diff options
| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-05 16:56:08 -0800 |
|---|---|---|
| committer | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-05 16:56:08 -0800 |
| commit | 5b1b21e0d07cc7333abb0f89e1be1843481fea4f (patch) | |
| tree | eb8cf9f30b776182a6666337197412b46975a3d3 | |
| parent | 3617f2272d5644c336940ab127dbaf83109f7252 (diff) | |
| -rw-r--r-- | .gitattributes | 4 | ||||
| -rw-r--r-- | LICENSE.txt | 11 | ||||
| -rw-r--r-- | README.md | 2 | ||||
| -rw-r--r-- | old/51586-0.txt | 18465 | ||||
| -rw-r--r-- | old/51586-0.zip | bin | 417312 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h.zip | bin | 1121530 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/51586-h.htm | 20097 | ||||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/cover.jpg | bin | 43764 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-086_a.jpg | bin | 72546 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-086_b.jpg | bin | 46284 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-120.jpg | bin | 77881 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-138.jpg | bin | 95403 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-172.jpg | bin | 45078 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-187.jpg | bin | 34333 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-188.jpg | bin | 83833 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-190.jpg | bin | 61994 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/illus-193.jpg | bin | 99840 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/51586-h/images/signet.jpg | bin | 24028 -> 0 bytes |
18 files changed, 17 insertions, 38562 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..6bb3ef1 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #51586 (https://www.gutenberg.org/ebooks/51586) diff --git a/old/51586-0.txt b/old/51586-0.txt deleted file mode 100644 index 8c59611..0000000 --- a/old/51586-0.txt +++ /dev/null @@ -1,18465 +0,0 @@ -The Project Gutenberg EBook of Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen -aus Religion, Philosophie und Naturerkenntn, by Max Bernhard Weinstein - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis - -Author: Max Bernhard Weinstein - -Release Date: March 28, 2016 [EBook #51586] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELT- UND LEBENANSCHAUUNGEN *** - - - - -Produced by Mark C. Orton, Knujon Mapson, Reiner Ruf, and -the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription: - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1910 erschienenen Buchausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung - und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend - korrigiert. Verschiedene Schreibweisen, insbesondere hinsichtlich - Bindestrichen und Akzenten, sowie der Verwendung von Apostrophen - beim ‚Genitiv-s‘ wurden hingegen dem Originaltext gemäß belassen. - - Text in Fettdruck wird durch _Unterstriche_ dargestellt, gesperrte - Passagen werden durch ~Tilden~ hervorgehoben. Kapitälchen dienen - nur zu dekorativen Zwecken auf der Titelseite und werden deshalb - als gewöhnliche Groß- und Kleinbuchstaben wiedergegeben. - - #################################################################### - - - - WELT- UND - LEBENANSCHAUUNGEN - - HERVORGEGANGEN AUS - - RELIGION, PHILOSOPHIE - UND NATURERKENNTNIS - - VON - - PROF. Dr. _MAX B. WEINSTEIN_ - - [Illustration] - - LEIPZIG - VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH - 1910 - - - - - Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig - - - - -Vorwort. - - -Wer sich mit einem Gegenstande lange und eifrig beschäftigt hat, -hegt unwillkürlich den Wunsch, die Ergebnisse seines Studiums und -Nachdenkens zu ordnen und für die Dauer festzuhalten. So habe ich -dieses Buch nicht bloß für den Leser, sondern auch für mich selbst -geschrieben, und darum wird es bei aller Objektivität, die eine -wissenschaftliche Veröffentlichung selbstverständlich auszeichnen muß, -doch auch den Eindruck des Persönlichen machen. Über die Anschauungen -von der Welt, und auch über die vom Leben, ist schon viel geschrieben; -das Thema ist ja für Laien und Gelehrte wichtig und interessant genug. -Ich glaube aber, daß noch kein Buch vorhanden ist, das die Aufgabe -von so allgemeinen Gesichtspunkten und in so umfassender Darstellung -behandelt, wie das vorliegende. Meist sind es Ausschnitte aus einzelnen -Gedankengebieten der Völker und Forscher, die geboten werden, entweder -vom Standpunkte des Anthropologen, oder des Gottesgelehrten, oder -des Philosophen und des Naturforschers. Ich habe es versucht, alles -in eins zusammenzufassen, Anthropologie, Religion, Philosophie und -Naturwissenschaft, denn nur aus einer Darstellung des Ganzen wird man -das Bedeutungsvolle des Gegenstandes zu übersehen und das Einzelne -zu würdigen vermögen. Und nicht nur das ist von Interesse, was -Große denken und sagen, sondern auch, was Völker, selbst in ihrem -Naturzustande, erdichten und zur Richtschnur ihres Lebens in sich -und mit Anderen machen. Es sind wunderliche und wunderbare Bilder, -die kaleidoskopisch an uns vorüberziehen. Es handelt sich aber, wie -ich, um Mißverständnissen vorzubeugen, hervorheben muß, nicht um eine -Geschichte, sondern um eine Schilderung der Anschauungen selbst. -Darum ist der Inhalt, wie ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis lehrt, -durchaus nur sachlich geordnet, und wo Raum und Zeit zu entscheiden -scheinen, hat sich dieses im Rahmen des Tatsächlichen von selbst -eingestellt. Darum sind auch nur die Hauptmomente behandelt, und -sollte ein Leser den einen oder anderen Namen vermissen, so hat der -Verfasser ein Besonderes, das sich an diesen Namen für seine besondere -Aufgabe knüpft, nicht feststellen können. Manche glauben, daß ein -Verfasser, was er nicht sagt, auch nicht weiß und nicht gedacht hat. -Es wäre beschämend, wenn man nicht unendlich viel mehr wüßte und -dächte, als man in seinen Büchern, so zahlreich sie schon sein mögen, -niedergelegt hat. Aber es ist nicht angängig, alles, was man weiß und -denkt, weiterzugeben, denn man muß auch den Leser berücksichtigen. Auch -ist zwar vielfach das Leben lang genug das wichtigste zu lernen, aber -leider allzu kurz, was man möchte, zu schaffen. - -Ich habe eine rein wissenschaftliche Darstellung gewählt, denn die -Anschauungen sind nicht bloß geschildert, sondern aufs sorgfältigste -zergliedert und auf ihren Wert untersucht. Auch sind sie von der hohen -Warte des allgemeinen Menschengeistes und des großen Wissens unserer -Zeit betrachtet. Wer über Welt- und Lebenanschauungen umfassend -schreiben will, muß sich nicht allein mit der Arbeit der Vergangenheit -vertraut machen, sondern sich auch in die Strömungen der Gegenwart -versenken können, und bedarf außerordentlich eingehender Kenntnisse -auf allen Gebieten der menschlichen Betätigung. Der Leser soll -unterrichtet werden, und zwar sorgfältig und richtig, nicht, wie es -durch so viele populäre Werke leider geschieht, oberflächlich oder -gar falsch. Außerdem soll er zum eigenen weiteren Denken angeregt und -angeleitet werden. Bereicherung mit Kenntnissen und Ideen, Bereicherung -mit geistigem Streben ist die Aufgabe eines wissenschaftlichen Buches. -Trotz des großen Ernstes der Behandlung und der sehr erheblichen -Schwierigkeit der Materie wird die Darstellung, wie ich hoffe, als klar -und einer guten Prosa angemessen befunden werden. Ich bin keiner noch -so tiefgründigen Untersuchung aus dem Wege gegangen, habe jedoch, wo -Sonderkenntnisse erforderlich waren, diese stets mitgeteilt. Kritik -ist fast auf jeder Seite geübt, ich habe mich bestrebt Objektivität -und Ruhe des Urteils zu wahren. Das Buch ist für den Fachmann und für -den Gebildeten, überhaupt für jeden, der sich auf dem wichtigsten -Gebiete des menschlichen Denkens und Dichtens unterrichten will, -geschrieben. Das Persönliche kommt in der Darstellungsweise und in der -Geltendmachung der eigenen Meinungen und Anschauungen zum Vorschein. -Ich habe vor längerer Zeit zwei Bücher geschrieben, auf die ich mich -oft berufe: „Philosophische Grundlagen der Wissenschaften“ und „Die -Entstehung der Welt und der Erde nach Sage und Wissenschaft“. Mit dem -vorliegenden Buche bilden diese Bücher, wenn auch jedes für sich ein -selbständiges Ganze darstellt, eine höhere Einheit, die ich freilich -noch gern durch ein Buch über das Leben selbst ergänzen möchte. Bei -aller Sorgfalt ist es in umfangreichen Werken nicht immer möglich, -Unebenheiten und Versehen zu vermeiden. Ein Herr aus Frankreich hat -mich auf eine Stelle in den „Philosophischen Grundlagen“ aufmerksam -gemacht, die ich, einem so geschmackvollen und liebenswürdigen Volke -gegenüber, wie das französische in der Tat gerne nicht geschrieben -haben möchte. - -Die wichtigeren Werke, die ich bei Abfassung meines Buches verwendet -habe, sind in diesem Buche selbst verzeichnet. Wo es mir nur irgend -möglich war, habe ich mich an die Originale gehalten; benutzte ich -bei fremden Sprachen zur Erleichterung Übersetzungen, so paßte -ich sie möglichst dem Wortlaut der Originale an. Es ist schon ein -melancholisches Geschäft, aus Arbeiten Anderer Auszüge zu machen, aber -abstoßend langweilig, Auszüge auszuziehen. Ich habe letzteres nur -notgedrungen getan, wo mir die Originale nicht zur Verfügung standen -oder die Sprache mir doch verschlossen war. Abbildungen enthält nur -der erste Teil des Buches, die übrigen Teile boten keinen Anlaß, sie -zu schmücken. Ein sehr eingehendes Inhaltsverzeichnis und Namen- und -Sachregister wird, hoffe ich, die Brauchbarkeit des Buches auch zum -Nachschlagen erhöhen. Beim Lesen der Korrekturen hat mich mein Freund, -der Lehrer an der Berliner Baugewerkschule Dr. ~Levy~, formell und -sachlich unterstützt. Ihm und der Verlagsbuchhandlung, die viel Mühe -mit dem Buche gehabt und für eine würdige Ausstattung gesorgt hat, -meinen besten Dank. Möchte der Leser das Buch so gern lesen, wie der -Verfasser es gern und aus dem Innern heraus geschrieben hat. - - ~Charlottenburg~, im Mai 1910. - - _Weinstein_. - - - - -Inhaltsverzeichnis. - - - ~Vorwort~ III - - ~Vorbemerkungen~. Charakteristik, Prinzipe und Einteilung - der Welt- und Lebenanschauungen. - - 1. ~Bedeutung der Welt- und Lebenanschauungen~ 1 - - Ursprung 1. -- Verhalten der Menschen 2. - - 2. ~Naturvölker und Kulturvölker~ 4 - - Schwierigkeiten bei den Naturvölkern 4. -- Schwierigkeiten - bei den Kulturvölkern 6. - - 3. ~Hauptfragen und Stammannahmen~ 7 - - Formulierung der Hauptfragen 7. -- Liste der Stammannahmen 9. - - 4. ~Vergleichung der Anschauungen, Parallelen~ 10 - - Gleichartigkeit der Menschheit 10. -- Beispiele für Parallelen - 12. -- Völkerzusammenhänge 13. - - 5. ~Einteilung der Welt- und Lebenanschauungen~ 13 - - Formelle Einteilung 13. -- Sachliche Einteilung 14. - - - Erstes Buch. Psychisch-religiöse Welt- und Lebenanschauungen. - - - Erstes Kapitel. Anschauungen der Naturvölker. - - 6. ~Irdisch-menschliche Anschauungen~ 16 - - Irdischer Standpunkt des Naturmenschen 16. -- Übertragung - auf das Himmlische und Kosmogonische 17. -- Naturmenschlicher - Egoismus und Unverstand 22. - - 7. ~Über den Ursprung der Religionen, Vorläufiges~ 23 - - Bedeutung und Entstammung der Religion 23. -- Ursprung - aus der Sprache 24. -- Religionsstufen 27. -- Ursprung aus der - Macht 28. -- Ursprung aus dem Kategorischen 29. -- Ursprung - aus Offenbarung 30. -- Ursprung aus Lehre 31. -- Verschiedene - Ursprungsmöglichkeiten 31. - - 8. ~Allgemeine Belebung~ 32 - - Wie der Naturmensch überall Leben sieht 32. -- Behandlung - der Gegenstände als lebende 35. - - 9. ~Seele und Beseelung, Animismus, Fetischismus~ 36 - - Entdeckung der Seele 36. -- Art der Seele 37. -- Beseelung der - Gegenstände, Fetischismus, Animismus 39. -- Verhalten der - Seele 40 -- Die Seele und der Tote 41. - - 10. ~Schamanismus, Totemismus, Seelen-, Ahnenkult~ 43 - - Freiheit der Seele vom Körper 43. -- Die Seele als Gegenstand - 44. -- Seelen- und Ahnenkult 46. -- Tierseelen 47. - - 11. ~Geister- und Dämonenglaube, Götzendienst~ 48 - - Tabuismus 48. -- Götzen und Götzendienst 48. -- Vergottete - Gegenstände 50. -- Vergottete Menschen 52. - - 12. ~Zauberwesen~ 53 - - Beschwörungen 53. -- Spuk und Überlebsel 55. - - 13. ~Höhere Anschauungen bei Naturvölkern~ 56 - - Götterglaube, Mythologie 56. -- Höhere Gottheiten 57. -- - Höhere theogonische und kosmogonische Ideen der Ozeanier 62. - - 14. ~Seele und Jenseits bei den Naturvölkern~ 71 - - Unterhaltung und Vernichtung der Seelen 71. -- Aufenthalt - der Seelen, Jenseits 72. -- Totenvögel, Totenkähne u. ä. 73. -- - Totenwanderung 75. -- Polynesische Hölle 76. -- Schicksal - der Seele 77. -- Resurrektion 79. - - - Zweites Kapitel. Religiöse Welt- und Lebenanschauungen - der Kulturvölker. - - 15. ~Die Kulturvölker als Naturvölker~ 80 - - Wann begann die Kultur? 80. -- Unterschied zwischen Kultur- - und Naturvölkern 82. - - 16. ~Allgemeine Religionsanschauungen bei den Kulturvölkern - im Kreise der Menschheit~ 83 - - Begriff des Wilden 83. -- Höhere Anschauungen aus - Naturanschauungen 84. -- Anschauungen der Littauer, Preußen und - Slawen 85. -- Anschauungen der Germanen 88. -- Anschauungen - der Kelten 94. -- Anschauungen der Griechen und Römer 95. -- - Anschauungen der Ägypter 100. -- Anschauungen der Hebräer 106. - -- Anschauungen der Phönizier 108. -- Anschauungen der - Babylonier und Assyrier 108. -- Anschauungen der Eranier 110. - -- Anschauungen der Indier 113. -- Anschauungen der Chinesen, - Tibetaner und Japaner 120. -- Anschauungen der amerikanischen - Kulturvölker 124. - - 17. ~Polytheistische, henotheistische und antagonistische - Anschauungen~ 127 - - Die Gottheiten des Polytheismus 127. -- Gegenstandsgottheiten - und Gottheiten über Gegenstände 128. -- Schöpfer und Leiter - 131. -- Schicksalsgottheiten 136. -- Ethische Gottheiten 138. - -- Begriffsgottheiten 140. -- Henotheismus 144. -- - Antagonistische Gottheiten 148. - - 18. ~Monotheistische Anschauungen~ 151 - - Entstehung des Monotheismus 151. -- Monotheistische - Unterströmungen 153. - - 19. ~Anschauungen von Welt, Menschheit und - Weltkatastrophen~ 155 - - Entstehung von Welt und Menschheit 155. -- Paradies und - Sündenfall 159. -- Flutsagen 161. -- Weltuntergang 166. -- - Messiasidee 169. - - 20. ~Weltbau~ 170 - - Stellung der Erde 170. -- Gestaltung der Welt 171. - - 21. ~Leben und Gottheit~ 182 - - Zufall, Freiheit usf. 182. -- Menschenschicksal und Götterneid - 184. -- Lebensweisheit 186. -- Orakel und Beschwörungen - 189. -- Glückliche und unglückliche Tage 191. - - 22. ~Nachleben und Jenseits (Eschatologie) der Kulturvölker~ 192 - - Naturmenschliches 192. -- Eschatologie der Hebräer 192. -- - Eschatologie der Babylonier und Assyrier 196. -- Eschatologie - der Ägypter 198. -- Eschatologie der Eranier 202. -- - Eschatologie der Griechen und Römer 203. -- Eschatologie der - Germanen 206. -- Eschatologie der Kelten 208. -- Eschatologie - der Mohammedaner 208. -- Eschatologie der Chinesen und - Japaner 210. - - 23. ~Seelenwanderung und Wiederbekörperung~ 211 - - Anschauungen der Indier 211. -- Anschauungen des Buddhismus - 214. -- Anschauungen der Eranier 216. -- Anschauungen - der Kelten 216. -- Anschauungen der Pythagoräer und Platons - 217. -- Anschauungen des Lao-tsse 220. - - 24. ~Seele und Unsterblichkeit, Leben-Reihe~ 220 - - Unterteilung der Seele 220. -- Worauf sich die Unsterblichkeit - bezieht 223. -- Leben-Reihe 224. - - - Zweites Buch. Philosophisch-deistische und theosophische - Anschauungen. - - - Drittes Kapitel. Pandeistische und Panpsychistische - Anschauungen. - - 25. ~Pandeistische Anschauungen~ 227 - - Ägypter 228. -- Indier 229. -- Ionische Naturphilosophen 231. - Stoiker 232. -- Pythagoräer und Platoniker 234. -- Japaner 235. - - 26. ~Panpsychistische Anschauungen, Hylopsychismus, - Hylozoismus~ 235 - - Ionische Naturphilosophen 236. - - - Viertes Kapitel. Pythagoras, Anaxagoras, Sokrates, Platon, - Aristoteles. - - 27. ~Anschauung aus Gesetz, Harmonie, Weltvernunft, Ideen - und Formen~ 239 - - Pythagoras und die Pythagoräer 239. -- Anaxagoras, Weltvernunft - 243. -- Sokrates und Platon, Ideenlehre, Akademie - 244. -- Aristoteles und die Peripatetiker 249. - - - Fünftes Kapitel. Anschauungen aus Theosophie, Deismus - und Emanismus. - - 28. ~Orphiker und Neu-Pythagoräer~ 255 - - Orphiker 255. -- Neu-Pythagoräer 256. - - 29. ~Indische Theosophie und Sufismus~ 258 - - Indische Theosophie 258. -- Sufismus 260. - - 30. ~Philon von Alexandrien~ 261 - - 31. ~Der Logos und die Sophia~ 265 - - Der Logos 265. -- Die Sophia 266. - - 32. ~Die Gnostiker und Manichäer~ 267 - - Dualistischer Gnostizismus 267. -- Monistischer Gnostizismus - 271. -- Goethes gnostische Dichtung 275. - - 33. ~Der Neuplatonismus~ 277 - - Plotinos und seine Lehre 277. -- Dionysios der Areopagite 280. - - 34. ~Übergang zum Mittelalter~ 281 - - Zurückdrängung der Gottheit 281. -- Augustinus 282. -- Scotus - Erigena, Prädestination und doppelte Wahrheit 283. - - 35. ~Islamisch-arabische Theosophie~ 286 - - Koran und Philosophie 286. -- Muatazile und Motakhallim - 287. -- Avicenna und Averroes 288. - - 36. ~Jüdische Theosophie und Kabbala~ 290 - - Salomon Ben Gabirol 290. -- Die Kabbala 291. -- Maimonides - und Jehuda Halevi 293. - - 37. ~Die mittelalterliche Theosophie der christlichen - Scholastiker und Mystiker~ 293 - - Scholastiker, Nominalisten und Realisten 293. -- Albert der - Große 294. -- Thomas von Aquino 296. -- Dante 297. -- Duns - Scotus 298. -- Roger Bacon 299. -- Anselm von Canterbury 300. - -- Hugo und Richard von St. Victor 300. -- Alanus, Bonaventura, - Gerson 303. -- Meister Eckehart 303. -- Ruysbroek 304. - - 38. ~Theosophie und Emanismus in neuerer Zeit~ 305 - - Untergang der Scholastik 305. -- Nicolaus Cusanus 306. -- - Gemistos Plethon 309. -- Marsilius Ficinus und Giovanni Pico - 309. -- Reuchlin und Agrippa 311. -- Pomponatius 313. -- - Die Reformatoren und ihre Nachfolger 314. -- Paracelsus 316. - -- Telesius und Patritius 317. -- Giordano Bruno 317. -- - Campanella 322. -- Jakob Böhme 323. -- Schelling und Krause - als Böhmianer 327. -- Baptist van Helmont u. a. 328. -- - Ausgang in die moderne Theosophie 330. - - 39. ~Deistischer Rationalismus~ 333 - - Descartes und der Cartesianismus 333. -- Geulincx, Malebranche - und der Okkasionalismus 336. - - 40. ~Prästabilierte Harmonie, Determinismus, Monaden, - Korpuskeln, Realen, Samen~ 338 - - Mercurius van Helmont 338. -- Leibniz, Monadologie und - prästabilierte Harmonie 340. -- Christian Wolff 345. -- Moses - Mendelssohn 345. -- Lessing 346. -- Herbart und die Realen 347. - - - Drittes Buch. Metaphysische und physische Welt- und - Lebenanschauungen. - - - Sechstes Kapitel. Welt- und Lebenanschauungen des Idealismus. - - 41. ~Phantomismus (Illusionismus), Eleaten, Skeptiker~ 350 - - Phantomismus und Illusionismus der Indier 350. -- Die - Eleaten 351. -- Die Skeptiker 355. - - 42. ~Phänomenaler Idealismus~ 356 - - Berkeley 356. -- Fichtes Phänomenalismus 358. -- Humes - Phänomenalismus 358. - - 43. ~Kants transzendentaler Idealismus. Organisierte Wesen - und Naturzweck~ 359 - - Kants transzendentaler Idealismus 359. -- Anschauungsformen - und Kategorien 360. -- Antinomien und Paralogismen - 362. -- Ideen und Ideale 364. -- Regulative Prinzipe - 365. -- Teleologie 367. -- Organisierte Wesen und Naturzweck - 369. - - 44. ~Ich, Nicht-Ich; Thesis, Antithesis, Synthesis; - Naturphilosophie~ 373 - - Fichtes erste Philosophie 373. -- Schellings Idealismus und - Naturphilosophie 375. -- Hegel 376. -- Schleiermachers - spinozistischer Idealismus 378. - - 45. ~Die Welt als Wille und Vorstellung, Pessimismus, - Philosophie des Unbewußten~ 379 - - Schopenhauer und die Welt als Wille und Vorstellung 379. -- - Der Wille zum Leben, Pessimismus 384. -- Nietzsches - Willenslehre und Idealismus 385. -- Eduard von Hartmann und - die Philosophie des Unbewußten 386. -- Weltende 390. -- Andere - Idealisten 390. - - - Siebentes Kapitel. Spinozismus und Neuspinozismus sowie - Neuidealismus. - - 46. ~Spinozismus~ 390 - - Spinoza und der Pantheismus, Substanz, Attribute und Modi - 391. -- Das System 392. -- Parallelität von Geist und Körper - 393. -- Transzendentalität 394. -- Ethik und Unsterblichkeit - 395. - - 47. ~Neuspinozismus und Neuidealismus~ 396 - - Lotze 396. -- Fechner, Psychophysik 398. -- Wilhelm Wundt, - assoziative Psychologie 399. -- Riehl, Lasson u. a. 401. - - - Achtes Kapitel. Empirismus, Sensualismus, Realismus, - Naturalismus, Positivismus. - - 48. ~Die englische Trias: Bacon, Locke, Hume~ 402 - - Bacon von Verulam und der Empirismus 402. -- John Locke - und der Empirismus, Sensualismus und Positivismus 402. -- - David Humes sensualistisch-positivistische Anschauung, - Assoziationsprinzipe 407. - - 49. ~Die weitere Entwicklung~ 411 - - Condillac, Montesquieu, Rousseau u. a. 411. -- Beneke und - die Prädetermination 413. -- Comte und der Positivismus 415. - -- Eugen Dührings Wirklichkeitsphilosophie 416. -- Ernst - Machs sensualistischer Posivitismus 417. -- Herbert Spencer - und der Agnostizismus 420. - - - Neuntes Kapitel. Physische Welt- und Lebenanschauungen. - - Definitionen 421. - - 50. ~Materialismus und Mechanismus, Atomistik~ 422 - - Der griechische Materialismus und die griechische Mechanistik - 422. -- Atomistik, auch indische und arabische 423. -- - Epikuros, Lucretius Carus 425. -- Materialismus und Mechanismus - im Mittelalter 428. -- Mechanistischer Monismus 428. -- - Gassendi 431. -- Hobbes 432. -- Boyle, Newton 434. -- - Aufklärungsphilosophie 434. -- Baron Holbach und das Système - de la nature 435. -- Lamettrie 437. -- Ludwig Feuerbach u. a. - 438. - - 51. ~Allgemeine und besondere Naturgesetze, - Entwicklungslehre~ 439 - - Die Weltgesetze 439. -- Die Sondergesetze 443 .-- - Vererbungsgesetz 444. -- Abstammungslehre 445. -- Urwesen 446. - -- Evolution und Epigenesis 447. -- Panspermie 447. -- - Phylogenie und Ontogenie, biogenetisches Grundgesetz 449. -- - Morphologisch-biologische Vererbungsgesetze, morphologische - Potenz 450. -- Phylogenetische Evolution 452. -- Restitution - und Regeneration 453. -- Biologisch-harmonische Gesetze, - Regulationen 453. - - 52. ~Energetische Anschauungen; Ostwald und Häckel~ 454 - - Ostwalds physische und psychische Energetik 454. -- - Zwiespältigkeit der Energie 457. -- Scheinmonismus 458. -- - Energetik und Mechanistik 459. -- Häckel als Spinozist 461. - -- Psychom und Psychoplasma 461. - - 53. ~Über die physischen Welt- und Lebenanschauungen - überhaupt; Weltende, Unsterblichkeit~ 463 - - Gang der physischen Welt und Weltende 463. -- Anfang der - Welt und Schöpfung 464. -- Endlichkeit der Welt 466. -- - Zehnders Bild der Lebenmechanistik 467. -- Die psychischen - Energien als auslösende 468. -- Zusammenwirken der physischen - und psychischen Energien 470. -- Schwierigkeiten aus - den regulierenden psychischen Tätigkeiten 473. -- Was eine - physische Theorie des Lebens zu leisten hätte 477. -- - Unmöglichkeit einer physischen Theorie des Lebens 479. -- - Unsterblichkeit aus einem physischen Weltgesetz 479. -- - Auerbachs Ektropismus 480. -- Du Bois Reymonds Welträtsel und - Ignorabimus 483. -- Letzte Anschauung 484. - - - - -VORBEMERKUNGEN. - -Charakteristik, Prinzipe und Einteilung der Welt- und Lebenanschauungen. - - -1. ~Bedeutung der Welt- und Lebenanschauungen.~ - -Es liegt schon in der Natur des Menschen, von sich selbst und von -allem, was ihn umgibt und störend oder unterstützend in sein Leben -eingreift, sich eine Ansicht zu bilden. Vielfach und bedeutungsvoll -sind die Fragen, die dabei gestellt werden, und mit deren Beantwortung -die Menschheit, seit sie ihrer sich bewußt ist und die Fähigkeiten -ihrer Seele auch geistig anzuwenden gelernt hat, sich müht und -plagt. Und diese Beantwortung bildet eine Welt- und Lebenanschauung; -vollständig, wenn sie alle Fragen betrifft, fragmentarisch, wenn -sie nur in das Einzelne dringt. Es gibt Anschauungen, die nur aus -träger Gedankenlosigkeit oder aus trotziger Verbitterung oder gar aus -pathologischer Denkweise hervorgehen. Diese lassen wir beiseite. Die -Weltanschauungen, mit denen wir es hier allein zu tun haben, können -auf naiver Naturbetrachtung und naivem Egoismus beruhen, sodann auf -Kultgebräuchen und Religionslehren, auf philosophischen Untersuchungen -und Meinungen, endlich auf naturwissenschaftlichen und soziologischen -Feststellungen. Alle diese Grundlagen mögen gesondert stehen oder -miteinander verbunden sein. Bei wenigen Menschen haben die Anschauungen -nur eine objektive, rein wissenschaftliche Bedeutung. Die meisten -wollen neben der Erkenntnis auch eine Beruhigung für das Dasein und -darüber hinaus gewinnen. Indessen bilden sich eine eigene Anschauung -nur wenige Menschen. Den anderen wird sie durch Erziehung oder -Religionsvorschriften eingeimpft. Letztere waren ja früher gerade bei -den Kulturvölkern von so zwingender Gewalt, daß eine andere Anschauung -als die, welche die Religion allein zuließ, gar nicht gehegt, -geschweige geäußert werden durfte. Viele standen und stehen freiwillig -unter dieser zwingenden Gewalt, indem die Glaubenssätze der Religion -für sie über jeden Zweifel erhaben sind. Andere beugten und beugen -sich ihr aus Weltklugheit oder weil das Beispiel des Widerstandes sie -schreckte. Auch Lehren, die gerade mit besonderer Kraft ausgesprochen -sind oder in Mode stehen, werden gerne ergriffen. Denn es handelt sich, -wenn man eine Welt- und Lebenanschauung sich bilden will, immer um eine -tiefe und schwere Gedankenarbeit, und mitunter um einen harten Kampf -mit sich selbst und mit Anderen. Und bei der Unsicherheit des Kennens -und Erkennens fällt der Mensch von Zweifeln in Zweifel und nimmt darum -gerne an, was ihm autoritativ übermittelt ist. Mitunter muß der Name -an Stelle der Sache treten. Wie wenige von einer Religionsgemeinschaft -wissen, was eigentlich die Lehren dieser Religion sind, zumal, wenn -diese Lehren von vornherein als „geoffenbart“ vorgetragen werden. Viele -wollen sie gar nicht einmal wissen; die symbolischen Formeln genügen -ihnen, das übrige soll der Seelsorger verantworten. Und was hat für -die meisten Nietzscheaner Nietzsche eigentlich gelehrt? Man darf nicht -fragen, ohne auf die hohlsten Redensarten zu stoßen, wenn man überhaupt -eine Antwort und nicht eine Widerfrage oder eine Abweisung erhält. Am -ehesten auf eine bestimmte sachliche Welt- und Lebenanschauung stößt -man bei Naturmenschen und bei unreifer Jugend, nur daß es sich dabei -teils um widersinnige, teils um töricht übereilte Äußerungen handelt. -Für die Naturvölker werden wir das später eingehend verfolgen, da -es ein anthropologisches Interesse hat. Wer die junge Kulturwelt -belauschen will, braucht nur ihre modernen Dichtungen zu lesen, die bei -schönen Worten und reizvollen Wendungen gedanklich oft recht blühenden -Unsinn enthalten und Anschauungen wiedergeben oder erraten lassen, -bei denen selbst einen mild urteilenden harte Ungeduld ergreift. Die -ernst und selbständig denken, suchen sich allmählich zu einer sie -befriedigenden Welt- und Lebenanschauung durchzuringen. Da hierzu -auch Kenntnisse gehören und namentlich auch Disziplin des Denkens, -kommen nur sehr wenige Begünstigte schon früh zu einer brauchbaren -solchen Anschauung. Viele gelangen erst in späten Jahren dazu, und -noch mehr mühen sich ihr Leben hindurch umsonst ab und müssen sich mit -einem Stück einer Anschauung oder mit mehreren Anschauungen begnügen, -zwischen denen sie nicht zu vermitteln vermögen. - -Ich habe unbestimmt von einer Welt- und Lebenanschauung gesprochen. -Die Welt- und Lebenanschauung gibt es noch nicht. Selbst bei den -Kulturvölkern sind unzählige Anschauungen im Schwange, und eine -Anschauung wird von der anderen bekämpft, und von jeder Anschauung -kann man nachweisen, daß sie hier oder da unrichtig sein muß, von -keiner aber, daß sie richtig ist. Die wichtigsten Dinge, die in einer -Welt- und Lebenanschauung zur Sprache kommen, sind zeitlich, räumlich -und sinnlich unerreichbar. So ist niemand bei der Schöpfung zugegen -gewesen; der eine kann sie also ganz leugnen, der andere ebenso sicher -absolut bejahen. Daher handelt es sich hier fast ausschließlich um -Meinungen. Und diejenige Meinung wird die größte Wahrscheinlichkeit -für sich haben, welche mit den Vorgängen im All, jetzt und früher, am -besten in Einklang ist. Hier aber spielen subjektive Ansichten mit, -gerade wie in der Religion; und was dem einen erwiesen scheint, weist -der andere weit von sich. Und wie oft geradezu Widersinniges für sicher -genommen wird, werden wir an vielen Beispielen sehen. Ich habe einmal -in einer sehr wichtig und bedeutend tuenden Broschüre gelesen, unsere -Welt sei die Schlacken oder auch die Auswurfstoffe aus der vierten -Dimension. Wie töricht! wird der Leser ausrufen. Aber wir haben noch -viel seltsamere Ansichten. - - -2. ~Naturvölker und Kulturvölker.~ - -Wir unterscheiden zunächst die Anschauungen der ~Naturvölker~ von -denjenigen der ~Kulturvölker~. Die Völker der ~Halbkultur~ folgen -wesentlich den Naturvölkern. Auch steht so mancher Kulturmensch ganz -auf dem Standpunkt des Wilden. Trifft er sich dort, so mag er in sich -gehen und in die ihm gehörige Klasse überwandern. - -Einfacher und doch verworrener sind die Anschauungen der Naturvölker -als die der Kulturvölker. Wie es unendlich viele Mühe gemacht hat, -in die Religion der Naturvölker einige sichere Einsicht zu erhalten, -weil auf Befragen nicht bloß fast jedes Dorf, sondern fast jeder -Befragte etwas besonderes erzählt, so verhält es sich hinsichtlich -der Weltanschauungen. Gemeinsame Lehren ergaben sich nämlich bald, -weil ihre praktische Betätigung in unmittelbare Erscheinung trat. Aber -Meinungen und Anschauungen hatte jeder für sich. Und dabei handelte es -sich nicht einmal immer um Verlegenheit vor dem Frager und Mißtrauen -gegen ihn, sondern einfach um Mangel an Ansicht und Unüberlegtheit. -Wie viele Kulturmenschen würden auf Befragen nach ihrer Weltanschauung -bestimmt antworten können oder wollen? Und wo sie eine solche -Anschauung besitzen, würden sie in Staaten mit polizeilichen oder -kirchlichen Gewalten aus Furcht vor Nachteilen, sonst in dem unbequemen -Gefühl, etwas Törichtes zu sagen, noch weit mehr mit ihren Meinungen -zurückhalten als ein Naturmensch, oder sich mit Ausflüchten helfen. -Als ich mich mit der Religion der ozeanischen Völker beschäftigte, -fiel es mir auf, daß von den unzähligen Namen für Götter und Helden, -welche in einem Hauptwerk hierüber, Greys „Polynesian Mythology“, -enthalten sind, kaum zwei in den sehr vielen Angaben der Seefahrer -des achtzehnten Jahrhunderts (Cooks, Wilsons, Pokocks u. a.) sich -finden. Die bei weitem wichtigste Bezeichnung für Götter und Dämonen in -diesen Angaben, Eatooa oder Atoa oder ähnlich, sucht man in gleicher -Eigenschaft in Greys Werk vergeblich. Ein anlautender Name kommt -wohl vor, er bezeichnet aber eine Insel oder einen Distrikt. Nur die -Namen Tane und Maui scheinen zeitlich und räumlich sehr verbreitet zu -sein. Frobenius, in seinem Buche „Die Weltanschauung der Naturvölker“ -hat sich der Mühe unterzogen, für die afrikanischen Völker den Namen -einer der bekanntesten Gottheiten durch die Stämme zu verfolgen. Er -geht von dem Namen Tschuka aus, der bei den Ibo und in Kalabar einfach -Gott bedeuten soll, und stellt mehr als fünfzig Namen auf, die jenem -Namen entsprechen sollen, darunter solche wie Rupe, Ndsakumba und -ähnliche, die nicht entfernt mehr an den Ausgangsnamen erinnern. Das -kann und wird zum Teil an den abweichenden Sprachen liegen, wie wir -ja für unser „Gott“ selbst unter den Indogermanen um eine ähnlich -lautende Bezeichnung verlegen sind. Dann aber muß man sich wundern, -daß Hottentotten und Buschmänner, die eine von den eigentlichen -Bantu-Negern des mittleren Afrika ganz verschiedene Rasse bilden, fast -den gleichen Namen für Gott besitzen wie die ihnen so fernen Neger des -oberen Kongo, Touquo und Tuiko gegen Tuku (vermehrt Tuku-Tuku), während -fast sich berührende Stämme der gleichen Rasse und anscheinend des -gleichen Sprachstammes ganz abweichende Namen aufweisen. Bei den Yoruba -an der Nigermündung heißt es Dso oder Zo, wie in dem weit entfernten -Saumgebiet Ostafrikas. Aber in dem nahen Kamerun soll man das gleiche -mit Loba, Lebe, Rubi bezeichnen, wie ähnlich mit Lubari in Uganda, wo -ja auch Dso oder Zo bestehen soll, und wo als eigentlicher Name des -Schöpfers Kitonda angegeben wird. Vieles muß also an den verschiedenen -Angaben liegen, die im gleichen Bezirk von verschiedenen Personen -dem gleichen oder einem anderen Forscher gemacht werden. Anderes an -der kindlichen Gewohnheit der Naturvölker, Namen beliebig zu ändern -oder zu verdrehen. Wer Reisewerke miteinander vergleicht oder die -Namen in Atlanten und anderen Werken sucht, gerät mitunter in helle -Verzweiflung. Gegenwärtig kommt noch dazu, daß die meisten Naturvölker -schon mit Kulturmenschen durchsetzt sind und vieles Kulturelle, -namentlich Religiöse, von ihnen gehört und in sich aufgenommen haben. -Neuere Mitteilungen über Ansichten von Naturvölkern können darum -nur mit größtem Mißtrauen benutzt werden, namentlich, wenn sie an -Kulturansichten erinnern. Und da die älteren Reisenden meist weder -die Kenntnisse noch das Interesse besaßen, sich wirklich genau über -die besuchten Völker zu orientieren, sondern nur allzu gerne sich die -tollsten Lügen aufbinden ließen, um zu Hause die merkwürdigsten Fabeln -erzählen zu können, so sieht es eigentlich mit Untersuchungen über die -Welt- und Lebenanschauung der Naturvölker übel aus. In den Märchen -und Erzählungen, die uns von den Naturvölkern vorgetragen werden, -sind Züge reinster Empfindung und Tugend und dicht daneben Roheiten -entsetzlichster Bestialität. Ganz wie in den Sagen der alten Griechen. -Wer kann die rührende Szene zwischen Hektor und Andromache mit der -scheußlichen des Totenopfers für Patroklos vereinigen? Wir kommen -dadurch auf einen Punkt, der von großer Bedeutung ist und uns noch -beschäftigen wird. - -Für die ~Kulturvölker~ scheint die Untersuchung einfacher und sicherer -zu sein, hier ist ja so vieles durch Tradition und Schrift bekannt. -Aber das Ungeheuere des Materials wirkt erdrückend. Es prahlte jemand -mit seinem Fleiße und rechnete so viel Tätigkeit zusammen, daß für den -Tag 26 Stunden Arbeit herauskamen. Selbst dieser Zauberkünstler wäre -nicht imstande, das Material auch nur zum vierten Teil zu bewältigen, -und wenn er Methusalems Alter erreichte. Man muß sich darum auf -Hauptansichten und Hauptwerke beschränken. Und dieses darf um so -eher geschehen, als wahrhaft große Meinungen nur spärlich erblüht -sind, und als unglaublich Viele bewußt und unbewußt die Wege der -Großen wandeln. Das ist kein Tadel; und wer in mühseliger Arbeit das -gefunden hat, was einem Großen vor ihm schon als Geschenk des Genies -eingefallen ist, darf mit Fug und Recht stolz sein und alberne Kritik -aus Zusammengelesenhaben ablehnen. Eine solche Arbeitsvermehrung nimmt -man gerne entgegen. Eine andere Schwierigkeit liegt in dem Mangel an -Bestimmtheit in so vielen Meinungen und Schriften. Wir werden von -zwei wilden Rossen nach entgegengesetzten Richtungen gezogen, dem -Verstand und dem Gefühl. Mancher wird innerlich zerrissen, viele geben -wenigstens dem einen oder dem anderen etwas nach. Kommt noch dazu -die menschliche Gebundenheit um des bloßen Lebens willen an anderer -Meinung, etwa die bemerkte an Staat und Kirche, so ergibt sich ein -weiteres Schwanken. Hat man doch dem großen Kant Inkonsequenzen in -seinem philosophischen System vorgeworfen. Und wer weiß so recht, was -Fichtes oder gar Schellings eigentliche Philosophie gewesen ist, da -man doch von jedem von ihnen mehrere ganz abweichende Philosophien -hat? Und da bei weitem die meisten Menschen inkonsequent sind, die -einen aus Anlage, die anderen aus ehrlichem Zweifeln, so berührt uns -ein ganz konsequenter Mann oder eine ganz konsequente Ansicht fast -unheimlich. Wir werden sehen, daß auf unserem Gebiete davon nur sehr -wenig vorhanden ist. Man kann fast sagen: mitunter zum Glück für die -Menschheit. Denn mit absoluter Konsequenz ist oft Fanatismus und mit -diesem Verfolgungssucht verbunden, die sich in der konsequentesten -Religion, der katholischen, in so entsetzlichen Taten geäußert hat, -und eine Herrschernatur wie Innozenz III., trotz so großer Leistungen, -durch die Ausmordung Tausender andersdenkender unschuldiger Menschen -fast fluchbeladen erscheinen läßt. - - -3. ~Hauptfragen und Stammannahmen (principia,~ ἀρχαὶ~) der Welt- und -Lebenanschauungen.~ - -Der Leser sieht, welch umfangreiche Arbeit hier zu bewältigen -ist, und wie alles nur in großen Zügen zur Darstellung kommen -kann. Doch habe ich die Absicht, weit über die engen Grenzen der -Spezialbetrachtungen hinauszugehen, die immer nur einzelne Klassen -der Menschheit betraf. Ich möchte vorführen, was der Mensch allgemein -an Welt- und Lebenanschauungen geschaffen hat; nicht diese oder jene -Philosophenschule, diese oder jene Religion, dieses oder jenes Volk. -Unter solchen Umständen ist eine gewisse Systematik unausweichlich, -sonst verläuft man sich in der Fülle des Gebotenen und gerät in Gefahr, -die Darlegung in Phrasen aufzulösen. Und nirgends ist diese Gefahr so -groß und sind ihr so viele Schriftsteller erlegen als gerade auf dem -Gebiete, mit dem wir uns hier beschäftigen sollen. Was Prinz Heinz -von seinem dicken Freunde bei der Musterung seiner Rechnungen gesagt -hat, und ich einmal einen berühmten Nationalökonomen auf einem Kommers -auf die Universitätsvorlesungen habe anwenden hören, soll uns zur -Warnung dienen. Gründlichkeit hier, Schmuckrede dort, zwischen diesen -Symplegaden müssen wir unser Schifflein hindurchsteuern. - -Fast jede Weltanschauung geht von einer Stammannahme oder von mehreren -Stammannahmen aus. Es muß daher von großer Bedeutung für die Ordnung -des Vortrags sein, wenn vor allem diese Stammannahmen vorgeführt -werden. Vollständig dieses zu tun ist für einen beschränkte Zeit -lebenden Menschen nicht möglich, wegen der unendlichen Menge von -Büchern, die er lesen müßte. Nachdem ich mich aber durch so viele Jahre -frei und veranlaßt in so vielen Wissenschaften umgesehen habe, glaube -ich, daß in der nachfolgenden Aufzählung Wichtigeres nicht fehlen -wird. Sollte der Leser noch eine und eine andere Annahme wissen, so -füge er sie gütigst hinzu; wir sind alle gerne Kärrner der Königin -Wissenschaft. Die Annahmen gehen aber auf - - den Grund des Alls und den der Einzelnen, - den Bestand des Alls, - das Wesen der Dinge, - das Wesen und den Grund der Geschehnisse, - die Entwicklung des Alls, - das Ende des Alls, - das Ende der Einzelnen. - -Das sind sieben Hauptpunkte. Es ist nicht angängig, die allgemeine -Liste ganz nach diesen Hauptpunkten einzurichten; die Behandlungen -müßten vielfach durcheinander gehen und sich verschlingen, wodurch -viele unnötige und störende Wiederholungen entstehen würden. -Gleichwohl ist die nachfolgende Liste unterteilt, und zwar derartig, -daß sie in einiger Beziehung sich den Hauptpunkten anschmiegt. Wenn -manche Hauptpunkte in der Liste nicht berücksichtigt zu sein scheinen, -so ist es in der Tat nur ein „scheinen“. Durch gehörige Untersuchung -der Stammannahmen und namentlich auch durch Verbindung zweier oder -mehrerer von ihnen werden auch diese Hauptpunkte zur Erledigung -gebracht. - -Die Liste enthält vier Klassen: phantomistische Annahmen, -wesenheitliche, wesenheitlich-begriffliche, begriffliche. Es kommt auf -die absolute Richtigkeit der Benennungen nicht an, diese müssen nur -durchschnittlich zutreffen und können es auch nur. Nun möge die Liste -selbst folgen. - - I. ~Phantomistische~. - - 1. Nichts, - 2. Traum, - 3. Schein. - - II. ~Wesenheitliche~. - - 4. Das (indisch Tad), - 5. Etwas, - 6. Urwesen, Ding an sich, Substanz, - 7. Gott, - 8. Götter (in allen Abstufungen), - 9. Weltgeist, - 10. Schöpfer (Schöpfung), - 11. Vernichter, Satan, Widergott, - 12. Weltseele, - 13. Einzelseele, - 14. Weltvernunft, - 15. Einzelvernunft, - 16. Emanation, - 17. Chaos, Urmaterie, - 18. Materie (auch Elemente und Körper), - 19. Energie, Entropie, - 20. Psychoma. - - III. ~Wesenheitlich-begriffliche~. - - 21. Sein, Nichtsein, - 22. Werden, Vergehen, - 23. Ruhe, Erregung, - 24. Attribute, - 25. Ideen, - 26. Formen, - 27. Modi (auch Essenzen und Bilder), - 28. Monaden (auch Realen), - 29. Zahl, - 30. Raum (auch Leere), - 31. Zeit, - 32. Harmonie, - 33. Disharmonie (auch Entzweiung in sich). - - IV. ~Begriffliche~. - - 34. Gut, - 35. Böse, - 36. Liebe (auch Anziehung), - 37. Haß (auch Abstoßung), - 38. Streit, - 39. Zwang (absoluter), - 40. Notwendigkeit, - 41. Anlage (auch Prädestination, Prästabilisation), - 42. Unfreiheit, Determinismus, - 43. Ursächlichkeit, - 44. Beschränktheit, - 45. Zweckmäßigkeit (Teleologie, auch Instinkt), - 46. Entwicklung, - 47. Produktion und Reaktion (auch Regulative), - 48. Parallelismus, - 49. Gelegenheitlichkeit, - 50. Zufall, Association, - 51. Freiheit, - 52. Unbeschränktheit. - -Die Liste sieht bunt genug aus; es soll ja aber auch ein allgemeiner -Überblick über die Welt- und Lebenanschauungen gegeben werden. -Wir könnten nun weiter so verfahren, daß wir einfach die obigen -Stammannahmen einzeln und zu zweien oder mehreren nehmen, so würden wir -schon eine große Zahl aller bisher entwickelten Anschauungen gewinnen. -Aber die Liste soll uns nur im einzelnen leiten. Die Betrachtung führen -wir allgemein. - - -4. ~Vergleichung der Anschauungen, Parallelen~. - -Drei Hauptaufgaben haben wir zu erfüllen: die Anschauungen einzeln -oder in Klassen vorzuführen, sie auf ihre theoretische und praktische -Bedeutung zu untersuchen, sie miteinander zu vergleichen. Über die -beiden ersten Aufgaben ist nichts besonderes mehr zu sagen. Die dritte -Aufgabe aber gibt zu einer wichtigen Bemerkung Anlaß. Die Vergleichung -kann zu zwei Zwecken geschehen. Einmal um die Kulturzustände der Völker -oder Zeiten, innerhalb deren die Anschauungen geäußert sind, gegen -einander abzuwägen. Sodann um über die Priorität einer aufgestellten -Anschauung zu entscheiden. Das erstere gehört nur zu sehr geringem -Teil hierher, da wir ja keine Kulturgeschichte schreiben, und wird -sich meist bei den Vorführungen selbst erledigen. Das zweite lassen -wir fort, sofern es sich um Prioritäten einzelner Personen handelt. -Diskussionen hierüber haben nur dann einen Wert, wenn mit der Priorität -auch der Sinn der Anschauung verbunden ist, den wir ja bei einem -gedankentiefen Manne immer eine Stufe höher verstehen müssen als bei -einem mittelmäßigen Kopf, wenn der Ausdruck der Ansicht dazu Raum -läßt. Nun aber werden Anschauungen nicht bloß von einzelnen Personen -ersonnen, sondern, wie Lieder, von einem ganzen Volke, so daß es -sich um Volksanschauungen handelt. Dann können Völker miteinander in -Wettbewerb treten und hat die Frage nach der Priorität doch große -Bedeutung. Ich darf nur an den Streit Babel und Bibel erinnern, der -mit so außerordentlicher Heftigkeit in unseren Tagen geführt worden -ist. Und gerade an diesen Streit kann ich anknüpfen. Er entsprang aus -behaupteten Ähnlichkeiten zwischen der Literatur der Babylonier und -gewissen Teilen der Bibel, so daß die erstere Vorläufer und Muster -für die Erzählungen und die Lehren der Bibel sein sollte. Auch ganz -abgesehen davon, ob die Ähnlichkeiten wirklich so bedeutend sind, daß -man es wagen dürfte, ein Werk wie die Bibel in wichtigsten Teilen -der Originalität zu entkleiden, machte sich in diesem Streit eine -verblüffende Außerachtlassung aller Errungenschaften der Anthropologie -geltend. Längst haben die Anthropologen erkannt, daß die Menschheit -eine auffallend gleichartige Masse bildet, daß Gebräuche, Gedanken -und Vorstellungen sich oft an den entferntesten Punkten der Erde in -gleicher Weise vorfinden. Ein so ekelhafter und so seltsamer Brauch -wie das Auffangen und Verwenden der Fäulnisflüssigkeit des Leichnams -zeigt sich im Herzen Afrikas und auf weit abliegenden ozeanischen -Inseln. Die Entstehung der Menschen aus Bäumen oder Steinen wird fast -auf der ganzen Erde erzählt. Reineckes Streiche und Schlauheiten, nur -übertragen auf Hasen und Schakale, geben auch den verschiedensten -Negerstämmen Stoff zum Lachen. Märchen fast des gleichen Inhalts finden -sich bei Völkern, die weder sprachlich noch stammlich zusammenhängen. -Ich habe mir mehr als zwanzig Ähnlichkeiten sogar im Einzelnen -zusammengestellt. Eine sehr seltsame und sehr wichtige, daß nämlich -die Wasser über dem Himmel der Bibel in Ozeanien sich wiederfinden, -habe ich schon in meinem Buche „Die Entstehung der Welt und der -Erde nach Sage und Wissenschaft“ hervorgehoben. Ich kann hier mit -noch einer, nicht minder bedeutenden, vielleicht noch bedeutenderen -aufwarten. Nach der Bibel schafft Gott zwischen den Wassern eine -Dehnung, wodurch die Scheidung zwischen Himmel und Erde bewirkt -wird. Bei den Neuseeländern sind Himmel und Erde ursprünglich auch -aufeinander und der Gott Tane-mahuta trennt sie, daß ein Zwischenraum -zwischen ihnen entsteht. Geschieht letzteres auch grobsinnlich -- -der Gott stemmt den Kopf gegen die Erde, Papa, und die Füße gegen -den Himmel, Rangi, und drückt so diese Gatten auseinander -- die -Sache ist doch die gleiche, das Schaffen der Ausdehnung zwischen -Himmel und Erde. -- Der Neuseeländische Maui wird von seiner Mutter, -eingewickelt in einen Wulst ihrer Haare, ins Meer geworfen, von -den Wogen ans Land gespült und dort aufgefunden und erzogen. Damit -vergleiche man die Kindheitsgeschichte Mose. Der Hauptunterschied -besteht nur darin, daß Mose von einer Königstochter aufgenommen -wird, Maui von einem männlichen Vorfahr. -- Die Polynesier haben -Schwanenjungfrauen wie wir und mit fast den gleichen Erzählungen. -- Ra -kennzeichnet in Ozeanien den Sonnengott, genau wie im alten Ägypten. --- Fast noch verwunderlicher ist, was Max Müller mitteilt, daß einem -Zwillingsgötterpaar der indischen Mythologie, Yama und Yami, ein -anderes, Yame und Yama, mit gleicher Bedeutung in Peru entspricht. Nun -denke man, welche wilde Theorien unsere Babylonier darauf gegründet -haben, daß im Babylonischen, das doch eine Schwestersprache des -Hebräischen ist, ein Wort sich fand, das an Jehova anklang! Und Indien -und Peru, Altägypten und Ozeanien! -- Josuas Wunder, daß die Sonne auf -sein Geheiß stehen bleibt, ist von vielen Ozeaniern nachgeahmt, z. B. -bis ein Haus fertig ist oder ein Wanderer seinen Weg zurückgelegt hat. --- Totenschiff und Totenführer kennen nicht bloß die Griechen, sondern -auch die Polynesier und einige Afrikastämme und Indianer. -- Maui raubt -das Feuer wie Prometheus. -- Solare Gottheiten der Neger erregen -Krankheiten durch Wurfgeschosse wie Apollon. -- Gleich den Israeliten -geht ein Hottentottenheros, Heitsi-Eibibs, durch das Wasser, das sich -vor ihm spaltet und wie dort über dem Verfolger zusammenschlägt. -- -Ich könnte noch viel mehr anführen, Regenbogen, Weltei, Wahrsagekunst, -Jonas und anderes betreffend. Aber ich glaube, daß die obige kurze -Aufzählung schon genügt darzutun, wie außerordentlich vorsichtig man -bei Schlüssen aus Ähnlichkeiten sein muß. Diese Vorsicht muß aber geübt -werden, sonst kann man hinsichtlich der Völkerzusammenhänge zu den -bösesten Schlüssen kommen. Wir werden später noch vieles andere kennen -lernen, was auf gleichem Gebiete liegt, Ost und West, Nord und Süd -verbindet und seine Wurzel eben in Zufall oder in der Gleichartigkeit -des Menschengeschlechts hat. Im allgemeinen kann man sagen, daß alles -Entlehnte sich ziemlich bald durch Mißverständnis, Unstimmigkeit und -Gezwungenheit verrät. Echtes, Eingeborenes, geht frei nach rechts -und links ausgreifend und entwicklungsfähig einher. Doch sollen die -Schwierigkeiten bei der Scheidung nicht verkannt werden. - - -5. ~Einteilung der Welt- und Lebenanschauungen.~ - -Man teilt die Welt- und Lebenanschauungen in zwei Klassen ein, in -~monistische~ und ~pluralistische~ oder ~multistische~ (dualistische, -trialistische usf.). Die erstere Klasse soll Anschauungen enthalten, -die, von einem Gesichtspunkt ausgehend, das gesamte All, ohne irgend -eine Ausnahme darin, als eine Einheit mit zeitlich und räumlich -unbegrenzt gleichen Eigenschaften betrachten. So z. B. behauptet der -bekannteste Monismus -- den ich hier nicht mit dem unzureichenden und -irreführenden Beiwort: materialistischer, sondern allgemeiner und -treffender: physischer Monismus bezeichnen will --, daß das gesamte -All, belebt und unbelebt, stets und überall nur von den Erscheinungen, -die wir in der unbelebten Natur kennen, erfüllt und beherrscht worden -ist, wird und werden wird. Ihm gegenüber betrachtet der Dualismus die -Welt von zwei unabhängigen Gesichtspunkten, z. B. indem er das All -durchaus in Leben und Nichtleben, in Körper und Geist, in Gott und -Welt usf. teilt. Noch weiter würde die Teilung gehen im Trialismus, -Tetralismus usf. Dabei käme es eigentlich darauf an, daß die Trennungen -im Pluralismus absolute sind. Derartige Anschauungen besitzen wir nicht -recht; es läßt sich nicht vermeiden, daß eines in das andere eingreift. -Indessen gibt es, wie wir noch sehen werden, einen wirklichen Monismus -auch noch nicht. Überhaupt bringt es der Gegenstand mit sich, daß keine -der Anschauungen auch nur theoretisch, geschweige praktisch, durchaus -konsequent ist, wenigstens wenn man sie sachlich und nicht bloß nach -den Behauptungen untersucht. Mitunter erscheinen die Anschauungen -der Wilden, namentlich in ihrer praktischen Anwendung, bei weitem -konsequenter als die der Kulturmenschen. Und das hat seinen guten -Grund, den wir noch kennen lernen werden. - -Der obigen Einteilung werden wir nur bei den einzelnen Anschauungen -Rechnung tragen können. Allgemein werden wir drei Hauptklassen -unterscheiden: psychisch-religiöse, religionsphilosophische, -philosophisch-physische, und werden darunter finden: -irdisch-menschliche, irdisch-göttliche, religiöse, psychische -(auch geistige), philosophische (metaphysische), physische -(naturwissenschaftliche); phantomistische, theosophische, mystische -Anschauungen. Die drei letzten sind durch das Semikolon absichtlich -von den anderen getrennt; sie bedeuten eine eigenartige Gattung -von Anschauungen diesen gegenüber, in der Phantasie und Grübelei -eine besonders große Rolle spielen. Aus den ineinandergreifenden -Benennungen in den Hauptklassen sieht der Leser schon, daß auch -hier scharfe Scheidungen nicht vorhanden sind. Und wie sollten auch -solche Scheidungen bestehen! Jede Anschauung wird regiert durch -Erfahrung, Wunsch, Religion und Nachdenken. Die Erfahrung gibt die -Welt wie sie ist, oder wenigstens erscheint, das ist das Physische. -Der Wunsch richtet sich auf den Gang der Welt in bezug auf uns und -auf andere, als positiver und negativer Egoismus, bedeutet also das -Irdisch-menschliche. Die Religion ist bei den meisten verdeckter -Egoismus, und zwar natürlicher Egoismus, der, berechtigt, auf -Erhaltung seiner selbst und anderer geht, aber auch häßlicher, der -die Gottheit oder die Weltordnung zur Demütigung, Dienstbarmachung -oder gar Vernichtung des Anderen sich zum Vorteil oder nur zur -Schadenfreude herbeiruft. Bei anderen, wie bemerkt, und wiederum -recht vielen, ist sie lediglich gedankenloses Anhängen an bestimmte -Satzungen. Verhältnismäßig die Minderzahl faßt die Religion innerlich -mit tiefem Fühlen und fester Überzeugung auf. Endlich das Nachdenken, -das philosophische, sucht die unmittelbare Erfahrung der äußeren -und inneren Welt zu verknüpfen; Widerstrebendes zu vereinigen, das -Mannigfaltige zu vereinheitlichen und aus allem diesen das Gewirr -der Welt und des Lebens unter wenige Gesichtspunkte zu bringen, die -auch Schlüsse auf Unbekanntes und Zukünftiges gestatten. Dazu können -wir getrost auch das Phantasieren und Grübeln rechnen, die beide -nur ein Übergreifen des Denkens auf übersinnliche oder unsinnliche -Objekte darstellen. Das eine oder das andere von diesen vier Steuern -auf dem Meere der Anschauungen mag hier und dort nicht zur Anwendung -gelangen, es mag sogar herausgehoben und als unnötig beiseite gelegt -werden. Das tut nichts und berührt die Bedeutung dieser Steuer für die -Gesamtbetrachtung nicht. - -Und so kennzeichnen die gewählten Namen für die einzelnen Anschauungen -nur das Vorwiegende in der jeweiligen Anschauung. Denn beispielsweise -fehlt das Physische in keiner der Anschauungen, aber es gibt -Anschauungen, in denen es ganz besonders zur Geltung gebracht ist. -Gleicherweise verhält es sich mit dem Religiösen, wo nur die rein -materialistischen Anschauungen eine Ausnahme machen, und mit dem -Philosophischen und Irdisch-menschlichen. - - - - -ERSTES BUCH. - -Psychisch-religiöse Welt- und Lebenanschauungen. - - - - -ERSTES KAPITEL. - -Anschauungen der Naturvölker. - - -6. ~Irdisch-menschliche Anschauungen.