlaubniss zu
-lesen, oder die Anstellung eines Lehrers betreffenden Falle
-fürs erste jede besondere Klasse (die hier requirirte empirische,
-so wie die philosophische) zuvörderst in sich selber in zwei
-Theile getheilt werden, den <em class="italic">Rath der Alten</em>, und den <em class="italic">der ausübenden
-Lehrer</em>, und nur wenn diese beiden Theile Nein sagten,
-hätte die Klasse Nein gesagt, dagegen auch das einseitige
-Ja des einen Rathes zum Ja der Klasse würde. Dadurch würde
-hervorgebracht, dass weder die Neuerungsfurcht des einen, noch
-die Eifersucht des anderen Theiles den Fortschritt zum Besseren
-hindern könnte, und diesen beiden Dingen an einander
-selber ein wirksames Gegengewicht gegeben; wo aber beide
-Theile Nein sagten, da würde wohl ohne Zweifel das Nein die
-richtige Antwort seyn.
-</p>
-
-<p>
-(Uebrigens wird eine solche Eintheilung unseres gelehrten
-Corps in einen Senat der Alten und der Lehrer zu seiner
-Zeit aus dem Wesen des Ganzen, ganz ohne Rücksicht auf
-das soeben erwähnte besondere Bedürfniss, sich sehr natürlich
-ergeben.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-26">
-<a id="page-155" class="pagenum" title="155"></a>
-<a id="pagehdr-155" class="orig-page" title="86"></a>
-<span class="line1">§. 39.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Eine Auswahl der Regularen in jedem Fache wird beim
-Fortgange der Anstalt, als ein Professorseminarium, ohnedies
-unter der Aufsicht der ordentlichen Lehrer zu den Geschäften
-des Lehrers angehalten werden. Diesen könnte, wenn sie aus
-der Klasse der Studirenden herausgetreten und zu <em class="italic">Meistern</em>
-ernannt worden, das Recht zu lesen auf dieselbe Weise ertheilt
-werden, so wie aus ihnen die Lehrstellen nach derselben Regel
-sehr leicht besetzt werden. Doch würden uns immerfort
-auf jeder Stufe unserer Vollendung zu uns kommende fremde
-Lehrer, auf die §. <em class="italic">praeced.</em> erwähnte Weise, willkommen seyn,
-und wir dadurch gegen jede Einseitigkeit des Tones uns zu
-verwahren suchen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-27">
-<span class="line1">§. 40.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die Verwaltung des Lehramtes, besonders nach unseren
-Grundsätzen, erfordert jugendliche Kraft und Gewandtheit. Nun
-ist wenigen die Fortdauer dieser jugendlichen Frischheit bis in
-ein höheres Alter hinein zugesichert; auch fällt die Neigung
-der meisten originellen Bearbeiter der Wissenschaft in reiferen
-Jahren dahin, ihre Bildung in einer festen und vollendeten Gestalt
-niederzulegen in das Archiv des allgemeinen Buchwesens,
-und es ist sehr zu wünschen, dass dies geschehe, und ihnen
-die Zeit und Ruhe dazu zu gönnen. Wir müssen darum nicht
-anders rechnen, als dass wir die Lehrer an unserer Anstalt
-nur auf eine bestimmte Zeit beibehalten wollen. Alle diejenigen,
-mit denen das Institut zuerst beginnt, werden sich bald
-nach der ehrenvoll verdienten Ruhe sehnen, und gern den Zeitpunct
-ergreifen, da unter ihnen ein jüngeres Talent sich gebildet
-hat, das ihren Platz würdig besetze. Alle während des
-Fortganges des Instituts neu angestellte Lehrer sind nur auf
-einen bestimmten Zeitraum (etwa für die Periode, innerhalb
-welcher das studirende Publicum sich zu erneuern pflegt) anzunehmen,
-nach dessen Ablaufe beide Theile, die Universität
-und der Lehrer, auf die §. 38 beschriebene Weise, den Contract
-erneuern oder auch aufheben können.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-28">
-<a id="page-156" class="pagenum" title="156"></a>
-<a id="pagehdr-156" class="orig-page" title="87"></a>
-<span class="line1">§. 41.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Um im ökonomischen Theile solcher Verhandlungen dem
-bisher oft stattgefundenen anstössigen Markten zwischen Regierungen
-und Gelehrten, indem die ersteren zuweilen von der
-Verlegenheit eines wackeren Mannes Vortheil zu ziehen suchten,
-um seine Kraft und sein Talent wohlfeilen Kaufes an sich
-zu bringen, die letzteren zuweilen auch mit dem Gehörigen
-sich nicht begnügen mochten, und ihre übertriebenen Forderungen
-durch theils mit List an sich gebrachte auswärtige Vocationen
-unterstützen, in der Zukunft und für unser Lehrinstitut
-vorzubauen, mache ich folgenden Vorschlag:
-</p>
-
-<p>
-Entweder sind diese Lehrer Inländer, und auf unserem
-Institute, wohl gar als Regulare, wie zu erwarten, gebildet,
-so hat das Vaterland ohnedies den ersten Anspruch auf ihre
-Kräfte, so wie <em class="italic">sie</em> Anspruch auf die Fürsorge desselben, in jedem
-Falle und ihr ganzes Leben hindurch, haben; oder sie
-sind Fremde, welche bei uns auch ihre Bildung nicht erhalten
-haben. Im letzten Falle fordere man von ihnen, dass sie, beim
-Eingehen irgend eines Verhältnisses mit uns, oder bei der Erneuerung
-eines solchen, sich erklären, ob sie ihr Fremdenrecht
-beibehalten, oder ob sie das völlige Bürgerrecht haben (sich
-<em class="italic">nostrificiren</em> lassen) wollen. Im ersten Falle müssen wir uns
-freilich gefallen lassen, dass, falls sie uns unentbehrlich sind,
-sie sich uns so theuer verkaufen, als sie irgend können; jedoch
-wird diese Verbindung immer nur auf einen Zeitraum
-eingegangen; und können wir etwa nach dessen Abfluss sie
-entbehren, so sollen sie wissen, dass wir uns sodann um sie
-durchaus nicht weiter kümmern werden, und sie gehen können,
-wohin es ihnen gefällt. Im zweiten Falle erhält der Staat
-an sie, und sie an den Staat alle Ansprüche, die zwischen ihm
-und den bei uns gebildeten Eingebornen stattfinden. Um nun
-in diesem letzteren Verhältnisse zugleich die persönliche Freiheit
-des Individuums sicher zu stellen, zugleich eine rechtliche
-Gleichheit des Individuums mit dem Staate, der bisher seinem
-Diener lebenslänglichen Unterhalt zusichern, von ihm aber zu
-jeder Stunde sich den Dienst aufkündigen lassen musste, hervorzubringen,
-<a id="page-157" class="pagenum" title="157"></a>
-<a id="pagehdr-157" class="orig-page" title="89"></a>
-und besonders, um dem Gelehrtenstande zu grösserer
-Moralität und Ehrliebe in Dingen dieser Art zu verhelfen,
-setze man den Anspruch auf lebenslange Versorgung, verhältnissmässig
-nach dem Fache, als <em class="italic">gleich einem gewissen bestimmten
-Capital</em>, das der des vollkommenen Bürgerrechts Theilhaftige
-dem Staate zurückzahle, wenn er dessen bisherige Dienste
-verlassen will. Ist er nun dem auswärtigen Berufer dieser
-Summe werth, so mag derselbe sie bezahlen, und er ist frei;
-aber es ist zu hoffen, dass dieser Fall nicht sehr häufig eintreten,
-und auf diese Weise wir mit der Beseitigung so mannigfacher
-Vocationen verschont bleiben werden.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-29">
-<span class="line1">§. 42.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Es ist, in der Voraussetzung dieser Einrichtung, bei der
-Frage, wie abgetretene Professoren zu versorgen seyen, nur
-von solchen die Rede, denen das vollkommene Bürgerrecht angeboren,
-oder von ihnen angenommen ist; indem diejenigen,
-welche dasselbe abgelehnt, nach ihrem Austritte nicht nur nicht
-versorgt werden, sondern es sogar eine feste Maxime unserer
-Politik seyn soll, dieselben sobald wie möglich entbehrlich zu
-machen.
-</p>
-
-<p>
-Die bei uns erzogenen und beim Austritte aus den Studirenden
-des <em class="italic">Meisterthums</em> würdig befundenen Regularen haben
-ohnedies den ersten Anspruch auf die ersten Aemter des Staats,
-und man könnte auch immerhin den Lehrern, die das Institut
-beginnen werden, denselben Anspruch ertheilen, den man
-ihren späteren Zöglingen nicht wird versagen können. Dieser
-Anspruch und die Fähigkeit, dergleichen Aemter zu bekleiden,
-werden dadurch ohne Zweifel nicht vermindert, dass der Mann
-durch einige Jahre Lehramt es zu noch grösserer Gewandtheit
-in demjenigen wissenschaftlichen Fache, dessen Anwendung
-im Leben das erledigte Staatsamt fordert, und nebenbei zu
-grösserer Reife des Alters und der Erfahrung gebracht hat; es
-wäre vielmehr zu wünschen, dass alle diesen Weg gingen,
-und das Leben der ersten Bürger in der Regel in die drei
-Epochen des lernenden, des lehrenden und des ausübenden
-wissenschaftlichen Künstlers zerfiele. Weit entfernt daher, um
-<a id="page-158" class="pagenum" title="158"></a>
-<a id="pagehdr-158" class="orig-page" title="90"></a>
-die Anstellung ausgetretener Lehrer verlegen zu seyn, müssten
-wir, wenn wir auch sonst keines Corps der Lehrer bedürften,
-ein solches schon als Pflanzschule und Repertorium höherer
-Geschäftsmänner errichten, und bei eintretendem Bedürfnisse
-aus diesem Behälter zuweilen sogar den, der lieber darin
-bliebe, herausheben.
-</p>
-
-<p>
-Dieses Bedürfniss austretender Lehrer für den Staat und
-den höheren Geschäftskreis desselben noch abgerechnet, bedarf
-auch für sich selbst als literarisches Institut solcher Männer.
-&mdash; Es giebt sehr weit von der Wurzel des wissenschaftlichen
-Systems abliegende, in ein sehr genaues Detail eines
-Faches gehende Kenntnisse, welche in die allgemeine Encyklopädie
-und den gewöhnlichen Kreis des Unterrichts an der
-wissenschaftlichen Schule nicht eingreifen, und ohne deren
-Kenntniss jemand ein sehr trefflicher Lehrer seyn kann. Doch
-kann das Bedürfniss auch dieser Kenntniss für Lehrer und Lernende
-eintreten; es muss daher das Mittel vorhanden seyn,
-sie irgendwo zu schöpfen. Dies seyen fürs erste die ausgetretenen
-Lehrer. Vielleicht arbeiten sie ohnedies an einem
-Werke, in welchem sie ihre individuelle Bildung in das allgemeine
-Archiv des Buches niederlegen wollen, zu dem ihnen
-die Musse zu gönnen ist. Nebenbei mögen auch Lehrer und
-Lernende sich bei ihnen Raths erholen über das, worin sie
-vorzüglich stark sind; oder auch vorkommenden Falles beide
-sie um einige Vorlesungen ersuchen, in Gottes Namen über ein
-orientalisches Wurzelwort, oder die Naturgeschichte eines einzelnen
-Mooses. Sie sind mit einem Worte Rath und Hülfe der
-jüngeren bei eintretenden Nothfällen im Wissen sowohl als
-der Kunst.
-</p>
-
-<p>
-Indem sie nun doch nicht mehr eigentliche und ordentliche
-Lehrer an der Universität, und ihre noch fortdauernden
-Leistungen nur frei begehrte und frei gewährte Gaben sind,
-sind sie eine <em class="italic">Akademie der Wissenschaft</em>, im <em class="italic">modernen</em> (eigentlich
-französischen) Sinne dieses Wortes; und für die Universitätsangelegenheiten
-der oben erwähnte <em class="italic">Rath</em> der <em class="italic">Alten</em>. Mit
-ihnen tritt bei dergleichen Berathschlagungen das Corps der
-wirklichen Lehrer, als <em class="italic">Rath der ausübenden Lehrer</em> zusammen;
-<a id="page-159" class="pagenum" title="159"></a>
-<a id="pagehdr-159" class="orig-page" title="92"></a>
-daher sind auch die letzteren natürliche Mitglieder der Akademie;
-und die gesammte Akademie ist, in Beziehung auf die
-Universität, der <em class="italic">Senat</em> derselben, nach den erwähnten beiden
-Haupttheilen in allen festzusetzenden besonderen Klassen.
-</p>
-
-<p>
-Freie Mitglieder der Akademie bleiben auch die zu anderen Staatsämtern
-beförderten ausgetretenen Lehrer, und sie
-sind befugt, und, inwiefern es ihre anderen Geschäfte erlauben,
-ersucht an den Berathschlagungen derselben, als Mitglieder
-des Rathes der Alten, Theil zu nehmen (und sie werden
-gebeten werden, welche Decorationen auch sonst ihnen zu Theil
-geworden seyn dürften, dennoch zuweilen auch unsere Uniform,
-welche überhaupt jeder Akademiker trägt, mit ihren Personen
-zu beehren).
-</p>
-
-<p>
-In dieser Akademie Schooss bleibt ihnen auch immer, welche
-Schicksale auch sonst auf ihrer politischen Laufbahn sie
-betroffen haben möchten, der ehrenvolle Rückzug, und ist ihnen
-da ein sorgenfreies, geehrtes Alter bereitet, indem der Charakter
-eines Akademikers <em class="italic">character indelebilis</em> wird.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-30">
-<span class="line1">§. 43.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Noch wäre, in derselben Rücksicht, um sichern Rath und
-Hülfe in jeder literarischen Noth zu finden, eine andere Art
-von Akademikern, die sogar niemals ordentliche Lehrer gewesen,
-anzustellen; ich meine jene lebendigen Repertorien der
-Bücherwelt, und die, welche gross und einzig sind in irgend
-einer seltenen Wisserei, obwohl sie es niemals zu einer encyklopädischen
-Einheit der Ansicht ihres Faches, oder zu einer
-lebendigen Kunst in demselben, gebracht haben, und darum
-als ordentliche Lehrer für uns nicht taugen. Wir wollen sie
-nur dazu, dass unser ordentlicher Lehrer diese lebendigen Bücher
-zuweilen nachschlage; die Klarheit und Kunstmässigkeit
-wird er dem bei ihm geschöpften Stoffe für die Mittheilung an
-seine Schüler schon selber geben.
-</p>
-
-<p>
-(So starb vor mehreren Jahren zu Jena ein gewisser B.<a class="fnote" href="#footnote-26" id="fnote-26">[26]</a>,
-der mehrere Hunderte von Sprachen zu wissen sich rühmte,
-<a id="page-160" class="pagenum" title="160"></a>
-<a id="pagehdr-160" class="orig-page" title="93"></a>
-und von dem andere, auch nicht mit Unrecht, sagten, er besitze
-keine einzige. Dessenohnerachtet, glaube ich, würde
-auch der Besitz eines solchen uns wünschenswürdig seyn.
-Denn falls etwa, wie es denn in der That dergleichen Leute
-giebt, jemand glaubte, das gesammte menschliche Sprachvermögen
-sey im Grunde Eins, und die mancherlei besonderen
-Sprachen seyen nur, nach einem gewissen Naturgesetze, ohne
-einige Einmischung der Willkür fortschreitende weitere Bestimmungen
-und Ausbildungen jener Einen Wurzel, und es lasse
-sich sowohl diese Wurzel, als jenes Naturgesetz finden; und
-etwa einer unserer Akademiker an die Lösung dieser Aufgabe
-ginge, so würde diesem aus anderen Gründen nicht füglich
-anzumuthen seyn, dass er alle Sprachen der Welt wisse; es
-möchte sie aber neben ihm und für seinen Gebrauch ein solcher
-B. wissen, der wiederum immer unfähig seyn möchte,
-ein solches Problem zu denken und sein Wissen für die Lösung
-desselben zu gebrauchen. &mdash; So müssen wir denn den
-ganzen vorhandenen historischen Schatz aller Wissenschaft bei
-uns aufzuspeichern suchen, nicht um ihn todt liegen zu lassen,
-sondern um ihn einst mit organisirendem Geiste zu bearbeiten.
-Ist dies geschehen, dann wird es Zeit seyn, das <em class="italic">caput mortuum</em>
-wegzuschaffen; bis dahin wollen wir nichts wegwerfen oder
-verschmähen.)
-</p>
-
-<p>
-So ist, nachdem der Theologie der Alleinbesitz der orientalischen
-Sprachkunde und der der Kirchengeschichte abgenommen
-worden, kaum zu erwarten, dass beides, bis auf seinen
-letzten bekannten Detail, in den gesammten encyklopädischen
-Unterricht der Philologie oder der Geschichte an unserer
-Kunstschule werde aufgenommen werden; dass wir sonach
-eines ordentlichen Lehrers der orientalischen Sprachen oder
-der Kirchengeschichte kaum bedürfen werden. Dennoch müssen
-immerfort Männer in unserer Mitte seyn, bei welchen jeder,
-der aus irgend einem Grunde das Bedürfniss hat, über
-das Encyklopädische hinaus bis zu dem äussersten Detail dieser
-Fächer fortzugehen, sein durch das blosse Buch nicht also
-zu befriedigendes Bedürfniss zu befriedigen vermag.
-</p>
-
-<p>
-Uebrigens sind diese Anführungen nur als Beispiele zu
-<a id="page-161" class="pagenum" title="161"></a>
-<a id="pagehdr-161" class="orig-page" title="94"></a>
-verstehen. Eine systematische Uebersicht der Summe unserer
-Bedürfnisse in dieser Rücksicht, so wie die Angabe der bestimmten
-Männer, die wir zu diesem Behuf für den Anfang
-mit uns zu vereinigen hätten, werden die Berathschlagungen
-der oben erwähnten einzelnen Männer und Comités, welche
-auch über diesen Theil unseres Plans zu instruiren wären, an
-die Hand geben.
-</p>
-
-<p>
-Auch diese Art von Akademikern besitzt alle Rechte eines
-solchen, und sitzt im <em class="italic">Rathe der Alten</em>.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-31">
-<span class="line1">§. 44.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Betreffend den Uebergang aus dem Corps der Lehrlinge
-in das der Lehrenden oder praktisch Ausübenden:
-</p>
-
-<p>
-Der Regulare müsse am Ende seines Studirens documentiren,
-dass der Zweck desselben bei ihm erreicht worden, sagten
-wir oben. Da nun der letzte Zweck unserer Anstalt keinesweges
-die Mittheilung eines Wissens, sondern die Entwicklung
-einer Kunst ist, der in einer Kunst Vollendete aber Meister
-heisst, so würde jene Documentation darin bestehen, dass
-er sich als Meister bewähre.
-</p>
-
-<p>
-Das Meisterstück würde am schicklichsten in einer zu liefernden
-Probeschrift bestehen, nicht über ein Thema freier
-Wahl, sondern über ein vom Lehrer seines Faches ihm gegebenes
-und <em class="italic">darauf</em> berechnetes, dass daran sich zeigen müsse,
-<em class="italic">ob der Lehrling die in seiner individuellen Natur liegende
-grösste Schwierigkeit</em>, die dem Lehrer ja wohlbekannt seyn
-muss, durch die kunstmässige Bildung seines Selbst besiegt
-habe. (Wählt er selbst, so wählt er das, wozu er am meisten
-Leichtigkeit und Lust hat; daran aber zeigt sich nicht der
-Triumph der Kunst; der Lehrer soll ihm das aufgeben, was
-für seine Natur das Schwerste ist, denn das Schwere mit
-Leichtigkeit thun, ist Sache des Meisters.) Ueber diese seine
-eigene Schrift nun, und auf den Grund derselben werde er, bis
-zur völligen Genüge des Lehrers, öffentlich examinirt.
-</p>
-
-<p>
-Es sind zwei Fälle. Entweder wird in einem besonderen
-empirischen Fache das Meisterthum begehrt. In diesem Falle
-giebt der Lehrer dieses Fachs das Thema; die Prüfung aber,
-<a id="page-162" class="pagenum" title="162"></a>
-<a id="pagehdr-162" class="orig-page" title="96"></a>
-und das <em class="italic">tentamen</em> zerfällt in zwei Theile, von denen, wie auch
-bei den früheren Beurtheilungen der Aufsätze der Studenten,
-der Lehrer des Faches nach der Erkenntniss, und beim Candidaten
-des Meisterthums insbesondere darnach forscht, ob er
-sie in der Vollständigkeit und bis zu demjenigen Detail, bis zu
-welchem der mündliche und Bücherunterricht an der Kunstschule
-fortgeht, gefasst habe; die philosophische Klasse aber
-über die lebendige Klarheit dieser Erkenntniss die Prüfung nach
-allen Seiten hinwendet und versucht.
-</p>
-
-<p>
-Oder der Candidat begehrte bloss in der Philosophie das
-Meisterthum: so würde er in Absicht des Themas sowohl,
-als der Prüfung auf den ersten Anblick lediglich der philosophischen
-Klasse anheimfallen, und die Empirie an ihn keine
-Ansprüche haben. Da inzwischen die Philosophie gar keinen
-eigentlichen Stoff hat, sondern nur das allen Stoff der Wissenschaft
-und des Lebens in Klarheit und Besonnenheit auflösende
-Mittel ist; und derjenige, der sich für einen grossen Philosophen
-ausgäbe, dabei aber bekennte, dass er weder etwas Anderes
-gelernt, vermittelst dessen, als eines Mittelgliedes, er
-seinen philosophischen Geist ins Leben einzuführen vermöchte,
-noch auch seine Philosophie unmittelbar von sich zu geben und
-sie anderen mitzutheilen verstände, ohne Zweifel der Gesellschaft
-völlig unbrauchbar, und keinesweges ein Künstler, sondern
-ein todtes Stück Gut seyn würde: so muss der, der sich
-auf die Philosophie beschränkt, wenigstens sein Vermögen sie
-mitzutheilen, und einen kunstmässigen Lehrer in derselben
-abzugeben, documentiren. Und so kann keiner als Meister in
-der Philosophie anerkannt werden, der sich nicht auch zugleich
-als <em class="italic">Doctor</em> derselben bewährt hat.
-</p>
-
-<p>
-Nun ist es ferner gar nicht hinlänglich, dass er in dieser
-Fertigkeit des Vortrages seiner Klasse genüge; er soll auch
-Nichtphilosophen, dergleichen ja, wenn er das Lehramt einst
-im Ernste verwaltet, alle seine Lehrlinge anfangs seyn werden,
-verständlich werden können; und so fällt denn in dieser Rücksicht
-das Endurtheil von seiner eigenen Klasse an die empirischen
-Klassen insgesammt, die es durch aus ihrer Mitte ernannte
-Stellvertreter verwalten können. Hier also entscheidet
-<a id="page-163" class="pagenum" title="163"></a>
-<a id="pagehdr-163" class="orig-page" title="97"></a>
-umgekehrt die philosophische Klasse über die Richtigkeit des
-Inhalts, als Resultat der erlernten Kunst, die Gesetze des Denkens
-im Philosophiren frei zu befolgen, die empirischen über
-die Gewandtheit und Klarheit in dieser Kunst, die er durch den
-Vortrag darlegt. Mögen diese immerhin über das Vorgetragene
-kein Urtheil haben; der Vortrag selbst wenigstens muss ihnen
-als meistermässig einleuchten. &mdash; Es werden darum diejenigen,
-welche um das Meisterthum in der Philosophie nachzusuchen
-gedenken, sich schon früher in dem Lehrerseminarium geübt
-haben, da der philosophische Vortrag ohnedies der vollkommenste
-und das Vorbild alles anderen Vortrages bleiben muss,
-und darüber an unserer Kunstschule alles Ernstes zu halten
-ist.
-</p>
-
-<p>
-Dagegen kann der empirische Gelehrte, der seine Kenntnisse
-vielleicht nur praktisch anzuwenden gedenkt, Meister
-seyn, ohne gerade Doctor seyn zu können. Macht er auch
-auf das Letztere Anspruch, und begehrt er an unserem Institute
-zu lehren, so muss er seine Fertigkeit darin noch besonders
-darthun, und hat er hierüber beiden, sowohl der philosophischen
-Klasse, als der seines Faches, Genüge zu leisten.
-</p>
-
-<p>
-Es lässt sich auch den Zugewandten das Recht, das Meisterthum
-in Anspruch zu nehmen, nicht durchaus versagen.
-Da jedoch hierbei die, den Lehrern auch von allen schwachen
-Seiten ihrer individuellen Natur oder Erkenntniss weit besser
-bekannten, Regularen in Nachtheil kommen würden, so wäre
-von den Zugewandten in diesem Falle, für Herstellung der
-Gleichheit, zu fordern, dass sie wenigstens Ein Lehrjahr vor
-ihrer Erhebung zu Meistern ihren Anspruch dem Lehrer des
-Faches, so wie dem der Philosophie, bekannt machten, und
-dieses Jahr hindurch sich dem allseitigen Studium dieser Lehrer
-blossstellten. Könnten nicht diese beiden Lehrer am Ende
-des Jahres mit gutem Gewissen erklären, dass ihnen diese jungen
-Männer für die Absicht hinlänglich erkundet seyen, so
-müsste die Berathung über ihr Gesuch abermals ein Lehrjahr
-hinausgesetzt werden, während dessen sie zu diesen beiden
-in demselben Verhältnisse blieben, wie im ersten Jahre. Sie
-möchten auch an diese Lehrer für diese <a id="corr-10"></a>eigentlich nicht im
-<a id="page-164" class="pagenum" title="164"></a>
-<a id="pagehdr-164" class="orig-page" title="99"></a>
-Kreise ihres Berufs liegende Mühe einen Ersatz auszahlen, der
-in jedem Falle, ob sie nun des Meisterthums würdig befunden
-wären oder nicht, verfiele.
-</p>
-
-<p>
-Erst durch die Erlangung des Meisterthums beweist der
-Regulare seine würdige Benutzung des Instituts, und tritt ein
-in sein Recht des ersten Anspruchs auf die ersten Würden
-des Staats. Ganz gleich lässt sich ihm hierin nun einmal nicht
-setzen der Meister aus den Zugewandten, der uns die nähere
-Bekanntschaft mit seinem moralischen Charakter und seiner
-bisherigen sittlichen Aufführung versagt hat. Jedoch auch hierüber
-das Beste hoffend, und da er denn doch auch der Kunst
-Meister ist, könnte man ihm den ersten Anspruch da, wo kein
-Meister aus den Regularen sich gemeldet, zugestehen.
-</p>
-
-<p>
-Den Regularen, die etwa in dem Gesuche des Meisterthums
-durchfielen, so wie Zugewandten, die keinen Anspruch darauf
-machten, möchte man immerhin den gewöhnlichen <em class="italic">Doctor</em>grad
-ertheilen, und mögen die empirischen Klassen über die dabei
-nöthigen Leistungen etwas festsetzen. Ein gewöhnlicher und
-gemeiner Doctor nemlich ist derjenige, der nicht zugleich auch,
-wie die früher oben angeführten, Meister ist; und es ist in
-diesem Falle mit den beiden letzten Buchstaben nicht eigentlich
-Ernst, indem wirklich Doctor zu seyn nur derjenige vermag,
-der Meister ist, sondern es ist jenes Wort nur euphemistisch
-gesetzt, statt <em class="italic">doctus</em>, einer der etwas erlernt hat.
-</p>
-
-<p>
-Die rechten heissen Meister schlechtweg, und kann man
-den Doctor weglassen; wiewohl man auch, um den Unterschied
-noch schärfer zu bezeichnen, die letzten Titular-Doctoren nennen
-könnte. Die philosophische Klasse hat bei dergleichen
-Promotionen gar kein Geschäft; denn in ihr selber giebt es
-nur Meister und Doctor in Vereinigung; um die anderen Klassen
-aber bekümmert sie sich nur, wenn diese Anspruch auf
-den Rang des Künstlers machen, dessen diese letzte Art der
-Doctoren sich bescheidet.
-</p>
-
-<p>
-Aus ihnen werden im Staate die subalternen Aemter besetzt.
-(Man creirte <em class="italic">magistros artium</em>, und in den neueren Zeiten,
-da der Magistertitel in Verachtung gerathen, hat man nur
-noch den für vornehmer geachteten Doctortitel führen mögen,
-<a id="page-165" class="pagenum" title="165"></a>
-<a id="pagehdr-165" class="orig-page" title="100"></a>
-da es doch offenbar weit mehr bedeutet ein Meister zu seyn,
-denn ein Lehrer. Wir haben mit jenen <em class="italic">magistris artium</em> gar
-nicht zu thun, da wir keinesweges <em class="italic">Künste</em> annehmen, und in
-denselben etwa bis auf Sieben zählen, sondern nur Eine, die
-Kunst schlechtweg, und diese zwar als unendlich, kennen;
-sondern unser Meister ist <em class="italic">artis magister</em> schlechtweg, der Kunst
-Meister, und es ist zu erwarten, dass die, die dieses Namens
-werth sind, sich seiner nicht schämen werden. Und so mögen
-sie denn immer Meister, schlechtweg ohne Beisatz und ohne
-das, auch nur verringernde, Herr, angeredet werden, und sich
-schreiben: der Kunst Meister.
-</p>
-
-<p>
-Vor der Neuerung haben wir uns auch nicht zu fürchten,
-denn auch andere Universitäten machen Neuerungen, wie die
-Jenaische, die anfing gar keine <em class="italic">magistros artium</em> mehr, sondern
-nur Doctoren der Philosophie, zu creiren, oder die zu
-Landshut, die dermalen Doctoren der Aesthetik creirt.
-</p>
-
-<p>
-Nun ist dieser <em class="italic">gradus magistri</em> dermalen nirgends vorhanden,
-und wir können uns denselben nicht ertheilen lassen.
-Ohne Zweifel aber wird das Meisterstück der die Kunstschule
-anfangenden Lehrer dann geliefert seyn, wenn sie andere Künstler
-gebildet haben. Indem sie nun mit gutem Gewissen diese
-für Meister erklären dürfen, erklären sie zugleich sich selbst
-dafür; sie erhalten den Grad, indem sie ihn ertheilen, und
-können ihn darum von da an auch führen.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-32">
-<span class="line1">§. 45.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-In allen den erwähnten Aufsätzen, so wie in denen über
-das Meisterthum und den damit zusammenhängenden <em class="italic">tentaminibus</em>
-wird die <em class="italic">deutsche</em> Sprache gebraucht, keinesweges etwa
-die lateinische. Der in diesem oft angeregten Streite dennoch
-niemals deutlich ausgesprochene entscheidende Grund
-ist der:
-</p>
-
-<p>
-Lebendige Kunst kann ausgeübt und documentirt werden
-lediglich in einer Sprache, die nicht schon durch sich den
-Kreis einengt, sondern in welcher man <em class="italic">neu</em> und <em class="italic">schöpferisch</em>
-seyn darf, einer lebendigen, und in welche, als unsere Muttersprache,
-unser eigenes Leben verwebt ist. Als die Scholastiker
-<a id="page-166" class="pagenum" title="166"></a>
-<a id="pagehdr-166" class="orig-page" title="102"></a>
-in der lateinischen Sprache mit freiem und originellem Denken
-sich regen wollten, mussten sie eben die Grenzen dieser
-Sprache erweitern, wodurch es nun nicht mehr dieselbe Sprache
-blieb, und ihr Latein eigentlich nicht Latein, sondern eine der
-mehreren im Mittelalter entstehenden neulateinischen Sprachen
-wurde.
-</p>
-
-<p>
-Wir haben für diese freie Regung unsere vortreffliche deutsche
-Sprache: das Latein studiren wir ausdrücklich als das
-abgeschlossene Resultat der Sprachbildung eines untergegangenen
-Volkes, und wir müssen es darum in dieser Abgeschlossenheit
-lassen.
-</p>
-
-<p>
-Der Philolog, eben weil er sein Geschäft in diesem fest abgeschlossenen
-Kreise treibt, kann bei Interpretation der Klassiker
-sich der römischen, und, wie in Gottes Namen zu wünschen
-wäre, auch der griechischen Sprache bedienen; und es
-wäre den Zöglingen unseres Institutes anzumuthen, dass sie
-schon beim Austritte aus der niederen Schule diese Fertigkeit,
-auch lateinisch zu reden und sich zu unterreden, gelernt hätten.
-Sollte man in gewissen Fällen, z. B. wo der Anspruch
-auf ein Schulamt ginge, nöthig finden, dass auch der Candidat
-des Meisterthums die Fortdauer und noch höhere Ausbildung
-dieser Fertigkeit zeigte, so könnte er dies thun, aber nur an
-Gegenständen jenes historisch geschlossenen Cyklus; wo aber
-ursprünglich schöpferisches Denken gezeigt werden soll, da
-wird die schon fertige Phrasis bald für uns denken, bald unser
-Denken hemmen; und darum bleibe bei diesem Geschäfte die
-todte Sprache ferne von uns.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-33">
-<span class="line1">§. 46.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Wir gehen über zur Oekonomieverwaltung unseres Instituts.
-</p>
-
-<p>
-Es ist vor allem klar, dass ein zu <em class="italic">fester Einheit</em> organisirtes
-Verwaltungscorps dieser Geschäfte eingesetzt werden müsse,
-dessen höchste Mitglieder wenigstens aus dem Schoosse der
-Akademie selbst seyen, etwa ausgetretene Lehrer, indem nur
-diesen die gebührende Liebe sich zutrauen lässt, die übrigen
-aber diesen und der gesammten Akademie verantwortlich sind.
-</p>
-
-<p>
-Um den Folgen aus der Veränderlichkeit des Geldwerthes
-<a id="page-167" class="pagenum" title="167"></a>
-<a id="pagehdr-167" class="orig-page" title="103"></a>
-für ewige Tage vorzubeugen, wären die Einkünfte des Institutes
-nicht auf Geld, sondern auf Naturalien festzusetzen, also,
-dass es z. B. zu einem bestimmten Termine von einem bestimmten
-Bezahler so und so viel Scheffel Korn zu ziehen hätte, die
-allerdings nicht in Natur, sondern in klingender Münze abgeliefert
-würden; nicht jedoch nach einem für immer festgesetzten
-Preise, sondern nach dem, den dieses Korn am Termine
-der Zahlung auf dem Markte wirklich hätte. Ebenso hätte es
-nun auch an seine Besoldeten terminlich so und so viel Scheffel
-Korn zu bezahlen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-34">
-<span class="line1">§. 47.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die beiden Hauptquellen von Einkünften, auf die wir fürs
-erste zu rechnen hätten, wären die Einkünfte des Kalenderstempels
-von der Akademie, sodann die der eingegangenen
-Universität Halle, inwiefern dieselben uns verbleiben, wozu noch
-die Verwaltung der <em class="italic">Zahlstellen</em> im Corps der Regularen, und
-späterhin andere, tiefer unten zu erwähnende, Hülfsquellen kommen
-würden. Nicht bloss darum, weil die Nation zahlt, sondern
-aus noch weit tieferen Gründen, soll dieselbe innigst mit
-dieser Angelegenheit verflochten werden, und unser Institut
-sehr deutlich als ein Nationalinstitut dastehen.
-</p>
-
-<p>
-Wir werden dies auf folgende Weise erreichen. Da den
-eigentlichen wesentlichen Theil unserer Anstalt, um dessenwillen
-alles Andere da ist, das Corps der Regularen bildet, so
-werden die Stellen in diesem Corps vertheilt auf die <em class="italic">Kreise</em>
-und <em class="italic">Städte</em> der Monarchie,<a class="fnote" href="#footnote-27" id="fnote-27">[27]</a> nach dem Maassstabe, wie jeder,
-gezwungen oder freiwillig, beiträgt. <em class="italic">Stellen</em>, nicht in dem Sinne,
-dass nur der aus dem Kreise oder der Stadt Gebürtige diese
-Stelle haben könne, sondern jeder, dem eine solche Stelle zukommt
-und sie begehrt, erhält sie ohne Verzug; sondern also,
-dass zwischen dem Besitzer der Stelle und dem Kreise oder
-der Stadt, dem sie zufällt, ein Verhältniss entstehe, wie zwischen
-Clienten und Patron; dass der Erstere glaube, so wie
-<a id="page-168" class="pagenum" title="168"></a>
-<a id="pagehdr-168" class="orig-page" title="105"></a>
-sein eigentlicher Geburtsort ihm zu dem natürlichen Leben, so
-habe dieser Kreis oder diese Stadt ihm zu dem höheren wissenschaftlichen
-Leben verholfen; dass die letztere an den Successen
-dieses ihres Alumnus den Antheil von Ruhm nehme,
-den die griechischen Städte an den aus ihnen stammenden Siegern
-in den olympischen Wettkämpfen nahmen; endlich, dass
-der Erstere, wie hoch er auch jemals emporsteige, dennoch
-zeitlebens zu dankbarem Gegendienste bei jeder Gelegenheit
-bereit sey, und aus dem Clienten ein Patron werde. Mehrere
-zarte sittliche Verhältnisse, die daher entspringen, abgerechnet,
-wird sich auch ein Interesse und eine Achtung für Wissenschaft
-durch die Nation als ein sie ehrenvoll auszeichnender
-Charakterzug verbreiten, der wiederum die Quelle grosser Ereignisse
-werden kann. Stellen ferner, nicht in dem Sinne, dass
-die Zahl derselben jemals geschlossen sey, vielmehr soll jeder,
-der es werth ist und es begehrt, aufgenommen werden; sondern
-dass die vorhandenen und besetzten nach diesem bestimmten
-Maassstabe unter die Kreise u. s. w. vertheilt werden.
-Auch dem <em class="italic">deutschen</em> Ausländer (wer von anderer Nation
-wäre, qualificirt sich wegen Abgang der Sprache nicht zum
-Wechselleben mit uns) soll, wenn er würdig ist, besonders
-wenn er beim Eintritte zugleich der Verpflichtung, die das vollkommene
-Bürgerrecht (§. 40.) mit sich führt, sich unterwürfe,
-die Aufnahme unter die Regularen nicht abgeschlagen werden.
-Doch würde, nach dem Grundsatze, dass mit dem Auslande
-nur der Repräsentant der Einheit des Staates zu verhandeln
-hätte, diese Erlaubniss nur der König ertheilen können, und
-wären somit alle an Ausländer gegebene Plätze <em class="italic">königliche</em>, keinesweges
-aber <em class="italic">Landes</em>-Stellen. Doch wäre der König zu ersuchen,
-diese Erlaubniss den von dem Lehrercorps vorgeschlagenen
-nicht leicht, und nicht ohne höchst bewegende Gründe zu
-versagen; indem, anderer Rücksichten zu schweigen, hierdurch
-die preussische Nation recht laut ihre Anerkennung des allgemeinen
-deutschen Bruderthumes documentirt, und auch dies
-in der Zukunft wichtige Ereignisse nach sich ziehen kann.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-35">
-<a id="page-169" class="pagenum" title="169"></a>
-<a id="pagehdr-169" class="orig-page" title="106"></a>
-<span class="line1">§. 48.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Nach Maassgabe, wie jeder Theil des Landes beiträgt, sollten
-auf ihn die Stellen vertheilt werden, sagte ich. So möchte,
-ohne alle Rücksicht, ob dadurch die Verwaltung vereinfacht
-werde oder nicht, indem weit höhere Dinge (die wirkliche Beschäftigung
-der Nation mit diesem Gegenstande und derselben
-Folgen) zu beabsichtigen sind, der bisherige Kalenderpacht ganz
-aufgehoben werden, dagegen aber die Kreise und Städte sich
-selber taxiren, wie viele Scheffel Korn für diesen Stempel sie
-zahlen wollten, die sie hernach durch eigene Distribution der
-Kalender wieder beitrieben; wobei ihnen vorbehalten bleiben
-müsste, die Stempelgebühr nach Steigen oder Fallen der Kornpreise
-zu steigern oder zu verringern. Nach dieser ihrer Quote
-am Beitrage zum Ganzen richtete sich ihr Antheil an der Berechtigung
-auf Stellen. Falls nicht, was der Schreiber dieses
-in seiner dermaligen Lage nicht erkunden kann, dadurch eine
-andere, schon eingeführte Stempeltaxe aufgehoben würde, so
-könnte diese Einnahme noch auf folgende Weise vermehrt werden:
-dass durch alle Theile der Monarchie dasselbe Eine Maass
-und Gewicht eingeführt werde, was ohnedies seit langem sehr
-zu wünschen war. Die Bestimmung eines solchen, und des
-Mittels, es unwandelbar zu erhalten, ist ein natürlich einer Akademie
-der Wissenschaften anheimfallendes Geschäft. Die Uebereinstimmung
-mit diesem Grundmaasse und Gewicht wäre nun
-allen Maassen und Gewichten durch einen Stempel zu attestiren,
-dessen Ertrag dem Institute zu gut käme, und auf dieselbe
-Weise beigetrieben würde.
-</p>
-
-<p>
-Ebenso würde das, woraus der bisherige Fonds der Universität
-Halle bestanden, auf Naturalien gesetzt, und denen, die
-es abzutragen schuldig sind, als Quote ihrer Berechtigung zur
-Besetzung der Stellen angerechnet.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-36">
-<span class="line1">§. 49.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Da die bei uns gebildeten Regularen den ersten Anspruch
-auf die ersten Stellen des Staates haben sollen, so würden,
-wenn noch andere Universitäten ausser uns in der Monarchie
-<a id="page-170" class="pagenum" title="170"></a>
-<a id="pagehdr-170" class="orig-page" title="108"></a>
-bestehen sollten, dieselben entweder auch sich zur Kunstschule,
-und zu diesem Behufe ein Corps von Regularen in ihrer Mitte
-bilden müssen; oder sie würden als reine Zugewandtheiten, in
-denen auch nicht einmal ein besserer Kern wirkte, zu betrachten
-seyn, und derselben Zöglinge ebenso am Verdienste wie
-am Rechte den unserigen nachstehen. Es ist zu befürchten,
-dass das erstere ihnen nicht sonderlich gelingen werde, indem
-wir, die wir ohnedies im Anfange nicht einmal auf Vollständigkeit
-für unseren Bedarf rechnen können, ihnen ohne Zweifel
-weder im Inlande noch im Auslande etwas für eine Kunstschule
-Taugliches übriglassen werden; dass sie sonach, bei
-dem besten Bestreben, dennoch in die zweite höchst nachtheilige
-Lage kommen würden. Und so dürfte denn vielleicht das
-in Anregung Gebrachte zugleich die Veranlassung werden, um
-über eine tiefere, bisher mannigfaltig verkannte Wahrheit die
-Augen zu öffnen.
-</p>
-
-<p>
-Das Bestreben, die Schule und Universität recht nahe am
-väterlichen Hause zu haben, und in dem Kreise, in welchem
-man dumpf und bewusstlos aufwuchs, ebenso dumpf fortzuwachsen
-und in ihm sein Leben hinzubringen, ist unseres Erachtens
-zuvörderst entwürdigend für den Menschen; &mdash; denn
-dieser soll einmal herausgehoben werden aus allen den Gängelbändern,
-mit denen die Familien-, Nachbar- und Landsmannsverhältnisse
-ihn immerfort tragen und heben, und in einem
-Kreise von Fremden, denen er durchaus nichts mehr gilt, als
-was er persönlich werth ist, ein neues und eigenes Leben beginnen,
-und dieses Recht, das Leben einmal selbstständig von
-vorn anzufangen, soll keinem geschmälert werden; &mdash; sodann
-streitet es insbesondere mit dem Charakter des wissenschaftlichen
-Mannes, dem freier, über Zeit und Ort erhabener Ueberblick
-zukommt, den das Kleben an der Scholle aber, das höchstens
-dem gewerbtreibenden Bürger zu verzeihen, entehrt; endlich
-wird dadurch sogar die organische Verwachsung aller zu
-Einem und demselben Bürgerthume gehindert, und lediglich daher
-entstehen die Absonderungen einzelner Provinzen und Städte
-vom grossen Ganzen des Staates; daher, dass z. B. der Ostpreusse
-dem Brandenburger, der Thüringer dem Meissner, als
-<a id="page-171" class="pagenum" title="171"></a>
-<a id="pagehdr-171" class="orig-page" title="109"></a>
-etwas für sich bedeuten wollend, gegenübertritt, und man sich
-nicht wundern muss, dass z. B. der Baier dem Preussen gegenüber
-sich der gemeinsamen Deutschheit nicht entsinnt, da
-ja sogar der Ostpreusse zuweilen des gemeinsamen Preussens
-vergisst. Aus keinem in solcher Beschränktheit Aufgewachsenen
-ist jemals ein tüchtiger Mensch oder ein umfassender Staatsmann
-geworden. Wäre dieses Bestreben einmal in seiner wahren
-Natur erkannt, und so eingesehen, dass dasselbe keinesweges
-geschont, sondern ohne Barmherzigkeit weggeworfen
-werden müsse: so wäre auch kein Grund mehr vorhanden,
-warum mehrere Universitäten in derselben Staatseinheit bestehen
-sollten; es würde erhellen, dass der Ausdruck &bdquo;<em class="italic">Provincialuniversität</em>&ldquo;
-einen Widerspruch enthalte, indem die Universalität
-das Besondere aufhebt, und dass Ein Staat von Rechtswegen
-auch nur Eine Universität haben sollte. Sollen und müssen
-einmal diejenigen Bürger des gemeinsamen Staates, die
-nicht bestimmt sind, aus der unbeweglichen Scholle den Nahrungsstoff
-zu ziehen, durcheinandergerüttelt werden zu allseitiger
-Belebung: so ist dazu die Universität der einzig schickliche
-Ort, und mögen sie von da an wiederum nach allen Richtungen
-verbreitet werden, jeder, nicht dahin, wo er geboren
-ist, sondern wohin er passt, damit wenigstens an dieser edleren
-Klasse ein Geschlecht entstehe, das nichts weiter ist, denn Bürger,
-und das auf der ganzen Oberfläche des Staates zu Hause ist.
-</p>
-
-<p>
-Nach diesen Principien müssten die anderen in der preussischen
-Monarchie vorhandenen Universitäten eingehen, und
-die Fonds derselben zu unserer Anstalt gezogen werden. Die
-in die neue Anstalt nicht herübergezogenen Lehrer könnten
-ihre Gehalte fortziehen, oder auch nach Maassgabe ihrer Brauchbarkeit
-anderwärts versorgt werden. (Einen Theil derselben
-würden wir, als die §. 42. beschriebene Art von Mitgliedern
-des Rathes der Alten, sogar nothwendig brauchen.) Diese herübergezogenen
-Fonds würden auf die Provinzen der eingegangenen
-Universitäten, als Quoten ihrer Berechtigung auf Stellen,
-vertheilt, zum Ersatze des verlorenen Rechtes im Schoosse der
-Familie den gelehrten Hausbedarf an sich zu bringen. Ueber
-<a id="page-172" class="pagenum" title="172"></a>
-<a id="pagehdr-172" class="orig-page" title="111"></a>
-unseren Plan gehörig verständiget, ist sogar zu hoffen, dass sie
-sich diese Abänderung gern werden gefallen lassen.
-</p>
-
-<p>
-(Als Einwürfe dagegen erwähne ich zuvörderst einen, den
-man kaum für möglich halten würde, wenn er nicht wirklich
-gemacht würde, den <em class="italic">von der weiten Reise</em>. Gerade die Möglichkeit,
-junge Menschen vorauszusetzen, welche die Unbequemlichkeit
-eines Transportes scheuen, wie Bäume, oder vor den
-Gefährlichkeiten einer Reise, z. B. von Königsberg nach Berlin,
-sich fürchten, beweiset, wie nothwendig es seyn möge, dem
-Muthe mancher in der Nation hierin ein wenig zu Hülfe zu
-kommen. Oder ist der Kostenaufwand für ordinäre Post und
-Zehrung auf dieser kurzen Reise ihnen so fürchterlich, so könnte
-man ja den sich berechtigt glaubenden Provinzen aus den Fonds
-eine Reisestipendienkasse zugestehen, aus denen sie für die
-gar zu Dürftigen diese kleine Ausgabe bezahlten.
-</p>
-
-<p>
-Sodann meint man: es könnte doch etwa einmal auf einer
-solchen Universität ein besonderer und interessanter Geist und
-Ton entstehen, den wir durch eine Aufhebung dieser Universität
-ganz unschuldig viele Jahre vor seiner Geburt morden würden,
-und man befürchtet, dass wir der Entwickelung der herrlichen
-Originalität innerhalb solcher kleinen Beschränkungen
-Eintrag thun würden. Hierauf dienet zur Antwort: dass zufolge
-der Zeit, in welcher die Wissenschaft steht, es in derselben
-nicht mehr Legionen Geister, die jeder für sich ihr Wesen treiben,
-sondern nur Einen, in seiner Einheit klar zu durchdringenden
-Geist giebt, für dessen ewige allseitige Anfrischung
-gerade an unserem Institute durch die sehr häufige Erneuerung
-des lehrenden Corps, und durch den offen geführten
-edlen Wettstreit aller miteinander, vorzüglich gesorgt ist;
-dass aber diese vorgebliche Originalität innerhalb localer Beschränkung
-nicht Originalität, sondern vielmehr <em class="italic">Caricatur</em> sey,
-welche, so wie den schlechten Geschmack, der an ihr sich
-labt, immermehr verschwinden zu machen, auch ein Zweck unserer
-Anstalt ist. Es bliebe nach Beseitigung dieser sich aussprechenden
-Einwürfe kein anderer übrig, als das dunkle Gefühl
-des Strebens, doch ja nichts umkommen zu lassen, indem
-allerhand, uns freilich nicht bekanntes Heil durch irgend eine
-<a id="page-173" class="pagenum" title="173"></a>
-<a id="pagehdr-173" class="orig-page" title="112"></a>
-Zauberkraft daraus sich entwickeln könne, mit welchem, als
-selbst nicht auf deutliche Begriffe zu Bringendem, man in der
-Region deutlicher Begriffe nicht reden kann.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-37">
-<span class="line1">§. 50.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die Stellen der Kanoniker an den Hochstiften waren ursprünglich
-für den Unterricht eingesetzt, und die Einkünfte könnten
-diesem ersten Zwecke füglich zurückgegeben werden. Auf
-die gleiche Weise ist der Streit gegen die Ungläubigen, wozu
-die Johanniter-Maltheserritter gestiftet worden, nicht mehr an
-der Tagesordnung, wohl aber der geistige Krieg gegen Unwissenheit,
-Unverstand und alle die traurigen Folgen derselben;
-und könnten so auch diese Güter diesem Zwecke gewidmet
-werden. Sie würden auf dieselbe Weise, wie die früher erwähnten
-Einkünfte, als Recht auf Stellen unter die Beitragenden
-vertheilt.
-</p>
-
-<p>
-Ich sage nicht, dass unser einiges Institut diese ohne Zweifel
-sehr grossen Hülfsquellen verschlingen solle. Dieses Institut
-muss für sich den Grundsatz der Verwaltung haben, dass ihm
-alles dasjenige, dessen es für die Erreichung seiner Zwecke
-bedarf, unfehlbar werde, dass es aber auch durchaus nichts
-begehre, dessen es nicht bedarf; noch kann es einen anderen
-haben, ohne durch überflüssiges Geschlepp und Gepäck sich
-selbst zur Last zu werden. Sodann wird zu bedenken seyn,
-dass auch der, demnächst sogleich zu reformirenden niederen
-Schule ihr Antheil zukomme; ferner, dass wenn es über kurz
-oder lang zu einer ernstlichen Reform der Volkserziehung kommen
-sollte, auch für die Unterstützung dieses Zweckes das Nöthige
-vorhanden seyn müsse. Wir wollen nur sagen, dass gerade
-die gegenwärtige Zeit der Verlegenheit benutzt werden
-könne, um jene bisher anders angewendete Güter für diesen
-grösseren Zweck des gesammten Erziehungswesens in Beschlag
-zu nehmen, und dass es unter anderen auch der Kunstschule
-freistehen müsste, von ihnen Gebrauch zu machen, falls einmal
-ihre anderen Quellen nicht ausreichend befunden würden.
-Selbst auf den Fall, dass zunächst, oder irgend ein andermal,
-der Staat für eigene Zwecke dieser Einkünfte bedürfe, worüber
-<a id="page-174" class="pagenum" title="174"></a>
-<a id="pagehdr-174" class="orig-page" title="114"></a>
-tiefer unten: so würde es immer ein freundlicheres Ansehen
-haben, wenn er sie zuerst für diesen, als Zweck der Nation
-unmittelbar einleuchtenden Zweck der Nationalerziehung in Beschlag
-genommen hätte.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-38">
-<span class="line1">§. 51.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Wie in Absicht der regularen Stellen überhaupt der Grundsatz
-feststeht, dass jedwedes Individuum, das zu einer solchen
-sich qualificirt, und sie begehrt, sie haben müsse, so steht in
-Absicht <em class="italic">der Zahlung</em> der Grundsatz fest, dass, wer zahlen
-könne, zahlen müsse, wer aber nicht zahlen könne, dieselbe,
-<em class="italic">inwiefern er nicht zahlen kann</em>, unweigerlich frei erhalte. Nicht
-die Zahlung qualificirt, sondern die anderweitige Leistung; und
-so soll auch der doppelt oder dreifach Zahlende dennoch, als
-Ausländer, bei dem Könige, als Inländer, bei einem Kreise, eine
-Stelle als freie Gunst nachsuchen, damit er wisse, dass es in
-unserer Anstalt noch etwas giebt, das für Geld nicht zu haben
-ist, und soll der etwanigen ökonomischen Rücksicht, dass man
-den Zahlung Anbietenden in Absicht der Proben der Würdigkeit
-gelinder behandle, durchaus kein Einfluss gestattet werden.
-Ebenso schliesst auch nicht das Unvermögen zu zahlen
-aus, sondern das geistige Unvermögen.
-</p>
-
-<p>
-Die zu leistende Zahlung ist zu berechnen im Durchschnitte
-(am besten auch nach Scheffeln Getreide) auf die eben erwähnten,
-dem Zöglinge in Natur zu liefernden Bedürfnisse, auf Honorar
-an die Lehrer für Unterricht und Prüfung bei Ertheilung
-des Meisterthums, auf Gebrauch der öffentlichen literarischen
-Schätze u. s. w., und haben die Eltern oder Vormünder des
-zahlenden Zöglings der Oekonomieverwaltung Caution zu leisten
-auf die Zeit, für welche der Zögling in das Institut aufgenommen
-wird, indem man ihn, um späterhin ausbleibender Zahlung
-willen, ja nicht ausstossen könnte, dennoch aber die Verwaltung
-auf ihn als Zahler rechnet. Die Form dieser Sicherstellung
-wird leicht sich finden lassen. Und zwar werden alle
-jene in Rechnung kommende Gegenstände also berechnet, wie
-sie dem Zöglinge zu stehen kommen würden, wenn er einen
-Privathaushalt führte, keinesweges aber also, wie sie der alles
-<a id="page-175" class="pagenum" title="175"></a>
-<a id="pagehdr-175" class="orig-page" title="115"></a>
-im Ganzen an sich bringenden Verwaltung zu stehen kommen:
-wie denn dies, da dieser grosse Haushalt ohne Zutritt des Einzelnen
-als eine Einrichtung des Staates besteht, ganz billig ist,
-und schon dadurch zu Deckung der Freistellen ein Beträchtliches
-gewonnen werden kann.
-</p>
-
-<p>
-Es ist zu hoffen, dass unsere reichen Häuser, deren Glanz
-ja sonst bei also getroffenen Einrichtungen in ihrer Nachkommenschaft
-erlöschen würde, den Zutritt zu unseren Regularen
-fleissig nachsuchen, und dass besonders unser Adel diese Gelegenheit
-mit Freuden ergreifen werde, um zu zeigen, dass es
-nicht bloss die versagte Concurrenz war, die ihn bei seinem
-bisherigen Range erhielt, sondern dass er auch bei eröffneter
-freier Concurrenz mit dem Bürgerstande denselben zu behaupten
-vermöge. Es könnte hierbei festgesetzt werden, dass die
-<em class="italic">Grafen</em> doppelte Zahlung leisteten, wie dies in Absicht der Collegienhonorarien
-auch bisher also gehalten worden; andere
-Adelige noch die Hälfte des ganzen Quantums zuschössen.
-</p>
-
-<p>
-Freistellen müssen nicht nothwendig <em class="italic">ganze</em> Freistellen seyn,
-indem eine Familie, die zwar nicht alle diese Kosten zu tragen
-vermöchte, doch vielleicht einen Theil derselben tragen kann.
-Es kann also Viertel-, Halbe-, Dreiviertelfreistellen geben, nach
-Maassgabe des Vermögens der Familie.
-</p>
-
-<p>
-Doch sollen ganz Unvermögende auch ganz freie Station
-erhalten; und es soll in Rücksicht dieser sogar eine Veranstaltung
-getroffen werden, wodurch sie beim einstigen Austritte
-aus dem Collegium der Regularen, wie dieser auch übrigens
-ausfallen möge, für die erste Zeit und bis zu einiger Anstellung
-gedeckt seyen.
-</p>
-
-<p>
-Die Entscheidung über diese theilweisen oder ganzen Befreiungen
-fällt der ökonomischen Verwaltung des Institutes zu,
-welchem zu diesem Behufe die Eltern oder Vormünder des Zöglings
-genügende Einsicht in die Vermögensumstände desselben
-zu geben haben. Es muss bei dieser Einsicht Genauigkeit stattfinden,
-indem hierüber das Ehrgefühl der Nation selbst geschärft
-werden soll, und so, wie Armuth keine Schande, das
-Sicharmstellen und die Raubgier, welche den Ertrag milder Stiftungen
-wirklich Unvermögenden wegzunehmen sucht, zur grossen
-<a id="page-176" class="pagenum" title="176"></a>
-<a id="pagehdr-176" class="orig-page" title="117"></a>
-Schande werden sollen. Hinwiederum ist mild und freundlich
-dem wirklichen Unvermögen das Gebührende zu erlassen,
-und es ist darum klar, dass diese Verwalter für den Fortgang
-der Wissenschaften redlich interessirte, und talentvolle Jünglinge,
-auch wenn sie arm sind, herzlich liebende Männer, und
-also selbst <em class="italic">Akademiker</em>, wo möglich <em class="italic">ausgetretene Lehrer</em> seyn
-müssen.
-</p>
-
-<p>
-Welcher nun unter den Zöglingen seine Stelle ganz, oder
-theilweise frei habe, braucht niemand zu wissen, ausser die
-Eltern oder Vormünder eines solchen und die erwähnten Verwalter;
-indem dieses die beiden Theile sind, welche die Abkunft
-geschlossen, und sind diese allerseits zur Verschwiegenheit
-zu verpflichten. Denn obwohl Armuth fernerhin keine
-Schande seyn soll, so soll doch so lange, bis es allgemein dahingekommen,
-dem zahlenden Zöglinge auch die Versuchung
-erspart werden, sich über den ihm bekannten Nichtzahler neben
-ihm zu erheben. Alle sollen in solche Gleichheit gesetzt
-werden, dass dem Reichsten das wenige, Anständigkeitshalber
-vielleicht nöthige Taschengeld von der Verwaltung nicht reichlicher
-gereicht werde, als dem ganz freien Armen. Nicht einmal
-der freigehaltene Zögling selbst braucht diesen Umstand
-zu wissen; denn obwohl wir für das Daseyn der Anstalt überhaupt
-die Dankbarkeit Aller, Zahler oder Nichtzahler, in Anspruch
-nehmen, so wollen wir doch dafür, dass jedes Talent,
-auch ohne Aequivalent in Gelde, bei uns Entwickelung findet,
-keinen besonderen Dank, indem wir dies für Pflicht, so wie für
-den eigenen Vortheil des Vaterlandes erkennen. Und so sind
-denn die an die Kreise zu vertheilenden Stellen keinesweges
-Kost- oder Freistellen, sondern es sind Stellen überhaupt. Jede
-mögliche Stelle kann auch Freistelle werden; nur weiss der
-Kreis selber nicht, wie es sich damit verhält, sondern nimmt
-unbefangen Antheil an den wissenschaftlichen Fortschritten seines
-Clienten, ohne zu wissen, auf welche besondere ökonomischen
-Bedingungen er dieses ist.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-39">
-<a id="page-177" class="pagenum" title="177"></a>
-<a id="pagehdr-177" class="orig-page" title="118"></a>
-<span class="line1">§. 52.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Indem der Ausfall, der durch diese ertheilten Befreiungen
-in der Oekonomie des Regulats entsteht, aus der Gesammtheit
-der oben verzeichneten Quellen bestritten werden muss, dieser
-Ausfall aber, jenachdem das vorzüglichere Talent aus den reichen
-oder aus den unbegüterten Klassen der Nation hervorgeht,
-sehr wandelbar und veränderlich seyn dürfte: so ist klar, dass
-in diesem Haupttheile der Ausgaben keine Fixirung stattfinde,
-dass der Verwaltung grosse Hülfsmittel zur Disposition stehen
-müssen, dass dieselbe durchaus kein Interesse hat, dieselben
-ohne Noth zu verschwenden, dass sie demnach die etwanigen
-Ersparnisse getreulich den Händen der Regierung zurückliefern
-wird, welche über die Wahrhaftigkeit des Resultates der geführten
-Verwaltung durch eine, gleichfalls auf Stillschweigen zu
-verpflichtende Behörde Einsicht nehmen kann; endlich, dass
-dieser ganze Theil der Verwaltung dem übrigen Publicum ein
-dasselbe nicht angehendes und ihm undurchdringliches Geheimniss
-bleibe. Das lehrende Corps ist es eigentlich, das nach
-den gelieferten Aufsätzen oder der von der niederen Schule
-gebrachten Tüchtigkeit, ohne alle Rücksicht oder Notiz von den
-Vermögensumständen, das Regulat ertheilt: dies ist das Erste
-und Wesentliche. In dieser Ertheilung können sie, nach dem
-aufgestellten Grundsatze, dass durchaus kein vorzügliches Talent
-ausgeschlossen werden solle, nicht beschränkt werden.
-Wie es mit dem also zum Regularen unwiederbringlich Ernannten
-in ökonomischer Rücksicht gehalten werden solle, ist die
-zweite ausserwesentliche Frage, deren Beantwortung der Oekonomieverwaltung
-anheimfällt. Dieser verbietet Gerechtigkeitsgefühl
-und Rücksicht auf Ehrliebe der Nation, Befreiung ohne
-Noth zu begünstigen; die Natur der ganzen Einrichtung aber,
-sie der dargelegten Noth zu versagen; und so kann auch diese
-auf keine Weise eingeschränkt werden.
-</p>
-
-<p>
-Ebensowenig findet im zweiten Haupttheile der Ausgaben,
-der Besoldung der Lehrer und anderer Akademiker, der Erhaltung
-oder neuen Anschaffung von Literaturschätzen, und anderer
-den Fortgang der Wissenschaften befördern sollender Einrichtungen,
-<a id="page-178" class="pagenum" title="178"></a>
-<a id="pagehdr-178" class="orig-page" title="119"></a>
-eine Fixirung statt. Denn obwohl sich auch etwa
-ein Maximum des Gehaltes für einen einzigen festsetzen liesse,
-so lässt sich doch durchaus nichts festsetzen über die Anzahl
-der zu Besoldenden, von so höchst verschiedenen Arten und
-Klassen, sondern es richtet sich diese, sowie die anderen angegebenen
-Veranlassungen von Ausgaben, nach dem jedesmaligen
-Zustande der Wissenschaft, und ist wandelbar wie dieser.
-Die Mitglieder der Anstalt können in diesen Beurtheilungen nur
-das Heil der Wissenschaft und ihrer Anstalt als höchstes Gesetz
-anerkennen, und sie sind diejenigen, denen gründliche Durchschauung
-desselben, sowie herzliche Liebe dafür sich am vorzüglichsten
-zutrauen lässt; auch verbietet die Erwägung dieses
-Heils selbst ihnen ebenso unnöthige Verschwendung in allen
-den erwähnten Zweigen, als schädliche und unwürdige Sucht
-zu sparen. Und so geht denn auch für diesen Theil dasselbe
-Resultat hervor, das wir oben für den ersten Theil aufstellten;
-es gilt dasselbe demnach fürs Ganze.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-40">
-<span class="line1">§. 53.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-In Absicht des Besoldungssystems möchte festgesetzt werden
-1) ein Gehalt, der dem Akademiker, als solchem, gereicht
-wird, und der dem des vollkommenen Bürgerrechtes Theilhaftigen
-unter keiner Bedingung entzogen werden kann. Da nicht
-so leicht jemand bloss Akademiker seyn wird, so ist dieser
-Gehalt nur als ein Beitrag, keinesweges aber als das, woraus
-der ganze anständige Unterhalt des Mannes zu bestreiten sey,
-zu betrachten. 2) Das Mitglied des Rathes der Alten hat entweder
-ein anderweitiges Staatsamt, oder eine von den mannigfaltigen
-ökonomischen oder Aufseherstellen, die aus der Natur
-unseres Instituts hervorgehen, wofür er besonders besoldet wird;
-auch wäre er für die Weisen, wie er durch vorübergehende
-Vorlesungen oder andere Leistungen uns nützlich wird, durch
-vorübergehende Remunerationen zu entschädigen. Arbeitet er
-an einem gelehrten Werke, so könnte ihm auch für diesen Behuf
-die Oekonomieverwaltung Unterstützung oder Vorschüsse
-leisten. 3) Der ausübende Lehrer wird nach Maassgabe seiner
-Arbeit an Vorlesungen und anderen Uebungen und Prüfungen
-<a id="page-179" class="pagenum" title="179"></a>
-<a id="pagehdr-179" class="orig-page" title="121"></a>
-besonders besoldet. Die Zugewandten zahlen für alle diese Gegenstände,
-inwiefern sie an denselben Antheil nehmen wollen,
-ein festzusetzendes Honorar, und zwar <em class="italic">voraus</em>. Denn es wird
-dadurch eines solchen Zugewandten, der sein vorausbezahltes
-Geld nun auch wiederum abhören will, Fleiss und Regelmässigkeit
-sehr befördert; und mögen wir ihm diese Art der Ermunterung
-gern gönnen. Der Regulare ist hierin frei, und wird eben
-der Gehalt des Lehrers als sein von der Verwaltung für ihn
-bezahlter Beitrag, der ja bei Zahlstellen auch angerechnet wird,
-betrachtet. Dieses von den Zugewandten zu ziehende Honorar
-ist jedoch dem Lehrer bei Fixirung seines Gehaltes nicht eben
-in Rechnung zu bringen, sondern derselbe also zu setzen, als
-ob er neben seinem Gehalte als Akademiker von diesem leben
-müsste; um ihn von dem Beifalle dieser Zugewandten ganz unabhängig
-zu erhalten.
-</p>
-
-<p>
-Dasselbe Honorar von den Zugewandten haben auch die
-ausserordentlichen Professoren zu beziehen.
-</p>
-
-<p>
-Eigentlich ist es die Akademie selbst, welche als unumschränkte
-Oekonomieverwaltung (§. 52.) sich selbst aus ihrer
-Mitte besoldet. So wie die anderen Stände nicht verlangen sollen,
-dass diese in Anständigkeit des Auskommens ihnen nachstehen,
-so wird auch ihnen von ihrer Seite gerade jenes nicht
-zu vermeidende Verhältniss die Pflicht auflegen, vor den Augen
-der Nation nicht als unersättliche und habsüchtige, sondern als
-edle und sich bescheidende Männer dazustehen; und ist diese
-Denkart auf alle Weise in sie hineinzubringen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-41">
-<span class="line1">§. 54.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Für das erste Lehrjahr möchte es zweckmässig seyn, den
-encyklopädischen Lehrern, sowie etwa den anderen nöthig befundenen
-Unterlehrern, wenn, wie es grösstentheils der Fall
-seyn dürfte, sie schon ausserdem, als Akademiker oder dergl.,
-einen fixirten lebenslänglichen Gehalt haben, eine besondere
-Remuneration für die Arbeiten dieses ersten Lehrjahres zuzugestehen,
-und für die folgenden Lehrjahre sich ein weiteres Bedenken
-vorzubehalten; unter anderen auch, damit man erst
-sähe, wie sich jedes machte, und ob nicht indessen etwas Anderes
-<a id="page-180" class="pagenum" title="180"></a>
-<a id="pagehdr-180" class="orig-page" title="122"></a>
-sich findet, das sich noch besser macht. In Bestimmung
-dieser Remuneration wäre, inwiefern nicht etwa der Mann schon
-sonst ausreichend besoldet ist, und man in dieser Rücksicht
-schon ohnedies einen Anspruch hat auf seine ganze Kraft, billig
-als Maassstab unterzulegen, was in dieser Zeit durch Schriftstellerei
-hätte erworben werden können. Denn obwohl das
-bisweilen auch übliche Ablesen eines vor langen Jahren angefertigten
-Heftes etwas höchst Bequemes ist, und kaum eine andere
-Kraft fordert, als die der Lunge, so dürfte doch eine solche
-Verwaltung des Lehramts, wie wir sie gefordert haben, und
-die unter anderen auch den grössten Theil der alten Hefte unbrauchbar
-macht, alle Kraft und Zeit des Lehrers in Anspruch nehmen;
-und wer diese Verhältnisse kennt, weiss, dass Collegienlesen
-auf die gewöhnlichen Bedingungen für einen nicht ungewandten
-Schriftsteller in ökonomischer Rücksicht ein Opfer ist,
-das zwar der wackere Mann gern bringt, der auch wackere
-aber nicht ohne Noth fordert.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-42">
-<span class="line1">§. 55.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Für dieses erste Jahr könnte nun der Universität vom Staate
-ein öffentlicher Hörsaal eingegeben werden. Die Studirenden
-löseten gegen ihr Honorar, etwa bei dem, um der Inscriptionen
-willen auch gleich anfangs anzustellenden Justitiarius der Universität,
-<em class="italic">Belege</em> (Zutrittskarten), nach welchen ihnen, durch
-einen gleichfalls anzustellenden <em class="italic">famulus communis</em>, auf eine zu
-Jena seit 1790 übliche, dem Schreiber dieses wohlbekannte
-Weise, ihre Plätze im Auditorium angewiesen werden. Da wir
-im ersten Jahre noch keine Regulare haben (Novizen können
-wir haben, die aber doch immer nur als Zugewandte zu betrachten
-sind), sonach diese etwa künftigen Regularen, denen
-vielleicht auch künftig Freistellen gegeben werden, in der allgemeinen
-Masse der Zugewandten noch unentdeckt liegen: so
-soll der Justitiarius, nach einem ihm etwa anzugebenden Kanon,
-diese erwähnten Belege auch frei geben können, worüber er
-sich hernach mit dem Lehrer, der das Collegium liest, zu berechnen
-hat. Ebenso wäre ein Plan zu entwerfen, wie man
-während dieses ersten Jahres unvermögende Studirende durch
-<a id="page-181" class="pagenum" title="181"></a>
-<a id="pagehdr-181" class="orig-page" title="124"></a>
-Stipendien, Freitische und dergl. unterstützen könnte. Doch ist
-die Einführung des gewöhnlichen Convictoren-, Stipendiaten-Examens
-und dergl., durch welche der Unvermögende herausgehoben
-und bezeichnet wird, als mit unserm allerersten Grundsatze
-über diesen Gegenstand streitend, auch im ersten Jahre
-zu vermeiden. Sollte man nicht etwa späterhin über den
-Grundsatz sich einverständigen, <em class="italic">dass bei solchen, die da Regulare
-werden weder könnten, noch wollten</em> (wo bei Bejahung
-des letzten Falles die einigermaassen frei zu haltenden wenigstens
-<em class="italic">Novizen</em> seyn müssten, und es im Noviziate über diesen
-Punct eben also gehalten werden könnte, wie oben (§. 51.) für
-das Regulat vorgeschlagen worden), und da die zu subalternen
-Geschäften nöthigen Handwerksfertigkeiten weit sicherer und
-schicklicher ausserhalb der Universität erlernt werden, <em class="italic">das Studiren
-ein blosser Luxus sey, der, wenn er ja statthaben solle,
-aus eigenen Mitteln, keinesweges aber auf Kosten des Staates,
-bestritten werden müsse</em>; sondern sollte man darauf bestehen,
-die milden Stiftungen der über diese Dinge freilich nicht so
-scharf sehenden Vorwelt, auf die bisherige Weise zu verwenden:
-so kann man freilich nichts dagegen haben, dass dergleichen
-Beneficiaten unter den blossen Zugewandten auf alle Weise
-bezeichnet werden, und, so Gott will, ihnen sogar eine metallene
-Nummer an den Aermel geheftet werde, damit die Liebeswerke
-doch auch recht in die Augen fallen! Nur soll man den
-nicht also behandeln, der einmal ein Ehrenjüngling und Regularer
-werden könnte.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-2-43">
-<span class="line1">§. 56.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Diese also zu einem organischen Ganzen verwachsene Akademie
-der Wissenschaften, wissenschaftliche Kunstschule und
-Universität muss ein Jahresfest haben, an welchem sie sich dem
-übrigen Publicum in ihrer Existenz und Gesammtheit darstelle.
-Der natürlich sich ergebende Act dieses Festes ist die Ablegung
-der Rechenschaft über ihre Verhandlungen das ganze Jahr über;
-und es sollten hiebei zugegen seyn Repräsentanten der Nation,
-gewählt aus den zu den Stellen Berechtigten, und des Königs,
-beider, als der Behörde, der die Rechenschaft abgelegt wird.
-<a id="page-182" class="pagenum" title="182"></a>
-<a id="pagehdr-182" class="orig-page" title="125"></a>
-Zu diesem Feste wäre der Geburtstag Friedrich Wilhelms des
-Dritten, als dessen Stiftung jener Körper existiren wird, falls er
-jemals zur Existenz kommt, unabänderlich und auf ewige Zeiten
-festzusetzen.
-</p>
-
-<h4 class="l2si subchap" id="subchap-4-2-44">
-<span class="line1">§. 57.</span><br />
-<span class="line2">Corollarium.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die einzelnen Vorschläge dieses Entwurfes sind keineswegs
-unerhörte Neuerungen; sondern sie sind, wie sich bei einem so
-viele Jahrhunderte hindurch in so vielen Ländern bearbeiteten
-Gegenstande erwarten lässt, insgesammt einzeln irgendwo wirklich
-dagewesen, und lassen sich bis diesen Augenblick in mehreren
-Einrichtungen der Universitäten Tübingen, Oxford, Cambridge,
-der sächsischen Fürstenschulen, in ihrem sehr guten,
-das Gewöhnliche weit übertreffenden Erfolge, darlegen. Lediglich
-darin könnte der gegenwärtige Entwurf auf Originalität Anspruch
-machen, dass er alle diese einzelnen Einrichtungen durch
-einen klaren Begriff in ihrer eigentlichen Absicht verstanden,
-sie aus diesem Begriffe heraus wiederum vollständig abgeleitet,
-und sie so zu einem organischen Ganzen verwebt habe; welches,
-wenn es sich also verhielte, demselben keinesweges zum
-Tadel gereichen würde.
-</p>
-
-<p>
-Den Haupteinwurf betreffend, den derselbe zu befürchten
-hat, den der Unausführbarkeit, muss in der Berathschlagung hierüber
-nur nicht die im Verlaufe von allen Seiten hinlänglich charakterisirte,
-übrigens ehrenwerthe und von uns herzlich geehrte
-Klasse gefragt werden, welche, wenn nur sie allein in der Welt
-vorhanden wäre, mit ihrer Behauptung der absoluten Unausführbarkeit
-recht behalten würde. Wir selbst geben zu, dass im
-Anfange die Ausführung am allerunvollkommensten ausfallen
-werde, glauben aber sicher rechnen zu dürfen, dass, wenn es
-überhaupt nur zu einigem Anfange kommen könne, der Fortgang
-immer besser gerathen werde; selbst aber auf den Fall,
-dass wir befürchten müssten, es werde sogar nicht zu einem
-rechten Anfange kommen, müssten wir dennoch den Versuch
-nicht unterlassen, indem im allerschlimmsten Falle wir doch
-<a id="page-183" class="pagenum" title="183"></a>
-<a id="pagehdr-183" class="orig-page" title="127"></a>
-nichts Schlimmeres werden können, denn eine Universität nach
-hergebrachtem deutschem Schlage.
-</p>
-
-<p>
-Die allgemeinen Merkmale der Gründlichkeit eines Planes,
-der sich nicht bescheiden mag, ein blosser schöner Traum zu
-seyn, sondern der auf wirkliche und alsbaldige Ausführung Anspruch
-macht, sind diese: dass er zuvörderst nicht etwa die
-wirkliche Welt liegen lasse und für sich seinen Weg fortzugehen
-begehre, sondern dass er durchaus auf sie Rücksicht nehme,
-wiewohl allerdings nicht in der Voraussetzung, dass sie bleiben
-solle, wie sie ist, sondern dass sie anders werden solle, und
-dass im Fortgange nicht Er sich ihr, sondern Sie sich ihm bequeme;
-und dass er, nach Maassgabe der Verwandtschaft, eingreife
-auch in die übrigen Verhältnisse des Lebens, und wiederum
-von diesen getragen und gehoben werde; sodann, dass
-er, einmal in Gang gebracht, nicht der immer fortgesetzten
-neuen Anstösse seines Meisters bedürfe, sondern für sich selbst
-fortgehe, und, so ers braucht, zu höherer Vollkommenheit sich
-bilde. Nach diesen Merkmalen sonach ist jeder Entwurf zu
-prüfen, wenn die Frage über seine Ausführbarkeit entschieden
-werden soll.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-26" id="footnote-26">[26]</a> Büttner (?).
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-27" id="footnote-27">[27]</a> Wie es z. B. mit den Stellen an den sächsischen Fürstenschulen die
-Einrichtung ist; auch mit den weiterhin beschriebenen Modificationen.
-</p>
-
-<h3 class="l2si chapter" id="chapter-4-3">
-<span class="line1">Dritter Abschnitt.</span><br />
-<span class="line2">Von den Mitteln, durch welche unsere wissenschaftliche Anstalt auf ein wissenschaftliches Universum Einfluss gewinnen solle.</span>
-</h3>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-1">
-<span class="line1">§. 58.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Das in unserer Kunstschule einmal begonnene wissenschaftliche
-Leben soll nicht etwa in jeder künftigen Generation, sowie
-es schon da war, nur sich <em class="italic">wiederholen</em>, viel weniger noch
-<a id="page-184" class="pagenum" title="184"></a>
-<a id="pagehdr-184" class="orig-page" title="128"></a>
-soll es ungewiss herumtappen, und so selbst Rückfällen ins
-Schlimmere ausgesetzt seyn; sondern es soll mit sicherem Bewusstseyn
-und nach einer Regel zu höherer Vollkommenheit
-fortschreiten. Damit dies möglich werde, muss die Schule die
-in einem gewissen Zeitpuncte errungene Vollkommenheit irgendwo
-deutlich und verständlich niederlegen; an welche also niedergelegte
-Stufe der Vollkommenheit dieses Zeitpunctes das beginnende
-frische Leben sich selber und seine Entwickelung
-anknüpfe. Am besten wird diese Aufbewahrung geschehen
-vermittelst eines <em class="italic">Buches</em>.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-2">
-<span class="line1">§. 59.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Da aber das wirkliche, in unmittelbarer Ausübung befindliche
-Leben der wissenschaftlichen Kunst fortschreitet von jeder
-errungenen Entwickelung zu einer neuen, jede dieser Entwickelungen
-aber, als die feste Grundlage der auf sie folgenden neuen,
-niedergelegt werden soll im Buche: so folgt daraus, dass dieses
-Buch selbst ein fortschreitendes, ein <em class="italic">periodisches</em> Werk seyn
-werde. Es sind <em class="italic">Jahrbücher</em> der Fortschritte der wissenschaftlichen
-Kunst an der Kunstschule; welche Jahrbücher, wie ein
-solcher Fortschritt erfolgt ist, ihn bestimmt bezeichnet niederlegen
-für die nächste und alle folgende Zeit, und welche, wenn
-die wissenschaftliche Kunst nicht unendlich wäre, einst nach
-Vollendung derselben begründen würden eine <em class="italic">Geschichte</em> dieser
-&mdash; sodann vollendeten Kunst.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-3">
-<span class="line1">§. 60.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die Kunst schreitet fort auf zwiefache Weise: theils überhaupt,
-wie alles Leben, dass sie eben lebendig bleibe, und niemals
-erstarre oder versteine; theils dass dieses überhaupt also
-fort<em class="italic">gehende</em> Leben auch fort<em class="italic">schreite</em> zu höherer Kraft und Entwickelung.
-Dies Letztere geschieht wiederum auf doppelte
-Weise: nemlich zuerst in ihm selber und intensive, in Absicht
-des <em class="italic">Grades</em>, sodann nach aussen hin und extensive, indem es
-immer mehr des ihm angemessenen Stoffes in sich aufnimmt,
-und ihn mit sich ihn durchdringend organisirt, also in Absicht
-der Ausdehnung. &mdash; Todt ist ein wissenschaftlicher Stoff, so
-<a id="page-185" class="pagenum" title="185"></a>
-<a id="pagehdr-185" class="orig-page" title="130"></a>
-lange er einzeln und ohne sichtbares Band mit einem Ganzen
-des Wissens dasteht, und lediglich dem Gedächtnisse, in Hoffnung
-eines künftigen Gebrauches, anheimgegeben wird. Belebt
-und organisirt wird er, wenn er mit einem andern verknüpft,
-und so zu einem unentbehrlichen Theile eines entdeckten grösseren
-Ganzen wird; und jetzt erst ist er der Kunst anheimgefallen.
-Wird dieses schon entdeckte und in den Jahrbüchern
-vorliegende Ganze mit einem klaren Begriffe durchdrungen (die
-Klarheit ist aber ein ins Unendliche zu steigerndes), dass die
-Theile sich noch enger an einander anschliessen und durch
-einander verwachsen: so hat die Kunst intensiv gewonnen;
-greift der vorhandene Einheitsbegriff weiter, und erfasst ein bis
-jetzt noch einzeln dastehendes Glied, so gewinnt sie extensive.
-Beide Arten des Fortschrittes unterstützen sich wechselseitig,
-und arbeiten einander vor. Die <em class="italic">Erweiterung</em> des Begriffes
-macht seine <em class="italic">Verklärung</em>, seine <em class="italic">Verklärung</em> seine <em class="italic">Erweiterung</em>
-leichter.
-</p>
-
-<p>
-In Absicht der zuerst erwähnten periodischen <em class="italic">Anfrischung</em>
-des wissenschaftlichen Lebens aber, die an sich kein Fortschreiten
-ist weder intensiv noch extensiv, verhält es sich also: &mdash;
-Unabhängig in Absicht der Materie von der besonnenen und
-kunstmässigen Entwickelung, und gerade um so mehr, in je
-höherem Grade die letztere vorhanden ist, schreitet das geistige
-Leben des Menschengeschlechtes durch sich selber, wie nach
-einem unbewussten Naturgesetze fort. Die Sprache concentrirt,
-die Phantasie erhöht sich, die Schnelligkeit des Fassungsvermögens
-steigt, der Geschmack wird zarter; und so <em class="italic">ersterben</em> in
-einem späteren Zeitalter Formen, die der wahrhafte Ausdruck
-des Lebens eines früheren waren, und so muss oft das, dem
-in keiner Weise eine höhere innere Vollkommenheit sich geben
-liesse, dennoch aus der erstorbenen äusseren Form in die des
-dermaligen Menschengeschlechtes aufgenommen werden. (Wir
-machen an folgendem Beispiele unseren Gedanken klarer. &mdash;
-Selber die Philosophie, als die reinste, stoffloseste Form, die
-auch im mündlichen Vortrage immer also, als reines Entwickelungsmittel
-der Kunst des Philosophirens, sich behandelt, geht
-dennoch in Beziehung auf stätigen Fortschritt der Wissenschaft
-<a id="page-186" class="pagenum" title="186"></a>
-<a id="pagehdr-186" class="orig-page" title="131"></a>
-auf <em class="italic">ein Buch</em> aus, welches <em class="italic">die durchgeführte richtige Anwendung
-der Denkgesetze</em>, als festes und stehendes Resultat, absetze.
-Fürs erste nun, was nicht unmittelbar dasjenige ist, was
-wir sagen wollen, sondern wodurch wir uns vorbereiten: &mdash;
-wäre nun ein solches Buch vorhanden, so würde bis ans Ende
-der Tage jedwedes Individuum, das ein Philosoph seyn wollte,
-vielleicht jenes Buch als Leitfaden brauchend, dennoch jene Anwendung
-der Denkgesetze <em class="italic">selbst</em> und in eigener <em class="italic">Person</em> durchführen
-müssen, und von dieser Arbeit jenes Buch ihn auf keine
-Weise entbinden. Dagegen hätte er davon folgenden Vortheil:
-führte sein Denken ihn auf ein anderes Resultat, als in jenem
-Buche vorliegt, so müsste er entweder deutlich und bestimmt
-nachweisen können, welcher Fehler in Anwendung der Denkgesetze
-im Buche begangen worden, der dieses von dem seinigen
-verschiedene Resultat hervorgebracht hätte; oder er wüsste,
-so lange er dies nicht könnte, sicher, dass er mit seinem eigenen
-Denken noch nicht im Klaren sey, er müsste annehmen,
-dass sein Resultat ebensowohl irrig seyn könnte, als das im
-Buche vorliegende, und hätte kein Recht, seinen Satz, der möglicherweise
-irrig seyn könnte, an die Stelle eines andern, der
-freilich auch irrig seyn kann, in dem allgemeinen Buchwesen
-zu setzen. Möchte er höchstens diesen seinen Satz, ausdrücklich
-als nicht sattsam begründet, für die weitere Untersuchung
-eines künftigen klareren Denkers aufbewahren. Und dies wäre
-denn in dem ersten, wie in dem zweiten Falle der Erfolg des
-vorhandenen Buches für die Wissenschaft, dort sichere Erweiterung,
-hier Verwahrung vor blindem Herumtappen und dem
-Eigendünkel, der da will, dass seine unbewiesenen Behauptungen
-mehr seyen, als anderer vielleicht bewiesene Behauptungen,
-indem er nur unfähig ist, den Beweis zu fassen. Hiervon
-reden wir nun zunächst nicht, sondern davon. Ob nun wohl
-auch jenes niedergelegte philosophische Buch also beschaffen
-wäre, dass es weder in seinem Inhalte, noch im Grade der
-Klarheit überhaupt eine Verbesserung erhalten könnte, so möchte
-es doch immer einer <em class="italic">Erfrischung</em> durch das neue Leben der
-Zeit bedürfen.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-4">
-<a id="page-187" class="pagenum" title="187"></a>
-<a id="pagehdr-187" class="orig-page" title="132"></a>
-<span class="line1">§. 61.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Das bisher beschriebene gäbe nun das <em class="italic">Kunstbuch</em> der
-Schule. Nun zeigt sich diese Kunst, und ihr Leben schreitet
-fort, in Organisation eines Stoffes. Inwiefern dieser Stoff wirklich
-schon organisirt ist, ist er aufgenommen in die Kunst und
-in derselben Buch, und es bedarf für ihn keines besonderen
-Buches; inwiefern er aber noch nicht durchdrungen ist, und er
-also die weitere Aufgabe für die Kunstschule enthält, muss
-diese Aufgabe irgendwo in fester Gestalt niedergelegt seyn, und
-die Schule bedarf, ausser ihrem Kunstbuche, auch eines <em class="italic">Stoffbuches</em>.
-Dies ist nun zum Theil schon vorhanden an dem ganzen
-vorliegenden Buchwesen, und muss nur die Schule dieses
-<em class="italic">kennen</em>. Die dahin gehörigen Einrichtungen sind schon im vorigen
-Abschnitte angegeben, und es lässt in dieser Kenntniss
-ein Fortschritt nur so sich denken, dass diese Kenntniss des
-vorhandenen Buchwesens vervollständiget, und das allgemeine
-Repertorium desselben besser geordnet und einer leichteren
-Uebersicht im Ganzen zugänglicher gemacht werde, auf welchen
-Zweck auch unsere Schule in alle Wege anzuweisen ist. Jenes
-auf diese Weise schon vorhandene grosse Stoffbuch selber soll
-nun fortschreiten: zuvörderst, indem es seiner äusseren Form
-nach erfrischt und erneuert wird, sodann, indem in Absicht
-des Inhaltes es theils berichtigt und von den darin vorhandenen
-Fehlern gereinigt, theils immerfort ergänzt und erweitert wird.
-Das Letzte geschieht durch neue Entdeckungen auf dem Gebiete
-der Geschichte und der Naturkunde; welche Entdeckungen immerhin
-bei ihrer ersten Erscheinung zur Aufnahme in die Einheit
-sich nicht qualificiren mögen, dennoch aber, bis ein Mehreres
-zu ihnen hinzukommt, aufbehalten werden müssen. Durch
-diese neuen Entdeckungen verlängert sich wiederum das Stoffbuch
-nach der Peripherie hin, das nach der Seite seines Centrums
-immer mehr verkürzt und von dem Kunstbuche aufgenommen
-wird.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Fortschritt, des Stoffbuches sowohl wie auch des
-Kunstbuches, kann sich nun begeben entweder <em class="italic">bei uns</em>, oder
-<em class="italic">bei anderen</em>; wo wir im letztern Falle die Ausbeute in unsere
-<a id="page-188" class="pagenum" title="188"></a>
-<a id="pagehdr-188" class="orig-page" title="134"></a>
-Schule und unser Buch aufzunehmen haben, damit das gesammte
-Buch des Menschengeschlechtes und sein wissenschaftlicher Fortschritt
-Einheit behalte.
-</p>
-
-<p>
-Zum Fortschritte dieses gesammten Buches gehören auch
-diejenigen Bestrebungen, dasselbe zu verbessern, die nur noch
-Versuche und noch nicht zu der Festigkeit gediehen sind, dass
-man sie in einem Buche niederlegen könne. Auch diese Versuche,
-wenn sie bei anderen angestellt werden, kennen zu lernen,
-wenn wir sie anstellen, uns dabei der Beobachtung anderer
-nicht zu entziehen, müssen wir Anstalt treffen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-5">
-<span class="line1">§. 62.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Um über den Fortschritt der wissenschaftlichen Kunst, die
-im Kunstbuche dargelegt werden soll, ganz verständlich zu werden,
-legen wir unsere Gedanken dar an einem Beispiele.
-</p>
-
-<p>
-Wenn also z. B. mit der Universalgeschichte es dahin zu
-kommen bestimmt wäre, dass man einsähe, sie sey nicht ein
-Zufälliges, das auch entbehrt werden könne, sondern sie habe
-eine bestimmte, dem Menschengeschlechte sich aufdringende
-Frage nach bestimmten gleichfalls im menschlichen Geiste schon
-vorliegenden Frageartikeln zu beantworten, als etwa: wie unser
-Geschlecht zu menschlicher Lebensweise, zu Gesetzlichkeit, zu
-Weisheit, zur Religion, und worin noch etwa sonst die Ausbildung
-zum wahren Menschen bestehen mag, sich allmählig erhoben
-habe, &mdash; hier einseitig, dann zurückfallend, um auch andere,
-bisher vernachlässigte Bildungsweisen in sich aufzunehmen;
-&mdash; und man über diese Fragen zu einigen bestimmten
-und unveränderlichen Resultaten gekommen wäre: so würde
-man sodann auch einsehen, dass die bisher abgesteckten Epochen
-nach Entstehung oder Untergang grosser Reiche, nach
-Schlachten und Friedensschlüssen, die Regententafeln u. dergl.
-nur provisorische Hülfsmittel, berechnet auf eine Denkart, die
-nur durch die Erschütterung des äusseren Sinnes berührt wird,
-gewesen seyen, um die Sphäre jener besseren Ausbeute indessen
-zu erhalten; und man würde nur an jene, inniger an das
-Interesse der menschlichen Wissbegier sich anschmiegenden
-Epochen die Geschichte anknüpfen, welche nun allerdings auch
-<a id="page-189" class="pagenum" title="189"></a>
-<a id="pagehdr-189" class="orig-page" title="135"></a>
-jene ersten weniger bedeutenden mit sich fortführen würden,
-damit das Gemälde sein vollkommenes Leben bis auf den wirklichen
-Boden herab bekäme. Man würde z. B. nicht mehr sagen:
-unter der Regierung des und des wurde der Pflug erfunden,
-sondern umgekehrt: als der Pflug erfunden wurde, regierte
-der und der, dessen Leben vielleicht auf die weiteren Begebenheiten
-des Pfluges, auf welches letzteren Geschichte es hier
-doch allein ankommt, Einfluss hatte. Die Kunst der Geschichte
-wäre dadurch ohne Zweifel fortgeschritten, indem man nunmehro
-erst recht wüsste, wonach man in derselben zu fragen,
-und worauf in ihr zu sehen habe; sie wäre mit einem klaren
-Begriffe durchdrungen.
-</p>
-
-<p>
-Dadurch wäre auch die ganze Bearbeitung derselben an
-unserer Kunstschule verändert. Vorher bestand ihre eigentliche
-Aufgabe darin, jenen klaren Begriff und die festen Data,
-die eine Uebersicht der Begebenheiten nach seiner Leitung
-giebt, <em class="italic">zu finden</em>, und in diesem Finden bestand die gemeinschaftliche
-Arbeit unserer Kunstschule. Jetzt ist dies da: es
-wird abgesetzt im Buche, das unser Zögling selber lesen mag.
-Vorher musste er ein nach anderen Epochen eingetheiltes Buch
-lesen, das ihm jetzt auch in alle Wege nicht ganz erlassen
-werden kann, das aber ihm, der einen Leitfaden von höherer
-Potenz hat, weit leichter haften wird, als seinem früheren Vorgänger.
-Die unmittelbar zu treibende Kunst an unserer Schule
-erhält in Beziehung auf die Geschichte eine andere Aufgabe;
-ohne Zweifel die, jene Data weiter auszuarbeiten und zu verbinden,
-und so mehr des bisher noch nicht durchdrungenen
-Stoffes der Facta durch den Grundbegriff zu durchdringen.
-</p>
-
-<p>
-So in allen anderen Fächern. Die Kunst gräbt fortgehend
-sich tiefer in bisher unsichtbare Welten; die in dem nunmehr
-ausgegrabenen Schachte gewonnene Ausbeute legt sie im Kunstbuche
-nieder, als Ausgangspunct und als Instrument ihres weiteren
-Verfahrens.
-</p>
-
-<p>
-Und so wäre denn 1) in unseren Jahrbüchern des Fortschrittes
-der Kunst an unserer Schule, als Hauptbestandtheile
-und als Epoche machend, niederzulegen die encyklopädischen
-Ansichten jedes unserer Lehrer von seinem Fache; kurz, versteht
-<a id="page-190" class="pagenum" title="190"></a>
-<a id="pagehdr-190" class="orig-page" title="137"></a>
-sich, und im Grossen und Ganzen. Sollte ihm, wie dies
-also zu erwarten, diese klare und ewig dauernde Rechenschaft
-auch nicht während der Ausübung seines Lehramtes angemuthet
-werden können, so kann sie dennoch nach dem Austritte
-ihm nicht füglich erlassen werden, und hat er darauf schon
-während der Ausübung zu rechnen.
-</p>
-
-<p>
-2) Da unsere Schüler auch Bücher lesen sollen, und wir
-ihnen überhaupt nichts zu sagen gedenken, was ebenso gut
-im Buche steht, so gehört zu jener encyklopädischen Rechenschaft
-eines Lehrers allerdings auch die Angabe, welche Lectüre
-er vorschreibe. Diese Lectüre mag für den Anfang in
-schon vorhandenen Büchern bestehen, und es wird in diesem
-Falle genug seyn, diese zu citiren.
-</p>
-
-<p>
-Späterhin aber werden wir, theils um die allenfalls veraltete
-äussere Form anzufrischen, theils aber und vorzüglich,
-wegen des durch den Fortschritt der Kunst ganz veränderten
-Ausgangspunctes der von uns wirklich zu <em class="italic">treibenden</em> Kunst,
-Lesebücher für unsere Zöglinge (ein <em class="italic">corpus</em> jedes einzelnen
-Faches, wie es bisher nur ein <em class="italic">corpus juris</em> gab) eigens drucken
-lassen müssen. In Absicht des ersten &mdash; des Auffrischens &mdash;
-wird zu beachten seyn, dass dies nicht von dem Ermessen
-des Einzelnen abhängen könne, sondern mehrere die Tüchtigkeit
-eines Einzelnen für diesen Behuf anerkennen müssen, indem
-nicht in jedem der gesammte lebendige Zeitgeist sich ausspricht,
-und mancher versucht wird, seinen individuellen Geist
-für jenen zu halten. In Absicht des zweiten haben wir, sowie
-im Lehren, den Grundsatz, nicht zu sagen, was schon gedruckt
-ist, im Schreiben den, nicht zum zweitenmale drucken zu lassen,
-was einmal gedruckt ist. &mdash; Wird einmal das Bedürfniss
-solcher eigenen Lesebücher eintreten, so werden uns die Mittel
-nicht abgehen, demselben abzuhelfen, und können wir recht
-füglich von denen, die bei uns Meister oder Doctor zu werden
-verlangen, dergleichen Probestücke begehren.
-</p>
-
-<p>
-Wir erhielten an jenen encyklopädischen Rechenschaften,
-von denen jede künftige die vorhergegangene entweder <em class="italic">formaliter</em>,
-durch Klarheit und Leichtigkeit, oder <em class="italic">materialiter</em>, durch
-weitere Umfassung des Stoffes, übertreffen müsste, &mdash; oder sie
-<a id="page-191" class="pagenum" title="191"></a>
-<a id="pagehdr-191" class="orig-page" title="138"></a>
-könnte nicht aufgenommen werden, und dies wäre ein Beweis,
-dass die Kunst dermalen bei uns stille stände &mdash; eine <em class="italic">fortgehende
-und eng zusammenhängende Reihe</em> von Fortschritten in
-der Wissenschaft, welche der Nachwelt, die einen beträchtlichen
-Theil derselben übersehen, und vielleicht das <em class="italic">Gesetz</em> dieses
-Fortschrittes entdecken könnte, wiederum als Mittel weit
-höherer Fortschritte dienen könnte. Wir erhielten an dem,
-mit jener und ihrem Gesetze gemäss fortschreitenden <em class="italic">Lesebuche</em>,
-das nicht gerade in den Context jener Jahrbücher eingewoben
-seyn müsste, sondern selbstständig existiren könnte, ein äusserliches
-Document und einen Exponenten der Jahrbücher.
-</p>
-
-<p>
-Dieses Lesebuch würde, sowie es von einer Seite durch
-Steigerung der Gesichtspuncte anwüchse, von der anderen
-durch Auswerfung des sattsam bearbeiteten Stoffes abnehmen.
-Wir machen dies deutlich an demselben Beispiele der Geschichte.
-Wenn man durch Erfassung etwa des angegebenen
-Standpunctes für diese &mdash; die Geschichte &mdash; vielleicht auch
-den Zweck aufgeben wird, in derselben <em class="italic">Psychologie</em> oder
-<em class="italic">Staatswissenschaft</em> zu lernen &mdash; Zwecke, die man leicht für
-Vorspiegelungen halten dürfte, um dem Philosophen gegenüber
-sich aus der Verlegenheit zu ziehen, einen Zweck ihres Studiums
-deutlich anzugeben, &mdash; begreifend, dass man diese Zwecke
-weit wohlfeileren Kaufes mit der Philosophie erreichen könne;
-dass aber die Regierungs<em class="italic">kunst</em>, die durchaus etwas Anderes
-ist, denn die durch Philosophiren zu schöpfende Regierungs<em class="italic">wissenschaft</em>,
-eine leichte und sich von selbst findende Zugabe
-des rechten Studiums der Geschichte sey: &mdash; wenn man, sage
-ich, diese Zwecke aufgeben wird, alsdann wird man einer
-Menge Untersuchungen, die nur dem psychologischen oder politischen
-Zwecke unter die Arme greifen sollen, sich gern
-überheben. &mdash; (So lange es, um über die Aechtheit eines gewissen
-Documents urtheilen zu können, auf die Untersuchung,
-welchen Zuschnitt der Bart eines gewissen Kaisers gehabt habe,
-ankommt, muss man in alle Wege diese Untersuchung gründlich
-treiben. Sollte aber durch einstige Vollendung dieser Untersuchung
-die Aechtheit oder Unächtheit des Documents, gemeingültig
-für alle künftige Zeit, ausgemittelt seyn, so mag man
-<a id="page-192" class="pagenum" title="192"></a>
-<a id="pagehdr-192" class="orig-page" title="140"></a>
-nun den Bart immer fahren lassen; ja dieses um so mehr,
-wenn sogar an der Aechtheit oder Unächtheit des Documents
-selber uns nichts mehr liegen sollte, indem, was dadurch entschieden
-werden soll, indess anderwärtsher entschieden worden.
-Freilich müsste man zu diesem Behufe auch darüber mit
-sich einig seyn, dass es in allen Fächern Gewissheit und eine
-feste, unwidersprechliche Beweisführung gebe, und nicht etwa
-gerade in das blinde Herumtappen, und in die Wiederholung
-desselben Kreislaufes durch jegliche Generation, die Perfectibilität
-des Menschengeschlechtes setzen.)
-</p>
-
-<p>
-So, wenn nun jemand durchaus kein anderes Mittel hat,
-um über den Werth einer gewissen Meinung zu entscheiden,
-ausser daraus, dass sie die Meinung eines gewissen alten Philosophen
-gewesen, dabei aber doch noch immer Zweifel hegt,
-ob dieselbe nicht vielmehr die Folge der Gesundheitsbeschaffenheit
-dieses Philosophen, als seiner Speculation gewesen: so
-ist diesem die Frage über die Hypochondrie oder Nichthypochondrie
-des Mannes allerdings höchst bedeutend; wer aber
-auf anderem Wege über den in Frage gestellten Werth Bescheid
-hätte, der könnte jenen Philosophen sammt seinem Gesundheitszustande
-ruhig an seinen Ort gestellt seyn lassen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-6">
-<span class="line1">§. 63.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Neben diesem ersten und wesentlichen Theile der Jahrbücher,
-den encyklopädischen Rechenschaften der Lehrer, giebt
-es noch einen zweiten, zum ersten nothwendig gehörenden
-Theil, die Ausarbeitungen der Schüler. Denn es soll ja nicht
-bloss die Kunst der gesammten Schule in Bearbeitung des wissenschaftlichen
-Stoffes, es soll auch die besondere Kunst der
-Lehrer gezeigt werden, selber Künstler aus dem ihnen gegebenen
-Stoffe der Zöglinge zu bilden, und, so Gott will, der Fortgang
-auch dieser Kunst. Ueber die Lehrmethode derselben
-wird schon ihre encyklopädische Rechenschaft, auch ohne ausdrückliches
-Vermelden, die nöthige Auskunft geben. Ueber so
-viele andere, in Worten auch nicht füglich zu beschreibende
-Kunstmittel mögen sie schweigen, und dieselben eben üben;
-<a id="page-193" class="pagenum" title="193"></a>
-<a id="pagehdr-193" class="orig-page" title="141"></a>
-aber ihr <em class="italic">Werk</em>, den Künstler, der aus ihren Händen hervorgeht,
-mögen sie vorzeigen.
-</p>
-
-<p>
-Im Anfange zwar, und in den ersten Jahren werden wir
-noch nichts dieser Art vorzuweisen haben; einen sicheren Anfang
-aber müssen dennoch auch die Jahrbücher sich setzen,
-indem es ausserdem wohl immer bei dem Versprechen bleiben
-könnte. Dieser Anfang könnte erscheinen zu Anfang des zweiten
-Lehrjahres, und er müsste enthalten: 1) die encyklopädischen
-Ansichten der angestellten Lehrer jedes Faches, die sie
-ja ohne Zweifel bei der Vorbereitung auf dieses ihnen grossentheils
-neue Collegium schriftlich entworfen, und während des
-mündlichen Vortrages und der mit den Lehrlingen angestellten
-Uebungen verbessert haben werden. 2) Die Probeaufsätze der
-Studirenden, welche gebilligt, und deren Verfassern die Befugniss,
-das Regulat nachzusuchen, gegeben worden. Sollte
-das Letztere zu weitläufig ausfallen, so könnten aus den gelungenen
-nur die gelungensten ausgewählt, der anderen aber
-nur im allgemeinen mit dem gebührenden Lobe gedacht
-werden.
-</p>
-
-<p>
-(Der zweite Punct wäre zugleich die den Lehrern, die das
-Regulat zuerst besetzen, allerdings nicht zu erlassende öffentliche
-Rechenschaft, dass sie hierbei nach festen Grundsätzen
-und keinesweges willkürlich verfahren; ingleichen die Weisung
-an Studirende und deren Eltern, was bei künftigem Anspruche
-auf dasselbe Regulat von ihnen <em class="italic">wenigstens</em> gefordert werden
-würde. Wenigstens; denn es könnte so kommen, dass das
-erstemal, um denn doch überhaupt ein an Personal nicht gar
-zu schwaches Regulat einzusetzen, nach ein wenig milderen
-Grundsätzen verfahren werden müsste, denn späterhin.)
-</p>
-
-<p>
-Aus denselben Bestandtheilen, Nachträgen der Lehrer zu
-ihren encyklopädischen Ansichten, und Probeaufsätzen neuer
-Candidaten des Regulats würden die Jahrbücher auch zu Anfange
-des dritten, vierten etc. Lehrjahres bestehen, so lange
-bis wir Aufsätze von solchen, die bei uns das Meisterthum erhalten
-hätten, mittheilen und so die Aufsätze der Schüler ungedruckt
-lassen könnten. Erst mit diesen ginge die eigentliche
-Rechenschaftsablegung des Lehrers über seine Lehrkunst an.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-194" class="pagenum" title="194"></a>
-<a id="pagehdr-194" class="orig-page" title="143"></a>
-Hier auch hebt die eigentliche Rechenschaft der gesammten
-Kunstschule über den Fortschritt des Lehrtalentes und der
-Künstlerbildung an ihr an. Werden, noch abgerechnet die Steigerung
-des Begriffes selbst (wovon in §. <em class="italic">praeced.</em>), in der <em class="italic">Form</em>
-die Aufsätze der künftigen Meister klarer, gewandter, freier,
-leichter, denn die der früheren, so steigt die Kunst; das Gegentheil
-davon wäre ein Beweis, dass sie wenigstens in dieser
-Rücksicht fiele, und die gesammte Akademie hätte zusammenzutreten
-und Anstalten zu treffen, <em class="italic">ne detrimenti quid capiat
-respublica</em>.
-</p>
-
-<p>
-Schon in den anderen mit den Lehrlingen anzustellenden
-Uebungen, recht eigentlich aber, und auch andern sichtbar in
-diesen Jahrbüchern, kann ein Lehrer sehen, ob ein anderes,
-jugendlicheres und gewandteres Lehrertalent neben ihm aufkomme,
-und er hat sodann ohne Säumen auszutreten, und diesem
-seinen Lehrstuhl zu überlassen. Der eigentliche Vater dieses
-Studiums, und der fortdauernde Berather und Warner in
-demselben bleibt er immerfort.
-</p>
-
-<p>
-Der hier entworfene Begriff solcher Jahrbücher wäre dem
-ersten anhebenden Theile derselben in einer, das grosse
-Publicum befriedigenden Deutlichkeit voranzusetzen, und hätten
-wir in dieser Einleitung uns auf alle hier aufgestellten Grundsätze
-für uns und unsere Nachkommen, vor Welt und Nachwelt,
-auf ewig zu verpflichten.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-7">
-<span class="line1">§. 64.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Betreffend den Fortgang insbesondere des Stoffbuches durch
-uns, geht dieser, wie sich versteht, auch bei uns, sowie in der
-übrigen Welt, seinen Weg fort. Es wäre hierbei nur folgendes
-anzumerken. Zuvörderst ist wohl von keinem unserer Akademiker
-zu erwarten, dass er, entweder um das Daseyn seiner
-Person kund zu thun, oder um an den Ehrensold irgend eines
-schlecht unterrichteten Buchhändlers zu kommen, Geschriebenes
-schreibe, und compilirend aus zehn Büchern ein eilftes mache,
-und hätte, falls dergleichen doch einem beikäme, die gesammte
-Akademie die gemeinschaftliche Ehre zu retten, und die Schmach
-des Einzelnen von sich abzuwehren. Sodann: dergleichen Vermehrungen
-<a id="page-195" class="pagenum" title="195"></a>
-<a id="pagehdr-195" class="orig-page" title="144"></a>
-des Stoffbuches von Seiten unserer Akademiker
-müssten zunächst auf das gegenwärtige Bedürfniss unserer
-Kunstschule gehen und bestimmt seyn, diesem abzuhelfen; und
-es wäre den Arbeiten von dieser Beziehung der Vorzug vor
-anderen zu geben. Im Falle eines solchen Bedürfnisses könnten
-wir auch Auswärtige zur Mithülfe durch Aussetzung eines
-<em class="italic">Preises</em> auffordern; der Akademiker selbst ist für den Preis zu
-hoch; dem Bedürfnisse der Familie abzuhelfen, wenn er kann,
-ist ihm ohnedies Pflicht wie Freude, und sind die vom Rathe
-der Alten recht eigentlich für dieses Geschäft, auch in Absicht
-des Buchwesens, eingesetzt.