~ - -Diese sind bald erledigt. Für sie ist alles, wie es sich den Sinnen -darstellt. Weder über das Wesen noch über die Ursache des Vorhandenen -wird nachgedacht. Es wird alles so genommen wie es geboten ist, und -Kenntnisse und Gesichtsweite richten sich nach dem Wahrgenommenen. -Damit verbunden ist die Beziehung jeglichen Gegenstandes und Vorganges -auf die eigene Person. Es ist ein rein anthropozentrischer Standpunkt, -indem das Ich der entscheidende Inhalt der Welt ist, und Gut und -Böse sind, was dem Ich dient oder dem Ich schadet. Von vornherein -werden die Himmelskörper als Gegenstände gleich denen der Erde oder -gar der nächsten Umgebung angesehen, so als gewöhnliche Körper, -Menschen oder Tiere oder Früchte. Der Kulturmensch, der die Gelehrten -sich den Kopf über die Welt zerbrechen läßt, wird die Himmelskörper -schon als das betrachten, was aus der Wissenschaft auch gegen seine -Absicht ihm zur Kenntnis gelangt ist. Aber bei Naturvölkern ist es -eine Selbstverständlichkeit, daß die Welt einheitlich der irdischen -gleicht. Naiv wird angenommen, was die Forschung mit vieler Mühe, -wenn auch in ganz anderem Sinne, zum Teil erst erweist. Nichts ist -charakteristischer als die Anschauung vom Himmel und von dem darüber -Befindlichen, die wir bei so vielen Naturvölkern vorfinden. Der Himmel -ist ein Zeltdach, am Horizont an die Erde durch Stricke, Ranken und -ähnliches befestigt, oder von Bergen, Felsen, Bäumen, Menschen, Tieren -getragen. So kann ein Mensch auch einfach in den Himmel gelangen. -Tawhaki, ein neuseeländischer Heros und später Halbgott, hat ein -dem Himmel entstiegenes Weib Tanga-Tanga oder Hapai und von ihr ein -Töchterlein. Wie in unseren Märchen verschwindet das Weib jeden Tag mit -Morgengrauen, bis sie aus Liebe gänzlich bei ihm bleibt. Eines Tages -aber beleidigt er sie in dem Kind, das er als übelriechend bezeichnet, -und sie entflieht mit dem Kind in ihre himmlische Heimat. Nun sucht -er einen Weg, in den Himmel zu gelangen, um sie zurückzuholen. Nach -einigen Abenteuern gelangt er dahin, wo die Befestigungsseile des -Himmels die Erde treffen. Dort findet er eine alte Tante von ihm, und -die gibt ihm den Rat, an dem festgemachten Seil emporzuklettern. Sein -Bruder Karibi, der ihn begleitet hatte, nimmt ein zu loses Seil und -wird nun von den Winden Ost und West hin und her geschleudert. Tawhaki -selbst aber ist vorsichtig, klettert sicher und kommt so in den Himmel. -Menschen, die auf irgendeine Weise in den Himmel gelangt sind und zur -Erde zurückwollen, machen ein Loch, binden ein Tau an und lassen sich -an dem Tau herab. Oder es schießt jemand einen Pfeil in die Höhe, der -im Himmel stecken bleibt, dann schickt er einen zweiten in den ersten, -einen dritten in den zweiten usf. So gewannen die Söhne Ajelens in -Nordamerika eine Pfeilleiter, in den Himmel zu klettern, und einer so -entstandenen Pfeilleiter bediente sich der polynesische Heros Quat. In -Australien wirft ein Mann seine Lanze, an die ein Seil gebunden ist, -gegen den Himmel, die Lanze bleibt dort stecken und er hat so einen -Weg. Noch einfacher macht es Kasimbaha in Celebes, er benutzt die -Rottangranke, nachdem die Feldratte ihre Dornen abgenagt hat, um in -den Himmel zu gelangen. Wenn die Höhe eines Baumes nicht reicht, wird -ein Zauber angewendet, ihn rasch wachsen zu lassen. Ein Kannibale, -Quasawara, stellte dem vorhin erwähnten Quat (Banks-Inseln) und seinen -Brüdern nach. Alle flohen auf die Spitze eines Kasuarinenbaumes. Der -Verfolger kletterte hinter ihnen her, aber Quat machte den Baum immer -höher wachsen. Zuletzt reichte dieser bis zum Himmel. Da bog Quat den -Baum zur Erde, stieg rasch mit seinen Brüdern herab, indem er die -Spitze festhielt, und als sie alle unten waren, ließ er die Spitze los, -der Baum schnellte auf und der zurückgebliebene Quasawara zerschlug -den Kopf an dem Himmel. Wer sich über so kindliche, fast kindische -Anschauungen verwundern sollte, der denke, daß ja für den Augenschein -der Himmel in der Tat nicht sehr fern ist, je nach Beschaffenheit der -Luft und der Vergleichsgegenstände vielleicht 20 bis 80 Meter. Der -Naturmensch folgt diesem Augenschein und läßt den Himmel über Bergen -sich entsprechend wölben, mitunter auch die Berge in den Himmel ragen. -Unwillkürlich denkt man an Astolfs Fahrt mit dem Apostel Johannes zum -Monde, um Rolands Verstand, der dort in einer Flasche aufbewahrt wird, -herabzuholen, nach Ariostos Dichterphantasie. Auf dem Monde - - Da gibt es andre Flüsse, andre Seen, - Als sie in unsrer Welt, und andre Auen; - Da kann er andre Täler, andre Höhen - Mit ihren Städten, ihren Schlössern schauen, - Und Häuser, groß, wie er sie nie gesehen, - Zuvor noch, noch hernach auf Erden bauen; - Auch weite gibt’s, einsame Waldreviere, - Allwo die Nymphen jagen ihre Tiere. - -Diese Verse führe ich des Folgenden wegen an. Der Naturmensch nimmt -das gleiche an. Im Himmel ist nämlich für ihn alles wie auf der Erde: -Wälder, Seen, Berge, selbst Menschen und Häuser. Und die Menschen -unterscheiden sich an sich in nichts von den Erdenmenschen, nur daß -man sie, da sie den Himmel bewohnen, etwas höher einschätzt. Tawhaki -findet zuletzt sein Weib und sein Kind und bleibt bei ihnen, er spielt -die Rolle eines Gewittergottes, indem es von seinen Fußtritten donnert -und blitzt. Noch naiver ist die Erzählung von Rupes Himmelaufstieg. Er -sucht seine Schwester und will darüber seinen Ahnen Rehua befragen. Der -aber wohnt im zehnten Himmel -- es wird also eine Vielzahl von Himmeln -angenommen, wie auch anderweitig. -- Rupe durchklettert alle Himmel, -wie, wird einfach nicht gesagt. In allen ist es wieder genau wie auf -der Erde. Endlich gelangt er in den zehnten Himmel und findet dort auch -den gesuchten Rehua. Und wie gemein irdisch es da zugeht, wird fast -mit Humor geschildert. Rupe verlangt zu essen. Da schüttelt der uralte -Rehua die Locken, und es fallen eine Menge Vögel heraus, die gebraten -werden. Auf Rupes verwunderte Frage, warum die Vögel in seinem Haar -nisten, sagt Rehua, er hätte dort eine so große Menge von -- Insekten, -daß alle Vögel auf seinem Haupte ihre Nahrung suchen. Ja, Rupe findet, -daß Rehuas Sklaven diesen schändlich behandelt haben, und muß seine -Wohnung vom gräßlichsten Schmutz säubern. Und das im zehnten Himmel! -zu dem der Hochgott der Ozeanier, Tane, die Wege besonders versperrt -haben soll. In Borneo steigt ein Mann auf die Plejaden und bekommt dort -Reis vorgesetzt, den er so kennen lernt. Fast gleiche Auffassungen -finden wir in Australien und in Afrika, bei den Eskimo und bei anderen -Völkern. Daß die Indianer Jagdgründe im Himmel erwarten, wissen wir -ja schon aus Coopers Romanen. Aber folgende indianische Sage ist noch -deutlicher, die ich nach Frobenius, gekürzt, gebe. Der Coyote hatte -einen Sohn und dieser besaß zwei Frauen, von denen der Coyote eine für -sich wünschte. Er wollte ihn töten und veranlaßte ihn, um einen Vogel -zu fangen, auf einen Baum zu klettern. Nun ließ er den Baum höher und -höher wachsen, bis dieser den Himmel berührte, daß sein Sohn sich -an der Feste den Kopf einschlage. -- Man vergleiche dazu die vorhin -mitgeteilte Erzählung von Quat und Quasawara auf den Banks-Inseln. -Aber der Sohn sprang vom Baum in den Himmel hinein. Was er da findet -entspricht genau der ozeanischen Auffassung, Männer und Frauen, die -Holz fällen. Von einem Mann und einer Frau wird er aufgenommen. Wie -er Sehnsucht nach der Erde bekommt, spinnt ihm die Frau ein Seil und -läßt ihn in einem Korb zur Erde nieder. Es will schon viel sagen, wenn -einmal ein Held sich in den Balg eines Vogels tut und in den Himmel -fliegt. Meist ist der Himmel so nahe und so irdisch, daß sogar Menschen -ihn zurückschieben, wie in Ozeanien und Australien an vielen Orten -erzählt wird. Zugleich ist er so derb solide, daß, wenn er herabstürzt, -er alles zerschlägt und die Menschen tötet. Von einem Herabstürzen des -Himmels wissen aber afrikanische, ozeanische und australische Stämme -manches zu erzählen. - -Der Himmel wird entweder oben gehalten oder, wie schon mitgeteilt ist, -als Zelt an die Erde mit Stricken, Ranken befestigt. Bei den Wanyamwesi -soll, nach Stuhlmann, eine Riesin, Fumyahólo, den Himmel gleich Atlas -stützen. Ihr Gatte, Niamtitinwa, gleichfalls ein Riese, hält die Erde -auf einer Seite, die andere Seite der Erde ruht auf einem Berg Lugula -oder Lugiya. Wenn dieser Riese zu seiner Frau geht, bebt die Erde. -Andere Afrikaner lassen die Erde auf einem Horn einer Kuh ruhen. Beben -entsteht, wenn die Kuh die Erde auf das andere Horn umlegt. Ozeanier -stellen sich die Erde vor als auf ein Netz aufgeschüttet, das im Meere -schwimmt, oder als Klumpen, den der Held Maui mit einem Netz aus dem -Meere emporgezogen hat. Weit verbreitet ist die Annahme, daß Erde -und Himmel von Säulen gestützt werden. Im übrigen wird nicht viel -nachgedacht, wir wissen ja auch, wieviel Kopfzerbrechen es den klügsten -Menschen im Altertum gekostet hat, eine Stütze für die Erde zu finden, -und welch ungetümliche Zurüstungen die geistig so hochstehenden Indier -getroffen haben, die Erde halten zu lassen (S. 176). Und ich darf -auch auf mein Buch „Die Entstehung der Welt und der Erde in Sage und -Wissenschaft“ verweisen. Hier zitiere ich noch nach Max Müller einen -Vers aus dem Rigveda, bekanntlich dem ältesten Schriftdenkmal der -Indier: „Ungestützt, nicht befestigt, wie bringt er es fertig, nicht zu -fallen, wenn er sich erhebt?“ „Er“ ist die Sonne. - -Was die Himmelskörper anbetrifft, so werden auch diese rein irdisch, -oft menschlich oder tierisch aufgefaßt. Ich habe auch dafür in -meinem obengenannten Buche Beispiele gegeben, die ich nur durch -einiges ergänzen darf. Bei manchen Indianern werden Sonne und Mond -so menschlich angesehen, daß sie Kinder haben. Ein Held gelangt -auf dem bekannten Wege in den Himmel und in das Haus der Sonne und -heiratet dort eine Tochter der Sonne. Mit seiner Frau in einem Korb -herabgelassen, muß er sie in einer Hütte versteckt halten, weil -sie zu stark leuchtet. Der Mond kann in Ozeanien von einem Adler -verschlungen werden. Aber das Verschlungenwerden von Sonne und Mond -bei Finsternissen ist ja fast in allen Erdteilen Erzählung und Glaube. -Und bekannt ist der furchtbare Lärm, den viele Völker gegen den Himmel -machen, um den Drachen, die Schlange, oder was es für ein Tier sein -mag, von seinem Opfer zu verscheuchen. In Polynesien ist die Sonne -selbst ein Ungetüm. Maui, der Herkules oder Simson der Polynesier, -dem sie zu heiß ist und zu rasch läuft, lauert ihr am Aufgangsorte -auf, wirft ihr eine Schlinge um den Hals, mit der er sie drosselt, -während er ihr zugleich mit seiner Keule Wunde über Wunde schlägt. Da -verliert das Ungetüm durch die Wunden den größten Teil der Hitze und -von Siechtum matt schleicht sie nun langsam ihres Weges. Daß der Mond -ein gewöhnliches Licht, eine Lampe, ist, findet sich oft erwähnt, noch -öfter ist er eine alte Frau. Wunderschön klingt es, liegt aber doch auf -gleichem Gebiet, wenn amerikanische Indianer die Dämmerröte für den -Widerschein der Fittige eines roten Schwanes erklären: - - Kann’s die Sonne sein, sich neigend - Überm flachen Wasserspiegel? - Kann der Schwan es sein, der rote, - Fließend, fliegend, wundgeschossen - Mit dem Pfeil, dem Zauberpfeile, - Rings die Flut mit Purpur färbend, - Mit dem Purpur seines Herzbluts, - Rings die Luft mit Glanz erfüllend, - Mit dem Glanze seiner Federn? - -singt Longfellow im „Hiawatha“ nach einer Sage der Odjibwä-Indianer (in -Freiligraths Übersetzung). - -Mit derartigen Anschauungen verbindet sich ein naiver Wunderglaube, -der das Wunder des Wunderbaren entkleidet. Wie selbstverständlich -öffnen sich Felsen auf ein Gebot sogar eines Tieres, wachsen Bäume bis -in den Himmel hinein, bleibt die Sonne auf Wunsch stehen, beleben -sich Klötze und Häuser. Man wird sagen, das sind Märchen -- und -solche kann man von den Negern in schöner Auswahl in dem hübschen -Buche des Fräulein von Held und in sehr vielen Reisebeschreibungen -und anthropologischen Werken lesen --, aber das Märchen hat für den -Naturmenschen, wenn es nicht direkt behufs Erzählens erfunden ist, -die Bedeutung, die es für das Kind besitzt, oder richtiger besaß, ehe -noch der hypermoderne Realismus das Kind in den Märchen Unsinn zu -sehen lehrte. Dazu kommt noch ein Umstand, auf den in einem folgenden -Abschnitt einzugehen ist, und der derartigen „Märchen“ ein ganz anderes -Aussehen verleiht und sie mit Mythe und Religion in Verbindung bringt. -Aber diese Selbstverständlichkeit des Wunders bei den Wilden ist -eines der größten Hindernisse für die Verbreitung des Christentums -unter den Naturvölkern ohne Gewalt, denn für die höheren Lehren hat -der Wilde nur selten Verständnis. Der Kampf ums Dasein und der naive -absolute Egoismus beschäftigt sein ganzes Leben, Tun und Trachten. In -den Erzählungen, die die Reisenden uns mitteilen, kommen zwar auch -Züge von Großmut vor, jedoch nur selten, und solche von Menschenliebe, -wie die Kulturreligionen sie verstehen, existieren kaum, selbst -bei Naturvölkern, die schon in Berührung mit der Zivilisation sich -befinden. Diese Tugend scheint der Mensch zu allerletzt zu lernen. Sie -ist freilich die schwerste von allen, nicht allein, weil sie absolute -Überwindung des Egoismus erfordert, sondern auch weil der Gegenstand -der Liebe sich nur sehr selten in liebenswürdiger Gestalt gibt, wo -nicht zugleich das Mitleid mitspricht. Und die Naturvölker haben -keine rechte Gelegenheit, von uns auch nur aus Mitleid, geschweige -aus Fühlen Liebe zu lernen. Gestalten wie Livingstone sind einzig. -Indessen ist die Gewalttätigkeit, vielfach Roheit und Brutalität, mit -der die Naturvölker so oft behandelt wurden, allerdings nicht der -eigentliche Grund für ihren Mangel an unseren Haupttugenden. Die rein -egoistische Grundlage ihres Wesens ist noch jedem, der mit ihnen in -Berührung kam, aufgefallen, nicht bloß Fremden gegenüber, sondern -auch gegen ihre nächsten Angehörigen. Es fehlt ihnen die Schule, -die bei den Kulturvölkern nun schon Tausende von Jahren dauert, und -namentlich drückt auf sie unwiderstehlich ihre Umgebung. Ein Wilder, -der in eine Umgebung versetzt wird, die nach jenen hohen Lehren -lebt, kann diese sehr wohl annehmen und auch in sich aufnehmen, wie -die Erfahrung ja hinreichend erwiesen hat. So aber verbietet zum -Beispiel ein Negerhäuptling, weil es ihm so gefällt (car tel est notre -plaisir), seinem ganzen Volke den Anbau des notwendigsten Getreides auf -mehrere Jahre, herrscht bei ganzen Stämmen die Sitte, die Alten und -Kranken auszusetzen oder zu töten, bildet bei noch anderen die Zahl -der gemordeten Menschen, in Schädeln, die auf einer Schnur gereiht -getragen werden, den höchsten Ruhm des Helden, und was der Greuel noch -mehr sind, an die man nicht denken mag und die man schon als Knabe in -Coopers Romanen mit einem gewissen Grausen gelesen hat, während sie in -der Wirklichkeit, wegen des Mangels eines jeden edleren Beweggrundes, -noch viel entsetzlicher wirken würden. Wenn nicht auch hier ein Motiv -vorhanden wäre, das in der ganzen Welt bekannt ist, in der ganzen -Welt zu den abscheulichsten Taten geführt hat, noch jetzt bei den -Kulturnationen in schönstem Flor steht, hier vielfach mit dem Fluch der -Lächerlichkeit begabt, aber beim Naturmenschen dessen ganzes Leben und -Tun erfüllend und lenkend -- der Aberglaube. Hier verflicht sich unsere -Betrachtung mit der für die nächste Klasse der Anschauungen. Diese -müssen wir durch eine Sonderbetrachtung einleiten. - - -7. ~Über den Ursprung der Religionen, Vorläufiges.~ - -Die Bedeutung des Wortes Religion wollen wir hier im allerweitesten -Sinne fassen; also dazu auch Meinung, Erzählung, Sage, Mythe rechnen, -sofern sie sich auf nicht jedem zur Verfügung stehende Kräfte und -Äußerungen beziehen. So weit müssen wir gehen, wenn wir von der -Religion der Naturvölker sprechen. - -Religion entstammt dem Ursächlichkeitsbegriff des Menschen, das heißt -der Eigenheit der Seele, alles notwendig als die Folge eines anderen -anzuschauen. Es kann einen Ursächlichkeitsbegriff ohne Religionen -geben, aber keine Religion ohne diesen Ursächlichkeitsbegriff. -Das gilt auch für geoffenbarte Religionen, da um eine Offenbarung -aufzufassen schon der Ursächlichkeitsbegriff vorhanden sein muß, -indem ohne diesen nichts mit einem anderen verknüpft werden kann. -Wahrscheinlich gibt es kein Lebewesen ohne den Ursächlichkeitsbegriff, -wie dunkel er in manchen Lebewesen auch sein mag. Aber außer diesem -Ursächlichkeitsbegriff dürfte auch der Lebenstrieb ein Großes zur -Entstehung von Religionen beigetragen haben. Und da dieser Trieb -sich vornehmlich äußert in Begehren und Fürchten, so werden schon -am Ursprung der Religionen diese Empfindungen für ihre Richtung -entscheidend sein. Wie, wann und wo die Religionen ihren Ursprung -nahmen, darüber bestehen bei den Forschern noch gegenwärtig unendlich -viele Meinungen. Einige sehen die Religionen als Folgeerscheinung der -Sprache an. Da auch Tiere in ihrer Weise sprechen können, und wir -diesen doch nicht gerne religiöse Anschauungen zuschreiben möchten, -muß es sich schon um eine Sprache handeln, die den Menschen vom Tiere -unterscheidet. Leider wissen wir nicht recht, wo der Unterschied -beginnt. Will man aber von uns selbst rückwärts schließen, so wird -man meinen, daß Namen- und Begriffsbildung die entscheidenden -Momente in der Sprache waren. Max Müller, der diesen Standpunkt -mit größter Konsequenz vertritt, bezeichnet es als Tatsache, daß -dazu die Wortwurzeln dienten, allein dienen konnten, und -- was das -Wesentlichste ist -- daß diese Wurzeln, „infolge der Art und Weise, -in der sie zuerst ins Dasein traten, ~Handlungen~ ausdrückten, die -gewöhnlichen Handlungen, die auf einer früheren Gesellschaftsstufe -vollführt wurden. Der Himmel war der, der bedeckt, die Sonne die, die -wärmt, der Mond der, der mißt, die Wolke die, die regnet“ usf. Sah nun -der Mensch z. B. das Feuer, das für ihn eine so eminente Bedeutung -hat, so fiel ihm namentlich die Ruhelosigkeit dieses Elementes auf, -das Flammen, Zucken, Züngeln, Springen usf. Er bezeichnete es also -mit der Wortwurzel in „bewegen“, in den indogermanischen Sprachen -mit AG. Da aber diese Wurzel ein Handeln des Menschen ausdrückt, -eben das „Bewegen“, so kam er allmählich zu der Anschauung, daß in -der Flamme etwas Bewegendes, ein Agens sei, zu ihrer Natur gehöre, -„Beweger hier“, „Beweger da“, im sanskritischen AG-ni-s, damit wäre -zum Beispiel in Sanskrit der Agni gewonnen, der „Beweger“. Im Laufe -der Jahrhunderte trat dann eine immer weitergehende Vergeistigung -ein, erst ein beseelter Beweger, wie ein Mensch, dann ein göttlicher -Beweger usf., bis zuletzt bei einigen Sekten Agni zum höchsten Gott -und Schöpfer hinaufidealisiert ward. Diese Theorie des großen Sprach- -und Religionsforschers hat zweifellos etwas sehr Bestechendes. Man -bedarf nicht einmal der wirklichen Sprache; es genügt ja völlig, wenn -der Mensch in sich selbst die Handlungen auffaßt, wenn er es auch -nach außen nicht zum Ausdruck bringt. Er wird dann innerlich das -Feuer so betrachten, wie er es mittelst der Sprachwurzeln nach außen -kundgibt. Aber bedeuten auch die ersten Sprachwurzeln nur Handlungen -des Menschen, ist das auch der Fall mit den ersten bestimmten inneren -Denkregungen? Werden auch diese sich nur auf Handlungen beziehen? Fast -möchte man es glauben, da das Leben des Menschen in Handlung aufgeht -und die Natur ja auch in stetem Geschehen sich befindet. Dinge also, -die ruhen, würden keinen Anlaß zur Entstehung religiöser Begriffe -geben. Diesen Schluß zieht auch Max Müller, da er von dem bekannten -Fetischismus, Animismus und der Personifikation als Grundelemente -der Religion nichts wissen will. Es ist schwer auf einem Gebiete wie -dieses, wo jede Tradition und jede Erfahrung mangelt, etwas Bestimmtes -zu sagen; unter den Völkern, die wir kennen, befindet sich und befand -sich keines mehr im Ursprung der Religionsbildung, alle hatten und -haben ein schon ziemlich kompliziertes System religiöser Ansichten. Am -Kinde aber zu beobachten, wie bei ihm religiöse Anschauung entsteht -und wächst, würde nur ersprießlich sein können, wenn man es als -Wilden, gesondert von allem kulturmenschlichen Verkehr, aufwachsen -ließe. Elterliche Brutalität bringt es manchmal zuwege, daß ein Kind in -dieser Weise aufwachsen könnte, wenn die Kultur es nicht an sich von -allen Seiten umgäbe. Und seit dem alten Ägypterkönig, von dem Herodot -erzählt, daß er, um zu erfahren, welches die eigentlich menschliche -Sprache sei, ein Kind vom ersten Tage gegen jeden menschlichen -Verkehr abgeschlossen habe, ist das Experiment nicht wieder gemacht -worden. Also, es fehlt an Mitteln zur Entscheidung. Nur das, glaube -ich, muß man sagen, daß es nicht die ~äußere~ Sprache war, die die -Religionen schuf, sondern die ~innere~, und diese wird der ~äußeren~ -weit vorausgegangen sein. Wenn Max Müller nur die äußere Sprache -versteht, dann ist meines Erachtens seine Theorie nicht haltbar. -Begehren und Furcht, ich wiederhole es, sind die Grundpfeiler für -religiöse Anschauungen. Und wahrscheinlich Furcht zuerst, dem Begehren -sich später erst anschließt. Die meisten Forscher greifen, wenn -es sich um religiöse Regungen oder gar Anschauungen handelt, viel -zu hoch. Man muß, wenigstens wenn man Religion in so weitem Sinne -faßt, wie es der Anthropolog zu tun gezwungen ist, unter Abstraktion -von aller ursprünglichen Offenbarung, tief herabsteigen. Sind die -Menschen aus der Reihe der Lebewesen durch fortschreitende Entwicklung -hervorgegangen und haben sie ihre seelischen Fähigkeiten allmählich -erreicht, so wird man in dem Auftreten religiöser Regungen gar nicht -weit genug zurückgehen können. Und bekanntlich behaupten manche -Naturforscher, daß Tiere wohl auch etwas haben möchten, was einer -Religionsanschauung -- im weitesten Sinne des Wortes -- entspricht. -Sicher ist ja, daß manche Tiere sich vor ungewohnten Dingen und -Bewegungen fürchten, daß sie unter Umständen Gespenster sehen usf. -Haben doch sogar manche gemeint, daß der Hund im Menschen eine Art -göttliches Wesen (göttlich vom Standpunkte des allertiefststehenden -Wilden) sehe, was freilich mit der Tatsache, daß der Hund jeden anderen -als seinen Herrn auch ohne Grund anbellt und anfällt, nicht recht -harmonieren will. - -Nun unterscheidet Max Müller allerdings drei Stufen der -Religionsanschauung: physische, anthropische (Max Müller scheut sich -vor dieser Wortbildung und sagt anthropologische, ich sehe aber nicht -ein, warum, um einer ungewohnten und freilich auch anfechtbaren -Wortbildung zu entgehen, man zu einer anderen, bereits in anderem -Sinne vergebenen greifen soll) und psychologische. Diese Stufen sind -sicher für die allgemeine Entwicklung treffend gewählt, sie umfassen -aber nicht alles. Man darf ferner Lippert in seinem Hauptsatze im -allgemeinen beistimmen, daß Religion ohne einen gewissen, wenn auch -noch so niedrigen, rohen und selbst gemeinen Kultus, nicht verstanden -werden kann. Allein dieser Satz hilft nur die etwaige Religion des -Tieres von der des ~fortgeschrittenen~ Menschen unterscheiden, -wenn nicht vielleicht gewisse Tierklassen, wie die bekannten -Ameisengattungen, auch Kultus besitzen. Die Entwicklungslehre kann -aber nicht anders als annehmen, daß zuerst die religiösen Anschauungen -des Menschen sich gar nicht von denen der Tiere unterschieden haben, -aus welchen er hervorgegangen ist, und daß diese Anschauungen -allmählich zu Höherem aufstiegen, indem sich gleichzeitig alle Greuel -entwickelten, die den Namen Religion entweihten und entweihen. Wir -wissen nicht, ob die geistigen Kräfte des Menschen zunahmen, weil seine -animalischen Ausrüstungen mehr und mehr verloren gingen, oder ob das -umgekehrte stattfand, daß seine animalische Ausrüstung zurückging, -weil die geistigen Fähigkeiten stiegen. Der bequemste Ausweg wird -sein, wenn wir annehmen, daß beides gleichzeitig stattfand, indem -immer eins das andere nach sich zog. Dann mußte einerseits die -Einsicht wachsen, andererseits der Trieb der Selbsterhaltung; und es -scheint, daß zunächst die ganze zunehmende Einsicht in den Dienst -der Selbsterhaltung gestellt worden ist. Deshalb hat sich der Mensch -zunächst soviel furchtbarer als das furchtbarste Tier entwickelt, und -seine Religionsanschauung ging keineswegs die stillen Wege, die viele -so gerne annehmen, indem sie alle Greuel auf „Aberglauben“ schieben. -Wir mögen über den Aberglauben des Kulturmenschen lachen, der auf die -Türschwelle oder den Türpfosten seiner Behausung ein Hufeisen nagelt, -wir mögen lachen, wenn gleichfalls Kulturmenschen sich vor dem 13ten -und dem Freitag fürchten, und was der so zahlreichen Albernheiten noch -mehr sind. Glauben die betreffenden Leute an sie, so haben sie zu der -bekannten Religion noch eine andere. Verhalten sie sich neutral, so -treiben sie all den Unfug aus Affennachahmung, „nützt es nicht, so -schadet es nicht“. Glauben sie nicht daran, so machen sie sich eines -Vergehens gegen den geistig schwächeren Teil der Menschheit schuldig. -Aber dem Naturmenschen ist „Aberglaube“ seine eigentliche Religion, und -was man bei ihm noch Mystisches und Höheres etwa findet, hat für ihn -gar keine oder nur Erzählungsbedeutung. - -Andere haben den Urgrund aller religiösen Anschauungen in dem Gefühl -der Schwäche gesucht, das der Mensch der ihn umgebenden Natur gegenüber -hat. Er soll eine Macht über sich empfinden und diese allmählich -höher und höher einschätzen lernen. Der Trieb der Selbsterhaltung -würde ihn dann zur Verehrung und Anbetung dieser Macht durch Worte -und Taten führen. Irregeleitet, würde der Mensch zunächst nicht eine -Macht annehmen, sondern viele Mächte, und sie in dem lokalisieren, -was für ihn besondere Bedeutung hat, also in Sonne, Mond, Feuer, -Sturm, Gewitter, Strom, Meer u. a. Man kann sehr vieles für diese -weitverbreitete Ansicht vom Ursprung der Religion beibringen. Das -Gefühl einer Übermacht über sich ist schon im Tierreich vorhanden; -ein kleines schwaches Mädchen kann den stärksten Hund zum hündischen -Gehorsam zwingen, wie wir ja zu unserm Vergnügen oft genug sehen; -der Hund hat ein Gefühl von der Übermacht des Menschleins. Dahin -gehören auch solche Tatsachen aus dem Tierleben, die mit ihrem -eigenen Gesellschaftsleben zusammenhängen, wenn einem Individuum -selbstverständlich die Übermacht zuerkannt wird, wie bei den Bienen. -Auch das Verhalten der Blattläuse gewissen Ameisenarten gegenüber -dürfte auf dem Gefühl einer Übermacht beruhen; denn ohne Widerstand zu -leisten und ohne einen Fluchtversuch selbst dann zu machen, wenn sie -beflügelt sind, lassen sich diese Insekten von den Ameisen in deren -Heim schleppen und tragen, wo sie, wie bei den Menschen das Vieh, -gehegt und aufgezehrt werden. Fast denkt man an das Verhältnis des -Volkes zu wilden Häuptlingen oder sinnlosen Despoten. Ist das Gefühl -der Übermacht beim Menschen nur auf dem der Furcht gegründet, so würde -es sich wenig von dem der intelligenteren Tiere unterscheiden. Aber -beim Menschen soll noch hinzukommen, daß er auch Hoffnung auf Gutes -und Erwartung von Gutem für sich auf diese Übermacht gründet. Und das -wäre freilich etwas, das im Tierreiche wohl nur selten gefunden wird. -Die Beispiele von Hunden, die allerhand Künste vollführen in Erwartung -einer Belohnung, von Vögelchen, die auf den Ruf eines, der ihnen Samen -oder Bröckchen bietet, ihm beliebig auf Hand und Schulter fliegen, -dürfen, glaube ich, hier nicht angeführt werden. Es sind Erfahrungen, -denen die Tiere, namentlich im Zustand der Domestikation, folgen. - -Auf dem Wege zur spiritualistischen Ansicht von der Entstehung der -Religionen treffen wir die Behauptung, daß religiöse Anschauung -überhaupt zur Eigenheit des Menschen gehöre, gewissermaßen apriorisch -eine Kategorie, ein Regulativ seines inneren und äußeren Lebens bilde. -Einen energischen Vertreter dieser Ansicht finden wir in Benjamin -Constant, der sie schon im ersten Kapitel seines großen Werkes „De la -réligion“ feststellt. Sofern die religiöse Anschauung in der Kategorie -der Ursächlichkeit beruht, und diese allerdings eine unumgängliche -Vorbedingung unseres inneren und äußeren Lebens bedeutet, könnte man -letzteres auch von der religiösen Anschauung annehmen. Daß indessen -der Begriff der Ursächlichkeit für sich nicht hinreicht, den Trieb zur -religiösen Anschauung zu erklären, darf wohl als sicher hingestellt -werden. Es ist zwar richtig, daß die religiöse Anschauung ein Regulativ -unseres Lebens ist. Aber es spielt bei ihr noch etwas mit, das -durchaus dem Bereiche des Fühlens angehört und für das wir im Begriff -der Ursächlichkeit keinen adäquaten Ausdruck finden. Auch die Tiere -und selbst die Pflanzen müssen den Begriff der Ursächlichkeit bewußt -oder unbewußt (instinktiv, wie wir sagen) besitzen, sonst existierten -sie nicht. Aber religiöse Anschauung schreiben wir ihnen doch nicht -zu. Ferner gibt es zweifellos Menschen, die jedes religiösen Gefühls -gänzlich bar sind, nicht einmal einem Aberglauben huldigen. Soll also -religiöse Anschauung in der Tat eine Eigenschaft der Menschenseele -sein, so muß sie außer in der Ursächlichkeit noch in anderem eine -Wurzel haben, oder nur in diesem anderen. Dieses ist wohl auch die -Meinung von Wilhelm Wundt, daß nämlich die Ursächlichkeit für eine rein -psychische Entstehung einer religiösen Anschauung nicht hinreicht. Nun -haben wir schon früher Furcht und Begehren als die Haupttriebfedern -für religiöse Annahmen hervorgehoben. Von diesen Menscheneigenschaften -soll aber, als unwürdig, gerade abgesehen werden. Dann würde freilich -nichts übrig bleiben als die religiöse Anschauung als ~eigene~ -Kategorie zu betrachten, wogegen doch sehr vieles spricht, was bei -der Vorführung der einzelnen Religionsanschauungen hervortreten wird, -wo wir den allerniedrigsten Meinungen begegnen, die jeder Kultur und -jeder Menschlichkeit ins Gesicht schlagen. Soll sich aber jene Ansicht -auf ~unsere Idee~ von Religion beziehen, so ist eben der Begriff -Religion viel zu eng gefaßt, und wir brauchen darüber hier noch nicht -zu diskutieren. - -Endlich die rein spiritualistische Ansicht selbst sieht die Religion -als von höchster Macht geoffenbart an. Das kann, ~absolut genommen~, -eigentlich nur von der einzigen wahren Religion gemeint sein, denn -es ist ja ausgeschlossen, daß eine Offenbarung in mehrerer Gestalt -erfolgen kann. Kein Mensch weiß, welches diese einzige wahre Religion -ist, jeder gibt die seinige dafür aus. Und irgendein Kriterium zur -Entscheidung haben wir nicht. Vergangene und gegenwärtige Geschichte -der Religionen schneiden uns dazu jede Möglichkeit ab. Die beliebte -Ausrede, daß die Menschen die Offenbarung verdorben hätten, hilft hier -nichts, sondern schadet nur. Denn was eine ~absolute~ Offenbarung ist, -muß mit zwingender Gewalt die Menschen leiten und kann sie nicht zu so -furchtbaren Taten führen, wie die religiösen Verfolgungen sie gezeitigt -haben. Anders hat eine absolute Offenbarung gar keinen Sinn, denn dem -Besten im Menschen widersprechend wird man sie doch nicht gestalten -wollen. - -Gibt man den Standpunkt des Absoluten auf, so läßt sich über -Offenbarung eher reden. Dann wären die Religionen Inspirationen -einzelner Menschen oder einzelner Völkerschichten und dürfen darum -unvollkommen sein. Die Offenbarung verliert dadurch freilich die -Bedeutung, wegen deren sie eigentlich angenommen ist: die absolute -Richtigkeit jener betreffenden Religionsanschauung unwidersprechbar zu -machen. Sie geht auf den Standpunkt eines jeden menschlichen Einfalls -oder Erdenkens oder Fühlens zurück. Dafür haben wir ja allerdings -Beispiele, und darunter solche gewaltigster Wirkung und edelster -Lehren. Viele aber auch, die absurd und höchst schädlich sich erwiesen -haben. - -Was ist nun das Ergebnis dieser Betrachtungen? Ich glaube, daß man -bei der Untersuchung der Entstehung der Religionsanschauungen, wie -in so vielen anderen Fällen, überhaupt nicht rigoros auf diesem -oder jenem Standpunkt bestehen kann. Wie die Elektrizität in einem -Gewitter aus allen möglichen Vorgängen entstanden sein kann und -tatsächlich entsteht, so werden auch die Religionsanschauungen aus -den verschiedensten Ursachen hervorgegangen sein. Der Mensch hat -ein reichliches Kapital an Eigenschaften und Trieben in seinem -Inneren, um sie bald so, bald anders zu kombinieren und in neue -Werte umzusetzen. Mitunter ist eines, mitunter ein anderes für seine -Ansicht entscheidend. Religionen werden aus allen den vorgenannten, -vielleicht aus noch manchen anderen Quellen hervorgegangen sein. Die -Entwicklung, die die Religionen genommen haben, weist schon darauf -hin, daß sie nicht wohl auf ~einen~ Ursprung zurückgeführt werden -können, sondern daß bei ihnen verschiedene und mitunter mehrere -Momente wirksam gewesen sind. Auch haben sich viele Religionsforscher -gezwungen gesehen, einerseits niederen Anschauungen auch höhere Momente -zuzugestehen, andererseits in höheren auch niedrige anzuerkennen. Eine -wirkliche „Philosophie der Religion“ müßte alle Momente in Betracht -ziehen und ihren Einfluß in den einzelnen Religionen verfolgen. Aber -dazu mangeln uns nur allzusehr die Kenntnisse, sobald wir aus der -geschichtlichen Kulturwelt heraustreten. Es ist nicht Aufgabe dieses -Buches, hierauf genauer einzugehen, auf einzelnes und auf andere -Theorien wird jedoch noch oft genug hingewiesen werden. - - -8. ~Allgemeine Belebung.~ - -Gehen wir nun zu den einzelnen Religionsformen über, so scheint -in der Tat die von Max Müller angenommene physische Religion die -ursprünglichste zu sein, jedoch in ganz niedriger Bedeutung. Über die -Stufe der stumpfen Selbstverständlichkeit erhoben, wird der Mensch in -allem, was ihn umgab, etwas gesehen haben, das wir allerdings am besten -unbestimmt als Agens, Tätiges, Handelndes, Wirkendes bezeichnen können. -Namentlich in den Vorgängen wie Flamme, Sturm, Gewitter, Regen usf. -wird dieses zunächst geschehen sein, dann auch in den Gegenständen. -An den Tieren war eine derartige Betrachtung selbstverständlich, -ihre Ausdehnung auf Bäume, Blumen, Gräser konnte folgen. Dann mögen -fließende oder wogende Gewässer und zuletzt Berge, Felsen, Steine -an die Reihe gekommen sein. Es ist mißlich, solche Serien ex post -aufzustellen, da bei besonderen Völkern vieles von ihrer besonderen -Umgebung abhängig gewesen sein wird. Dazu ist zu beachten, daß auf -Menschen, wie übrigens auch auf Tiere, Gegenstände besonderer Art und -unter besonderen Umständen auch eine besondere Wirkung ausüben, wie -überhängende Felsen oder Steine in ebener Gegend, Bäume gewundener -oder übermäßiger Gestalt, Dämpfe aus der Erde aufsteigend usf. Kein -Hund hält einer Selterwasserflasche stand, die man vor ihm aufknallen -läßt, und überhängende oder fast schwebende Steinplatten sind selbst -einem beherzten Manne ungemütlich. Also mögen gewisse tote Gegenstände -viel eher mit dem Etwas versehen gedacht worden sein, als harmlose -Sträucher. Es ist vieles erzählt worden, woraus man schließen möchte, -daß die Feuerländer sich auf dieser Stufe der Weltanschauung befinden, -in der in allem ein Etwas Tätiges gesehen wird, ohne daß dieses Etwas -schon mit dem, was im Menschen das Tätige ist, identifiziert wird. - -Wenn der Mensch unter solchen Anschauungen seine Meinung bestimmter zu -fassen lernt, so wird er in dem in den Gegenständen Handelnden etwas -Lebendes sehen, sei es, daß die Gegenstände selbst leben, sei es, daß -etwas in ihnen vorhanden ist, das lebt. Beides finden wir, aber das -erstere kann offenbar nicht von weitem Umfange sein, da Lebloses von -Lebendem zu unterscheiden selbst dem Tiere leicht fällt. Max Müller hat -ein sehr lehrreiches Beispiel auf das sorgfältigste untersucht, die -Bedeutung Agnis in der altindischen Religion. Wie wir sahen, scheint -ihm „Agni den Begriff der lebhaften Bewegung ausgedrückt zu haben. -Am nächsten verwandt würde lateinisch ag-ilis sein“. Im Lateinischen -haben wir ignis, im Altslawischen ogni, im Littauischen ugnì. Das würde -noch auf der ersten Stufe stehen. Aber nun kommen Namen, die offenbar -einen tätigen Gegenstand ausdrücken: Dahana = der Brenner, An-ala -= der Blaser (mit der Wurzel An, die auch in animus, anima, ἄνεμος -enthalten ist und hauchen, wehen bedeutet). Max Müller führt noch -andere Namen auf, die gleichfalls einen tätigen Gegenstand betreffen. -Und er sagt allgemein: „Wenn dieser Schritt einmal getan war, wenn das -Wort Agni, Feuer, einmal geprägt war, so war die Versuchung groß, ja -fast unwiderstehlich, wie Agni als Agens aufgefaßt worden war, so auch -ihn als etwas aufzufassen, das den einzigen anderen aktiven Subjekten, -die den Menschen bekannt waren, glich, als tierischen und menschlichen -Agens.“ Und darin kann man ihm lediglich beistimmen. So führt er denn -auch an, daß im Rigveda von der Zunge oder den Zungen Agnis gesprochen -wird, von seinen Zähnen, seinen Kinnbacken, seiner brennenden Stirne, -seinem flammenden Haar, seinem goldenen Bart. Diese Sprechweisen als -metaphorisch aufzufassen, würde möglich sein, wenn der erste Begriff -des Agni ein höherer wäre. So aber möchten sie kaum anders als ad -verbum genommen werden, als Beschreibung Agnis als eines lebenden Etwas -(s. jedoch S. 25). Ich habe schon erwähnt, daß die Polynesier die Sonne -auch als Ungetüm betrachten, die Eskimo nehmen Sonne und Mond als -Mädchen und Knaben, wie südamerikanische Völker und wie, umgekehrt, -die Australier als Mann und Frau. Algonkinindianer, die den Mond für -die Frau der Sonne ansehen, erklären sogar die Finsternis dadurch, -daß diese Gestirne zuweilen ihr Kind (das also dunkel sein muß) in -den Armen vor sich halten. Daß man die Arme nicht sieht, kommt daher, -daß sie ständig einen Bogen gespannt vor sich halten. Hübsch ist eine -Sage bei den Mexikanern, die Tylor in seinem vorzüglichen Buche „Die -Anfänge der Kultur“ mitteilt. Die alte Sonne war ausgebrannt und die -Welt in Finsternis begraben. Da sprang ein Held in ein riesiges Feuer -und stieg, zum Gott geworden, als Tonatiuh strahlend im Osten als -neue Sonne auf. Nach ihm sprang ein zweiter Held in das Feuer. Aber -dieses war schon matt, und so kam er nur als Mond, Metztli, empor. Hier -sind also Sonne und Mond zwei Männer. Doch steht diese Sage für das -Gegenwärtige schon zu hoch. Mehr paßt hierher, daß bei den Alëuten der -Mond mit Steinen nach denen wirft, die ihn beleidigen. Man bedenke, -daß man in der Tat früher vielfach geglaubt hat, daß die Meteorsteine -Auswürflinge des Mondes seien. Auch die Sterne werden für Lebewesen, -Menschen oder Tiere, gehalten, wohl auch für Teile von Lebewesen. Ich -will nicht die griechischen Katasterismen anführen, die in so schönen -Sagen erzählt werden und noch in der so späten Zeit der Ptolemäer zu -der Versetzung des prachtvollen Haares der Berenike an den Himmel -geführt haben. Aber in Afrika ist die Milchstraße ein Zug Vögel. -Anderweitig sind die Sterne Menschen, welche in den Himmel geklettert -sind und nun nicht herabkönnen. In Ozeanien werden die Sterne auch als -Augen berühmter Häuptlinge ausgegeben, so daß diese letzteren großen -Wert im Leben auf möglichst glänzende Augen legen und die ihnen von -Natur verliehenen dadurch zu verbessern suchen, daß sie anderen die -Augen ausreißen und sie verzehren. Daß der Regenbogen ein lebendes -Ungetüm ist, das sogar Menschen frißt oder sie vergiftet, wird in -Polynesien erzählt. Der Gott Perkun soll in Littauen auch den Donner -selbst bedeutet haben. Stürme werden personifiziert; so sind bei den -Indianern, von denen Hiawatha erzählt, Wabun, Schawondasee, Kabibonda -Lebewesen, die Ostwind, Südwind und Nordwind bedeuten, deren Vater, -der allgemein Sturm, Mudjeekewis, heißt. Bei den Polynesiern finden -wir ähnlich personifizierte Winde, die Verwandte sind von Göttern. -Der Hauptwindgott Tawhiri-matea, der den Schimpf, der seinem Vater -und seiner Mutter, Himmel und Erde, durch ihre gewaltsame Scheidung -geschehen ist (S. 12), rächen will, läßt seine Kinder, die Stürme, -auf Meer und Land los, und er selbst wütet in ihrer Mitte, so daß die -Wälder, die Kinder Tane Mahutas, gestürzt, die Länder überschwemmt -und die Meere durchwühlt werden. „Den niederen Menschenstämmen,“ sagt -Tylor in seinem genannten Werke, „werden Sonne und Gestirne, Bäume und -Flüsse, Wind und Wolken persönliche, belebte Geschöpfe, welche ein nach -Analogie des menschlichen oder tierischen gedachtes Leben führen und -ihre besonderen Aufgaben im Universum mit Hilfe ihrer Gliedmaßen wie -Tiere erfüllen.“ Und er weist mit Recht auf das Verhalten der Kinder -hin, die zuerst gleichfalls alles beleben. Wie das Kind „schlägt der -Wilde Brasiliens den Stein, über den er gestolpert ist, oder den Pfeil, -der ihn verwundet hat.“ Tylor teilt noch andere Beispiele mit. So wird -bei gewissen südasiatischen Stämmen der Baum gefällt und zu Spänen -zerhackt, von dem jemand tödlich herabgefallen ist. Entsprechende -Beispiele finden sich sogar bei Kulturvölkern, ich darf an die Gerichte -erinnern, die bei den Athenern über leblose Gegenstände gehalten -wurden, durch die ein Mensch umgekommen war, an die Geißelung des -Hellesponts durch Xerxes und an anderes aus dem Altertum und selbst aus -dem Mittelalter Bekannte. Fast möchte man an die „Tücke des Objekts“ -erinnern, die Friedrich Vischer in seinem Roman „Auch einer“ so launig -beschreibt. Es war früher eine Sitte in Deutschland, wenn der Hausherr -gestorben war, es allem im Hause mitzuteilen, selbst dem Ackergerät und -den Vorräten. Wir dürfen uns darum nicht wundern, daß der Naturmensch -tatsächlich Gegenstände für lebend hält, die ihm doch tot scheinen -sollten, und sich so überall von Leben umgeben fühlt, dessen Natur er -nicht kennt, und das ihn infolgedessen beängstigt und bedrückt. Diese -Allbelebung, der wir auf niedrigster Kulturstufe begegnen, findet sich -von allem Groben geklärt in höchsten philosophischen Spekulationen -wieder, wie wir sehen werden. Für die Wildenstufe hat Tylor sie als -„Animismus“ bezeichnet, diesem Worte jedoch noch eine weitere Bedeutung -verliehen. - - -9. ~Seele und Beseelung, Animismus, Fetischismus.~ - -Sobald der Mensch dazu gelangt ist, an sich selbst den Körper von der -Seele zu unterscheiden, wird er naturgemäß das gleiche auch für alle -anderen Lebewesen und für die von ihm lebend gedachten Wesen tun. -Wann der Mensch „seine Seele entdeckt“ hat, entzieht sich unserer -Kenntnis. Den Unterschied zwischen einem lebenden Tiere und einem -getöteten kennen anscheinend auch Tiere selbst. Der Mensch aber muß -zu irgendeiner Zeit diesen Unterschied tiefer aufgefaßt haben und so -zu einer Zweiteilung seines Ich gekommen sein. Gegenwärtig scheint -kein Volk zu existieren, das den Begriff der Seele nicht kennt. Und -man möchte auch glauben, daß, sobald der Mensch die Ursächlichkeit -hinreichend bewußt anzuwenden gelernt hat, er durch den Anblick des -Toten neben dem Lebenden zu der Ansicht gezwungen werden mußte, -jenem fehle etwas, das dieser besitzt und was, eben weil körperlich -der Tote zunächst sich vom Lebenden noch gar nicht unterscheidet, -das Leben bedingen muß. Der Tote hat also etwas verloren, das Leben -in ihm, wir sagen die Seele. Der Naturmensch faßt die Seele als -körperlich auf, namentlich als Atem. Das tut er ja mit dem Menschen -überhaupt, man denke an ψυχή, anima, bei den Griechen und Römern, die -ein „Wehen“ bedeuten, an ruach, nephesch bei den Hebräern, die das -gleiche aussagen. Das deutsche „Seele“ soll auch mit einer derartigen -Auffassung zusammenhängen, mit seîvan = sich bewegen, seivs = das Meer, -in Verbindung stehen. Mitunter wird die Seele auch als „Schatten“ -bezeichnet und zwar nicht metaphorisch, sondern konkret, denn der -Naturmensch sieht den Schatten für ein Körperliches an, etwa wie die -Luft, und wir haben ja selbst Sagen, die von dem gleichen Gesichtspunkt -ausgehen. Der Teufel, erzählt Jakob Grimm, unterhielt in einer Gruft -zu Salamanca sieben Schüler mit der Bedingung, daß der siebente nach -Beendigung des Studiums das Gelag zahlen sollte. Als er seine Schule -entließ, wollte er den letzten Schüler zurückbehalten. Dieser aber -wies auf seinen Schatten, der wäre der letzte. Da mußte der Teufel den -Schatten nehmen, und der Schüler blieb ohne Schatten, wie -- Peter -Schlemihl. Sonst also ist die Seele etwas Luftartiges, und darum kann -sie auch den ganzen Körper durchdringen und überall in ihm sein, -während sie andererseits wie Luft nicht gesehen wird. Mitunter freilich -wird die Seele unmittelbar als ein Lebewesen betrachtet, entweder als -ein dem Menschen gleichendes Bild -- weshalb die Griechen sie auch -bildlich als εἴδωλον, kleines, den Verstorbenen, zuweilen sogar in -der Tracht, nachahmendes Menschlein darstellten --, oder noch derber -als Schmetterling, Wiesel, Vogel, am meisten als Schlange aufgefaßt. -Auf anderen Stufen wird die Seele auch als Pflanze betrachtet; Jakob -Grimm scheint in seiner deutschen Mythologie damit die Metamorphosen -verfolgter Menschen, namentlich Mädchen, wie Daphne und Syrinx, in -Verbindung zu bringen. „Ursprünglich,“ sagt er, „mag aber die Idee -eines unmittelbaren schnellen Übertritts der Seele in die Gestalt -der Blume (wofür er einige Beispiele aus deutschen, romanischen -und slawischen Sagen beiträgt) zugrunde liegen, wie aus bloßen -Blutstropfen, die nur einen kleinen Teil des Lebens enthalten, eine -Blume entspringt, im Blut hat die Seele Sitz, mit seinem Verströmen -flieht sie hin.“ Die Tschechen nennen die auf Sandgrabhügeln wachsende -Quendelblume „Mutterseelchen“. Aber da die Seele dem Körper Leben -verliehen hat, schreibt der Mensch ihr höhere Eigenschaften zu als der -Mensch als solcher besitzt. - -Übertrug nun der Mensch die Entdeckung an sich auch auf die anderen -Lebewesen und auf die ihm belebt scheinenden Gegenstände, so gewann -er rings um sich Seelen, die er im allgemeinen seiner Seele ähnlich -achten mußte. Und so wurden die Tiere wie er beseelt und füllten -sich Sonne, Mond, Gestirne, Bäume, Berge, Felsen, Meer, Flüsse und -Naturerscheinungen mit Seelen. Max Müller sagt zwar: „Ich kann nicht -umhin, es vernunftwidrig zu nennen, wenn man uns weismachen will, -daß zu irgendeiner Zeit in der Geschichte der Welt ein Mensch so -einfältig gewesen sei, daß er nicht imstande war, zwischen leblosen -und belebten Wesen zu unterscheiden, eine Unterscheidung, bei der -selbst die höheren Tiere kaum jemals fehlgehen; oder gar, daß sich -der Mensch darin gefiel, der Sonne und dem Mond, Bäumen und Flüssen -Leben oder eine Seele zuzuschreiben, obwohl er sich dessen vollkommen -bewußt war, daß sie weder Leben noch Seele besäßen.“ Aber gerade dieses -letztere kann angesichts der außerordentlichen Zahl von Tatsachen -nicht zugegeben werden. Der Mensch war sich eben nicht bewußt, daß -die Gegenstände weder Leben noch Seele besäßen, er hat eben gerade -das Gegenteil angenommen. Und man kann sagen, daß die Entdeckung der -Seele als eines Sonderdinges ihm geholfen hat, die Schwierigkeiten, -die sich aus der offensichtlichen Leblosigkeit vieler Gegenstände -ergeben, zu verringern. Denn er sah an sich, daß er zu Zeiten -- im -Schlaf -- gleichfalls wie leblos erscheint. Da konnten die Seelen der -Gegenstände ähnlich sich in Schlummer oder Halbschlummer befinden. Er -sah, daß Menschen leblos sind, sobald die Seele aus ihnen schwindet; -das konnte auf die Gegenstände gleichfalls Anwendung finden, wo etwa -der Augenschein gegen ein Leben allzusehr sprach. - -Mit der Einführung der Seele als Sonderding und Lebensprinzip, was -selbstverständlich nur sehr allmählich geschah, nahmen nun die -Religionen eine neue Wendung. Sie geht nach verschiedenen Richtungen. -Wir unterscheiden zunächst Fetischglaube, Seelenglaube, einschließlich -Schamanismus, Ahnenglaube, einschließlich Totemismus, Geister- und -Dämonenglaube, Götterglaube. Man darf nicht annehmen, daß es sich hier -um nacheinander entstandene oder -- wenigstens gegenwärtig -- auch nur -getrennte Religionsgebiete handelt. Alles geht durcheinander, und wir -haben ein solches Gewirr von Angaben und Meinungen, daß es kaum möglich -ist, zu sagen, was bei diesem oder jenem Volke das Wesentliche ist. -Daher auch die sich oft widersprechenden Definitionen und Ergebnisse -der einzelnen Forscher und die Verschiedenheiten in der Bedeutung, die -sie, je nach Ansicht, den besonderen Anschauungsformen beimessen. Nur -allgemeine Grundzüge lassen sich feststellen. - -Es entspricht, wie schon bemerkt, der Natur des Menschen, daß -ungewohnte, neue oder seltene Gegenstände seine besondere -Aufmerksamkeit erregen. Tritt die Beseelung hinzu, so kann Furcht -oder Erwartung an diese Gegenstände sich knüpfen. Sie werden als -zauberkräftig im Schlimmen oder Guten angesehen, und der Mensch sucht -sie durch Gaben zu versöhnen oder sich günstig zu stimmen. Darauf -etwa beruht der ~Fetischismus~, wie die Portugiesen ihn in Afrika -zuerst kennen gelernt und aus ihrer Sprache (feitiço, Zauber) benannt -haben. Hiernach kann alles Fetisch sein oder werden: Töpfe, Steine, -Holz, Haar, Geflecht usf. Charakteristisch ist eine Erzählung aus -Afrika. Es wurde ein Anker gefunden, ein jedenfalls ungewohntes oder -gar unbekanntes Ding. Einer brach ein Stück davon ab und starb kurze -Zeit darauf. Sofort heißt es, der Anker wäre ein Fetisch, und der Mann -hätte sterben müssen, weil er durch Verletzung diesen Fetisch gekränkt -hätte. In Ozeanien sollen chinesische Töpfe als Fetische verehrt -werden. Tausende sind der Beispiele, die für den Fetischglauben aus -allen Teilen der Welt beigebracht und Tausende auch die Fetische, die -in unsere Museen und Sammlungen versetzt sind. Orte, wo üble Fetische -sich befinden, werden gemieden und nur zu Kulthandlungen aufgesucht. -Gute Fetische nimmt man nach Hause oder tut sie in besondere Hütten. -Erfüllen solche Fetische die Erwartungen nicht, oder zeigen sie -sich unwirksam, so werden sie mitunter wohl gezüchtigt, und wenn das -nichts nützt, fortgeworfen, als gänzlich leblos erkannt. Fetische -können von selbst wirken und ihrem Besitzer Glück und Gesundheit -bringen und erhalten -- solche haben wir ja in Unzahl ebenfalls z. -B. in den ~Amuletten~. Oder sie reagieren nur auf Anrufung durch -einen Sachverständigen. Daraus ergibt sich nun der ganze Unfug des -Zauberwesens und der Zauberer, der überall auf der Erde sich findet -und überall die gleichen Züge trägt. Betrügende Betrüger und betrogene -Betrüger spielen da ihre verhängnisvolle Rolle. Bei der Beurteilung -darf man nicht vergessen, daß der Wilde so wenig Mittel gegen -Krankheit, Hungersnot, Tiere usf. besitzt und darum naturgemäß zu allem -greift, davon er irgend glauben kann, daß es ihm nützen möchte. Wir -finden das gleiche auch bei uns, wo der Mensch von bessern Hilfsmitteln -verlassen ist und irgendwelche Beispiele ihm bekannt sind, daß dieses -oder jenes, wenn auch noch so Absurde, irgendwo und wann geholfen hat. -Wir sehen aber, daß der Fetischglaube rein auf Furcht und Egoismus -gebaut ist, und dementsprechend ist der Kult der Fetische eingerichtet. -Mit dem guten Fetisch wird wie mit einem Liebling verkehrt; er erhält -Gaben an Essen und Getränk, Sitz und Lager. Manche schaffen sich -Hunderte und Tausende von Fetischen an; Steine, über die sie stolpern, -Blätter, die zu ihren Füßen geweht werden, Holzstücke, die ihnen -auffallen, Figuren usf. Und sie sitzen mitunter in der großen Masse -von solchen Gegenständen und bitten sie schmeichelnd und verehrend, -ihre Kraft ihnen zu weihen. Gefürchtete Fetische können zu furchtbaren -Götzen sich auswachsen, die nur durch blutige Opfer zu versöhnen -sind, wozu namentlich auch Menschenopfer gehören. Der Fetischismus -wird vielfach, so von Comte, Lippert, Schultze u. a. in viel weiterem -Sinne aufgefaßt, was später noch zur Sprache kommt. Ich habe die -beschränktere Umgrenzung gewählt, um nicht bei einer allgemeinen -Untersuchung sogleich ins Uferlose zu geraten. Gibt es doch auf der -anderen Seite Forscher, welche von einem Fetisch~glauben~ überhaupt -nichts wissen wollen. - -Der Seelenglaube erschöpft sich nicht in dem Glauben an eine Seele, -sondern er geht auch auf die Beschaffenheit und Eigenheit der Seele -ein. Sie kann ihre Behausung überall nehmen, hält sich jedoch am -liebsten am gewohnten Orte auf. Da sie immerhin unheimlich wirkt, -sucht man sie entweder zu bannen oder man überläßt ihr ihren gewohnten -Aufenthalt. So wird oft ein Topf oder ein Korb hingestellt und die -Seele des Gestorbenen gebeten, darin ihren Platz zu nehmen. Dem Körper -entsprechend, den sie bewohnt hat, zieht sie Nachbildungen aus Holz -oder Ton oder Stein vor. Hat sie sich in eine solche Nachbildung -begeben, so kann letztere Fetisch werden und darum haben so viele -Fetische Menschen- und Tiergestalt. In anderen Fällen sucht man sie den -gewohnten Eingang in die Behausung vergessen zu machen und greift zu -so kindlichen Mitteln, daß man den Toten rennend mehrmals um die Hütte -herumträgt, oder daß man den Toten nicht durch die Türe, sondern durch -ein zu diesem Behufe gemachtes Loch hinausschafft, das nachher wieder -geschlossen wird. - -Lippert erzählt eine tragikomische Geschichte aus unserer eigenen -Zeit (1879) und unserem eigenen Vaterlande, die ebensogut in Afrika -hätte passieren können. In einem Dorfe bei Zittau hatte sich ein -Militärmusiker entleibt. Der Hauswirt gestattete unter keinen Umständen -die Hinausbeförderung der Leiche durch den gewöhnlichen Ausgang, weil -„in diesem Falle die Seele des Selbstmörders im Hause bleibe und darin -spuke“. Die Träger mußten fort und kamen, da es spät war, erst am -nächsten Tage mit den Gensdarmes wieder. Wie erstaunt waren sie, die -Leiche vor dem Hause in einer hölzernen Kiste zu finden. Der Hauswirt -hatte sie in der Nacht mit Hilfe einiger Freunde in die Kiste getan und -an einem Strick durch das Fenster hinabgelassen. Wie es bei uns auch -von Spukgeschichten wimmelt, brauche ich kaum hervorzuheben. - -Geht man ganz nachsichtig vor, oder hat man besondere Gründe, so wird -der Tote in der Hütte oder unter dem Eingang der Hütte begraben. Im -ersteren Fall wird die Hütte wohl auch von den Angehörigen verlassen, -damit die Seele ungestört bei ihrem Körper verweilen kann. Oder es wird -der Seele eine besondere Hütte gebaut, in der eben der Tote beigesetzt -wird. Dieses letztere berührt sich zwar mit Kulturgepflogenheiten, -hat aber einen anderen Sinn, lediglich den, der Seele einen festen -Aufenthaltsort zu geben, ohne sie zu kränken. Endlich werden Tote auch -unter Bäumen und Felsen oder in Höhlen beigesetzt. Ihr Gebiet geht -dann, soweit der Schatten des Baumes, Felsens oder der Höhle reicht. -Nach mohammedanischem Glauben bleibt die Seele des Abgeschiedenen noch -eine Nacht bei ihm. Wilde verlängern die Zeit beliebig. Damit die -Seele nicht herauskomme, werden dem Toten alle körperlichen Öffnungen -verstopft, oder es werden die Teile, in denen man die Seele vermutet, -wie Hirn, Herz und namentlich Niere herausgenommen und vernichtet, oder -als „Medizin“, als Zaubermittel gegen Unfälle und für Stärkung der -eigenen Kräfte verwendet. Namentlich Feinden gegenüber, wie Raubtieren -und menschlichen Feinden, wird so verfahren, wenn die Feinde nicht -ganz aufgezehrt werden, um ihre Seele in sich aufzunehmen. Der Drang -nach solcher Medizin ist so groß, daß, wo der Glaube herrscht, die -Seele gehe mit der Leichenflüssigkeit ab, selbst dieser widerliche -Saft getrunken wird. Frobenius, der davon als vom ~Fananybrauch~ -spricht, teilt mehrere Beispiele aus Afrika und Polynesien mit. Nicht -selten führt der Glaube zu gemeinen Mordtaten, und der Mörder hat nur -den Wunsch, etwa die Niere des Getöteten zu verschlingen; er hat dann -zwei Seelen, ist also kräftiger und darf auf längeres Leben hoffen. -Auch der Glaube scheint zu bestehen, daß man die Seele verhindern -kann, mit dem Toten zurück ans Tageslicht zu kehren, wenn man der -Leiche Hände und Füße bindet. Der Brauch scheint uralt zu sein, denn -auch in prähistorischen Gräbern Europas hat man Skelette mit Fesseln -an Händen und Füßen gefunden. Wie sehr die Körperlichkeit der Seele -ein Grundgedanke des Naturmenschen ist, ergibt auch die Ansicht, daß -die Seele in der Form ganz dem Körper folgt. Fehlt einem Menschen ein -Glied, so besitzt auch die Seele dieses Glied nicht. Daher schneiden -Wilde den Toten den Daumen der rechten Hand ab, damit die Seele nicht -nach ihnen ihre Geschosse schleudern kann. Es wird erzählt, daß, als -auf einer Plantage viele Neger Selbstmord begingen, um im Jenseits als -freie Seelen zu leben, der Besitzer zuletzt den Leichen Hände und Füße -abschlagen ließ. Das wirkte: die Neger fürchteten nun, ihr jenseitiges -Dasein so verstümmelt verbringen zu müssen. Daher die Vernichtung der -Seele durch absolute Zerstückelung oder besser durch Verbrennen des -Körpers (S. 71). Die Seele krankt und altert sogar mit dem Körper, und -darum fürchten so manche Wilde bei Siechtum oder Alterschwäche, im -Jenseits nicht mehr imstande zu sein, von den dort gebotenen Freuden -hinreichend genießen zu können. Daraus hat man die grausame Sitte so -mancher Naturvölker erklären wollen, die Alten und Siechen zu töten; -man will sie dem Jenseits noch in einiger Kraft erhalten. Eine Sitte, -die auch bei Germanen, Kelten und Slawen sich nachweisen läßt. - -Eine Seele kann auch Ummauerungen nicht durchdringen. Daher muß, wo der -Körper von einem Grabhügel umschlossen ist, an diesem Hügel ein Loch zu -ihm gelassen werden, damit Speise und Trank der Seele zugeführt werden -können; die neben das Grab getane würde die Seele nicht erreichen. - - -10. ~Schamanismus, Totemismus, Seelen-, Ahnenkult.