-</p>
-
-<p>
-Einen Theil des fortschreitenden Stoffbuches jedoch müssen
-wir als ein nothwendiges Glied in unseren Plan aufnehmen,
-und die regelmässige Fortsetzung desselben organisiren; ich
-meine die Niederlegung der an unserer Akademie gemachten
-neuen Entdeckungen für Geschichte und Naturwissenschaft, zu
-welcher letzteren auch das in der ärztlichen Praxis Entdeckte,
-das einen wissenschaftlichen Aufschluss über die Natur verspricht,
-gehört, und wir deswegen auch, ohnerachtet wir die
-ärztliche Praxis ganz von uns auszuschliessen gedenken, für diesen
-letzteren Behuf einen, oder etliche Männer unter unseren
-Akademikern haben müssen. Es ist unsere Pflicht sowohl, als
-unser Vortheil, dass diese Entdeckungen, sobald sie zu einer
-bestimmten schriftlichen Relation haltbar genug geworden, nicht
-innerhalb unserer Gesellschaft bleiben, sondern auch das auswärtige
-Publicum, das uns ja auch diesen neuen Stoff bearbeiten
-helfen soll, Kunde davon erhalte. Es müssten drum angelegt
-werden <em class="italic">Jahrbücher der Wissenschaftlichen Entdeckungen
-an unserer Akademie</em>. Ob der Stoff so reich ausfalle, dass er
-einer selbstständigen periodischen Schrift bedürfe, oder ob diese
-Jahrbücher mit dem tiefer unten zu erwähnenden Werke, der
-Bibliothek der Akademie, vereinigt werden sollten, mag entschieden
-werden, wenn es an die wirkliche Ausführung geht.
-So viel ist klar, dass wir kein Bändchen der Fortsetzung solcher
-Jahrbücher liefern können, wenn wir innerhalb der Zeit
-nichts Neues entdeckt haben, dass sie somit keinesweges bestimmte
-Termine ihrer Erscheinung halten können.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-8">
-<a id="page-196" class="pagenum" title="196"></a>
-<a id="pagehdr-196" class="orig-page" title="146"></a>
-<span class="line1">§. 65.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Noch ein Hauptgegenstand der Beachtung unserer Akademie
-ist die Benutzung des ausserhalb unser, und anderwärts
-fortschreitenden <em class="italic">Stoff</em>-, sowie auch <em class="italic">Kunstbuches</em>; und die Nutzbarmachung
-desselben für diejenigen unserer Mitglieder, die
-wegen anderer Geschäfte nicht Zeit haben aufs blosse Gerathewohl
-zu lesen (die ausübenden Lehrer und Studirenden), von
-denjenigen aus uns, die diese Zeit haben (dem Rathe der
-Alten).
-</p>
-
-<p>
-Es ist dazu erforderlich zuvörderst, dass man diesen Fortschritt,
-d. h. die neu erschienenen Schriften historisch kenne.
-Für diesen Behuf erscheint nun zu Leipzig der bekannte Messkatalog,
-als das Verzeichniss ihrer zu Markte gebrachten Waare,
-dessen Besorgung, wie sich versteht, eine Sache des Verkäufers
-der Waare ist. Es mochte gut seyn, dass sich fertigere Federn
-fanden, welche diesen Messkatalog paraphrasirten; doch war
-und blieb dies immer eine rein mercantilische Sache, zum
-Dienste des Käufers und Verkäufers; und eine allgemeine Literaturzeitung
-kann durchaus auf keinen höheren Werth Anspruch
-machen, als auf den eines Journals des Luxus und der Moden.
-Dass diese subalternen Handarbeiter durch schlecht unterrichtete
-Schmeichler sich überreden liessen, sie verwalteten zugleich
-das Geschäft der Kritik, und dieses lasse sich eben mit
-der durchaus mercantilischen Rücksicht, <em class="italic">den ganzen Messkatalog
-herunter zu recensiren</em>, vereinigen; dass, nachdem die Meinung
-einmal entstanden, sogar solche, die da wohl fähig gewesen
-wären, das Amt der Kritik zu verwalten, sich verleiten
-liessen, zuweilen ein treffenderes Wort in jenen unwürdigen
-Context hineinzuwerfen, ist in unseren Tagen eine der ergiebigsten
-Quellen des literarischen und anderen Verderbens geworden,
-und es ist darüber auf Handlanger und Unternehmer
-solcher Paraphrasen des Messkatalogs ein grösseres Maass von
-Spott gefallen, als sie Kraft hatten, zu verdienen. Da die Liebhaberei
-unserer Leser noch immer nach dergleichen Literaturzeitungen
-sich hinzuwenden scheint, und, so viel dem Schreiber
-dieses bekannt ist, der eigentliche Grund ihrer Verwerflichkeit
-<a id="page-197" class="pagenum" title="197"></a>
-<a id="pagehdr-197" class="orig-page" title="147"></a>
-selten rein ausgesprochen und ins Auge gefasst wird, so sagen
-wir noch bestimmt, dass dieser unser Entwurf anmuthe, zu begreifen
-folgendes: dass, wenn auch etwa überhaupt, was wir
-hier an seinen Ort gestellt seyn lassen, die Zeit sich herausnehmen
-dürfe, die Zeit zu kritisiren, diese Kritik wenigstens
-nicht an <em class="italic">der Allheit der erscheinenden Bücher</em>, sowie die einzelnen
-uns unter die Hände fallen, geübt werden könne, indem
-ein solcher Vorsatz selbst einen absolut unkritischen, unphilosophischen,
-der Einheit unempfänglichen, planlosen Geist voraussetzt,
-und nur eine planlose und verworrene Geburt erzeugen
-kann; sondern dass sie an <em class="italic">ganzen Klassen und Arten von
-Büchern</em>, die nach inneren Kriterien schon vorher unterschieden
-worden, geübt werden müsse; dass jener Vorsatz, alles aus der
-Presse Hervorgegangene zu recensiren, offenbar die Rücksicht
-auf gleiche Gerechtigkeit gegen alle Verleger, als Waarenlieferanten,
-darthue, wie es denn auch die Verleger sind, welche
-auf die Vollständigkeit der Literaturzeitungen am meisten dringen,
-und über Vergewaltigung laut klagen, wenn einer ihrer
-Artikel unangezeigt geblieben; dass demnach der mercantilische
-Zweck der wesentliche, den Plan und das Grundgesetz solcher
-Unternehmungen bestimmende, der kritische aber nur hinterher
-als Vorwand hinzugekommen ist, und dass man sogar auch
-darüber sich niemals ernsthaft berathschlagt, ob eine Vereinigung
-dieser beiden Zwecke auch wohl möglich sey.
-</p>
-
-<p>
-Möge wenigstens von unserer Akademie eine solche Verwirrung,
-welche ihr und der Kunstschule Wesen sogleich im
-Beginn zerstören würde, fern bleiben!
-</p>
-
-<p>
-Uebrigens mag in Gottes Namen, und es wäre dieses sogar
-höchst rathsam, in der Hauptstadt unserer Monarchie, neben
-dem Sitze der Akademie, auch eine solche vollständige Paraphrase
-des Messkatalogs erscheinen; wäre es auch nur darum,
-um die anderwärts erscheinenden aufgeblasenen Zwitternaturen
-von unseren weniger unterrichteten Mitbürgern abzuhalten. Es
-sey dies ein Privatunternehmen eines, etwa des akademischen
-Buchhändlers. Die Sache ist Handarbeit, welcher der Leipziger
-unparaphrasirte Messkatalog zur Basis diene. Der Referent versichert
-als Augenzeuge, dass das Buch wirklich erschienen sey,
-<a id="page-198" class="pagenum" title="198"></a>
-<a id="pagehdr-198" class="orig-page" title="149"></a>
-und er es unter den Augen gehabt habe; das sey sein Titel, so
-viel koste es, und hierauf lässt er die Inhaltsanzeige und irgend
-eine Stelle aus dem Buche abdrucken. Ueber die Wahl dieser
-Stellen, auch etwa über ganz auszulassende Schriften, mag er
-die Akademie derjenigen Klassen, die ohnedies aus anderen
-Gründen diese Bücher durchzulaufen haben, befragen dürfen,
-und wäre diesen eine allgemeine Aufsicht und Censur dieses
-Messcatalogus, jedem in seinem Fache, zu übertragen. &mdash; Halte
-zu diesem Behuf der Unternehmer sich einige Zugewandte, wiewohl
-auch ganz unstudirte Kaufmannsbursche das Geschäft versehen
-könnten.
-</p>
-
-<p>
-Was dagegen der Akademie als solcher in Beziehung auf
-die auswärtige Vermehrung des Buchwesens recht eigentlich
-zukommen würde, wäre folgendes:
-</p>
-
-<p>
-1) Die Mitglieder des Rathes der Alten nehmen, jeder für
-sein Fach, die durch die letzte Messe erfolgte Vermehrung des
-Buches für dieses Fach vollständig in Augenschein, welches,
-wenn die Literatur der Deutschen ihren bisherigen Charakter
-noch lange behält, grossentheils mit Durchsicht der Inhaltsanzeigen,
-der Register, der Vorreden, und einigem Durchblättern
-sich wird abthun lassen. Sollte in dieser Durchsicht dem Einen
-etwas vor die Augen kommen, das nicht eigentlich zur Competenz
-seines Faches gehörte, und hier sich nur in dasselbe
-verloren hätte, so macht er den, in dessen Fach es eigentlich
-gehört, aufmerksam.
-</p>
-
-<p>
-2) Was nun in dieser dermaligen Vermehrung des Buches
-sich findet als Fortschritt, d. i. als Verbesserung oder Erweiterung
-des Stoffbuches in diesem Fache, oder auch als Erhöhung
-des Kunstbuches, nach dem oben angegebenen Maassstabe
-einer solchen Erhöhung, wird niedergelegt in einem anderen
-periodischen Werke, welches man <em class="italic">Jahrbücher der Fortschritte
-des Buchwesens</em>, oder auch die <em class="italic">Bibliothek der Akademie</em>, nennen
-könnte. Was blosse Wiederholung des schon Bekannten
-ist, wird mit Stillschweigen übergangen. Rückfälle in schon
-widerlegte Irrthümer mögen, falls nemlich zu befürchten wäre,
-dass ein Mitglied unserer Akademie dadurch geirrt werden
-<a id="page-199" class="pagenum" title="199"></a>
-<a id="pagehdr-199" class="orig-page" title="150"></a>
-könnte, angezeigt werden. Da eine solche Uebersicht ausgeht
-von der bisherigen Literatur des Faches, die ihre feststehenden
-Abtheilungen schon haben wird, so kann sie recht füglich an
-diese, als den Grundleitfaden sich halten, zeigend, wie jeder
-dieser Theile bereichert worden sey, und so das Buch, wo
-diese Bereicherung sich vorfindet, auf Veranlassung des Inhalts,
-keinesweges aber den Inhalt auf Veranlassung des Buches, wie
-dies die Paraphrase des Messkatalogs thut, anführen.
-</p>
-
-<p>
-Bücher, in denen gar nichts Neues steht, ohne dass sie
-doch auch als eine Auffrischung des bisherigen Buchwesens in
-diesem Fache gelten könnten, und die daher gar nicht existiren
-sollten, werden in dieser Bibliothek ganz übergangen. Es
-würde ganz zweckmässig seyn, dass dergleichen, nach Angabe
-dieser Referenten in der Bibliothek, die man darüber zu
-befragen hätte, auch in dem Messkatalog übergangen würden,
-damit, sowie wir selbst auf die blosse Buchmacherei Verzicht
-thun, wir auch die Unterstützung der auswärtigen Buchfabriken
-durch den Ankauf unserer weniger unterrichteten Mitbürger
-verhindern. Das Publicum wisse, dass es desjenigen, das sogar
-unser Messkatalog übergeht, sicherlich nicht bedarf.
-</p>
-
-<p>
-Diese Bibliothek ist <em class="italic">unserer Akademie</em> Bibliothek, und zunächst
-für deren Gebrauch geschrieben. Mit dem ersterwähnten
-Durchwühlen des ganzen, durch die Messe herbeigeführten
-Schuttes braucht keiner unserer Lehrer oder unserer Schüler
-sich zu bemühen; selber der alte Akademiker und Mitarbeiter
-an der Bibliothek braucht es nur mit dem, der auf seinen Theil
-gefallen ist; die übrigen Theile haben andere für ihn übernommen.
-Und so hat denn unser Akademiker nur diese Bibliothek
-zu lesen, und findet in ihr die bestimmte Nachweisung, was er
-etwa noch ausserdem neu Erschienenes zu lesen habe. Für
-ihn ist daher diese Bibliothek allerdings <em class="italic">Kritik</em>, Scheidung des
-zu Lesenden von dem nicht zu Lesenden, des ganzen neuesten
-Buches.
-</p>
-
-<p>
-Will auch das auswärtige Publicum, und unter ihnen die
-Verfasser und Verleger dieses gesammten neuesten Buches,
-diese Bibliothek, die durchaus nicht ihnen zu Liebe geschrieben
-<a id="page-200" class="pagenum" title="200"></a>
-<a id="pagehdr-200" class="orig-page" title="152"></a>
-ist, dennoch lesen, so steht ihnen dies ganz frei. Wollen sie
-ferner dieselbe als allgemeine und so auch für sie geltende
-Kritik ansehen, so thun sie das auf ihre eigene Verantwortung.
-Wir wenigstens uns auf die unsrigen beschränkend, haben niemals
-einen solchen arroganten Anspruch gemacht, unsern Richterspruch
-der ganzen Welt aufzudringen; dringt er sich ihnen
-aber etwa von selbst in ihrem eigenen Bewusstseyn auf, so ist
-dies ein desto ehrenvolleres Zeugniss für uns. Was daraus entstehen
-möge, so haben wir mit Verfassern oder Verlegern nichts
-abzuthun, indem wir uns diesen niemals für etwas verbunden
-haben.
-</p>
-
-<p>
-(Dass, weil wir nicht blind herumtappen, sondern nach
-einem festen Plane einhergehen, wir gar bald zu grossem Ansehen
-gelangen werden und dass dies mächtig zur Verbesserung
-des ganzen Literaturwesens wirken werde, lässt sich voraussehen.
-Jedoch ist sogar diese grosse Folge nur eine zufällige,
-die wir nicht beabsichtigen; denn zu bescheiden, das Heil
-der ganzen Welt auf unsere Schultern laden zu wollen, denken
-wir zunächst nur auf unser eigenes Heil.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-3-9">
-<span class="line1">§. 66.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Noch sind allein übrig die oben erwähnten Anstalten, wodurch
-wir von den Bemühungen anderer wissenschaftlicher
-Körper, welche Bemühungen noch nicht Festigkeit genug erhalten
-haben, um im Buche niedergelegt zu werden, zeitig Notiz
-erhalten, und diese Körper in die Lage setzen, von den gleichen
-Bemühungen bei uns Notiz zu nehmen. Es wäre in dieser
-Rücksicht vorzuschlagen: 1) dass wir an allen bedeutenden
-Akademien und Universitäten des deutschen Vaterlandes sowohl,
-als des Auslandes, uns einen besonderen Freund und Repräsentanten
-erwählten aus den Mitgliedern eines solchen Corps; gegenseitig
-diesen erlaubend und sie einladend, dasselbe bei uns
-zu thun. Diese Repräsentanten wären ersucht, alles, was an
-ihrem Orte von der eben erwähnten Art sich zutrüge, davon
-sie glaubten, dass es die befreundete Akademie interessiren
-könnte, derselben durch Correspondenz zu melden. 2) Damit
-<a id="page-201" class="pagenum" title="201"></a>
-<a id="pagehdr-201" class="orig-page" title="153"></a>
-wir jedoch, tiefer denn diese fremden Berichte, die nur die
-erste Aufmerksamkeit erregen sollen, und selbst dasjenige, was
-diese etwa mit Stillschweigen übergehen, mit eigenen Augen
-zu sehen uns in den Stand setzen, sollen, wo möglich ununterbrochen,
-junge Männer aus unserer Mitte zu ihnen gesendet
-werden und bei ihnen einige Zeit sich aufhalten; die nach erfolgter
-Rückkehr uns mündlichen Bericht abstatten, wie sie alles
-befunden. Diese sind zu allernächst an unseren Repräsentanten
-adressirt, der ihnen mit Rath und That an die Hand gehe. Es
-versteht sich, dass wir dasselbe den verbündeten Gesellschaften
-zugestehen, und die ihrigen also behandeln, wie wir wollen,
-dass die unsrigen von ihnen behandelt werden. So wünschen
-wir ohne Zweifel, dass die unsrigen den unbeschränktesten
-Zutritt zu allen wissenschaftlichen Uebungen der Auswärtigen
-erhalten, und müssen drum diesen denselben Zutritt bei
-uns geben. Keinesweges aber wünschen wir, dass den unsern
-bei diesen Besuchen etwa das Sehwerkzeug des Auslandes untergeschoben
-werde, sondern dass sie sich ihres eigenen Auges,
-sowie es bei uns gebildet worden, bedienen; wir sind darum
-ebensowenig befugt, oder, falls wir unseren Augpunct für besser
-zu halten berechtigt seyn sollten, verpflichtet, ihn unseren
-Gästen zu leihen, sondern mögen sie das Vermögen zu sehen
-eben schon mitgebracht haben. Der hierüber nöthigen Politik
-mögen sich sowohl unsere zu diesen Gesandtschaften gebrauchten
-Mitbürger, als alle unsere Akademiker befleissigen; und es
-haben z. B. die ersten nicht gerade nöthig, dem Ausländer gegenüber
-laut über ihn zu denken, sondern sie mögen sich berichten
-lassen, ihres Herzens wahre Gedanken aber, bis zu
-ihrer Rückkehr in unsere Mitte, für sich behalten.
-</p>
-
-<p>
-Die zu diesen wissenschaftlichen Gesandtschaften am besten
-sich qualificirenden Subjecte wären bei uns gezogene und gelungene
-Regulare, und könnten sie damit sehr füglich die Zeit
-zwischen ihrem Austritte aus dem Regulat und ihrem Eintritte
-in die Akademie ausfüllen.
-</p>
-
-<p>
-Vorzüglich würden zu diesen Geschäften gebraucht werden
-und, falls sie nur gerade so gut wie andere sich dazu qualificirten,
-<a id="page-202" class="pagenum" title="202"></a>
-<a id="pagehdr-202" class="orig-page" title="155"></a>
-diesen sogar vorgezogen werden müssen die Söhne aus der
-Universitätsstadt, und besonders die unserer Akademiker; es
-versteht sich, wenn die Hauptbedingung, dass sie gelungene
-Regulare wären, von ihnen erfüllt wäre. Dieses zwar keinesweges
-als ein <em class="italic">persönliches Vorrecht</em>, dergleichen bei uns keine
-Geburt giebt, sondern vielmehr als <em class="italic">Gleichstellung</em> mit den übrigen,
-und <em class="italic">Entschädigung</em> dafür, dass sie die Universitätsstadt an
-ihrem Geburtsorte finden, und im Grunde aus dem Umkreise
-der Ihrigen zu einem völlig selbstständigen Leben noch niemals
-herausgekommen sind, und so die hiermit verknüpften,
-oben erwähnten Vortheile bisher verloren haben.
-</p>
-
-<h4 class="l2si subchap" id="subchap-4-3-10">
-<span class="line1">§. 67.</span><br />
-<span class="line2">Corollarium.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Unsere Akademie, an und für sich betrachtet, giebt in der
-von uns angegebenen Ausführung das Bild eines vollkommenen
-Staates: redliches Ineinandergreifen der verschiedensten Kräfte,
-die zu organischer Einheit und Vollständigkeit verschmolzen
-sind, zur Beförderung eines gemeinsamen Zweckes. An ihr
-sieht der wirkliche Staatskünstler immerfort dieselbe Form gegenwärtig
-und vorhanden, welche er auch seinem Stoffe zu
-geben strebt, und er gewöhnt an sie sein, von nun an durch
-nichts Anderes zu befriedigendes Auge.
-</p>
-
-<p>
-Dieselbe Akademie stellt in ihrer Verbindung mit den übrigen,
-ausser ihr vorhandenen wissenschaftlichen Körpern dar
-das Bild des vollendet rechtlichen Staatenverhältnisses. Alle, in
-sich übrigens allein, geschlossen und selbstständig bleibend,
-kämpfen aus aller ihrer Kraft um denselben Preis, die Beförderung
-der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Kunst; aber
-ihr Wettkampf ist nothwendig redlich, und keiner kann den
-errungenen Sieg verkennen oder schmälern, ohne sich selbst
-der, allen gemeinschaftlichen und bei unendlicher Theilung
-dennoch immer ganz bleibenden Ausbeute des Sieges zu berauben.
-Ihr Wettkampf ist liebend; das beleidigte Selbstgefühl
-des Ueberwundenen hebt sogleich sich wieder empor an der
-<a id="page-203" class="pagenum" title="203"></a>
-<a id="pagehdr-203" class="orig-page" title="156"></a>
-Freude über den gemeinsamen Gewinn, und die augenblickliche
-Eifersucht geht schnell über in Dank an den Förderer des gemeinen
-Wesens.
-</p>
-
-<p>
-Diese Form einer organischen Vereinigung der aus lauter
-verschiedenen Individuen bestehenden Menschheit vermag in
-ihrer Sphäre die Wissenschaft zu allererst, und dem Kreise der
-übrigen menschlichen Angelegenheiten lange zuvorkommend, zu
-realisiren. Als einzelne Republik darum, weil zuvörderst das
-Interesse, das in dieser Sphäre scheiden, trennen und das zu
-Vereinigende voneinanderhalten könnte, hier bei weitem nicht
-so dringend und gebieterisch herrscht, als das der sinnlichen
-Selbsterhaltung, welches im Gebiete des Staates entzweiet
-und sich befeindet; sodann weil selber das Element, das die
-Wissenschaft bearbeitet, die Denkart veredelt und die Selbstsucht
-schmählich macht. Als ein Verein von Republiken darum,
-weil alle genau wissen und verstehen, was sie eigentlich wollen;
-dagegen die politischen Entzweiungen der Völker und weltverheerende
-Kriege sich sehr oft auf die verworrensten und
-finstersten unter allen möglichen Vorstellungen gründen. In
-dieser früheren Realisirung der für alle menschlichen Verhältnisse
-eben also angestrebten Form ist sie Weissagung, Bürge
-und Unterpfand, dass auch das Uebrige einst also gestaltet
-seyn werde, der strahlende Bogen des Bundes, der in lichten
-Höhen über den Häuptern der bangen Völker sich wölbt.
-</p>
-
-<p>
-Aber selbst, indem sie noch verheisset, erfüllet sie schon
-und ist gedrungen zu erfüllen. Die einzige Quelle aller menschlichen
-Schuld, wie alles Uebels, ist die Verworrenheit derselben
-über den eigentlichen Gegenstand ihres Wollens; ihr einiges
-Rettungsmittel daher Klarheit über denselben Gegenstand;
-eine Klarheit, welche, da sie nicht uns fremd bleibende Dinge
-erfasst, sondern die innerste Wurzel unseres Lebens, unser
-Wollen ergreift, auch unmittelbar einfliesst in das Leben. Diese
-Klarheit muss nun jeder wissenschaftliche Körper rund um sich
-herum, schon um seines eigenen Interesse willen, wollen und
-aus aller Kraft befördern; er muss daher, sowie er nur in sich
-selbst einige Consistenz bekommen, unaufhaltsam fortfliessen zu
-<a id="page-204" class="pagenum" title="204"></a>
-<a id="pagehdr-204" class="orig-page" title="158"></a>
-Organisation einer Erziehung der Nation, als seines eigenen
-Bodens, zu Klarheit und Geistesfreiheit, und so die Erneuerung
-aller menschlichen Verhältnisse vorbereiten und möglich machen;
-durch welche Erwähnung der Nationalerziehung wir wieder am
-Schlusse unseres ersten Abschnittes niedergesetzt werden, und
-so den bis ans Ende durchlaufenen Kreis schliessen.
-</p>
-
-<h3 class="l2s chapter" id="chapter-4-4">
-<a id="page-205" class="pagenum" title="205"></a>
-<span class="line1">Beilagen zum Universitätsplane.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Ungedruckt.)
-</p>
-
-<h4 class="pbb subchap" id="subchap-4-4-1">
-<a id="page-207" class="pagenum" title="207"></a>
-<span class="line1">I.</span><br />
-<span class="line2">Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an einer deutschen Universität.<a class="fnote" href="#footnote-28" id="fnote-28">[28]</a></span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-1) Soll ein solches Werk der Universität Ehre machen und
-zugleich den steigenden Flor derselben befördern, so muss
-dasselbe auf dem Gipfel der wissenschaftlichen Bildung der
-deutschen Nation anheben, und seine Fortsetzung kann nichts
-Anderes seyn, als das fortlaufende Document des ununterbrochenen
-Fortschreitens jener Bildung auf der vorausgesetzten
-Universität.
-</p>
-
-<p>
-2) Es muss wirklich das Werk der Lehrer und Mitglieder
-dieser Universität, und das Resultat des wissenschaftlichen Geistes
-und seiner Leistungen auf derselben seyn, und das öffentliche
-Urtheil muss darüber nicht in Zweifel bleiben können.
-Es ist daher nicht hinlänglich, dass jenes Werk etwa nur in
-der Stadt, wo auch die Universität sich befindet, gedruckt oder
-auch von Gelehrten, die zugleich Lehrer an derselben sind,
-geschrieben werde: es muss die Rechenschaftsablegung enthalten
-über den Geist und die Resultate ihres Treibens. Die
-Ehre, welche bei Vernünftigen dadurch der Universität zu Theil
-<a id="page-208" class="pagenum" title="208"></a>
-würde, dürfte sonst vielleicht der jenes Glockenziehers, der zu
-einer vortrefflichen Predigt eingeläutet zu haben sich rühmte,
-nicht ungleich seyn: die Rechnung auf das Vorurtheil der Unvernünftigen
-aber ist, wenn man sich auch herablassen wollte,
-darauf Rücksicht zu nehmen, nicht sicher auf die Dauer.
-</p>
-
-<p>
-3) Der dadurch zu liefernde Beweis der Superiorität des
-wissenschaftlichen Geistes auf der vorausgesetzten Universität
-muss nicht <em class="italic">indirect</em> geführt werden, so dass man sich nur
-zeige, als fähig die Schwächen oder auch die Vorzüge Anderer
-einzusehen, durch welche unabhängig von uns die
-Wissenschaften bearbeitet werden; denn das ist seinem Wesen
-nach untergeordnete und Schülerarbeit.
-</p>
-
-<p>
-(Dergleichen sind alle Recensiranstalten, Bibliotheken, Literaturzeitungen,
-und wie sie Namen haben mögen. Sie tragen
-das Gepräge ihrer Unselbstständigkeit und Inferiorität dadurch
-an sich, dass sie für die Möglichkeit ihrer eigenen Existenz
-Bücher voraussetzen, und gründen sich auf den Wahn des
-Zeitalters, dass die einzige und rechte Bearbeitung der Wissenschaften
-die Buchmacherei sey. Entweder das Buch wird herabgesetzt
-in der Recension: welche Ehre aber ist es für den
-vorauszusetzenden Professor-Recensenten, dass er mehr ist, als
-der arme Stümper, den er uns vorführt? Oder es wird erhoben:
-entweder der Verfasser ist ein Fremder. Welche Ehre
-erwächst sodann durch sein gutes Buch unserer Universität,
-als die sehr untergeordnete der Anerkennung fremden Verdienstes?
-Oder er ist einer unser gelehrten Mitbürger: wer
-wird uns recht glauben?
-</p>
-
-<p>
-In Deutschland waren diese Unternehmungen in neueren
-Zeiten gar nicht für den Flor der Universitäten ersonnen, sondern
-bloss ein mercantilisches Institut, das den Buchführern
-zum Absatz ihrer Waare verhelfen sollte, zuerst selbst von
-einem Buchführer, sodann von einem bekannten industriösen
-Schriftsteller, der einen dürftig besoldeten Professor für seinen
-Plan gewonnen. Von ohngefähr und durch ganz andere Ursachen
-&mdash; die Lehrer, denen Jena vorzüglich seinen Ruf verdankt,
-sind nie fleissige Recensenten, noch die Redactoren der
-Literaturzeitung je vorzügliche Lehrer gewesen, &mdash; gewann die
-<a id="page-209" class="pagenum" title="209"></a>
-verfallene Universität, an deren Spitze das letzterwähnte Werk
-dieser Art gedruckt wurde, eine neue Blüthe; und nun machte
-der grosse Haufen den gewöhnlichen Fehlschluss vom Zugleichseyenden
-auf das Verhältniss von Ursache und Wirkung; welcher
-Fehlschluss denn auch, da ihn der grosse Haufen gemacht,
-einige Zeitlang gute Dienste geleistet hat. Dennoch fing Jena
-schon vorher an zu verfallen, ehe es die Schützsche Literaturzeitung
-verlor, und jetzt hilft es ihm nichts, dass es sogleich
-wieder eine andere errichtet hat, welche unstreitig an innerem
-Werthe die alte bei weitem übertrifft. Auch hat zu Leipzig,
-Erlangen u. s. w. durch den Abdruck von Recensionen, die
-meist von Lehrern dieser Universitäten verfasst sind, wie in
-den Göttinger Anzeigen, sich kein grösserer Flor dieser Universitäten
-ergeben wollen, als wie sie ohne dergleichen Literaturzeitungen
-auch besitzen würden.
-</p>
-
-<p>
-Ueberdies, falls wir uns auch auf das Alte und Mittelmässige
-bescheiden wollten, ist sogar dies nicht einmal mehr uns
-zugänglich. Aus unseren eigenen Mitteln, ohne fremde Beiträge,
-vermögen wir eine Literaturzeitung nicht einmal auch nur zum
-Scheine anzufüllen: durch den Conflict der alten und der neuen
-Jenaischen Literaturzeitung aber sind alle Federn schon in Beschlag
-genommen, und es giebt gewiss keinen Gelehrten von
-einigem Verdienste, welcher zu Arbeiten dieser Art sich nicht
-für zu gut hält, der nicht bei einer dieser beiden, oder auch
-wohl bei beiden in Diensten stehe.
-</p>
-
-<p>
-Ahmen wir lieber dies Bestreben in dem einzigen Puncte
-nach, dass wir, so wie jene zu ihrer Zeit, etwas Neues unternehmen,
-wobei sie uns meines Erachtens zugleich den Vortheil
-gelassen haben, dass das Rechte noch neu ist.)
-</p>
-
-<p>
-4) Der zu führende Beweis muss <em class="italic">direct</em> geführt werden, &mdash;
-sagten wir: also, dass das periodische Werk der Universität
-den steten Fortschritt der Wissenschaft und des wissenschaftlichen
-Geistes auf derselben, unmittelbar und aus der ersten
-Hand darlege. Jenes Werk enthalte ganz eigentlich, was die
-ältere Benennung: <em class="italic">acta literaria Universitatis N. N.</em> ausdrückt.
-</p>
-
-<p>
-Den Fortschritt der <em class="italic">Wissenschaft</em> und des <em class="italic">wissenschaftlichen
-<a id="page-210" class="pagenum" title="210"></a>
-Geistes</em> aus der ersten Hand, sagten wir ferner. Die
-Wissenschaft ist ja nicht zunächst das Buch, noch lebt sie im
-Buche, sondern sie lebt in dem, was im wirklichen Forschen,
-im Conflicte der Geister und im Vortrage sich ergiebt. Dieses
-nun werde zum Buche und Buchstaben zunächst in jener Relation.
-Die akademischen Lehrer sind ja als Lehrer angestellt,
-und nichts verhindert, dass sie nicht auch überdies noch unter
-sich selber, gleich einer Akademie, in geistigen Wechselverkehr
-treten; nicht aber werden sie vom Staate dazu besoldet,
-dass sie in die weite Welt hinein Bücher schreiben.
-Jene literarischen Acten der Universität würden nun ihr gemeinschaftliches
-Buch, wenn sie von Amtswegen zu schreiben
-hätten, und wohin Alles, was sie des Druckes für würdig
-achteten, zunächst gehörte.
-</p>
-
-<p>
-(Es bliebe ihnen dabei unbenommen, auch noch auf eigene
-Hand Bücher zu ediren. Vom ehrenvollen Falle tiefer unten.
-Als Buchfabricanten oder Compilatoren aber im Dienste von
-betriebsamen Verlegern Sachen drucken zu lassen, die nur die
-Masse des bedruckten Papieres, keinesweges aber die Wissenschaft
-vermehren, ist ohnedies unter der Würde eines Lehrers
-an einer solchen Universität, und wäre durchaus den sogenannten
-Privatgelehrten zu überlassen.)
-</p>
-
-<p>
-Den <em class="italic">Fortschritt</em> der Wissenschaften sollten diese literarischen
-Acten documentiren. Es gehörte daher in sie nur das
-<em class="italic">Neue, Weiterbringende</em>, keinesweges aber blosse Wiederholungen
-oder neue Aufstutzungen des Alten, Bekannten.
-</p>
-
-<p>
-Die Wissenschaft kann fortschreiten, theils in der <em class="italic">Materie</em>
-durch neue Entdeckungen und Ansichten, theils in der <em class="italic">Form</em>
-durch bessere Lehrmethoden und immer begriffsmässige Beherrschung
-und Durchdringung des Lehrstoffes. Alles dieser
-Art von den Lehrern Erfundene in allen Zweigen der Wissenschaften,
-welche auf dieser Universität bearbeitet werden, wäre
-in den Acten niederzulegen.
-</p>
-
-<p>
-Ausgezeichnete und den Standpunct des wissenschaftlichen
-Unterrichts an der Universität durch den Erfolg bezeichnende
-Arbeiten der Zöglinge des Instituts wären nicht auszuschliessen.
-Bringen sie auch die Wissenschaft nicht weiter, so können sie
-<a id="page-211" class="pagenum" title="211"></a>
-doch einen bei Jünglingen nicht gewöhnlichen Grad der wissenschaftlichen
-Ausbildung documentiren, und sollen es. Keiner
-derselben müsste der gelehrten Würden der Universität theilhaftig
-werden, welcher nicht einen, nach jenem Grundsatze
-wenigstens <em class="italic">aufnehmbaren</em> Beitrag zu den Acten geliefert hätte;
-wodurch die von dieser Universität ertheilten Würden Achtung
-gewinnen würden vor denen anderer Universitäten, wo dieser
-Maassstab nicht angelegt werden kann.
-</p>
-
-<p>
-Es würde solchen Acten nicht zum Vorwurfe gereichen,
-wenn selbst widerstreitende Ansichten derselben Gegenstände
-von verschiedenen Verfassern in ihnen nebeneinander ständen.
-Denn es kommt hierbei fürs Erste nicht darauf an, ob die Ansichten
-wahr, sondern nur ob sie neu sind, und ob man sich
-von ihnen versprechen kann, dass sie auch zu einer neuen
-Wahrheit führen könnten. Ueber die Wahrheit soll erst die
-Zukunft und die fortgesetzte Forschung entscheiden, und so
-kann selbst ein neuer Irrthum ein Fortschritt auf einem wissenschaftlichen
-Gebiete werden, wenn er auf eine neue Wahrheit
-leitet, welche allein ihn zu widerlegen vermag. Aus demselben
-Grunde würde es dem Werke auch nicht zum Vorwurfe
-gereichen, wenn etwa die Fortsetzung die früheren Lieferungen
-zum Theil widerlegte; denn dadurch würde ja gerade
-der Fortschritt bewiesen.
-</p>
-
-<p>
-5) Zur Lieferung von Beiträgen wären die Lehrer nur insofern
-zu verbinden:
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">a.</em> dass sie ihre auf Erweiterung der Wissenschaften gerichteten
-Bestrebungen, die so weit gereift sind, dass sie einer
-Berichterstattung durch den Druck fähig geworden, zuerst den
-Acten anböten;
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">b.</em> dass jeder Lehrer im Verlaufe seines Wirkens denn
-doch etwas liefere und dadurch seine Berechtigung, an diesem
-Platze zu stehen, darthäte. Späterhin, nach Einführung der
-Acten, könnte es ausschliessende Bedingung der Berufung zu
-einer Stelle an dieser Universität werden, dass man einen bedeutenden,
-im Geiste des Instituts verfassten Beitrag geliefert
-hätte. Wer seinen fortschreitenden Geist nicht schon bewährt
-hat, der taugt nicht zum Mitgliede einer Gesellschaft, die lediglich
-<a id="page-212" class="pagenum" title="212"></a>
-für den Fortschritt der Wissenschaft arbeitet. Keinesweges
-aber wären sie
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">c.</em> also zu verbinden, dass sie binnen halbjähriger oder
-Jahresfrist so viel Neues in ihrer Wissenschaft entdeckt haben
-müssten, dass der zweckmässige Bericht darüber so und so
-viel gedruckte Bogen füllen könne. Vielmehr liegt es in dem
-Begriffe solcher Acten, dass ihr Erscheinen durchaus an keine
-bestimmten Zeiträume gebunden ist: sie mögen fortgesetzt werden,
-sobald Stoff dazu sich gesammelt hat; keinesweges aber
-soll ihre Erscheinung an das Kalenderdatum oder an die Buchhändlermessen
-gebunden seyn.
-</p>
-
-<p>
-6) Unter den, keinesweges von den Beitragenden selbst,
-sondern von Anderen, die sodann für diesen Fall eine Direction
-bildeten, zu entscheidenden Fragen ist die erste: ob eine
-Ansicht oder eine Verbesserung wirklich neu sey und der
-Wissenschaft einen Fortschritt verspreche? (Was keinesweges
-gleichbedeutend mit der Frage ist: ob sie wahr sey?) Die Beantwortung
-dieser Frage würde für jeden besonderen Beitrag
-der Facultät (dem bestimmten Lehr- und Erkenntnissfache) des
-Beitragenden anheimfallen. Diese hätte ihre verneinende Antwort
-mit Gründen zu belegen und diese dem Beitragenden zu
-eigener reifer Ueberlegung schriftlich mitzutheilen. Dies wäre
-die erste Instanz. Würde er durch diese Gründe nicht überzeugt
-und zur Rücknahme bewogen, so sollte es noch eine
-höhere Instanz für Entscheidung dieser Frage geben, wofür in
-einem grossen Staate eine zweckmässig besetzte Akademie der
-Wissenschaften in der Hauptstadt sich am besten qualificiren
-würde. Es möchte im Falle der Billigung des Beitrags in dieser
-Instanz, im öffentlichen Drucke bemerkt werden, dass die
-locale Facultät des Beitragenden denselben verworfen, die Akademie
-der Wissenschaften aber ihn gebilligt habe. Im Falle der
-Verwerfung auch in dieser Instanz hätte die Akademie ihre
-Gründe dem Beitragenden gleichfalls schriftlich mitzutheilen.
-Von dieser Instanz verworfen, könnte sein Aufsatz nun freilich
-nicht in den Acten der Universität erscheinen; es müsste ihm
-aber erlaubt bleiben, denselben nebst den angeführten Gründen
-<a id="page-213" class="pagenum" title="213"></a>
-der Verwerfung in beiden Instanzen, auf eigene Verantwortung
-vor das Publicum zu bringen, und die Mit- und Nachwelt zum
-Richter des erhobenen Streites zu machen. Selbst seine Verhältnisse
-zur Universität und zu den Acten derselben bei anderen,
-den Streitpunct nicht berührenden Gegenständen müssten
-dadurch nicht gestört, vielmehr seine bürgerliche und persönliche
-Sicherheit, sein öffentlicher guter Name, seine Schrift- und
-Lehrfreiheit unter den besonderen Schutz des Staates
-genommen werden; denn das gelehrte Publicum seines Staates
-in seiner sichtbaren Repräsentation ist ihm gegenüber zur Partei
-geworden, und das Richteramt zwischen ihnen ist einer
-höheren Instanz übergeben, welche zu ihrer Zeit Ehre und
-Schande austheilen wird. Und insbesondere halte die öffentliche
-Gewalt sich fern von der Möglichkeit der Berührung mit
-dieser Schande.
-</p>
-
-<p>
-Man sage nicht, dass durch dieses Hindurchgehen durch
-verschiedene Instanzen Zeit verloren gehe. Der einem respectabelen
-Corps anderer Gelehrten einzeln gegenüberstehende
-Gelehrte soll Veranlassung und Zeit gewinnen, seine Sache
-reiflich zu überlegen; auch bedarf es bei wahrhaft originalen
-Ansichten keiner Eile, etwa aus Furcht, dass etwa Andere sie
-uns vorweg nehmen dürften.
-</p>
-
-<p>
-7) Eine zweite von einer Direction zu entscheidende Frage
-wird seyn über die Form des Vortrages; denn auch der Vortrag
-eines solchen Werkes muss mustermässig seyn und auf
-der Spitze der Kunst des Vortrages im Zeitalter stehen.
-</p>
-
-<p>
-Zur Entscheidung darüber müsste ein bewährter und zwar
-philosophischer Schriftsteller herbeigezogen werden, welcher
-mit dem ursprünglich Beitragenden so lange den Aufsatz verbesserte,
-bis dieser seine Gedanken durchaus als wiedergegeben
-anerkennte, und jener mit der Form zufrieden wäre. Ohne
-die Approbation der Form durch diesen Schriftsteller, welcher
-über diesen Punct ganz allein dem Curatorium und dem Publicum
-verantwortlich wäre, dürfte kein Aufsatz in den Acten
-abgedruckt werden.
-</p>
-
-<p>
-8) Die Unterstützung, deren ein solches Werk von der Regierung
-<a id="page-214" class="pagenum" title="214"></a>
-bedürfte, würde, falls nur das Personal der Lehrer
-richtig gewählt wäre, sich auf den ersten Vorschuss zum Verlage,
-und auf die Direction der Verlags- und Debitsgeschäfte,
-mit denen die Gelehrten durchaus nichts zu thun haben müssten,
-ferner auf den Schutz derselben gegen Nachdruck überhaupt
-und gegen Wiederabdruck einzelner Aufsätze, beschränken.
-Ein solches Werk würde in kurzer Zeit eine Abnahme
-finden, die die Zurücknahme des vorgeschossenen Capitals mit
-den Interessen erlaubte, die Kosten des mercantilischen Geschäfts
-dabei deckte, und dennoch einen ansehnlichen Ueberschuss
-zur Vertheilung an die Beitragenden übrig liesse. Dieser
-Ueberschuss wäre, nach Abzug der Correctionsgebühren,
-welche bei jedem besonderen Aufsatze nach Verhältniss der
-aufgewendeten Mühe besonders zu bestimmen wären, nach der
-Bogenzahl der gelieferten Beiträge an die Beitragenden gleich
-zu vertheilen, und ihnen und ihren Erben und Erbnehmern,
-auf ewige Zeiten, so lange noch ein Exemplar des Bandes, in
-welchem ihre Beiträge stehen, verkauft wird, als unantastbares
-Eigenthum zuzusichern. Dass die Regierung diesen Gegenstand
-zu einer Finanzoperation mache, wäre unter ihrer Würde. Wiederum
-lässt von der anderen Seite von anständig besoldeten
-und an einer zahlreich besuchten Universität, deren Studirende
-auf eine zweckmässige Weise angehalten werden, die
-gebührenden Honorarien zu entrichten, arbeitenden Gelehrten
-sich nicht erwarten, dass sie nach dem Schriftstellersolde eilen
-werden, so wie der Bogen abgedruckt ist. Vielmehr würden
-sie das allmählige Eingehen ihres Antheils ruhig abwarten;
-auch wohl dieses Nebeneinkommen gern für die Ihrigen, die
-sie möglicherweise doch als unversorgte Wittwen und Waisen
-hinterlassen könnten, stehen lassen.
-</p>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<a id="page-215" class="pagenum" title="215"></a>
-<span class="line1">Schlussanmerkung.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-1) Vor diesem Plane möchte mancher Bescheidene erschrecken
-und das Ziel zu hoch gesteckt finden. Es ist dabei
-zu erwägen, dass, wie bei allen im blossen Begriffe vorgezeichneten
-Plänen, also auch hier, die Ausführung hinter dem Vorsatze
-zurückbleiben werde, und dass dieses ohne alles unser
-Vorhaben sich schon von selbst findet. Es ist daher um so
-nöthiger, sich sogleich den einzig rechten Zweck in seiner ganzen
-Klarheit zu setzen, weil man sodann doch immer hoffen
-kann, mehr zu erreichen, als wenn man sich gleich von vornherein
-vornimmt, mit dem Mittelmässigen oder Falschen sich
-abfinden zu lassen.
-</p>
-
-<p>
-2) Besonders könnte bei Erwähnung des Neuen und des
-Erfindens nach Inhalt oder nach Form gesagt werden: wenn
-nun aber auf der vorausgesetzten Universität nichts Neues in
-beiderlei Richtung erfunden wird? Ich antworte, dass jene
-Acten dadurch desto nöthiger werden, um über die eigentliche
-Beschaffenheit des Gelehrtenpersonals an der Universität
-aufzuklären. Sie können dem Curatorium derselben deutlich
-einen Maassstab geben, an welcher Stelle es eigentlich fehle,
-und wo nachgeholfen werden müsse. Ein solcher nicht mehr
-fortstrebender, weder in Erweiterung des Inhaltes seiner Wissenschaft,
-noch in Bewältigung ihres Stoffes zu geistigerer
-Form Neues leistender Gelehrter kann auch nicht mehr zu den
-guten Universitätslehrern gezählt werden; er müsste durch
-einen anderen ersetzt werden. Im Ganzen aber müsste einer
-Universität, welche dergleichen Acten herausgäbe, kein einziges,
-im gemeinsamen Vaterlande aufblühendes Talent entgehen,
-welches sie nicht wenigstens für die Zeit seiner besten Blüthe
-sich aneignete. Ein Curatorium könnte auch sodann besser
-beurtheilen und dem Zweifelnden augenscheinlich nachweisen,
-welche Personen in den ehrwürdigen Rang der Veteranen zu
-versetzen wären, die von nun an entweder bloss zur Tradition
-des Erlernten oder zur Anwendung desselben im praktischen
-<a id="page-216" class="pagenum" title="216"></a>
-Wirken zu gebrauchen, aus dem Umkreise des wachsenden Lebens
-aber zu entfernen sind. Ueberhaupt hängt dieser Plan
-zusammen mit einem grösseren Plane zur Errichtung einer
-wahrhaft deutschen Nationaluniversität, durch welchen er, und
-welcher wiederum durch ihn, erklärt und die Ausführung erleichtert
-würde.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-4-4-2">
-<span class="line1">II.</span><br />
-<span class="line2">Rede von Fichte, als Decan der philosophischen Facultät, bei Gelegenheit einer Ehrenpromotion an der Universität zu Berlin, am 16. April 1811.</span>
-</h4>
-
-<p class="adr">
-Hochgeehrte Herren!
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Ich weiss nicht, ob es der Universität anständig seyn
-würde, sich zu verwundern, dass sie in Berlin ist, so wie
-viele ausser ihr dermaassen darüber erstaunt sind, dass sie um
-der Wunderbarkeit willen die Wahrheit der Sache noch immer
-nicht recht glauben können. Einer Facultät inzwischen,
-die nun gar allhier Doctoren creirt, wird diese Verwunderung
-über sich selbst oft so aufgedrungen, dass es in der That sehr
-nöthig wird, sich wohl zu besinnen, was man eigentlich thue,
-und, so man kann, in sich selbst Fuss zu fassen, um ernsthafte
-Haltung zu gewinnen nach Aussen.
-</p>
-
-<p>
-Erlauben Sie mir daher, dass, ehe wir zu dem angesetzten
-Promotionsact gehen, ich diese nöthige Selbstbesinnung laut vor
-Ihnen vollziehe.
-</p>
-
-<p>
-Als im neueren Europa zuerst Universitäten entstanden,
-stellten sich diese eine Aufgabe, welche ihnen keinesweges
-von der Gesellschaft oder vom Staate, welche dafür blind waren,
-übertragen wurde, sondern die sie allein erblickten und
-<a id="page-217" class="pagenum" title="217"></a>
-mit hochherziger Freiwilligkeit auf sich nahmen, &mdash; die Aufgabe,
-den menschlichen Geist zu befreien und ihn nach allen
-Richtungen hin und durch alle Mittel, die ihnen bekannt werden
-möchten, zu bilden. Wem diese akademische Würden
-ertheilten, den erklärten sie dadurch für tüchtig, an der Erreichung
-dieses Zweckes mitzuarbeiten und nahmen ihn auf
-in ihren grossen, freien Bund. Von ihnen sind die akademischen
-Würden aus Hand in Hand bis auf uns herabgekommen,
-und es giebt Keinen unter den jetzt lebenden Graduirten, auf
-den sie nicht durch eine stete Reihe der Ueberlieferung von
-jenem ersten Bunde aus gekommen sey.
-</p>
-
-<p>
-Auch dauert das Bedürfniss eines solchen freien Bundes
-noch immer fort. Uncultur und Barbarei umgiebt uns noch
-allenthalben; wie derselben beizukommen sey, welcher Punct
-jedesmal in dem Fortgange der geistigen Menschenbildung an
-die Tagesordnung komme, wer ein tauglicher Mitgehülfe sey
-an dieser grossen Arbeit: dieses Alles zu bestimmen möchte
-wohl noch immer der Staat ebenso unfähig seyn, als er es
-vor Jahrhunderten war, und es möchte die Lösung dieser Fragen
-wohl noch immer anheimfallen jenem grossen Bunde. Unser
-Staat, bei der Stellung unserer Universität in die höchste
-Leichtigkeit versetzt, von allem Althergebrachten abzugehen,
-und von Stimmungen umgeben, die nicht geneigt sind, irgend
-eine Auszeichnung anzuerkennen, welche nicht unmittelbar
-vom Staate herkommt, &mdash; hat dennoch, zu seinem ewigen
-Ruhme, durch die trefflichen Männer, die ihn hierin vertreten,
-jenen Grundsatz ausdrücklich anerkannt, indem er die vorhergegangene
-feierliche Aufnahme in den grossen europäischen
-Gelehrtenbund zur Bedingung der öffentlichen Anstellung an
-der Universität gemacht hat, die freilich nur Er ertheilt.
-Tiefer bekennt er sich daher auch zu dem Grundsatz, dass
-die neue Universität ihm nicht bloss eine Pflanzschule seyn
-soll für künftige Beamte, sondern eine freie Pflegerin in jeglicher
-Richtung und im weitesten, von ihm ungeschmälerten
-Sinne.
-</p>
-
-<p>
-Die akademische Würde ist darum noch immer, was sie
-<a id="page-218" class="pagenum" title="218"></a>
-ursprünglich war: feierliches Symbol der Aufnahme in den
-grossen Bund der Veredlung des Menschengeschlechts durch
-wissenschaftliche Bildung; und wer sie annimmt, übernimmt
-dadurch feierlich vor Gott und Menschen die Verpflichtung,
-dieser Bestimmung allein sein Leben zu widmen, und alle andern
-Zwecke desselben aufzugeben.
-</p>
-
-<p>
-Mag doch nun immer diese Würde oft an Unwürdige ertheilt
-worden seyn! Der Unwürdige hat sie in der That nicht empfangen,
-sondern nur die äussere Benennung. Es kann sie
-Keiner erhalten, der sie nicht schon trägt in sich selbst. Der
-Promotionsact fügt bloss die äussere Anerkennung hinzu: es
-kann aber Keiner anerkannt werden für das, was er nicht ist.
-Auch wird der Würdige von dem, der selber würdig ist, sicherlich
-anerkannt. Was der, der Ideen unfähige, Pöbel dazu
-sage, und ob dieser unseren Grad auch ehre oder seiner zu spotten
-sich bestrebe, darnach fragt der Eingeweihte nicht; denn dieser
-Pöbel ist für ihn überhaupt nur da, als ein Gegenstand,
-der entpöbelt werden soll. Der rechte Doctor, der von seiner
-akademischen Würde, von der Würde eines geistigen Bildners
-der Menschheit innig durchdrungene, würde sich sogar entehrt
-finden, wenn er auf einmal anfinge, dem Pöbel wohlzugefallen:
-er würde in sich gehen und sich ernstlich prüfen, ob ihm
-nicht etwa eine Leichtfertigkeit angeflogen sey.
-</p>
-
-<p>
-Dass es der Eine grosse, im neueren Europa zur Verbreitung
-der Wissenschaften geschlossene Bund ist, welcher die
-akademischen Würden ertheilt, spricht sich auch dadurch aus,
-dass jede dieser Würden in ihrer Art nur Eine ist und dieselbige,
-die auch überall als die Eine und selbige anerkannt
-wird. Die besonderen Universitäten und Facultäten sind in
-dieser Beziehung nur Glieder und Bevollmächtigte des ganzen
-Bundes, und übertragen die Würde in seinem Namen. Um
-dies deutlich auszusprechen und den Promovirenden sogar zu
-nöthigen, nicht etwa den örtlichen Grad des Doctors, sondern
-den Grad schlechthin zu ertheilen, haben die Universitäten
-eine gemeinsame Form dieser Ertheilung verfügt und auch
-<a id="page-219" class="pagenum" title="219"></a>
-die Sprache als die gemeinsame aller Gelehrten dabei gewählt,
-u. s. w.
-</p>
-
-<div class="table">
-<table class="names" summary="Table-3">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1">Joannes</td>
- <td class="col2">Friderice</td>
- <td class="col3">Guilelme</td>
- <td class="col4">Himly,</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">Joannes</td>
- <td class="col2">Alberte</td>
- <td class="col3">&nbsp;</td>
- <td class="col4">Eytelwein,</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">Sigismunde</td>
- <td class="col2">Friderice</td>
- <td class="col3">&nbsp;</td>
- <td class="col4">Hermbstaedt,</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">Auguste</td>
- <td class="col2">Ferdinande</td>
- <td class="col3">&nbsp;</td>
- <td class="col4">Bernhardi,</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<p class="center">
-<em class="italic">etc. etc.</em>
-</p>
-
-<p class="center">
-<em class="italic">creo, creatum renuncio, renunciatum proclamo, et publice
-confirmo!</em>
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-28" id="footnote-28">[28]</a> Geschrieben im Jahre 1805, mit Bezug auf die Universität Erlangen.
-Vergl. Nachgelassene Werke Bd. III. S. 277. ff.
-</p>
-
-<h2 class="part" id="part-5">
-<a id="page-221" class="pagenum" title="221"></a>
-<span class="line1">Vermischte Aufsätze.</span>
-</h2>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-5-1">
-<a id="page-223" class="pagenum" title="223"></a>
-<span class="line1">A.</span><br />
-<span class="line2">Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks.</span><br />
-<span class="line3">Ein Räsonnement und eine Parabel.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Berliner Monatsschrift Bd. 21. S. 443-483.)
-</p>
-
-<p class="first">
-<span class="firstchar">W</span>er schlechte Gründe verdrängt, macht bessern Platz. So
-urtheilte unlängst ein durch seinen Rang, und mehr noch durch
-seine Gerechtigkeit ehrwürdiges Gericht; und so dachte der Verfasser
-des Aufsatzes: &bdquo;Der Bücherverlag in Betrachtung der Schriftsteller,
-der Verleger und des Publicums, nochmals erwogen&ldquo; im
-Deutschen Magaz., April 1791. Die Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks
-schien nemlich Herrn Reimarus durch die bis jetzt
-angeführten Gründe noch nicht erwiesen; und er wollte durch
-eine scheinbare Vertheidigung desselben die Gelehrten auffordern,
-auf bessere gegen denselben zu denken. Denn unmöglich
-konnte es ihm dabei Ernst seyn; unmöglich konnte er wollen,
-dass die Vertheidigung eines Verfahrens sich behaupte, gegen
-welches jeder Wohldenkende einen inneren Abscheu fühlt.
-</p>
-
-<p>
-Seine Abhandlung theilt sich, der Natur der Sache gemäss,
-in die zwei Fragen: über die <em class="italic">Rechtmässigkeit</em>, und über die
-<em class="italic">Nützlichkeit</em> des Büchernachdrucks. In Absicht der ersteren
-behauptet er: dass bis jetzt noch kein, offenbar nur aus einem
-fortdauernden Eigenthume des Gelehrten an seinem Buche abzuleitendes
-Recht desselben, oder seines Stellvertreters, des
-rechtmässigen Verlegers, den Nachdruck zu verhindern, nachgewiesen
-<a id="page-224" class="pagenum" title="224"></a>
-sey; woraus natürlich eine Befugniss zum Nachdrucke
-folgen würde: mithin die Frage: ob der Nachdruck in policirten
-Staaten zu dulden sey? nach ihrer Abweisung vom Richterstuhle
-der vollkommenen Rechte, von der Beantwortung der
-weiteren Frage abhängen würde: ob er nützlich sey? Herr
-Reimarus beantwortet diese Frage bejahend, mithin auch die
-erste; schlägt jedoch zum Vortheile des Verfassers und seines
-rechtmässigen Verlegers einige Einschränkungen der allgemeinen
-Erlaubniss des Büchernachdruckes vor.
-</p>
-
-<p>
-Herr Reimarus &mdash; denn wir gestehen, dass wir nicht nöthig
-gefunden haben, die Verfasser, welche er für eben diese Meinung
-anführt, nachzulesen, da wir natürlicherweise voraussetzen
-konnten, dass er ihre Gründe benutzt, und dass die letzte
-Schrift dafür, die seinige, auch die stärkste seyn werde, &mdash;
-Herr Reimarus also hat nicht erwiesen, noch zu erweisen gesucht,
-dass überhaupt kein dergleichen fortdauerndes Eigenthum
-des Verfassers möglich sey; sondern nur gesagt, dass
-man bis jetzt es noch nicht klar dargelegt habe, und einige
-Instanzen angeführt, die seiner Meinung nach gegen die Allgemeinheit,
-und mithin auch Vollkommenheit eines solchen vom
-Eigenthume abgeleiteten Rechts streiten würden. Wir haben
-also gar nicht nöthig ihm Schritt vor Schritt zu folgen, und
-uns auf seine Gründe einzulassen. Können wir nur ein dergleichen
-fortdauerndes Eigenthum des Verfassers an seine Schrift
-wirklich beweisen, so ist geschehen, was er verlangte, und er
-mag nun seine Instanzen selbst mit demselben zu vereinigen
-suchen. Ferner haben wir dann auch seinen Erweis der Nützlichkeit
-des Büchernachdrucks nicht zu beantworten; denn es
-kömmt sodann darauf gar nicht mehr an, da nie geschehen
-darf, was schlechthin unrecht ist; sey es so nützlich es wolle.
-</p>
-
-<p>
-Die Schwierigkeit, welche man fand, ein fortdauerndes Eigenthum
-des Verfassers an sein Buch zu beweisen, kam daher,
-weil wir gar nichts ähnliches haben, und das, was demselben
-einigermaassen ähnlich zu seyn scheint, wieder in Vielem sich
-gar sehr davon unterscheidet. Ebendaher kömmt es, dass unser
-Beweis ein etwas spitzfindiges Ansehen bekommen muss,
-welches wir aber so gut als möglich zu poliren suchen werden.
-<a id="page-225" class="pagenum" title="225"></a>
-Aber der Leser lasse sich ihn dadurch nicht verdächtig
-werden; denn es wird sehr leicht möglich seyn, ihn <em class="italic">in concreto</em>
-klarzumachen und zu erhärten. &mdash; Es sind nemlich eine
-Menge Maximen über diesen Gegenstand im Umlaufe, welche
-jeder von der Sache Unterrichtete, Wohldenkende und für das
-Gegentheil nicht Interessirte annimmt, anderer Verhalten in
-Dingen der Art darnach beurtheilt, und das seinige selbst einrichtet.
-Lassen sich diese alle leicht und natürlich auf unseren
-als Princip aufgestellten Satz zurückführen, so ist dies gleichsam
-seine Probe; und es wird dadurch klar, dass er der Grundsatz
-ist, welcher allen unseren Urtheilen über diesen Gegenstand,
-obgleich dunkel und unentwickelt, zum Grunde lag.
-</p>
-
-<p>
-Zuerst der Grundsatz: Wir behalten nothwendig das Eigenthum
-eines Dinges, dessen Zueignung durch einen Anderen
-physisch unmöglich ist. Ein Satz, der unmittelbar gewiss ist
-und keines weiteren Beweises bedarf. Und jetzt die Frage:
-Giebt es etwas von der Art in einem Buche?
-</p>
-
-<p>
-Wir können an einem Buche zweierlei unterscheiden: das
-<em class="italic">Körperliche</em> desselben, das bedruckte Papier; und sein <em class="italic">Geistiges</em>.
-Das Eigenthum des ersteren geht durch den Verkauf des
-Buches unwidersprechlich auf den Käufer über. Er kann es
-lesen und es verleihen so oft er will, wiederverkaufen an wen
-er will, und so theuer oder so wohlfeil er will oder kann, es
-zerreissen, verbrennen: wer könnte darüber mit ihm streiten?
-Da man jedoch ein Buch selten auch darum, am seltensten bloss
-darum kauft, um mit seinem Papier und Drucke Staat zu machen,
-und damit die Wände zu tapeziren: so muss man durch
-den Ankauf doch auch ein Recht auf sein Geistiges zu überkommen
-meinen. Dieses Geistige ist nemlich wieder einzutheilen:
-in das <em class="italic">Materielle</em>, den Inhalt des Buches, die Gedanken,
-die es vorträgt; und in die <em class="italic">Form</em> dieser Gedanken, die Art wie,
-die Verbindung in welcher, die Wendungen und die Worte,
-mit denen es sie vorträgt. Das erste wird durch die blosse
-Uebergabe des Buches an uns offenbar noch nicht unser Eigenthum.
-Gedanken übergeben sich nicht von Hand in Hand,
-werden nicht durch klingende Münze bezahlt, und nicht dadurch
-unser, dass wir ein Buch, worin sie stehen, an uns nehmen,
-<a id="page-226" class="pagenum" title="226"></a>
-es nach Hause tragen und in unserem Bücherschranke
-aufstellen. Um sie uns zuzueignen, gehört noch eine Handlung
-dazu: wir müssen das Buch lesen, seinen Inhalt, wofern er
-nur nicht ganz gemein ist, durchdenken, ihn von mehreren Seiten
-ansehen, und so ihn in unsere eigene Ideenverbindung aufnehmen.
-Da man indess, ohne das Buch zu besitzen, dies nicht
-konnte, und um des blossen Papiers willen dasselbe nicht kaufte,
-so muss der Ankauf desselben uns doch auch hierzu ein Recht
-geben: wir erkauften uns nemlich dadurch die Möglichkeit, uns
-die Gedanken des Verfassers zu eigen zu machen; diese Möglichkeit
-aber zur Wirklichkeit zu erheben, dazu bedurfte es
-unserer eigenen Arbeit. &mdash; So waren die Gedanken des ersten
-Denkers dieses und der vergangenen Jahrhunderte, und höchstwahrscheinlich
-eines der ersten aller künftigen, vor der Bekanntmachung
-seiner merkwürdigen Werke, und noch eine geraume
-Zeit nachher sein ausschliessendes Eigenthum; und kein
-Käufer bekam für das Geld, welches er für die Kritik der reinen
-Vernunft hingab, ihren Geist. Jetzt aber hat mancher hellsehende
-Mann sich denselben zugeeignet, und das wahrlich
-nicht durch Ankauf des Buches, sondern durch fleissiges und
-vernünftiges Studium desselben. Dieses Mitdenken ist denn
-auch, im Vorbeigehen sey es gesagt, das einzig passende Aequivalent
-für Geistesunterricht, sey er mündlich oder schriftlich.
-Der menschliche Geist hat einen ihm angeborenen Hang, Uebereinstimmung
-mit seiner Denkungsart hervorzubringen; und jeder
-Anschein der Befriedigung desselben ist ihm die süsseste
-Belohnung aller angewandten Mühe. Wer wollte lehren vor
-leeren Wänden, oder Bücher schreiben, die niemand läse? Das,
-was für dergleichen Unterricht an Gelde entrichtet wird, für
-Aequivalent anzusehen, wäre widersinnig. Es ist nur Ersatz
-dessen, was der Lehrer denen geben muss, die während der
-Zeit, dass er für andere denkt, für ihn jagen, fischen, säen
-und ernten.
-</p>
-
-<p>
-Was also fürs erste durch die Bekanntmachung eines Buches
-sicherlich feilgeboten wird, ist <em class="italic">das bedruckte Papier</em>, für
-jeden, der Geld hat es zu bezahlen, oder einen Freund, es von
-ihm zu borgen; und der Inhalt desselben, für jeden, der Kopf
-<a id="page-227" class="pagenum" title="227"></a>
-und Fleiss genug hat, sich desselben zu bemächtigen. Das erstere
-hört durch den Verkauf unmittelbar auf, ein Eigenthum
-des Verfassers (den wir hier noch immer als Verkäufer betrachten
-können) zu seyn, und wird ausschliessendes des Käufers,
-weil es nicht mehrere Herren haben kann; das letztere
-aber, dessen Eigenthum vermöge seiner geistigen Natur Vielen
-gemein seyn kann, so, dass doch jeder es ganz besitze, hört
-durch die Bekanntmachung eines Buches freilich auf, <em class="italic">ausschliessendes</em>
-Eigenthum des ersten Herrn zu seyn (wenn es dasselbe
-nur vorher war, wie dies mit manchem heurigen Buche der
-Fall nicht ist), bleibt aber sein mit Vielen gemeinschaftliches
-Eigenthum. &mdash; Was aber schlechterdings nie jemand sich zueignen
-kann, weil dies physisch unmöglich bleibt, ist die <em class="italic">Form</em>
-dieser Gedanken, die Ideenverbindung, in der, und die Zeichen,
-mit denen sie vorgetragen werden.
-</p>
-
-<p>
-Jeder hat seinen eigenen Ideengang, seine besondere Art,
-sich Begriffe zu machen und sie untereinander zu verbinden:
-dies wird, als allgemein anerkannt, und von jedem, der es versteht,
-sogleich anzuerkennend, von uns vorausgesetzt, da wir
-hier keine empirische Seelenlehre schreiben. Alles, was wir
-uns denken sollen, müssen wir uns nach der Analogie unserer
-übrigen Denkart denken; und bloss durch dieses Verarbeiten
-fremder Gedanken, nach der Analogie unserer Denkart, werden
-sie die unsrigen: ohne dies sind sie etwas Fremdartiges in
-unserem Geiste, das mit nichts zusammenhängt und auf nichts
-wirkt. Es ist unwahrscheinlicher als das Unwahrscheinlichste,
-dass zwei Menschen über einen Gegenstand völlig das Gleiche,
-in eben der Ideenreihe und unter eben den Bildern, denken
-sollen, wenn sie nichts voneinander wissen, doch ist es nicht
-absolut unmöglich; dass aber der eine, welchem die Gedanken
-erst durch einen anderen gegeben werden müssen, sie in eben
-der Form in sein Gedankensystem aufnehme, ist absolut unmöglich.
-Da nun reine Ideen ohne sinnliche Bilder sich nicht
-einmal denken, vielweniger anderen darstellen lassen, so muss
-freilich jeder Schriftsteller seinen Gedanken eine gewisse Form
-geben, und kann ihnen keine andere geben als die seinige, weil
-er keine andere hat; aber er kann durch die Bekanntmachung
-<a id="page-228" class="pagenum" title="228"></a>
-seiner Gedanken gar nicht Willens seyn, auch diese <em class="italic">Form</em> gemein
-zu machen: denn niemand kann seine Gedanken sich zueignen,
-ohne dadurch, dass er ihre Form verändere. Die letztere
-also bleibt auf immer sein ausschliessendes Eigenthum.
-</p>
-
-<p>
-Hieraus fliessen zwei Rechte der Schriftsteller: nemlich
-nicht bloss, wie Herr R. will, das Recht zu verhindern, dass
-niemand ihm überhaupt das Eigenthum dieser Form abspreche
-(zu fordern, dass jeder ihn für den Verfasser des Buches anerkenne);
-sondern auch das Recht, zu verhindern, dass niemand
-in sein ausschliessendes Eigenthum dieser Form Eingriffe
-thue und sich des Besitzes derselben bemächtige.
-</p>
-
-<p>
-Doch ehe wir weitere Folgerungen aus diesen Prämissen
-ziehen, lasst sie uns erst ihrer Probe unterwerfen! &mdash; Noch bis
-jetzt haben die Schriftsteller es nicht übel empfunden, dass wir
-ihre Schriften verbrauchen, dass wir sie anderen zum Gebrauch
-mittheilen, dass wir sogar Leihbibliotheken davon errichten, ungeachtet
-dies (denn wir sehen sie hier noch immer als Verkäufer
-an) offenbar zu ihrem Schaden gereichet; und wenn
-wir sie zerreissen oder verbrennen, so beleidigt dies den Vernünftigen
-nur alsdann, wenn es wahrscheinlich in der Absicht
-geschieht, ihm dadurch Verachtung zu bezeugen. Noch haben
-sie uns also bis jetzt durchgängig das völlige Eigenthum des
-<em class="italic">Körperlichen</em> ihrer Schriften zugestanden. &mdash; Ebensowenig sind
-sie dadurch beleidigt worden, wenn man, bei wissenschaftlichen
-Werken, sich ihre Grundsätze eigen machte, sie aus verschiedenen
-Gesichtspuncten darstellte und auf verschiedene Gegenstände
-anwendete; oder bei Werken des Geschmackes ihre
-Manier, welches ganz etwas anderes ist als ihre Form, nachahmte.
-Sie haben dadurch eingestanden, dass das <em class="italic">Gedankeneigenthum</em>
-auf andere übergehen könne.
-</p>
-
-<p>
-Aber immer ist es allgemein für verächtlich angesehen worden,
-wörtlich auszuschreiben, ohne den eigentlichen Verfasser
-zu nennen; und man hat dergleichen Schriftsteller mit dem entehrenden
-Namen eines Plagiars gebrandmarkt. Dass diese allgemeine
-Misbilligung nicht auf die Geistesarmuth des Plagiars,
-sondern auf etwas in seiner Handlung liegendes Unmoralisches
-gehe: ist daraus klar, weil wir im ersten Falle ihn bloss bemitleiden,
-<a id="page-229" class="pagenum" title="229"></a>
-aber nicht verachten würden. Dass dieses Unmoralische,
-und der Grund des Namens, den man ihm giebt, gar
-nicht darin gesetzt werde, weil er durch den Verkauf eines
-Dinges, welches Käufer schon besitzt, diesen um sein Geld
-bringt: ergiebt sich daraus, dass unsere schlechte Meinung von
-ihm nicht um das Geringste gemildert wird, wenn er ein höchstseltenes,
-etwa nur auf grossen Bibliotheken vorzufindendes Buch
-ausgeschrieben hat. Dass endlich diese Ungerechtigkeit nicht
-etwa darin bestehe, dass er, wie Herr R. meinen könnte, dem
-Verfasser seine Autorschaft abspreche: folgt daraus, weil er
-diese gar nicht läugnet, sondern sie nur ignorirt. Auch würde
-man sie vergeblich darauf zurückführen, dass er dem Verfasser
-die rechtmässige Ehre nicht erzeige, indem er ihn nicht nenne,
-wo er ihn hätte nennen sollen: indem der Plagiar nicht weniger
-Plagiar genannt wird, wenn er auch das Buch eines Anonymus
-ausgeschrieben hat. Wir können sicher jeden ehrliebenden
-Mann fragen: ob er sich nicht in sich selbst schämen
-würde, wenn er es sich nur als möglich dächte, dass er etwa
-eines unbekannten verstorbenen Mannes Handschrift, oder ein
-Buch, dessen einziger Besitzer er wäre, ausschreiben könnte? ...
-Diese Empfindungen können, nach allem Gesagten, in nichts,
-als in dem Gedanken liegen: dass der Plagiar sich eines Dinges
-bemächtiget, welches nicht sein ist. &mdash; Warum denkt man
-nun über den Gebrauch der <em class="italic">eigenen Worte</em> eines Schriftstellers
-ganz anders, als über die Anwendung seiner <em class="italic">Gedanken</em>? Im
-letzteren Falle bedienen wir uns dessen, was unser mit ihm
-gemeinschaftliches Eigenthum seyn kann, und beweisen, dass
-es dieses sey, dadurch, dass wir ihm unsere Form geben; im
-ersten Falle bemächtigen wir uns seiner Form, welche nicht
-unser, sondern sein ausschliessendes Eigenthum ist.
-</p>
-
-<p>
-Eine Ausnahme macht man mit den Citaten: nemlich nicht
-nur solchen, wo von einem Verfasser bloss gesagt wird, dass
-er irgend etwas entdeckt, erwiesen, dargestellt habe, wobei
-man sich weder seiner Form bemächtigt, noch eigentlich seine
-Gedanken vorträgt, sondern auf sie nur weiter fortbaut; sondern
-auch solchen, wo die eigenen Worte des Verfassers angeführt
-werden. Im letzten Falle bemächtigt man sich wirklich
-<a id="page-230" class="pagenum" title="230"></a>
-der Form des Verfassers, die man zwar nicht für die seinige
-ausgiebt, welches jedoch hier nichts zur Sache thut. Diese
-Befugniss scheint sich auf einen stillschweigenden Vertrag der
-Schriftsteller untereinander zu gründen, einander gegenseitig
-mit Anführung der eigenen Worte zu citiren; doch würde auch
-hier es niemand billigen, wenn ein anderer, ohne sichtbares
-Bedürfniss, besonders grosse Stellen ausschriebe. Mit nur halbem
-Rechte stehen unter den Ausnahmen die Blumenlesen, die
-<em class="italic">Geiste (esprits)</em>, zu deren Verfertigung gemeinhin nicht viel
-Geist gehört, und dergleichen kleine Diebereien, die niemand
-sehr bemerkt, weil sie niemandem viel helfen, noch viel schaden.
-</p>
-
-<p>
-Kein Docent duldet es, dass jemand seine Vorlesungen abdrucken
-lasse; noch nie aber hat einer etwas dagegen gehabt,
-wenn seine Zuhörer sich seinen Geist und seine Grundsätze
-eigen zu machen gesucht, und sie mündlich oder schriftlich
-weiter verbreitet haben. &mdash; Worauf gründet sich dieser Unterschied?
-Im letzten Falle tragen sie seine Gedanken vor, die
-durch ihr eigenes Nachdenken, und die Aufnahme derselben
-in ihre Ideenreihe, die ihrigen geworden sind; im ersteren bemächtigen
-sie sich seiner Form, die nie ihr Eigenthum werden
-kann, kränken ihn also in seinem vollkommenen Rechte.
-</p>
-
-<p>
-Und jetzt diese <em class="italic">a priori</em> erwiesenen und <em class="italic">a posteriori</em> durch
-die aus ihnen mögliche Erklärbarkeit dessen, was in Sachen
-der Art für recht gehalten wird, erprobten Grundsätze auf das
-Verhältniss des Verfassers und des Verlegers angewandt! Was
-überträgt der Erstere an den Letzteren, indem er ihm seine
-Handschrift übergiebt? ... Ein Eigenthum: etwa das der
-<em class="italic">Handschrift</em>? Aber die Gelehrten werden gestehen, dass diese
-grösstentheils des Geldes nicht werth sey; und warum verzeihen
-sie es sich denn nicht, mehrere von eben der Schrift an
-mehrere Verleger zu verkaufen? Das Eigenthum der darin enthaltenen
-Gedanken: dies überträgt sich nicht durch eine blosse
-Uebergabe; und selten würde dem Verleger viel damit gedient
-seyn. &mdash; Noch weniger das der <em class="italic">Form</em> dieser Gedanken: denn
-diese ist und bleibt auf immer ausschliessendes Eigenthum des
-Verfassers. &mdash; Der Verleger bekommt also durch den Contract
-mit dem Verfasser überhaupt kein Eigenthum, sondern unter
-<a id="page-231" class="pagenum" title="231"></a>
-gewissen Bedingungen nur das Recht eines gewissen <em class="italic">Niessbrauches</em>
-des Eigenthums des Verfassers, d. i. seiner Gedanken
-in ihre bestimmte Form eingekleidet. Er darf, an wen er will
-und kann, verkaufen &mdash; nicht die Gedanken des Verfassers und
-ihre Form, sondern nur die durch den Druck derselben hervorgebrachte
-<em class="italic">Möglichkeit</em>, sich die ersteren zuzueignen. Er
-handelt also allenthalben nicht in seinem Namen, sondern im
-Namen und aus Auftrag des Verfassers.
-</p>
-
-<p>
-Auch diese Begriffe zeigen sich in allgemein angenommenen
-Maximen. Warum wird selbst der rechtmässige Verleger
-allgemein getadelt, wenn er eine grössere Anzahl Exemplare
-abdrucken lässt, als er mit dem Verfasser verabredet hat? Das
-Recht des Verfassers, dies zu hindern, gründet sich zwar auf
-einen Contract, der aber nicht über das Eigenthum, sondern
-den Niessbrauch abgeschlossen ist. Der Verleger kann höchstens
-Eigenthümer dieses Niessbrauchs heissen. &mdash; Warum dann,
-wenn er eine zweite Auflage besorgt, ohne Erlaubniss des Verfassers?
-Wie kann der Verfasser bei einer zweiten Auflage,
-wenn er nichts Neues hinzusetzt noch umarbeitet, von neuem
-Honorar vom Verleger für die blosse Erlaubniss der neuen Auflage
-fordern? Wären diese Maximen nicht widersprechend,
-wenn man annähme, dass das Buch ein Eigenthum des Verlegers
-würde, und nicht beständiges Eigenthum des Verfassers
-bliebe, so dass der Verleger fortdauernd nichts ist, als sein
-Stellvertreter? Wäre es nicht widersprechend, dass das Publicum,
-wenn es, durch einen prächtigen Titel getäuscht, ein Buch
-gekauft hat, in welchem es nichts, als das Längstbekannte, aus
-den bekanntesten Büchern ärmlich zusammengestoppelt, findet,
-an dem Verfasser des Buches Regress nimmt, und nicht an seinen
-Verleger sich hält? Ein Recht, uns zu beklagen, haben
-wir allerdings; wir wollten nicht bloss ein paar Alphabete gedrucktes
-Papier, wir wollten zugleich die <em class="italic">Möglichkeit</em> erkaufen,
-uns über gewisse Gegenstände zu belehren. Diese ward uns
-versprochen, und nicht gegeben. Wir sind getäuscht, wir sind
-um unser Geld. Aber gaben wir dies nicht dem Verleger?
-War er es nicht, der uns das leere Buch dagegen gab? Warum
-halten wir uns nicht an ihn, als an den letzten Verkäufer, wie
-<a id="page-232" class="pagenum" title="232"></a>
-wir es sonst bei jedem Kaufe thun? Was sündigte der arme
-Verfasser? ... So müssten wir nothwendig denken, wenn
-wir den erstern nicht als blossen Stellvertreter des letztern
-betrachteten, der bloss in jenes Namen mit uns handelte, und,
-wenn wir betrogen wurden, in jenes Namen, auf jenes Geheiss,
-und oft ohne selbst das geringste Arge daraus zu haben, uns
-betrog. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-So verhalten sich Schriftsteller, Verleger und Publicum.
-Und wie verhält sich zu ihnen der <em class="italic">Nachdrucker</em>? Er bemächtigt
-sich &mdash; nicht des Eigenthums des Verfassers, nicht seiner
-Gedanken (das kann er grösstentheils nicht; denn wenn er kein
-Ignorant wäre, so würde er eine ehrlichere Handthierung treiben),
-nicht der Form derselben (das könnte er nicht; auch
-wenn er kein Ignorant wäre); &mdash; sondern des <em class="italic">Niessbrauches</em>
-seines Eigenthums. Er handelt im Namen des Verfassers, ohne
-von ihm Aufträge zu haben, ohne mit ihm übereingekommen
-zu seyn, und bemächtigt sich der Vortheile, die aus dieser Stellvertretung
-entstehen; er maasset sich dadurch ein Recht an,
-das ihm nicht zusteht, und stört den Verfasser in der Ausübung
-seines vollkommenen Rechtes.
-</p>
-
-<p>
-Ehe wir das endliche Resultat ziehen, müssen wir noch
-ausdrücklich erinnern, dass die Frage gar nicht von dem <em class="italic">Schaden</em>
-ist, welchen der Nachdrucker hierdurch dem Verfasser entweder
-unmittelbar, oder mittelbar in der Person seines Stellvertreters
-zufüge. Man zeige, soviel man will, dass dadurch
-weder dem Verfasser, noch dem Verleger ein Nachtheil entstehe;
-dass es sogar der Vortheil des Schriftstellers sey, recht
-viel nachgedruckt zu werden, dass dadurch sein Ruhm über
-alle Staaten Deutschlands, von der Stapelstadt der Gelehrsamkeit
-bis in das entfernteste Dörfchen der Provinz, und von der
-Studirstube des Gelehrten bis in die Werkstätte des Handwerkers
-verbreitet werde: wird dadurch <em class="italic">recht</em>, was einmal unrecht
-ist? Darf man jemandem wider seinen Willen und sein
-Recht Gutes thun? Ein jeder hat die vollkommene Befugniss,
-seinem Rechte nichts zu vergeben; sey es ihm auch so schädlich
-als es wolle. Wann wird man doch ein Gefühl für die erhabene
-Idee des Rechts, ohne alle Rücksicht auf Nutzen, bekommen?
-<a id="page-233" class="pagenum" title="233"></a>
-&mdash; Man merke ferner, dass dieses Recht des Verfassers,
-welches der Nachdrucker kränkt, sich nicht, wie Herr
-Reimarus glaubt, auf einen vermeinten Contract desselben mit
-dem Publicum und auf eine jesuitische Mentalreservation in
-demselben gründet; sondern dass es sein natürliches, angebornes,
-unzuveräusserndes Eigenthumsrecht ist. Dass man ein solches
-Recht nicht verletzt sehen wolle, wird wohl ohne ausdrückliche
-Erinnerung vorausgesetzt; vielmehr müsste man dann
-es sagen, wenn man auf die Ausübung desselben Verzicht thun
-wollte.
-</p>
-
-<p>
-Dies alles als erwiesen vorausgesetzt, muss, wenn jeder
-ein Dieb ist, der um Gewinnstes willen den Genuss des Eigenthums
-anderer an sich reisst, der Nachdrucker ohne Zweifel
-einer seyn. Wenn ferner jeder Diebstahl dadurch, dass er an
-Dingen geschieht, die ihrer Natur nach nicht unter Verwahrung
-gehalten werden können, sträflicher wird, so ist der des Nachdruckers,
-welcher an einer Sache verübt wird, die jedem offenstehen
-muss, wie Luft und Aether, einer der sträflichsten. Wird
-er es endlich dadurch noch mehr, an je edleren Dingen er geschieht,
-so ist der an Dingen, die zur Geistescultur gehören,
-der allersträflichste: daher man denn auch schon den Namen
-des Plagiats, der zuerst Diebstahl an Menschen bedeutete, auf
-Bücherdiebereien übertragen hat.
-</p>
-
-<p>
-Und jetzt zu einigen Instanzen des Herrn Reimarus! &bdquo;Wer
-es denn sey, der den Niessbrauch des fortdauernden Eigenthums
-der Verfasser bei den alten Autoren, der es bei Luthers Bibelübersetzung
-habe?&ldquo; fragt derselbe. &mdash; Wenn der Eigenthümer
-einer Sache, und seine Erben und Erbnehmer ausgestorben,
-oder nicht auszumitteln sind, so erbt die Gesellschaft. Will
-diese ihr Recht aufgeben, und es gemein werden lassen; will
-es der Eigenthümer selbst: &mdash; wer kann es wehren?
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ob das auch ein Raub des Büchereigenthums seyn würde,&ldquo;
-fragt Herr R. weiter, &bdquo;wenn jemand ein Buch einzeln oder in
-grösserer Anzahl abschreiben und die Abschriften verkaufen
-wolle?&ldquo; Da die Liebhaber, welche ein Buch lieber in Handschrift,
-als gedruckt besitzen wollten, selten seyn, mithin durch
-diese Vervielfältigung der Exemplare weder dem Verfasser noch
-<a id="page-234" class="pagenum" title="234"></a>
-dem Verleger grosser Nachtheil entstehen möchte; da der Gewinn
-bei dieser mühsamen Arbeit nicht gross, und der Verkaufswerth
-wohl grösstentheils kümmerliche Bezahlung der angewandten
-Mühe seyn, mithin die ungerechte Habsucht des
-Abschreibers weniger auffallen würde: so möchten vielleicht
-der Erstere und der Zweite dazu schweigen. Sind aber unsere
-eben ausgeführten Sätze erwiesen, so bleibt an sich jeder Niessbrauch
-des Buches, sey er so wenig einträglich als er wolle,
-ungerecht; und diejenigen, welche das Buch in Abschrift zu besitzen
-wünschten, oder der Abschreiber, müssten darüber in
-Unterhandlung mit dem Verfasser treten. &mdash; Wenn die alten
-Schriftsteller über den möglichen Niessbrauch der Autorschaft
-nicht nachgedacht hatten, oder, weil sie sein nicht begehrten,
-das Abschreiben ihrer Bücher jedem freistellten, dem es beliebte,
-und durch ihr Stillschweigen die Einwilligung dazu gaben:
-so hatten sie das vollkommenste Recht, &mdash; wie jeder es
-hat &mdash; ihr Recht aufzugeben; wenn sie aber gewollt hätten, so
-hätten sie es ebensowohl geltend machen können, als die unsrigen:
-denn was heute recht ist, war es ewig.
-</p>
-
-<p>
-Diese Grundsätze werden durch Anwendung auf Dinge,
-die man oft mit ihnen verglichen und verwechselt hat, noch
-deutlicher werden. So hat man <em class="italic">Producte der mechanischen
-Kunst</em> mit Büchern, und das Nachmachen derselben zum Nachtheil
-des Erfinders mit dem Nachdrucke verglichen; &mdash; wie
-passend oder unpassend, werden wir sogleich sehen. Auch
-ein solches Werk hat etwas Körperliches: die Materie, aus der
-es verfertigt ist, Stahl, Gold, Holz und dergleichen; und etwas
-Geistiges: den Begriff, der ihm zum Grunde liegt (die Regel,
-nach der es verfertigt ist). Von diesem Geistigen kann man
-nicht sagen, dass es eine dem Verfertiger eigenthümliche Form
-habe, weil es selbst ein Begriff einer <em class="italic">bestimmten</em> Form ist &mdash;
-die Form der Materie, das Verhältniss ihrer einzelnen Theile
-zur Hervorbringung des beabsichtigten Zwecks; &mdash; welches
-folglich nur auf einerlei Art, einem deutlich gedachten Begriffe
-gemäss, bestimmt seyn kann. Hier ist es das Körperliche, welches,
-<em class="italic">insofern es nicht durch den Begriff bestimmt wird</em>, eine
-besondere Form annimmt, von welcher die Nettigkeit, die Eleganz,
-<a id="page-235" class="pagenum" title="235"></a>
-die Schönheit des Kunstwerkes, insofern sie nicht auf
-den hervorzubringenden Zweck bezogen wird, abhängt: an
-welcher man z. B. die Arbeiten der Engländer, die Arbeiten eines
-gewissen bestimmten Meisters, von jeder andern unterscheidet,
-ohne eigentlich und deutlich angeben zu können, worin der
-Unterschied liege. Diese Form des Körperlichen kann auch ein
-Buch haben, und durch sie wird die Reinheit und Eleganz des
-Druckes bestimmt; in dieser Rücksicht ist es Product der mechanischen
-Kunst, und gehört unter die nun leicht zu entwickelnden
-Regeln derselben.
-</p>
-
-<p>
-Angenommen, was allgemein anzunehmen ist, dass durch
-den Verkauf einer Sache dem Käufer das Eigenthum alles desjenigen
-übertragen werde, dessen Zueignung physisch möglich
-ist: was wird durch den Verkauf eines solchen Kunstwerkes
-dem Käufer übertragen? Jedem ohne Zweifel das Eigenthum
-des materiellen Körperlichen, nebst der Möglichkeit, das Werk
-zu dem verlangten Zwecke zu gebrauchen, wenn er will, ihn
-kennt und ihn dadurch zu erreichen weiss. Die Möglichkeit,
-sich den dem Werke zu Grunde liegenden Begriff (nemlich
-die Regel, nach der es verfertigt ist) zuzueignen, ist nicht die
-Absicht des Verkaufs, und gemeinhin auch nicht des Kaufs,
-wie bei einem Buche, wo dies offenbar die Absicht ist. Auch
-wird sie durch den Verkauf nicht jedem, sondern bloss dem,
-der dazu die nöthigen Kenntnisse hat, übergeben. Das Eigenthum
-dieses Begriffs aber wird durch den Verkauf gar nicht
-übergeben; sondern zur Zueignung desselben gehört noch die
-Handlung des Käufers, dass er das Werk untersuche, es vielleicht
-zerlege, darüber nachdenke u. s. w. Aber dennoch ist
-es nicht nur physisch möglich, sondern auch oft sehr leicht,
-die Regel der Verfertigung des Werkes zu finden. Diesen Begriffen
-nun seine Form zu geben, muss man selbst Künstler,
-und zwar Künstler in dieser Kunst seyn. Die Form des ersten
-Verfertigers wird man dem Körperlichen nie geben; aber
-es kommt darauf nicht an, der Unterschied ist meistens ganz
-unbemerkbar, und oft wird der zweite Verfertiger ihm eine
-weit schönere geben. Man kann folglich nicht nur das Eigenthum
-der Materie, sondern unter gewissen Bedingungen auch
-<a id="page-236" class="pagenum" title="236"></a>
-das des Begriffs, nach welchem sie bearbeitet ist, sich erwerben;
-und da man das Recht hat, sein Eigenthum auf jede beliebige
-Art zu benutzen, so hat man ohne Zweifel auch das,
-dies Kunstwerk nachzumachen. Allein, die Ausübung dieses
-Rechtes ist nicht billig: es ist nicht billig, dass der Mann, welcher
-Jahre lang Fleiss, Mühe und Kosten aufwendete, durch
-die erste Bekanntmachung des Resultats seiner jahrelangen
-Arbeit, welches von der Art, dass jeder desselben sich bemächtigen
-kann, der es siehet, um alle Frucht dieser Arbeit
-gebracht werde. Da aber in Sachen des Gewinnstes auf die
-Billigkeit anderer nicht sehr zu rechnen ist, so tritt der Staat
-ins Mittel, und macht durch ein ausdrückliches Gesetz, genannt
-<em class="italic">Privilegium</em>, dasjenige Rechtens, was vorher nur Sache der
-Billigkeit war. Weil indess durch ein solches Gesetz das natürliche
-Recht anderer allerdings eingeschränkt, und sie dessen
-beraubt werden, besonders dadurch beraubt werden, dass man
-das, was von ihrem guten Willen abhing, und ihnen ein Verdienst
-geben konnte, ihnen abnöthigt, und sie dadurch wenigstens
-der Entdeckung dieses Verdienstes beraubt: so hebt der
-Staat dieses Gesetz wieder auf, sobald seine Absicht, den ersten
-Erfinder zu entschädigen, erreicht ist, und giebt den Menschen
-ihr angebornes und durch Nachdenken und Studium behauptetes
-Recht wieder.
-</p>
-
-<p>
-Ein solches Privilegium geht also auf den Gebrauch des
-erworbenen Begriffs; und nur dasjenige Bücherprivilegium
-würde mit ihm zu vergleichen seyn, welches verböte, innerhalb
-zehn Jahren nichts über <em class="italic">gewisse Materien</em>, als z. B. keine
-Metaphysik, keine Naturlehre, zu schreiben. &mdash; Verwechselte
-etwa Herr R., dessen Vorschläge bei Bücherprivilegien eben
-dahin auslaufen, Bücher mit mechanischen Kunstwerken, als
-ob zu ihrer Verfertigung nichts weiter gehöre, als etwa ein
-Recept, ein Buch zu machen im Kopfe, und übrigens gelenke
-Finger, Papier und Dinte?
-</p>
-
-<p>
-Das Recht des Käufers, das Gekaufte nachzumachen, geht,
-soweit die physische Möglichkeit geht, es sich zuzueignen;
-und diese nimmt ab, je mehr das Werk von der Form abhängt,
-welche wir uns nie eigen machen können. Diese Gradation
-<a id="page-237" class="pagenum" title="237"></a>
-geht in unmerklichen Abstufungen von der gemeinen Studirlampe
-bis zu Correggio&rsquo;s Nacht. Letztere hat nie um ein Privilegium
-nachgesucht, und ist darum doch nicht nachgemacht
-worden. Zwar Farben auftragen, Licht und Schatten, und ein
-Kind und eine junge Frau malen, kann jeder Pinsler; aber es
-ist uns nicht darum, es ist uns um die nicht zu beschreibende,
-aber zu fühlende Form des Vortrags zu thun. &mdash; Kupferstiche
-von Gemälden sind keine Nachdrücke: sie verändern die Form.
-Sie liefern Kupferstiche, und keine Gemälde; und wem sie
-den letzteren gleich gelten, dem bleibt es unbenommen. Auch
-Nachstechen schon abgestochener Gemälde ist nicht Nachdruck;
-denn jeder giebt seinem Stiche seine eigene Form. Nachdruck
-wäre nur das, wenn jemand sich der Platte des Andern bemächtigte
-und sie abdruckte.
-</p>
-
-<p>
-Und nach dieser Unterscheidung nun die Frage: Was ist
-ein Bücherprivilegium? Ein Privilegium überhaupt ist Ausnahme
-von einem allgemein geltenden Gesetze der natürlichen oder
-der bürgerlichen Gesetzgebung. Ueber Büchereigenthum ist
-bis jetzt kein bürgerliches Gesetz vorhanden; also muss ein
-Bücherprivilegium eine Ausnahme von einem Naturgesetze seyn
-sollen. Ein dergleichen Privilegium sagt, ein gewisses Buch
-solle nicht nachgedruckt werden; es setzt mithin ein Gesetz
-der Natur voraus, welches so lauten müsste: Jeder hat ein
-Recht, jedes Buch nachzudrucken. &mdash; Es ist also doch wahr,
-dass das Nachdruckerrecht selbst von denen, in deren Hände
-die Menschheit alle ihre Rechte zur Aufbewahrung überlieferte,
-von den Regenten, als ein allgemein gültiges Naturrecht anerkannt
-werde? Doch wahr, dass selbst die Gelehrten es dafür
-anerkennen; denn was kann die Bitte um ein Privilegium anders
-heissen, als: Ich erkenne an, dass vom Tage der Publication
-meines Werkes jeder, wer will, das unbezweifelte Recht
-hat, sich das Eigenthum und jeden möglichen Nutzen desselben
-anzumaassen, bitte aber um meines Vortheils willen, die
-Rechte der Menschheit einzuschränken. &mdash; Hat man sich je
-einen Freibrief gegen Strassenräuber geben lassen? &mdash; &bdquo;Aber
-ein Bücherprivilegium ist kein Freibrief gegen Strassenräuber;
-es ist eine Bedeckung von Husaren&ldquo;, sagt man mir. Wenn dies
-<a id="page-238" class="pagenum" title="238"></a>
-wahr wäre, wenn es in Ländern wahr seyn könnte, wo die
-Strassenräuber nicht, wie in Arabien, ungebändigt in den Wäldern
-herumstreifen, sondern zu jeder Stunde durch die obrigkeitliche
-Gewalt abgelangt werden können: so ständen wir vor
-einer andern Untersuchung.
-</p>
-
-<p>
-Die Tr... nemlich, Sch..., die W... sind freilich Räuber;
-aber sie sind privilegirte Räuber. Sie haben &mdash; denn die Bemerkung,
-dass eins von beiden, entweder das Privilegium,
-welches den Nachdruck verbietet, oder das, welches ihn erlaubt,
-widersinnig seyn muss, wollen wir schenken &mdash; sie, sage
-ich, haben nicht die mindeste Schuld. Unbekannt mit dem,
-was Recht oder Unrecht sey, weil es für sie zu tief lag, fragten
-sie die, welche es wissen sollten. Man sagte es ihnen,
-und sie glaubten. Freilich gefiel es dem englischen Kaufmanne
-nie wohl, wenn ein französischer Kaper ihm sein Schiff und
-seine Waaren wegnahm. Er beklagte sich über diese Ungerechtigkeit.
-&bdquo;Das ist nicht Unrecht, das ist Kriegsrecht&ldquo;, sagte
-der Kaper, und zeigte ihm seinen Kaperschein vor; und während
-der Engländer diesen untersuchte, um sich von der Rechtmässigkeit
-der Behandlung, die er erfuhr, zu überzeugen, durchsuchte
-ihm jener die Taschen, und er hatte darin recht.
-</p>
-
-<p>
-Aber, mit welchem Rechte nur überhaupt die Hummeln
-den Bienen den Krieg ankündigen? ... Welcher Vertheidiger
-des Büchernachdrucks wird uns dies erklären? &mdash; &bdquo;Es würde
-doch von einem Staate viel verlangt heissen, sagt man, dass
-er befehlen solle, fremde theure Waare in sein Land einzuführen.&ldquo;
-Das würde allerdings viel verlangt heissen; aber die
-Forderung, dass er sich dann, wann sie ihm zu theuer ist,
-ganz ohne sie behelfen möge, wäre so unbillig eben nicht.
-Joseph II. hatte allerdings das vollkommene Recht, die Einfuhr
-der holländischen Häringe in seine Staaten zu verbieten: wer
-könnte ihm dies abstreiten? Aber hätte er darum auch wohl
-das Recht gehabt &mdash; da holländische Häringe sich nun einmal
-nicht nachdrucken lassen &mdash; Kaper auszusenden, welche den
-Holländern aufpassen und ihnen ihre Häringe abnähmen? Und
-wenn diese fremde theure Waare &mdash; denn Bücher sind in diesem
-System freilich nicht mehr und nicht weniger Waare, als Häringe
-<a id="page-239" class="pagenum" title="239"></a>
-und Käse &mdash; überhaupt nicht eingeführt werden soll, wovon
-soll man sie denn im Lande abdrucken? ... Ei ja! wir werden
-uns wohl hüten, die Einfuhr fremder Bücher eher zu verbieten,
-als bis wir sie erst nachgedruckt haben.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es sey ja für den Vortheil des Verfassers völlig gleichgültig,
-ob in einem Lande, wo die Einfuhr seiner rechtmässigen
-Ausgabe verboten sey, ein Nachdruck verkauft werde oder
-nicht, da er aus diesem Lande einmal keinen Gewinn ziehen
-könne&ldquo;, sagt man auch noch. Und man hat recht, und übrig
-recht, in einem Systeme, in welchem nichts unrecht ist, als
-das was schadet.
-</p>
-
-<p>
-Ist jetzt Alles klärlich erwiesen, was erwiesen werden
-sollte: &mdash; dass der Verfasser ein fortdauerndes Eigenthum an
-sein Buch behalte, und das vollkommene Recht habe, jeden zu
-verhindern, wider seinen Willen Nutzen aus dem, was der
-Natur der Sache nach sein bleibt, zu ziehen; dass mithin der
-Nachdruck eine offenbare, und zwar eine der sträflichsten Ungerechtigkeiten
-sey, &mdash; so ist bei Untersuchung seiner Zulässigkeit
-davon gar nicht mehr die Frage, ob er nützlich sey;
-und wir können uns gänzlich enthalten, sie zu beantworten.
-Weder Herr R. noch das Publicum wird also etwas dagegen
-haben, wenn wir statt dieser Untersuchung eine <em class="italic">Parabel</em> erzählen.
-Was sie, da wir nach obiger Erinnerung mit Büchern
-gar nichts Aehnliches haben, erläutern könne, was sie nach
-allem schon Erwiesenen noch zu erläutern habe, wird jeder
-einsehen.
-</p>
-
-<p>
-Zur Zeit des Khalifen Harun al Raschid, der wegen seiner
-Weisheit in der Tausend und Einen Nacht und sonst berühmt
-ist, lebte, oder könnte gelebt haben, ein Mann, der wer weiss
-aus welchen Salzen und Kräutern einen Extract verfertigte,
-der gegen alle Krankheiten, ja gegen den Tod selbst helfen
-sollte. Ohne nun eben alle die Wirkungen zu haben, welche
-sein Verfertiger von ihm rühmte, &mdash; er war selbst ein wenig
-kränklich &mdash; war er doch immer eine treffliche Arznei. Um
-in seinen chemischen Arbeiten durch nichts gestört zu werden,
-wollte er sich nicht selbst mit dem Handel befassen, sondern
-gab ihn in die Hände eines Kaufmanns, der allein im
-<a id="page-240" class="pagenum" title="240"></a>
-ganzen Lande damit handelte und einen beträchtlichen Gewinn
-dadurch erwarb. Darüber wurden nun seine Mitbrüder, die
-übrigen Arzneihändler, neidisch, und verschrien ihn und seinen
-Extract. Ganz anders aber benahm sich dabei Einer unter
-ihnen. Dieser passte den Leuten des Alleinhändlers auf,
-wenn sie das Arcanum vom Chemiker brachten, nahm es ihnen
-ab, raubte es wohl gar aus dem Waarenlager selbst; und
-das vermochte er, denn er war ein handfester Kerl. Er vereinzelte
-es darauf auf allen Jahrmärkten, in allen Flecken und
-Dörfern, und weil er es wohlfeil gab und den Leuten sehr
-einlobte, so hatte er reissenden Abgang. Darüber erhob dann
-der Alleinhändler ein Geschrei im ganzen Lande; und es fielen
-mitunter auch wohl Diebe, Räuber und dergleichen Benennungen,
-die bei solchen Gelegenheiten zu fallen pflegen und die
-dem Andern auch richtig überbracht wurden. Gern hätte der
-Alleinhändler ihm wieder etwas abgenommen, aber jener hatte
-nichts, das der Mühe des Nehmens werth war. Schon lange
-hatte er ihm nachgestellt, um seiner habhaft zu werden; aber
-jener war schlauer als er und entging allen seinen Schlingen.
-Endlich, wie denn das stete Glück unvorsichtig macht, fiel er
-doch noch durch Unachtsamkeit in die Hände seines Feindes,
-und ward von ihm vor den Khalifen geführt. Hier brachte
-der Arzneihändler seine Klage gegen jenen an, die mit der
-Klage unserer Buchhändler gegen die Nachdrucker ziemlich
-gleichlautend war. Jener, ohne sich bange werden zu lassen,
-&mdash; er hatte bei seinem Marktschreiergewerbe seine Dreistigkeit
-vermehrt und eine gewisse Beredsamkeit sich eigen gemacht
-&mdash; führte seine Verteidigung folgendermaassen:
-</p>
-
-<p>
-Glorwürdigster Nachfolger des Propheten! ich liebe nach
-Principien zu verfahren. Der einzig richtige Maassstab der
-Güte unserer Handlungen ist bekanntermaassen ihre Nützlichkeit.
-Je ausgebreitetere und je wichtigere Vortheile eine Handlung
-stiftet, desto besser ist sie. Es giebt zwar noch einige
-finstere Köpfe, die sich etwas erkünsteln, was sie, glaub ich,
-Recht nennen: ein Hirngespinnst, das sich im Leben nicht realisiren
-lässt; denn kann man nicht bei aller Rechtschaffenheit
-verhungern? Doch fern sey es, dass dergleichen altfränkische
-<a id="page-241" class="pagenum" title="241"></a>
-Ideen die aufgeklärten Zeiten von Eurer Majestät glorwürdiger
-Regierung entweihen sollten! &mdash; Wenn ich mithin beweise, dass
-mein Verfahren den ausgebreitetsten Nutzen stiftet, so beweise
-ich dadurch ohne Zweifel, dass es lobenswürdig ist; und dies
-ist so leicht zu erweisen. Dass meine Handlung von den vortheilhaftesten
-Folgen für das Publicum sey, sollte man das erst
-zeigen müssen? Ich verkaufe das Arcanum weit wohlfeiler, als
-der Kläger; der gemeinste Mann wird also dadurch in den
-Stand gesetzt, es sich anzuschaffen, was er bei dem hohen
-Preise des Alleinhändlers nicht kann; ich nöthige es dem unaufgeklärten
-Haufen durch meine Betriebsamkeit und durch alle
-Künste der Beredsamkeit auf, und brenne so von Eifer für das
-Beste Anderer, dass ich sie fast zwinge, sich durch diese heilsame
-Arznei gesund zu machen. Welch ein Verdienst um die
-leidende Menschheit! Könnte ich doch Eurer Majestät das Aechzen
-der Leidenden, das Röcheln der Sterbenden recht lebhaft
-malen, die durch die von mir gekaufte Arznei gerettet worden
-sind! Wie vielen Kindern habe ich ihre Väter, die bereits in
-den Händen des Todes waren, wieder zurückgegeben, ihnen
-selbst aber die Möglichkeit, zu guten Staatsbürgern gebildet zu
-werden, und einst wieder ihre Kinder, und vermittelst dieser
-ihre ganze Nachkommenschaft zu guten Staatsbürgern zu bilden,
-dadurch erhalten! Man berechne die Arbeiten, welche jeder,
-dem durch diese wunderthätige Arznei einige Jahre zu seinem
-Leben hinzugesetzt werden, in diesen Jahren noch zur Cultur
-des Landes verrichten kann; die noch grössere Cultur desselben,
-die hierdurch wieder möglich wird, und so ins Unendliche
-fort; berechne die Menge der Kinder, die er in diesen Jahren
-noch zeugen kann, und die <a id="corr-11"></a>Kinder dieser Kinder: und ziehe
-das Resultat der vergrösserten Volksmenge und Cultur, die dadurch
-erfolgt, und welche schlechterdings nicht möglich war,
-wenn ich nicht dem Kläger seine wohlthätigen Tropfen raubte.
-</p>
-
-<p>
-Es sagen zwar freilich <a id="corr-12"></a>verleumderische Zungen, dass das
-Arcanum gemeinhin ein wenig verdorben bei mir gekauft worden;
-und wenn ich ihnen auch &mdash; ich liebe die Wahrheit &mdash;
-sollte zugestehen müssen, dass an der Sache etwas sey: so ist
-das wahrlich nicht meine Schuld. Ich würde lieber, wenn ich
-<a id="page-242" class="pagenum" title="242"></a>
-könnte, ihm noch grössere Kraft geben, damit man es allein
-bei mir kaufte, und mein Kläger alle seine Kunden verlöre;
-und das bloss aus Liebe zum allgemeinen Besten. Aber wie
-sollte es mir bei der beständigen Flucht, auf der ich vor meinem
-Gegner seyn muss, und bei der Beschimpfung, die er meiner
-Handthierung anthut, und die mich nöthigt, die lockersten
-Gesellen anzunehmen, möglich seyn, es mit der gehörigen Sorgfalt
-aufzubewahren? Wenn nur einmal meinem Gewerbe völlige
-Ehre und Sicherheit zugesprochen seyn wird, wie ich um der
-grossen Nützlichkeit desselben hoffe, so werde ich dadurch zugleich
-in Stand gesetzt werden, auf die Conservation desselben
-mehr Sorgfalt zu wenden.
-</p>
-
-<p>
-Ich werde angeklagt, dem Verfertiger des Arcanums, und
-dadurch mittelbar dem Publicum zu schaden, weil Kläger, wenn
-ich in die Länge fortfahre, ihm seine Tropfen wegzunehmen,
-nothwendig verarmen und ausser Stand gesetzt werden müsse,
-den Chemiker weiter zu bezahlen, weshalb denn dieser nothwendig
-die Arbeit werde einstellen müssen. &mdash; Allein, da kennt
-man den Mann nicht. Er wird sie darum nicht einstellen;
-denn es ist einmal seine Liebhaberei, und er arbeitet ja so nur
-um der Ehre willen. Im Gegentheil, je mehr ich seinem Unterhändler
-wegnehme, und je weniger dieser ihm für die Arznei
-wird bezahlen können; desto mehr wird er arbeiten müssen,
-um kümmerlich zu leben: desto mehr wird folglich diese
-heilsame Arznei vervielfältiget werden. Und wird nicht sein
-Ruhm durch mich in die entferntesten Dörfer verbreitet? posaune
-ich ihn nicht mit lauter Stimme an jedem Jahrmarkte
-aus meiner Bude? steht nicht sein Name auf allen meinen
-Büchsen und Gläsern mit grossen Buchstaben in Golde? Ist
-ihm das nicht Ehre genug? braucht er dazu noch Brot? Er mag
-von der Ehre leben!