~ - -Da die Seele eine gewisse Freiheit vom Körper genießt, so kann sie sich -mitunter aus diesem auch bei Lebzeiten entfernen. Und so glaubt der -Naturmensch, daß Gestalten, die er im Träumen sieht, entweder Seelen -dieser sind, die sich von ihnen gelöst haben und nun zu seiner Seele -gekommen sind, oder daß seine Seele aus seinem Körper gegangen ist und -jene Seelen aufgesucht hat. Dabei bieten die leblosen Gegenstände keine -Schwierigkeit, denn diese werden ja auch beseelt gedacht. Es kann nicht -meine Absicht sein, das unheimliche Kapitel der Träume zu behandeln; -ich habe nur das hervorzuheben, was für die Anschauung von Bedeutung -ist. Wie sehr es in der Natur des Menschen liegt, sich mit seinen -Träumen zu plagen, kann selbst der Vorurteilsfreieste an sich gewahren. -Und alle Aufklärungen der Physiologen und Biologen nützen nur wenig -dem, der von einem bösen Traum betroffen ist; er liegt ihm den Tag -über in allen Gliedern; der Träumer ist froh, wenn dieser Tag vorüber, -da seltsamerweise im allgemeinen der Wert eines Traumes auf die Zeit -zwischen Nacht und Nacht beschränkt wird. Nicht wenige Ethnologen und -Anthropologen sind geneigt, die Seelen- und Religionsanschauungen -überhaupt aus den Traumerscheinungen abzuleiten. Indessen träumen -auch Tiere. Etwas Besonderes muß also beim Menschen wohl hinzukommen, -ihm die Reflexion oder den Einfall aus jenen Anschauungen zu -erwecken. Manchen Menschen wird die Fähigkeit zugeschrieben, ihre -Seele nach gewissen Vorbereitungen, die meist auf Hervorrufung einer -Ekstase oder dumpfen Betäubung abzielen, beliebig aus ihrem Körper -nach bestimmten Orten hinauszusenden, um dort Erkundigungen über -Diebstähle, Feindespläne, Heilmittel, Schicksale von Menschen und -Tieren einzuziehen. Der betreffende Mensch liegt gleich einem Toten, -seine Seele geht inzwischen, wohin er sie entsandt hat. Nachdem sie das -Gewünschte erfahren, kehrt sie in ihn zurück, er erwacht und weiß nun -alles. Unzählig sind die Mitteilungen von solchen Seelenentsendungen -und den wunderbaren Erfolgen, namentlich bei den Völkern Nordasiens, -Nordeuropas und Nordamerikas, und auch Afrikas. Und manche davon sind -so auffallend, daß sie selbst unter gebildeten Reisenden Glauben -gefunden haben. Die Leute mit solcher Macht über ihre Seele gehören -meist zur Klasse der Priester und Zauberer, oder, wie wir sie gemeinhin -heißen, weil sie auch Krankheiten heilen und für alle möglichen -Fälle Mittel besitzen und verabreichen, „Medizinmänner“. Bei den -verschiedenen Völkern führen sie verschiedene Namen. Der bekannteste -ist der der ~Schamanen~ (aus dem indischen Çramana), und in Verbindung -mit gewissen Geisterkulten sprechen wir von ~Schamanismus~ als einer -Religionsäußerung. - -Solche Ansichten kennen auch die arischen Völker. Odhin soll mitunter -schlafen und dabei soll seine Seele als Vogel, Fisch oder Schlange die -Welt durchstreifen, um dem Herrn, was sie erkundet, mitzuteilen. Eine -seltsame Erzählung hat uns der Geschichtschreiber der Langobarden, -Paulus Diaconus, aufbewahrt, die ich nach Jakob Grimm (Deutsche -Mythologie) wiedergebe. „König Gunthram (der bekannte Frankenkönig) -war im Wald ermüdet auf dem Schoß eines treuen Dieners entschlafen. -Da sieht der Diener aus des Herrn Munde ein Tierlein, gleich einer -Schlange, laufen und auf einen Bach zugehen, den es nicht überschreiten -kann. Jener legt sein Schwert über das Wasser, das Tier läuft darüber -hin, und jenseits in einen Berg. Nach einiger Zeit kehrt es auf -demselben Wege in den Schlafenden zurück, der bald erwacht und erzählt, -wie er im Traum über eine eiserne Brücke in einen mit Gold erfüllten -Berg gegangen sei.“ Schlangen gehören zu den auf der ganzen Erde -verbreiteten Bildern und Verkörperlichungen der Seele. Die Schlange -also war König Gunthrams Seele. Paulus Diaconus teilt übrigens noch -mit, daß man an der betreffenden Stelle nachgegraben und in der Tat -viel verstecktes Gold gefunden habe. Die Seele hat also das Richtige -ermittelt. Von dem Gold ließ der König einen Kelch machen, den er dem -heiligen Marcellus in seiner Residenz Châlons widmete, wo der König -selbst begraben wurde. - -Auch fremde Seelen vermag der Kundige zu senden, wohin er will. Die -Könige von Dahome, so oft sie den Rat eines Gottes einholen wollten, -töteten einen Menschen, dessen Seele zum Gott ziehen und von ihm -das Nötige in Erfahrung bringen sollte, um es dem Zauberer dann zu -offenbaren. Ähnliches erzählt bekanntlich Herodot von den thrakischen -Goten: „Alle fünf Jahre wählen sie einen von ihnen durch das Los, den -schicken sie als Boten an Zalmoxis und tragen ihm ihr jedesmaliges -Anliegen auf.“ Die Entsendung geschieht, indem drei Leute Wurfspieße -halten und der zu Sendende hochgeworfen wird, daß er auf die Spieße -fällt. Ist er gleich tot, so wird das als gnädiges Zeichen des Gottes -betrachtet, sonst wird ein anderer Bote in gleicher Weise entsandt. -Herodot fügt hinzu: „Sie geben ihm aber den Auftrag, wenn er noch -lebt“. So gleichen sich Anschauungen in voneinander so fernen Landen -und so weit abstehenden Zeiten, zum Beweise wie gleichartig die -Menschen denken, schließen und handeln! - -Die Anerkennung der Obergewalt mancher Menschen über sich führt -dazu, daß deren Seelen besonders hoch bewertet werden. An den -Seelenglauben knüpft sich so der ~Ahnenglaube~ als das Natürliche und -der ~Übergeordnetenglaube~ als das oft Aufgezwungene. Den Ahnenglauben -finden wir fast auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten verbreitet. -Vielleicht mangelt er selbst denjenigen Völkern nicht, die ihre alten -Väter und Mütter aussetzen oder gar töten. Es liegt ja nahe, daß der -Ernährer der Familie eine eigene Stellung einnimmt und seine Seele -besonders geachtet wird. Offenbar wird sie besonders geneigt sein, -den Zurückgebliebenen die gleichen und mehr Wohltaten zu erweisen -wie im Leben. Da der Wilde absoluter Realist ist, sucht er sich ihre -Zuneigung zu wahren. Und dieses hat zu einem eigenartigen ~Seelen~- -und ~Ahnenkultus~ geführt, der sich überall vorfindet und, wie zu -anmutenden Gebräuchen, so auf der Wildenstufe zu den schändlichsten -Grausamkeiten geführt hat, die in den merkwürdigsten Formen vertreten -sind. Alles dieses steigert sich ins Ungemessene, wenn es sich um -die Seele eines mächtigen Zauberers oder eines Häuptlings handelt, -so daß hier deren Tod ein wahrer Jammer in des Wortes bösester -Bedeutung für ein ganzes Volk werden kann. Wir haben schauerliche -Funde aus prähistorischen Zeiten, und entsetzenvolle Erzählungen aus -Vergangenheit und Gegenwart. Indessen ist es nicht meine Aufgabe, die -Kulte zu besprechen, nur die Anschauungen gehören hierher. Diese aber -führen, wie man sieht, zu einer Stufung in den Seelen. Der niedrige -Sklave hat eine niedrige Seele, die nichts vermag, der Ahne, Priester -und Häuptling besitzen bedeutende Seelen. Und je höher der Rang, -je größer die Gewalt, desto mächtiger auch die Seele im Guten und -namentlich im Bösen. Diese Differenzierung ist von großer Wichtigkeit; -sie hat zu Theorien geführt, wonach die Religionen überhaupt aus -Seelen- und Ahnenglaube (wenn wir unter Ahnen allgemein Übergeordnete -verstehen) hervorgegangen seien. Ich komme darauf später zu sprechen. - -Die Tiere erachtet der Naturmensch als von sich nicht verschieden, -er verleiht ihnen Seelen, der seinigen gleich. Sprechen doch manche -afrikanische Stämme davon, daß gewisse Menschen beliebig als Menschen -oder als wilde Tiere leben können. Und wenn Polynesier von Leuten -erzählen, die sich beliebig in Raubtiere, Vögel, Fische oder Schlangen -verwandeln, so meinen sie das nicht nach Art unserer Sagen und Fabeln, -sondern rein reell. So hat sich neben einem Menschenseelenglauben -auch ein Tierseelenglaube ausgebildet und daran ein Tierseelenkult -angeschlossen, der ~Totemismus~. Und wunderlich berührt es, wenn als -Ahnenseelen auch Tierseelen angenommen werden, wie das namentlich -bei den Indianern der Fall ist, wo nicht bloß Familien, sondern auch -ganze Stämme irgendein Tier: Bär, Rabe, Schlange, Schildkröte, Spinne -usf. als Urahnen bezeichnen. Wenn ich Lippert recht verstehe, will er -freilich nicht die Tierseele als die Ahnenseele anerkennen, sondern -eine Menschenahnenseele annehmen, die in das Tier gefahren ist, in -ihm ihren Wohnsitz aufgeschlagen hat. Damit würde übereinstimmen, daß -Ahnentiere in der Regel nicht getötet und nicht gegessen werden dürfen, -aber wiederum nicht dazu passen, daß bei gewissen Festen gerade solche -Tiere verzehrt werden müssen. Indessen besteht über den Totemismus -überhaupt keine rechte Sicherheit. Manche wollen in den Ahnentieren -nichts weiter als Wappenbilder sehen, und zweifellos machen solche -auch vielfach diesen Eindruck. Oder sie erklären sie lediglich durch -Tiernamen menschlicher Ahnen, die durch Mißverstand zur Annahme von -Tieren als Ahnen geführt haben. Das eine oder das andere wird in vielen -Fällen zutreffen. Sicher aber ist, daß Tierseelen mitunter nicht -mindere Bedeutung haben wie Menschenseelen und gleichfalls Verehrung -genießen. Familie und Stamm halten ihr Totem (der Name stammt von den -Algonkinindianern her, „Dodaim“) hoch und nennen sich nach ihm Bär, -Wolf, Hirsch usf. - - -11. ~Geister- und Dämonenglaube, Götzendienst.~ - -Ein unmittelbares Kind des Seelenglaubens ist der ~Geister~- und -~Dämonenglaube~. Geister und Dämonen sind die Seelen abgeschiedener -Menschen oder Tiere. Ist es gelungen, diese Seelen an Gegenstände, tote -oder Lebewesen, zu bannen, so hat man die Fetische, die um so wichtiger -sind, je bedeutender die Seele. Häuptlinge und Priester können -erklären, in den und den Gegenstand sei eine besonders wichtige Seele -gefahren oder gebannt. Der Gegenstand ist dann ~Tabu~, unberührbar -und unnahbar, die bekannte Plage der ozeanischen Stämme. Gegenstände, -namentlich menschliche Figuren, aber auch Tiere und tierische Figuren, -werden besonders gerne zum Sitz einer Seele genommen, und ist die Seele -von einiger Bedeutung, so haben wir ein ~Götzenbild~ als Fetisch. -Götzenbilder sind räumlich und zeitlich außerordentlich verbreitet -und finden sich selbst gegenwärtig sogar bei den Kulturnationen. Sie -entstammen aber der menschlichen Eigenheit, alles materiell zu fassen. -Und es mag noch so oft gesagt werden, Männer und Frauen in katholischen -Ländern sollen durch bekleidete und gekrönte Marien- und Heiligenbilder -nur an die hohe Gottesmutter und an Menschen frommsten Lebenswandels -erinnert werden, so faßt das einfache Volk die Sache doch anders auf, -wenn auch nicht so wie der Neger oder der Gesellschaftsinsulaner, -der sein Götzenbild absolut sich dienstbar erachtet und es mit einer -rohen Seele versieht, die unter Umständen gezwungen werden muß, -Dienste zu leisten, aber doch immerhin beseelt. Wie sollten sonst die -Wunderbilder, die als solche Wunder tun oder die gar Lebensäußerungen -von sich geben, wie Weinen, Zunicken, Blutschwitzen zu erklären -sein, von den Hostien, deren Lebensäußerungen so unendlich vielen -unschuldigen Menschen den qualvollsten Tod gebracht haben, zu -schweigen, die nicht einmal menschliche Figur nachahmen. Es kann kaum -anderes angenommen werden, als daß für den Unaufgeklärten in allen -diesen Dingen sich mindestens die Kraft der Gottheit oder des Heiligen -kundgibt, zumal es sich ja immer um ~besondere~ solche Dinge handelt, -nicht um alle. Anhänger der Lehre, daß alle Religion aus dem Seelenkult -in Verbindung mit Fetischglaube hervorgegangen ist, würden sogar -sagen, daß angenommen wird, die Kraft ~stecke~ in den betreffenden -Dingen. Das geht sicher zu weit, selbst für das Mittelalter; es handelt -sich nur um eine Manifestation, nicht um Götzendienst im Sinne des -Naturmenschen. Ob aber der Molochdienst der Phönizier und Karthager, -der Çiva- und Kalidienst der Indier, der ursprüngliche Götterdienst -der Griechen und Römer, der Tierdienst der alten Ägypter, der Baum- -und Bilderdienst der alten Germanen, Kelten, Littauer, Preußen, Slawen -von jenem Götzendienst sehr weit entfernt gewesen ist, darf mit Recht -bezweifelt werden. Tylor macht darauf aufmerksam, wie trotz der -allgemeinen Verbreitung der Götzendienst doch manchen Völkern fehlt, -während die ganze Umgebung ihm huldigt. Das bekannteste Beispiel ist -das der Hebräer, denen ja selbst die Anfertigung eines Götzenbildes -verboten war. Aber wie sehr Fetischgötzendienst im Blute des Menschen -liegt, sehen wir ja gerade an den Hebräern. Was haben die gewaltigen -Seher und Propheten predigen und eifern müssen, um das Volk vom -Götzendienst abzuhalten, und wie viele Rückfälle in diesen Dienst sind -zu verzeichnen! Die lebhafteste Schilderung haben wir im Buch der -Richter vom Götzendienst im Hause des Micha, der sogar einen Leviten -zum Priester der Götzenbilder anstellt, sodann in der Anbetung des -goldenen Kalbes mit ihrem so verhängnisvollen Ergebnis für das Volk. -Aber nach dem Exil finden wir keine Spur von Götzendienst mehr vor, und -wie zuwider und verhaßt dieser Dienst dem Volke war, sehen wir an der -Heldenzeit der Makkabäer in der Empörung selbst gegen den veredelten -Bilderdienst der Griechen. Und unmittelbar neben diesem Hebräervolk -sitzt das ihm doch verschwisterte und dabei götzendienerischeste Volk -der Phönizier und im Süden hausen die tatsächlich Fetische anbetenden -Araber und im Osten die, trotz unserer Babylonier, götzendienerischen -Mesopotamier. Als zweites Beispiel werden die Götzendiener der -Gesellschaftsinseln und die vom Götzendienst freien Bewohner der -Tonga- und Fidschiinseln genannt. Selbst Religionen, die überhaupt -nicht auf Götterverehrung basieren, wie der Buddhismus, haben zuletzt -doch zu ~Idolatrie~ und Fetischismus geführt, sobald sie zu Völkern -gelangten, die die hohen Lehren nicht begriffen und nur das aufnahmen, -was ihrem, ich möchte fast sagen, Wildeninstinkt entsprach. So ist -die edle Lehre Gotamas bei Tibetanern und Mongolen zu einem elenden -Götzendienst herabgesunken, mit Geister- und Hexenwesen und allem -möglichen Beschwörungsunfug. In China ist ein Götze nach einem Prozeß -gegen ihn aus einer Provinz ausgetrieben worden, weil er einem Mädchen -durch seinen Priester Heilung versprach und das arme Wesen dennoch -starb. Mir fällt ein amüsantes Histörchen aus Herodot ein. Der joviale -Vater der Geschichte erzählt, die Männer von Kaunos, der Vaterstadt des -großen Malers Protogenes, hätten von ihren Göttern manches erfleht, -aber es nicht erhalten. Da seien sie mit Lanzen und Schwertern in -den Tempel gestürzt und hätten mit Schreien und Herumstechen in der -Luft die Götter aus dem Tempel gejagt, seien in gleicher Weise hinter -ihnen her gerannt, bis sie sie über ihre Grenze gescheucht hätten. -Dann hätten sie neue Götter in den Tempel geladen. Als es aber unter -diesen nicht besser wurde, hätten sie auch diese hinausgetrieben -und ihre alten Götter zurückgeholt. Völlig negermäßig! Und ähnliche -Beispiele gibt es in großer Zahl bei Griechen, Römern und anderen -Völkern, wenn auch nicht so ganz naturnaiv. Sehr lehrreich ist, was -Curtis in seinem lesenswerten Buche „Ursemitische Religion“ von den -mohammedanischen Stämmen in Syrien und den angrenzenden Gebieten -erzählt. Bei vielen dient Mohammeds Lehre kaum als Deckmantel für einen -Heiligen-Fetischglauben. Die Heiligen, Weli, können in Gräbern -- die -große Zahl solcher in allen mohammedanischen Ländern ist ja bekannt --- leben, aber auch in Bäumen, Felsen, Steinen, Quellen, Wassern -usf. „Theoretisch,“ sagt der genannte Verfasser -- und er beruft sich -auch auf den bekannten Palästinaforscher Conder -- „werden sie in -Verbindung mit Gott verehrt; tatsächlich jedoch kennen viele Leute -keinen anderen Gott als sie. Sie sind die Gottheiten, welche das Volk -fürchtet, liebt, verehrt und anbetet.“ Ein frommer Moslem erzählte, -sein Schutzpatron sei in einen in Asâl befindlichen Stein gefahren. Und -Steine als Aufenthalt scheinen überhaupt bei den Weli nicht unbeliebt -zu sein, namentlich irgend bemerkenswerte, wie Pfeiler, Denksteine usf. -Curtis erinnert daran, daß auch im Alten Testament Steine mitunter eine -besondere Rolle spielen, wie der Stein Jakobs, auf dem sein Haupt bei -dem schönen Traum geruht hatte und den er salbte und ein Haus Gottes -nannte. Auch Bäume sind in obigem Sinne heilig. „Offenbar sind nach -dem Volksglauben heilige Bäume Stätten der Offenbarung von Geistern.“ -„In solchen Bäumen wird Fleisch aufgehängt, gleichsam die Nahrung für -die darin wohnhaften Geister.“ Besonders seltsam sind die Gewässer, -in denen Heilige wohnen. Sie werden namentlich von Frauen aufgesucht, -welche unfruchtbar sind und glauben, daß wenn sie sich dem Wassergeist -ergaben, sie fruchtbar werden. Sie legen sich darum in den Wasserlauf -und lassen die Fluten über ihren Schoß spülen. Daß es sich hier um -etwas anderes handelt als Baden, erhellt aus folgender sonderbaren -Erzählung Curtis’. Ein reicher Moslem in Damaskus hatte seine Frau im -Zorn verstoßen und die dreifache Scheidung ausgesprochen. Bald tat -es ihm leid, er konnte sie aber nach dem Gesetz nunmehr nicht wieder -heiraten, bevor sie nicht mit einem anderen vermählt gewesen und von -ihm geschieden war, oder bevor sie nicht wenigstens einem anderen sich -hingegeben hatte. Die mohammedanischen Ulemas wußten ihm nicht zu -helfen. Aber der Patriarch (!) gab ihm den Rat, die Frau sollte sich -in den Rásadafluß niederlegen, „sich vom Wasser umspülen lassen und -so eine Ehe vollziehen; dann könne er sie wieder heimführen. Damit -erklärten sich auch die Ulemas einverstanden.“ Einen viel anderen -Rat als hier erste Priester zweier hoher Religionen gaben, würde ein -Medizinmann Afrikas auch nicht gegeben haben. Selbst die Bestechung -fehlt hier nicht, wobei es ganz handelsmäßig zugeht, indem dem -Heiligenbild mehr und mehr geboten wird, wenn es anscheinend nicht in -der Laune ist, den Wunsch zu gewähren. - -Je bedeutender die Seele, desto höher wertet, wie bemerkt, der -Fetischgötze, in dem sie wohnte. Und so konnten Häuptlingsseelen Götzen -für ein ganzes Volk abgeben, so daß manche Volksgötzen nach Häuptlingen -benannt sind, wie auch umgekehrt Häuptlinge nach Götzen. So müßte die -Bevölkerung des Olymps der Naturmenschen ins Ungemessene wachsen, wenn -nicht durch Vergessen oder absichtliches Entfernen für Abgang gesorgt -würde. Es ist bekannt, daß der Messenier Euemeros zur Zeit Alexanders -behauptete -- was übrigens andere schon vor ihm angenommen hatten --, -die griechischen Götter seien lediglich vergötterte Fürsten und Helden. -Er ist wegen dieser öden Ansicht viel angefeindet worden und wird, mit -bezug auf die griechischen Götter, die wir kennen, auch im Unrecht -sein. Daß aber Götter ursprünglich solche Fetischgötzen von Häuptlingen -sein können, wird man kaum bezweifeln dürfen, und die griechischen -Sagen tragen selbst viel dazu bei, ihren Göttern Menschenursprung -zuzuschreiben. Bei den Naturvölkern aber sind solche Vergötterungen -selbstverständlich. Der Häuptling ist der mächtigste im Stamm, er kann -zu Lebzeiten Gutes und Übles, und namentlich letzteres, zufügen. Also -muß seine Seele der gleichen Art sein, und der Gegenstand, in dem sie -wohnt, ein Menschenbild, ein Tierbild oder auch ein lebendes Tier, -durch sie besondere Kraft besitzen, gleichfalls Gutes und namentlich -Übles anzustiften, und muß durch Opfer, oft sogar Menschenopfer, -bei guter Laune erhalten werden. Selbst in Menschen kann die Seele -einziehen, dann fallen diese in Raserei. So erzählt Stuhlmann von den -Waganda. Er erwähnt auch, daß, wenn ein Priester stirbt, bald sich -jemand zu seinem Nachfolger aufwirft, indem er behauptet, jenes Seele -sei in ihn gefahren. - - -12. ~Zauberwesen.~ - -Nun können noch Seelen frei in der Luft leben oder in Bergen, Höhlen, -Wäldern, Gewässern, Wolken usf. Diese geben das Heer der ~Geister~, -~Gespenster~, ~Dämonen~, von denen es um den Naturmenschen wimmelt. -Nichts Unangenehmes kann vorgehen, daran nicht irgendein Geist schuld -ist. Deshalb ist dem Naturmenschen der Zauberer so unentbehrlich, -der es versteht, die Dämonen auszutreiben und zu bannen und sie auch -gegen die Feinde auszusenden. Manaia, so erzählt Grey in seiner -Polynesian Mythology, hatte die Schwester des Ngatoro-i-Rangi zur -Frau. Diese kochte ihm eines Tages schlechtes Essen. Da verfluchte er -ihren Bruder und entsandte so böse Geister gegen ihn und sein Volk. -Die Frau schickte sofort ihre Tochter aus, den Bruder zu warnen. Das -Mädchen kam hin und erzählte den Vorfall; darauf grub Ngatoro-i-Rangi, -nachdem er und seine Angehörigen sich durch Untertauchen in Wasser -gereinigt hatten, mit diesen eine Grube, und unter Beschwörungen -schaufelte er die gegen ihn ausgesandten bösen Geister in diese Grube -hinein, überschüttete sie mit Erde, stampfte diese fest und spannte -darüber beschwörte Gewänder und zuletzt ein Geflecht. So hatte er die -Dämonen vernichtet. Später zieht er mit seinen Leuten gegen Manaia -und gebraucht eine Kriegslist. Sie schlagen sich alle die Nasen wund -und legen sich für tot, die Waffen verborgen, auf die Erde. Priester -Manaias kommen und finden sie und meinen nicht anders, als ihre Geister -hätten sie getötet und hergebracht. Auf ihren Ruf strömt das Volk -hinzu. Aber während sie noch über die Verteilung der vermeintlich -Toten streiten, springen diese auf, fallen über sie her und erschlagen -alle. Dann -- fressen sie sie auf. Noch eigenartiger ist eine zweite -Erzählung Greys, gleichfalls aus Neuseeland. Zwei Zauberer, Purata und -Tautohito, besaßen in einer Festung einen holzgeschnitzten Kopf, der -auf Beschwörung Geister über Geister aussandte, die alles, was sich -der Festung nahte, töteten, so daß niemand mehr wagte, in die Gegend -zu kommen, die einem Leichenfelde glich. Da beschließt ein gewaltiger -Zauberer, Hakawau, hinzugehen und jenen Zauber zu vernichten. Zuerst -beruft er seine Geister und läßt sich von ihnen im Schlafe sein -Schicksal zeigen. Dieses ist günstig, denn er träumt, sein Haupt -berühre den Himmel und seine Füße ständen fest auf der Erde. Nun -macht er sich auf. Und wie er der Festung sich naht, schickt er mit -Beschwörung seinerseits Geister wider die feindseligen Geister. Es -entsteht eine förmliche Schlacht zwischen den zwei Geisterscharen. Die -Zauberer in der Festung schreien lauter und lauter auf den hölzernen -Kopf ein, der mehr und mehr Geister entsendet. Hakawau aber ist -kräftiger, und so siegt sein Geisterheer und erschlägt das feindliche. -Zuletzt dringt er in die Festung ein, indem er über den Zaun klettert, -und vernichtet den tödlichen Zauber vollends. - -Anrufungen, Beschwörungen und Kulte der Geister und Dämonen wechseln -ständig miteinander, und so ist der Naturmensch auch der ständige -Sklave dieses Glaubens und lebt namentlich in der Nacht in jeglicher -Furcht vor den Schöpfungen seiner eigenen Phantasie, richtiger seiner -konsequenten, aber von falschen Voraussetzungen ausgehenden Schlüsse. -In geringerer Fülle, aber immer ja noch reichlich genug, ist der -Geisterglaube auch bei den Kulturnationen vorhanden. Und zuzeiten nimmt -er gar gewaltig überhand. - - Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, - Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll. - Wenn auch ein Tag uns klar vernünftig lacht, - In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht. - Wir kehren froh von junger Flur zurück, - Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick. - Von Aberglauben, früh und spät umgarnt -- - Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt -- - Und so verschüchtert stehen wir allein - -sagt Faust, bevor die Sorge ihn erblinden läßt, wohl mit Rücksicht -auf den gerade blühenden Weinsberger Geisterspuk des so bedeutenden -Dichters Justinus Kerner. Und was tut der Spiritismus gegenwärtig -anderes als eine Geisterwelt errichten, und auf demselben Stamme wie -die Naturvölker, nur, bei den ernsten Anhängern, in edlerer und -gedankenreicherer Form. Aber der Vampyrglaube der slawischen Völker -ist grauenvoll genug, daß er uns selbst in der Oper von Marschner noch -erschreckt. Und ähnliche Gespenster- und Dämonengestalten, wo sind sie -nicht zu finden? Tote geben überall Anlaß zu Furcht und Wahngebilden, -nicht minder tut es das Spiel der Natur an abgelegenem Ort oder zu -mitternächtlicher Stunde. Wir verdanken diesen Gebilden so herrliche -Dichtungen wie Bürgers „Leonore“ und unzählige Volksballaden. Das sind -„~Überlebsel~“ aus grauer Vorzeit, sagt man. Und in der Tat schwindet -bei uns im Volke der Geister- und Gespensterglaube mehr und mehr, -wogegen er freilich in der Gesellschaft und in einer ganzen Schule -von Psychologen in gleicher oder anderer Form stark anschwillt, trotz -der mitunter lächerlichsten Prozesse gegen betrügerische Beschwörer. -Der Naturmensch faßt die Sache rein materiell auf, wie die beiden -Beispiele, die durch hunderte zu vermehren keinen Zweck hätte, lehren. -Die Geister sind für ihn zwar irdisch, sogar vernichtbar. Aber daß sie -nicht wahrzunehmen sind, das füllt ihn mit banger Furcht vor stetem -und verderblichem Angriff und zwingt ihn zu steter Abwehr. Unfall, -Krankheit und Tod sind dem Naturmenschen nicht natürlich, sondern -Durchbrechung der Natur und immer auf Rechnung böser Geister zu setzen, -die von selbst oder von irgendeinem Feind gesandt, den Menschen -befallen. Und so hat er sich ständig zu wahren und zu wehren, und der -Zauberer muß bald die günstigen Geister zur Hilfe herbeirufen, bald -die bösen durch Beschwörung und Tanz und Rasseln mit allen möglichen -Dingen vertreiben und wenn möglich zurück auf den Feind lenken. Wie -schon der Römer halb Sklave seiner dies fasti und nefasti, seiner -Träume und Ahnungen, aller Vorfälle und Erzählungen war, so ist das in -noch viel höherem Grade der Naturmensch. Überall sieht dieser die Hand -unheimlicher Mächte. Das gilt vielleicht nicht für alle Naturmenschen, -aber sicher weitaus für die meisten. Selbst Beduinen sind der Ansicht, -daß Menschen von Geistern im Traume erschlagen werden können. Und -„von bösen Geistern Besessene“ kennt das Altertum, das ganze -Mittelalter und ein gutes Stück der Neuzeit. Dieses zu besprechen ist -unerquicklich, und um so unerquicklicher, als beim Naturmenschen alle -Mittel angewendet werden, den Besessenen zu heilen, vom bösen Geist zu -befreien, bei uns aber, in unsinnigem Aberglauben, zuletzt die Heilung -in Ertränken und Verbrennen der Unglücklichen gesehen wurde. - - -13. ~Höhere Anschauungen bei Naturvölkern; Naturreligionen, -Naturmythen.~ - -Indem der Naturmensch alles mit Geistern erfüllt, läßt er auch Himmel, -Sonne, Mond, Gestirne, Erde, Meer, Flüsse, Quellen, Wolken, Wälder -nicht von Geistern frei. Diese besonderen Geister aber haben für ihn -nur zeitweise perniziöse Bedeutung, im allgemeinen jedoch spenden sie -ihm Wohlleben. Sie treten so nun aus der Reihe der übrigen Geister -heraus. Und sie sind es, aus denen sich allmählich die ~Naturreligion~ -entwickelt. Vor allem der Himmel, als der Ort der Himmelskörper, dann -Sonne, Wetter und Erde gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Und indem -sie für ganze Völker und Länder entscheidend sind und auf lange Zeiten, -werden sie mit den vornehmsten Geistern bevölkert. Aber dieser Prozeß -geht langsam vor sich. Und eigentlich muß der ~Pandämonismus~ schon -bis zu einem gewissen Grade abgeklungen sein, wenn jene höheren Mächte -hervortreten sollen. In der Tat haben sie auch bei dem Naturmenschen -bei weitem geringere Bedeutung als die unmittelbaren Geister und -Dämonen, zumal sie ja ständig sichtbar bleiben und der Mensch so an -ihren Anblick gewöhnt ist. Mit ihnen aber beginnt der eigentliche -~Götterglaube~ und die ~Mythologie~, die sich dann zuletzt zum -~Gottglauben~ steigert. Es ist oft gefragt worden, ob die Wildenstämme -schon im Besitz solcher höheren und höchsten Ideen sind. Ich habe -schon hervorgehoben, daß bei ihnen keineswegs nur eine Anschauung -herrscht, daß ihr Sinnen und Meinen sich vielmehr nach allen möglichen -Richtungen wendet. Und so ist es schon zu erwarten, daß, wenn nicht -alle, doch einige Stämme außer den unmittelbaren Geistern und Dämonen -auch die höheren anerkennen werden, vielleicht den höchsten Geist. Das -wird auch vielfach behauptet und durch Beispiele zu erweisen gesucht. -Aber es ist mitunter recht schwer, einzusehen, daß dem wirklich so -ist. Meist handelt es sich um einen Namen, ohne besondere Angabe der -Qualitäten, höchstens unter Bezugnahme auf Schöpfung. Wenn man bedenkt, -wie halbselbstverständlich dem Wilden das Wunder ist, begreift man -auch, wie wenig die Schöpfung intellektuell für ihn zu bedeuten hat. -Sie wird ja oft Menschen übertragen. Frobenius sagt, die afrikanischen -Götter hätten dreierlei Ursprung: Geister als vergötterte Ahnen und -Herrscher, letztere nicht selten noch zu ihren Lebzeiten. Mystische -Gottheiten, die zum Menschen gleichgültig stehen. „Sie entsprossen -dem Gefühl, daß neben den von den Afrikanern so sorgsam beobachteten -Ausnahmeerscheinungen eine noch unerkannte Regelmäßigkeit in der Natur -herrscht; sie sind gleichsam die Personifikation des Rhythmus in -der Natur.“ Götter der hohen Mythologie, wie Sonnengötter usf. Eine -strenge Scheidung soll es zwischen diesen drei Gruppen nicht geben, -sie sollen ineinander übergreifen. Die erste Gruppe kennen wir. Was -man mit der zweiten Gruppe anfangen soll, ist nicht recht ersichtlich, -zumal sie sich nicht weiter entwickelt hat, wenn wir nicht in die -Naturwissenschaft übergreifen wollen. Möglicherweise soll aber auch -diese zweite Gruppe gerade zu den Höchstbegriffen führen, dann wäre die -dritte Gruppe an die erste anzufügen. Einstweilen können wir in ihr -nichts weiter als ein dunkles Fühlen und Ahnen sehen, ohne Namen und -Sage, fast die Götter der Mysterien. Ich bekenne, daß ich für diese -Götter bei den Naturvölkern keinen rechten Anhalt gefunden habe. Aber -Geheimbünde bestehen bekanntlich bei ihnen in reichlicher Zahl, und es -ist nicht ausgeschlossen, daß sie Mysterien pflegen wie die Griechen -und andere Völker. Wir finden solche Bünde in Nordamerika, Westafrika, -den ozeanischen Inseln, in Australien usf., von den Kulturvölkern zu -schweigen. Was man von ihrem Tun und Treiben liest, ist freilich kaum -geeignet, höhere Begriffe von ihren Geheimnissen einzuflössen; das -meiste liegt auf dem Gebiete egoistischer Herrschsucht und der Raub- -und Mordgier, auch des bösen Kannibalismus, und ist bei weitem mehr -Plage als Wohltat, selbst wenn eine Art Rechtsüberwachung (ähnlich -der Fehme) stattfindet. Keineswegs sind diese Mysterien mit den -griechischen zu vergleichen, von denen alle alten Schriftsteller mit so -hoher Achtung sprechen. Also über die zweite Gruppe weiß ich nichts zu -sagen, vielleicht weiß ein anderer mehr. - -Die dritte Gruppe wird von Frobenius in mehreren Beispielen behandelt. -Aber hier bedarf es mitunter sehr weitgehender Deutungen, um zu -höheren Ideen zu gelangen. Nehmen wir einige davon. Schango, bei den -Yoruba an der Nigermündung, ist Gott des Donners, Blitzes und Feuers. -Er ist Sohn des Meeres (Yemaja); Oschumare, der Regenbogen, ist sein -Diener und trägt Wasser von der Erde in seinen Wolkenpalast. Ara, das -Donnergrollen, ist sein Bote, Biri, die Finsternis, sein Gefolge. -Er hat drei Frauen, die ihm Schnur, Bogen und Schwert tragen. Das -alles klingt sehr schön und ganz wie ein hoher Naturmythos. Aber -das ist nicht der einzige Mythos von Schango. Nach anderen Mythen -stammt er von sterblichen Menschen. „Er war Herrscher in Oyo, der -Hauptstadt Yorubas. Er war so grausam, daß Häuptlinge und Volk ihm -eine Kalebasse voll Papageieneier schickten mit der Botschaft, daß -er durch die Regierungsgeschäfte müde sei und schlafen gehen solle.“ -Darüber entsteht ein Krieg; er muß fliehen, alles verläßt ihn, selbst -sein Weib. Da hängt er sich auf. Nun erschrecken alle, sie suchen -seinen Leichnam und finden eine Kette aus der Erde ragend. Darunter -aber hören sie Schangos Stimme. Jetzt bauen sie darüber einen Tempel -für Schango als Gott. Und wie Zweifler sagen, Schango sei doch tot, -da kommt dieser in einem Gewittersturm und erschlägt die Ungläubigen. -Hier ist nichts mehr von hohen Ideen, die Geschichte verläuft richtig -fetischmäßig. Noch andere Mythen von Schango stehen nicht viel höher, -zumal, wenn man beachtet, was auf S. 16 ff. über die Weltauffassung -der einfachsten Naturmenschen gesagt ist. Höchstens eine Art Herrentum -nach Art von Mauis erkennt man noch. Eine andere Gottheit ist Hubeane -bei den Basuto, hier fehlt eine hohe Sage ganz. Sein Vater war -Modimo, „der alles gut erschaffen, nur nicht den Menschen, welcher -bald dem Verderben und dem Tode verfiel.“ Hubeane ergeht sich in -Nichtswürdigkeiten diesem seinem Vater gegenüber und schlägt ihn sogar. -Nun will ihn dieser töten und versucht es mit vergiftetem Brei, durch -Meuchelmörder usf. Allen Nachstellungen entzieht sich Hubeane, und -zuletzt muß der Vater fliehen. Nach einer anderen Mythe ist Hubeane -Sohn eines Weibes, das allein noch übrig blieb, nachdem alle Menschen -von einem Ungeheuer verschlungen sind. Er zieht, plötzlich erstarkt, -zum Kampf gegen dieses Ungeheuer, wird aber auch verschlungen. Doch -weiß er sich zu helfen, denn er schneidet ein Loch durch den Leib des -Ungeheuers und schlüpft heraus, hinter ihm her kommen alle Menschen -ans Tageslicht. Diese Sage ist in einer anderen, wo Hubeane von einem -Schmuck, den er bei der Geburt am Halse schon mitbringt, Litaolane -heißt, genauer ausgeführt; namentlich in den Verfolgungen, die er -von den durch ihn befreiten Menschen erfährt. So flieht er einmal -und verwandelt sich an einem Fluß in einen Stein. Seine Verfolger -ergreifen den Stein und werfen ihn an das andere Flußufer hinüber. -Dort wird der Stein wieder zu Litaolane, und dieser lacht seine Gegner -aus. Die Auslegung, die Frobenius der ersten Sage gibt, meint, Hubeane -wird verschlungen = Sonnenuntergang, er kommt wieder ans Tageslicht -= Sonnenaufgang. Alle Menschen folgen ihm = erwachen im Schimmer der -Morgensonne. Das ist aus Analogien erschlossen. Und alles andere, -die Verfolgung durch die Menschen? Man wird gestehen, es ist nicht -viel Besonderes an solchen Mythen. Und dabei sagt Frobenius: „Mit -Schango und Hubeane haben wir den ganzen Vorrat der unverfälschten -Sonnengötter des negerischen Afrika erschöpft.“ Er erzählt dann von -dem hottentottischen Heitsi-Eibib, Tsui-Goab, Kauna. Ich kann in allen -diesen Erzählungen nur mehr oder weniger törichte Märchen sehen und -vermag den Deutungen von Frobenius nicht zu folgen. Nur in einigen -Zügen läßt sich etwas Bedeutenderes blicken, wie, daß Heitsi-Eibib -durch ein Wasser flieht, das sich vor ihm spaltet, über seine Verfolger -aber zusammenschlägt (S. 13), daß Tsui-Goab in einem weißen Himmel über -dem blauen Himmel wohnt, und dieser sich, die Menschen zu schützen, -vorschiebt, so oft Tsui-Goab zürnt. - -Ein Beispiel eines echten Fetischscheusals ist der weiter behandelte -O-dente von der Goldküste. Der in einer Höhle bei Date wohnende -Geist, er hieß zuerst Konkom, war „ein Mann mit nur einem Auge, einem -Arm, krebszerfressener Nase und voller Schwären“. Dieser anmutigen -Erscheinung immer zu opfern, ohne sie zu sehen, wurden die Leute müde -und bei einem Opferfeste griffen beherzte Männer, als ein Arm aus der -Höhle sich streckte, die Fleischstücke in Empfang zu nehmen, diesen Arm -und zogen trotz allen Wimmerns die Gestalt nach. Aber entsetzt liefen -alle davon unter dem Rufe: „Es ist kein gemeiner Mann, in der Tat, es -ist ein Gott.“ Völlig entsprechend dem Standpunkte des Naturmenschen! -Deshalb unterhandelten sie mit ihm. Er zeigte sich versöhnlich und -legte ihnen als Buße auf, alle Früchte auf dem Felde und im Hause zu -verbrennen, sie sollten jegliches hundertfältig zurückerhalten. Die -Leute taten’s, da war Konkom gerächt, denn er floh von ihnen und eine -Hungersnot brach aus. Er begab sich nach Krakye, wurde dort O-Dente -genannt, und die Einwohner behielten ihn gerne. Er zog sich wieder -in eine Höhle zurück und Krakye wuchs mächtig. Indessen gefiel es -ihm dort nicht, er wollte nach Date zurück. Da erstand in diesem Ort -ein Weib Koko, das von ihm, O-Dente, besessen wurde und den Datern -alles mögliche verhieß, wenn sie O-Dentes Befehle erfüllten. Der Gott -zöge dann selbst wieder zu ihnen. Der Gott verlangte Stiere und Rum, -verbot dunkelblaues Zeug zu tragen. Ferner sollte niemand nachts mit -einem Licht über die Straße gehen, „er könnte vielleicht eines der -Kinder O-Dentes sehen, die im Donner und Windesrauschen gekommen, bei -Nacht die Stadt durchwandern, sie zu bewachen.“ Nun geschieht ein -Menschenopfer, das ich in seiner Scheußlichkeit nicht erzählen mag, und -über diesem Opfer wird ein Altar in Gestalt eines Kegels errichtet. Und -das geschah nicht etwa vor Jahrhunderten, sondern in unserer Zeit. - -Die anderen ähnlichen Gottheiten darf ich übergehen, sie sind übrigens -alle unilateral. Woraus zu entnehmen ist, daß sie Sonnengottheiten -bedeuten, kann man nicht immer erfahren. Die Angaben bei den -Afrikastämmen sind sehr verschieden. Die Namaqua sehen die Sonne für -eine Scheibe Speck an, wovon man sich sogar ein Stück abschneiden kann. -Demgegenüber nehmen die Madagassen die Sonne als einen strahlenden -Körper an. „Sie betrachten sie als die Quelle des irdischen Besitzes, -Genusses und aller Fruchtbarkeit.“ Bei den Ewara an der Guineaküste ist -Lisa der Sonnengott, seine Frau ist Gleti, der Mond. Sie haben viele -Kinder, davon sind die Töchter die Sterne, welche Gleti stets folgen. -Wenn Lisa Gleti schlägt, wird diese dunkel, daher die Mondfinsternisse. -Carl Peters in seinem Werke „Im Goldlande des Altertums“ behauptet von -den Makalanga einen Sonnendienst gleich demjenigen des semitischen -Baal. Er sieht bekanntlich im Makalangadistrikt das biblische Ophir. -Max Müller hat nachgewiesen, daß dem Sonnendienst vielfach parallel ein -Feuerdienst geht. In Afrika scheint dieser jedoch nicht sehr häufig und -wesentlich auf die südlichen Stämme beschränkt zu sein. Die Hereros -sollen ein heiliges Feuer, Ukuruo, unterhalten, das von einer Tochter -des Häuptlings, die den Titel Ondangere führt, gepflegt wird. Also -eine Art Vestalinnendienst, der auch ganz dem römischen gleicht. Den -Prometheus spielt ein alter König. Das Feuer erhält auch Opfer, und es -dient auch um böse Geister zu verjagen. - -Bei den Indianern scheint von höheren Ideen etwas vorhanden zu sein, -das Frobenius’ zweiter Gruppe der afrikanischen Gottheiten entspricht. -Ratzel, in seiner Völkerkunde, sagt: „Wo sich ein hinreichend -abstrakter Begriff (nämlich für Gott) findet, deckt er sich doch nur -mit ‚Seele‘, ‚Geist‘, ‚schalten‘ oder einfach ‚wunderbar‘. Manitus -(der Algonkins) sind zahllose Geister von bekannter Herkunft, die die -ganze Natur bevölkern und bald feindlich, bald wohlwollend dem Menschen -begegnen.“ Gleichwohl kennen einige Stämme einen höchsten Weltschöpfer, -einen Lichtgott, der die Welt für die Lichtmänner geschaffen hat. Die -entdeckenden Europäer wurden für diese gehalten. Sonnenkult haben alle -amerikanischen Stämme; Ratzel meint, soweit der Ackerbau reicht (wohl -soweit Nutzpflanzen gedeihen). Manche verehren auch Mond und Gestirne. -Aber nach den Sagen z. B. der Tlinkitindianer, an der Küste von -Nordwestamerika, die Krause in seinem Buche über diese Stämme mitteilt, -haben sich Sonne, Mond und Gestirne in drei Kästen befunden, die ein -Häuptling, der Onkel Yelchs, besaß. Dieser letztere, als Knabe, setzte -es durch, nacheinander mit allen drei Kästen zu spielen, öffnete sie, -trotz des Verbots des Onkels, und so flogen erst die Gestirne, dann -der Mond, zuletzt die Sonne an den Himmel. Und Yelch, wenn auch die -Indianer sagen: „So wie Yelch handelte und lebte, so müssen auch wir -handeln und leben“, war keine hohe Gottheit. In den vielen Mythen, die -Krause von ihm mitteilt, ist die Hauptsache, daß er als Rabe Streiche -über Streiche machte. Ob er Rabe war oder nur ein Rabengefieder trug, -er fliegt jedenfalls wie ein Rabe und benimmt sich auch ähnlich. Bei -anderen Stämmen sind es andere Tiere, die Yelch vertreten, wie Bär, -Schildkröte, Spinne. Es ist also doch eigentlich nur höherer Totemismus -und Ahnenglaube, der unter dem Einfluß des Christentums eine neue, mehr -aufs Ideale gehende Färbung erhalten hat. Der Indianer unterscheidet -sich in dieser Hinsicht vorteilhaft vom Neger. Und nun gar die -Kulturvölker des alten Amerika; ich möchte nicht wiederholen, was ich -in meinem Buche „Die Entstehung der Welt“ ausgeführt habe, und verweise -darauf. - -Unter den Ozeaniern haben es die Polynesier, trotz der sonstigen auf -Fetisch- und Seelenglauben beruhenden Ansichten, zu einigen hohen -Ideen gebracht. Die große Begeisterung, die andere ihren Sagen und -Mythen entgegenbringen, teile ich nicht, weil selbst in den besten -Kindischheit und Barbarei durchscheinen. Gleichwohl ist nicht zu -leugnen, daß manches auf der Höhe griechischer Schöpfungen gleicher -Art steht. Schon das Ehepaar Rangi und Papa, so materiell sie -aufgefaßt werden, sind doch als höhere, besondere Wesen, Himmel und -Erde, gekennzeichnet. Sie sind zuerst eng aneinander geschmiegt, so -daß allgemein Finsternis besteht und ihre Kinder von Licht nichts -wissen. Die so vergehenden Zeiten, nach Dekaden gerechnet, werden -als Wesen aufgefaßt, Po. Jene Kinder heißen Tangaroa, Rongo-ma-tane, -Haumia-tiki-tiki, Tane-mahuta, Tawhiri-ma-tea, Tu-matauenga. Von der -gewaltsamen Trennung Rangis und Papas habe ich schon gesprochen. Sobald -sie getrennt sind, ist es Licht. Von Sonne und Gestirnen wird nichts -gesagt. Aber auch die Bibel kennt Licht ohne Sonne, es ist das erste, -was Gott schafft. Nun sollte man erwarten, daß die Kinder Rangis und -Papas etwas ganz Besonderes sind. Aber nein, sie sind rein irdisch. -Grey, dem ich hier folgen darf, als dem wohl bedeutendsten Kenner -polynesischer Mythologie, sagt: „Tangaroa bezeichnet (signifies) Fisch -jeder Art, Rongo-matane bezeichnet Kartoffel und alles vegetabilisch -als Nahrung Kultivierte, Haumia-tiki-tiki bezeichnet Farnwurzel und -alles wildwachsende Eßbare, Tane-mahuta bezeichnet Wälder, Vögel und -Insekten, die darin wohnen, und alle Dinge, die aus Holz gemacht -werden, Tawhiri-ma-tea bezeichnet Wind und Stürme, Tu-matauenga -bezeichnet Mensch.“ Damit ist nicht viel anzufangen. Der Realismus -geht noch weiter. Der Wind und Sturm ist mit der Gewalttat, die gegen -Himmel und Erde, auf Veranlassung des ersten Menschen, verübt ist, -nicht einverstanden und rächt Vater und Mutter, indem er seine Brüder -überfällt. Alles unterliegt ihm. Nur Tu-matauenga widersteht allein -ohne Hilfe seiner Brüder. Nun zieht er über diese her und zehrt alles -von ihnen, was irgend eßbar ist, also vom Wald alles Getier, vom Meer -die Fische usf., auf. Zuletzt macht er noch Beschwörungsformeln, um sie -zu zwingen, den Menschen immer zur Nahrung zu dienen. Und so wird der -erste Mensch als Gott bezeichnet, der die Menschen diese Beschwörungen -lehrte. Außer diesem Tu-matauenga läßt nur noch Tawhiri-ma-tea, das -Wetter, göttlichere Eigenschaft erkennen. Anderweitig ist Tangaroa -ein Hauptgott. Die Nachkommen des ersten Menschen sind die Menschen -überhaupt. Sie erst haben Menschengestalt, die vier ersten Geschöpfe -gleichen Menschen nicht. Rangi und Papa aber bleiben bis jetzt -getrennt. Und wenn Papa voll Sehnsucht seufzt, steigen die Seufzer -als Nebel zum Himmel, und wenn Rangi um die Geliebte weint, fallen -die Tränen als Tau zur Erde; ein wunderschönes Bild. Rangi und Papa -sind auch die Wohltäter der Menschen, indem Rangi Hauche, Menschen und -Pflanzen zu kühlen, sendet, und Nebel, Tau und Regen und klares Wetter, -damit die Pflanzen wachsen. Papa aber läßt die Pflanzen aus ihrem Schoß -hervorgehen. Das tun sie, daß ihre Kinder zu essen haben. - -Unter den Nachkommen befindet sich der bekannte Maui, mit vollem -Namen Maui-tiki-tiki-a-Taranga. Er ist eine Frühgeburt und von seiner -Mutter Taranga in die See geworfen (S. 12). Nach polynesischer Ansicht -sollte er verderblicher Geist werden und die Menschen quälen, denn -Frühgeburten müssen unter Beschwörungen vergraben werden. Er ist -es nicht, zeigt aber in seinem Charakter in der Tat auch bösartige -Eigenschaften. So tötet er ohne Grund ein junges Mädchen und macht -ganze Ernten verdorren. Seinen Schwager verwandelt er aus Neid über -dessen Erfolg beim Fischen in einen Hund, so daß seine Schwester aus -Gram sich ins Meer stürzt. Er ist an sich ein Heros, der sich vor den -Göttern fürchtet, aber er vollbringt Taten, die göttlich scheinen. Wie -er die Sonne zwingt, langsam die Welt zu umgehen und nicht brennend zu -strahlen, ist schon erwähnt. Seine zweite Haupttat ist das Heraufziehen -der Nordinsel von Neuseeland an einem Kiefer als Angelhaken, aus dem -Meere. Er ist aber darum doch nicht Erdschöpfer, da die Erde schon vor -ihm bestand; er bewohnt schon ein Land mit seinen vier Brüdern. Die -Insel aber zieht er wie zufällig, beim Fischen mit diesen Brüdern, in -Gestalt eines Fisches empor. Die dritte Tat, wegen deren man ihn mit -Prometheus verglichen hat, betrifft den Raub des Feuers. Indessen ist -Feuer längst schon vorhanden, Maui kommt es mehr darauf an, das Feuer -seiner Ahnin Mahu-ika zu zerstören. Er löscht aber vorher alles Feuer -auf der Erde aus. Warum, ist nicht ersichtlich, da er kein anderes -mitbringt, wenn’s nicht ist, daß er indirekt die Feuergöttin veranlaßt, -den Rest ihres Feuers in Bäumen zu bergen, denen es die Menschen durch -Reiben entlocken können. Er treibt mit der Feuergöttin, trotz der -Warnung seiner Mutter, Spott. Er verlangt von ihr Feuer, sie läßt es -aus einem Fingernagel hervorsprühen und gibt es ihm. Da löscht er es -aus und bittet um neues, um es abermals auszulöschen. So fährt er fort, -bis Mahuika die Kraft aller Finger- und Zehennägel verbraucht hat, -außer der des Nagels einer großen Zehe. Diesen stampft sie -- da sie -sich betrogen erkennt -- voll Wut auf den Boden. Alles gerät in Brand, -Erde, Feld und Wald. Maui flieht als Adler und kann sich zuletzt doch -nur retten, indem er seinen Vorfahr Tawhiri-ma-tea um Regen anfleht. -Die Göttin aber behält von ihrem ganzen Feuer nur einige Funken, die -sie sammelt und mit denen sie verfährt wie angegeben. Wenn diese Mythe -nicht sinnlos sein soll, so muß die Feuergöttin irgendeinen bösen Dämon -bedeuten, oder es ist in der Sage etwas verloren gegangen. Anderweitig -wird der Mythos denn auch anders erzählt, so in Tonga, wo Maui mit -dem Erdbebengott ringt, ihn überwältigt und das Feuer, an dem er sich -gewärmt hatte, den Menschen bringt. Noch anders holt er das Feuer als -Vogel. Sein letztes Abenteuer bringt ihm den Tod und den Tod auch der -Menschheit. Eine Ahnin von ihm wohnt am Himmelshorizont, Hine-nui-te-po -ist ihr Name, „große Frau Nacht“. Maui zieht zu ihr, begleitet von -vielen Vögeln, die seine Genossen sind. Er findet sie schlafend und -beschließt, in sie hineinzukriechen, sie ganz zu durchziehen und erst -aus ihrem Munde sie zu verlassen. Er bittet die Vögel, nicht zu lachen, -bis er wieder heraus ist, damit die Furchtbare nicht erwacht, und -begiebt sich in sie hinein. Die Vögel verbeißen krampfhaft das Lachen -über die Szene, aber das kleine Vögelchen Tiwakawaka vermag nicht -an sich zu halten und lacht plötzlich auf. Da erwacht Hinenui-te-po, -springt auf und tötet Maui. Hierin ist zweifellos der Sonnenuntergang -geschildert, zumal Grey festgestellt hat, daß der Vogel Tiwakawaka in -der Tat nur bei Sonnenuntergang sich hören läßt. Kommt noch dazu, daß -Mauis Eltern in der Unterwelt leben, und er bei ihnen weilt und von -Zeit zu Zeit emporsteigt, daß er Kraft über die Sonne Tama-nui-te-Ra -übt, um verständlich zu machen, daß er als Sonnenheros angesehen wird. - -Bastian, in seinem Buche „Die heilige Sage der Polynesier“, teilt aber -noch viel höhere Anschauungen aus den Maorisagen mit. Vor Rangi und -Papa haben schon andere Dinge bestanden, die zum Teil wesentlich als -~Begriffe~ aufzufassen sind. Er zählt deren 17 auf. Zuerst Te-Kore, -das Nichts, dann Te-Po, die Urnacht, hierauf Te-Rupunga, das Sehnen, -sodann Empfindung, Ausbreitung, das Luftschnappen, Gedanke usf., -zuletzt Hau-Ora, Lebensatem, und Atea, Weltall, gespalten in Rangi und -Papa. Das geht freilich sehr hoch und weit, und Bastian vergleicht die -Reihe mit ähnlichen Reihen in buddhistischen Anschauungen. Von Rangi -und seiner zweiten Liebe Atatuhi (Dämmerungsstrahlen) sollen Mond, -Sterne, Tagesgrauen, Tag, von ihm und seiner dritten Liebe Werowero -(Hitzgezitter), Ra, die Sonne, stammen. Papa mit verschiedenen Männern -bringt hervor Blitzesglanz, Donnergeroll, die Hinenui-te-po, sodann -Inseln. Hier haben wir eine Kosmogonie in Form einer Theogonie. Noch -andere Götter werden aufgeführt, deren Nachkommenschaft immer ihrer -Funktion entspricht. So, wenn Tawhiri-ma-teas Geschlecht Erdbeben, -Regenbogen, Hagel, Regen, Eis, Sturm, Kälte usf.; Tangaroas Aale, -Muscheln, Hai, Walfisch, Seevögel usf. ist. Tu-mata-uenga, in Tiki als -Mensch reproduziert, hat Rangis Tochter Kau-ata-ata zur Frau, das wäre -also Eva, und von ihr zwei Kinder. Dann entwickelt sich das Geschlecht -der Menschen weiter, und es findet sich darunter ein Matuika, Vater des -Feuers, ein Fliegengott, ein Gott der Felssteine, ein Trawaru, Vater -der Hunde. Die ganze Welt soll aus zehn Himmeln übereinander und zehn -Erdschichten untereinander bestehen. In jenen sollen die Götter und -Geister thronen -- im höchsten weilt Rehua (für Rangi?) -- im neunten, -achten und siebenten die vergötterten Seelen in der Stufenfolge ihrer -Bedeutung. Dann kommen die Untergötter, die Atua, zu denen auch Tawhaki -(S. 17) gehört, die Halbgötter. Im vierten Himmel ist ein Lebensquell -für Embryonen, im dritten (Nga-Roto) das Wasser über dem Firmament, -im zweiten Regen und Sonnenschein. Der erste Himmel ist der feste -und das Reich Tawhiri-ma-teas. Wie sich das mit dem auf S. 19 f. -Mitgeteilten vereinen soll, kann ich nicht sagen. Auf die Schilderung -der Erdschichten kommen wir zurück. - -Fast noch verblüffender ist, was Bastian uns von der hawaischen -Mythologie erzählt. Er hat auf Hawai in der Bibliothek des Königs -(Kalakaua) ein aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts stammendes -Manuskript „He Pule Heiau“ entdeckt, dessen Wortlaut er mitteilt und -das ein Schöpfungsbild enthält. Die Welt ist mehrmals geschaffen. -Die jüngste Schöpfung ging in acht Perioden vor sich. Bis zum Schluß -der achten Periode herrscht Po, Finsternis, jedoch mit abnehmender -Stärke, indem ein Schimmer stetig wächst. Erst dann tritt Ao, -Licht, ganz hervor. Innerhalb dieser Perioden aber erscheinen erst -Intelligenz, dann Abgrund (männlich und weiblich). Hierauf entstehen -die Lebewesen, von unten nach oben sich entwickelnd. Zugleich füllt -sich der Abgrund mit Erde, bis der Abgrund ganz verschwunden ist. -Nun, in der achten Periode kommen der Mensch, als Urweib Lalai, -indem sie „hervorwächst gleich einem Blatt“, und die persönlichen -Götter. Das Weib verbindet sich erst mit den Urkräften, dann mit dem -Sonnengott und mit Kane und Kii und anderen Göttern, woraus zuletzt -das Heroen- und Menschengeschlecht hervorgeht. Das ganze ist eine -Entwicklungsgeschichte, wobei immer zuerst das Geistige und dann das -zugehörige Materielle entsteht, und sie wird bis in die historische -Zeit hingeführt. Als Probe führe ich nach Bastian die zweite Strophe -des Gedichtes an: - - Geboren in Nacht. - Geboren Kumuligo, aus der Nacht als männliches, - Geboren Poele, aus der Nacht als weibliches, - Geboren die Milben im Gewimmel, - Geboren das Gewimmel in Reihen, - Geboren die Würmer, die Grabenden, die Erde aufwerfend, - Geboren ihre Mengen mit Nachkommenschaft, - Geboren die im Schmutz sich windenden, - Geboren ihre zuckenden Reihen, - Geboren Seeeier ohne Zahl, - Geboren ihre streifige Nachkommenschaft in Reihen. - -Die interessante einleitende Strophe dieser seltsamen Dichtung lautet: - - Hier dreht der Zeitumschwung zum Ausgebrannten der Welt, - Zurück der Zeitumschwung nach aufwärts wieder, - Noch sonnenlos die zeitverhüllten Lichter, - Und schwankend nur im matten Mondgeschimmer; - Aus Makaliis mächtigem Wolkenschleier - Durchzittert schattenhaft das Grundgebild künft’ger Welt. - Des Dunkels Beginn aus den Tiefen des Abgrunds, - Der Uranfang von Nacht in Nacht, - Von weitesten Fernen her, von weitesten Fernen, - Weit aus den Fernen der Sonne, weit aus den Fernen der Nacht. - Noch Nacht ringsumher. - -Sehr klar ist das nicht. Es soll aber besagen, daß die neue Welt -beginnt, nachdem die frühere zugrunde gegangen ist, daß dieses in -tiefer, nur schwach durchschimmerter Finsternis geschieht, daß durch -das Plejadengestirn (Makalii) die zukünftige Welt ideell durchleuchtet. -Die letzten vier Verse, wenn sie nicht die Herkunft des Dunkels und der -Nacht schildern sollen, verstehe ich nicht. Aber Bastian gibt selbst -die Übersetzung mit dem größten Vorbehalt. Andere Erzählungen stimmen -bis auf die Götterzugabe mit biblischen Angaben. Bastian freilich und -Achelis erklären es lediglich aus der übereinstimmenden Denkweise der -Menschen. Ich glaube aber nicht, daß das bei so speziellen Angaben, wie -die Entstehung des Weibes aus der Rippe des Mannes, zulässig ist. Doch -sei wenigstens hervorgehoben, daß eine Göttertrias, Kane, Ku, Lono, -vorhanden ist, die alles schafft, Himmel, Erde, Sonne, Mond, Sterne -und Lebewesen. Anderweitig ist Tangaroa oder Taaroa der Weltschöpfer, -von dem bei den Marquesasinsulanern das von Moerenhout aufbewahrte -Gedicht die höchsten Gedanken äußert: - - Es weilet hier, Taaroa sein Name, in des Raumes unendlicher Leere; - Keine Erde noch, kein Himmel noch, keine See war da, keine Menschen. - Von oben herab Taaroa ruft, in Neugestaltungen wandelnd, - Taaroa, er als Wurzelgrund, als Unterbau der Felsen, - Taaroa als der Meeressand, Taaroa in weitester Breitung. - Taaroa bricht hervor als Licht, - Taaroa waltet im Inneren, Taaroa im Umkreis, Taaroa hienieden. - Taaroa die Weisheit, - Geboren das Land Hawaii. - -Und dabei die doch zweifellosen Fetische, Götzen und Geister (Atua). -Man muß annehmen, daß neben der Volksreligion, die, wie überall, im -rein Konkreten haftet, auch eine höhere Anschauung vorhanden ist, die -wenigen zugehört. Auch ist bekannt, daß oft die höheren Stände eine -andere Religion haben als die niederen, sogar andere Fetische und -Götzen. Und im übrigen stehen die sonstigen Sagen von jenen Göttern -keineswegs auf sehr hoher Stufe. Selbst die Sage von Taaroa oder -Tangaroa endet nicht sehr hoch. Wie es um ihn hell wurde, rief er -den Sand der Küste zu sich. Dieser konnte aber nicht zu ihm fliegen. -Dann rief er die Felsen zu sich. Auch diese vermochten es nicht, da -sie festgewurzelt seien. Nun steigt er selbst zur Erde, und aus der -Muschelschale, in der er bisher gehaust, macht er die Inseln, darauf -zeugt er aus seinem Rücken die Menschen, wandelt sich in ein Boot -und schwimmt auf dem Meere. Dort verspritzt er im Sturme sein Blut, -worauf sich das Meer und die Wolken färben. Zuletzt wird sein Gerippe, -„das Rückenbein oben, auf dem Boden liegend, eine Wohnung für alle -Götter und zugleich das Vorbild für den Tempel.