-</p>
-
-<p>
-Endlich soll ich Klägern Nachtheil verursachen. &mdash; Aber ich
-muss gestehen, dass hier mich mein kaltes Blut verlässt. Ich
-muss Ihnen sagen, mein Herr, dass Sie sich der Unbilligkeit
-dieser Anklage schämen sollten. Haben Sie nicht schon genug
-durch Ihren Alleinhandel gewonnen? Ach! dürfte ich doch den
-Verlust, den Sie zu haben vorgeben, mit Ihnen theilen! Warum
-<a id="page-243" class="pagenum" title="243"></a>
-wollen Sie mir denn nicht erlauben, Ihnen zu stehlen, was ich
-fortbringen kann? Warum wollen Sie mir denn nicht erlauben,
-eine kleine Nachlese zu halten? Giebt es nicht noch jetzt, seitdem
-ich diese reichlich halte, Leute genug, die entweder um
-der vermeinten grösseren Güte Ihrer Arznei willen, die doch
-wenig betragen kann, oder aus einem altfränkischen Vorurtheile
-für rechtmässigen Besitz, und vermeinter Theilnahme an der
-Dieberei Anderer, lieber Ihre theure Waare kaufen, als meine
-wohlfeile; &mdash; als ob ich nicht auch, wenn man denn einmal von
-Rechtmässigkeit reden will, dadurch das rechtmässige Eigenthum
-Ihrer Waare erhielte, dass ich mir die Mühe gebe, sie zu
-stehlen?
-</p>
-
-<p>
-Vielmehr habe ich, wenn Sie kalt darüber nachdenken
-wollen, eben um Sie selbst das grösste Verdienst. Sie kennen
-noch Ihren Chemiker nicht. Schon längst dachte er, voll Neid
-über den Gewinn, den Sie durch sein Arcanum machen, darauf,
-sich des Handels mit demselben selbst zu bemächtigen. Er
-hat zwar seine Zeit weit nöthiger zur Verfertigung desselben;
-er versteht zwar nichts vom Arzneihandel; er ist zwar bei einigen
-Versuchen im Kleinen schon sehr übel angekommen: aber
-dennoch &mdash; glauben Sie mirs auf mein Wort &mdash; er hätte Sie
-des Handels beraubt. Nur, schlau wie er ist, merkte er meinen
-Anschlag auf Ihren Waarenkasten, und wollte lieber Sie,
-als sich selbst bestehlen lassen. Wenn Sie also überhaupt noch
-in einigem Besitze des Handels sind, so haben Sie es mir zu
-verdanken.
-</p>
-
-<p>
-Dies sind die beträchtlichen Dienste, Glorwürdigster Nachfolger
-des Propheten, die ich dem gläubigen Volke, die ich dem
-nützlichen Verfertiger des Extracts, die ich dem Kläger selbst
-leiste. Und ich nun, was habe ich dafür? Wenn man den geringen
-Preis, um den ich das Arcanum verkaufe, gegen die
-Kosten, die ich auf desselben Conservation doch wende, die
-Reisen, die ich mache, berechnen will; so wird man finden,
-dass mir die Mühe, sie zu stehlen, sehr gering bezahlt wird,
-und dass ich die Verleumdungen meines Gegners, die Schurken
-und Diebe, die er gegen mich ausstösst, fast ganz umsonst
-hinnehmen, oder nur sehr niedrig in Anschlag bringen muss.
-<a id="page-244" class="pagenum" title="244"></a>
-Durch diese Verunglimpfungen wird mir nun mein ehrlicher
-Name, auf welchen die Menschen einen so grossen Werth setzen
-sollen, jämmerlich abgeschnitten, so dass rechtliche Leute schon
-anfangen, sich sehr zu bedenken, ob sie mir abkaufen wollen.
-Ich bin also ein Märtyrer für das Beste der Welt; und wenn
-eine Handlung dadurch gewinnt, dass man recht viel bei ihr
-aufopfert, so ist die meinige eine der verdienstlichsten. Dies
-Verdienst möchte ich mir nun nicht gern rauben lassen, wenn
-nicht durch die Ehrlosigkeit, die dadurch auf mein Gewerbe
-fällt, der Fortgang desselben gehindert, und dem allgemeinen
-Besten Abbruch gethan würde. Ich bitte demnach Eure Majestät
-anzubefehlen, dass hinfüro jeder mein Gewerbe für ein
-ehrliches halte, bei namhafter Strafe; und dass Kläger gehalten
-sey, mir nicht nur Abbitte und Ehrenerklärung zu thun, und
-öffentlichen Dank für den geleisteten Dienst abzustatten, sondern
-auch inskünftige sich von mir bestehlen zu lassen, so
-viel ich will.
-</p>
-
-<p>
-So redete der Marktschreier. Wie würde Herr Reimarus,
-wie würde jeder Gerechtigkeitsliebende hierbei geurtheilt haben?
-&mdash; Ebenso urtheilte der Khalif. Er liess den nützlichen
-Mann aufhängen.
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-5-2">
-<a id="page-245" class="pagenum" title="245"></a>
-<span class="line1">B.</span><br />
-<span class="line2">Zwei Predigten aus dem Jahre 1791.</span>
-</h3>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-2-1">
-<span class="line1">Statt der Vorrede.</span>
-</h4>
-
-<p class="dp">
-Der Verfasser und sein Freund.
-</p>
-
-<p class="noindent">
-<span class="c">D. V.</span> Sie bringen die Handschrift zurück? Haben Sie sie
-durchgelesen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Ja.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Und Ihr Urtheil?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Sie haben Ihre Zeit nicht ganz übel angewendet.
-Es übt die Feder, wenn man sich bemüht, etwas gründlicher,
-als gewöhnlich, und doch plan, wie es für die Kanzel seyn
-soll, zu arbeiten; es macht unsere eigene Erkenntniss lebendiger,
-wenn man sie überdies mit einiger Wärme vorträgt.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Ich verstehe. &mdash; Und ein Exercitium hat seine Bestimmung
-erreicht, wenn es unsere eigenen Kräfte geübt hat.
-Es gehört vor die Augen des Lehrmeisters, oder des gutmüthigen
-Freundes, wenn man über die Jahre hinaus ist, einen Lehrmeister
-zu haben; nicht vor das Publicum.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Wenn Sie es so nehmen wollen! &mdash; Doch erlauben
-Sie mir eine Frage: auf welche Art der Leser rechnen Sie?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Auf Leser aller Art, welche moralische und religiöse
-Wahrheit, und das Nachdenken darüber lieben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> &mdash; Die das Nachdenken lieben, mithin dasselbe kennen,
-aus Erfahrung kennen, die in einem Stande leben, der
-ihnen ehemals Unterricht, jetzt Musse gewährt. &mdash; Vielleicht
-<a id="page-246" class="pagenum" title="246"></a>
-finden diese etwas noch Besseres zu lesen, als Ihre Predigten.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Und warum sollten sie nicht auch in Ständen gelesen
-werden, die auf einer tieferen Stufe der Cultur stehen,
-die ihnen weniger Quellen eröffnet? &mdash; Sie haben doch nicht
-vergessen, was ich Ihnen sagte, dass der grösste Theil dieser
-Predigten in mancherlei Ländern, vor sehr gemischten Zuhörern,
-nicht ohne merklichen Eindruck gehalten worden?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Abgerechnet, dass Sie allenthalben Fremder und
-Gastprediger waren &mdash; angenommen, dass Ihre Eigenliebe diesen
-merklichen Eindruck sich nicht um eines Haares Breite grösser
-vorgestellt habe &mdash; alles, was Sie wollen, abgerechnet und
-angenommen: so wissen Sie doch gewiss, welch ein Unterschied
-es ist, Predigten hören oder Predigten lesen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Aber es werden doch darum noch häufig Predigten
-gelesen, in höheren und niederen Ständen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Welcher innere Unterschied zwischen jenen häufig
-gelesenen Predigten und den Ihrigen sey, werden Ihnen die
-Recensenten sagen; auf den Unterschied in den Personen übernehme
-ich es, Sie aufmerksam zu machen. &mdash; Gehen Sie hin,
-und werden der Lieblingsprediger des feineren Publicums in
-einer volkreichen, Ton angebenden, von Fremden häufig besuchten
-Stadt; dann sammeln Sie Ihre Predigten und setzen
-Ihren Namen vor. Wird man sie auch nicht immer lesen, so
-wird man sie doch kaufen, sauber binden und in seine Bücherschränke
-aufstellen. Aber &mdash; anonyme Predigten &mdash; das
-ist unerhört! Oder wollen Sie Ihren unbekannten Namen vorsetzen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Und wäre er berühmt, so würde ich desto mehr
-Anstand nehmen, ihn zu nennen. Ich möchte die Aufmerksamkeit
-dem Inhalte verdanken, und nicht dem Namen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Dem Inhalte? So hätten Sie entweder weniger gewöhnliche
-Gegenstände behandeln, oder die behandelten gewöhnlichen
-von einer gewöhnlichen Seite darstellen sollen! Sie
-haben der Sache beides, zu wenig und zu viel, gethan. Wer
-Ihre Predigten verstehen, beurtheilen, schätzen könnte, liest
-<a id="page-247" class="pagenum" title="247"></a>
-keine Predigten; und wer Predigten liest, versteht die Ihrigen
-nicht.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Wenn nicht etwa hier und da ein Prediger.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> &mdash; Welche Predigten lesen, um entweder sie für
-die ihrigen zu gebrauchen, oder sich darnach zu bilden. Sie
-gestehen mir wohl zu, dass derjenige, der der Bildung fähig
-ist, bessere Muster findet. &mdash; Wegen des Gebrauchens &mdash; wer Ihre
-Predigten desselben werth findet, macht bessere; und wer keine
-besseren macht, hält die Ihrigen für schlecht und völlig unbrauchbar.
-&mdash; Noch habe ich Ihnen geschenkt, dass sich dieselben
-sehr ungleich sind; gleichsam eine bunte Musterkarte
-der Veränderung Ihres Systems seit zehn Jahren, oder länger.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Nach allem also wäre Ihr Rath?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Mein aufrichtiger Rath, dass Sie sie ruhen liessen,
-wo sie zum Theil schon lange genug geruht zu haben scheinen.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Sie haben mir die Sache nach Ihrer Art vorgestellt;
-ich zeige sie Ihnen jetzt nach der meinigen. &mdash; Gesetzt nun,
-ich hätte einen Versuch machen wollen, Darstellungsarten, die
-bis jetzt nur für die Schule gewöhnlich waren, auf die Kanzel
-zu bringen; und ich legte diese Versuche darum dem Publicum
-vor, um zu erfahren, ob es der Mühe lohnte, sie fortzusetzen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Aber so hätten Sie diesen Versuchen wenigstens
-die Predigtform nehmen sollen, die doch einmal nicht die einladendste
-ist; und dann sind noch einige Predigten beibehalten,
-die diese Entschuldigung nicht für sich haben.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Und wenn ich nun anderweitige, vielleicht persönliche
-Gründe gehabt hätte, eben die Predigtform, und eben jene
-Predigten, auf die Sie zielen, beizubehalten?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Dann müsste freilich das gutwillige Publicum, das
-etwa noch Predigten kauft, Ihre Ankündigung, dass Sie unter
-andern auch predigen, mit seinem Gelde bezahlen. &mdash; Und wie
-wollen Sie das, was Sie zu Ihrer Entschuldigung mir jetzt gesagt
-haben, dem Publicum auf eine schickliche Art sagen?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Ich darf nur gerade unser Gespräch vordrucken
-lassen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-248" class="pagenum" title="248"></a>
-<span class="c">D. Fr.</span> Mit allem, was ich zum Nachtheile Ihrer Predigten
-gesagt habe?
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> Mit allem. Dann bin ich wenigstens sicher, dass
-nichts Schlimmeres über sie gesagt werden könne, als schon
-gesagt ist.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. Fr.</span> Aber einen schöngeisterischen Dialog vor Predigten!
-Das ist wieder unerhört. Sie sind nicht Rousseau, und
-schrieben keine Heloise.
-</p>
-
-<p>
-<span class="c">D. V.</span> So muss ich denn auch schon diesen Uebelstand
-mit den übrigen verantworten.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-2-2">
-<span class="line1">Ueber die Pflichten gegen Feinde.</span>
-</h4>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Eingang.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-Die Auswege, die das menschliche Herz nimmt, m. th. Fr.,
-um der Pflicht auszuweichen, sind unzählbar, in ihren Wendungen
-verschieden, und nur darin kommen sie überein, dass alle auf
-irgend eine Art die Strenge des Gesetzes zu umgehen suchen.
-&mdash; Man zieht die Pflicht zu seinen Neigungen herab, wie wir
-einst an dieser Stelle an dem Beispiele der Ehrlichkeit und der
-Menschenliebe zeigten: man übertreibt sie auch wohl im Gegentheile
-zu einer Höhe, auf der sie der menschlichen Natur widerstreitet,
-um nur, wenn einmal zugestanden ist, dass in der
-erdichteten Vollkommenheit sie dem Menschen unmöglich sey,
-gar nichts thun zu dürfen, sondern unter dem geräumigen, viel
-fassenden Mantel der menschlichen Schwachheit seinen Mangel
-an gutem Willen verbergen zu können.
-</p>
-
-<p>
-So ist es mit der durch das Christenthum gebotenen Pflicht
-der Feindesliebe ergangen. Zu bequem, oder unfähig nachzudenken,
-was durch diesen Ausdruck gefordert werden <em class="italic">könne</em>,
-<a id="page-249" class="pagenum" title="249"></a>
-hat man das Wort in seiner ersten scheinbarsten Bedeutung genommen,
-und nun, wie zu erwarten war, die Ausübung dieser
-Pflicht unmöglich gefunden, weil es der menschlichen Natur
-widerstreitet, sich über Beleidigungen zu freuen, wie über Wohlthaten,
-und bei dem Anblicke des Feindes eben das Vergnügen
-zu empfinden, wie bei dem des Freundes. &mdash; Des <em class="italic">Handelns</em>
-überhoben, meinte man sich nun durchs <em class="italic">Reden</em> hervorzuthun,
-und wollte sich gegen ein Gebot, dem man den Gehorsam versagte,
-durch Lobeserhebungen abfinden. Daher die prahlenden
-Lobpreisungen so vieler Christen über die Erhabenheit ihrer
-Sittenlehre, als der einzigen, welche Feindesliebe empfehle; so
-vieler Christen, welche noch wenig Neigung zeigen, ihr Vaterland,
-ihre Freunde, ihre Wohlthäter zu lieben &mdash; Lobpreisungen,
-welche, wenn auch die Anempfehlung dieser Pflicht der
-christlichen Sittenlehre ausschliessend eigen wäre, doch immer
-eine sehr zweideutige Schmeichelei seyn würden. Viel verlangen
-ist keine so grosse Kunst, und es gereicht keiner Sittenlehre
-zur Empfehlung, Dinge zu fordern, die der menschlichen
-Natur widerstreiten.
-</p>
-
-<p>
-Wir, m. Br., wollen unsere vortreffliche Religion nicht so
-verfänglich loben, sondern lieber mit Lernbegierde und Folgsamkeit
-ihre Vorschriften anhören, und sie zu ihrer wahreren
-Ehre in unserem Leben darzustellen suchen. In gegenwärtiger
-Stunde werden wir uns von den Pflichten gegen Feinde unterrichten.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Text.</em> Die gewöhnliche Epistel am ersten Advents-Sonntage,
-Röm. 12, v. 17-21.
-</p>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Abhandlung.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-Das zwölfte Capitel des Briefes an die Römer, woraus unsere
-Epistel genommen ist, enthält christliche Sittenlehren mancherlei
-Gehalts in einer leichten Verbindung. Auf die Pflichten
-gegen Feinde wird der Apostel zweimal gebracht: einmal durch
-ein Wortspiel<a class="fnote" href="#footnote-29" id="fnote-29">[29]</a> v. 14. <em class="italic">Segnet, die euch verfolgen</em> u. s. w., einmal
-<a id="page-250" class="pagenum" title="250"></a>
-bei Gelegenheit der allgemeinen Menschenliebe, v. 19. 20. 21.
-Wir wollen jetzo, ohne seinen Ausdrücken genau zu folgen, im
-allgemeinen sehen, welche Pflichten gegen die Feinde Gewissen
-und christliche Religion uns auflege.
-</p>
-
-<p>
-Wenn man eine so grosse Menge von Menschen über eine
-so grosse Menge von Feinden klagen hört, so sollte man glauben,
-der Hass der Widersacher sey eines der grössten Erdenleiden,
-und die Pflichten gegen Feinde seyen nicht nur an sich
-die schwersten, sondern auch ihre Ausübung sey von der weitesten
-Ausdehnung. Es scheint also unserem Vorhaben nicht
-unangemessen, zuvörderst zu untersuchen: <em class="italic">Wen wir einen
-Feind zu nennen berechtiget sind</em>, um zu finden, ob von der
-Summe dieses Leidens nicht ebensowohl, wie von der Summe
-mancher anderen Leiden etwas abgehe, und ob die Pflichten,
-die es uns auflegt, &mdash; wenn sie auch so schwer seyn sollten,
-als man glaubt &mdash; in der Ausübung oft vorkommen.
-</p>
-
-<p>
-In der allgemeinsten Bedeutung nennen wir alle diejenigen
-unsere Feinde, die an der Ausführung unserer Unternehmungen
-uns hinderlich sind. Dies aber kann aus zweierlei Ursachen
-entstehen, nemlich, entweder weil <em class="italic">unsere Unternehmungen</em>, oder
-weil <em class="italic">wir selbst</em> ihnen misfällig sind; der dritte mögliche Fall, dass
-sie beiden abgeneigt seyen, gehört mit unter die zwei ersten. &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Unser Vorhaben kann Anderen zuwider seyn, entweder
-weil es ungerecht <em class="italic">ist</em>, oder weil es ihnen nur so <em class="italic">scheint</em>. &mdash;
-Im <em class="italic">ersteren Falle</em> also wollen wir ungerecht seyn; wollen handeln,
-als ob die ganze Schöpfung nur für uns, und ihre vernünftigen
-Bewohner nur zu Werkzeugen unserer Einfälle da
-seyen: und wenn dann Einer sich unterfängt, zu glauben, dass
-es noch etwas gebe, was er von uns nicht ertragen müsse &mdash;
-Einer sich nur in den Weg stellt, und unseren Anmaassungen
-Grenzen setzt: so schreien wir über Verfolgung, und nennen
-jenen muthigen Vertheidiger des Rechts unseren Feind. &mdash; Und
-mit welchem Rechte? Wollen wir ihn bloss <em class="italic">an sich</em> seinem persönlichen
-Werthe nach betrachten, so nöthigt unser Herz, sey
-es so verdorben es wolle, uns das Bekenntniss ab, dass <em class="italic">der</em>
-Mann &mdash; fordere es nun bloss die allgemeine Menschenpflicht,
-oder fordere es überdies noch seine besondere Pflicht in der
-<a id="page-251" class="pagenum" title="251"></a>
-Gesellschaft von ihm &mdash; dass <em class="italic">der</em> Mann, der ohne Kummer um
-unseren Verdruss und unsere Feindschaft sich der Ungerechtigkeit
-muthig entgegenstellt, und dem die unvertheidigte Sache
-des heiligen Rechtes theurer ist, als unsere Freundschaft, unendlich
-mehr werth ist, als wir, und dass wir nicht viel Ehre
-haben, unsere Klagen über ihn laut werden zu lassen; &mdash; oder
-wollen wir ihn <em class="italic">in Beziehung auf uns</em> betrachten, so werden
-wir in dem Manne, der uns die unvertilgbare Schande, und die
-blutige Reue, und das unauslöschbare Andenken, und die nie
-endenden Folgen einer ungerechten That erspart, und uns
-zwingt, besser und glückseliger zu seyn, als wir wollten, unseren
-wahrsten Wohlthäter anerkennen müssen. Solche Gegner
-also gehören gar nicht in die Zahl unserer Feinde.
-</p>
-
-<p>
-In <em class="italic">dem zweiten Falle</em> waren die Feinde der Jünger Jesu,
-und überhaupt der ersten Christen, an welche die Ermahnungen
-des Apostels gerichtet sind. Sie widersetzten sich dem
-Vorhaben der Apostel und ihrer Anhänger, weil es ihnen ungerecht
-schien. &mdash; Es war damals eben wie jetzt. Die Juden,
-deren grösster Beweis für die Wahrheit ihrer Religionsgrundsätze
-der war, dass ihre Väter und Grossväter auch so geglaubt,
-auch so geopfert, auch mit den Formeln gebetet hatten,
-hassten, verfolgten, tödteten, wenn sie konnten, die ersten
-Christen, weil sie eine aufgeklärtere Gottesverehrung einführen
-wollten, welches jene für ein sehr sträfliches Unternehmen hielten.
-&mdash; So wurde das Vorhaben der ersten Christen verkannt,
-und darum angefeindet, und so kann es auch das unsrige werden,
-von welcher Natur es auch sey. &mdash; Auch solche Gegner
-können wir nicht mit Recht Feinde nennen; ihr Widerstand entsteht
-nicht aus boshaften Absichten gegen unsere Personen; sie
-meinen für das Recht zu kämpfen, und ihre Triebfeder wenigstens
-ist edel. Sollten wir uns darüber erzürnen, dass wir erleuchteter
-sind, als sie? Diese Gegner sinds, von denen der
-Apostel sagt: <em class="italic">segnet sie</em> &mdash; wünscht ihnen von ganzer Seele
-alles Gute, und besonders dasjenige Gute, dessen sie am meisten
-bedürfen &mdash; Erleuchtung. Wünscht sie ihnen nicht bloss, sondern
-sucht werkthätig durch weise Belehrung und durch das,
-was kräftiger wirkt als alle Belehrung, durch einen reinen
-<a id="page-252" class="pagenum" title="252"></a>
-Wandel ihre Begriffe zu berichtigen. Führet einen guten Wandel
-unter den Heiden, auf dass die, so von euch afterreden,
-als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen und euren Vater
-im Himmel preisen.
-</p>
-
-<p>
-Endlich kann Jemand, ohne unser persönlicher Feind zu
-seyn, unser Widersacher auch bloss darum werden, weil wir
-seinem Eigennutzen im Wege stehen, weil <em class="italic">unsere</em> Erniedrigung
-<em class="italic">ihn</em> heben soll. Wir finden uns einmal auf seinem Wege, und
-er rennt uns nieder &mdash; nicht etwa &mdash; aus besonderer Abneigung
-gegen uns; er hätte jeden anderen, der auf unserem Platze
-gestanden hätte, auch niedergerannt. Er schreitet seinen Schritt
-einher &mdash; es kommt ein Wurm unter seine Füsse &mdash; er zertritt
-ihn. Aber warum musste auch der Wurm unter seinen Fuss
-kommen; er hätte ihm sonst sein Leben wohl gönnen mögen.
-&mdash; &mdash; Ohne das Fürchterliche einer solchen Sinnesart mildern
-zu wollen, dürfen wir doch sagen, dass auch ein solcher Gegner
-nicht unser Feind zu nennen sey. Er ist freilich auch nicht
-unser Freund: er ist Niemandes Freund, als der seiner eigenen
-geliebten Person. Er ist freilich ein Feind des Rechts und der
-Menschheit, und der unsrige, weil wir zu ihr gehören; aber er
-hasst doch keinen weniger, als uns, und das, was uns trifft,
-ist nichts, als das allgemeine Loos. Wir haben freilich nicht
-nur das Recht, sondern auch die Pflicht ihn zu behandeln, wie
-jeden Feind der Gerechtigkeit; aber wenn wir ihn mit persönlicher
-Erbitterung hassen wollten, so würden wir selbst ungerecht
-und ihm ähnlich werden.
-</p>
-
-<p>
-Es ist also Niemand übrig, den wir mit Recht unseren Feind
-nennen könnten, als derjenige, der eine persönliche Abneigung gegen
-uns hat, und unser Vorhaben hindert, bloss darum, weil es das
-<em class="italic">unsrige</em> ist. Solche Gegner eigentlich, und nur in einem gewissen
-Sinne die der beiden letzteren Klassen, sind der Gegenstand
-der Pflichten gegen Feinde.
-</p>
-
-<p>
-Da nichts in der Welt ganz ohne Ursache geschieht, und
-folglich auch der Hass unserer persönlichen Feinde nicht völlig
-ohne Grund seyn möchte, so ist es hierbei die erste Regel der
-Sittenlehre, sich sorgfältig und unparteiisch zu prüfen, <em class="italic">ob</em> man,
-und <em class="italic">wodurch</em> man Gelegenheit zu dieser Abneigung gegeben
-<a id="page-253" class="pagenum" title="253"></a>
-habe. Die Menge der Freunde oder Feinde ist zwar nie ein
-richtiger Maassstab zur Schätzung des sittlichen Charakters eines
-Menschen; wenn aber so gar viele aus dem Haufen treten und
-sagen: du habest sie gedrückt, so kannst du mit hoher Wahrscheinlichkeit
-vermuthen, dass du eine harte Seite habest. Jede
-uns bekannt gewordene Abneigung legt uns die Pflicht auf, uns
-sorgfältig zu prüfen, ob wir vielleicht durch unsere Ungerechtigkeit,
-durch unsere Unterdrückungssucht uns hassenswürdig
-gemacht haben; &mdash; und dann wären wir ja wahrlich nicht
-werth, unsere Augen gegen unsere Gegner aufzuheben; &mdash;
-oder ob wir vielleicht bei wirklich guten Absichten durch unser
-unzweckmässiges Benehmen, durch eine rauhe, unfreundliche Steifigkeit,
-durch einen Mangel der Schonung gegen Anderer Schwachheiten
-ihnen einen Verdacht gegen den Baum beigebracht haben,
-der so herbe Früchte trägt. Sollten wir in dieser Prüfung, bei
-der wir uns ja nicht schmeicheln müssen, etwas von der Art
-finden, so bleibt uns nichts übrig, als die Folgen unserer eigenen
-Unklugheit geduldig zu tragen, hinzugehen und uns zu
-bessern.
-</p>
-
-<p>
-Finden wir aber an uns keine Schuld, so tritt unsere erste
-heiligste Pflicht ein: die, dem Unrechte zu widerstehen, insoweit
-wir können, ohne selbst ungerecht zu werden, und die Ordnung
-zu zerstören. &mdash; Irret euch nicht, m. Br.: alles sich gefallen
-zu lassen, alles gut zu heissen, alles zu dulden, fordert kein
-Christenthum; und die Vernunft erklärt dies für Unverstand und
-Mangel an wahrer Abneigung gegen das Böse, wenn sie es
-bloss an sich &mdash; und für Unterstützung und Verewigung der
-Unordnung, wenn sie es in Rücksicht seiner Folgen für das
-Ganze betrachtet. Wer das Böse an Anderen nicht hasst, der
-hasst es gewiss auch nicht an sich selbst; und wer keiner
-Empfindlichkeit gegen zugefügtes Unrecht fähig ist, ist ebensowenig
-der Dankbarkeit für erzeugte Wohlthaten fähig. &mdash; Zwar
-sagt Jesus: <em class="italic">Ich sage euch, dass ihr allerdings nicht</em>, überhaupt
-und in keinem Falle nicht, <em class="italic">widerstreben sollt dem Uebel</em>.
-<em class="italic">Nimmt dir jemand den Rock, dem lass auch den Mantel</em>, u. s. w.
-Aber es ist bei diesen und ähnlichen Stellen zu bemerken, dass
-die Evangelisten uns nicht nur diejenigen Aussprüche Jesu,
-<a id="page-254" class="pagenum" title="254"></a>
-welche er als Dolmetscher des Willens der Gottheit an die
-Menschen zu gültigen Gesetzen für alle Zeiten und Völker aufstellte,
-sondern auch solche Reden aufbehalten haben, in denen
-er als klügerer Freund, bloss seinen Jüngern einen guten Rath
-für ihre besondere Lage giebt. Ob eine Vorschrift zu der ersteren
-oder zu der letzteren Art gehöre, ist nur daraus zu ersehen,
-ob sie durch unsere Vernunft, als ein allgemeingültiges Gesetz
-bestätigt werde oder nicht. Die Jünger Jesu würden vor
-jüdischen oder heidnischen Richterstühlen nicht nur keine Genugthuung
-erlangt haben, sondern auch dadurch in ihrem ersten
-Berufe, die christliche Religion zu predigen, gestört, und
-vielleicht weit eher, als es für ihre Bestimmung seyn sollte, getödtet
-worden seyn. Ihnen blieb also kein Mittel übrig, um
-sich ihren mühseligen Zustand erträglicher zu machen, als alles
-geduldig zu ertragen, und durch die höchste Sanftmuth ihre
-Feinde wenigstens zu einiger Schonung zu erweichen. Späterhin,
-nachdem ganze christliche Gemeinen errichtet waren, sagt
-schon Johannes: <em class="italic">Sündigt dein Bruder an dir, so strafe ihn
-alleine</em>; so verweise es ihm unter vier Augen; <em class="italic">höret er dich
-nicht, so sage es der Gemeine; höret er die Gemeine nicht, so
-halte ihn als einen Zöllner und Sünder</em>. Für uns aber, die
-wir in ganzen christlichen Staaten leben, tritt die allgemeingültige,
-durch die Vernunft bestätigte Bemerkung Paulus in ihre
-volle Wirksamkeit ein: <em class="italic">dass die Obrigkeit</em>, als Stellvertreterin
-der ganzen Gesellschaft, <em class="italic">das Schwert nicht umsonst tragen,
-sondern dass sie des allvergeltenden Gottes Dienerin auf der
-Erde, und eine Rächerin seyn müsse über jeden, der Uebeles
-thut</em>; dass wir mithin, wenn dieser Satz nicht aufgehoben werden,
-und unseren übrigen Pflichten nicht widersprechen soll,
-sie zur Ausübung dieser Stellvertretung Gottes bei uns zugefügtem
-Unrechte auffordern müssen, mit dem Zutrauen, dass sie stets
-bereit seyn werde, das unterdrückte Recht zu rächen; ein Zutrauen,
-das sie, und Gott, dessen Bild sie ist, ehrt. &mdash; Eben
-daraus aber, dass wir unsere Sache ihr übertragen sollen, folgt,
-dass wir uns nicht selbst rächen dürfen; sondern es lediglich
-ihr, <em class="italic">als ihre eigene Sache</em> überlassen müssen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Genugthuung aber werde gesucht <em class="italic">mit</em> und <em class="italic">aus Liebe</em>.
-<a id="page-255" class="pagenum" title="255"></a>
-Nicht das sey unser Zweck, dem Feinde wieder Böses zuzufügen,
-sondern bloss und einzig das, das Böse in ihm, und durch
-das Beispiel seiner Bestrafung auch in anderen kräftigst zu
-hindern. Wer irgend einer anderen Absicht sich bewusst ist;
-wer in seinem Herzen den geringsten Zug von Lieblosigkeit, die
-leiseste Freude über die gehoffte Bestrafung seines Beleidigers
-aufspürt; wer nicht sogar Schmerz empfindet, dass seine Pflicht
-ihn nöthigt, um desselben Bestrafung anzusuchen, verliert jenes
-Recht gänzlich, weil er durch Bestrafung seines Widersachers
-die Obrigkeit nicht zur Dienerin des Rechts, sondern zum Werkzeuge
-seiner Rachsucht und seiner Feindseligkeit machen, und in
-ihr Gott, dessen Bild sie ist, entweihen würde: &mdash; durch welche
-Regel denn jene Erlaubniss Genugthuung zu suchen, wieder genau
-in ihre gehörigen Grenzen eingeschlossen wird. &mdash; Man sey
-der Sache Feind, und der Person Freund. Man arbeite, kämpfe,
-ringe, das Unrecht zu verhindern; aber man sey in allen übrigen
-gerechten Dingen dem Gegner zu jedem Dienste und jeder
-Aufopferung bereit. Man ringe darnach, ihm zu dienen: &mdash;
-zwar nicht ausgezeichnet vor allen anderen Menschen, und ebendarum,
-<em class="italic">weil</em> er der Feind ist; eine Warnung, die nur für wenige
-seltene Menschen noth thut. &mdash; Es giebt nemlich Menschen, die,
-mit einer Anlage zur Erhabenheit und Stärke der Seele geboren,
-dieselbe durch harte Selbstkämpfe erhöht haben, und aus diesem
-Kraftgefühl eben das Schwerste in ihren Pflichten begierig
-an sich reissen, und die unter zweien ihrer Hülfe gleich bedürfenden
-Gegenständen eben den Feind, und das eben um seiner
-Beleidigungen willen gegen sie, vorziehen würden; bloss um
-das erhabene Gefühl zu empfinden, die Bitterkeit in ihrer Seele
-besiegt zu haben. So edel und erhaben diese Triebfeder auch
-ist, so verbietet doch eine reine Sittenlehre, die Wahl der Gegenstände
-unserer Wohlthätigkeit dadurch bestimmen zu lassen.
-&mdash; Die einzige allgemeingeltende Regel der Sittenlehre hierüber
-ist die: der Feind werde in völlige Gleichheit mit allen bedürftigen
-Gegenständen gesetzt; der <em class="italic">Feind</em> werde <em class="italic">im Bedürfniss</em>
-vergessen; unser hülfsbedürftiger, hungernder, unbekleideter
-Feind sey nicht mehr Feind, sey bloss hülfsbedürftig, hungernd,
-unbekleidet. Alle jene Ausdrücke von Verzeihung, von Versöhnlichkeit
-<a id="page-256" class="pagenum" title="256"></a>
-gegen den Feind sagen viel zu wenig; wo wir helfen
-und dienen können, müssen wir unserem Feinde nicht verzeihen;
-wir müssen keinen Feind haben, wir müssen nur den
-Hülfsbedürftigen sehen. Jeder Dienst, der sich auf etwas Anderes
-gründet, hat kein Verdienst.
-</p>
-
-<p>
-Die Liebenswürdigkeit solcher Gesinnungen brauche ich
-nicht erst zu zeigen: aber den Einwurf befürchte ich von vielen,
-dass dies nur schöne Gemälde seyen, die sich zwar gut
-darstellen und beschauen, aber nie ins menschliche Leben einführen
-liessen; und dass man die Welt und das menschliche
-Herz schlecht kenne, wenn man ihnen im Ernste so etwas anmuthen
-wolle. Wenn es hierbei bloss aufs Widerlegen ankäme,
-so dürfte ich nur das Beispiel Jesu, der im Angesichte
-des ungerechtesten und schmerzhaftesten Todes für seine Verfolger
-betete; oder, wenn euch das zu erhaben dünkte, das
-Beispiel seiner Jünger anführen, die gewiss schwache Menschen
-waren, wie wir, und eben das thaten. Zweckmässiger aber
-würde es seyn, die Mittel zu entwickeln, durch deren Gebrauch
-es leicht, sehr leicht wird, so gegen seine Feinde zu handeln.
-Sie sind &mdash; sorgfältige Selbstprüfung und lebhafte Erkenntniss
-seiner eigenen Schwachheiten, das daraus entstehende Gefühl
-der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur überhaupt, und
-besonders die Ueberzeugung, dass das wenigste Böse in der
-Welt erweislich aus Bosheit, und bei weitem das meiste aus
-Unverstand geschehe: eine Betrachtung, die vor jetzt die Kürze
-der Zeit mir verbietet.
-</p>
-
-<p>
-Dies sind die allgemeinen Pflichten, die wir gegen unsern
-Feind, so wie gegen alle Menschen haben. Es giebt aber noch
-eine besondere gegen den ersteren, die: sie zu bessern und
-zu unseren Freunden zu machen; welche gleichsam die Probe
-enthält, ob wir alle unsere übrige Pflichten gegen sie redlich
-erfüllt haben. Haben wir alles weggeräumt, was dem Feinde
-Veranlassung geben könnte, uns zu hassen; haben wir ihn
-stets mit Liebe und Edelmuth behandelt, so kann es nicht fehlen,
-er wird endlich &mdash; sey es so spät, als es wolle &mdash; er wird
-endlich gewiss unser Freund werden. Und welch Vergnügen
-wird uns dann überströmen!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-257" class="pagenum" title="257"></a>
-Ich habe, theure Freunde, durch eine Schilderung der Ruhe
-und Heiterkeit, und des wahrsten Selbstgenusses, den solche
-Gesinnungen unserer Seele geben, ebensowenig, als durch eine
-Darstellung der Bitterkeit und der unangenehmen Empfindungen,
-welche Hass und Unduldsamkeit über unser Herz verbreiten,
-diese Betrachtung unterbrechen wollen, um nicht durch
-Vorstellung eures eigenen Nutzens euch zur Anerkennung eurer
-Pflicht zu bestechen zu scheinen. Jetzt aber, nach vollendeter
-Untersuchung, erlaubt mir einige Fragen an euer Herz
-zu legen.
-</p>
-
-<p>
-Ich will euch nicht fragen, ob ihr persönliche Feinde, &mdash;
-solche Feinde habt, denen alles zuwider ist, was von euch
-kommt, die alle eure Unternehmungen zu hintertreiben suchen,
-die euer Unglück und euren Untergang geschworen zu haben
-scheinen? Solche Feinde sind überhaupt selten, und sind es
-besonders gegen eine stille, anspruchslose Lebensart. Aber
-das lasst euch fragen, ob ihr nie beleidigt worden seyd? und
-wer unter uns möchte wohl diese Frage mit Nein beantworten,
-da das menschliche Herz überhaupt nur zu leicht beleidigt
-wird? Ich mag auch nicht untersuchen, ob ihr euch nicht vielleicht
-durch eure eigene Schuld diese Beleidigung zuzoget &mdash;
-ihr sollt völlig recht, euer Beleidiger völlig unrecht haben.
-Denkt euch jetzt einmal diese Beleidigung mit allen ihren Umständen;
-denkt euch den Beleidiger gegenwärtig; oder vielleicht
-ist er es, vielleicht ist er mit euch in diesem Gotteshause, und
-ihr könnt ihn erblicken.
-</p>
-
-<p>
-Wie wird euch bei seinem Anblick zu Muthe? was wünscht
-ihr ihm? wenn ihr ihm in diesem Augenblicke einen beträchtlichen
-Schaden zufügen könntet, würdet ihrs thun? wenn ihr
-in diesem Augenblicke ihm einen sehr wesentlichen Dienst erzeigen
-könntet, würdet ihr eilen? würdet ihrs willig und mit
-Freuden thun, oder würde es euch einen grossen Kampf kosten?
-würdet ihr vielleicht vorher eure Bitterkeit gegen ihn
-auslassen müssen?
-</p>
-
-<p>
-Wie? ihr hättet Feindschaft mit euch in dieses Haus des
-Friedens gebracht? indem ihr eure Stimmen mit den Stimmen
-eurer übrigen Mitchristen zur Anbetung Gottes vereinigtet, hätte
-<a id="page-258" class="pagenum" title="258"></a>
-in einem der geheimsten Winkel eures Herzens sich Abneigung
-gegen diejenigen verborgen, die ihre Stimmen mit den eurigen
-vereinigten? unter den Wünschen, die aus eurem Herzen zum
-Vater aller emporwallten, hätte sein allsehendes Auge Wünsche
-für das Elend derer entdeckt, die seine Kinder sind, wie ihr?
-Müsset ihr euch dann nicht vor Gott, dessen Auge wahrlich
-in diesem Augenblicke das Innerste eurer Herzen durchschaut,
-schämen?
-</p>
-
-<p>
-Seyd ihr bei diesen Gesinnungen bisher glücklich gewesen?
-Habt ihr euch nie der Schwachheit geschämt, eure Ruhe
-von gewissen Anblicken, gewissen Erinnerungen abhangen
-lassen zu müssen? eure ganze Seele als einen Schauplatz der
-niedrigsten Empfindungen erblicken zu müssen, sobald eure
-Gedanken auf gewisse Begebenheiten eures Lebens fielen?
-</p>
-
-<p>
-Empfindet ihr diese Scham &mdash; fühlt ihr diese Unannehmlichkeit
-eures bisherigen Lebens &mdash; o möchte es dann doch
-in dieser Stunde in allen Seelen, in denen es bisher trübe
-war, helle werden; möchte doch allen Freude aufgehen! Ihr
-könnt in diesem Augenblicke nicht hingehen zu eurem Beleidiger,
-ihm nicht die Hand drücken, und ihn versichern, dass
-aller Hass aus eurer Seele rein weggetilgt ist; &mdash; dies ist nicht
-in eurer Macht, aber euer Herz ist in eurer Macht. &mdash; O möchten
-sie doch, diese eure Herzen, in dieser Minute sich vereinigen,
-so wie ihr hier vereinigt vor Gott sitzt; möchten sie
-doch in dieser Minute, Gott, und alle seligen Geister, die uns
-hier umringen, zu Zeugen, den unzertrennlichsten Bund des
-Friedens schliessen!
-</p>
-
-<p>
-Du aber, o Gott, der du wahrlich hier zugegen bist, und
-unser aller Herz siehst &mdash; sey unser Zeuge &mdash; wir wollen uns
-lieben, und nie hassen, wir wollen von nun an allen Hass und
-Bitterkeit aus unserer Seele tilgen. Amen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-2-3">
-<a id="page-259" class="pagenum" title="259"></a>
-<span class="line1">Ueber die Wahrheitsliebe.</span>
-</h4>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Eingang.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-<em class="italic">A. Z.</em> Das Wort <em class="italic">Wahrheit</em> wird in einer doppelten Bedeutung
-gebraucht, und bezieht sich entweder auf die Erkenntnisse
-unseres Verstandes, oder auf die Gesinnungen unseres
-Herzens. Wenn in Absicht unseres Verstandes unsere Vorstellungen
-von den Dingen mit den Dingen an sich übereinstimmen,<a class="fnote" href="#footnote-30" id="fnote-30">[30]</a>
-wenn z. B. dasjenige, was wir für ein Glück halten,
-wirklich ein Glück, und dasjenige, was wir für ein Unglück
-halten, wirklich ein Unglück ist, so ist Wahrheit in unserer
-<em class="italic">Erkenntniss</em>, und dieser Wahrheit Gegentheil heisst <em class="italic">Irrthum</em>. &mdash;
-Wenn in Absicht unseres Herzens alle unsere Aeusserungen
-mit unseren inneren Gesinnungen übereinkommen, so ist dies
-Wahrheit in der zweiten Bedeutung, welcher wir <em class="italic">Falschheit</em>
-und <em class="italic">Lüge</em> entgegensetzen. Wenn man von Wahrhaftigkeit, von
-der Pflicht sich der Wahrheit zu befleissigen u. s. w. redet,
-so wird dies Wort in der letzteren Bedeutung gebraucht; denn
-Wahrheit in der ersteren, oder die Richtigkeit unserer Vorstellungen
-von den Dingen hängt von dem Maasse unserer Fähigkeiten
-und unserer Bildung, nicht aber von unserem freien
-Willen ab, und lässt sich mithin weder durch göttliche, noch
-durch menschliche Gesetze anbefehlen.
-</p>
-
-<p>
-Wer wissentlich falsch und ein Lügner ist, wird dadurch
-nicht nur ein sehr schädlicher Gegenstand für die Gesellschaft,
-sondern auch ein sehr schändlicher für sich selbst: denn wie
-niederträchtig feige muss sich derjenige erscheinen, der sich
-nie getrauen darf, seines Herzens Meinung zu entdecken, und
-<a id="page-260" class="pagenum" title="260"></a>
-der im Innern seines Herzens ohne Unterlass eine Schande
-sieht, die er vor jedes Anderen Auge sorgfältig verbergen
-muss! Diese Pein der Selbstverachtung, oft um eines sehr
-geringen Vortheils willen, auf sich zu nehmen &mdash; dazu, sollte
-man meinen, würden die wenigsten Menschen Entschlossenheit
-genug haben; und es müsste mithin der Falschheit und der
-Lügen weit weniger unter ihnen seyn, wenn sie nicht meistentheils
-damit angefangen hätten, sich selbst zu betrügen, ehe sie
-andere betrogen, wenn ihr Herz in der Falschheit gegen andere
-sich nicht erst an ihnen selbst geübt, und dieser unselige
-Selbstbetrug sie nicht gegen die Schande, Betrüger Anderer
-zu seyn, abgehärtet hätte. &mdash; Ich habe jetzt, a. Z., ich habe
-die giftige Quelle genannt, aus welcher unser ganzes sittliches
-Verderben herfliesst. Nur diese lasst uns, wenigstens in uns
-selbst, zu verstopfen suchen. Hört mich deswegen aufmerksam
-an, wenn ich heute von der Gemüthsverfassung, welche vor
-jenem unseligen Selbstbetruge verwahrt &mdash; wenn ich von <em class="italic">Wahrheitsliebe</em>
-mit euch rede.
-</p>
-
-<p>
-Du aber, o Gott, lautere Quelle aller Wahrheit, erwärme
-mich heute mit einem Strahle deines Lichtes, da ich zu deinem
-Ebenbilde von dem, was dein Wesen ausmacht, und wodurch
-allein der Sterbliche dir ähnlich wird, von Wahrheitsliebe, reden
-soll. Geuss Licht und Wärme über meinen Vortrag, und
-Verstand über den Geist meiner Zuhörer herab, die sich mit
-mir vereinigen Dich darum anzurufen, u. s. w.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Text.</em> Das Evangelium am Sonntage Exaudi, besonders
-Joh. 15. v. 26.
-</p>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Abhandlung.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-Die verlesenen Worte sind aus der Abschiedsrede Jesu an
-seine Jünger. Jesus, der sorgfältige Führer derselben, sollte
-sie, eben im Begriffe ihr für die Menschheit so wichtiges, für
-sie selbst so schwieriges Lehramt anzutreten, noch überhäuft
-von Vorurtheilen des Verstandes, und noch grosser Schwachheiten
-des Herzens fähig, verlassen. Um sie hierüber zu beruhigen,
-versprach er ihnen einen anderen Tröster, oder richtiger
-<em class="italic">Führer</em>, der ihre Vorurtheile ebenso berichtige, und sie
-<a id="page-261" class="pagenum" title="261"></a>
-vor Schwachheiten ebenso sorgfältig warne, als er selbst es
-bisher gethan hatte, den <em class="italic">Geist der Wahrheit</em>. Ich lasse ununtersucht,
-was man in diesen Worten etwa alles finden kann,
-wenn man recht begierig etwas recht Wunderbares sucht.
-Ungekünstelt erklärt sagen sie das, was ein zärtlicher Vater
-sagen würde, wenn er in der Todesstunde seine noch nicht
-völlig ausgebildeten Kinder um sich her versammelte, und zu
-ihnen spräche: Bisher habe ich eure Handlungen geleitet; jetzt
-muss ich euch verlassen, und das ist gut für euch, damit ihr
-endlich euch selbst regieren lernt.<a class="fnote" href="#footnote-31" id="fnote-31">[31]</a> Statt meiner verweise
-ich euch an einen erhabenern Führer, <em class="italic">an euer Gewissen</em>. Wie
-ihr bisher auf meine Warnungen horchtet, ebenso horcht hinführo
-auf die Warnungen dieses; und wie bisher mein Beifall
-euer höchstes Ziel war, ebenso sey es hinführo der Beifall
-eures eigenen Herzens: und dass dieses euch nie täuschen
-werde, dafür bürgt mir die <em class="italic">Wahrheitsliebe</em>, die ich in euch bemerkt
-und gepflegt habe. &mdash; Jesus sagt, dass er ihnen diesen Wahrheitsgeist
-<em class="italic">senden</em> wolle, nicht als ob sie etwa erst jetzt durch irgend
-ein Wunderwerk umgeschaffen die Wahrheit würden lieben
-lernen, &mdash; die Jünger Jesu, die an sich weder besser unterrichtet,
-noch tugendhafter waren, als die übrigen Juden
-ihrer Zeit, zeichneten sich eben durch Wahrheitsliebe, und bloss
-durch sie von anderen aus, und wurden bloss um dieser willen
-Schüler Jesu &mdash; sondern, weil sie erst jetzt, nach dem
-Verluste ihres äusseren Führers, dieses inneren Führers bedürfen
-würden.
-</p>
-
-<p>
-Wir alle, meine th. Fr., sind eben so, wie die Jünger
-Jesu, an unser Gewissen gewiesen, und eben so nöthig, als
-Jene, bedürfen wir <em class="italic">der Wahrheitsliebe</em>, um seine Stimme zu
-hören. Es ist also der Mühe werth, diese Wahrheitsliebe genauer
-kennen zu lernen.
-</p>
-
-<p>
-Die Wahrheitsliebe, <em class="italic">von der wir hier und heute reden</em>, besteht
-kürzlich darin: <em class="italic">dass man sich in seiner Meinung von seiner
-eigenen Tugend nicht betrügen wolle</em>. Dies nun scheint
-Anfangs widersprechend; denn es scheint auf den ersten Anblick
-<a id="page-262" class="pagenum" title="262"></a>
-unmöglich, <em class="italic">sich selbst</em> zu hintergehen, und hintergehen
-zu <em class="italic">wollen</em>.
-</p>
-
-<p>
-Wenn man aber daran denkt, dass der menschliche Wille
-durch zwei sehr verschiedene Haupttriebe in Bewegung gesetzt
-wird, deren einer ihn antreibt, sich vor Beschädigungen seines
-Leibes und Lebens zu sichern, und die Mittel aufzusuchen, dieses
-Leben unter so vielen angenehmen Empfindungen hinzubringen,
-als möglich; &mdash; ein Trieb, den wir <em class="italic">Eigenliebe</em> nennen,
-und den wir mit den Thieren des Feldes gemein haben: &mdash;
-deren zweiter aber ihn drängt, das Gute zu verehren und das
-Laster zu verabscheuen; &mdash; ein Trieb, der uns in den Rang
-höherer Geister und zum Ebenbilde der Gottheit erhebt, und
-den wir das <em class="italic">Gewissen</em> nennen; &mdash; &mdash; Triebe, die so verschieden
-sind, dass daher einige zwei Seelen im Menschen angenommen
-haben; eine Bemerkung, welche allein es schon hinreichend
-erklärt, wie Jesus von dem verheissenen Geiste der
-Wahrheit, als von etwas <em class="italic">ausser den Jüngern</em> reden konnte, so
-wie auch schon ein Weiser einer anderen Nation das Gute und
-Edle, das er that oder sagte, den Eingebungen eines höheren
-Geistes zugeschrieben hatte: &mdash;
-</p>
-
-<p>
-wenn man ferner bedenkt, dass diese beiden Antriebe, &mdash;
-der der Eigenliebe und der des Gewissens &mdash; sich oft geradezu
-widerstreiten, indem der erstere den Menschen antreibt,
-etwas als angenehm und nützlich zu begehren, was der
-zweite als schändlich und ungerecht ihn zu verabscheuen
-nöthigt:
-</p>
-
-<p>
-wenn man dieses beides bedenkt, so lässt sich sehr leicht
-einsehen, wie der Mensch, dem die Tugend nicht lieb genug
-ist, um alles für sie aufzuopfern, in dem Gedränge, in welches
-er bei diesem Widerstreite geräth, und in der Wahl, entweder
-die Befriedigung seiner liebsten Neigungen aufzugeben, oder
-sich selbst für einen ungerechten und schändlichen Menschen
-zu halten, einen Ausweg suchen und ihn darin finden werde,
-dass er sich überrede, sein Vergehen sey so gross noch
-nicht, und er könne demohngeachtet doch noch ein guter
-Mensch seyn.
-</p>
-
-<p>
-Solche Menschen sind nicht einmal stark genug, um ganz
-<a id="page-263" class="pagenum" title="263"></a>
-Bösewichter zu seyn, und begierig, die Lust des Lasters und
-die Freuden des guten Gewissens mit einander zu vereinigen,
-betrügen sie sich selbst, oder die schlechtere Seele in ihnen
-verfälscht die Aussagen der besseren. Der trüglichen Vorspiegelungen,
-deren sie sich dazu bedienen, sind unzählige.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt überreden sie sich, andere <em class="italic">Bewegungsgründe</em> bei ihren
-Handlungen gehabt zu haben, als sie wirklich hatten, und glauben
-es sich z. B. im Ernste, dass Gerechtigkeits- und Pflichtliebe,
-oder Wohlthätigkeit sie da geleitet habe, wo sie doch ihrer angeborenen
-Härte oder ihrer Eitelkeit fröhnten. &mdash; So waren die,
-von denen Jesus in unserem Evangelium sagt (Cap. 16, 2): sie
-werden, indem sie euch tödten, Gott einen Dienst damit zu
-thun meinen. &mdash; Eigentlich war wohl beleidigter Stolz und Rechthaberei
-dasjenige, was die verfolgungssüchtigen Juden, so wie
-die Verfolger aller Zeiten und Völker, trieb, nicht aber die Begierde,
-Gott einen Dienst zu thun. Das letztere banden sie
-sich wohl nur so auf; denn es ist sehr zweifelhaft, ob sie,
-wenn <em class="italic">sie</em> an ihrer Seite die Gemarterten, und <em class="italic">ihre Gegner</em> die
-Marterer gewesen wären, unter den Qualen des schmerzlichsten
-Todes gerufen haben würden: o, was für liebe fromme
-Leute sind doch unsere Mörder! Es ist wahr, dass uns der
-Tod schwer, und die Qualen desselben schmerzhaft ankommen;
-aber sie meinen es dabei doch so herzlich gut, und martern
-uns aus brennender Andacht und sehr thätiger Menschenliebe
-zu Tode.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt rechnen sie sich gewisse gute Handlungen, die sie
-darum thaten, weil sie ihnen die wenigste Aufopferung kosteten,
-so hoch als möglich an, und meinen damit alle ihre übrigen
-Vergehungen zu vergütigen. So soll etwa ein schweres
-Almosen, mit langsamer widerstrebender Hand dargereicht, für
-alle Ausbrüche unreiner Lüste, oder für eine Menge schreiender
-Ungerechtigkeiten genugthun.
-</p>
-
-<p>
-Das ist Selbstbetrug in der <em class="italic">Anwendung</em> der Aussprüche
-unseres Gewissens auf <em class="italic">unsere Handlungen</em>; ein Betrug, der
-sich Keinem, dem es ein Ernst ist, sich selbst recht kennen
-zu lernen, lange verbergen kann; denn aus ihm entstehen die
-schreiendsten Widersprüche in den Grundsätzen, wonach wir
-<a id="page-264" class="pagenum" title="264"></a>
-<em class="italic">uns</em>, und in denen, wonach wir <em class="italic">andere</em> beurtheilen. Wir wollen
-dann immer die Ausnahme von allen übrigen Menschen
-seyn, und was für alle andere ungerecht ist, soll für uns erlaubt,
-was bei allen anderen höchst zweideutig ist, soll bei
-uns schön und edel seyn.
-</p>
-
-<p>
-Da nun bei einem so groben Selbstbetruge unser Herz
-immer in der Gefahr ist, auf seiner Falschheit ergriffen zu werden;
-da ferner gewisse Handlungen nach allen möglichen Milderungen
-und Beschönigungen doch noch immer ein sehr hässliches
-Aussehen behalten, so fällt der Mensch aus diesem gefährlichen
-Selbstbetruge leicht in einen noch gefährlicheren:
-er sucht sich nemlich des einzigen höchsten Gesetzes für seine
-Handlungen, seines Gewissens, das ihm so lästig geworden ist,
-ganz zu entledigen, und beruft sich, &mdash; ein Jeder nach Maassgabe
-seines Scharfsinnes &mdash; auf ein anderes: der Schwache
-auf das Beispiel der grösseren, oder der vom Schicksale begünstigteren
-Menge; der Scharfsinnigere geradezu auf seine
-Neigung, die er statt des zum Vorurtheile herabgewürdigten
-inneren Gefühls durch tausend Spitzfindigkeiten als höchstes
-Gesetz für die freien Handlungen vernünftiger Wesen aufzustellen
-sucht; endlich ganze Zeitalter &mdash; o unseligste Ausgeburt
-des menschlichen Verderbens! &mdash; auf erdichtete oder verfälschte
-Offenbarungen der Gottheit, die, unter der Gewährleistung
-eben des Gottes, der seinen Willen unauslöschlich in
-unser Herz schrieb, diesem in unser Herz geschriebenen Willen
-geradezu widersprechen und in seinem Namen das Laster in
-Tugend verwandeln. &mdash; Sehet da, m. Br., in dem Verderben
-der Menschen, und in ihrer Begierde, dieses Verderben vor
-sich selbst zu verbergen, die wahre Urquelle Jenes: &bdquo;andere,
-die es doch besser verstehen sollten, machen es eben so&ldquo; &mdash;
-das man so oft hört; jener Gebäude von Sittenvorschriften, die
-jetzt feiner, jetzt gröber unsere Neigung als höchstes Sittengesetz
-aufstellen, und nach denen nichts unerlaubt ist, als wozu
-es uns an Kraft fehlt; jener Religionsgrundsätze, die uns dort
-durch Tausender, hier durch Eines fremdes Verdienst &mdash; nicht
-etwa <em class="italic">das Fehlende</em> eigener Verdienste bei dem möglichst thätigen
-guten Willen &mdash; eine solche Hoffnung bietet die Religion,
-<a id="page-265" class="pagenum" title="265"></a>
-und verstattet die Vernunft Jedem, der ihrer bedarf &mdash; sondern
-den gänzlichen Mangel an eigenem guten Willen ersetzen
-lehren, und uns am Ende eines gemisbrauchten Lebens dort
-in eine Mönchskutte, und hier an ein kaltes: Herr, ich glaube,
-verweisen!
-</p>
-
-<p>
-Dies sind die Wege, die das menschliche Herz nimmt, um
-sich der Erkenntniss der Wahrheit zu entziehen. Um allen
-diesen Fallstricken, die der schlauste Verführer, unser eigenes
-Ich, uns legt, zu entgehen, bedarf es der <em class="italic">Wahrheitsliebe: &mdash; der
-entschiedenen vorherrschenden Neigung, die Wahrheit <em class="gesperrt">bloss
-um ihrer selbst willen</em> &mdash; sie falle für uns auch aus, wie
-sie wolle &mdash; anzuerkennen</em>. &mdash; Diese Wahrheitsliebe, oder mit
-Jesu zu reden, dieser Geist der Wahrheit treibt uns fürs erste,
-unser Gewissen als den einzigen Richter über das, was recht
-oder unrecht ist, und als das höchste Gesetz anzuerkennen,
-dem wir immer und ohne Ausnahme zu gehorchen, schlechterdings
-schuldig sind. &mdash; Die schönste Uebersetzung des allgemeinen
-Ausspruchs dieses Gesetzes ist die, welche Jesus gegeben
-hat: <em class="italic">Was ihr nicht wollt, dass es euch die Leute thun,
-das thut auch ihr ihnen nicht</em>, oder allgemeiner: <em class="italic">was euch an
-anderen ungerecht und schändlich vorkommt, das ists gewiss
-auch an euch; denn ebendieselbe Stimme in euch, die es an andern
-verdammt, verdammt es auch an euch</em>.
-</p>
-
-<p>
-Es ist also der erste und der Hauptgrundsatz der Wahrheitsliebe:
-<em class="italic">nichts sich für erlaubt zu halten, was man nicht
-allen anderen stets und immer erlauben möchte</em>. &mdash; Die Vernunftmässigkeit
-dieses Grundsatzes ist <em class="italic">so</em> einleuchtend, und es
-ist <em class="italic">so</em> unvernünftig, zu glauben, dass ein Einziger eine Ausnahme
-vom ganzen Menschengeschlechte und allen vernünftigen
-Wesen machen solle; dass Ihm allein erlaubt seyn solle,
-was er allen anderen nicht erlaubt, und für ihn allein gerecht
-und edel seyn solle, was er an allen anderen ungerecht und
-schändlich findet: dass es schwer wird, es zu glauben, dass
-der grösste Haufen der Menschen sein eigenes geliebtes Ich in
-diesen Rang setze, und diesem Gedanken gemäss handele.
-</p>
-
-<p>
-Diese Wahrheitsliebe treibt fürs zweite den, in welchem
-sie herrschend geworden ist, <em class="italic">sich nach den Vorschriften seines
-<a id="page-266" class="pagenum" title="266"></a>
-Gewissens unparteiisch zu prüfen</em>. &mdash; Es ist ihm nur um die
-Wahrheit zu thun; nur sie ist ihm werth und willkommen; sie
-ist ihm weit theurer als Er sich selbst; laute sie, wie sie wolle,
-wenn es nur Wahrheit ist. Er wird also, weit entfernt nach
-Entschuldigungen und Beschönigungen zu haschen, vielmehr
-sehr sorgfältig über sein betrügerisches Herz wachen. Er wird
-seine Fehler nicht geringer, seine Tugenden nicht grösser machen
-wollen, als sie sind. Er wird sich, wenn die Stimme der
-Wahrheit, &mdash; das heiligste, was er kennt &mdash; ihn verurtheilt, dem
-Schmerze der Reue und dem Gefühle der Scham vor sich selbst
-edelmüthig unterwerfen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Wahrheitsliebe nun treibt unwiderstehlich zur Tugend.
-Anerkennt man das Gewissen für sein höchstes Gesetz;
-prüft man sich unparteiisch nach demselben, so wird man die
-Pein, sich selbst verachten zu müssen, nicht länger ertragen,
-sich nicht entschliessen können, sich selbst für ungerecht und
-böse zu halten, und &mdash; es bleiben zu wollen. So ein Zustand
-ist wider die menschliche Natur. Sich für verdorben halten,
-und sich entschliessen, es zu bleiben, ist widernatürlich.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Wahrheitsgeist zeugt, laut unseres Textes, von Jesu.
-Er überzeugt Jeden, in dem er herrschend geworden, durch
-eigene Erfahrung, dass die Sittenlehre Jesu die reinste Darstellung
-der Aussprüche unseres Gewissens sey. <em class="italic">So jemand
-will den Willen thun des, der mich gesandt hat, der wird inne
-werden, ob diese Lehre von Gott sey, oder ob ich von mir
-selber rede</em>, konnte er mit seinem vollen Rechte sagen.
-</p>
-
-<p>
-Doch hört noch, a. Z., die eigenen Worte dieses Jesus
-über Wahrheitsliebe, damit ihr euch noch mehr überzeugt,
-dass ich euch jetzt nicht etwa philosophische Untersuchungen,
-sondern reine Bibellehre vorgetragen habe, die jeden Christen
-angeht. So sagt Jesus Joh. 3, 19-21.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Das ist das Gericht</em>, d. h. das ist der wesentliche Unterschied,
-der zwei sehr verschiedene Arten von Menschen ihrer
-Denkungsart, und ihren damit genau verbundenen Schicksalen
-nach unterscheidet, dass einige, <em class="italic">obgleich das Licht in
-die Welt gekommen ist, die Finsterniss mehr lieben, als das
-Licht</em>, d. h. dass sie, obgleich die Stimme der Wahrheit laut
-<a id="page-267" class="pagenum" title="267"></a>
-genug in ihrem Gewissen redet, und sie auch von aussen aufmerksam
-auf dieselbe gemacht werden, dennoch die Wahrheit
-nicht anerkennen <em class="italic">wollen</em>, sie hassen und meiden, und nur
-den Betrug lieben, der ihnen schmeichelt, <em class="italic">da ihre Werke
-böse sind</em>. &mdash; <em class="italic">Wer Arges thut, hasset das Licht</em>, oder die
-Wahrheit, <em class="italic">und er kömmt nicht an das Licht</em>, er weicht
-der Erkenntniss der Wahrheit sorgfältig aus, <em class="italic">damit seine Werke
-nicht gestraft werden</em>, damit er nicht von seiner Verdorbenheit
-überführt, und vor sich selbst beschämt werde. &mdash; &mdash; Die von
-dieser Menschenklasse sehr Verschiedenen sind diejenigen, <em class="italic">welche
-die Wahrheit thun</em>, welche ihr Gewissen für das höchste
-Gesetz ihres Verhaltens anerkennen, und fest entschlossen sind,
-der Stimme desselben in allem zu gehorchen: &mdash; <em class="italic">diese kommen
-an das Licht</em>, sie mögen sich gern in ihrer wahren Gestalt erblicken,
-<em class="italic">damit ihre Werke offenbar werden</em>, und sie dadurch
-sich selbst kennen lernen, wie weit sie in der Tugend gekommen
-sind, und was ihnen zu thun noch übrig ist.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Geist der Wahrheit <em class="italic">geht</em>, nach den Worten Jesu in
-unserem Texte, <em class="italic">vom Vater aus</em>; er ist ein Geschenk der Gottheit,
-von welcher alle gute Gaben kommen, und das Edelste,
-was sie der Menschheit gab. Aber Gott gab dieses Geschenk
-nicht etwa nur einigen, und versagte es anderen, er gab die
-Anlage dazu allen; gab sie gewiss auch Jedem, der hier gegenwärtig
-ist. &mdash; &mdash; O, m. Br., warum kann ich nicht mit Jedem
-unter euch in die geheime Geschichte seines Herzens
-zurückgehen; warum kann ich nicht Jedem, Schritt vor Schritt,
-die Vorfälle aufzählen, bei denen die bessere Seele in ihm
-lauter wurde? &mdash;
-</p>
-
-<p>
-Denkt zurück an die innige Bewegung, mit der die meisten
-unter euch das erste Mal beim Nachtmahle erschienen; an die
-Thränen der Rührung, mit denen ihr damals vor den Augen
-Gottes und den Augen der Gemeine angelobtet, der Stimme
-eures Gewissens stets zu gehorchen; an die ernsthaften Vorsätze
-der Besserung, mit denen ihr diese Handlung oft wiederholt
-habt; an die noch ernsthafteren Vorsätze, die ihr fasstet,
-wenn Krankheit oder eine andere Noth euch veranlasste, einen
-Blick in euer Innerstes zu thun; an den Schauder und das
-<a id="page-268" class="pagenum" title="268"></a>
-Herzklopfen, das auch den Verdorbensten unter uns übermannte,
-wenn er eine Sünde thun wollte, die ihm neu und
-grösser war, als seine vorhergehenden; an das Entsetzen, das
-uns alle befällt, wenn wir von einer harten Ungerechtigkeit,
-von einer grossen Schandthat hören &mdash; alles das waren und
-sind Spuren dieser besseren Seele in uns.
-</p>
-
-<p>
-Und nun ist es unsere Sache, uns zu prüfen, wie viel von
-dieser ursprünglichen Wahrheitsliebe wir in uns übriggelassen
-haben. Und diese Prüfung, m. Br., ist nicht schwer; auf der
-Stelle können wir unser Herz auf dem Betruge ergreifen, wenn
-es uns betrügt.
-</p>
-
-<p>
-Der gemeinste Begriff, den selbst der unausgebildetste von
-seiner Bestimmung hat, ist der, <em class="italic">Gott zu gefallen und in den
-Himmel zu kommen</em>. Wer ist unter uns, der das nicht hoffe?
-Worauf gründen wir nun diese Hoffnung, &mdash; nicht von <em class="italic">Gottes</em>
-Seite, davon ist hier nicht die Rede, &mdash; sondern von <em class="italic">der unsrigen</em>,
-oder, was denken <em class="italic">wir</em> zu thun, um in den Himmel zu
-kommen? Tröstet ihr euch etwa eures Kirchen- und eures
-Nachtmahlsgehens &mdash; oder wohl gar einer kalten Reue, die
-ihr einst auf eurem Sterbebette empfinden wollt &mdash; tröstet ihr
-euch irgend eines Dinges, ausser der gewissenhaften Erfüllung
-aller eurer Pflichten, und des ernstesten Entschlusses nichts zu
-thun, was ihr für unrecht haltet: so hat euch bisher euer Herz
-betrogen, denn es hat euch an ein ander Gesetz angewiesen,
-als an euer Gewissen.
-</p>
-
-<p>
-Ihr habt alle irgend ein Vorhaben; ihr habt vielleicht ohnlängst
-irgend ein anderes ausgeführt. &mdash; Könnt ihr im Ernste
-wünschen, dass jeder eurer Nebenmenschen stets und immer
-so handle, dass er auch gegen euch so handle, wie ihr gehandelt
-habt, oder zu handeln im Begriffe steht; könnt ihr wünschen,
-in einer Welt zu leben, wo jeder so handelt? Solltet
-ihr dieses nicht wünschen können, &mdash; haltet ihr demohngeachtet
-eure Handlung noch für gerecht und billig? Haltet ihr sie
-dafür, so seyd versichert, dass euer Herz euch betrügt, und
-dass die Entschuldigungen, die es euch darbietet, eitel Täuschungen
-sind.
-</p>
-
-<p>
-Es ist, wenn wir in dieser Prüfung unser Herz nicht ganz
-<a id="page-269" class="pagenum" title="269"></a>
-lauter befunden haben sollten, nun unsere Sache, zu sehen,
-wie wir diese Wahrheitsliebe in uns wieder herstellen wollen,
-&mdash; wenn wir anders nicht länger jeden Blick, den wir in unseren
-Busen werfen, mit Erröthen wieder zurückreissen wollen;
-nicht länger von dem Auge des ehrlichen Mannes uns
-gedrückt fühlen, und schüchtern suchen wollen, unser Herz
-vor ihm zu verbergen, dass er nicht durch irgend eine Spalte
-desselben unsere Schande entdecke; nicht länger dem Gedanken
-an Gott, den Herzenskündiger, und an die Zukunft, mit
-Angst ausweichen wollen.
-</p>
-
-<p>
-Dazu giebt es nun leider kein Mittel, was nicht wenigstens
-einen Theil dieser Wahrheitsliebe voraussetzte, die dadurch
-erst hervorgebracht werden soll. Wer gar keine mehr hat,
-der ist ohne Rettung verloren; treibt ihn in die Enge, soviel
-ihr wollt, &mdash; er wird stets recht haben, und nie wird es ihm
-an Entschuldigungen und Ausflüchten fehlen; er wird, wie Jesus
-sagt, nicht glauben, und wenn die Todten auferständen,
-und ihm die Wahrheit predigten; daher denn auch die Gottesgelehrten
-diesen Zustand sehr passend das <em class="italic">Gericht der Verstockung</em>
-genannt haben. &mdash; Aber sollte es viele, sollte es überhaupt
-Menschen geben, die <em class="italic">so</em> tief verfallen seyen? Auf das
-verdorbenste Herz geschehen zuweilen noch gute Eindrücke;
-wenn ihnen ihr ganzer trauriger Zustand recht nach dem Leben
-vor Augen gemalt wird; oder, wenn sie in ein grosses
-Unglück verfallen, aus dem sie mit ihrer ganzen Kraft sich
-nicht retten können; oder wenn sie das Schauspiel einer grossen
-Unthat erblicken, und sich gestehen müssen, dass sie auf
-dem geraden Wege zu dem gleichen Verbrechen sind; oder,
-welches das letzte und härteste Rettungsmittel in der Hand der
-Vorsehung ist, &mdash; wenn sie selbst in eine grosse Missethat fallen,
-über die sie hinterher sich selbst entsetzen.
-</p>
-
-<p>
-Gott gebe, dass keiner in unserer Mitte sey, der solcher
-Mittel bedürfe; er gebe, dass keiner, der ihrer bedarf, auch
-diese ungenützt lasse. Amen.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-29" id="footnote-29">[29]</a> Nemlich im Grundtexte: &bdquo;Die Ausübung der Gastfreiheit verfolget;
-die <em class="italic">Euch</em> verfolgen, segnet.&ldquo;
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-30" id="footnote-30">[30]</a> Man wird mir für die Kanzel diese Namenerklärung verzeihen, und
-die Untersuchung, ob so etwas sich überhaupt nicht etwa widerspreche und
-nichts gesagt sey, schenken. &mdash; Wenigstens ist das hier Gesagte nicht aus
-Unwissenheit gesagt.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-31" id="footnote-31">[31]</a> Joh. 16, 7.
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-5-3">
-<a id="page-270" class="pagenum" title="270"></a>
-<span class="line1">C.</span><br />
-<span class="line2">Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie. In einer Reihe von Briefen. 1794.<a class="fnote" href="#footnote-32" id="fnote-32">[32]</a></span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Phil. Journal 1798. Bd. IX. S. 199-232. S. 292-305.)
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-3-1">
-<span class="line1">Erster Brief.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Sie haben Ihre Erwartungen von der Philosophie noch nicht
-aufgegeben, mein theurer Freund; Sie fahren fort, an unseren
-Bemühungen um dieselbe Antheil zu nehmen, und füllen noch
-immer einen Theil Ihrer Erholungsstunden mit philosophischer
-Lectüre. Aber, so schreiben Sie mir, der Nachbar dürfte fast
-durch die Vorstellung einer neuen Gefahr Sie beunruhigen.
-Ihn macht der Unterschied bedenklich, den ein oder zwei
-neuere Schriftsteller zwischen Geist und Buchstaben in der
-Philosophie überhaupt, und insbesondere einer gewissen Philosophie
-und gewisser philosophischer Werke gemacht haben.
-Wo es hinauswolle, und was aus dem unermüdetsten Studiren
-werden könne, wenn es dem ersten dem besten erlaubt seyn
-solle, die mit saurer Mühe zusammengebrachten Kenntnisse im
-<a id="page-271" class="pagenum" title="271"></a>
-<a id="pagehdr-271" class="orig-page" title="200"></a>
-ersten Andrange des Kraftgenies zu streichen: unter dem Vorwande,
-dass dies doch nur der Buchstabe sey, und nicht der
-Geist? &mdash; Der Nachbar denkt auf Sicherheit, und Sie wünschen
-eine klare Einsicht in die Beruhigungsgründe, die Sie schon
-jetzt dunkel fühlen. Sie haben bemerkt, dass ich auch mit für
-diese Unterscheidung stimme, und verlangen von mir eine
-gründliche und gemeinfassliche Auseinandersetzung: was Geist
-<em class="italic">der</em> Philosophie, und Geist <em class="italic">in</em> der Philosophie heisse, und wie
-sich derselbe vom Buchstaben, und vom blossen Buchstaben
-unterscheide.
-</p>
-
-<p>
-Ich hoffe, dass Sie durch die Forderung der Gründlichkeit
-mich nicht über Vermögen verpflichten wollen: dass Sie durch
-dieselbe nicht mehr andeuten, als dass ich nach bestem Wissen
-und Gewissen, soweit ich selbst auf den Grund sehe, jenen
-Unterschied aus ihm ableite. Das würde denn auch in
-der Kürze geschehen können, wenn ich alles, was die unmittelbare
-Beantwortung Ihrer Frage voraussetzt, voraussetzen
-dürfte. Da dies aber Ihre Rechnung nicht zu seyn scheint, indem
-Sie zugleich Gemeinfasslichkeit fordern, so muss ich Sie
-einen längeren Weg führen, von welchem ich wünsche, dass
-er Ihnen nie als ein Umweg erscheinen möge. Sie sollen auf
-demselben langsam gehen, und zuweilen ruhen und Aussicht
-nehmen; aber mit ein wenig Geduld hoffe ich Sie an das Ziel
-zu bringen und ihre Besorgnisse zu heben. &mdash; Was die Belehrung
-des Nachbars anbelangt &mdash; doch, die Erfahrung, die Sie
-dabei zu machen haben, kann wenigstens für Sie selbst belehrend
-seyn.
-</p>
-
-<p>
-Ehe ich Ihnen deutlich machen kann, was ich unter Geist
-in der Philosophie verstehe, müssen wir uns darüber vereinigen,
-was wir überhaupt Geist nennen.
-</p>
-
-<p>
-Sie erinnern sich der Klagen, die Sie führten, als Sie ein
-gewisses, von einigen hochgepriesenes Buch lasen. Sie konnten
-sich in dasselbe nicht hineinlesen. Sie hatten es vor sich
-und Ihre Augen fest darauf geheftet; aber Sie fanden, so oft
-Sie auf sich selbst reflectirten, sich weit von dem Buche; jeder
-Ihrer Angriffe auf den Inhalt und den Gang desselben gleitete
-ab, und so oft auch Sie den spröden Geist desselben ergriffen
-<a id="page-272" class="pagenum" title="272"></a>
-<a id="pagehdr-272" class="orig-page" title="201"></a>
-zu haben glaubten, entschlüpfte er Ihnen unter den Händen.
-Sie hatten nöthig, immer und immer wieder sich selbst zu erinnern,
-dass Sie dieses Buch studiren wollten, es studiren
-müssten; und es bedurfte der oft wiederholten Vorstellung des
-Nutzens und der Belehrung, die Sie daraus erwarteten, um
-den fortdauernden Widerstand auszuhalten; bis Sie endlich
-aus anderen Gründen überzeugt wurden, dass Sie es ebensowohl
-ungelesen lassen könnten, und dass selbst die Ausbeute
-nur geringe und der aufgewandten Mühe nicht werth seyn
-werde. &mdash; Lag dabei die Schuld lediglich an Ihnen, an Ihrem
-Mangel an Aufmerksamkeit, an dem Nichtverhältnisse Ihres Talents
-gegen die Tiefe und Gründlichkeit jenes Buches? Sie
-schienen das nicht zu glauben; die Stimmung, in der Sie sich
-bei der Lectüre anderer, nicht minder gründlicher Schriften
-fanden, erlaubte Ihnen, eine günstigere Meinung von sich zu
-fassen. Sie fühlten von diesen sich angezogen und gefesselt;
-es bedurfte keiner Erinnerung an Ihren Vorsatz, das Buch zu
-studiren, und an den Vortheil, den Sie sich aus dem Studium
-desselben versprachen. Sie brauchten bei einer Lectüre, die allein
-Ihren ganzen Geist ausfüllte, keinen Zweck ausserhalb derselben
-aufzusuchen, und nur das kostete Ihnen Mühe, sich davon loszureissen,
-wenn andere Geschäfte Sie abriefen. Sie waren vielleicht
-mehrmals in einem ähnlichen Falle, wie eine gewisse französische
-Frau. Die Stunde, da der Hofball eröffnet wurde, traf
-dieselbe bei der Lectüre der neuen Heloise. Man meldete ihr,
-dass angespannt sey; aber es war noch zu früh, nach Hofe zu
-fahren. Nach zwei Stunden, da man sie wieder erinnerte, war
-es noch immer Zeit genug; und zwei Stunden darauf fand sie
-es zu spät. Sie las die ganze Nacht durch, und opferte für
-dieses Mal den Ball auf.
-</p>
-
-<p>
-So gehts mit Büchern, so geht es mit anderen Producten
-der Kunst sowohl, als der Natur. Das eine lässt uns kalt und
-ohne Interesse, oder stösst uns wohl gar zurück; ein anderes
-zieht uns an, ladet uns ein, bei seiner Betrachtung zu verweilen
-und uns selbst in ihm zu vergessen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Erfahrung ist um so merkwürdiger, da die Gründe,
-aus denen man sie etwa auf den ersten Anblick dürfte erklären
-<a id="page-273" class="pagenum" title="273"></a>
-<a id="pagehdr-273" class="orig-page" title="203"></a>
-wollen, nicht auslangen. Der weniger ernsthafte und oberflächliche
-Leser, der nur Vergnügen sucht, und an den die Belehrung
-fast nur durch einen feinen Betrug unter der Gestalt
-des ersten gelangen kann, mag im ganzen freilich lieber durch
-Erzählungen unterhalten seyn, als mit dem Schriftsteller nachdenken
-und forschen. Aber oft gelingt es der reichsten Erzählung,
-wo Begebenheiten auf Begebenheiten folgen, die eine
-immer abenteuerlicher als die andere, nicht, die Aufmerksamkeit
-des Lesers anzuziehen; und es giebt ihrer in Menge, die,
-ohne alle Rücksicht auf Belehrung, lieber mit Voltaire räsonniren,
-oder mit Lessing polemisiren, als die Begebenheiten der
-schwedischen Gräfin sich erzählen lassen. Es scheint daher
-allerdings der Mühe werth, und liegt vielleicht auf unserem
-Wege, zu untersuchen: was es doch eigentlich seyn möge, das
-uns hier, es sey zu Frivolitäten oder zu ernsthaften und wichtigen
-Untersuchungen, so mächtig hinzieht; dort, so wichtig
-und nützlich auch der abgehandelte Gegenstand sey, so unwiderstehlich
-zurückstösst?
-</p>
-
-<p>
-So viel ist klar, dass ein Werk der erstern Art unsern Sinn
-selbst für seinen Gegenstand anregen, beleben, stärken möge;
-dass ein solches Werk uns nicht bloss das Object unserer geistigen
-Beschäftigung, sondern zugleich das Talent gebe, uns
-mit demselben zu beschäftigen, uns nicht das Geschenk allein,
-sondern sogar die Hand darreiche, mit der wir es ergreifen
-sollen; dass es das Schauspiel und die Zuschauer zugleich erschaffe,
-und, wie die Lebenskraft im Weltall, mit demselben
-Hauche der todten Materie Bewegung und Organisation, und
-der organisirten geistiges Leben mittheile: da hingegen ein Product
-von der letztern Klasse gerade denjenigen Sinn, dessen
-man zu seinem Genusse bedürfte, aufhält und hemmt, und
-durch den fortdauernden Widerstand ermüdet und tödtet; so
-dass der in jedem Augenblicke abgelaufene Mechanismus des
-Geistes durch einen neuen Druck der Haupttriebfeder in ihm,
-der absoluten Selbstthätigkeit, wieder hergestellt werden muss,
-um im nächsten Augenblicke wieder unterbrochen zu werden.
-Im ersten Falle denkt unser Verstand, oder dichtet unsere Einbildungskraft
-von selbst mit dem Künstler zugleich, und sowie
-<a id="page-274" class="pagenum" title="274"></a>
-<a id="pagehdr-274" class="orig-page" title="205"></a>
-er es will, ohne dass wir ihr gebieten; die gehörigen Begriffe,
-oder die beabsichtigten Gestalten bilden und ordnen sich vor
-unserem geistigen Auge, ohne dass wir die Hand daran gelegt
-zu haben glauben. Im zweiten Falle müssen wir immer über
-uns selbst wachen und uns in strenger Aufsicht haben, stets
-das Gebot der Aufmerksamkeit wiederholen und über seine
-Beobachtung halten. Wie wir unser geistiges Auge wegwenden,
-entfleucht unsere Aufmerksamkeit vom Ziele, die unbewachte
-Phantasie sucht wieder ihre gewohnte Bahn, oder auch
-der Geist fällt in sein dumpfes Hinbrüten zurück. Mit einem
-Worte: Producte der erstern Art scheinen eine belebende Kraft
-zu haben für den innern Sinn, und insbesondere jedesmal für
-denjenigen besonderen Sinn, für den ihre Auffassung gehört;
-Producte der letztern Art mögen Ordnung und Gründlichkeit
-und Nutzbarkeit, sie mögen alles haben, was man will, jene
-Kraft haben sie nicht.
-</p>
-
-<p>
-Wir nennen diese belebende Kraft an einem Kunstproducte
-Geist, den Mangel derselben Geistlosigkeit, und stehen sonach
-gerade vor dem Gegenstande, welchen wir zu untersuchen
-haben.
-</p>
-
-<p>
-Wie erhält ein menschliches Product jene belebende Kraft,
-und woher hat der geistvolle Künstler das Geheimniss, sie ihm
-einzuhauchen? Mit angenehmem Befremden entdecke ich bei
-Betrachtung seines Werkes Anlagen und Talente in mir, die
-ich selbst nicht kannte. Hat er auf diese Anlagen in mir die
-Wirkung seiner Kunst berechnet? Ohne Zweifel; denn woher
-sonst dieser Erfolg? Aber wer hat ihm mein Inneres aufgedeckt,
-in welchem ich selbst ein Fremdling war? Wenn er
-noch allenfalls durch hohe Vorstellungen aus der Religion mich
-in überirdische Welten erhöbe, oder durch die Schrecken des
-Weltgerichts erschütterte, oder durch die Leiden der sanftduldenden
-Unschuld mir Thränen entlockte, möchte es seyn; unerachtet
-es noch immer wunderbar bliebe, wie er es dahin
-bringt, dass ich auf seine Dichtungen, die ich für nichts als
-Dichtungen halte, mich nur einlasse und ihnen Empfindungen
-widme, die nur zu wahr sind. Aber mit der gleichen Zuversicht
-schildert sein Griffel einen ländlichen Tanz, wirft sein
-<a id="page-275" class="pagenum" title="275"></a>
-<a id="pagehdr-275" class="orig-page" title="206"></a>
-Pinsel eine Feldblume auf die Leinwand, und mein Herz ist
-immer seine gewisse Beute. Wo liegt der unbegreifliche Zusammenhang
-dieser Mittel mit jenem Zwecke, und durch welche
-Kunst hat er errathen, was durch kein Nachdenken sich
-dürfte finden lassen?
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-3-2">
-<span class="line1">Zweiter Brief.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Sie nehmen die am Ende meines vorigen Briefes hingeworfene
-Frage auf, und beantworten sie folgendermaassen:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nirgends als in der Tiefe seiner eigenen Brust kann der
-geistvolle Künstler aufgefunden haben, was meinen und Aller
-Augen verborgen in der meinigen liegt. Er rechnet auf die
-Uebereinstimmung anderer mit ihm; und rechnet richtig. Wir
-sehen, dass unter seinem Einflusse die Menge, wenn sie nur
-ein wenig gebildet ist, wirklich in Eine Seele zusammenfliesst,
-dass alle individuelle Unterschiede der Sinnesart verschwinden,
-dass die gleiche Furcht, oder das gleiche Mitleid, oder das
-gleiche geistige Vergnügen Aller Herzen hebt und bewegt. Er
-muss demnach, inwiefern er Künstler ist, dasjenige, was allen
-gebildeten Seelen gemein ist, in sich haben, und anstatt des
-individuellen Sinnes, der uns andere trennt und unterscheidet,
-muss in der Stunde der Begeisterung gleichsam der Universalsinn
-der gesammten Menschheit, und nur dieser, in ihm wohnen.
-&mdash; Wir alle sind auf mannigfaltige Weise von einander
-verschieden; kein Einzelner ist irgend einem andern Einzelnen,
-dem Geistescharakter so wenig, als dem körperlichen nach,
-vollkommen gleich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dennoch müssen wir alle, näher oder entfernter, nach
-Maassgabe der Gleichförmigkeit oder der Verschiedenheit unserer
-Ausbildung, schon auf der Oberfläche unseres Geistes,
-oder in seinen geheimeren Tiefen gewisse Vereinigungspuncte
-<a id="page-276" class="pagenum" title="276"></a>
-<a id="pagehdr-276" class="orig-page" title="208"></a>
-haben; denn wir verstehen uns, wir können uns einander mittheilen,
-und aller menschliche Umgang ist von Anbeginn an
-nichts anderes gewesen, als ein ununterbrochener Wechselkampf
-aller Einzelnen, jeden Einzelnen, mit dem sie im Gange
-des Lebens Berührungspuncte bekamen, mit sich selbst übereinstimmig
-zu machen. Was keinem so leicht, und keinem
-ganz gelingt, gelingt dem Künstler, indem er das Ziel verändert,
-und es aufgiebt, seine Individualität in andern darzustellen;
-vielmehr diese selbst aufopfert, und statt ihrer jene Vereinigungspuncte,
-die in allen Einzelnen sich wiederfinden, zum
-individuellen Charakter seines Geistes und seines Werkes macht.
-Daher heisst das, was ihn begeistert, Genius, und hoher Genius:
-ein Wesen aus einer höheren Sphäre, in welcher alle
-niedere und irdische Grenzlinien, die den individuellen Charakter
-der Erdenmenschen bestimmen, nicht mehr unterschieden
-werden und in einen leichten Nebel zusammenfliessen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da die Mittel, deren er sich bedient, um jenen Gemeinsinn
-in uns anzuregen und zu beschäftigen, und die Individualität,
-so lange er uns unter seinem Einflusse hält, verstummen
-zu machen, &mdash; da diese Mittel und ihr nothwendiger Zusammenhang
-mit der Wirkung durch kein Nachdenken, durch keine
-Beziehung auf ihren Zweck durch Begriffe, so leicht dürften
-aufgefunden werden, wenigstens alle bisherigen Bemühungen,
-sie auf diese Art aufzufinden, gescheitert sind: so kann er nur
-durch Erfahrung, durch eigene innere Erfahrung an sich selbst,
-zur Kenntniss derselben gelangt seyn. Er hat einst selbst empfunden,
-was er uns nachempfinden lässt, und dieselben Gestalten,
-die er jetzt vor unser Auge hinzaubert, &mdash; ununtersucht,
-auf welchem Wege sie vor das seinige kamen, &mdash; haben
-ihn einst selbst in jene süsse Trunkenheit, in jenen holden
-Wahnsinn eingewiegt, der uns alle bei seinem Gesange, oder
-vor seiner belebten Leinwand, oder bei dem Tone seiner Flöte
-ergreift. Er ist wieder zur kalten Besonnenheit gekommen, und
-stellt mit nüchterner Kunst dar, was er in der Entzückung erblickte,
-um in seine Verirrung, deren geliebtes Andenken ihn
-noch mit sanfter Rührung erfüllt, das ganze Geschlecht hineinzuziehen,
-und die Schuld, welche die Einrichtung seiner Gattung
-<a id="page-277" class="pagenum" title="277"></a>
-<a id="pagehdr-277" class="orig-page" title="209"></a>
-auf ihn lud, unter die ganze Gattung zu vertheilen. Wo
-gebildete Menschen wohnen, wird bis an das Ende der Tage
-das Andenken seiner längst erloschenen Begeisterung durch
-ihre Wiederholung gefeiert werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-So lösen Sie die vorgelegte Aufgabe; und ich glaube, Sie
-haben recht. Aber erlauben Sie, dass wir gemeinschaftlich
-uns Ihre Meinung weiter aufklären, sie in ihre feineren Bestandtheile
-zerlegen, sie aus ihren Gründen entwickeln, um uns
-etwas Bestimmtes zu denken unter jenem Universalsinne, den
-Sie Ihrer Erklärung zum Grunde legen; um klar einzusehen,
-wie jener Eindruck entstehe, den sie auf diesen Sinn in der
-Seele des Künstlers geschehen lassen; um zu begreifen, so
-gut es sich begreifen lässt, warum sich derselbe so leicht und
-so allgemein mittheile.
-</p>
-
-<p>
-Vollkommen unabhängig von aller äusseren Erfahrung, und
-ohne alles fremde Hinzuthun soll der Künstler aus der Tiefe
-seines eigenen Gemüthes entwickeln, was, Aller Augen verborgen,
-in der menschlichen Seele liegt; er soll nur unter Anleitung
-seines Divinationsvermögens Vereinigungspuncte für die
-gesammte Menschheit aufstellen, die sich in keiner bisherigen
-Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das <a id="corr-13"></a>einzige Unabhängige
-und aller Bestimmung von aussen völlig Unfähige im
-Menschen nennen wir den Trieb. Dieser, und dieser allein ist
-das höchste und einzige Princip der Selbstthätigkeit in uns;
-er allein ist es, der uns zu selbstständigen, beobachtenden und
-handelnden Wesen macht. &mdash; So weit der Einfluss der äusseren
-Dinge auf uns sich auch immer erstrecken möge, so erstreckt
-er sicher sich doch nicht so weit, dass er dasjenige in uns
-hervorbringe, was jene selbst nicht haben, und dass in ihrer
-Einwirkung gerade das Gegentheil von demjenigen liege, was
-in ihnen selbst, als in der Ursache, enthalten ist. Die Selbstthätigkeit
-im Menschen, die seinen Charakter ausmacht, ihn von
-der gesammten Natur unterscheidet und ausserhalb ihrer Grenzen
-setzt, muss sich auf etwas ihm Eigenthümliches gründen;
-und dieses Eigenthümliche eben ist der Trieb. Durch seinen
-Trieb ist der Mensch überhaupt Mensch, und von der grössern
-oder geringern Kraft und Wirksamkeit des Triebes, des innern
-<a id="page-278" class="pagenum" title="278"></a>
-<a id="pagehdr-278" class="orig-page" title="211"></a>
-Lebens und Strebens, hängt es ab, was für ein Mensch
-jeder ist.
-</p>
-
-<p>
-Lediglich durch den Trieb ist der Mensch vorstellendes
-Wesen. Könnten wir ihm auch, wie einige Philosophen wollen,
-den Stoff seiner Vorstellung durch die Objecte geben, die
-Bilder durch die Dinge von allen Seiten her ihm zuströmen
-lassen: so bedürfte es doch immer der Selbstthätigkeit, um dieselben
-aufzufassen und sie auszubilden zu einer Vorstellung,
-dergleichen die leblosen Geschöpfe im Raume um uns herum,
-denen die durch das ganze Weltall herumschweifenden Bilder
-so wohl als uns zuströmen müssen, nicht besitzen. Es bedarf
-dieser Selbstthätigkeit, um diese Vorstellungen nach willkürlichen
-Gesichtspuncten zu ordnen: jetzt die äussere Gestalt
-einer Pflanze zu betrachten, um sie wiederzuerkennen und
-von allen ähnlichen zu unterscheiden; jetzt den Gesetzen nachzuspüren,
-nach denen die Natur diese Bildung bewirkt haben
-mag; jetzt zu untersuchen, wie man jene Pflanze etwa zur
-Speise, oder zur Kleidung, oder zur Arznei gebrauchen könne.
-Es bedarf der Selbstthätigkeit, um unsere Erkenntniss von den
-Gegenständen unaufhörlich zu steigern und zu erweitern; und
-lediglich durch sie wird derselbe Stern für den Astronomen ein
-grosser, fester, in unermesslicher Entfernung nach unverbrüchlichen
-Gesetzen sich bewegender Weltkörper, der für den unbelehrten
-Naturmenschen immerfort ein Lämpchen bleibt, bei
-dessen Scheine er sein Ackergeräth zusammensuche.
-</p>
-
-<p>
-Inwiefern der Trieb solchergestalt auf Erzeugung einer Erkenntniss
-ausgeht, in welcher Rücksicht wir ihn auch um der
-Deutlichkeit und der Kürze willen den Erkenntnisstrieb nennen
-können, gleichsam, als ob er ein besonderer <em class="italic">Grundtrieb</em> wäre
-&mdash; welches er doch nicht ist; sondern er und alle besonderen
-Triebe und Kräfte, die wir noch so nennen dürften, sind lediglich
-besondere Anwendungen der einzigen untheilbaren Grundkraft
-im Menschen, und man hat sich sorgfältig zu hüten, dergleichen
-Ausdrücke in dieser oder in irgend einer philosophischen
-Schrift anders, als so zu deuten; &mdash; der Erkenntnisstrieb
-demnach wird in gewissem Maasse immer befriedigt; in
-jedem Menschen sind Erkenntnisse, und ohne sie wäre er kein
-<a id="page-279" class="pagenum" title="279"></a>
-<a id="pagehdr-279" class="orig-page" title="212"></a>
-Mensch, sondern etwas anderes. Dieser Trieb äussert also im
-allgemeinen sich durch seine Wirkung; von dieser schliessen
-wir auf die Ursache im selbstthätigen Subject zurück, und lediglich
-auf diese Weise gelangen wir sowohl zur Idee vom
-Daseyn jenes Triebes, als zur Erkenntniss seiner Gesetze.
-</p>
-
-<p>
-Nicht immer befriedigt wird der Trieb, inwiefern er nicht
-auf blosse Erkenntniss des Dinges, wie es ist, sondern auf Bestimmung,
-Veränderung und Ausbildung desselben, wie es seyn
-sollte, ausgeht, und praktisch heisst; dieses in engster Bedeutung,
-denn der Strenge nach ist aller Trieb praktisch, da er
-zur Selbstthätigkeit treibt, und in diesem Sinne gründet alles
-im Menschen sich auf den praktischen Trieb, da nichts in ihm
-ist, ausser durch Selbstthätigkeit: &mdash; oder, inwiefern er ausgeht
-auf eine gewisse bestimmte Vorstellung, bloss um der
-Vorstellung willen, keinesweges aber um eines Dinges willen,
-das ihr entspreche, oder auch nur um der Erkenntniss dieses
-Dinges willen; welchen letzteren Trieb, da er in seiner Allgemeinheit
-noch keinen Namen hat, wir vorläufig so bezeichnen
-wollen, wie man bisher einen Zweig desselben bezeichnet hat,
-und ihn den ästhetischen nennen. Es ist klar, dass man zur
-Kenntniss dieser Triebe nicht auf dem gleichen Wege, wie zu
-der des Erkenntnisstriebes, durch eine Folgerung von der Wirkung
-auf die Ursache, gelangen könne; und es fragt sich demnach,
-wie man zu derselben gelangt sey. Aber ehe wir diese
-Frage beantworten, lassen Sie uns die soeben aufgestellten
-Triebe noch ein wenig schärfer unterscheiden.
-</p>
-
-<p>
-Der Erkenntnisstrieb zielt ab auf Erkenntniss, als solche,
-um der Erkenntniss willen. Ueber das Wesen, die äusseren
-oder inneren Beschaffenheiten des Dinges lässt er uns völlig
-uninteressirt; unter seiner Leitung wollen wir nichts, als wissen,
-welches diese Beschaffenheiten sind: wir wissen es und
-sind befriedigt. Auf seinem Gebiete hat die Vorstellung keinen
-andern Werth und kein anderes Verdienst, als das, dass
-sie der Sache vollkommen angemessen sey. Der praktische
-Trieb geht auf die Beschaffenheit des Dinges selbst, um seiner
-Beschaffenheit willen. Wir kennen dieselbe, wenn eine Anregung
-jenes Triebes eintritt, nur zu wohl; aber wir sind mit
-<a id="page-280" class="pagenum" title="280"></a>
-<a id="pagehdr-280" class="orig-page" title="214"></a>
-ihr nicht zufrieden: sie sollte anders und auf eine gewisse bestimmte
-Art anders seyn. Im erstern Falle wird ein durch
-sich selbst und ohne alles unser Zuthun vollständig bestimmtes
-Ding vorausgesetzt, und der Trieb geht darauf, es mit diesen
-Bestimmungen, und schlechterdings mit keinen andern, in unserem
-Geiste durch freie Selbstthätigkeit nachzubilden. Im
-zweiten Falle liegt eine, nicht nur ihrem Daseyn, sondern auch
-ihrem Inhalte nach durch freie Selbstthätigkeit erschaffene Vorstellung
-in der Seele zum Grunde, und der Trieb geht darauf
-aus, ein ihr entsprechendes Product in der Sinnenwelt hervorzubringen.
-In beiden Fällen geht der Trieb weder auf die Vorstellung
-allein, noch auf das Ding allein, sondern auf eine Harmonie
-zwischen beiden; nur dass im ersten Falle die Vorstellung
-sich nach dem Dinge, und im zweiten das Ding sich nach
-der Vorstellung richten soll. Ganz anders verhält es sich mit
-dem Triebe, den wir soeben den ästhetischen nannten. Er
-zielt auf eine Vorstellung, und auf eine bestimmte Vorstellung,
-lediglich um ihrer Bestimmung und um ihrer Bestimmung als
-blosser Vorstellung willen. Auf dem Gebiete dieses Triebes
-ist die Vorstellung ihr eigner Zweck: sie entlehnt ihren Werth
-nicht von ihrer Uebereinstimmung mit dem Gegenstande, auf
-welchen hierbei nicht gesehen wird, sondern sie hat ihn in
-sich selbst; es wird nicht nach dem Abgebildeten, sondern
-nach der freien unabhängigen Form des Bildes selbst gefragt.
-Ohne alle Wechselbestimmung mit einem Objecte steht eine
-solche Vorstellung isolirt, als letztes Ziel des Triebes, da, und
-wird auf kein Ding bezogen, nach welchem sie, oder welches
-nach ihr sich richte. Wie der praktischen Bestimmung eine
-Vorstellung zum Grunde liegt, die selbst ihrem Gehalte nach
-durch absolute Selbstthätigkeit entworfen ist, so liegt der ästhetischen
-Bestimmung eine auf die gleiche Weise entworfene Vorstellung
-zum Grunde; nur mit dem Unterschiede, dass der letztern,
-nicht so wie der erstern, etwas Entsprechendes in der
-Sinnenwelt gegeben werden soll. Wie der Erkenntnisstrieb
-eine Vorstellung zu seinem letzten Ziele hat, und befriedigt ist,
-nachdem diese gebildet worden, so der ästhetische; nur mit
-dem Unterschiede, dass die Vorstellung der ersteren Art mit
-<a id="page-281" class="pagenum" title="281"></a>
-<a id="pagehdr-281" class="orig-page" title="216"></a>
-dem Dinge übereinkommen, die der letztern Art mit gar nichts
-übereinkommen soll. &mdash; Es ist möglich, dass eine Darstellung
-des ästhetischen Bildes in der Sinnenwelt gefordert werde;
-aber das geschieht nicht durch den ästhetischen Trieb, dessen
-Geschäft mit der blossen Entwerfung des Bildes in der Seele
-vollkommen geschlossen ist, sondern durch den praktischen,
-der dann aus irgend einem Grunde in die Reihenfolge der Vorstellungen
-eingreift, und einen möglichen äusserlichen und
-fremden Zweck jener Nachbildung in der Wirklichkeit aufstellt.
-So kann es gleichfalls geschehen, dass die Vorstellung eines
-wirklich vorhandenen Gegenstandes dem ästhetischen Triebe
-vollkommen angemessen sey; nur bezieht sich die dann eintretende
-Befriedigung dieses Triebes schlechterdings nicht auf
-die äussere Wahrheit der Vorstellung; das entworfene Bild
-würde nicht minder gefallen, wenn es leer wäre, und es gefällt
-nicht mehr, weil es zufälligerweise zugleich Erkenntniss
-enthält. &mdash; So musste es denn auch seyn &mdash; woran ich Sie
-hier nur im Vorbeigehen erinnere, und um mich noch deutlicher
-zu machen, nicht aber um daraus vorläufig weiter zu
-folgern &mdash; so musste es denn auch seyn, wenn beide unverträgliche
-Triebe, der, die Dinge zu lassen, wie sie sind, und
-der, sie überall und ins Unendliche hinaus umzuschaffen, sich
-vereinigen und einen einzigen untheilbaren Menschen darstellen
-sollten, nach unserer gegenwärtigen Ansicht der Sache;
-oder auch nach unserer obigen Weise sie anzusehen, welche
-der Strenge nach die einzig richtige ist, &mdash; wenn beide Triebe
-Ein und ebenderselbe Trieb seyn, und nur die Bedingungen seiner
-Aeusserung verschieden seyn sollten. Der Trieb konnte nicht
-auf die Vorstellung des Dinges gehen, ohne überhaupt auf die
-Vorstellung um ihrer selbst willen zu gehen, und ebenso unmöglich
-war ein Trieb, auf das Ding selbst einzuwirken und
-es umzuarbeiten, nach einer Vorstellung, die ausser aller Erfahrung,
-und über alle mögliche Erfahrung hinausliegen sollte,
-wenn es nicht überhaupt Trieb und Vermögen gab, unabhängig
-von der wirklichen Beschaffenheit der Dinge Vorstellungen
-zu entwerfen.
-</p>
-
-<p>
-Wie mögen nun diese beiden zuletzt genannten Triebe
-<a id="page-282" class="pagenum" title="282"></a>
-<a id="pagehdr-282" class="orig-page" title="217"></a>
-sich äussern, wenn der ästhetische Trieb gar nicht, der praktische
-wenigstens nicht immer Handlungen hervorbringt, in denen
-sie der Beobachtung dargestellt würden? Auch dann noch
-bleibt folgendes Mittel übrig, um ihnen auf die Spur zu kommen.
-Da der Trieb, so wie sein Wirken im Menschen eintritt
-und überwiegend wird, die gesammte Selbstthätigkeit desselben
-anregen und aufreizen, und dieselbe auf etwas Bestimmtes,
-es sey nun ein Ding ausser ihm, oder eine Vorstellung in
-ihm, gänzlich hinrichten soll: so muss nothwendig die zufällige
-Harmonie des Gegebenen mit jener Richtung des Selbstthätigen,
-in einem fühlenden Wesen, wie der Mensch doch wohl
-seyn soll, sich durch ein überwiegendes Gefühl seiner selbst,
-seiner Kraft und Ausbreitung, welches man ein Gefühl der
-Lust nennt; die zufällige Disharmonie des Gegebenen mit jener
-Richtung sich durch ein ebenso überwiegendes Gefühl seiner
-Ohnmacht und Einengung offenbaren, welches letztere man ein
-Gefühl der Unlust nennt. So denken wir uns im Magnete eine
-Kraft, und als Grund dieser Kraft einen Trieb, alles Eisen anzuziehen,
-das in seine Wirkungssphäre kommt. Lassen wir
-ihn wirklich ein Stück Eisen anziehen &mdash; sein Trieb äussert
-sich, er ist befriedigt, und geben wir dem Magnete das Gefühlsvermögen,
-so wird in ihm nothwendig ein Gefühl dieser Befriedigung,
-d. i. ein Gefühl der Lust entstehen. Lassen wir
-dagegen das Gewicht des Eisens seine Kraft überwiegen, so
-bleibt darum in ihm noch immer der vorige Trieb; denn er
-würde dasselbe Stück Eisen wirklich anziehen, wenn wir vom
-Gewichte desselben so viel wegnähmen, als seine Kraft überwiegt;
-aber er wird nicht befriedigt; und wenn wir dem Magnete
-das Gefühlsvermögen zuschreiben, so müsste er nothwendig
-einen Widerstand, eine Einschränkung und Einengung seiner
-Kraft, mit Einem Worte, Unlust empfinden. Dieses ist die
-einzige Quelle aller Lust und Unlust.
-</p>
-
-<p>
-Beide Triebe, der praktische sowohl, als der ästhetische,
-äussern sich auf diese Weise, nur mit Unterschied. Der praktische
-Trieb geht, wie gesagt worden, auf einen Gegenstand
-ausser dem Menschen, dessen Daseyn, inwiefern keine Handlung
-erfolgt, noch erfolgen kann, als unabhängig von ihm betrachtet
-<a id="page-283" class="pagenum" title="283"></a>
-<a id="pagehdr-283" class="orig-page" title="219"></a>
-werden muss. Der freilich leere Begriff von diesem
-Gegenstande ist in der Seele vorhanden. Es kommt demnach
-allerdings etwas im Gemüthe vor, wodurch der Trieb für das
-Bewusstseyn ausgedrückt und bezeichnet wird, nemlich der
-Begriff dessen, worauf er geht: die Bestimmung des Triebes
-ist dadurch charakterisirt, sie kann gefühlt werden, und wird
-gefühlt, und heisst in diesem Falle ein Begehren &mdash; ein Begehren,
-inwiefern die Bedingungen, unter denen der Gegenstand
-wirklich werden kann, als nicht in unserer Gewalt stehend betrachtet
-werden. Kommen sie in unsere Gewalt, und wir entschliessen
-uns zu der Mühe und zu den Aufopferungen, die es
-uns etwa kosten wird, sie wirklich zu machen, so erhebt sich
-das Begehren zum Wollen. &mdash; Man kann hier vor dem Daseyn
-des Gegenstandes vorherwissen, was Lust oder Unlust erregen
-werde, denn nur das wirkliche Daseyn des Gegenstandes erregt
-ein solches Gefühl; man kann daher die Bestimmung des
-praktischen Triebes von dem Gegenstande, und mithin von der
-Befriedigung oder Nichtbefriedigung desselben unterscheiden;
-der menschliche Geist bekommt gleichsam etwas ihm Angehöriges,
-einen Ausdruck seines eigenen Handelns ausser sich,
-und sieht mit Leichtigkeit in den Gegenständen, wie in einem
-Spiegel, seine eigene Gestalt. Ganz anders verhält es sich mit
-dem ästhetischen Triebe. Er geht auf nichts ausser dem Menschen,
-sondern auf etwas, das lediglich in ihm selbst ist. Es
-ist keine Vorstellung von seinem Gegenstande vor dem Gegenstande
-vorher möglich, denn sein Gegenstand ist selbst nur
-eine Vorstellung. Die Bestimmung des Triebes wird also durch
-nichts bezeichnet, als lediglich durch die Befriedigung oder
-Nichtbefriedigung. Die erstere lässt von der letztern sich durch
-nichts unterscheiden, sondern beide fallen zusammen. Das,
-was durch den ästhetischen Trieb in uns ist, entdeckt sich
-durch kein Begehren, sondern lediglich durch ein uns unerwartet
-überraschendes, in keinem begreiflichen Zusammenhange
-mit den übrigen Verrichtungen unseres Gemüthes stehendes,
-sondern völlig zweckloses und absichtloses Behagen oder Misbehagen.