“ „Tangaroa wurde zum -Himmel“, sagt Ratzel in seiner Völkerkunde. Man kann das zugeben, -wenn man den Himmel nicht so anschaut wie wir es tun, und wenn man -über alle Inkonsequenzen hinwegsieht, da ja ohne Tangaroa schon Land, -Meer und Wolken vorhanden sind und man nicht recht begreift, wie -dieser Gott da noch zum Himmel werden konnte. Auf Neuseeland ist -Tangaroa recht indifferent als Gott der Meere, eigentlich der Tiere -darin, und anderweit erscheint er auch als böser Geist, wie der ihm -entsprechende Kanaloa. Auf die anderen besonderen Lehren einzugehen ist -nicht nötig, nachdem wir die Höhen und die Tiefen kennen gelernt und -gesehen haben, wie naiv große Gedanken mit skurrilsten Torheiten bei -demselben Naturvolk bestehen können, was wir ja von uns selbst auch -rühmen müssen. Auch habe ich weiteres Material schon in meinem mehrmals -genannten Buche mitgeteilt. - -Können wir nun sagen, daß die Naturvölker sich bis zu dem Gedanken -eines Gottes in unserem Sinne durchgerungen haben, auch wenn wir ihre -sonstigen Anschauungen beiseite lassen? Ich glaube, nein! Sie mögen -bis zu einer Ahnung von etwas sehr Hohem und Übermächtigem gelangt -sein. Einige unter ihnen mögen auch, namentlich unter fremdem Einfluß, -bestimmtere Begriffe davon gefaßt haben. Aber im ganzen sind sie nicht -einmal zu einem Polytheismus, wie ihn Ägypter oder Griechen hatten, -gekommen. Der Omnanimismus und Pandämonismus ist die Grundlage ihrer -Anschauungen, und das Bedeutendste ist eine ~Monolatrie~ innerhalb -jener und innerhalb einer ~Polylatrie~. Bastian selbst, der am -meisten geneigt scheint, wenigstens den Polynesiern hohe Begriffe -von Gott und Welt zuzuschreiben, meint, daß es sich bei ihnen nicht -um Schöpfungen handelt, sondern um Aufblühen von Vorhandenem. Und -der ganze Kult, den sie geübt haben und üben, mit allen Albernheiten -und Grausamkeiten, ist ein greller Widerspruch gegen jeden höheren -Begriff. Man hat zuerst die Anschauungen der „Wilden“ nicht hoch -genug stellen können, dann nicht niedrig genug, und jetzt scheint man -sie wieder erheblich zu überschätzen. Das erste kam aus Unkenntnis -und theologischer Voreingenommenheit, das zweite aus Enttäuschung -angesichts der Wirklichkeit, das letzte scheint auf Übertragung -des Verhaltens des Naturmenschen unter dem Einfluß der Kultur oder -unter dem Auge des Kulturmenschen auf Verhältnisse des isolierten -Naturmenschen zu beruhen. - - -14. ~Seele und Jenseits bei den Naturvölkern.~ - -Wir müssen zu den ursprünglichen Seelenansichten zurückkehren. Die -Seele bedingt das Leben des Körpers, außerhalb des Körpers kann sie -also nicht anders existieren, denn als lebend. Folglich lebt sie, -solange der Mensch oder ein anderes Wesen es zuläßt. Der Mensch kann -sie vernichten, indem er sie mit der Behausung, in der sie sich -befindet, etwa dem Blut, dem Herzen, der Niere, dem Auge usf. verzehrt. -Sie ist dann ganz in ihn aufgegangen, mit seiner Seele verschmolzen -oder auch von seiner Seele verzehrt. Aus dieser Ansicht haben viele -die Menschenfresserei erklären wollen, entweder, um seine eigene Seele -zu stärken, sich zum Fetisch einer verwandten Seele zu machen, oder -um schädliche und gefürchtete Seelen aus der Welt zu schaffen. Ein -zweites Verfahren beruht auf Vernichtung des Körpers durch tiefes -Vergraben oder Verbrennen, solange die Seele noch in ihm weilt, wenn -auch nicht mehr aktiv. Ein drittes endlich läßt Seelen verkommen, -indem ihnen die Bedürfnisse nicht gereicht werden, deren sie nicht -entbehren können, wie Behausung, Speise und Trank. Die Umkehrung -bedeutet die Konservierung der Seele, indem für ihre Bedürfnisse -ständig gesorgt wird. Die harmlose Form ist, wenn ihr Behausung, Speise -und Trank geboten werden. Und wir wissen, daß diese Form, vollständig -oder unvollständig, bewußt oder unbewußt, bis weit in hohe Kulturen -hinein zur Anwendung gelangt, bei den Naturvölkern aber jeder Seele, -die erhalten werden soll, oder die man sich geneigt machen will, -unmittelbar geboten wird. Noch klingt es harmlos, wenn dem Toten Gerät -und Schmuck in das Grab getan wird, zum Gebrauch für seine Seele, und -wenn man die Behausung seiner Behausung auf Erden anpaßt, in Form -einer Höhle, einer Hütte, eines Palastes, eines Tempels, wie eben die -Seele, da der Körper noch lebte, es gewohnt war. Beispiele sind auf -der ganzen Erde verbreitet, von niedrigen Löchern und Hütten bis zu -den Prunkbauten und Prunkeinrichtungen bei den Etruskern, Ägyptern, -Chinesen u. a. Nun aber wird dem Toten auch Lebendes beigegeben, -dessen seine Seele im Leben bedurfte, und hierin kennt die Konsequenz -des Naturmenschen keine Grenze, außer dem Egoismus, der ihn hindert, -alles fortzugeben. Tiere, Sklaven, Frauen, gefangene Feinde werden, -lebend oder vorher getötet, mit begraben oder auf dem Scheiterhaufen -mit dem Toten verbrannt. Je höherstehend der Verstorbene, desto -umfangreicher diese Gaben; bei dem Tode eines Häuptlings wird Jagd nach -Menschen gemacht, um die Gabe so groß als möglich zu gestalten. Mit -einer armen Polyxena wie Achill würde sich ein Dahomeerhäuptling nicht -begnügt haben, hier ging die Zahl der Schlachtopfer in die Hunderte -und mehr. Und wie entsetzlich klingt, was Herodot von den Totengaben -bei den Skythen erzählt und was wir auch von Germanen, Slawen, Kelten -u. a. wissen. Die Seele sollte möglichst viele Seelen zum Genuß, zur -Bedienung und als Gefolge bekommen. - -Schwer kann das mit einer Ansicht verbunden werden, daß die Seele -immer auf Erden verbleibt und im Grabe Hof hält oder in der Luft -umherschwirrt oder gar in einen Fetisch fährt. Und so sehen wir in -der Tat die Naturvölker, wenn auch einige wirklich glauben, die -Seelen blieben auf der Erde so lange, bis diese selbst untergeht, im -allgemeinen doch auch zu Aufenthaltsorten für Seelen greifen, die -nicht der Erde selbst angehören. Und dazu eigneten sich vor allem -Sonne und Mond und dann die Gestirne. Es ist daher ganz richtig, wenn -gemeint wird, daß auch diese Himmelskörper als Fetische betrachtet -und entsprechend verehrt werden (S. 39 ff.). Hier dürfen wir schon -von einem „Jenseits“ sprechen. Aber Naturvölker kennen ein Jenseits -überhaupt, entweder als Totenstadt, oder als Unterwelt, oder als Welt -hinter dem Horizont, oder über dem Himmel. Totenstädte haben z. B. die -Dajaks auf Borneo. Die Erweiterung wären Totenländer. Und Frobenius -sagt: „Das Totenland liegt nicht nur sehr oft da, woher einst der -Stamm kam, sondern die Ereignisse auf der Seelenreise entsprechen den -Vorgängen der einstigen Wanderung. So ziehen die Seelen dieser Völker -(der Ozeanier), die einst zu Boot über den Ozean kamen, im Kahne über -das Wasser hin in das Land der Seligen.“ Darum, meint der Genannte, -werden in Ozeanien die Toten häufig in Kanoes bestattet, was übrigens -auch von Indianern bekannt ist. Grimm führt in seiner „Deutschen -Mythologie“ an, daß die Asen „Balders Leiche auf ein Schiff brachten, -in dem Schiff den Scheiterhaufen errichteten, anzündeten und so der -flutenden See überließen.“ Und die Nordgermanen verbrannten noch im -zehnten Jahrhundert ihre toten Seehelden auf dem Schiffe. Auch bei -den Russen wird von einem Falle erzählt, wo ein Vornehmer in einem -Kahne verbrannt wurde, und mit ihm, außer Pferden und Hunden, auch -Mädchen verbrennen mußten. Ein unruhiger Störenfried, ein lästiger -Geist wird von den Nikobaren im Geisterkorbe eingefangen, dieser auf -ein Geisterschifflein gelegt und in die See hinausgerudert. Charons -Totenkahn und das ägyptische Totenschiff sind ja bekannt. Indessen -werden Seelen in das Jenseits namentlich auch von Vögeln befördert, ein -Glaube, der auch den Griechen bekannt war, deren Harpyien und Sirenen -Totenvögel (oder Seelenvögel) sind, wie selbst der Hahn bei ihnen -Totenvogel sein kann. Die Griechen haben den Totenvogel allmählich zum -Teil vermenschlicht, indem sie ihm zuerst menschliche Extremitäten, -später umgekehrt einen menschlichen Kopf, mitunter von wunderbarer -Schönheit, gaben. Die Naturvölker sind bei der einfachen Vogelgestalt -geblieben, indessen doch oft unter Beimischung von etwas Menschlichem. -Ist Yelch, der Rabe, ein Totenvogel der Nordwestamerikaner, wie -Frobenius meint, so kann es auch ein Mensch in Vogelkleidung sein -(S. 62). Andererseits holt Maui die Seelen der Vornehmen in die -Sonne. Er wird aber mit Vögeln in Verbindung gebracht, da er sich -auf seinen Fahrten so oft in einen Vogel, wie in ein anderes Tier, -verwandelt. Ich stelle zwei Abbildungen nebeneinander, eine griechische -„Harpyie“ oder „Sirene“ mit einer Seele als εἴδωλον auf dem Arme und -einen nordwestindianischen Totenvogel, einen Mann und dessen ihm aus -dem Munde entfliehende Seele tragend. Die Seele ist auf letzterer -Darstellung als Schlange (S. 45) wiedergegeben, die aus dem Munde des -Mannes gleitet. Totenkähne sind auch in Afrika bekannt. Nach der Sage -der Ewe an der Nordguineaküste werden die Toten von Fährgeistern über -den Fluß Volta gesetzt. Auf Totenvögel dagegen kann man nur aus den -Opferungen von Hahn und Henne bei allen Totenfesten und bei manchen -Fetischfeiern schließen. Den Australiern ist die Krähe Totenvogel, vom -Totenkahn wissen sie gleichfalls einiges. Übrigens bringt Frobenius -Totenkahn und Totenvogel in Verbindung, indem er nachweist, daß -Totenkähne nicht selten mit Vogelschnäbeln und Vogelattributen versehen -sind. - -[Illustration] - -[Illustration] - -Allein, wo ist das Totenland des Jenseits? Frobenius meint, die Seele -zieht der Sonne nach, wie bei den Ägyptern. Demnach wäre das Jenseits -im Sonnenuntergangsland. Aber wie erwähnt, ist auch die Sonne selbst -Seelenaufenthalt, so nach der Sage der Tahitier und Buschmänner. -Barotse sollen Livingstone einen Hof um die Sonne folgendermaßen -erklärt haben: „Die Bavimo (Seelen) halten ein Pitscho (Versammlung) -ab; siehst du nicht den Herrn (die Sonne) in der Mitte?“ „Wenn -Sonnenschein von Regen begleitet wird, sagen die Dahomeer, die Seelen -zögen zu Markte.“ Nach den Ewe soll das Totenland eine Sandebene am -Flusse Volta sein. Manche Indianerstämme setzen das Totenland weit im -Westen an. Jede Seele wird an der Grenze von ihren Verwandten und -Stammesgenossen erwartet und findet im Lande reichlich Wild zum Jagen -und Flüsse zum Fischen. Andere wieder lassen die Seelen als Vögel -die Milchstraße entlang ziehen, und nehmen ihren Aufenthalt über dem -Himmel an. Die Melanesier nennen das Totenland Mbulu und beschreiben -die Schicksale der Seele auf ihrer Wanderung dahin. Die Damen wird -es interessieren, daß die Seelen Unverheirateter es ganz besonders -schlecht dabei haben; ein Totengeist Nangga-Nangga hebt sie hoch und -schleudert sie gegen einen Felsen, daß sie zerschellen. Aber weniger -angenehm wird es sie berühren, daß darum auf den Fidschiinseln die -Witwe erdrosselt wurde, damit sie sogleich mit ihrem Manne gehen -konnte. Der Mann, wenn seine Frau starb, gab ihr als Beweis der -Frauenschaft einen Teil seines Bartes unter die Achselhöhle mit. In -das eigentliche Jenseits gelangt die Seele durch Schwimmen oder in -einem unsichtbaren Kahn. Doch gelingt dieses fast nur den Seelen der -Vornehmen, die der misera plebs gehen auf dem langen gefahrvollen -Wege unter oder kehren zurück zur Erde, um hier planlos herum zu -irren. Auch bei germanischen Stämmen geht es ins Jenseits über ein -Wasser. Jakob Grimm führt mehrere Beispiele dafür in seiner „Deutschen -Mythologie“ an. Eine schwedische Volkssage weiß von einem goldenen -Schiff, das in Runemad beim Schlüsselberge versenkt liege, und auf -dem Odhin die Erschlagenen von Bravalla nach Walhall geführt haben -soll. Ein Unbekannter nimmt Sinfiöltis, Siegmunds Sohn, Leiche in -einen Kahn und fährt davon. Franken glauben, daß das Totenland im -(jetzigen) Britannien liegt, wohin die Seelen der Verstorbenen von den -Uferanwohnern übergefahren werden, die dafür von allen Abgaben befreit -sind. Die Fährleute sehen niemand, merken nur ihre Kähne voll, wenn sie -um Mitternacht abstoßen. Angekommen fühlen sie die Kähne allmählich -entlastet und hören eine Stimme jedem einzelnen Namen und Vaterland -abfragen. Derartige Sagen müssen auch bei den Kelten bekannt gewesen -sein, da noch gegenwärtig anklingende Erzählungen in der Bretagne in -Umlauf sind. Aus dem keltischen Artuskreise bittet im Lanzelot vom See -die Demoiselle d’Escalot „que son corps fût mis en une nef, richement -équippée, que l’on laisserait aller au gré du vent sans conduite.“ Ich -habe dieses gleich hier angeführt, weil ich mich später darauf berufen -will. Die griechische Sage von der Überfahrt auf Charons Nachen gehört, -glaube ich, nicht ganz in diesen Kreis, da die Überfahrt schon in der -Unterwelt, wenn auch noch vor dem Seelenaufenthalt, geschieht. - -Ganz abweichend davon, aber wiederum mit anderen weitverbreiteten -Anschauungen über den Seelenaufenthalt in den großen Zügen in Einklang -stehend, ist was Bastian von dem Jenseits der Maori erzählt, und was -sich fast wie eine abgekürzte Dantische Höllenbeschreibung liest. -Die Erde besteht, wie schon bemerkt, aus zehn Schichten. Die oberste -Schicht ist die Erde selbst. Die folgende Schicht gehört dem Reiche -der Wurzeln und Knollen. Mit der dritten Schicht, Reinga, wo auch die -Nachtgöttin Hine-nui-te-po weilt, hebt das eigentliche Totenreich an. -Bis dahin sind die Seelen noch lebens- und empfindungsfähig und können -zur Erde zurück und dort noch viel Unheil anrichten. Aber nun beginnen -die Kräfte mehr und mehr zu schwinden. In der fünften schon kann die -Seele zu einem bleichen Schatten geworden sein, alsdann fällt sie der -rachsüchtigen Göttin Rohe, ursprünglich Mauis Gemahlin, zur Beute und -wird getötet. Kann sie noch entkommen, so gelangt die Seele mit immer -weiter abnehmenden Kräften in die sechste, siebente Schicht. Wenige -taumeln in die achte Schicht, wo sie zum Teil vom Gotte Meru vernichtet -werden, noch weniger in die neunte, um von da in die letzte Schicht -Meto = Verwesungsgestank zu stürzen, wo alles endet. „Das waren die -Aussichten nach dem Tode, also noch trauriger als sie Odysseus bei -seinen Waffengefährten im Hades fand“, sagt Bastian. Der Eingang zu -dieser Unterwelt befand sich auf der Nordinsel von Neuseeland, im -Nordkap, der Weg soll wieder westwärts führen. Freundlicher sehen -selbst die Australier das Jenseits an, die Guten ziehen zu den guten -Geistern, die Bösen zu den bösen. Oder die Seelen sitzen auf Bäumen -oder weilen in einer Höhle. Bei den unkultivierten Malayen führt der -Weg in das Jenseits über oder unter Meer, und sie müssen mit Waffen und -Gefolge und mit Bestechungsmitteln ausgerüstet sein, um die Gefahren -von Geistern und Höllenhunden besiegen zu können, ehe sie in das -Paradies gelangen. Oder, die eines natürlichen Todes sterben, gehen -nach Norden und bleiben dort in einem Walde, „dessen Bäume sich beim -Einbruch der Dunkelheit in Hütten verwandeln.“ Dort leben sie „aus den -unsichtbaren Bestandteilen der Tiere, aus Reis und den Opfergaben der -Verwandten“, letzteres wie überall. Die eines unnatürlichen Todes, im -Kampfe oder während der Entbindung Gestorbenen kommen zu den Göttern. - -Fassen wir die Frage vom Schicksal der Seele nach dem Tode ethisch -auf, so muß es auffallen, wie verschieden die Antworten sind. Dem -absolut Hoffnungs- und Freudlosen der Maori steht das fast Vergnügliche -der Indianer gegenüber. „Soviel scheint festzustehen,“ sagt Spieß in -seinem umfangreichen Werke „Vorstellungen vom Zustande nach dem Tode“, -„daß alle Elemente von Schrecken oder Furcht vor der anderen Welt der -ursprünglichen Religion der Indianer fremd waren. Nur einzelne Spuren -einer notwendigen oder vermutlichen Reinigung und Vergeltung finden -sich. Meist aber besteht der Unterschied zwischen Guten und Bösen -nur darin, daß jene ohne alle Schwierigkeit über den See oder Fluß -gelangen, welchen man vor dem Betreten der anderen Welt passieren muß, -diese entweder in dem Wasser untergehen oder bis zum Kinn in das Wasser -sinken, wo sie in alle Ewigkeit vergeblich das nahe lockende Gestade -zu erreichen sich abquälen, oder aber, daß sie erst nach schwerem -Ringen an das Gestade kommen.“ Also das Ausbleiben des Gewinnes ist die -Strafe (Tantalusqual!). Im übrigen hat schon Schiller in Nadowessiers -Totenlied treffend das indianische Jenseits geschildert. Dazwischen -liegen vermittelnde Ansichten, wie bei den Eskimo, daß die Seelen -der Guten in die warme Erde, die der Bösen in den eisigen Himmel -gelangen. Eine höchst interessante Umkehrung unserer Ansichten, die -aus der Natur des Landes sich erklärt, das die Eskimo bewohnen, und -Carus Sternes (Ernst Krauses) Warnung durchaus bestätigt, Mythen ohne -Rücksicht auf die Lebensverhältnisse zu erklären. Eine entsprechende -Umkehrung hat man bei den früheren Negersklaven in Amerika beobachtet. -Während der freie Neger in Afrika das frohe Jenseits im Westen sucht, -besteht für den amerikanischen Negersklaven dieses Jenseits im Osten, -in Afrika, und viele haben sich bei zu drückendem Joche getötet, um -nach Afrika zurückzugelangen und dort frei als Seelen zu leben (S. 43). -Es läßt sich nicht leugnen, daß manche Naturvölker strenge Bestrafung -der Bösen im Jenseits oder auf dem Wege dahin allerdings annehmen, und -Belohnung der Guten. Aber sie definieren Gut und Böse nach ihrer Art. -Und das kommt, wenn es wohl geht, auf tapfer und feige heraus, wie bei -den Germanen. Meist steht es mit dem „Gut“ nach unseren Begriffen sehr -übel. Dazu rechne man noch die selbstverständliche Bevorzugung der -Vornehmen auch im Jenseits, wovon eine Spur auch im Homer noch erhalten -ist, wo Achill im Hades, wenn auch Schatten, doch Übergeordneter der -Schatten ist, um Paradies und Hölle der Naturmenschen von denen der -Kulturmenschen erheblich zu scheiden. Doch kommt es gedanklich darauf -nicht an; die Idee entscheidet hier, nicht ihre Übereinstimmung mit -dem, was wir meinen. - -Viel weniger als um das Schicksal der Seele nach dem Tode ist der -Naturmensch bekümmert um ihr Weilen vor dem Leben. Was mit der -Seelenwanderung zusammenhängt, werden wir später besprechen, da eine -solche bei den Naturvölkern nur so weit vorhanden ist, als die Seelen -an sich beliebig sich von einem Körper in einen anderen begeben können. -Aber selbst das genügt schon, um zu überzeugen, daß sie schon früher -auf Erden gewesen sind und nun zurückgekehrt seien. Darum erzählen -viele Sagen von Menschen, die im Jenseits geweilt haben, und dann -wieder zur Erde gelangt, eine vollständige Beschreibung des Jenseits -geben konnten. Manche solcher Beschreibungen verlaufen wie die von -Orpheus und Eurydike; so eine sehr anmutige Geschichte von einem -Indianer, der, da seine Geliebte starb, ihr in das Jenseits folgte, -aber durch den großen Geist wieder auf die Erde geschickt wurde. Und -irgendwo habe ich gelesen, daß es einem Europäer, der ein Negermädchen -zur Frau nahm, auf keine Weise gelang, ihr auszureden, sie sei nicht -schon früher unter gleichem Namen und unter gleichen Verhältnissen auf -der Erde gewesen. Das ist nicht die bekannte Metempsychose, sondern -eine dem Naturmenschen mehr passende ~Resurrektion~. Indessen kommen -die Seelen auch in anderer Weise zur Erde. Und zwar nach dem, was -Frobenius das Gesetz der Umkehrung nennt. Dieselben Mittel, die die -Seele ins Jenseits befördern, bringen sie auch auf die Erde. Also -sind namentlich Vögel zugleich Seelenbringer. Bei den Tonganern und -Samoanern bringt Tuli als Vogel die Seelen in die Menschenkörper, ja -sogar in Würmer. Die Neuseeländer erzählen, daß einst ein gewaltiger -Vogel sich auf das Meer senkte und dabei ein Ei fallen ließ; aus dem -kamen „ein alter Mann und eine alte Frau, ein Knabe und ein Mägdlein -mit Hund und Schwein in einem alten Kanoe hervor und landeten an der -Küste Neuseelands.“ Soviel lebende Kraft wohnt den Vögeln inne, daß -aus einem Vogel die ganze Erde samt allem Lebenden auf ihr hergestellt -wurde, erzählen Malaien auf Sumatra. Hierher gehört auch eine Sage bei -den Australiern, daß die Sonne ursprünglich ein Emuei gewesen sei. -Ein kleiner Vogel richtete es her und warf es in die Luft, da wurde -es hell. Darum dienen Vögel und ihr Blut zu Opfern und symbolischen -Handlungen, wo es sich um Belebung und Befruchtung handelt, so daß -sogar Fetischbilder, durch Versenken eines Huhnes in ihr Inneres, oder -durch Bestreichen mit Vogelblut -- man erinnere sich, daß im Blut -die Seele wohnt -- oder selbst durch Umwinden mit Vogelfedern belebt -werden. Brautleute werden in Afrika mit Vogelblut bestrichen, um sie -fruchtbar zu machen, und in Felder werden Vogeleier versenkt, daß sie -möglichst ertragfähig werden. Und an unseren Freund Storch darf nur -erinnert werden. - - - - -ZWEITES KAPITEL. - -Religiöse Welt- und Lebenanschauungen der Kulturvölker. - - -15. ~Die Kulturvölker als Naturvölker.~ - -Daß die gegenwärtigen und vergangenen Kulturvölker einst auf dem -Standpunkte der Naturvölker sich befunden haben, kann kaum einem -Zweifel unterliegen. Freilich treten uns die meisten Kulturvölker, -sobald ihre Geschichte beginnt, schon wie kulturfertig entgegen. Es -gehört zu den großen Rätseln der Menschenentwicklung, daß zum Beispiel -die Ägypter mit einem Schlage als das Volk dastehen, als welches sie -dann mehrere Jahrtausende die Geschichte kennt. Brugsch hat dieses für -ihr ganzes Religions- und Mythensystem nachgewiesen. Wir wissen es in -gleicher Weise für ihre Kunstfertigkeit, für staatliches und soziales -Leben. Und in dem Moment, da für uns die erste Hieroglyphe geschrieben -ist, steht sie bis auf Geringfügigkeiten, die nur die Ausführung -betreffen, vollendet da. Wie das Volk die Hieroglyphe gelernt hat, wie -seine Bauten, Einmeißelungen, Malereien, Einrichtungen des Staates und -des Lebens, Meinungen über Gott und Welt begonnen und sich entwickelt -haben, ist uns nicht bekannt. Wir müssen annehmen, daß die Ägypter -Tausende von Jahren gebraucht haben, ehe sie es zu der Stufe der Kultur -gebracht haben, von der aus die ersten und die letzten Kundgebungen -in fast gleicher Weise sprechen. Warum haben wir aus diesen Tausenden -von Jahren gar keine Mitteilung? Wir wissen es nicht. Das Volk steht -fertig da, als wenn es fertig plötzlich geschaffen wäre. Es könnte in -dem Moment, da der erste König herrschte, das erste Bauwerk errichtet -wurde, eben eingewandert sein. Davon aber wird nichts erzählt; im -Gegenteil, wir haben den Eindruck, als wenn Ägypten immer von Ägyptern -bewohnt gewesen sei, und finden auch sonst nirgends eine Spur, daß -diese etwa früher in anderen Ländern geweilt hätten. Und doch wissen -wir aus prähistorischen Funden auch in Ägypten, daß in grauer Zeit, -vielleicht vor zehn- oder zwanzigtausend Jahren, Menschen auf sehr -niedriger Kulturstufe im Niltale gelebt haben. Sind es die ältesten -Ägypter? Ähnlich geht es uns mit den Babyloniern, Phöniziern, Hebräern, -ja selbst mit den Griechen nach den Ergebnissen der Ausgrabungen der -letzten Jahrzehnte. Es ist, als wenn die Menschheit vor etwa fünf- bis -sechstausend Jahren auf einmal auf die Idee gekommen wäre, zu schreiben -und Denkmäler zu hinterlassen, so fest errichtet, daß sie sich bis auf -uns erhalten konnten. Ist das die Erfindung eines Mannes bzw. mehrerer -erleuchteter Männer? Oder wie sollen wir uns das sonst erklären? Max -Müller bringt einmal als Beweis dafür, daß die Schriften des Alten -Testaments nicht in sehr früher Zeit verfaßt sein können, die Tatsache -bei, daß eine der ältesten Inschriften in semitischer Sprache, die -wir besitzen, die bekannte des Edomiterkönigs Mesa, nur etwa in das -Jahr 900 v. Chr. hinaufreicht. Aber wenn ein König solche Inschriften -schon anfertigt, muß er doch voraussetzen, daß man sie allgemein auch -zu lesen versteht, muß die Schreibkunst doch schon fast Gemeingut -geworden sein. Und wie viele Jahrhunderte gehören dazu, nach Erfindung -der Schreibkunst! Aus unserer eigenen Erfahrung müssen wir sagen, -mindestens zehn, wenn nicht noch mehr. - -Hiernach bleibt uns allerdings nichts übrig als anzunehmen, daß die -Kulturen solcher Völker weit über die geschichtliche Zeit hinaus -vorhanden waren, wenn wir auch keine Kunde von ihnen aus dieser -extrapolierten Zeit besitzen und auch nicht anzugeben vermögen, warum -wir sie nicht besitzen. Die Entwicklung der Menschheit ist mit einer -Formel zweifellos nicht abgetan. Einzelne stören offenbar den Gang -der Formel, und wohin dieser Gang Menschen erst in Jahrhunderten oder -Jahrtausenden bringen würde, dahin versetzt sie überzeugend oder -gewaltsam eben ein Einzelner. Dürfen wir aber auch nur im Durchschnitt -sprechen, so ist doch gleichwohl sicher, daß rohere Zustände und selbst -ganz rohe bestanden haben müssen, falls wir nicht jeden Gedanken -einer Entwicklung der Menschheit aufgeben wollen. Denn damit ein -einzelner erfolgreich wirken könne, dazu gehört schon eine gewisse Höhe -der Kultur. Und die Zeit dazu haben wir, wenn wir bedenken, daß die -Menschheit als solche, selbst wenn sie mit den jetzigen tiefststehenden -Wilden verglichen wird, schon seit mindestens zwanzigtausend Jahren, -wahrscheinlich sogar noch seit sehr viel längerer Zeit besteht, da -man bereits dem tertiären Menschen auf der Spur ist. Auch kennen wir -ja Völker, die sich zu Kulturvölkern entwickelt haben, wie Germanen, -Polen, Littauer usf. - -Eine Grenze zwischen dem Naturmenschen und dem Kulturmenschen -aufzustellen, sind wir nicht in der Lage; die Naturperiode fließt wie -ein mehr und mehr an Fülle verlierender Strom in die Kulturperiode -hinein. Und man darf selbst sagen, daß dieser Strom unter eine gewisse -Fülle überhaupt nicht hinabsinkt, ja auch an Fülle wieder anwächst, -nachdem er schon stark abgenommen hat. Wir besitzen es mehr im -Gefühl als in Definitionen, welches ein Kulturvolk ist und welches -ein Naturvolk. Der Gesamteindruck entscheidet, im einzelnen können -reine Naturäußerungen im höchsten Kulturvolk vorhanden sein. Daher -wird der Naturforscher über Kultur anders denken wie der Philosoph -oder Theologe, oder Ökonom oder Literat usf., und wer Krieg und -Menschenvernichtung verabscheut, anders als der in seinem Kriegsleben -einzigen Ruhm und einziges Menschenwürdige sieht. Wir würden uns in ein -nicht zu entwirrendes Netz von widersprechenden Meinungen verstricken, -wollten wir ein Merkmal für Kultur aufstellen. Selbst das anscheinend -Selbstverständlichste: sittliche Höhe und Achtung vor Gottes Ebenbild -und Gottes Geschöpfen würde fehlschlagen, da wir größte Verkommenheit -und Nichtswürdigkeit durchaus mit dem, was wir Kultur nennen müssen, -vereinbar sehen, wie an den Höfen der ersten römischen Kaiser und -der drei Herrscher vor Ludwig XVI. in Frankreich. Auch genügt es für -unsere Zwecke, wenn wir als Kulturvölker die sonst als solche namhaft -gemachten annehmen. Es kommt für unsere Betrachtungen nicht darauf an, -ob wir ein Volk mehr oder weniger in den Kreis der Kultur einbeziehen. - -Nur in einer Hinsicht müssen wir vorsichtig zu Werke gehen, in -historischer. Mißverstandener Nationalstolz und namentlich Eitelkeit -im Kreise wirklicher Kulturvölker hat einzelne Nationen verleitet, -den Anfang ihrer Kultur möglichst weit in die dunkelsten Zeiten -hinauszuschieben; ein Seitenstück zu dem wunderlichen Bestreben mancher -Herrschergeschlechter, die Abstammung wenigstens auf die Trojaner -zurückzuführen. Lippert ist der Ansicht, daß slawische Schriftsteller, -um ihrem Volk eine Art urarische Mythologie mit daran anknüpfenden -hohen Anschauungen zu retten, nicht einmal vor Korrigierung von -Urkunden zurückgeschreckt sind. Ich habe darüber kein Urteil. Aber -als ich das wohl umfassendste Werk über slawische Mythologie las, das -von Hanusch, mußte ich gleichfalls staunen, mit welcher Energie und -Kunst überall Beziehungen zu der altindischen Religion bis in die -Namen hinein gefunden wurden, während größte Gelehrte noch jetzt sich -damit plagen, einen oder zwei Götternamen als wenigstens dem größten -Teil der Arier überhaupt gemeinsam nachzuweisen. Ähnlich verhält es -sich mit den Ungarn, denen Monotheismus und alle schönen Tugenden -zugeschrieben werden zu einer Zeit, da sie als wildeste Wildenhorde -Deutschland, Italien, Frankreich mit Mord, Brand und Schändung -erfüllten. Auch wir Deutschen sind von solchem Chauvinismus nicht frei; -viel ist bei uns in bezug auf die alten Germanen gesündigt worden -und noch mehr wird gegenwärtig gesündigt. Aber wir haben doch einen -Tacitus als Kronzeugen. Wer über die Anschauungen der Völker schreiben -will, hat mit nationalistischen Übertreibungen sehr zu kämpfen, daß -er schließlich fast um jede kritische Beurteilung gebracht wird. Ein -seltsames Beispiel von fast verwunderlichem Chauvinismus bietet das -sonst geistvoll geschriebene Buch von Chamberlain, „Die Grundlagen der -Kultur des 19. Jahrhunderts“. - - -16. ~Allgemeine Religionsanschauungen bei den Kulturvölkern im Kreise -der Menschheit.~ - -Man ist früher von dem klassischen Polytheismus und dem Monotheismus -als von dem Normalfall menschlicher Religionsanschauung ausgegangen -und hat die Anschauungen der „Wilden“ mehr als Kuriosität oder helle -Verrücktheit angesehen. Aber mit der wachsenden Ausbildung der -Ethnologie und Anthropologie hat sich eine Wendung vollzogen, die -nicht wenige Forscher dahin führte, gerade die Anschauungen der Wilden -zum Ausgangspunkte der höheren Anschauungen zu wählen und diese aus -jenen abzuleiten. Das konsequenteste System nach dieser Richtung hat -Lippert aufgebaut. In mehreren Werken hat er nachzuweisen gesucht, -wie fast alle Kulturvölker noch in der Zeit, da schon die Geschichte -von ihnen spricht, im wesentlichen bewußtem oder unbewußtem Seelen- -und Ahnenglauben gehuldigt haben. Man kann sagen, die Tatsachen, -die dieser so bedeutende Forscher beigebracht hat, seine Ansicht zu -begründen, sind nach einer Richtung hin allerdings erdrückend. Es ist -ganz unmöglich, ihrer Beweiskraft, daß Seelen- und Ahnenglaube in -allen Religionen der Kulturvölker sich vorfinden und eine mehr oder -minder wichtige Rolle spielen, sich zu entziehen. Ich habe ja bereits -manches nach ihm selbst, nach Jakob Grimm und vielen anderen in den -vorstehenden Abschnitten vergleichend angeführt. Und dieses schon, -wenn auch nicht vollständig beigebracht, zeigt, wie die gleichen Ideen -sich auf der ganzen Erde verbreitet finden. Aber, wie bei Ausführung -einer jeden neuen Idee, gehen Lippert und seine Anhänger, wie ich -glaube, vielfach zu weit, wenn sie die Religionsanschauungen mit -Seelen- und Ahnenglaube für erschöpft halten, und alles weitere, was -die Menschen etwa noch gedacht haben, daraus hervorgegangen ansehen. -Die Frage spitzt sich zu der zweiteiligen zu: Kann Polytheismus sich -aus Seelen- und Ahnenglaube entwickeln? Kann Monotheismus auch nur -aus Polytheismus erwachsen? Ich werde mich mit dieser Doppelfrage -später beschäftigen. Lippert aber bemüht sich überall den Seelen- und -Ahnenkult nachzuweisen, entweder als allein bestehend, oder als einzige -Grundlage der weiteren Anschauungen, oder als neben diesen letzteren -Anschauungen fortdauernd und oft sie vertretend. Namentlich auf die -Folgen des Seelen- und Ahnenglaubens kommt es dabei an: auf die -Annahme von Seelenwesen (Geister, Nixen, Feen, Kobolde, Zwerge, Holde, -Unholde, Gespenster, Dämonen, Teufel usf.), von Mineral-, Pflanzen-, -Tier-, Menschenfetischen, von Orakeln, auf den Kult, der allem -Voraufgenannten gewidmet wird, einschließlich der Bestattungs- und -Grabgebräuche, und der Toten- und Seelenfeste, auf Menschenopfer und -Kannibalismus, einschließlich der Blutgebräuche. Schon diese Aufzählung -lehrt jeden, der Sagen, Märchen und Gebräuche der Völker kennt, daß -keine Kultur frei von dem einen oder anderen Naturmenschlichen sich -zeigt. Worauf es aber ankommt, ist der Nachweis des Ganzen, oder doch -alles Wesentlichen; letzteres, weil Sitte oder Vorteil manches mildert -oder entfernt, wie zum Beispiel Menschenopfer und Kannibalismus. - -Gehen wir nun auf das einzelne ein, so wird von Lippert vielen -Kulturvölkern in ihrer geschichtlich heidnischen Zeit jeder andere -Glaube als Seelen- und Ahnenglaube überhaupt abgesprochen. Den -~Littauern~ soll ein eigentlicher Götterglauben fehlen; was von ihnen -erzählt wird, weise nur auf reinen Seelen- und Ahnenkult hin. Und es -sei nicht denkbar, daß, wenn ein Volk, das vor noch nicht sechshundert -Jahren zum Christentum bekehrt worden ist, eine Götterlehre besessen -hätte, diese ihm in so kurzer Zeit so ganz aus dem Gedächtnis hätte -schwinden können, und daß nicht einmal Chronisten und Missionare von -ihr berichtet hätten. Von den zwei bestimmt überlieferten Gottheiten, -Perkunas und Zemina, sei die erste wahrscheinlich nordgermanischen -Ursprungs und importiert, die andere zweifelhafter Qualität. - -Von den Anschauungen der heidnischen ~Slawen~ hegt Lippert die gleiche -Ansicht. Hier ist besonders interessant, was er von dem bekanntesten -Slawenkult, dem des Swantewit auf Rügen, ausführt. Die genaue -Beschreibung, die Saxo Grammaticus von diesem Kult gibt, bietet ihm -selbst die Handhabe, im Swantewit nichts anderes zu sehen als einen -Ahnen, der in der Weise der Naturvölker verehrt wird, also nicht -etwa einen Himmels- oder Lichtgott, als der er nach der ersten Silbe -seines Namens, welches Licht, Welt bezeichnet, von andern gedeutet -worden ist. Diesen Namen erklärt er als „der der Swantower“, womit -ebensowohl eine Familie wie eine Familiengemeinschaft bezeichnet sein -konnte. Und eine Hauptstütze für seine Ansicht ist ihm das mit dem Kult -verbundene Orakel, bei dem ein Roß, Swantewits Roß, die Hauptrolle -spielt. Das Roßorakel ist auch bei den Germanen bekannt. Tacitus gibt -darüber eine Auseinandersetzung, wonach kein anderes Orakel bei ihnen -ein so großes Vertrauen genießt, denn sie halten sie (die Rosse) für -die „~Mitwissenden~ der Götter“. Hiernach wird das Roß für eine Art -Tierfetisch erklärt. Damit vergleiche man aber, was die slawischen -Mythographen lehren. Hanusch findet also in den Anschauungen der -Slawen Übereinstimmung mit indischen und eranischen höchsten Lehren. -Die Trimurti Brahma, Wischnu und Schiwa entsprechen ihm Piorun-Proven, -Radegast, Porenut (als gutes Prinzip, wie auch die Göttin Siva; die -Göttinnen Morana und Ubijica als verderbliches) als Triglav. Bei -den Preußen: Perkun, Potrimbo, Pikollo. Ja die Übereinstimmung gehe -so sehr ins einzelne, daß Piorun mit dem physischen, Proven mit dem -geistigen Brahma übereinkomme, Piorun-Proven die physische und geistige -Lichtgottheit darstelle, Radegast in gleichen Inkarnationen (Awatar) -erscheine wie Wischnu, und die welterhaltenden und weltzerstörenden -Eigenschaften Schiwas in entsprechenden Gottheiten nachgewiesen werden! -Die Gleichheit mit den eranischen Anschauungen soll durch Bjelboh und -Czernyboh gegeben sein; ersterer Ormuzd, letzterer Ahriman. Der Weiße -Gott und der Schwarze Gott sind allerdings slawische Gewalten, die dem -eranischen Dualismus entsprechen, aber nicht entfernt mit der hohen -Bedeutung wie Ormuzd und Ahriman; sie unterscheiden sich wenig von -gutem Geist und bösem Geist, immerhin ist die Kongruenz bemerkenswert. -Swatowit und besondere Kundgebungen von ihm wie Swenteboh, Witislaw, -Harowit, Rugiewit, Porewit, Jutreboh usf., die teils Friedensgötter, -teils Tages- und Tageszeitengötter, auch Morgen- und Abendsterngötter -sein sollen, emanieren von Belboh als dem Lichtgott; Wrag, Zlyboh von -Czernyboh. Das Zutreffende dieser Parallelisierung wird außer an den -Eigenschaften der Gottheiten auch an entsprechenden Festen der Eranier -und der Slawen zu erweisen gesucht. Nun wird noch behauptet, daß die -slawischen Anschauungen gewissermaßen die Verschmelzung der indischen -und der eranischen darstellen. Bei den ~Preußen~ und ~Littauern~ soll -Auschwe die Lichtgottheit, Puskaijtis die Finsternisgottheit bedeuten. -Und es werden noch die bekannten indischen Göttinnen mit littauischen -parallelisiert: Maja = Laima, Lakschmi = Lada, Parwati-Bhawani = -Liethva (slawisch Baba), Saraswati = Perkunatele, Kali = Niola. -Hanusch erkennt auch eigentlich slawische Elemente in der slawischen -Götterlehre an. Und diese sollen sich beziehen auf eine Übertragung -in die Natur der mehr abstrakten Begriffe, die ursprünglich jene -Gottheiten bedeuteten, also auf eine Art Vermaterialisierung der -altindisch-eranischen Anschauungen. „Das Äußere der Natur (ὕλη) war -im Bewußtsein der Slawen das eigentliche Sein und wurde belebt von -einem allgemeinen Geiste, der in den einzelnen äußeren Individuen als -individueller Geist erschien. Doch war dieser Geist nichts anderes -als eine Personifikation des Lebensprozesses, den man der Analogie -nach zum Unbelebten hinzudachte.“ Das klingt fast wie im Geiste des -Animismus gesprochen. Und hierher gehört auch das Zugeständnis von -irdischen (und unterirdischen) Gottheiten neben oberirdischen und -das der Anthropomorphisierung der Gottheiten (der Sonne, des Mondes, -der Gestirne, des Wetters usf.), welche letztere in unzähligen -Sagen und Liedern eine oft recht anmutende Rolle spielt. Das Ganze -kommt auf einen Naturdienst heraus, mit mehr oder weniger wuchtigen -Naturgewalten und mit einem unübersehbaren Heer von guten und bösen -Geistern, dem sich ein Dienst von Schutzgeistern für alle Verhältnisse -und Tätigkeiten des Lebens anschließt. Aber das alles liegt doch weit -ab von dem Seelen- und Ahnenglauben, den Lippert den Slawen allein -zugestehen will. Seelen Verstorbener als Gespenster und Dämonen -kannten die Slawen auch nach Hanusch. Auch behandelten sie die Seelen -mitunter wie die eigentlichen Naturvölker, gaben ihnen Grüße an früher -Verstorbene mit, empfahlen ihnen geselliges Betragen gegeneinander -usf. Ihre Gottheiten aber sind weder Seelen noch Ahnen. Ich weiß -den Widerspruch nicht zu lösen; wieviel Unzutreffendes und gewaltsam -Hineininterpretiertes auch in den Bearbeitungen der slawischen -Mythologie durch slawische Schriftsteller vorhanden sein mag, ~alles~ -kann unmöglich erfunden sein. Dagegen spricht schon, daß gegen den -Dualismus Belboh-Czernyboh sich nichts einwenden läßt, er ist zu gut -durch Schriftsteller und noch vorhandene Sagen und Lieder bezeugt. -Hanusch hat zu wenig vom Kult (und den Gebräuchen), Lippert zu wenig -von der Mythologie gesprochen. Bei Berücksichtigung beider, des Kultes -und der Mythologie, wird man wohl den heidnischen Slawen und Littauern -mehr die Anschauungen der Naturvölker zuschreiben, jedoch mit nicht -wenigen höheren Ideen. Ob die letzteren ein Überrest der früheren -Verbindung mit Indiern und Eraniern sind, wie Hanusch will, oder ob sie -sich später ausgebildet haben, läßt sich nicht sagen. - -Noch schwieriger ist es natürlich mit den ~Germanen~. Cäsar hat im 21. -Kapitel des VI. Buches seines „Bellum Gallicum“ eine sehr wegwerfende -Bemerkung über ihre Religionsanschauung gemacht. „Deorum numero eos -solos ducunt quos cernunt et quorum aperte opibus juvantur, Solem -Vulcanum et Lunam, reliquos ne fama quidem acceperunt.“ Also nur was -sie sehen: Sonne, Feuer, Mond, und aus dessen Macht sie offensichtlich -Nutzen ziehen, verehren sie. Das wäre freilich rein der Standpunkt -des Naturmenschen, der auch alles nur körperlich auffaßt und es nur -beschenkt, wenn ihm eine größere Gegengabe geleistet wird. Tacitus -denkt aber über die Germanen erheblich besser. Er schreibt freilich -150 Jahre später, als die Germanen schon vieles an Kultur angenommen -hatten. Allein er bringt auch sehr altes und einheimisches Material -bei, da er wenigstens einigemal germanische Bezeichnungen benutzt. Er -sagt nun im zweiten Kapitel seiner „Germania“, die Germanen feierten -in alten Liedern „Deum Tuisconem, terra editum, et filium Mannum -originem gentis conditoresque“, und erzählt nun wie Mannus drei Söhne -hatte, aus denen die bekannten drei deutschen Hauptstämme seiner -Zeit hervorgingen. Also jedenfalls sind die Germanen Nachkommen von -Tuisco und Mannus. Von Mannus meint Jakob Grimm: „Kein Name kann -deutscher klingen“. Aber was er ideell bedeutet, darüber besteht schon -Streit. Der große Mythologe schreibt ihm einen tieferen Sinn zu: als -„ein denkendes, seiner bewußtes Wesen“ bezeichnend. „Mannus aber ist -der erste Helde, der Gottessohn und aller Menschen Vater“, und er -parallelisiert ihn mit dem indischen Manus, der nach einer Version, auf -Brahmas Geheiß, alle Geschöpfe, Götter, Asuren und Menschen schaffen -sollte und alle Welten, Bewegliches und Unbewegliches. Dann wäre also -der germanische Mannus etwas sehr Hohes. Aber wie paßt der Vater Tuisco -dazu, der selbst aus der Erde hervorgegangen, also eine Art Erdgeist -ist? Der Name ist nicht sicher, es bestehen infolgedessen auch viele -Deutungen für den Gott. Die höchste geht auf den Himmel und setzt -den Gott, dem Sinn und der Stellung nach, dem Uranos, dem Namen nach -(Tivisco, Tuisco) dem Zeus an die Seite. Die Erde spielt dann die Rolle -der Gaia, die auch Uranos und Pontos geboren haben soll. Die niedrigste -wählt natürlich Lippert. Eine mögliche Lesart ist nämlich auch -Tiusco. Grimm stellt sie mit Tivisco zusammen, was eben jene höchste -Bedeutung ergibt. Lippert findet etymologisch als Bedeutung „Geist“ -angemessener. Und indem Mannus einfach als „Mann“ erklärt wird, ist Tiu -sein Schutzgeist, und somit der aller Germanen, und Tiusco bedeutet ein -„Geistwesen“, wie Mannisco ein „Mannwesen“, ein „Mensch“. Damit wären -wir wieder auf den Ahnen und dessen Seele gekommen. - -Tacitus sagt ferner: „Deorum maxime Mercurium colunt.“ Es wäre eine -ganz anmutende Hypothese des genannten Forschers, daß dieser Merkur -ein Viehschutzgeist ist, da ein Teil der Germanen noch nomadische -Viehzucht betrieb, und dieser Deutung von seiten der griechischen und -römischen älteren Mythologie keine Schwierigkeiten entgegenstehen. -Aber Cäsar erzählt auch von den Kelten, daß ihr höchster Gott Merkur -gewesen sei, und die Kelten waren keine nomadischen Viehzüchter. -Herodot teilt mit, daß die Thrakerkönige am meisten Hermes verehren -und von ihm abzustammen behaupten. Auch hier wird man Viehzucht als -Motiv nicht annehmen können. Indessen gibt vielleicht Cäsar selbst -die Erklärung: „Hunc omnium inventorem artium ferunt, hunc viarum -atque itinerum ducem, hunc ad quaestus pecuniae mercaturasque habere -vim maximam arbitrantur“. Und da Tacitus zur Einführung Merkurs bei -den Germanen genau derselben Formel sich bedient wie Cäsar zu der bei -den Kelten (nur deorum statt deum), so wird er wohl auch an Cäsars -Erklärung gedacht haben. Bekanntlich wird seit Paulus Diaconus Wotan -für Merkur genommen, und auf diesen paßt Cäsars Erklärung einigermaßen, -die sich auf einen Erfindungs-, Wege- und Handelsgott bezieht. Tacitus -mag auch noch gewußt haben, daß Wotan auch Tote (erschlagene Helden) -in sein Reich geleitet, also als Psychopompos wirkt, und weiter, -daß er auch Sturmgott ist, wie Hermes bei den Griechen ursprünglich -einen Windgott bedeutete. Und daß Wotan der größte Gott war, würde -auch stimmen; dem Merkur namentlich sollen Menschenopfer gebracht -worden sein, wie Tacitus erzählt. Gleichwohl braucht darum Lipperts -Ansicht noch nicht unrichtig zu sein, daß es sich um einen Ahnengott -handelt, denn alles was aufgezählt ist, als in das Bereich dieses -Merkur fallend, übertrifft nicht, was auch ein Naturmensch einem -höchsten Fetisch zuschreibt. Ja, wenn wir sehen, wie Jakob Grimm mit -so vielen Beispielen belegt hat, daß die Deutschen noch im Mittelalter -die Neigung hatten, den „Wunsch“, in der umfassendsten Bedeutung, zu -personifizieren, und daß Wotan auch Wunschgott ist, so wird man noch -mehr auf die Seite Lipperts zu treten geneigt sein. Es kommt also -darauf an, ob die Germanen dem Wotan-Merkur noch andere Eigenschaften -zugeschrieben haben, die in das Hohe gehen und aus dem einfachen -Seelen- und Ahnenglauben nicht mehr erklärt werden können. - -Einmal bemerkt nun Tacitus, die Germanen „schlössen weder die Götter -zwischen Wände ein, noch stellten sie sie in menschlicher Gestalt -dar, ~wegen der Größe der Himmlischen~; Lichtungen und Haine heiligen -sie ihnen. Und mit der Götter Namen nennen sie jenes Geheime, das sie -nur mit Ehrfurcht (oder Scheu) sehen“. Ist das gesperrt Gedruckte aus -dem Sinne der Germanen gesprochen, so muß der Streit als entschieden -gelten. Allein es ist schon von vielen vermutet worden, daß Tacitus, -was er hier von den Göttern sagt, aus ~seinen~ Ansichten geholt hat. -Was wir sonst von den germanischen Götteranschauungen kennen, spricht -nicht immer für so hohe Begriffe. Auch wissen wir, daß mindestens -später die Germanen sehr wohl Bildnisse ihrer Gottheiten von Holz, -Stein oder Metall besaßen; dafür sind sehr viele Zeugnisse vorhanden. -Interessant ist, was Tacitus selbst von der Göttin Nerthus, die er -als Mutter Erde bezeichnet, erzählt. Ihr Kultort (er wird in der -Nähe von Rügen gesucht) ist ein jungfräulicher Hain, den niemand -betreten darf außer dem Priester. Dort sei ein Wagen ganz mit einem -Gewande (veste!) bedeckt. Der Priester glaubt, daß die Göttin sich -darin befände. An ihrem Feste wird der Wagen von Kühen in Prozession -herumgeführt, dann herrscht Freude und Friede ringsum, wohin die -Göttin gelangt. Zuletzt führt der Priester die „vom Verkehr mit den -Sterblichen gesättigte“ Göttin nach ihrem Tempel zurück. Dort werden -alsbald „der Wagen, die Gewänder (vestes!) und, wenn du es glauben -willst, die Gottheit selbst in einem geheimen See abgewaschen. Diener -bedienen, die sofort der See verschlingt“. Hiernach muß der Wagen -ein Kultobjekt enthalten, in dem die Göttin selbst weilt, da sie mit -den Sterblichen verkehrt (konversiert, sagt sogar Tacitus) und davon -ermüdet. Dieses Objekt erklärt Lippert für einen Fetisch. Daß hier ein -weibliches Wesen in Betracht kommt, würde zwanglos aus der auch den -Germanen früher bekannten Mutterfolge sich ergeben. Außerdem nahmen -die Germanen in die Schlacht effigies et signa mit. Das sind nach -Jakob Grimm figurierte Gegenstände, nach Lippert Seelenfetische und -Gegenstände, die den Fetischen gehören. Von den von Tacitus ferner -noch genannten Gottheiten finden sich Mars und Herkules überall, wo -Krieg und Heldengeist herrscht, und Kastor und Pollux vertreten, -vielleicht irgendein bemerkenswertes Brüderpaar. Doch weiß man mit -diesem letzteren allerdings nichts anzufangen. Auch die Isis wird -als von einem Teil der Sueven verehrt angeführt. Der Römer meint, ihr -Dienst sei importiert, weil wie bei Isisfesten ein Schiff herumgeführt -wird. Aber Jakob Grimm hat schon nachgewiesen, daß Umzüge mit Schiffen -in Deutschland noch im Mittelalter geschahen, und er vermutet in Isis -eine deutsche Göttin und in dem Schiff etwas Ähnliches wie im Wagen der -Nerthus. Lippert weist noch auf das Totenschiff hin (S. 75). Gleichwohl -kann man sich der Ansicht Jakob Grimms nicht verschließen, daß, da -Tacitus so oft und bedeutend von Gott und Göttern der Germanen spricht, -teils allgemeinen teils vaterländischen und häuslichen, dieses, -zusammengehalten mit sonstigen Überlieferungen und Überlebseln, bloß -einen Naturmenschenglauben nicht erlaubt. „Wie läßt sich,“ sagt er, -„alles andere, was wir von der Sprache, der Freiheit, den Sitten und -Tugenden der Germanen wissen, hinzugenommen, der Gedanke festhalten, -sie hätten, in dumpfen Fetischismus versunken, sich vor Klötzen und -Pfützen niedergeworfen und ihnen rohe Anbetung erwiesen?“ So niedrig -meint es Lippert ja auch nicht, der Seelen- und Ahnenglaube kann sehr -wohl mit einer geläuterten Ansicht von Welt und Leben bestehen. Und -der Götterdienst der Germanen und die Totenbräuche bei ihnen waren -keineswegs sehr harmlos; und letztere sind durchaus, wofür Jakob Grimm -selbst viele Beispiele beibringt, auf naturmenschliche Anschauungen -von der Seele begründet. Also werden wir wenigstens einen Einschlag -von Seelen- und Ahnenglauben, und auch von Fetischismus (Lippert -führt mehrere Beispiele an von Bäumen, denen selbst Opfer dargebracht -wurden), in der Religion der Germanen nicht von der Hand weisen -können. Wir wissen ja, daß z. B. die Franken, selbst nach Annahme -des Christentums, noch Menschen beim Übergang über den Po geopfert -und in diesen Fluß gestürzt haben, und ähnliche aus dem Seelen- und -Fetischglauben fließende Greuel werden noch manche erzählt. - -Von dem großen ~nordisch-germanischen~ Göttersaal ist nicht -gesprochen. Daß er zum Teil auch den eigentlichen Germanen bekannt -gewesen ist, darf nicht mehr bezweifelt werden, obwohl die Erzählungen -der Edda sehr deutliche Spuren fortgeschrittenerer Kultur und -Weltkenntnis, sowie des Einflusses des Christentums an sich tragen. Die -nordischen Mythen verstärken den Eindruck, daß die Gesamtgermanen zwar -eine höhere Naturreligion gehabt haben, etwa im Sinne der Griechen und -Ägypter, daß aber auch viel Naturmenschliches vorhanden war. Von den -Menschenopfern bei den Skandinaviern erzählt Adam von Bremen (elftes -Jahrhundert) nach den Mitteilungen eines Swen Ulfsson, der sich zwölf -Jahre an dem Hofe des Schwedenkönigs aufgehalten hat. Im Hain am Tempel -zu Upsala, der Odin, Thor und Freyr geweiht war, hingen mitunter 70 und -mehr geopferte Menschen neben Hunden und anderen Tieren. Von diesem -Hain sagt der Genannte: „is enim locus tam est sacra gentilibus, ut -singulae arbores ejus ex morte vel cibo immolatorum divinae credantur.