-So gebe man dem Magnete zu dem Triebe, ein bestimmtes,
-seine Kraft überwiegendes, Stück Eisen anzuziehen,
-<a id="page-284" class="pagenum" title="284"></a>
-<a id="pagehdr-284" class="orig-page" title="220"></a>
-die Vorstellung dieses Eisens: so wird er <em class="italic">begehren</em>, dasselbe
-anzuziehen; und wenn er sich über seine Anziehungskraft auch
-noch die Kraft zuschreiben kann, so viel, als sein Anziehungsvermögen
-überwiegt, von dem Gewichte des Eisens hinwegzunehmen,
-und der Trieb, jenes Eisen anzuziehen, stärker ist,
-als etwa seine Abneigung, die Last desselben zu verringern:
-so wird er es anziehen <a id="wollen"></a><em class="italic">wollen</em>.<a class="fnote" href="#footnote-45" id="fnote-45">[45]</a> Nehmen Sie dem Magnete das
-Vermögen, sich das Eisen ausser sich, mithin auch sein Anziehen
-dieses Eisens vorzustellen, und lassen ihm lediglich
-Trieb, Kraft und Selbstgefühl: er wird, wenn die Schwere des
-Eisens seine Kraft überwiegt, eine Unlust; wenn Sie die Last
-wegnehmen, und er, sich selbst unbewusst, das Eisen selbst
-anzieht, eine Lust empfinden, die er sich durch nichts erklären
-kann, die für ihn mit nichts zusammenhängt, und die unserm
-ästhetischen Behagen oder Misbehagen völlig ähnlich ist &mdash;
-aber nicht aus dem gleichen Grunde entstanden. Aber, denken
-Sie sich, um ein passendes Bild der ästhetischen Stimmung
-zu haben, die liebliche Sängerin der Nacht; denken Sie sich,
-wie Sie es mit dem Dichter gar wohl können, die Seele derselben
-als reinen Gesang, ihren Geist als ein Streben, den vollkommensten
-Accord zu bilden, und ihre einzelnen Töne als
-die Vorstellungen dieser Seele. Durch die ganze Tonleiter herauf
-und herab treibt die Sängerin, ihr selbst unbewusst, die
-Richtung ihres Geistes, und er entwickelt durch die mannigfaltigsten
-Accorde hindurch allmählig sein ganzes Vermögen.
-Jeder neue Accord liegt auf der Stufenleiter dieser Entwickelung,
-und stimmt mit dem Urtriebe der Sängerin zusammen,
-den sie nicht kennt, weil wir ihr keine anderen Vorstellungen
-als Töne gegeben haben, und dessen Zusammenhang mit dem
-für sie zufälligen Accorde sie nicht beurtheilen kann; gerade
-so, wie unserem Auge die Richtung des ästhetischen Triebes
-verborgen liegt, und wie wir die &mdash; ganz anderen Gesetzen
-zufolge sich in uns entwickelnden Vorstellungen nicht mit derselben
-vergleichen können. Doch muss jene Zusammenstimmung
-eine Lust in ihr erwecken, die ihr ganzes Wesen ausfüllt,
-und deren Gründe sie sich auch schon darum nicht angeben
-könnte. &mdash; Aber ihr inneres und verborgenes Leben
-<a id="page-285" class="pagenum" title="285"></a>
-<a id="pagehdr-285" class="orig-page" title="222"></a>
-treibt sie weiter zum folgenden Tone; die Entwickelung desselben
-ist also noch nicht vollendet, dieser Accord drückt noch
-nicht ihr ganzes Wesen aus, und jene Lust wird daher blitzschnell
-durch eine Unlust aufgefasst, welche mit dem nächsten
-Tone sich in höhere Lust auflösen, aber wiederkehren, und die
-Sängerin abermals weiter treiben wird. Ihr Leben schwebt
-hin auf den sich drängenden Wellen des ästhetischen Gefühls,
-wie das Künstlerleben jedes wahren Genies.
-</p>
-
-<p>
-So kommt der praktische Trieb gar leicht und auf mancherlei
-Weise in seinen mannigfaltigen Bestimmungen zum Bewusstseyn,
-und es scheint sehr möglich, ihn selbst von der
-inneren Erfahrung aus vollständig kennen zu lernen und zu erschöpfen.
-In Absicht des ästhetischen Triebes zeigen sich mehrere
-Schwierigkeiten, und es scheint kein Mittel zu seyn, um
-bis zu ihm in die Tiefe unseres Geistes einzudringen, als dass
-man entweder ohne alle Rücksicht auf ihn in der äusseren Erfahrung
-fortschreite, und abwarte, <em class="italic">ob</em> er sich etwa, und <em class="italic">wie</em> er
-sich unter derselben zufällig äussern werde, oder dass man auf
-gut Glück und blindlings sich seiner Einbildungskraft überlasse,
-und erwarte, wie die mannigfaltigen Ausgeburten derselben
-auf uns wirken werden. In beiden Fällen ist man überdies
-noch in der Gefahr, eine Lust, die sich auf ein dunkles, unentwickeltes,
-vielleicht völlig empirisches und individuelles praktisches
-Bewusstseyn gründet, mit einem ästhetischen zu verwechseln.
-Und so blieben wir denn immer in der Ungewissheit,
-ob es auch überhaupt einen solchen Trieb gebe, wie wir
-den ästhetischen beschrieben haben, oder ob nicht alles, was
-wir für Aeusserungen desselben halten, auf einer feinen
-Täuschung beruhe; vor der wirklichen Erfahrung vorher könnten
-wir nie mit Sicherheit ahnen, was gefallen werde, und die
-Folgerung, dass das, was uns gefallen habe, allen gefallen müsse,
-bliebe ganz grundlos.
-</p>
-
-<p>
-Bedenken Sie hierbei noch den Umstand, dass ästhetische
-Vorstellungen zuvorderst nur in und vermittelst der Erfahrung,
-die auf Erkenntniss ausgeht, sich entwickeln können, so sehen
-Sie eine neue Schwierigkeit; von der anderen Seite aber eine
-Erleichterung, und die einzige, die den Uebergang aus dem
-<a id="page-286" class="pagenum" title="286"></a>
-<a id="pagehdr-286" class="orig-page" title="223"></a>
-Gebiete der Erkenntniss in das Feld der ästhetischen Gefühle
-öffnet.
-</p>
-
-<p>
-Sie sehen eine neue Schwierigkeit. &mdash; Selbst die Erkenntniss
-wird zunächst nicht um ihrer selbst willen, sondern für
-einen Zweck ausser ihr gesucht. Auf der ersten Stufe der Bildung,
-des Individuums sowohl, als der Gattung, überschreit der
-praktische Trieb, und zwar in seiner niederen, auf die Erhaltung
-und das äussere Wohlseyn des animalischen Lebens gehenden
-Aeusserung, alle übrigen Triebe; und so fängt denn auch
-der Erkenntnisstrieb damit an, bei jenem zu dienen, um in diesem
-Dienste sich zum Vermögen einer selbstständigen Subsistenz
-auszubilden. Mit der Kargheit der Natur, oder mit dem Andringen
-unseres eigenen Geschlechtes gegen uns im Kampfe,
-haben wir nicht Zeit, bei der Betrachtung der Dinge um uns
-herum zu verweilen; emsig fassen wir die brauchbaren Beschaffenheiten
-derselben auf, um Nutzen von ihnen zu ziehen,
-unter unaufhörlicher Besorgniss der Nachtheile in der Ausübung,
-die uns eine unrichtige Ansicht derselben zuziehen möchte; mit
-Hastigkeit eilen wir fort von dieser erstürmten Erkenntniss zur
-Bearbeitung der Dinge, und hüten uns sehr, einen Augenblick
-bei der Erwerbung des Mittels zu verlieren, den wir zur unmittelbaren
-Erreichung des Zweckes anwenden könnten. Das Menschengeschlecht
-muss erst zu einem gewissen äusseren Wohlstande
-und zur Ruhe gekommen, die Stimme des Bedürfnisses
-von innen, und der Krieg von aussen muss erst beschwichtigt
-und beigelegt seyn, ehe dasselbe auch nur mit Kaltblütigkeit,
-ohne Absicht auf das gegenwärtige Bedürfniss und selbst mit
-der Gefahr sich zu irren, beobachten, bei seinen Betrachtungen
-verweilen, und unter dieser müssigen und liberalen Betrachtung
-den ästhetischen Eindrücken sich hingeben kann. So fasst die
-ruhige Fläche des Wassers das schöne Bild der Sonne; auf der
-bewegten werden die mit reinem Lichte gezeichneten Umrisse
-desselben untereinander geworfen und verschlungen in die gewaltsame
-Figur der unsteten Wellen.
-</p>
-
-<p>
-Daher sind die Zeitalter und Länderstriche der Knechtschaft
-zugleich die der Geschmacklosigkeit; und wenn es von der
-einen Seite nicht rathsam ist, die Menschen, frei zu lassen, ehe
-<a id="page-287" class="pagenum" title="287"></a>
-<a id="pagehdr-287" class="orig-page" title="225"></a>
-ihr ästhetischer Sinn entwickelt ist, so ist es von der anderen
-Seite unmöglich, diesen zu entwickeln, ehe sie frei sind; und
-die Idee, durch ästhetische Erziehung die Menschen zur Würdigkeit
-der Freiheit, und mit ihr zur Freiheit selbst zu erheben,
-führt uns in einem Kreise herum, wenn wir nicht vorher ein
-Mittel finden, in Einzelnen von der grossen Menge den Muth zu
-erwecken, Niemandes Herren und Niemandes Knechte zu seyn.
-In einem solchen Zeitalter hat der Unterdrückte zu thun, um
-unter dem Fusse des Unterdrückers sich lebendig zu erhalten,
-die nothwendige Luft zu schöpfen und nicht völlig zertreten zu
-werden, und der Unterdrücker, bei den mannigfaltigen Krümmungen
-und Wendungen des ersteren im Gleichgewichte zu
-bleiben und nicht umgeworfen zu werden; durch die gezwungene
-und unbehülfliche Lage des letzteren vermehrt sich noch
-seine Last und sein Druck; dadurch werden die Wendungen
-des ersteren nur noch ängstlicher und gewagter, und der Druck
-des letzteren abermals lastender, und so steigt durch eine sehr
-begreifliche Wechselwirkung das Uebel in einer unseligen Progression;
-keiner von beiden behält Zeit, und er wird sie immer
-weniger behalten, zu athmen, ruhig um sich zu sehen, und
-seine Sinne dem schönen Einflusse der freundlichen Natur offen
-zu lassen. Beide behalten lebenslänglich den Geschmack, den
-sie damals annahmen, als noch nichts, denn ihre Windeln sie
-fesselte: den Geschmack an greller, das stumpfe Auge gewaltsam
-reizender Farbe, und am Glanze reicher Metalle; und der
-dürftige Handarbeiter eilt, dies dem einzigen Vermögenden zu
-fertigen, um den kärglichen Lohn, dessen er zum Leben bedarf,
-bald einzunehmen. So sank im römischen Reiche die
-Kunst mit der Freiheit zu gleichen Schritten, bis sie unter Constantin
-dem barbarischen Gepränge fröhnen lernte. So werden
-die Elephanten der Kaiser von China mit schweren Goldstoffen
-bekleidet, und die Pferde der Könige von Persien trinken aus
-gediegenem Golde.
-</p>
-
-<p>
-Nur nicht niederdrückender, aber widerlicher und beunruhigender
-für die Kunst ist der Anblick, wenn unter freieren
-Himmelsstrichen und milderen Gewalthabern diejenigen, welche
-in der Mitte zwischen beiden Enden stehen, und denen alle
-<a id="page-288" class="pagenum" title="288"></a>
-<a id="pagehdr-288" class="orig-page" title="226"></a>
-Welt erlaubt, frei zu seyn, dieses letzten Restes der Freiheit,
-welchen ein über die Menschheit waltender Genius als ein Saatkorn
-für die Ernte künftiger Generationen in die Verfassung
-geworfen zu haben scheint, sich nicht bedienen; sondern den
-der ewigen Einförmigkeit müden Herrschern wider ihren Dank
-ihre Dienste aufdringen, und sich grämen, dass ihre wunderlichen
-Verbeugungen und Adorationen keiner zu Herzen nimmt,
-und dass es ihnen nicht gelingen will, denselben eine politische
-Wichtigkeit zu geben, die sie an sich nicht haben. Dann wiegt
-man mit haarscharfer Richtigkeit alle Art der Bildung gegen den
-künftigen Dienst ab; fragt die harmlos lustwandelnde Speculation,
-ehe sie uns über die Schwelle tritt, was sie mitbringe;
-durchsucht Romane und Schauspiele nach ihrer schönen Moral;
-hat kein Arges daraus, öffentlich zu bekennen, dass man eine
-Iphigenie, oder eine Epistel in derselben Stimmung, unpoetisch
-finde; und würde muthmaasslich den Homer einen schaalen Reimer
-nennen, wenn man ihm nicht um seines reinen Griechischen
-willen verziehe.
-</p>
-
-<p>
-Aber gerade der angeführte Umstand, dass wir mit der
-Erfahrung unser Leben anfangen müssen, eröffnet uns, wie
-oben gesagt worden, den einzig möglichen Uebergang zum geistigen
-Leben. Sowie jene dringende Noth gehoben ist, und
-nichts mehr uns treibt, den möglichen Geisteserwerb gierig zusammenzuraffen,
-um ihn sogleich wieder für den nothwendigen
-Gebrauch ausgeben zu können, erwacht der Trieb nach Erkenntniss
-um der Erkenntniss willen. Wir fangen an, unser
-geistiges Auge auf den Gegenständen hingleiten zu lassen, und
-erlauben ihm dabei zu verweilen; wir betrachten sie von mehreren
-Seiten, ohne gerade auf einen möglichen Gebrauch derselben
-zu rechnen; wir wagen die Gefahr einer zweifelhaften
-Voraussetzung, um in Ruhe den richtigen Aufschluss abzuwarten.
-Es bemächtigt sich unser der einzige Geiz, der edel ist,
-Geistesschätze zu sammeln, bloss um sie zu haben, und uns an
-ihrem Anblicke zu ergötzen, gesetzt auch, wir bedürften ihrer
-nicht zum Leben, oder sie wären nicht mit dem Stempel ausgeprägt,
-welcher allein Cours hat; wir wagen es, bei unserem
-Reichthume gleichgültiger gegen den möglichen Verlust, etwas
-<a id="page-289" class="pagenum" title="289"></a>
-<a id="pagehdr-289" class="orig-page" title="228"></a>
-anzulegen an Versuche, die uns mislingen können. Wir haben
-den ersten Schritt gethan, uns von der Thierheit in uns zu
-trennen. Es entsteht Liberalität der Gesinnungen, &mdash; die erste
-Stufe der Humanität.
-</p>
-
-<p>
-Unter dieser ruhigen und absichtslosen Betrachtung der
-Gegenstände, indess unser Geist sicher ist und nicht über sich
-wacht, entwickelt sich ohne alles unser Zuthun unser ästhetischer
-Sinn an dem Leitfaden der Wirklichkeit. Aber nachdem
-der Pfad beider eine Strecke weit zusammengegangen ist,
-reisst sich am Scheidewege wohl auch der erstere los, und
-geht seinen Gang unabhängig und ungeleitet von der Wirklichkeit.
-So ruhte oft Ihr Auge auf der Gegend an der Abendseite
-Ihrer ländlichen Wohnung. Wenn Sie dieselbe, nicht um zu
-sehen, wie Sie den nächtlichen Anfällen des Raubgesindels entfliehen
-könnten, sondern ohne alle Absicht betrachteten, erkannten
-Sie nicht bloss die grüne Saat, und hinter ihr die mancherlei
-Kleearten, und hinter diesen das hohe Korn, und fassten in
-das Gedächtniss, was da wäre; sondern Ihre Betrachtung verweilte
-mit Vergnügen auf dem frischen Grün des ersteren, und
-verbreitete sich über die mannigfaltigen Blüthen des zweiten,
-und gleitete sanft über die kräuselnden Wellen des dritten die
-Anhöhe hinan. Es sollte, sagten Sie dann, dort auf der Höhe
-ein Dörfchen unter Bäumen oder ein Hain liegen. Sie begehrten
-nicht in dem ersteren eine Wohnung zu haben, oder in
-dem Schatten des letzteren zu wandern; und es würde Ihnen
-gerade so viel gewesen seyn, wenn man, ohne dass Sie es
-eben wüssten, durch ein optisches Kunststück Ihnen nur den
-Anschein dessen hervorgebracht hätte, was Sie wünschten.
-Woher kam das? Ihr ästhetischer Sinn war unter dem Anblicke
-der ersteren Gegenstände, indem ihn dieselben unvermuthet
-befriedigten, schon geweckt worden; aber es beleidigte ihn,
-dass diese Aussicht sich so plötzlich abreissen, und Ihr Auge
-hinter der Anhöhe in den leeren Raum versinken sollte. Nach
-seiner Forderung hätte sich die Ansicht in ein passendes Ende
-schliessen sollen, um das angefangene schöne Ganze zu vollenden
-und abzurunden: und Ihre bis jetzt an seiner Hand geleitete
-<a id="page-290" class="pagenum" title="290"></a>
-<a id="pagehdr-290" class="orig-page" title="230"></a>
-Einbildungskraft war vermögend, diese Forderung desselben
-aufzufassen.
-</p>
-
-<p>
-Sehen Sie in diesem Beispiele eine kurze Geschichte der
-Entwickelung unseres ganzen ästhetischen Vermögens. Während
-der ruhigen Betrachtung, die nicht mehr auf die Erkenntniss
-dessen, was längst erkannt ist, absieht, sondern die gleichsam
-noch einmal zum Ueberflusse an den Gegenstand geht, &mdash; entwickelt,
-unter der Ruhe der Wissbegierde und des befriedigten
-Erkenntnisstriebes, in der unbeschäftigten Seele sich der ästhetische
-Sinn. Der eine Gegenstand hat unsere Billigung ohne
-alles Interesse, d. i. wir urtheilen alle, dass er so recht, und
-einer gewissen Regel, der wir nicht weiter nachspüren, gemäss
-sey, ohne dass wir darum gerade einen grösseren Werth auf
-ihn legen; ein anderer erhält diese Billigung nicht, ohne dass
-wir gerade viel Mühe anwenden würden, um ihn anders zu
-machen. Es scheint uns lediglich darum zu thun, zu zeigen,
-dass wir einen gewissen Sinn gleichfalls besitzen, und dass wir
-einer gewissen Kenntniss mächtig sind, die nichts weiter ist,
-denn Kenntniss, und die zu nichts führen und zu nichts gebraucht
-werden soll.
-</p>
-
-<p>
-Dieses Vermögen heisst Geschmack; auch die Fertigkeit,
-richtig und gemeingültig in dieser Rücksicht zu urtheilen, wird
-vorzugsweise Geschmack genannt: und das Gegentheil desselben
-heisst Geschmacklosigkeit.
-</p>
-
-<p>
-Von dieser noch an dem Faden der Wirklichkeit fortlaufenden
-Betrachtung, wo es uns schon nicht mehr um die wirkliche
-Beschaffenheit der Dinge, sondern um ihre Uebereinstimmung
-mit unserem Geiste zu thun ist, erhebt sich denn bald die dadurch
-zur Freiheit erzogene Einbildungskraft zur völligen Freiheit;
-einmal im Gebiete des ästhetischen Triebes angelangt,
-bleibt sie in demselben, auch da, wo er von der Natur abweicht,
-und stellt Gestalten dar, wie sie gar nicht sind, aber
-nach der Forderung jenes Triebes seyn sollten: und dieses freie
-Schöpfungsvermögen heisst Geist. Der Geschmack beurtheilt
-das Gegebene, der Geist erschafft. Der Geschmack ist die Ergänzung
-der Liberalität, der Geist die des Geschmackes. Man
-kann Geschmack haben ohne Geist, nicht aber Geist ohne Geschmack.
-<a id="page-291" class="pagenum" title="291"></a>
-<a id="pagehdr-291" class="orig-page" title="231"></a>
-Durch den Geist wird die an sich in die Grenzen
-der Natur eingeschlossene Sphäre des Geschmacks erweitert;
-seine Producte erschaffen ihm durch Kunst neue Gegenstände,
-und entwickeln ihn weiter, ohne ihn darum allemal zu sich
-emporzuheben. Seinen Geschmack bilden kann jeder; ob aber
-jeder sich zur Geistigkeit erheben könne, ist zweifelhaft.
-</p>
-
-<p>
-Das unendliche, unbeschränkte Ziel unseres Triebes heisst
-Idee, und inwiefern ein Theil desselben in einem sinnlichen
-Bilde dargestellt wird, heisst dasselbe ein Ideal. Der Geist ist
-demnach ein Vermögen der Ideale.
-</p>
-
-<p>
-Der Geist lässt die Grenzen der Wirklichkeit hinter sich
-zurück, und in seiner eigenthümlichen Sphäre giebt es keine
-Grenzen. Der Trieb, dem er überlassen ist, geht ins Unendliche;
-durch ihn wird er fortgeführt von Aussicht zu Aussicht,
-und wie er das Ziel erreicht hat, das er im Gesichte hatte, eröffnen
-sich ihm neue Felder. Im reinen ungetrübten Aether seines
-Geburtslandes giebt es keine anderen Schwingungen, als
-die er selbst durch seinen Fittig erregt.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-3-3">
-<span class="line1">Dritter Brief.<a class="fnote" href="#footnote-46" id="fnote-46">[46]</a></span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Nur der Sinn für das Aesthetische ist es, der in unserem
-Innern uns den ersten festen Standpunct giebt; das Genie kehrt
-darin ein, und deckt durch die Kunst, die dasselbe begleitet,
-auch uns anderen die verborgenen Tiefen desselben auf. Derselbe
-Sinn ist es auch, der zugleich dem wohlerkannten und
-gebildeten Innern den lebendigen Ausdruck giebt.
-</p>
-
-<p>
-Der Geist geht auf die Entwickelung eines Innern in dem
-Menschen, des Triebes, und zwar eines Triebes, der ihn als Intelligenz
-über die ganze Sinnenwelt erhebt, und von dem Einflusse
-derselben losreisst. Aber die Sinnenwelt allein ist mannigfaltig,
-<a id="page-292" class="pagenum" title="292"></a>
-<a id="pagehdr-292" class="orig-page" title="292"></a>
-und nur inwiefern wir durch einen uns schlechterdings
-unsichtbaren Berührungspunct mit derselben zusammenhangen
-und ihren Einwirkungen offen stehen, sind wir als
-Individuen verschieden; der Geist ist Einer, und was durch
-das Wesen der Vernunft gesetzt ist, ist in allen vernünftigen
-Individuen dasselbe. Dem einen mag diese Speise besser
-schmecken, dem anderen eine andere; der eine mag diese, der
-andere jene Farbe vorzüglich lieben. Aber die Wirkungen der
-Geistesproducte sind für alle Menschen, in allen Zeitaltern, und
-unter allen Himmelsstrichen gemeingültig, wenn auch nicht immer
-gemeingeltend. Für alle liegt auf der Stufenleiter ihrer
-Geistesbildung ein Punct, auf welchen dieses Werk den beabsichtigten
-Eindruck machen würde, und nothwendig machen
-müsste; wenn sie auch etwa bis jetzt diesen Punct noch nicht
-erstiegen hätten, oder ihn, wegen der niedrigen Stufe, auf der
-sie anheben, bei der Kürze des menschlichen Lebens, diesseits
-des Grabes gar nicht ersteigen könnten. Was der Begeisterte
-in seinem Busen findet, liegt in jeder menschlichen Brust, und
-sein Sinn ist der Gemeinsinn des gesammten Geschlechts.
-</p>
-
-<p>
-Theils um diesen Sinn an anderen zu versuchen, theils um
-ihnen mitzutheilen, was für ihn selbst so anziehend ist, kleidet
-das Genie die Gestalten, die sich seinem geistigen Auge unverhüllt
-zeigten, in festere Körper, und stellt sie so auf vor seinen
-Zeitgenossen.
-</p>
-
-<p>
-Um seinen Sinn zu <em class="italic">versuchen</em> zuvörderst: nicht, als ob er
-der Beistimmung der Menge bedürfte, um in der Stunde der
-Begeisterung zu glauben, was sich ihm durch ein unwiderstehliches
-Gefühl, &mdash; so unwiderstehlich als das seines Daseyns, &mdash;
-offenbart; sondern um auf die Stunde der Erkältung und des
-Zweifels sich seines Glaubens im voraus zu versichern. Mein
-Werk ist aus der Fülle der menschlichen Natur geschöpft, darum
-muss und soll es Allen gefallen, die derselben theilhaftig sind,
-und wird unsterblich seyn wie sie: so schliesst er; der geistlose
-Schreiber, der nicht die leiseste Ahnung seines hohen Berufes
-hat, kehrt es um, und folgert: mein Product wird von
-der Menge gelesen, es bereichert die Buchhändler, und die Recensenten
-wetteifern, dasselbe zu lobpreisen, darum ist es vortrefflich:
-<a id="page-293" class="pagenum" title="293"></a>
-<a id="pagehdr-293" class="orig-page" title="293"></a>
-aber dennoch wird der Glaube des ersteren an sich
-selbst den Beifall gebildeter Menschen, als eine Zugabe, nicht
-verschmähen. So ist der Gläubige sicher, dass das Auge der
-Fürsehung über ihm walte, und dass jenseits des Grabes ein
-besseres Leben seiner warte; und in gewissen Stimmungen
-würde der Widerspruch des gesammten Reichs der vernünftigen
-Wesen ihn nicht um eines Haares Breite bewegen: denn
-sein Glaube kömmt ihm nicht von aussen, sondern er hat ihn
-in seinem eigenen Herzen gefunden. Dennoch fragt und forscht
-er sorgsam, ob andere dasselbe glauben, in dunklem Vorgefühle
-banger Stunden, wo er einer sonst so gering geschätzten
-Stütze, als die Beistimmung anderer ist, doch bedürfen könnte.
-So wird das wahre Genie durch die kaltsinnige Aufnahme seiner
-Meisterwerke oder durch den lautesten Tadel derselben nie aus
-seiner Fassung gebracht: er ist seiner Sache sicher und gewiss
-des Geistes, der ohne sein Verdienst in ihm wohnt; aber er
-will aus Achtung für denselben ihn auch von anderen anerkannt
-und geehrt wissen. &mdash; Es verhält sich so mit allem, was
-wir bloss zufolge unseres Gefühls annehmen und nur glauben
-können. Wenn alle Anwesende einstimmig versichern, dass ein
-Gegenstand, den wir zu erblicken glauben, nicht vorhanden sey,
-so werden wir, wenn wir nur ein wenig mit den Täuschungen
-unserer Sinne und unserer Einbildungskraft bekannt sind, leicht
-irre, und fangen an, den Grund der Erscheinung in uns selbst
-zu suchen. An unser inneres Gefühl glauben wir schon weit
-fester; doch sehen wir auch dieses gern durch das Gefühl anderer
-unterstützt.
-</p>
-
-<p>
-Um seine Stimmung <em class="italic">mitzutheilen</em>. Es ist, wie Sie selbst
-angemerkt haben, in allen Menschen der Trieb, andere um sich
-herum sich selbst so ähnlich zu machen, als möglich, und sich
-selbst in ihnen, so vollkommen als es gehen will, zu wiederholen;
-und dies um desto mehr, je mehr wir zu diesem Wunsche
-durch eigene höhere Bildung berechtigt sind. Nur der ungerechte
-Egoist will der einzige seiner Art seyn, und kann seines
-Gleichen ausser sich nicht dulden; aber der edle Mensch möchte,
-dass alle ihm glichen, und thut, so viel an ihm ist, um es dahin
-zu bringen. So der begeisterte Liebling der Natur. Er
-<a id="page-294" class="pagenum" title="294"></a>
-<a id="pagehdr-294" class="orig-page" title="295"></a>
-möchte, dass aus allen Seelen sein eigenes liebliches Bild ihm
-zurückstrahlte. Drum drückt er die Stimmung seines Geistes
-ein in eine körperliche Gestalt. Was in der Seele des Künstlers
-vorgeht, die mannigfaltigen Biegungen und Schwingungen
-seines inneren Lebens und seiner selbstthätigen Kraft sind nicht
-zu beschreiben; keine Sprache hat Worte dafür gefunden, und
-wenn sie gefunden wären, so würde die gedrungene Fülle des
-Lebens in der allmähligen, und zu einem einfachen Faden ausgedehnten
-Beschreibung verhauchen. Leben wird nur in lebendigem
-Handeln dargestellt; und sowie alle gesetzmässige Thätigkeit
-des menschlichen Geistes, so muss auch diese freie Geschäftigkeit
-desselben einen Gegenstand bekommen, den sie
-bearbeite, und in welchem durch die Weise ihres Verfahrens
-sie ihre innere Natur verrathe. So besteht das Wesen, das
-Grundprincip des <em class="italic">Tons</em> in den harmonischen Bebungen und
-Schwingungen der Saite, die im luftleeren Raume nicht minder
-einander hervorbringen und bestimmen, ihre innere Wirksamkeit
-erfüllen, und für die Saite selbst den Ton bilden würden;
-aber nur in der umgebenden Luft bekommen dieselben einen
-äusseren Wirkungskreis, drücken sich selbst in sie ein, und
-pflanzen sich fort bis zum Ohre des entzückten Hörers, und
-lediglich aus jener Vermählung wird der Ton geboren, der in
-unserer Seele wiederhallt. So drückt der begeisterte Künstler
-die Stimmung seines Gemüthes aus in einem beweglichen Körper,
-und die Bewegung, der Gang, der Fortfluss seiner Gestalten
-ist der Ausdruck der inneren Schwingungen seiner Seele.
-Diese Bewegung soll in uns die gleiche Stimmung hervorbringen,
-welche in ihm war; er lieh der todten Masse seine Seele,
-dass diese sie auf uns übertragen möchte; unser Geist ist das
-letzte Ziel seiner Kunst, und jene Gestalten sind die Vermittler
-zwischen ihm und uns, wie die Luft es ist zwischen unserem
-Ohre und der Saite.
-</p>
-
-<p>
-Diese innere Stimmung des Künstlers ist der Geist seines
-Products; und die zufälligen Gestalten, in denen er sie ausdrückt,
-sind der Körper oder der Buchstabe desselben.
-</p>
-
-<p>
-Hier ist es, wo das Bedürfniss der mechanischen Kunst
-eintritt.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-295" class="pagenum" title="295"></a>
-<a id="pagehdr-295" class="orig-page" title="296"></a>
-Wer die Dinge einer gewissen Stimmung gemäss bearbeiten
-will, der muss es überhaupt verstehen, sie zu bearbeiten, und
-sie mit Leichtigkeit zu bearbeiten, so dass kein Widerstand
-sichtbar sey, und dass die todte Masse unter seinen Händen
-von selbst Bildung und Organisation angenommen zu haben
-scheine. Sobald die Materie widerstrebt, und es der Anstrengung
-bedarf, sie zu besiegen, ist die ästhetische Stimmung abgebrochen,
-und es bleibt uns anderen nichts übrig, als der Anblick
-des Arbeiters, der seinen Zweck zu erreichen strebt; ein
-nicht unwürdiger Anblick, den wir aber nur hier nicht haben
-wollten. Man hat diese Leichtigkeit der mechanischen Kunst
-sehr oft mit dem Geiste selbst verwechselt; und sie ist allerdings
-die ausschliessende Bedingung seiner Aeusserung, und
-jeder, der an das Werk geht, muss sie schon erworben haben;
-aber sie ist nicht der Geist selbst. Durch sie allein wird nichts
-hervorgebracht, als ein leeres Geklimper, &mdash; ein Spiel, das auch
-nichts weiter ist, denn Spiel, &mdash; das nicht zu Ideen erhebt, und
-höchstens einen Muthwillen und eine verschwendete Kraft ausdrückt,
-der man in der Stille eine bessere Anwendung wünscht.
-Zwar wird der leichteste und muthwilligste Pinselstrich des
-wahren Genies einen Anstrich von den Ideen haben; aber der
-blosse Mechaniker wird durch seine höchste Kunst nie etwas
-anderes hervorbringen, als ein mechanisches Werk, über dessen
-Bau man höchstens sich wundern wird.
-</p>
-
-<p>
-So ist in den letzten Meisterwerken des begünstigten Lieblings
-der Natur unter unserer Nation, &mdash; im Tasso, in der Iphigenie,
-und in den leichtesten Pinselstrichen desselben Künstlers
-seitdem, &mdash; es ist in ihnen, sage ich, nicht die so einfache Erzählung,
-nicht die ohne allen Schwulst so sanft hingleitende
-Sprache, durch welche der gebildete Leser so mächtig angezogen
-wird. Es ist nicht der Buchstabe, sondern der Geist. Mit
-der gleichen Einfachheit der Fabel, der gleichen Leichtigkeit,
-dem gleichen Adel der Sprache ist es möglich, ein sehr schaales,
-sehr schmackloses, sehr unkräftiges Werk zu verfertigen.
-Die Stimmung ist es, welche in diesen Werken herrscht: diese
-edelste Blüthe der Humanität, welche durch die Natur nur einmal
-unter dem griechischen Himmel hervorgetrieben und durch
-<a id="page-296" class="pagenum" title="296"></a>
-<a id="pagehdr-296" class="orig-page" title="298"></a>
-eins ihrer Wunder im Norden wiederholt wurde. Es schmiegt
-sich an unsere Seele das lebendige Bild jener geendigten Cultur,
-die den Angriffen des Schicksals nicht mehr mit gewaltsamen
-Anstrengungen und Renkungen entgegengeht, und die eher alles,
-als die reine Ebenheit ihres Charakters und die leichte Grazie in
-den Bewegungen ihres Gemüths, verliert: jenes Beruhens in
-sich selbst und auf sich selbst, das es nicht mehr bedarf,
-durch Anstrengung seine Kraft aufzuregen und gegen den Widerstand
-anzustemmen, sondern das auf seiner eigenen natürlichen
-Last sicher steht; jener Unbefangenheit des Geistes,
-welche die Dinge, auch bei ihrem gewaltsamsten Andringen auf
-uns, dennoch keiner anderen Schätzung würdigt, als der, die
-ihnen gebührt, dass sie Gegenstände unserer Betrachtung sind,
-und welche auch dann noch den gefälligen Formen derselben
-ein ästhetisches Vergnügen, den Verzerrungen derselben ein
-leichtes Lächeln, wie Grazien lächeln, abzugewinnen vermag;
-jener Vollendung der Menschheit, die sich von der Sinnenwelt
-nicht losgerissen, sondern abgelöst fühlt, und die mit gleicher
-Leichtigkeit derselben ohne Misvergnügen entbehren, oder ihrer
-mit Freude auf ihre Weise geniessen kann. Wir finden
-uns mit Vergnügen in eine Welt versetzt, in der allein eine
-solche Stimmung möglich ist, unter eine Gesellschaft, deren
-Mitglieder alle gerecht und wohlwollend sind, und deren Trennungen
-nicht durch bösen Willen verursacht, sondern selbst
-nur Stürme des widrigen Schicksals sind; &mdash; (denn Ungerechtigkeiten
-freier Wesen können uns nie gleichgültig seyn, und
-werden immer ernste Misbilligung, keinesweges aber das leichte
-Lächeln erregen, wie die Verstösse der vernunftlosen Natur).
-Wir entdecken mit befriedigter Selbstliebe unter dem Einflusse
-des Künstlers eine Fassung in uns, die wir im Laufe des Lebens
-gewöhnlich nicht behalten; wir fühlen uns höher gehoben
-und veredelt, und innige Liebe ist der Lohn des Dichters, der
-uns so sanft schmeichelt, um uns zu bessern.
-</p>
-
-<p>
-Jeder hat den feinsten Sinn für diejenige Art der Ausbildung,
-der er zunächst bedürfte, und mag in der Stunde der
-Täuschung am liebsten das an sich finden, wovon eine leise
-Ahnung ihm sagt, dass es auf der nächsten Stufe der Cultur
-<a id="page-297" class="pagenum" title="297"></a>
-<a id="pagehdr-297" class="orig-page" title="300"></a>
-liege, die er zu ersteigen hat. Ein beträchtlicher Theil unseres
-Publicums ist noch nicht so weit, dass ihm nichts mehr, als
-die Grazie in seinen Bewegungen, die Leichtigkeit und Ungezwungenheit
-in seiner Kraftäusserung abgehe. Vielen fehlt es
-an der Kraft selbst. Für diese sind Darstellungen, wie die, von
-welchen wir redeten, unschmackhaft; sie verwechseln die durch
-die Fülle der Kraft gehaltene Kraft, die sie nicht kennen, mit
-der Kraftlosigkeit, die sie nur zu wohl kennen. Diese mögen
-im Bilde lieber die rohe, aber kraftvolle Sitte unserer Urahnen
-sich angetäuscht sehen &mdash; eine Art, die so vorzüglich ist, als
-jede andere, wenn sie mit Geist behandelt wird &mdash; oder vergnügen
-sich wohl auch an den wunderlichen Renkungen in unsern
-gewöhnlichen Ritterromanen, und an hochtönenden und
-vermessenen Reden.
-</p>
-
-<p>
-Dem Dichter, von dem ich rede, war es gegeben, zwei
-verschiedene Epochen der menschlichen Cultur mit allen ihren
-Abstufungen auszumessen. Er nahm sein Zeitalter bei der letzteren
-Stufe auf, um es bei der ersteren niederzusetzen. Aber
-sein Genius überflog, wie es seyn musste, den langsamen Gang
-desselben. Er bildete, wie jeder wahre Künstler soll, sein Publicum
-selbst, arbeitete für die Nachwelt, und wenn unser Geschlecht
-höher steigt, so ist es nicht ohne sein Zuthun.
-</p>
-
-<p>
-Jene beiden Zustände, der der ersten ursprünglichen Begeisterung,
-und der der Darstellung derselben in körperlicher
-Hülle, sind in der Seele des Künstlers nicht immer verschieden,
-obwohl sie durch den genauen Forscher sorgfältig unterschieden
-werden müssen. Es giebt Künstler, die ihre Begeisterung
-auffassen und festhalten, unter den Materialien um sich herumsuchen,
-und das geschickteste für den Ausdruck wählen; die
-unter der Arbeit sorgfältig über sich wachen; die zuerst den
-Geist fassen, und dann den Erdkloss suchen, dem sie die lebendige
-Seele einhauchen. Es giebt andere, in denen der Geist
-zugleich mit der körperlichen Hülle geboren wird, und aus deren
-Seele zugleich das ganze volle Leben sich losreisst. Die
-ersteren erzeugen die gebildetsten, berechnetsten Producte, deren
-Theile alle das feinste Ebenmaass unter sich und zum Ganzen
-halten: aber das feinere Auge kann in der Zusammenfügung
-<a id="page-298" class="pagenum" title="298"></a>
-<a id="pagehdr-298" class="orig-page" title="301"></a>
-des Geistes und des Körpers hier und da die Hand des
-Künstlers bemerken. In den Werken der letzteren sind Geist
-und Körper, wie in der Werkstätte der Natur, innigst zusammengeflossen,
-und das volle Leben geht bis in die äussersten
-Theile; aber wie an den Werken der Natur entdeckt man hier
-und da kleine Auswüchse, deren Absicht man nicht angeben
-kann, die man aber nicht wegnehmen könnte, ohne dem Ganzen
-zu schaden. Von beiden Arten hat unsere Nation Meister.
-</p>
-
-<p>
-Gewisse höhere Stimmungen sind, wie soeben gesagt worden,
-nicht für gemeine Augen, und lassen sich denselben nicht
-mittheilen; bei anderen, die mittheilbar sind, ist wenigstens unsichtbar,
-woher es komme, dass das Werk zu ihnen erhebe;
-und nicht sehr feine Beobachter sind daher versucht, der Gestalt
-und dem Baue des Körpers die bewegende Kraft zuzuschreiben,
-die nur der Geist hat. Die Verhältnisse dieses Körpers
-und die Regeln, nach denen er gebildet ist, sind zu berechnen,
-zu lernen und durch Kunst auszuüben, da, wie oben
-zugestanden worden, der Körper des geistreichsten Werkes
-selbst nur durch Kunst hervorgebracht ist. Es giebt mancherlei
-Ursachen, die den geistlosesten Menschen bewegen können, auf
-diese Weise den mechanischen Theil eines geistvollen Products
-nachzubilden; und da auch dieser sein Gutes hat, verlieren
-manche Zuschauer nichts dabei. Solche Arbeiter sind Buchstäbler.
-Derjenige, der ohne Geist selbst der mechanischen
-Kunst nicht mächtig ist, heisst ein Stümper. &mdash; Stelle Pygmalion
-seine beseelte Bildsäule hin vor die Augen des jauchzenden
-Volkes; er soll ihr, &mdash; da nichts uns verhindert, die Fabel
-zu ergänzen, &mdash; mit dem Leben zugleich den geheimen Vorzug
-ertheilt haben, nur von geistvollen Augen als lebend erblickt
-zu werden, für gemeine und stumpfe aber kalt und todt zu
-bleiben. Kostet es nicht mehr, um berühmt zu werden? denkt,
-&mdash; indess das ganze Volk dem Künstler huldigt, ein Mann, der
-seinen Meissel auch zu führen versteht, misst mit Cirkel und
-Lineal genau die Verhältnisse der Bildsäule, geht hin, fertigt
-sein Werk, stellt es neben das Werk des Künstlers, und es
-sind viele, die keinen Unterschied zwischen beiden finden
-können.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-299" class="pagenum" title="299"></a>
-<a id="pagehdr-299" class="orig-page" title="303"></a>
-Die Regeln der Kunst, die sich in den Lehrbüchern finden,
-beziehen sich meist auf das Mechanische der Kunst. Sie müssen
-im Geiste gedeutet werden, und nicht nach dem Buchstaben.
-So lehren sie uns, wie wir die Fabel erfinden, mittheilen,
-allmählig entwickeln sollen, und es thut dem Künstler allerdings
-noth, dies zu verstehen. Versteht er aber auch nichts
-weiter, als die Beobachtung dieser Regeln, so hat er am Ende
-eine gute Fabel, die die Neugier reizt, unterhält, befriedigt;
-aber wir forderten noch etwas mehr von ihm. Die Einheit der
-geistigen Stimmung, die in seinem Werke herrscht, und die dem
-Gemüthe des Lesers mitgetheilt werden soll, ist die Seele des
-Werkes; ist diese Stimmung angedeutet, entwickelt, durchaus
-gehalten und siegend, dann ist das Werk vollendet, ob die
-äussere Begebenheit für die leere Neugier geschlossen sey, oder
-nicht; der Triumph dieser Stimmung über die mannigfaltigen
-Störungen derselben ist die wahre Entwickelung, obschon der
-gedankenlose Leser, der ein Mährchen hören wollte, frage, wie
-es nun weiter geworden sey.
-</p>
-
-<p>
-Sie rathen uns, zu täuschen; durch die Erzählung, meint
-der Buchstäbler, bietet er alle seine Künste auf, um uns sein Mährchen
-für eine wirkliche Begebenheit aufzubinden, und wenn
-alles mislingt, versichert er uns auf sein Ehrenwort, dass er
-eine wahre Geschichte erzähle. Nun wohl, so erzähle er, bis
-alle Gaffer sich wundern; aber er glaube nicht ein Kunstwerk
-geliefert zu haben. Unsere Erhebung zu einer ganz anderen,
-uns fremden Stimmung, in welcher wir unsere Individualität
-vergessen: &mdash; das ist die wahre Täuschung, und für diesen
-Endzweck reicht diejenige Wahrheit der Geschichte, die er
-allein als Wahrheit kennt, nicht hin. In dieser handeln Erdenmenschen,
-wie wir unter den gleichen Umständen ungefähr
-auch handeln würden.
-</p>
-
-<p>
-Sie halten über reine Moral; und so thue denn wer kann
-und will das gute Werk, uns wichtige moralische Lehren durch
-Erzählungen anschaulich und eindringend zu machen. Er will
-uns dahin bringen, dass wir durch eigenen freien Entschluss
-das Bessere wählen; er ist unseres Dankes werth, und seine
-Bemühungen sind nicht allemal an uns verloren. Nur wisse er,
-<a id="page-300" class="pagenum" title="300"></a>
-<a id="pagehdr-300" class="orig-page" title="304"></a>
-was er ist, und stelle sich nicht in eine ihm fremde Klasse.
-Der begeisterte Künstler wendet sich gar nicht an unsere Freiheit,
-er rechnet auf dieselbe so wenig, dass vielmehr sein
-Zauber erst anfängt, nachdem wir sie aufgegeben haben. Er
-hebt durch seine Kunst uns ohne alles unser Zuthun auf Augenblicke
-in eine höhere Sphäre. Wir werden um nichts besser;
-aber die unangebauten Felder unseres Gemüths werden
-doch geöffnet, und wenn wir einst aus anderen Gründen uns
-mit Freiheit entschliessen, sie in Besitz zu nehmen, so finden
-wir die Hälfte des Widerstandes gehoben, die Hälfte der Arbeit
-gethan.<a class="fnote" href="#footnote-33" id="fnote-33">[33]</a>
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-32" id="footnote-32">[32]</a> Die folgenden drei Briefe, deren Fortsetzung in einem der künftigen
-Hefte erscheinen wird, sind schon vor vier Jahren abgefasst worden. &mdash; Ich
-erinnere dies, um das Stillschweigen über neuere Vorfälle und Aeusserungen,
-an die man durch diese Ueberschrift erinnert wird, zu erklären.
-</p>
-
-<p class="sign footnote2">
-(Anm. des Verfassers.)
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-33" id="footnote-33">[33]</a> Die Fortsetzung ist nicht erschienen.
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-5-4">
-<a id="page-301" class="pagenum" title="301"></a>
-<span class="line1">D.</span><br />
-<span class="line2">Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Philos. Journal Bd. I. S. 255-273, S. 287-326. 1795.)
-</p>
-
-<p class="noindent">
-In einer Untersuchung über den Ursprung der Sprache darf
-man sich nicht mit Hypothesen, nicht mit willkürlicher Aufstellung
-besonderer Umstände, unter welchen etwa eine Sprache
-entstehen <em class="italic">konnte</em>, behelfen; denn da der Fälle, welche den
-Menschen bei Erfindung und Ausbildung der Sprache leiten
-konnten, so mancherlei sind, dass sie keine Forschung ganz
-erschöpfen kann: so würden wir auf diesem Wege ebensoviel
-halbwahre Erklärungen des Problems erhalten, als Untersuchungen
-darüber angestellt würden. Man darf sich daher nicht damit
-begnügen, zu zeigen, dass und wie etwa eine Sprache erfunden
-werden <em class="italic">konnte</em>: man muss aus der Natur der menschlichen
-Vernunft die Nothwendigkeit dieser Erfindung ableiten;
-man muss darthun, dass und wie die Sprache erfunden werden
-<em class="italic">musste</em>.
-</p>
-
-<p>
-Man hüte sich insbesondere bei dieser Untersuchung, so
-wie bei jeder anderen, das Resultat, das man etwa zu finden
-hofft, schon zum voraus im Auge zu haben. Man denke sich
-in den Gesichtspunct der Menschen hinein, welche noch überhaupt
-keine Sprache hatten, sondern sie erst erfinden sollten;
-welche noch nicht wussten, wie die Sprache gebaut seyn müsse,
-<a id="page-302" class="pagenum" title="302"></a>
-<a id="pagehdr-302" class="orig-page" title="256"></a>
-sondern die Regeln darüber erst aus sich selbst schöpfen mussten.
-Jedem, der dem Ursprunge der Sprache nachforscht, muss
-die Sprache so gut als nicht erfunden seyn: er muss sich denken,
-dass er sie erst durch seine Untersuchung erfinden soll.
-</p>
-
-<p>
-Ferner hat man bei allen Untersuchungen über Entstehung
-der Sprache es auch darin versehen, dass man zuviel auf willkürliche
-Verabredung baute; dass man z. B. meinte: da ich
-ein Buch <em class="italic">liber</em>, <span class="greek">&beta;&#943;&beta;&lambda;&iota;&omicron;&nu;</span>, book u. s. w. nennen kann, so müssen
-die Nationen einig geworden seyn, die eine, dieser bestimmte
-Gegenstand solle <em class="italic">Buch</em> &mdash; die andere, er solle <em class="italic">liber</em>,
-u. s. w. heissen. Aber auf eine solche Uebereinkunft dürfen
-wir wenig rechnen, da sie sich nur mit der grössten Unwahrscheinlichkeit
-denken lässt, und wir müssen daher selbst den
-Gebrauch der willkürlichen Zeichen aus den wesentlichen Anlagen
-der menschlichen Natur ableiten.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Sprache</em>, im weitesten Sinne des Wortes, ist der <em class="italic">Ausdruck
-unserer Gedanken durch willkürliche Zeichen</em>.
-</p>
-
-<p>
-Durch <em class="italic">Zeichen</em>, sage ich, also nicht durch Handlungen. &mdash;
-Allerdings offenbaren sich unsere Gedanken auch durch die
-Folgen, welche sie in der Sinnenwelt haben: ich denke und
-handle nach den Resultaten dieses Denkens. Ein vernünftiges
-Wesen kann aus diesen meinen Handlungen auf das, was ich
-gedacht habe, schliessen. Dies heisst aber nicht <em class="italic">Sprache</em>. Bei
-allem, was <em class="italic">Sprache</em> heissen soll, wird schlechterdings nichts
-weiter beabsichtigt, als die Bezeichnung des Gedankens; und
-die Sprache hat ausser dieser Bezeichnung ganz und gar keinen
-Zweck. Bei einer Handlung hingegen ist der Ausdruck
-des Gedankens nur zufällig, ist durchaus nicht Zweck. Ich
-handle nicht, um anderen meine Gedanken zu eröffnen; ich
-esse z. B. nicht, um anderen anzudeuten, dass ich Hunger fühle.
-Jede Handlung ist selbst Zweck: ich handle, weil ich handeln
-will.
-</p>
-
-<p>
-Ich habe mich bei der Erklärung der Sprache des Ausdruckes:
-&bdquo;<em class="italic">willkürliche Zeichen</em>&ldquo; bedient. Darunter verstehe
-ich hier solche Zeichen, welche ausdrücklich dazu bestimmt
-sind, diesen oder jenen Begriff anzudeuten. Ob dieselben mit
-dem Bezeichneten natürliche Aehnlichkeit haben, oder nicht,
-<a id="page-303" class="pagenum" title="303"></a>
-<a id="pagehdr-303" class="orig-page" title="257"></a>
-das ist hier völlig gleichgültig. Ich mag zu dem anderen das
-Wort <em class="italic">Fisch</em> sagen &mdash; ein Zeichen, das mit dem Gegenstande,
-welchen es ausdrücken soll, gar keine Aehnlichkeit hat &mdash; oder
-ich mag ihm einen Fisch vorzeichnen; ein Zeichen, das mit dem
-Bezeichneten allerdings Aehnlichkeit hat &mdash; in beiden Fällen
-habe ich keinen Zweck, als den, die Vorstellung eines bestimmten
-Gegenstandes bei dem anderen zu veranlassen; &mdash; folglich
-kommen beide Zeichen darin überein, dass sie <em class="italic">willkürlich</em> sind.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Sprachfähigkeit</em> ist das Vermögen, seine Gedanken willkürlich
-zu bezeichnen. Ich drücke mich absichtlich so allgemein
-aus, damit man nicht gleich an eine <em class="italic">Sprache für das Gehör</em>
-denke. Von der <em class="italic">Ursprache</em> lässt sich gar nicht behaupten, dass
-sie bloss aus Tönen bestanden habe, bloss Gehörsprache gewesen
-sey. Diese letztere kann erst weit später entstanden
-seyn, und lässt sich nur unter Voraussetzung der Ursprache
-und auf eine weit verwickeltere Art deduciren.
-</p>
-
-<p>
-Die Frage, die sich uns zunächst darbietet, ist folgende:
-<em class="italic">Wie ist der Mensch auf die Idee gekommen, seine Gedanken
-durch willkürliche Zeichen anzudeuten?</em> Diese enthält unter
-sich folgende zwei: 1) Was brachte den Menschen überhaupt
-auf den Gedanken, eine Sprache zu erfinden? 2) In welchen
-Naturgesetzen liegt der Grund, dass diese Idee gerade <em class="italic">so</em> und
-nicht anders ausgeführt wurde? Lassen sich Gesetze auffinden,
-welche den Menschen bei der Ausführung leiteten?
-</p>
-
-<p>
-Ich mache mich deutlicher. Die Sprache ist das Vermögen,
-seine Gedanken <em class="italic">willkürlich</em> zu bezeichnen. Sie setzt demnach
-eine Willkür voraus. Unwillkürliche Erfindung, unwillkürlicher
-Gebrauch der Sprache enthält einen inneren Widerspruch.
-Man hat sich zwar auf unwillkürliche Töne beim Ausbruche
-der Freude, des Schmerzes u. s. w. berufen, und daraus
-gar manches über Erfindung und Gesetze der Sprache ableiten
-wollen; aber beides ist völlig verschieden. Unwillkürlicher Ausbruch
-der Empfindung ist nicht <em class="italic">Sprache</em>.
-</p>
-
-<p>
-Um die Willkür zur Erfindung einer Sprache zu bestimmen,
-wurde eine Idee derselben vorausgesetzt. Daher die Frage:
-wie entwickelte sich in den Menschen die Idee, ihre Gedanken
-sich gegenseitig durch Zeichen mitzutheilen?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-304" class="pagenum" title="304"></a>
-<a id="pagehdr-304" class="orig-page" title="259"></a>
-Allein daraus, dass sie sich die Aufgabe aufstellten, eine
-Sprache zu erfinden, folgt noch nicht, dass ihnen überhaupt,
-und durch welche Mittel ihnen die Ausführung gelang. Daher
-die zweite schon angeführte Frage: giebt es in der menschlichen
-Natur Mittel, welche man nothwendig ergreifen musste,
-um die Idee einer Sprache zu realisiren? Kann man diesen
-Mitteln nachspüren, und wie mussten sie gebraucht werden,
-wenn durch sie der Zweck erreicht werden sollte? Fänden
-sich solche Mittel, so liesse sich wohl eine Geschichte der Sprache
-<em class="italic">a priori</em> entwerfen. Und sie finden sich allerdings.
-</p>
-
-<p>
-Zuvörderst: auf welchem Wege wurde die Idee von einer
-Sprache in dem Menschen entwickelt? &mdash; Es ist im Wesen des
-Menschen gegründet, dass er sich die Naturkraft zu unterwerfen
-sucht. Die erste Aeusserung seiner Kraft ist gerichtet auf
-die Natur, um sie für seine Zwecke zu bilden. Selbst der roheste
-Mensch trifft irgend eine Vorkehrung für seine Bequemlichkeit
-und seine Sicherheit; er gräbt sich Höhlen, bedeckt
-sich mit Laub, und wenn er des Feuers etwa habhaft werden
-kann, zündet er Holz an, um sich so gegen den Frost zu schützen.
-Er wird von allen Seiten arbeiten, die feindselige Natur
-zu bezwingen, und wo er das nicht kann, wird er sie scheuen.
-So fürchtet der Mensch den Donner, weil er sich ausser Stande
-sieht, die Natur in dieser Aeusserung ihrer Kraft zu beherrschen.
-Sollten wir Mittel finden, dieselbe auch hier zu bezwingen,
-so würde sich jene Furcht bald verlieren. Der Mensch
-macht sich die Thiere dienstbar, oder flieht sie, wenn er das
-erstere nicht vermag. So war gewiss, ehe man die Kunst erfand,
-Pferde zu zähmen, dieses grosse starke Thier dem Menschen
-ein Gegenstand des Schreckens: jetzt, da er es sich unterworfen
-hat, fürchtet er es nicht mehr.
-</p>
-
-<p>
-In diesem Verhältnisse steht der Mensch mit der belebten
-und leblosen <em class="italic">Natur</em>: er geht darauf aus, sie nach seinen Zwecken
-zu modificiren; aber diese widerstrebt der Einwirkung,
-und nimmt oft genug sie gar nicht an. Daher sind wir mit
-der Natur in stetem Kampfe, sind bald Sieger, bald Besiegte, &mdash;
-unterjochen oder fliehen.
-</p>
-
-<p>
-Wie verhält sich dagegen der Mensch ursprünglich gegen
-<a id="page-305" class="pagenum" title="305"></a>
-<a id="pagehdr-305" class="orig-page" title="260"></a>
-den <em class="italic">Menschen selbst</em>? Sollte wohl zwischen ihnen im rohen
-Naturzustande dasselbe Verhältniss stattfinden, welches zwischen
-dem Menschen und der Natur ist? Sollten sie wohl darauf
-ausgehen, sich selbst untereinander zu unterjochen, oder,
-wenn sie sich dazu nicht Kraft genug zutrauen, einander gegenseitig
-fliehen?
-</p>
-
-<p>
-Wir wollen annehmen, es wäre so: so würden gewiss
-nicht zwei Menschen nebeneinander leben können; der Stärkere
-würde den Schwächeren bezwingen, wenn dieser nicht
-flöhe, sobald er jenen erblickte. Würden sie aber auf solche
-Art wohl jemals in Gesellschaft getreten, würde durch sie die
-Erde bevölkert worden seyn? Ihr Verhältniss würde ganz so
-gewesen seyn, wie es Hobbes im Naturstande schildert: Krieg
-aller gegen alle. Und doch finden wir, dass die Menschen
-sich miteinander vertragen, dass sie sich gegenseitig unterstützen,
-dass sie in gesellschaftlicher Verbindung miteinander
-stehen. Der Grund dieser Erscheinung muss wohl in dem
-Menschen selbst liegen: in dem ursprünglichen Wesen desselben
-muss sich ein Princip aufzeigen lassen, welches ihn bestimmt,
-sich gegen seinesgleichen anders zu betragen, als gegen
-die Natur.
-</p>
-
-<p>
-Ich weiss recht wohl, dass viele behaupten, die Menschen
-gingen von Natur darauf aus, einander zu unterjochen. Was
-auch immer gegen diese Behauptung sich einwenden lassen
-möge, so ist doch soviel gewiss: dass sich aus der Erfahrung
-mancherlei scheinbare Gründe für dieselbe auffinden lassen,
-und dass sie folglich der entgegengesetzten Behauptung, wiefern
-diese auch nur als Erfahrungssatz aufgestellt würde, in
-Rücksicht auf Gültigkeit gleichgesetzt werden könnte. Diese
-entgegengesetzte Behauptung muss also eben darum, damit ihre
-Gültigkeit entschieden sey, aus einem in der Natur des Menschen
-selbst liegenden Principe abgeleitet werden. Wir wollen
-dieses Princip aufsuchen.
-</p>
-
-<p>
-Der Mensch geht darauf aus, die rohe oder thierische Natur
-nach seinen Zwecken zu modificiren. Dieser Trieb muss
-untergeordnet seyn dem höchsten Principe im Menschen, dem:
-sey immer einig mit dir selbst; nach welchem Principe er in
-<a id="page-306" class="pagenum" title="306"></a>
-<a id="pagehdr-306" class="orig-page" title="262"></a>
-den allgemeinsten Aeusserungen seiner Kraft beständig forthandelt,
-auch ohne sich desselben bewusst zu seyn. Der Mensch
-sucht also &mdash; nicht gerade aus einem deutlich gedachten, aber
-aus einem durch sein ganzes Wesen verwebten, und dasselbe
-ohne alles Hinzuthun seines freien Willens bestimmenden Princip
-&mdash; die nicht vernünftige Natur sich deswegen zu unterwerfen,
-damit alles mit seiner Vernunft übereinstimme, weil nur
-unter dieser Bedingung er selbst mit sich selbst übereinstimmen
-kann. Denn da er ein vorstellendes Wesen ist, und in
-einer gewissen Rücksicht, die wir hier nicht zu bestimmen haben,
-die Dinge vorstellen muss, wie sie sind: so geräth er dadurch,
-dass die Dinge, die er vorstellt, mit seinem Triebe nicht
-übereinstimmen, in einen Widerspruch mit sich selbst. Daher
-der Trieb, die Dinge so zu bearbeiten, dass sie mit unseren
-Neigungen übereinstimmen, dass die Wirklichkeit dem Ideale
-entspreche. Der Mensch geht nothwendig darauf aus, alles, so
-gut er es weiss, <em class="italic">vernunftmässig</em> zu machen.
-</p>
-
-<p>
-Wenn er nun in diesen Versuchen auf einen Gegenstand
-stossen sollte, an welchem sich die gesuchte Vernunftmässigkeit
-ohne seine Mitwirkung schon äusserte, so wird er sich in
-Rücksicht auf diesen aller Bearbeitung wohl enthalten, da er
-dasjenige, was einzig und allein durch sie hervorgebracht werden
-soll, an dem entdeckten Gegenstande schon findet. Er hat
-etwas gefunden, was mit ihm übereinstimmt; würde es nicht
-ungereimt seyn, einen Gegenstand seinem Triebe entsprechend
-machen zu wollen, der schon, ohne sein Zuthun, demselben
-entspricht? Das Gefundene wird ihm ein Gegenstand des Wohlgefallens
-seyn: er wird sich freuen, ein mit ihm gleichgestimmtes
-Wesen &mdash; einen <em class="italic">Menschen</em> angetroffen zu haben.
-</p>
-
-<p>
-Aber woran soll er diese Vernunftmässigkeit des gefundenen
-Gegenstandes erkennen? An nichts anderem, als woran
-er seine eigene Vernunftmässigkeit erkennt &mdash; am <em class="italic">Handeln nach
-Zwecken</em>. &mdash; Die blosse Zweckmässigkeit des Handelns aber an
-sich allein würde zu einer solchen Beurtheilung noch nicht hinreichen;
-sondern es bedarf noch der Idee des Handelns nach
-veränderter Zweckmässigkeit, und zwar von einem Handeln,
-das verändert ist nach unserer eigenen Zweckmässigkeit. Gesetzt,
-<a id="page-307" class="pagenum" title="307"></a>
-<a id="pagehdr-307" class="orig-page" title="263"></a>
-der Naturmensch handle auf einen Gegenstand, der entweder
-nach gewissen Regeln aufwächst, Früchte trägt u. s. w.,
-oder einen, der nach einem gewissen Instincte auf Nahrung
-ausgeht, schläft, erwacht u. s. w., und den er deshalb als nach
-Zwecken handelnd beurtheilt. Sobald ein solcher Gegenstand,
-auf den der Naturmensch seinen Zwecken gemäss gehandelt
-hat, seinen Gang fortgeht, ohne nach Maassgabe jener Einwirkung
-eine Veränderung in seinem Zwecke anzunehmen, so erkennt
-er ihn nicht für vernünftig. Als zweckmässig und freihandelnd
-werde ich nur das Wesen ansehen, das seinen Zweck,
-nachdem ich meinen Zweck auf dasselbe anwende, auch ändert.
-Z. B., ich brauche Gewalt auf ein Wesen, und es braucht
-sie auch, ich erzeige ihm eine Wohlthat, es erwiedert sie; so
-ist immer Veränderung des Zweckes nach dem Zwecke, den
-ich für dasselbe habe: mit anderen Worten, es ist eine <em class="italic">Wechselwirkung</em>
-zwischen mir und diesem Wesen. Nur ein Wesen,
-das, nachdem ich meinen Zweck auf dasselbe äusserte, den
-seinigen in Beziehung auf diese Aeusserung ändert, das z. B.
-Gewalt braucht, wenn ich gegen dasselbe Gewalt brauche, das
-mir wohlthut, wenn ich ihm wohlthue: nur ein solches Wesen
-kann ich als vernünftig erkennen. Denn ich kann aus der
-Wechselwirkung, welche zwischen ihm und mir eingetreten ist,
-schliessen, dass dasselbe eine Vorstellung von meiner Handlungsweise
-gefasst, sie seinem eigenen Zwecke angepasst habe,
-und nun nach dem Resultate dieser Vergleichung seinen Handlungen
-durch Freiheit eine andere Richtung gebe. Hier zeigt
-sich offenbar ein Wechsel zwischen Freiheit und Zweckmässigkeit,
-und an diesem Wechsel erkennen wir die Vernunft.
-</p>
-
-<p>
-Der Mensch geht also nothwendig darauf aus, Vernunftmässigkeit
-ausser sich zu finden; er hat einen Trieb dazu, der
-sich deutlich genug dadurch offenbart, dass der Mensch sogar
-geneigt ist, leblosen Dingen Leben und Vernunft zuzuschreiben.
-Beweise davon finden sich häufig genug in den Mythologien
-und den Religionsmeinungen aller Völker u. s. w. Wie wir gesehen
-haben, ist es der Trieb nach Uebereinstimmung mit sich
-selbst, welcher den Menschen anleitet, Vernunftmässigkeit ausser
-sich aufzusuchen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-308" class="pagenum" title="308"></a>
-<a id="pagehdr-308" class="orig-page" title="264"></a>
-Eben dieser Trieb musste in dem Menschen, sobald er
-wirklich mit Wesen seiner Art in Wechselwirkung getreten
-war, den Wunsch erzeugen, seine Gedanken dem anderen, der
-sich mit ihm verbunden hatte, auf eine bestimmte Weise andeuten,
-und dagegen von demselben eine deutliche Mittheilung
-seiner Gedanken erhalten zu können. Denn ohne diese Auskunft
-musste es sich häufig ereignen, dass der eine die Handlung
-des anderen misverstand und auf eine Art erwiederte, die
-ganz gegen die Erwartung des Handelnden war; ein Fall, der
-den Menschen in offenbaren Widerspruch mit seinen Zwecken
-versetzte, und folglich geradezu gegen die Uebereinstimmung
-mit sich selbst stritt, welche er bei der Aufsuchung vernünftiger
-Wesen beabsichtigte. &mdash; Ich meine es vielleicht mit jemand
-gut, und will ihm mein Wohlwollen durch Handlungen zu erkennen
-geben. Allein jener deutet diese Handlungen unrichtig
-und erwiedert sie durch Feindseligkeiten. Ein solches Betragen
-muss nothwendig bei mir den Gedanken veranlassen, dass
-der andere meine Absichten verkenne; und diesem Gedanken
-muss bald der Wunsch folgen, ihm meine Gesinnungen auf
-eine weniger zweideutige Art ankündigen zu können.
-</p>
-
-<p>
-So wie es mir mit anderen geht, so anderen mit mir. Wie
-leicht kann ich die wohlmeinende Handlung eines anderen misverstehen
-und mit Undank vergelten? So wie ich aber seine
-Absicht besser einsehe, so werde ich wünschen mein Vergehen
-wieder gut zu machen, und um deswillen von seinen Gedanken
-künftig besser unterrichtet zu seyn. &mdash; Ich wünsche also, dass
-der andere meine Absicht wissen möge, damit er mir nicht zuwiderhandle,
-und aus gleichem Grunde wünsche ich, die Absichten
-des anderen zu wissen. Daher die Aufgabe zur Erfindung
-gewisser Zeichen, wodurch wir anderen unsere Gedanken
-mittheilen können.
-</p>
-
-<p>
-Bei diesen Zeichen wird indessen einzig und allein der
-<em class="italic">Ausdruck</em> unserer Gedanken beabsichtiget. Wenn ich auf jemand
-erzürnt bin, so zeigt sich ihm dieser Zorn allerdings
-durch feindliche Behandlung. Aber da ist die Absicht bloss,
-meine Gedanken <em class="italic">auszuführen</em>, nicht aber, ihm ein <em class="italic">Zeichen</em> davon
-zu geben. Bei der Sprache aber ist lediglich die <em class="italic">Bezeichnung</em>
-<a id="page-309" class="pagenum" title="309"></a>
-<a id="pagehdr-309" class="orig-page" title="266"></a>
-Absicht, nicht als Ausdruck der Leidenschaft, sondern
-zum Behufe einer gegenseitigen Wechselwirkung unserer Gedanken,
-ohne welche, wie soeben bemerkt wurde, eine unserem
-Triebe angemessene Wechselwirkung der Handlungen nicht
-bestehen kann.
-</p>
-
-<p>
-Durch die Verbindung mit Menschen wird also in uns die
-Idee geweckt, unsere Gedanken einander durch willkürliche
-Zeichen anzudeuten &mdash; mit Einem Worte: <em class="italic">die Idee der Sprache</em>.
-Demnach liegt in dem, in der Natur des Menschen gegründeten
-Triebe, Vernunftmässigkeit ausser sich zu finden, der besondere
-<em class="italic">Trieb, eine Sprache zu realisiren</em>, und die Nothwendigkeit,
-ihn zu befriedigen, tritt ein, wenn vernünftige Wesen
-miteinander in Wechselwirkung treten.
-</p>
-
-<p>
-Wir denken uns bei der Sprache gewöhnlich nur <em class="italic">Zeichen
-fürs Gehör</em>. Wie es gekommen ist, dass wir uns mit unserer
-Sprache eben an diesen Sinn wenden, wird in der Folge erklärt
-werden. <em class="italic">Hier</em> ist kein mögliches Zeichen ausgeschlossen;
-so wie in der Ursprache sicher ebensowenig irgend eins ausgeschlossen
-war.<a class="fnote" href="#footnote-34" id="fnote-34">[34]</a>
-</p>
-
-<p>
-Die Aufgabe zur Sprache ist jetzt vorhanden: wie soll ihr
-aber nun Genüge geschehen?
-</p>
-
-<p>
-Die Natur offenbart sich uns besonders durch Gesicht und
-Gehör. Zwar kündigt sie sich uns auch durch Gefühl, Geschmack
-und Geruch an: aber die Eindrücke, welche wir auf
-diesen Wegen erhalten, sind theils nicht lebhaft, theils nicht
-bestimmt genug, und wir lassen uns daher bei äusseren Wahrnehmungen
-vorzüglich durch Gesicht und Gehör leiten, wenn
-und wo uns der Gebrauch dieser Sinne nicht versagt ist. So
-wie die Natur den Menschen etwas durch Gehör und Gesicht
-bezeichnete, gerade so mussten sie es einander durch Freiheit
-<a id="page-310" class="pagenum" title="310"></a>
-<a id="pagehdr-310" class="orig-page" title="267"></a>
-bezeichnen. &mdash; Man könnte eine auf diese Grundregel aufgebaute
-Sprache die <em class="italic">Ur-</em> oder <em class="italic">Hieroglyphensprache</em> nennen.
-</p>
-
-<p>
-Die ersten Zeichen der Dinge waren, nach diesen Grundsätzen,
-hergenommen von den Wirkungen der Natur: sie waren
-nichts weiter, als eine Nachahmung derselben. Hier war
-die Mittheilung der Gedanken selbst willkürlich, wie sie es bei
-jeder Sprache seyn muss, aber nicht die Art dieser Mittheilung:
-es stand in meiner Willkür, ob ich dem anderen meine
-Gedanken bezeichnen wollte, oder nicht; aber im Zeichen selbst
-war keine Willkür.
-</p>
-
-<p>
-Diese Bezeichnung der Dinge durch die Nachahmung ihrer
-in die Sinne fallenden Eigenschaften gab sich leicht. Der Löwe
-wurde z. B. durch die Nachahmung seines Gebrülles, der Wind
-durch die Nachahmung seines Sausens ausgedrückt. So wurden
-Gegenstände, die sich durch das Gehör offenbaren, durch
-Töne ausgedrückt: andere, die sich durchs Gesicht ankündigen,
-konnten im leichten Umriss etwa im Sande nachgebildet werden.
-Z. B. Fische, Netze, mit einigen Gesticulationen und Winken
-gegen das Ufer hin begleitet, waren für den, an welchen
-diese Zeichen gerichtet waren, eine Aufforderung zum Fischen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Sprache war leicht erfunden, und hinreichend, wenn
-etwa zwei beisammen waren, um sich zu unterhalten, oder in
-der Nähe zusammen arbeiteten. Jeder giebt auf des anderen
-Zeichen Acht: der eine ahmt einen Ton nach, der andere auch;
-der eine zeichnet etwas mit dem Finger, der andere auch. So
-verstehen sie einander: der eine weiss, was der andere denkt,
-und dieser weiss, was jener will, dass er denken solle. Man
-stelle sich aber vor, dass diese zwei für sich arbeiten und entfernt
-von einander sind, z. B. auf der Jagd. Einer will dem
-anderen einen Gedanken mittheilen, der sich nur durch ein
-Zeichen fürs Gesicht ausdrücken lässt; aber zum Unglück richtet
-der andere seine Blicke nicht auf ihn, oder kann seine Zeichen
-wegen der grossen Entfernung nicht bestimmt erkennen.
-Hier ist die Unterredung unmöglich.
-</p>
-
-<p>
-Ferner: man denke sich mehrere, die um sich zu berathschlagen
-versammelt sind. &mdash; Dies wird bei rohen und uncultivirten
-Menschen, wie wir hier sie uns denken, oft der Fall
-<a id="page-311" class="pagenum" title="311"></a>
-<a id="pagehdr-311" class="orig-page" title="269"></a>
-seyn, weil sie oft des gegenseitigen Rathes bedürfen. &mdash; Man
-erwäge, ob die angenommene Hieroglyphensprache für eine so
-grosse Gesellschaft bequem seyn werde. Gesetzt, es sind ihrer
-zehn beisammen; während einer redet und acht zuhören, fällt
-es dem zehnten ein, auch etwas vorzutragen. Aber alle seine
-Zeichen werden nicht beobachtet, weil die übrigen auf den ersten
-merken. Wie soll er es anfangen, um sich Aufmerksamkeit
-zu verschaffen?
-</p>
-
-<p>
-Man erinnere sich einer Bemerkung, welche die tägliche
-Erfahrung bestätigt. &mdash; Das Gehör leitet unwillkürlich die Augen:
-man richtet sich nach der Gegend, wo ein Schall herkam,
-selbst ohne sich mit Bewusstseyn die Absicht zu denken, der
-Ursache dieses Schalles nachzuspüren; ja, man hat oft Mühe,
-sich des Hinsehens zu erwehren. Da es der vorausgesetzten
-Person in der Ursprache freisteht, sich sowohl fürs Gesicht, als
-fürs Gehör auszudrücken, so wird er, unserer, nicht gerade
-deutlich gedachten, aber dunkel gefühlten Bemerkung zufolge,
-auf den letzteren Sinn zu wirken suchen, um die Gesellschaft
-fürs erste nur aufmerksam auf sich zu machen, und mag vielleicht
-zuerst einen unarticulirten Ton, etwa ein <em class="italic">Hm!</em> von sich
-geben. Jetzt werden die anderen ihre Blicke auf ihn richten,
-und er kann durch Zeichen für das Gesicht mit ihnen sprechen.
-Aber sie sind vielleicht in den Gedankenkreis desjenigen,
-der zuerst zu ihnen sprach, und der jetzt unterbrochen
-ist, unwiderstehlich hineingerissen, er allein interessirt sie, und
-sie wenden ihre Blicke von dem Zehnten wieder hinweg. Dies
-wird demselben nicht gleichgültig seyn. Er ist überzeugt, dass
-das, was er vortragen will, von der grössten Bedeutung sey,
-&mdash; und wird sich nicht so ruhig gefallen lassen, dass seine
-Rede so wenig Eingang findet. Je stärker in ihm das Verlangen
-ist, sich mitzutheilen, desto lebhafter muss er auch sein
-Unvermögen fühlen, durch Zeichen fürs Gesicht der Versammlung
-seine Gedanken bemerkbar zu machen: und dieses Unvermögen,
-verbunden mit der Erinnerung an die Wirkung,
-welche der Laut, den er gleich anfangs von sich gab, auf die
-Gesellschaft machte, muss nothwendig die Vorstellung in ihm
-veranlassen, dass er die Gesellschaft nöthigen würde, auf seine
-<a id="page-312" class="pagenum" title="312"></a>
-<a id="pagehdr-312" class="orig-page" title="270"></a>
-ganze Rede zu achten, wenn sein Vortrag aus blossen Gehörzeichen
-bestehen würde.
-</p>
-
-<p>
-Noch mehr. Man verwandle die vorausgesetzte Gesellschaft
-in eine solche, wo jeder reden will &mdash; jeder wird wünschen,
-dass er die Hieroglyphensprache, in welcher Zeichen
-fürs Gesicht mit Gehörzeichen abwechseln, in eine blosse Gehörsprache
-umschaffen könnte, um mehr Eingang und Aufmerksamkeit
-zu finden. Durch eine solche Auskunft würde auch
-derjenige, der sich in dem zuerst angeführten Falle befand, in
-den Stand gesetzt werden, dem anderen auch in der Entfernung,
-oder in der Dunkelheit seine Gedanken anzuzeigen.
-</p>
-
-<p>
-Durch diese Mängel der Ursprache, dass sie die Aufmerksamkeit
-nicht erregt, sondern sie schon voraussetzt, dass sie
-nur in der Nähe und am Tage anwendbar ist, entstand nothwendig
-<em class="italic">die Aufgabe, dieselbe in eine blosse Gehörsprache zu
-verwandeln</em>.
-</p>
-
-<p>
-Wie soll nun aber diese Aufgabe gelöst werden? Wie
-soll der Mensch Gegenstände, die sich durch den Ton nicht
-charakterisiren, durch Töne bezeichnen? Der Hirt wird sein
-Vieh, und die Feinde desselben, den Löwen, den Tiger, den
-Wolf, durch die Nachahmung ihrer Stimmen bezeichnen. Aber
-wie soll er einen Fisch, Vegetabilien und andere Gegenstände,
-welche uns die Natur nicht durch Töne ankündigt, fürs Gehör
-bezeichnen?
-</p>
-
-<p>
-Dazu kommt noch, dass, so wie sich allmählig die Bedürfnisse
-der Menschen vermehren, auch immer mehr Dinge in Gebrauch
-kommen, z. B. Zelte, Netze und andere Werkzeuge, die,
-ihrer Natur nach, keinen Ton von sich geben. Und doch soll
-auch für diese ein bezeichnender Laut gefunden werden.
-</p>
-
-<p>
-Man beruft sich gewöhnlich, um die Erfindung solcher Bezeichnungen
-zu erklären, auf Verabredung: man nimmt an, die
-Menschen, in einer Lage, die ihnen eine Gehörsprache nothwendig
-machte, wären übereingekommen, diesen Gegenstand
-<em class="italic">Fisch</em>, jenen <em class="italic">Netz</em> zu nennen u. s. w. Allein dies ist grundlos.
-Denn erstlich: wie sollte man auch nur auf den Einfall gekommen
-seyn, Gegenstände durch willkürliche Töne bezeichnen zu
-wollen, nachdem man sie bisher immerfort durch natürliche
-<a id="page-313" class="pagenum" title="313"></a>
-<a id="pagehdr-313" class="orig-page" title="272"></a>
-Zeichen ausgedrückt hatte? Dann: wie kam es, dass derjenige,
-welcher die Töne vorschlug, sie selbst nicht wieder vergass,
-oder noch mehr &mdash; dass sie von der ganzen Horde behalten
-wurden? Endlich: wie wäre es denkbar, dass eine
-Menge ungebundener Menschen sich dem Ansehen eines Einzigen
-unbedingt unterworfen &mdash; dass sie einen Vorschlag, der
-sich auf nichts, als die Willkür dieses Einzigen gründete, so
-willig angenommen hätten?
-</p>
-
-<p>
-Noch ist bei der ganzen Deduction der Sprache, und insbesondere
-bei der gegenwärtigen Untersuchung, wohl zu merken,
-dass die verschiedenen Momente der Erfindung und Modification
-einer Sprache nicht so schnell auf einander gefolgt
-sind, als sie hier erzählt werden. Wer weiss, wie viel tausend
-Jahre verflossen sind, ehe die Ursprache Sprache fürs
-Gehör wurde?
-</p>
-
-<p>
-Ferner ist es durch die Erfahrung bestätigt, dass die Sprachen
-sich immer ändern, immer neue Modificationen annehmen;
-dass aber diese Veränderlichkeit nach Maassgabe der Cultur,
-welche eine bestimmte Sprache hat, sich stärker oder schwächer
-äussert. Vorzüglich zeigt sich durch Erfahrung, dass die
-Sprache sich am meisten bei einem Volk ändert, das noch
-nicht schreibt, sondern bloss spricht; weil der ursprüngliche
-Ton eines Zeichens, wenn er einmal verloren gegangen ist,
-nirgends wieder aufgefunden werden kann. Wo aber geschrieben
-wird, da wird der Ton festgehalten, und es lässt
-sich immer wieder bestimmen, wie ein Wort ausgesprochen
-werden muss. Durch Erfindung der Buchstaben wurde also
-die Sprache sehr befestigt.
-</p>
-
-<p>
-Eine lebende Sprache verändert sich demnach immer im
-umgekehrten Verhältniss mit ihrer Cultur: je mehr Ausbildung
-sie erhalten hat, desto weniger rückt sie vorwärts, je uncultivirter
-sie noch ist, desto mehr modificirt sie sich; und sie verändert
-sich am stärksten, wenn ihre Laute noch nicht durch
-Schriftzeichen festgehalten werden. Diese Bemerkung brauchen
-wir, um uns zu erklären, wie die Ursprache sich in Gehörsprache
-verwandelt hat.
-</p>
-
-<p>
-Nach diesen Vorerinnerungen kommen wir zur Beantwortung
-<a id="page-314" class="pagenum" title="314"></a>
-<a id="pagehdr-314" class="orig-page" title="287"></a>
-der Frage selbst: wie liess sich <em class="italic">Hieroglyphensprache</em> in
-<em class="italic">Gehörsprache</em> umschaffen?
-</p>
-
-<p>
-In der Ursprache mussten bald die Zeichen fürs Gehör,
-welche Nachahmung natürlicher Töne waren, z. B. die Bezeichnung
-des Löwen, des Tigers u. s. w., die durch das ihnen
-eigenthümliche Gebrüll ausgedrückt wurden, merkliche Veränderungen
-leiden. Bei einem Volke, das &mdash; wie von den Stämmen
-der Wilden bekannt ist &mdash; die Zusammenkünfte liebt, in
-Gesellschaft arbeitet und schmaust u. s. w., wird es leicht dahin
-kommen, dass Ein Mensch durch die Ueberlegenheit seines
-Geistes einen Vorzug vor den übrigen behauptet, und, ohne
-durch Stimmen dazu erwählt zu werden, den Heerführer im
-Kriege, und in ihren Versammlungen den Sprecher vorstellt.
-Ein solcher Mensch, auf dessen Reden man vorzüglich achtet,
-wird sich durch Gewohnheit eine Geläufigkeit im Sprechen erwerben,
-und durch diese Geläufigkeit bald dahin kommen,
-dass er die Dinge nur flüchtig bezeichnet, sich es nicht übel
-nimmt, den oder jenen Ton im Reden zu überspringen. Man
-wird sich an diese Abweichung bald gewöhnen, und diese
-flüchtigere Bezeichnung leicht verstehen lernen. Allmählig wird
-er sich von der eigentlichen Nachahmung der natürlichen Töne
-immer mehr entfernen, seine Bezeichnung wird nach und nach
-flüchtiger, kürzer und leichter werden; so dass sich &mdash; vielleicht
-nach einem Zeitraum von einigen Jahrzehnden schon &mdash; zwischen
-seiner Bezeichnung eines Gegenstandes und dem natürlichen
-Ton, durch welchen sich dieser dem Gehör ankündigt,
-kaum noch eine Aehnlichkeit wird entdecken lassen. Die Anderen,
-die sich bemühen, diese leichteren Gehörzeichen verstehen
-zu lernen, werden es bald bequemer finden, diese Art
-zu sprechen, die sich durch ihre grössere Leichtigkeit empfiehlt,
-auch nachzuahmen.
-</p>
-
-<p>
-Je weiter nun die Menschen in dieser von der Natur sich
-entfernenden Bezeichnungsart fortgingen, desto lebhafter musste
-sich ihnen, selbst bei der flüchtigsten Aufmerksamkeit auf sich
-selbst und ihre Art, sich auszudrücken, die Bemerkung aufdringen,
-dass, da man Dinge fürs Gehör auf eine andere Art,
-als sie von Natur tönen, ausdrücken könne, man vielleicht auch
-<a id="page-315" class="pagenum" title="315"></a>
-<a id="pagehdr-315" class="orig-page" title="288"></a>
-Dinge, die an sich tonlos sind, durch einen Ton bezeichnen
-könnte. &mdash; Welchen Weg musste man nun einschlagen, um
-diesen Gedanken zu realisiren?
-</p>
-
-<p>
-Wenn auch gewisse Dinge sich nicht ausdrücklich unserem
-Ohr ankündigen, so kömmt ihnen doch zufälligerweise, unter
-besonderen Umständen, ein Ton zu. Z. B. der <em class="italic">Reif</em> hat an sich
-keinen Ton, wenn man aber über denselben weggeht, so entsteht
-ein gewisses charakteristisches Rauschen, von welchem
-er leicht benannt werden konnte: der <em class="italic">Wald</em> tönt an sich nicht,
-wohl aber, wenn man durchs Gesträuche geht, u. s. w. Oft
-konnte auch ein Zufall, welcher sich ereignete, als gerade ein
-Mensch mit der Betrachtung eines Gegenstandes sich beschäftigte,
-die Erfindung eines Tons für denselben veranlassen. Z. B.
-jemand sah eine Blume, indem flog eine Biene, welche Honig
-aus derselben gesaugt hatte, sumsend davon; er sah beides
-noch nie, in seiner Phantasie vereinigte sich jetzt das Sumsen
-mit dem Gedanken an die Blume, und diese Verbindung leitete
-ihn sehr natürlich darauf, für die Blume und Biene eine Bezeichnung
-zu finden.
-</p>
-
-<p>
-Auf diese Weise kam man darauf, Dinge nach gewissen,
-zufällig mit ihnen verbundenen, oder auf sie bezogenen Tönen
-zu benennen. Man denke sich nun den Trieb, eine Zeichensprache
-in Gehörsprache umzuschaffen, selbst dann noch in
-fortdauernder Wirksamkeit, als schon die bekanntesten Gegenstände
-&mdash; diejenigen, die im Kreise der täglichen Beschäftigungen
-des Menschen lagen, für das Ohr bezeichnet waren: so ist
-es sehr begreiflich, wie man endlich darauf geleitet wurde, auch
-Töne zu Bezeichnung eines Gegenstandes festzusetzen, zu welchen
-auch nicht einmal ein zufälliger Laut Veranlassung gab.
-Um die Bedeutung eines solchen Tones zu erklären, musste der
-Erfinder ihn durch andere schon bekannte Töne erläutern,
-durch deren Zusammensetzung er selbst neue Worte bilden
-konnte. So war es ihm leicht möglich, durch Zusammenstellung
-mehrerer Töne, deren Gegenstände mit dem zu bezeichnenden
-Objecte in gewisser Beziehung standen, seine Sprache mit neuen
-Bezeichnungen zu <em class="italic">bereichern</em>.
-</p>
-
-<p>
-Aber wer war es denn, der für die Erfindung und Ausbildung
-<a id="page-316" class="pagenum" title="316"></a>
-<a id="pagehdr-316" class="orig-page" title="290"></a>
-einer Gehörsprache zu sorgen hatte? und wie konnte
-eine solche willkürliche Bezeichnung, die von einem Individuum
-aufgestellt wurde und wozu in dem Gegenstande entweder gar
-keine oder nur eine zufällige Veranlassung war, als ein allgemeinverständlicher
-Ausdruck in Umlauf gebracht werden? Der
-Natur der Sache nach musste dieses Geschäft vorzüglich dem
-Hausvater und der Hausmutter einer Familie angehören, die
-bei ihren häuslichen Geschäften oft Gelegenheit hatten, mancherlei
-neue Töne zu erfinden, womit sie ihren Hausgenossen
-die Bearbeitung eines Gegenstandes in einem Ausdrucke auftragen
-konnten, den sie anfänglich durch Vorzeigung des Gegenstandes
-erklärten. Durch den häufigen Gebrauch wurden
-diese Ausdrücke dem Vater und der Mutter selbst geläufiger.
-</p>
-
-<p>
-Allein, wenn auch der Hausvater sich durch die von ihm
-erfundenen Bezeichnungen seiner Familie verständlich machte;
-wenn ihm auch z. B. sein Sohn, wenn er eine <em class="italic">Rose</em> verlangt
-hatte, die Blume brachte, welche er mit diesem Ausdruck
-meinte: wie sollte dies Wort in der ganzen Horde gemeinbekannt
-werden? Warum sollte doch der zweite und dritte
-Nachbar nicht die Freiheit gehabt haben, die <em class="italic">Rose</em> anders zu
-benennen? Mithin liesse sich aus dem Vorgetragenen nur erklären,
-wie die <em class="italic">Sprache der Familie</em> gebildet und erweitert
-wurde; nicht aber, wie die Sprache der ganzen Horde sich
-entwickeln konnte. &mdash; Dieser Einwurf lässt sich auf folgende
-Art auflösen.
-</p>
-
-<p>
-Es wird unter uncultivirten Völkern immer wenige geben,
-welche Kopf und Lust genug besitzen, sich mit Ausbildung der
-Sprache vorzüglich zu beschäftigen. Daher werden diejenigen,
-welche Fähigkeit und Neigung zu diesem mühsamen Geschäfte
-zeigen, schon dadurch bald über die Horde grossen Einfluss
-gewinnen. Wenn nun dieselbigen Menschen ausser diesem
-Verdienste auch noch andere Talente besitzen, die sie zur Besorgung
-der öffentlichen Angelegenheiten ihres Volkes geschickt
-machen (und dies lässt sich um so leichter annehmen, da die
-Menschen, wie wir sie hier uns denken, noch nicht durch
-äussere Verhältnisse zu einer einseitigen Bildung verleitet, leicht
-von mehreren Seiten zugleich sich auszeichnen konnten): so
-<a id="page-317" class="pagenum" title="317"></a>
-<a id="pagehdr-317" class="orig-page" title="291"></a>
-werden sie bald an der Spitze der Horde stehen, und in ihren
-Rathsversammlungen das Wort führen. Diese werden nun
-die Bezeichnungen, die sie für die Bedürfnisse ihrer Familie
-erfunden hatten, in die Volksversammlung bringen; man wird
-sie annehmen und fortbrauchen. Auf diese Art wird sich
-die Erfindung eines Hausvaters bald durch die ganze Horde
-verbreiten.
-</p>
-
-<p>
-Aber wie sollte man diese Ausdrücke immer verstehen
-und behalten? &mdash; Man muss sich nur nicht vorstellen, dass
-dies alles auf einmal und plötzlich geschehen sey. Der Sprecher
-brachte nicht etwa ganze Reihen neuer Töne vor, die er
-auf einmal zu behalten ausdrücklich aufgab; sondern die Ausdrücke
-kamen im Fluss der Rede einzeln vor, und waren,
-wenn auch nicht an sich, doch durch den Zusammenhang mit
-anderen bekannten Worten verständlich. Aller Augen und
-Ohren sind auf den Redner gerichtet; man merkt genau auf
-ihn, prägt sich das Gehörte sorgfältig ein, und gebraucht die
-gelernten Zeichen nachher auch in seiner <a id="corr-14"></a>Familie.
-</p>
-
-<p>
-Bisher waren wir beschäftigt, zu zeigen, wie <em class="italic">einzelne Gegenstände</em>
-fürs Gehör bezeichnet wurden. Mit mehreren Schwierigkeiten
-wird die uns nun bevorstehende Untersuchung über
-Bezeichnung <em class="italic">allgemeiner Begriffe</em> verbunden seyn. Es giebt in
-der Wirklichkeit keinen Gegenstand, der, ausser dem Merkmale
-seines Geschlechts, nicht auch das Merkmal einer besonderen
-Gattung dieses Geschlechts an sich trüge. Es giebt zum
-Beispiel keinen Gegenstand, von welchem sich weiter nichts
-sagen liesse, als dass er ein <em class="italic">Baum</em>, und nicht zugleich, dass
-er etwa eine <em class="italic">Birke</em>, <em class="italic">Eiche</em>, <em class="italic">Linde</em> u. s. w. sey. Wie kam man
-demnach darauf, <em class="italic">allgemeine Begriffe</em>, z. B. den des Baumes,
-auszudrücken?
-</p>
-
-<p>
-Zu Bezeichnungen der <em class="italic">Gattungsbegriffe</em> gelangte man sehr
-leicht. Ein Hausvater zeigte einem seiner Kinder eine Blume,
-die er <em class="italic">Rose</em> nannte. Bald darauf schickt er es, ihm die Rose
-zu holen. Das Kind hatte mit diesem Tone gewiss den Begriff
-jener bestimmten individuellen Blume verbunden, welche ihm
-der Vater gezeigt hatte. Es findet aber die bestimmte Blume
-nicht mehr, doch erblickt es daneben eine Blume von gleicher
-<a id="page-318" class="pagenum" title="318"></a>
-<a id="pagehdr-318" class="orig-page" title="293"></a>
-Gestalt, welche dem Kinde nun auch Rose heisst. Es reisst
-sie ab und bringt sie dem Vater, der die Blume als Rose anerkennt.
-So kommen beide überein, dass der Schall Rose
-nicht bloss jenen einzelnen Gegenstand auf jener bestimmten
-Stelle, sondern überhaupt alle Blumen von derselben Gestalt,
-derselben Farbe, demselben Geruche bedeute. &mdash; So war vielleicht
-in der gleichen Zeitreihe mit dem ersten Versuche einer
-Gehörsprache die Bezeichnung der Gattungsbegriffe möglich. &mdash;
-Richtig ist überhaupt, dass die Gattungsbegriffe sich eher entwickelten,
-als die des Geschlechts, weil, um sich die letzteren
-zu denken, ein höherer Grad von Abstraction erfordert wird.
-Folglich mussten auch wohl die Bezeichnungen für jene früher
-entstanden seyn, als die Bezeichnungen für die letzteren. Auch
-ist kein so dringendes Bedürfniss da, den <em class="italic">Geschlechtsbegriff</em> &mdash;
-z. B. den des <em class="italic">Baums</em> zu bezeichnen, als etwa die <em class="italic">Gattungsbegriffe
-Birke, Eiche</em> u. s. w.
-</p>
-
-<p>
-Diejenigen Namen von <em class="italic">Gattungsbegriffen</em>, denen das Zeichen
-des Geschlechtsbegriffs, zu welchem sie gehören, nicht
-angehängt ist, sind gewiss früher erfunden worden, als die
-Namen ihrer <em class="italic">Geschlechtsbegriffe</em>; hingegen, wo man den Ausdrucke
-eines Gattungsbegriffs die Bezeichnung seines Geschlechts
-beigefügt findet, da ist der erstere gewiss später erfunden worden.
-So sagt man nicht Birken<em class="italic">baum</em>, Fichten<em class="italic">baum</em>, weil die
-Namen dieser Gattungen von Bäumen früher waren, als die
-Bezeichnung des Geschlechts. Hingegen sagt man Birn<em class="italic">baum</em>,
-Apfel<em class="italic">baum</em>, Nuss<em class="italic">baum</em> u. s. w., weil hier der Gattungsbegriff
-später zu unserer Kenntniss kam, als der seines Geschlechts.
-Denn es ist bekannt, dass diese Gattungen von Bäumen in
-Deutschland nicht einheimisch, sondern erst zu uns gebracht
-worden sind, da schon die wilden Baumarten, und das Geschlecht
-selbst bezeichnet war. Man nannte demnach die nun
-eingeführten fremden Bäume, ehe man einen bestimmten Namen
-für sie wusste, mit dem Geschlechtsworte: <em class="italic">Bäume</em>. Die
-Frucht hatte indess schon vorher einen Namen, den man vielleicht
-durch die Kaufleute erfahren hatte, und so entstand denn
-der Ausdruck: Apfelbaum, Birnbaum u. s. w.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-319" class="pagenum" title="319"></a>
-<a id="pagehdr-319" class="orig-page" title="294"></a>
-Sehr abstracte Begriffe wurden erst ganz spät benannt,
-und die Zeichen derselben sind öfters vorher Zeichen der Gattung
-gewesen. &mdash; Einer der allerabstractesten Begriffe ist der
-eines <em class="italic">Dinges</em>; durch welches Wort ein <em class="italic">Seyendes überhaupt</em> bezeichnet
-wird. Im Deutschen ist die Ableitung dieses Wortes
-weniger verwickelt, als im Lateinischen, da das Wort <em class="italic">Ens</em> in
-dieser Sprache nicht das Existiren, sondern den reinen Begriff
-des Seyns ausdrückt. Im Deutschen hiess wohl anfänglich alles,
-was als Werkzeug zu etwas gebraucht wird, ein <em class="italic">Ding</em>.
-Dies sieht man bei Kindern und ungebildeten Menschen, die
-anstatt des eigentlichen Ausdrucks (wenn sie etwas entweder
-noch nicht kennen, oder sich dessen nicht sogleich entsinnen
-können) z. B. für <em class="italic">Feder</em> sagen: ein <em class="italic">Ding</em>, womit man schreibt.
-&mdash; Diese Bedeutung des Wortes <em class="italic">Ding</em> bestätigt sich dadurch,
-dass es sehr nahe mit <em class="italic">Düng</em> und <em class="italic">Dung</em> zusammenhängt, und
-auch sonst oft damit verwechselt wurde. Z. B. bei Luther
-kommt das Wort Ding häufig als Endung eines Wortes vor;
-als, statt <em class="italic">Deutung</em> &mdash; <em class="italic">Deutding</em> u. s. w., und wenn man in den
-älteren Denkmälern unserer Sprache nachforschen wollte, so
-würde man es noch öfter in dieser Gestalt finden. Nach und
-nach schob man nun diesem Worte einen höheren Sinn unter,
-und so wurde endlich aus der Bezeichnung eines Gattungsbegriffs,
-aus dem Ausdrucke für ein Etwas, das zum Behuf eines
-anderen da ist, die Bezeichnung eines der allgemeinsten Begriffe,
-die Bezeichnung eines <em class="italic">Etwas überhaupt</em>.
-</p>
-
-<p>
-Noch mehr Schwierigkeit findet sich bei der Erklärung
-des Wortes <em class="italic">seyn</em>. <em class="italic">Seyn</em> drückt den höchsten Charakter der
-Vernunft aus, und der Mensch muss sehr ausgebildet seyn, um
-sich zu der reinen Vorstellung desselben erheben zu können.
-Da wir indess die Worte: <em class="italic">seyn</em>, ich <em class="italic">bin</em>, du <em class="italic">bist</em> u. s. w. auch
-in den Sprachen uncultivirter Völker antreffen, so kann es
-wohl jene hohe, nur der schärfsten Abstraction zugängliche
-Idee nicht seyn, was ursprünglich durch diese Zeichen ausgedrückt
-wurde. Sie bezeichnen in jenen früheren Perioden
-einer Sprache &mdash; was sie auch uns in den meisten Fällen, wo
-wir uns ihrer bedienen, bedeuten &mdash; das <em class="italic">Dauernde</em> im Gegensatz
-des <em class="italic">Wandelbaren</em>, oder den <em class="italic">sinnlichen Begriff der Substanz</em>.
-<a id="page-320" class="pagenum" title="320"></a>
-<a id="pagehdr-320" class="orig-page" title="295"></a>
-Es versteht sich, dass ich dieses Wort hier in dem
-Sinne nehme, in welchem man es vor der Wissenschaftslehre
-genommen hat, und nehmen musste. Ich erkläre den Begriff
-der <em class="italic">Substanz</em> transscendental nicht durch das <em class="italic">Dauernde</em>, sondern
-durch <em class="italic">synthetische Vereinigung aller Accidenzen</em>. Die
-Dauer ist nur ein sinnliches Merkmal der Substanz, welches
-man aus dem Zeitbegriff hineinträgt. Offenbar ist nicht das
-Dauernde, sondern nur das Wandelbare Gegenstand unserer
-Wahrnehmungen. Denn da jede äussere Vorstellung nur durch
-ein Afficirtwerden entsteht, welches nur dadurch möglich ist,
-dass ein Eindruck auf unser Gefühl geschieht, folglich eine
-Veränderung in uns veranlasst wird: so ist klar, dass jeder
-Gegenstand, dessen wir uns bewusst werden sollen, sich uns
-durch und in einer Veränderung ankündigen müsse. Etwas
-Bleibendes ist demnach nicht wahrnehmbar; aber wir müssen
-alle Verwandlung auf etwas Bleibendes beziehen &mdash; auf ein
-dauerndes Substrat, welches aber nur ein Product der Einbildungskraft
-ist. Auf dieses Substrat wird nun das Wort <em class="italic">seyn</em>
-oder <em class="italic">ist</em> angewendet. Keine Handlung unseres Geistes wäre
-ohne ein solches Substrat, und ohne eine Bezeichnung für dasselbe
-keine Sprache möglich. Daher kömmt das Wort <em class="italic">seyn</em>
-in einer Sprache vor, sobald sie nur anfängt, sich zu entwickeln.
-Aber es kömmt unter keiner anderen Bedeutung vor,
-als dass es das <em class="italic">Dauernde</em>, welches allem Wechsel zum Grunde
-liegt, anzeigt.
-</p>
-
-<p>
-Eine andere noch schwierigere Untersuchung, welche wir
-anzustellen haben, betrifft die Erfindung von Zeichen für <em class="italic">geistige
-Begriffe</em>. Zuvor muss der Begriff dagewesen seyn, ehe
-man eine Bezeichnung für ihn suchen konnte. Wir wollen also
-zuerst versuchen, den Weg, auf welchem jene Ideen sich entwickelten,
-ausfindig zu machen.
-</p>
-
-<p>
-So lange der Mensch, durch Nothdurft getrieben, nur um
-Befriedigung sinnlicher Bedürfnisse bekümmert ist, wird er zum
-Nachdenken, und insbesondere zur Entwickelung geistiger Begriffe
-keine Zeit haben. Sobald aber die Sinnlichkeit bis zu
-einem gewissen Grade ausgebildet ist, und der Mensch sich
-eine Geschicklichkeit erworben hat, sich seine Bedürfnisse leicht
-<a id="page-321" class="pagenum" title="321"></a>
-<a id="pagehdr-321" class="orig-page" title="297"></a>
-zu verschaffen, wird er auch durch den der Seele einwohnenden
-Trieb des Fortschreitens angeleitet werden, geistigen Ideen
-nachzuforschen. Er wird gewohnt, eine sinnliche Erscheinung
-sich aus einer anderen, und diese wieder aus einer dritten zu
-erklären. Wenn ihm nun bei diesem Erklärungsgeschäft eine
-und dieselbe Erscheinung sehr oft vorkommt, so wird er diese,
-als die letzte Ursache aller übrigen, annehmen. Hier wird
-seine Forschung vielleicht eine Zeitlang befriedigt stillestehen;
-aber bald wird er auch von der Erscheinung, welche ihm bis jetzt
-letzte Ursache war, wieder den Grund aufsuchen, und so
-zuletzt aus dem Sinnlichen zum Uebersinnlichen übergehen
-müssen. &mdash; So ist nach und nach das Urtheil entstanden: es
-<em class="italic">ist</em> eine Welt, mithin <em class="italic">auch</em> ein Gott.<a class="fnote" href="#footnote-35" id="fnote-35">[35]</a>
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-322" class="pagenum" title="322"></a>
-<a id="pagehdr-322" class="orig-page" title="298"></a>
-Hat sich aber der gemeine Verstand einmal zu der Idee
-einer übersinnlichen Ursache der Welt erhoben, so entdeckt er
-von diesem hohen Gesichtspuncte aus bald auch die übrigen
-geistigen Ideen: der <em class="italic">Seele</em>, <em class="italic">Unsterblichkeit</em>, u. s. w.
-</p>
-
-<p>
-So wie sich nun bei einem Menschen diese Ideen mehr
-und mehr aufklärten, regte sich auch in ihm der Trieb, andere
-mit dem, was er erforscht hatte, bekannt zu machen; denn nie
-ist der Trieb, sich mitzutheilen, lebhafter, als bei neuen und
-erhabenen Gedanken. Es mussten also auch Zeichen für jene
-Vorstellungen aufgefunden werden. Diese Zeichen finden sich
-bei übersinnlichen Ideen aus einem in der Seele des Menschen
-liegenden Grunde sehr leicht. Es giebt nemlich in uns eine
-Vereinigung sinnlicher und geistiger Vorstellungen durch die
-Schemata, welche von der Einbildungskraft hervorgebracht
-werden. Von diesen Schematen wurden Bezeichnungen für
-geistige Begriffe entlehnt. Nemlich das Zeichen, das der sinnliche
-Gegenstand, von welchem das Schema hergenommen
-wurde, in der Sprache schon hatte, wurde auf den übersinnlichen
-Begriff selbst übergetragen. Diesem Zeichen lag nun
-freilich eine Täuschung zum Grunde, aber durch dieselbe Täuschung
-wurde es auch verstanden, weil bei dem anderen, welchem
-der geistige Begriff mitgetheilt wurde, an dem gleichen
-Schema auch der gleiche Gedanke hing. &mdash; So muss, um ein
-recht auffallendes Beispiel zu geben, die Seele, das Ich, als
-unkörperlich gedacht werden, insofern es der Körperwelt entgegengesetzt
-ist. Wenn es aber vorgestellt werden soll, so
-muss es ausser uns gesetzt, folglich unter die Gesetze, nach
-welchen Gegenstände ausser uns vorgestellt werden, unter die
-Formen der Sinnlichkeit gebracht, und mithin im Raume vorgestellt
-werden. Hier ist ein offenbarer Widerstreit des Ich
-<a id="page-323" class="pagenum" title="323"></a>
-<a id="pagehdr-323" class="orig-page" title="300"></a>
-mit sich selbst: die Vernunft will, dass das Ich als unkörperlich
-vorgestellt werde, und die Einbildungskraft will, dass es
-nur als den Raum erfüllend, als körperlich erscheine. Diesen
-Widerspruch sucht der menschliche Geist dadurch zu heben,
-dass er etwas, als Substrat des Ich, annimmt, das er allem,
-was er als grobkörperlich kennt, entgegensetzt. Also wird der
-Mensch, wenn er noch gewohnt ist, Materialien zu seinen Vorstellungen
-vorzüglich durch den Sinn des Gesichts zu erhalten,
-zu einer Vorstellung des Ich einen solchen Stoff wählen, der
-nicht in die Augen fällt, den er aber sonst wohl spürt, z. B.
-die <em class="italic">Luft</em>, und wird die Seele <em class="italic">Spiritus</em> nennen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Art der Bezeichnung verfeinert sich nach Maassgabe
-der Verfeinerung der Begriffe. Eine Philosophie, die alles aus
-Wasser entstehen lässt, und folglich Wasser für das erste und
-feinste Element hält, würde die Seele durch <em class="italic">Wasser</em> bezeichnen.
-Bei zunehmender Verfeinerung der Begriffe wird sie durch
-Luft, <em class="italic">anima</em>, <em class="italic">spiritus</em>, ausgedrückt; und bei noch höherer Cultur,
-wenn man schon von Aether hört, wird man sie durch
-<em class="italic">Aether</em> bezeichnen. &mdash; Auf diese Art werden für geistige Begriffe
-Bezeichnungen gefunden.
-</p>
-
-<p>
-Die Uebertragung sinnlicher Zeichen auf übersinnliche Begriffe
-ist indess Ursache einer Täuschung. Der Mensch wird
-nemlich durch diese Bezeichnungsart leicht veranlasst, den geistigen
-Begriff, welcher auf eine solche Weise ausgedrückt worden
-ist, mit dem sinnlichen Gegenstande, von welchem das
-Zeichen entlehnt wird, zu verwechseln. Der Geist wurde z. B.
-durch ein Wort bezeichnet, welches den <em class="italic">Schatten</em> ausdrückt:
-sogleich denkt sich der ungebildete Mensch den Geist als etwas,
-das aus Schatten bestehe. Daher der Glaube an Gespenster,
-und vielleicht die ganze Mythologie von <em class="italic">Schatten
-im Orcus</em>.