“ -Also man hielt die Bäume wegen der Opfer oder der Opferspeise für -göttlich (geheiligt). Die Götter wurden mit Blut versöhnt, die -Priester hießen auch selbst Götter: Goda, Dior, Asar, Anses; gleich -lebenden Fetischen. Heilige Haine gab es überall, wie auch sonst auf -der Welt, einzeln und in der allerverschiedensten Zusammensetzung. -Der feste Glaube der Skandinavier, nach tapferem Leben in Walhall das -freudigste Dasein bei Trunk, Speise und Waffenspiel fortzusetzen, ist -bekannt. Doch muß auch ein Leben der Toten in den Gräbern angenommen -worden sein. In dem Harbardslied der älteren Edda, in dem Thor vom -Fährmann Harbard (Graubart) so sehr verspottet wird, fragt Thor seinen -Quälgeist, woher er solche Spottreden habe, und Harbard antwortet: „Ich -lernte sie bei Männern, bei jenen uralten, die in den Heimatshügeln -wohnen.“ Da höhnt Thor: „Wie gibst du den Gräbern anmutige Namen, daß -du sie Heimatshügel nennst.“ Totenbeschwörung wurde viel geübt. Im -Hyndlalied ruft Freia die Vala Hyndla aus dem Grabe hervor, daß sie -ihr wahrsagen solle. Richard Wagner hat daraus wohl den Gedanken zu -der stürmisch-gewaltigen ersten Szene des dritten Aktes von Siegfried -geschöpft. Zauberei und Hexerei blühten in Skandinavien mehr noch -als in Deutschland und müssen sich zuzeiten zu wahrer Kalamität -ausgewachsen haben, da mehrere Könige Hunderte von Menschen, die diesen -Gewerben nachgingen, verbrennen ließen. Wälder, Berge, Wasser, Höhlen -wimmelten von Geistern und Dämonen. Meist waren diese bösartiger -Natur. Doch hatte jeder Skandinavier auch einen Schutzgeist (Vätten), -einen „Führer“, Fylgior, dessen Bedeutung der des Mannes entsprach. -Gleichwohl war das Volk auffallenderweise höchst fatalistisch -gesonnen: „gegen sein Schicksal kann sich niemand bewahren“ wird in -Liedern unzählig variiert. Das ist nicht naturmenschlich gedacht. -Als naturmenschlich aber wiederum muß es bezeichnet werden, wenn -die Götter, wie es so oft geschieht, kaum höher gestellt werden -als machtvollere Menschen. Odin spricht von sich im Runenliede des -eddischen Havamal im gleichen Tone, wie ein Runenzauberer reden würde. -Er führt sich ein, wie er an einem Baume (wohl an der Weltesche -Yggdrasil) neun Nächte hing, ohne Speise und Trank. Da lernte er Runen -und fiel herab. Und dann zählt er alles auf, was er mittelst dieser -Runen zu vollbringen weiß: Hilfe gegen Sorgen und Seuchen, feindliche -Waffen stumpfen und weichen, Freiheit dem Gefesselten, Leben dem -Getöteten usf. Und welch eine Fülle von menschlich Verkommenem unter -den Asen und Asinnen enthält das Schmählied Lokis, die Lokasenna in -der Edda. Da erscheinen die Götter und Göttinnen niedriger noch als -im Nibelungenring; Wagner hat sie noch veredelt. Es scheint, als -wenn die südlichen Germanen doch höhere Ideen von ihren Gottheiten -besessen haben als ihre nordischen Brüder. Doch hat man oft Lieder -wie die Lokasenna als bewußte Begründung zu der so hochtragischen -Götterdämmerung angesehen. - -Von den ~Kelten~ ist nicht viel überliefert. Cäsar sagt, daß die -Druiden das Volk lehren, die Seele gehe nicht unter, sondern fahre -nach dem Tode des Menschen in einen anderen Körper. Diodor aus -Sizilien erzählt das gleiche, fügt aber noch hinzu: „Daher kommt es, -daß bei ihren Leichenbegängnissen einige Leute Briefe, die sie an -ihre verstorbenen Väter, Mütter oder Verwandte geschrieben haben, -in das Feuer werfen, in der Meinung, daß die Toten diese Briefe -lesen würden.“ Cäsar erzählt auch, daß bei Leichenbegängnissen nicht -bloß Gegenstände und Tiere, sondern auch Sklaven und Schutzbefohlene -mitverbrannt wurden. Die Gallier liehen auch Geld, mit Bezahlung -im Jenseits, wo sie also wie im Diesseits lebten. Lucanus, in der -Pharsalia, spricht letzteres auch deutlich aus: - - ... Ihr lehret dawider, daß nimmer die Schatten - Wollen zum schweigenden Erebus hin, auch sähen sie nimmer - Plutos dämmerndes Land, es beherrsche die Glieder derselbe - Geist noch in anderer Welt: es steht -- wenn euer Gesang wahr -- - In eures Lebens Mitte der Tod. -- -- - -Das alles ist sicher rein naturmenschlich. Daß die Welt von drei -Druiden geschaffen oder aus der Tiefe, auch aus dem Meere heraufgeholt -sei, gehört ebenfalls hierher. Was es mit den Gottheiten Teutates, -Hesus, Cermunus, Taranis, Belis oder Belenus, Ogmius, Andrate und -vielen anderen für eine Bewandtnis hatte, können wir nicht sagen. -Cäsar teilt mit, die Gallier verehrten Merkur, Apollo, Mars, Jupiter, -Minerva. Damit ist für unsere Zwecke nichts anzufangen. Doch wissen -wir, daß sie die Gottheiten aus der Materie hervorgegangen ansahen, -und daß sie auch Flüssen, Quellen, Bergen, Bäumen opferten. Und ihr -Götterdienst war von solchen Greueln erfüllt, daß Kaiser Claudius, -nachdem alle Mittel, ihn zu mildern, gescheitert waren, ihn ganz -unterdrücken mußte. Gleichwohl werden die Gallier wenigstens in der -Kultur ziemlich hoch gestanden haben, da Cäsar und andere so viel von -ihren Städten, Tempeln, Schulen und Kenntnissen mitteilen. Von dem, -was die altgälischen Barden erzählen und was wir im Ossian lesen, hat, -wegen der mindestens zweifelhaften Originalität, abgesehen werden -müssen. Einiges ist übrigens von mir an anderer Stelle vorgetragen. - -Wir sind gezwungen, die Runde durch die Kulturvölker fortzusetzen. -Die ~griechische~ Religionsanschauung ist nach allen Richtungen -durchforscht. Merkmale des Seelen- und Ahnenglaubens, auch des -Fetischismus, sind in ihr, namentlich in früherer Zeit und bei -abgelegeneren Stämmen zweifellos vorhanden. Bei Homer führt die Seele -ganz das Leben wie bei den Naturvölkern; sie entflieht eilig aus der -klaffenden Wunde, sie zieht wie dampfender Hauch unter die Erde, sie -erscheint im Traume, um für den Körper Begräbnis zu erflehen, damit -sie selbst Ruhe finde, sie trinkt Blut und gewinnt dadurch irdisches -Gedächtnis und Kraft, sie bekommt Gaben und Menschenopfer. Kleidung, -Schmuck, Waffen wurden den Toten noch bis in die letzte Zeit ins Grab -getan. - - Deinem Weibe trägt die Dienerschar - Den Schmuck in Händen, dessen sich die Toten freun - -sagt der Chor in der Alkestis des Euripides zu Admetos. Und eine -eingehende Schilderung aller Gaben teilt Atossa in den Persern des -Aischylos mit. Lukianos noch spottet darüber, daß man den Toten soviel -mitgebe oder mit ihnen soviel verbrenne, als ob sie sich dessen im -Jenseits bedienen könnten. Und die überhaupt durch überwältigendes -Unglück zweifelsüchtig gewordene Hekabe sagt in den Troerinnen des -Euripides, da sie ihrem so grausam hingemordeten Enkel Astyanax die -Totenfeier richtet, zu den Dienern: - - Geht, übergebt den Toten seinem düstern Grab; - Denn Totenkränze hat er ja, wie’s ihm gebührt. - Und wenig kümmert’s, mein’ ich, die dort unten sind, - Ob einem hier ein reiches Totenopfer wird; - Das ist nur eitler Übermut der Lebenden. - -Und doch glaubt dieselbe Hekabe, daß in der Unterwelt der Vater, -Hektor, die Wunden des Sohnes heilen wird. Soviel Inkonsequenz herrscht -bei einer ja ungewissen Sache. - -In Ausnahmefällen geschah auch den Gräbern Verehrung. Was der Chor in -dem vorgenannten Drama Alkestis bei der ergreifenden Totenfeier noch -spricht: - - Nicht wie das Grab anderer sei deiner Gemahlin Grab - Angesehn; zu ihm wie zu den Göttern, - Betend ehr’ es der Wanderer! - Und mancher, die Pfade seitwärts wandelnd, redet das Wort: - „Sie starb, den Gemahl zu retten; - Nun ward sie selige Göttin. - Heil, Holde, dir! Glück gewähr uns!“ - -ist nicht bloß dichterische Empfindung. Der gleiche Chor ruft der -toten Alkestis nach: Κούφα σοῖ χθὼν ἐπάνωθεν πέσοι, sit tibi terra -levis, Leicht sei dir die Erde! wie wir noch jetzt sagen. Von dem -Seelenphantom, dem εἴδωλον, und den Seelenvögeln habe ich bereits -gesprochen (S. 73 f.). Daß die Griechen Seelen auch in Schlangen sahen -und verehrten, wissen wir aus Pausanias. Daß auch Fetische bekannt -waren, sehen wir aus den vielen Verwandlungen von Menschen in Bäume, -Sträucher und Felsen. Außerdem ist es hinreichend bezeugt, wie in -frühen und späten Zeiten Steine und Pfosten Sinnbilder von Göttern -waren, denen auch Opfer gebracht wurden. Was aber den Ahnenkultus -anbetrifft, so hat schon Euemeros den ganzen griechischen Götterglauben -auf ihn zurückgeführt. Und das haben bekanntlich mehr oder weniger -vollständig viele vor ihm und nach ihm gleichfalls getan. Zu solchen -Übertreibungen haben die Griechen selbst beigetragen, indem jedes -Fürstengeschlecht und jedes Völkchen möglichst von einer Gottheit, -mindestens aber von einer Halbgottheit abstammen wollte, indem von den -Göttern gar zu menschlich erzählt worden ist, und endlich, indem den -Mächtigen auf Erden nicht selten göttliche Ehren erwiesen wurden. Dazu -kommen die noch bis in sehr späte Zeit vorgefallenen Menschenopfer, die -jeder wahrhaft höheren Gottheitsanschauung so sehr widerstreben. Und -wenn ein Themistokles oder gar ein Cäsar solche Opfer vollziehen, so -kann man sich das zwar dadurch erklären, daß sie dem Drängen des Volkes -(oder Heeres) nachgegeben haben. Aber auf dem Volke bleibt es doch -haften. In der unheimlichen ersten Szene der Hekabe des Euripides sagt -der Geist des Polydoros: - - Denn über seinem Grab erschien der Thetis Sohn, - Der Fürst Achilleus hielt Achajas Heer zurück, - Das nach der Heimat schon die Meeresruder schwang; - Und meine Schwester fordert er, Polyxena, - Als teures Grabesopfer sich und Ehrenlohn. - -Und dieses Opfer ward ihm ja, Achills Seele erhielt die Braut. -Gleichwohl überhebt uns einer weiteren Untersuchung die Tatsache, -daß, so menschlich oft die Götter an Leben, Betragen, Fühlen und -Leidenschaften sich auch geben, sie doch wirkliche Götter darstellen, -keineswegs potenzierte Menschen, wie man oft behauptet hat. Namentlich -aber nicht Ahnen, wogegen schon die allgemeine Verehrung, die sie -genießen, spricht. Wenn auch gefabelt wurde, Zeus sei König in Kreta -gewesen, sei dort gestorben und liege dort begraben -- nichts in dem -Zeus, wie wir ihn kennen, erinnert daran. Apollon und Artemis sind -Götter trotz ihrer Geburt von einem sterblichen Weibe. Das hängt mit -der Entstehung der Mythen und Sagen zusammen, die nicht immer von -religiösen Anschauungen veranlaßt ist. Ein Teil wird aus Vorgängen -zwischen Menschen, namentlich in Fürstenhäusern, stammen, die zuerst -bewußt und später, nachdem die Personen vergessen sind, unbewußt, auf -Gottheiten übertragen wurden. Einen anderen Teil verdankt man der -dichterischen Erfindung des Volkes und Einzelner. Noch ein anderer -ist aus Personifizierung von Naturerscheinungen hervorgegangen. -Sodann spielt eine große Rolle die Deutung der Gottheitennamen, die -Volksetymologie, indem aus richtiger oder unrichtiger Übersetzung und -Umschreibung des Namens Tätigkeiten und Wirkungen abgeleitet werden, -an die sich naturgemäß Erzählungen anschließen. Weiter werden manche -Sagen mehr oder minder geistreiche Redeblüten und erkünstelte Allegorie -sein. Zuletzt dürften recht viele als Erklärung von Gebräuchen im Leben -und im Kult, deren Ursprung und Bedeutung dem Gedächtnis entschwunden -sind, und andere zur Begründung von Ansprüchen auf Menschen und Besitz -erfunden sein. Wir haben in den griechischen Sagen und Mythen für alles -Beispiele und ebenso in den Sagen und Mythen anderer Völker. Bei so -großer Vielartigkeit des Entstehungsgrundes kann man nicht erwarten, -ein einheitliches Bild zu bekommen. Und so enthalten die griechischen -Sagen Schönes und Anmutendes neben Häßlichem und Abstoßendem, Hohes -neben Niedrigem und Tieferdachtes neben Törichtem und Aberwitzigem. -Bei Vielem aber tut man dem Volk mehr Ehre an, wenn man es aus -naturmenschlichen Anschauungen ableitet als aus Allegorien oder -Naturerklärungen, und wenn man davon absieht, von uns nicht mehr zu -verstehende Weisheit zu behaupten, wie es früher Mode gewesen ist und -auch gegenwärtig mitunter noch beliebt wird. - -Bei den ~Römern~ liegt der Seelenglaube noch offener als bei den -Griechen. Die Inferi, in besonderer Bezeichnung Manes oder Lemures, -sind ganz naturmenschlich gedachte Seelen Verstorbener, die unter -der Erde weilen. Als Larven fügen sie dem Menschen Böses zu, als -Lares familiares sorgen sie für die betreffende Familie. Bekanntlich -schrieben die Römer allem, also auch Menschen, jedem einen Genius -zu, der im Laufe der Zeit mehr und mehr Funktionen bekam und zuletzt -alles vorstellte, wodurch der Mensch zu seinem Tun und Lassen im Leben -bewegt wurde. Es war etwas Göttliches in diesen genii, und sie wurden -demgemäß auch im Familienkreise oder, wenn es sich um die genii der -Götter, der Machthaber oder die des Staates, der Stadt, des Ortes usf. -handelte, öffentlich verehrt, und bei ihnen wurde auch geschworen. Ob -man die Seelen der Menschen mit den genii zu identifizieren hat, weiß -ich nicht; von manchen Forschern geschieht es. Jedenfalls haben wir -es mit einem ausgedehnten Glauben und Kult zu tun, der, ob er sich -auf die genii, inferi, manes, larvae, lares und welche Namen noch in -Gebrauch sein mochten, bezog, sich dem allgemeinen Seelenglauben und -Seelenkult eng anschließt. Die Seelen mußten im Tode versöhnt werden, -was durch ganz bestimmte Zeremonien und Gaben geschah; sie hatten ein -Anrecht auf fortgesetzte Verehrung -- Cicero spricht von manium jura, -den Rechten der Manen, -- seitens der Angehörigen. Geschah das nicht, -so irrten sie ruhelos auf der Erde umher und sannen und taten Böses. -An drei Tagen im Jahre: 24. August, 5. Oktober und 8. November öffnete -man den Seelen absichtlich die Pforte der Unterwelt, den mundus, das -war ein in der Mitte der Ortschaft befindliches rundes Loch, mit einer -Kuppel überwölbt, die eine mit einem Steine bedeckte Öffnung hatte. In -diesen mundus tat man auch die allgemeinen Gaben für die Seelen, in ihn -wurden auch Menschen gestürzt, „die zu Schutzgeistern der Stadt werden -sollten.“ Da man einmal vergessen hatte, den Toten ihre Spenden zu -geben, verließen sie ihre Gräber und man hörte sie durch die Straßen -der Stadt und der Umgebung schwirren, bis man ihnen die Gaben an die -Gräber brachte, erzählt Ovid. Und so konnten Zauberer auch die Seelen -in die Oberwelt beschwören, wovon ja auch die Griechen soviel wußten. - -Gleichfalls an Naturmenschliches erinnert die Verehrung des Feuers auf -dem häuslichen Herde, das wie lebend behandelt wurde und Opfergaben -empfing. Überhaupt hatte der Römer einen häuslichen Kultus -- seinen -Penaten, das sind eben die Seelen und das häusliche Feuer, gewidmet -- -der den öffentlichen an Bedeutung weit überragte und einen Kultus des -Naturmenschen darstellte. Und gleiches gilt wohl auch von den Griechen. -Wie rührend klingt das von der Sklavin mitgeteilte Gebet der zum -Sterben bereiten Alkestis vor dem Herdfeuer als Göttin, um Schutz für -die zu hinterlassenden Waisen: - - Laß nicht, wie ich nun, ihre Mutter, enden muß, - Sie vor der Zeit hinsterben, sondern hochbeglückt - Im väterlichen Lande laß froh ihr Leben fliehn. - -Die römische Religion ist ungemein zusammengesetzt: himmlische -Götter, Feld-, Berg-, Wald-, Baum- und Quellgötter, Götter der -Unterwelt, Götter fast für jedes Ereignis und für jede Handlung -im Leben des Einzelnen und der Gesamtheit. Dazu die unzähligen -Seelen- und Ahnengötter, denn die manes sind dii und können sogar -den Himmel erreichen, wie die von Romulus und der Kaiser. Kaum -ein Volk -- vielleicht mit Ausnahme der Indier und Japaner -- hat -einen so gefüllten und so bunten Göttersaal. Und aus allem spricht -eine Art Kindlichkeit und Natürlichkeit, wie aus einem veredelten -Naturmenschenglauben. Wäre nicht so manches Kindische dabei und so -manches Rohe, so mutete sie uns vielleicht mehr an als die glanzvolle -griechische Mythe. - -Wie vorsichtig man bei den ~Ägyptern~, wegen ihrer Unart, ihren Worten -allerlei mystische Bedeutungen zu geben, mit Behauptungen sein muß, hat -Brugsch in seiner „Religion und Mythologie der alten Ägypter“ erwiesen. -Man kann die höchsten Ideen herauslesen, wo gar keine vorhanden sind, -weil ein hohes Wort steht, das gleichwohl in gewöhnlichster Bedeutung -benutzt ist. Und auch das Umgekehrte wird der Fall sein. Ein zweiter -Umstand, der die Beurteilung der ägyptischen Anschauungen so sehr -erschwert, ist die verblüffende Vorliebe für tierische Merkmale. -Götter werden mit Frosch-, Schlangen-, Widder-, Schakal-, Katzen-, -Sperber-, Falken- usf. -kopf, oder ganz tierisch als Käfer, Affen, -Krokodile usw. dargestellt, mitunter sogar in Kombination mehrerer -Tiere, wie Râ einmal in derselben Gestalt als Mensch, Frosch und Affe. -Und das geschieht nicht bloß in Bildern, sondern auch in Texten: die -Seele des Osiris ist der Bock von Mendes, die Seelen der Götter sind -Krokodile, heißt es in einer Inschrift des Königs Seti I. Der Erdgott -Qeb sagt von sich: ich pfeife wie der Falke und ich gackere wie die -Gans. Vieles, vielleicht das meiste, wird symbolisch aufzufassen sein -aus den Eigenschaften der Tiere oder auch aus ihrem Verhalten gegen -die Naturerscheinungen. Manches muß aber auf theromorphe Anschauungen, -auf Totemismus beruhen, da ja die Ägypter tatsächlich gewissen -Tieren, nicht bloß dem bekannten Apis, Verehrung dargebracht und sie -nach dem Tode mit Feierlichkeit begraben haben. Herodot, der sehr -eingehend davon erzählt, weiß warum, aber er sagt es nicht aus Furcht -vor den göttlichen Dingen. Einmal, wo er sich gehen läßt, teilt er -ein höchst albernes Märchen über den Widderkopf des Amun (Zeus) mit: -Zeus hätte ihn vorgesteckt, um sich nicht Herakles, der ihn durchaus -sehen wollte, in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Wir können kaum -etwas anderes annehmen als naturmenschliche Anschauung. Nach Brugsch -aber müssen die Ägypter einen sehr hohen Gottesbegriff gehabt haben. -Die Texte, die er anführt, sind entscheidend. Wir kommen später auf -sie zurück. Daneben besaßen sie eine kosmogonische, schon Herodot -bekannte, männlich-weibliche Vierheit, von der ich schon in meinem -mehrmals genannten Buche gesprochen habe. Sodann eine Hauptgottheit -und eine Neunheit von Göttern, die den eigentlichen Gegenstand -der Verehrung bildeten: Râ (auch Tum, Ptah, Amun), Chon, Tafnut, -Qeb, Nut (auch Hathor), Osiris, Isis (auch Mut), Set, Nephthys, -Horus. Jede der Gottheiten wurde noch vielfach gespalten nach ihren -besonderen Verrichtungen oder Erscheinungen, wie die Gottheit Sonne -als Morgensonne, Mittagsonne, Abendsonne, Sommersonne, Wintersonne. -Umgekehrt übernahm fast jeder Gott auch die Verrichtungen und -Erscheinungen aller anderen Götter und vereinigte sie sogar in sich, -so daß er dann „Gott“ wurde. Aber eigenartig ist, daß die Neunheit -auch als eine Folge von vorhistorischen Königen Ägyptens aufgefaßt -wurde, also von Ahnen der Königsgeschlechter. Wie ja umgekehrt den -Königen Göttlichkeit zugeschrieben wurde, nicht bloß formell, sondern -mit entsprechenden Folgen. Freilich erzählten die ägyptischen Priester -Herodot, daß diese Götter-Könige nicht mit den Menschen zusammengelebt -hätten. - -Was aber den Totenkult anbetrifft, so ist bekannt, wie minutiös -ausgebildet er in Ägypten gewesen ist und wie notwendig er für die -Fortdauer der Seele nach dem Tode erachtet wurde. Seelen konnten -zugrunde gehen, wenn ihnen die nötigen Kulte mangelten. Lippert führt -Beweise dafür an, daß noch nach mehr als dreitausend Jahren nach -ihrem Tode die ältesten ägyptischen Könige Seelenpfleger hatten. -Und solche Seelenpfleger schafften sich viele und erhielten viele -durch Stiftungen. So stiftete Ramses II. seinem Vater Seti einen -vollständigen königlichen Haushalt, „mit Äckern, Viehweiden, Geflügel, -Herden, Schiffen, Zinsen aller Art, mit Handwerksleuten, Knechten -und Mägden.“ Sich selbst stiftete er sogar eine Bibliothek in seinem -Grabtempel. Und jeder Sohn war verpflichtet, einen Teil der Habe auf -den Kult seiner Eltern zu verwenden. Der Tote brauchte im Jenseits -alles, was er im Leben nötig hatte. Ich kann mich nicht enthalten, -hier schon einen Text aus Brugschs genanntem Werke mitzuteilen. Der -Tote wendet sich an Osiris und andere Götter mit dem Gesuche „zu -gewähren: das Leuchten am Himmel, das Vermögen auf der Erde und das -Wahrwerden der Stimme in der Unterwelt, das Gehen und Kommen nach -meinem Hause, meine Abkühlung in seinem Schatten, meine Stillung des -Durstes mit Wasser aus meinem Teiche zu jeder Zeit, das Wohlergehen -aller meiner Gliedmaßen, das Geschenk des Niles und Hülle und Fülle -frischen Gemüses der Jahreszeit für mich, meinen Spaziergang am Rande -meines Teiches zu jeder Zeit, das nicht fehlende Ruheplätzchen für -meine Vogelseele auf dem Aste des Baumes, den ich gepflanzt habe, -meine Abkühlung im Schatten meiner Sykomoren, meine Nahrung von ihren -Früchten, meine Sprache, in welcher ich rede, gleich wie die Diener -des Horus, meinen Ausgang gen Himmel, meine Rückkehr nach der Erde -- -ohne Hindernisse auf dem Wege, ohne Bereitung von Fallstricken für -meine Person, ohne Absperrung meiner Seele -- meine Anwesenheit in der -Schar der Gebenedeiten unter den Hochwürdigen, meine Betauung meines -Feldes in dem elyseischen Gefilde von Aru, mein Dasein im Friedefeld -und meine Erscheinung mit Opferkannen und Brotspenden vor dem Gotte -Onnophris.“ Völlig Leben und Freuden eines Grundherrn, statt der Seele -eines Toten! Die letztere macht sich bemerkbar in der „Vogelseele“ und -in der Furcht bei der Rückkehr auf die Erde, durch Hindernisse und -Fallstricke verloren zu gehen. Die Vogelseele gemahnt an Fetische. Sehr -charakteristisch ist ein schönes Zwiegespräch eines Menschen mit seiner -Seele, das wohl vor viertausend Jahren gehalten worden ist. Die Seele -mahnt zum Ausharren im Leben. Ganz nach dem Grundsatz des Herakles in -der Alkestis -- „dem Sterblichen geziemt es, sterblich nur gesinnt zu -sein“ -- sagt sie ihm nach manchen Ausführungen über Gestorbensein: -„Folge dem frohen Tag, vergiß die Sorgen.“ (Noch genauer ausgeführt ist -dieser epikureische Gedanke in dem etwa aus Ramses II. Zeit stammenden -sogenannten Harfnerlied S. 188). Der Mann aber zählt in einer Unzahl -von Strophen alle Trübsale des Lebens und alle Schlechtigkeiten der -Menschen auf und schließt mit den Worten (Greßmann, Altorientalische -Texte): - - Der Tod steht heute vor mir ... - Wie ein Mensch sein Haus zu sehen wünscht, - Nachdem er viele Jahre in Gefangenschaft verlebt hat. - Wer dort ist, wird ja ein lebender Gott sein, - Der die Sünde straft an dem, der sie tut. - Wer dort ist, wird ja im Sonnenschiff stehen - Und das Auserlesenste daraus an die Tempel geben lassen. - Wer dort ist, wird ja ein Wissender sein, dem nicht gewehrt - worden ist - Und der zu Ra betet, wenn er spricht. - -Die Seele ist nun überzeugt und sagt: - - Dein Leib gelangt zur Erde. - Ich will mich niederlassen, nachdem du ruhst -- - Laß uns zusammen eine Stätte haben. - -Also bleibt die Seele und läßt sich an der Stätte des Toten nieder, -oder -- wie man wohl nach den Worten des Menschen schließen muß -- sie -ist immer bei dem Toten, wohin er geht. - -Fetische sollen den Ägyptern, nach Lippert, sehr vertraut gewesen sein. -Auf einem Block, der späterhin als Mühlstein verwendet wurde, und -der eine Inschrift aus der Zeit von etwa 712 v. Chr. trägt, die sich -jedoch als Erneuerung einer alten Schrift, die „seine Majestät (König -Schabaka) als ein Werk der Vorfahren gefunden habe, von Würmern ganz -zerfressen“, gibt, und die nur noch teilweise lesbar ist, deren Inhalt -also jedenfalls sehr alt sein muß, heißt es: „Ptah war zufrieden, -nachdem er alle Dinge geschaffen hatte. Er hatte die Götter gebildet, -die Städte gemacht, die Gaue gegründet. Er hatte die Götter in ihre -Heiligtümer gesetzt, ihre Opferbrote gedeihen lassen, ihre Heiligtümer -gegründet, ihre Leiber ähnlich gemacht zu ihrer Zufriedenheit. -~Die Götter zogen ein in ihre Leiber aus allerlei Holz, kostbaren -Steinen, aus allerlei Metall und allen Dingen, die wachsen, woraus -sie entstanden waren.~ Er fügte zusammen alle Götter und ihre Seelen -im Ptah-Tempel, dem Besitze alles Lebens, in dem das Leben der beiden -Ägypten gemacht war.“ Das klingt stark fetischistisch, namentlich das -Unterstrichene läßt schwer andere Deutung zu. Gleichwohl glaube ich, -daß man doch zu weit geht, wenn man die Gestirne, und namentlich die -Herrscher unmittelbar als Fetische bezeichnet. Mögen auch die Herrscher -Söhne der Sonne oder Sitz eines Gottesgeistes gewesen sein, Fetische -im Sinne des Naturmenschen waren sie nicht. Als Götter bezeichnen sie -sich nach ihrem Ableben. Aber im Sinne der Ägypter können alle Toten -Götter sein, sie kehren in Gott zurück, wie wir später sehen werden. -Die Hofsprache muß von der Anschauung unterschieden werden. Unsere -Herrscher sind auch von Gottes Gnaden, und niemand hält sie für etwas -anderes als fehlende, im wesentlichsten machtlose Menschen, obwohl -manche vom Gottesgnadentum wirklich überzeugt sind. Tiere sind gewiß -Fetische gewesen, wie der berühmte Apis, wie Schlangen, Krokodile, -Katzen, Vögel, der Skarabäus usf. Sodann hat man auch Standbilder als -Aufenthaltsgegenstände von Seelen angesehen. Wie bei uns Heiligen- -und Marienbilder von Ort zu Ort und von Haus zu Haus geführt werden, -um ihre Wunderkraft zu spenden, sind schon im grauesten Altertum -Götterbilder durch weite Lande zu gleichem Zweck versandt worden. -Wir besitzen Berichte darüber, einen aus der Zeit Ramses II. über -die Versendung „Chons des Gebieters“ nach Bechten (Baktrien?), um -eine Prinzessin vom bösen Geist zu befreien, wie Griechen Palladien -raubten, Römer Götterstandbilder und Embleme entführten. Da aber in der -späteren Zeit den lebenden Seelen die Wahl des Aufenthaltes freistand, -mögen allerdings noch mehr Gegenstände als Fetische angesehen worden -sein, als wir nachweisen können. Belebung toter Dinge ist dem Ägypter -durchaus geläufig. Ein Text, den Brugsch aus dem 125. Kapitel des -Totenbuches, den der Tote ins Grab (in die Brusthöhle) bekam, läßt in -24 Versen Pfosten, Schwelle, Schloß, Schlüsselloch, Getäfel, Türflügel, -Friesstücke usf. des Totengerichtssaales den Toten nach ihren Namen -fragen. Er muß sie angeben, bevor er weiter kann. Und diese Namen -sind zum Teil ganz persönlich lebenbedeutend, wie die linken Pfosten -„Ausführer dessen, was wahr ist“, die Friesstücke „Schlangenbrut der -Göttin Ranut“, das Schlüsselloch „Lebensauge des Gottes Sebek“ heißen. -Kaum wird man hier Allegorien oder tiefsinnige Mystik sehen können. Und -wem fällt nicht das erste Wunder ein, das Mose vor Pharao vollbringt -und dessen Zauberer sofort nachahmen, die Verwandlung von Stäben in -Schlangen? Bei den Ägyptern hat sich der Seelen- und Ahnenglaube -(wenn letzterer vorhanden gewesen sein sollte) nie zu den Greueln -entwickelt, die wir anderweit so oft gefunden haben. Herodot sagt: -„Denn die kein Tier opfern dürfen außer Schweinen, Stieren und Kälbern, -nämlich die da rein sind, und Gänse -- wie werden die denn Menschen -opfern?“ - -Wir wenden uns zu den ~Hebräern~. Es ist bereits von Vielen -hervorgehoben worden, wie wenig dieses Volk, trotz seines so langen -Aufenthaltes unter den Ägyptern, von diesen an Anschauungen angenommen -habe. Der Gott, den Mose das Volk lehrte, war absolut verschieden -selbst von dem höchsten Gott Ägyptens, denn dieser gehörte so ganz zur -Materie, daß man den Ägyptern nicht mit Unrecht eine Art Pantheismus -zugeschrieben hat. Der Gott Mose steht aber ganz außerhalb der Materie. -Gleichwohl bezeugt es die Bibel selbst, daß den Hebräern vor dem Exil -dieser Gott nur selten genügte, daß sie sich Götzen schufen, auf Höhen -opferten und besondere Hausgötter (Theraphim) besaßen und verehrten. -Das ist so bekannt, daß ich darauf nicht einzugehen brauche. Eine -andere Frage aber ist, ob die Hebräer auch dem Seelen- und Ahnenglauben -und dem Fetischglauben huldigten. Lippert hat in Konsequenz seiner -Theorie das in vollem Umfange bejaht. Aber ich glaube doch, daß der -Einwand dagegen, über den er zu leicht hinweggeht, entscheidend -ist. In der Bibel wird nämlich so wenig von dem Leben nach dem Tode -gesprochen, daß oft und von vielen der Schluß gezogen worden ist, die -Hebräer hätten ein solches Leben überhaupt nicht gekannt. Ist auch -dieser Schluß übereilt, so bleibt doch die Tatsache bestehen: die -Bibel spricht nicht von dem Leben nach dem Tode, oder nur in ganz -dunklen Ausdrücken (S. 193). Daß die Verfasser und Redaktoren der -Bibel, um den ägyptischen Seelenkult auszumerzen, absichtlich alle -Hinweise darauf ferngehalten hätten, wie Lippert annimmt, kann nicht -zugegeben werden, denn sie hätten mehr Grund und Anlaß gehabt, den -Götzen- und Theraphimdienst zu übergehen, und das haben sie nicht -getan. Wie in der Antike, spricht die Bibel überall objektiv von -ihren Menschen, sie verhehlt nicht einmal bei ihren Lieblingen selbst -das Schlechteste in ihrem Beginnen. Einen Seelenglauben wird man -hiernach bei den Hebräern nicht annehmen können. Daß ein Ahnenglaube -nicht bestand, ist wohl am besten dadurch erwiesen, daß weder einer -der Patriarchen, noch der Führer -- und Abraham und Mose waren doch -gewiß verehrungswürdige Gestalten -- irgend einen Kult, auch nur den -allereinfachsten, geschweige göttlichen, empfingen. Es bleiben also -noch die Fetische. Diese verlieren eigentlich ohne Seelenglauben ihre -besondere Bedeutung. Sie werden kleine bequem im Hause aufzubewahrende -und auf Reisen mitzunehmende Götzenbilder gewesen sein, wie etwa -die Heiligenbilder, mit denen Ludwig XI. von Frankreich seinen Hut -gespickt hatte und zu denen er betete, indem er den Hut vor sich -hinstellte, wenn er eine seiner bekannten Unternehmungen beabsichtigte -oder ausführte. Mitunter handelte es sich auch um große Götzenbilder, -wie in Davids Hause und bei Micha. Will man dieses alles Fetische -nennen, so mag das sein. Aber ich glaube, daß das goldene Kalb und -die ehernen Schlangen die einzigen Tierfetische sind, die man als -solche bestimmt deuten kann. Die Stiftshütte mit ihren Einrichtungen -hält Lippert für eine Fetischbehausung mit zugehörigen Spenden. Als -was sie in der Bibel gedeutet werden, weiß jeder. Indessen überall, -wo wir Opfer finden, werden wir auf anthropomorphische Auffassungen -gestoßen. Daher die Propheten von diesem ganzen Dienst nichts wissen -wollten. Geisterbeschwörung, Zauberei und Wahrsagung kannten und übten -die Hebräer in reichem Maße. Man denke an die Beschwörung für den -tragischen König Saul. Man darf aber wohl wieder auf die Propheten und -Seher verweisen, um darzutun, daß hier im ganzen doch ein anderer Geist -herrschte als bei rohen Naturvölkern und selbst als bei den umgebenden -Kulturvölkern. Was noch aus den Weissagungen geschlossen wird, aus der -Beschneidung usf., kann aus einem Seelenglauben gerechtfertigt werden. -Dann aber bezieht sich -- wie doch nun einmal die Bibel zu dem Leben -nach dem Tode sich verhält -- dieser Glaube allein auf das Lebende -und hat mit dem eigentlichen naturmenschlichen Seelenglauben, wie er -geschildert ist und der gerade auf den Tod sich bezieht, nichts zu tun -und ist von ihm so weit verschieden, wie die Blutsbrüderschaft von dem -Totenopfer, obwohl beide Ansichten von der Seele betreffen. - -Die ~Phönizier~ müssen noch in sehr später Zeit einen ziemlich -ausgedehnten Fetischglauben, neben ihrer Astral- und Naturreligion -gehabt haben. Berge werden als Baal genannt und verehrt, wie -Baal-Hermon, Baal-Libanon, und auch Bäume tragen diese Auszeichnung, -wie der Baal-Thamar, die Palme. Steine wurden als Beth-el, Heim -(Aufenthaltsort) der Gottheit (βαίτυλος) angesehen und empfingen, wo -Phönizier waren und hinkamen, Opfer. Heliogabal war, ehe er Kaiser -wurde, Priester eines schwarzen Steines zu Emesa, wahrscheinlich eines -Meteorsteines, da er vom Himmel gefallen sein sollte. Astarte wurde zu -Byblos als konischer Stein verehrt, eine hier abgebildete Münze aus der -Zeit des Kaisers Macrinus zeigt ihren Tempel mit Altar und diesem Stein -im Säulenhofe. Doch wurde sie freilich meist in menschlicher Figur -dargestellt. Wir wissen von den Anschauungen der Phönizier zu wenig, -wenn wir auch ihren blutigen und menschenmordenden Molochskult kennen. -Aus Inschriften in Gräbern und auf Sarkophagen muß man schließen, daß -die Phönizier sehr besorgt um Erhaltung ihrer sterblichen Reste waren. -Aber es finden sich auch Verwahrungen dagegen, daß die Toten Schätze -besäßen, König Eschmunazar sucht sich in dieser Weise gegen Grabräuber -zu schützen. - -[Illustration] - -Den ausgesprochenen Fetisch- und Seelenglauben der ~Araber~ habe -ich bereits in meinem genannten Buche geschildert. Wie es mit den -~Babyloniern~ und ~Assyriern~ in dieser Beziehung steht, läßt sich nur -vermuten. Ihre Religion, wesentlich eine Astralreligion, sollen sie -von dem so rätselhaften Volke der Sumerer überkommen haben; sie steht -in vieler Beziehung hoch genug. Daß aber bei ihnen Wahrsagekunst, -Traumdeuterei, Zauber- und Beschwörungswesen, Magie jeder Art, -Astrologie in höchster Blüte standen, weiß man sicher. Sie hatten -Geister und Dämonen in reicher Zahl, wie die sieben Hauptdämonen, von -denen es in einer Legende heißt (Greßmann, Altorientalische Texte): - - Anstürmende Wetter, böse Götter sind sie, - Schonungslose Dämonen, die auf dem Himmelsdamm geboren wurden, sind - sie usf. - -Der Himmelsdamm soll der Tierkreis sein. Vielleicht ist es aber der -Horizont, wohin es, wie überall, zur Unterwelt geht. Jene Dämonen -sind Sturm-, Finsternis- und Wettergeister, sie verschlingen auch -Sin, den Mond. Andere Dämonen in besonders großer Menge bringen Pest, -Not und alle Krankheiten. Ihre Darstellung ist tierisch und oft -grotesk-furchtbar; Drachen und Greife spielen eine Hauptrolle, aber -auch Hunde, Skorpionen, Schlangen, Panther, Wölfe usf. Soviel ich -jedoch sehen kann, findet sich keine Angabe, die auf eine Beziehung -zu Seelen Abgeschiedener deutete, wiewohl Hexen und Verhexungen sehr -bekannt und gefürchtet sind; schon das zweite Gesetz Hammurabis -behandelt Zauberer und solche, die der Zauberei bezichtigt werden. -Ein Gottesurteil, Werfen in den Strom, entscheidet. Ein Leben nach -dem Tode wird durchaus angenommen, und zwar wie bei Naturmenschen -mit den Bedürfnissen des Diesseits. Gilgames (Jzdubar), der Held des -gleichbenannten Epos, hat seinen Freund Eabani durch Tod verloren. -Er denkt nun voll Furcht auch an seinen Tod, und nachdem ihm sich -unsterblich zu machen oder wenigstens das Jenseits zu schauen -mißlungen, muß Nergal, der Totengott, auf Eas Befehl ein Loch in der -Erde öffnen, durch das Eabanis Geist emporsteigen kann. Gilgames -befragt ihn nun. Wir besitzen nur den Schluß, aber er entscheidet. -Eabani sagt: - - Wer den Tod des Eisens starb -- sahst du einen solchen? -- Ich sah - ihn -- - Auf dem Ruhebett liegt er und trinkt klares Wasser. - Wer in der Schlacht getötet ist -- sahst du (einen solchen)? -- Ich - sah (ihn) -- - Sein Vater und seine Mutter halten sein Haupt und sein Weib (beugt - sich) über ihn. - Dessen Leichnam aufs Feld geworfen ist -- sahst du (einen solchen)? - -- Ich sah (ihn). - Sein Geist findet keine Ruhe in der Erde. - Dessen Geist keinen Pfleger hat -- sahst du (einen solchen)? -- Ich - sah (ihn) -- - Im Topf Zurückgebliebenes, Bissen, die auf die Straße geworfen, ißt - er. - -Das entspricht völlig uns schon bekannten Ansichten. In dem furchtbaren -Fluch, den Hammurabi auf denjenigen herabbeschwört, der seine -Gesetze mißachten sollte, findet sich auch: „Unten in der Unterwelt -möge er (Samas, „der große Richter Himmels und der Erde“) seinen -Totengeist nach Wasser schmachten lassen!“ Vielleicht ist dieses -Wasser das Wasser des Lebens, das die Richter der Unterwelt, die -Anunnaki, in Verwahrung hielten (S. 197). Daß die Geister auch einen -Kult hatten, sieht man aus den vier letzten Versen des angeführten -Textes. Daß die Götter Fetische waren, möchte ich nicht behaupten, -trotz solcher Ausdrücke wie im zweiten Gesetz Hammurabis: „Er (der -bezichtigte Zauberer) soll zum Stromgott gehen und in den Stromgott -eintauchen.“ Lippert aber ist naturgemäß dieser Ansicht und erklärt -den Gestirndienst für Fetischdienst. Es spricht einstweilen dagegen -der Mangel von Seelengeistern. Die Sitten, mögen sie zum Teil noch so -sehr „afrikanisch“ sein, haben damit nichts zu schaffen. Was es aber -mit dem auf assyrisch-babylonischen Denkmälern so oft wiederkehrenden -heiligen Baum naturmenschlich für eine Bewandtnis hat, kann ich -nicht sagen. In den Mythen ist der Baum hinreichend bekannt und als -Weltgegenstand auf der ganzen Erde verbreitet. Als das möchte ich den -assyrisch-babylonischen nicht ansehen, wegen der Anbetungen und Opfer, -die ihm sogar von Göttern und Genien dargebracht werden. Doch sei auf -das schöne Buch des Pfarrers Alfred Jeremias „Das Alte Testament im -Lichte des alten Orients“ verwiesen. - -Sehen wir von dem eigentlichen Zoroastrismus der ~Eranier~ ab, der -einer anderen Betrachtung angehört, so wissen wir nicht viel von den -sonstigen Anschauungen dieser Völker, um mehr behaupten zu können, -als daß Seelen- und Fetischglauben bei ihnen wahrscheinlich bekannt -und gehegt worden ist. Reste finden wir in den Zarathustrischen -Lehrwerken. Als der Urstier starb, heißt es im Bundehesh: „Gosurun, das -ist die Seele des einzigerschaffenen Stieres, ging aus dem Leibe des -Stieres hervor und stand vor dem Stiere. So stark wie tausend Menschen, -wenn sie zugleich ihr Geschrei erheben, klagte Gosurun dem Ahura.“ Die -Klage bezieht sich auf durch Ganamino (Ahriman) in die Welt gebrachte -Übel. Von Ahura auf die Zukunft verwiesen, klagt die Stierseele weiter -dem Sternenkreis, dem Mondkreis, dem Sonnenkreis. Nun zeigt ihm Ahura -den Frohar des Zarathustra. Dieser ~Frohar~ ist aber allgemein die -Seele, die also präformiert besteht (von Ahura geschaffen, Kap. II) und -selbständig lebt. An einer anderen Stelle (Kap. VI) treten die „Frohars -der Krieger und Reinen“ beim Kampf Ahuras gegen Ahriman mit Keulen und -Lanzen in der Hand auf, also wie die Menschen selbst (S. 43). Und so -sind überhaupt anscheinend alle Frohars (Seelen) zuvor schon in Ahuras -Reich vorhanden, etwa wie Platons Ideen. Und selbst die Welt hat einen -solchen Frohar; lange bevor sie Welt wird, besteht sie schon im Himmel. -Und auch die höchsten Götter besitzen Frohars. Ahura sagt ausdrücklich -(Kap. XV): „Die Seele ist zuerst geschaffen und der Leib wurde hernach -für sie geschaffen, und sie wurde in den Leib gelegt“ (ähnlich Kap. -XVII). Die Seele wird auch das „Selbsttätige“ genannt. - -Weiter wissen wir von wunderbaren Vögeln; wie Karsapt, der dem -Urmenschen und Paradiesherrscher Yima die mazdaijaçnische Lehre -von Ahura überbrachte, von Varaghna der demselben Yima, da er die -Unwahrheit gesagt hatte, die drei Gnaden entnahm, von dem auch aus -Märchen bekannten Simorg und vielen anderen. Manche von ihnen kämpfen -gegen die bösen Nachtgebilde, wie, ganz naturgemäß, der Hahn. Auch -sind Dämonen, Geister, Gespenster usf. in unendlicher Zahl bekannt, -gute (Yazatas) und böse (Dêvs), menschlich und tierisch geformte, -wie der furchtbare Dahâka, dem Yima erliegt, und der teuflische -Vernichter Aesna daeva, den man mit dem Asmodeus verglichen hat. Die -Vorbedingungen für Seelen- und Fetischkult sind hiernach allerdings -gegeben. Gleichwohl kann ich nicht ersehen, daß ein solcher Kult in -der historischen Zeit stattgefunden hat. Zwei Stellen finde ich in -Windischmanns „Zoroastrische Studien“, die unmittelbar auf Berg- und -Baumkult sich beziehen, und beide betreffen das unsterblichmachende -Haoma: „Anrufen will ich den Berg Hukairya, den ganz reinen, -goldenen, von welchem herabfließt Ardviçura Anâhita, tausend -Männer hoch besitzt sie Majestät wie alle Wasser, die auf der Erde -hervorfließen.“ Die Ardviçura Anâhita ist das Lebenswasser, in ihm -wächst der (weiße) Haoma-Baum Gaskerena (S. 175 f.). Und es heißt: -„Wir rufen Gaskerena, den starken, von Mazda geschaffenen, an.“ Selbst -dieses als Fetischismus anzusehen, möchte ich zaudern; es fehlt das -Charakteristische, da ja die Gegenstände nur vorgestellt sind, nicht -in Körperlichkeit angebetet werden. Außerdem sind es Lebensspender. -Auf das irdische Homa, das bei Opfern dienende gelbe Homa, bezieht -sich die Anbetung nicht. Lippert schreibt dem Fetischismus unter den -Eraniern eine viel größere Bedeutung zu und rechnet hierher auch -die Anbetung des Feuers. Der Zarathustrismus verleiht dem Feuer an -sich keine göttliche Bedeutung; die Erklärungen, die ich darüber im -Bundehesh aufgesucht habe (von den fünf und den drei Feuern) sind rein -physisch. Gleichwohl findet eine wirkliche Feuerverehrung bekanntlich -in so ausgedehntem Maße statt, daß sie vielfach als das Wesentliche -der „Religion der Magier“ angesehen wurde. Möglich, daß dabei auch -an einen Geist gedacht ist. Strabo erzählt, die Götter nähmen von -den Opfern nur die Seele, alles Körperliche werde von den Priestern -und Opfernden verzehrt. Aber dem Feuer wird Fett und Öl unmittelbar -gespendet, das eben das Feuer anfacht, wie wenn es einen von der Spende -sich ernährenden Geist enthielte. Auch dem Wasser wird geopfert, hier -aber nach Strabos Bericht in der Weise, daß alles ~neben~ dem Wasser -geschieht, dieses selbst nichts erhält, damit es nicht verunreinigt -werde. Etwas Bestimmtes läßt sich für die historische Zeit nicht -behaupten; diese ist zu spät, in Anbetracht der langen Vergangenheit, -die das Volk schon vor seinem Eintritt in die Geschichte gehabt hat. -In dieser Vergangenheit aber wird es wohl viel Naturmenschliches -gedacht und gewirkt haben. - -Wir suchen das am besten bei den Indiern auf, deren Anschauungen sich -vielfach mit denen der Eranier decken, wie sie ja wahrscheinlich mit -diesen am längsten zusammengelebt haben. Seit den Auseinandersetzungen -Carus Sternes (Ernst Krause) neigt man von mehreren Seiten der Ansicht -zu, daß die Wiege der Arier in (Nord-)Europa gestanden hat, die -~Indier~ der am weitesten nach Osten verschlagene Stamm sind, und -demgemäß die urarischen Anschauungen nicht bei ihnen zu suchen sind, -sondern eher an ihrem westlichen Gegenpol. Es läßt sich gegenwärtig -nicht viel darüber sagen. Nur wäre es sehr merkwürdig, wenn in der -Heimat noch mehr als tausend Jahre tiefe Barbarei herrschte, da bei -den östlichst ausgewanderten Stämmen schon hohe eigene, nicht etwa -von Fremden angenommene, Kultur strahlte. Kein Volk hat eine so -merkwürdige Reihe von Religionsanschauungen entwickelt wie die Indier. -Alles ist in diesen Anschauungen vertreten, des Wilden Ansichten, -des Polytheisten, des Monotheisten und des höchstdenkenden, völlig -abstrakten Philosophen. Und das Übel ist, daß das meiste nebeneinander -hergeht, das Absurdeste mit dem Großartigsten sich nahe verträgt. -Gleichwohl müssen wir annehmen, daß das Naturmenschliche an sich allem -voraufgegangen ist und sich später neben dem Höheren noch erhalten -hat, mitunter auch in einer Kraft, daß es dieses Höhere völlig -überwallt. Als die Indier ihr jetziges Land von Iran aus erwarben -und in allmählichem Vordringen in Besitz nahmen, was wohl vor mehr -als viertausend Jahren geschah, fanden sie schon eine, nichtarische, -Bevölkerung vor, wir nennen sie Dravida, die noch gegenwärtig -wesentlich auf dem Standpunkte des Naturmenschen sich befindet. L. -~Feuth~ in seiner interessanten Sammlung „Aus dem Lande der Nibelungen“ -schreibt den Dravida weite Verbreitung, bis nach Persien hin, und -bedeutende Kultur zu. Ich vermag ihm aber in seinen Argumenten nicht -zu folgen. Fetisch- und Seelenglaube waren vorherrschend, und böse und -gute Geister erfüllten das All und wohnten in allen Gegenständen, -namentlich in Tieren (Schlange), doch auch in Bäumen, Pfählen, Steinen. -Sollte die Seele eines Verstorbenen in einen Gegenstand einziehen, -so wurde dieser auf das Grab gesetzt und mit Öl bestrichen. Das -Priestertum war ein Schamanentum. - -Die Indier haben manches von diesen Anschauungen und Kulten angenommen, -wenn sie es nicht schon selbst mitgebracht haben sollten. Die Schlange -(Nâgaa) spielt bei ihnen eine große Rolle, sogar als Gewitter- und -Sturmerregerin. Krischna sieht seines Bruders Râma Seele „als Schlange -aus seinem Munde hervorgehen und in das Meer gleiten, wo sie von den -Schlangengöttern mit großen Ehren empfangen wurde“. Das entspricht -völlig dem, was auf S. 45 gesagt ist. Und so wurde auch den Schlangen -ein erheblicher Kult gewidmet. Ein anderer Fetisch ist der „weiße -Elefant“, der mit dem Apis der Ägypter verglichen werden darf und -der als Regenmacher dient. Gubernatis hat über die Tiere in der -indogermanischen Mythologie ein umfangreiches Buch verfaßt, auf das -verwiesen werden muß. Die Deutungen auf Naturerscheinungen, wie Wolken, -Morgenröte, Blitz, Donner usf., lehnt Lippert ab. Für die Urzeit, wie -ich glaube, durchaus mit Recht; später haben die betreffenden Tiere in -der bilderreichen Sprache des Indiers allerdings zur Allegorisierung -der vergötterten Naturerscheinungen gedient. Auch die Ägypter nannten -trotz ihres Apis sehr viele Götter „Wildstier“. Und nicht selten ist -die allegorische Bedeutung völlig vergessen und tritt das Tier an -Stelle der Erscheinung, wie die Kuh für die Morgenröte, oder Kühe -für Wolken, das Roß in Vertretung Indras als Sonnen- und Wettergott -(auch Poseidon wandelt sich in ein Roß), wie ferner die Schlange -als Wolkenungetüm, das die Wasser zurückhält und von Indra mit dem -Donnerkeil erschlagen werden muß, bevor die Wasser befreit sind und -auf die Erde strömen können. Der weiße Elefant wird sogar gewürdigt, -sich in den Schoß der Prinzessin Maja zu begeben und von ihr als -Buddha geboren zu werden. Die Seelen bedürfen in der Unterwelt der -Nahrung. Sie empfangen sie aus den Opfern, den Geschenken, die sie im -Leben an die Priester der Unterweltsgottheit Yama gespendet haben. -Lippert erzählt, daß Fürsten Hunderte von Dörfern und ganze Länder an -Brahmanen vergeben hätten, um dadurch im Jenseits standesgemäß versorgt -zu sein. Überhaupt soll das „Gib, auf daß ich gebe“ ein Grundzug der -alten indischen Indrareligion sein; was dem entsprechen würde, was -von Naturmenschen zu erwarten ist (S. 39 f.). Indessen konnten doch -arme Leute sich dadurch den Unterhalt im Jenseits sichern, daß sie -sich auf Erden besondere Entbehrungen und Kasteiungen auferlegten. -In dem als Bhagavad-Gîtâ (Gottheit-Lied) bezeichneten Zwiegespräch -des Epos Mahâbharâta, das man schon mit der Ilias verglichen hat, -das aber gedanklich so viel höher steht als diese, als sie im ganzen -künstlerisch von ihm übertroffen wird, will der Pandu-Held Ardschuna -nicht gegen seine Verwandten, die Kuruiden, kämpfen. Er sagt zur -Begründung (Übersetzung von R. Boxberger): - - Wie sollten wir, die Wissenden, nicht scheuen diese Freveltat, - Da auf Geschlechtesuntergang ein zahllos Heer von Übeln naht? - Stirbt ein Geschlecht, so höret alsbald auf der Manenopfer Pflicht, - Und ruhlos wird der ganze Stamm, wenn Ahnenkultus ihm gebricht ... - Dann gehen Stammesmörder samt dem ganzen Stamm zur Unterwelt, - Denn aus dem Himmel stürzt der Ahn, sobald das Manenopfer fehlt. - -Der Ahn darf also nur so lange im Himmel bleiben, als er Opfer -empfängt, sobald dieses aufhört, muß er in die Unterwelt. Auch die -Gottheit Krischna (Wischnu), die eben mit Ardschuna das Zwiegespräch -hält und die so außerordentlich hohe Ideen vertritt, lehrt: - - Zu Göttern geht, wer sie verehrt; zu Ahnen, wer diese ehret, ein; - Zu Larven, wer die Larven ehrt; zu mir, wer mich verehrt allein. - -Und er stellt auch fest, daß der Mensch nach dem Tode mit dem -vereint wird, woran er im Sterben denkt. Völlig wildenmäßig mutet -es an, wenn in dem Atharvaveda zu dem Toten gesagt wird: „Kehre -nicht zurück auf den Götterpfaden, dort bleibe, wache bei den -Vätern“, und namentlich, wenn den Toten die Fessel angelegt wird: -„Die Kudifessel, die man den Toten anlegt, die Hemmerin der Füße“ -(S. 42). Selbst der große Sanskritkenner Max Müller gibt das -Naturmenschliche in den Anschauungen der Indier zu, aber doch nur in -den allerursprünglichsten. Indem er jedoch den Gang dieser Anschauungen -an einem Gott, an Agni, dem Feuergott, darlegt, sagt er: „Sie werden -sehen, daß wir im Veda diesen Gott des Feuers beobachten können lange -bevor er überhaupt ein Gott ist, und auf der anderen Seite werden wir -seine weitere Entwicklung bis dahin zu verfolgen imstande sein, wo er -nicht bloß ein Gott des Feuers, sondern ein höchster Gott, ein Gott -über allen anderen Göttern, Schöpfer und Lenker der Welt ist.“ Dann -erzählt er, wie Agni in den Veden oft menschlich und tierisch aufgefaßt -wird. Dêva wird er zunächst, rein physikalisch, der „Glänzende“, -genannt, bis dieser Name höhere und höhere Bedeutung gewinnt und -Gottheit überhaupt bezeichnet. Dabei bleibt das Bewußtsein von der -eigentlichen Natur des Agni: „Du, o Agni, wirst geboren, zu erstrahlen -wünschend, du wirst geboren aus den Himmeln, du aus den Wassern, du -aus dem Steine, du aus dem Holze, du aus den Kräutern, du, o König -der Menschen, der reine“, heißt es in einem Lied des Rigveda. Daraus -aber ergibt sich, daß für Max Müller Agni auch in der ursprünglichsten -Auffassung nicht ein Fetisch im Sinne des Naturmenschen ist. Aus -solchen Rigvedaversen an Agni, wie: „Du bist dem Menschen immer Vater -und Mutter“, „Agni halte ich für meinen Vater, ich halte ihn für meinen -Verwandten, meinen Bruder und meinen beständigen Freund“, könnte Agni -als Ahn in Anspruch genommen werden, aber dem stehen unzählige andere -Verse unmittelbar entgegen. Alles was von Agni gesagt wird, er lecke -mit Zungen, er esse mit scharfen Kinnbacken, er zerkaue und strecke -nieder die Wälder, er tue den Bäumen Gewalt an, er mache die Pflanzen -zu seiner Speise, er schere das Haar der Erde, er springe aus dem -Holz hervor usf., klingt theromorph und anthropomorph, kann aber kaum -anders denn als sehr prägnante dichterische Ausdrucksweise angesehen -werden (s. jedoch S. 33 f.). Wenn es dann an einer anderen Stelle des -Rigveda heißt: „Agni, unser Priester, wird beim Opfer herumgeführt, -ein Roß seiend“, so könnte man freilich wie bei Swantewit an einen -Tierfetisch als Vertreter Agnis denken. Max Müller lehnt es aber ab -und hält auch dieses für bildliche Ausdrucksweise, und nach allem, was -sonst der Rigveda von Agni sagt, wohl mit Recht. Agni ist freilich kein -ursprünglicher Gott, der Urgott der Indier scheint Indra zu sein, der -später von seiner Höhe herabsank, immerhin aber stets Bedeutung hatte, -während er bei den Eraniern sich nur noch als Geist findet. Der gleiche -Forscher führt als weiteres Beispiel die Stürme (Marut) an, von denen -auch im Rigveda ganz persönlich gesprochen wird. Sie schütteln Himmel -und Erde, gleich dem Saum eines Gewandes, sie erscheinen glänzend auf -ihren Wagen mit Speeren, Dolchen, Ringen, Äxten und Peitschen, die -sie in der Luft klatschen lassen, sie schießen Pfeile und schleudern -Steine, sie haben goldene Kopfbinden rings um den Kopf, sie werden auch -als Musikanten Sänger, Pfeifer und Tänzer, mitunter auch als Vögel und -als wilde Eber mit Hauern dargestellt. Man kann nicht irdischer und -dramatischer sprechen, und weniger fetischmäßig. Wie es sich mit dem -Soma als Gottheit, als Opfer und als berauschendes Getränk verhält, ist -nicht ganz klar, so wenig wie bei dem entsprechenden Haoma der Eranier. -Ursprünglich als höchst bedeutungsvoll, ja Unsterblichkeit verleihend, -dargestellt, gepriesen und empfohlen, wurde es später verpönt und -verboten, wahrscheinlich infolge zu großer Anwendung als berauschendes -Getränk. Einen Fetisch werden wir in der betreffenden Pflanze, die also -von Soma bewohnt gewesen sein sollte, kaum sehen können. - -Nach allem möchte ich glauben, daß zwar die Indier des Rigveda und der -folgenden Zeiten die Seele und ihr Leben naturmenschlich aufgefaßt -haben. Dafür spricht schon die angenommene Seelenwanderung, von der -später die Rede sein wird. Daß sie selbst Götter naturmenschlich als -mit menschlichen Bedürfnissen und Schwächen behaftet sich dachten. Daß -aber der Fetischglaube sich nur in vereinzelten Erscheinungen, die für -das Ganze bedeutungslos waren, geltend machte, selbst wo Tiere wie -Stier, Schlange, Elefant und der berühmte Affe Hanumann in Betracht -kommen. Im einfachen Volk und bei Einzelnen wird natürlich, wie ja -auch bei den höchsten Kulturnationen, sehr viel Fetischismus vorhanden -gewesen sein. Aber die Religionsanschauungen der Indier nehmen eine so -merkwürdige Richtung, einerseits in das rein Abstrakte, andererseits -in das rein Ethisch-Anthropopathische, daß so niedrige Ansichten -wie die des Fetischismus nicht in ihnen als Wesentliches existiert -haben können, trotz aller heiligen Tiere und verehrten Erscheinungen. -Der Fetischismus stellt sich sonst überall mit einer gewissen -Selbstverständlichkeit dar -- er ist ja dem Naturmenschen in der Tat -selbstverständlich --, die gegenständliche Ausdrucksweise der Indier -ist aber meist so dunkel und verstiegen, daß wir uns zu Allegorien -und Symbolen retten müssen, wenn wir nicht reinen Unsinn und absurdes -Geschwätz bei einem doch so tief veranlagten, so hoch denkenden und so -dichterisch empfindenden Volke annehmen wollen. Höchstens furchtbaren -Dämonenglauben und ins äußerste gegen sich und gegen die Mitmenschen -getriebene Konsequenz gewisser Götter- und Kultlehren müssen wir bei -einzelnen Sekten zugestehen, und Leichtgläubigkeit gegenüber von -Behauptungen anerkannter und nicht anerkannter Priester und Zauberer, -und endlich einen verblüffenden, spitzfindigen, kleinlichen, das ganze -Leben wie ein eisernes Gespinst durchziehenden Formalismus gegen die -höheren Mächte, von denen selbst der so freie Buddha das Volk nicht -hat lösen können. Solche Ausdrücke wie in dem Rigveda: „Indra hilft -dem, der reichlich schenkt und opfert; eine heilige Handlung hat keine -Wirkung, wenn die entsprechende Dakschina nicht gereicht wird“, und -„Indra wendet sich ab von Dürftigkeit und Hunger“, dazu Verwünschungen -von Werkfeindlichen und Nichtopfernden, sind freilich schlimm. Dieselbe -Ansicht findet sich sogar in der Bhagavad-Gîtâ. Krischna sagt daselbst: - - Als einst der Herr die Welt erschuf, setzt’ er den Opferdienst auch - ein, - Durch diesen pflanzt euch fort, er soll des Vaterfluches Ruh euch - sein. - Durch ihn ernährt die Götter all, daß sie erhalten diese Welt; - Nur so gelanget ihr zum Heil, wenn eins das andere erhält. - Erwünschtes Gut gewähren sie, wer ihnen Opferdienst gewährt; - Ein Dieb ist, wer, den Göttern nichts entgeltend, ihr Geschenk - verzehrt. - Wer von des Opfers Überrest sich nährt, wird frei von Sündenqual, - Doch ihr verfällt, der nur für sich bereitet hat das Festesmahl ... - -Dabei steht die Bhagavad-Gîtâ im bewußten Gegensatz zu den „heiligen -Schriften“, also wohl den Veden und ihren Opferkommentaren. Noch -schlimmer sind die Witwenverbrennungen und gar die tückischen -Menschenopfer an die Zerstörungsgöttin Kali. Auch zeigen sich -die bildlichen Darstellungen der Gottheiten meist aufs höchste -abenteuerlich-grotesk und nicht selten rein götzenhaft. Wir haben aber -bei den Indiern in Anschauung, Literatur und Kunst eine wunderliche -Mischung von Edelstem und Rohestem, Schönstem und Abstoßendstem, wie -kaum bei einem anderen Volke. Das erschwert die richtige Einschätzung -außerordentlich. Denn wer hört und liest, daß Götterbilder gebadet -werden sollen, daß Götterbilder mit Leben begabt und des Lebens beraubt -werden, wird gewiß geneigt sein, in diesen Götterbildern Fetische zu -sehen. Wer aber an die unglaublichen geistigen Leistungen des Volkes -denkt, wird jenes auf gleiche Stufe stellen mit dem entsprechenden bei -der Athene, bei unseren Marien- und Heiligenbildern und bei unseren -Kirchen, wo ebenfalls Weihung und Entweihung stattfindet, und es mit -dem Bedürfnis so vieler Menschen erklären: woran sie sich wenden, -gegenständlich vor sich zu haben, und dieses dann mit Verehrung zu -behandeln; und der Verehrung zu entkleiden, sobald es profanem Zwecke -übergeben wird oder übergeben werden muß. - -Man hat die ältere Indierreligion, die sich an die Namen Indra, Rudra, -Yama, Agni, Varuna, Mitra u. a. anschließt, als die ~Vedareligion~ -bezeichnet, die jüngere, um die Trimurti: Brahma, Wischnu, Çiva, mit -den zugehörigen Frauengestalten, sich bewegende, als ~Hindureligion~. -Brahma gehört beiden Religionen. Für die jüngere Linie gilt -hinsichtlich unseres Themas nichts anderes als für die ältere. Die -Gottheiten sind nur konzentrierter und machtvoller und darum -- bis -auf Brahma, von dem als von einem Abstraktum nachher zu sprechen ist --- um so furchtbarer; Çiva gehört zu den grauenvollsten Schöpfungen -der menschlichen Phantasie. Die dritte und vierte, mit dem Hinduismus -parallele Religionsanschauung: der höhere ~Brahmaismus~ und der -~Buddhismus~ gehen schon über eigentliche ~Religions~anschauungen -hinaus und führen in die philosophische Theosophie und das ethische -Menschentum. Wir werden ihre Hauptlehren aber gleichwohl noch, -wenigstens teilweise, mit in diesem Buche behandeln. - -Die ~Chinesen~ machen uns die Arbeit leicht, ihre konfuzianischen -Anschauungen, die der Staatsreligion angehören, sind so völlig -auf Seelen- und Ahnenglaube begründet, wie kaum selbst bei einem -Naturvolke. Wie die ganze Welt durch das Zusammenwirken von Yang -(Wärme, Licht, Männlichkeit) und Yin (Kälte, Finsternis, Weiblichkeit) -entstanden ist, besteht auch die Seele aus zwei Teilen: einem guten -Teil, Schen, und einem bösen, Kwei. Nach dem Tode gibt jener Teil -die guten, dieser die bösen Geister. Der Tote bedarf der Wartung und -stetiger Gaben. Letztere werden ihm jetzt meist in Attrappen aus Papier -gereicht, das gilt namentlich von Geld, Menschen und Tieren. Im Hause -sind auf einem Tisch Seelentafeln aufgestellt, die Namen und Rang der -Ahnen enthalten, vor ihnen Opfer an Speisen und Trank. Seelentafeln -besitzen auch die Tempel und Altäre der Götter, Kaiser, Heiligen, -großen Männer und der Naturgegenstände (Flüsse, Berge, Sterne, Sonne, -Mond, Himmel usf.), welche verehrt werden. Es wird angenommen, daß -die Seelen sich zeitweilig in diese Tafeln (oder auch Bilder) begeben -und von den Opfern genießen. Selbst die höchstverehrten Gegenstände, -Himmel und Erde, werden als Seelen verehrt. Der Kaiser, „der Sohn des -Himmels“, ist die Seele des Himmels auf Erden. So durchdringt der -Seelenglaube und Seelenkult die ganze Staats- und Volksreligion, und -wie das Volk allen möglichen Seelen opfert, so geschieht es auch vom -Staat, vom Kaiser und den Mandarinen an bestimmten Tagen, einzeln -und kollektiv. Seelen, welche sich bewähren, indem sie die Wünsche -erfüllen, erhalten die ausschweifendste Verehrung; ihnen werden -Kapellen und Tempel errichtet, das Volk strömt in Massen mit Geschenken -aller Art herbei. Bleibt die Erfüllung der Wünsche aus, so geraten die -Seelen in Verruf und werden verlassen. Priester und Priesterinnen sind -imstande Seelen in sich aufzunehmen und von Ort zu Ort zur Anbetung -zu transportieren, sie sind lebende und wandelnde Fetische. Indessen -scheint es, als ob gegen das Verfahren des Wilden der umgekehrte Weg -eingeschlagen ist. Dieser entnimmt die Seele dem Menschen oder Tiere -und versetzt sie in die Gegenstände. Die Chinesen dagegen glauben, daß -die Seele der Lebewesen aus der Seele von Gegenständen, nämlich aus -der des Himmels (als Schen) und der der Erde (als Kwei) stammt. So -werden auch folgerichtig Krankheiten daraus abgeleitet, daß Schen den -Körper ganz oder zum Teil verläßt, und besteht die Kunst des Arztes -nicht darin, einen bösen Geist aus dem Körper zu bannen, sondern den -guten in den Körper zurückzuführen. Es ist also nicht richtig, wenn -die Anschauungen der Chinesen denen der Naturvölker gleichgesetzt -werden, vielmehr gehören sie eigentlich dem Pandeismus statt dem -Pananimismus, an, und zwar einem dualistischen. Das Naturmenschliche -tritt in der Verselbständigung der Seelen hervor und in den materiellen -Eigenschaften, die den Seelen zugeschrieben werden. Deshalb freilich -unterscheiden sich selbst die höchsten Seelen, die von Himmel (Tien) -und Erde (Ki) und die der Kaiser nur graduell von den naturmenschlichen -Seelen, und können allerdings sie und alle beseelt gedachten -Gegenstände als Fetische bezeichnet werden. Die ganze Natur besteht aus -solchen Fetischen. Der Gang der Natur, das Tao, das durch den Planeten -Jupiter (Tai-sui) geregelt wird, bestimmt den Gang des Menschen; der -Mensch hat sich genau diesem Gang anzuschließen, und wo er ihn nicht -ohne weiteres erkennt, durch Orakel ihn zu ermitteln. Kombinationen -ganzer und gebrochener Linien, die schon von dem 2300 v. Chr. gelebt -haben sollendem Fohi herrühren, und denen, indem sie für Gottheiten, -wie Himmel, Erde, Gewässer, Berge, Wind, Donner usf. stehen, dieser -Gottheiten Seele innewohnt, dienen dazu; und die Enträtselung -geschieht durch Priester. Die hierher zu rechnenden Lehren, die das -ganze Leben und alle Handlungen des Chinesen, vom Niedrigsten zum -Höchsten, regeln, hat Konfuzius im Yih-King gesammelt. Es war dem -Menschen die Möglichkeit geboten, ganz in die Natur aufzugehen, ein -Tschen-sjen zu werden und so mit der Welt einig zu leben. Indessen -bestand ein Mittel, zum Ziele zu gelangen, doch auch darin, möglichst -viele Schen in sich zu vereinigen; und das geschah ganz naturmenschlich -durch Verschlucken von möglichst vielen Gegenständen, die man beseelt -glaubte. Eine ganz andere Auffassung des Taoismus behandeln wir später -(S. 143, 220). - -Der ~Buddhismus~, der als Foismus in China so weite Verbreitung -gefunden hat, mußte sich solchen Volksansichten fügen und hat sich -dem Seelenkultus angeschlossen, freilich auf eine ihm eigene, mehr -geistige Weise, indem der Kultus durch Vorlesen seiner heiligen Bücher -und Anrufen von Buddhas Namen geschieht. Doch kommt zur Abwendung -von Unheil auch das Hersagen von Zaubersprüchen und das Opfern von -Gegenständen in Frage, was ganz den Sinn der Geisterversöhnung hat. -Gleiche Mittel dienen bei den Seelenmessen, die Seelen zu befreien, sie -in den Zustand der buddhistischen Seligkeit zu versetzen. Wie aber hier -die indische Tüftelei hineinspielt, zeigt sich an der Bedeutung des -Gedankens. Es genügt oft schon, wenn ein Heiliger sich ganz in Wünsche -für den Toten versenkt, um diesem die Seligkeit zu verschaffen. Wie -auch in gleicher Weise ein Mensch sich selbst in den Heiligenzustand -aller Grade versetzen kann, bis zum höchsten des Buddha, wenn er den -Ordnungen des Hinayana und des Mahayana, die bekanntlich auch so vieles -Edle und Ideale in sich vereinigen, nachstrebt. Der Buddhismus hat in -Tibet und einem Teil der Mongolei als ~Lamaismus~ eine beherrschende -Machtstellung gewonnen. Aber das Volk ist dabei leer ausgegangen. Es -hat früher einem vollständigen Seelen- und Fetischglauben gehuldigt, -war ganz dem ~Schamanentum~ ergeben, und jetzt sind Menschen seine -Götter, die Lama, welche als inkarnierte buddhistische Intelligenzen -angesehen werden; die beiden Höchstgestellten, der Dalai Lama und der -Tasi Lama, als inkarnierte Boddhisattwen (historisch und geistig), die -Unzahl der anderen als inkarnierte buddhistische Heilige vergangener -Zeiten. Die Inkarnationen sind eine indische Erfindung; Wischnu zählt -deren, Awatare, eine erhebliche Zahl. Der verkommene Buddhismus hat -sich ihrer bemächtigt, um Menschenfetische aus einem der größten und -edelsten Männer aller Länder und Zeiten zu schaffen. Neben den hohen -Lehren des Meisters, die sich ja nicht verlieren können, wuchert -greulichster Aberglaube und einfältigster Heiligenkult. - -Von den Anschauungen der ~Japaner~ habe ich schon bei anderer -Gelegenheit gesprochen. Ihre primitive Religion aber, mit -einigen Änderungen jetzige Staatsreligion, ist der ~Shintoismus~ -(chinesisch: Pfad der Götter, japanisch: Kami no Michi). Beseelung -alles möglichen spielt wie in China eine Hauptrolle. Dazu die -Vergöttlichung und der Kult von Herrschern und anderen Menschen -(für Kriegskunst, Schreibkunst, Sittenlehre usf.) und die Verehrung -von Tieren, wie Fuchs, Hirsch, Schildkröte Schlange, wesentlich -wegen ihrer schädlichen Eigenschaften, sowie von gewissen Bäumen -(Sakaki und Hinoki). Die Sanktuarien der Shintotempel enthalten als -„Stellvertreter des erlauchten Geistes“, Mitamaschiro (auch Shintai), -irgendeinen Gegenstand, einen Metallspiegel (in einem Spiegel hat -die Sonnengottheit Amaterasu ihr Antlitz bewundert), ein Schwert u. -a., die in Beutel oder Truhen verschlossen sind und als Fetische -angesprochen werden könnten. Ähnliche Götterembleme in Schreinen haben -auch die einzelnen Familien in ihrer Behausung auf einem „Göttersims“, -neben Krügen oder Flaschen mit Maiswein und Vasen mit Zweigen der -heiligen Bäume oder mit Blumen. Auch Familienahnendienst besteht in -ausgedehntem Maße, und mitunter ebenfalls im Hause selbst, wo auf dem -„Sims der erlauchten Seelen“ Seelentäfelchen stehen. Die Toten bekommen -Gebrauchsgegenstände mit. Weiter an naturmenschliche Anschauungen -erinnert die Furcht des Shintoisten, sich rituell zu verunreinigen. -Blut, Tod und Geburt verunreinigen am meisten und nachhaltigsten, und -wie der Neger die gebärende Frau absperrt, tut es auch der Shintoist. -Auch Atem verunreinigt. Kein Verunreinigter darf einen Tempel besuchen. -Und die Priester mußten mit vorgehaltenen Masken opfern, ganz wie Saxo -Grammaticus von den Priestern des Swantewit erzählt, die im Tempel des -Gottes nicht atmen durften, sondern zum Atmen jedesmal hinausgehen -mußten. Lippert meint, da im Atem die Seele sei, solle eine Beleidigung -der Gottheit, durch aufdringliche Vermischung der Menschenseele mit -ihrer Seele, verhindert werden. Bei allem ist die vielfach sehr schöne -Mythologie bemerkenswert, die sich auf Naturgottheiten bezieht. -Der Shintoismus hat sich später mit dem Buddhismus vereinigt; die -Gottheiten, Kami, wurden mit den Buddhas, ~Hotoke~, gleichgesetzt, -sie sollen die Satzungen Buddhas bewahrt haben. Karl Florenz („Die -Religionen der Japaner“, in dem B. G. Teubnerschen Sammelbuche „Die -Orientalischen Religionen“), dem ich in obigem zum Teil gefolgt bin, -sagt: „Die Shintogottheiten werden angerufen in Verbindung mit allem -Günstigen, Freudigen, Glückverheißenden; Buddha aber in Verbindung mit -den Kümmernissen des Lebens und beim Tode“. Das letztere entspricht ja -völlig dem Charakter der Buddhalehre, wie das erstere dem Charakter -des Shinto (eigentlich des Volkes) angemessen sein wird. Der reine -Buddhismus soll in Japan eine höhere Stufe einnehmen als in China oder -Tibet und sich mehr den Lehren des Meisters anschließen. Gleichwohl -wird das Pantheon des japanischen Buddhismus als das riesenhafteste -der Welt bezeichnet, wie Japan als das tempelreichste. Doch gehört die -weitere Schilderung nicht mehr hierher. - -Indem wir nun noch ganz über den Stillen Ozean wandern, gelangen wir zu -den ~amerikanischen Kulturvölkern~. In Amerika überhaupt scheint der -Sonnenkult besonders verbreitet zu sein; seine größte Ausbildung hat er -jedoch eben unter den Kulturvölkern dieses Erdteils erfahren. Bei den -~Mexikanern~, wo der Sonnengott zugleich Kriegsgott (Huitzilopochtli) -war, nahm dieser Kult die grauseste Form durch die Massenmenschenopfer -an, die mit Kannibalismus verbunden waren. Blut mußten die Menschen -den Gottheiten bei jeder Gelegenheit als Gabe bringen; war es nicht -das eines Opfers, so war es das eigene Blut durch Schlitze in der -Brust, den Ohren, der Zunge, den Lippen. Im Blut wohnt die Seele, wie -wir wissen. Die ~Mayavölker~ übten ähnliche Gebräuche, wenn auch nicht -entfernt in der rücksichtslosen Furchtbarkeit wie die Mexikaner. Und -bei den ~Peruanern~ hat der Sonnenkult schon einen bedeutenden Adel -erreicht, der nur selten von Menschenopfern unterbrochen wurde. Die -Inka waren Sonnensöhne und vertraten die Sonnengottheit auf Erden. -Vertreter der Gottheit waren auch die Herrscher Mexikos; sie legten -einen Eid ab, bewirken zu wollen, „daß die Sonne ihren Lauf gehe, -daß die Wolken regnen, die Flüsse fließen und die Früchte reifen.“ -Wir kennen ähnliche Verpflichtungen der Herrscher auch bei anderen -Völkern, und ein König der Norweger hat sich selbst zum Opfer bringen -müssen, als es unter seiner Herrschaft nicht gelang, die Götter dem -Volke günstig zu stimmen und eine Hungersnot abzuwenden. In Mexiko -wie in Peru erhielten die Herrscher schon bei Lebzeiten Gottesdienst -und Opfer, die nach ihrem Tode fortgesetzt wurden. Menschliche -Schutzgeister fanden sich überall. Zum Teil waren es die Geopferten -selbst, die man dann schon bei Lebzeiten vor ihrer Opferung mit -göttlichen Ehren behandelte und mit allen Gaben beschenkte, um sie sich -günstig zu stimmen. Andere Geister gewann man durch Vermauern oder -Vergraben von Menschen, namentlich von Kindern. Sonnensäulen und Huacas --- ein Wort, das auch Geister bedeuten soll -- sind Mäler solcher -Schutzgeister, oder auch Steine, die sich an den Orten befinden. Viel -verbreitet in Mexiko war auch die Sitte, Götter selbst zu essen. „Am -dritten Jahresfeste des Huitzilopochtli verfertigen die Priester ein -Bild des Gottes, zusammengebacken aus allerlei Sämereien mit dem -Blute der geopferten Kinder. Nach diesem Bilde schoß ein Priester -einen Pfeil und durchschoß den Gott. Dann nahm ein Priester an ihm -die Handlungen vor wie an einem Menschenopfer. Er öffnete die Brust, -brachte ein Herz hervor und reichte es dem Könige, der es aß. Den -Leib des Bildes aber verteilte er so an die Quartiere der Stadt, daß -jeder Einwohner ein Teilchen davon erhalten konnte. Dieses nannte man -Teocualo, der Gott, den man ißt.“ So erzählt Lippert. Die Handlung läßt -verschiedene Deutung zu; die einfachste und naheliegendste scheint mir -doch die zu sein, daß das Bild den Gott darstellte und jeder, aus einer -Opferhandlung an ihm, einen Teil von ihm in sich aufnehmen wollte. -Nach dem Genannten wären die Tempel hier, in Peru, und übrigens auch -anderweitig, lediglich Begräbnisstätten für einen vergötterten Ahnen. -Zu all diesem Naturmenschlichen kommen nun noch die Tierfetische, -die Totems. In Mexiko gelten als solche Kolibri, Reiher, Adler, -Schlange, Bär usf. Und die Götterbilder erhielten sie als Symbole, -wie aus nebenstehender Darstellung einer Gottheit zu ersehen ist. Im -Haupttempel wurde sogar eine lebende Klapperschlange gehalten und -verehrt. In Peru kommt der Kondor hinzu. Wir besitzen durch John L. -Stephens (Reisen in Zentralamerika, Reisen in Yucatan) eine große Zahl -von Darstellungen mittelamerikanischer Gottheiten und Kulthandlungen. -Auf dem seltsamen Kreuz zwischen den beiden anbetenden Figuren im -Tempel zu Palenque steht ein Hahn oder ein Reiher, die Arme des Kreuzes -enden wohl in stilisierten Schlangen. Tiere, Alligatoren, Vögel, Affen, -kommen auf den Bildwerken Mittelamerikas oft vor, nicht selten auch -Menschen mit eigenartigen Tierköpfen. - -[Illustration] - -Ich schließe damit die wohl etwas ermüdende Aufzählung. Das -Naturmenschliche ist für eine Betrachtung der Welt- und -Lebenanschauungen von außerordentlicher Bedeutung, weil es das -Allgemeinmenschliche darstellt. Es verleugnet sich zu keiner Zeit und -bei keinem Volke, selbst nicht bei uns, von denen nicht besonders -gesprochen zu werden brauchte. Und wo es nicht offen zutage tritt, -weil mehr Erfahrungen und bessere Einsichten zu anderen Anschauungen -geführt haben, da wirkt es versteckt durchaus noch mit und lenkt -die Ansichten weit mehr, als stolze Kultur zugestehen mag. Es ist -materiell verfeinert und ethisch gehoben worden, aber im Wesen findet -es sich nicht sehr verändert. Und eigentlich sind es nur der absolute -Materialismus und absolute Energismus, die aber, wie sich später zeigen -wird, zu absolutem Zwangssystem führen, sowie der Spinozismus, die das -Naturmenschliche äußerlich ganz abgestreift haben. Demnach werden wir -auch in der Folge noch oft an die bisherigen Darlegungen zu erinnern -haben. - - -17. ~Polytheistische, henotheistische und antagonistische Anschauungen.~ - -Die Gesamtheit der Gottheiten des ~Polytheismus~ können wir einteilen -in: irdische Geister- und Gegenstandsgottheiten, Vergötterungen, -Naturerscheinungen, Herrsch- und Schaffensgottheiten, Schicksals- -und ethische Gottheiten, Prinzipiengottheiten. Die beiden ersten -Gottheitenarten sind unmittelbar naturmenschlich, sie gehören -dem Animismus und dem Seelen-Ahnenglauben an. Sie liefern das -unübersehbare Heer der Genien, Geister, Feen, Nymphen aller Art, -Dämonen, Hexen usf., wovon schon die Rede gewesen ist. Auch die -Naturerscheinungen als persönliche Gottheiten aufgefaßt, enthalten -sehr viel Naturmenschliches. Ist das Feuer, das Wetter, der Sturm, -die Sonne, der Mond, ein Stern, der Himmel, die Erde eine Gottheit, -so muß eine Beseelung angenommen sein, die mit der betreffenden -Erscheinung so verbunden ist wie bei den Lebewesen. Daraus folgt -natürlich nicht, daß diese Beseelung aus den Lebewesen herstammen muß, -sie kann selbständig gesetzt sein und mit besonderen Eigenheiten; -wie auch eine Pflanze anders beseelt ist, denn ein Tier, und dieses -anders, denn ein Mensch. Soll also auch nicht bestritten werden, -daß in gewissen Fällen die Naturgottheiten in der Tat aus Fetischen -abgeschiedener Seelen hervorgegangen sind, die sich die betreffenden -Erscheinungen zum Sitze erwählt haben, so glaube ich doch nicht, daß -dieses in allen Fällen geschehen ist. Weder Zeus als Himmel noch Helios -als Sonne, noch Wuotan als Wetter, noch Rā, Indra, Mitra, Ahura-Mazda -und so viele andere enthalten einen Hinweis auf rein Seelenhaftes. -Wenn Seelen ihren Wohnsitz in Sonne, Wetter, Feuer usf. aufschlagen, -so geschieht das in den hervorgehobenen Fällen immer, nachdem die -Gottheit von der Erscheinung schon geschieden, Zeus schon der Gott des -Himmels, Helios der der Sonne usf. geworden ist. Man muß auch beachten, -wie in diesen Fällen so ganz anders von den Seelen gesprochen wird -als von den Göttern. Homer ist für die Griechen Kronzeuge, da er in -bezug auf die Seelen ganz naturmenschlich denkt, seine Götter aber -absolut nichts Schattenhaftes, wie doch die Seelen bei ihm, an sich -haben. Die Vergöttlichung der Naturerscheinungen ist eine Folge des -Animismus überhaupt, nicht erst der Verselbständigung der Seele und -ihrer Lokalisierung in der Welt. Auf dieser Stufe des Polytheismus -gehören die Weltanschauungen einem monistischen Animismus an, der nur -in der Weise einer Entwicklung fähig ist, daß die Beseelungen, besser -die beseelten Dinge, mehr und mehr voneinander nach ihrer Bedeutung -geschieden und geordnet werden, bis Wetter, Himmel, Sonne, Gestirne -usf. höher bewertet sind als selbst der Mensch. Aber die Welt ist -einheitlich aus, nach Art der lebenden Menschen, bestehenden Dingen -zusammengesetzt, und sie war von je so und bleibt so. Ein Polytheismus -ist nur darin zu sehen, daß eben die höher erachteten, das heißt -die mächtigeren, Dinge aus egoistischen Gründen verehrt werden, wie -Menschen auch, die man fürchtet und sich geneigt machen will. - -Wie man lernte, die Gottheiten aus den Dingen herauszunehmen und sie -als ~Herrscher über diese Dinge~ zu setzen, ist schwer zu sagen. -Die Erkenntnis und die Verselbständigung der Seele kann wohl nicht -herangezogen werden, weil mit ihrer Entnahme die Ertötung der Dinge -selbst notwendig verbunden war; beim Himmel und seinen Objekten, der -Erde, dem Meere usf., aber davon keine Rede sein konnte. Zwar darf man -von einem Sterben und Aufleben bei wechselnden Erscheinungen sprechen, -wie bei Wettern, Sonnenunter- und -aufgängen u. ä., und das hat man -ja auch überall getan. Aber das ist noch durchaus verschieden von der -Beherrschung durch freie Gottheiten, die das wechselnde Verhalten der -Dinge nach Belieben leiten. Auf dem rein animistischen Standpunkt -glauben wirklich viele Völker, daß jeder Tag eine neue Sonne hat, die -am Morgen geboren wird und am Abend stirbt. Ja, manche leiten daraus -das Sterben der Lebewesen überhaupt ab. Ich habe die polynesische Sage -von Maui, dem Sonnenheros, und seinem Tode in der Finsternisgöttin -erzählt (S. 65); sein Tod brachte, erklären die Neuseeländer, das -Sterben in die Welt, vorher hat alles unbegrenzt gelebt. Und Osiris, -ursprünglich ein Sonnengott, ist nach seinem Tode ein Totengott -geworden. Im siebzehnten Kapitel des Totenbuches heißt es: „Ich bin -der gestrige Tag, ich kenne auch den morgenden Tag. Das ist Osiris. -Was ist das? Der gestrige Tag ist Osiris, der morgende Tag ist der -Lichtgott Rā.“ Hier zeigt sich’s ganz deutlich, daß wir es nicht mit -von der Erscheinung getrennten Gottheiten zu tun haben; die gestrige -Sonne ist Osiris, die heutige Rā. Aber ein Volk wie die Ägypter ist -dabei nicht stehen geblieben, und wo es dem Rā oder Osiris die höchsten -Eigenschaften zuschreibt, wozu auch ewige Dauer gehört, da hat es -ihn von der Erscheinung schon abgelöst. Die Römer hatten etwas, das -die Scheidung der Gottheiten von den Erscheinungen hätte vorbereiten -können, die genii, die ja außer den Dingen stehen und diese leiten. -Allein, sie schieben selbst den Gottheiten Genien zu; Jupiter hatte -seinen genius wie Mars, Minerva, die anderen Götter alle, und wie -Menschen und Tiere usf. Die genii standen also selbst den Göttern noch -übergeordnet, die den Erscheinungen übergeordnet standen; wenn auch die -genii untrennbar von den Göttern waren, daß man sie vielleicht auch als -ihnen beigeordnet bezeichnen könnte. - -Man wird hiernach wohl nicht umhin können, anzunehmen, daß von den -Erscheinungen getrennte Gottheiten durch ein Gefühl von Höherem als -die Erscheinungen sich allmählich aufgedrängt haben. Dieses Gefühl -wird erst sehr dunkel gewesen sein, sich aber bei einem Volke im -Laufe der Jahrhunderte zu immer größerer Klarheit herausgearbeitet -haben. Wie sehr Völker zu kämpfen hatten und haben, um sich dieses -Gefühls stets bewußt zu sein, sehen wir ja daran, daß immer und immer -wieder die Gottheit mit der Erscheinung verwechselt, trotz schon -erreichter höherer Auffassung, in die rein animistische Auffassung -zurückgefallen wird. In demselben Kapitel des Totenbuches, dem obiges -Zitat entnommen ist, heißt es: „Ich bin der Urgedanke dessen, was da -ist und was da sein wird. Was ist es? Das ist Osiris.“ Also dieser -höchste Gedanke betrifft den gleichen Gott, der nur der gestrige Tag -sein sollte. Ähnliches gilt von Helios, Marduk, Jupiter, Zeus und von -anderen Gottheiten. Wenn es wahr ist, daß die Namen der Gottheiten -Appellative sind (was freilich gegenwärtig nur für einige zugestanden -wird), nur daß wir so viele noch nicht zu übersetzen vermögen, wie -Istar, Aphrodite u. a., so ist eine derartige zweiseitige Auffassung -ganz verständlich, die Namen entsprechen den mit den Erscheinungen -identifizierten Gottheiten, zum Beispiel Dyaus (Zeus, Jovis), „was -glänzt“, „das Strahlende“. Sie blieben den Gottheiten auch, als diese -von den Erscheinungen getrennt wurden; und nun waren sie zugleich nur -Namen, wie von Personen, und Erscheinungsbezeichnungen, sodaß die -Gottheit bald ein Individuum, bald eine Erscheinung bedeutete. Lippert -geht von der Ansicht aus, daß ursprünglich dem Seelen-Ahnenglauben -entsprechend die Namen der Gottheiten Herr, Herrin, Mann, Frau, Geist -besagen sollten. Zweifellos läßt sich das bei einigen Namen nachweisen. -Zeus als Ὑπατος ist höchster Herr, Schang-ti der Chinesen für Himmel -ist das gleiche, Freia ist die Frau, Mannus der Mann usf. Aber andere -sind ebenso sicher nicht auf solche Bedeutungen zurückführbar. Dyaus, -Dev, Div als Glanz, nach Max Müller, ist schon erwähnt. Hier freilich -macht Lippert eine sehr treffende Bemerkung. Bei den Eraniern sind -die Dev gerade das Entgegengesetzte wie bei den ihnen so nahestehenden -Indiern, nämlich böse Geister statt gute. Es wäre nicht denkbar, -daß man die bösen Geister auch als glänzende bezeichnet hätte. Es -müsse darum Dev ursprünglich eine beiden Völkern gemeinsame neutrale -Bedeutung besitzen. Und diese findet er nach Worten in slawischen -Sprachen in der Tat nahestehend den Bezeichnungen seiner Annahme. Die -Etymologien sind vielfach recht unsicher, er kann in diesem Falle wohl -recht haben. Amun heißt aber der Verborgene oder Gerufene, Brahma der -Sprechende, Agni der Flackernde, Apollon der Abwehrende, Helios der -Brennende, Artemis die Schlachtende (als Todesgöttin), Wuotan der -Wütende (der Stürmende) usf. Auch wären solche Namen wie Dyauspitar -(Jupiter), Demeter unnötige Pleonasmen, wenn der erste Teil nichts -anderes besagte als der zweite. Zu beachten ist endlich, daß umgekehrt -selbst Personennamen in Würdebezeichnungen übergegangen sind, wie Cäsar -in den Kaiser. Die Ansicht Lipperts wird sich also wohl kaum allgemein -aufrecht erhalten lassen. Wo sie aber bei höchsten Auffassungen -zutrifft, handelt es sich oft lediglich um Anerkennung der höchsten -Herrschaft, wie bei unserem der HERR, nicht um Ahnenglauben. - -Wenn die Gottheiten von den Erscheinungen getrennt sind und nun -diese beherrschen, so verursachen sie sie auch, wie Poseidon oder -Wuotan den Sturm, Zeus oder Indra den Donner und Blitz, Osiris die -Nilüberschwemmungen. Sie treten also nicht bloß als Leiter und -Herrscher auf, sondern auch als ~Hervorbringer~, und wenn die letztere -Eigenschaft ausgedehnt wird, können sie auch zu ~Schöpfern~ werden. -Indessen hängt es wohl mit der ursprünglichen Anschauung von den -Gottheiten als den Erscheinungen selbst zusammen, daß in vielen Fällen -sie tatsächlich nicht als Schöpfer dieser Erscheinungen gelten. Im -Gegenteil finden wir vielfach Kosmogonie mit der Theogonie verbunden; -Erscheinung und die zugehörige Gottheit erstehen zugleich, oder -sie sind zugleich vorhanden. Allenfalls werden Menschen, Lebewesen -überhaupt, von einer Gottheit geschaffen. Und selbst dabei ist oft -Unsicherheit und Zweideutigkeit vorhanden, indem neben diesen -Schöpfungen auch spontane Entstehung angenommen wird, oder einfacher, -Abstammung von Gottheiten auf natürlichem Wege. Es ist fast trivial, -auf ~Hesiodos’~ Theogonie zu verweisen. Chaos, Ge, Tartaros, Eros -werden, und nun entwickelt sich die ganze Götterreihe, wobei die -Erscheinungen als ihnen selbstverständlich zugehörig und mit ihnen -hervorgehend angesehen sind. Uranos entsteht mit dem Himmel, Helios mit -der Sonne, Pontos mit dem Meer usf. Ähnlich liegen die Verhältnisse -bei den ~Ägyptern~. Nun = Thot (Urwasser = Urgeist) sind vorhanden, -es entwickelt sich die kosmogonische Götter-Vierpaarheit; wodurch -die Grundlage zu allen Erscheinungen gewonnen ist. Aus einem Ei, -das das Paar He-Hehet aus dem Urwasser heraufholt, ersteht Rā und -mit ihm sogleich das Licht, die Sonne. Rā aber differenziert sich -in neue Gottheiten, welche Naturerscheinungen darstellen. Unter den -verschiedenen ~indischen~ Kosmogonien entspricht die wichtigste, mit -den Grundelementen Tad (Das), Tapas (Inbrünstige Betrachtung), aus -denen Kama (Wille), Ritam (Weltordnung, Kausalität), Satyam (Wahrheit, -Folge) und der Wechsel von Tag und Nacht, Sonne, Mond, Gestirne usf. -hervorgehen, gleichfalls diesem Prinzip. Noch mehr hierher gehört -vielleicht die Kosmogonie, die mit Brahmanaspati (Herr des Gebets oder -Opfers) als Urprinzip beginnt. Âditi und Dakhsha sind seine Folgen, -das, woraus entsteht, und das, was entstehen lassen kann. Daraus -die Âdityas, zu denen Varuna gehört. Dieser nun ist der eigentliche -Weltschöpfer: er schafft alle Wesen, erhält Himmel und Erde, er setzt -die Sonne an den Himmel. Die Sonne (Sûrya) wird jedoch auch wie Rā in -einem Weltei aus dem Urmeere emporgehoben. Nach einem Rigvedahymnus -stellt Varuna einen Baum „in das Bodenlose“ auf, der wohl ein -~Weltbaum~ sein soll, wie die Esche Yggdrasil der Germanen. W. Schwartz -hat ein Buch, „Indogermanischer Volksglaube“, geschrieben, in dem er -den Weltbaum als Licht- oder Sonnenbaum erklärt und als kosmogonisches -Prinzip in Anspruch nimmt. „Das aufsteigende Licht erschien .... als -Lichtsäule oder unter dem Reflex eines Baumes als Stamm; die in den -Wolken sich verästelnden Sonnenstrahlen als Äste und Zweige, die Wolken -als Blätter.“ Nach ihm und anderen wären Sonne, Mond, Gestirne Früchte -dieses Himmelsbaumes. Ich kann diesem und was noch weiter von fast -allen Erscheinungen als mit dem Weltbaum zusammenhängend gesagt wird, -nicht folgen, so interessant die Ausführungen im einzelnen sind. Der -Weltbaum ist, glaube ich, lediglich als Stütze der Welten gedacht, -oder als Träger, da ja für den wissenschaftlich nicht geschulten -Geist eine Stütze durchaus nötig ist, so daß eine solche fast auf -der ganzen Welt als Baum, Berg, Säule, Tier, Mensch usf. angenommen -wird. Varunas Baum wird nichts anderes sein, wie auch Zeus’ Baum, auf -den er die Welt gleich einem Gewand gehängt hat. Bei den ~Japanern~ -entstehen wenigstens die Sonnen-, Mond- und Sturmgottheiten (Amaterasu, -Tsonkiyoumi, Sousano) zugleich mit Sonne, Mond, Gewitter aus dem -rechten und dem linken Auge und aus dem Atem des Götterpaares Isanami -und Isanaghi. - -In anderen Fällen sind die Gottheiten vorhanden, und besondere von -ihnen bauen die Welt, wenn nicht einer von ihnen alles bildet. Dann -werden die Erscheinungen unter die Gottheiten verteilt. Schon die -~Ägypter~ kennen einen allgemeinen Weltschöpfer, der bald Amun, -bald Osiris, Rā, Ptah, Atum oder Tum genannt wird. So heißt es in -dem siebzehnten Kapitel des Totenbuches: „Ich, der Gott Atumu, ich -bin der Seiende. Ich war allein im Urgewässer (Nun). Ich, der Gott -Atumu, der Schöpfer des Himmels und Bildner des Seienden, ich bin -aufgegangen aus dem Urgewässer.“ „Ich bin der Lichtgott Rā in seinen -ersten Aufgängen. Was ist das? Nämlich der Lichtgott Rā als König am -Anfang seiner Herrschaft über das, was er erschaffen hat.“ Aber an der -gleichen Stelle wird doch Rā als Gottheit (Atumu) in der Sonnenscheibe -bezeichnet: „Ich bin der, welchen keiner unter den Göttern übertrifft. -Was ist das? Das ist Atumu (wofür auch Rā steht) in seiner Scheibe.“ -Und ferner wird ein solcher Schöpfer zunächst nur Schöpfer der -Gottheiten dargestellt, die nun ihrerseits weiterschaffen. So heißt es -in dem sogenannten Apophisbuch von 310 v. Chr., das einem Priester -Esmin ins Grab gegeben war und ihn in der Unterwelt vor dem Feinde -Rā’s, dem Drachen Apophis, schützen sollte, und in dem Rā als Allherr -redet: - - Erst als ich entstanden war, entstand das Entstandene, - Alles Entstandene entstand, nachdem ich entstanden war. - Zahlreich waren die Gestalten, die aus meinem Munde herauskamen. - -Nun wird, wie in babylonischen und anderen Schöpfungsgedichten, -erzählt, was nicht vorhanden war. Dann lautet es: „Ich schuf alle -Gestalten, indem ich allein war.“ „Es entstanden viele Gestalten -der Gestalten, In den Gestalten der Erzeuger Und in den Gestalten -ihrer Kinder. Ich ergoß Samen in meine Hand, Ich begattete mich mit -meinem Schatten.“ „Ich spuckte aus den Schu, ich spie aus die Tafêne -(Tafnut).“ „Sie (diese Götter) brachten mir mein Auge hinter sich -her, Und nachdem ich es mir eingesetzt hatte, Weinte ich über sie. -So entstanden die Menschen.“ Bis auf das letzte sehr schöne Bild, -daß die Menschen aus den Tränen (rîme = weinen, rôme = Mensch) des -Gottes entstehen, ist alles wunderlich, kraus und zum Teil häßlich. -Weiter wird erzählt, wie von Schu und Tafnut alle anderen Götter -hervorgehen. Sie erzeugen Qeb und Nut, diese Osiris, Seth, Isis, -Nephthys. In einem anderen Text sagt Rā zu Thot: „Ich werde dich aber -die beiden Himmel mit deiner Schönheit und deinen Strahlen umfassen -lassen.“ Und als Erklärung wird hinzugefügt: „Das ist die Entstehung -des Mondes, des Thot.“ Der Wert derartiger Feststellungen wird dadurch -sehr geschmälert, daß sie so oft auf einem Wortspiel beruhen. Und in -Wortspielen ist niemand so groß wie die Ägypter, Brugsch gibt eine -Menge Beispiele dafür. - -Bei den ~Babyloniern~ sind die Gottheiten schon vor der Welt vorhanden, -mindestens die drei: Anu, Ellil und Ea, wohl auch die Istar. Andere -heißen ihre Söhne, wie Marduk Sohn Ea’s genannt wird. Die Welt ist, -wenigstens zum Teil, von Marduk gebildet. In dem Schöpfungsepos, Enuma -Elis, Tafel VI ist leider gerade der diese Bildung beschreibende Text -fast ganz zerstört. Einiges ersieht man aber aus der Tafel VII, in der -Marduk unter verschiedenen Namen gepriesen wird. Dort heißt es von ihm -u. a.: - - „Tutu-Ti-Ukkinu, Leben der Götterschar, - Der für die Götter festsetzte den glänzenden Himmel, - Der ihre Wege in die Hand nahm, bestimmte ihre Bahnen.“ -- - „Der himmlischen Sterne Bahnen haltet er in Händen.“ -- - „Weil er die Stätte geschaffen, die Feste gebildet, - Nennt seinen Namen ‚Herr der Länder‘, Vater Ellil.“ - -Ein anderer Text gibt Anu als Schöpfer des Himmels, Nudimmud, d. i. -Ea, als Schöpfer des Ozeans an. Letzterer schafft dann auch aus Lehm -den Ziegelgott, den Schmiedegott, kurz überhaupt die Handwerksgötter, -und ferner Berge, Meer, Rohr, Wald, Könige, Menschen usf. Nach noch -einem anderen Text ist es die Göttertrias Anu, Ellil und Ea, die Sonne -und Mond mit den Gottheiten Samas und Sin hervorbringt. Wunderlich -klingt folgende Reihe aus einem als „Beschwörung gegen Zahnschmerz“ -bezeichneten Texte. Der Verfasser beginnt mit dem Uranfang, ehe er zu -seinem Zahnwurm kommt, der ihn plagt: - - Nachdem Anu den Himmel erschaffen, - Der Himmel die Erde erschaffen, - Die Erde die Ströme erschaffen, - Die Ströme die Gräben erschaffen, - Die Gräben den Sumpf erschaffen, - Der Sumpf den Wurm erschaffen. - -Was endlich in einem letzten Text (alle aus „Greßmann, Altorientalische -Texte“ entnommen) der Strom, „der alles schuf“ und den die großen -Götter gruben und mit Zyklon, Feuer, Grimm, Schrecken, Furchtbarkeit -begabten, bedeuten soll, weiß ich nicht. Die babylonischen Texte -enthalten nicht selten, was uns Aberwitz erscheint. Wir haben ja -auch unter ihnen reine Schülerarbeiten und Formeln von irgendwelchen -obskuren Beschwörern; Kundgebungen, die nicht besser ausgefallen sein -werden, als solche gegenwärtig ausfallen. - -Ähnliche Ideen von der unabhängigen Schöpfung der Erscheinungen und -der Gottheiten finden sich bei den ~Indiern~. Da aber bei diesen ja -alles vertreten ist, läßt sich eine Scheidung zwischen den einen und -den anderen Ideen kaum bewirken. So gehört das oben (S. 132) Gesagte -zum Teil auch hierher, namentlich wenn die Gottheiten so verblaßt sind -wie dem Varuna (oder wie der schaffende Gott genannt wird) gegenüber. -Vielleicht hierher gehört auch die ~germanische~ Kosmogonie, denn -im Eddagedicht Vafthrudnismal werden für Sonne, Mond, Tag, Nacht, -Jahreszeiten Väter angegeben (Mundilföri für Sonne und Mond, Dallingr -für den Tag, Norvi für die Nacht, Windswalr für den Winter, Savasudr -für den Sommer: alle offenbar Appellativnamen). Die Erde ist aus Ymir -hervorgegangen. Aber das Voluspagedicht, das von letzterem sehr wohl -weiß, erzählt nichts von Vätern der erstgenannten Dinge; Sonne und Mond -werden als vorhanden eingeführt, nur ohne Namen und ohne bestimmten -Sitz, bis beides die Götter verliehen. - -Die ~Schicksalsgottheiten~ sollten nach unserem Gefühl mit den -ethischen Gottheiten verbunden sein. Tatsächlich sind sie es nicht, sie -stehen neben diesen. Sie sind auch früher als diese, denn Ethik, selbst -nur Sinn für Recht und Unrecht ist nicht ursprünglich naturmenschlich, -sondern Folge höherer Gesittung; ein praktisches Regulativ zwischen -Egoismus und Altruismus, das das wirkliche Zusammenleben der -Menschen miteinander ermöglicht -- abgesehen von der Kindesliebe, -die ja überhaupt nicht bloß eine menschliche Eigenschaft ist. Die -Schicksalsgottheiten entstammen dem dumpfen Gefühl der Ohnmacht des -Menschen gegen Tod und Unheil. Alle müssen sterben, und vieles Unheil -läßt sich mit aller Mühe, allem Flehen und allen Gaben an die gewählten -Gottheiten nicht abwenden. Da der Mensch jedes gegenständlich auffaßt, -so denkt er sich zuletzt persönliche Mächte, welche unbewegbar walten, -und deren Willen gegenüber selbst seine Gottheiten ohnmächtig sind. -So hängt sein Los ab von diesen Gottheiten und vom Schicksal. Erstere -bewirken alles, sofern jene letzteren indifferent sich verhalten, -Gutes und Böses; daher ihre Verehrung und Versöhnung mit Gabe und -Beschwörung. Aber die Schicksalsgötter sind nicht zu beugen, sie werden -darum sehr gefürchtet, und an ihnen wird möglichst vorbeigegangen. -Die ~Griechen~ hatten für ihre Moirai: Klotho, Lachesis, Atropos; -die Spinnerin (des Lebensfadens), die Loserin (der Geschicke), die -Unabwendbare, einen gewissen, aber nur wenig verbreiteten Kult; die -Römer für ihre Parcae: Nona, Decima, Morta, gar keinen, obwohl Parca -ursprünglich Geburtsgöttin war. Ob die ~germanischen~ Nornen, in der -Edda Urdr, Verdandi, Skuld (aber auch andere) verehrt worden sind, -steht wohl nicht fest. Je höher die Herrscher- und Schaffensgottheiten -steigen, um so mehr müssen die Schicksalsgottheiten zurücktreten. -Sie verhalten sich darum überhaupt mehr passiv; sie herrschen nicht, -schaffen nicht und leiten nicht. Sie bestimmen nur ein für allemal. -Was sie bestimmen, geschieht, mitunter freilich (wie bei Homer) unter -ihrer Mitwirkung. Trotz ihrer unabwendbaren Macht sind sie also nicht -immer kosmische Gottheiten. Die griechischen ~Moiren~ waren Töchter von -Zeus und Themis. Daher sind sie von den Unsterblichen den Sterblichen -gesetzt, wie Penelope sagt. Ja, jedem Sterblichen kann eine Moira -gesetzt sein. Dann ist Moira einfach das Geschick, und Zeus heißt der -Moiragetes, wie Apollon der Musagetes. Aber Hesiodos nennt im „Schild -des Herakles“ Atropos die „älteste und erhabenste Göttin“. Die ~Nornen~ -haben zum Teil noch niedrigere Abkunft, außer von Göttern auch von -Alben und Zwergen. Mehr der indischen Auffassung von der Allbedeutung -und Allmacht des Wortes entspricht die griechische Aisa und römische -Fata für Moira und Parca. Es sind der Spruch des Zeus und des Jupiter, -als der höchsten Gottheiten, dem aber diese Gottheiten selbst nicht -mehr sich entziehen können, so daß die Folgen ganz unabwendbar bleiben. -In dieser Auffassung schwinden die Schicksalsgottheiten als solche -völlig und gewinnt das Wort bestimmende Kraft, oder der Spruch, oder -der Gedanke, oder das Opfer. Das gehört schon in die Betrachtung der -letzten Klasse von Gottheiten. Bei anderen Völkern als den genannten -habe ich besondere Schicksalsgottheiten, den Moiren entsprechend, -überhaupt nicht finden können; bei diesen werden also die eigentlichen -Gottheiten zugleich auch das Geschick bestimmen. Sie haben auch nicht -solche Sagen wie die Griechen, von dem Sturz ganzer Götterdynastien, -und wie die Germanen, von der Vernichtung von Göttern in der -Götterdämmerung, wenn auch Weltvernichtung ihnen bekannt ist. - -Ins Äußerste getrieben, führt die Schicksalslehre zum ~Fatalismus~, -dem ~Kismet~, einem Bruder der rein mechanistischen Weltanschauung. -Selbst das noch verhältnismäßig frohe Griechentum kennt diese triste -Seelenberuhigung, der sich später namentlich die stoische Schule -bemächtigte. Aber wie rührend klagt nicht schon Hekabe in den -Troerinnen des Euripides: - - In die Wechsel des Schicksals füge dich still; - Schiff hin, wie der Gott, wie die Welle dich treibt, - Und kehre den Bug nicht wider den Strom; - Denn du fährst mit dem Steuer des Schicksals. - -Von Gottheiten wie Nike, Fortuna, Victoria, Sors usf. braucht hier -nicht gesprochen zu werden. - -„Fast in allen polytheistischen Religionen,“ sagt Twesten in seinen -„Ideen der asiatischen Kulturvölker und Ägypter“, „welche Spuren ihrer -älteren Gestaltung in der Überlieferung oder in dem späteren System -bewahrt haben, bei den indischen und iranischen Ariern, wie bei den -Ägyptern und bei den Griechen, tritt die Verbindung der Götter mit den -Körpern oder Kräften der Natur mehr und mehr in den Hintergrund, indem -bald an denselben Göttern intellektuelle und moralische Eigenschaften -die Naturseite zurückdrängen, bald ein neues Geschlecht das ältere -ersetzt, wenn dieses den geistigen Ansprüchen nicht mehr genügt.“ Das -letztere muß zwar, als zu hoch gedacht, abgelehnt werden, aber mit dem -voraufgehenden kann man sich nur einverstanden erklären. - -Die ~ethischen Gottheiten~, sofern sie mit dem Jenseits in Verbindung -stehen, werden wir später behandeln. Für das Diesseits ~besondere~ -ethische Gottheiten einzuführen und hoch zu verehren, war nur den -~Griechen~ vorbehalten. Apollon, Nemesis, Themis haben nirgends ein -gleiches. Die Furiae der Römer, die den Erinnyen entsprechen, stehen -gleichwohl in weiter Ferne von ihnen, da sie nur Gespensterseelen -von Verbrechern sind, deren die Götter sich bedienen, lebende -Verbrecher zu schrecken und zu strafen. In Apollon hat das, was -wir als Griechentum bezeichnen, die Kalokagathie, seine blühendste -Idee erreicht. Sonst werden die verschiedenen Gebiete des Ethos -von verschiedenen Gottheiten mitverwaltet, insgesamt namentlich -von der höchsten Gottheit. Die griechische Kalokagathie schließt -ein: Gerechtigkeit, edles Benehmen, in sich gefaßte Harmonie des -Lebens, ruhige Milde, Liebe zu Kunst und Kenntnis. Was über diese -Eigenschaften hinausgeht: die entsagende, tiefgefühlte und stets -geübte Liebe zur Menschheit, gehört, soweit ich sehen kann, nicht -zum Kreise der Apollinischen Lehren. Man denke nur, wie als etwas so -Außerordentliches es hervorgehoben wurde, daß die Athener einen Altar -des Mitleids hatten, was doch selbstverständlich hätte sein sollen. -Ein anderes dagegen mutet uns in der Apollinischen Lehre christlich -und mosaisch an, die Entsühnung von Sünde; Apollon ist auch der -entsühnende Gott. Er ist überhaupt die Gottheit des höheren inneren -Lebens, darum auch der Amphiktyonie. Am nächsten den Griechen stehen -die ~Eranier~; Ahurô Mazdâo ist das Prinzip des Guten, er ist aber -zugleich ein Weltgott, das Prinzip des Lichtes. Das Gute, das er -vertritt, bedeutet Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Das Schöne fehlt -bei ihm, das für Apollon so charakteristisch ist: die edle Einfalt und -stille Größe, wie Winckelmann von der Kunst der Griechen sagt. Wohl -auch die vorbezeichnete Liebe. Ahurô Mazdâo, Ormuzd, gleicht mehr dem -Zeus, der ja auch die Gerechtigkeit verwaltet, und nur partiell dem -Apollon. Die ~Indier~ haben in der Wischnu-Lehre einen wunderlichen -Ausweg gefunden, um einen Gott in verschiedener Bedeutung für die Welt -erscheinen zu lassen und ihn zugleich menschlich-persönlich zu machen, -die Inkarnationen, Awatâras, Wischnus. Von diesen kommen hier die erste -und neunte in Betracht. Als Krischna ist Wischnu das Ideal alles Edlen, -Guten und Schönen; halb Gott, halb Mensch, zieht er von Land zu Land -in stetem Kampfe mit dem Schlechten und Gemeinen. Die schon erwähnte -Bhagavad-Gîtâ (S. 115) enthält die Lehren dieses Gottes. Sie werden -unendlich variiert vorgetragen: - - Furchtlosigkeit und Lauterkeit, im Wissenstrieb Beharrlichkeit, - Freigebigkeit, Enthaltsamkeit und Opfer, Buße, Redlichkeit - Und Unschuld, Güte, Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit, Leutseligkeit - Und Menschenliebe, Milde und Ernst, Schamhaftigkeit und Festigkeit, - Kraft, Langmut, Würde, Mäßigkeit, Ausdauer, Demut - Sind Zeichen göttlicher Geburt; - Stolz, Heuchelei, Zorn, Prahlerei, Schamlosigkeit, Unwissenheit, - Wer diesen frönet, ist dämonischer Geburt geweiht. - -An anderer Stelle werden Wollust, Zorn und Geiz die drei Pforten der -Unterwelt (Hölle) genannt. Das entspricht alles der Apollinischen -Lehre. Und doch ist im wesentlichen Krischnas Lehre weit von dieser -entfernt, denn ihr Grundzug ist die absolute Entsagung; frei von -Begierden, aber auch frei von Gefühlen. Den Menschen soll kein Leid -anfechten, aber auch keine Freude erfreuen, die Sinnenwelt soll ihm -nichts gelten: - - In jedem Ding der Sinnenwelt sind stetig Lieb’ und Haß vermählt, - Die beiden sind des Weisen Feind; drum frön’ er nicht der - Sinnenwelt. - -Und an anderer Stelle: - - Dem Eifer geht das Wissen vor, dem Wissen die Beschaulichkeit, - Entsagung der Beschaulichkeit, und ihr die Unerregbarkeit. - -Das ist nichts Apollinisches, Apollon ist der Gott des maßvollen -Lebens, er ist auch der Gott der schönen Sinnenwelt. Krischnas Lehre -hat im späteren Buddhismus ihre Höhe erreicht (S. 214 f.). Und wirklich -wird der Buddha als neunte Inkarnation Wischnus angesehen. Nach der -Meinung der Wischnuiten gibt es unzählige Buddhas, die jedesmal -erscheinen, wenn die Welt in Genuß, Sünde und Leiden versunken ist. Der -geschichtliche Buddha ist einer von ihnen. Und der Zweck der Lehre? -Nicht die Menschheit apollinisch zu immer höheren und höheren Idealen -zu führen, sie immer mehr dem Schönen und Guten zu unterordnen, sondern -ihr den Willen zum Leben zu nehmen, daß die Menschen nicht im Kreise -der Seelenwanderung wiederkehren, daß sie in das allgemeine Nirwana --- Krischna, als das Allwesen, sagt: in ihn -- eingehen und aufgehen. -Davon später. - -Andere Völker haben auch Gottheiten, die die Sitte wahren, wie die -~Germanen~ Freyr, Freia und Fricka, aber nicht ganz von der Bedeutung -und der Hoheit der behandelten. Bei manchen finden sich „Söhne“ -der Gottheiten, wie Söhne des Rā in Ägypten, die Sonnensöhne des -Inkalandes, die Himmelssöhne des Reiches der Mitte, die Nachkommen -der Amaterasu in Japan. Dann haben diese als Fürsten und Herrscher -die Bedeutung ethischer Gottheiten, neben ihren sonstigen göttlichen -Eigenschaften. Ethos wird dann freilich meist von diesen Herrschern -definiert. Und wenn dabei Eigennutz, Grausamkeit, Schwäche und -Urteilslosigkeit mitspielen, so ist das Volk dieses auch von seinen -Gottheiten gewöhnt. Aber Ordnung schafft diese Anschauung. Und mitunter -in so bewunderungswürdiger Weise wie in Peru, da der Mensch über den -Menschen mehr unmittelbare Macht hat als die Gottheit, er also jeden zu -seinem willenlosen Sklaven zwingen kann. Später tritt das Gesetz als -diese Gottheit auf und die gesellschaftliche Sitte; die Gesamtheit ist -die Exekutive, oder Organe sind es, die bestellt sind. Keine höhere -Stufe aber gibt es, als wenn das sokratische Daimonion in uns wohnt, -wir das Ethos aus uns selbst schöpfen. - -Wir kommen zu der letzten Klasse von Gottheiten, zu den -~Begriffsgottheiten~. Es versteht sich von selbst, daß je höher die -Gedanken von den Gottheiten steigen -- ohne daß diese Gottheiten in das -All selbst einverleibt werden, was der Pandeismus vollbringt, dessen -Betrachtung später folgt --, diese um so mehr der irdisch-menschlichen -Eigenheiten, Eigenschaften entkleidet werden. So nähern sie sich -stetig dem rein Begrifflichen, und das Persönliche macht sich nur -noch in der Art des Begrifflichen geltend, und darin, daß auch dem -Begrifflichen Wirkung zugeschrieben wird. Die Indier allein haben es -hier zur letzten Konsequenz gebracht. Ihre begriffliche Urgottheit ist -Tad, nichts weiter als Das ohne jede Eigenschaft; nicht einmal Sein -oder Nichtsein wird diesem reinen Begriff zugesprochen. Doch weil mit -einem solchen einzelnen Begriff absolut nichts anzufangen ist, haben -die Indier freilich noch andere Begriffsgottheiten eingeführt, wir -das Wort oder der Spruch oder der Gedanke, die Ordnung, das Opfer. -Ist die Welt vorhanden, so können diese Dinge als weltregierende -Prinzipe angesehen werden, die Prinzipe sind vergottheitet. Mußte die -Welt jedoch erst geschaffen werden, so ist den Begriffen eine tätige -Macht zuzuschreiben. Davor sind die Indier nicht zurückgeschreckt, sie -sind konsequenter gewesen als Platon, zwischen dessen Ideen und den -Dingen eine unüberbrückbare Kluft besteht. Die Begriffe wirken wie -der Logos, λόγος, von dem wir noch zu sprechen haben, und sie werden -auch so persönlich gefaßt wie dieser λόγος. Andeutungen einer solchen -Begriffsanschauung finden sich bei den Indiern schon in frühester Zeit. -So heißt es in den Vedânta-Upanishaden: Am Anfang war das Sat. Max -Müller übersetzt Sat mit das Seiende, τὸ ὄν; an einer anderen Stelle -wird gesagt: Am Anfang war das Asat, also das Nichtseiende, τό μὴ ὄν. -Wie in einer Polemik gegen diese sich anscheinend widersprechenden -Angaben wird in der Bhagavad-Gîtâ behauptet: „Das anfangslose Brahma -heißt nicht Sein noch Nichtsein“. Daher auch andere Formeln vorhanden -sind wie: „Im Anfang war das Selbst“, was wohl Tad bedeutet. Oder -~Tad twam asi~: „~Das Selbst bist du.