-</p>
-
-<p>
-Die Täuschung war aber unvermeidlich; man konnte jene
-Begriffe nicht anders bezeichnen. Wer demnach seine Denkkraft
-noch nicht genug geübt hatte, um dem gebildeten Geiste
-des Forschers, der zuerst jene geistigen Ideen in sich entwickelte,
-in seinen schärferen Abstractionen folgen zu können,
-der konnte auch unmöglich den Sinn fassen, in welchem jener
-<a id="page-324" class="pagenum" title="324"></a>
-<a id="pagehdr-324" class="orig-page" title="301"></a>
-die bildlichen Ausdrücke verstand. Ein solcher glaubte also,
-es wäre bloss von den sinnlichen Gegenständen, von welchen
-die vorgetragenen Zeichen entlehnt waren, die Rede, und dachte
-sich also die geistigen Gegenstände sehr materiell. &mdash; Daher
-entsteht auch nicht aller Aberglaube durch Betrügerei, sondern
-dadurch, dass geistige Ideen nicht anders, als durch sinnliche
-Worte ausgedrückt werden konnten, und dass derjenige, der
-sich nicht bis zum Bezeichneten erheben konnte, bei dem ersten
-rohen Zeichen stehen blieb.
-</p>
-
-<p>
-Bisher beschäftigte sich unsere Untersuchung bloss mit der
-Frage: wie kamen die Menschen darauf, einzelne Gegenstände
-durch in die Sinne fallende Zeichen auszudrücken? Wir haben
-also bloss die Entstehung der <em class="italic">Worte</em> untersucht. Aber Worte
-allein machen noch keine Sprache aus. Sprache besteht aus
-der Zusammenfügung mehrerer Worte zur Bezeichnung eines
-bestimmten Sinnes. Auch erhalten die einzelnen Worte erst
-durch diese Zusammenfügung, durch den Ort, welchen sie in
-der Verbindung mit mehreren anderen einnehmen, völlige Verständlichkeit
-und Brauchbarkeit zur Bezeichnung unserer Gedanken.
-Wenn ich zu jemand sage: <em class="italic">Rose</em> &mdash; so wird bei ihm
-nichts, als die blosse Vorstellung der Rose hervorgebracht werden.
-Wenn ich ihm aber sage: <em class="italic">bringe mir die Rose</em>; so weiss
-er bestimmt, was ich gedacht habe, und was ich will, dass
-er thun soll. &mdash; Zu einer vollständigen Erklärung des Ursprungs
-der Sprache ist daher auch erforderlich, die Entstehung
-jener Zusammenfügung mehrerer Worte, d. h. der <em class="italic">Grammatik</em>
-zu zeigen.
-</p>
-
-<p>
-So irrig es ist, zu glauben, dass die willkürlichen Bezeichnungen
-der Gegenstände durch eine besondere Uebereinkunft
-der miteinander vereinigten Menschen gebildet worden seyen,
-so irrig ist es auch, anzunehmen, dass Grammatik durch Verabredung
-entstanden sey. Eine Verabredung zu einem solchen
-Zweck setzt einen Grad von Geistesbildung, und insbesondere
-von Philosophie der Sprache voraus, der bei den Menschen auf
-der Stufe der Cultur, auf der wir sie hier uns denken müssen,
-gar nicht stattfinden konnte. &mdash; Vielmehr muss die Ableitung
-der Grammatik ebenfalls von einem, in dem Wesen des Menschen
-<a id="page-325" class="pagenum" title="325"></a>
-<a id="pagehdr-325" class="orig-page" title="303"></a>
-liegenden Grunde, von der natürlichen Anlage zum Sprechen
-ausgehen, und zeigen, wie diese Anlage durch das Bedürfniss
-geweckt, und nach und nach auf die Erfindung der
-verschiedenen Arten der Wortfügung geleitet wurde.
-</p>
-
-<p>
-Die ersten Wörter waren gewiss ganze Sätze: sie fassten,
-vielleicht in einer einzigen Sylbe, welche wiederholt werden
-konnte, ein Substantiv und ein Zeitwort in sich. Z. B. die Nachahmung
-des Löwengebrülls deutete der Horde an, es komme
-ein Löwe. &mdash; Man hat behauptet: die ersten Worte seyen <em class="italic">Zeichen
-des Vergangenen</em> gewesen. Dies lässt sich aber nicht
-wohl annehmen: denn, wenn diese Worte das Geschehene hätten
-bezeichnen sollen, so müssten vergangene und gegenwärtige
-Zeit schon genau von einander abgesondert gewesen seyn,
-und zum Behuf dieser Unterscheidung beide ein bestimmtes
-Zeichen gehabt haben. Die ersten Worte waren vielmehr so
-unbestimmt als möglich; sie bezeichneten keine bestimmte Zeit,
-sondern waren bloss <em class="italic">aoristisch</em>: es wurde das Vergangene
-und Gegenwärtige zugleich ausgedrückt. Z. B. ein Löwe will
-eine Horde anfallen. Dies kündigt der, welcher es sieht, durch
-ein Geschrei an, und drückt dadurch die <em class="italic">vergangene</em>, <em class="italic">gegenwärtige</em>
-und <em class="italic">zukünftige</em> Zeit zugleich aus; denn er zeigt dadurch
-an, dass er den Löwen gesehen habe, dass er sie darauf
-aufmerksam machen, und ihnen die Folgen von dessen Annäherung
-anzeigen wolle, damit sie sich zu gemeinschaftlicher
-Vertheidigung rüsten können.
-</p>
-
-<p>
-Also die ersten Worte fassten in sich ein Substantiv und
-ein Zeitwort: das Tempus war der Aorist, die Person ganz gewiss
-die dritte; denn die Ursprache fängt an mit dem Erzählen,
-und der Ton der Erzählung redet in der dritten Person. &mdash;
-Die ersten Zeitwörter waren weder Activa, noch Passiva, sondern
-Neutra. Denn das Neutrum bezeichnet einen Zustand,
-der durch sich selbst bestimmt ist, der folglich auch, seiner
-Einfachheit wegen, am frühesten zum Bewusstseyn und zur Bezeichnung
-kommen musste.
-</p>
-
-<p>
-Für alles das, was wir hier über die ursprüngliche Gestalt
-der Zeitwörter sagen, können die Wurzelwörter der orientalischen
-Sprachen zur Bestätigung dienen; diese sind Neutra,
-<a id="page-326" class="pagenum" title="326"></a>
-<a id="pagehdr-326" class="orig-page" title="304"></a>
-haben aoristische Zeitbedeutung, und gehen von der dritten
-Person aus.
-</p>
-
-<p>
-Jedes Ding wurde in der Ursprache durch seine höchste
-Eigenthümlichkeit ausgedrückt. Diese höchste Eigenthümlichkeit
-eines Gegenstandes bestand wohl in demjenigen, wodurch sich
-dieser Gegenstand dem Bewusstseyn der rohen Naturmenschen
-am lebhaftesten ankündigte. Dieses Auffallende an einem Dinge
-konnte nun schon an sich ein Ton seyn, und dann ahmte man
-denselben nach, um den Gegenstand, dem er angehörte, zu
-bezeichnen. Wenn es sich aber ursprünglich einem anderen
-Sinne, als dem Gehör entdeckte, so suchte man auf die oben
-beschriebene Art einen Ton, welcher mit jener ausgezeichneten
-Eigenschaft in Beziehung stand, um auf diese Art wenigstens
-mittelbar den Gegenstand durch seine Eigenthümlichkeit
-zu bezeichnen. Nun sollten aber noch andere Eigenschaften,
-die einem Gegenstande zukommen, auf Veranlassung der Umstände,
-auch ausgedrückt, als demselben zugehörig dargestellt
-werden. So wurde der <em class="italic">Löwe</em> durch Nachahmung seines Gebrülls
-angedeutet. Jetzt sollte ihm aber noch ein anderes Prädicat
-zugeschrieben werden, welches ihm zufällig zukam. In
-diesem Falle musste der Ton, welcher den Löwen bezeichnete,
-verbunden werden mit einem anderen, durch welchen die zweite
-Eigenschaft bezeichnet werden sollte. Z. B. es sollte ausgedrückt
-werden: <em class="italic">der Löwe schläft</em>: hier musste das Zeichen des Löwen
-mit dem des Schlafs (etwa mit dem Tone des Schnarchens)
-zusammengesetzt werden; und dies hiess denn: &bdquo;der Löwe,
-der sonst brüllet, schläft.&ldquo; &mdash; Bei dieser Zusammensetzung
-konnte aber nicht so lange auf dem Tone des Löwen in der
-Aussprache verweilt werden, als sonst geschah, da man, unserer
-Voraussetzung zufolge, durch den Ton des Löwen den
-ganzen Satz: <em class="italic">der Löwe kömmt</em>, ausgedrückt hatte, wo freilich
-der Ton, welcher hier den ganzen mitzutheilenden Gedanken
-bezeichnete, gedehnt und mit Nachdruck ausgesprochen werden
-musste. Allein wenn dieses Zeichen mit einem anderen,
-auf welchem der Hauptsinn des ganzen vorzutragenden Satzes
-liegt, und welches also auch in der Aussprache durch einen
-längeren und stärkeren Ton unterschieden werden musste,
-<a id="page-327" class="pagenum" title="327"></a>
-<a id="pagehdr-327" class="orig-page" title="305"></a>
-verbunden werden sollte, so musste jenes erste Zeichen kürzer
-und leichter ausgedrückt werden, so dass es mit dem folgenden
-gleichsam in Ein Wort zusammenfloss. Auf diese Art
-entsteht aus einem Zeitworte ein Particip, das durch öfteren
-Gebrauch, vielleicht auch durch Hinzukunft einiger äusserer
-Zeichen sich leicht in ein Substantiv verwandeln kann. Es gehört
-also zum ursprünglichen Charakter des Substantivs, dass
-ein solches Wort kürzer und zusammenfliessend mit dem folgenden
-Worte vorgetragen wurde.
-</p>
-
-<p>
-Daraus erhellt auch &mdash; was man sonst ebenfalls aus einer
-besonderen Verabredung erklären zu müssen glaubte &mdash; wie
-man darauf kommen musste, die Zeitwörter durch bestimmte
-Endsylben zu bezeichnen, und durch andere Endungen, z. B.
-<em class="italic">us</em>, <em class="italic">os</em> u. s. w., die Substantive zu charakterisiren. Nach unserer
-Deduction musste ein Wort, welches als Substantiv gebraucht
-werden sollte, den Satz eröffnen: und da das Wort,
-welches den Satz schloss, durchgängig den stärksten Ton erhielt,
-weil es denjenigen Begriff ausdrückte, auf dessen Mittheilung
-es hauptsächlich abgesehen war; so musste, weil unsere
-Kehle bei mehreren zugleich vorzutragenden Tönen nur Einen
-stärker aussprechen kann, nothwendig das Substantiv, als das
-vorangehende Wort, leichter und mit dem folgenden zusammenfliessend
-ausgedrückt werden; da hingegen das Zeitwort, welches,
-unserer Theorie gemäss, immer das letzte Wort in einem
-Satze war, sich dadurch auszeichnete, dass auf ihm der volle
-Ton ruhte.
-</p>
-
-<p>
-Wir gehen jetzt zu einer anderen Untersuchung fort, bei
-welcher uns, wie bei allen folgenden über die verschiedenen
-Arten der Wortfügung, die Aufschlüsse leiten werden, welche
-das soeben gefundene Resultat uns über die Entstehungsart fast
-aller Formen der Wortverbindung giebt. In dem vorher angeführten
-Falle sollte ein Gegenstand durch zwei Bestimmungen
-bezeichnet werden. Gesetzt nun aber, ein Gegenstand soll mit
-drei oder mehreren Bestimmungen zugleich ausgedrückt werden,
-es soll z. B. angedeutet werden: der schlafende Löwe ruht
-aus, so muss hier nach der von uns aufgestellten Regel der
-<em class="italic">Löwe</em>, als der Hauptbegriff im ganzen Satze, zuerst bezeichnet
-<a id="page-328" class="pagenum" title="328"></a>
-<a id="pagehdr-328" class="orig-page" title="307"></a>
-werden: hierauf folgt die nähere Bestimmung des Löwen, nemlich,
-dass er <em class="italic">schläft</em>: und zuletzt kömmt eine besondere Bestimmung
-dieses Schlafs &mdash; das <em class="italic">Ausruhen</em>. In dieser Verbindung
-muss demnach das Zeichen des Schlafs, welches in der vorher
-angeführten Zusammensetzung als das Hauptwort einen starken
-und gedehnten Ton hatte, abgekürzt, und zusammenfliessend
-mit dem Zeichen des Ausruhens, das hier den Hauptsinn des
-ganzen Satzes enthält, auf dem folglich in der Aussprache am
-längsten verweilt werden muss, vorgetragen werden.
-</p>
-
-<p>
-Man sieht ohne meine Erinnerung ein, dass in dieser Zusammensetzung
-die Bezeichnung des <em class="italic">Schlafs</em>, welche vorher ein
-<em class="italic">Zeitwort</em> war, auf dieselbe Art, wie in dem vorher aufgestellten
-Satze die Bezeichnung des Löwen, zu einem <em class="italic">Particip</em> geworden
-ist; woraus sich leicht, etwa durch einige äussere Modificationen,
-ein Adjectiv bilden kann. &mdash; So entstehen <em class="italic">Participien</em>,
-<em class="italic">Substantive</em> und <em class="italic">Adjective</em>. Aber man könnte fragen:
-warum ist aus manchen Bezeichnungen ein <em class="italic">Substantiv</em>, aus anderen
-ein <em class="italic">Adjectiv</em> entsprungen, da doch sowohl das eine, als
-das andere, sich aus einem Zeitworte, und durch die Zusammensetzung
-desselben mit einem anderen Zeitworte gebildet
-hat? &mdash; Die Antwort darauf liegt sehr nahe. Bei den ersten
-rohen Versuchen einer Wortfügung mochten nemlich Adjectiv
-und Substantiv nicht so streng unterschieden seyn, als wir sie
-jetzt in unseren Sprachen unterschieden finden: zumal, da die
-Verschiedenheit beider Bezeichnungsarten nicht sowohl auf inneren
-Merkmalen, als auf dem besonderen Gebrauche beruht,
-der von der einen und von der anderen gemacht wird. <em class="italic">Substantiv</em>
-war der Natur der Sache nach dasjenige Wort, welches
-den Hauptbegriff, oder das Subject eines Satzes bezeichnete:
-<em class="italic">Adjectiv</em> hingegen war jedes Wort, sobald es eine nähere Bestimmung
-des Hauptbegriffes auszudrücken gebraucht wurde.
-Auf diese Art konnte dasselbe Wort, wenn es in dem einen
-Satze das Subject der Rede, in dem anderen nur ein Prädicat
-dieses Subjects ausdrückte, bald in substantiver, bald in adjectiver
-Bedeutung vorkommen. &mdash; Die eigenthümliche Unterscheidung
-zwischen Substantiv und Adjectiv ist auch wohl erst später
-hinzugekommen. Für uns sind sie nun, nachdem durch
-<a id="page-329" class="pagenum" title="329"></a>
-<a id="pagehdr-329" class="orig-page" title="308"></a>
-gewisse äussere Merkzeichen der schwankende Unterschied
-zwischen beiden fixirt ist, scharf von einander abgeschnitten;
-aber in der Ursprache dürfen wir sie uns noch nicht ebenso
-von einander unterschieden denken.
-</p>
-
-<p>
-Aus dieser Gleichartigkeit ergiebt es sich auch, warum sich
-Substantiv und Adjectiv fast immer in den Endungen gleichen.
-Da beide durch Abkürzung des Stammwortes und durch Verkettung
-desselben mit einem anderen stärker und gedehnter
-auszudrückenden Worte entstehen, so folgt, dass sowohl das
-eine, als das andere mit einem Tone enden muss, der sich
-leicht dem folgenden Worte anschliessen lässt: da hingegen die
-Zeitwörter einen rauhen, harten Ton haben mussten, weil sie
-den Satz schliessen, und ihm den Nachdruck geben mussten.
-In cultivirten Sprachen werden freilich die Zeitwörter diesen
-rauhen Ton mehr oder weniger verlieren, weil sie dann ebenso
-oft in der Mitte, als am Ende eines Satzes vorkommen. Denn
-der gebildete Mensch begnügt sich nicht mit Sätzen, wie sie
-hier aufgestellt sind: mit der einfachen Zusammenstellung eines
-Substantivs, Adjectivs und Zeitworts. Sowie sich sein Geist
-mehr und mehr mit Vorstellungen bereichert, wird auch durch
-die mancherlei Bestimmungen, die er den vorgetragenen Begriffen
-als Erläuterungen beifügt, die Zusammensetzung verwickelter,
-der schlichte Satz zur Periode erweitert, und die ursprüngliche
-Wortfügung folglich verändert.
-</p>
-
-<p>
-Durch diese Zusammenfügung mehrerer Worte bildete sich
-auch allmählig ein eigenthümlicher Unterschied des Substantivs
-von dem Zeitwort, welche ursprünglich ein gemeinschaftliches
-Stammwort ausmachten, das einen Gegenstand und eine Handlung
-zugleich andeutete (wie nach dem oben angeführten Beispiele
-der ursprüngliche Ton, der den <em class="italic">Löwen</em> bezeichnete, zugleich
-auch die <em class="italic">Ankunft</em> des Löwen ausdrückte). In der Verbindung
-mit anderen Worten, wo es nicht mehr den ganzen
-Gedanken ausdrücken sollte, musste ein solches Wort nicht mit
-dem vollen Ton, sondern leicht und fliessend ausgesprochen
-werden, weil ein anderes Zeichen folgte, auf welches der Nachdruck
-gelegt werden musste. Durch einen solchen leichteren
-und kürzeren Ton konnte sich das Substantiv in der Folge
-<a id="page-330" class="pagenum" title="330"></a>
-<a id="pagehdr-330" class="orig-page" title="310"></a>
-überhaupt recht wohl von dem Zeitworte, von welchem es abstammte,
-unterscheiden, ohne dass im Ganzen die Aehnlichkeit
-verloren ging, welche selbst noch in unseren Sprachen zwischen
-Substantiv und Zeitwort, wenn sie aus derselben Quelle entsprungen
-sind, stattfindet.
-</p>
-
-<p>
-Hier noch etwas über die Stellung der Worte, welche zusammengefügt
-werden sollen. Wenn ausgedrückt werden soll:
-der Löwe schläft und ruht aus; so wird zuerst der ursprüngliche
-Ton des <em class="italic">Löwen</em>, hier in <em class="italic">substantiver</em> Bedeutung, d. h.
-nicht mit der ganzen Stärke des Tons als Hauptwort, sondern
-kürzer abgebrochen mit dem folgenden Ton zusammenfliessend,
-vorgetragen: zu diesem wird, als ein <em class="italic">Adjectiv</em>, der Ton des
-<em class="italic">Schlafens</em> hinzugefügt, und zuletzt kömmt das Zeitwort <em class="italic">ausruhen</em>.
-Der ursprünglichen Wortfügung gemäss, gehört also dem Substantiv
-der erste Platz. Wie kömmt es zu dieser Stelle? &mdash;
-Der Naturmensch hält sich im Vortrage seiner Gedanken genau
-an die Ordnung, in welcher die Vorstellungen in der Seele auf
-einander folgen. Immer kömmt aber im Denken das am wenigsten
-Bestimmte zuerst, und hierauf folgen die näheren und
-noch näheren Bestimmungen. Folglich musste auch in der Natursprache
-das für uns Unbestimmte, oder am wenigsten Bestimmte
-zuerst gesetzt werden, und die näheren Bestimmungen
-erst nachfolgen. Nun ist das <em class="italic">Substantiv</em> immer das Unbestimmteste:
-durch ein Adjectiv, das hinzukömmt, wird es näher,
-und durch das Zeitwort endlich nach der Absicht hinlänglich
-bestimmt.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Ordnung zufolge steht also in der Ursprache das
-Adjectiv immer nach dem Substantiv. Aber wir finden, dass
-diese Ordnung nach Maassgabe der Cultur der Sprachen sich
-ändert. Sobald eine Sprache nicht mehr bloss Natursprache
-ist und sich der Sprache der Vernunftcultur nähert, wird in ihr
-das Adjectiv bald vor bald nach gesetzt. Bei Homer z. B. finden
-wir meistens das Adjectiv nach dem Substantiv. In der
-lateinischen Sprache stehen die Adjective schon häufig voran.
-In der deutschen Sprache aber kann das Adjectiv niemals nach
-dem Substantiv gesetzt werden. Im Französischen setzt man
-auch das Adjectiv mehr vor als nach; wenn aber mehrere Adjective
-<a id="page-331" class="pagenum" title="331"></a>
-<a id="pagehdr-331" class="orig-page" title="311"></a>
-mit dem Substantiv verbunden werden sollen, so lässt
-man immer jene auf das letztere folgen, z. B. <em class="italic">un homme vertueux
-et bienfaisant</em>; welche Verbindungsart, um des Nachdrucks
-willen, der auf jedes der Adjective gelegt werden kann,
-allerdings einen entschiedenen Vorzug vor der deutschen hat.
-&mdash; Wie kann es in einer Sprache dahin kommen, dass das Adjectiv,
-jener Ordnung des Denkens gerade entgegen, zuerst gesetzt
-wird? &mdash; In dem Fortschritt der Cultur einer Sprache müssen
-die Wörter nicht mehr als einzelne gedacht werden, sondern
-mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und <a id="corr-15"></a>werden
-als Ein Begriff gedacht. So wird auch das Substantiv nicht
-mehr als einzelner Begriff gedacht, der nachher durch Adjective
-bestimmt werden solle, sondern er wird mit diesen sogleich
-zusammen gedacht als Ein Begriff, und jene können ihm
-also auch vorhergehen.
-</p>
-
-<p>
-Eine andere Frage, die wir jetzt zu untersuchen haben, betrifft
-die Entstehung des <em class="italic">Activs</em> und <em class="italic">Passivs</em>. Die ersten Zeitwörter
-waren <em class="italic">Neutra</em>. Aus dem ursprünglichen Neutrum lässt
-sich das <em class="italic">Activ</em> leicht entwickeln. Das <em class="italic">Neutrum</em> bezeichnet, wie
-wir schon bemerkt haben, einen <em class="italic">Zustand</em>, in welchem sich der
-Gegenstand der Rede befindet: bezieht man nun diesen Zustand
-auf ein anderes Object, welches mit demselben in Verbindung
-steht, so wird auch das Neutrum in ein <em class="italic">Activ</em> verwandelt.
-Z. B. in dem Satze: <em class="italic">der Löwe frisst</em> &mdash; drückt das
-Wort <em class="italic">fressen</em> einen durch sich selbst völlig bestimmten Zustand
-des Löwen aus, und hat also eine völlig neutrale Bedeutung.
-Sage ich aber: der <em class="italic">Löwe frisst das Schaaf</em>, so ist dieses Zeitwort
-ein <em class="italic">Activ</em>: denn hier wird die durch dasselbe dem Löwen
-zugeschriebene Handlung auf ihr Object bezogen.
-</p>
-
-<p>
-Aus eben diesem Beispiele erhellt auch, dass das Wort für
-den Gegenstand, welcher mit der Handlung des Subjects in
-Verbindung gesetzt werden soll, schon als <em class="italic">Substantiv</em> gebraucht
-seyn, und ein festes Merkzeichen seiner substantiven Bedeutung
-haben musste, wenn die erwähnte Wortfügung, und folglich
-auch die Verwandlung des Neutrums in ein Activ zu Stande
-kommen sollte. Der <em class="italic">Löwe</em>, welcher hier Subject des Satzes ist,
-wird durch den gewöhnlichen Laut, der eine Nachahmung seines
-<a id="page-332" class="pagenum" title="332"></a>
-<a id="pagehdr-332" class="orig-page" title="312"></a>
-Brüllens ist, ausgedrückt. Dieser Löwe <em class="italic">frisst</em>. Auch dies
-kann durch den eigentlichen Ausdruck bezeichnet werden. Aber
-wie soll ich nun das <em class="italic">Schaaf</em> ausdrücken? Wenn ich dieses
-auch durch seinen eigentlichen Ton andeuten will, so kann dieser
-Ton, welcher zugleich das Zeitwort des <em class="italic">Blökens</em> ausdrückt,
-für dieses Zeitwort genommen werden, und dann bedeutete der
-ganze Satz: <em class="italic">der fressende Löwe blökt</em>. Nun haben wir zwar
-weiter oben gesehen, dass das Substantiv sich von dem Zeitworte,
-von welchem es abgeleitet wurde, durch den leichteren
-Ton, in welchem es vorgetragen wurde, unterschied. Allein
-dieses Merkmal ist hier nicht anwendbar, da das Substantiv
-hier nicht den Satz anfängt, sondern beschliesst, und folglich
-nach unserer Theorie einen gedehnten und starken Ton erhalten
-muss. Diesem möglichen Misverständnisse ist also nicht
-eher abzuhelfen, als bis für das Wort, durch welches das
-Schaaf in substantiver Bedeutung bezeichnet werden soll, ein
-bleibendes Unterscheidungszeichen gefunden worden ist. Dies
-konnte aber auf die oben angegebene Art leicht geschehen, indem
-die Abkürzung, mit welcher ein solches Wort, wo es ein
-Substantiv ausdrückte, ausgesprochen wurde, bald in einen
-fixen eigenthümlichen Laut verwandelt werden musste; wobei
-sehr leicht auch noch ein Mittelton eingeschoben werden konnte,
-um dasselbe mit dem darauf folgenden Worte leichter zu verbinden.
-Solche Modificationen des ursprünglichen Tons wurden
-durch wiederholten Gebrauch so mit dem Worte verwebt, dass
-sie zuletzt einen Bestandtheil desselben ausmachten, und zu
-Merkzeichen der substantiven Bedeutung eines Wortes dienten.
-Ehe aber dergleichen Bestimmungen vorhanden waren, war der
-ganze Satz nicht auszudrücken, und eher war kein <em class="italic">Activ</em>, sondern
-alle Zeitwörter blieben, was sie ursprünglich waren &mdash;
-<em class="italic">Neutra</em>.
-</p>
-
-<p>
-Um die Entstehung des <em class="italic">Passivs</em> zu erklären, muss ein Bedürfniss
-aufgezeigt werden, welches die Menschen zur Erfindung
-dieser Sprachbestimmung leitete; denn, dass in der Ursprache
-irgend etwas ohne Noth, bloss zur Verschönerung des
-Vortrags erfunden worden sey, lässt sich nicht annehmen. Um
-diese möchte man sich wohl bei den ersten rohen Versuchen
-<a id="page-333" class="pagenum" title="333"></a>
-<a id="pagehdr-333" class="orig-page" title="314"></a>
-einer Sprache nicht sehr bekümmert haben; da sagte man
-wohl eher: <em class="italic">man schmähet mich</em>, als &mdash; ich werde geschmähet;
-der Löwe zerreisst das Schaaf, als &mdash; das Schaaf wird vom
-Löwen zerrissen.
-</p>
-
-<p>
-Ein solches Bedürfniss des Passivs tritt ein, wenn eine
-Handlung vorkömmt, welche, nach unseren Einsichten, einen
-Urheber hat, den wir aber auf keine Weise entdecken können.
-Sie muss <em class="italic">erstlich</em> einen Urheber haben; denn hat sie keinen,
-oder können wir keinen annehmen, so drücken wir uns durch
-das <em class="italic">Impersonale</em> aus &mdash; wir sagen: <em class="italic">es donnert, regnet</em>, u. s. w.
-<em class="italic">Zweitens</em> muss der Urheber unbekannt seyn, und gar nicht errathen
-werden können; denn, gesetzt der Wolf hätte ein Schaaf
-geraubt, so wird der noch ungebildete Naturmensch, auch selbst
-wenn er nicht Augenzeuge von dem Vorgange gewesen ist, doch
-nicht sagen: <em class="italic">das Schaaf ist mir geraubt worden</em>; sondern: <em class="italic">der
-Wolf hat das Schaaf weggenommen</em>; weil er schon aus Erfahrung
-weiss, dass dieser Schaafe raubt. Das Bedürfniss des
-Passivs trat also erst dann ein, wenn eine Handlung da war,
-bei der man ebenso klar sah, dass sie einen Urheber haben
-musste, als man sich bewusst war, dass man diesen Urheber
-nicht errathen könne. Ursprünglich wurde daher auch wohl
-das Passiv durch ein Zeichen ausgedrückt, wodurch der Redende
-andeutete, dass ein Urheber da sey und dass er ihn
-nicht kenne. Man hängte vielleicht den Worten, welche die
-That selbst ausdrückten, den Satz an: <em class="italic">ich weiss nicht, wer es
-gethan hat</em>. Wenn nun diese Worte bei gleicher Gelegenheit
-mehrmals gebraucht wurden, so musste es bald dahin kommen,
-dass sie geschwinder ausgesprochen wurden, mit dem Zeitworte,
-welches die Handlung bezeichnete, enger zusammenflossen,
-und zuletzt einen Bestandtheil desselben ausmachten.
-Ob ein solcher Zusatz ursprünglich dem Zeitworte vorgesetzt,
-oder angehängt wurde, lässt sich nicht bestimmen. Im Ganzen
-aber folgt so viel, dass ursprünglich das <em class="italic">Passiv</em> wohl durch einen
-kleinen Zusatz zum Zeitwort ausgedrückt wurde, welcher eigentlich
-das Zeichen der Unbekanntheit des Urhebers war.
-</p>
-
-<p>
-Das <em class="italic">Verbum medium</em> bezeichnet eine Handlung, welche auf
-<a id="page-334" class="pagenum" title="334"></a>
-<a id="pagehdr-334" class="orig-page" title="315"></a>
-uns selbst zurückgeht: es gründet sich auf höhere Abstraction,
-und kann daher in einer Ursprache nicht wohl vorkommen.
-</p>
-
-<p>
-Die Entstehung des <em class="italic">Numerus</em> lässt sich auf folgende Art
-erklären. &mdash; Der <em class="italic">Singular</em> fand sich von selbst; er war der ursprüngliche
-Numerus; die ersten Wörter wurden alle im Singular
-gebraucht. Nun sollte aber der Horde eine Mehrheit angezeigt
-werden; es wollte z. B. einer sagen: es kommen mehrere
-Löwen! wie sollte er das andeuten? Durch das natürliche
-Bild einer Heerde: durch Dehnung und Wiederholung des Tons,
-und dadurch, dass dieser Ton immer fortschallte. Um wie viel
-oder wenig man den Ton dehnen, oder wie oft man ihn wiederholen
-sollte, um die mehrere Zahl anzudeuten, war vermuthlich
-nicht bestimmt. Der <em class="italic">Pluralis</em> wurde demnach durch Verlängerung
-des Wortes ausgedrückt.
-</p>
-
-<p>
-Der <em class="italic">Pluralis</em> war aber anfangs nur nöthig bei <em class="italic">Zeitwörtern</em>,
-keinesweges bei Substantiven und Adjectiven; denn es
-verstand sich von selbst, dass auch sie, wenn sie von einem
-Zeitworte im Plural begleitet wurden, in der mehreren Zahl
-zu nehmen waren. Der Numerus der Substantive und Adjective
-ist daher in der Ursprache nicht zu suchen: er ist keinesweges
-eine durch Nothwendigkeit geforderte Sprachbestimmung,
-sondern eine Erfindung, welche das Streben nach Bestimmtheit
-und Eleganz im künstlichen Vortrage nöthig machte.
-Aber bei Zeitwörtern war der Plural unentbehrlich.
-</p>
-
-<p>
-Die <em class="italic">verschiedenen Personen</em> der <em class="italic">Zeitwörter</em> wurden ohne
-Zweifel in folgender Ordnung gebildet. Diejenige <em class="italic">Person</em>, welche
-zuerst in der Sprache bezeichnet wurde, war gewiss die <em class="italic">dritte</em>;
-denn urprünglich wurde in keiner anderen, als in der dritten
-Person geredet. Man nannte einen jeden bei seinem eigenthümlichen
-Namen: N. N. solle das thun! Die folgende, welche
-zunächst der dritten ihre besondere Bezeichnung erhielt, war
-die <em class="italic">zweite Person</em>; weil man bei Verabredungen und Verträgen
-bald das Bedürfniss fühlte, dem anderen zu sagen: das sollst
-Du thun. Das <em class="italic">Ich</em>, als die <em class="italic">erste Person</em>, zeugt (besonders wo
-es an der Endung des Zeitwortes selbst angehängt ist) von
-höherer Vernunftcultur, und wurde also auch zuletzt bezeichnet.
-Bei Kindern sehen wir, dass sie immer in der dritten
-<a id="page-335" class="pagenum" title="335"></a>
-<a id="pagehdr-335" class="orig-page" title="317"></a>
-Person von sich sprechen, und sich, als das Subject, von welchem
-sie etwas sagen wollen, durch ihren Namen ausdrücken,
-weil sie sich bis zum Begriff des Ich, bis zur Absonderung des
-selben von allem ausser ihnen noch nicht erhoben haben. <em class="italic">Ich</em>
-drückt den höchsten Charakter der Vernunft aus.
-</p>
-
-<p>
-Wie eine <em class="italic">dritte</em>, <em class="italic">zweite</em>, und <em class="italic">erste Person</em> im <em class="italic">Plural</em> gebildet
-werden konnte, ergiebt sich leicht, wenn der Plural schon
-vorhanden war.
-</p>
-
-<p>
-Die <em class="italic">Tempora der Zeitwörter</em> wurden wahrscheinlich auf
-folgende Art erfunden. Die ersten Zeitwörter wurden bloss
-<em class="italic">aoristisch</em> gebraucht: aus dem <em class="italic">Aorist</em> konnte leicht das <em class="italic">Präsens</em>
-gebildet werden, oder vielmehr &mdash; man musste den Aorist
-bald selbst als Präsens verstehen, weil die Bestimmungen bei
-rohen Nationen sich fast immer auf die gegenwärtige Zeit beziehen.
-Mehr Mühe mochte wohl die Erfindung der Bezeichnungen
-für vergangene und zukünftige Zeiten kosten. Als man
-zuerst das Bedürfniss fühlte, <em class="italic">Vergangenes</em> und <em class="italic">Zukünftiges</em> auszudrücken,
-gab man wohl die Zeit, in welcher etwas geschehen
-war, oder geschehen sollte, ganz genau an; es wurde z. B.
-nicht gesagt: <em class="italic">es hat sich zugetragen</em>, sondern: <em class="italic">es trägt sich
-vor so und so viel Tagen zu</em>; nicht: <em class="italic">es wird sich ereignen</em>,
-sondern <em class="italic">es ereignet sich nach so viel Tagen</em>. Diese Art
-sich auszudrücken, war dem noch ungebildeten Menschen sehr
-natürlich. Vollkommene Präcision im Ausdrucke kündigt eine
-höhere Verstandescultur an, als man den ersten Erfindern der
-Sprache zuschreiben kann. Der ungebildete Mensch theilt nicht
-bloss das mit, was der andere von einer Sache wissen soll,
-oder will, sondern auch was er selbst davon weiss. Daher
-giebts in den uncultivirten Sprachen eine Menge überflüssiger
-Bestimmungen, eine Menge Ausdrücke, die, der Verständlichkeit
-des Ganzen unbeschadet, weggelassen werden könnten. So
-auch mit den Bestimmungen der Zeit. Die Zeit, in welcher
-etwas vorgegangen war, oder kommen sollte, wurde, so weit
-man <em class="italic">zählen</em> konnte, bestimmt hinzugesetzt. Wo man aber auf
-einen Zeitraum stiess, welcher eine so genaue Bestimmung nicht
-zuliess, da bediente man sich, wie uns noch einige Spuren in
-<a id="page-336" class="pagenum" title="336"></a>
-<a id="pagehdr-336" class="orig-page" title="318"></a>
-alten Sprachen zeigen, der Worte: <em class="italic">morgen</em>, <em class="italic">gestern</em> u. s. w., um
-die <em class="italic">verflossene</em> oder <em class="italic">zukünftige</em> Zeit unbestimmt auszudrücken.
-</p>
-
-<p>
-Aus dieser Bezeichnungsart mussten aber bald mehrere
-Misverständnisse entstehen. Wie leicht konnte es Zwist verursachen,
-wenn der zweideutige Ausdruck <em class="italic">morgen</em> für den besonderen
-Fall, in welchem er gebraucht wurde, nicht gehörig
-bestimmt war? Z. B. es sagte einer zum andern: ich gebe dir
-das morgen. Hier konnte morgen ebensowohl den nächstkünftigen,
-als jeden anderen folgenden Tag bedeuten. Der andere
-legt es von dem nächstkünftigen Tage aus, und kömmt, um die
-Sache abzuholen: jener weigert sich aber, das Versprochene
-abzuliefern, weil er es nicht auf morgen, sondern überhaupt
-auf die Zukunft zugesagt hätte. Durch Fälle dieser Art konnten
-leicht Mishelligkeiten entstehen, an welchen sich das Bedürfniss
-einer bestimmten Bezeichnung für Vergangenheit und
-Zukunft deutlich offenbaren musste. Diesem Bedürfniss konnte
-vielleicht schon dadurch abgeholfen werden, dass man solche
-allgemeine Worte, wie <em class="italic">morgen</em>, <em class="italic">gestern</em> u. s. w., wenn sie die
-<em class="italic">verflossene</em> oder <em class="italic">kommende</em> Zeit <em class="italic">überhaupt</em> ausdrücken sollten,
-mit dem Zeitwort zusammenfassender, schneller und kürzer
-aussprach, und im Gegentheil dieselben Worte, wenn sie bestimmt
-den <em class="italic">zunächst vergangenen</em> oder <em class="italic">zukünftigen</em> Tag bezeichnen
-sollten, durch einen festen, längeren Ton ausdrückte.
-So wurde zum Ausdrucke der vergangenen und zukünftigen
-Zeit ein Zusatz zum Zeitworte gefunden, welcher nach und nach
-inniger mit demselben zusammenfloss, und das <em class="italic">Perfectum</em> und
-<em class="italic">Futurum</em> in seiner jetzigen Gestalt bildete.
-</p>
-
-<p>
-Es fragt sich noch: wie entstanden die verschiedenen <em class="italic">Casus</em>?
-&mdash; Der <em class="italic">Nominativ</em> und <em class="italic">Accusativ</em> sind wohl diejenigen,
-auf welche man am frühesten kam. Man bedurfte sie auch
-bei der einfachsten Wortfügung, und sie liessen sich auch leicht
-durch die Stelle, welche sie in einem Satze bekommen mussten,
-charakterisiren. Das Subject einer Rede musste, als der
-unbestimmteste Begriff, immer die erste Stelle in einem Satze
-einnehmen. Bei jeder Wortfügung musste also ein Substantiv
-vorangehen; darauf folgte das Zeitwort, der Ausdruck des Zustandes,
-in welchem sich das Subject befand. Sollte nun dieses
-<a id="page-337" class="pagenum" title="337"></a>
-<a id="pagehdr-337" class="orig-page" title="320"></a>
-Zeitwort bezogen werden auf einen Gegenstand, welcher mit
-der durch dasselbe bezeichneten Handlung des Subjects in Verbindung
-stand, so musste dieses seinen Platz gleich hinter dem
-Zeitworte erhalten. Dieser Anordnung der Worte gemäss muss
-das Substantiv, da es das Subject des Satzes anzeigen, gleichsam
-<em class="italic">nennen</em> soll, im <em class="italic">Nominativ</em>, das Object aber, welches auf
-die Handlung des Subjects bezogen wird, im <em class="italic">Accusativ</em> stehen;
-folglich der Nominativ den Satz anfangen, der Accusativ denselben
-beschliessen. &mdash; Der Accusativ musste mithin auch, weil
-kein Wort weiter auf ihn folgte, den längsten und stärksten
-Ton haben, der Nominativ aber flüchtig ausgesprochen und mit
-dem Zeitworte verflochten werden. Es musste sich also bei
-einem und demselben Worte leicht unterscheiden lassen, ob es
-im Nominativ, oder Accusativ stehe, indem in dem letzteren
-Falle entweder eine Verlängerung, durch Zusetzung mehrerer
-Buchstaben oder Sylben, oder doch eine Verstärkung des Tones
-stattfand.
-</p>
-
-<p>
-Der <em class="italic">Genitiv</em> wurde als nähere Bestimmung des Substantivs
-angehängt, und ich glaube wohl, dass der Name, den er
-führt, den ursprünglichen Gebrauch bezeichnet, welchen man
-von diesem Casus machte. Man bediente sich seiner zur Bezeichnung
-der Abstammung eines Menschen, indem man erst
-den Sohn, und dann den Vater nannte. Späterhin wendete
-man diese Bestimmung auch auf das Besitzthum an, man sagte
-z. B. das Schaaf des Marcus u. s. w. Der Genitiv hatte deshalb
-auch seine Stelle, durch die er bezeichnet wurde, unmittelbar
-nach dem Substantiv, zu dessen näherer Bestimmung er
-diente. Z. B. man wollte unter einer Horde einen bezeichnen,
-der mit mehreren anderen einen gleichen Namen hatte; so
-setzte man, um ihn nicht mit einem von diesen Anderen zu
-verwechseln, den Namen seines Vaters hinzu, als: Marcus Caji,
-u. s. w. Da nun, nach den Grundsätzen, welchen wir bei der
-Ableitung der Grammatik gefolgt sind, jedes Wort, je weiter
-es in der Reihe der Zeichen zurückstand, einen desto längeren
-und stärkeren Accent erhielt: so musste auch der Genitiv einen
-längeren oder stärkeren Ton bekommen, als der Nominativ, hinter
-welchem er seinen Platz hatte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-338" class="pagenum" title="338"></a>
-<a id="pagehdr-338" class="orig-page" title="321"></a>
-Auch der <em class="italic">Ablativ</em> ist, wie der Genitiv, entstanden, um ein
-Wort näher zu bestimmen, und drückte vielleicht anfangs das
-<em class="italic">von einem Orte Nehmen</em> aus. Er ist mit dem Genitiv gewissermaassen
-gleichartig; beide drücken die Beziehung mehrerer
-Nennwörter auf einander aus. Die Entstehung dieser beiden
-Casus ist allerdings in der Ursprache zu suchen. Es war unter
-rohen Völkern sehr nothwendig, dergleichen Beziehungen
-recht verständlich auszudrücken. Wie leicht konnte man einem
-verdrüsslichen Misverständnisse vorbeugen, wenn man, um
-einen Menschen desto genauer kenntlich zu machen, den Namen
-seines Vaters zu dem seinigen hinzufügte; sowie man auch
-in allen alten Geschichtschreibern zur näheren Bestimmung des
-Sohnes den Namen des Vaters hinzugesetzt findet.
-</p>
-
-<p>
-Aber um alle die verschiedenen Beziehungen der Gegenstände
-auf einander zu bezeichnen, ist weder der Genitiv noch
-der Ablativ hinreichend; es bedarf also auch noch der <em class="italic">Präpositionen</em>.
-Eine der gewöhnlichsten solcher Beziehungen ist z. B.
-die <em class="italic">Local</em>beziehung, als: das Haus <em class="italic">im</em> Dorfe, u. s. w. Diese
-Beziehungen wurden ursprünglich wohl dadurch ausgedrückt,
-dass man einen Buchstaben, eine Sylbe oder einen fast unmerklichen
-Ton einem von den beiden Nennwörtern, welche
-auf einander bezogen werden sollten, beifügte. Da dieser Zusatz,
-den man sich übrigens als Präfix oder Affix denken kann,
-nicht geschrieben, sondern ausgesprochen wurde, so liess sich
-auch nicht bestimmen, ob er einen besonderen Ton ausmachte,
-sondern er floss in der Aussprache mit dem Zeichen, welchem
-er vor- oder nachgesetzt wurde, zusammen.
-</p>
-
-<p>
-Der <em class="italic">Dativ</em> bezeichnet die Beziehung einer Handlung auf
-ein Drittes, auf etwas ausser dem Subject und Object, auf welches
-die Handlung eigentlich abzweckt. Z. B. ich gebe das
-Brot, ich nehme das Brot: hier fehlt offenbar die Beziehung
-auf ein Drittes, um dessen willen die Handlung vorgenommen,
-dem das Brot gegeben, oder genommen wird. Setze ich diese
-Beziehung hinzu, sage ich z. B. ich gebe oder nehme das Brot
-dem Hunde, so habe ich auch den <em class="italic">Dativ</em>. Da der Gegenstand,
-mit welchem eigentlich die Handlung vorgenommen wird, zur
-Bestimmung der Handlung unmittelbar gehört, so muss auch
-<a id="page-339" class="pagenum" title="339"></a>
-<a id="pagehdr-339" class="orig-page" title="323"></a>
-der Accusativ, welcher dieses Verhältniss des behandelten Gegenstandes
-zu der Handlung bezeichnet, unmittelbar nach dem
-Zeitwort stehen; und der <em class="italic">Dativ</em>, welcher den Gegenstand bezeichnet,
-um dessenwillen die Handlung eigentlich geschieht,
-folgt jenem nach. Er wird also den Satz schliessen, und folglich
-einen volleren Ton bekommen, als der Accusativ selbst.
-</p>
-
-<p>
-So entstand <em class="italic">Grammatik</em> bloss durch das Bedürfniss der
-Sprache, und durch die Fortschritte, welche die menschliche
-Vernunft nach und nach machte. Denn selbst bei der einfachsten
-Mittheilung der Gedanken musste sehr vieles durch
-Beziehung der Worte auf einander ausgedrückt werden, und
-der natürliche, durch die Vernunft geleitete Gang der Sprache
-brachte den Menschen, ohne dass Verabredung erforderlich gewesen
-wäre, auf die Bestimmung der verschiedenen Arten jener
-Beziehung.
-</p>
-
-<p>
-Man könnte gegen diese Theorie einwenden, dass es verschiedene
-Sprachen gebe, denen man ihre Entstehung nach
-den von uns vorgetragenen Regeln nicht ansehe. So soll, unserer
-Darstellung gemäss, das Wurzelwort immer ein Zeitwort
-seyn, und dieses Zeitwort soll ursprünglich in Einem Tone
-mehrere Begriffe ausdrücken, soll ursprünglich in der dritten
-Person vorgetragen werden, und aoristische Bedeutung haben.
-Nun zeigt sich in der griechischen und lateinischen Sprache
-offenbar das Gegentheil. In den Zeitwörtern derselben ist
-augenscheinlich nicht die dritte, sondern die erste Person diejenige,
-aus welcher alle übrigen gebildet sind, ist nicht der
-Aorist, sondern das Präsens die Wurzel. Woher also diese
-Verschiedenheit, wenn unsere Theorie richtig ist? Nehmen wir
-auch an, dass die genannten Sprachen keine Ursprachen gewesen
-sind, sondern sich aus schon entstandenen gebildet haben;
-so müssen wir doch zugeben, dass sie zuletzt aus solchen hervorgehen
-mussten, welche auf die hier vorgetragene Art entstanden
-waren. Warum zeigt sich nun in ihnen auch nicht die
-leichteste Spur von jener Ursprache? Denn, mag sich eine
-Sprache noch so sehr cultiviren, mag eine gebildetere Grammatik
-noch so viel Modificationen in sie hineintragen: so müssen
-sich doch in ihr noch Ueberreste von dem ersten rohen Zuschnitte
-<a id="page-340" class="pagenum" title="340"></a>
-<a id="pagehdr-340" class="orig-page" title="324"></a>
-finden, z. B. aus der dritten Person, und nicht aus der
-ersten, die Form der übrigen abgeleitet, und der Aorist, nicht
-das Präsens das Wurzelwort seyn.
-</p>
-
-<p>
-Auf diesen Einwurf lässt sich folgendes antworten. Man sah
-sich bald genöthigt, neue Worte zu erfinden, weil der menschliche
-Geist, bei seinen Fortschritten zur Cultur, sich immer mit
-neuen Vorstellungen bereicherte, und neue Bestimmungen in
-alte Begriffe hineintrug. Die Worte, welche man zu Bezeichnung
-dieser Vorstellungen erfand, &mdash; man mochte nun dazu entweder
-ganz neue, in der Sprache bisher noch nicht vorgekommene
-Töne, oder eine Verbindung mehrerer, schon bekannter
-Töne gebrauchen, &mdash; mussten auf jeden Fall das Gepräge der
-Bildung tragen, welche der menschliche Geist in dem Zeitpunct
-jener erfundenen neuen Bezeichnungen hatte. Nun geht der
-gebildete Mensch vom Ich aus, und betrachtet alles aus dem
-Gesichtspuncte des Ich: er wird also auf dieser Stufe der Cultur
-auch bei der Aufstellung eines neuen Zeitwortes von der
-ersten Person ausgehen. Daher kann es nicht fehlen, dass ein
-neues Wort, gebildet in Zeiten höherer Cultur, von den ursprünglichen
-Formen derselben Sprache abweichen musste. Im
-Anfange wurden nun solche Worte mit den alten, von welchen
-sie abstammten, zugleich gebraucht; aber bald wurden jene
-allgemein und verdrängten die letzteren. Denn, sowie die Nation
-in ihrer Cultur weiter vorrückte, musste sie nothwendig
-die neueren Formen ihren Begriffen angemessener finden, und
-über dem Gebrauche derselben die älteren bald vergessen.
-</p>
-
-<p>
-So wird selbst bei einem Volke, das von allen äusseren
-Einflüssen frei bleibt, sich mit keinem anderen Volke vermischt,
-seinen Wohnplatz nie verändert u. s. w., die rohe Natursprache
-nach und nach untergehen, und an deren Stelle eine andere
-treten, die von jener auch nicht die leichteste Spur an sich
-trägt. Man würde sich also irren, wenn man glaubte, die
-Griechen, Römer und andere hätten nie eine Ursprache gehabt,
-weil sich keine Ueberreste davon bei ihnen fänden. Jene Urtöne
-sind nach und nach aus der Ursprache verschwunden, als
-sie sich durch Zeichen ersetzt sahen, die dem cultivirten Geiste
-des Volkes besser entsprachen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-341" class="pagenum" title="341"></a>
-<a id="pagehdr-341" class="orig-page" title="325"></a>
-Eine eigene Erscheinung in den neueren Sprachen sind die
-Hülfswörter; das: <em class="italic">ich bin, werden u. s. w.</em> Diese Bezeichnungen,
-wo sie sich in einer Sprache finden, beweisen einen hohen
-Grad der Abstraction. Man fand vermuthlich bald einen
-besonderen Nachdruck in der auszeichnenden Endung des Perfectum
-und Futurum, wodurch die Sprache an Rundung gewann.
-Aber immer ist es Zeichen einer noch höheren Cultur,
-wenn einzelne Begriffe erfunden werden, um Einen Gedanken
-desto bestimmter auszudrücken. Die Aufstellung dieser Bezeichnungen
-ist aber in einer Sprache wenigstens nicht früher
-möglich, bis in ihr der Begriff des Leidens oder das Passiv
-schon ausgedrückt ist.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-34" id="footnote-34">[34]</a> Ich beweise hier nicht, dass der Mensch ohne Sprache nicht denken,
-und ohne sie keine allgemeinen abstracten Begriffe haben könne. Das kann
-er allerdings vermittelst der Bilder, die er durch die Phantasie sich entwirft.
-Die Sprache ist meiner Ueberzeugung nach für viel zu wichtig gehalten worden,
-wenn man geglaubt hat, dass ohne sie überhaupt kein Vernunftgebrauch
-stattgefunden haben würde.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-35" id="footnote-35">[35]</a> Dieses Urtheil ist durch die kritische Philosophie angefochten worden,
-als eine Täuschung. &mdash; Aus dem Gesichtspuncte des philosophischen Räsonnements
-können wir nicht sagen: es <em class="italic">ist</em> eine Welt. Das, was ausser mir
-ist, kann ich bloss fühlen, und in dieser Rücksicht nur <em class="italic">glauben</em>. Dass Dinge
-ausser mir sind, ist also blosser Glaubensartikel; und wie will man aus etwas,
-das bloss geglaubt werden kann, etwas Erweisbares, einen demonstrativen
-Vernunftsatz machen? &mdash; Dieser Einwurf geht aber nur gegen den
-Philosophen, der &mdash; anstatt, wie er sollte, das Theoretische von dem Praktischen,
-das, was innerhalb der Grenzen des Gefühls geglaubt wird, von dem
-was über diese Grenzen hinaus, im Gebiete des Verstandes erkannt wird,
-scharf zu unterscheiden &mdash; etwas bloss zu <em class="italic">Glaubendes</em> für etwas <em class="italic">Erkennbares</em>
-annimmt, und auf dieses vermeintlich Erkennbare einen Beweis gründen
-will, der <em class="italic">seinem Gehalte nach</em> für den Verstand gültig seyn soll. Dass
-Dinge ausser uns sind, <em class="italic">erkennen</em> wir nicht; das Daseyn dieser Dinge wird
-uns nur <em class="italic">durchs Gefühl</em> und im Gefühl gegeben, und ist also bloss Gegenstand
-des <em class="italic">Glaubens</em>. Nun ist es wohl ein einleuchtender Widerspruch, aus
-einem solchen <em class="italic">Glauben</em> die Existenz irgend eines Uebersinnlichen <em class="italic">erweisen</em>,
-aus etwas Geglaubtem auf ein Uebersinnliches einen Schluss machen zu wollen,
-der für den Verstand, und nicht bloss für das Gefühl überzeugende Kraft
-hätte. Ein solcher Schluss würde die Forderung enthalten: entweder, dass
-der <em class="italic">Verstand</em>, der, inwiefern er Verstand ist, nur erkennen, und nur durch
-Erkanntes überzeugt werden kann, <em class="italic">glauben</em>; oder, dass das <em class="italic">Gefühl</em>, welches,
-als Gefühl, uns nur etwas zum glauben geben kann, <em class="italic">erkennen</em> soll. &mdash; Also
-aus dem bloss gefühlten Daseyn der Dinge ausser uns können wir nicht erweisen,
-dass ein Gott <em class="italic">sey</em>.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-Aber aus einem Gefühle lässt sich leicht ein anderes entwickeln: wir
-können von einem Gefühle auf die Annehmbarkeit eines anderen, mithin von
-dem Glauben an die Dinge ausser uns, auf die Glaubwürdigkeit des Daseyns
-eines höchsten übersinnlichen Wesens schliessen. Diesen Schluss
-macht der <em class="italic">gemeine Menschenverstand</em>; und, da es ihm nicht obliegt, Gefühl
-und Erkenntniss streng zu unterscheiden, er auch gar nicht vorgiebt, sie unterschieden
-zu haben: so wäre es ein blosser Misverstand, wenn man gegen
-das Urtheil des gemeinen Verstandes, &bdquo;dass ein Gott <em class="italic">sey</em>,&ldquo; jenen Einwurf der
-Kritik geltend machen wollte.
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-5-5">
-<a id="page-342" class="pagenum" title="342"></a>
-<span class="line1">E.</span><br />
-<span class="line2">Ueber Belebung und Erhöhung des reinen Interesse für Wahrheit.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Aus Schillers Horen Bd. I, St. I. 1795.)
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Vergebens erwartet man durch irgend ein glückliches Ohngefähr
-die Wahrheit zu finden, wenn man sich nicht von einem
-lebhaften Interesse begeistert fühlt, mit Verläugnung alles Andern
-ausser ihr, sie zu suchen. Es ist demnach eine wichtige
-Frage für jeden, der die Würde der Vernunft in sich behaupten
-will: was habe ich zu thun, um reines Interesse für Wahrheit
-in mir zu erwecken, oder wenigstens dasselbe zu erhalten,
-zu erhöhen und zu beleben?
-</p>
-
-<p>
-Wie jedes Interesse überhaupt, so gründet sich auch das
-Interesse für Wahrheit auf einen ursprünglich in uns liegenden
-Trieb. Unter unseren reinen Trieben aber ist auch ein Trieb
-nach Wahrheit. Niemand <em class="italic">will</em> irren, und jeder Irrende hält
-seinen Irrthum für Wahrheit. Könnte man ihm auf eine für
-ihn überzeugende Art darthun, dass er irre, so würde er sogleich
-den Irrthum aufgeben, und statt desselben die entgegengesetzte
-Wahrheit ergreifen.
-</p>
-
-<p>
-Kommt etwas hinzu, das sich auf diesen Trieb bezieht,
-entdeckt man in unserm Fall eine Wahrheit als solche, oder
-erkennt einen Irrthum für einen Irrthum, so entsteht nothwendig
-<a id="page-343" class="pagenum" title="343"></a>
-ein Gefühl des Beifalls für die erstere, eine Abneigung gegen
-den letztern; und beides völlig unabhängig von dem Inhalte
-und den Folgen jener Wahrheit und dieses Irrthums. Aus
-wiederholten Gefühlen der gleichen Art entsteht ein Interesse
-für Wahrheit überhaupt. Ein solches Interesse lässt sich daher
-nicht <em class="italic">hervorbringen</em>; es gründet sich der Anlage nach auf
-das Wesen der Vernunft, und wird seinen Aeusserungen nach
-in der Erfahrung durch die Welt ausser uns ohne unser wissentliches
-Zuthun geweckt; aber man kann dieses Interesse
-<em class="italic">erhöhen</em>.
-</p>
-
-<p>
-Dies geschieht durch Freiheit, wie jede sittliche Handlung.
-Aber alle Regeln für Anwendung der Freiheit setzen die Anwendung
-derselben schon voraus; und man kann vernünftigerweise
-nur demjenigen zurufen: gebrauche deine Freiheit, der
-dieselbe schon gebraucht hat. Dieser erste Act der Freiheit,
-dieses Losreissen aus den Ketten der Nothwendigkeit geschieht,
-ohne dass wir selbst wissen wie. So wenig wir uns des ersten
-Schrittes in das Reich des Bewusstseyns überhaupt bewusst
-werden, ebensowenig werden wir uns unseres Uebertrittes
-in das Reich der Moralität bewusst. Irgend woher fällt
-ein Feuerfunke in unsere Seele, der vielleicht lange in heimlichem
-Dunkel glüht. Er erhebt sich, er greift umher, er wird
-zur Flamme, bis er endlich die ganze Seele entzündet.
-</p>
-
-<p>
-Jedes praktische Interesse im Menschen erhält und belebt
-sich selbst; darin besteht sein Wesen. Jede Befriedigung verstärkt
-es, erneuert es, hebt es mehr hervor im Bewusstseyn.
-Gefühl des erweiterten Bedürfnisses ist der einzige Genuss für
-das endliche Wesen. Die Hauptvorschrift zu Erhöhung jedes
-Interesse im Menschen, mithin auch des Interesse für Wahrheit,
-heisst demnach: <em class="italic">befriedige deinen Trieb</em>! woraus für den
-gegenwärtigen Fall sich folgende zwei Regeln ergeben: entferne
-jedes Interesse, das dem reinen Interesse für Wahrheit entgegen
-ist, und suche jeden Genuss, der das reine Interesse für
-Wahrheit befördert!
-</p>
-
-<p>
-Man nehme keinen Anstoss an der sonst mit Recht verdächtigen
-Empfehlung des Genusses. Dass durch den Genuss,
-und allein durch diesen jeder Trieb, der in der vernünftigen
-<a id="page-344" class="pagenum" title="344"></a>
-Natur des Menschen gegründet ist, ausgebildet werde, ist einmal
-wahr. Genuss, der sich bloss auf Befriedigung der animalischen
-Sinnlichkeit gründet, verzehrt und vernichtet sich in
-sich selbst, und von ihm ist hier nicht die Rede. Geistiger
-Genuss, wie z. B. der ästhetische, erhöht sich durch sich
-selbst. Es ist demnach ebenso wahr, dass die obenaufgestellte
-Regel die einzige ist, die zur Erhöhung eines geistigen Interesse
-gegeben werden kann. Die Beantwortung einer ganz anderen
-Frage: ob nemlich irgend ein geistiger Genuss ganz unbedingt
-zu empfehlen sey? hängt ab von der Beantwortung einer höheren
-Frage: ob der Trieb, auf den jener Genuss sich bezieht,
-ins unbedingte zu erhöhen? und diese von der noch höheren:
-ob dieser Trieb irgend einem andern unterzuordnen sey? So
-ist der ästhetische Trieb im Menschen allerdings dem Triebe
-nach Wahrheit, und dem höchsten aller Triebe, dem nach sittlicher
-Güte, unterzuordnen. Ob der Trieb nach Wahrheit mit
-einem höheren Triebe in Streit kommen könne, wird sich aus
-unserer Untersuchung von selbst ergeben. &mdash; Irgend einen Ausdruck
-aber zu vermeiden, weil er gemisbraucht worden, glaube
-ich wenigstens hier nicht nöthig zu haben.
-</p>
-
-<p>
-Unser Interesse für Wahrheit soll <em class="italic">rein</em> seyn; die Wahrheit,
-bloss weil sie Wahrheit ist, soll der letzte Endzweck alles unseres
-Lernens, Denkens und Forschens seyn.
-</p>
-
-<p>
-Die Wahrheit an sich aber ist bloss <em class="italic">formal</em>. Uebereinstimmung
-und Zusammenhang in allem, was wir annehmen, ist
-Wahrheit, sowie Widerspruch in unserem Denken Irrthum und
-Lüge ist. Alles im Menschen, mithin auch seine Wahrheit,
-steht unter diesem höchsten Gesetze: sey stets einig mit dir
-selbst! Heisst jenes Gesetz in der Anwendung auf unsere
-<em class="italic">Handlungen</em> überhaupt: handle so, dass die Art deines Handelns,
-deinem besten Wissen nach, ewiges Gesetz für alles
-dein Handeln seyn kann; so heisst dasselbe, wenn es insbesondere
-auf unser <em class="italic">Urtheilen</em> angewendet wird: urtheile so,
-dass du die Art deines jetzigen Urtheilens als ewiges Gesetz
-für dein gesammtes Urtheilen denken könnest. Wie du vernünftigerweise
-in allen Fällen kannst urtheilen wollen, so urtheile
-in diesem bestimmten Falle. Mache nie eine Ausnahme
-<a id="page-345" class="pagenum" title="345"></a>
-in deiner Folgerungsart. Alle Ausnahmen sind sicherlich Sophistereien.
-&mdash; Darin unterscheidet sich der Wahrheitsfreund
-vom Sophisten: Beider Behauptungen an sich betrachtet kann
-vielleicht der erstere irren, und der letztere recht haben; und
-dennoch ist der erstere ein Wahrheitsfreund, auch wenn er
-irrt, und der letztere ein Sophist, auch da, wo er die Wahrheit
-sagt, weil sie etwa zu seinem Zwecke dient. Aber in den
-Aeusserungen des Wahrheitsfreundes ist nichts Widersprechendes,
-er geht seinen geraden Gang fort, ohne sich weder rechts
-noch links zu wenden; der Sophist ändert stets seinen Weg,
-und beschreibt seine krumme Schlangenlinie, sowie der Punct
-sich verrückt, bei welchem er gern ankommen möchte. Der
-erstere hat gar keinen Punct im Gesichte, sondern zieht seine
-gerade Linie, welcher Punct auch immer hineinfallen möge.
-</p>
-
-<p>
-Diesem Interesse für Wahrheit um ihrer blossen <em class="italic">Form</em> willen
-ist gerade entgegengesetzt alles Interesse für den <em class="italic">bestimmten
-Inhalt</em> der Sätze. Einem solchen materiellen Interesse ist
-es nicht darum zu thun, <em class="italic">wie</em> etwas gefunden sey, sondern nur
-was gefunden sey.
-</p>
-
-<p>
-Wir haben schon etwa einen Satz ehemals behauptet, vielleicht
-Beifall damit gefunden und Ehre eingeerntet, und meinten
-es damals aufrichtig. Damals war unsere Behauptung zwar
-nicht <em class="italic">allgemeine</em> Wahrheit, die sich auf das Wesen der Vernunft,
-aber doch Wahrheit <em class="italic">für uns</em>, die sich auf unsere damalige individuelle
-Denk- und Empfindungsart gründete. Wir irrten, aber
-wir täuschten nicht, weder uns noch andere. Seitdem haben
-wir entweder selbst weiter geforscht, wir haben unsere individuelle
-Denkart dem Ideale der allgemeinen und nothwendigen Denkart
-mehr genähert, oder auch andere haben uns unseren Irrthum
-gezeigt. Derselbe materielle Satz, der ehemals formale Wahrheit
-für uns war, ist uns jetzt, aus dem nemlichen Grunde, aus
-dem er dieses war, formaler Irrthum; und sind wir uns selbst
-treu, so werden wir ihn sogleich aufgeben. Aber dann müssten
-wir erkennen, dass wir geirrt haben; vielleicht dass ein
-anderer weiter gesehen habe, als wir. Ist unser Interesse für
-Wahrheit nicht rein und nicht stark genug, so werden wir gegen
-die auf uns eindringende Ueberzeugung uns vertheidigen,
-<a id="page-346" class="pagenum" title="346"></a>
-so lange wir können; und nun ist es uns nicht mehr um die
-Form zu thun, sondern um die Materie des Satzes; wir vertheidigen
-denselben, weil er der unsrige ist, und weil ein eitler
-Ruhm uns mehr gilt, denn Wahrheit.
-</p>
-
-<p>
-Eine Meinung schmeichelt unserm Stolze, unseren Anmaassungen,
-unserer Unterdrückungssucht. Man erschüttert sie mit
-den stärksten Gründen, gegen die wir nichts aufbringen können.
-Werden wir uns überzeugen lassen? Aber wir müssten
-dann entweder unsere gerechten Ansprüche aufgeben, oder uns
-für wohlbedächtige und überlegte Ungerechte anerkennen. Es
-ist zu erwarten, dass wir gegen die Ueberzeugung uns verwahren
-werden, so lange wir können, und dass wir in allen Schlupfwinkeln
-unseres Herzens nach Ausflüchten suchen werden, um
-ihr auszuweichen.
-</p>
-
-<p>
-Ein zweites Hinderniss des reinen Interesse für Wahrheit
-ist die Trägheit des Geistes, die Scheu vor der Mühe des Nachdenkens.
-Der Mensch ist von Natur ein vorstellendes Wesen,
-aber er ist durch sie auch nichts weiter. Die Natur bestimmt
-die Reihe seiner Vorstellungen, wie sie die Verkettung seiner
-körperlichen Theile bestimmt. Sein Geist ist eine Maschine, wie
-sein Körper; nur eine Maschine anderer Art, eine vorstellende
-Maschine, bestimmt durch Einwirkung von aussen und durch
-seine nothwendigen Naturgesetze von innen. Man kann viel
-wissen, viel studiren, viel lesen, viel hören, und ist doch nichts
-weiter. Man lässt durch Schriftsteller oder Redner sich bearbeiten,
-und sieht mit behaglicher Ruhe zu, wie eine Vorstellung
-in uns mit der andern abwechselt. Sowie die Weichlinge des
-Orients in ihren Bädern durch besondere Künstler ihre Gelenke
-durchkneten lassen, so lassen diese durch Künstler anderer Art
-ihren Geist durchkneten, und ihr Genuss ist um weniges edler,
-als der Genuss jener.
-</p>
-
-<p>
-Diesem blinden Hange thätig widerstreben, eingreifen in
-den Mechanismus der Ideenfolge, und ihr gebieten, ihr mit Freiheit
-eine Richtung geben auf ein bestimmtes Ziel, und von dieser
-Richtung nicht abweichen, bis das Ziel erreicht ist: das ist
-der rohen Natur zuwider, und kostet Anstrengung und Verläugnung.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-347" class="pagenum" title="347"></a>
-Jedes unthätige Hingeben ist dem Interesse für Wahrheit
-geradezu entgegen. Es wird dabei gar nicht auf Wahrheit oder
-Nichtwahrheit, sondern lediglich auf die Ergötzung geachtet, die
-jener Wechsel der Vorstellungen uns gewährt. Wir kommen
-dadurch auch nicht zur Wahrheit; denn Wahrheit ist Einheit,
-und diese muss thätig und mit Freiheit hervorgebracht werden,
-durch Anstrengung und eigene Kraftanwendung. Gesetzt, man
-käme durch ein glückliches Ohngefähr auf diesem Wege wirklich
-zu Vorstellungen, die an sich wahr wären, so wären sie
-es doch nicht <em class="italic">für uns</em>, denn wir hätten von der Wahrheit derselben
-uns nicht durch eigenes Nachdenken überzeugt.
-</p>
-
-<p>
-Beide Unarten vereinigen sich in denjenigen, welche alle
-Untersuchung fliehen, aus Furcht, dadurch in ihrer Ruhe und in
-ihrem Glauben gestört zu werden. Was kann eines vernünftigen
-Wesens unwürdiger seyn, als eine solche Ausrede? Entweder
-ist ihre Ruhe, ihr Glaube gegründet; und was fürchten
-sie dann die Untersuchung? Die Güte ihrer Sache muss ja
-nothwendig durch die hellste Beleuchtung gewinnen. &mdash; Aber
-sie fürchten vielleicht bloss unsere Trugschlüsse, unsere Ueberredungskünste?
-Wenn sie unsere Folgerungen nicht gehört haben,
-noch hören wollen: woher mögen sie doch wissen, dass
-es Trugschlüsse sind? Und setzen sie in ihren Verstand nicht
-das Vertrauen, dass er allen falschen Schein, der sich gegen
-ihre Ueberzeugung auflehnt, zerstreuen werde, da sie ihm doch
-das ungleich grössere zutrauen, dass er die einzig mögliche
-reine Wahrheit ohne sonderliches Nachdenken aufgefunden
-habe? &mdash; Oder ihre Ruhe, ihr Glaube ist grundlos; und also ist
-es ihnen überhaupt nicht darum zu thun, ob er gegründet sey
-oder nicht, wenn sie nur nicht in ihrer süssen Behaglichkeit
-gestört werden. Es liegt ihnen gar nicht an der Wahrheit, sondern
-bloss an der Vergünstigung, dasjenige für wahr zu halten,
-was sie bisher dafür gehalten haben; sey es um der Gewohnheit
-willen, sey es, weil der Inhalt desselben ihrer Trägheit und
-Verdorbenheit schmeichelt. Sie erhalten etwa dadurch die Hoffnung,
-ohne alles ihr Zuthun, tugendhaft und glückselig, oder
-wohl gar ohne Tugend glückselig zu werden, recht viel zu geniessen,
-<a id="page-348" class="pagenum" title="348"></a>
-ohne etwas zu thun; andere für sich arbeiten zu lassen,
-wo sie Lust haben, träge und verdorben zu seyn.
-</p>
-
-<p>
-Alles Interesse von der angezeigten Art ist unächt, und in
-Ausrottung desselben besteht der erste Schritt zu Erhöhung des
-reinen Interesse für Wahrheit. Der zweite ist: man überlasse
-sich jedem Genusse, den das reine Interesse für Wahrheit gewährt.
-Die <em class="italic">Wahrheit an sich selbst</em>, wiefern sie bloss in der
-Harmonie alles unseres Denkens besteht, gewährt Genuss, und
-einen reinen, edlen, hohen Genuss.
-</p>
-
-<p>
-Das ist eine gemeine Seele, der es gleichgültig ist, ob sie,
-so <a id="corr-16"></a>geringfügig der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im
-Besitz der Wahrheit sey. Es ist hierbei nemlich gar nicht um
-den Inhalt und um die Folgen eines Satzes zu thun, sondern
-lediglich um Einheit und Uebereinstimmung in dem gesammten
-System des menschlichen Geistes. Aber der Mensch <em class="italic">soll</em> einig
-mit sich selbst seyn; er soll ein eigenes, für sich bestehendes
-Ganzes bilden. Nur unter dieser Bedingung ist er Mensch. Mithin
-ist das Bewusstseyn der völligen Uebereinstimmung mit uns
-selbst in unserem Denken, oder doch des redlichen Strebens
-nach einer solchen Uebereinstimmung, unmittelbares Bewusstseyn
-unserer behaupteten Menschenwürde, und gewährt einen
-moralischen Genuss.
-</p>
-
-<p>
-Man bezeugt es sich durch jenes Streben, und durch die
-vermittelst desselben hervorgebrachte Harmonie, dass man ein
-selbstständiges, von allem, was nicht unser Selbst ist, unabhängiges
-Wesen bilde. Man wird des erhabenen Gefühls theilhaftig:
-ich bin, was ich bin, weil ich es habe seyn wollen. Ich
-hätte mich können forttreiben lassen durch die Räder der Nothwendigkeit;
-ich hätte meine Ueberzeugung können bestimmen lassen
-durch die Eindrücke, die ich von der Natur überhaupt erhielt,
-durch den Hang meiner Leidenschaften und Neigungen, durch
-die Meinungen, die mir meine Zeitgenossen beibringen wollten:
-aber ich habe nicht gewollt. Ich habe mich losgerissen,
-ich habe durch eigene Thätigkeit nach einer durch mich selbst
-bestimmten Richtung hin untersucht; ich stehe jetzt auf diesem
-bestimmten Puncte, und ich bin durch mich selbst, durch eigenen
-<a id="page-349" class="pagenum" title="349"></a>
-Entschluss und eigene Kraft darauf gekommen. &mdash; Man
-wird des erhabenen Gefühls theilhaftig: ich werde immer seyn,
-was ich jetzt bin, weil ich es immer wollen werde. Der <em class="italic">Inhalt</em>
-meiner Ueberzeugungen zwar wird durch fortgesetztes
-Nachforschen sich ändern, aber um ihn ist es mir auch nicht
-zu thun. Die <em class="italic">Form</em> derselben wird sich nie ändern. Ich werde
-nie der Sinnlichkeit, noch irgend einem Dinge, das ausser mir
-ist, Einfluss auf die Bildung meiner Denkart verstatten; ich
-werde, so weit mein Gesichtskreis sich erstreckt, immer einig
-mit mir selbst seyn, weil ich es immer wollen werde.
-</p>
-
-<p>
-Diese strenge und scharfe Unterscheidung unseres reinen
-Selbst von allem, was nicht wir selbst sind, ist der wahre Charakter
-der Menschheit; die Stärke und der Umfang dieses Selbstgefühls
-ist bestimmt durch den Grad unserer Humanität; dieser
-unsere ganze Würde und unsere ganze Glückseligkeit.
-</p>
-
-<p>
-Mit dieser sichern Ueberzeugung, stets einig mit sich selbst
-zu seyn, geht der entschiedene Freund der Wahrheit auf dem
-Wege der Untersuchung ruhig fort; er geht muthig allem entgegen,
-was ihm auf demselben aufstossen möchte. Es ist für
-denjenigen, der mit sich selbst noch nicht recht eins geworden
-ist, was er denn eigentlich suche und wolle, äusserst beängstigend,
-wenn er auf seinem Wege auf Sätze stösst, die allen seinen
-bisherigen Meinungen, und den Meinungen seiner Zeitgenossen,
-und der Vorwelt widersprechen; und gewiss ist diese
-Aengstlichkeit eine der Hauptursachen, warum die Menschheit
-auf dem Wege zur Wahrheit so langsame Fortschritte gemacht
-hat. Von ihr ist derjenige, der die Wahrheit um ihrer selbst
-willen sucht, völlig frei. Er blickt jeder noch so befremdenden
-Folgerung kühn in das Gesicht. Ob sie ein befremdendes oder
-bekanntes Aussehen habe, ob sie seiner und aller bisherigen
-Meinung widerspreche oder nicht, darnach war nicht die Frage.
-Die Frage war: ob sie, seinem besten Wissen nach, mit den
-Gesetzen des Denkens übereinstimme oder nicht, und das wird
-er untersuchen. Wird sich finden, dass sie damit übereinstimme,
-so wird er sie als heilige, ehrwürdige Wahrheit aufnehmen;
-wird sie nicht damit übereinstimmen, so wird er sie
-als Irrthum verwerfen, nicht weil sie der gemeinen Meinung,
-<a id="page-350" class="pagenum" title="350"></a>
-sondern weil sie seinem besten Wissen nach den Gesetzen des
-Denkens widerspricht. Bis dahin ist er völlig gleichgültig gegen
-sie; über ihren Inhalt hat er die Frage nicht erhoben; derselbe
-ist ihm bekannt; ihre Form hat er noch zu untersuchen.
-</p>
-
-<p>
-Mit dieser kalten Ruhe und festen Entschlossenheit blickt
-er hinein in das Gewühl der menschlichen Meinungen überhaupt
-und seiner eigenen Einfälle und Zweifel. Es wirbelt und stürmt
-<em class="italic">um ihn herum</em>, aber nicht <em class="italic">in ihm</em>. Er selbst sieht aus seiner
-unerreichbaren Burg ruhig dem Sturme zu. Er wird ihm zu
-seiner Zeit gebieten, und eine Welle nach der anderen wird
-sich legen. &mdash; Er will nur Harmonie mit sich selbst, und er
-bringt sie hervor, so weit er bis jetzt gekommen ist. Dort ist
-noch Verwirrung in seinen Meinungen; das ist nicht seine
-Schuld, denn bis dahin hat er noch nicht kommen können.
-Er wird auch dahin kommen, und dann wird jene Unordnung
-in die schönste Ordnung sich auflösen. &mdash; Was wäre denn wohl
-endlich das härteste, was ihm begegnen könnte? Gesetzt, er
-fände, entweder weil die Schranken der endlichen Vernunft
-überhaupt, welches unmöglich ist, oder weil die Schranken seines
-Individuums solches mit sich bringen, als letztes Resultat
-seines Strebens nach Wahrheit, dass es überhaupt gar keine
-Wahrheit und Gewissheit gebe. Er würde auch diesem Schicksale,
-dem härtesten, das ihn treffen könnte, sich unterwerfen;
-denn er ist zwar unglücklich, aber schuldlos; er ist seines redlichen
-Forschens sich bewusst, und das ist statt alles Glücks,
-dessen er nun noch theilhaftig werden kann.
-</p>
-
-<p>
-Ebenso ruhig &mdash; wenn dieser Umstand der Erwähnung
-werth ist &mdash; bleibt der entschiedene Freund der Wahrheit darüber,
-was <em class="italic">andere</em> zunächst zu seinen Ueberzeugungen sagen
-werden, wenn er in der Lage seyn sollte, sie mittheilen zu
-müssen; und der Gelehrte ist immer in dieser Lage, da er
-nicht bloss für sich selbst, sondern zugleich für andere forscht.
-Die Frage ist ja gar nicht, ob wir mit anderen, sondern ob
-wir mit uns selbst übereinstimmend denken. Ist das letztere,
-so können wir des erstern ohne unser Zuthun, und ohne erst
-die Stimmen zu sammeln, bei allen denen gewiss seyn, die
-mit sich selbst in Uebereinstimmung stehen; denn das Wesen
-<a id="page-351" class="pagenum" title="351"></a>
-der Vernunft ist in allen vernünftigen Wesen Eins und ebendasselbe.
-Wie <em class="italic">andere</em> denken, wissen wir nicht, und wir können
-davon nicht ausgehen. Wie <em class="italic">wir</em> denken sollen, wenn wir
-vernünftig denken wollen, können wir finden; und so, wie wir
-denken sollen, sollen alle vernünftige Wesen denken. Alle Untersuchung
-muss von innen heraus, nicht von aussen herein,
-geschehen. <em class="italic">Ich</em> soll nicht denken, wie <em class="italic">andere</em> denken; sondern
-wie <em class="italic">ich</em> denken soll, so, soll ich annehmen, denken auch andere.
-&mdash; Mit denen übereinstimmend zu seyn, die es mit sich
-selbst nicht sind, wäre das wohl ein würdiges Ziel für ein vernünftiges
-Wesen?
-</p>
-
-<p>
-Das Gefühl der für formale Wahrheit angewendeten <em class="italic">Kraft</em>
-gewährt einen reinen, edlen, dauernden Genuss.
-</p>
-
-<p>
-Einen solchen Genuss kann uns überhaupt nur dasjenige
-gewähren, was unser eigen ist, und was wir durch würdigen
-Gebrauch unserer Freiheit uns selbst erworben haben. Was
-uns hingegen ohne unser Zuthun von aussen gegeben worden
-ist, gewährt keinen reinen Selbstgenuss. Es ist nicht unser,
-und es kann uns ebenso wieder genommen werden, wie es
-uns gegeben wurde; wir geniessen an demselben nicht uns
-selbst, nicht unser eigenes Verdienst und unsern eigenen Werth.
-So verhält es sich auch insbesondere mit Geisteskraft. Das,
-was man guten Kopf, angebornes Talent, glückliche Naturanlage
-nennt, ist gar kein Gegenstand eines vernünftigen Selbstgenusses,
-denn es ist dabei gar kein eigenes Verdienst. Wenn ich
-eine reizbarere, thätigere Organisation erhielt, wenn dieselbe
-gleich bei meinem Eintritte ins Leben stärker und zweckmässiger
-afficirt wurde, was habe <em class="italic">ich</em> dazu beigetragen? Habe ich
-jene Organisation entworfen, unter mehreren sie ausgewählt
-und mir zugeeignet? Habe ich jene Eindrücke, die mich bei
-meinem Eintritte ins Leben empfingen, berechnet und geleitet?
-</p>
-
-<p>
-Meine Kraft ist <em class="italic">mein</em>, lediglich inwiefern ich sie durch Freiheit
-hervorgebracht habe; ich kann aber nichts in ihr hervorbringen,
-als ihre Richtung; und in dieser besteht denn auch
-die wahre Geisteskraft. Blinde Kraft ist keine Kraft, vielmehr
-Ohnmacht. Die Richtung aber gebe ich ihr durch Freiheit, deren
-Regel ist, stets übereinstimmend mit sich selbst zu wirken;
-<a id="page-352" class="pagenum" title="352"></a>
-vorher war sie eine fremde Kraft, Kraft der willenlosen und
-zwecklosen Natur in mir.
-</p>
-
-<p>
-Diese Geisteskraft wird durch den Gebrauch verstärkt und
-erhöht; und diese Erhöhung giebt Genuss, denn sie ist Verdienst.
-Sie gewährt das erhebende Bewusstseyn: ich war Maschine,
-und konnte Maschine bleiben; durch eigene Kraft, aus
-eigenem Antriebe habe ich mich zum selbstständigen Wesen
-gemacht. Dass ich jetzt mit Leichtigkeit, frei, nach meinem eigenen
-Zwecke fortschreite, verdanke ich mir selbst; dass ich
-fest, frei und kühn <a id="corr-17"></a>an jede Untersuchung mich wagen darf,
-verdanke ich mir selbst. Dieses Zutrauen auf mich, dieser Muth,
-mit welchem ich unternehme, was ich zu unternehmen habe,
-diese Hoffnung des Erfolgs, mit der ich an die Arbeit gehe,
-verdanke ich mir selbst.
-</p>
-
-<p>
-Durch diese Geisteskraft wird zugleich das moralische Vermögen
-gestärkt, und sie ist selbst moralisch. Beide hängen innig
-zusammen, und wirken gegenseitig auf einander. Wahrheitsliebe
-bereitet vor zur moralischen Güte, und ist selbst schon
-an sich eine Art derselben. Dadurch, dass man alle seine Neigungen,
-Lieblingsmeinungen, Rücksichten, alles, was ausser uns
-ist, den Gesetzen des Denkens frei unterwirft, wird man gewöhnt,
-vor der Idee des Gesetzes überhaupt sich niederzubeugen
-und zu verstummen; und diese freie Unterwerfung ist selbst
-eine moralische Handlung. Herrschende Sinnlichkeit schwächt
-in gleichem Grade das Interesse für Wahrheit, wie für Sittlichkeit.
-Durch den Sieg, den das erstere über dieselbe erkämpft,
-wird zugleich für die Tugend ein Sieg erfochten. Freiheit des
-Geistes in <em class="italic">Einer</em> Rücksicht entfesselt in allen übrigen. Wer alles,
-was ausser ihm liegt, in der Erforschung der Wahrheit verachtet,
-der wird es auch in allem seinem Handeln überhaupt verachten
-lernen. Entschlossenheit im Denken führt nothwendig
-zur moralischen Güte und zur moralischen Stärke.
-</p>
-
-<p>
-Ich setze kein Wort hinzu, um die Würde dieser Denkart
-fühlbar zu machen. Wer ihrer fähig ist, der fühlt sie durch die
-blosse Beschreibung; wer sie nicht fühlt, dem wird sie ewig
-unbekannt bleiben. &mdash;
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-5-6">
-<a id="page-353" class="pagenum" title="353"></a>
-<span class="line1">F.</span><br />
-<span class="line2">Aphorismen</span><br />
-<span class="line3">über Erziehung aus dem Jahre 1804.<a class="fnote" href="#footnote-36" id="fnote-36">[36]</a></span>
-</h3>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-1">
-<span class="line1">1.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Einen Menschen erziehen heisst: ihm Gelegenheit geben,
-sich zum vollkommenen Meister und Selbstherrscher seiner <em class="italic">gesammten</em>
-Kraft zu machen. Der <em class="italic">gesammten</em> Kraft, sage ich; denn
-die Kraft des Menschen ist Eine und ist ein zusammenhängendes
-Ganze. Sogleich in der Erziehung einen abgesonderten Gebrauch
-dieser Kraft als Ziel ins Auge fassen, &mdash; den Zögling
-für seinen Stand erziehen, wie man dies wohl genannt hat,
-würde nur überflüssig seyn, wenn es nicht verderblich wäre.
-Es verengt die Kraft und macht sie zum Sklaven des angebildeten
-Standes, da sie doch sein Herrscher seyn sollte. Der
-völlig und harmonisch ausgebildeten Kraft kann man es überlassen,
-von welcher Seite her sie sich der Welt und der Praxis
-in ihr nähern werde; oder: in allen Ständen kommt es
-nicht darauf an, wozu man <em class="italic">erzogen</em> sey und was man <em class="italic">gelernt</em>
-habe, sondern was man <em class="italic">sey</em>? Wer überhaupt nur wirklich <em class="italic">ist</em>,
-ein vernünftiges und in jedem Augenblicke selbstthätiges Wesen,
-wird immer mit Leichtigkeit sich zu dem <em class="italic">machen</em>, was er
-in seiner Lage seyn soll. Wer aber durch irgend eine äusserliche
-Einübung (Dressur) den leider ermangelnden Thierinstinct
-<a id="page-354" class="pagenum" title="354"></a>
-ersetzt hat, der bleibt eben in dieser Schranke befangen, die
-ihn wie eine zweite, ihm undurchdringliche Natur umgiebt, und
-die Erziehung, der Unterricht hat ihn gerade beschränkt, getödtet,
-statt ihn zu befreien und zum lebendigen Fortwachsen
-aus sich selbst fähig zu machen.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-2">
-<span class="line1">2.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Für Entwickelung der <em class="italic">Geistes</em>kraft in diesem allgemeinsten
-Sinne haben wir Neueren nichts Zweckmässigeres, als die Erlernung
-der alten klassischen Sprachen. Ob man fürs Leben
-jemals dieser Sprachen bedürfen werde, davon sey nicht die
-Frage: ja sogar davon werde abgesehen, ob es dem aufkeimenden
-Geiste räthlicher sey, in der gepressten Luft der modernen
-Denkart, oder in dem heiteren Wehen der Schriftsteller des
-Alterthums zu athmen. Folgende Frage aber kann nicht geschenkt
-werden: wie der Zögling über den Nebel nicht von
-ihm geschaffener und deshalb nicht verstandener Worte, der
-nur den Geist, welcher ihm unbewusst in der Sprache umherwankt,
-keinesweges aber seinen eigenen, in ihm aufkommen
-lässt, &mdash; über diesen Nebel, der den grössten Theil selbst der
-angeblich gebildeten Menschen zeitlebens gefesselt hält, zur lebendigen
-Anschauung der Sache selbst gelangen solle?
-</p>
-
-<p>
-Ich halte dafür, dass dies geschehen könne nur durch das
-Studium <em class="italic">der</em> Sprachen, deren ganze <em class="italic">Begriffsgestaltung</em> von der
-Modernität völlig abweicht und jeden, der es in dieser Region
-bis zum <em class="italic">eigentlichen Verstehen</em> bringen soll &mdash; was freilich mehr
-ist, als was der gewöhnliche Unterricht in den alten Sprachen
-bezweckt und in der Regel auch erreicht, der sich mit dem
-ungefähren Dolmetschen des Sinnes begnügt, &mdash; entschieden
-nöthiget, über alle Zeichen hinweg zu etwas Höherem, als das
-Sprachzeichen ist, zu dem Begriffe der Sache sich zu erheben:
-&mdash; ein Studium, welches ebendarum durch die Erlernung keiner
-neueren Sprache zu ersetzen ist, weil hierin mit nichtverstandenen
-Phrasen, gegen andere gleichgeltende, nur anderstönende,
-welche ebenfalls nicht verstanden werden, d. h. in
-denen niemals vom Ausdrucke und Bilde zum Begriffe vorgedrungen
-wird, &mdash; ein Tauschhandel getrieben werden kann und
-<a id="page-355" class="pagenum" title="355"></a>
-getrieben wird. Daher nun die Nebelwelt halbverstandener,
-nie bis auf ihren Kern untersuchter Vorstellungen, in der das
-gewöhnliche Bewusstseyn, auch der sogenannten Gebildeten,
-lebt, und die ihre Wahrheit sind, nach der zufälligen Gestaltung
-des sie umgebenden Sprachgeistes und nach dem ebenso zufälligen
-Anfluge aus ihren specielleren Umgebungen, wo also
-nirgends das Bewusstseyn mit dem Realen und Wahren zu thun
-hat, sondern mit den Schattenbildern desselben.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-3">
-<span class="line1">3.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Es liegt in der Sache, dass die <em class="italic">Form</em> des Unterrichtes und
-der Uebungen auf den beschriebenen Zweck berechnet seyn
-muss; eine Form, mit welcher ich aus alter Uebung im Unterrichte
-sehr bekannt zu seyn glaube. Eine Nebenrücksicht hierbei
-wird die seyn, den grössten Theil der Zeit und der Mühe,
-der in dem hergebrachten Unterrichte auf das Lateinische, eine
-sehr nachstehende Tochter des Griechischen, gewidmet wird,
-der Mutter selbst zuzuwenden, mit dem Griechischen, so viel
-dies möglich ist, anzufangen, dies als Hauptsache zu nehmen
-und bis zu Stil- und sogar Sprechübungen zu treiben, indem
-aus der für den geborenen Deutschen, wegen der sehr nahen
-Verwandtschaft des Griechischen mit seiner Muttersprache ohnedies
-leicht zu erlangenden Fertigkeit, eine Ansicht von der
-Sprache überhaupt und so auch eine Vorbereitung auf das
-weit ferner für uns liegende Lateinische erfolgt; welche auf
-umgekehrtem Wege nicht so sicher zu erreichen wäre.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-4">
-<span class="line1">4.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Es versteht sich, dass über dieser Erlernung der alten
-Sprachen und der Ansichten der alten Welt, der alten Geschichte,
-Geographie u. s. w., die Kenntniss der umgebenden
-Welt nicht vergessen werde. Dies ist nun aber, weil es das
-Umgebende betrifft, mehr durch Leben und möglichst zu vermittelnde
-Anschauung, als durch todtes Studium und Ueberlieferung,
-mehr durch unmittelbare Erfahrung und Conversation
-darüber, als durch besondere Lehrstunden zu befördern. Ein
-lebendiger, durch seine tägliche Arbeit an Verknüpfung und
-<a id="page-356" class="pagenum" title="356"></a>
-Ordnung gewöhnter Knabe wird nicht ermangeln, von dem,
-was er erblickt, aufzusteigen zu dem, was er nicht erblickt,
-und darnach, so wie nach dem Zusammenhange beider zu fragen,
-und er wird Befriedigung erhalten, wenn diejenigen, die
-ihn umgeben, theils selber die Sache wissen, theils so zu antworten
-verstehen, dass keine todte, nur wiederholende Phrase,
-sondern eine lebendige Anschauung im Zöglinge entstehe.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-5">
-<span class="line1">5.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Der innere Geist und Charakter dieser intellectuellen Erziehung,
-ohne welchen alle äusserlichen Fertigkeiten und Kenntnisse
-keinen Werth haben, ist der, dass der Zögling in der
-That und stets selbst arbeite, Alles durch eigene Geisteskraft
-sich erwerbe, keinesweges aber nur mechanisch etwas anlerne.
-Die Methode, leicht oder spielend zu lehren und zu lernen,
-kann daher in einem vernunftgemässen Erziehungsplane nicht
-eintreten, in welchem es gar nicht darauf ankommt, <em class="italic">was</em> da
-erlernt sey, sondern was der Zögling geistig vermöge, und wie
-dies Vermögen durch den Stoff des Unterrichtes entwickelt
-worden sey.
-</p>
-
-<p>
-Aus diesem Grunde wird das Studium der Mathematik, am
-geeignetsten nach Euklides oder in dieser Methode, der zweite
-Hauptzweig des eigentlichen Unterrichtes seyn.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-6">
-<span class="line1">6.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Dagegen im unmittelbaren Leben, durch ein von selbst sich
-darbietendes oder künstlich herbeigeführtes Bedürfniss angeregt,
-sind die neueren Sprachen zu erlernen. Diese Erlernung
-ist dem Knaben, der schon an den alten Sprachen Kenntniss
-der Sprache überhaupt sich erworben, und Ohr und Zunge an
-ihnen geübt hat, der ferner Lateinisch versteht, besonders bei
-den Töchtern des Lateinischen sehr leicht, wenn dabei nur
-nicht auf eine zu nichts dienende Virtuosität im blossen Sprechen
-ausgegangen wird.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-7">
-<a id="page-357" class="pagenum" title="357"></a>
-<span class="line1">7.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Jenen auf Anschauung gegründeten Unterricht in den Anfangsgründen
-der Geometrie und Arithmetik abgerechnet, ist
-ein eigentlich systematisches und speculatives Studium der Wissenschaften,
-vor den Jahren der anfangenden Reife, sogar nachtheilig.
-Früher werde nur reicher Stoff der Erkenntniss herbeigeführt,
-die Phantasie gestärkt und frei und selbstständig
-gemacht, der Verstand durch Uebung an den gesetzmässigen
-Gang <em class="italic">angewöhnt</em>, als ob dies gar nicht anders seyn könne. Erst
-in dieser Richtigkeit des geistigen Blickes befestigt, möge er
-Ausflug nehmen zur Erforschung und zum deutlichen Bewusstseyn
-seiner Gesetze, denen er bisher, wie einem dunkeln Instincte,
-folgte. Mit Einem Worte: Transscendentalismus jeder
-Art, selbst in seinen leisesten Andeutungen, gehört nicht unter
-die Gegenstände der Erziehung. &mdash;
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-8">
-<span class="line1">8.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Der Körper ist so gut Ausdruck der <em class="italic">gesammten</em> menschlichen
-Kraft, als es der Geist ist. Abgerechnet nun, dass ganz
-gegen die gewöhnliche Meinung von der &bdquo;Ungesundheit&ldquo; des
-Fleisses und des ernsten Studiums, frühe Geistesbildung, wenn
-sie nur nicht ein Brüten der Memorie über todten, unverstandenen
-Phrasen, sondern ein Leben und Weben der Phantasie
-seyn soll, schon durch sich selbst auch für den Körper der
-wirksamste Lebensbalsam ist: &mdash; dies abgerechnet, bleibt es
-noch besonderer Zweck der Erziehung, den Zögling auch seines
-Körpers Meister zu machen, also dass er diesen besitze,
-in keinem Sinne aber von ihm besessen werde, &mdash; auch nicht
-durch körperliche Stimmungen und Aufregungen.
-</p>
-
-<p>
-Hierher gehört zuerst Entwicklung und Fixirung der Sinne;
-des Auges durch (nicht mechanisches, sondern perspectivisches)
-Zeichnen; des Ohres durch Uebung im harmonischen, einstimmigen
-und vielstimmigen Gesange, und, sofern Talent vorhanden,
-auch im Erlernen eines musikalischen Instrumentes: &mdash;
-des allgemeinen Sinnes durch Gewöhnung an ununterbrochene
-Aufmerksamkeit und absolutes Nichtdulden des Zerstreutseyns.
-<a id="page-358" class="pagenum" title="358"></a>
-(Dieser Punct ist wichtiger als er scheint, und ich getraue mir
-zu behaupten, dass man das Menschengeschlecht mit Einem
-Streiche von allen seinen übrigen Gebrechen geheilt haben
-würde, wenn man jeden von dem Zerstreutseyn geheilt, und
-ihn dahin gebracht hätte, nur allemal seine ganze unzerstreute
-Aufmerksamkeit auf das zu richten, was er jetzt treibt.)
-</p>
-
-<p>
-Täglicher Genuss der frischen Luft, harmonische Ausbildung
-des Körpers durch gymnastische Uebungen, wie Tanzen,
-Ringen, Fechten, Reiten, insgesammt auf den Zweck gerichtet,
-den Körper unter die Herrschaft des Geistes zu bringen und
-ihn zugleich zum starken, ausdauernden Werkzeuge desselben
-zu machen, verstehen sich von selber im Ganzen dieses Erziehungsplanes.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-9">
-<span class="line1">9.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Eine <em class="italic">positive</em> moralische Erziehung, d. h. eine solche, die
-sich den Zweck setze und ihn ausdrücklich ausspreche, den
-Zögling zur Tugend zu bilden, giebt es nicht; vielmehr würde
-ein solches Verfahren den inneren moralischen Sinn ertödten
-und gemüthlose Heuchler und Gleissner bilden. In der eigenen
-schamhaften Stille des Gemüthes, ohne Geschwätz und Selbstbespiegelung,
-muss die Sittlichkeit von selbst aufkeimen, und
-allmählig höher erwachsen und sich verbreiten, so wie die äusseren
-Beziehungen sich theils vermehren, theils dem Kinde klarer
-werden. So muss es seyn, und so wird es ohne alles absichtliche
-Zuthun allenthalben von selbst erfolgen, <em class="italic">sofern nur
-lauter gute Beispiele den Zögling umgeben und alles Schlechte,
-Gemeine und Niedrige fern von seinem Auge gehalten wird.</em>
-</p>
-
-<p>
-Ausser dieser verhütenden Sorgfalt hat der Erzieher nur
-noch Folgendes zu thun: wenige, in sich selbst durchaus klare
-und leicht zu beobachtende positive Gebote aufzustellen, über
-deren Befolgung, ohne irgend eine Ausnahme und unverbrüchlich,
-gehalten werde. So wäre denn irgend einmal mit Feierlichkeit
-das sittliche Gesetz anzukündigen: schlechthin nicht zu
-lügen, nicht wissentlich und bedächtig gegen sein Bewusstseyn
-zu reden oder zu handeln. Nach aller Erfahrung ergreift dieses
-Gesetz mit einer wunderbaren Gewalt den Knaben, erhebt
-<a id="page-359" class="pagenum" title="359"></a>
-ihn, giebt ihm eine innerliche Fassung, und wird ihm unaustilgbare
-Quelle der inneren Rechtschaffenheit, die die Mutter
-aller Tugenden ist und Keinen, der sie besitzt, ohne Rettung
-fallen lässt.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-10">
-<span class="line1">10.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Innere Religiosität des Gemüthes, das heisst: heilige Ahnung
-eines über alle Sinnlichkeit Erhabenen, und Hinneigung
-zu ihm, findet bei innerer Rechtschaffenheit des Gemüthes und
-zweckmässiger Geistesbildung, wie sie eben beschrieben worden,
-sich ganz von selbst. Sie planmässig anlehren zu wollen,
-würde abermals den inneren Sinn dafür ertödten und den
-Heuchler bilden. &mdash; Die Unterweisungen in der positiven Landesreligion
-wird, wenn der Zögling in die Jahre kommt, an
-den Mysterien derselben theilzunehmen, der Geistliche seiner
-Confession (welches diese sey, ist unserer Erziehung völlig
-gleichgültig) besorgen, und unser Erziehungsplan wird jeder
-positiven oder negativen Einmischung und jedes Einflusses in
-diese Angelegenheit sich mit strenger Gewissenhaftigkeit enthalten.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-11">
-<span class="line1">11.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Die äusseren Mittel zur Erreichung des angegebenen Zweckes
-werden folgende seyn:
-</p>
-
-<p>
-Es wird ein Hauslehrer, oder falls eine grössere Anzahl
-von Zöglingen sich fände, deren zwei gehalten. Die ausschliessenden
-Bedingungen, durch die man sich bei der Wahl dieser
-Lehrer leiten lassen wird, werden darin bestehen: zuvörderst,
-dass ihnen Pädagogik um ihrer selbst willen Geistes- und Herzensangelegenheit
-sey, und sie daher eine solche Stelle nicht
-als Mittel für einen fremden Zweck, sondern selbst als nächsten
-Zweck suchen; &mdash; sodann, dass, wenn sie auch nicht alles,
-sogar nur weniges von dem, was sie lehren sollen, wissen,
-sie doch die Geistesfreiheit und Uebung haben, immer mit Leichtigkeit
-es zu lernen, so wie sie dessen bedürfen, und ebenso
-die zweckmässigste Methode, es zu lehren, besitzen oder diese
-sich anzueignen vermögen. Diese Männer werden, abwechselnd
-<a id="page-360" class="pagenum" title="360"></a>
-mit mir, unter täglich gegenseitiger Rücksprache und Rechenschaftsablegung,
-lehren und die Zöglinge unter <em class="italic">ununterbrochener</em>
-Aufsicht behalten.
-</p>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-5-6-12">
-<span class="line1">12.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Fremde Kinder durchaus und ganz wie unser eigenes anzusehen
-und zu behandeln, dazu müsste uns, selbst wenn es
-keine höheren Antriebe gäbe, sogar die Klugheit und das Wohlwollen
-gegen unser eigenes Kind nöthigen, indem das entgegengesetzte
-Benehmen gerade für es selbst die nachtheiligsten
-Folgen haben würde.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-36" id="footnote-36">[36]</a> Als Rechenschaftsablegung bei Gelegenheit eines damals gefassten Planes
-geschrieben, einige Söhne ihm befreundeter Familien, zur Erziehung mit
-dem eigenen, in sein Haus aufzunehmen.
-</p>
-
-<p class="sign footnote2">
-(Anmerk. des Herausgebers.)
-</p>
-
-<h3 class="pbb chapter" id="chapter-5-7">
-<a id="page-361" class="pagenum" title="361"></a>
-<span class="line1">G.</span><br />
-<span class="line2">Bericht</span><br />
-<span class="line3">über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Geschrieben im Jahre 1806.)
-</p>
-
-<h4 class="l2i subchap" id="subchap-5-7-1">
-<span class="line1">Erstes Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre.</span>
-</h4>
-
-<p class="noindent">
-Falls etwa der Erkenntniss der Wahrheit durch den Menschen
-dieses Hinderniss im Wege stände, dass im natürlichen
-und kunstlosen Zustande diese Erkenntniss sich selber, nach
-eigenen innern und verborgen bleibenden Gesetzen gestaltete
-und bildete; diese ihre eigene Gestalt der zu erkennenden
-Wahrheit, ohne unser Vermerken, mittheilte, und so in der
-Erkenntniss sich selber in den Weg, und zwischen sich und
-die reine Wahrheit in die Mitte träte: so würde es auf diese
-Weise nie zur Wahrheit, und falls diese Selbstmodification der
-Erkenntniss wandelbar, veränderlich, und in ihrer verschiedenen
-Gestaltung vom blinden Ohngefähr abhängig seyn sollte, auch
-nie zu bleibender Einheit und Gewissheit in der Erkenntniss
-kommen. Diesem Mangel und den nothwendigen Folgen desselben
-könnte auf keine andere Weise abgeholfen werden,
-ausser dadurch, dass jene inneren Selbstmodificationen der
-Erkenntniss aus ihren Gesetzen vollständig erschöpft, und die
-<a id="page-362" class="pagenum" title="362"></a>
-Producte derselben von der erkannten Wahrheit abgezogen
-würden; worauf, nach diesem Abzuge, die reine Wahrheit
-übrigbleiben würde.
-</p>
-
-<p>
-So verhält es sich nun in der That; und dem zufolge würden,
-bis auf Kant, alle Denker und Bearbeiter der Wissenschaft
-ohne Ausnahme durch den verborgenen Strom jener inneren
-Verwandlungen der Erkenntniss herumgezogen, und mit sich
-selber und andern in Widerstreit versetzt. Kant war der erste,
-der diese Quelle aller Irrthümer und Widersprüche glücklich
-entdeckte, und den Vorsatz fasste, auf die einzig wissenschaftliche
-Weise, durch systematische Erschöpfung jener Modificationen,
-und, wie er es nannte, durch Ausmessung des ganzen
-Gebiets der Vernunft, sie zu verstopfen. Die Ausführung blieb
-jedoch hinter dem Vorsatz zurück, indem die Vernunft oder
-das Wissen nicht in seiner absoluten Einheit, sondern schon
-selbst in verschiedene Zweige gespalten, als theoretische, als
-praktische, als urtheilende Vernunft, der Untersuchung unterworfen;
-auch die Gesetze dieser einzelnen Zweige mehr empirisch
-gesammelt, und durch Induction als Vernunftgesetze
-erhärtet wurden, als dass eine wahre Deduction aus der Urquelle
-sie erschöpft, und als das, was sie sind, sie dargelegt
-hätte. Bei diesem Stande der Sachen ergriff die Wissenschaftslehre
-die durch jene Kantische Entdeckung an die Menschheit
-gestellte Aufgabe; zeigend, was der Wissenschaftsweg in seiner
-Einheit sey, sehr sicher wissend und darauf rechnend,
-dass aus dieser Einheit heraus die besonderen Zweige desselben
-sich von selbst ergeben, und aus ihr würden charakterisirt
-werden können.
-</p>
-
-<p>
-Wir sind nicht gemeint zu läugnen, dass nicht von einigen
-jene Wissenschaftslehre einigermaassen gefasst, und ihr
-Zweck nothdürftig historisch ersehen worden sey, indem von
-mehreren gestanden worden, dass durch jenes Werk die absolute
-Nichtigkeit aller Producte des Grundgesetzes des Wissens,
-der Reflexion, dargethan sey. Nur machte man aus dieser
-Entdeckung über das Resultat jener Philosophie den Schluss,
-dass eben um dieses Resultates willen die Wissenschaftslehre
-nothwendig falsch sey, indem eine Realität denn doch sey,
-<a id="page-363" class="pagenum" title="363"></a>
-diese Realität aber, weil nemlich diejenigen, die also dachten,
-für ihre Person dieselbe nicht anders zu erfassen vermochten,
-nur innerhalb des Gebiets des Reflexionsgesetzes erfasst werden
-könne. Durch dieselbe Voraussetzung machten sie nun
-die Wissenschaftslehre, dieselbe mit dem in ihrer Gewalt einig
-befindlichen Organe fassend, wirklich falsch; indem sie, gar nicht
-zweifelnd, dass ein objectives Seyn gesetzt werden müsste,
-und dass von diesem allgemeinen Schicksal der Sterblichkeit
-auch die Wissenschaftslehre nicht frei seyn werde, meinten,
-der Fehler dieser Philosophie bestehe darin, dass sie ein subjectives-objectives
-Seyn, ein wirkliches und concret bestehendes
-Ich, als das Ding an sich, voraussetze; welchem Fehler sie
-für ihre Person nun dadurch abzuhelfen vermeinten, dass sie
-statt dessen ein objectives-objectives Seyn, welches sie mit
-dem Namen des Absoluten beehrten, voraussetzten. Zwar hat
-man in Absicht der der Wissenschaftslehre angemutheten Voraussetzung
-von Seiten derselben nicht ermangelt, wiederholt
-und in den verschiedensten Wendungen zu protestiren; jene
-aber bleiben dabei, wie sie denn auch nicht füglich anders
-können, dass sie besser wissen müssten, was der Verfasser
-der Wissenschaftslehre eigentlich wolle, als dieser selbst. In
-Absicht ihrer eigenen Verbesserung ist sonnenklar, und es
-wird, falls jemals einige Besonnenheit an die Tagesordnung
-kommen sollte, jedes Kind begreifen, dass dieses ihr Absolute
-nicht nur objectiv ist, welches das erste Product der stehenden
-Reflexionsform, sondern zugleich auch, als Absolutes,
-bestimmt ist durch seinen Gegensatz eines Nicht-Absoluten,
-welche ganze Fünffachheit, noch überdies mit der im Nicht-Absoluten
-liegenden ganzen Unendlichkeit, in jener Operation
-mit dem Absoluten und ihrer Einbildungskraft durch einander
-verwachsen liegt, und so ihr Absolutes überhaupt gar kein
-möglicher Gedanke, sondern nur eine finstere Ausgeburt ihrer
-schwärmenden Phantasie ist, um die Empirie, im Glauben an
-welche sie fest eingewurzelt sind, zu erklären.
-</p>
-
-<p>
-Gegen Erinnerungen, wie die eben gemachte, meinen sie
-auf folgende Weise sich in Sicherheit bringen zu können. Es
-hat nemlich die Wissenschaftslehre, freilich nur fürs Erste, und
-<a id="page-364" class="pagenum" title="364"></a>
-als ein Hausmittel für diejenigen, denen der Zustand der Besonnenheit
-noch nicht der natürliche geworden ist, sondern in
-welchen er mit dem der Unbesonnenheit wechselt, vorgeschlagen,
-dass sie bei dergleichen Producten der stehenden Reflexionsform
-sich doch nur besinnen möchten, dass sie das
-Gedachte ja denken. Jene, wohl wissend, dass, wenn sie auf
-diesen Vorschlag eingehen, ihnen die geliebte Täuschung verschwinde,
-und das, was sie gern als das Ansich sähen, als
-ein blosser Gedanke sich gar klar manifestire, versichern, dass
-man an dieser Stelle sie nie zur Reflexion bringen solle; und
-berichten, dass gerade durch die consequente Durchführung
-jener Maxime die Wissenschaftslehre zu einem leeren Reflectirsystem
-werde, und dadurch eben, wie es sich denn auch wirklich
-also verhält, die ganze Reflexionsform in absolutes Nichts
-zerfalle, indem das eben die jenem Systeme verborgengebliebene
-Kunst sey, an der rechten Stelle die Augen zuzumachen
-und die Hand auf, um die Realität zu ergreifen. Es entgeht
-ihnen hierbei gänzlich, dass, völlig unabhängig von ihrem Reflectiren
-oder Nichtreflectiren auf ihren Denkact, derselbe an
-sich bleibt, wie er ist, und wie er durch die Form der Beschränkung,
-in der sie ihn vollziehen, nothwendig ausfällt; und
-dass es ein schlechtes Mittel ist gegen die Blindheit, vor der
-Blindheit selber wiederum die Augen zu verschliessen. So
-bleibt in dem angegebenen Falle ihr Absolutes, von dem sie
-doch durchaus nicht anders denken können, als dass es sey,
-immer ein Objectives, aus dem Schauen Hingeworfenes, und
-demselben in ihm selber Entgegengesetztes, durch sich und in
-seinem Wesen; ob sie nun den Gegensatz dazu, das Schauen,
-ausdrücklich hinsetzen oder nicht: und sie haben, wenn sie
-nicht mehr denn dieses Objectiviren vollzogen haben, nur das
-Seyn überhaupt, keinesweges aber, wie sie vorgeben, das Absolute
-gedacht; oder wollen sie doch auch dieses Letztere gedacht
-haben, so haben sie, innerhalb des Seyns überhaupt,
-noch durch einen zweiten Gegensatz mit einem nicht absoluten
-Seyn, eine weitere Bestimmung vollzogen, und ihr Absolutes
-ist ein besonderes Seyn, innerhalb des allgemeinen, und ihr
-Denken ist auf eine bestimmte Weise analytisch-synthetisch,
-<a id="page-365" class="pagenum" title="365"></a>
-weil nur durch ein solches Denken der Begriff, den sie zu
-haben versichern, zu Stande kommt, sie mögen es nun erkennen
-oder nicht.
-</p>
-
-<p>
-Dieses Alles ist ihnen nun seit dreizehn Jahren oft wiederholt
-und in den mannigfaltigsten Wendungen gesagt worden,
-und sie haben es auch recht wohl vernommen. Aber sie wollen
-es nicht weiter hören, und hoffen, weil wir einige Jahre
-geschwiegen, und sie nach aller ihrer Lust ihr Wesen haben
-treiben lassen, desselben auf immer erledigt, und in den ungestörten
-Besitz der Weisheit, die ihnen gefällt, eingesetzt
-zu seyn.
-</p>
-
-<p>
-Jedoch fehlt gar viel daran, dass dieses ihr Nichtwollen
-so ganz ein freies sey. Es gründet sich dasselbe vielmehr mit
-Nothwendigkeit auf die Beschaffenheit ihrer geistigen Natur.
-Sie vermögen nicht zu thun, was wir ihnen anmuthen, noch
-zu seyn, wie wir sie haben wollen. Wollen sie bei diesem
-Stande der Dinge nicht alles Seyn aufgeben und in die völlige
-Vernichtung fallen, so müssen sie sich auf das ihnen einzig
-mögliche Seyn stützen, und dasselbe aus aller Kraft aufrecht
-zu erhalten suchen.
-</p>
-
-<p>
-Jenes, oben an einem Beispiele dargestellte analytisch-synthetische
-Denken ist eine Function der Phantasie, und mischt
-mit den aus ihr erzeugten Schemen die Realität zusammen;
-wir aber muthen ihnen das reine und einfache Denken oder
-die Anschauung an, durch welches allein die Realität, in ihrer
-Einheit und Reinheit, an sie gelangen könnte. Sie sind des
-Letzteren durchaus unfähig, und sind darum allerdings genöthigt,
-falls sie nicht lieber das Denken überhaupt aufgeben
-wollen, sich der Herrschaft ihrer dunklen und verworrenen
-Phantasie zu überlassen. Wie sie auch mit ihrem Geiste sich
-hin- und herbewegen mögen, so werden sie nur auf andere
-Formen der Phantasie getrieben, aus dieser überhaupt nie herauskommend.
-Die Form der Phantasie ist allemal zerreissend
-das Eine: sie gehen nie anders, als mit schon zerrissenem
-Geiste an die Sache, und es kann darum das Eine nie an sie
-gelangen, weil sie selbst niemals das Eine sind.
-</p>
-
-<p>
-Darum verliert auch an ihnen alle Belehrung ihren Effect,
-<a id="page-366" class="pagenum" title="366"></a>
-weil dieselbe, um an sie zu kommen, erst durch ihr Organ
-hindurchgehen muss; in diesem Durchgange aber ihre eigene
-Form verliert, und die Form ihres Organs annimmt. Wenn
-man z. B. mit ihnen vom Ich, als der Grundform alles Wissens
-redet, so vermögen sie dieses Ich gar nicht anders an
-sich zu bringen, denn als ein objectives, durch ein anderes
-ihm entgegengesetztes objectives, bestimmtes Seyn, weil diese
-letztere Form eben die Grundform der Einbildungskraft ist; es
-ist darum nothwendig, dass sie die Wissenschaftslehre also
-verstehen, wie das deutsche Publicum sie verstanden hat; und
-es ist eben dadurch klar, dass gar keine Wissenschaftslehre an
-sie zu kommen vermag, sondern statt derselben nur ein höchst
-verkehrtes System, welches sie durch die entgegengesetzte Verkehrtheit
-berichtigen wollen.
-</p>
-
-<p>
-Das einfache Denken ist das innere Sehen; das Phantasiren
-dagegen ist ein blindes Tappen, dessen Grund dem Tapper
-ewig verborgen bleibt. Die Wissenschaftslehre war ein
-Gemälde, auf Licht und Augen berechnet, und wurde in der
-Voraussetzung, dass dergleichen vorhanden wären, dem Publicum
-vorgelegt. Man tappte einige Jahre herum auf dem Gemälde,
-und es fanden sich einige, welche Höflichkeitshalber
-versicherten, dass sie die angeblich abgezeichneten Gestalten
-unter dem Finger fühlten. Andere, die mehr Muth hatten, bekannten,
-dass sie nichts fühlten; dadurch verminderte sich
-denn auch die Schüchternheit und die falsche Scham der Ersteren,
-und sie nahmen ihr Wort zurück. Es fand sich indessen
-Einer, der der allgemeinen Noth sich annahm, und aus
-allerlei altem Abgange einen Teig zusammenknetete, den er
-ihnen darbot. Seit der Zeit befleissigt jeder, der Finger hat,
-sich des Befühlens, und es ist ein öffentliches Dankfest darüber
-angesagt, dass das Absolute betastbar geworden.
-</p>
-
-<p>
-Wo der eigentliche Punct des Streites, den die Wissenschaftslehre
-gegen sie führt, wahrhaftig liege, weiss unter allen
-vorgeblich philosophirenden deutschen Schriftstellern Keiner;
-ich sage mit Bedacht Keiner, und gedenke hierüber dermalen
-keine Ausnahme zu gestatten. Dass auch dieses System
-dafür halte, die Betastung sey der einzige innere Sinn, und
-<a id="page-367" class="pagenum" title="367"></a>
-dass es auch ein blosses, nur etwas wunderbares und von
-dem ihrigen verschiedenes Betasten sey, darüber regt nirgends
-sich einiger Zweifel. Ferner halten sie dafür, der Streit sey
-über objective Wahrheiten, und unser System läugne bloss
-einige Sätze, die sie behaupten, und wolle dieses durch andere
-Sätze verdrängen; da doch dieses System eine Bestreitung
-ihres gesammten geistigen Seyns und Lebens in der
-Wurzel ist, und ihnen vor allen Dingen Klarheit anmuthet,
-worauf es sich mit der Wahrheit ohne Weiteres auch geben
-werde. Nicht darauf kommt es an, was ihr denket, würde die
-Wissenschaftslehre ihnen sagen; denn euer gesammtes Denken
-ist schon nothwendig Irrthum, und es ist sehr gleichgültig, ob
-ihr auf die eine Weise irret, oder auf die andere; sondern
-darauf, was ihr innerlich und geistig seyd. Seyd das Rechte,
-so werdet ihr auch das Rechte denken; lebet geistig das Eine,
-so werdet ihr dasselbe auch anschauen.
-</p>
-
-<p>
-Nun aber ist das Erstere nicht ganz leicht, und wir haben
-keinen Grund, anzunehmen, dass dermalen mehr Geneigtheit
-und Fähigkeit dazu sich unter den Deutschen vorfinden werde,
-als ihrer seit dreizehn Jahren, oder wenn wir Kant, von welchem,
-nur mit etwas grösserem Aufwande des eigenen Scharfsinnes,
-dasselbe sich hätte lernen lassen, dazu nehmen, als
-seit fünfundzwanzig Jahren sich dargelegt hat. Dennoch wollen
-wir die neuerdings vom Publicum bei Seite gesetzte Sache
-wieder in Anregung bringen; unbekümmert übrigens darum,
-ob auch diese Anregung in derselben leeren Luft, in welcher
-seit geraumer Zeit alle Anregungen zum Besseren fruchtlos
-verhallet sind, gleichfalls ohne Erfolg verhallen werde.
-</p>
-
-<p>
-Um vor allen Dingen den Stand der Einstimmigkeit, sowie
-des Streites der Wissenschaftslehre mit dem Publicum festzustellen,
-und dadurch unseren eigentlichen dermaligen Zweck
-zu bestimmen:
-</p>
-
-<p>
-Das Publicum will &mdash; wir fügen uns vorläufig seiner Sprache,
-bis wir tiefer unten dieselbe zerstören werden &mdash; das
-Publicum will Realität, dasselbe wollen auch wir; und wir sind
-sonach hierüber mit ihm einig.
-</p>
-
-<p>
-Die Wissenschaftslehre hat den Beweis geführt, dass die,
-<a id="page-368" class="pagenum" title="368"></a>
-in ihrer absoluten Einheit erfasst werden könnende, und von
-ihr also erfasste Reflexionsform keine Realität habe, sondern
-lediglich ein leeres Schema sey, bildend aus sich selber heraus,
-durch ihre gleichfalls vollständig, und aus Einem Principe
-zu erfassenden Zerspaltungen in sich selbst, ein System von
-anderen ebenso leeren Schemen und Schatten; und sie ist gesonnen,
-auf dieser Behauptung fest und unwandelbar zu
-bestehen.
-</p>
-
-<p>
-Das Publicum, welches sein geistiges Leben über diese
-Form nicht hinweg zu versetzen, noch dieselbe von sich abzulösen,
-und sie frei anzuschauen vermag, hat, eben ohne es
-selbst zu wissen, seine Realität nur in dieser Form; da es nun
-aber doch Realität haben muss, so ist es geneigt, jenen von
-der Wissenschaftslehre geführten Beweis für fehlerhaft zu halten,
-weil ihm dadurch seine Realität, die es nicht umhin
-kann, für die einzig mögliche zu halten, vernichtet wird.
-</p>
-
-<p>
-Wenn wir nun bei diesem Stande der Sachen einen Augenblick
-annehmen wollen, dass diesem Publicum geholfen sey,
-und dass es uns zu verstehen vermöge; so könnte das Erstere
-nur dadurch geschehen, dass man mit ihm gemeinschaftlich
-und vor seinen Augen die Form, in der es befangen bleibt,
-ablöste und ausschiede und neu zeigte, dass zwar seine Realität,
-keinesweges aber alle Realität vernichtet sey, sondern dass im
-Hintergrunde der Form, und nach ihrer Zerstörung erst die
-wahrhafte Realität zum Vorschein komme. Dieses Letztere ist
-nun diejenige Aufgabe, welche wir zu seiner Zeit durch eine
-neue und möglichst freie Vollziehung der Wissenschaftslehre, in
-ihren ersten und tiefsten Grundzügen zu lösen gedenken.
-</p>
-
-<p>
-So jemand will, so mag er eine solche Arbeit auch für
-die Erfüllung des vor langem gegebenen Versprechens einer
-neuen Darstellung der Wissenschaftslehre nehmen; welcher Erfüllung
-ich mich übrigens, weil mir immer deutlicher geworden,
-dass die alte Darstellung der Wissenschaftslehre gut und
-vorerst ausreichend sey, schon längst entbunden hatte, und
-jetzt sie weiter hinausschiebe. Wie es mir aus den öffentlichen
-Aeusserungen dieser Erwartung wahrscheinlich geworden,
-<a id="page-369" class="pagenum" title="369"></a>
-hoffte man besonders, dass durch die neue Darstellung das Studium
-dieser Wissenschaft bequemer werden sollte; welcher Hoffnung
-zu entsprechen ich weder ehemals noch jetzt grosse Fähigkeit
-oder Geneigtheit in mir verspüre.
-</p>
-
-<p>
-Da ich soeben die ehemalige Darstellung der Wissenschaftslehre
-für gut und richtig erklärt habe, so versteht es sich, dass
-niemals eine andere Lehre von mir zu erwarten ist, als die
-ehemals an das Publicum gebrachte. Das Wesen der ehemals
-dargelegten Wissenschaftslehre bestand in der Behauptung, dass
-die Ichform oder die absolute Reflexionsform der Grund und
-die Wurzel alles Wissens sey, und dass lediglich aus ihr heraus
-Alles, was jemals im Wissen vorkommen könne, sowie es
-in demselben vorkomme, erfolge; und in der analytisch-synthetischen
-Erschöpfung dieser Form aus dem Mittelpuncte einer
-Wechselwirkung der absoluten Substantialität mit der absoluten
-Causalität; und diesen Charakter wird der Leser in allen unseren
-jetzigen und künftigen Erklärungen über Wissenschaftslehre
-unverändert wiederfinden.
-</p>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Zur vorläufigen Erwägung.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-Wenn es nun etwa jemand zu der Einsicht gebracht hätte,
-dass das Seyn &mdash; ich muss, um die Rede anknüpfen zu können,
-von diesem Begriffe, den ich demnächst zu zerstören gedenke,
-ausgehen &mdash; dass das Seyn schlechthin nur Eins, durchaus
-nicht Zwei, und ein in sich selber Geschlossenes und Vollendetes,
-eine Identität, keinesweges aber eine Mancherleiheit
-seyn könnte: so würde von einem solchen billigerweise zu fordern
-seyn, dass er nach dieser Einsicht nun auch wirklich verführe,
-nicht aber zur Stunde wiederum gegen sie handelte, dass
-er demnach, falls er etwa noch überdies ein solches Seyn nicht
-problematisch an seinen Ort gestellt seyn lassen, sondern positiv
-und bejahend dasselbe annehmen wollte, dasselbe, treu
-seinem Grundsatze, eben nur ins positive Seyn selber oder ins
-Leben setzen, und annehmen müsse, dass es eben nur unmittelbar
-<a id="page-370" class="pagenum" title="370"></a>
-lebend, und im unmittelbaren Erleben und durchaus auf
-keine andere Weise sich bewahrheiten könne. Wollte er nun
-etwa dieses Leben wiederum absolut nennen, wie ihm, wenn
-er nur dadurch keinen Gegensatz, der ja gegen die angenommene
-Einheit des Seyns streiten würde, aufstellen, sondern nur
-soviel sagen wollte, dass dies das Eine in sich vollendete Seyn
-sey, ausser welchem gar nichts Anderes seyn könne: so würde
-er annehmen müssen, dass das Absolute nur in dem einzig
-möglichen innern Leben von sich, aus sich, durch sich sey, und
-durchaus auf keine andere Weise seyn könne, dass nur im unmittelbaren
-Leben das Absolute sey, und ausser dem unmittelbaren
-Leben gar kein anderes Seyn es gebe, und alles Seyn
-nur gelebt, nicht aber auf andere Weise vollzogen werden könne.
-Könnte nun ein solcher auch wohl freilich sich nicht abläugnen,
-dass er in dieser Operation das Leben doch nur dächte, und
-objectiv vor sich hinstellte, so müsste sich derselbe nur recht
-verstehen, um sogleich einzusehen, dass er dennoch nicht diesen
-<em class="italic">Gedanken</em> seines Lebens und das <em class="italic">Product</em> seines Denkens
-meine, indem er ja das Leben aus sich und von sich selbst,
-nicht aber aus seinen Gedanken heraus gedacht zu haben vermeint,
-sonach an diesem Gedanken sein Denken ausdrücklich
-zerstört, und durch den Inhalt dieses einzig möglichen wahren
-Gedankens das Denken, als etwas für sich bedeuten wollend,
-völlig vernichtet würde. Geradezu aber würde gegen die vorausgesetzte
-Einsicht gehandelt werden, wenn jemand das Seyn,
-und da das Seyn durchaus das Absolute ist, das Absolute, in
-ein nicht Einfaches, sondern Mannigfaltiges, und in ein sichtbares
-Erzeugniss und Product eines Andern ausser ihm setzen
-wollte. Dergleichen ist nun eben der Begriff des Seyns, von
-welchem wir die Rede anhoben. Er ist nicht von sich, sondern
-aus dem Denken, und dieses Seyn ist in sich selbst todt, wie
-dies auch nicht anders seyn kann, da sein Schöpfer, das Denken,
-in sich selbst todt ist, und an dem einzigen wahren Gedanken,
-dem des Lebens, sich also bewährt. Auch bewährt
-dieses Seyn sich wirklich also todt im Gebrauche, indem es
-für sich selbst nicht aus der Stelle rückt, und durch mündliche
-Wiederholbarkeit doch ein Etwas aus ihm herauskommt, sondern
-<a id="page-371" class="pagenum" title="371"></a>
-erst durch einen zweiten Ansatz des Denkens ihm Leben
-und Bewegung als ein zufälliges Prädicat ertheilt wird. Alle
-diese, dem Seyn hinterher noch beigelegten Prädicate sind nun
-nothwendig willkürliche Erdichtungen, indem, falls das Denken
-auf eine glaubhafte Weise Bericht vom Leben abstatten sollte,
-das letztere selber darin eintreten und unmittelbar von sich
-zeugen müsste; jenes Denken eines Seyns aber gleich ursprünglich
-das Leben von sich ausgeschieden, und ausser aller unmittelbaren
-Berührung mit ihm sich gesetzt hat, und darum nicht
-berichten, sondern nur erdichten kann; an welchem letzteren
-freilich die Möglichkeit noch besonders zu erklären ist.
-</p>
-
-<p>
-Würde nun etwa dennoch in einem gewissen Sinne, der
-noch näher zu bestimmen seyn würde, angenommen, dass Wir,
-oder was dasselbe bedeutet, dass Bewusstseyn sey: so wäre
-dieses, innerhalb der vorausgesetzten Grundeinsicht, nur also
-zu begreifen, dass das Eine absolute Leben eben das unsrige,
-und das unsrige das absolute Leben sey, indem es nicht zwei
-Leben, sondern nur Ein Leben zu geben vermöge, und dass
-das Absolute auch in uns eben nur unmittelbar lebend, und im
-Leben, und auf keine andere Weise dazuseyn vermöge, indem
-es überhaupt auf keine andere Weise dazuseyn vermag; und
-wiederum, dass nur in uns das Absolute lebt, nachdem es überhaupt
-in uns lebt, es aber nicht zweimal zu leben vermag. Inwiefern
-aber nun ferner angenommen wird, dass wir nicht bloss
-das Eine Leben, sondern zugleich auch Wir oder Bewusstseyn
-sind, so würde insofern das Eine Leben in die Form des Ich
-eintreten. Sollte sich, wie wir aus guten Gründen vorläufig
-vermuthen, diese Ichform klar durchdringen lassen, so würden
-wir einsehen, was an uns und unserem Bewusstseyn lediglich
-aus jener Form erfolge, und was somit nicht reines, sondern
-formirtes Leben sey; und vermöchten wir nun dieses von unserem
-gesammten Leben abzuziehen, so würde erhellen, was
-an uns als reines und absolutes Leben, was man gewöhnlich
-das <em class="italic">Reale</em> nennt, übrigbliebe. Es würde eine Wissenschaftslehre,
-welche zugleich die einzig mögliche <em class="italic">Lebenslehre</em> ist, entstehen.
-</p>
-
-<p>
-Was insbesondere das erste aufgestellte todte Seyn betrifft,
-<a id="page-372" class="pagenum" title="372"></a>
-so würde erhellen, dass dieses durchaus nicht das Absolute,
-sondern dass es nur das letzte Product des in uns in der Form
-des Ich eingetretenen wahrhaft absoluten Lebens sey; das letzte,
-sage ich, also dasjenige, in welchem in dieser Form das Leben
-abgeschlossen, erloschen und ausgestorben, somit in ihm schlechthin
-gar keine Realität übriggeblieben ist. Es würde einleuchten,
-dass eine wahrhaft lebendige Philosophie vom Leben fortgehen
-müsse zum Seyn, und dass der Weg vom Seyn zum Leben
-völlig verkehrt sey und ein in allen seinen Theilen irriges
-System erzeugen müsse, und dass diejenigen, welche das Absolute
-als ein Seyn absetzen, dasselbe rein aus sich ausgetilgt
-haben. Auch in der Wissenschaft kann man das Absolute nicht
-<em class="italic">ausser</em> sich anschauen, welches ein reines Hirngespinnst giebt,
-sondern man muss in eigener Person das Absolute seyn und
-leben.
-</p>
-
-<p>
-Ich füge nur noch folgende zwei Bemerkungen hinzu. Zuvörderst,
-dass durch diesen Satz alle Philosophie ohne Ausnahme,
-ausser der Kantischen und der der Wissenschaftslehre,
-für völlig verkehrt und ungereimt erklärt werde; und wir sprechen
-dieses bestimmt aus, indem wir niemals irgend eine Ausnahme,
-welchen Namen sie auch haben möge, zu gestatten gedenken.
-Sodann, so klar und so handgreiflich einleuchtend die
-gemachte Bemerkung auch jedem ist, der sie eben versteht,
-so möchte es doch Leser geben, die gar nicht leicht in dieselbe
-sich fänden. Der Grund ist der: weil es einiger Anstrengung
-bedarf, um sich zur Vollziehung der angemutheten Consequenz zu
-bringen, und dieselbe in seine freie und besonnene Gewalt zu
-bekommen, zuwider dem natürlichen Hange im Menschen, zum
-objectivirenden Denken, als dem leichtesten, und jedem ohne
-alle Mühe und Besonnenheit sich anwerfenden zurückzukehren.
-Dennoch kann die Vollziehung dieser Einsicht nicht erlassen
-werden, indem ausserdem es beim blinden Tappen bleibt und
-kein Sehen erfolgt, und der ganze Unterricht, aus Mangel eines
-tauglichen Organs der Aufnahme, seines Zweckes verfehlt.
-</p>
-
-<p>
-Endlich, dass beim Leben angehoben werden müsse, und
-von diesem erst zum Seyn fortgegangen werden könne, hat
-nur vorläufig verständlich gemacht werden sollen, um den dermalen
-<a id="page-373" class="pagenum" title="373"></a>
-vorhandenen Grund alles Irrthums bei Zeiten aus dem
-Wege zu bringen. Keinesweges aber haben wir uns dadurch
-die Möglichkeit abschneiden wollen, falls es nothwendig werden
-sollte, sogar über das Leben hinauszugehen, und auch dieses
-als nichts Einfaches und Erstes, sondern als Product einer klar
-nachzuweisenden Synthesis, nur ja nicht aus dem Seyn, darzustellen.
-Einer der nächsten Aufsätze dieser Zeitschrift wird
-sich mit dieser Aufgabe beschäftigen.
-</p>
-
-<h4 class="l2i subchap" id="subchap-5-7-2">
-<span class="line1">Zweites Capitel.</span><br />
-<span class="line2">Auskunft über die bisherigen Schicksale der Wissenschaftslehre.</span>
-</h4>
-
-<h5 class="ssc l2i">
-<span class="line1">I.</span><br />
-<span class="line2">Schilderung des bisherigen Zustandes unserer Literatur überhaupt.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-Es ist hier keinesweges unsere Absicht, bloss wieder zu
-sagen, wie sich das Publicum gegen die Wissenschaftslehre seit
-der Erscheinung derselben verhalten, sondern dasselbe aus seinen
-Gründen zu erklären, worauf dann derjenige, der das erstere
-nicht weiss, aus diesen Gründen selbst es <em class="italic">a priori</em> ableiten,
-oder auch in den seit jener Zeit erschienenen Schriften
-und Urtheilen es aufsuchen mag. Nur gründet ohne Zweifel
-dieses alles sich auf den bisherigen und noch dermalen fortdauernden
-Zustand der Literatur überhaupt; und es wird daher
-die begehrte Auskunft auf die von uns gewählte Weise ohne
-Zweifel gegeben, wenn der erwähnte Zustand gründlich geschildert
-wird.
-</p>
-
-<p>
-Welcher Schmerz übrigens und innige Wehmuth uns ergreife,
-indem wir aus dem klaren Aether der tiefsten Betrachtung,
-<a id="page-374" class="pagenum" title="374"></a>
-in welchem wir am liebsten uns aufhalten, herunterzusteigen
-haben in den Abgrund der intellectuellen und moralischen
-Verkehrtheit in der Wirklichkeit, thut nicht noth zu
-beschreiben. Wahrhaftig nicht unsere Neigung führt uns, sondern
-eine tiefe Unlust begleitet uns zu diesem Geschäfte, welche
-zu überwinden wir dennoch uns entschlossen haben, indem,
-so sicher wir auch überzeugt seyn mögen, dass nichts
-besser werden wird, es dennoch unsere Schuldigkeit ist, zu
-handeln, als ob es besser werden könnte, ganz sicherlich aber
-es nicht besser werden kann, bevor nicht das Uebel in seiner
-ganzen Grösse bekannt worden, und ein beträchtlicher Theil
-des Publicums darüber in ein heilsames Erschrecken versetzt worden.
-Und wenn es auch wahr seyn sollte, dass der jetzt ausgebildet
-lebenden Generation durchaus nicht zu helfen sey, sondern
-diese, als unverbesserlich, aufgegeben werden müsse: so
-bliebe es gleichwohl nothwendig, diejenige, welche dermalen
-entsteht und sich bildet, abzuschrecken, dass sie nicht in die
-Fusstapfen jener ersten trete, indem, wenn es wirklich besser
-werden soll, die Besserung doch irgend einmal in der Zeit anheben
-muss, nichts aber verhindert, dass wir wünschen, dass,
-inwiefern es möglich ist, diese Zeit eben jetzt sey.
-</p>
-
-<p>
-Nur zwei allgemeine Bemerkungen habe ich vorauszuschicken.
-Die erste ist die folgende: Ob das, was ich als den
-Charakter unseres gelehrten Publicums angeben werde, durchaus
-und ohne alle Ausnahme, oder ob es nur von der entschiedenen
-Majorität gelte, kann vorläufig an seinen Ort gestellt bleiben;
-und ich will es denjenigen unter meinen wissenschaftlichen
-Lesern, welche mit Wahrheit sich bewusst sind, dass ihnen
-niemals, weder in Schriften, noch auf dem Katheder, oder in
-mündlichen Unterhaltungen dergleichen Aeusserungen, wie wir
-anführen werden, entfallen sind, von Herzen gönnen; indem es
-mir wenig Vergnügen macht, mir die Zahl der Schuldigen recht
-gross zu denken. Gemeint sind nur diejenigen, welche selber,
-jedoch vor einer Selbstprüfung, in der sie sich nicht schmeicheln,
-sich getroffen fühlen.
-</p>
-
-<p>
-Sodann: die gewöhnliche, auch ehemals schon uns gegebene
-Antwort auf dergleichen Vorwürfe ist die: man habe übertrieben,
-<a id="page-375" class="pagenum" title="375"></a>
-oder auch ganz und gar die Unwahrheit gesagt, und
-sie seyen nicht also, wie wir sie dargestellt hätten. Der hierbei
-ihnen selbst zwar grösstentheils verborgen bleibende Grund
-ihrer Täuschung ist der, dass, da sie selber in allen ihren Aeusserungen
-immer nur sagen, was gesagt worden, und vor dem
-Worte vom Worte niemals zum Worte von der Sache zu kommen
-vermögen, sie ebenfalls von uns glauben, wir wollten berichten,
-wie sie sprechen; und da mag es denn oft wahr seyn,
-dass sie also, wie wir sie darstellen, sich selber nicht aussprechen.
-Unser Vorsatz aber war und ist, zu sagen, was sie innerlich
-und in der That wirklich sind und leben, welches letztere
-unter andern auch recht gut an demjenigen dargelegt werden
-kann, was sie seyen, dem jenes, ob sie es nun selber
-wissen oder nicht, dennoch zur Quelle und Prämisse wirklich
-und nothwendig dient. Und wenn es sich auch zuweilen zutrüge,
-dass sie, zur ausdrücklichen und wörtlichen Erklärung
-über dieselben Verhältnisse kommend, das gerade Gegentheil
-von dem, was sie nach unserer Behauptung wirklich sind, sagten:
-so ist doch dieses letztere nicht der Ausdruck ihres wahren
-Seyns, sondern nur ein auswendig Gelerntes, und eine am
-Markte erhandelte Maske, mit welcher sie ihre natürliche Haut
-übel genug verdecken; jenes aber, als Princip eines wirklichen
-Dafürhaltens im Leben, ist ihr wahres innerliches Leben.
-</p>
-
-<p>
-Und nun zur Sache! Dass das Organ für die Speculation,
-durch welche allein doch alles übrige Wissen begründet, geordnet
-und klar wird, und ohne welche alle Beschäftigung mit den
-Wissenschaften nur ein blindes, vom Ohngefähr mehr oder weniger
-begünstigtes Herumtappen bleibt, den gegenwärtigen Bearbeitern
-der Wissenschaften gänzlich abgehe, haben wir schon
-oben gesagt, und, falls jemand fähig seyn sollte, uns zu verstehen,
-durch unsere eigene Speculation es gezeigt. Nun würde
-ein Mangel, den unser Zeitalter mit der gesammten Vorwelt gemein
-hat, nicht jenem allein zum besonderen Vorwurfe gemacht
-werden können, wenn nicht der grosse Unterschied obwaltete,
-dass diese Vorwelt von wahrer Speculation niemals etwas vernommen,
-jenem aber nunmehr seit fünfundzwanzig Jahren, in
-einer ununterbrochenen Folge mannigfaltiger Schriften zweier in
-<a id="page-376" class="pagenum" title="376"></a>
-ihrem äusseren Vortrag sehr verschiedener Autoren, die Regeln
-der wirklichen Speculation, und die Ausübung derselben an
-mancherlei Materien, vorgelegt worden sind.
-</p>
-
-<p>
-Aber was soll man sodann sagen, wenn in überschwänglicher
-Klarheit erhellet, dass unter diesen vorgeblichen Bearbeitern
-der Wissenschaft sogar der Begriff von der Wissenschaft
-selber, ihren blossen formalen und äusseren Eigenschaften nach,
-nicht nur fast gänzlich verschwunden, sondern dass sie auch
-innerlich vor diesem Begriffe erzittern, und jede Anregung desselben
-leidenschaftlich anfeinden, und dass der einzige Trost
-ihres Lebens die Hoffnung ist, dass es wohl niemals wirklich
-zur Wissenschaft kommen werde, und der einzige Zweck ihrer
-Bestrebungen, zu verhindern, dass es dazu komme? Müsste
-man nicht sodann urtheilen, dass an die Stelle des unter uns
-ausgestorbenen gelehrten Publicums die heftigsten Feinde aller
-Wissenschaft getreten, welche die Maske der Gelehrsamkeit nur
-vorhalten, um unter deren Schutze die Wissenschaft nur sicherer
-und sieghafter zu bestreiten?
-</p>
-
-<p>
-Die Wissenschaft, so gewiss sie Wissenschaft ist, hat eine
-absolute und unveränderliche Evidenz in sich selber, vernichtend
-schlechthin alle Möglichkeit des Gegentheils und allen Zweifel;
-und, da diese Evidenz nur auf eine einzige unwandelbare
-und unveränderliche Weise möglich seyn kann, die Wissenschaft
-hat ihre feste und unveränderliche äussere Form. Dies gehört
-zum Wesen der Wissenschaft, als solcher; nur unter dieser Bedingung
-ist sie Wissenschaft; und so ist auch allenthalben, wo
-es ein wissenschaftliches Publicum gegeben hat, in demselben
-allgemein geglaubt und angenommen worden. Wie aber mögen
-über diesen Punct unsere vorgeblichen Gelehrten glauben und
-annehmen? Ich weiss nicht, wie viele es unter ihnen geben
-dürfte, denen nicht von Zeit zu Zeit Aeusserungen, wie die folgenden,
-entgangen seyen: es halte jemand sich für allein weise
-und allein Philosoph; es wolle jemand die Wissenschaft aus Einem
-Stücke haben; man müsse &mdash; als ob es nemlich mehr als
-Einen Standpunct für jede Wahrheit geben könne &mdash; bei Widerlegung
-der Gegner sich auf ihren Standpunct versetzen; man
-müsse es in der Untersuchung der Wahrheit nicht so strenge
-<a id="page-377" class="pagenum" title="377"></a>
-nehmen, sondern leben und leben lassen; und wie noch ins
-Unendliche fort die Wendungen lauten, in denen der Wissenschaft
-angemuthet wird, auf ihren absoluten Grundcharakter
-Verzicht zu thun: und dieses alles als gar nicht zu bezweifelnde
-Axiome, mit einer kindlichen Unbefangenheit, und so durchaus
-ohne alle Ahnung der eigenen Abgeschmacktheit, dass sie
-nicht nur sicher auf die Beistimmung aller übrigen hoffen, sondern
-sogar fest überzeugt sind, der wissenschaftliche Mann selber,
-den sie etwa des Anspruchs auf Alleinweisheit bezüchtiget,
-hätte sich dessen erst nur nicht besonnen; er werde auf ihre
-Erinnerung schon in sich gehen und sich schämen. Wenn nun
-etwa auch dieselben Schriftsteller, ein andermal von dem Wesen
-der Wissenschaft redend, sich ohngefähr ebenso darüber
-ausdrückten, wie wir es oben thaten: soll man dies für ihren
-Ernst halten? Wie könnte man? Dieses letztere sagen sie nur;
-das Gegentheil aber glauben sie wirklich, indem sie ja darnach
-in wirklicher Beurtheilung vorliegender Erscheinungen verfahren;
-wie denn auch einige zu dergleichen Geständnissen mit rührender
-Naivität hinzusetzen: das sey zwar wahr <em class="italic">in abstracto</em>, keinesweges
-aber <em class="italic">in concreto</em>; wodurch sie demnach klar bekennen,
-dass sie jenen Begriff der Wissenschaft nur für einen leeren
-Begriff des scherzhaften und spielenden Denkens halten, mit
-dem es hoffentlich niemals werde Ernst werden.
-</p>
-
-<p>
-Das innere Wesen der Wissenschaft ist auf sich selbst gegründet,
-und macht sich schlechthin durch sich selbst und aus
-sich selbst, <em class="italic">so</em>, wie es sich macht, absolut vernichtend alle Willkür;
-und es ist die allererste Forderung an einen wissenschaftlichen
-Menschen, vor deren Erfüllung niemals auch nur ein
-Funke von Wissen in seine Seele kommen wird, dass alle Neigung
-in ihm vor dem heiligen Gesetze der Wahrheit verstumme,
-und er für immer entschlossen sey, alles, was ihm als wahr
-einleuchten werde, mit ruhiger Ergebung sich gefallen zu lassen.
-Sollen wir glauben, entweder, dass sie diese Bedingung vollzogen
-hätten, oder auch nur, dass sie es als einen möglichen Fall
-dächten, es werde jemand diese Forderung an sie machen? &mdash;
-solche, welche ernsthaft vor dem gesammten Publicum uns benachrichtigen,
-dass unsere Wahrheit ihnen nicht gefalle, und
-<a id="page-378" class="pagenum" title="378"></a>
-auseinandersetzen, wie ihnen bei derselben eigentlich zu Muthe
-geworden, und beschreiben, wie diejenige Wahrheit aussehen
-müsse, die ihnen gefallen solle, und uns ersuchen, sie also zu
-machen und gelten zu lassen, und, wenn wir nicht wollen, sich
-ereifern und klagen, dass wir ihnen das Herz aus dem Leibe
-reissen wollten; welches letztere wir denn auch wirklich gerne
-thäten, wenn wir es vermöchten, bei eigenem Unvermögen aber
-es der göttlichen Gnade überlassen. Oder sollten wir das von
-denjenigen glauben, welche, noch unabhängig von dem Inhalte
-des Vorgetragenen, sich beklagen, dass man nicht freundlich
-genug sie belehre, dass man ihnen einen unsanften Ruck gegeben
-habe, der beinahe die ruhige Stimmung ihres Gemüthes
-gestört hätte; dass wir uns bessern, und ihnen künftig die Lehre
-und Arznei in die von ihnen geliebten Süssigkeiten einkleiden
-möchten, widrigenfalls sie zu unserer wohlverdienten Bestrafung
-nichts mehr von uns lernen würden? Soll man viele Ausnahmen
-von dieser Denkart glauben, wenn man sieht, dass eine
-neue Lehre fast mit keinen anderen Waffen bekämpft wird, als
-mit dieser Abneigung und der Erregung derselben in den Gemüthern
-der Leser, auf deren Sympathie und gleichmässigen
-Unverstand man sicher rechnet; ingleichen des Affects der Verwunderung
-über die ungeheure Abweichung der Lehre von der
-gemeinen Meinung, als ob jemand zuzugestehen dächte, dass
-etwas wahr sey, weil es gemein ist?
-</p>
-
-<p>
-Die allererste, dem wissenschaftlichen Menschen anzumuthende
-Erkenntniss ist die, dass die Wissenschaft nicht ein leeres
-Spiel oder Zeitvertreib, nicht nur ein zum erhöhten Lebensgenusse
-dienender Luxus, sondern dass sie ein dem Menschengeschlecht
-schlechthin Anzumuthendes, und die einzig mögliche
-Quelle aller seiner weitern Fortentwickelung sey: dass die
-Wahrheit ein Gut, und das höchste, alle anderen Güter in sich
-enthaltende Gut, der Irrthum dagegen die Quelle aller Uebel,
-und dass er Sünde und die Quelle aller anderen Sünden und
-Laster sey; und dass derjenige, der die Wahrheit aufhält und
-den Irrthum verbreitet, die allerschaudervollste Sünde am Menschengeschlechte
-begehe. Kann man diese Erkenntniss denjenigen
-zutrauen, welche ihr ganzes Leben hindurch durch alle
-<a id="page-379" class="pagenum" title="379"></a>
-ihre Worte und Werke die absoluteste Gleichgültigkeit gegen
-Wahrheit und Irrthum zeigen; welche alle die Tage ihres Lebens
-fortfahren zu lehren, ohne jemals etwas zu wissen; welche,
-ohne alle Ueberzeugung, dass Wahrheit sey, was sie behaupten,
-dennoch fort behaupten auf das gute Glück hin, dass
-sie es gleichwohl auch getroffen haben könnten, und so, innerlich
-zu einer concreten Heuchelei und Lüge geworden, lügend
-fortleben und von der Lüge essen, trinken und sich kleiden?
-Ohne alle Ueberzeugung, sage ich: denn es ist ein himmlisch
-klarer Satz, ganz allein durch sich der Menschheit den Besitz
-der Wahrheit sichernd, und welcher, obwohl er die Verderbtheit
-jener aufdeckt, und darum ein verhasster Gräuel ist in
-ihren Augen, dennoch ihnen zu Liebe nicht kann aufgegeben
-werden; der Satz: dass die Evidenz eine specifisch verschiedene
-innere und überzeugende Kraft bei sich führe, welche
-niemals auf die Seite des Irrthums treten kann, dass jederman
-unter allen Umständen seines Lebens wissen kann, ob das, was
-er denke, mit dieser Kraft ihn ergreife oder nicht, dass daher
-jedweder, von welchem hinterher sich findet, dass er geirrt
-habe, dennoch, obwohl er gar füglich seinen Irrthum nicht eingesehen
-haben kann als Irrthum, ihn doch auch sicher nicht
-als Wahrheit eingesehen hat, und dass er auch hätte entdecken
-können, dass er ihn nicht als solche einsehe, wenn er sich
-nur hätte besinnen wollen; dass er daher auf keine Weise der
-Ueberführung zu entgehen vermag, dass er leichtfertig und ohne
-wahrhaften Respect für die Wahrheit dahergefahren sey.
-</p>
-
-<p>
-Welches konnte die Quelle dieser strafbaren Gleichgültigkeit
-seyn? Allein Trägheit, Leichtsinn, Egoismus, tiefe moralische
-Auflösung. Das Leben reisst unaufhörlich uns heraus aus
-uns selber, und treibt uns dahin oder dorthin, so wie es will,
-nach seinem Gutdünken sein Spiel mit uns führend. Diesem
-Hange zuwider dennoch sich zusammenzunehmen, und betrachtend
-sich zu halten, bis man vollendet, kostet Anstrengung,
-Selbstverläugnung, Mühe, und diese thut wehe dem verzärtelten
-Fleische. Es will schon etwas sagen, nur zuweilen sich
-zu besinnen: dass man es aber in der Wissenschaft, zumal in
-der höchsten, in der Speculation, zu etwas Bedeutendem bringe,
-<a id="page-380" class="pagenum" title="380"></a>
-dazu bedarf es einer bis zur absoluten Freiheit geübten Kunst
-der Besinnung, und der erworbenen Unmöglichkeit, jemals von
-dem Strome der blinden Einbildungskraft gefasst zu werden;
-welches alles wiederum einen ganzen klaren, nüchternen und
-besonnenen Lebenslauf erfordert. Wie hätte einen solchen die
-Kraftlosigkeit unserer Tage ertragen können?
-</p>
-
-<p>
-Oder, selbst wenn sie gekonnt hätten, würden sie es auch
-nur gewollt haben, und würden sie jene Besonnenheit, wenn
-ohne alle ihre Mühe sie ihnen zu Theil würde, sich zur Ehre
-anrechnen oder zur Schmach? Ich sage, zu der letztern; denn
-es ist schon lange her, dass der Wetteifer mit jener Nation,
-von der wir jetzt für unsern guten Willen, ihr zu gleichen,
-und für unser Unvermögen dazu grausam bestraft werden, uns
-den Anschein deutschen Ernstes, Gründlichkeit und Fleisses
-verächtlich gemacht, und uns bewogen hat, alle Beschäftigung
-mit den Wissenschaften in ein Spiel zu verwandeln, und uns
-dem Strome unserer Einfälle, als dem einzigen, was den Anschein
-jener so sehr beneideten Leichtigkeit uns geben könne,
-zu überlassen. Um sicher zu seyn, dass wir nicht wie Pedanten
-aussähen, haben wir uns bestrebt, literarische Gecken zu
-werden, ohne dass es uns doch sonderlich gelungen. Ich
-möchte einmal, besonders unter unseren jüngeren Gelehrten,
-die Umfrage halten, um zu erfahren, wie viele darunter lieber
-dafür gelten möchten, dass sie die Wahrheit durch Fleiss und
-Nachdenken gefunden, als dafür, dass sie ihnen durch ihre
-glückliche Natur ohne alle ihre Mühe und Anstrengung von selber
-gekommen; und die nicht lediglich durch den Titel eines
-Genies sich geehrt, durch die Benennung aber eines fleissigen
-und besonnenen Denkers sich als beschränkte und geistlose
-Köpfe, und als solche, für welche die Natur doch auch gar
-nichts gethan, sich geschmähet finden würden. Und so brachte
-denn dasselbe Hinfliessen und Hinträumen in aus sich selbst
-erwachsenden Einfällen, welches der Bequemlichkeit zusagte,
-zugleich auch Ehre; und so liessen wir es uns denn besser
-gefallen, als den mühsamen und nicht ehrenden Ernst.
-</p>
-
-<p>
-Wenn denn nun jene, wie seit länger denn Einem Menschenalter
-in unermesslicher Klarheit sich gezeigt hat, von der Wissenschaft
-<a id="page-381" class="pagenum" title="381"></a>
-so durchaus nichts wussten, dass ihnen nicht einmal
-der Begriff derselben, oder die allerersten Bedingungen, um zu
-ihr zu gelangen, bekannt waren; warum konnten sie dennoch
-es durchaus nicht unterlassen, sich für Gelehrte auszugeben
-und zu schreiben, zu lehren, zu urtheilen, als ob sie die gründlichsten
-wären? Da die einzig möglichen Triebfedern, die Liebe
-zur Wahrheit und zur Wissenschaft, von welchen beiden sie
-nie einen Funken erblickt, sie nicht treiben konnten, so konnten
-die ihrigen nur die äusseren Triebfedern seyn: die bekannten
-des Geltenwollens, der Ruhmsucht und der anderen Emolumente,
-welche damit verknüpft zu seyn pflegen. Von diesen
-werden sie denn auch also getrieben und begeistert, dass sie
-die wirkliche Wissenschaft, von welcher sie den Verlust ihres
-eigenen Ansehens sich richtig prophezeien, mehr fürchten und
-hassen, als irgend etwas anderes, und dass ihnen kein Mittel
-zu schlecht ist, durch dessen Anwendung sie hoffen, den Anbruch
-des Lichts, wenigstens noch so lange als sie leben, aufzuhalten;
-im schamlosen Kampfe für eine tausendfach verwirkte
-Existenz, der sie selber, wenn sie noch einen Funken Ehrgefühl
-hätten, fluchen würden.
-</p>
-
-<p>
-Von diesem ihrem dumpfen Eigendünkel werden sie also
-geblendet und besessen, dass er sie zu den lächerlichsten und
-unglaublichsten Ungereimtheiten verleitet. Indess sie immerfort
-voraussetzen, dass keiner ganz recht habe, und dass es
-nirgends eine sichere und ausgemachte Wahrheit gebe, vergessen
-sie dennoch diesen, für alle anderen ausser ihnen ohne
-Ausnahme gelten sollenden Grundsatz gänzlich, sobald es ihre
-eigenen Personen sind, welche reden, indem sie immerfort aus
-dem Principe disputiren, sie hätten ja die, ohne Zweifel zugleich
-mit ihrem Munde ihnen angeborne wahre Wahrheit, und
-darum müsse der Gegner, der ihnen widerspricht, nothwendig
-unrecht haben; gar nicht sich besinnend, dass ja der andere
-ebenso schliessen könne, und das Privilegium des blinden Eigendünkels
-für sich allein und ausschliesslich begehrend. Ja,
-es ist sogar erlebt worden, und wird noch immerfort erlebt,
-dass jemand einer Lehre durch die Versicherung, er könne
-sie eben nicht verstehen, oder sie falle ihm so schwer, dass
-<a id="page-382" class="pagenum" title="382"></a>
-ihm Hören und Sehen dabei vergehe, das Zeichen der Verwerfung
-aufgedrückt zu haben geglaubt; mit kindischer Naivität
-bei der ganzen Welt dieselbe hohe Meinung von ihm, die er
-selbst hegt, als ihr absolutes Axiom und Prämisse aller ihrer
-Urtheile voraussetzend, und im Rausche seines Eigendünkels
-gar nicht ahnend, wie ihm geantwortet werden müsse.
-</p>
-
-<p>
-Zunächst zwar ist diese Schilderung des literarischen Zustandes
-unserer Tage entworfen, um daraus die bisherigen
-Schicksale der Wissenschaftslehre zu erklären; die Zeit aber,
-in welcher ich dieselbe abfasse, erwirbt mir vielleicht Verzeihung,
-wenn ich zugleich bemerke, dass der politische Zustand
-unserer Tage, in welchem, wenn nicht durch ein Wunder und
-auf einem natürlich nicht abzusehenden Wege uns Rettung
-kommt, alle seit Jahrtausenden von der Menschheit errungene
-Cultur und deren Producte zu Grunde gehen zu müssen scheinen,
-bis nach neuen Jahrtausenden dermalen uns unbekannte
-Wilde und Barbaren denselben Weg wieder von vorn beginnen,
-&mdash; dass, sage ich, dieser politische Zustand lediglich und
-allein aus dem Zustande unserer Literatur entsprungen ist. Er
-ist herbeigeführt durch das allgemeine Unvermögen, irgend einen
-Gegenstand fest anzufassen und zu halten, und ihn nach seinem
-wahren Wesen zu durchdringen; und das Hülfsmittel dagegen
-ganz und ernst, und nicht noch zugleich sein Gegentheil
-zu wollen, und mit eiserner Consequenz, verläugnend alle Nebenzwecke,
-es durchzuführen. Bei wem aber sollten diejenigen,
-welche über unser Schicksal entschieden haben, Beispiele
-dieser Festigkeit holen, und wem dieselbe ablernen, wenn diejenigen,
-in deren Schulen sie zuerst gebildet sind und bei denen
-sie noch täglich, sey es auch nur für den Scherz, Unterhaltung
-suchen, ihnen keinen anderen Anblick geben, als den
-der absoluten Zerflossenheit? Wo eine Literatur ist, da sind
-es immerfort die Literatoren, welche ihr Zeitalter bilden. Gehen
-nun diese über in Fäulniss, so muss neben ihnen alles
-Uebrige nothwendig um so mehr verwesen.
-</p>
-
-<p>
-Um jedoch zu unserem eigentlichen Zwecke zurückzukehren:
-wie hätte man denjenigen, mit denen noch über die ersten
-Buchstaben alles Unterrichts, ob es wohl auch überhaupt
-<a id="page-383" class="pagenum" title="383"></a>
-Wissenschaft geben möge, zu streiten war, glaublich machen
-können, dass es wohl eine Wissenschaft der Wissenschaft selber
-geben möge; oder diejenigen, die überhaupt gar keiner Besinnung
-fähig sind, und dessen sich rühmen, zur allerhöchsten
-und vollendeten Besinnung heraufleiten können? Es war nichts
-Anderes zu erwarten, als dasjenige, was erfolgt ist, dass sie
-die Worte und Formeln dieser angetragenen Wissenschaft, zu
-dem, was sie allein wollen und begehren, zu einigen Scherzen
-für die Belustigung ihrer Leser verarbeitet, und wenn man dennoch
-ernsthaft geblieben, voll Eifer und Zornes auf uns geschmähet
-haben.
-</p>
-
-<p>
-Nur noch zwei Bemerkungen zum Schlusse. Sollten die
-Getroffenen auch über diese Schilderung sich erklären, so werden
-sie ohne Zweifel wiederum sagen, wie sie immer sagen,
-man habe die Unwahrheit vorgegeben und übertrieben. Nicht
-für sie, sondern für eine bessere Nachwelt, wenn dergleichen
-möglich wäre, merke ich an, dass alles auf dem oben angegebenen
-Axiome beruhe, dass jeder, von welchem sich hinterher
-findet, dass er unrecht habe, gar wohl hätte wissen können,
-dass er nicht überzeugt sey; dass er sonach auf keine Weise
-läugnen könne, er habe leichtsinnig und unmoralisch gehandelt.
-Dass sie aber fast in allen ihren eigenen Behauptungen unrecht
-haben, würde wenigstens eine bessere Nachwelt, wenn sie
-nicht zu gut dafür gesorgt hätten, dass keine solche entstehen
-könnte, klar begreifen.
-</p>
-
-<p>
-Sodann werden sie, wie sie gleichfalls immer zu sagen
-pflegen, wiederum sagen: wir hätten nur unserer Leidenschaft
-Luft machen wollen, und werden auch für diesen Erguss nicht
-ermangeln einen glaublichen Grund zu finden, nemlich, weil
-sie uns ihren Beifall und ihr Lob nicht ertheilt hätten. Nun
-haben wir ihnen schon zu verschiedenenmalen nicht verhehlt,
-dass wir, so lange sie nemlich also sind, wie sie sind, sowohl
-sie selber, als auch ihren Beifall von Herzen verachten; aber
-sie sind fest überzeugt, dass es ganz und gar unmöglich sey,
-dass irgend ein Mensch nicht diejenige achtungsvolle Meinung
-von ihnen habe, die sie selbst über sich hegen, dass daher
-einer also lautenden Versicherung niemals Glauben zuzustellen,
-<a id="page-384" class="pagenum" title="384"></a>
-sondern dass dieselbe allemal ein leeres Vorgeben und eine
-Maske sey, um dadurch etwas Anderes zu bedecken. Sie würden
-uns daher auch jetzt wieder nicht glauben, wenn wir auch
-jene Versicherung wiederholen, und ihnen bemerklich machen
-wollten, dass man, um durch seinen Beifall zu ehren, erst selber
-ehrwürdig seyn müsse, und dass wir ihren Beifall mit Danke
-sodann annehmen würden, nachdem sie sich erst den unsrigen
-erworben, dass wir aber bis dahin es für eine grosse Schmach
-und für einen Beweis der eigenen Niederträchtigkeit halten würden,
-wenn wir ihnen gefielen.
-</p>
-
-<h5 class="ssc l2i">
-<span class="line1">II.</span><br />
-<span class="line2">Ein Beispiel insbesondere von dem philosophischen Beurtheilungsvermögen des Zeitalters.</span>
-</h5>
-
-<p class="noindent">
-Es möchte gerathen seyn, diese fast allgemeine Schlaffheit
-und Geistlosigkeit des Zeitalters, noch insbesondere in Sachen
-der Philosophie, an einem neuerlichen, noch fortdauernden frappanten
-Beispiele darzulegen. Des Zeitalters, habe ich gesagt,
-im Allgemeinen; denn ich will nicht, dass der Mann, dessen
-Namen unten genannt werde, glaube, dass ich ihn für die Person
-meiner Gegensetzung würdige, oder dass er mir selber als
-Repräsentant jener allgemeinen Seichtigkeit gut genug sey, wodurch
-ich in der That übertrieben, und gegen die übrigen ungerecht
-seyn würde. Nur dass ein im Ganzen dennoch unterrichteteres
-Publicum durch ihn sich irre machen lassen konnte,
-ist es, was ihm die Ehre erwirbt, hier namentlich aufgeführt
-zu werden.
-</p>
-
-<p>
-Es war nemlich durch die Kantischen und durch unsere
-Schriften doch endlich dahingekommen, dass, obwohl die im
-Dogmatismus Aufgewachsenen nicht bekehrt wurden, dennoch
-unter den später Gebildeten mehrere zu der Ueberzeugung geführt
-worden waren, und auf derselben fest zu beruhen schienen,
-<a id="page-385" class="pagenum" title="385"></a>
-dass die Realität keinesweges in die Dinge, sondern dass
-sie in das Denken und seine Gesetze gesetzt werden müsse,
-obwohl keiner so recht eigentlich wusste, wie das letztere zu
-bewerkstelligen seyn möge; als es einem der verworrensten
-Köpfe, welche die Verwirrung unserer Tage hervorgebracht,
-Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, gelingen konnte, durch das
-Gespenst eines Subjectivismus der Wissenschaftslehre, welches
-lediglich in seinem grossen Unverstande sich erzeugt hatte,
-selbst diese durch seine Autorität zu einem Irrthume zurückzubringen,
-welchen durch sich selbst zu fassen sie doch zu
-verständig waren, und dieselben von Kant und der Wissenschaftslehre
-zu Spinoza und Plato zurückzuscheuchen, bloss
-weil durch die noch tiefere Unwissenheit, wovon eigentlich die
-Rede sey, der Mann mit noch grösserem Muthe ausgerüstet
-wurde. Sie wussten sich nicht weiter zu rathen, und forderten
-wiederholt und in strafedrohenden Edicten den Verfasser
-der Wissenschaftslehre auf, zu widerlegen, wenn er könne,
-wozu es weder Kants, noch der Wissenschaftslehre bedurfte,
-sondern wovon schon seit Leibnitz nicht mehr die Rede seyn
-konnte. Dass der Mann dadurch seine absolute Unkunde von
-dem, was die Speculation sey und wolle, und seine natürliche
-Unfähigkeit zum Speculiren, sowie die durch ihn Geirrten die
-Unsicherheit ihrer Kunde gezeigt, leuchtet von selber ein und
-bedarf nach den obigen Erinnerungen keines weiteren Beweises.
-Aber inwiefern etwa die übrige dialektische Kunst, das
-schriftstellerische Talent, der sophistische Witz und die Gewandtheit
-des Mannes den Getäuschten zu einiger Entschuldigung
-gereiche, und was überhaupt dieser Mann an Geist und
-Kunst vermöge und aufzuwenden habe, möchte eine belehrende
-Erörterung abgeben.
-</p>
-
-<p>
-Wir wollen in dieser Erörterung, um mit der allerhöchsten
-Billigkeit zu verfahren, uns weder an die früheren Schriften
-des Mannes, noch auch an dessen sogenanntes Identitätssystem
-halten; obwohl dieses letztere so bedeutend geschienen, dass
-wir von einem der stehenden literarischen Tribunale namentlich
-aufgefordert wurden, dieses zu widerlegen oder anzuerkennen.
-War denn nun in diesem Systeme, so wie es im zweiten Hefte
-<a id="page-386" class="pagenum" title="386"></a>
-des zweiten Bandes der Zeitschrift für speculative Physik dargelegt
-ist, über welche Darlegung wir nur im Vorbeigehen einige
-Worte sagen wollen, der Irrthum so künstlich und so
-täuschend verarbeitet, dass man ohne fremde Hülfe sich nicht
-füglich rathen konnte?
-</p>
-
-<p>
-Diese Darstellung hebt §. 1. an mit der Erklärung: &bdquo;Ich
-nenne Vernunft die absolute Vernunft oder die Vernunft, insofern
-sie als totale Indifferenz des Subjectiven und Objectiven
-gedacht wird.&ldquo; &mdash; Dass nun durch diesen Ausgangspunct der
-Mann gleich von vornherein die Vernunft von sich selbst ausscheide,
-und Verzicht darauf thue, selber vernünftig zu seyn,
-und sich ein einzigesmal zu besinnen, wie er es denn mache,
-um zu allen den Behauptungen, die nachfolgen sollen, zu kommen;
-&mdash; dieses zu bemerken konnte dem Publicum, weil dadurch
-das bekanntermaassen abgehende Organ der Speculation
-vorausgesetzt würde, nicht wohl angemuthet werden. Dass
-aber die Eine und absolute Vernunft, ausser der nichts seyn
-solle, nicht die Indifferenz des Subjectiven und Objectiven seyn
-könne, ohne zugleich auch in derselben ungetheilten Wesenheit
-die Differenz desselben zu seyn; dass hier sonach ausser der
-Einen indifferenzirenden Vernunft noch eine zweite differenzirende
-im Sinne behalten würde, welche sodann auch wohl in
-aller Stille gute Dienste leisten dürfte; und dass dieser Fehler
-nicht etwa nur ein kleiner und unbedeutender Verstoss, sondern
-von den wichtigsten Folgen seyn möchte, hätte man gleichwohl,
-ohne alles Organ für Speculation, durch ein nur nicht
-ganz flüchtiges Tappen greifen können. Dass sie nicht bemerkten,
-dass durch diese Erklärung die Vernunft nun vollkommen
-bestimmt und in sich abgeschlossen, d. i. todt sey, und ihr
-philosophischer Heros nun zwar seinen ersten Satz nach Belieben
-werde wiederholen können, niemals aber auf eine rechtliche
-und consequente Weise ein Mittel finden, um aus ihm
-heraus zu einem zweiten zu kommen, wollen wir ihnen ebenso
-grossmüthig erlassen. Dass sie aber, als er nun wirklich nach
-seiner Weise anfängt, den Todten wieder zu erwecken, und
-in den folgenden §§. die Prädicate des Nichts und der Allheit,
-der Einheit und Gleichheit mit sich selber u. s. w., an diese
-<a id="page-387" class="pagenum" title="387"></a>
-seine Vernunft hält, und sie glücklicherweise in dieselbe hineindemonstrirt,
-sich nicht ein wenig gewundert, wie denn fürs
-erste nur er selber <em class="italic">zu diesen Prädicaten</em> gelange, noch ihn darüber
-befragt; indem ja, wenn durch die erste Erklärung das
-Wesen der Vernunft wirklich erschöpft wäre, diese Prädicate
-selber erst, durch eine Analyse jener Erklärung, aus der Vernunft,
-als in ihr nothwendig begründet, abgeleitet werden mussten,
-keinesweges aber, Gott weiss woher geschöpft, durch
-blinde Willkür davon gehalten werden dürften; dass die Leser
-nicht hier das Leben und Regen jener §. 1. im Sinne behaltenen
-differenzirenden Vernunft in der Person ihres Autors
-selber fühlten; ja dass ihnen nicht einmal die materiale Willkür
-desselben in der beliebigen Folge der Prädicate, die er
-der Vernunft anzudemonstriren beliebt, auffiel, ist ein wenig
-schwerer zu verzeihen.
-</p>
-
-<p>
-Was aber soll man erst sodann sagen, wenn man diese
-Andemonstrirungen selber ansieht, und die Widersprüche, Erschleichungen
-und Ungereimtheiten entdeckt, durch welche
-eine ungebildete und verworrene Phantasie den Verfasser blind
-hinüberreisst, und wenn man sieht, dass im consequenten Verfahren
-aus seinem ersten Satze allenthalben das gerade Gegentheil
-seiner Behauptung erfolgt, und dennoch erlebt, dass diese
-Misgeburt von System anders, als mit allgemeinem und unauslöschlichem
-Gelächter empfangen wird?
-</p>
-
-<p>
-So lautet z. B. §. 2.: &bdquo;<em class="italic">Ausser der Vernunft ist nichts, und
-in ihr ist Alles.</em> Wird die Vernunft so gedacht, wie wir es
-(§. 1.) gefordert haben, so wird man auch unmittelbar inne,
-dass ausser ihr nichts seyn könne. Denn man setze, es sey
-etwas ausser ihr, so ist es entweder für sie selbst ausser ihr&ldquo;
-&mdash; So? <em class="italic">für sie selbst</em>? Davon, dass <em class="italic">für</em> die Vernunft etwas
-seyn könne, haben wir ja in §. 1. kein Wörtlein vernommen,
-sondern es schiebt sich hier in aller Stille, und ohne dass wir
-wissen, woher sie komme, diese Voraussetzung zum Behufe des
-Beweises ein, und der Verfasser selber hat die Vernunft nicht
-gedacht, wie er §. 1. gefordert hatte, sondern verleitet unmittelbar,
-indem er es dem Leser einschärft, ihn zum Gegentheile
-dieses Gedankens. Aber der Leser wird es wohl nicht merken,
-<a id="page-388" class="pagenum" title="388"></a>
-und so kann ihm der Beweis wohl gelingen. Er gelingt
-ihm, wie folgt: &bdquo;es ist entweder für sie selbst ausser ihr; sie
-ist also das Subjective, welches wider die Voraussetzung ist;
-oder es ist nicht für sie selbst ausser ihr, so verhält sie sich
-zu jenem Ausserihr, wie Objectives zu Objectivem, sie ist also
-objectiv, allein dieses ist abermals wider die Voraussetzung.&ldquo;
-Im Vorbeigehen: die zweite Hälfte des Beweises ist ohne allen
-Sinn und Verstand, wie der Leser selber finden mag, wenn er
-will, indem wir dabei uns nicht aufhalten wollen.
-</p>
-
-<p>
-Der richtige und ohne Erschleichung vollzogene §. 2. zu
-einem solchen §. 1. über dem Prädicate des Nichts, ist der folgende:
-<em class="italic">In der Vernunft und für die Vernunft ist schlechthin
-nichts.</em> Wird die Vernunft so gedacht, wie wir es §. 1. gefordert
-haben, so wird man unmittelbar inne, dass weder in noch
-für die Vernunft etwas seyn könne. Denn setze, es solle etwas
-in oder für die Vernunft seyn, so könnte dieses nur dadurch
-geschehen, dass und insoweit die Vernunft selber es wäre; und
-zwar könnte dieses Etwas nur das subjective seyn, oder das
-objective, oder beides, indem wir ausser diesem in unserem
-§. 1. nichts vorfinden. Aber dass die Vernunft das subjective
-sey, oder das objective, oder beides, widerspricht schlechthin
-der Voraussetzung, dass sie nur sey die Indifferenz beider.
-</p>
-
-<p>
-Freilich wird in diesem Beweise vorausgesetzt, dass ja der
-Beweisführer während desselben sich nicht besinne, dass in
-demselben allerdings die Vernunft für ihn sey, und gesetzt sey;
-dass daher die eigene factische Möglichkeit des Beweises dasselbe
-voraussetze, wovon die Unmöglichkeit in ihm erwiesen
-wird; und zwar wird dieses mit Recht vorausgesetzt, indem
-das Gegentheil in einem Systeme, das lediglich durch Nichtbesinnung
-möglich ist, gegen die allererste Verabredung streiten
-würde.
-</p>
-
-<p>
-So lautet der Anfang von §. 3.: &bdquo;<em class="italic">Die Vernunft ist schlechthin
-Eine, und schlechthin sich selbst gleich</em>, denn wäre nicht jenes,
-so müsste es von dem Seyn der Vernunft noch einen anderen
-Grund geben&ldquo; &mdash; (Hier schiebt sich demnach, zum Behuf des
-zweiten Beweises die zweite Voraussetzung ein, dass jedes
-Seyn einen Grund haben müsse? Woher wissen wir denn das?
-<a id="page-389" class="pagenum" title="389"></a>
-Woher überhaupt plötzlich die Kategorie des Grundes, noch
-dazu zum Behuf des Beweises der (formellen) Einheit der Vernunft?
-Grund ist eine weit speciellere Kategorie, erst eintretend
-in der Sphäre endlicher Bedingungen und Folgen.) &mdash;
-der Beweis geht fort &mdash; &bdquo;noch einen anderen Grund geben,
-als sich selbst: denn sie selbst enthält nur den Grund, dass
-sie selbst ist, nicht aber, dass eine andere Vernunft sey.&ldquo; So?
-woher wissen wir denn wiederum dieses? Liegt das auch in
-§. 1. oder in §. 2.? Doch erlassen wir ihm die Frage nach
-dem Woher! lassen wir seine Anwendung des Satzes vom
-Grunde, und die unbewiesene Behauptung, dass die Vernunft
-nur der Grund ihrer selbst sey, stehen; was würde denn nun
-mit alle dem der Satz beweisen? Warum könnte denn nicht
-doch die Vernunft innerlich und in sich selbst, eben als Vernunft,
-qualitativ Eins bleiben, wenn es auch einen Grund ihres
-formalen Daseyns ausser ihr selber gäbe? Nur das Seyn
-wäre sodann nicht Eins, und die Vernunft wäre nicht alles
-Seyn, und Eins mit dem Seyn. Die Einheit des Seyns daher,
-keinesweges aber die der Vernunft, wäre bewiesen, wenn dieser
-doppelt und dreifach falsche Beweis etwas beweisen könnte;
-aber unser Verfasser setzt hinzu: <em class="italic">die Vernunft ist also Eine</em>,
-seinen eigenen Beweis nicht einmal verstehend.
-</p>
-
-<p>
-Der richtige §. 3. über dem Prädicate der Einheit und Sichgleichheit
-zu einem solchen §. 1. und 2. wäre der folgende:
-<em class="italic">die Vernunft ist schlechthin weder Eines, noch sich selbst gleich.</em>
-Denn setzet, dass sie das seyn solle, so könnte sie, da ausser
-ihr gar nichts ist, dasselbe nur in und für sich selbst seyn.
-Nun ist es (§. 2.) überhaupt unmöglich, dass in ihr oder für
-sie überhaupt etwas sey, daher kann in ihr oder für sie auch
-nicht Einheit und Sichselbstgleichheit seyn, daher kann überhaupt
-nicht Einheit und Sichselbstgleichheit seyn, und eben
-darum auch nicht die der Vernunft seyn. &mdash; Freilich wird auch
-hier vorausgesetzt, dass ja niemand sich besinne, wie er selber
-doch wirklich und in der That in diesem Beweise Einheit und
-Gleichheit setze, wodurch derselbe Widerspruch zwischen dem
-Thun und Sagen, den wir schon bei dem vorigen Beweise nachwiesen,
-einträte, und der ganze Scherz in Nichts zerginge.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-390" class="pagenum" title="390"></a>
-Nach dieser Weise geht es nun fort durch das ganze Scriptum,
-und keine der folgenden Demonstrationen ist anderer Natur,
-als die eben geprüften. Der Erfolg aber aller dieser Anstalten
-ist der, dass, auf eine durchaus nur erdichtete Weise,
-und durch absolute Aufhebung des Satzes, von welchem ausgegangen
-wurde, die specifische Verschiedenheit der mancherlei
-wirklichen Dinge erklärt wird aus der Verschiedenheit des
-quantitativen Verhältnisses des Subjectiven und Objectiven in
-ihnen. Dass diese Erklärung völlig willkürlich und eine leere
-Hypothese sey, leuchtet unmittelbar ein; denn wie könnte irgend
-jemand auf sie kommen, der nicht schon als bekannt und
-ausgemacht voraussetzte, dass es specifisch verschiedene Dinge
-gebe, und der sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, diese Verschiedenheit,
-es möchte nun Gott lieb oder leid seyn, zu erklären.
-Dass sie aber dem ersten Grundsatze widerspricht und
-ihn aufhebt, leuchtet also ein: Ist die Vernunft die absolute
-Indifferenz des Subjectiven und Objectiven, und giebt es gar
-kein anderes Seyn, ausser dem der Vernunft, so kann in keinem
-Seyn diese Indifferenz aufgehoben werden, und eine quantitative
-Differenz an die Stelle treten.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen, wie schon oben gesagt, ich will auch nicht
-nach dieser verjährten, und wenn auch nicht von dem naturphilosophischen
-Publicum erkannten, dennoch vielleicht von
-ihrem Urheber schon bereuten Sünde ihn richten,<a class="fnote" href="#footnote-37" id="fnote-37">[37]</a> sondern
-<a id="page-391" class="pagenum" title="391"></a>
-meine Untersuchung seines Geistes und Talentes auf eine andere
-Schrift, die er selbst für so heilig hält, dass er durch das:
-&bdquo;Rühre nicht Bock, denn es brennt,&ldquo; die Profanen an der
-Schwelle zurückweiset, und welche wirklich auch nach meinem
-Erachten die beste, d. h. die noch am wenigsten stümperhafte
-unter den zahlreichen Producten seiner Feder ist; auf seine
-Schrift: <em class="italic">Religion und Philosophie</em> betitelt (Tübingen, bei Cotta,
-1804.), bauen.
-</p>
-
-<p>
-Der bei weitem grösste Theil dieser Schrift hat es gar kein
-Hehl, dass nur frei und frank hinphantasirt werde, ohne dass
-man sich auch nur die Miene des Denkens oder der Untersuchung
-gäbe: es wird versichert, betheuert, behauptet, entschieden,
-ohne dass auch nur ein Schatten eines Beweises dazwischen
-eintritt. Alles also Beschaffene spricht schon durch sich
-selbst sich sein Urtheil, und wir können es übergehen. Wir
-wenden uns daher sogleich zur hervorstechendsten Stelle des
-ganzen Buches, die den Anschein des Denkens wirklich an
-sich nimmt, und über die dermalen höchsten Principien dieses
-Philosophen Auskunft zu geben verspricht, indem wir, wie schon
-oben gesagt, immer ungerügt lassen den Grundirrthum des Objectivirens,
-und bloss zusehen, mit welcher Fähigkeit und Gewandtheit
-man sogar im Irrthume sich bewege.
-</p>
-
-<p>
-Von S. 18. an wird eine Ableitung der endlichen Dinge
-aus dem Absoluten und eine Darstellung des Verhältnisses zu
-ihm angekündigt, mit welcher es denn auch S. 21. also zum
-Schlage kommt:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So gewiss jenes schlechthin einfache Wesen der intellectuellen
-Anschauung&ldquo; (mit dem Worte: <em class="italic">Wesen</em> meint er das <em class="italic">Object</em>
-der erwähnten Anschauung; er hat aber seinen guten, uns
-sehr wohlbekannten Grund, dieses letztere Wort hier ja nicht
-in den Mund zu nehmen, indem dieses ihn in schlimme Verlegenheiten
-mit der Wissenschaftslehre bringen könnte) &mdash; &bdquo;so
-<a id="page-392" class="pagenum" title="392"></a>
-gewiss dieses Wesen Absolutheit ist: so gewiss kann ihm kein
-Seyn zukommen, als das durch seinen Begriff (denn wäre dieses
-nicht, so müsste es durch etwas anderes ausser sich bestimmt
-seyn, was unmöglich ist).&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Halten wir gleich hier den schwellenden Strom dieses Beweises
-an, indem wir über einiges darin nicht ganz so leicht
-hinwegkommen können, als sein Urheber. Ich verstehe deutlich:
-wäre es nicht durch sich bestimmt, so wäre es durch ein
-anderes bestimmt, nemlich, wenn es überhaupt <em class="italic">durch</em> etwas
-bestimmt seyn müsste, wofür der Beweis keinen Grund angiebt,
-sondern es nur eben hindichtet. Ich sehe, dass dieser
-Beweis sein Absolutes, das erst Eins seyn sollte, in zweie, in
-ein bestimmendes und in ein bestimmtes zerreisst, und so mit
-einer inneren und materialen Disjunction (die ursprüngliche und
-formale, dass es Hingeschautes ist aus einem Schauen, wird
-unserem Versprechen gemäss erlassen), über die er keine Rechenschaft
-giebt, anhebt; welches der erste Act der blinden
-Willkür ist. Sehe ich dieses Verfahren tiefer an, so finde ich,
-dass der bekannte Begriff vom Absoluten, dass es sey von sich,
-aus sich, durch sich, hier vollzogen werde, welcher, als blosser
-Begriff, äussere Charakteristik und Schema des Absoluten,
-und blosse Beschreibung seiner Form im Gegensatze mit der
-Form des Nichtabsoluten, das da nicht ist von sich selbst, keinesweges
-in dasselbe selber uns hineinzuführen vermag, sondern
-dasselbe unserem Blicke auf ewig verschliesst; welches
-nicht zu bemerken die zweite Blindheit ist. Ich sehe ferner,
-dass der Ausdruck: das sey unmöglich, wie er dasteht, eine
-Unmöglichkeit lediglich des Denkens ausdrücke, dessen reale
-Bedeutung vor allen Dingen hätte gesichert werden müssen;
-welches die dritte sehr grobe Unterlassungssünde ist. Wenn
-ich übrigens dieses alles hingehen, und mir das Absolute in
-seiner Zweifachheit als bestimmendes und bestimmtes gefallen
-lasse, so sehe ich noch immer nicht ein, warum es in seiner
-ersten Qualität, als bestimmendes, gerade ein Begriff seyn solle,
-wie mir gleichfalls ohne irgend eine Anführung des Grundes
-angemuthet wird; welches sonach die vierte blinde Willkür
-wäre. Ich sehe inzwischen sehr wohl ein, warum also verfahren
-<a id="page-393" class="pagenum" title="393"></a>
-werden musste; indem es nemlich auf andere Weise nicht
-zu der begehrten Schlussfolge: &bdquo;das Absolute ist also überhaupt
-nicht <em class="italic">real</em>, sondern an sich selbst nur <em class="italic">ideal</em>,&ldquo; kommen könnte.
-</p>
-
-<p>
-Ich will nicht nur gefällig seyn, sondern sogar ein Uebriges
-thun; ich will wirklich denken, was der Beweis von mir
-verlangt, und so nachholen, was sein Urheber versäumt hat;
-indem dieser, wie tiefer unten sich zeigen wird, das Begehrte
-in der That nicht gedacht, sondern nur leere Worte gemacht
-hat; welches, falls der besprochene Beweis uns gelingt, die
-fünfte Blindheit seyn würde.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es kann dem Absoluten kein Seyn zukommen, ausser
-<em class="italic">durch seinen Begriff</em>.&ldquo; Wenn ich das letztere in vollem Ernste
-und wirklich, und nicht etwa bloss faselnd, so dass es wahr
-seyn solle, und doch wieder auch nicht wahr, denke, so denke
-ich, dass das Absolute einen Begriff von sich selber, eine Anschauung
-seiner selber, ein schematisches Seyn ausser seinem
-Seyn, &mdash; denn also ist ein Begriff zu denken &mdash; habe, und
-zwar von sich, als einem <em class="italic">also</em> bestimmten und beschränkten
-Seyn, wie es sich begreift. Ich sehe nunmehro klar ein, was
-dem Beweisführer selber, der nicht wirklich dachte, sondern
-nur faselte, bloss dunkel vorschweben konnte, dass auf diese
-Weise das Absolute in sich selbst durchaus nur ideal seyn
-könne; indem ich ja so consequent seyn werde, das Absolute
-selbst, und diesen seinen Begriff von sich selbst, durchaus für
-Eins und dasselbe zu halten, und ihm kein anderes formales
-oder materiales Seyn, und keinen anderen Sitz und Mittelpunct
-dieses letzteren zuschreiben werde, ausser eben in seinem Begriffe
-von sich selber unmittelbar und ganz. Das Absolute wird
-nun wieder Eins, ein zugleich bestimmendes und bestimmtes
-in der formalen Einheit des Begriffes, und die andere Hälfte der
-realen Bestimmtheit, welche ohne Zweifel nur als Hülfslinie des
-Beweises erst angelegt war, fällt hinweg. Zwar bekomme ich
-statt dieser Zweiheit in mein Absolutes die von der Form des
-Begriffes, in welcher Form nun das Absolute aufgeht, unabtrennbare
-Fünffachheit; aber das ist nun einmal unvermeidlich,
-und ich thue wohl, in das Unvermeidliche mich zu ergeben.
-Dass ich mich ja nicht besinne, dass zuletzt doch ich selber es
-<a id="page-394" class="pagenum" title="394"></a>
-sey, der jenen Begriff von einem Begriffe des Absoluten von
-sich selbst habe, und dass ich denselben auf das Zureden dieses
-stattlichen Beweises, mit sehr bewusster Willkür gebildet
-habe, &mdash; wodurch ich zwar in das leere Reflectirsystem fallen,
-aber die Sache ein verwickelteres Ansehen erhalten würde, &mdash;
-versteht sich, indem dies gegen die Abrede laufen würde.
-</p>
-
-<p>
-So weit im Reinen, lasset uns das Weitere vernehmen!
-&bdquo;Aber gleich ewig mit dem schlechthin Idealen ist die ewige
-Form.&ldquo; Gleich ewig? Wir erfahren sonach nebenbei und im
-Vorbeigehen, dass das schlechthin Ideale unter anderm auch
-ewig ist. Woher mag uns diese Kunde kommen, und was mag
-das heissen, ewig seyn? Seyen wir jedoch diesmal ausser Sorgen;
-der Verfasser will uns hier nichts aufbinden oder erschleichen;
-er denkt das Gesagte in der That nicht, und denkt diesmal
-gar nichts; er hat sich das Wort &bdquo;ewig&ldquo; nur stark angewöhnt,
-und es entfährt ihm hier unwillkürlich; denn wenn er
-daran gedacht hätte, dass er es vorbrächte, so hätte er zugleich
-auch gedacht, was es doch bedeuten möge; welches somit
-die sechste und die siebente Blindheit auf Einen Schlag ist.
-</p>
-
-<p>
-Gleich ewig ist also die ewige Form? Dies versteht sich
-eigentlich von selbst; denn wir haben ja schon oben gesehen,
-dass das Absolute, als durchaus nichts anderes, denn sein Begriff
-von sich selbst, in dieser Form des Begriffes aufgehe,
-welche Form somit ebenso absolut ist, als dasselbe selber, da
-sie es ja selber ist, und die, wenn das Wort &bdquo;ewig&ldquo; eine Bedeutung
-haben sollte, und das Absolute ewig wäre, auch ebenso
-ewig seyn würde, als dieses. Meint denn nun der Verfasser
-<em class="italic">diese</em> Form, oder meint er eine andere? Er meint eine andere;
-denn dass er schon an dem Begriffe des Absoluten von sich
-selber eine recht tüchtige und haltbare und sogar fünffache
-Form habe, ist ihm verborgen geblieben, woraus eben hervorgeht,
-dass er das oben dem Leser angemuthete Denken selbst
-nicht vollzogen, und so der oben versprochene Beweis nachgeliefert
-ist. Dass er aber noch eine zweite Form begehrt,
-kommt daher, weil er irrigerweise meint, vermittelst der ersten,
-selbst wenn er sie sich klar mache, lasse sich nichts aus dem
-Absoluten heraus ableiten, welches letztere doch sein eigentlicher
-<a id="page-395" class="pagenum" title="395"></a>
-Zweck ist. Irrigerweise meint er das, sagte ich; wenigstens
-wäre uns für unsere Person gar nicht bange, wenn wir einen
-solchen Begriff des Absoluten von sich selber unter die Hände
-bekämen, dass wir nicht daraus mit leichter Mühe Erde und
-Himmel, und alle ihr Heer sollten ableiten können. Wir haben
-ja in diesem Begriffe das ganze qualitative Seyn des Absoluten,
-welches es anschaut; dies wird doch wohl ohne Zweifel ein
-ergiebiges Mannigfaltige uns liefern. Wir dürfen von nun an
-nur die Augen und Hände aufthun, und uns geben lassen, was
-da ist; und haben nun für jedes Ding, das uns vorkommen
-mag, die immer fertige und stets sich gleich bleibende Antwort:
-das ist auch ein Qualitatives im Absoluten, und dieses
-gleichfalls, und dieses, und so ins Unendliche fort. Die einzige
-noch übrige Schwierigkeit wäre nur die, begreiflich zu machen,
-wie wir andern zur Mitwissenschaft vom Seyn des Absoluten, und
-zur Theilnahme an seinem Begriffe von sich selber gelangten;
-aber da unwidersprechlich erhellet, dass die innere Grundform
-des Begriffes des Absoluten von sich selbst die Ichform ist, so
-könnte ja wohl gerade durch diese Form jedwedes Ich an dem
-Absoluten Theil haben, und in dasselbe versinken; zu welcher
-kühneren Lösung der Aufgabe dieser Schriftsteller nur zu blöde
-und zu verzagt ist, und das Absolute, soweit als irgend möglich,
-sich vom Leibe hält. Aus diesem Grunde bleibt die erste
-Form unbenutzt, und es muss ihm eine zweite herbeigeschafft
-werden, in welche, als weniger vornehm, er mit einem kleineren
-Maasse von Unbescheidenheit seine Person hineinzuschieben
-hofft.
-</p>
-
-<p>
-Es ist also eine Form des Absoluten; und diese ist gleich
-ewig mit ihm; &mdash; so haben wir vernommen, ein Schatten eines
-Beweises aber erscheint nicht. Woher weiss denn der Verfasser,
-was er behauptet? und wie mag er wohl dazu kommen,
-eine solche Form anzunehmen? das werden wir ohne Zweifel
-am besten erfahren, wenn wir sehen, wozu er sie braucht und
-gebraucht. Aber er gebraucht sie bald darauf, um vermittelst
-derselben die Realität aus dem Absoluten zu erklären. Sein
-Bedürfniss demnach, diese Erklärung zu liefern, ist der wahre
-<a id="page-396" class="pagenum" title="396"></a>
-Schöpfer, und der wahre verschwiegen gebliebene Beweisgrund
-des Seyns einer solchen Form.
-</p>
-
-<p>
-Und so haben wir denn schon hier den Begriff dieses
-Mannes von Philosophie, und sein ganzes Verfahren, in unermesslicher
-Evidenz vor uns liegen. Die Realität ist eben an
-sich; darüber wird gar kein Zweifel rege, und dieses ist der
-wahre Grundpfeiler seines Systems. Diese kann und muss erklärt
-werden; und es ist das Geschäft der Philosophie, diese
-Erklärung zu liefern. Auch hierüber, als den zweiten Grundsatz
-dieses Systems, wird ebensowenig ein Zweifel rege. Zum
-Behufe dieser Erklärung muss nun eine ewige Form, und zum
-Behufe der Füllung dieser Form ein Absolutes angenommen
-werden, welches der dritte Theil und die wirkliche Vollziehung
-dieses Systemes ist. Der Ausgangspunct desselben ist daher
-der allerblindeste und stockgläubigste Empirismus, und ein Absolutes
-wird lediglich der Welt zu Liebe angenommen. Dies
-ist die wahre Meinung des Mannes vom Absoluten, denn also
-gebraucht er es; und wenn er ein andermal zur Abwechslung
-von unmittelbarer Erkenntniss und Anschauung des Absoluten
-redet, so ist dies leere Prahlerei und purer Scherz, indem er
-gar nicht aus dieser Prämisse, sondern aus der entgegengesetzten
-wirklich urtheilt und philosophirt. Höchstens mag an dem
-Ersteren, wie wir grossmüthig voraussetzen wollen, so viel
-wahr seyn, dass er die Nothwendigkeit einer unmittelbaren
-Erkenntniss, falls es jemals zu einer mittelbaren kommen sollte,
-überhaupt einsieht, ohne dass er sie doch an sich zu bringen
-weiss, noch auf seinem Wege jemals sie an sich bringen wird.
-Uebrigens ist dieses Nichtverstehen seiner eigenen wahren Meinung
-und Nichtbemerken seines blinden Empirismus und seines
-Erklärens durch eine willkürlich gesetzte Hypothese, die radicale
-Blindheit des Mannes, und von den hier geprüften die
-achte an der Zahl.
-</p>
-
-<p>
-Lassen wir inzwischen uns weitere Auskunft geben über
-diese ewige Form! &mdash; &bdquo;Nicht das schlechthin Ideale steht unter
-dieser Form, denn es ist <em class="italic">selbst</em> ausser aller Form, so gewiss
-es absolut ist.&ldquo; Ausser aller Form; es ist somit das oben über
-desselben Begriff von sich selbst Gesagte, wenige Zeilen darauf,
-<a id="page-397" class="pagenum" title="397"></a>
-nachdem es gesagt worden, zurückgenommen, ohne dass es
-gemerkt wird, welches die neunte Blindheit wäre. Aber sehen
-wir doch näher hin, was der Mann eigentlich schwatzt. Das
-&bdquo;selbst&ldquo; ist auch im Urtext beschwabachert, und es thut wohl
-noth, wiewohl auch von der anderen Seite es ihm Verdruss
-bringen dürfte. Ich frage: ist es denn dasselbe Eine Absolute,
-von welchem oben geredet worden, das da seyn soll in der
-ewigen Form? Es muss wohl; denn sonst hätten wir ein
-zweites Absolutes, und wären mit dem ersten ganz vergebens
-bemüht worden, und es wäre ein Fehler, dass man uns nicht
-gleich von vornherein vor die rechte Schmiede des ergiebigen
-und erklecklichen Absoluten geführt hätte. Also ist es
-doch das Absolute selbst, das in der Form ist. Nun aber soll
-es doch wiederum nicht <em class="italic">selbst</em> in der Form seyn. Also ein
-Selbst, das zugleich auch Nichtselbst, eine Identität, die zugleich
-auch Nichtidentität ist? Giebt es kein Mittel, diesen Unsinn
-klar in die Augen springen zu lassen? Ich hoffe, Folgendes soll
-Dienste leisten. Ich frage: ist denn das Absolute in jenem
-Sichformiren ganz und ungetheilt dabei? oder ist es nicht ganz
-und ungetheilt dabei? Ist das Erste, so ist es ganz und in ungetheilter
-Wesenheit in der Form, und es ist nirgends und auf
-keine andere Weise, ausser in der Form. Unser Philosoph will
-nicht, dass es so sey, weil ihm um seine eigene selbstständige
-Individualität, welche sodann in das Absolute versänke, bange
-ist. Nach ihm ist also das Letztere; ist aber dies, so theilt in
-dieser Formirung das Absolute sich in zwei absolute Hälften,
-mit deren einer es selbst ausser aller Form bleibt, mit deren
-anderer aber es selbst ist in der Form. Wird dies unser Philosoph
-zugeben wollen? Ich hoffe das Gegentheil; inzwischen
-hat er es dennoch gesagt, ohne selbst zu wissen, was er redet,
-welches die zehnte hier obwaltende Blindheit ist.
-</p>
-
-<p>
-Ich werde es müde, und vielleicht eben also der Leser,
-dem Manne noch ferner Schritt vor Schritt zu folgen, und ihm
-seine Verworrenheiten vorzuzählen; und breche gerade hier um
-so lieber ab, da sogleich die zwei folgenden Zeilen so dicken
-und zähen Unsinn enthalten, dass gar manches Wort erfordert
-würde, ihn fliessend zu machen. Ich setze nur noch den
-<a id="page-398" class="pagenum" title="398"></a>
-Schluss dieser Erörterung über die ewige Form her. &bdquo;Diese
-Form ist, dass das schlechthin Ideale, unmittelbar als solches,
-ohne also aus seiner Identität herauszugehen, auch als ein Reales
-sey.&ldquo; Was mag real heissen? Nun, denkt der Mann, das
-weiss ja wohl jedes Kind, und macht sich keine Mühe mit der
-Bestimmung seines Begriffes. Wir aber möchten doch gleichwohl
-gerne wissen, welchen Sinn er mit diesem Begriffe zu
-verbinden hätte, und müssen es schon selber aus dem Zusammenhange
-aufsuchen. Real ist dem Verfasser der Gegensatz
-zum Idealen; das Ideale aber ist ihm, theils nach seinen ausdrücklichen
-Worten, theils zufolge der höheren Klarheit, welche
-wir denselben durch die wirkliche Vollziehung des angemutheten
-Denkens gegeben haben, dasjenige, was keines anderen
-Seyns bedürftig oder fähig ist, ausser im Begriffe: das
-Reale muss daher seyn ein Seyn, das keines anderen Seyns
-fähig ist, als nur des ausser dem Begriffe, die absolute Bewusstlosigkeit.
-</p>
-
-<p>
-So, sage ich, müsste nach unserem Philosophen das Reale
-gedacht werden, obwohl derselbe bei anderen Gelegenheiten
-wiederum sehr entfernt ist, es also zu denken; denn S. 23.
-&bdquo;tritt die Form <em class="italic">der Bestimmtheit</em> des Realen durch das Ideale
-als <em class="italic">Wissen</em> ein in die Seele.&ldquo; Wir hatten oben nur die Sichformirung
-des Idealen vermittelst und in der Form zum Realen,
-das unmittelbare Verschmelzen der Idealität in Realität (J&nbsp;X&nbsp;R):
-woher kommt uns denn jetzt diese neue Form höherer Abstraction
-<em class="italic">einer Bestimmtheit</em> des Realen durch das Ideale, welche
-wechselseitig seyn muss, und der blossen Realität zugleich den
-Grund ihres Soseyns hinzufügt
-(J&nbsp;<span class="fx"><span class="fx-top">F</span><span class="fx-bottom">X</span></span>&nbsp;R),
-und noch obenein
-eine <em class="italic">Seele</em>, in welcher diese Form der Form eintritt? Es scheint
-ja, dass an diesem Systeme der würtembergische Katechismus
-wohl ebenso viel Antheil habe, als die Speculation.
-</p>
-
-<p>
-Mit der wirklichen Ableitung endlicher Dinge aus dem Absoluten
-gelingt es ihm nun, zu Ende von mancher Noth und
-Plackerei, die er sich bis dahin anthut, S. 29. unverhoffterweise
-folgendermaassen: &bdquo;Das Absolute würde in dem Realen nicht
-wahrhaft objectiv, theilte es ihm nicht die Macht mit, gleich
-ihm, seine Idealität in Realität umzuwandeln und sie in besonderen
-<a id="page-399" class="pagenum" title="399"></a>
-Formen zu objectiviren.&ldquo; Nun, da ist ja mit Einemmale
-alles gewonnen, und die Aufgabe aller Speculation in unermesslicher
-Klarheit und Leichtigkeit, zu allgemeinem Vergnügen und
-Bequemlichkeit, gelöst! Dass wir andern alle das Reale, in welchem
-das Absolute wahrhaft objectiv geworden, seyen, leidet
-keinen Zweifel; die Macht, unsere Idealität in Realität umzuwandeln,
-und sie in besondern Formen zu objectiviren, geht zufolge
-dieser Versicherung uns auch nicht ab; und so wird denn
-wohl die Welt nichts anderes seyn, als die Ausübung jener
-unserer Macht. Thun wir von nun an nur unsere Sinne, oder,
-in der Terminologie unseres Weltweisen, die uns mitgetheilte
-Macht, unsere Idealität in Realität umzuwandeln, auf, so werden
-wir ja hören und sehen, wie jene Macht in besonderen Formen
-sich objectivire; und so sind wir denn, freilich auf einem etwas
-mühsamen und holprigen Umwege, gerade bei demjenigen angekommen,
-wozu ich schon oben geglaubt, dass der Begriff des
-Absoluten von sich selber dienen könne. Was von nun an uns
-auch vorkommen könne, wir werden jedesmal zu sagen wissen,
-es sey dies eine Aeusserung der Macht, unsere Idealität in Realität
-umzuwandeln, durch welche Macht das Absolute in uns
-objectiv geworden.
-</p>
-
-<p>
-Leider werden wir in den freudigen Empfindungen, die
-wir hierüber gefasst haben möchten, schon S. 34. durch die
-unerwarteten und merkwürdigen Worte gestört: &bdquo;Mit Einem
-Worte, vom Absoluten zum Wirklichen giebt es keinen stätigen
-Uebergang, der Ursprung der Sinnenwelt&ldquo; (man bemerke, dass
-dieses Wort hier gleichbedeutend ist mit dem Wirklichen) &bdquo;ist
-nur als ein vollkommenes Abbrechen von der Absolutheit, durch
-einen Sprung denkbar.&ldquo; &bdquo;Der Grund der endlichen Dinge &mdash;
-so beschliesst die S. 18. uns verheissene Auskunft über die
-Abkunft der endlichen Dinge aus dem Absoluten &mdash; &bdquo;der Grund
-der endlichen Dinge kann nicht in einer <em class="italic">Mittheilung</em> von Realität
-an sie, oder an ihr Substrat, welche Mittheilung vom Absoluten
-ausgegangen wäre, er kann nur in einer <em class="italic">Entfernung</em>, in
-einem <em class="italic">Abfall</em> vom Absoluten liegen. Diese ebenso klare und
-einfache, als erhabene Lehre&ldquo; (So? es scheint, der Geschmack
-ist mancherlei) &bdquo;ist auch &mdash; die wahrhaft Platonische. &mdash; Nur
-<a id="page-400" class="pagenum" title="400"></a>
-durch den Abfall vom Urbilde lässt Plato die Seele von ihrer
-ersten Seligkeit herabsinken.&ldquo; &mdash; &bdquo;Es war ein Gegenstand der
-geheimeren Lehre in den griechischen Mysterien, auf welche
-auch Plato nicht undeutlich hinweiset.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun, wenn Plato und die griechischen Mysterien das annahmen,
-so werden wir andern wohl Respect haben, und es
-uns gleichfalls gefallen lassen müssen; sollte es sich auch finden,
-dass in der ganzen Lehre durchaus kein Sinn und Verstand
-sey, und dass das Angemuthete niemals im wirklichen
-Denken vollzogen, sondern nur gesagt werden könne.
-</p>
-
-<p>
-Wir haben grossen Verdacht, dass das Letztere sich finden
-werde. Denn was soll doch dasjenige seyn, das da abfällt vom
-Absoluten? Es sind nur zwei Fälle möglich: entweder nemlich
-ist es das Absolute selbst, in welchem Falle dieses von sich
-selbst abfallen, d. h. sich in sich selber und durch sich selber
-vernichten müsste, welches absurd ist; oder es ist nicht das
-Absolute selbst; so ist es von, aus, durch sich selber, und wir
-haben der Absoluten zwei an der Zahl, was abermals absurd
-ist. Es geht nicht, dass man sage, das Absolute habe jenes
-andere gemacht, und es gut gemacht, und es sey nur nachher
-abgefallen: denn sodann müsste das in ihm liegende Vermögen,
-abzufallen, ihm entweder das Absolute ertheilt haben, in welchem
-Falle in der Ertheilung dieses Vermögens das Absolute
-in der That von sich abgefallen wäre, welches die erste Absurdität
-ist; oder es müsste dieses Vermögen von und aus sich
-selber haben, wodurch es wenigstens in Absicht dieses Vermögens
-absolut würde, welches die zweite Absurdität ist.
-</p>
-
-<p>
-Jedoch, wenn wir dieses Alles dem Verfasser übersehen
-wollten, wie passt denn diese Aeusserung zu allen seinen früheren
-Operationen? Ich bitte, ist denn das Absolute wirklich
-und in der That vorhanden, oder ist es nicht wirklich vorhanden?
-Ist denn an dem Objectivwerden dieses Absoluten in einer
-Macht, seine Idealität in Realität umzuwandeln, und sie wiederum
-in verschiedenen Formen zu objectiviren, ein wahres Wort,
-oder ist daran kein wahres Wort? Ist das Erstere, so ist ja die
-Wirklichkeit allerdings erklärt, und der stätige Uebergang vom
-Absoluten zum Wirklichen ist gefunden. Wird aber das Letztere
-<a id="page-401" class="pagenum" title="401"></a>
-angenommen, wie dadurch, dass die Unerklärbarkeit des
-Wirklichen aus dem Absoluten behauptet wird, allerdings geschieht,
-so wird ja alles früher Gesagte für unwahr erklärt und
-zurückgenommen, und es wird alle, sowohl wahre, als die hier
-herrschende vermeinte Speculation aufgehoben. Warum liess
-denn der Verfasser dennoch seinen Anfang stehen, nachdem er
-ein solches Ende gewonnen hatte?
-</p>
-
-<p>
-Haben wir ihn vielleicht nur nicht recht verstanden? Abgeleitet
-habe er nun wirklich und in der That etwas, lässt er
-sich vernehmen, aber dieses sey denn doch nur die pure Idee;
-und jenes uns so erfreuliche Objectiviren seiner Idealität in verschiedenen
-Formen mag wohl auch nur das blosse leidige Handeln,
-keinesweges aber, wie wir hofften, zugleich auch die ursprünglichen
-Weltvorstellungen bedeuten? Ich bitte, ist denn
-die Idee nicht wirklich, und kann sie denn nicht wirklich werden,
-und ist sie denn nicht in der ersten Hälfte des Buches,
-in der stattlichen Ableitung unseres Herrn Verfassers in der
-That wirklich geworden? Ja, wer vor Demuth zu einer solchen
-Annahme kommen könnte! Das ist Alles wohl gut, sagt der
-Mann, aber das ist doch nicht das rechte Wirkliche, nicht das
-wirklich Wirkliche; dafür lasse ich lediglich und allein die materielle
-Sinnenwelt gelten. Ist ihm denn aber im Laufe seines
-philosophischen Lebens niemals die Behauptung zu Ohren gekommen,
-dass eine Sinnenwelt überhaupt nur im Sinne, der
-Sinn aber nur in der Idee, als Sphäre des selbstständigen Lebens
-der Idee, wirklich da sey? Will er nun dieses nicht zugeben,
-wie er es denn allerdings nicht will; wie bringt er denn
-zuvörderst seinen Begriff von der Wirklichkeit zu Stande? Offenbar
-nur durch den Gegensatz mit der Idee; ein Seyn der Materie,
-durchaus unabhängig von der Idee, und da doch ohne
-Zweifel ausser der Idee und der Materie es nicht noch ein drittes
-wird geben sollen, unabhängig von irgend etwas Anderem,
-also ein wahres Ansich und innerliches Absolutes, das zweite
-an der Zahl, wenn es nemlich sein Ernst ist, dass es zugleich
-auch eine absolute Idee gebe. Und so ist denn bei diesem
-philosophischen Heros, wo es Ernst wird, nichts mehr zu finden,
-als der alte und wohlbekannte Scherz eines materialistischen
-<a id="page-402" class="pagenum" title="402"></a>
-Dualismus. Nicht Wissenschaftslehre, nicht Kant, sondern
-du, heiliger Leibnitz, bitte für ihn! Ferner, wie gedächte sich
-denn wohl der Mann bei dieser Denkart gegen diejenigen, welche
-auf der Einheit des Absoluten, und auf der Idee, als der einzig
-möglichen Realität beständen, zu schützen? Er wird niemals
-eine andere Weise finden, als diejenige, deren er sich wirklich
-bedient, dass er, als ein zweiter Friedrich Nicolai, sich auf das
-Zeugniss seiner Sinne, und auf den gesunden Menschenverstand
-berufe, und hoch betheure, die materiellen Gegenstände müssten
-aber doch seyn, denn er sehe sie ja, und höre sie, und
-keiner soll ihn jemals eines anderen bereden. Und so fällt denn
-an dieser Stelle dem Manne die Maske der Speculation, die er
-auch sonst locker genug trägt, völlig ab, und es tritt hervor
-die natürliche Haut des rohesten, stockgläubigsten Empirismus,
-wie denn sich über das Ansichseyn der Materie auch nicht einmal
-ein Verdacht regt.
-</p>
-
-<p>
-Da man unserm Publicum alles ausdrücklich sagen muss,
-und fast niemals darauf rechnen kann, dass es selber folgern
-oder annehmen werde, dass jemand wirklich wolle und zugebe,
-was aus seinen Sätzen folgt: so merke ich hier noch ausdrücklich
-an, dass alle Naturphilosophie auf diese Stockgläubigkeit,
-dieses Entsetzen und Erschrecken vor der Materie, und diese
-Scheu, selber lebendig, und nicht als ein blosses Naturproduct
-da zu seyn, sich gründe, und dass diese denen, die ihnen widersprechen,
-niemals eine andere Antwort werden geben können,
-als dass es ihnen am Gefühle fehlen müsse. Nun ist, da
-wir ebensowohl leben, denn sie, ohne Zweifel zu erwarten,
-dass wir ebensowohl hören und sehen mögen, denn sie; nur
-dass wir diesen Erscheinungen der Sinne nicht unmittelbar und
-ohne Weiteres Glauben beimessen, sondern sie mit dem Begriffe
-durchdringen, und in ihrer Bedeutung, als dem wahrhaft
-Realen an ihnen, sie verstehen. Woran es uns daher, ihnen
-gegenüber, in der That fehlt, das ist ihr blinder Aberglaube,
-und wenn sie unter ihrem Gefühle diesen verstehen, so haben
-sie ganz recht mit ihrem Verdachte, dass irgend etwas, das sie
-besitzen, uns abgehen möge. Möge ihnen doch nie ein Licht
-<a id="page-403" class="pagenum" title="403"></a>
-darüber aufgehen, welche Thoren sie geworden sind, da sie
-sich für Weise hielten.
-</p>
-
-<p>
-Um zurückzukehren zu unserem Philosophen: ein so über
-alle Maassen ungeschickter und stümperhafter Sophist, wie wir
-es ihm nachgewiesen haben, ist also der Mann, dem es gelungen
-ist, die Philosophen dieses Zeitalters irre zu machen.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen dürfte es eine Ungerechtigkeit sowohl gegen
-mich selber, als gegen den genannten Mann involviren, wenn
-ich hiermit dieses Capitel beschlösse. Gegen mich selber, indem
-ich nicht will, dass gewisse Gegner, über die er sich beklagt,
-und die er besonders in den Gegenden seines jetzigen
-Aufenthalts gefunden, glauben sollen, dass ich mich ihnen beigesellt
-habe; gegen ihn, indem, da es eine Zeit gegeben, da
-ich weniger geringschätzig über ihn geurtheilt, und da bekannt
-ist, dass wir beide ehemals in persönlichen Beziehungen gestanden,
-jemand glauben möchte, dass er noch auf andere Weise,
-denn als Philosoph, mir verwerflich geworden. Was zuerst
-meine früheren, weniger geringschätzigen Urtheile betrifft, so
-gebe ich dabei zu bedenken, dass damals, als ich diese fällte,
-der Mann schon um seiner Jugend willen der philosophischen
-Reife und Klarheit durchaus unfähig war, und ich daher diese
-an ihm loben weder wollte noch konnte; dass ich aber hoffte,
-er werde fleissig seyn, und nicht zweifelte, dass durch Fleiss
-ihm etwas gelingen könnte, und dass es allein diese Hoffnungen
-waren, welche ich aussprach. Wie ich über die im wirklichen
-Besitze des Mannes befindlichen philosophischen Kenntnisse
-von jeher geurtheilt, kann gleich im ersten Jahrgange des
-von mir mit herausgegebenen Journals eine meiner Noten zu
-einer Abhandlung desselben, in welcher die ersten Spuren des
-Irrthums, der sich nun gar stattlich zu einer Naturphilosophie
-herausgebildet, zum Vorschein kamen, noch bis heute klärlich
-beurkunden. Jene meine guten Hoffnungen von ihm hat er nun
-keinesweges erfüllt, sondern durch unverständige Schmeichler
-früh sich verderben lassen, und seit dieser Zeit keines anderen
-Dinges sich beflissen, denn des Hochmuths und des Eigendünkels,
-und durchaus den Rang ablaufen wollen demjenigen, welchen
-<a id="page-404" class="pagenum" title="404"></a>
-auch nur zu verstehen er gleichwohl fortdauernd unfähig
-geblieben.
-</p>
-
-<p>
-Um von denen seiner Gegner, denen ich nicht gleichen
-mag, mich auszuscheiden: &mdash; Dass, wenn des Mannes System
-consequent verfolgt wird, kein Gott übrig bleibe, denn die Natur,
-und keine Moralität, ausser die der Naturerscheinungen,
-sehe ich klar ein; aber man muss dasjenige, was die Menschen
-bloss sagen, ebensowenig ihnen zum Nachtheil anrechnen, als
-diese Erörterung gemeint gewesen ist, es ihnen zum Vortheile
-gelten zu lassen. Die Worte sind überhaupt nichts, und nur
-das Leben will etwas bedeuten. Was nun die innere Religion
-des Mannes anbetrifft, so bescheide ich mich hierüber von
-Rechtswegen alles Urtheils, und halte dafür, dass dieses auch
-dem übrigen Publicum ebenso sehr gezieme. Was die Moralität
-anbetrifft, dürfte es nicht unschicklich seyn, folgenden Umstandes
-bei dieser Gelegenheit zu erwähnen.
-</p>
-
-<p>
-Es scheint geglaubt worden zu seyn, und ich finde noch
-vor kurzer Zeit in einem öffentlichen Blatte diese Insinuation
-wiederholt, dass der Genannte zu denen gehöre, welche bei
-meinem Abgange von Jena ein gewisses mir gegebenes Wort
-nicht erfüllt hätten. Ich halte es für angemessen, bei der gegenwärtigen
-Gelegenheit dieser Meinung förmlich zu widersprechen.
-Ich stand mit ihm keinesweges auf dem Fusse, dass ich
-über zu fassende bedeutende Entschliessungen mich vor der
-That mit ihm berathen hätte; was ihm mitgetheilt worden, ist
-ihm erst nach der That mitgetheilt worden; wie ich denn auch
-einem anderen meiner Freunde und Collegen, auf welchen, als
-Mitherausgeber des philosophischen Journals, gleichfalls einiger
-Verdacht gefallen, erst nach der That mich eröffnet. Derjenige
-Mann, der durch seinen ungesuchten Eintritt meinen unbedingten
-Entschluss, auf einen gewissen Fall meine Lehrstelle an der
-Universität Jena niederzulegen, den ich ohne ihn einfach und
-natürlich würde ausgeführt haben, in einen Versuch, zu capituliren,
-verwandelte, der einen gewissen ersten Brief, welcher
-ohne seine Dazwischenkunft nicht wäre geschrieben worden,
-mit mir verabredete und billigte; und als der Erfolg ausfiel,
-wie er ausfiel, mir einen zweiten, dessen ich bei meinem schon
-<a id="page-405" class="pagenum" title="405"></a>
-vorher gefassten festen Entschlusse nicht bedurfte, sondern der
-nur ihn decken sollte, abquälte und abpresste, und so auf eine
-ganz richtige, anständige und gebührliche Entschliessung von
-mir, die ich noch jetzt, nach Verlauf von acht Jahren, durchaus
-billige, und in derselben Lage heute wiederholen würde, den
-Anschein von Schwäche und Zweideutigkeit brachte, war ein
-anderer, und es war nur Einer, nicht mehrere; daher man
-auch meine übrigen Jenaischen Freunde und Collegen mit jenem
-Argwohn verschonen wolle. Inzwischen zürne ich auch
-diesem Einen so wenig, dass ich vielmehr gleich nach der That
-nur mich selber verurtheilt habe, indem der Stärke, die mit
-der nur einen Augenblick aufflammenden Schwäche gemeinsame
-Sache macht, ohne vorherzusehen, dass der augenblickliche
-Muth nicht fortdauern werde, ganz recht geschieht, wenn
-sie verlassen wird; und ich habe mit mir selbst mich ausgesöhnt
-lediglich durch die erworbene Sicherheit, dass mir dieses
-nicht zum zweiten Male begegnen wird.<a class="fnote" href="#footnote-38" id="fnote-38">[38]</a>
-</p>
-
-<p>
-Dies sey denn hiermit gesagt und abgethan; indem wir
-hoffen, dass die verworrene Leidenschaftlichkeit jener Tage nunmehr
-<a id="page-406" class="pagenum" title="406"></a>
-sich gesetzt habe, und man begreife, dass keinem Menschen
-in der Welt, ausser etwa den Weimarischen Finanzen,
-welche uns andere nichts angehen, daran liegen könne, ob dieser
-oder jener Mann Professor zu Jena sey, oder nicht, und ob
-Jena eine blühende, oder eine verlassene, oder auch gar keine
-Universität habe.