~“ Es ist ganz natürlich, daß -so abgrundtief-abstrakte Auffassungen dem Ausdrucke, der doch immer -an dem Materiellen hängt, widerstreben, und daß darum selbst noch so -weitgehende Umschreibungen doch immer an Materielles erinnern. Aber -freilich kommt hinzu, daß, indem aus dem Immateriellen Materielles -folgen soll, ersteres selbst auf der höchsten Stufe unwillkürlich -Materialität gewinnt und so zu dem äußersten Seienden wird, das -alles umfaßt. Hier nun verschmilzt die Begriffsanschauung einerseits -mit dem Deismus und Pantheismus, sowie mit der Theosophie und dem -Emanismus, die bald zu besprechen sind. Andererseits geht sie in den -Materialismus insofern über, als, sobald sie materialistisch ist, -sie in die Anschauung einer Allmaterie führt, oder zu etwas, das in -der materiellen Welt wahrgenommen wird. So heißt es in denselben -Upanishads, die von dem Selbst als von dem Urding sprechen, auch: Am -Anfang war Finsternis; und gar: Am Anfang war Wasser; auch: Am Anfang -war Pragâpati, der Herr alles Geschaffenen. - -Sehr nahe den Begriffsreligionen scheint der von Lao tsse (etwa um -600 v. Chr.) bei den ~Chinesen~ weitergebildete (S. 122) „Taoismus“ -zu stehen. Das Urwesen ist Tao, ein absolutes Sein und absolutes -Wissen, also etwa wie das indische Tad mit Tapas vereint. Zu diesem -Tao kommt Yin, das gebärende weibliche Prinzip, und Yang, das tätige, -gestaltende männliche. Ihnen gesellt sich das Khi, eine Art Eros. Damit -sind neben Tao noch drei kosmogonische Prinzipe gewonnen. Die ganze -Welt, bis ins einzelne, existiert von je in Tao. Durch jene drei, -wohl auch in ihm gedachte Prinzipe, kommt sie zur Wirklichkeit. Und -so ist Tao auch der höchste Gott, dem aber als abstraktem Wesen weder -Opfer, noch Gebet, noch Geschenk frommt, sondern nur ein tadelloses -Leben (S. 122). Eine solche geistige Lehre konnte für die Chinesen so -wenig bedeuten, wie die entsprechenden hohen Lehren anderen Völkern. -Sie ist bald in Verfall geraten und hat sich der staatlichen Religion -gegenüber nicht halten können. Die ~Griechen~ sind spät erst zu -Abstrakten als kosmogonischen Prinzipen gelangt, wie δύναμις, νοῦς, -ἀνάγκη, πιστίς; Schaffenskraft, Vernunft, Notwendigkeit, Glaube und -Ähnliches. Die ~römischen~ Begriffsgottheiten darf man nicht hierher -rechnen; die Indigetes sind allmählich ersonnene, Tätigkeiten und -Geschehnisse darstellende, und darum ihnen vorstehende Gewalten, die -der Römer auf Schritt und Tritt vor sich fand, und die nichts mit den -höheren Fragen der Menschheit zu tun hatten, sondern nur mit ihren -Verrichtungen und den Vorgängen in ihrem Leben. Es sind vergeistete -Begriffe; jeder einem engen Gebiet angehörend und insgesamt, trotz der -sehr großen und beliebig zu vermehrenden Zahl, für die Weltanschauung -nicht bedeutender als die Geister selbst. Das sieht man an solchen -Vergeistungen wie Adeona (für die Rückkehr der Kinder), Afferenda (für -die Zubringung der Mitgift), Fabulinus (für das Sprechen der Kinder), -Mutunus Tutunus (für die Begattung und Befruchtung) usf. Nicht wenige -im Heer der Indigetes sind überhaupt Erscheinungen, wie der berühmte -Aius Locutius, die mächtige Stimme, welche dem Plebejer M. Caedicius -in der Nacht verkündete, daß die Gallier auf Rom rückten, und andere. -Von weiteren Völkern ist in dieser Hinsicht noch weniger zu sagen, -sofern es sich um Anschauungen im Gebiete des Religiösen handelt. -Erst in einer monotheistischen Anschauung finden wir eine Bezeichnung -Gottes, die ganz der begrifflichsten der Indier entspricht. Da Mose -in der Szene am Dornbusch Gott um seinen Namen fragt, um sich dem -Volke gegenüber darauf berufen zu können, wird ihm zur Antwort: Eheje -ascher Eheje, „Ich werde sein, der ich sein werde“, so solle er dem -Volke sagen. Wie das indische „Tad twam asi“ klingt dieses. Und der -Name, den wir Jehova lesen, steht ja auch mit Sein in Verbindung. Und -auch darin ist viel Ähnlichkeit zwischen den in Religionsanschauungen -von allen Ariern am weitesten gekommenen Indiern und den in gleicher -Weise unter allen Semiten am meisten sich auszeichnenden Hebräern, daß -neben dem Abstraktesten als Gottheit auch so Konkretes aufgefaßt und -ausgesagt wird, nur daß hier das Konkrete bei anthropomorphistischer -Redeweise endet, dort darunter noch tief hinabgeht. Namentlich aber -fehlt den Hebräern die Mehrheit der Begriffsgottheiten, die sich bei -den Indiern in Tad, Tapas, Om, Ritam, Satyam, Brahman, Purusha, Sat, -Asat usf. kundtut und eben dem Polytheismus angehört, im Gegensatz zum -Monotheismus. - -Die religiösen und die mit ihnen zusammenhängenden Weltanschauungen -im Polytheismus haben sich noch nach anderer Richtung hin entwickelt, -nach der des ~Henotheismus~. Ich muß aber hier eine Bemerkung, -die ich über diese Heraushebung einer gewissen Erscheinung in den -Religionsansichten in meinem Buche „Die Entstehung der Welt“ gemacht -habe, zurücknehmen. Ich halte jetzt den von Max Müller betonten -Unterschied zwischen Henotheismus und Monotheismus für durchaus -berechtigt, ja notwendig. Bekanntlich hat man früher dazu geneigt, der -Menschheit den Monotheismus als das Ursprüngliche, den Polytheismus -als das Spätere zuzuschreiben. Der lange und heftig darüber geführte -Streit ist im Grunde wesenlos. Wenn ein Mensch mit dem Begriff Gottheit -nicht das verbindet, was wir damit verbinden, sondern nicht mehr als -was der Naturmensch darunter versteht, oder höchstens die Annahme -einer besonderen Übermacht, so ist es ziemlich gleichgültig, ob er -mehrere Götter setzt oder nur einen Gott. Indessen müssen wir doch -auch sagen, daß der Naturmensch praktisch sicher sich niemals mit -einem Gott begnügt. Die Idee, die er von Gott hat, ist so ganz auf -ihn und seine Bedürfnisse zugeschnitten, daß er immer eine große Zahl -von Gottheiten braucht. Wie er, wenn er steigern will, einfach die -Worte wiederholt, zum Beispiel viel-viel für mehr, ferne-ferne (vgl. -das griechische Tar-Taros) für sehr ausgedehnt, so nimmt er zwei und -mehr Gottheiten, um sein Ziel desto sicherer zu erreichen. Und da die -Gottheiten auch so beschränkt sind, wie er selbst sich fühlt, bedarf er -für jeden besonderen Fall auch eine besondere Gottheit. Ich habe schon -erwähnt, daß oft in Hütten unzählige Gottheiten vorgefunden werden, und -daß dem Wilden und dem nicht unterrichteten Volke überhaupt die ganze -Welt mit Geistern aller Art erfüllt ist. Es mag sein, daß manches Volk -schon in sehr frühen Kulturzuständen eine reinere Religionsanschauung -besitzt. Curtius spricht in diesem Sinne von den Pelasgern und ihrem -Dienst zu Dodona, der sich wesentlich nur auf ein Götterpaar, Zeus und -Dione, bezogen haben soll. Allein Religionen entwickeln sich in der -Regel mit steigender Kultur zu immer höheren Anschauungen und immer -reineren Diensten. Wenigstens von dem Moment ab, wo letztere mit vollem -Bewußtsein geübt werden; während vorher, da der ursprünglich so rohe -Dienst fehlt, anscheinend, eine edlere Religion besteht, die aber -bewußt überhaupt noch nicht vorhanden ist, sondern nur dumpf gefühlt -oder geahnt wird. Es verhält sich mit solchen Religionsanschauungen, -die also als Menschen-Gemeingut sich einstellen, wie mit der Kultur -selbst. - -Anders ist es mit den anormal von Einzelnen den Menschen verkündeten -und ihnen aufgedrängten Lehren. Deren Hoheit freilich geht mit den -Stiftern zugrunde, oder erhält sich nur kurze Zeit nach ihnen. Und die -Anschauungen sinken mitunter in erschreckender Weise, bis Propheten -und Reformatoren kommen, die ihnen für einige Zeit den ursprünglichen -Sinn wieder verleihen oder wieder zu verleihen sich mühen. An solchen -Fall des Geistes nur zu denken ist widerwärtig, geschweige darüber -zu schreiben, zumal in unserer Zeit, wo Menschen und Völker sich -in Erfindungen überbieten, sich gegenseitig zu vernichten, ganz im -Gegensatze zu den edelst gemeinten Religionslehren. Von vorgetragenen -Anschauungen ist aber noch nicht die Rede, sondern von den spontan -auftretenden. Auch bei diesen ist es möglich, daß die Zahl der -Gottheiten steigt, statt ständig abzunehmen. Wenn Stämme sich friedlich -vereinigen, tun sich auch ihre Gottheiten zu einer Gesellschaft -zusammen. Brugsch hat das für die Ägypter klar erwiesen, deren -Gaugottheiten, nach Vereinigung der Gaue, alle zu Landesgottheiten -geworden sind. Selbst wenn Stämme oder Völker durch das Übergewicht -eines Stammes oder Volkes gewaltsam in eine Herrschaft gezwungen -werden, gehen ihre Gottheiten im allgemeinen nicht verloren, sobald der -Zwang nicht eben aus Religionsanschauungen heraus geübt worden ist. -Die bezwungenen Gottheiten bleiben geduldet, meist sogar anerkannt -und zu denen der Eroberer kollegial, vielleicht in niederer Stellung, -gesellt. Welchen Synkretismus haben nicht die Römer geübt! Und gleiches -zeigt sich bei den Indiern, Mexikanern u. a. Die Hebräer sind in dem -Lande Kanaan sogleich tief von den Lehren Mose gesunken, indem sie die -Gottheiten der unterdrückten ersten Besitzer dieses Landes aufnahmen. -Auch durch einfachen Import können die Götter sich vermehren, wie, -wahrscheinlich, bei den Griechen aus dem Verkehr namentlich mit den -semitischen Völkern (Phöniziern, Lydern, Assyrern) und mit Ägyptern, -sicher bei den Römern; man denke an die einfach aufgenommenen, ja -herbeigeholten griechischen Gottheiten und an den Isisdienst. - -Bei allem aber geht nebenher das unbewußte Bestreben, die Gottheiten -zu zentralisieren. Daraus erwächst zunächst die Heraushebung gewisser -Gottheiten als Mittelpunkte, um die sich die anderen Gottheiten -gruppieren. Gehören diese anderen Gottheiten dem Stamme selbst an, so -kommt dieses in der Weise zum Ausdruck, daß sie als Söhne, Töchter, -Enkel, Brüder, Schwestern usf. jener Gottheiten aufgezählt werden. -Daher die Theogonien. Sind sie feindlichen oder niedergeworfenen -Stämmen entnommen, so spielen sie die Rollen böser Geister oder -gestürzter Götter. Die Beispiele bei den Griechen sind jedem Leser -bekannt. Gesellt sich noch zu den Anschauungen der Kult, so zwingt -auch dieser zu einer gewissen Ökonomie und Hervorhebung. So kann -zuletzt ein Volk, ein Stamm, ein Gau, eine Stadt, eine Familie, bei -voller Anerkennung aller anderen noch vorhandenen Gottheiten, die -Verehrung auf eine einzige Gottheit beschränken, und damit haben wir -den ~Henotheismus~. Dem allein verehrten Gott werden dann naturgemäß -auch alle Eigenschaften zugeschrieben, die auf alle Gottheiten verteilt -sind. Er nimmt die Stelle des Oberherrschers im Gottheitenkreise ein, -die zur absoluten werden kann, wenn die anderen Götter nur noch die -seinen Willen ausführenden Mächte sind, wie die Engelscharen Gottes. -Einen solchen äußersten Henotheismus hat es nie und nirgends gegeben, -die Gottheiten haben stets überall ihre persönliche Bedeutung behalten. -Nicht Zeus, noch Marduk, Rā, Indra, Huitzilopochtli, Wuotan usf. -konnten je eine solche Stellung in der Religionsanschauung erreichen, -trotz ihrer Übermacht. Der Henotheismus ist also keine vollendete -Anschauung, sondern eine solche, der sich Völker mehr oder weniger -genähert haben, von philosophischen Ansichten natürlich abgesehen. -Dabei waren freilich die Ideen dem Kult voraus, wie immer. Der -Grieche mochte also an sich Zeus als den Weltherrscher und Weltlenker -in der Idee anerkennen. Daneben verehrt hat aber der Athener seine -herrliche Stadtgöttin Pallas Athene, die Demeter, Dionysos und viele -andere; der Spartaner seinen Apollon und Herakles usf. Immerhin -kommt der Henotheismus dem Monotheismus ganz nahe. Am nächsten -vielleicht ist er ihm bei den Ägyptern, unter dem so seltsamen König -Amenhotep IV (um 1370 v. Chr.) gekommen, der einzig die Sonne, Rā, als -Gottheit anerkannt wissen wollte. Wir besitzen aus seiner Zeit eine -außerordentlich schöne, dem Amenhotep-Echnaton (als Totem) in den Mund -gelegte Hymne an die Sonne, von der ich es bedaure, daß ich sie wegen -ihrer Länge nicht wiedergeben kann (in Greßmann, Altorientalische -Texte, S. 189 ff.). Darin wird Rā als der glänzende Gott gefeiert, -der alles geschaffen hat, Welt, Menschen, Gebirge, Flüsse, Städte, -Dörfer, Wege, alles Getier, bis zum niedrigsten Wurm, und der über -alles machtvoll herrscht. Warum der Henotheismus in Monotheismus nicht -übergehen kann, und auch nicht übergegangen ist, werden wir im nächsten -Abschnitt sehen. - -Zuletzt müssen wir noch eine sehr bedeutungsvolle Anschauung -hervorheben, die als ~dualistische~ bezeichnet wird, hier aber -da sie auf der Annahme von zwei ~Gegengottheiten~ beruht, als -antagonistische darzustellen ist. Daß gute und böse Geister geglaubt -und verehrt werden, ist schon hervorgehoben und ausgeführt worden. -Ein sich bewußt bekämpfendes Götterpaar haben aber die Eranier -geschaffen. Ormuzd als Prinzip des Guten, des Lichtes, und Ahriman -als Prinzip des Bösen, der Finsternis, bilden dieses Paar. Sie sind, -sobald Ahriman die Welt des Lichtes entdeckt, in Kampf und bleiben in -Kampf. Ormuzd schafft alles Gute, Ahriman vernichtet es oder sucht es -zu vernichten und schafft alles Böse. Gutes und Böses sind eben in -der Welt vorhanden und ringen miteinander; Zarathustras Anschauung -ist eine Übertragung in das Göttliche. Die Welt stammt von Ormuzd, -von ihm ressortieren alle guten Gottheiten und guten Geister. Die -Unterwelt ist das Werk Ahrimans, und ihm gehorchen alle Dämonen aller -Krankheiten und Übel. Der Kampf aber soll mehr und mehr zum Siege des -Guten führen, und dazu sind die Menschen hervorgebracht. Das folgt -schon aus der geistigen Höhe der Eranier und mehr wohl noch aus der -des Zarathustra. Der Entwicklungsgang zeigt, daß erst das Böse so sehr -überwiegt, daß das Gute kaum in Betracht kommt, wie auch viele Völker -nur dem bösen Prinzip opfern und schmeicheln, aus Furcht. Dann gewinnt -das gute Prinzip mehr und mehr an Boden und Einfluß. Es stehen aber -noch beide Prinzipe indifferent nebeneinander, gute Geister und böse -Geister wirken getrennt. Im weiteren Verlaufe beginnt der Kampf und das -Übergewicht des Guten. Ich darf aber nicht unterlassen hervorzuheben, -daß nach anderen Anschauungen Ormuzd und Ahriman nicht als getrennte -Gottheiten aufzufassen sind, sondern daß die höchste Gottheit, nennen -wir sie Ormuzd, zwei Prinzipe in sich vereinigt, nämlich als Vohu manô, -der „gute Geist“, der alle Wirklichkeit und Güte hervorbrachte, und -als Akem manô, der „böse Geist“, aus dem alles Unwirkliche und Üble -entstanden ist. Und diese Prinzipe sind auch im Menschen vereinigt, -wie in Ahuramazda. Bei letzterem treten sie als sein Çpenta mainyu, -sein „wohltätiger Geist“, und als Angra mainyu, sein „schädlicher -Geist“, auf. Das soll die eigentliche Lehre Zarathustras gewesen sein. -Dann wäre freilich ihr Dualismus kein Antagonismus, sondern Gott -wäre so dualistisch in seinem Wirken aufgefaßt wie der Mensch. Dem -Naturmenschlichen liegt dieses sicher bei weitem näher. Max Müller, -der ebenfalls Zarathustras Lehre so deutet, weist darauf hin, daß oft -Eigenschaften der Gottheiten von ihnen getrennt und zu besonderen -Gottheiten gemacht werden; so sei es später mit dem Angra mainyu -geschehen, und mit allen besonderen Eigenschaften Ormuzds. Jenes wurde -zum Ahriman, diese gaben das Heer der weiteren Götter und der Engel. -Wie Ormuzd sei dann auch der von ihm abgetrennte Ahriman gespalten -und so mit einem Heer von Unterweltgeistern und Dämonen versehen -worden. Das sind Ideen, die schon oft geäußert und auch auf andere -Religionsanschauungen angewendet worden sind, wir begegnen ihnen noch -in der Emanationslehre. Ahriman ist oft als der gefallene Engel, aus -dem Satan hervorgegangen ist, der Widersacher, gedeutet worden. Es kann -kaum einem Zweifel unterliegen, daß ein Teil der persischen Lehren in -das alexandrinische Judentum und in das Christentum eingedrungen ist. -In der Tat trägt auch Satan alle Züge des Ahriman. Es ist aber dieser -Satan nicht der im Hiob, welches ja als eines der ältesten Bücher der -Bibel, vielleicht das älteste, angesehen wird, vorkommende, da der -letztere nicht als Prinzip des Bösen auftritt, sondern lediglich als -eine Art Mephistopheles, ein Ankläger. Gott fragt ihn, ob er schon -einen so gerechten Mann wie Hiob gesehen habe. Da antwortet er, Hiob -sei ja mit allen Glücksgütern gesegnet. Wenn Gott ihm diese nähme, so -würde er ihm schon absagen. Auch erscheint dieser Satan im Kreise der -„Göttlichen“ vor Gott. Ich darf auf den Prolog im Himmel zum Faust -verweisen. Die Sage von dem gefallenen „Engel“ ist höchst dunkel und -unbefriedigend. Man sieht, daß sie eigentlich eine Art Erklärung für -ein angenommenes Fremdes bieten soll, und weder Milton noch Klopstock -haben im Grunde das Fremde von dieser großartigen Figur des Luzifer -abstreifen können. Ich habe mich selbst mit ihr beschäftigt und sie -mir verständlich zu machen versucht; was ich darüber erdichtet habe, -kann ich aber hier nicht vortragen, ich wills in einem Drama „Adam und -Lilith“ veröffentlichen. - -Indessen ist der Kampf zwischen Gut und Böse so sehr Menschengemeingut, -daß selbst monotheistische Anschauungen unwillkürlich auch ein -Prinzip des Bösen einführen; man denke an die Schlange der Bibel. -Ja, polytheistische Anschauungen können ein Prinzip des Bösen mehr -entbehren als monotheistische. Denn da ihre Gottheiten beschränkt in -der Macht sind, vermögen sie schon von selbst nicht alles aus der Natur -der Dinge und Menschen fließende Böse und Schlimme zu verhindern. Fast -naiv sagt Zeus gleich im Beginn der Odyssee: - - Wunder, wie sehr doch klagen die Sterblichen wider die Götter! - Nur von uns sei Böses, vermeinen sie; aber sie selber - Schaffen durch Unverstand, auch gegen Geschick, sich das Elend. - -und bezieht sich dann darauf, daß selbst er mit den Warnungen, die -er durch Hermes hinabsandte, den Aigisthos nicht verhindert habe, -Klytemnästra zu ehelichen und Agamemnon zu töten. Wenn die Menschen -außerdem noch das passiv wirkende Schicksal nehmen und Gottheiten, -die nach Laune entscheiden, so wird eine besondere Gottheit für das -Schlimme entbehrlich. Bei den Griechen und Römern zeigt sich dieses am -deutlichsten. Dann bei den Babyloniern, den Germanen (denn Loki ist -nicht eigentlich das Prinzip des Bösen, nur Wagner hat ihn dazu in -dem genialen Loge gemacht) u. a. Die Ägypter haben im Set ein solches -Prinzip, aber nicht entfernt von der Großartigkeit und Bedeutung des -Ahriman. Er ist auch nicht das Prinzip des moralisch Bösen, eher das -des Naturverderblichen, wie sein Verhalten gegen Osiris zeigt. Auch der -Indier Çiva und ihre Kali sind wie Set mehr Prinzipe der Vernichtung -als des Bösen, und Çivas Natur ist keineswegs eine entschiedene, -sie zeigt sich auch schaffend, wie Wischnu-Krishna Schöpfer und -auch Vernichter ist. Überhaupt müssen wir das Vernichtende von dem -eigentlich Bösen scheiden. Ahriman ist vernichtend und böse, die -entsprechenden Gottheiten anderer Völker, wo solche vorhanden, sind -nur oder fast nur vernichtend. Sie sind nicht einmal immer oder nicht -ausschließlich Unterweltsgottheiten wie Ahriman, sie stehen nur mit -der Unterwelt in Verbindung. Die Eranier haben das böse Prinzip mit -als Gottheit anerkannt, weil sie den Monotheismus des guten Prinzips -nicht durchzuführen wußten. Und sie sind wenigstens konsequent darin -gewesen, indem sie ihm fast die Größe und Macht gegeben haben wie dem -guten Prinzip. Unberührt davon bleibt ihr sonstiger Polytheismus, -der teils die Naturerscheinungen betrifft (Sonne, Wetter, Himmel -usf.), teils mehr begriffliche Dinge und Dinge der Anschauung, wie -in den Amesha Çpenta: Herrschaft, Weisheit, Unsterblichkeit usf.; -Raum, Zeit, Kraft, Stoff usf. Die Bedeutung des Kampfes zwischen Gut -und Böse wird uns aber später noch viel beschäftigen. Denn auf einer -anderen Stufe, auf der das Böse in das „Fleisch“ verlegt wird, tritt -das Leben in Kampf mit der Materie, und die Anschauung gewinnt ein -philosophisch-naturwissenschaftliches Gepräge, trotz ihrer Bedeutung -für das Ethische, und sie geht auf das All, seinen Zweck, seine -Entwicklung und sein Ende. - - -18. ~Monotheistische Anschauungen.~ - -Der ~Monotheismus~ bildet eine Religionsanschauung, die -- wenn -außerordentliches Wirken und Walten in Frage kommen soll --, dem -Gedanken die höchste ist. Die Erfahrung hat aber gelehrt, daß es -zugleich diejenige Anschauung ist, welcher der Mensch am heftigsten und -am meisten widerstrebt. Der Einzige ist dem Menschen zu übergeordnet, -zu unnahbar. Und leitet Einer alles im All, so hat er nicht nur -Unzähliges zu versorgen, sondern auch Unzähliges nach unzähligen -Richtungen. Wie sollte das Individuum dabei mit seinen Sonderwünschen -Berücksichtigung finden! Der Allgott kann nicht Hausgott sein, kaum -Volksgott. So wenigstens spricht es allgemein im Menschen. Wir sehen -denn auch geschichtlich, daß keine monotheistische Anschauung auf dem -Wege der Entwicklung erstanden ist, daß alle, die wir kennen, von -bestimmten Personen ins Leben gerufen sind (S. 81), von Menschen, die -gewaltigen Geistes den Gang der Entwicklung ~unterbrochen~ haben und -die Menschheit in Bahnen leiteten, die ihr ganz fremd gewesen sind, -denen sie höchst widerwillig folgte, die sie bei jeder Gelegenheit -verlassen hat, und die sie noch heute scheuend möglichst meidet. Daraus -schon kann man schließen, daß der Monotheismus nicht aus irgendeinem -Polytheismus sich sublimiert hat. Aber ein noch stärkeres Argument -besteht in folgendem. Wir kennen keine einzige polytheistische -Anschauung, in der nicht neben dem männlichen Prinzip das weibliche -vertreten wäre, und zwar nicht etwa bloß untergeordnet nebenbei, -sondern meist durchaus nebengeordnet und hauptsächlich. Istar ist -ein absolutes Hindernis für eine Monotheisierung der babylonischen -Anschauungen, Hathor oder Isis für eine solche der ägyptischen, Dione, -Hera, Athena für eine solche der griechischen, usf. durch ausnahmslos -alle wirklich polytheistischen Anschauungen. Im ältesten Monotheismus, -der Grundlage für alle anderen entsprechenden Anschauungen, findet -sich auch nicht die leiseste Spur eines weiblichen Prinzips neben dem -männlichen. Ich habe schon bemerkt, daß polytheistische Anschauungen -nicht einmal zu einem wirklichen Henotheismus geführt haben. Jetzt -sehen wir, daß sie dahin auch gar nicht führen können. Sie vermögen -nur bis zu einem Duismus, zu einem Gottheitpaar (unterschieden vom -Dualismus der Gegengottheiten der Eranier) aufzusteigen, nicht zu einem -einzigen Gott. Gäbe es polytheistische Anschauungen ohne ein weibliches -Prinzip, so wäre ein solches Aufsteigen, wenn auch, nach der Art -des Menschen, nicht wahrscheinlich, doch wenigstens möglich. Solche -Anschauungen aber hat kein Polytheismus ausgebildet. Das gewaltige -Hindernis des weiblichen Prinzips für wirklichen Monotheismus hat auch -der ebenso große Orientalist wie außerordentliche Babylonierbewunderer -F. Delitzsch anerkannt. Wenn er und andere, wie namentlich der so -verdienstvolle Pfarrer Jeremias, wenigstens von „monotheistischen -Unterströmungen“ bei gewissen Völkern, namentlich aber den Babyloniern, -sprechen, so muß es richtiger „henotheistische Unterströmungen“ heißen. -Was Friedrich Delitzsch sagt, muß ich anführen („Babel und Bibel“, -erster Vortrag 1905, S. 81 f., Anmerkung 42). Seine babylonischen -Zitate gebe ich aber in Übersetzung nach Greßmann („Altbabylonische -Texte“) und vollständig, damit der Leser selbst urteilen kann. Der -Text -- als Tafel des Kudurru Sohnes des Mastukku unterzeichnet -und als kollationierte Kopie eines älteren Textes angegeben -- ist -neubabylonisch; aus welcher Zeit er stammt, ist nicht entschieden. -Greßmanns Übersetzung ist insofern nicht vollständig, als vor dem Namen -die Bezeichnung „Gott“ (il) fehlt. Die Formel lautet immer: „Gott -(Name) ist Marduk in bezug auf...“ Nur dreizehn Götter sind lesbar: -Tu, Lugal-Akila, Ninib, Nergal, Zamama, Ellil, Nabium, Sin, Samas, -Adad, Tishu, Râbu, Sukamuna. Diese also sind Marduk mit Bezug auf: -Pflanzung, Quelltiefe, Kampf, Schlacht, Herrschaft und Entscheidung, -Erleuchtung der Nacht, Recht, Regen, Heer,?, Bewässerungsröhren. Auf -der Rückseite als Fortsetzung können wir noch fünf Zeilen wenigstens -teilweise lesen, nach der Formel: Eigenschaftsname (Untersucher, -Üppiger sind noch zu entziffern), Bild, Göttername. Darunter steht: -„Zusammen acht Bilder der großen Götter“; Zamama, Nabium, Nergal, -Sulmânu, Pabilsag sind als solche Götter noch zu entziffern. Diese -Rückseite, die drei Namen enthält, die auch auf der Vorderseite stehen -und die von demselben Schreiber herrührt, läßt keinen Zweifel, daß -es sich überall um Götter, mindestens zum Teil sogar um große Götter -handelt, falls die Vorzeichnung il = Gott zur Feststellung noch nicht -ausreichen sollte. Also ist Marduk einfach diese Götter, er hat -ihre Verrichtungen. Friedrich Delitzsch sagt nun: „Marduk ist sowohl -Ninib als Nergal; sowohl Mondgott wie Sonnengott usw.“ Das von ihm -sogar gesperrt gesetzte „ist“ steht nicht im Text, bei Greßmann ist -es als von ihm zugesetzte Erläuterung in Klammern getan. Doch mag -das sein. Wie darf man aber aus einer solchen Festsetzung schließen, -daß der biblische Monotheismus babylonisch ist? Es kommt hier nicht -darauf an, daß es sich gerade um Bibel und Babel handelt, sondern ob -jene Festsetzung einen Monotheismus bedeutet. Da ist es mir schwer -begreiflich, wie man den Charakter des Monotheismus so verkennen -kann. Im Monotheismus ist Gott weder Sonnengott, noch Mondgott, noch -überhaupt ein Erscheinungsgott. Wir haben hier Jehova als Beispiel. -Wo steht in der Bibel auch nur ein Wort davon, daß Jehova Sonnengott, -Mondgott, Pflanzengott, Besitzgott usf., sogar Bewässerungsröhrengott -ist? Gott steht im Monotheismus über alle Welt, er ist nichts von dem -in der Welt; er schafft die ganze Welt (in der Bibel einfach durch -Befehl) und regiert die ganze Welt. Marduk, selbst in der Deutung durch -Delitzsch, ist nichts weiter als so und so viele Götter bestimmter -Gegenstände und Erscheinungen, die der betreffende Verfasser des Textes -sogar sämtlich aufzuführen sich gezwungen sieht, gewisse acht „großen -Götter“ (als Bilder) ~zusammenzählend~. Das steht tief selbst unter -der Auffassung, die die Griechen von Zeus hatten, den sie ja auch -Zeus-Helios, Zeus-Hades nennen und der ihr Gottherrscher gewesen ist. -Und was sagen alles die Ägypter von fast jedem ihrer Götter aus, und -wie außerordentlich viel Höheres und Umfassenderes! Delitzsch schwächt -im Laufe seiner Auseinandersetzung seine Ansicht auch ab, indem er -meint: „Es läßt sich, soweit dieser Text in Betracht kommt, ~höchstens~ -von einer monotheistischen Unterströmung reden.“ Ich selbst glaube, -kaum von einer henotheistischen Unterströmung. Ich darf mich mit diesen -Auseinandersetzungen begnügen, aus denen wohl hinreichend erhellt, was -unter Monotheismus zu verstehen ist und wie er sich zu Polytheismus -und Henotheismus verhält. Von den monotheistischen Anschauungen -braucht nichts gesagt zu werden; wir sind alle in ihnen erzogen. -Und worin wir dabei mit uns selbst in Kampf geraten, das gehört vor -das Forum des Philosophisch-Naturwissenschaftlichen. Dahin -- wenn -nicht in das Gebiet der Gedankenunfähigkeit oder Gedankenträgheit -- -gehört auch, was über Atheismus zu sagen wäre, denn Atheismus als -Religionsanschauung ist natürlich ein Widerspruch in sich und hat auch -nie existiert. - - -19. ~Anschauungen von Welt, Menschheit und Weltkatastrophen.~ - -Die mythischen und sagenhaften Anschauungen über die ~Entstehung der -Welt und des Menschen~ habe ich in meinem besonderen Buche hierüber -dargestellt. Manches ist hier wiederholt, ergänzt und weitergeführt, -jedoch nur soweit der Zweck dieses Buches es erforderte. Von -allgemeinerer menschlicher Bedeutung ist dabei die Annahme eines -Urwesens oder mehrerer Urwesen. Wo nur ein Urwesen in Frage kommt, ist -es Gott, Rā, Jehova oder Brahma. Ob Nun (auch Ptah, Rā, Amun usf.) -der ~Ägypter~ Gott oder Urmaterie (Urwasser) bedeutet, ist nicht zu -entscheiden. Als „Vater der Götter“, als das er in einem Tempel aus -der Zeit Seti I. bezeichnet und mit Federn auf dem Haupte (Zeichen der -Beseelung) und der Geißel in der Hand (Zeichen der Leitung) dargestellt -ist, möchte man ihn für Gott halten, zumal er auch „nutr“ heißt. -Ebenso wenn er der „Herr der Acht“ (S. 132) und unmittelbar „Schöpfer“ -genannt wird. Aber Nun heißt auch der Nil zur Zeit seines höchsten -Standes, und sogar das Meer; Brugsch bringt Belege dafür. So wird es -sich wohl um eine Urmaterie in Verbindung mit einem Urgeist handeln, -was der pandeisierenden Richtung der ägyptischen Anschauungen (S. 228) -entspricht. Bei zwei und mehr Urwesen kann es sich nur um Gottheiten -handeln, oder um Gottheiten in Verbindung mit Materie. Auch hier sind -die Anschauungen nicht immer gesichert. Was sind Okeanos und Tethys, -Gottheiten oder Urwasser und Urkraft? ~Homer~ spricht von ihnen wie -von Personen, doch von Okeanos sicher auch wie von einem Weltstrome. -Und Chaos und Ge, Tartaros und Eros? Chaos möchte man für Urmaterie -halten, doch zeugt Chaos die Finsternis (ἔρεβος) und die Nacht (νύξ). -Tartaros scheint mehr ein Begriff zu sein, wie etwa Unendlichkeit; -später ist es ein Ort. Ge, Gaia, trägt die Züge einer Göttin, außerdem -ist es freilich auch die klobige Erde. Nur Eros ist lediglich Gottheit -bei Hesiod, hat aber hier gar keine kosmogonische Bedeutung. Die -~Eranier~ kannten außer den Gottheiten Ormuzd und Ahriman noch vier -andere kosmogonische Urwesen: Twasha, Zrwana akarana, Anaghra raocâo, -Anaghra temâa, die als Raum, Zeit, Licht, Finsternis gedeutet werden; -die beiden letzteren sollen auch Kraft und Materie darstellen. Sind -auch die Amesha Çpenta, zu denen Vohumano, Ashavahista, Kshatra, -Aurwatat, Ameretat, Armaiti gehören, als Urwesen aufzufassen, so kämen -noch Eigenschaften hinzu: Erhaltung, Wahrheit, Ordnung (Herrschaft), -Vollkommenheit, Unsterblichkeit, Weisheit. Die Eranier hätten dann -freilich alles, was zur Schaffung, Ordnung, Wirkung und Leitung -einer Welt gehört, schon im voraus angenommen. Den ~Germanen~ galten -als Urwesen ~eine~ Gottheit und Materie, da die Götter Burs Söhne -heißen, und aus Ymir, dem Riesen, die Welt gebaut wird, wie bei den -Indiern aus Purusha (Person). Ob die ~Hebräer~ außer Jehova auch die -Materie als Urwesen ansahen, ist nicht sicher. Es ist nicht nötig, -den ganzen Erdball zu durchwandern, wir finden immer Urwesen gleich -den hervorgehobenen, bald in dieser, bald in jener Zusammensetzung. -Manche Völker haben je nach der Lehre verschiedene Arten von Urwesen -angenommen, wie besonders die Indier, außer dem absolut Seienden und -dem absolut Sinnenden, Tad und Tapas, auch persönliche Gottheiten und -persönliche Weltwerkmeister (z. B. Varuna) und Weltmaterie (was ja -Purusha ist). Die noch vor zehn Jahren Modernen haben es versucht, -den alten Indiern nachzutun und dichterisch die Welt aus sich zu -schaffen. Da wir uns schon so lange mit schwierigen und ernsten Dingen -beschäftigen und noch schwierigere und ernstere Dinge uns bevorstehen, -darf ich vielleicht auch für das Vergnügen des Lesers etwas tun, indem -ich ein Gedicht, das die Kreuzzeitung vor mehreren Jahren aus gleichem -Grunde mitgeteilt hat, nachdrucke. Der Dichter heißt -- ich will’s -lieber nicht sagen. - - Im Donnersang, da ich erschuf das Meer, - War seine Schöpfung alt, schon tausend Jahre her, - Und ich selber uralt, - Und verlor Halt und Gestalt, - Verfiel trübsinnig im Traum, - Überspritzt von weißem Wogenschaum. - Schreiende Adler, mich beschwirrend, - Durch die Höhlen meines Mantels wirrend. - Alle meine Seelen schliefen. - Da hob sich strahlend die Sonne aus den Tiefen, - Ich erschauere. - Merkend, wie ich tigerhaft mich belaure: - Meine Hand, steil zur Wölbung hochgereckt, - Und das Himmelsdach schon abgedeckt, - Die Sonne hinaus zu lassen - In ihre goldnen Gassen. - Und die Hand schafft ohne den Geist, - Ich liege von schreienden Adlern bekreist, - Es geschieht alles sonder meinen Willen. - -Man sieht wie einfach das Schaffen ist, worüber sich die Menschen so -sehr den Kopf zerbrechen. - -Ein zweiter, allgemeinerer kosmogonischer Gedanke betrifft den -Menschen. Dieser ist nun bei manchen Naturvölkern gleichfalls ein -Urwesen, und auch ein Schaffensprinzip. Im allgemeinen entsteht er -nach der Welt, als Abkömmling der Götter, oder von ihnen besonders -hervorgebracht. In der ~elohistischen~ Schöpfungsgeschichte der Bibel -wird der Mensch von Gott geschaffen: „Und Gott schuf den Menschen in -seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn, Mann und Weib schuf er -sie.“ Der Mensch ist wie Licht, Sonne, Mond usf. geschaffen; es wird -nicht gesagt woraus. Die jehovistisch-elohistische Erzählung gibt -aber den Stoff an und fügt den Odem Gottes hinzu. „Und der ewige Gott -bildete den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase -Odem des Lebens; da ward der Mensch zu belebtem Wesen.“ Aus Erde -sind auch alle Tiere gebildet, nur der Odem Gottes fehlt ihnen. Bei -den ~Babyloniern~ scheint nach Berossos, und übrigens auch nach dem -Schöpfungsgedicht Enuma Elis, das Blut der Götter in der Erschaffung -des Menschen eine Rolle zu spielen. Bel läßt sich den Kopf abschlagen, -und das hervorstürzende Blut wird mit Erde vermischt. Daraus werden -Menschen und Tiere geformt. Diese Wendung ist recht verschieden von -der biblischen. Die ~Ägypter~ dachten sich den Menschen gleichfalls -aus Erde gebildet. Wir haben Darstellungen, wo der Gott vor einer -Töpferscheibe sitzt und den Menschen formt. ~Hesiod~ nimmt, nach den -fünf aufeinanderfolgenden Geschlechtern, verschiedene Substanzen an, -Gold, Silber, Erz oder Esche, Eisen; für das vierte Geschlecht ist der -Stoff nicht angegeben. Dieses nach der Güte der Menschen symbolisch zu -deuten liegt nahe, scheint aber nicht ganz zulässig. Bildner sind hier -die Götter allgemein bei den beiden ersten Geschlechtern, und ist es -Zeus bei den beiden folgenden Geschlechtern. Vom fünften Geschlecht -wird ein Bildner nicht genannt, es wird geboren. Nach anderen -griechischen Sagen wird der Mensch aus Erde, Schlamm, Lehm oder Ton von -Göttern und besonders bekanntlich von Prometheus geformt, dem Athene -geistig beisteht; letzteres jedoch erst nach späterer Dichtung. Sonst -wachsen die Menschen auch aus Bäumen oder Sträuchern hervor, wie bei -den ~Germanen~, ~Eraniern~, auch ~Griechen~ (Attis aus dem Mandelbaum, -Adonis aus dem Lorbeer), ~Italikern~ und anderen Völkern, oder aus -Steinen, Felsen, Eisblöcken. Die Sage, daß nach der Flut die Menschen -aus Steinen entstanden, die Deukalion und Pyrrha hinter sich warfen, -gehört nicht hierher; Zeus belebte die Steine. Ebenso begaben Odin, -Hönir und Lodurr Esche und Ulme mit Seele, Atem, Blut und Farben zu -lebenden Menschen. - -Auch die Anschauung von einer ~Entwicklung der Welt~ ist weit -verbreitet. Wir haben hier verschiedenes zu betrachten. Das erste -betrifft den Menschen. Hier spielt die Neigung, die Vergangenheit in -günstigem Licht der Gegenwart gegenüberzustellen, eine große Rolle. An -die herrliche ~Paradiesgeschichte der Bibel~ und den verhängnisvollen -~Sündenfall~ brauche ich nur zu erinnern. Einen Sündenfall kannten -auch die ~Eranier~. Das erste Menschenpaar, Maschiah und Maschianeh -(Mensch und Menschin), wird von Ahura Mazda vermahnt, gute Gedanken -zu denken, gute Worte zu reden, gute Werke zu tun und den Devs (den -bösen Geistern) nicht zu opfern. Und gehorsam und guten Sinnes sagt es: -„Ahura hat Wasser, Erde, Bäume und Tiere, Sterne, Mond und Sonne und -alle Annehmlichkeiten geschaffen, welche von der Reinigkeit offenbar -sind samt und sonders.“ Hierauf lief der Feind in ihr Denken und -verfinsterte ihr Denken, und sie logen sodann: „Ahriman hat geschaffen -Wasser, Erde, Bäume und Tiere und das übrige.“ Durch diese gottlose -Rede wurden beide Gottlose (Darvand’s) und ihre Seele ist bis zum -zukünftigen Körper in der Hölle. So lautet es im Bundehesh. Es wird -dann geschildert, wie ihre Speisen geschmacklos und ihr Leben mühselig -wird, wie sie in Sünde fortfahren und dadurch die Devs immer mächtiger -werden. In einer anderen eranischen Sage spielt auch das Paradies -eine gewisse Rolle. Vîvanhão, den man mit dem indischen Vivasvân -gleichsetzt, doch ohne das Dunkel, das auf dieser Persönlichkeit ruht, -zu erhellen, ist der erste Mensch, der den heiligen Haoma grüßt (S. -112). Sein Sohn ist Yima, entsprechend dem Yama, Sohn des indischen -Vivasvân. Ihm schon (vor Zarathustra) wird von Ahura die mazdajaçnische -Lehre kundgetan. Darauf lebt er mit seiner ganzen menschlichen -Nachkommenschaft auf paradiesischer Erde, bei paradiesischem Klima -unsterblich und unschuldsvoll. Und wie die Erde zu klein wird, -sie alle zu fassen, gräbt er die westliche Grenze wiederholt mit -goldener Schaufel und spricht: „Sei freundlich, Çpenta-Armaiti, gehe -auseinander und dehne dich aus zum Tragen des Viehes, der Zugtiere und -der Menschen.“ Und jedesmal dehnt sich die Erde um ein Drittel größer -als sie war. So lebt Yima mit Allen tausend Jahre. Darauf folgt ein -Ereignis, das der Flut entspricht, worüber später gesprochen wird. -Unsterblichkeit und die Gnaden verliert aber Yima mit seiner ganzen -Nachkommenschaft wegen einer Lüge. Er wird Opfer des Drachen Dahâka. -Yima ist Firdusis Dschemschid (Dschem der „Glänzende“), der untergeht, -weil er sich anbeten ließ; Dahâka der arabische Tyrann Dhohhak (Zohak) -mit Schlangen, die ihm aus den Schultern wuchsen. - -[Illustration] - -Die ~babylonischen~ Texte kennen zwar die Sünde gegen Gottes Gebote -und Bußpsalmen, aber der Sündenfall ist bei ihnen nicht erzählt. Ein -Siegelbild, das hier wiederholt sein mag, ist auf diesen Sündenfall -gedeutet worden. Zwei Personen sitzen zu beiden Seiten eines Baumes, -hinter der Person links ringelt eine Schlange in die Höhe. Die Personen -sind voll bekleidet (sogar mit Hüten), da doch Adam und Eva nackt -sind, vor und bei dem Sündenfall. Schlangen, zusammen mit Gottheiten, -finden sich bei den Babyloniern auch sonst. Will man die beiden -Darstellungen (Fig. 27 und 70) bei Jeremias „Das Alte Testament“, -S. 81 und 203 nicht gelten lassen, weil die erste vielleicht nicht -babylonisch, sondern persisch, die zweite vielleicht nicht Original, -sondern Kopie oder freie moderne Erfindung ist, so bleibt doch noch -die nach Fig. 35, S. 100, in der Sin (Mondgott) und Istar einander -gegenüberstehen, und zwischen ihnen, außer anderen Zeichen, zweifellos -auch das Bild einer sich emporringelnden Schlange sich befindet. Es -sind im wiedergegebenen Siegelbild zwei Gottheiten -- eine sicher eine -Gottheit, weil sie eine gehörnte Kopfbedeckung trägt, die, wie Jeremias -sagt, „bei den Babyloniern ausschließlich göttliches Abzeichen ist“ -- -mit dem bekannten mystischen Baum zwischen ihnen; eine Darstellung, die -sich so außerordentlich oft und vielfach variiert auf babylonischen, -assyrischen (auch persischen) Denkmälern findet. Die eine Gottheit hat -eine Schlange zum Symbol, oder die Schlange kann auch ein feindliches -Wesen sein, da ja Drachenkämpfe der Gottheiten bei den Babyloniern -so gewöhnlich sind. Und es kennen sogar die Babylonier einen ewig -lebenden Menschen, der nach dem Sündenfalle ja nicht möglich sein -sollte. Wir werden ihm bei der Flutsage begegnen. - -Bei anderen Völkern scheint von einem Sündenfall im Sinne der -biblischen Erzählung ursprünglich überhaupt nicht die Rede -zu sein. Selbst was Hesiodos von den mehrmals berührten fünf -Menschengeschlechtern erzählt, gehört nicht hierher. So möchten es -nur die Hebräer und die Eranier sein, denen ein solcher in allen -Einzelheiten geläufig war, freilich in ganz verschiedener Ausführung. -Selbst die nächsten Verwandten der Eranier, die ~Indier~, kennen den -eigentlichen Sündenfall nicht; das Bewußtsein seiner Göttlichkeit hat -der Mensch durch Avidyâ, Nichtwissen, verloren. Gerne übergeht man -die Bedeutung des Sündenfalles eines einzelnen Menschenpaares für die -ganze Menschheit. Die Bibel kennt als Folge die Mühsale des Lebens und -den Tod; der Sündenfall ist eine Erklärung dafür, wie viele Völker für -beides eine Erklärung gesucht und in der mannigfachsten Weise gefunden -haben. Die unterschiedslose Belastung der Menschheit in alle Zeit -mit der Sünde als solcher, ist, soweit ich sehen kann, in der Bibel -nicht vorhanden; bei den Eraniern könnte sie eher nachgewiesen werden. -Unterschieden davon ist der Sündenfall Luzifers im Engelschore, wovon -schon gesprochen ist (S. 150). - -Aber freilich, die Bosheit und Gewalttat der Menschen auf der Erde -steigt, und schließlich sendet Gott die Flut, alles Lebende, mit -Ausnahme des Noah und dessen, das ihm mitzunehmen befohlen ist, zu -vernichten. ~Flutsagen~ sind bekanntlich überall nachzuweisen. Als -der Erzählung der Bibel am nächsten stehend, muß man die Sage der -~Babylonier~ ansehen. Wir haben vier Berichte darüber (die Bibel -enthält bekanntlich zwei). Einer ist im Gîlgames-Epos enthalten, -zwei scheinen nur andere Rezensionen dieses Berichtes zu sein, der -vierte ist der von Berossos überlieferte. Im wesentlichen stimmen -diese Berichte überein. Der babylonische Noah heißt im ersten Bericht -Ut-Napistim, den wir oben kennen gelernt haben, mit dem Beinamen -Atra-hasis (der „Hochgescheite“, nach Greßmann), woraus vielleicht der -Xisuthros des Berossos entstanden sein möchte, wie sein Vater Opartes -aus dem babylonischen Ubar-Tutu. Der eigentliche Urheber der Flut ist -Ellil, Gottheit der Erde, auch des Tierkreises, der früher als Bel -gelesen wurde. Drei andere Götter (Anu, Ninib, Ennugi) lassen sich -im Ratschluß der Götter dazu bereden. Den Grund für die Flut können -wir nur aus den Vorwürfen, die später Ea dem Ellil macht, entnehmen. -Demnach handelt es sich anscheinend um Sünden einzelner gegen Ellil; -denn jener sagt, er hätte dem Sünder seine Sünde, dem Frevler seinen -Frevel auflegen sollen, er hätte ja Löwen, Wölfe, Hungersnot oder Pest -senden können die Menschen zu verringern, statt der Sintflut, die alle -vernichtete. Istar ist auf Seiten Ea’s. Aber an einer anderen Stelle -sagt sie, sie hätte die Sintflut den Göttern geraten. Die Götter -spielen übrigens dabei eine traurige Rolle. Wie die Sintflut wächst, -bekommen sie Furcht. „Sie entwichen und stiegen empor zum Himmel Anus. -Wie ein Hund drückten sich die Götter, an der Mauer lagernd.“ Ea, der -immer den Menschen Wohlmeinende rettet Ut-Napistim, indem er ihm rät, -ein Schiff zu bauen. Daß er ihn aber auch veranlaßt, den Anderen eine -bösartige Lüge zu sagen und sie dadurch in ihr Verderben zu reißen, -klingt häßlich. Im übrigen stimmt vieles mit der biblischen Erzählung; -so namentlich das Schiff (in der Bibel ein Kasten, die Arche), seine -Ausrüstung samt Inhalt, das Landen an oder auf einem Berg (Nisir oder -Nimus statt Ararat), das Aussenden einer Taube und eines Raben (bei den -Babyloniern auch noch einer Schwalbe), das Opfer Ut-Napistims, Noahs, -nach der Flut. Das spätere Schicksal des babylonischen Noah ist aber -ein ganz anderes als das des biblischen; denn er wird der Menschheit -entrückt und lebt unsterblich, wie wir gesehen haben, im weiten Westen. - -Bei den ~Eraniern~ sagt Ahura Mazda dem Yima die Flut an. Aus hier -gänzlich fehlenden Gründen soll harter Frost die Erde ergreifen und -Schnee alles verhüllen. Um sich und alles andere vor den beim Schmelzen -der Eis- und Schneemassen entstehenden Fluten zu schützen, soll Yima -sich ein „Varem“, eine Wohnung, machen. Die ~Indier~ haben die -Flutsage in mehreren Versionen, ihr Noah ist Manu (Manu = Mensch). -Die Voraussagung der Flut, die Warnung und der Rat, ein Schiff zu -bauen, wird diesem von einem Fisch (er wird als Gott-Fisch gedeutet, -wie etwa der Ea der Babylonier), den er klein gefangen hat, und auf -dessen Bitte, daß er nicht von anderen Fischen verzehrt werde, in einem -Topf, dann in einem Loch aufwachsen läßt, bis er ihn ins Meer tut. Das -Schiff wird an das „Horn“ des Fisches gebunden und dieser führt es zum -nördlichen Gebirge. In einer späteren Sage nimmt Manu, wie Noah, auch -Pflanzen und Tierpaare in das Schiff, und wird die Flut wie in der -Bibel sieben Tage voraus verkündet. Als Grund für die Flut ist in der -Mahabharata die Sühnung der Erde überhaupt angegeben. In einer anderen -Sage aber, in mir nicht verständlicher Weise, die Rettung der Vedas und -der sie bewahrenden sieben Rishis (Seher, Sänger). Die Rettung heiliger -Schriften aus gleichem oder ähnlichem Anlaß spielt auch bei den -Eraniern, Germanen und Babyloniern eine Rolle. Die von Zeus wegen der -Frevel des „ehernen“ Geschlechts verhängte Flut, der Kasten (λάρναξ), -den Deukalion-Noah auf Rat seines Vaters Prometheus baut und in dem er -sich mit seiner Gattin Pyrrha nach dem Berge Othrys rettet, gehören der -bekannten ~griechischen~ Flutsage an. Diese deukalionische Flutsage -ist viel ausgeschmückt und später auch von Plutarchos und Lukianos mit -orientalischen Zügen bereichert worden, wodurch sie sich der biblischen -oder babylonischen näherte. Pausanias, in seiner Beschreibung Attikas, -erzählt auch, daß die Athener im Umkreise ihrer Stadt einen Erdspalt -zeigten, durch den die Flut abgelaufen sei. Vor die deukalionische Flut -ist die ogygische zu setzen, die Boiotien betraf und Attika, und in der -die sonderbaren Städte Athen und Eleusis am Kopaissee untergegangen -sein sollen. Aber eine Sintflut war es nicht. Der alte Buttmann sieht -in Ogyges den Okeanos, also den Wassergott überhaupt, und erklärt, -freilich in seiner Vorliebe für seltsame Etymologien -- z. B. Tubalkain -ist Vulkan -- auch Noah für einen Wassergott (wegen des hebräischen -Nahar, das Fluß bedeutet). Eine Flutsage der ~Germanen~ ist schwer zu -erweisen. Die jüngere Edda erzählt, daß, als die Götter (Odin, Wili, -We) den Riesen Ymir, den wir schon kennen, töteten, aus ihm soviel Blut -ausgeflossen sei, daß das ganze Riesengeschlecht ertrank. Ein Riese -nur rettete sich mit seinem Weibe auf einem Boot (Lûdr) und erzeugte -das Menschengeschlecht. Dieser Noah heißt Bergelmir. Jakob Grimm nennt -diese Flutsage gegenüber der biblischen „roh und unausgebildet“. Diese -germanische Sage erinnert jedoch an eine ähnliche der Babylonier, wo -Ellil den Löwen Labbu tötet, und dessen Blut „drei Monate, einen Tag -und zehn Stunden“ fließt. Flutsagen finden sich noch weit auf der -Erde verbreitet. Bei den ~Litauern~ ist die Arche eine Nußschale, die -der höchste Gott Pramzinas, der die Flut zur Vertilgung der Bösen -herabgesandt hatte, da er Nüsse aß, aus dem Himmelsfenster auf die Erde -warf. - -Andere Völker erzählen anderes, so Indianerstämme, Neger, Ozeanier, -Peruaner usf. Richard Andree hat sich die große Mühe gemacht, alle -Flutsagen zu sammeln und führt 88 auf. Aber in wirklichem Zusammenhang -dürften nur die biblische und babylonische stehen, wie auch Andree -meint. Von diesen wird letztere, wegen ihrer viel roheren Züge, wohl -die ältere sein. Die dichterische Erzählung vom Regenbogen ist der -Bibel eigen. Sonst werden Flutsagen zu verschiedensten Zeiten lokal -entstanden sein, da ja Überflutungen und Überschwemmungen überall -vorkommen und aus den verschiedensten Ursachen. Das Wesentliche ist das -ethische Motiv und die Rettung eines Menschenpaares. ~China~ scheint -eine Flutsage nicht ausgebildet zu haben. Die Überschwemmungen des Nils -sind der Segen des Landes. Die des Hoangho jedoch der „Fluch Chinas“. -Sie sind aber von je als natürlich angesehen worden, und uralt sind die -Versuche, den Fluß einzudämmen. Ob ~Japan~ eine Flutsage hat, weiß ich -nicht; bei den gewaltigen Beben (Japan ist das erdbebenreichste Land -der Erde) und den damit oft in Verbindung stehenden Meerüberstürmungen -sollte man Flutsagen erwarten. - -Sehr wunderlich -- wenn der Gegenstand nicht so ernst wäre, fast -wie eine Spotterzählung -- klingt eine aus etwa 1300 v. Chr. uns -überlieferte ~ägyptische~ Sage aus dem „Buche von der Himmelskuh.“ -Es ist eine Inschrift in einer Kammer Seti I. in Bibân el Moluk. Die -Menschen müssen über den Gott Rā schlecht gesprochen und gegen ihn -Anschläge gemacht haben. Das nimmt er ihnen gewaltig übel. Ganz im -Stile eines Herrschers versammelt er, Rats zu pflegen, die anderen -Götter, die sich völlig wie Hofschranzen ihm nähern. Der älteste -Gott, Rā’s Vater Nun, wird zuerst gefragt und erwidert: „Mein Sohn -Rā, du Gott, der größer ist als sein Schöpfer und gewaltiger als sein -Erzeuger, bleib auf deinem Throne sitzen! Die Furcht vor dir ist groß, -wenn dein Auge (es ist damit die Göttin Hathor gemeint) sich gegen die -richtet, die dich lästern.“ Rā sagt nun: „Seht, sie laufen davon in die -Wüste, aus Furcht wegen dessen, was sie gesagt haben.“ „Laß dein Auge -hingehen, daß es sie für dich schlage, die boshaft gelästert haben“, -ermahnt Nun. Hathor eilt hinter die Menschen nach der Wüste und tötet -sie alle. Ein Teil ist aber nach Süden geflüchtet, diesen will Rā -retten. Er läßt von Elefantine Didi (?) holen, dieses, sowie Getreide, -von dem „Lockigen“ zu Heliopolis und seinen Dienerinnen mahlen und zu -Bier verarbeiten und das Bier an den Ort bringen, wo Menschen noch -weilen. Dann steht „die Majestät des Rā in der Frühe unter dem Schutze -der Nacht auf, um diesen Schlaftrunk auszugießen.“ „Da wurden die -Gefilde vier Spannen hoch mit der Flüssigkeit angefüllt, durch die -Macht der Majestät dieses Gottes.“ Hathor aber, die hinkommt den Rest -der Menschen zu töten, findet alles mit dem Bier überschwemmt. „Da -trank sie und es schmeckte ihr gut, und sie kehrte trunken heim, ohne -die Menschen erkannt zu haben.“ Eine wunderliche Menschenvernichtungs- -und Flutsage! Die Flut aus Bier und zur Rettung des Menschenrestes! -Übrigens ist doch Rā’s Weilen auf Erden nicht mehr. Die Göttin Nut als -Kuh hebt ihn in die Höhe und bildet den Himmel, dort bleibt Rā. - -Von viel größerer Bedeutung ist es natürlich, wenn nicht bloß die -Lebewesen untergehen, sondern die ganze ~Welt~ vernichtet wird. - -Bei den ~semitischen Stämmen~ kenne ich nur einen Hinweis des -Babyloniers Berossos darauf, den Seneca erhalten hat. Die Welt soll -verbrennen, wenn die Planeten im Krebs sich zusammenfinden, „so -daß eine gerade Linie durch die Kreise aller gehen kann“. Das ist -astrologische Ansicht, nicht Mythe, doch weben sich bei den Babyloniern -freilich Astrologie und Mythos durcheinander. ~Weltuntergang~ und -~Weltbrand~ sind sonst spezifisch ~arische~ Anschauungen. Denjenigen -~Indiern~, die die Welt nur als eine Täuschung (Maja) oder als -einen Traum Brahmas ansehen, ging die Welt unter, sobald der Gott -die Täuschung erkannte oder vom Traum erwachte. Eine Stelle in der -Bhagavad-Gîtâ lautet: - - Wer weiß, daß schon ein Tag bei Gott der Weltenalter tausend macht, - Und tausend Alter eine Nacht; der Sterbliche kennt Tag und Nacht. - Wann einstens Gottes Tag anbricht, dann tritt, was dunkel war ans - Licht; - In Finsternis verlischt das Licht, sobald die Gottesnacht anbricht. - Und jedes Wesen, das entstand, verschwindet, wann die Nacht - anbricht, - Doch kehret wieder, was verschwand, wann anbricht Gottes Tageslicht. - -So schwer der Sinn zu durchdringen ist, so wird doch zweifellos von -höheren Weltzeitaltern gesprochen; Zeitaltern des Lichtes wechselnd -mit Zeitaltern der Finsternis. Die gewöhnlichen Weltenalter betragen -ein Kalpa, gleich 432 Millionen Jahre. Je nach Verlauf einer solchen -Kalpa geht die Welt unter und wird neu gebildet. Es ist die Lehre der -Râmânuga-Schule des Vedânta, die wir noch genauer kennen lernen werden. -Gottes Tag und Nacht betrügen je tausend solche Kalpa, wenn in der -obigen Stelle unter Weltenalter die Kalpa verstanden sind. Vielleicht -aber sollen die tausend Weltenalter selbst eine Kalpa sein, dann -würde nach der obigen Stelle die Welt abwechselnd eine Kalpa bestehen -und darauf eine Kalpa nicht bestehen. Der Untergang (Mahapralajas) -betrifft nicht nur die ganze Welt, sondern auch alle Götter, bis auf -den Einen und Einzigen. Einen Untergang der Welt kannten auch die -~Eranier~: der Komet Muspar, indem er auf die Erde stürzt und alles -schmelzt, verbrennt sie. Es steht dieses allerdings mit der Reinigung -der Welt von Bösem in Verbindung. Allein, es heißt im Bundehesh -doch auch ausdrücklich: „Ahura wird auf seinem herrlichen Thron ohne -Schöpfung sein, denn Werke wird er nicht vollbringen, während jene (die -Amesha-Çpenta?) den Toten bereiten.“ Den Weltbrand der ~Griechen~ -- -der durch Phaethon veranlaßte, gehört nicht wohl hierher -- werden wir -später kennen lernen. - -Wir wenden uns sogleich zu den ~Germanen~, von denen wir darüber die -eingehendsten Nachrichten haben. Der Weltuntergang (ragna rök, der -Waltenden Verrauchung) ist in der Edda als ein Kampf, der Kampf der -Götter gegen Surtur (der Schwarze, Hüter des Feuerlandes Muspelheim) -geschildert, in dem jene untergehen und die Welt verbrennt. Die Wala in -der Voluspa erzählt: - - Von Osten fährt der Kiel; Kommen werden Muspills - Söhne übers Meer, Aber Loki steuert. - Fifl’s (Loki’s) Söhne fahren Mit dem Wolf allesamt, - Zugleich ist der Bruder Byleists (Loki’s) bei der Fahrt. -- - Surtur fährt von Süden Mit flammendem Schwert, - Es blitzt von dem Schwerte Die Sonne der Schlachtgötter; - Die Felsberge stürzen, Riesinnen schreiten einher, - Es betreten die Menschen den Helweg; Der Himmel aber klafft. - -Nun folgt der Kampf der Götter: Odin steht gegen den Wolf Fenrir, von -dem er verschlungen wird, Thor gegen die Midgardschlange, die ihn -vergiftet, Freyr gegen Surtur, von dem er getötet wird. Zuletzt sinkt -die Erde ins Meer, die Sterne fallen vom Himmel: - - Es wütet Feuer und zehrende Flamme, - Hoch leckt die Lohe gegen den Himmel selbst. - -Andere nordische Sagen stimmen mit der obigen Erzählung überein, -nur daß sie mehr ausführen. In ~Deutschland~ selbst haben wir die -Götterdämmerung in dem Althochdeutschen, im neunten Jahrhundert -aufgezeichneten Lied Muspilli. Elias steht anstelle der Asen, der -Antichrist und Satanas für Loki und Surtur. Elias wird verwundet und -das weitere lautet in der Übersetzung von Johannes Scherr: „Die Berge -entbrennen, kein Baum bleibt stehen auf der Erde, die Wasser trocknen -aus, das Meer verdampft, in Lohen vergeht der Himmel, der Mond fällt -hernieder, Midgard flammt auf, kein Fels steht fest. Der Tag der -Vergeltung fährt über die Lande, fährt über die Völker mit Feuer. Da -kann kein Verwandter dem anderen helfen vor dem Muspille.“ Einzelnes -stimmt auffallend mit dem Bericht der Wala. - -Der zerstörten alten Welt (nur das Meer bleibt) muß eine neue folgen. -Auch nach germanischer Sage ist diese neue Welt besser als die frühere. -Die Wala schaut: - - Heraufkommen seh ich Zum anderen Male - Aus dem Meer eine Erde, Eine wieder grüne; - Es fallen die Fluten, Ein Aar fliegt darüber, - Welcher am Felsen Nach Fischen jagt. - Es versammeln sich die Asen Auf Idafelden - Und von Moldthinur (die Midgardschlange?), Der wuchtigen, sprechen - sie - Und erinnern sich da An frühere Taten - Und an Fimbultyrs (Odins) Uralte Runen - Da werden sich dann Die wundersamen - Goldenen Tafeln (Runentafeln?) Im Grase finden, - Welche sie damals In der Urzeit hatten. - Es werden ungesät Die Äcker da wachsen, - Alles Übel wird weichen; Baldr wird kommen; - Vereint werden Hodr und Baldr Unter den Dächern des Hropt (Odins), - Die beiden Kampfgötter ... - Einen Saal sah ich stehen, Schöner als die Sonne, - Mit Gold gedeckt, Auf Gimles (Himmels-) Flur, - Da sollen die fröhlichen Scharen (guten Menschen?) wohnen, - Und Freude genießen Bis ans Ende der Tage. - -Nach Vafthrudnismal in der älteren Edda heißen die neuen Asen Vidar -und Veli, Modi und Magni, Nachkommen von Odin und Thor, die nicht mit -der Welt untergegangen sind. Aber Baldr ist ja die poetischere und -höhere Figur mit seinem blinden Bruder Hödr. Das neue Menschenpaar ist -Lif und Lifthrasir; sie hatten sich während des Weltunterganges (?) in -Hoddmimirs (der Weltesche) Grün geborgen, ihre Speise war Morgentau. -Als Sonne leuchtet nach der jüngeren Edda eine Tochter der früheren -Sonne. Damit vergleiche man den Weltuntergang und Weltneubau nach der -Offenbarung Johannis, namentlich Kap. 6, 7 und 20, 21. Man wird sehr -erhebliche Ähnlichkeiten zwischen beiden Erzählungen finden. Auch die -Sybillinischen Orakel, Buch V, 345 ff., gehören hierher. - -Die Menschheit hat immer gerne an kommende bessere Zeiten geglaubt. -War die Welt in Sünde und Gewalttat versunken und in Ärmlichkeit und -Verkommenheit, so sollte die Gottheit eingreifen, nicht bloß strafend -wie früher, sondern helfend und schaffend. Die Indier haben zu diesem -Behufe die ~Inkarnationen~, ~Awatars~ (S. 139), einer Gottheit -(Wischnu’s) erdacht, semitische Völker den ~Messias~, andere Völker -Wiederkehr lange vergangener Wohltäter oder von Göttern auf Erden. An -diesem Glauben sind die Peruaner und Mexikaner zugrunde gegangen, da -sie in solchen Bluthunden wie Pizarro und Cortes mit ihrem spanischen -Gesindel diese erwarteten Wohltäter und Götter (Viracocha bei den -Peruanern, Quetzalcoatl bei den Mexikanern) sahen. Aber die Juden -haben sich an dem Messiasglauben gewaltig aufgerichtet und ihm ihre -Erhaltung durch Jahrtausende zu danken. Und das Christentum ist durch -ihn Weltreligion geworden. Kaum ein Gedanke der Menschheit hat sich -von so enormer Bedeutung, ideeller und praktischer, erwiesen, wie -dieser vom Messias, den der zweite Jesaias so liebevoll ausführt, der -Indier so phantastisch begabt. Steigen wir von der hohen Messiasidee -herab, so sind es Helden und Herrscher, deren Wiederkehr vom Volke -erwartet wird, und die inzwischen irgendwo verborgen oder schlafend -vorgestellt werden. Unser Friedrich I., Barbarossa (eigentlich nicht -er, sondern Friedrich II.) gehört hierher als die markanteste Gestalt. -Aber andere Völker der Erde besitzen ähnliche Gestalten. Stanley -- -„Through the dark Continent“ -- erzählt aus den Sagen von Uganda, daß -der erste König Kintu als milder und Blutvergießen scheuender Herrscher -im hohen Alter, da er seine Nachkommen allen Grausamkeiten frönen sah, -mit seinem Weibe geflohen sei. Das Volk war überzeugt, daß er sich -verborgen halte, und alle späteren Herrscher suchten ihn. Einem der -spätesten, dem siebenundzwanzigsten (Mtesa war der fünfunddreißigste), -Ma’anda ward es zuteil, ihn mit seiner Gefolgschaft in einem tiefen -Walde sehen zu dürfen. Er sollte nur mit seiner Mutter und dem -führenden Bauern kommen. Sein treuer Katekiro folgte ihm aber, um -ihn vor etwaigem Verrat zu schützen. Kintu erkannte des letzteren -Anwesenheit und machte Ma’anda Vorwürfe. Als Katekiro darauf hinter -einem Baume vortrat, tötete Ma’anda ihn durch einen Speerwurf. Da -entschwand Kintu mit allen um ihn. - - -20. ~Weltbau.