-</p>
-
-<p>
-Uebrigens ist auch das, was der Mann durch seine Speculation
-sucht und anstrebt, keinesweges etwas Schlechtes und
-Gemeines, sondern es ist das Höchste, dessen der Mensch theilhaftig
-werden kann; die Erkenntniss der Einheit alles Seyns
-mit dem göttlichen Seyn. Seine Absicht ist daher aller Ehren
-werth. Ebendasselbe will ja auch ich, und leiste es; er aber
-redet nur daran herum, und vermag es nicht zur Wirklichkeit
-zu bringen, tritt in den Weg denen, die es können, und macht
-irre andere, die ohne ihn vielleicht hören und verstehen würden;
-und dieses ist es, was ihm meinen Tadel zuzieht. Er
-hasset und fliehet die Besonnenheit, in welcher allein das Heilmittel
-vom Irrthume liegt, mit gutem Bedachte, indem er sie
-nur für leere Klarheit hält, und macht so die Unbesonnenheit
-zur ausdrücklichen Grundmaxime alles Realismus, erwartend
-von einer blinden Natur die Heilung. Dies ist nun absolute Unphilosophie
-und Antiphilosophie, und so lange er auf dieser
-Maxime beharrt, ist Alles, was er vorbringt, ohne Ausnahme
-nothwendig falsch, irrig und thöricht, und es vermag kein Funke
-von Speculation in seine Seele zu kommen. Und so werfe ich
-ihn denn, indem ich den Menschen an ihm in allem seinem
-möglichen Werthe lasse, als Philosophen ganz und unbedingt
-weg; und als Künstler erkenne ich ihn für einen der grössten
-Stümper unter allen, die jemals mit Worten gespielt haben.
-</p>
-
-<p>
-Was hier insbesondere ihm nachgewiesen worden, leidet,
-als gegründet lediglich auf die blosse allgemeine Logik, durchaus
-keinen Widerspruch, Ausrede oder Ausflucht, und es kann
-dagegen nichts vorgebracht werden, ausser etwa, man habe in
-den Einheitspunct eben nicht recht hineinkommen können, man
-meine ja doch das Rechte, und habe recht in der Sache, wenn
-auch die Form mangelhaft geblieben sey, welches Alles, als
-selber absolute Antiphilosophie, schon ehe es vorgebracht worden,
-<a id="page-407" class="pagenum" title="407"></a>
-abgewiesen ist. Sollten seine Mitstreiter, im Schmerze,
-ihren Vorfechter also abgefertigt zu sehen, etwas vorbringen
-wollen, so werde ich antworten, oder auch nicht, wie es mir
-gefallen wird, indem ich hierüber zu nichts verbunden seyn will.
-Mit dem genannten Manne selber rede ich, da wir durchaus
-von contradictorisch entgegengesetzten Maximen ausgehen, niemals,
-wie ich denn auch hier nicht mit ihm, sondern mit seinem
-Publicum geredet habe.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-37" id="footnote-37">[37]</a> Durch diese, übrigens ihre guten factischen Gründe für sich habende
-Vermuthung haben wir indessen, wie hinterher sich gefunden, ihm zu viel
-Ehre erwiesen. Es ist uns nemlich seit Abfassung jener Stelle das erste Heft
-der Jahrbücher der Medicin etc. in die Hände gefallen, wo (S. 9.) die soeben
-berührte Darstellung, und besonders &bdquo;die allgemeinen Gründe, wie sie §. 1
-bis 50. aufgestellt seyen,&ldquo; noch immer als bewährt gepriesen und citirt werden.
-&bdquo;Selbst dasjenige, was mehr noch aus Divination, als aus bewusster
-Erkenntniss entsprungen gewesen, habe sich &mdash; zum Wunder! &mdash; bewährt.&ldquo;
-Seine Divinationen also hat der Mann als Philosopheme drucken lassen, und
-sagt es selber, ohne ein Arges daraus zu haben? Welche Begriffe mag er
-von Philosophie haben und von Schriftstellerei überhaupt? Das Wunder inzwischen
-jener gerühmten Bewährung kann man irgendwo von uns sehr natürlich
-erklärt finden. Uebrigens ist in diesen Jahrbüchern die dogmatische
-Verstocktheit, das ohnmächtige Pochen auf die Unbesonnenheit, die trotzige
-Versicherung, dass diese eben das Rechte sey, und das grobe Misverstehen
-des Idealismus so arg, als jemals, und es ist Schonung, dass wir die gewählte
-Prüfung stehen lassen, und unseren Maassstab nicht an dieses neueste Product
-legen, das den sichtbaren Verfall seines Urhebers in jeder geistigen Kraft
-bezeugt.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-38" id="footnote-38">[38]</a> Zur Aufhellung der oben im Texte befindlichen Stelle ist Fichte&rsquo;s
-Lebensbeschreibung (I. S. 366. II. S. 300.) zu vergleichen. H. E. G. Paulus,
-der hier gemeint war, hat indess gegen jede solche Beziehung zu Fichte
-in den &bdquo;Skizzen aus meiner Bildungs- und Lebensgeschichte&ldquo; (Heidelberg,
-1839. S. 168-170) protestirt, woraus eine Reihe von Verhandlungen zwischen
-ihm und dem Unterzeichneten sich ergeben hat, deren Erwähnung hier
-nicht umgangen werden kann, indem auch sie vorübergehend lebhafte Aufmerksamkeit
-erregten. Da jedenfalls beide Männer auch in dieser Beziehung
-mit einander vor die Nachwelt treten, so bleibt nichts übrig, um den Leser
-zu einem selbstständigen Urtheile in dieser Angelegenheit zu veranlassen,
-als ihn ausser dem schon Angeführten auf die weiteren Actenstücke zu verweisen.
-Man vergleiche: &bdquo;Paulus und Fichte; über einen berichtigenden
-Zusatz zu J. G. Fichte&rsquo;s Lebensbeschreibung, als Anfrage oder Gegenberichtigung
-von J. H. Fichte&ldquo; im <em class="italic">Freihafen</em> 1840. Zweites Heft S. 176-229;
-&bdquo;Beleuchtung des Verhältnisses, welches zwischen Professor Fichte dem Vater
-und Dr. Paulus bei dem Atheismusstreit des Ersteren stattfand&ldquo; in <em class="italic">Paulus
-neuem Sophronizon</em>, I. Mittheilung 1841 S. 80-134; endlich: &bdquo;Offenes Schreiben
-an Herrn Dr. Paulus in Bezug auf dessen Beleuchtung etc. von J. H. Fichte&ldquo;
-in dessen <em class="italic">Zeitschrift für Philosophie</em>, Bd. VII. S. 151-155.
-</p>
-
-<p class="sign footnote2">
-(Anmerkung des Herausgebers.)
-</p>
-
-<h2 class="part" id="part-6">
-<a id="page-409" class="pagenum" title="409"></a>
-<span class="line1">Recensionen.</span>
-</h2>
-
-<h3 class="l2si pbb chapter" id="chapter-6-1">
-<a id="page-411" class="pagenum" title="411"></a>
-<span class="line1">A.</span><br />
-<span class="line2">Giessen, bei Heyer: Skeptische Betrachtungen über die Freiheit des Willens mit Hinsicht auf die neuesten Theorien über dieselbe, von Leonhard Creuzer. 1793. XVI. Vorrede (von Herrn Prof. Schmid). 252. 8.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Jenaer Allgem. Literatur-Zeitung, 1793. No. 303.)
-</p>
-
-<p class="first">
-<span class="firstchar">W</span>ie es von jeher ergangen ist, ergeht es noch immer. Das
-dogmatische Verkennen der Grenzen der Vernunft erregte die
-Angriffe der Skeptiker auf dieses Vermögen selbst, und nöthigte
-dasselbe, sich einer Kritik zu unterwerfen.
-</p>
-
-<p>
-Sowie diese Grenzen von neuem überschritten werden,
-regt sich von neuem der Widerspruch der Skeptiker, und nöthigt,
-&mdash; zum Glück nicht, eine neue Kritik zu unternehmen,
-aber &mdash; an die Resultate der ehemals unternommenen wieder
-zu erinnern. Herrn Creuzers freilich nur uneigentlich sogenannter
-Skepticismus &mdash; denn er nimmt mit der Kantischen
-Schule das Daseyn eines Sittengesetzes im Menschen als Thatsache
-des Bewusstseyns an &mdash; hat die Theorien über Freiheit
-zum Gegenstande; das Resultat seiner Untersuchungen ist, dass
-keine der bisherigen den Streit zwischen dem Interesse der
-praktischen Vernunft und dem der theoretischen befriedigend
-löse; und ihr lobenswürdiger Zweck, zu Erfindung einer neuen
-und genugthuendern die Veranlassung zu geben. Ohne von
-der ganzen Schrift, welche theils über einen unrichtigen Grundriss
-aufgeführt worden (eine Behauptung, die sich nur durch
-<a id="page-412" class="pagenum" title="412"></a>
-Vorlegung des einzig richtigen darthun liesse, welches die Grenzen
-einer Recension überschreitet), daher nicht mit der strengsten
-Ordnung geschrieben ist, jetzt sich wiederholt, jetzt Dinge
-in ihren Plan aufnimmt, die nicht hineingehören, z. B. die Widerlegung
-des Spinozistischen Pantheismus, des Egoismus u. dergl. m.;
-theils gegen die vor-Kantischen Freiheitstheorien
-nichts gesagt, was nicht schon ehemals gesagt worden, &mdash;
-ohne von ihr einen Auszug zu geben, möchte Rec. die Untersuchung
-nur auf denjenigen Punct lenken, der wenigstens für
-die Darstellung der Wissenschaft wahren Gewinn verspricht.
-&mdash; Es ist von mehreren Freunden der kritischen Philosophie
-erinnert, und von Reinhold einleuchtend gezeigt worden, dass
-man zwischen <em class="italic">derjenigen</em> Aeusserung der absoluten Selbstthätigkeit,
-durch welche die Vernunft praktisch ist und sich selbst
-ein Gesetz giebt, und <em class="italic">derjenigen</em>, durch welche der Mensch
-sich (in dieser Function seinen <em class="italic">Willen</em>) bestimmt, diesem Gesetze
-zu gehorchen oder nicht, sorgfältig zu unterscheiden
-habe. Dass Hr. Creuzer diese Unterscheidung bald zu beobachten
-scheint, bald wieder vernachlässigt und mithin in ihrer
-ganzen Bestimmtheit sie sicher nicht gedacht hat, wollen wir
-nicht rügen. Aber er nimmt die durch Reinhold, Heydenreich,
-und zuletzt durch Kant selbst gegebene, im Wesentlichen einstimmige
-Definition der Freiheit des Willens, dass dieselbe ein
-Vermögen sey, durch absolute Selbstthätigkeit sich zum Gehorsam
-oder Ungehorsam gegen das Sittengesetz, mithin zu contradictorisch
-entgegengesetzten Handlungen zu bestimmen, als
-gegen das Gesetz des logischen Grundes streitend, in Anspruch.
-Reinhold &mdash; (denn da es Rec. weniger um die Bestimmung
-des Verdienstes des Schriftstellers, als um die Bestimmung des
-bis jetzt fortdauernden Werthes seiner Schrift zu thun ist; so
-trägt er kein Bedenken, sich auf ein Buch zu beziehen, von
-welchem ihm, da er den deutschen Mercur nicht bei der Hand
-hat, unbekannt ist, ob Hr. Creuzer bei Abfassung des seinigen
-den Inhalt desselben habe benutzen können, oder nicht) &mdash;
-Reinhold also hat diesen möglichen Einwurf (S. 282 ff. 2. Bd.
-der Briefe über die Kantische Philosophie) zwar schon im voraus
-gründlich widerlegt, aber nach Rec. Ueberzeugung, die er
-<a id="page-413" class="pagenum" title="413"></a>
-mit voller Hochachtung gegen den grossen Selbstdenker gesteht,
-den Grund des Misverständnisses weder gezeigt, noch
-gehoben. &bdquo;Das logische Gesetz des zureichenden Grundes,&ldquo;
-sagt Reinhold, &bdquo;fordert keinesweges für alles, was <em class="italic">da ist</em>, eine
-von diesem Daseyn verschiedene Ursache&ldquo; &mdash; &mdash; &bdquo;sondern nur,
-dass nichts ohne Grund <em class="italic">gedacht</em> werde. Die Vernunft hat aber
-einen sehr reellen Grund, die Freiheit als eine absolute Ursache
-zu denken&ldquo; &mdash; und tiefer unten &mdash; &bdquo;als ein <em class="italic">Grundvermögen</em>,
-das sich als ein solches von keinem Anderen ableiten, und daher
-auch aus keinem Anderen begreifen und erklären lässt.&ldquo;
-Rec. ist mit dieser Erklärung vollkommen einverstanden; nur
-scheint ihm der Fehler darin zu liegen, dass man durch anderweitige
-Merkmale verleitet wird, dieses Vermögen nicht als
-ein Grundvermögen zu denken. &mdash; Es ist nemlich zu unterscheiden
-zwischen dem <em class="italic">Bestimmen</em>, als freier Handlung des
-intelligiblen Ich, und dem <em class="italic">Bestimmtseyn</em>, als erscheinendem
-Zustande des empirischen Ich.
-</p>
-
-<p>
-Die oben zuerst genannte Aeusserung der absoluten Selbstthätigkeit
-des menschlichen Geistes erscheint in einer Thatsache:
-in dem Bestimmtseyn des <em class="italic">oberen Begehrungsvermögens,</em> welches
-freilich mit dem Willen nicht verwechselt, aber ebensowenig
-in einer Theorie desselben übergangen werden muss;
-die Selbstthätigkeit giebt diesem Vermögen seine <em class="italic">bestimmte,</em>
-und <em class="italic">nur auf Eine Art bestimmbare Form,</em> welche als Sittengesetz
-erscheint. Die von jener zu unterscheidende Aeusserung der
-absoluten Selbstthätigkeit im <em class="italic">Bestimmen</em> des <em class="italic">Willens</em> erscheint nicht,
-und kann nicht erscheinen, weil der Wille ursprünglich <em class="italic">formlos</em>
-ist; sie wird bloss als Postulat des durch jene Form des
-ursprünglichen Begehrungsvermögens dem Bewusstseyn gegebenen
-Sittengesetzes angenommen, und ist demnach nicht Gegenstand
-des Wissens, sondern des Glaubens. Die <em class="italic">Neigung</em>
-(<em class="italic">propensio</em> überhaupt) als <em class="italic">Bestimmtseyn</em> des (oberen oder niederen)
-<em class="italic">Begehrungsvermögens</em> erscheint; aber nicht das Erheben
-derselben zum wirklichen <em class="italic">Wollen.</em> Der Wille in der Erscheinung
-ist nie <em class="italic">bestimmend,</em> sondern <em class="italic">immer bestimmt,</em> die Bestimmung
-ist schon geschehen; wäre sie nicht geschehen, so erschiene
-er nicht als <em class="italic">Wille,</em> sondern als <em class="italic">Neigung.</em> Die scheinbare
-<a id="page-414" class="pagenum" title="414"></a>
-Empfindung des Selbstbestimmens ist keine Empfindung,
-sondern eine unvermerkte Folgerung aus der Nichtempfindung
-der bestimmenden Kraft. Insofern der Wille sich &bdquo;selbstbestimmend&ldquo;
-ist, ist er gar kein Sinnen-, sondern ein übersinnliches
-Vermögen. Aber das <em class="italic">Bestimmtseyn</em> des Willens erscheint,
-und nun entsteht die Frage: ist jenes für die Möglichkeit der
-Zurechnung als Vernunftpostulat anzunehmendes Selbstbestimmen
-zu einer gewissen Befriedigung oder Nichtbefriedigung,
-<em class="italic">Ursache</em> der <em class="italic">Erscheinung</em> des Bestimmtseyns zu derselben Befriedigung
-oder Nichtbefriedigung? Beantwortet man diese Frage
-mit Ja, wie sie Reinhold (S. 284 der angeführten Briefe) wirklich
-beantwortet (&bdquo;aus ihren <em class="italic">Wirkungen,</em> durch welche sie
-unter den <em class="italic">Thatsachen</em> des Bewusstseyns vorkommt, ist mir die
-Freiheit (des Willens) völlig begreiflich u. s. w.&ldquo;); so zieht man
-ein Intelligibles in die Reihe der <em class="italic">Naturursachen</em> herab, und
-verleitet dadurch, es auch in die Reihe der Naturwirkungen
-zu versetzen; ein Intelligibles anzunehmen, das kein Intelligibles
-sey. Wenn man sagt: &bdquo;wer sich zur Frage berechtigt
-glaubt, aus welchem <em class="italic">Grunde</em> die <em class="italic">Freiheit</em> sich zu <em class="italic">A</em> und nicht
-vielmehr zu Nicht-A bestimmt habe, beweist durch einen Cirkel
-die Nichtigkeit der Freiheit aus ihrer schon vorausgesetzten
-Nichtigkeit, und wenn er sich recht versteht, aus der Nichtigkeit
-eines Willens überhaupt:&ldquo; &mdash; so ist dies freilich sehr wahr
-erinnert; aber durch die Annahme, dass die Freiheit wenigstens
-Ursache in der Sinnenwelt seyn könne, hat man ihn unvermerkt
-in diesen Cirkel hineingezogen. Nur durch die Rückkehr
-zu dem, was Rec. der wahre Geist der kritischen Philosophie
-scheint, ist die Quelle dieses Misverständnisses zu
-verstopfen. Nemlich &mdash; auf das <em class="italic">Bestimmen</em> der absoluten
-Selbstthätigkeit durch sich selbst (zum Wollen) kann der Satz
-des zureichenden Grundes gar nicht angewendet werden; denn
-das ist Eine, und eine einfache, und eine völlig isolirte Handlung;
-das Bestimmen selbst ist zugleich das Bestimmtwerden,
-und das Bestimmende das Bestimmtwerdende. Für das <em class="italic">Bestimmtseyn</em>
-als Erscheinung muss nach dem Gesetze der Naturcausalität
-ein wirklicher Realgrund in einer vorhergegangenen
-Erscheinung angenommen werden. Dass aber das Bestimmtseyn
-<a id="page-415" class="pagenum" title="415"></a>
-durch die Causalität der Natur, und das Bestimmen durch Freiheit
-<em class="italic">übereinstimme,</em> welches zum Behuf einer <em class="italic">moralischen
-Weltordnung</em> gleichfalls anzunehmen ist; davon lässt sich der
-Grund weder in der Natur, welche keine Causalität auf die
-Freiheit, noch in der Freiheit, welche keine Causalität in der
-Natur hat, sondern nur in einem höheren Gesetze, welches
-beide unter sich fasse und vereinige, annehmen: &mdash; gleichsam
-in einer vorherbestimmten Harmonie der Bestimmungen durch
-Freiheit mit denen durchs Naturgesetz. (Vergl. Kant, über
-eine neue Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen
-Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll,
-S. 122 ff.) Nicht darin, wie ein von dem Gesetze der Naturcausalität
-unabhängiges &bdquo;Ding an sich&ldquo; sich selbst bestimmen
-könne, noch darin, dass eine Erscheinung in der Sinnenwelt
-nothwendig ihren Grund in einer vorhergegangenen Erscheinung
-haben müsse, sondern darin, wie beide gegenseitig von
-einander völlig unabhängige Gegenstände zusammenstimmen
-können, liegt das Unbegreifliche: das aber lässt sich begreifen,
-warum wirs nicht begreifen können, weil wir nemlich
-keine Einsicht in das Gesetz haben, das beides verbindet. &mdash;
-Dass übrigens dies Kants wahre Meinung sey, und dass die
-in mehrern Stellen seiner Schriften vorkommende Aeusserung,
-dass die Freiheit eine Causalität in der Sinnenwelt haben müsse,
-nur ein vorläufig, und bis zur näheren Bestimmung aufgestellter
-Satz sey, scheint Rec. daraus zu erhellen, dass er zwischen
-einem empirischen und einem intelligiblen Charakter des
-Menschen unterscheidet; dass er behauptet, Niemand könne
-den wahren Grad seiner eigenen Moralität (als welcher sich
-auf seinen unerkennbaren intelligiblen Charakter gründet) wissen;
-dass er die Zweckmässigkeit als Princip der, beide Gesetzgebungen
-verknüpfenden, reflectirenden Urtheilskraft aufstellt
-(als welche Zweckmässigkeit sich nur durch eine höhere,
-dritte Gesetzgebung möglich denken lässt). Vorzüglich aber
-scheint eben dieses in seiner Schrift vom radicalen Bösen
-(jetzt dem ersten Stücke der <em class="italic">Religion innerhalb der Grenzen
-der blossen Vernunft</em>) aus seinem Beweise für die Annehmbarkeit
-eines absolut freien Willens <em class="italic">aus der Nothwendigkeit der
-<a id="page-416" class="pagenum" title="416"></a>
-Zurechnung,</em> und aus seiner Berufung auf <em class="italic">einen unerforschlichen
-höheren Beistand</em> (der nicht etwa unseren intelligiblen,
-bloss durch absolute Selbstthätigkeit zu bestimmenden Charakter
-statt unserer bestimme, sondern unsern erscheinenden empirischen
-mit jenen übereinstimmend mache, welches nur kraft
-jener höheren Gesetzgebung geschehen kann) hervorzugehen.
-Jene Beweisart und diese Berufung sind so innig mit dem
-Geiste der kritischen Philosophie verwebt, dass man wirklich
-sehr wenig mit ihm bekannt seyn muss, um in dieser Philosophie
-dieselben so abenteuerlich, so wider den gesunden
-Menschenverstand streitend, und so lächerlich zu finden, als
-Herr Creuzer sie findet. Es würde ein Leichtes seyn, ihm zu
-zeigen, dass er selbst zufolge der Prämissen, die er mit der
-Kantischen Schule annimmt, auch diese Sätze nothwendig annehmen
-müsse.
-</p>
-
-<p>
-Von Untersuchung dieser Theorie geht Herr Creuzer zur
-Prüfung des allen Lesern der A. L. Z. sattsam bekannten
-Schmidschen intelligiblen Fatalismus über. So sehr diese
-Theorie, von der speculativen Seite angesehen, ihn befriediget,
-so klar und einleuchtend thut er dar, dass sie alle Moralität
-völlig aufhebe. Rec. ist über den zweiten Punct völlig mit ihm
-einverstanden, und das, was Hr. Prof. Schmid selbst in der
-Vorrede zu diesem Buche zu seiner Vertheidigung hierüber
-sagt, hat ihm wenigstens noch ärger, als die Anklage geschienen.
-Zurechnung, Schuld und Verdienst fällt bei dieser Theorie,
-nach Hrn. Schmids eigenem Geständnisse, weg; nun wäre
-es an ihm, zu zeigen, wie man sich dabei noch ein für <em class="italic">jede</em>
-Handlung, die nach dem Gesetze beurtheilt wird, <em class="italic">gültiges Gesetz</em>
-denken könne. Die Moralität, welche übrig bleiben soll,
-ist eben diejenige, welche in den ehemaligen Glückseligkeits- und
-Vollkommenheitstheorien übrig blieb: gut seyn ist ein Glück,
-und böse seyn ein Unglück. Ueber den ersteren Punct hören
-wir Hrn. Schmid selbst. &bdquo;Man kann den undenkbaren Gedanken,
-den Nichtgedanken (einer Nothwendigkeit, die nicht Nothwendigkeit
-ist, eines unbeschränkten Vermögens, das nicht alles
-vermag, eines Unvermögens, das doch das völligste Vermögen
-ist, eines nothwendigen Grundes, der nicht nothwendig
-<a id="page-417" class="pagenum" title="417"></a>
-begründet, eines Individualdinges, das sich wie ein abgezogenes
-Allgemeinding verhält, also bestimmt und auch unbestimmt ist,
-endlich einer Unabhängigkeit, die aus einer doppelten Abhängigkeit
-hervorgeht&ldquo; [passt denn diese Charakteristik auch auf
-die Reinholdsche Definition der Freiheit des Willens, oder etwa
-nur auf diejenige, welche praktische Vernunft und Willen verwechselt?]),
-&bdquo;der doch für einen Hauptgedanken gelten soll,
-von einer Stelle der Theorie an einen anderen Platz hinbringen;
-man kann ihn aus der Sinnenwelt in die Welt der Noumenen
-verpflanzen; man kann gewissen anstössigen, und wegen
-ihrer Bestimmtheit ein wenig unbequemen Formeln aus
-dem Wege gehen, und bequemere (ich meine lenksamere, unbestimmtere)
-dafür gebrauchen; man kann endlich neue Vermögen
-der Willkür erdichten, sie aus ihrer Naturverbindung
-herausreissen, und so als isolirte Unbestimmtheiten aufstellen&ldquo;
-(ganz eigentlich das, wenn man die Ausdrücke nicht ganz genau
-nimmt, hat Rec. hier gethan, und fragt: ob man das Daseyn
-eines allgemeingültigen Sittengesetzes anerkennen und consequent
-seyn, und dennoch das auch nicht thun könne?) &mdash; &mdash;
-&bdquo;aber der Widerspruch selbst bleibt, was er war; der Verstand
-kann nicht denken wider die Gesetze der Möglichkeit alles Denkens.&ldquo;
-Und jetzt entscheide das Publicum, ob hier noch ein
-Widerspruch, oder ob blosse Unbegreiflichkeit vorhanden sey?
-&mdash; Uebrigens glaubt Rec., dass die Philosophie sich von Hrn.
-Creuzer, sobald in seine ausgebreitete und mannigfaltige Belesenheit
-mehr Ordnung, und in seine Geistesthätigkeit mehr Reife
-gekommen seyn werde, viel Gutes zu versprechen habe. &mdash;
-</p>
-
-<h3 class="l2si pbb chapter" id="chapter-6-2">
-<a id="page-418" class="pagenum" title="418"></a>
-<span class="line1">B.</span><br />
-<span class="line2">Gotha, bei Ettinger: Ueber die sittliche Güte aus uninteressirtem Wohlwollen, von Friedrich Heinrich Gebhard. 1792. 290 S. 8. mit Dedic. und Vorber.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Jenaer Allgem. Literatur-Zeitung 1793. N. 304.)
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Rec. nahm dieses Buch nicht ohne grosse Erwartung zur
-Hand, da es ihm die Auflösung einer Schwierigkeit zu versprechen
-schien, die er noch nirgends befriedigend gelöst fand,
-und von deren Auflösung, wenigstens seiner Ueberzeugung
-nach, darum nicht minder die Allgemeingültigkeit des Kantschen
-Moralprincips abhängt; und er war höchst unzufrieden
-mit sich selbst, dass er bei den Ausdrücken des Verfassers
-sich so selten etwas Bestimmtes denken konnte, bis ihm endlich
-durch die Stelle S. 84.: &bdquo;Das moralische Gefühl besteht in
-einer Billigung oder <em class="italic">Misbilligung</em> einer <em class="italic">Wirkung</em> der <em class="italic">praktischen
-Vernunft;</em> denn sonst wäre ja nichts da, was gebilligt oder
-misbilligt werden könnte. Also ist es kein sittliches Gefühl,
-was uns zur uninteressirten Thätigkeit treibt, sondern jenes
-wird erst von dieser (der prakt. Vernunft) und von dem Bewusstseyn
-derselben erzeugt;&ldquo; &mdash; auf einmal völlig einleuchtend
-wurde, wie weit der Verf. selbst vom bestimmten Denken über
-seinen Gegenstand noch entfernt seyn müsse. Ein Aufsatz im
-Braunschweiger Journal (Juni 1791), der das von Smith als
-Moralprincip aufgestellte reine oder uninteressirte Wohlwollen
-<a id="page-419" class="pagenum" title="419"></a>
-gegen das Kantische Princip in Schutz nahm, war die Veranlassung
-der ersten drei Abschnitte dieser Schrift. Der erste
-Abschnitt vertheidigt Kant gegen die Beschuldigung des Journalisten,
-dass er nicht definirt habe, <em class="italic">was</em> sittlich gut sey, durch
-die Vorlegung der Kantischen Definition: es sey dasjenige, was
-man zufolge des mit Nothwendigkeit gebietenden praktischen
-Vernunftgesetzes <em class="italic">solle;</em> und entwickelt überhaupt das Kantische
-Moralprincip. Hat etwa der Journalist eine Realdefinition begehrt
-(denn sollten ihm wohl jene Nominaldefinitionen unbekannt
-geblieben seyn? &mdash;); so hätte ihm Hr. Gebhard befriedigender
-geantwortet, wenn er ihm gezeigt hätte, <em class="italic">dass</em> und
-<em class="italic">warum</em> das <em class="italic">Materiale</em> eines bloss <em class="italic">formalen</em> Imperativs sich nicht
-vorlegen lasse, und dass er mithin in seiner Forderung schon
-voraussetze, was er durch sie erweisen wolle. Neues hat Rec.
-unter einem unerschöpflichen Wortreichthume in diesem Abschnitte
-nichts gefunden, als das, dass der Verf. die allgemeingeltenden
-Vorschriften des Sittengesetzes nicht für bloss negativ
-(für Einschränkungen der den Willen bestimmenden Anmaassung
-des sinnlichen Triebes), sondern für positiv hält; dass
-es z. B. nach ihm Pflicht ist, nicht &mdash; nie eine Unwahrheit zu
-sagen, sondern die Wahrheit immer, und in jedem Falle gerade
-herauszusagen. Der zweite Abschnitt untersucht, ob das reine
-Wohlwollen Princip der Moral seyn könne. Dass eine solche
-Untersuchung nicht aus bestrittenen Kantischen Prämissen, sondern
-aus solchen, die sein Gegner mit ihm gemeinschaftlich
-annimmt, geführt werden müsse, scheint der Verf., nach einer
-Stelle zu urtheilen, gefühlt zu haben; ob er diesem Gefühle
-gefolgt sey, wird sich zeigen. &bdquo;Ein reines Wohlwollen sey ein
-uninteressirtes. Interesse sey rein oder pathologisch. Das letztere
-entstehe aus dem sinnlichen Triebe, und könne hier nicht
-gemeint seyn. Das erstere sey das durch die Gesetzgebung
-der praktischen Vernunft erzeugte, und könne ebensowenig
-gemeint seyn; denn sonst wäre ja dieses System mit dem Kantischen
-nicht im Widerspruche.&ldquo; &mdash; Dawider kann nun der
-Gegner die gegründete Einwendung machen: er nehme allerdings
-mit Kant eine uneigennützige (nicht auf Befriedigung des
-sinnlichen Triebes ausgehende) Neigung an; sein Wohlwollen
-<a id="page-420" class="pagenum" title="420"></a>
-gründe sich ebensowenig auf ein Interesse, als das Kantische
-obere Begehrungsvermögen; aber es bringe, ebenso wie dieses,
-eines hervor: nur leite er dieses zugestandene Gefühl keinesweges
-von einer absoluten Selbstthätigkeit des menschlichen
-Geistes ab, sondern halte es für einen Grundtrieb des Gemüths,
-der sich von keinem höheren Vermögen ableiten, noch daraus erklären
-lasse. Um zu zeigen, dass ein solches uninteressirtes Wohlwollen,
-wie er dem Gegner andichtet, überhaupt nicht möglich
-sey, verwechselt der Verf. kurz darauf <em class="italic">Interesse,</em> geistiges
-Wohlgefallen an der blossen Vorstellung von dem Daseyn eines
-Gegenstandes, mit <em class="italic">Vergnügen,</em> Lust an dem durch Empfindung
-als wirklich gegebenen Gegenstande: &bdquo;wenn der Gegenstand
-unseres wohlwollenden Triebes realisirt würde, so würden
-wir nicht ermangeln, ein wirkliches Vergnügen zu empfinden,
-mithin sey unser Wohlwollen doch (pathologisch) interessirt.&ldquo;
-Empfindet denn, kann ihn hier der Gegner fragen, der durch
-das praktische Vernunftgesetz Bestimmte kein Vergnügen, wenn
-er den Gegenstand seiner Willensbestimmung als realisirt empfindet?
-&bdquo;Aber,&ldquo; lässt er bald darauf den Gegner richtig antworten,
-&bdquo;die Vorstellung dieses Vergnügens soll nur nicht der
-bestimmende Grund des Willens seyn.&ldquo; Aber was denn? die
-Vernunft? so ist der Gegner ein Kantianer. Der Trieb selbst?
-Das kann Hr. Gebhard nicht einsehen. Von einem Dritten, das
-den Willen bestimmen könnte, einer absoluten Selbstthätigkeit,
-ist im ganzen Buche nicht die Rede.
-</p>
-
-<p>
-Nach diesen Vorübungen setzt endlich Hr. Gebhard den
-wahren Streitpunct sehr richtig so fest: Soll man der Vernunft
-oder dem reinen Wohlwollen das Primat zuerkennen? Hier
-entspinnt sich zuerst eine ermüdende langweilige Erörterung,
-dass die Vernunft, &bdquo;wenn man sie auch etwa für die bloss
-theoretische Vernunft anerkennen wolle&ldquo; (?), doch über die
-Anwendbarkeit des Princips des Wohlwollens auf bestimmt
-gegebene Fälle Richterin seyn müsse. Rec. sollte meinen, das
-wäre überhaupt nicht die Vernunft (das Vermögen <em class="italic">ursprünglicher</em>
-Gesetze), sondern die Urtheilskraft, die im Systeme seines
-Gegners hierunter das durch jenes wohlwollende Gefühl
-aufgestellte Gesetz (welches der Verstand in eine logische Formel
-<a id="page-421" class="pagenum" title="421"></a>
-zu bringen hätte) subsumiren würde; und dann &mdash; muss
-denn nicht dieselbe Urtheilskraft auf dieselbe Art auch unter
-das praktische Vernunftgesetz subsumiren? Und nun endlich
-kömmt der Verf. zu dem, was er den Beweis nennt, dass der
-Vernunft, und zwar der praktischen Vernunft, das Primat über
-das reine Wohlwollen zukomme. &bdquo;Warum kann man denn
-den Werth oder Unwerth des uninteressirten Wohlwollens nicht
-ebensogut, wie tausend andere Fragen, unentschieden lassen?&ldquo;
-(Ist sein Gegner consequent, so läugnet er ihm die Befugniss
-zu einer solchen Frage geradezu ab: ist ihm der Werth dieses
-Wohlwollens absolut derjenige, nach welchem jeder andere
-Werth beurtheilt, welcher selbst aber nach keinem andern beurtheilt
-wird.) &mdash; &bdquo;Entschieden <em class="italic">muss</em> werden, weil es hier auf
-Handeln und auf fehlerlose Richtigkeit des Handelns ankömmt.
-Nothwendigkeit des Handelns, verbunden mit dieser Regelmässigkeit
-desselben, ist aber hier noch nicht Sache des Wohlwollens;
-denn hierüber ist eben erst die Frage; sondern der
-Vernunft, und zwar nicht der theoretischen, sondern der
-praktischen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Versteht Rec. diese Worte, so sagen sie so viel: das Wohlwollen
-kann nicht absolut erstes Gesetz des Handelns seyn;
-ich will hier einmal nach einem höheren Grunde fragen; mithin
-giebt es einen solchen höheren Grund: diesen höheren
-Grund will ich Vernunft, und zwar nicht theoretische, sondern
-praktische Vernunft nennen; mithin &mdash; u. s. f. &bdquo;Und so ist
-denn,&ldquo; fährt Hr. Gebhard in Schwabacher Schrift fort, &bdquo;die
-Subordination des uninteressirten Wohlwollens unter die praktische
-Vernunft klar erwiesen?&ldquo; &mdash; Ja wohl, wenn schon vorher
-angenommen war, dass die Vernunft auch praktisch seyn
-könne, und auch wirklich sey.
-</p>
-
-<p>
-Und was heisst denn Vernunft überhaupt; und wie ist
-denn insbesondere die praktische von der theoretischen unterschieden?
-Rec. hat im ganzen Buche vergebens nach einer
-Spur gesucht, woraus hervorginge, dass der Verf. auch nur
-eine leise Ahnung habe, was Vernunft überhaupt, und was
-praktische Vernunft in der kritischen Philosophie bedeute; vielmehr
-hat er dieses Wort bald für Verstand, bald für Urtheilskraft,
-<a id="page-422" class="pagenum" title="422"></a>
-bald für Willen, und endlich gar für sittliches Gefühl, kurz
-fast für alles gebraucht gefunden, was dem Verf. unter die Feder
-kam. &mdash; &bdquo;Das Princip des uninteressirten Wohlwollens sey unbestimmt.
-Uninteressirt sey ein unbestimmter Begriff.&ldquo; <em class="italic">Uninteressirt,</em>
-wie es oben erklärt worden, ist ein negativer Begriff,
-aber kein unbestimmter; er erhält seine Bestimmung in
-der Erfahrung von dem ihm entgegengesetzten <em class="italic">interessirt</em> (durch
-sinnlichen Trieb zur Neigung bestimmt).
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wohlwollen beziehe sich auf Glückseligkeit, und werde
-durch die Unbestimmbarkeit dieses Begriffs auch unbestimmbar.&ldquo;
-Theoretisch wohl, aber nicht als Princip der Willensbestimmung,
-wenn diesem nicht die hervorzubringende, sondern bloss die
-rein zu berichtigende Glückseligkeit als Zweck aufgestellt wird.
-Ein Wille, der Glückseligkeit ausser sich wirklich machte, wäre in
-diesem Systeme legal; einer, dessen Triebfeder nur lediglich die
-Vorstellung dieses Zweckes gewesen wäre, wäre moralisch.
-Hr. Gebhard macht die Bestreitung dieses Systems sich noch
-ferner bequem, indem er die Unterscheidung der eigenen von
-der fremden Glückseligkeit in das Princip aufnimmt, und es
-nun, wie natürlich, bei der Anwendung in Widerstreit mit sich
-selbst gerathen lässt. Aber ein consequenter Vertheidiger desselben
-wird den Grund dieser Unterscheidung bloss in der
-interessirten sinnlichen Neigung aufsuchen, und für das uninteressirte
-Wohlwollen Glückseligkeit überhaupt, ohne Rücksicht
-auf das Subject derselben, zum Objecte aufstellen. &bdquo;Dies
-Princip sey ferner unverständlich. Ein Princip müsse vernünftig
-gedacht, besonnen seyn.&ldquo; Das heisst entweder: es muss
-für die Wissenschaft sich in einer bestimmten Formel aufstellen
-lassen (und warum liesse sich denn das Bestrittene nicht
-in der Formel aufstellen: die Hervorbringung der, deinem besten
-Wissen nach, möglichst grössten Summe der Glückseligkeit
-in der empfindenden Welt sey höchster Endzweck deiner freien
-Handlungen?), oder: es muss in dieser bestimmten Formel dem
-Bewusstseyn beim Bestimmen des Willens vorschweben; und
-der Verf. besteht besonders auf dem letzteren. Aber warum
-könnte es denn in jener Formel das nicht, wenn es müsste?
-oder warum müsste es denn? Wird denn nicht auch das praktische
-<a id="page-423" class="pagenum" title="423"></a>
-Vernunftgesetz dem Bewusstseyn bloss durch ein Gefühl
-gegeben; und ist denn keine Handlung rein moralisch, die
-sich bloss auf dieses Gefühl, und nicht auf eine klare, deutliche
-und vollständige Kenntniss des kategorischen Imperativs
-gründet? &bdquo;Der Uebergang eines Gefühls in Handlungen lasse
-sich nicht begreifen.&ldquo; Wie mag sich der Verf. doch den Uebergang
-des auf die praktische Vernunft sich gründenden sittlichen
-Gefühls in Handlungen begreiflich machen?
-</p>
-
-<p>
-Hoffentlich haben sowohl Hr. Gebhard, als die Leser an
-diesen Beweisen der völligen Unfähigkeit dieses Kantianers zur
-Lösung der aufgeworfenen Streitfrage genug; und überheben
-Rec. des langweiligen Geschäfts, den Auszug aus einer solchen
-Schrift fortzusetzen.
-</p>
-
-<p>
-Dass der Trieb des Wohlwollens, wenn er bei seiner Anwendung
-auf bestimmte Fälle von der Vorstellung der Glückseligkeit
-geleitet werden soll, welche erst durch Sinnenempfindung
-gegeben werden müsste, und in welchem Falle die Formel:
-was du <em class="italic">willst</em>, dass man dir erzeige u. s. f., soviel heissen
-würde, als: was du durch den sinnlichen Trieb begehrest, was
-dir angenehm seyn würde, das sollst du u. s. f., nicht Princip
-der Moral seyn könne, lässt sich schon aus dem Bewusstseyn
-darthun, vermöge dessen wir manches für moralisch nothwendig
-anerkennen müssen, das uns doch als die Quelle des höchsten
-und allgemeinsten Elendes erscheint. Aber diese Beziehung
-auf Glückseligkeit, durch das handelnde Subject selbst,
-ist etwas dem Systeme zufälliges. Die Hauptfrage ist die: ob
-jenes Gefühl des schlechthin Rechten (nicht eines Glückseligkeit
-beabsichtigenden Wohlwollens), dessen Daseyn im Bewusstseyn
-der Gegner in seiner ganzen Ausdehnung zugestehen kann,
-von etwas Höherem, und zwar von einer praktischen Vernunft,
-abzuleiten sey, oder nicht? Gegen den, der dieses läugnet,
-kann man sich weder auf eine Thatsache berufen; &mdash; denn
-was wirklich Thatsache ist, das gesteht er zu, und dass die
-Vernunft praktisch sey, und durch dieses ihr Vermögen jenes
-Gefühl bewirke, ist nicht Thatsache: &mdash; noch auf das Gefühl
-einer moralischen Nothwendigkeit (jenes <em class="italic">Sollen</em>), das damit
-vereinigt ist; denn dies entsteht auch im Kantischen Systeme
-<a id="page-424" class="pagenum" title="424"></a>
-aus der Bestimmung des oberen Begehrungsvermögens, als
-oberen, zur Neigung: &mdash; noch auf einen in diesem Systeme
-stattfindenden Mangel eines Unterscheidungsgrundes zwischen
-dem sittlichen und widersittlichen Triebe; denn der Vertheidiger
-desselben kann nur den Grundsatz aufstellen: was sich
-als allgemein, stets, immer und auf jeden Fall, gültige Maxime
-für das Subject ohne Widerspruch denken lässt, ist Wirkung
-des sittlichen Triebes, und was sich, in dieser Allgemeinheit
-(für das Subject) gedacht, widerspricht, das widerspricht dem
-Sittlichen; &mdash; denn wenn jenes Gefühl ursprünglich und einfach
-seyn soll, so kann es sich nicht selbst widersprechen
-(vom nichtsittlichen, dem animalischen Instincte, ist es freilich
-nicht zu unterscheiden, aber es soll auch in diesem System
-nicht davon unterschieden werden; seine Befriedigung ist hier
-selbst Pflicht): &mdash; noch endlich darauf, dass in demselben jeder
-Grund, eine Freiheit des Willens anzunehmen, wegfalle;
-denn wenn eine solche Freiheit keine Thatsache des Bewusstseyns,
-sondern ein blosses Postulat des als Wirkung der praktischen
-Vernunft angenommenen Sittengesetzes ist; so behilft
-ein System, das ihrer nicht bedarf, sich gern ohne dieselbe;
-das sittliche Gefühl wirkt unwiderstehlich, wo kein Hinderniss
-seiner Wirkung vorhanden ist. Die eigentliche Moralität wäre
-freilich vernichtet, und wir wären wieder an die Kette der
-Naturnothwendigkeit angefesselt, aber die Thatsachen unseres
-Bewusstseyns wären doch befriedigend und mit höchster Consequenz
-erklärt, alle Unbegreiflichkeiten des Kantischen Systems
-gehoben, und jene Moralität eine erweisbare Täuschung. Um
-jene Triebfeder des schlechthin Rechten mit der übrigen Natur
-in Zusammenhang zu bringen, und den öfteren Widerstreit derselben
-mit dem ebenso natürlichen Glückseligkeitstriebe aufzuheben,
-würden wir auf die Hypothese getrieben: dass jene
-Triebfeder eine Veranstaltung der Natur sey, um die uns unbekannte
-Glückseligkeit auch ohne unser Wissen durch uns
-hervorzubringen, und dass das Rechtthun, wenn auch nicht in
-unserem gegenwärtigen, oder überhaupt in dem unsrigen, dennoch
-in irgend einem Verstande letztes Mittel zum höchsten
-Endzwecke der Natur, der Glückseligkeit, sey. Der wesentliche
-<a id="page-425" class="pagenum" title="425"></a>
-Unterschied eines solchen Systems vom Kantischen wäre
-der, dass in jenem das sittliche Gefühl zwar auch Wirkung der
-Vernunft (als Vermögen ursprünglicher Gesetze) wäre, aber
-der <em class="italic">theoretischen</em>; dass mithin dieses Gesetz durch den Mechanismus
-unseres Geistes <em class="italic">bedingt</em>, und auf alle Fälle, worauf es
-anwendbar wäre, mit <em class="italic">Nothwendigkeit</em> angewendet würde (die
-Erscheinung der Unabhängigkeit von ihm, welche allein es von
-den übrigen Gesetzen der theoretischen Vernunft unterscheiden,
-und das bei Anwendung jener Gesetze vorhandene Gefühl
-des Müssens in ein Gefühl des Sollens verwandeln würde,
-entstände daher, dass die Hindernisse der Anwendung desselben
-auf Fälle, worauf es anwendbar schiene, nicht ebenso,
-wie bei jenen, zu unserem deutlichen Bewusstseyn gelangten):
-in diesem aber dasselbe Wirkung einer Vernunft wäre, welche
-in dieser Function unter keiner andern Bedingung stände, als
-unter der Bedingung ihres eigenen Wesens (der absoluten Einheit
-und mithin Gleichförmigkeit), einer praktischen Vernunft.
-</p>
-
-<p>
-Dieses letztere nun lässt sich weder für eine Thatsache
-ausgeben, noch irgend einer Thatsache zufolge postuliren,
-sondern es muss bewiesen werden. Es muss bewiesen werden,
-<em class="italic">dass</em> die Vernunft praktisch sey. Ein solcher Beweis, der
-zugleich gar leicht Fundament <em class="italic">alles</em> philosophischen Wissens
-(der Materie nach) seyn könnte, müsste ungefähr so geführt
-werden: der Mensch wird dem Bewusstseyn als Einheit (als
-Ich) gegeben; diese Thatsache ist nur unter Voraussetzung
-eines schlechthin Unbedingten in ihm zu erklären; mithin muss
-ein schlechthin Unbedingtes im Menschen angenommen werden.
-Ein solches schlechthin Unbedingtes aber ist eine praktische
-Vernunft: &mdash; und nun erst dürfte mit Sicherheit jenes, allerdings
-in einer Thatsache gegebene sittliche Gefühl als Wirkung
-dieser erwiesenen praktischen Vernunft angenommen werden.
-</p>
-
-<p>
-Der vierte Abschnitt: &bdquo;ob das höchste Princip der reinen
-praktischen Vernunft sich mit dem der Glückseligkeit verbinden
-lasse,&ldquo; &mdash; ist gerichtet gegen Hrn. Rapps Abhandlung
-<em class="italic">über die Untauglichkeit des Princips der allgemeinen und eigenen
-Glückseligkeit zum Grundgesetze der Sittlichkeit</em>, Jena, bei
-Mauke, 1791. Hr. Rapp habe anfangs das Kantische Moralprincip
-<a id="page-426" class="pagenum" title="426"></a>
-in seiner völligen Reinheit aufgestellt, aber am Ende seiner
-Schrift sich zu einem Synkretismus der reinen Vernunft- und
-der Glückseligkeitstheorie hingeneigt. Gleich den ersten Satz,
-den der Verf. Hrn. Rapps Satze: der sittliche gute Wille sey
-zwar das höchste Gut, aber deshalb doch nicht der ganze letzte
-Zweck des Menschen &mdash; entgegengestellt: der sittliche Wille
-sey nicht nur das Absolutgute, sondern auch das höchste, und
-zwar das ganze höchste Gut &mdash; könnte man ihm gelten lassen,
-wenn er unter dem sittlichen Willen nur wirklich den sittlichen
-<em class="italic">Willen</em> verstände. Da er aber auch hier, wie immer, die praktische
-Vernunft mit dem eigentlichen Willen verwechselt, so
-ist klar, dass ihn niemand verstehen kann, weil er selbst sich
-nicht verstanden hat.
-</p>
-
-<p>
-Der bescheidene Verf. bittet in der Vorrede nicht um Nachsicht,
-sondern um eine wohlthätig aufklärende Zurechtweisung,
-und nach allem scheint es ihm mit dieser Bitte ein Ernst zu
-seyn. Rec. kann ihm hier bloss den Rath geben, noch eine
-geraume Zeit über Kants und anderer grosser Selbstdenker
-Schriften nachzudenken, und wenn er dann ja die Resultate
-seines Nachdenkens mittheilen, und gelesen seyn will, sich einer
-grösseren Präcision, und besonders der Einfachheit, in seinem
-Ausdrucke zu befleissigen. Es ist unangenehm, da, wo man
-bestimmte Erklärungen erwartet, auf Kräuseleien zu stossen,
-wie folgende: &bdquo;Es giebt Charaktere (<em class="italic">sic</em>) und Handlungen, deren
-Erhabenheit und Grösse wie ein ewig flammender Strahl
-von den Zeiten des grauen Alterthums bis zur jüngsten Menschenwelt
-herableuchtet.&ldquo; Bruchstücke aus dergleichen Chrien
-in zierlicher Schreibart schiebt der Verf. ein, wo es sich nur
-irgend thun lässt.
-</p>
-
-<h3 class="l2si pbb chapter" id="chapter-6-3">
-<a id="page-427" class="pagenum" title="427"></a>
-<span class="line1">C.</span><br />
-<span class="line2">Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant. Königsberg, bei Nicolovius. 1795. 104 S. 8.</span>
-</h3>
-
-<p class="src">
-(Philos. Journal Bd. IV. S. 81-92. 1796.)
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Der Name des grossen Verfassers, das Interesse für die
-gegenwärtigen und nächstkünftigen politischen Ereignisse, die
-Parteilichkeit für oder wider gewisse Beurtheilungen derselben,
-die Begierde zu wissen, wie dieser grosse Mann sie ansehen
-möge, und wer weiss, welche Gründe noch &mdash; haben ohne
-Zweifel diese Schrift schon längst in die Hände aller, die die
-Lectüre lieben, gebracht, und unsere Anzeige käme für die meisten
-Leser dieses Journals wohl zu spät, wenn sie dieselben
-erst mit ihrer Existenz bekannt machen wollte. Aber gerade
-diese Beziehung derselben auf das Interesse des Tages, die
-Leichtigkeit und Annehmlichkeit des Vortrags, und die anspruchslose
-Weise, mit welcher die in ihr vorgetragenen erhabenen,
-allumfassenden Ideen hingelegt werden, dürfte mehrere
-verleiten, derselben nicht die Wichtigkeit beizumessen, die sie
-unseres Erachtens hat, und die Hauptidee derselben für nicht
-viel mehr anzusehen, als für einen frommen Wunsch, einen unmaassgeblichen
-Vorschlag, einen schönen Traum, der allenfalls
-dazu dienen möge, menschenfreundliche Gemüther einige Augenblicke
-angenehm zu unterhalten. Es sey uns erlaubt, auf
-die entgegengesetzte Meinung aufmerksam zu machen, dass
-diese Hauptidee doch wohl noch etwas mehr seyn möge; dass
-sich vielleicht von ihr ebenso streng, als von anderen ursprünglichen
-<a id="page-428" class="pagenum" title="428"></a>
-<a id="pagehdr-428" class="orig-page" title="82"></a>
-Anlagen erweisen lasse, dass sie im Wesen der Vernunft
-liege, dass die Vernunft schlechthin ihre Realisation fordere,
-und dass sie sonach auch unter die zwar aufzuhaltenden, aber
-nicht zu vernichtenden Zwecke der Natur gehöre. Auch sey
-es uns erlaubt, anzumerken, dass diese Schrift, wenn auch
-nicht durchgängig die Gründe, doch zum wenigsten die Resultate
-der Kantischen Rechtsphilosophie vollständig enthält, und
-sonach auch in wissenschaftlicher Rücksicht äusserst wichtig ist.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Erster Abschnitt.</em> Präliminarartikel zum ewigen Frieden
-unter Staaten. 1) &bdquo;Es solle kein Friedensschluss für einen solchen
-gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffes zu
-einem künftigen Kriege gemacht worden;&ldquo; in welchem der
-schon bekannte oder unbekannte Grund eines künftigen Krieges
-nicht zugleich mit aufgehoben werde. Ausserdem wäre
-kein Friede, sondern nur ein Waffenstillstand geschlossen, sagt
-Kant. Es liegt im Begriff des <em class="italic">Friedens.</em> Durch ihn versetzen
-sich, glaubt Rec., die Contrahirenden, so gewiss sie contrahiren,
-überhaupt in ein rechtliches Verhältniss gegeneinander, und
-vertragen sich nicht nur über das bis jetzt streitige, sondern
-über alle Rechte, die zur Zeit des Friedensschlusses ein jeder
-sich zuschreibt. Wogegen nicht ausdrücklich Einspruch geschieht
-(wodurch aber der Friede aufgehoben würde), das gestehen
-die Parteien einander stillschweigend zu.
-</p>
-
-<p>
-2) &bdquo;Es solle kein für sich bestehender Staat (klein oder
-gross, das gelte hier gleichviel) von einem anderen Staate durch
-Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können;&ldquo;
-&mdash; weil es, so wie die Verdingung der Truppen eines
-Staates an den anderen, überhaupt gegen den Staatsvertrag
-laufe; wie <em class="italic">an sich</em> klar ist: &mdash; in Beziehung auf den beabzweckten
-ewigen Frieden; weil dies eine nothwendige Quelle vieler
-Kriege gewesen sey, und fortdauernd seyn werde.
-</p>
-
-<p>
-3) &bdquo;Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören&ldquo; &mdash;
-weil sie beständig mit Krieg drohen, und die Errichtung, Vermehrung,
-Erhaltung derselben oft selbst eine Ursache des Krieges
-werde.
-</p>
-
-<p>
-4) &bdquo;Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äussere
-Staatshändel gemacht werden;&ldquo; &mdash; als <em class="italic">Erleichterungsmittel
-<a id="page-429" class="pagenum" title="429"></a>
-<a id="pagehdr-429" class="orig-page" title="83"></a>
-der Kriege</em> zu verbieten, wie die stehenden Heere, &mdash; auch
-um des möglichen und zu seiner Zeit unvermeidlichen Staatsbanquerots
-willen.
-</p>
-
-<p>
-5) &bdquo;Kein Staat solle sich in die Verfassung und Regierung
-eines anderen Staates gewaltthätig einmischen;&ldquo; &mdash; nicht etwa
-unter dem Vorwande des Skandals. Es sey allemal <em class="italic">scandalum
-acceptum,</em> und die fremde Einmischung selbst ein grosses
-Skandal.
-</p>
-
-<p>
-6) &bdquo;Es solle sich kein Staat im Kriege mit einem anderen
-Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen
-im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind,
-<em class="italic">Anstellung der Meuchelmörder, Giftmischer, Brechung der Capitulation,
-Anstiftung des Verrathes</em> in dem bekriegten Staate&ldquo;
-u. s. w. &mdash; weil dadurch der Friede unmöglich, und ein <em class="italic">bellum
-internecinum</em> herbeigeführt würde.
-</p>
-
-<p>
-Beiläufig wird aufmerksam gemacht auf den Begriff einer
-<em class="italic">lex permissiva.</em> Sie ist nur möglich dadurch, dass das Gesetz
-auf gewisse Fälle nicht gehe, &mdash; woraus man, wie Rec. glaubt,
-hätte ersehen mögen, dass das Sittengesetz, dieser <em class="italic">kategorische</em>
-Imperativ, <em class="italic">nicht</em> die Quelle des Naturrechts seyn könne, da er
-ohne Ausnahme und unbedingt gebietet: das letztere aber nur
-<em class="italic">Rechte</em> giebt, deren man sich bedienen kann, oder auch nicht.
-Es ist hier nicht der Ort, sich weiter darüber auszulassen.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Zweiter Abschnitt,</em> welcher die Definitivartikel zum ewigen
-Frieden unter Staaten enthält. &mdash; Alles ist aufgebaut auf die
-Sätze, die Kant schon ehemals aufgestellt, die nicht geringen
-Anstoss erregt haben, und deren Prämissen auch hier nicht
-weiter als durch Winke angedeutet sind: &bdquo;<em class="italic">Alle Menschen, die
-aufeinander wechselseitig einfliessen können, müssen zu irgend
-einer bürgerlichen Verfassung gehören.</em>&ldquo; &bdquo;Jeder hat das Recht,
-den anderen, den er dazu aufgefordert hat, feindlich zu behandeln;
-auch ohne dass derselbe ihn vorher beleidigt.&ldquo; Es sey
-dem Rec. &mdash; der, bei seinen Untersuchungen über das Naturrecht,
-aus Principien, die von den bis jetzt bekannten Kantischen
-unabhängig sind, auf diese und auf die tiefer unten folgenden
-Kantischen Resultate gekommen, und den Beweis derselben
-gefunden, auch sie öffentlich vorgetragen hat, ehe dieses
-<a id="page-430" class="pagenum" title="430"></a>
-<a id="pagehdr-430" class="orig-page" title="84"></a>
-Buch in seine Hände gekommen, &mdash; erlaubt, einige Worte
-hinzuzusetzen, um vorläufig die Befremdung, die bei der herrschenden
-Denkart diese Sätze erregen müssen, ein wenig zu
-mildern.
-</p>
-
-<p>
-Nur inwiefern Menschen in Beziehung aufeinander gedacht
-werden, kann von Rechten die Rede seyn, und ausser einer
-solchen Beziehung, die sich aber dem Mechanism des menschlichen
-Geistes zufolge von selbst und unvermerkt findet, weil
-die Menschen gar nicht isolirt seyn können, und kein Mensch
-möglich ist, wenn nicht mehrere bei einander sind, ist ein Recht
-nichts. Wie können freie Wesen, als solche, bei einander bestehen?
-ist die oberste Rechtsfrage; und die Antwort darauf:
-wenn jeder seine Freiheit so beschränkt, dass neben ihr die
-der anderen auch bestehen kann. Die Gültigkeit dieses Gesetzes
-ist sonach bedingt durch den Begriff einer Gemeinschaft
-freier Wesen; sie fällt weg, wo diese nicht möglich ist, sie fällt
-weg gegen jeden, der in eine solche Gemeinschaft nicht passt,
-und es passt keiner hinein, der sich diesem Gesetze nicht unterwirft.
-Ein solcher hat mithin gar keine Rechte, er ist rechtlos.
-&mdash; So lange Menschen nebeneinander leben, ohne anders,
-als vermittelst der gegenseitigen Erkenntniss aufeinander einzufliessen,
-ist es von beiden problematisch, ob sie jenem Gesetze
-sich im Herzen unterwerfen, oder nicht. Da jeder von
-dem anderen ebensowohl das letztere annehmen kann, als das
-erstere, so kann er vor demselben nie sicher seyn; auch schon
-darum nicht, weil der andere ebensowenig weiss, ob er sich
-dem Gesetze unterwerfe, und demzufolge Rechte habe, oder
-rechtlos sey. Es muss jedem Angelegenheit seyn, dem anderen
-seine Anerkenntniss des Rechtsgesetzes zu erklären, sich
-von seiner Seite die seinige von ihm zusichern, und, da keiner
-dem anderen vertrauen kann, sie sich von ihm <em class="italic">garantiren</em> zu
-lassen; welches lediglich durch die Vereinigung mit einem gemeinen
-Wesen möglich ist, in welchem jeder durch Zwang verhindert
-wird, das Recht zu verletzen. Wer diesen Vorschlag
-nicht annimmt, erklärt dadurch, dass er dem Rechtsgesetze sich
-nicht unterwerfe, und wird völlig rechtlos.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Alle rechtliche Verfassung ist sonach (nach Kant), in Absicht
-<a id="page-431" class="pagenum" title="431"></a>
-<a id="pagehdr-431" class="orig-page" title="85"></a>
-der Personen, die darin stehen: 1) die nach dem <em class="italic">Staatsbürgerrechte</em>
-der Menschen in einem Volke (<em class="italic">jus civitatis</em>); 2)
-nach dem <em class="italic">Völkerrechte</em> der Staaten im Verhältniss gegeneinander
-(<em class="italic">jus gentium</em>); 3) die nach dem <em class="italic">Weltbürgerrechte</em>, sofern
-Menschen und Staaten, in äusserem aufeinander einfliessendem
-Verhältnisse stehend, als Bürger eines allgemeinen Menschenstaates
-anzusehen sind (<em class="italic">jus cosmopoliticum</em>).&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Es giebt sonach, wie jeder daraus leicht folgern kann, nach
-Kants Lehre gar kein eigentliches Naturrecht, kein rechtliches
-Verhältniss der Menschen, ausser unter einem positiven Gesetze
-und einer Obrigkeit; und der Stand im Staate ist der
-einzige wahre Naturstand des Menschen: &mdash; alles Behauptungen,
-die sich unwidersprechlich darthun lassen, wenn man den
-Rechtsbegriff richtig deducirt.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Erster Definitivartikel. &bdquo;Die bürgerliche Verfassung in
-jedem Staate soll republikanisch seyn.</em>&ldquo; &mdash; Diese Verfassung sey
-die einzig rechtliche an sich, dem Staatsbürgerrechte nach, und
-führe den ewigen Frieden herbei, der durch das Völkerrecht
-gefordert werde: indem nicht zu erwarten sey, dass die Bürger
-über sich selbst die Drangsale des Krieges beschliessen
-werden, die ein Monarch, ohne für sich das geringste dabei zu
-verlieren, so leicht über sie beschliesst. Die <em class="italic">Republik</em> sey von
-der <em class="italic">Demokratie</em> wohl zu unterscheiden. Die letztere sey diejenige
-Verfassung, in welcher das Volk in eigener Person die
-executive Gewalt ausübt, mithin immer Richter in seiner eigenen
-Sache ist, welches eine offenbar unrechtmässige Regierungsform
-sey: der Republikanism diejenige, in welcher die legislative
-und executive Macht getrennt (ob nun die letztere an Eine
-Person, oder an mehrere übertragen), mithin das Repräsentationssystem
-eingeführt sey.
-</p>
-
-<p>
-Dem Rec. hat diese vorgeschlagene Trennung der legislativen
-von der executiven Macht immer nicht bestimmt genug,
-wenigstens manchen Misdeutungen ausgesetzt, geschienen. Er
-glaubt, dass diejenige Macht, die der executiven entgegenzusetzen
-ist, einer näheren Bestimmung fähig sey. Er hat, wenn
-es ihm erlaubt ist, seine Darstellung der Kantischen hinzuzufügen,
-die Sache so gefunden &mdash; das höchste Rechtsgesetz ist
-<a id="page-432" class="pagenum" title="432"></a>
-<a id="pagehdr-432" class="orig-page" title="87"></a>
-durch die reine Vernunft gegeben: jeder beschränke seine Freiheit
-so, dass neben ihm alle übrigen auch frei seyn können.
-<em class="italic">Wie weit</em> eines jeden Freiheit gehen solle, d. h. über das Eigenthum
-im allerweitesten Sinne des Wortes, müssen die Contrahirenden
-sich vergleichen. Das Gesetz ist nur <em class="italic">formal, dass</em>
-jeder seine Freiheit beschränken soll, aber nicht <em class="italic">material, wie
-weit</em> sie jeder beschränken solle. Hierüber müssen sie sich
-vereinigen. Aber dass überhaupt jeder darüber etwas declarire,
-fordert das Gesetz. Die höchste Formel für alle möglichen
-Strafgesetze ist durch reine Vernunft gleichfalls gegeben: jeder
-muss von seiner Freiheit gerade so viel wagen, als er die des
-anderen zu beeinträchtigen versucht ist. Die Menge der Menschen,
-die sich im Staate vereinigen, der Bezirk, den sie einnehmen,
-und die Nahrungszweige, die sie bearbeiten, giebt also
-immer das positive Gesetz für den Staat, den sie errichten;
-und jeder kann ihnen ihr bestimmtes positives Gesetz aufstellen,
-dem man nur jene Data giebt. Alle, so wie sie in diesen
-bestimmten Staat treten wollen, sind verbunden, dieses bestimmte
-Gesetz anzuerkennen, und es bedarf da keiner Sammlung
-der Stimmen. Jeder hat nur zu sagen: ich will in diesen
-Staat treten; und er sagt damit alles. Die Gemeine darf das
-Zwangsrecht nicht unmittelbar durch sich selbst ausüben, denn
-sie würde dadurch Richter in ihrer eigenen Sache, welches
-nie erlaubt ist. Sie muss sonach die Ausübung desselben, es
-sey einem Einzelnen oder einem ganzen Corps, übertragen, und
-wird durch diese Absonderung erst <em class="italic">Volk</em> (<em class="italic">plebs</em>). Dieses gewalthabende
-Corps kann zu nichts verbunden werden, als nur
-schlechtweg was Rechtens ist in Ausübung zu bringen. Dafür
-ist es <em class="italic">verantwortlich</em>, und die allgemeinen und besonderen Anwendungen
-der Regel des Rechts auf bestimmte Fälle bleiben
-ihm sonach billigerweise überlassen. Es ist inappellabel; alle
-Privatpersonen sind ihm ohne Einschränkung unterworfen, und
-jede Widersetzlichkeit gegen dasselbe ist Rebellion. Wie es
-das Recht verwalte, darüber ist nur das Volk Richter, und es
-muss das Urtheil hierüber sich schlechthin vorbehalten. Aber
-so lange jenes Corps im Besitze seiner Gewalt ist, giebt es
-kein Volk, sondern nur einen Haufen von Unterthanen; und
-<a id="page-433" class="pagenum" title="433"></a>
-<a id="pagehdr-433" class="orig-page" title="88"></a>
-kein einzelner kann sagen: das Volk soll sich als Volk erklären,
-ohne sich der Rebellion schuldig zu machen, und die executive
-Gewalt wird das nie sagen; das Volk könnte nur sich
-selbst constituiren, aber es kann sich nicht constituiren, wenn
-es nicht ist. Es müsste sonach der executiven Gewalt ein anderer
-Magistrat, ein <em class="italic">Ephorat</em>, an die Seite gesetzt werden, der
-&mdash; sie nicht <em class="italic">richtete</em>, &mdash; aber, wo er Freiheit und Recht in Gefahr
-glaubte, immer auf seine eigene Verantwortung, <em class="italic">das Volk
-zum Gericht über sie beriefe</em>.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Zweiter Definitivartikel.</em> &bdquo;Das Völkerrecht solle auf einem
-<em class="italic">Föderalism</em> freier Staaten gegründet seyn.&ldquo; &mdash; Es giebt kein
-Völkerrecht zum Kriege. Recht ist Friede. Der Krieg ist überhaupt
-kein rechtlicher Zustand, wäre dieser zu erhalten, so
-wäre kein Krieg. &mdash; Wir begnügen uns auch nur mit Winken
-dies anzuzeigen, wie Kant. Es hat wohl nie eine ungereimtere
-Zusammensetzung gegeben, als die eines <em class="italic">Kriegsrechts</em>.
-</p>
-
-<p>
-Es könne für Staaten, um in Beziehung aufeinander aus
-dem gesetzlosen Zustande des Krieges herauszugehen, kein anderes
-Mittel geben, als dasselbe, welches es für einzelne giebt:
-dass sie sich, so wie diese zu einem Bürgerstaate, sie zu einem
-Völkerstaate vereinigen, in welchem ihre Streitigkeiten untereinander
-nach positiven Gesetzen entschieden werden. &mdash; Dies
-ist allerdings die Entscheidung der reinen Vernunft, und der
-von Kant vorgeschlagene Völkerbund zur Erhaltung des Friedens
-ist lediglich ein Mittelzustand, durch welchen die Menschheit
-zu jenem grossen Ziele wohl dürfte hindurchgehen müssen;
-so wie ohne Zweifel die Staaten auch erst durch Schutzbündnisse
-einzelner Personen unter sich entstanden sind.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Dritter Definitivartikel.</em> &bdquo;Das <em class="italic">Weltbürgerrecht</em> solle auf
-Bedingungen der allgemeinen <em class="italic">Hospitalität</em> eingeschränkt seyn;&ldquo;
-&mdash; d. h. auf das Recht jedes Menschen, um seiner blossen Ankunft
-willen auf dem Boden eines anderen Staates, nicht feindselig
-behandelt zu werden; wozu nach den Grundsätzen des
-blossen Staatsrechts der Staat allerdings das vollkommenste
-Recht hätte.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Zusatz. Von der Garantie des ewigen Friedens.</em> &mdash; Wenn
-sich nun gleich zeigen lässt (wie es sich zeigen lässt), dass
-<a id="page-434" class="pagenum" title="434"></a>
-<a id="pagehdr-434" class="orig-page" title="89"></a>
-die Idee des ewigen Friedens, als Aufgabe, in der reinen Vernunft
-liege: wer steht uns denn dafür, dass sie mehr als ein
-blosser Begriff werden, dass sie in der Sinnenwelt werde realisirt
-werden? Die Natur selbst, antwortet Kant, durch die
-nach ihrem Mechanism geordnete Verbindung der Dinge. Nach
-den drei Arten des rechtlichen Verhältnisses hatte die Natur
-dreierlei Zwecke sich vorzusetzen.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Zuvörderst</em>, nach dem Postulate des Staatsbürgerrechts,
-den: die Einzelnen zur Vereinigung in Staaten zu treiben.
-Würde auch nicht die innere Mishelligkeit, so würde doch der
-Krieg von aussen, der gleichfalls in dem Plane der Natur lag,
-die Menschen genöthiget haben, ihre Macht zu vereinigen. Dass
-die Form dieser Vereinigung der allein recht- und vernunftmässigen
-sich immer mehr nähere, dafür ist durch das allgemeindrückende
-der Ungerechtigkeit und Gewaltthätigkeit gesorgt,
-so dass die Menschen endlich durch ihren eigenen Vortheil
-werden gezwungen werden, zu thun, was Rechtens ist.
-</p>
-
-<p>
-<em class="italic">Dann</em>, nach dem Postulate eines Völkerrechts, den: die
-Völker voneinander abzusondern, welches durch die Verschiedenheit
-der Sprachen und Religionen befördert wurde, wodurch
-zwar anfangs der Krieg erzeugt, endlich aber doch durch das
-entstandene Gleichgewicht ein beständiger Friede hervorgebracht
-werden muss; wozu <em class="italic">drittens</em> der Handelsgeist, der auf
-den Eigennutz eine Sicherheit gründet, die das Weltbürgerrecht
-schwerlich hervorgebracht haben würde, beiträgt.
-</p>
-
-<p>
-Es sey dem Rec. erlaubt, zur Erläuterung hinzuzusetzen,
-wie er selbst die Sache ansieht. &mdash; Die allgemeine Unsicherheit,
-welche jede rechtswidrige Constitution mit sich führt, ist allerdings
-so drückend, dass man glauben sollte, die Menschen müssten
-schon längst durch ihren eigenen Vortheil, welcher allein
-die Triebfeder zur Errichtung einer rechtmässigen Staatsverfassung
-seyn kann, bewogen worden seyn, eine solche zu errichten.
-Dies ist bisher nicht geschehen; die Vortheile der Unordnung
-müssen sonach noch immer die der Ordnung im allgemeinen
-überwiegen; ein beträchtlicher Theil der Menschen
-muss bei der allgemeinen Unordnung noch immer mehr gewinnen
-als verlieren, und denjenigen, die nur verlieren, muss
-<a id="page-435" class="pagenum" title="435"></a>
-<a id="pagehdr-435" class="orig-page" title="91"></a>
-doch noch die Hoffnung übrig seyn, auch zu gewinnen. So
-ist es. Unsere Staaten sind für Staaten insgesammt noch jung,
-die verschiedenen Stände und Familien haben sich im Verhältniss
-aufeinander noch wenig befestigt, und es bleibt allen die
-Hoffnung, durch Beraubung der anderen sich zu bereichern;
-die Güter in unseren Staaten sind noch bei weitem nicht alle
-benutzt und vertheilt, und es giebt noch so vieles zu begehren
-und zu occupiren, und endlich, wenn auch zu Hause alles
-aufgezehrt seyn sollte, eröffnet die Unterdrückung fremder Völker
-und Welttheile im Handel eine stets fliessende, ergiebige
-Hülfsquelle. So lange es so bleibt, ist die Ungerechtigkeit bei
-weitem nicht drückend genug, als dass man auf die allgemeine
-Abschaffung derselben sollte rechnen können. Aber sobald der
-Mehrheit die sichere Erhaltung dessen, was sie hat, lieber wird,
-als der unsichere Erwerb dessen, was andere besitzen, tritt
-die recht- und vernunftmässige Constitution ein. Auf jenen
-Punct nun muss es endlich in unseren Staaten kommen. Durch
-das fortgesetzte Drängen der Stände und der Familien untereinander
-müssen sie endlich in ein Gleichgewicht des Besitzes
-kommen, bei welchem jeder sich erträglich befindet. Durch
-die steigende Bevölkerung und Cultur aller Nahrungszweige
-müssen endlich die Reichthümer der Staaten entdeckt und vertheilt
-werden; durch die Cultur fremder Völker und Welttheile
-müssen doch diese endlich auch auf den Punct gelangen, wo
-sie sich nicht mehr im Handel bevortheilen, und in die Sklaverei
-wegführen lassen, so dass der letzte Preis der Raubsucht
-gleichfalls verschwinde. Zwei neue Phänomene in der Weltgeschichte
-bürgen für die Erreichung dieses Zweckes: der auf
-der anderen Hemisphäre errichtete blühende nordamericanische
-Freistaat, von welchem aus sich nothwendig Aufklärung und
-Freiheit über die bis jetzt unterdrückten Welttheile verbreiten
-muss; und die grosse europäische Staatenrepublik, welche dem
-Einbruche barbarischer Völker in die Werkstätte der Cultur
-einen Damm setzt, den es in der alten Welt nicht gab, dadurch
-den Staaten ihre Fortdauer, und eben dadurch den Einzelnen
-das nur mit der Zeit zu erringende Gleichgewicht in denselben
-garantirt. So lässt sich sicher erwarten, dass doch endlich ein
-<a id="page-436" class="pagenum" title="436"></a>
-<a id="pagehdr-436" class="orig-page" title="92"></a>
-Volk das theoretisch so leicht zu lösende Problem der einzig
-rechtmässigen Staatsverfassung in der Realität aufstellen, und
-durch den Anblick ihres Glückes andere Völker zur Nachahmung
-reizen werde. Auf diese Weise ist der Gang der Natur
-zur Hervorbringung einer guten Staatsverfassung angelegt: sobald
-aber diese realisirt ist, erfolgt unter den nach diesen
-Grundsätzen eingerichteten Staaten das Verhältniss des Völkerrechts,
-der ewige Friede von selbst, weil sie bei dem Kriege
-nur verlieren können; dahingegen vor Erreichung des ersten
-Zweckes an die Erreichung des zweiten nicht zu denken ist,
-indem ein Staat, der in seinem Innern ungerecht ist, nothwendig
-auf Beraubung der Nachbarn ausgehen muss, um seinen
-ausgesogenen alten Bürgern einige Erholung zu geben, und
-neue Hülfsquellen zu eröffnen.
-</p>
-
-<p>
-Der Anhang <em class="italic">über die Mishelligkeit zwischen der Moral und
-der Politik, in Beziehung auf den ewigen Frieden</em>, enthält eine
-Menge treffend gesagter Wahrheiten, deren reifliche Beherzigung
-jeder, dem Wahrheit und Geradheit am Herzen liegt, wünschen
-muss.
-</p>
-
-<h2 class="l2s part" id="part-7">
-<a id="page-437" class="pagenum" title="437"></a>
-<span class="line1">Poesien</span><br />
-<span class="line2">und</span><br />
-<span class="line3">metrische Uebersetzungen.</span>
-</h2>
-
-<p class="center">
-(Meist ungedruckt.)
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-7-1">
-<a id="page-439" class="pagenum" title="439"></a>
-<span class="line1">A.</span><br />
-<span class="line2">Das Thal der Liebenden.</span><br />
-<span class="line3">Eine Novelle.<a class="fnote" href="#footnote-39" id="fnote-39">[39]</a></span>
-</h3>
-
-<p class="first">
-<span class="firstchar">I</span>n der anmuthigsten Gegend der Veltelin, ohnweit der
-Grenze von Italien, liegt ein kleines Thal, das Thal der Liebenden
-genannt. Haine von Lorbeeren und Pomeranzen und Citronen,
-die ohne Pflege wachsen, erfüllen es, und duften Sommer
-und Winter die angenehmsten Gerüche: in der Mitte desselben
-ist ein kleines Myrtenwäldchen, und im Myrtenwäldchen ein
-grosser Grabhügel, von immer blühenden Rosen umgeben. Vom
-hohen waldigen Gebirge bedeckt, von Felsen eingezäunt, erblickt
-es selten das Auge eines Sterblichen, verirrt dahin sich
-selten der Fuss des Wanderers. Nur wenige sind hineingekommen.
-Ein geistiges Wehen, wie Küsse eines Engels, fühlten sie
-an ihren Wangen; eine sanfte Wehmuth erfüllte ihre Seele; unvermerkt
-enttröpfelten ihren Augen Thränen, und das war ihnen so
-süss! Die Bilder ihrer verstorbenen Freunde oder Geliebten
-gingen vor ihrer Seele vorüber, und Ahnungen von Wiedersehen,
-Vorgefühle des ewigen Lebens erfüllten sie, wenn sie
-auf dem Grabeshügel im Myrtenwäldchen fünf Flämmchen blinken
-sahen, Symbole wiedervereinigter Treue nach dem Tode.
-Einst drang ein Landvogt auf der Jagd einem verwundeten
-Rehe nach, das hieher seine Zuflucht genommen hatte, in das
-<a id="page-440" class="pagenum" title="440"></a>
-Thal ein. Bangigkeit und Angst überfiel ihn, kalter Schweiss
-rollte über seine Stirn herab, er musste den geweihten Boden
-verlassen.
-</p>
-
-<p>
-In diese Gegenden hatte sich vor Jahrhunderten, erzählen
-die Hirten, ein junger Ritter verirrt. Im hohen Walde verloren,
-ermattet und hungrig, erblickte er durch die Nacht hin von
-ferne ein Feuer. Es waren Hirten, die bei ihrem Vieh wachten.
-Sie theilten willig mit ihm ihre geringe Kost, und er wärmte
-sich an ihrem Feuer. &mdash; &bdquo;Wie es dort wieder im Gebüsch
-heult!&ldquo; sagte der eine, der jetzt eben zu ihnen hinzukam; &bdquo;wie
-der Geist des armen Einsiedlers wieder winselt und ächzt!
-weiss Gott, die Haut schauert mir allemal, wenn ich da vorbeigehe.&ldquo;
-&mdash; &bdquo;Mir auch, sagte der andere, ich mache lieber
-einen Umweg von einer Stunde. Und es war doch ein so guter
-frommer Mann, der Einsiedler: betete so fleissig, grüsste jedes
-Kind so freundlich, und wies zurechte und half. Weisst du
-noch, wie er mir den kranken Fuss heilte, den ich mir beim
-Herabstürzen von jenem Felsen zerquetscht hatte?&ldquo; &mdash; &bdquo;Und
-wie er mir meine verirrten Lämmer wiederbrachte? Ach! wie
-wird es erst unser einem einmal gehen? Komm, wir wollen
-ein Vaterunser für seine arme Seele beten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Wehmuth und Mitleiden erfüllten den Ritter. &mdash; &bdquo;Kommt,
-führet mich an den Ort.&ldquo; Sie führten ihn hin. Es war eine
-trübe Nacht; der Wind sausete durch den Busch dem Ritter
-entgegen; es winselte und ächzte dumpf im Gebüsch. &mdash; &bdquo;Wer
-du auch seyest, unglückliche Seele, die im Fegefeuer leidet;
-können Gaben oder Seelenmessen, oder das Gebet irgend eines
-Sterblichen deine Qualen lindern, so entdecke dich mir: meine
-Seele liebt und bedauert dich,&ldquo; sagte der Ritter, und plötzlich
-stieg unter dem Hügel eine Gestalt hervor. Ein langer Bart
-wallte ihm herab bis auf den Gürtel; sein Auge war eingefallen
-und erloschen, seine Wange abgewelkt, nagender Kummer
-war über sein Gesicht verbreitet; aber durch die dicke Wolke
-des Grams, die auf ihm lag, blickte ein einziger schwacher Zug
-von Ruhe und entfernter Hoffnung hindurch. Sein Anblick erfüllte
-die Seele mit Mitleid, aber nicht mit Grauen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jüngling,&ldquo; so redete der Geist, &bdquo;schaudere nicht vor mir
-<a id="page-441" class="pagenum" title="441"></a>
-zurück! Noch sind es nicht zehn Jahre, so war ich ein Ritter,
-jung und feurig, und mannhaft wie du &mdash; solltest du nie den
-Namen Rinaldo gehört haben? &mdash; und ach! wie glücklich! Nicht
-umsonst vielleicht führte dich das Schicksal zu meiner Gruft,
-die noch nie ein Sterblicher so in der Nähe betrat. Höre die
-Geschichte meiner Leiden, und beklage mich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;In meinen ersten Jünglingsjahren, jeder Tropfen Bluts in
-mir Feuer, und jede Nerve Kraft, kam ich an den Hof nach
-Paris. In jedem Turnier war der Preis für mich. Ich gefiel;
-die Ritter verleumdeten mich, und die Damen sprachen nur unter
-sich allein von mir. Einer der schönsten Tage meines Lebens
-war der Vermählungstag der Königstochter. Aus allen
-Ländern der Franken hatte die Krone der Ritter sich versammelt
-zum feierlichen Turnier. Wir kämpften drei Tage, und ich
-war Sieger. Die neidischen Blicke der Ritter und das laute Zujauchzen
-des Volkes von den Schranken her, beides war mir
-gleich festlich. Im Taumel der Freude sah ich rund um mich
-her, um alle Blicke des Beifalls einzusaugen, und sahe in der
-ersten Reihe in den Schranken ein Fräulein; ihr trübes schwimmendes
-Auge zur Erde gesenkt, ihr Haupt nach einer Seite geneigt,
-wie eine Lilie vor der Sonnenhitze sich herabbeugt; Ernst
-und tiefes Nachdenken in ihren sanften schwärmerischen Zügen.
-Kein fröhliches Händeklatschen, kein Lächeln, kein verlorener
-Seitenblick auf mich; &mdash; sie allein unter den Tausenden, die
-sie umgaben, kalt und ernsthaft! &mdash; Ich ward tief herabgeschleudert.
-&mdash; Warum verachtet sie dich? eben sie, die vollkommenste
-unter den Mädchen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Tanz beschloss den Tag. Alle drängten sich zu dem
-Sieger, stolz an seiner Seite die Reihen durchzuwallen, seine
-Blicke aufzufangen, und er suchte die in einem Winkel verborgene
-Verächterin. Sie flog mir entgegen, &mdash; und auf einmal,
-wie aufgehalten, schien sich ihr unwilliger Fuss zu sträuben.
-Schüchtern und verscheucht tanzte sie; riss sich los, entfernte
-sich, tanzte mit andern, und feuriger. Sie verachtet dich, tönte
-es im Innersten meiner Seele, aber warum? &mdash; Ich hätte mich
-selbst verachten mögen. &mdash; Jetzt empörte sich beleidigter Stolz,
-sie zu meiden; jetzt sprach Liebe und Neugier, sie zu suchen.
-<a id="page-442" class="pagenum" title="442"></a>
-Ich schwur mir tausendmal, sie nie wieder zu sehen, und ging
-den ersten Morgen an einen Ort, wo ich sie zu finden hoffte.
-Sie war heiter bei meiner Ankunft; ihre Stirn umwölkte sich,
-sobald sie mich sah. So war sie immer.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich beschloss, Paris zu verlassen, und sie nie wieder zu
-sehen. Ich beurlaubte mich vom Hofe. Schon war ich die
-Stufen herabgestiegen, als die Zofe mir ein Blatt folgenden Inhalts
-in die Hand drückte: &bdquo;&bdquo;Dank euch, edler Ritter, dass ihr
-Paris verlasset, und durch eure Entfernung einer Unglücklichen
-die Ruhe wiedergebt, die eure Gegenwart ihr raubte: ein Geständniss,
-das während derselben keine irdische Macht mir
-würde entrissen haben. Würdiget Eures Andenkens, Eurer Thränen,
-Eures Gebets die unglückliche Maria.&ldquo;&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wonnegefühl engte meine Brust, ich musste ihr Luft machen.
-Ich eilte auf den Flügeln der Liebe zu ihr. Ich fand sie nicht;
-&mdash; Unmuth ergriff mich. Die Falsche, sie lockt mich an, und
-stösst mich wieder zurück! &mdash; Ich konnte nach meinem Abschiede
-vom Hofe nicht mehr öffentlich erscheinen; stellte mich
-krank, um einen Vorwand für mein längeres Bleiben zu haben;
-und wards vor Liebe und Schmerz. Verlangen nach ihr gab
-mir das Leben wieder. Ich ging, und überraschte sie in einer
-einsamen Laube. Sie sass über einer Stickerei, in Trübsinn
-versunken. Noch ehe sie mich erblickte, lag ich zu ihren
-Füssen. &mdash; &bdquo;&bdquo;Verlasst mich, grossmüthiger Ritter, rief sie: verlasst
-die Gegend, in der ich lebe. O das unselige Geständniss!
-warum musste es sich doch aus diesem Herzen heraufdrängen,
-das bei Euch nur einer flüchtigen Neigung zu begegnen fürchtete!&ldquo;&ldquo;
-Ich besänftigte sie. Bebend hörte sie meine Schwüre,
-auf ewig der ihrige zu seyn; bebend empfing sie meine heissen
-Küsse. Ein trauriges Vorgefühl schien ihre Seele zu durchschauern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr Herz war offener; es kämpfte noch, aber es unterlag
-allmählig dem Gefühle der Liebe. Ich sah sie öfters in dieser
-Laube. Ein feindlicher Dämon gab mir ein, es gehöre unter
-die Trophäen eines Ritters, die Unschuld zu morden. Es war
-die Moral, die bei festlichen Gelagen oft an der Tafel meines
-Vaters ertönt hatte. &mdash; In süsse Schwärmereien versunken,
-<a id="page-443" class="pagenum" title="443"></a>
-überraschte uns einst die schönste Sommernacht in unserer lieben
-Laube. Ich bestürmte ihre Tugend, und ich merkte mit
-jeder Minute ihren Widerstand schwächer werden. Schon glaubte
-ich gesiegt zu haben, als sie in Thränen zerfliessend meine
-Füsse umschlang. &mdash; &bdquo;Mann mit der stärkeren Seele, schluchzte
-sie, schone die schwächere weibliche. Siehe, ich bin in deiner
-Gewalt; du kannst der Schwachen, die jetzt ihr Leben für dich
-verbluten würde, das rauben, was ihr mehr ist als das Leben;
-aber schone der Armen, sey grossmüthig und thu&rsquo; es nicht.&ldquo; &mdash;
-Kalter Schauer überfiel mich; die Tugend fing an, in mein Herz
-zurückzukehren; aber &mdash; &bdquo;besiegst du sie jetzo nicht, so entfernt
-sie dich nun auf immer von sich&ldquo; &mdash; flüsterte der feindliche
-Dämon, und &mdash; er siegte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich verliess sie in Thränen gebadet. In meiner Wohnung
-traf ich Boten von meinem Vater: er erwarte seinen Tod; ich
-solle eilen, ihn noch lebendig zu finden. &mdash; Ich verliess Paris
-sogleich, ohne sie sehen, ohne ihr ein Lebewohl sagen zu können.
-Mein Herz zog mich gewaltig zurück: aber der Zug ward
-schwächer, als neue, unerwartete Eindrücke mich bestürmten.
-Mein Vater starb in meinen Armen. Das Bild eines sterbenden
-geliebten Vaters, neue Sorgen, andere Gegenstände, alles vereinigte
-sich, das Andenken an Marien in meiner Seele zurückzudrängen.
-Eine dumpfe, theilnahmlose Trauer hielt lange meine
-Seele umfangen. Da sah ich Laura, das Meisterwerk des
-Schöpfers, und mit dem ersten Blicke waren unsere Seelen
-Eins. Heilige Bande verknüpften uns; wir tranken die Seligkeit
-der Liebe in vollen Zügen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Innige Liebe liebt keine Zuschauer: wir verliessen das Geräusch
-der Stadt, um in der einsamsten Gegend am Fusse der
-Alpen unseren Himmel aufzuschlagen. Wir durchirrten Arm in
-Arm die paradiesischen Fluren. Sie ging einst allein aus, um
-eine Gegend hinter einem angenehmen Hügel, der immer das
-Ziel unserer Wanderungen gewesen war, zu sehen. Ich war
-durch einen Zufall zu Hause geblieben. Ihre Zurückkunft verzog
-sich. Ich lauschte an der Laube, die ich ihr unterdessen
-an ihrem Lieblingsplatze bereitet hatte, um sie bei ihrer Rückkunft
-angenehm zu überraschen. Bei jedem Rauschen eines
-<a id="page-444" class="pagenum" title="444"></a>
-Blattes, jedem leisen Fusstritte glaubte ich sie zu hören. Es
-kam ein Bote von ihr. Zitternd eröffnete ich das Blatt, das er
-mir gab, und las folgende Worte: &bdquo;&bdquo;Wie könnte ich Rinaldo&rsquo;n
-besitzen, indess Maria verlassen weint? Rührt dich ihr Elend
-nicht, so lass die Bitten der Laura &mdash; ach deiner Laura! &mdash; dich
-rühren, an ihr tief verwundetes, noch immer nur für dich schlagendes
-Herz zurückzukehren. Vergiss Lauren und störe die
-Ruhe nicht, der ich entgegeneile. Gehe ostwärts von deiner
-Wohnung, nach dem Hügel zu, den wir heute früh von der
-Morgensonne so schön vergoldet sahen, wo ein früher geliebtes
-Weib und eine süsse Tochter, ganz das Ebenbild Rinaldo&rsquo;s, auf
-deine Umarmungen warten.&ldquo;&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Der Schlag war fürchterlich. Nach geraumer Zeit erst erhielt
-ich meine Besonnenheit wieder. Die Scham hielt mich
-ab, Marien aufzusuchen: Laura war mir durch ihre Grossmuth
-doppelt theuer geworden. Ich wandte Alles an, sie wieder zu
-finden; kein Kloster, keine Einsiedelei, keine einsame Gegend
-wurde undurchsucht gelassen: ich durchstreifte selbst als Pilger
-die halbe Erde: ich hoffte sie durch meine Bitten zu erweichen;
-aber vergebens, ich fand sie nicht. Ich kam endlich
-in dieses Thal, lebte als Eremit in demselben, errichtete meiner
-Laura, die ich für längst todt hielt, ein Grab, betete und weinte
-auf ihrem Hügel, und starb auf ihm.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn der Geist die irdischen Fesseln verlassen, und von
-aller Zumischung der Sinnlichkeit frei ist, sieht er alles in einem
-anderen Lichte. Taumel dieser Sinnlichkeit berauschte mich,
-im Leben Marien zu vergessen; jetzt fühlte ich ihre Schmerzen,
-die Schmerzen Laurens und die Schmerzen der Armen, die unter
-Thränen geboren, dem Elende geweiht, nie den Vaternamen
-gestammelt hat; die vielleicht bestimmt ist, eine Beute des Elendes
-oder des Lasters zu werden. Ich leide alle Qualen, die ich
-diesen verursacht habe, im Fegefeuer, das die Reue eben gebiert
-und das stete Gedächtniss der unabänderlichen Vergangenheit,
-&mdash; bis Laura und Maria glücklich sind, bis ich mein Kind
-an dem Arme eines Mannes sehe, der nur sie liebt. Ach! wird
-meine Qual wohl je aufhören? &mdash; Aber ich fühle das Wehen der
-Morgenluft. Nicht umsonst vielleicht führte dich das Schicksal
-<a id="page-445" class="pagenum" title="445"></a>
-an meine Gruft. Lerne die Unschuld verehren, und rührt dich
-das Elend der Seele des armen Rinaldo, so bete für mich, und
-wallfahrte zum heiligen Grabe.&ldquo; &mdash; Hiermit verschwand der Geist.
-</p>
-
-<p>
-Schauder ergriff Don Alfonso; so hiess der junge Ritter.
-Er kniete nieder, und legte auf Rinaldo&rsquo;s Grabe das heilige Gelübde
-ab, nicht zu ruhen, bis er etwas zur Befreiung der armen
-Seele beigetragen, und die Unschuld immer zu verehren.
-Die Hirten versichern, dass er dieses Gelübde nie gebrochen.
-</p>
-
-<p>
-Durch seinen natürlichen Hang zur Andacht sowohl, als
-durch die Empfindungen, die an der Gruft Rinaldo&rsquo;s sich seiner
-bemächtigt hatten, begeistert, trat er die Reise nach dem heiligen
-Grabe an. Er besuchte alle die Oerter, wo der Weltheiland
-gelitten. Als er einst, sich selbst und die Welt um sich
-vergessend, auf dem heiligen Grabe in warmer Andacht kniete,
-und für die Seele des armen Rinaldo betete, überfiel ein Haufen
-sarazenischer Räuber Jerusalem, und führte ihn gefangen
-weg. Man brachte ihn unter die Sklaven des Emir von Medina.
-</p>
-
-<p>
-Je mehr seine Gestalt die Herzen der Heiden für ihn eingenommen
-hatte, desto heftiger wurden sie durch seine standhafte
-Weigerung, die Lehre ihres Propheten anzunehmen, erbittert.
-Er wurde mit den niedrigsten der Sklaven gebraucht, in
-den Gärten des Emir zu graben. Die Härte der ungewohnten
-Arbeit, die Strenge, mit der er behandelt wurde, und das brennende
-Klima verzehrten seine Kräfte. Er fiel an einem Abende,
-zur Zeit, da die Gärten geschlossen und die Arbeiter herausgelassen
-wurden, ohnmächtig nieder, und erwartete das Ende
-seiner Leiden. Niemand bemerkte den Vorfall.
-</p>
-
-<p>
-Eine süsse klagende Stimme, die in einem Zimmer des Serail,
-das an die Gärten stiess, in französischer Sprache ein Lied
-an die Jungfrau Maria sang, und durch öfteres Weinen und
-Schluchzen sich unterbrach, brachte ihn wieder zum Bewusstseyn.
-&mdash; &bdquo;O holde Mutter! seufzte die Stimme, wo bist du, um
-die Blume welken zu sehen, die du so zärtlich pflegtest? theure
-Cölestina! die du jedes Gefühl der Tugend in mir wecktest, wo
-bist du, um den letzten Trost in meine Seele zu giessen, und
-dies brechende Auge zu schliessen?&ldquo; Sie schloss mit einem
-rührenden Gebete an die heilige Jungfrau, worin sie mit schwärmerischer
-<a id="page-446" class="pagenum" title="446"></a>
-Andacht ihren Entschluss entdeckte, sich den Dolch
-in das Herz zu stossen, ehe sie sich der Wollust des Emir aufopfere,
-die ihr diese Nacht drohe; und sie bat, ihr für diese
-That entweder Gnade bei Gott zu erflehen, oder ihr Hülfe zu
-senden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie hat sie dir gesendet;&ldquo; rief der Ritter, dem fremdes
-Elend die Kräfte wiedergab, die sein eigenes ihm genommen
-hatte, &mdash; &bdquo;hier ist mein Arm, und wenn tausende in Waffen
-gegen mich ständen, so rettete er dich!&ldquo; &mdash; &bdquo;Eiserne Riegel
-und Gitter verwahren mich, edler Fremdling, ein Heer von
-Wächtern lauert auf mich. Dein Arm ist zu schwach, mich zu
-retten. Habe Dank für dein Mitleiden, habe Dank, dass ich
-nicht unbedauert sterben werde; und bist du ein Franke und
-ein Christ, wie deine Sprache zu zeigen scheint, so bete für
-die Seele der armen Marie.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Er ergriff zwei Baumleitern, und band sie zusammen, um
-das Zimmer Mariens zu ersteigen.
-</p>
-
-<p>
-Indessen war von dem Aufseher der Sklaven seine Abwesenheit
-bemerkt worden. Der erste Verdacht fiel auf den Garten.
-Man ging hinein, und traf ihn mitten in seiner Unternehmung.
-Die Absicht derselben war nicht zweideutig. Es wurde
-sogleich dem Emir gemeldet. Sein Zorn war grimmig; er bestimmte
-den nächsten Morgen zu seiner Hinrichtung.
-</p>
-
-<p>
-In jeder anderen Lage wäre vielleicht der Tod dem Alfonso
-willkommen gewesen, er hätte ihn nur als seinen Retter
-aus einer Sklaverei betrachtet, die ihm ebenso erniedrigend als
-hart schien; und hätte ihn gern gegen ein thatenloses Leben
-umgetauscht: aber jetzt kränkte das Schicksal der armen Marie,
-die er nicht retten konnte, ihn mehr, als sein eigenes, und
-auch jener Wunsch, vor seinem Ende noch etwas zur Befreiung
-der Seele Rinaldo&rsquo;s beizutragen, wurde lauter, je mehr er sich
-demselben zu nähern glaubte. Er ging, mehr unerschrocken
-als freudig, seinem Tode entgegen.
-</p>
-
-<p>
-Die Werkzeuge seiner Hinrichtung waren bereitet. Im Hofe
-des Serail war ein Scheiterhaufen errichtet. Der Pöbel strömte
-dem Schauspiele zu, und der Emir erschien mit seiner neuesten
-<a id="page-447" class="pagenum" title="447"></a>
-Favorite, Alzire, auf einem Balkon, um die Hinrichtung mit anzusehen.
-</p>
-
-<p>
-Er kam eben von dem ersten Genusse ihrer höchsten
-Gunst, und sein Feuer war dadurch gegen sie nicht erkaltet.
-Er war ihr ergebener, als er es seit langer Zeit einem Weibe
-gewesen war, und hatte ihr versprochen, ihr die erste Bitte,
-die sie an ihn thun würde, sie betreffe, was sie wolle, uneingeschränkt
-zu gewähren. War es ein geheimes Wohlwollen,
-das das Herz der Alzire bei Alfonso&rsquo;s Anblick plötzlich zu ihm
-neigte; oder konnte sie die That, dem Emir diejenige rauben
-zu wollen, von der allein sie ihren Sturz befürchten durfte,
-nicht sehr strafbar finden; oder war es eine unmittelbare Wirkung
-der Vorsehung, die Alfonso&rsquo;n erhalten wollte: Alzire bat
-um sein Leben. Unwillig, aber ehrliebend genug, um sein Wort
-nicht zu brechen, und zu schwach, um Alzirens Bitte widerstehen
-zu können, gab der Emir sogleich Befehl, den Alfonso
-über die Grenze zu bringen.
-</p>
-
-<p>
-Der Ritter, untröstlicher, diejenige ihrem Schicksal zu überlassen,
-die er so gern mit Verlust seines Lebens gerettet hätte,
-als erfreut über die unvermuthete Rettung seines Lebens, durchirrte
-die rauhen Wüsten Arabiens. Wurzeln, die er sparsam
-fand, waren seine einzige Nahrung, und der heisse Sand brannte
-seine Füsse, und trocknete seine Kräfte aus. In der vierten
-Nacht, indess der Sturm ihn umheulte, und die Wolken den
-Schimmer des letzten Sterns vor seinem Auge verdeckten, arbeitete
-er sich mühsam durch verwachsene Büsche hindurch;
-und eben waren seine letzten Kräfte im Schwinden, als er aus
-einer Felsenkluft ein mattes Licht schimmern sah. Hoffnung
-belebte die Kraft, die ihm noch übrig war: er erreichte die
-Grotte.
-</p>
-
-<p>
-Ein Weib, weiss gekleidet, von schlankem Wuchse, trat ihm
-entgegen. Die ehemalige Schönheit der Jugend schien auf ihrem
-Gesichte einer erhabenern Schönheit Platz gemacht zu haben.
-Die geistigste Andacht flammte in ihrem grossen, zum Himmel
-emporgewöhnten Auge, und verbreitete sich über ihr ganzes
-Gesicht. Nichts liess in ihr die Sterbliche errathen, als die
-sanfte Wehmuth, von der alle diese Züge gemildert waren, und
-<a id="page-448" class="pagenum" title="448"></a>
-welche die Spur ehemaliger Leiden verwischt zu haben schien.
-Sehr verzeihbar war also der Irrthum des Ritters. &mdash; &bdquo;Heilige
-Jungfrau, redete er sie an, und sank auf seine Kniee; wunderthätige
-Helferin! &mdash; wer bin ich, dass du mich würdigest,
-den Himmel zu verlassen, um mich zu retten?&ldquo; &mdash; &bdquo;O steh
-auf! rief ihm jene zu, und entweihe nicht den Namen der Heiligen.
-Ich bin eine Sterbliche, wie du; glücklich, wenn die
-Mutter Gottes sich meiner bedienen will, dir zu helfen! Aber
-welches Schicksal treibt dich in diese unzugängliche Wüste, wo
-ich seit vielen Jahren keinen Wanderer erblickte? Kann ich und
-womit kann ich dir dienen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Entkräftung des Ritters erlaubte ihm nicht, auf die
-erste dieser Fragen zu antworten; aber sie nöthigte ihn, es auf
-die andere zu thun.<a class="fnote" href="#footnote-40" id="fnote-40">[40]</a> Er bat sie um einen Trunk Wasser und
-um etwas Speise.
-</p>
-
-<p>
-Sie ging und schöpfte ihm aus der Quelle, die hart an
-ihrer Grotte aus dem Felsen rieselte, und brachte milde Früchte,
-die sie selbst gezogen hatte. &mdash; &bdquo;Erquickt euch, Fremdling;
-sagte sie zu ihm, mit dem wenigen, was ich euch geben kann;
-und nehmet dann dieses Lager ein. Ich werde schon auch
-einen Platz finden. Wer wollte sich durch eine falsche Anständigkeit
-abhalten lassen, die Pflichten der Menschlichkeit zu erfüllen,
-wenn es nicht gegen unser eigenes Geschlecht ist?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Ritter war durch alles, was er sah und hörte, wie
-betäubt. Erst nachdem er von seiner Entkräftung sich ein wenig
-erholt, und einer ruhigen Besinnung mächtig war, fing die
-Neugierde und Verwunderung an, an die Stelle dieser Betäubung
-zu treten; aber seine Unbekannte, die allein sie hätte befriedigen
-können, war verschwunden. Wunderbare Ahnungen strömten
-durch seine Seele; noch konnte er sich nicht überreden,
-ein sterbliches Weib gesehen zu haben: aber bald wurden alle
-seine Zweifel durch einen festen Schlaf gefesselt.
-</p>
-
-<p>
-Das Erste, was seine Sinne traf, als er wieder erwachte,
-war die Melodie des Liedes, das die arme Maria gesungen hatte.
-Es war ihm, als ob ein Traum ihn wieder in die Gärten des
-<a id="page-449" class="pagenum" title="449"></a>
-Emir versetzte; er brauchte Zeit, um sich zu überzeugen, er
-wache; er horchte und horchte genauer; der Gesang kam vom
-Eingange der Grotte her. Die Unbekannte sass an der Morgensonne,
-und sang mit der rührendsten Stimme jenes Lied.
-Seine ganze Seele lauschte auf ihren Gesang: wie wär&rsquo; es ihm
-möglich gewesen, sich selbst durch Muthmaassungen und Untersuchungen
-zu unterbrechen! &mdash; Das Lied schloss und die Stimme
-schwieg. Eben war er im Begriff, sich seinem Erstaunen und
-seiner Begierde, sich diese Begebenheiten alle zu erklären, von
-neuem zu überlassen, als ein anderer Vorfall seine Betrachtungen
-unterbrach.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bist du es wirklich, meine Tochter?&ldquo; sagte die Unbekannte
-zu einem jungen Frauenzimmer, das sich sprachlos und schluchzend
-in ihre Arme warf, und ihr weinendes Gesicht an ihrem
-Busen verbarg; &mdash; &bdquo;schenkt die heilige Jungfrau die als todt
-Beweinte mir wieder? &mdash; Ja, du bist es, ich fühls an dem starken
-Schlagen deines Herzens gegen das meinige, an deinem
-freudigen Zittern in meinen Armen. Wer, als meine holde
-Maria, könnte mich so lieben? Aber, sieh mich an; lass mich
-dies so lang entbehrte Antlitz wieder sehen; lass michs auch in
-deinen Augen, in allen den wohlbekannten Zügen deines Gesichts
-lesen, dass du es bist, die mich so liebt. &mdash; So sollte ich denn
-auch diese Freude noch auf der Erde haben, dich wieder zu
-sehen; sollte noch nicht von allem Irdischen mein Herz losreissen!
-Ich hatte auch diesen Wunsch daraus vertilgt, dich wieder
-zu haben; das ward mir schwer. &mdash; Heiliger Gott, und du, gnadenvolle
-Mutter desselben, diese Belohnung meiner Leiden wagte
-ich nicht zu hoffen. Ich dankte dir für den Seelenfrieden und
-die Heiterkeit, die du mir gabst, meinen letzten und härtesten
-Verlust zu ertragen. Aber jetzt hilf mir die Freude tragen, dass
-sie mein Herz nicht von dir abziehe; und &mdash; sieh auf mich
-herab, &mdash; wenn du mir die Holde wieder nehmen willst, oder
-wenn ich sie nicht mehr rein und nur dir treu wiedergefunden
-hätte: hier bin ich, &mdash; ich ergebe mich in deinen Willen! &mdash;
-Und jetzt, liebe Tochter, erzähle mir: wo warst du seit jenem
-traurigen Tage, der dich von mir trennte, und was trennte dich
-von mir?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-450" class="pagenum" title="450"></a>
-&bdquo;Du warst, seitdem meine gute erste Mutter gestorben war,
-gütige Cölestina!&ldquo; &mdash; hörte der Ritter jene Stimme sagen, die er
-schon in den Gärten zu Medina gehört hatte, &mdash; &bdquo;nicht mehr
-immer so ganz heiter, als du es vorher warest. Ich bemerkte
-zuweilen, dass, wenn du mich an dein Herz drücktest, du plötzlich
-dich abwandtest, und dann kam es mir vor, als ob du
-eine Thräne unterdrücktest. Du gingest dann hinaus auf meiner
-Mutter Grab, und betetest, und bliebst oft lange; und wenn
-du zurückkamst, war so ein Glanz und so eine Heiterkeit in
-deinem Gesichte, und du warst so sanft und so feierlich froh,
-und mir war so wehmüthig wohl an deiner Seite, dass mich
-dünkte, du seyest auf dem Grabe verklärt worden, und seyest
-nicht mehr meine Mutter Cölestina, sondern ein heiliger Engel.
-&mdash; Doch vernimm das Schicksal, das mich von dir getrennt hat.
-Einst an einem Morgen &mdash; du ruhtest noch &mdash; war ich ausgegangen,
-Blumen zu suchen, und meiner Mutter Grab damit zu
-schmücken. Ich hatte mich wohl zu weit entfernt, denn plötzlich
-erschienen die Räuber der Wüste, die mich mit Gewalt
-fortschleppten, und als ich schrie, damit du mir helfen solltest,
-mir den Mund verstopften. Sie hörten nicht auf mein Weinen
-noch Bitten, sondern brachten mich durch lange Wüsteneien in
-eine Stadt. Die Stadt hiess Medina, wie ich nachher erfuhr.
-Hier bedeckten sie mein Angesicht mit einem Schleier, bis sie
-mich zu einem reichen Manne brachten, der den Räubern Geld
-gab, und mich seinen Weibern übergab.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Heilige Mutter Gottes! was waren dies für Weiber! Schön
-waren sie; einige dünkten mich noch schöner, als du, meine
-Mutter; aber doch sah ich sie nicht gern, und es war mir nie
-recht wohl, wenn sie mir ins Gesicht sahen. Man sah es nicht,
-ob sie mich liebten, oder ob sie sich untereinander liebten. Sie
-liebten mich wohl auch nicht? &mdash; Wenn ich redete, so lachten
-sie. Ich musste ihre Sprache lernen; und ich lernte sie so
-gerne und so fleissig, damit ich mit ihnen reden könnte, und
-damit sie meine Freundinnen würden. &mdash; Kaum lernte ich sie
-verstehen, so hörte ich, dass sie nichts vom Weltheilande und von
-seiner Mutter wussten; und als ich ihnen davon sagen wollte,
-und ihnen erzählen, wie gütig und huldreich sie wären, verlachten
-<a id="page-451" class="pagenum" title="451"></a>
-sie mich abermals, und redeten dagegen viel von einem
-grossen Propheten, der wohl ein falscher Prophet seyn muss,
-weil du mir nichts von ihm gesagt hast. &mdash; Endlich kam einst
-jener reiche Mann wieder, der den Männern, die mich geraubt
-hatten, Geld gegeben hatte, und verlangte, ich sollte ihn lieben;
-und das konnte ich doch nicht: denn er sah so wild und grausam,
-und wusste ebensowenig vom Weltheilande, als seine
-Weiber, und that allerhand Dinge mit mir, die wohl schändlich
-seyn müssen, weil er sie that, und weil er so verstört dazu
-aussah. Ich stiess ihn zurück: die Mutter Gottes gab mir eine
-Kraft, die ich nie gefühlt hatte, dass ich Schwache dem starken
-Manne Widerstand leisten konnte. Ich weinte bitterlich; da
-ward der Mann sehr zornig, und sagte mir mit wildem Gesichte:
-er würde diese Nacht wiederkommen, und da würde
-mich nichts vor ihm retten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mir war sehr eng ums Herz. Ich betete inbrünstig zur
-Mutter Gottes, mich zu erleuchten, was ich thun sollte; und wie
-ich feuriger betete, wurde ich immer muthiger. Es war, als
-ob eine geheime Stimme mir ins Herz flüsterte, es sey schändlich
-und sehr schändlich, was dieser Mann mit mir thun wolle,
-und ich müsse eher sterben, ehe ich es ertrüge. Ich wusste,
-dass eine meiner Gespielinnen ein Werkzeug hatte, &mdash; sie nannte
-es einen Dolch &mdash; wovon sie mir einst sagte, man könne jemand
-damit tödten. Damit kann man ja wohl auch sich selbst
-tödten, dachte ich. &mdash; Sage mir, liebste Mutter, that ich unrecht,
-dass ich es ihr heimlich wegnahm? Sie konnte es ja
-dann immer wieder haben, glaubte ich.&ldquo; &mdash; &bdquo;Erzähle weiter,&ldquo;
-sagte Cölestina. &mdash; &bdquo;Der Entschluss mich zu tödten, ehe ich
-mich der Gewaltthätigkeit des Mannes überliesse, wurde nun
-immer fester in mir; und nachdem ich ihn der heiligen Jungfrau
-vorgetragen hatte, wurde mir innerlich wohl dabei, und
-ich glaubte gewiss, dass sie mir für diese That Gnade bei
-Gott erflehen werde; als plötzlich jemand unter dem Fenster
-rief: er wolle mich retten, und einige Leitern zusammenband,
-wie ich hörte. Gleich darauf aber vernahm ich, dass er ergriffen
-und unter tausend Verwünschungen weggeführt wurde.
-War es ein Sterblicher, &mdash; er musste es ja wohl seyn, weil er
-<a id="page-452" class="pagenum" title="452"></a>
-sich ergreifen und fortführen liess, und mich nicht retten konnte,
-&mdash; wie wird es dem Armen ergangen seyn, der um meinetwillen
-sich in diese Gefahr stürzte! Wie er ergriffen wurde,
-verschwand meine Ruhe. Sein Schicksal hat seitdem mir mehr
-Kummer gemacht, als das meinige.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Er ist gerettet&ldquo; &mdash; rufte der Ritter, der jetzt erst es wagte,
-Theil an der Unterredung zu nehmen, weil er sich unter alten
-Bekannten zu seyn dünkte; &mdash; &bdquo;und hatte seit jener Nacht den
-ersten angenehmen Augenblick, da er auch dich gerettet sah.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Maria warf einen schüchternen, aber dankbaren Blick auf
-den Ritter, um sich &mdash; schien es &mdash; von der Wahrheit dessen
-zu überzeugen, was er sagte: und Alfonso erblickte ein Gesicht,
-auf welchem alle Reize der aufblühenden Jugend sich vereinigten,
-den reinsten Abdruck ihres unschuldigen Herzens darzustellen.
-</p>
-
-<p>
-Cölestina reichte ihm die Hand: &bdquo;Seyd mir nochmals willkommen,
-edler Fremdling! &mdash; aber erzähle weiter, du meine
-Tochter.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wunderbare Hülfe ward mir gesandt: erzählte sie; ich
-blieb diese Nacht über unbeunruhigt.&ldquo; &mdash; &bdquo;Ja, sagte der Ritter,
-denn der Emir hat sie bei einer anderen neu angekommenen
-Schönen des Serail zugebracht, die ihn mit dem ersten Blicke
-gefesselt hatte, und die ihm weniger Schwierigkeiten entgegenstellte.&ldquo;
-&mdash; &bdquo;Ich fühlte mich sogar nach einigen Stunden so
-ruhig, dass ein sanfter Schlaf auf mich herabsank. Ich wurde
-am Morgen durch ein Getümmel im Hofe des Serail aufgeweckt.&ldquo;
-&mdash; &bdquo;Es war das Volk, das sich versammelte, mich verbrennen
-zu sehen;&ldquo; sagte der Ritter. &mdash; &bdquo;Euch verbrennen wollte man?
-und der Todesgefahr, die Ihr ausgestanden, sollte ich meine
-Rettung verdanken? Doch, Gott Lob, dass Ihr gerettet seyd! &mdash;
-das Getümmel nahm ab; es entstand eine lange, fürchterliche,
-erwartende Stille&ldquo; &mdash; &bdquo;Alzire, so hiess die neue Favorite des
-Emir, sagte der Ritter, bat um mein Leben. Der Emir begnadigte
-mich, und liess mich sogleich über die Grenze bringen;
-daher entstand wahrscheinlich diese Stille.&ldquo; &mdash; &bdquo;Jetzt erhob sich
-ein Gemurmel, fuhr Maria fort; nun ward es lauter; nun brausete
-es, wie das tobende Meer. &mdash; Wie? dem Hunde von Franken
-<a id="page-453" class="pagenum" title="453"></a>
-das Leben schenken? Er soll nicht verbrannt werden?
-Wir sind vergebens hieher geladen worden? Leidet es nicht!
-schienen einige Stimmen, die das Getümmel überschrien, zu
-sagen. Der Aufruhr verbreitete sich über die ganze Stadt:
-alles lief zu den Waffen. Die Wachen verliessen die Thüren
-des Serail, und stürzten sich bewaffnet gegen das Volk. &mdash;
-War es ein unsichtbares Wesen, das mir den Entschluss eingab,
-mich jetzt durch die Flucht zu retten? ich fand alle Zugänge
-unbesetzt; ich drängte mich durch das Volk, das nichts
-sahe, als die Gegenstände seiner Rache. Ich kam &mdash; ob ich
-mich noch dunkel des ehemaligen Weges erinnerte, oder ob
-unsichtbar Engel mich leiteten, &mdash; ich kam durch die lange
-Wüste wieder zu deiner Grotte, theuerste Mutter; bin wieder
-dein, um mich nimmer von dir zu trennen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gott sey gelobt, dass ich dich wieder habe, meine Tochter,
-sagte Cölestina, und dass ich dich so wieder habe, wie ich
-dich verlor. Und er sey gelobet, dass er auch Euch erhielt,
-edler Fremdling! und Euch hieher brachte, dass ich Euch für
-den Antheil danken kann, den Ihr an dieser Unschuldigen
-nahmt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Schon lange scheint eine Frage auf Eurer Lippe zu schweben,
-und es ist billig, dass ich Eure Neugier befriedige, insoweit
-ich darf. Ich bin ein Weib, welches einst in der Welt
-sehr glücklich war. Aber vielleicht hatte ich mein Herz zu
-sehr in diesem Erdenglück verloren: Gott entzog es mir, um
-mir zu zeigen, dass nur Er es sey, in welchem man befriedigende
-und dauerhafte Glückseligkeit finde. &mdash; Ich trennte mich
-von der Welt und von dem, der in ihr mein Abgott war. In
-der Stunde der Begeisterung, da ich dieses Opfer, das Tugend
-und Ehre und mein eigenes wahres Wohl heischte, begann,
-schien es mir so leicht, und nachdem es geschehen war, wollte
-mein Herz brechen. Ich suchte Trost und Ruhe an den heiligen
-Oertern, wo uns allen die Seligkeit erworben wurde.
-Da traf ich die Gesellin meiner Leiden, mit diesem ihrem Kinde.
-Ich hatte sie durch mein Elend glücklich machen wollen. Auf
-die Art, wie ich es mir gedacht hatte, sollte es nicht seyn.
-<a id="page-454" class="pagenum" title="454"></a>
-Wir sollten beide durch längeres Leiden zu einer reineren
-Glückseligkeit eingehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir waren beide für die Welt, und sie für uns, auf immer
-verloren. In der heiligen Stadt und in ihrer Nähe waren wir
-kaum den sarazenischen Räubern entgangen. Wir beschlossen,
-uns in diese Wüsten, durch welche Gott einst sein auserwähltes
-Volk führte, zu begeben, und kamen in die Nähe des Gebirges,
-das Ihr hier vor Euch erblickt. Es ist das Gebirge
-Sinai.&ldquo; &mdash;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gott hatte uns den Platz unserer Ruhe schon bereitet.
-Wir fanden hier diese Grotte, und dort das Gärtchen; zwar
-damals verwildert, aber durch eine geringe Arbeit war es wieder
-in Stand gesetzt. Vielleicht dass ohnlängst hier ein frommer
-Einsiedler sein Gott geweihtes Leben beschlossen hatte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hier haben wir geweint und gelitten. &mdash; So lange noch
-eine geliebte Freundin gleiche Leiden mit mir litt, wurden die
-meinigen mir leichter. Ich stärkte meine Kräfte, um ihren
-Kummer tragen zu helfen, und vergass des meinigen, um Trost
-in ihre Seele zu giessen, und fand ihn dadurch selbst. Aber
-sie schlummerte bald in eine bessere Ruhe hinüber, und liess
-mich allein. Ich segnete ihr Geschick; aber &mdash; du hattest es
-wohl gesehen, meine Tochter, &mdash; das meinige ward mir schwerer.
-Nur die Zärtlichkeit gegen dich, und deine kindliche Liebe
-zu mir, holdes Kind, hielten mich aufrecht. Aber du konntest
-meine Leiden nicht mit mir fühlen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Noch hing mein Herz an etwas Irdischem; es hing an
-dir. Du musstest mir genommen werden. Musste durch so
-rauhe Wege Gott mich zu meinem Heile führen? &mdash; Nichts
-war mir nun übrig, als Er. Nur in sein Herz konnte ich meine
-Empfindungen ausgiessen; nur von ihm Gegenliebe erwarten.
-O, hätte ich es doch eher gewusst, welchen süssen Frieden
-dies über mein Herz ausgiesset, wie völlig dies eine Seele befriedigt!
-&mdash; welch eine Menge von Leiden hätte ich mir ersparen
-können!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber verzeiht, guter Fremdling! dass ich so flüchtig über
-die näheren Umstände meiner Geschichte hinwegeilen musste.
-Es ist nicht Mistrauen. Wer so lange, als ich, sich nur mit
-<a id="page-455" class="pagenum" title="455"></a>
-Gott unterhalten hat, kennt dieses nicht; und in ein Antlitz,
-wie das Eurige, setzt es niemand. &mdash; Ich habe Ruhe gefunden:
-aber noch lebt vielleicht Einer, der mir einst nur zu theuer
-war. Kann ich ihm den Seelenfrieden nicht geben, wenn er
-ihn noch nicht errungen hat, so will ich ihm doch denselben
-auch nicht nehmen, wenn er ihn etwa errungen hätte. Ihr
-kehrt in die Welt zurück, und seyd, wenn mich nicht Alles
-täuscht, von eben dem Stande und aus eben den Ländern, in
-denen er lebte. Ihr könntet ihn antreffen; ihn vielleicht antreffen,
-ohne ihn zu kennen. Gutherzigkeit oder ein von ohngefähr
-entfahrendes Wort könnte alle die Kämpfe in seiner
-Seele erneuern, die er vielleicht längst ausgekämpft hat.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich muss freilich wieder von Euch weg, und in die Welt
-zurück: sagte der Ritter; aber Verehrung gegen Euch wird
-mich allenthalben begleiten, und Euer Wille wird immer mein
-Gesetz seyn.&ldquo; Er sagte das Erstere so, als ob ihn dieser Entschluss
-etwas koste.
-</p>
-
-<p>
-Die Lage, in der er Marien in den Gärten von Medina
-zuerst gefunden, hatte so etwas Romantisches; Mitleiden und
-Theilnehmung an ihrem Schicksale hatten sich sogleich seines
-ganzen Herzens bemächtigt. Seine Phantasie hatte nicht gezögert,
-sie, die er nur gehört, nie gesehen hatte, in einen
-Körper zu kleiden; sie hatte ihn freigebig mit allen Reizen, die
-ihrer Silberstimme angemessen wären, ausgeschmückt. Er sah
-sie jetzt; und sie war weit über das Bild erhaben, das er sich
-von ihr gemacht hatte. Die blühende Wange, das sanfte Auge,
-das weiche, wallende Haar konnte er seinem Bilde geben;
-aber nicht jenen lebendigen Ausdruck der Unschuld, der Treue,
-der kindlichen Zärtlichkeit, weil es ihm dazu am Urbilde fehlte. Er
-sah sie jetzt, und sah sie in aller Freude des Wiedersehens
-an den Busen derjenigen, die ihr das Theuerste auf der Welt
-war, hingegossen; sah, wie sie in stummen Gefühlen an ihren
-Augen hing, gleichsam um alle die geliebten Züge wieder zu
-spähen, und die alte Vertraulichkeit mit ihnen zu erneuern.
-War es ein Wunder, dass seine Seele von eben den Gefühlen
-ergriffen wurde, deren reizendsten Abdruck er vor sich sah,
-<a id="page-456" class="pagenum" title="456"></a>
-und dass er sie mit der zu theilen wünschte, die ihm zuerst
-das schönste Bild derselben darstellte?
-</p>
-
-<p>
-Maria hatte den Unbekannten, der sich für sie in Lebensgefahr
-stürzte, bedauert, und, wie sie gewissenhaft war, sich
-den Vorwurf gemacht, die Ursache seines Todes zu seyn. Diese
-Empfindung allein hatte die Freude über ihre Errettung getrübt.
-Hier fand sie ihn unvermuthet wieder, an dem Orte,
-der ihr der liebste auf der Erde war. Nun erst getraute sie
-sich, sich ganz dem Gefühle, dass sie ihrer Pflegemutter wiedergegeben
-sey, zu überlassen; und es ist möglich, dass die
-Freude über seine Gegenwart unvermerkt einigen Antheil an
-dem stärkeren Ausdrucke ihrer Zärtlichkeit gegen ihre Pflegemutter
-hatte; und dass sie, ohne es zu wissen, einen Theil
-dessen, was sie bloss für Cölestinen zu empfinden glaubte, für
-Alfonso empfand.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber, kann ich, darf ich zurückkehren &mdash; fuhr der Ritter
-fort &mdash; ohne Trost für die Seele des armen Rinaldo gefunden
-zu haben? Ich hoffte doch gewiss am heiligen Grabe &mdash;&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Rinaldo? fiel Cölestina ihm in die Rede. Wer ist dieser
-Rinaldo? was wisst Ihr von ihm?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alfonso erzählte, was er von seinem geängsteten Geiste
-selbst an seiner Gruft gehört hatte; erzählte die Bedingungen,
-unter welchen seine Qualen enden sollten; Cölestina hörte seine
-Erzählung mit stummer Betrübniss, und Maria mit Thränen an.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O möchten sie enden, die Qualen der unglücklichen Seele!
-und vielleicht sind sie schon grösstentheils geendet, sagte Cölestina.
-Maria hat ihre Leiden längst beschlossen; sie war die
-Freundin, die mir hier starb; sie ruht unter jenem Hügel. Das
-ist ihre und Rinaldo&rsquo;s Tochter. &mdash; Ich habe aufgehört zu leiden.
-Ich habe die Wege der Vorsehung erkannt; sie waren nichts
-als Güte. &mdash; Ich bin Laura: Maria wollte mich nicht anders als
-Cölestina nennen; drum habt Ihr mich hier so nennen hören.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und die letzte Bedingung seiner Erlösung &mdash; sagte Alfonso
-&mdash; möchte doch auch sie erfüllt werden! &mdash; Ja, edle würdige
-Frau, ich darf es Euch sagen; &mdash; ich habe nie geliebt;
-aber seitdem ich die Stimme dieses holden Geschöpfes gehört,
-seitdem ich sie hier an Eurem Herzen gesehen habe, &mdash; entweder
-<a id="page-457" class="pagenum" title="457"></a>
-ich weiss nicht, was Liebe ist, oder ich liebe sie über
-Alles. Lasst mich &mdash; o, Ihr seyd ja auch ihre Mutter, lasst
-mich sie an meinem Arme an die Gruft ihres Vaters führen;
-der Anblick wird den Geist erlösen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Maria verbarg ihr Gesicht an Laurens Busen. Ihr Herz
-schlug stärker.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Fremdling, sagte Laura &mdash; nehmt nicht etwa eine flüchtige
-Rührung, ein mattes Wohlbehagen, einige sich unwillkürlich
-Euch aufdringende Wünsche sogleich für Liebe. &mdash; Ihr habt
-nie geliebt, sagt Ihr; &mdash; Euer Herz ist unerfahren und leicht zu
-bewegen. Ihr habt dieses Kind im Leiden gesehen, und habt
-gewünscht, habt Euch bemüht, sie zu retten. Ihr seyd durch
-den Antheil, den Ihr an ihr nahmt, in Gefahr gekommen. Das
-kettet edle Seelen an den Gegenstand ihrer Grossmuth: aber
-diese Anhänglichkeit ist noch nicht Liebe. Ihr habt sie hier in
-allen Rührungen der zärtlichen Tochter gesehen; das hat sich
-Euch mitgetheilt. Uebereilet Euch nicht, edler Fremdling.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Grossmüthige Frau, versetzte der Ritter, was ich fühle,
-fühl&rsquo; ich so wahr und so stark, dass ich für die ewige Dauer
-desselben gut bin. Es ist wie mit Flammenschrift in mein Herz
-geschrieben, dass diese Mein seyn muss, dass sie Mir bestimmt
-ist, und dass ohne sie es kein Glück mehr auf der Erde für
-mich giebt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich glaube Euch, edler Mann, sagte Laura: Ihr scheint
-wahr und gut; ich glaube, dass Ihr mich nicht täuschen wollt:
-aber weder ich, noch selbst Ihr könnt wissen, ob Ihr nicht
-vielleicht Euch selbst täuschet. Erwartet es, bis Eure Empfindungen
-sich Euch selbst aufklären und entwickeln; und kommt
-Ihr dann, und sagt noch eben das, so ist sie Euer.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Verzeiht, edle Frau, versetzte der Ritter: wie könnte ich
-in dem, was ich so innig und so warm fühle, mich täuschen?
-Täusche ich mich vielleicht auch, wenn ich mein Daseyn empfinde?
-&mdash; Aber, ich soll warten, soll Euch verlassen, in Länder
-gehen, die weite Meere von Euch trennen? Wie werde ich
-das ertragen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr sollt nicht allein gehen, sagte Laura. Dunkle Ahnung
-einer höheren <a id="corr-19"></a>Glückseligkeit, ein geheimes Verlangen, auf dem
-<a id="page-458" class="pagenum" title="458"></a>
-Grabe Rinaldo&rsquo;s zu seyn, durchströmt meine Seele. Ihr werdet
-mich und diese dahin begleiten, und dann &mdash; wenn Ihr dann
-noch so denkt, ist diese Euer.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Sie hatten keine langen Zubereitungen zur Abreise zu
-machen. Es waren noch einige Juwelen von denen, die Maria
-bei ihrer Abreise aus Paris mit sich genommen hatte, vorhanden.
-&mdash; &bdquo;Hätte ich glauben können, dass ihr noch einst einen
-Werth für mich haben würdet?&ldquo; sagte Laura, als sie sie zu
-sich nahm.
-</p>
-
-<p>
-Sie zogen unbeschädigt durch Arabien und Palästina, und
-setzten sich zu Damaskus auf ein Schiff. Ein günstiger Wind
-leitete sie; sie landeten bald an der europäischen Küste.
-</p>
-
-<p>
-In einer angenehmen Sommernacht kamen sie zu Rinaldo&rsquo;s
-Grabe. Ein sanfter Wind säuselte: Rosenduft erfüllte die Lüfte.
-Ruhe und Heiterkeit im Gesichte, glänzend und verklärt entstieg
-der Geist seiner Gruft.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sey mir gesegnet, Alfonso! sagte er; du hast dein heiliges
-Gelübde gehalten. Du bist seiner werth, meine Tochter. In
-heiligeren Gefilden sehen wir uns wieder. &mdash; Deine unglückliche
-Mutter hat ihre Leiden beschlossen; ihr Leib ruht weit von
-dem meinigen, aber ihr Geist ist bei mir: und du, meine Laura,
-wirst sie bald beschliessen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Geist verschwand. Laura sank in süsser Wehmuth auf
-das Grab, und schlummerte in ein besseres Leben hinüber.
-</p>
-
-<p>
-Sanfte Trauer erfüllte Mariens und Alfonso&rsquo;s Seele. Die
-Klagen über den Verlust der Glückseligen wurden ihnen süss.
-</p>
-
-<p>
-Sie lebten in diesen Gegenden das Leben der Zärtlichkeit
-und der Liebe. Jeder Unglückliche segnete ihr Haus; es war
-Zuflucht jedes Hülfslosen.
-</p>
-
-<p>
-Am fünfzigsten Gedächtnisstage ihrer Vermählung, nachdem
-sie schon die Kinder ihrer Enkel zu ihren Füssen hatten spielen
-sehen, sassen sie in stummer Zärtlichkeit auf der Gruft, und
-das Andenken der Begebenheiten ihres Lebens ging vor ihrer
-Seele vorüber. Ein sanfter Schauer überfiel sie, sie umarmten
-sich, und ihre Seelen gingen vereint in das Vaterland der Liebe.
-</p>
-
-<p>
-Die Hirten fanden sie erstarrt auf dem Grabe liegen, und
-begruben sie nebeneinander, da, wo sie lagen. Rosenstöcke
-<a id="page-459" class="pagenum" title="459"></a>
-und Vergissmeinnicht und Tausendschön entsprossten dem Boden
-um das Grab herum und blühten. Ahnungen von Wiedersehen
-der Freunde erfüllten die Seelen der Hirten. Ihren
-Augen enttröpfelten Thränen. Sie gingen, und als sie hinter
-sich sahen, sahen sie fünf Flämmchen auf dem Grabe blinken.
-Hinter ihnen schloss sich das Thal. Sie hatten den Weg dahin
-nicht wieder gefunden. Sie nannten es das Thal der Liebenden.
-</p>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-39" id="footnote-39">[39]</a> Geschrieben zu Zürich im Jahre 1786 oder 1787. &mdash; Man vergleiche
-die Vorrede S. XVI.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-40" id="footnote-40">[40]</a> &bdquo;Voltairisch!&ldquo; (Randglosse des Verfassers.)
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-7-2">
-<a id="page-460" class="pagenum" title="460"></a>
-<span class="line1">B.</span><br />
-<span class="line2">Kleinere Gedichte.</span>
-</h3>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-2-1">
-<span class="line1">Idylle.</span>
-</h4>
-
-<p class="src">
-(Musenalmanach von A. W. Schlegel und L. Tieck, Tübingen 1802,
-S. 170.)
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Was regst du, mein Wein, in dem Fass dich?</p>
- <p class="verse">&bdquo;Es brachten die Lüfte mir Kunde</p>
- <p class="verse">Von der Inbrunst meines Erzeugers,</p>
- <p class="verse">Das regte das Inn&rsquo;re mir auf!&ldquo;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">&bdquo;Ich möchte die Bande zersprengen,</p>
- <p class="verse">Die von ihm ferne mich halten,</p>
- <p class="verse">Und zerfliessen und in den Düften</p>
- <p class="verse">Zusammenströmen mit ihm!&ldquo;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">So bringen heimliche Stimmen</p>
- <p class="verse">Der Geister Psychen die Kunde</p>
- <p class="verse">Von der unendlichen Liebe</p>
- <p class="verse">Im Unendlichen, ihrem Erzeuger;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Und es dehnet sich ihr das Herz aus</p>
- <p class="verse">In unbeschreiblicher Wehmuth,</p>
- <p class="verse">In unaussprechlicher Sehnsucht,</p>
- <p class="verse">Bis die irdische Hülle zerreisst.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-2-2">
-<a id="page-461" class="pagenum" title="461"></a>
-<span class="line1">Sonette.</span>
-</h4>
-
-<h5 class="ssc">
-<span class="line1">1.</span>
-</h5>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Wenn dir das inn&rsquo;re Götterwort wird spruchlos,</p>
- <p class="verse">Verblasset auch die äussere Verspürung,</p>
- <p class="verse">Was dich umgiebt, verlieret die Verzierung,</p>
- <p class="verse">Was von dir ausgeht, wird nur schnöd&rsquo; und ruchlos.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Die Blüthe deines Lebens steht geruchlos,</p>
- <p class="verse">Was andre leitet, das wird dir Verführung;</p>
- <p class="verse">Denn du bist ausserhalb des Alls Berührung,</p>
- <p class="verse">Darum wird dir der äuss&rsquo;re Laut auch spruchlos.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Das innen Todte glänze noch so scheinsam,</p>
- <p class="verse">Doch treibt dich fort zu ungemess&rsquo;ner Wehmuth,</p>
- <p class="verse">Die unaufhaltsam schon dich griff, die Brandung. &mdash;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Drum bleib&rsquo; ich in mir selber still und einsam</p>
- <p class="verse">Und pflege fort mit kindergleicher Demuth</p>
- <p class="verse">Das Unterpfand der einst&rsquo;gen frohen Landung.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h5 class="ssc">
-<span class="line1">2.</span>
-</h5>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Was meinem Auge diese Kraft gegeben,</p>
- <p class="verse">Dass alle Misgestalt ihm ist zerronnen,</p>
- <p class="verse">Dass ihm die Nächte werden heitre Sonnen,</p>
- <p class="verse">Unordnung Ordnung, und Verwesung Leben?</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Was durch der Zeit, des Raums verworr&rsquo;nes Weben</p>
- <p class="verse">Mich sicher leitet hin zum ew&rsquo;gen Bronnen</p>
- <p class="verse">Des Schönen, Wahren, Guten und der Wonnen,</p>
- <p class="verse">Und drin vernichtend eintaucht all&rsquo; mein Streben? &mdash;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-462" class="pagenum" title="462"></a>
- <p class="verse2">Das ist&rsquo;s. Seit in Urania&rsquo;s Aug&rsquo;, die tiefe</p>
- <p class="verse">Sich selber klare, blaue, stille, reine</p>
- <p class="verse">Lichtflamm&rsquo;, ich selber still hineingesehen;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Seitdem ruht dieses Aug&rsquo; mir in der Tiefe</p>
- <p class="verse">Und <em class="italic">ist</em> in meinem Seyn, &mdash; das ewig Eine,</p>
- <p class="verse"><em class="italic">Lebt</em> mir im Leben, <em class="italic">sieht</em> in meinem Sehen.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h5 class="ssc">
-<span class="line1">3.</span>
-</h5>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Nichts ist denn Gott, und Gott ist nichts denn Leben;</p>
- <p class="verse">Du weissest, ich mit dir weiss im Verein;</p>
- <p class="verse">Doch wie vermöchte Wissen dazuseyn,</p>
- <p class="verse">Wenn es nicht Wissen wär&rsquo; von Gottes Leben!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">&bdquo;Wie gern&rsquo; ach! wollt&rsquo; ich diesem hin mich geben,</p>
- <p class="verse">Allein wo find&rsquo; ich&rsquo;s? Fliesst es irgend ein</p>
- <p class="verse">In&rsquo;s Wissen, so verwandelt&rsquo;s sich in Schein,</p>
- <p class="verse">Mit ihm vermischt, mit seiner Hüll&rsquo; umgeben.&ldquo;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Gar klar die Hülle sich vor dir erhebet,</p>
- <p class="verse">Dein Ich ist sie; es sterbe, was vernichtbar,</p>
- <p class="verse">Und fortan lebt nur Gott in deinem Streben.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Durchschaue, was dies Streben überlebet,</p>
- <p class="verse">So wird die Hülle dir als Hülle sichtbar,</p>
- <p class="verse">Und unverschleiert siehst du göttlich&rsquo; Leben!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-2-3">
-<a id="page-463" class="pagenum" title="463"></a>
-<span class="line1">Vorbereitung zur gemeinschaftlichen Andacht.</span>
-</h4>
-
-<p class="c">
-Die Gemeine.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Müde von des Lebens Leiden,</p>
- <p class="verse">Müder von des Lebens Freuden,</p>
- <p class="verse">Flüchten wir in eure Stille,</p>
- <p class="verse">Ob uns hier Erquickung quille.</p>
- <p class="verse">Frohseyn ist uns nie gelungen,</p>
- <p class="verse">Wie wir eifrig auch gerungen,</p>
- <p class="verse">Und wir sind des Treibens müde,</p>
- <p class="verse">Suchen Ruhe, wünschen Friede.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Die Pfleger.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Kommt Belad&rsquo;ne zur Erquickung,</p>
- <p class="verse">Kommt Erschöpfte zur Entzückung!</p>
- <p class="verse">Neue Stärke soll die Matten</p>
- <p class="verse">Ueberschwänglich überschatten;</p>
- <p class="verse">Nur dass draussen ihr versenken</p>
- <p class="verse">Wollet euer Thun und Denken,</p>
- <p class="verse">Abthun euer altes Streben,</p>
- <p class="verse">Sterben ab dem eig&rsquo;nen Leben.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Die Gemeine.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Und was habt ihr uns zu geben,</p>
- <p class="verse">Zum Ersatz für unser Leben?</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Die Pfleger.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Solch&rsquo; ein Leben, das gegründet</p>
- <p class="verse">In sich selber, nimmer schwindet,</p>
- <p class="verse">Nimmer wandelt, selbst sich gnüget.</p>
- <p class="verse">Dieses hier euch offen lieget.</p>
- <p class="verse">Aber nur von euch geschieden</p>
- <p class="verse">Geht ihr ein in seinen Frieden!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-2-4">
-<a id="page-464" class="pagenum" title="464"></a>
-<span class="line1">Dem 15. März 1810.<a class="fnote" href="#footnote-41" id="fnote-41">[41]</a></span>
-</h4>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Du edler Keim, der aus der kalten Erde</p>
- <p class="verse">Sich unaufhaltsam in das Lichtreich drängte,</p>
- <p class="verse">Du sinn&rsquo;ge Blume, die, die Sonne fühlend,</p>
- <p class="verse">Mit allen Regungen nach ihr sich wandte:</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Wir streben beide, doch in anderm Sinne</p>
- <p class="verse">Jedwedes, liebend nach demselben Ziele,</p>
- <p class="verse">Und mehr als andres, eint uns dieses Streben,</p>
- <p class="verse">Und weiht mich dir mit inniger Ergebung.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Nimm diese Früchte, die dasselbe Streben,</p>
- <p class="verse">Auf dir verschwistertem Stamme hat getrieben!</p>
- <p class="verse">Vielleicht, dass auch aus uns&rsquo;rer Lieb&rsquo; ein Zweig entsteht,</p>
- <p class="verse">Der einstens zeug&rsquo; von unsrer höhern Liebe.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-2-5">
-<span class="line1">Philomele.</span>
-</h4>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Meine Stimme von Staub spricht dich gefällig an?</p>
- <p class="verse">Aber möchtest du erst hören der Sphären Klang!</p>
- <p class="verse2">Ich zwar sing&rsquo; in dem Chore gezwungen und gerne. Das Ganze</p>
- <p class="verse2">Fasset allein der sinnige Mensch.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Jenseit des Aethers ström&rsquo; eine Quelle</p>
- <p class="verse">Des Tones, der Schönheit, &mdash; diese sind Eins, &mdash;</p>
- <p class="verse2">Also lehrete mich mein Meister,</p>
- <p class="verse2">Selber er tonlos, doch schlägt er den Tact!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-2-6">
-<a id="page-465" class="pagenum" title="465"></a>
-<span class="line1">Prolog zur &bdquo;Vesta.&ldquo;<a class="fnote" href="#footnote-42" id="fnote-42">[42]</a></span>
-</h4>
-
-<p class="src">
-(Ungedruckt.)
-</p>
-
-<p class="dp">
-Die Herausgeber, ein Pränumerant.
-</p>
-
-<p class="c">
-Die Herausgeber.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Euer Edlen sind, hören wir, ein braver Mann,</p>
- <p class="verse">Nehmen sich auch der leidenden Menschheit an;</p>
- <p class="verse">So kommen wir denn von gleichem Triebe</p>
- <p class="verse">Beseelt und bitten Sie um die Liebe,</p>
- <p class="verse">Dass Sie doch möchten pränumeriren</p>
- <p class="verse">Ein Thaler quartaliter auf ein Journal:</p>
- <p class="verse">Wir werden&rsquo;s Vesta nennen zumal,</p>
- <p class="verse">Womit wir nächstens die Welt wollen zieren.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Der Pränumerant.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Ihr Journal und die Menschheit in Leiden,</p>
- <p class="verse">Wie hängen denn zusammen die beiden?</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Die Herausgeber.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Die Armen sollen haben ohne Verdruss</p>
- <p class="verse">Von unserm Gewinne den Ueberschuss!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Der Pränumerant.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Ich verstehe! &mdash; Doch nach welchem Plan oder Geist</p>
- <p class="verse">Werden Sie denn schreiben allermeist?</p>
- <p class="verse">Nach welchem wählen die Genossen?</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Die Herausgeber.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Nach keinem: &mdash; &bdquo;Keiner ist ausgeschlossen,</p>
- <p class="verse">Und jeder Freund der Wahrheit, Anmuth und Kraft</p>
- <p class="verse">Ist uns willkommen&ldquo; &mdash; sofern er uns was schafft!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Der Pränumerant.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Ich verstehe ganz: &mdash; ein Allerlei</p>
- <p class="verse">Von Sauer und Süss mit Façon dabei!</p>
- <p class="verse">Die Herren, so denk&rsquo; ich mir&rsquo;s, jucket der Kitzel</p>
- <p class="verse">Gedruckt zu sehen ihre Papierschnitzel.</p>
-<a id="page-466" class="pagenum" title="466"></a>
- <p class="verse">Kein Verleger mag sie; für eigenes Geld</p>
- <p class="verse">Sich drucken zu lassen ihnen auch nicht gefällt.</p>
- <p class="verse">Da muss die Noth helfen aus der Noth:</p>
- <p class="verse">Nun können sie eher, ohne zu werden roth,</p>
- <p class="verse">Antragen auf Pränumeration,</p>
- <p class="verse">Und den Willigen wünschen ein Gotteslohn!</p>
- <p class="verse">Wer auch ihres Schreibsels nicht begehrt,</p>
- <p class="verse">Denkt, es sey den Armen ein Almosen beschert.</p>
- <p class="verse">Kann&rsquo;s leiden, dass man das Heft mir bringt;</p>
- <p class="verse">Niemand ist ja, der&rsquo;s zu lesen zwingt.</p>
- <p class="verse">Indess stehen die Herrn schon schwarz auf weiss,</p>
- <p class="verse">Mehr wollten sie nicht und sie haben ihren Preis.</p>
- <p class="verse">Drum genug, ihr Herrn! Hier ist mein Thaler,</p>
- <p class="verse">Wünsch&rsquo; Ihnen recht viele und reichliche Zahler,</p>
- <p class="verse">Damit Ihre geistige Armuth und Noth</p>
- <p class="verse">Den leiblich Armen schaff&rsquo; ein Stück Brot!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Die Herausgeber.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">So muss man es durchaus nicht anseh&rsquo;n,</p>
- <p class="verse">Obwohl wir selber, wie uns gescheh&rsquo;n</p>
- <p class="verse">Nicht recht zu wissen gern bekennen.</p>
- <p class="verse">Wir wollen für hohe Zwecke entbrennen,</p>
- <p class="verse">Eingreifen gewaltig in&rsquo;s Rad der Zeit,</p>
- <p class="verse">Dem Bedürfniss, dem Niemand Hülfe beut,</p>
- <p class="verse">Auch keiner als wir es kennt, reichen die Hand!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Der Pränumerant.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Ei sieh, Ihr seyd wohl gar auch arrogant?</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Die Herausgeber.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Das wollen wir hoffen; &mdash; dies gilt bei den Leuten,</p>
- <p class="verse">Succurs und Beifall sich zu bereiten!</p>
- <p class="verse">Drum darf auch die Zeitschrift sich nicht schämen,</p>
- <p class="verse">Irgend ein Erhab&rsquo;nes zum Vorwand zu nehmen.</p>
- <p class="verse2">&bdquo;Wer für den Staat auch nicht die Waffen trägt,</p>
- <p class="verse2">Der ist durch heil&rsquo;ge Bürgerpflicht bewegt,</p>
- <p class="verse2">Dass er ableite des Volkes Aufmerksamkeit</p>
- <p class="verse2">Von dem die Kriege begleitenden Leid,</p>
- <p class="verse2">Damit er dessen Blicke wende</p>
- <p class="verse2">Von dem unvermeidlichen Kriegselende.&ldquo;</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-<a id="page-467" class="pagenum" title="467"></a>
-Der Pränumerant.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Elend nur sieht und er nur sieht das Elend,</p>
- <p class="verse">Wer selber elend ist im Innersten;</p>
- <p class="verse">Denn seiner Leere, seines tiefen Grams,</p>
- <p class="verse">Seiner Zerrüttung Bild steigt aus dem Herzen</p>
- <p class="verse">In&rsquo;s Aug&rsquo; empor und lagert ihm sich hin</p>
- <p class="verse">Ueber der Dinge breite Oberfläche;</p>
- <p class="verse">Sie geben stets ihm nur ihn selbst zurück!</p>
- <p class="verse">So auch wer in sich klar und mit sich Eins ist,</p>
- <p class="verse">Er bleibt gewiss der ew&rsquo;gen Harmonie</p>
- <p class="verse">Im trüben, wildverschlungenen Gewirre</p>
- <p class="verse">Ird&rsquo;scher Erscheinung; und ihm leuchtet hell</p>
- <p class="verse">Im Jammer selbst die immer nahe Hülfe! &mdash; &mdash;</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Ein Herausgeber (ihm nachsehend).
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Der Mensch ist ein seltsam Kunstproduct,</p>
- <p class="verse">Vorweltlich, in alt ogygischem Stil!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Der andere.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Sey ruhig, Herr Bruder, wir sind ja gedruckt;</p>
- <p class="verse">Das Andre bedeutet uns nicht so viel!</p>
- <p class="verse">Und wo wär&rsquo; Etwas von eigenem Werth,</p>
- <p class="verse">Wogegen sich nicht die Misgunst kehrt?</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="c">
-Beide.
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Das ist der plausibelste Trost in der Welt,</p>
- <p class="verse">Dass man stets sich selber am Besten gefällt!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-2-7">
-<a id="page-468" class="pagenum" title="468"></a>
-<span class="line1">Am 18. Januar 1812.<a class="fnote" href="#footnote-43" id="fnote-43">[43]</a></span>
-</h4>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Ehrwürd&rsquo;ge deutsche christliche Gesellschaft,</p>
- <p class="verse">Edle, biedere Tischgenossenschaft!</p>
- <p class="verse">Indem ich, als bestellt zum Sprechen,</p>
- <p class="verse">Zum erstenmale das Schweigen will brechen,</p>
- <p class="verse">Bitt&rsquo; ich, dass man es günstig verspüre,</p>
- <p class="verse">Wenn ich im Knittelvers haranguire;</p>
- <p class="verse">Denn eingefasst von Rindfleisch und Braten</p>
- <p class="verse">Dürfte die Prosa zu vornehm gerathen!</p>
- </div>
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Zuvörderst sollt&rsquo; ich mit zierlichen Worten,</p>
- <p class="verse">Wie es gebräuchlich aller Orten,</p>
- <p class="verse">Mit Bezeugung schuldiger Devotion</p>
- <p class="verse">Ihnen danken für die Decoration,</p>
- <p class="verse">Die Sie durch dieses Amt mir verlieh&rsquo;n.</p>
- <p class="verse">Doch: danke durch Thaten, spricht deutscher Sinn!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Wie hoch ich es schätze im Herzensgrunde,</p>
- <p class="verse">Mit Ihnen zu bleiben im freundlichen Bunde,</p>
- <p class="verse">Und allen Ihren Wunsch und Willen</p>
- <p class="verse">Auch meinerseits gern mag erfüllen:</p>
- <p class="verse">Beweise, dass mit Herzlichkeit</p>
- <p class="verse">Ich Ihrem Wunsche mich geweiht;</p>
-<a id="page-469" class="pagenum" title="469"></a>
- <p class="verse">Beweise, wie ich die Geschäfte,</p>
- <p class="verse">So lang&rsquo;s verstatten meine Kräfte</p>
- <p class="verse">Und meine sonst besetzte Zeit,</p>
- <p class="verse">Werd&rsquo; immer führen mit Heiterkeit.</p>
- <p class="verse">Was Sie an Gelde mir werden geben,</p>
- <p class="verse">Das werd&rsquo; ich sorgfältig aufheben</p>
- <p class="verse">Und treulich bewahren und verwalten.</p>
- <p class="verse">Auch über die Gesetze will ich halten,</p>
- <p class="verse">Ohn&rsquo; alles Anseh&rsquo;n der Person.</p>
- <p class="verse">Zeigt gute Laune sich oder Liederton,</p>
- <p class="verse">Will ich, so gut ich kann, mitsingen.</p>
- <p class="verse">Auch die Gesundheiten will ich ausbringen;</p>
- <p class="verse">Und erscheint einst der festliche Pokal,</p>
- <p class="verse">Geziert mit dem Juden Simson zumal,</p>
- <p class="verse">So werd&rsquo; ich um weitere Vorschrift bitten,</p>
- <p class="verse">Und diese sey nie überschritten.</p>
- </div>
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Im Uebrigen kann ich von meinem Sprechen</p>
- <p class="verse">In voraus eben nicht viel versprechen.</p>
- <p class="verse">Zum Beispiel: Witzig zu seyn aus heiler Haut</p>
- <p class="verse">Ist ein Talent, nicht Jedem anvertraut;</p>
- <p class="verse">So selten fast als reine Vernunft, ist reiner Witz,</p>
- <p class="verse">Und beide, denk&rsquo; ich, sind gleich viel nütz&rsquo;.</p>
- <p class="verse">Wer witzig ist, ist&rsquo;s über Was und nebenbei,</p>
- <p class="verse">Denn Witz ist ja nicht Gold, noch Silber, noch Zinn, noch Blei,</p>
- <p class="verse">Sondern von Allem nur die Façon!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">So Jemand den Witz recht wollte pflegen und nähren,</p>
- <p class="verse">Der müsst&rsquo; ihm nur reichlichen Stoff gewähren</p>
- <p class="verse">Durch tolle Streich&rsquo; und Narrheiten viel,</p>
- <p class="verse">Und nur ihn treiben lassen sein Spiel,</p>
- <p class="verse">Und ja sich hüten, was übel zu nehmen.</p>
- <p class="verse">Zu dem Ersten wird die ehrbare Gesellschaft sich nie bequemen;</p>
- <p class="verse">So muss sie denn eben ohne Witz vorlieb nehmen!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-470" class="pagenum" title="470"></a>
- <p class="verse2">Zudem sind die bisherigen Stoffe verbraucht;</p>
- <p class="verse">Nicht Jude, nicht Philister mehr taugt,</p>
- <p class="verse">Um an ihnen zu finden ein Körn&rsquo;chen Spass,</p>
- <p class="verse">Das nicht schon einigemale dawas! &mdash;</p>
- <p class="verse">Auch will es in der That was bedeuten,</p>
- <p class="verse">Ueber dergleichen zu spotten vor Leuten,</p>
- <p class="verse">Dass der Spott nicht auf uns selbst sitzen bleibe.</p>
- <p class="verse">Den Juden schiebt man sich wohl noch vom Leibe,</p>
- <p class="verse">Man ist nicht beschnitten; &mdash; <em class="italic">ergo</em> ist man keiner.</p>
- <p class="verse">Mit dem Philister ist die Sache schon feiner.</p>
- <p class="verse">Streng genommen, Keiner sich durchschaut,</p>
- <p class="verse">So lang er steckt in der sündigen Haut,</p>
- <p class="verse">In Unschuld Keiner soll waschen die Hände,</p>
- <p class="verse">Wie Keiner selig ist vor seinem Ende!</p>
- <p class="verse">Ob wir durchaus nicht Philister waren,</p>
- <p class="verse">Werden wir im ewigen Leben erfahren.</p>
- <p class="verse">Doch es giebt auch für sterbliche Augen</p>
- <p class="verse">Kennzeichen, die zur Prüfung taugen,</p>
- <p class="verse">Dass man sich orientiren kann.</p>
- <p class="verse">Das Eine geb&rsquo; ich im Gleichniss an.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Es geschieht wohl, dass Einer träume, er wache,</p>
- <p class="verse">Und sich&rsquo;s versichre, und glaublich mache,</p>
- <p class="verse">Und ist doch gerade dies sein Traum!</p>
- <p class="verse">Wer wirklich wacht, kurzum der wacht,</p>
- <p class="verse">Und ist nicht weiter auf&rsquo;s Wachen bedacht.</p>
- <p class="verse">So, wer in der That nicht Philister ist,</p>
- <p class="verse">Der denket dessen zu keiner Frist;</p>
- <p class="verse">Ohne seinen Dank und Willen, und schlechtweg er&rsquo;s nicht ist.</p>
- <p class="verse">Wer aber sich&rsquo;s hin und her beweist</p>
- <p class="verse">Und Gott am Morgen und Abend preist,</p>
- <p class="verse">Dass er nicht ist, wie andre Leut,</p>
- <p class="verse">Ist vom Philisterthum nicht weit;</p>
- <p class="verse">Ja ihm sitzt die Philisterei</p>
- <p class="verse">Gerade im Denken, dass er&rsquo;s nicht sey!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-471" class="pagenum" title="471"></a>
- <p class="verse2">Da dieses sich so weit erstreckt</p>
- <p class="verse">Und bringen kann gar schlimmen Ruhm,</p>
- <p class="verse">So bleibt vor mir wohl ungeneckt</p>
- <p class="verse">So Juden- wie Philisterthum!</p>
- </div>
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Doch reinige sich der Gedanke,</p>
- <p class="verse">Der über Niedrem schwebte,</p>
- <p class="verse">Um mit dem Höhern ganz sich auszufüllen!</p>
- <p class="verse">Füllet die Gläser! &mdash;</p>
- <p class="verse">Es lebe die Krone,</p>
- <p class="verse">Sie steig&rsquo; auf in der alten Pracht,</p>
- <p class="verse">Ausgerüstet mit der alten Kraft,</p>
- <p class="verse">Umgeben von der alten Treue!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-41" id="footnote-41">[41]</a> Der Gattin zum Geburtstage, mit dem Geschenke von Klopstocks
-Werken, des Oheims derselben.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-42" id="footnote-42">[42]</a> Zeitschrift, erschienen zu Königsberg 1807.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-43" id="footnote-43">[43]</a> Ueber die Veranlassung zu dieser Rede in Versen hat ihr Einsender
-uns zugleich Folgendes mitgetheilt: &bdquo;A. v. Arnim hatte in Berlin eine christlich
-deutsche Gesellschaft errichtet, deren Vorsitz Fichte an jenem Tage übernahm.
-Bei dieser Veranlassung hielt er einen Vortrag in Knittelversen, welcher
-damals ungemein ansprach und auch, wie ich bestimmt weiss, noch
-jetzt in Ehren gehalten wird. Da ich das Tagblatt besitze, worin dieser Vortrag
-aufgeschrieben ist, so macht es mir ein grosses Vergnügen, Ihnen denselben
-mittheilen zu können.&ldquo;
-</p>
-
-<h3 class="l3s pbb chapter" id="chapter-7-3">
-<a id="page-472" class="pagenum" title="472"></a>
-<span class="line1">C.</span><br />
-<span class="line2">Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Italiänischen.</span>
-</h3>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-3-1">
-<span class="line1">Aus Camoens&rsquo; Lusiade.<a class="fnote" href="#footnote-44" id="fnote-44">[44]</a></span>
-</h4>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Gesang 3, Stanze 118.</span>
-</h5>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Alfonso kehrt, nach dieses Sieges Glücke,</p>
- <p class="verse">Hinwieder zu des Tajo schönem Becken;</p>
- <p class="verse">Dass auch der Fried&rsquo; ihn mit den Kränzen schmücke,</p>
- <p class="verse">Womit die Schlachten ihn so reich bedecken:</p>
- <p class="verse">O welch erbarmungswürdiges Geschicke,</p>
- <p class="verse">Das Todte könnt aus ihren Gräbern wecken,</p>
- <p class="verse">Trifft da die arme, zarte Dulderin,</p>
- <p class="verse">Die erst getödtet ward, dann Königin!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Allein durch dich, durch dein allmächtig Sehnen,</p>
- <p class="verse">O reine Lieb&rsquo;, erstarb der Zeiten Zierde,</p>
- <p class="verse">Als dürftest du sie deine Feindin wähnen,</p>
- <p class="verse">Die treue, der dein schönster Lohn gebührte.</p>
- <p class="verse">Wohl sagt man, Amor, dass durch bittre Thränen</p>
- <p class="verse">Gestillt nicht werde deine grimme Gierde;</p>
- <p class="verse">Soll Menschenblut nun strömen vom Altare</p>
- <p class="verse">Zur süssen Augenweide dir, Barbare?</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-473" class="pagenum" title="473"></a>
- <p class="verse">Man sah dir hold der Jahre Lenz verfliessen,</p>
- <p class="verse">In jene Seelenruh warst du versenket,</p>
- <p class="verse">Ignes, und in den Wahn, den blinden, süssen,</p>
- <p class="verse">Den keinem noch auf lang das Glück geschenket,</p>
- <p class="verse">In des Mondego angenehmen Wiesen,</p>
- <p class="verse">Den deiner schönen Augen Born getränket,</p>
- <p class="verse">Den Bergen lehrend, und der Flur den lieben</p>
- <p class="verse">Namen, der tief dir in die Brust geschrieben.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Auch deines Prinzen Regungen vergalten</p>
- <p class="verse">Dein Sehnen wohl mit seelenvollem Danken;</p>
- <p class="verse">Dein Bild sie fest vor seinen Augen halten,</p>
- <p class="verse">Wenn er verbannt aus deiner Blicke Schranken:</p>
- <p class="verse">Des Nachts ihn täuschen süsse Traumgestalten,</p>
- <p class="verse">Des Tags entrücken ihn zu dir Gedanken,</p>
- <p class="verse">Und was er sinnt, und was er sieht im Innern,</p>
- <p class="verse">Ist alles nur Ein wonnevoll Erinnern.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">So vieler Fürstentöchter, schöner Frauen</p>
- <p class="verse">Bewerben hat bei ihm das Ziel verfehlet;</p>
- <p class="verse">Wie denn auf andres pflegt herabzuschauen</p>
- <p class="verse">Wess Herz die Eine, traute, hat erwählet.</p>
- <p class="verse">Der alte Vater blickt mit stillem Grauen</p>
- <p class="verse">Auf die Verirrung dieser Lieb&rsquo;, ihn quälet</p>
- <p class="verse">Des Volkes Murren und das Widerstreben</p>
- <p class="verse">Des Sohns, sich in der Ehe Band zu geben.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Und so beschliesst er denn in argem Muthe</p>
- <p class="verse">Ignes dem süssen Lichte zu entrücken.</p>
- <p class="verse">Es könne nur in frech vergoss&rsquo;nem Blute,</p>
- <p class="verse">So meint er, solcher Liebe Brand ersticken.</p>
- <p class="verse">War&rsquo;s Wahnsinn, der ihn trieb, sein Schwert, das gute,</p>
- <p class="verse">Das Schrecken sende nur der Feinde Blicken,</p>
- <p class="verse">Vor dem der Mauren Wuth gemusst erbeben,</p>
- <p class="verse">Gegen ein zartes Fräulein zu erheben?</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-474" class="pagenum" title="474"></a>
- <p class="verse">Zu ihm, dess Herz wohl möchte sich versöhnen,</p>
- <p class="verse">Wird sie geschleppt von wilden Ungeheuern,</p>
- <p class="verse">Und es gelingt den mordbegier&rsquo;gen Tönen</p>
- <p class="verse">Des Pöbels, seinen Zorn neu anzufeuern.</p>
- <p class="verse">Sie aber &mdash; flehend und mit bangem Stöhnen,</p>
- <p class="verse">Erpresst von Mitleid bloss mit ihrem Theuern</p>
- <p class="verse">Und mit den Kindern, die sie unterm Herzen</p>
- <p class="verse">Ihm trug, die mehr denn eigner Tod sie schmerzen;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Die Augen hebend zu des Himmels Milde</p>
- <p class="verse">Aus denen eine grosse Zähre rollte,</p>
- <p class="verse">(Die Augen, denn die Hände hielt der wilde</p>
- <p class="verse">Mordknecht, der sie in Fesseln schlagen wollte)</p>
- <p class="verse">Dann nieder auf der Kinder zarte Bilde</p>
- <p class="verse">Sie senkend, die sie jetzt verlassen sollte</p>
- <p class="verse">Verwaiset, einsam, ohne Schutz und Rather &mdash;</p>
- <p class="verse">Spricht also an den grausamen Grossvater:</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Wenn wilde Thiere, deren Sinn zum Hassen</p>
- <p class="verse">Natur bestimmt, und Eis um sie geschlagen,</p>
- <p class="verse">Der Wüste Vögel, die, um Raub zu fassen</p>
- <p class="verse">Und anders nicht, den Flug in Wolken wagen,</p>
- <p class="verse">Mit kleinen Kindern, die sie seh&rsquo;n verlassen,</p>
- <p class="verse">Solch zärtlich Mitleid und Erbarmen tragen,</p>
- <p class="verse">Wie man an Ninus Mutter hat geschauet,</p>
- <p class="verse">Und an den Brüdern, welche Rom erbauet;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">So trag auch du, dess Herz durchströmt vom warmen</p>
- <p class="verse">Menschlichen Blute schlägt (falls es zu nennen</p>
- <p class="verse">Menschlich, den Tod zu geben einer Armen,</p>
- <p class="verse">Bloss weil ihr Herz in Liebe musst&rsquo; entbrennen),</p>
- <p class="verse">Trage mit diesen Kleinen das Erbarmen,</p>
- <p class="verse">Das man in meinem Urtheil muss verkennen.</p>
- <p class="verse">Mög&rsquo; ihre Noth Mitleid in dir erregen,</p>
- <p class="verse">Da meine Unschuld dich nicht kann bewegen!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-475" class="pagenum" title="475"></a>
- <p class="verse">Und wie du wusstest einst mit Schwert und Feuer</p>
- <p class="verse">Den Tod zu senden in der Mauren Reihen,</p>
- <p class="verse">Sey jetzt vom Tode gnädiglich Befreier</p>
- <p class="verse">Der Schwachen, die du keiner Schuld kannst zeihen.</p>
- <p class="verse">Falls aber Unschuld büssen soll so theuer,</p>
- <p class="verse">Verweis auf ewig mich in Wüsteneien,</p>
- <p class="verse">In Libyens Gluth, in Scythiens kalte Schauer,</p>
- <p class="verse">Wo ich mein Leben enden mög&rsquo; in Trauer.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Lass mich, wo alle Schrecken sich erheben,</p>
- <p class="verse">Hin in der Löwen und der Tiger Erbe,</p>
- <p class="verse">Dass ich, was Menschenherz nicht mochte geben,</p>
- <p class="verse">Erbarmen dort und Mitleid mir erwerbe.</p>
- <p class="verse">Dort will ich pflegen, innig hingegeben</p>
- <p class="verse">In&rsquo;s Angedenken dess, für den ich sterbe,</p>
- <p class="verse">Der nachgelass&rsquo;nen Pfänder theure Gabe,</p>
- <p class="verse">Zu der leidvollen Mutter einziger Labe.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Der König sinnt schon drauf, sie zu befreien,</p>
- <p class="verse">Ob ihrer Worte, die ihn tief bewegen;</p>
- <p class="verse">Das störr&rsquo;ge Volk nur will ihr nicht verzeihen,</p>
- <p class="verse">Noch ihre Sterne, die nicht brachten Segen.</p>
- <p class="verse">Die, welche glauben, dass die That Gedeihen</p>
- <p class="verse">Dem Reiche bringe, ziehen scharfe Degen,</p>
- <p class="verse">Gegen ein Fräulein. Herz, schwarz und bitter,</p>
- <p class="verse">Ihr zeiget euch als Henker, nicht als Ritter!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Wie gegen Priams Tochter, Polyxene,</p>
- <p class="verse">Aus der der Mutter letzte Freuden quellen,</p>
- <p class="verse">Damit Achilles Schatten sich versöhne,</p>
- <p class="verse">Man Pyrrhus sahe sich gerüstet stellen;</p>
- <p class="verse">Sie aber ihre jungfräuliche Schöne &mdash;</p>
- <p class="verse">Die Augen, welche wohl die Trüb&rsquo; erhellen,</p>
- <p class="verse">Hin auf die Mutter, die vor Schmerzen wüthet,</p>
- <p class="verse">Gerichtet, &mdash; zum Sühnopfer willig bietet:</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-476" class="pagenum" title="476"></a>
- <p class="verse">So gegen Sie, die Wüthenden; die Auen,</p>
- <p class="verse">Aus denen Liebe sieht mit hellen Blicken,</p>
- <p class="verse">In jedes Auge, das sie mag erschauen,</p>
- <p class="verse">Sanftheit und Milde strahlend und Entzücken,</p>
- <p class="verse">Und ihre süssen Blumen, die getrauen</p>
- <p class="verse">Sie sich mit Blutesströmen zu ersticken,</p>
- <p class="verse">Grimmig erbos&rsquo;t die Schwerter drein versenkend,</p>
- <p class="verse">Der Rache, die herannaht, nicht gedenkend.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">O hohe Sonne, hat dein Strahl genommen</p>
- <p class="verse">Von des Entsetzens That wohl Blick und Kunde?</p>
- <p class="verse">Ist er nicht auch denselben Tag verglommen,</p>
- <p class="verse">Wie in Thyestes Gastmahls Gräuelstunde?</p>
- <p class="verse">Ihr hohlen Thäler, die ihr da vernommen</p>
- <p class="verse">Das letzte Wort aus dem erblassten Munde,</p>
- <p class="verse">Noch lange hallte fort in euerm Laute</p>
- <p class="verse">Der Name Pedro, den sie euch vertraute.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Wie einer Blume, so in Zier getauchet,</p>
- <p class="verse">Dass sie der Schmuck war auf den blüh&rsquo;nden Heiden,</p>
- <p class="verse">Wenn sie gebrochen und zum Kranz verbrauchet,</p>
- <p class="verse">Der rohen Hand Betastung musst&rsquo; erleiden,</p>
- <p class="verse">Der Schmelz vergeht, der süsse Duft verhauchet:</p>
- <p class="verse">So ist das Fräulein nach dem bittern Scheiden;</p>
- <p class="verse">Der Lippen Ros&rsquo; erblasset, es entschweben</p>
- <p class="verse">Die lichten Farben mit dem süssen Leben.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Der That zum ewigen Andenken kehren</p>
- <p class="verse">Mondego&rsquo;s Töchter, die sie lange klagen,</p>
- <p class="verse">In einen Quell die da geweinten Zähren,</p>
- <p class="verse">Und geben ihm den Namen, den er tragen</p>
- <p class="verse">Auf alle Zeiten soll: noch jetzo nähren</p>
- <p class="verse">Wo Ignes lebt und liebt in ihren Tagen,</p>
- <p class="verse">Von einem Quelle sich der Blumen Triebe,</p>
- <p class="verse">Dess Wasser Zähren sind, der Name: Liebe.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-3-2">
-<a id="page-477" class="pagenum" title="477"></a>
-<span class="line1">Aus dem Spanischen.</span>
-</h4>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Madrigal.</span>
-</h5>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Ihr Augen, hell und reine,</p>
- <p class="verse">Da eure süssen Blicke preist die Menge,</p>
- <p class="verse">Warum, wenn ihr mich anschaut, blickt ihr strenge?</p>
- <p class="verse">Wenn ihr, je mehr voll Hulden,</p>
- <p class="verse">So mehr die Welt erfreut mit heitrem Scheine,</p>
- <p class="verse">Warum blickt ihr mit Zorn auf mich alleine?</p>
- <p class="verse">Ihr Augen, hell und reine,</p>
- <p class="verse">Erscheint mir nur, sey&rsquo;s auch mit solchem Scheine!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-3-3">
-<span class="line1">Aus Cervantes.</span>
-</h4>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<span class="line1">Amadis von Gallia an Don Quixote de la Mancha.</span>
-</h5>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Du, der nachahmtest jenes Thränenleben,</p>
- <p class="verse">Das auf des Armuthfelsens schroffer Kante</p>
- <p class="verse">Ich führte, da Verschmähung mich verbannte</p>
- <p class="verse">Von Freuden, mich der Busse zu ergeben;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Du, dem vom Auge Fluthen man sah beben,</p>
- <p class="verse">Dass ihm der Salztrank schier das Herz abbrannte,</p>
- <p class="verse">Dem, als ihn Silber, Kupfer, Zinn schon nannte,</p>
- <p class="verse">Die Erd&rsquo; auf Erde dürft&rsquo;ges Mahl gegeben:</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Sey sicher, dass in alle Ewigkeiten,</p>
- <p class="verse">Mindstens so lang&rsquo;, als in der vierten Sphäre</p>
- <p class="verse">Der feuerrothe Phöbus treibt die Pferde,</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Den Preis der Tapfern keiner dir bestreiten,</p>
- <p class="verse">Dein Vaterland vor allen seyn das hehre,</p>
- <p class="verse">Dein weiser Meister einzig bleiben werde!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h5 class="ssc l1i">
-<a id="page-478" class="pagenum" title="478"></a>
-<span class="line1">Don Belianis von Gräcia an denselben.</span>
-</h5>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Mehr als ein Ritter auf dem Erdenrunde</p>
- <p class="verse">Thät ich in Handeln, Sprechen, Stechen, Hauen,</p>
- <p class="verse">Ob meiner Thatkraft all&rsquo; erfasst&rsquo; ein Grauen,</p>
- <p class="verse">All&rsquo; Unbill rächend, die mir kam zur Kunde.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Ich gab Grossthaten Fama&rsquo;s ew&rsquo;gem Munde,</p>
- <p class="verse">Ich war galant, ich war beliebt bei Frauen;</p>
- <p class="verse">Wie Zwerglein thät ich alle Riesen schauen,</p>
- <p class="verse">Zu Kampf und Streit bereit in jeder Stunde.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Fortuna lag zu meinem Fuss geschmieget,</p>
- <p class="verse">Das Glück stand meiner Weisheit treu ergeben,</p>
- <p class="verse">Wie eine gute Magd, stets zu Gebote.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Ob nun mein Ruhm des Monds Horn überflieget,</p>
- <p class="verse">Ob auch noch nichts mir hat getrübt das Leben,</p>
- <p class="verse">Neid&rsquo; ich doch dich, du grosser Held Quixote!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<h4 class="subchap" id="subchap-7-3-4">
-<span class="line1">Petrarca&rsquo;s Sonnet 36.</span>
-</h4>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Sie tritt mir vor&rsquo;s Gemüth &mdash; vielmehr ist drinne,</p>
- <p class="verse">Dass Lethe nicht vermag sie wegzuheben, &mdash;</p>
- <p class="verse">Wie sie von ihres Sterns Strahlen umgeben,</p>
- <p class="verse">Im Lenz des Lebens trat mir vor die Sinne;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Dass ersten Blickes ich ein Bild gewinne</p>
- <p class="verse">Von ihr, so sittig, still und gottergeben,</p>
- <p class="verse">Dass ich, &bdquo;sie ist&rsquo;s,&ldquo; mir sage, &bdquo;ist am Leben,&ldquo;</p>
- <p class="verse">Und Frag&rsquo; an sie und hold Gespräch beginne.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-479" class="pagenum" title="479"></a>
- <p class="verse2">Bald giebt sie Antwort, schweigt auch wohl, dann siehe,</p>
- <p class="verse">Wie man halb wacht im Traum, der Irrthum webte,</p>
- <p class="verse">Sag ich meinem Gemüth: Du bist im Fehle;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse2">Tausend, dreihundert, acht und vierzig, frühe</p>
- <p class="verse">Ein Uhr, den sechsten des Aprils, entschwebte</p>
- <p class="verse">Dem süssen Leibe ja die sel&rsquo;ge Seele.</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-44" id="footnote-44">[44]</a> Zuerst abgedruckt im &bdquo;Pantheon, Zeitschrift für Wissenschaft und
-Kunst, von Büsching und Kannegiesser. Berlin, 1810.&ldquo; I. Bd. 1. Heft.
-Seite 1-8.
-</p>
-
-<p class="printer">
-Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.
-</p>
-
-<h2 class="part" id="part-8" title="Nachträge zu früheren Bänden">
-<a id="page-480" class="pagenum" title="480"></a>
-<span class="line1">&nbsp;</span>
-</h2>
-
-<h3 class="chapter" id="chapter-8-1">
-<span class="line1">Nachtrag zum ersten Bande.</span>
-</h3>
-
-<div class="smaller">
-<p>
-S. 95 Zeile 5 von oben ist nach den Worten: &bdquo;denn er ist gleich
-dem Satze X,&ldquo; als Note unter dem Texte aus der 2. Auflage der
-Wissenschaftslehre folgender Zusatz hinzuzufügen:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;D. h. ganz populär ausgedrückt: Ich, das in der Stelle des Prädicats
-A setzende, <em class="italic">dem</em> zufolge, <em class="italic">dass es in der des Subjects gesetzt wurde</em>, weiss
-nothwendig von meinem Subjectsetzen, also von mir selbst, schaue wiederum
-mich selbst an, bin mir dasselbe.&ldquo; (Anmerk. * * zur 2. Ausgabe.)
-</p>
-
-<p>
-Zu bemerken ist noch, dass die S. 91, 95 und 98 hinzugefügten
-Zusätze der 2. Ausgabe <em class="italic">nur</em> in der zweiten &bdquo;verbesserten&ldquo; Ausgabe,
-Jena und Leipzig bei Gabler 1802, nicht in der bei Cotta erschienenen
-&bdquo;unveränderten,&ldquo; sich finden.
-</p>
-
-</div>
-
-<h3 class="chapter" id="chapter-8-2">
-<span class="line1">Druckfehler im siebenten Bande.</span>
-</h3>
-
-<div class="smaller">
-<table class="table480" summary="Table-4">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1">S.</td>
- <td class="col2">520,</td>
- <td class="col3">Z.</td>
- <td class="col4">2 v. u.</td>
- <td class="col5">statt</td>
- <td class="col6">jener Zeitalter l. jenes Zeitalters.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">-</td>
- <td class="col2">527,</td>
- <td class="col3">-</td>
- <td class="col4">6 v. o.</td>
- <td class="col5">-</td>
- <td class="col6">erfolge l. erfolgte.</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<h2 class="part" id="part-9">
-<a id="page-481" class="pagenum" title="481"></a>
-<span class="line1">Nachtrag.</span>
-</h2>
-
-<p class="src">
-(Aus dem in <em class="italic">Friedr. Schiller&rsquo;s Nachlass</em> nach bereits beendetem
-Abdrucke dieses Bandes aufgefundenen Originaltexte
-der Abhandlung.)
-</p>
-
-<h3 class="smaller chapter" id="chapter-9-1">
-<span class="line1">Zur Abhandlung: &bdquo;Geist und Buchstab&ldquo; <a href="#wollen">S. 284. Z. 7.</a> nach dem Worte:</span><br />
-<span class="line2"><em class="italic">wollen</em>.</span>
-</h3>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-45" id="footnote-45">[45]</a> Durch diesen Wink soll nicht etwa dem <em class="italic">intelligibeln Fatalismus</em> das
-Wort geredet werden. Zwar wird der Wille allemal durch die für das Subject
-in seiner gegenwärtigen Stimmung überwiegenden Gründe bestimmt;
-aber dass <em class="italic">diese</em> Gründe überwiegen und nicht die entgegengesetzten, und
-dass das Subject gerade in dieser Stimmung ist und in keiner anderen, davon
-liegt der Grund in der absoluten Selbstthätigkeit. Diese ist es, welche
-das entscheidende Uebergewicht in die Wagschale legt durch freie Reflexion
-und Abstraction in dem absoluten Anfange eines jeden innern Lebensactes,
-der von da aus durch die mannigfaltigen Geschäfte des menschlichen Geistes
-hindurch nothwendigen Gesetzen folgt. Der Trieb treibt den Menschen
-nicht unwiderstehlich, wie etwa die Elasticität materieller Körper; denn es
-ist ein Trieb, gerichtet an ein selbstständiges Wesen. Es bedarf der Reflexion
-auf seine Richtung; diese Reflexion ist der Anfangspunct des fortgehenden
-steten Fadens, und von dem Grunde, ob überhaupt reflectirt wird oder nicht,
-und davon, wie reflectirt wird, ob auf die vollständige Anregung oder nur
-auf einen Theil derselben, hängt es ab, wie die Willensbestimmung ausfalle.
-Also: der Wille ist nicht frei, aber <em class="italic">der Mensch ist frei</em>. Alle seine Vermögen
-hängen innigst zusammen, und greifen bei dem Handeln gesetzmässig
-in einander ein; und nur daraus, dass man für wirklich zersplittert hielt,
-was nur willkürlich und zum Behufe der Speculation zertheilt wurde, entstanden
-Theorien, die entweder dem natürlichen Gefühle oder dem Räsonnement,
-oder richtiger beiden zugleich widersprechen. Nicht bloss &mdash; so hart
-diese Behauptung auch Manchem vorkommen mag &mdash; nicht bloss die Willensbestimmung
-des empirischen Individuums, sondern sein gesammter innerer
-Charakter, seine Vorstellungs- und Begehrungsweise, woran er Vergnügen
-oder Misvergnügen finde sogar, hängt von eines Jeden Selbstthätigkeit ab.
-Man übertrug die durch das Selbstgefühl angekündigte Freiheit zuerst auf
-den Willen, weil dieser jeden innern Lebensact abschliesst und vollendet,
-und weil derselbe von ihm aus sogleich in die Aussenwelt übergeht, mithin
-auf diesem Grenzpuncte zuerst die Verschiedenheit des freien Subjects und
-des gebundenen Objects bemerkt wurde. Aber gerade darum, weil er die
-angeführte Stelle in der Reihe der Geistesgeschäfte einnimmt, ist der Wille
-am wenigsten frei, denn er ist durch das mehrste Vorhergehende bestimmt.
-Mit dem Willen fängt der Mensch einen neuen Zustand in der Sinnenwelt
-an; man folgerte, dass er mit demselben Willen auch den nothwendig vorauszusetzenden
-neuen Zustand in sich selbst anfinge; aber diese Folgerung
-ist unrichtig, und sie war zugleich unwahrscheinlich. &mdash;
-</p>
-
-<h3 class="smaller chapter" id="chapter-9-2">
-<a id="page-482" class="pagenum" title="482"></a>
-<span class="line1">Dritter Brief. (<a href="#page-291">S. 291.</a>) Anfang.</span>
-</h3>
-
-
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-46" id="footnote-46">[46]</a> Dem Nachbar, dem Sie meinen vorigen Brief mitgetheilt haben, ist in
-dem ganzen Zusammenhange desselben nur dasjenige aufgefallen &mdash; melden
-Sie mir, &mdash; was ich über die Hindernisse sagte, welche der Mangel an äusserer
-Freiheit der ästhetischen Bildung in den Weg stellte; er hat geeilt, die
-Anwendung davon auf sein Zeitalter und sein Vaterland zu machen, und wer
-weiss welche gefährliche Einflössungen in meinen Worten gefunden. Ich
-will mich nun seiner Besorgnisse wegen noch deutlicher erklären.
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-In den von Germanen abstammenden Verfassungen Europens &mdash; in den
-slawischen weit weniger; aber bin ich denn verbunden, auch auf diese Rücksicht
-zu nehmen, oder wenn ich in Deutschland schreibe, zu sorgen, dass
-meine Ausdrücke nicht gegen den Kaiser von Marokko oder den Dei von
-Algier verstossen? &mdash; in den germanischen Verfassungen also hat es sich so
-gefügt, dass von Zeit zu Zeit Einzelne von den Unterdrückten unter der Last
-sich aufrichteten, Einzelne aus den unterdrückenden Ständen, durch Zufall
-oder durch freie Wahl, ihr Gewicht verloren oder aufgaben, und beide in
-einen glücklichen Mittelstand zusammenflossen; dadurch das Loos der Unterdrückten
-erleichterten, indem sie ihnen den Raum weiter machten, und auch
-die Sorgen der Unterdrücker mässigten, indem die Zahl derer, die sie zu bewachen
-hatten, sich verminderte. Hierdurch wurde denn auch die sonst unvermeidliche
-Progression der Sklaverei verhindert und die Sachen konnten
-vermittelst des entstandenen Spielraums mehr in der gleichen Lage bleiben,
-wie sie es denn auch, einzelne Zwischenzeiten abgerechnet, denen aber
-bald günstigere folgten, in der That geblieben sind. Aus jenem Mittelstande
-nun muss und wird sich alles Heil entwickeln, das noch über die Menschheit
-kommen soll. Jeder, den das Glück in diesen schönen Stand setzte,
-kehre daher nur sein Auge in sich selbst, ehe er es nach aussen wendet;
-er mache sich selbst frei, ehe er Andere befreien wolle; er erhebe sich zu
-der Denkart, die auf ihr selber ruhend, ihr selbst getreu und in sich ganz
-gerundet, über zeitliche Zwecke und irdische Befürchtungen sich erhebt, und
-nun lasse er den lebendigen Ausdruck dieser Denkart in Wort und Wandel
-auf seine Zeitgenossen wirken, wie er kann; und überlasse es der allmächtigen
-Natur, vor der Jahrtausende sind wie ein Tag, die Saat, die er streut,
-zu entwickeln und zu reifen. Wer diesen Geist nicht hat, der will weder
-sich, noch Andere befreien, sondern er will die Gewalthaber stürzen, um
-selbst an ihre Stelle zu treten, sey&rsquo;s auch unter der Form der Freiheit; er
-will nur die Gestalt der Knechtschaft verändern, &mdash; er drohe nun offenbar
-den Tyrannen, oder er krieche an ihren Stufen, um einen Theil ihrer Gewalt
-zu erschmeicheln, die er zu ertrotzen nicht den Muth hat, und die er kühner
-durch den Erfolg ganz begehren wird. Ein solcher ist fern von der
-wahren Freiheit; denn er hat sich noch nicht von sich selbst befreit. Dies
-ist meine ganze Meinung, und ich mag wohl, dass sie der Nachbar wisse. &mdash;
-</p>
-
-<p class="footnote2">
-In unserem Innern, in welchem wir, wie soeben gefordert wurde, einheimisch
-seyn müssen, wenn eine unserer Wirkungen nach aussen einen
-Werth haben soll, giebt der Sinn für das Aesthetische uns den ersten festen
-Standpunct. Das Genie kehrt darin ein, u. s. w.
-</p>
-
-<h2 class="l2s part" id="part-10">
-<span class="line1">Liste der Unterzeichner</span><br />
-<span class="line2">auf</span><br />
-<span class="line3">Fichte&rsquo;s sämmtliche Werke.</span>
-</h2>
-
-
-<div class="subscribers">
-<table class="subscribers" summary="Subscribers">
-<tbody>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Aachen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. A. Mayer</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Regierungsrath <em>Ritz</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Aarau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Sauerländer</em>sche Sortiments-Buchhandlung</td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>E. Dorer-Egloff</em> in Baden in der Schweiz</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>J. Correvon</em>, officier féderal du Génie in Iverdun.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Bibliothèque cantonale in Lausanne.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Altena.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>P. A. Santz</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Altenburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Schnuphase</em>sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Altona.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>G. Blatt</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Amsterdam.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. G. Sülpke</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>R. E. Bischofsheim</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Arnsberg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>A. L. Ritter</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Ober-Landesgerichts-Referendar <em>Kaupisch</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Aschaffenburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Th. Pergay</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Augsburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Kollmann</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Königl. Studienlehrer <em>J. K. E. Oppenrieder</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Basel.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Schweighauser</em>sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">Oeffentliche Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Joh. Gihr</em> in Liestal.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. G. Neukirch</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Drechsler</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Bautzen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Aug. Weller</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Canonicus Dr. <em>Prihonski</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Berlin.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Adolf u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Amelang</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>R. Haym</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Commerzien-Rath <em>Westphal</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>W. Besser</em></td>
- <td class="col4">5</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Ribbentropp</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; <em>Schrader</em> in Brandenburg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; <em>Dalmer</em> in Halle.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Geh. Rath Dr. <em>Bunsen</em> in London.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Thaulow</em> in Kiel.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Alex. Dunker</em></td>
- <td class="col4">7</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Baron von <em>Richthofen</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Obristlieutenant von <em>Willisen</em>, Flügel-Adjutant des Königs.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Geschichts- und Portraitmaler <em>Mila</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Türrschmidt</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Röstell</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">v. d. <em>Lage</em>, Director des Pädagogiums in Charlottenburg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Enslin</em>&rsquo;sche Sortiments-Buchhandlung</td>
- <td class="col4">4</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Kammergerichts-Referendar <em>Haack</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Stadtschulrath <em>Schulze</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Prediger Dr. <em>Schütze</em> in Lissabon.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Hirschwald</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">K. St. Wladimirsuniversität in Kiew.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>A. H. W. Logier</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Privatdocent Dr. <em>F. A. Märcker</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. S. Mittler</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Postsecretär <em>Kaumann</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Nicolai</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Oehmigke</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Director der höh. Stadtschule <em>Zinnow</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Graf <em>v. Grabowski</em> auf Rodawnitz.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. H. Schröder</em></td>
- <td class="col4">8</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>E. Meyen</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Glaser</em>, Privatdocent.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Graf <em>R. Raczynski</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Reichenow</em> in Charlottenburg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Assessor von <em>Mörner</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">von <em>Neumann</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">von <em>Kudrefzef</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Reinbott</em>, Lehrer am Diesterwegschen Semin.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Jul. Springer</em></td>
- <td class="col4">6</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Prediger <em>Hoyer</em> in Fürstenau.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Baron <em>v. Holtzendorf-Vietmannsdorf</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Fuss</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Siegmund</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Voigtländer</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Assessor <em>Witte</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Veit u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">7</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>H. G. Hotho</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Geheimrath <em>Varnhagen von Ense</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Ober-Appellationsgerichts-Rath <em>Meyer</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>J. Lehmann</em>, Redacteur.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Baumeister <em>W. Hoffmann</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Geheimerath Professor Dr. <em>Böckh</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Prediger Dr. <em>Sachs</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Bern.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Huber u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Privatdocent Dr. <em>Ris</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Bielefeld.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Velhagen u. Klasing</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Gymnasiallehrer Dr. <em>Stahlberg</em> in Herford.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Conrector <em>Wortmann</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Pastor <em>Smidt</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Bonn.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ad. Marcus</em></td>
- <td class="col4">9</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">Die Königl. Universitäts-Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Bibliotheque de l&rsquo;université de Louvain.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Director Dr. <em>Kortegarn</em> in Bonn.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Lassen</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Ober-Consistorial-Rath Professor Dr. <em>Nitzsch</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Privatdocent Dr. <em>Clemens</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Volkmuth</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Erskine</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Buchhändler <em>Marcus</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. Weber</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Mendelssohn</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Brandenburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. J. Wiesike</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">Die Gymnasial-Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Collaborator <em>Döhler</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Braunschweig.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ed. Leibrock</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Hanne</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Bremen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>A. D. Geisler</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. G. Heyse</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Breslau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>F. Aderholz</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Grass, Barth u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Gosohorsky</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Rector <em>Jordan</em> in Trebnitz.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor <em>Braniss</em> in Breslau.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Jos. Max u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">4</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Divisionsprediger Dr. <em>Rhode</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Medicinalrath Dr. <em>Ebers</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Röpell</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Buchhändler <em>Sowade</em> in Pless.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ferd. Hirt</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Brieg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ziegler</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Const. v. Ziegler-Knyphausen</em>, Lieutenant im 22. Infant. Regiment.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Bromberg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. S. Mittler</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Prediger <em>Gessel</em> in Thorn.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Brünn.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>C. Winiker</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Brüssel.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. Muquardt</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor <em>Tandel</em> in Lüttich.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">La Bibliothèque <em>Royale</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Cammin.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Domine u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Puchstein</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Carlsruhe.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Braun</em>&rsquo;sche Hof-Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">das Museum in Carlsruhe.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Georg Holtzmann</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Lehrer <em>Herrmann</em> in Ettlingen.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Cassel.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. J. Bohné</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Kurfürstl. Landesbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Cöln.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>J. u. W. Boisserée</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. Welter</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Cöslin.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. G. Hendess</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Gymnasialbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Constanz.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>W. Meck</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor <em>F. A. Kreuz</em> am Lyceum.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Darmstadt.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>G. Jonghaus</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Grossherzogl. Hessische Hofbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Dessau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. Fritsche</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Dorpat.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Franz Kluge</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Dresden.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Arnold</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>H. M. Gottschalk</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Düsseldorf.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Schaub</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Landesbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Elberfeld.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>J. Löwenstein u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Landesbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Elbing.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Fr. L. Levin</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Director Dr. <em>Herzberg</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Flensburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. C. Korte-Jessen</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Oberlandesgerichts-Advocat <em>Fr. Johannsen</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Buchhändler <em>Korte-Jessen</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Frankfurt a. M.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Jäger</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>W. H. Ackermann</em>, Lehrer a. d. Musterschule.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>W. C. Cartwright</em> Esqu. in London.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. Jügel</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>F. A. Balling</em>, Brunnenarzt in Kissingen.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. D. Sauerländer</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Stadtbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Varrentrapp</em>&rsquo;sche Sortiments-Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Justiz- und Domänenrath Dr. <em>Oelschläger</em> in Regensburg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Freiburg im Breisgau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Lippe u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Pfarrverweser <em>Lump</em> in Riegel.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Genf.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. Kessmann</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Giessen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>G. F. Heyer Sohn</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Universitätsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Stud. <em>Liebknecht</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">das Predigerseminar in Friedberg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. Ricker</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>M. Carrière</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Glatz.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. L. Prager</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Rostock</em>, Prinzl. Oberamtmann in Seitenberg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Glogau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. Flemming</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Lehrerbibliothek des kathol. Gymnasiums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Görlitz.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>G. Köhler</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Geh. Justizrath <em>Blumenthal</em> in Friedersdorf bei Greifenberg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Oberlausitzsche Gesellschaft der Wissenschaften.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Göttingen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Deuerlich</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Hofrath Professor Dr. <em>Ritter</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Götze</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Dunker</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Dietrich</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Vandenhoeck u. Ruprecht</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Cand. d. Theol. <em>Petersen</em> in Hannover.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Gotha.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Carl Glaeser</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Herzogl. öffentliche Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Greifswald.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Otte</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Semisch</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Boström</em> in Upsala.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Halberstadt.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>F. A. Helm</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Halle.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Anton</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">Herrn. Professor Dr. <em>Ulrici</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Lippert u. Schmidt</em></td>
- <td class="col4">4</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Schaller</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Privatdocent Dr. <em>Weissenborn</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Stud. phil. <em>Seifart</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Dalmer</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Rich. Mühlmann</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>C. H. Schwetschke u. Sohn</em></td>
- <td class="col4">5</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Hamburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>F. H. Nestler u. Melle</em></td>
- <td class="col4">4</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Hamburgische Stadtbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2"><em>Osmond de Beauvoir Priaulx</em> (Oxford et Cambridge Clubb).</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Sir <em>William Hamilton</em> in <em>Edinburg</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Perthes, Besser u. Mauke</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Ullrich</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Hamm.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. Wickenkamp</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des Gymnasiums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Hannover.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Hahn</em>&rsquo;sche Hofbuchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die <em>Hahn</em>&rsquo;sche Hofbuchhandlung.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Helwing</em>&rsquo;sche Hofbuchhandlung</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek der Ständeversammlung.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Advocat <em>Ebhardt</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Heidelberg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. Mohr</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Kirchenrath <em>Rothe</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>K. Winter</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Grossherzogl. Hofbibliothek in Carlsruhe.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Pfarrer <em>Sturm</em> in Buch am Ahorn.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Jena.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Fr. Frommann</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Grossherzogl. Hofbibliothek in Weimar.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ihre Durchlaucht die Prinzessin <em>Caroline</em> von Schaumburg-Lippe in Rudolstadt 2 Exempl.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Kiel.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. Akademische Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Candidat <em>Sierck</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Schwers</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Chalybaeus</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Königsberg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Bornträger</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">9</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Königl. akadem. Handbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Königl. Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des Lyceum Hosianum in Braunsberg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Candidat <em>Böttcher</em> in Koewe.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Rosenkranz</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>von Stomczewski</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Sydow</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Conrector <em>Suck</em> in Wehlau.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>K. Lehrs</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Graefe u. Unzer</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Consistorialrath Dr. <em>Lehnerdt</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Divisionsprediger Dr. <em>Toop</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">das Collegium Fredericianum.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. H. Mangelsdorf</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Subrector <em>G. W. A. Wechsler</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Kopenhagen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Eibe</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Gyldendal</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Grosse Königl. Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Akademie in Soröe.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Feilberg</em> und <em>Landmark</em>, Buchhändler in Christiania.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Andr. Fr. Höst</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Mag. Dr. <em>Cronholm</em> in Malmö 2 Exempl.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>H. C. Klein</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>G. Plaug</em>, Cand. phil.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die theologische Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. A. Reitzel</em></td>
- <td class="col4">4</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Krakau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>D. E. Friedlein</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Goleberski</em>, Anwalt beim Tribunal.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Landshut.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Krüll</em>&rsquo;sche Univ. Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Appellationsgerichts-Accessist <em>v. Hessling</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Langensalza.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Körner</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Conrector Dr. <em>Karl Schramm</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Leipzig.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>F. A. Brockhaus</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Dyk</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. L. Fritzsche</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Niedner</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl <em>J. C. Hinrichs</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Stadtbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>K. Fr. Köhler</em></td>
- <td class="col4">4</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Hofrath <em>Otto</em> in Dorpat.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Universitätsbibliothek daselbst</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Jul. Klinkhardt</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. H. Reclam</em> sen.</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Ober-Landesgerichts-Assessor <em>Lobedan</em> in Naumburg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Gymnasiallehrer <em>Passow</em> in Meiningen.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler Gebr. <em>Reichenbach</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>C. Rössler</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ludw. Schreck</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>W. Nemeth</em>, Buchhändler in Kronstadt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Leop. Voss</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Drobisch</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Universitätsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Lemberg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Joh. Millikowsky</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Domvicar <em>Mich. Formanyos</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die <em>Ossolinski</em>&rsquo;sche Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Liegnitz.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. E. Reisner</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Diaconus <em>Peters</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Lintz.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Fr. Eurich u. Sohn</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Stiftsbibliothek in Kremsmünster.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">London.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>A. Asher u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">13</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Williams u. Norgate</em></td>
- <td class="col4">13</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Lübeck.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>von Rohden</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Luxemburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>G. Michaelis</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Pastor <em>Drischel</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Magdeburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>W. Heinrichshofen</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Rector <em>Bracker</em> in Hundisburg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Rubach</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Criminaldirector, Oberlandesger. Rath <em>Fritze</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Stadtbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Mailand.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Joh. Meiners u. Sohn</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Tendler u. Schaefer</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Marchese Gozzani</em> St. Georges in Turin.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Abbate <em>Don Raimondi</em> in Mailand.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Marburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Bayrhoffer</em>&rsquo;sche Universitätsbuchhandlung</td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Kurfürstl. Universitätsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Bayrhoffer</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Franz Vorländer</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>N. G. Elwert</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Marienwerder.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Alb. Baumann</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Oberlandesgerichts-Rath <em>Scherres</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek der Königl. Regierung.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des Königl. Gymnasiums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. Levysohn</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Referendar <em>Döring</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Meiningen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>W. Blum</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Kesselring</em>&rsquo;sche Hofbuchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Herzogl. öffentliche Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Mitau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>G. A. Reyher</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Strümpell</em> in Dorpat.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">München.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Literarisch-artistische Anstalt</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Georg Franz</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des Oberconsistoriums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Palm</em>&rsquo;sche Hofbuchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Königl. Hof- u. Staatsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Münster.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Wundermann</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Regimentsarzt Dr. <em>Rudolph</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Theissing</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Neisse.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>F. Burckhardt</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Graf <em>von Reichenbach</em> auf Waltdorf.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Nordhausen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Büchting</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>F. Förstemann</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>M. L. von Eberstein</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Nürnberg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. A. Stein</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Gymnasialbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Oldenburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Schulze</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Grossherzogl. Oldenburgische Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Paris.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>A. Frank</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Degetau u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Rehfeld</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Klincksieck</em></td>
- <td class="col4">6</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Georg Herwegh</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">la Bibliothèque Royale.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Victor Cousin</em>, Pair de France.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Ad. Lafont de Ladebas</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Lerminier</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Verny</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Pesth.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Gust. Emich</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Stancsics Mihaly</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. Geibel</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. A. Hartleben u. Altenburger</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor <em>August v. Széchy</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Director <em>Cyrill von Horváth</em> in Szegedin.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">K. K. Kämmerer Graf <em>v. Zichy</em> in Láng.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Gust. Heckenast</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">K. K. Major <em>Bein</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Kilian u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die K. K. Universitätsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Marton</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Kilian</em> sen. u. <em>Weber</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Bartholomäus von Fischer</em>, Profess. der Moral und Theologie.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>Jos. von Urmenyi</em>, Königl. Rath und Obergespann.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3"><em>von Adamowics</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Petersburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Eggers u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">wirkl. Staatsrath <em>v. Kranichfeld</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Posen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>E. S. Mittler</em></td>
- <td class="col4">4</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Regierungs-Assessor <em>Duncker</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Edler</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Besser</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Consistorialrath <em>Kissling</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler Gebr. <em>Scherk</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Zupaíski</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Potsdam.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ferd. Riegel</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Braueigner <em>Müller</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Stuhr</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Prag.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Borrosch u. André</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Exner</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ehrlich</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Candidat der Medicin <em>Springer</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Smetana</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Kronberger u. Rziwnatz</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Bolzano</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Presburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. Fr. Wigand</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Quedlinburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Ernst</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Geheimerath <em>Hertel</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Reichenbach.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Fr. George</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Candidat <em>Peinert</em> in Olbersdorf.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Riga.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. Deubner</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Pastor Dr. <em>Martin Berkholz</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Bürgermeister Ritter <em>v. Timm</em>, Magnificenz.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>N. Kymmel</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Rostock.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>F. L. Schmidtchen</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Schmidt</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Stiller</em>&rsquo;sche Hofbuchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Grossherzogl. Universitätsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Schaffhausen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Hurter</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Decan <em>Benker</em> in Diessenhofen.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Schwäbisch-Hall.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Nitschke</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Schweidnitz.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. F. Weigmann</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Solothurn.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>L. Jent</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Professorenbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Speyer.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>F. C. Neidhard</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des K. Gymnasiums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Stettin.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>L. Saunier</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des Königl. Gymnasiums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">St. Gallen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. P. Scheitlin</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Stiftsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Stockholm.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>F. Bonnier</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Strasburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Treuttel u. Würtz</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des protestantischen Seminars.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Colany</em>, Candidat der Theologie.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Levrault</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor <em>Willm</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Stuttgart.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Beck u. Fränkel</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Fr. H. Köhler</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Diaconus <em>Kornbeck</em> in Marbach.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>J. B. Metzler</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3"><em>Alexander Simon</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Paul Neff</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Rechtsconsulent Dr. <em>Steudel</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Königl. Handbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Rommelsbacher</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Königl. öffentl. Bibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Thorn.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>E. Lambeck</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Trier.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Lintz</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Ober-Amtmann <em>Sulz</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Montigny</em>, Lehrer am Gymnasium.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Tübingen.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>L. F. Fues</em></td>
- <td class="col4">8</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die K. Universitätsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die K. Seminarbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Reiff</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i5">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Stud. theol. <em>Jaeger</em>, im Stift</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i5">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Schuster</em>, im Stift.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i5">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Schnitzer</em>, im Stift.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i5">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Fricker</em>, im Stift.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i5">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">&mdash; &mdash; <em>Koestlin</em>, im Stift.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Zu Guttenberg</em>&rsquo;sche Sortimentsbuchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Pfarrer <em>Zotz</em> in Ahldorf.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Ulm.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Stettin</em>&rsquo;sche Sortimentsbuchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Rechtsconsulent Dr. <em>Göritz</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Utrecht.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Kemink u. Sohn</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Wien.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Fr. Beck</em>&rsquo;sche Univ. Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Braumüller u. Seidel</em></td>
- <td class="col4">16</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>C. Gerold u. Sohn</em></td>
- <td class="col4">6</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. G. Heubner</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Abt <em>Altmann</em> zu Goettweil.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Jasper</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Kaulfuss Ww., Prandel u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Mörschner&rsquo;s Ww. u. Bianchi</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>P. Rohrmann</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die K. K. Hofbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">die K. K. Universitätsbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Dworzak</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Schaumburg u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Baron <em>Nicolaus Mattencloit</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. Fr. <em>Volke</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Hofrath <em>v. Witteczek</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>J. B. Wallishauser</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Baron <em>v. Locella</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Wimmer, Schmidt u. Leo</em></td>
- <td class="col4">3</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. med. <em>Lederer</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Edler <em>von Hasner</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i4">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="2">Ungenannt.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Wiesbaden.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Friedrich</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Herzogl. Nassauische öffentl. Landesbibliothek.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>C. W. Kreidel</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Collaborator <em>Seyberth</em> in Weilburg.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Wittenberg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Zimmermann</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek des Gymnasiums.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Würzburg.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Löbl. <em>Stahel</em>&rsquo;sche Buchhandlung</td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Rector Professor Dr. <em>Franz Hoffmann</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Ludw. Stabel</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Rechtspraktikant Dr. <em>Reder</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Züllichau.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>H. Sporleder</em></td>
- <td class="col4">1</td>
- </tr>
- <tr class="i2">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2" colspan="2">die Bibliothek der Realschule in Meseritz.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="c">
- <td class="col1" colspan="4">Zürich.</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Meyer u. Zeller</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Dr. <em>Mager</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Professor Dr. <em>Bobrich</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herren Buchhändler <em>Orell, Füssli u. Comp.</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="l">
- <td class="col1" colspan="3">Herr Buchhändler <em>Fr. Schulthess</em></td>
- <td class="col4">2</td>
- </tr>
- <tr class="i">
- <td class="col1">für:</td>
- <td class="col2">Herrn</td>
- <td class="col3">Regierungsrath <em>Hotz</em> in Balchrist.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
- <tr class="i3">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&mdash;</td>
- <td class="col3">Vicar <em>Fries</em>.</td>
- <td class="col4">&nbsp;</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<p class="vspace6">
-&nbsp;
-</p>
-
-<div class="ads">
-<p class="hdr1">
-Johann Gottlieb Fichte&rsquo;s
-</p>
-
-<p class="noindent">
-von seinem Sohne herausgegebene sämmtliche Werke liegen
-nun vollständig in <b>acht Bänden</b> dem Publicum vor. Der Umfang
-des Ganzen beträgt gegen 300 Bogen und den <b>Preis
-von 15 Thalern</b> lassen wir vorläufig fortbestehen.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Die Abtheilungen der Gesammtwerke werden auch besonders
-verkauft, und zwar:
-</p>
-
-<table class="prices" summary="Table-5">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1"><b>1) Erste Abtheilung.</b> Zur theoretischen Philosophie. Band I. und II.</td>
- <td class="col2">Thlr. 5.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><b>2) Zweite Abtheilung. A.</b> Zur Rechts- und Sittenlehre. Band III. und IV.</td>
- <td class="col2">Thlr. 5.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><b>3) Zweite Abtheilung. B.</b> Religionsphilosophische Schriften. Band V.</td>
- <td class="col2">Thlr. 2&#8531;.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1"><b>4) Dritte Abtheilung.</b> Populär-philosophische Schriften. Band VI., VII. und VIII.</td>
- <td class="col2">Thlr. 6.</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Einer ganz besondern Verbreitung fähig sind namentlich
-die <em class="gesperrt">Zweite Abtheilung</em> B. (3) und die <em class="gesperrt">Dritte</em> (4), welche
-in die politische und religiöse Bewegung der Gegenwart so
-unmittelbar eingreifen, dass kein denkender Beobachter der
-Zeit sie ungelesen lassen darf. In den genannten Abtheilungen
-ist <em class="gesperrt">Fichte</em> weniger speculativer Philosoph als begeisterter
-Volksredner, der nächst Luther und Lessing das kräftigste
-Deutsch geschrieben hat. Diese vier Bände wird Niemand
-entbehren können, <em class="gesperrt">der die deutschen Classiker
-in seiner Bibliothek vereinigen will</em>.
-</p>
-
-<p class="hdr2">
-Die zweite Abtheilung B. enthält:
-</p>
-
- <div class="abt23">
-<p>
-Aphorismen über Religion und Deismus, aus dem Jahre 1790.
-</p>
-
-<p>
-Versuch einer Kritik aller Offenbarung, 1792.
-</p>
-
-<p>
-Ueber den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung,
-1798.
-</p>
-
-<p>
-Appellation an das Publicum gegen die Anklage des Atheismus, 1799.
-</p>
-
-<p>
-Gerichtliche Verantwortung gegen die Anklage des Atheismus, 1799.
-</p>
-
-<p>
-Rückerinnerungen, Antworten, Fragen. (Ungedruckt, aus dem Anfange
-1799).
-</p>
-
-<p>
-Aus einem Privatschreiben, im Jänner 1800.
-</p>
-
-<p>
-Die Anweisung zum seligen Leben, oder auch die Religionslehre, 1806.
-</p>
-
- </div>
-<p class="hdr2">
-Die dritte Abtheilung enthält:
-</p>
-
- <div class="abt23">
-<p>
-Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europens, die sie
-bisher unterdrückten, 1793.
-</p>
-
-<p>
-Beiträge zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische
-Revolution, 1793.
-</p>
-
-<p>
-Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 1794.
-</p>
-
-<p>
-Ueber das Wesen des Gelehrten, und seine Erscheinungen im Gebiete
-der Freiheit, 1805.
-</p>
-
-<p>
-Ueber die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit, 1812.
-</p>
-
-<p>
-Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 1804.
-</p>
-
-<p>
-Reden an die deutsche Nation, 1808.
-</p>
-
-<p>
-Anhang zu den Reden an die deutsche Nation, geschrieben im Jahre 1806. (Ungedruckt).
-</p>
-
-<p>
-Politische Fragmente aus den Jahren 1807 und 1813. (Ungedruckt).
-</p>
-
-<p class="i1">
-A. Bruchstücke aus einem unvollendeten politischen Werke vom Jahre 1806-7.
-</p>
-
-<p class="i2">
-1) Episode über unser Zeitalter.
-</p>
-
-<p class="i2">
-2) Die Republik der Deutschen.
-</p>
-
-<p class="i1">
-B. Aus dem Entwurfe einer politischen Schrift im Jahre 1814.
-</p>
-
-<p class="i1">
-C. Excurse zur Staatslehre, 1813.
-</p>
-
-<p class="i2">
-1) Ueber Errichtung des Vernunftreiches.
-</p>
-
-<p class="i2">
-2) Ueber Zufall, Loos, Wunder.
-</p>
-
-<p class="i2">
-3) Ueber die Ehe, den Gegensatz von altem und neuen Staate und Religion u. s. w.
-</p>
-
-<p>
-Nicolai&rsquo;s Leben und sonderbare Meinungen, 1801.
-</p>
-
-<p>
-Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, 1807.
-</p>
-
-<p class="i2">
-Beilagen zum Universitätsplane (Ungedruckt):
-</p>
-
-<p class="i3">
-a. Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an einer deutschen Universität, 1805.
-</p>
-
-<p class="i3">
-b. Rede bei einer Ehrenpromotion an der Universität zu Berlin, am 16. April 1811.
-</p>
-
-<p>
-Vermischte Aufsätze:
-</p>
-
-<p class="i1">
-A. Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdruckes, ein Räsonnement und eine Parabel, 1791.
-</p>
-
-<p class="i1">
-B. Zwei Predigten aus dem Jahre 1791 (Ungedruckt).
-</p>
-
-<p class="i1">
-C. Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie, 1794.
-</p>
-
-<p class="i1">
-D. Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache, 1795.
-</p>
-
-<p class="i1">
-E. Ueber Belebung und Erhöhung des Interesse an Wahrheit, 1795.
-</p>
-
-<p class="i1">
-F. Aphorismen über Erziehung, 1804 (Ungedruckt).
-</p>
-
-<p class="i1">
-G. Bericht über die Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben, 1806 (Ungedruckt).
-</p>
-
-<p>
-Recensionen von:
-</p>
-
-<p class="i1">
-A. Creuzers skeptischen Betrachtungen über die Freiheit des Willens, 1793.
-</p>
-
-<p class="i1">
-B. Gebhard über sittliche Güte, 1793.
-</p>
-
-<p class="i1">
-C. Kant zum ewigen Frieden, 1796.
-</p>
-
-<p>
-Poesien und metrische Uebersetzungen:
-</p>
-
-<p class="i1">
-A. Das Thal der Liebenden, Novelle, 1786 (Ungedruckt).
-</p>
-
-<p class="i1">
-B. Kleinere Gedichte, (meist ungedruckt).
-</p>
-
-<p class="i1">
-C. Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Italiänischen, (meist ungedruckt).
-</p>
-
- </div>
-<p class="sign">
-<b>Veit &amp; Comp.</b>
-</p>
-
-</div>
-
-
-<div class="trnote">
-<p id="trnote" class="part"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p>
-Fußnoten wurden am Ende der jeweiligen Kapitel gesammelt.
-</p>
-
-<p class="html-only">
-Die Seitennummern der Vorlage werden am rechten Rand gezeigt. Für einen Teil der
-Texte weist die Vorlage auch die Seitennummern der jeweiligen Originalpublikationen
-aus. Diese werden am linken Rand gezeigt.
-</p>
-
-<p>
-Die »Liste der Unterzeichner auf Fichte's sämmtliche Werke« wurde vom
-Anfang an das Ende des Buches verschoben.
-</p>
-
-<p class="handheld-only">Im Original
-g&nbsp;e&nbsp;s&nbsp;p&nbsp;e&nbsp;r&nbsp;r&nbsp;t
-hervorgehobener Text wurde in einem <em class="gesperrt">anderen Schriftstil</em> markiert.
-</p>
-
-<p>
-Die variierende Schreibweise des Originales wurde weitgehend
-beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert
-wie hier aufgeführt (vorher/nachher):
-</p>
-
-<ul>
-
-<li>
-... ihm &mdash; sein <span class="underline">Geschichtschreiber</span> sagt dies an seiner Urne mit ...<br />
-... ihm &mdash; sein <a href="#corr-1"><span class="underline">Geschichtsschreiber</span></a> sagt dies an seiner Urne mit ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... nicht eine <span class="underline">ansgemachte</span> Wahrheit unter allen alten Schriftstellern ...<br />
-... nicht eine <a href="#corr-2"><span class="underline">ausgemachte</span></a> Wahrheit unter allen alten Schriftstellern ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... <span class="underline">Resensionen</span> herumblättern will, wird auf die oben angeführten Aeusserungen ...<br />
-... <a href="#corr-3"><span class="underline">Recensionen</span></a> herumblättern will, wird auf die oben angeführten Aeusserungen ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Oder hat etwa das deutsche Publicum <span class="underline">bisjetzt</span> in allem ...<br />
-... Oder hat etwa das deutsche Publicum <a href="#corr-4"><span class="underline">bis jetzt</span></a> in allem ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... noch <span class="underline">auschaulicher</span> zu machen: &mdash; Der Stoff, welchen der Meister ...<br />
-... noch <a href="#corr-5"><span class="underline">anschaulicher</span></a> zu machen: &mdash; Der Stoff, welchen der Meister ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... sich verleiten, dem <span class="underline">Widerspuche</span> zu widersprechen, so müsste ...<br />
-... sich verleiten, dem <a href="#corr-6"><span class="underline">Widerspruche</span></a> zu widersprechen, so müsste ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... als den üblichen Fleiss <span class="underline">uud</span> Berufstreue gerechnet werden; indem ...<br />
-... als den üblichen Fleiss <a href="#corr-7"><span class="underline">und</span></a> Berufstreue gerechnet werden; indem ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem <span class="underline">geinschaftlichen</span> ...<br />
-... wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem <a href="#corr-8"><span class="underline">gemeinschaftlichen</span></a> ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... oder Relegation, oder <span class="underline">dess</span> etwas stattfinde. Durch die ...<br />
-... oder Relegation, oder <a href="#corr-9"><span class="underline">dass</span></a> etwas stattfinde. Durch die ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... möchten auch an diese Lehrer für diese <span class="underline">eigenlich</span> nicht im ...<br />
-... möchten auch an diese Lehrer für diese <a href="#corr-10"><span class="underline">eigentlich</span></a> nicht im ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... noch zeugen kann, und die <span class="underline">Kiuder</span> dieser Kinder: und ziehe ...<br />
-... noch zeugen kann, und die <a href="#corr-11"><span class="underline">Kinder</span></a> dieser Kinder: und ziehe ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Es sagen zwar freilich <span class="underline">verleumderiche</span> Zungen, dass das ...<br />
-... Es sagen zwar freilich <a href="#corr-12"><span class="underline">verleumderische</span></a> Zungen, dass das ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das <span class="underline">einige</span> Unabhängige ...<br />
-... Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das <a href="#corr-13"><span class="underline">einzige</span></a> Unabhängige ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... gelernten Zeichen nachher auch in seiner <span class="underline">Famile</span>. ...<br />
-... gelernten Zeichen nachher auch in seiner <a href="#corr-14"><span class="underline">Familie</span></a>. ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und <span class="underline">werpen</span> ...<br />
-... mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und <a href="#corr-15"><span class="underline">werden</span></a> ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... so <span class="underline">gerinfügig</span> der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im ...<br />
-... so <a href="#corr-16"><span class="underline">geringfügig</span></a> der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... fest, frei und kühn <span class="underline">au</span> jede Untersuchung mich wagen darf, ...<br />
-... fest, frei und kühn <a href="#corr-17"><span class="underline">an</span></a> jede Untersuchung mich wagen darf, ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... einer höheren <span class="underline">Giückseligkeit</span>, ein geheimes Verlangen, auf dem ...<br />
-... einer höheren <a href="#corr-19"><span class="underline">Glückseligkeit</span></a>, ein geheimes Verlangen, auf dem ...<br />
-</li>
-</ul>
-</div>
-
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-
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-<pre>
-
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-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Sämmtliche Werke 8: Vermischte
-Schriften und Aufsätze, by Johann Gottlieb Fichte
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÄMMTLICHE WERKE 8: ***
-
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