~ - -Was die ~Gestaltung der Welt~ betrifft, so hängt diese naturgemäß -nicht unmittelbar mit der Mythe zusammen, sondern mit dem äußeren -Schein. Gleichwohl darf man von mythischen Kosmologien sprechen als von -solchen Anschauungen über die Welt, die nicht auf wissenschaftlicher -Untersuchung oder Meinung beruhen, sondern, wie die Mythen von den -Gottheiten, behauptet werden, und die den Mythen und Sagen zugrunde -gelegt werden. Da ist allen Völkern gemeinsam die ~zentrale Stellung -der Erde~. Die Erde ist die Mitte der Welt. Meist wird sie von Wasser -umgeben gedacht. Ihre Gestalt ist die einer Scheibe (rund oder eckig), -eines Zylinders (auch Würfels) oder eines gewaltigen Gebirges oder -einer konvexen Schale. Sie schwimmt auf Wasser oder ist durch Säulen, -Menschen oder Tiere unterstützt, oder hängt an Wurzeln des Weltbaumes. -Der Himmel ist einfach oder, entsprechend der Zahl der gesondert -sich bewegenden Gestirne -- sieben Planeten (Merkur, Venus, Mars, -Jupiter, Saturn, Mond, Sonne) und die Fixsterne insgesamt -- und der -etwa angenommenen Götterwohnsitze, mehrfach gedacht. Alle Himmel sind -solide und umgeben die Erde wie Glocken. Die Gestirne sind Leuchten, -auch Götterwohnsitze oder gar Körperteile der Götter (Augen, Antlitz, -Leib); sie bewegen sich auf den Himmeln von Ost nach West und kehren -auf unsichtbaren Wegen von West nach Ost zurück. Es liegt nicht in der -Natur der Mythe, konsequent zu sein und auf die Einzelheiten in den -Erscheinungen zu achten. Bemerkt sie Abweichungen gegen die gedachten -einfachen Verhältnisse, so sind eben die Götter frei und können sie -beliebig veranlassen. Daher eine Wiedergabe der Erscheinungen nur in -den großen, allgemein wahrnehmbaren Zügen, und vielfache Verworrenheit -und unbekümmertes Widersprechen in der Beschreibung. - -Der ~Griechen~ mythischen Ansicht erste literarische Mitteilung finden -wir bei Homer. Die Erde ist eine Scheibe vom Strome Okeanos umflossen -und vom Himmel überdeckt. Aus dem Okeanos steigen die Gestirne empor -und in ihn tauchen sie unter, sofern sie überhaupt auf- und untergehen -und nicht, wie die Bärin, „niemals in Okeanos’ Bad“ sich hinabtauchen. -Fern im Westen, hinter dem Okeanos, ist der Eingang zu Hades’ Reich, -das sich jedoch unter die Erde hinziehen muß. Denn wie im Kampfe -der Götter vor Troja Poseidon die Erde erschüttert, springt „des -Nachtreichs Fürst Aïdoneus“ voll Schreck in die Höhe und schreit: - - Daß ihm von oben - Nicht die Erd’ aufrisse der Landerschüttrer Poseidon, - Daß nicht Menschen erschien’ und Unsterblichen seine Behausung. - -Diese Behausung ist „Fürchterlich, dumpf, voll Wustes, wovor selbst -grauet den Göttern“. Weiter, wohl darunter, findet sich Erebos. Und -noch weiter, und so tief unter Hades’ Reich wie die Erde vom Himmel -entfernt, der Tartaros, der furchtbarste Ort, wo die Titanen Japetos -und Kronos, von Zeus verbannt, gefesselt in tiefster Finsternis -sitzen. Im Westen, am Rande der Erde, jedoch diesseits des Okeanos, -wenn nicht als Inseln im Okeanos, liegt auch das Elysische Gefild, „wo -der bräunliche Held Rhadamanthys wohnt, und ganz mühelos in Seligkeit -leben die Menschen“. Aus allen diesen Angaben hat man entnehmen wollen, -daß Homer die Welt eigentlich als Kugel ansieht, deren eine Hälfte -erleuchtet über der Erde, deren andere Hälfte ewig dunkel unter ihr -liegt. Was den Okeanos anbetrifft, so ist er bei Homer ein Strom. -Neuere Untersuchungen glauben jedoch, daß die vorhomerische Bedeutung -den Himmelshorizont gebe, Okeanos früher überhaupt der Himmelsgott -gewesen sein möchte. Die Etymologie mit der deutschen „Woge“ entfiele -dann freilich. Es soll Okeanos dem Sanskritwort açayana entsprechen und -„umfassend“, „anliegend“ heißen. Ich sehe nicht recht, warum das nicht -auch der homerische Okeanos soll sein können, der ja auch die Erde -umfaßt, ihr anliegt. Die Götterwohnung ist auf dem Olympos, über den -Wolken, deren Tore die Horen öffnen und schließen; und Helios leuchtet -den Göttern wie unten den Menschen. Hesiods Anschauungen von der Welt -stimmen mit denen Homers im wesentlichen überein, er ist nur in seinen -Mitteilungen etwas detaillierter. So hinsichtlich des Tartaros, daß -ein Amboß neun Tage und Nächte fallen müßte, um von der Erde zu ihm -zu gelangen, daß selbst ein Sturmwind in einem vollen Jahre ihn nicht -zu durcheilen vermöchte, daß auf ihm die Erde gewurzelt ist und der -Boden der Meere. Das sind recht stattliche Abmessungen, denn im Sinne -Hesiods umgerechnet wäre die Weite des Tartaros mehr als dreißig Erden- -und die Tiefe gar zwanzig Sonnenweiten. Der Himmel wird nach Hesiod -von Atlas getragen, nach Homer, in einer freilich noch nicht geklärten -Stelle, trägt Atlas die Säulen, die den Himmel stützen und von der Erde -ab halten. Diese Säulen laufen wohl rings (ἀμφίς) um die Erde herum. -Aber dann schwindet freilich Atlas als Person, der doch Kalypso zur -Tochter besaß. Man hat auch Atlas als das Meer erklärt (etwa Okeanos?). -Stützen für den Himmel, Gebirge, auch rings umlaufende, finden wir auch -anderweit. Unerklärlich für die Mythe ist der Aufgang der Gestirne, -nachdem sie untergegangen sind. Von der Sonne wird erzählt, sie fahre -nächtlich auf dem Okeanos in einem Nachen, Becher, von Westen über -Norden um die Erde herum, nach Osten zurück. Es mag aber auch gedacht -sein, daß die Gestirne unter der Erde zurückkehren. -- Das Weltbild -der Argonautensage schließt sich dem vorstehend Beschriebenen an; man -hat noch, was wahrscheinlich auch Homer und Hesiod annahmen, einen -Meeresarm oder Stromweg vom Schwarzen Meere nach dem atlantischen oder -arktischen Meer ziehen lassen, so daß Europa für sich zur Insel wird. - -Von den ~Römern~ haben wir eine eigentliche mythische Kosmographie -nicht; die Dichter wandeln in griechischen Bahnen. - -Die Welt der ~Germanen~ ist dreiteilig: obere Welt, mittlere Welt, -untere Welt, jeder Teil wieder aus drei Teilen bestehend; und von -den neun Teilen spricht die Edda an verschiedenen Stellen. Nach -Simrock sind diese: Muspelheim (Feuerwelt), Asenheim oder Asgard -(Götterwelt), Liosalfaheim (Lichtelfenwelt) als obere Welt; Jötunheim -(Riesenwelt), Midgard oder Mannheim (Menschenwelt), Wanaheim -(Wanenwelt, Welt der Neben-, Halb- oder Untergötter) als mittlere Welt; -Swartalfaheim (Schwarzelfenwelt), Niflheim (Nebel-, Eiswelt, Gegenwelt -zu Muspelheim), Niflhel (Helwelt, Totenwelt) als untere Welt. Die -drei Hauptwelten werden von je einem Zweige (oder einer Wurzel) des -Weltbaumes Yggdrasil gestützt; für diesen Baum soll auch die Irminsul, -deren Nachbild Karl der Große bei den alten Sachsen gestürzt hat, -stehen. Die Welt der Germanen ist hiernach reicher gegliedert als die -der Griechen und poetischer gestaltet. Übrigens bestehen zwischen den -verschiedenen Teilen der Welt auch Verbindungen, wie von Asgard zur -Erde die Brücke Bifröst (bebende Ruhe), auf der Richard Wagner am -Schluß des „Rheingold“ unter so wunderbarer Musik die Götter von der -Erde nach Walhall (eigentlich ein Saal in der Götterburg Gladsheim) -ziehen läßt. Um die Erde windet sich der Weltwurm, Midgards ormr, -Jakob Grimm sagt: „offenbar das Weltmeer“. Also der Okeanos? Noch -sind die drei berühmten Brunnen zu erwähnen, die in den drei Welten -Asenheim, Jotunheim und Niflhel unter den Zweigen des Weltbaumes -hervorsprudeln: Urdbrunnen, Mimisbrunnen, Hwergelmir (der rauschende -Kessel). Am ersten Brunnen „halten die Asen und Nornen ihr Gericht“, -den zweiten hütet der weise Mimir (nicht der Mime Wagners, sondern -ein halbgöttliches Wesen, das mit dem Brunnenwasser täglich Weisheit -trinkt, und dem Odin ein Auge als Pfand in den Brunnen versenken muß, -bevor er aus diesem gleichfalls Weisheit und Zukunftschauen trinken -darf), am dritten sitzt Nidhöggr mit anderen Schlangen. Der Himmel wird -wie bei den Griechen als die Erde deckend oder umfassend gedacht. Die -Gestirne haben jedes seine Stätte (oder seinen „Stuhl“, oder seinen -„Tisch“), die wandelnden unter ihnen Rosse und Wagen. Die Sonne ist -das „Feuerrad“ (fagra-hvel in der Edda) oder der „leuchtende Schild“ -oder „Wuotans Auge“ oder „Gottes Antlitz.“ Der Mond wird auch als -„Schein“ bezeichnet. Der Sonne und des Mondes Lauf um die Welt wird als -Flucht vor zwei Wölfen (Sköll und Hati) gedacht, die sie verfolgen und -sie zuzeiten verschlingen (Finsternisse!). Die Mondveränderungen werden -Zwergen zugeschrieben, „wir wissen nicht näher wie“, sagt Jakob Grimm. -Wir wissen auch nicht, wie sich die Germanen die Rückkehr der Gestirne -von Westen nach Osten gedacht haben. - -[Illustration] - -Darf man in der zoroastrischen uns überlieferten Literatur alte -Tradition sehen, so hatte die Mythe der ~Eranier~ bereits eine -ziemlich richtige Ansicht von der Erde und dem Weltall. Im Minokherd -heißt es: „Himmel und Erde und Wasser und alles andere unter dem -Himmel ist so geformt worden wie das Ei der Vögel, der Himmel ist über -der Erde und unter der Erde einem Ei ähnlich durch das Händewerk des -Schöpfers Ahura Mazda geformt, die Erde innerhalb des Himmels wie das -Gelbe im Ei.“ Also das Weltall ist kugelförmig. Noch bedeutungsvoller -ist eine Stelle im älteren Bundehesh. Dort wird im einunddreißigsten -Kapitel von Himmel, Erde und den Gestirnen unmittelbar als stützenlos -gesprochen. Der Himmel ist „ohne Säulen“, die Erde „hat keine Träger“, -die Gestirne „schweben im Luftraum“. Weiter wird im Bundehesh -erzählt, die Erde enthalte sieben Quartiere, Keschvaras, eines in -der Mitte, sechs um dieses herum. Das nachfolgende, aus Windschmanns -„Zoroastrische Studien“ entnommene Bild (jedoch mit Vertauschung zweier -Quartiere) gibt die Lage der Quartiere gegeneinander und ihre Namen -an. Nun wird im sechsten Kapitel, das den Lauf der Sonne in Tag und -Jahr behandelt, mitgeteilt (ich habe die Ordnung beibehalten): „Wenn -die Sonne aufgeht, erleuchtet sie das Keschvar Çavahi, Fradatatfsn -und Vidadatfsn und die Hälfte Qaniras. Wenn sie an jener Seite der -Finsternis untergeht, erleuchtet sie das Keschvar Arezahi, Vourubaresti -und Vourazaresti und die Hälfte von Qaniras. Wenn hier Tag, so ist dort -Nacht.“ Man sieht an der Abbildung, daß eine solche Beleuchtung nicht -möglich ist, wenn die Erde nicht Zylinderförmig oder kugelförmig ist; -das letztere würde mit der Angabe im Minokherd stimmen. Noch wird von -der Erde folgendes erzählt. Es sind auf ihr mehrere wichtige heilige -mythische Berge. Der Berg Harburc ist um die Erde und an den Himmel -befestigt, er reicht sogar über die Region der Gestirne hinaus, bis zu -den „anfangslosen Lichtern“. An ihm gehen Sterne, Sonne und Mond auf -und unter. Das letztere ist schwer zu verstehen, zumal es im fünften -Kapitel heißt: „Der Berg Taera ist in der Mitte der Welt, die Sonne -umkreist ihn wie das Wasser rings um die Welt... Der Taera Harburc ist -jener, an welchem ich Sonne, Mond und Sterne von zurück wieder kreisen -lasse... Am Harburc geht jeden Morgen die Sonne auf und am Abend unter, -der Mond, die Fixsterne und die Planeten haben ihr Band und ihr Gehen -an ihm.“ Hiernach wäre zu schließen, daß der Harburc ein die Erde etwa -in Richtung des Äquators umkreisendes Gebirge ist. Er könnte aber auch -die Erde so umlaufen wie die Stützsäulen der griechischen Mythe. Für -letzteres spricht, daß das dem Okeanos vergleichbare Meer Frhankart -oder Voroukasha am Fuße des Harburc läuft und die Erde, anscheinend -im Süden, zu einem Drittel umgibt. Zwei Flüsse gehen vom Nordpunkt -(?) des Harburc aus, einer nach Osten, der Arg, der andere, Vas, nach -Westen; beide münden im Meer Frhankart oder Voroukasha. So wird der -Wasserring um die Erde (die bewohnte?) vervollständigt. Von Bedeutung -ist auch der Strom, den die Wunderquelle Ardviçura Anahita (Anahita ist -auch Göttin des Planeten Venus) aussendet. Letztere kommt vom Himmel -auf einen aus Rubin bestehenden Berg herab, der bald Hugar Bulvend, -bald Hukairya, oder Haraiti, oder Hara Berezaiti genannt wird. Auf -diesem Berg befindet sich der Paradiesbaum und das Paradies, das Mithra -(früher Yima) bewohnte, und von ihm führt der Weg über die Brücke -Cinvat in den Himmel. Die Ardviçura strömt durch goldene Kanäle zur -Erde in das Weltmeer und unter die Erde, und bildet so das belebende -und reinigende Naß. Der Himmel ist aus Edelstein geformt, die Gestirne -sind unter ihm, „zwischen Himmel und Erde“, angebracht. Die Sonne heißt -auch „Rosselenker“, Aurvat-açpa. Tierkreis und viele Sterne sind mit -Namen bekannt. Im übrigen besteht die Welt aus dem Lichtreich, der -„bekörperten“ eigentlichen Welt, und dem Finsternisreich unter dieser. -Diese selbst ist also in der Mitte, im Vai. - -[Illustration] - -Von den ~Indiern~ weiß ich nichts erheblicheres zu sagen; sie dichten -eine Menge übereinander angeordnete Oberwelten, fast für jeden Gott -eine, oder für jede Gestirnklasse eine, außerdem solche für Büßer, -Fromme, Wahrheit usf. Unter dem Himmel kommt die Luftwelt, Dunstwelt. -Diese Oberwelten insgesamt werden im Norden (?) von Elefanten getragen. -Letztere stehen auf der Erde, die ihrerseits auf Elefanten ruht. Die -Stütze dieser Tiere ist die Weltschildkröte, und diese wieder lagert -auf der gewaltigen Weltschlange, die das ganze Universum umspannt -und im unteren Teile im ungeheuren Meere ruht. Zwischen Erde und -Schildkröte sind die Welten der Verfluchten, untereinander angeordnet. -Das vorstehende Bild gibt die ganze Phantastik mit dem goldenen Berg -Meru als Oberwelten. Wer von der Unentwirrbarkeit indischer Kosmogonie -und Kosmographie einen Begriff haben will, lese den zweiten Abschnitt -im Werk Adolf Bastians: „Der Buddhismus in seiner Psychologie.“ Es ist -kaum möglich zu erkennen, was wirklich gedacht wurde. Die Indier haben -eine schöne Mathematik und Astronomie besessen. Wie sie aber mythisch -den Lauf der Gestirne erklärten, habe ich nicht erkunden können. -Wunderlich ist (S. 212), daß die Götter vom Monde speisen, daher seine -Abnahme, die in Zunahme durch einwandernde Seelen übergeht. - -Wir wollen nur noch die Vorstellungen der Hebräer, Babylonier und -Ägypter betrachten. In der ~Bibel~ wird von der Welt oft gesprochen, -meist in der Weise wie sie durch die Schöpfungsgeschichte gegeben ist. -Die Erde aus dem unteren Wasser hervorragend, darüber der Luftraum und -der Himmel; an dem Himmel die Gestirne, über dem Himmel die oberen -Wasser. Letzteres entspricht der babylonischen Vorstellung, worauf man -viel Wert gelegt hat, aber auch Vorstellungen, die wir in Ozeanien (S. -17) und wohl auch in Ägypten (S. 181) finden, und sie liegen ja nahe. -Die Erde ist fest. Im 104. kosmographischen Psalm heißt es: „Er hat -die Erde auf ihre Vesten gegründet, sie wanket nicht in Ewigkeit.“ -Und im Hiob, Kap. 38, spricht der Ewige: „Worauf doch wurden ihre -(der Erde) Gründe eingesenkt, oder wer legte ihren Eckstein?“ Aber -gerade in diesem Buche, Kap. 26, haben wir eine merkwürdige Angabe -Hiobs, daß die Erde frei schwebe: „Den Norden spannte er über Leeres, -hängte die Erde über das Nichts.“ Dort wird auch von Säulen des -Himmels gesprochen, ob bildlich oder materiell, ist, wie in poetischen -Werken so oft, schwer zu entscheiden. Doch steht der Himmel auch auf -dem Saume des Weltozeans. Von den Wassern sagt der 104. Psalm: „Du -hattest die Flut wie Gewand darüber (über die Erde) gedeckt, auf Bergen -standen Gewässer. Vor deinem Dräuen flohen sie, vor deines Donners -Stimme enteilten sie. Stürmten Berge hinan, Täler hinab, zum Raum, -den du für sie gegründet; du setztest Grenzen, sie überschreiten sie -nicht, nicht kehren sie wieder, die Erde zu bedecken.“ Die oberen -Wasser „bilden das Obergemach“ im Himmel. Auch eine Unterwelt, Tachat, -Scheol, ist vorhanden, nach Hiob, Kap. 26, unter den Wassern: „Die -Schatten (Rephaim) entstehen (oder erbeben) unter den Wassern und deren -Bewohnern. Nackt ist die Unterwelt vor ihm und keine Decke hat der -Abgrund.“ Ebenso nach Kap. 38, Vers 16, 17: „Kamst du bis zu des Meeres -Quellen, durchwandeltest den Abgrund der Flut? Sind dir enthüllt des -Todes Pforten, die Pforten des Todesschattens siehst du?“ Die Gestirne -kehren unter der Erde nach Osten zurück. Im Prediger (Kap. 1, Vers 5) -wird von der Sonne gesagt: „Und aufgeht die Sonne und untergeht die -Sonne, und zu ihrer Stätte keuchend, geht sie daselbst auf“. „Keuchend“ -(wörtlich), weil sie in die Höhe steigen muß. - -[Illustration] - -Die ~babylonische~ Mythe weiß im Grunde auch nicht mehr von der Welt. -Ihr allgemeines Weltbild ist, wie schon erwähnt, das der Bibel; es mag -auch älter sein. Jeremias bringt in seinem Buche „Das Alte Testament -im Lichte des alten Orients“ eine „babylonische Weltkarte“, die ich -wiederhole. Er sagt: „Jedenfalls stellen die sieben Dreiecke die sieben -entsprechenden Teile des den Himmelsdamm und die Erde umströmenden -Meeres dar, und sie hängen mit den sieben Kreisen (s. unten) des Supuk -(Supuk samê ist der Tierkreis) zusammen, der in den Himmelsozean -taucht. Vielleicht sind auch die sieben Meere in Betracht zu ziehen, -die in der indischen Kosmologie hervortreten, und die sieben Inseln im -Meere bei Henoch, Kap. 77“, wir können hinzufügen: die sieben Keschvars -der Eranier. Vom gleichen Autor entnehme ich noch die folgenden -Angaben: Das All ist ein doppeltes sich entsprechendes. Das himmlische -All hat die drei Teile: Himmelsozean, Tierkreis (himmlische Erde), -Nordhimmel. Das irdische All die: Ozean (in der Erde und um die Erde), -Erde, Lufthimmel (wo Meteore erscheinen und die Geister schweben). -Die Wandelsterne, innerhalb des Tierkreises sich bewegend (an Zahl -sieben mit Sonne und Mond), sind die Dolmetscher des göttlichen -Willens. „Der Fixsternhimmel verhält sich dazu wie ein an den Rand -des Offenbarungsbuches geschriebener Kommentar.“ Die Sterne heißen -denn auch Sitir samê, „Schrift des Himmels“. Aus solchen und ähnlichen -Anschauungen ist die berühmte chaldäische Astrologie hervorgegangen, -mit allen ihren wissenschaftlichen Leistungen und, bis in unsere Zeit -nachklingenden, Torheiten. Nach den sieben Planeten wird der Tierkreis -als aus sieben konzentrisch übereinander gestellten Ringen bestehend -(die sieben Kreise, von denen oben die Rede war) angesehen, „wie -eine kreisförmige Treppe, ein riesiger Stufenturm“ (indisch?). „Die -siebente Stufe führt in den obersten Himmel, den Himmel des Gottes -Anu.“ Letzterer Himmel wird auch als der Fixsternhimmel betrachtet und -als erster Himmel gezählt. Dieser Stufenhimmel ist in den Stufentempeln -Babyloniens mit allen oder einigen Stufen nachgeahmt. Unter den -sieben Stufen sind drei hervorgehoben, die von Sin (Mondgott), Samas -(Sonnengott), Istar (Venusgöttin); diese bedeuten die Regenten des -Tierkreises. Auf Siegelzylindern finden wir häufig Samas zwischen zwei -Bergspitzen als „Himmelstor“ hervortretend. Aber weder von diesem Tor -noch von dem Weltberg und dem „Länderberg“ habe ich mir eine Anschauung -bilden können. Arrhenius („die Vorstellung vom Weltgebäude“) bringt -nach einer Zeichnung von Faucher-Gudin eine Abbildung der babylonischen -Welt. „In der Mitte liegt der Kontinent, der nach allen Seiten hin -sich zum Weltberg Ararat erhebt. Das Land ist rings vom Ozean umgeben, -auf dessen hinterer Seite die Wohnungen der Götter liegen. Über dem -Weltberg liegt der Himmel wie eine Glocke (nach der Abbildung auf -einem um den Ozean herumlaufenden zweiten Gebirge aufruhend). Der -nördliche Teil war mit einem Rohr versehen (mit zwei Öffnungen). Aus -der östlichen Öffnung trat die Sonne am Morgen hervor, erhob sich am -Firmament, um am Nachmittag wieder zu sinken und schließlich beim -Einbruch der Nacht in die westliche Öffnung des Rohres einzutreten. -Während der Nacht schob sie sich durch das Rohr und trat am nächsten -Morgen durch dessen östliche Mündung wieder heraus.“ Woher der gelehrte -Verfasser den Sonnentubus genommen hat, kann ich nicht sagen. Bequem -ist er zweifellos, aber in keinem der mir zur Verfügung stehenden Texte -und Abbildungen finde ich auch nur eine Andeutung davon. Im übrigen -ist die irdische Welt in allen Teilen ein Abbild der Himmelswelt, was -auch die Ägypter annahmen und wovon (in Umkehrung) wir ja Beispiele -bei den Naturvölkern fanden. Das meiste von diesem Besonderen steht, -wie man sieht, trotz äußerer Ähnlichkeit in striktem Gegensatz zu der -biblischen Anschauung; der Himmel hat in dieser mit der irdischen Welt -nicht das geringste zu schaffen, und das ganze All ist nichts Gott -gegenüber. Gott hat den Gestirnen die „Satzungen“ gegeben. - -[Illustration] - -Auch der ~Ägypter~ Welt bestand aus den bekannten drei Teilen, Himmel, -Erde, Tiefe (Pet, Ta, Dat). Der Himmel ist der Ausgespannte, der -Verhüllende, der Hohe, der Gewölbte (Kapu) usf. Er ruht auf vier Säulen -oder wird von der Luftregion (Shu) gestützt und trägt die Gestirne und -ihre Gottheiten. Der Tempel wird als ein Abbild des Himmels angesehen -und dementsprechend ausgebaut und geschmückt. Brugsch führt viele -Beispiele an. So ist also „für die auf Erden lebenden Bewohner der -Himmel eine prächtige Tempelhalle, ein Dom, unter dessen glanzvollem -Dache sie sich ihres Daseins freuen“. Mit einem Himmel überdacht -werden auch die Grabkammern; aber dieser Himmel ist schwarz, es ist -der untere Himmel, an dem die Sonne nächtlich hinzieht. Mitunter -scheinen sich die Ägypter mehrere Himmel übereinander gedacht zu -haben; die doppeltgekrümmte Figur in der nächsten Abbildung, welche -Himmel, Luft und Erde durch Personen darstellt, erscheint zweimal -oder dreimal wiederholt, als Sonnenhimmel, Mondhimmel usf. Die Sonne -fährt auf ihrem Himmel auch im Sonnennachen (na-n-Rā), der vom Urgott -Nun (auf einem Bilde, aus dem Urgewässer hervorragend) getragen wird. -Im Hiob wird der Himmel als Spiegel bezeichnet, bei den Ägyptern als -Eisen. Eisen (ba) steht mitunter geradezu für Himmel („Rā fährt oder -schwimmt oder wandert auf dem Eisen“), wie umgekehrt das „Eisen des -Himmels (ba-n-pet)“ für Eisen überhaupt benutzt wird. Der mythische -Name der Erde (Ta) heißt Qeb. Das soll Biegung, Krümmung bedeuten. -Ob den Ägyptern aber die runde Gestalt der Erde bekannt war, oder -ob Qeb lediglich die Unebenheiten kennzeichnen soll, ist ungewiß. -Auch „Schwäche“ soll in dem Worte liegen, und die Erde wird auch -als schwacher, alter Mann dargestellt (wie in der obigen Abbildung) -oder als leidendes Weib. Die untere Welt ist das Nachtsonnenreich -der Welt, unter der Erde und unter den Wassern. Wir kommen auf sie -zurück. Figürlich wird sie als zusammengekrümmte Gestalt, Osiris, -gebildet. „Die untere Hemisphäre zusammengekrümmt enthält seine -(des Osiris) Gestalt“, heißt es in einer Inschrift. Die ganze Welt -scheint vom Urwasser Nun eingeschlossen zu sein, wie sich aus einer -Abbildung bei Brugsch, „Religion und Mythologie der alten Ägypter“, S. -216, entnehmen läßt. Das entspräche etwa der biblisch-babylonischen -Auffassung. Wenn aber auf der Abbildung auch ein Rand des Wassers -außerhalb der Welt sichtbar ist, so würde das mehr an den Okeanos der -Griechen erinnern, hinter dem ja auch die Welt, im Tartaros, sich -fortsetzt. Indessen kann es sich auch um eine Willkür des Malers -handeln. Das All wird unter dem Bilde des Skarabäus dargestellt. - - -21. ~Leben und Gottheit.~ - -Die ~Anschauung vom Leben~ richtet sich nach dem Grade der Freiheit -Gott oder den Göttern gegenüber und nach dem Grade des Vertrauens. Die -arischen Stämme scheinen noch am wenigsten abhängig von ihren Göttern -gewesen zu sein, aber wohl auch am wenigsten vertrauend auf sie. Aus -ihrer Mitte ist der Buddhismus hervorgegangen, in dem die Götter, wenn -ihr Dasein nicht geleugnet wird, doch als sehr geringwertig für die -Menschen angesehen werden. Hier gilt der extremste Grundsatz nach einer -Seite hin; das Leben des Menschen ist bestimmt durch ihn selbst, er ist -selbst Meister seines Geschickes (S. 211 ff.). - -Fünf Gesichtspunkte sind es vor allem, nach denen das Leben mit seinen -inneren und äußeren Vorgängen beurteilt wird: ~Zufall~, ~Freiheit~, -~Fürsorge~, ~Vorausbestimmung~, ~Zwang~. Die genaue Untersuchung -dieser Gesichtspunkte gehört in die Metaphysik und Ethik. Auch -entfallen hier, wo wir von den aus der Religion fließenden Anschauungen -sprechen, der erste und fünfte Gesichtspunkt; es bleiben nur die drei -mittleren Gesichtspunkte, und sie setzen das Verhältnis des Menschen -zur Gottheit fest. Wenn bei religiöser Anschauung Willensfreiheit -herrschen soll, so muß Verantwortlichkeit gegen die Gottheit bestehen. -Der Egoismus führt dann auch zu Anforderungen an die Gottheit. Beide -können mit dem Leben abgetan sein, oder auch sich über das Leben hinaus -fortsetzen. Im ersten Falle hat der Mensch alles Unheil, das ihn im -Leben betrifft, als Strafe für freiwillige Missetat zu betrachten, -alles Gute als Belohnung für Wohlverhalten. Das letztere nimmt er -meist ohne zu danken hin; er wird immer irgendeine schöne Tat finden, -für die er Belohnung glaubt sich erwarten zu dürfen. Denn das rein -ethische Wohltun aus Trieb der Seele und Freude daran ist gar selten -und schaltet eigentlich die Gottheit aus. Aber eine Strafe sieht der -Mensch nicht immer als verdient an. Dazu gehört wahre, herzensinnige -Frömmigkeit und Zerknirschung, wie wir sie in den Hymnen, Psalmen und -Kirchenliedern oft so ergreifend ausgedrückt finden. Hier vermischt -sich die Anschauung mit der von der Fürsorge der Gottheit für den -Menschen. Das Leben wird der Gottheit vertrauensvoll überlassen. Was -diese bietet, wird in Demut angenommen, was sie verhängt, in Demut -ertragen; vielleicht als Belohnung, vielleicht als Buße, immer aber -als Ratschluß des Höchsten, der schon weiß, warum. Ich brauche aus dem -Monotheismus keine Beispiele anzuführen. Aber auch der Polytheismus -kennt solche Anschauungen: - - Zeus, wer du auch seist, Hoher, Unerforschlicher, - Ob Geist der Menschen, ob Naturnotwendigkeit, - Ich fleh dich an; denn du lenkst auf stiller Bahn - Hinwandelnd, alles Menschenlos zum rechten Ziel. - -ruft die unglückselige Hekabe bei Euripides aus. Ähnlich heißt es in -dem schönen babylonischen Klagelied an Istar: - - Du schaust auf den Unglücklichen und Zerschlagenen, - Leitest ihn täglich rüstig. - -Damit in Verbindung steht dann die für alle Religion so absolut -notwendige Anschauung, daß die Gottheit sich erbitten läßt, unverdiente -Gnaden erweist, verdiente Strafe erläßt. Im Polytheismus wird sogar -eine Gottheit gegen die andere angerufen. In jenem Istar-Liede sagt der -Flehende: - - Löse meine Brust und schaffe mir Fülle! - Lenke meinen Schritt, daß ich - Froh und frei mit den Lebenden die Straße ziehe! - Gib du Befehl, daß auf deinen Befehl der erzürnte Gott wieder gut - werde, - Daß die Göttin, die sich zürnend abgewandt, wieder gut werde. - -So wird Istar auch der „Stern der Klagen“ genannt, und dieses trotz -der Schilderung ihrer willkürlichen, absoluten Übermacht, die -Freunde verfeindet und auf dem Schlachtfelde herrscht. Seltsam, -mehr wunderlich, klingt die fast stehende Versöhnungsformel an die -Gottheiten, daß „ihr Herz sich beruhigen möge“ oder „sie selbst sich -beruhigen mögen“, wie überhaupt die babylonischen Texte soviel von der -Unruhe der Gottheiten sprechen, ja von ihrem Lärmen, wodurch auch so -viel Kampf und Streit zwischen ihnen entsteht; so der kosmogonische -Kampf Apsus und Tiamats gegen sie. Vielleicht treffen unsere -Übersetzungen nicht den richtigen Sinn. Es sind auch Kollektivlieder -für jede beliebige Gottheit gedichtet und bekannt. Wenn der Mensch -sein Wohlverhalten dem Gotte vor Augen stellt, so geschieht das nicht -selten in der Weise, daß er sagt, die und die Sünde hätte er nicht -begangen. Das 125. Kapitel des ägyptischen Totenbuches ist dafür sehr -charakteristisch. Die Vorschrift lautet: „Was NN (als Toter) spricht, -wenn man zur Halle der beiden Wahrheiten (S. 189) gelangt, nachdem NN -sich losgemacht hat von allem Bösen, das NN getan hat, um das Antlitz -aller Götter zu schauen“. Und nun kommen die Bekenntnisse. „Ich habe -nicht falsch gehandelt gegen die Menschen“ usf. Dreiundsechzig solche -negative und kaum zehn positive, unter den letzteren freilich das so -schöne: - - Ich habe dem Hungernden Brot gegeben, - Und dem Dürstenden Wasser, - Und dem Nackten Kleider. - -Andere Völker sind ähnlich verfahren. Bei allen aber werden nicht -selten Zweifel an der Hilfe der Gottheit geäußert, entweder weil -diese dem Menschen zu fern steht und sich um ihn nicht kümmert, oder -weil der Mensch sich zu niedrig dünkt Gott gegenüber. Wie oft ist dem -letzteren Gefühl in Psalmen, aber auch in den anderen Schriften der -Bibel Ausdruck verliehen: „Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest“ -usf. Bei den Ariern finden wir mehr den Zweifel an dem Wollen der -Gottheit; Euripides bietet eine Menge von Beispielen. Hekabes Ausruf: -„Ihr Götter! Zwar unnütze Helfer seid ihr uns; doch ist es tröstlich -anzuflehen die Himmlischen, wenn unsereinen heimsucht das Mißgeschick“, -gehört noch zu den mildesten. - -Weit verbreitet ist sogar die Anschauung von der Gottheiten „~Neid und -Mißgunst~“ gegen die Menschen. Wie sie untereinander Neid und Mißgunst -hegen und dadurch zum Kampf gegeneinander getrieben werden, daß ein -Göttergeschlecht das andere stürzt, hat in furchtbaren Worten Aischylos -im Prometheus geschildert. Dann wie die Gottheiten nach Willkür -herrschen, ganz wie Tyrannen auf Erden: - - Ach, neue Herrn sind im Olymp - Am Ruder jetzt; neuem Gesetz gemäß regiert - Ohne Gesetz Zeus jetzt. - Das früher Gewaltige jetzt vertilgt er’s. - -Und dann: - - Auf die armen Menschenkinder nahm - Er keine Rücksicht; ganz zu vertilgen ihr Geschlecht, - Ein anderes neues dann zu schaffen, war sein Plan. - -Prometheus, der dies von Zeus sagt, rettet die Menschen. Das steht -nicht fern von der Art wie Ellil bei den Babyloniern verfährt, daß -Ea wenigstens für wenige Retter sein muß. Namentlich erregt Glück -den Neid der Götter. Und wer etwa sich darin überhebt, muß es schwer -büßen. Niobes Tragödie spricht noch jetzt zu uns aus den herrlichen -und rührenden Darstellungen, die wir bewundern. Selbst die Bibel hat -Anklänge, daß Gott dem Menschen nicht alles gewähren will, wie in der -Paradiessage und in der Sage vom Turmbau zu Babel. Doch tragen solche -Erzählungen auch den Stempel der Erklärung für Erscheinungen im Leben -der Menschheit. Warum der Mensch mühselig sein Leben verbringt, warum -er stirbt, warum er so zerstreut und vielsprachig auf Erden weilt. -Andere Völker haben aus gleichem Grunde andere Sagen erfunden. - -So ist die Freiheit des Menschen doch keine unbedingte und die Fürsorge -der Gottheit keine vollkommene. Darum ist es dem Menschen auch ein -vertrauter Gedanke, daß er über sich überhaupt nicht zu bestimmen -habe, daß, wie seine Geburt, so auch sein ganzes Leben durch die -Gottheit vorausbestimmt ist und sein Tod. Was ihm Gutes zukommt, was -ihn Böses berührt, hat die Gottheit schon vorgewirkt. Dieses entweder -absolut oder relativ (vom Schicksal S. 136 ff.). Wie weit die absolute -Vorausbestimmung geht, sehen wir in dem grämlichen „Prediger“: „Denn -auch daß ein Mensch esse und trinke und Gutes genieße für alle seine -Mühe, ist eine Gabe Gottes. Ich weiß, daß alles was Gott tut, das wird -ewig sein, hinzuzufügen ist nichts und davon zu nehmen ist nichts, und -Gott tat es, daß sie sich fürchten vor ihm.“ „(Ich weiß) daß, was den -Menschensöhnen begegnet und was dem Vieh begegnet einerlei Begegnis für -beide sei; wie der Tod dieses, so der Tod jener, und einerlei Geist in -allem, so daß der Vorzug des Menschen vor dem Viehe nichts sei, denn -alles ist eitel.“ Daraus folgt dann das berühmte: „Nichtigkeit der -Nichtigkeiten, alles ist nichtig.“ So scharf wie im „Prediger“ findet -sich der Pessimismus freilich selten ausgesprochen, außer etwa bei -Philosophen. Aber über Gebundenheit und Machtlosigkeit klagt der Mensch -überall. - -Die Verzweiflung führt dann zunächst zu der ~Lebensweisheit der -Unbekümmertheit und des Genießens~. Im „Prediger“ wird sie fortwährend -empfohlen: „Siehe, was ich gesehen habe, das ist gut, daß es schön -ist, zu essen und zu trinken und Gutes zu sehen für alle seine Mühe, -die er sich müht unter der Sonne die Zahl seiner Lebenstage, die Gott -ihm gegeben, denn das ist sein Teil.“ „Am Tage des Glückes fühle -dich glücklich, und am Tage des Unglückes sieh’s an.“ „So preise ich -die Freude, daß nichts gut ist für den Menschen unter der Sonne als -zu essen und zu trinken und sich zu freun.“ „Denn so viele Jahre -der Mensch lebt, ihrer aller freue er sich und gedenke der Tage der -Dunkelheit, daß ihrer viele sein werden; alles was kommt ist nichtig.“ -Gemildert werden diese Lehren durch die ethische Auffassung, daß die -Freude ein Entgelt für die Mühsal ist, die der Mensch tragen muß, und -daß bei allem der Mensch doch nichts Böses tun darf, sondern Gutes -wirken muß. Eine Tradition schrieb den „Prediger“, selbstverständlich -mit Unrecht, König Salomo zu. Die Azteken hatten im König -Netzahualcoyotl (1470) einen ähnlichen Salomo: „Allen irdischen Dingen -ist ihr Ende bereitet. Inmitten der fröhlichen Laufbahn ihres Glanzes -und ihrer Eitelkeit geht ihnen die Kraft aus und sie werden zu Staube. -Das ganze Erdenrund ist nichts als ein Grab, und alles, was darauf -lebt, wird einst darunter begraben werden. Die Dinge von gestern sind -heute nicht mehr und die Dinge von heute werden vielleicht schon morgen -nicht mehr sein. Die einst auf Thronen gesessen, Versammlungen gelenkt, -Heere befehligt, Länder erobert, göttliche Verehrung gefordert, der -Macht der Herrschaft, dem Ruhm nachgejagt haben, wo sind sie jetzt? -Verschwunden mit all ihrer Herrlichkeit, gleich dem Rauche, der aus dem -Krater des Popokatepetl aufsteigt und spurlos verschwindet.“ So lautet -die triste Weisheit des aztekischen Königs nach Ixtlilxochitl, als -wenn er das entsetzliche Schicksal seines Volkes und seiner Nachkommen -geahnt hätte. Und daran schließt er, wie der „Prediger“, die Mahnung: -„Aber du, mein Freund, so freue dich der Anmut dieser Blumen, freue -dich mit mir. Wirf nun Furcht und Sorge von dir, die uns den Genuß -verderben bis ans Ende des Lebens. Sammle ja alle zusammen, welche -Liebe dir verbindet, welche teuer dir in Freundschaft. Denn auf Erden -ist nichts sicher als des Todes herbe Schneide. Auch im Wechsel ist -die Zukunft.“ Phantasiebegabte Ethnologen haben bereits behauptet, -die Azteken und Mayas wären die verlorenen zehn Stämme Israel. Also -Tradition! Gleiche Anschauungen sollen sich im alten peruanischen -Drama „Ollanta“ finden. Sicher haben die Literaturen der meisten -Völker solche und ähnliche Ausbrüche von Menschenverzweiflung über das -Leben. Wie die Indier darüber dachten, haben wir an anderer Stelle zu -erörtern. Von den griechischen und römischen Lehren genügt es, zwei -Äußerungen hervorzuheben. Herakles sagt in der Alkestis zu dem um seine -Herrin trauernden Diener: - - Den Menschen allen ist verhängt des Todes Los - Und ihrer keinem noch wurde geoffenbart, - Ob nur der Tage nächster sie am Leben trifft. - Denn dunkel ist, wohin des Schicksals Wege gehn, - Und nicht erlernbar, und die Kunst enthüllt es nicht ... - Erheitre dich und trinke, rechne diesen Tag - Für dein, das andre für des Schicksals Eigentum. - -Und als Hauptspruch den schon benutzten (ähnlich auch von Epicharmos): - - Sterblichen geziemt es, sterblich auch gesinnt zu sein. - -Und sicher fällt meinem Leser noch Horatius’ Ermahnung ein: „Quid -sit futurum cras fuge quaerere, quam fors dierum cunque dabit, -lucro appone.“ In einer Rezension des Gilgames-Epos der Babylonier -(vielleicht aus mehr als 2000 v. Chr.) sagt Sabitu (eine Göttin, die am -Rande der Welt wohnt) zum Helden: - - Als die Götter die Menschen schufen, - Setzten sie den Tod für die Menschen ein, - Das Leben aber nahmen sie in ihre Hand. - Du, Gilgames, dein Leib sei gefüllt, - Tag und Nacht vergnüge dich! - Täglich mache ein Freudenfest! - Tag und Nacht tanz und juble usf. - -Ähnliche Lehren finden wir in dem ägyptischen sogenannten Harfnerliede, -dessen Inhalt aus etwa 1700 v. Chr. stammt. Es wird geschildert wie -Menschen, Städte und Länder vergehen, und dann rät der Dichter: - - Folge deinem Herzen, solange du lebst, - Leg Myrrhen auf dein Haupt und kleide dich in feines Linnen, - Gesalbt mit den ächten Wundern der Gottesdinge. - Sei noch fröhlicher, laß dein Herz nicht ermatten, - Folge deinem Herzen und deinem Vergnügen, - Verrichte deine Sachen auf Erden und quäle dein Herz nicht, - Bis jener Tag des Wehgeschrei’s zu dir kommt kommt -- - Denn Osiris hört ihr Schreien nicht -- - Und die Klage errettet niemanden aus dem Grabe. - -Alles dieses klingt so allgemein menschlich aus urältester Zeit, und -klingt noch heute. - -Es ist nur ganz natürlich, daß der Mensch gerne sein Schicksal -erkennen möchte. Die Chaldäer vornehmlich haben dazu die ~Astrologie~ -geschaffen, die sich aber fast überall auf der Erde vorfindet, sei es -daß die Gestirne, als Gottheiten, in ihrer Stellung bei der Geburt und -später, ihren Willen kundtun, sei es daß höhere Mächte das Geschick -wie Schrift am Himmel ordnen (S. 179). Es wird jedem Stern an sich -eine Bedeutung für das menschliche Wesen und für die Welt beigemessen --- wer denkt nicht an den Stern bei Christi Geburt! -- und auch in -Verbindung mit den anderen Sternen. Und es gilt, aus der Kombination -der Sterne das Wahre zu erraten, oder am Himmel wie in einem Buche -zu lesen. Das verstehen nicht alle, sondern nur gewisse Leute. Sonst -hat die Menschheit noch die ~Orakel~ der Gottheiten ausgebildet, -wofür die Griechen wohl die merkwürdigsten Beispiele besitzen. Oder -~Wahrsagungen~ durch Geister Verstorbener, oder von weisen Männern und -Frauen, -- die Beschwörung der Hexe von Endor, zu der der gewaltige -und unglückliche Saul wandert, gehört hierher. -- Auch Zeichen an -Tieren, namentlich bei den in dieser Hinsicht recht törichten Römern, -die sich von ihren eigenen Deutern verspotten lassen mußten, oder -solche an Gewitter, Wind und allen möglichen Begegnissen spielen eine -große Rolle. Von diesem allen zu sprechen ist nicht meine Aufgabe. Die -„Geheimlehre“ ist eine sehr ausgebreitete Wissenschaft mit Horoskop, -Beschwörung, Hölzchenwerfen, Kartenlegen und allem so sonderbaren -Unfug, Zauber und Spuk. Sie hat noch jetzt, wie die vielen Prozesse -zeigen, die dabei doch immer nur flagrante Fälle treffen, eine -außerordentliche Bedeutung in vielen, nicht selten geistig sehr wenig -gebildeten oder von Aberglauben durchsetzten Kreisen. Ich wüßte aus -meinen Kreisen die unglaublichsten Dinge zu erzählen, wie ein, an sich -ganz verständliches Drängen des Menschen, seine Zukunft und die Folgen -seines Tuns und Lassens zu erkennen, zu größten Albernheiten ausartet. -Wieviel Unheil die griechischen Orakel angerichtet haben, meist durch -Zweideutigkeit, oft auch durch Dienstfertigkeit gegen eine Person oder -einen Stamm, wie des delphischen Orakels gegen die Spartaner, ist -bekannt. Aber die erleuchtetsten Geister der Griechen haben doch an -sie geglaubt. Da ist es nicht zu verwundern, wenn Ägypter, Chinesen, -Amerikaner, Indier usf. gleichfalls an solche Dinge glaubten, und daß -Weissagungen zu Staatseinrichtungen wurden. Der delphische Gott hat -fast die ganze alte Kulturwelt, bis tief nach Asien hinein und bis zu -den Säulen des Herakles durch seine Aussprüche beherrscht. Wir kennen -deren eine große Zahl. Und wie gerne denkt man an die Prophezeiungen -der gewaltigen Propheten mit ihrer so immensen ethischen und -religiösen Bedeutung! Und, in weitem Abstande freilich, doch zum Teil -von poetischem Geist getragen, stehen die sibyllinischen Weissagungen, -aus so viel späterer Zeit. Auch in den babylonischen, ägyptischen -und anderen Texten haben wir Prophezeiungen, namentlich aber viele -Beschwörungen von Göttern und Dämonen. So sehr bildeten diese einen -Bestandteil des Lebens, daß sie sich zu Formeln verdichteten, in die, -ähnlich wie bei den Bittliedern (S. 184), nur der jedesmalige Name des -Gottes oder Dämons des ~Beschwörenden~, oder desjenigen für den etwas -beschwört werden sollte, und die Bitte (z. B. um Heilung von der und -der Krankheit) einzutragen war. So beginnt ein babylonischer Text: - - Ich rufe euch an, ihr großen Götter, - ... Gott und Göttin, Herrn der Erlösung, - Wegen NN, Sohnes des NN, dessen Gott NN, dessen Göttin NN ist, - Der krank und zerschlagen, voll Trauer und Kummer ist. - -Und bei solcher Beschwörung wurden, harmlos genug, Blüten, Früchte, -Wolle usf. verbrannt. Eine der großen babylonischen Beschwörungen -unter dem Namen Ea und Atrahasis (S. 161), betrifft Unheil und Sünde, -die das ganze Land ergriffen haben, und Plagen, die Ellil gesandt -hat, richtet sich aber wesentlich auf Hilfe für schwangere Frauen. Ea -und Atrahasis scheinen die Helfenden zu sein. Selbst die Gottheiten -benutzen bei ihrem Tun Beschwörungsformeln; in demselben Text bilden -(symbolisch?) Ea und die Göttermutter Mami oder Aruru Wesen aus Lehm, -dabei spricht Mami eine Beschwörung und speit auf den Lehm. Bei dieser -Beschwörung spielen sieben „Mütter“ (man denkt unwillkürlich an die -Mütter im „Faust“) eine Rolle. Selbst Ormuzd bedient sich einer -Beschwörungsformel, des Honover, gegen Ahriman und stürzt ihn dadurch -zu Grunde. Die ungeheure Bedeutung des Spruches bei den Indiern habe -ich mehrmals hervorgehoben. Und der Römer konnte ohne ~Abwehrformeln~ -überhaupt nicht leben; wie auch gegenwärtig der Bauer, und nicht bloß -dieser, gegen Beschreien, bösen Blick, Katzen, die ihm über den Weg -laufen u. a. Abwehrformeln murmelt oder sich bekreuzigt. - -Mit derartigen Anschauungen hängen dann die der ~Dies nefasti~ -zusammen, der Tage, die an sich voll Unheil sind, und an denen nichts -unternommen werden darf, sowie ihrer Gegensätze, der ~Dies fasti~, der -guten Tage. Die Kalender in allen Teilen der Erde hatten die Aufgabe, -diese Tage anzumerken. Und Priester und Wahrsager wurden bei großen und -kleinen Unternehmungen benutzt, durch Vogelschau, Opfer und sonstige -Anzeichen festzustellen, ob der betreffende Tag dazu auch geeignet -sei. Die Geschichte der Völker ist voll von Beispielen dafür. Auch die -Sabbatvorschriften, für die die Bibel einen so menschenfreundlichen -und edlen Zweck angibt, die Ruhe von Mühe und Arbeit für sich und alle -anderen, selbst für das arbeitende Vieh, beziehen sich anderweitig -vielfach auf schlimme Tage. Ein babylonischer Text, den man als -Sabbatvorschrift bezeichnet und der in der Tat für den 7., 14., 19., -21. und 28. des Schalt-Ellul das Kochen von Fleisch, das Anziehen -eines Hemdes, das Opfern, das Fahren, das Wahrsagen, das Behandeln von -Kranken, jede Unternehmung verbietet, wie etwa am Sabbat der Hebräer, -beginnt aber mit der Überschrift: „Ein böser Tag“. Es ist also kein -Sabbat, kein Sonntag, der ja ein feierlicher und glücklicher Tag sein -sollte und war und ist. Auch die Folge im Monat zeigt dieses; zwischen -dem 14. und 19. sind nur fünf, zwischen dem 19. und 21. gar nur zwei -Tage. Und unsere „Freitage“ und „Dreizehnten“! Selbst die gleichfalls -auf der ganzen Erde verbreiteten ~Speiseverbote~ gehören bis zu einem -gewissen Grade hierher, soweit sie nicht einheimischen Anschauungen -ihre Entstehung verdanken. Doch kann ich darauf nicht eingehen. - -Im ganzen nimmt die Freiheit des Menschen zu, wie die Zahl der -Gottheiten abnimmt und der monotheistische „Knecht Gottes“ ist sicher -freier als der polytheistische „Bildner“ seiner Gottheiten. Das liegt -auch daran, daß nicht, wie unter Menschen, mit der Macht des Einzelnen -die Unterdrückung und so oft auch die Ausnutzung wächst, sondern daß -der Glaube an die Fürsorge aus dem donnernden und gefürchteten Gott -einen, wenn auch strafenden, doch gütigen Vater im Himmel macht, trotz -der vielen Erfahrungen, die hier so bewegend widersprechen. - - -22. ~Nachleben und Jenseits (Eschatologie) der Kulturvölker.~ - -Wir kommen zu einer recht schwierigen und umfangreichen Untersuchung, -aber einer von der höchsten Bedeutung. Wie die Naturvölker über -~Nachleben~ und ~Jenseits~ denken, habe ich oft und eingehend -auseinandergesetzt (auch Abschnitt 14). Wir haben es jetzt mit den -Kulturvölkern zu tun. Daß auch bei ihnen Reste naturmenschlicher -Anschauungen auf diesem Gebiete in reichlicher Zahl sich finden, -habe ich gleichfalls schon dargelegt und mitgeteilt. In der Tat ist -im Grunde jedes Nachleben mit irdischem Fühlen, Denken und Bedürfen -an sich naturmenschlich, und nur die hinzukommenden ethischen Motive -und ethischen Veranstaltungen können Kulturelles begründen. So sehen -wir denn auch im allgemeinen rein Naturmenschliches mit Kulturellem -gepaart und gemischt. Drei Hauptanschauungen müssen wir vor allem -unterscheiden. In der einen Anschauung ist der Gestorbene für immer -tot, höchstens, daß er am Ende der Zeit auferweckt wird. Nach der -zweiten kann er als Dämon, Gespenst, Geist usf. aus gewissen Gründen -die Erde noch besuchen. Es handelt sich dann nur um Naturmenschliches, -das wir schon kennen. In der dritten Anschauung stirbt der Mensch -nur, um in anderer Gestalt wieder zu kommen. Das allgemeine Leben -ist kein einmaliges, sondern ein von Ewigkeit her bestehendes -Kommen und Scheiden der Seele, bis zum Eingehen in die letzte Ruhe -(Seelenwanderung, Metempsychose). Das ist dem nächsten Abschnitt -vorbehalten. - -Wir betrachten die erste Anschauung und müssen dabei sogleich ein Volk -gesondert behandeln, weil bei ihm die größten Zweifel noch ungelöst -vorhanden sind: die alten ~Hebräer~. Der bekannte Pentateuchausdruck -für das Sterben ist: „Sich zu den Vätern versammeln“. Wie das -animistisch gedeutet werden kann, ist bereits ausgeführt (S. 106). -Sonst finden wir die Angabe, die Seele oder der Geist, Nephesch oder -Ruach, als das von Gott dem Staubgebildeten Eingehauchte, verlasse -den Menschen im Sterben; der Leib werde zur Erde. Der „Prediger“ -in seinem Pessimismus sagt: „Allen Lebenden ist Hoffnung, denn es -ist besser um einen lebenden Hund als um einen toten Löwen“. Und er -spricht den Toten jeden Anteil ab „an allem, was unter der Sonne -geschieht“. Selbst den Lohn empfangen sie nicht, „sie wissen nicht das -geringste“. Das wäre also absoluter Tod. Aber wie unsicher sich der -„Prediger“ fühlt, zeigt die Äußerung: „Alles geht an einen Ort, alles -ward aus dem Staube und alles kehrt zurück zum Staube. Wer kennt den -Geist (Ruach) der Menschensöhne, ob er in die Höhe (Maala) steigt, -und den Geist des Viehs, ob er hinuntersinkt zur Erde (Arez)“. Und -diese Unsicherheit finden wir fast überall bei den alten Hebräern. Der -Aufenthaltsort des Toten ist der Scheol, Tachat; aber es ist schon -nicht gewiß, ob wir darin einen Hades, Orcus zu sehen haben oder nur -das Grab des Betreffenden. Das erstere scheint das allgemeinere, doch -sind die Epitheta auf Grab wie auf Totenreich anwendbar: die „Öde“, -die „Verborgenheit“, „einsame Gruft“ usf. Im Hiob, Kap. 10, wird vom -„Land der Finsternis und Todesschatten“ gesprochen, auch vom „Land -des Grauens, ein Dämmerungsdunkel, wo es graut wie Dämmerungsdunkel“. -Im Jesaias werden die „Pforten der Unterwelt“ (Schaare Scheol) -genannt. Und die Toten heißen „Bewohner der Nichtigkeit“. Solche und -ähnliche Angaben deuten wieder mehr auf eine besondere Unterwelt. -Die Geschiedenen werden meist als Rephaim, die Kraftlosen, Matten -bezeichnet oder als Zalmaweth, Schatten, Bilder; letzteres fast -genau den griechischen εἴδωλα entsprechend. Und überhaupt gleichen -diese Anschauungen in merkwürdiger Weise den griechisch-römischen, -ohne die späteren Ausschmückungen. Von Lohn oder Strafe sind in den -alten Schriften keine rechten Spuren zu finden. Bei bewußt- und -empfindungslosen Seelen würden sie auch keine Bedeutung haben. Um -so höher muß man eigentlich Anschauungen einschätzen, wenn sie die -Menschheit Recht, Sitte und Liebe lehren wollen, ohne Drohen mit ewigen -Strafen und ohne Verheißung ewigen Lohnes. Auf Auferstehung der -Toten deuten Aussprüche wie Jesaias 26, 19: „So mögen aufleben deine -Toten, meine Leichen wieder erstehen: Erwachet und jubelt, Bewohner -des Staubes! Denn Tau auf Pflanzen ist dein Tau, aber die Erde wirft -Schatten nieder“. Erst nach der Rückkehr vom Exil scheinen sich die -Ideen von Hölle und Paradies zu bestimmten Anschauungen ausgebildet zu -haben. Schon solche Stellen wie Psalm 17, 15: „Ich aber werde schauen -in Gerechtigkeit dein Antlitz, der Wonne Fülle haben, wenn ich erwacht, -an deinem Bilde“. Psalm 16, 10, 11: „Denn nicht überläßt du meine Seele -(Naphschi) der Gruft (Scheol), lässest nicht deine Frommen schauen die -Grube (Tachat). Den Pfad des Lebens wirst du mir kundtun; Fülle der -Freuden ist vor deinem Antlitz, Wonne in deiner Rechten immerdar“. -Psalm 26, 9: „Raff meine Seele nicht mit Sündern hin, mit Blutmenschen -nicht mein Leben“ u. ä. deuten darauf hin. Man weiß nur von wenigen -Psalmen, wann sie gedichtet sind; manche meinen übertrieben, alle seien -erst nach dem Exil entstanden. Genauere Angaben finden sich in den -Apokryphen und den Pseudepigraphen. In dem zweiten Makkabäerbuch (wohl -kurz vor Christi Geburt geschrieben, vielleicht schon um 100 vor Chr.) -handelt Kap. 7 von dem Martyrium der sieben Brüder, die die katholische -Kirche unter ihre Heiligen aufgenommen hat (die Reliquien werden im -Kölner Dom gezeigt), und dabei von Auferstehung und Leben im Himmel. Im -Kap. 12 wird erzählt, wie Juda’s Leute bei den bei Adullam gefallenen -Juden „unter dem Hemde Zaubermittel von den Götzen aus Jamnia gefunden -hätten“. Um das zu sühnen, sammelte Juda Geld und sandte es als Opfer -nach Jerusalem, „indem er auf die Auferstehung Bedacht nahm. Denn hätte -er nicht erwartet, daß die in der Schlacht Gefallenen auferstehen -würden, so wäre es Torheit gewesen, für Tote zu beten. Sodann zog er -in Betracht, daß dem in Frömmigkeit Entschlafenen der herrlichste -Gnadenlohn aufbehalten sei“. Zwischen 150 vor Chr. und 40 nach Chr. -soll das „Buch der Weisheit Salomonis“ verfaßt sein. Darin heißt es -von den Gottlosen: „Und nicht erkannten sie Gottes Geheimnisse, Noch -hofften sie einen Lohn des heiligen Wandels, Und wollten nichts wissen -von einem Ehrenpreis für makellose Seelen. Denn Gott hat den Menschen -zur Unvergänglichkeit geschaffen. Und ihn zum Bilde seines eigenen -Wesens gemacht. Durch den Neid des Teufels aber kam der Tod in die -Welt. Es erfahren ihn aber die, welche jenem angehören, der Gerechten -Seelen aber sind in Gottes Hand, und keine Qual kann sie berühren. -Nach dem Wahne der Unverständigen scheinen sie tot zu sein“. Nun kommt -etwas, das wie Glaube an Fegefeuer klingt: „Denn wenn sie auch nach -der Anschauung der Menschen gestraft werden, ist doch ihre Hoffnung -ganz von der Unsterblichkeit erfüllt. Und nachdem sie eine kurze Qual -überstanden haben, werden sie große Wohltaten erfahren, denn Gott hat -sie nur geprüft und hat sie seiner würdig befunden“. Das wird noch -weiter ausgeführt, und wie sie zuletzt auch die Heiden richten und über -die Völker herrschen. Es heißt dann: „Die Gottlosen aber werden ihren -Gesinnungen gemäß Strafe erleiden.“ Hier, und noch an anderen Stellen, -haben wir also Unsterblichkeit, Auferstehung, Belohnung nach dem Tode, -Läuterung, Strafe der Sünder. Alle Elemente, aus denen später das -Christentum die gewaltigen Dichtungen von Paradies, Hölle, Fegefeuer, -Auferstehung und Jüngstem Gericht geschaffen hat. Die Unsterblichkeit -ist jedoch noch an die Erfüllung von Gottes Geboten geknüpft. Und schon -im Daniel (vor 100 vor Chr.) heißt es in Kap. 12: „Und viele, so unter -der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, etliche zum ewigen Leben, -etliche zu ewiger Schmach und Schande. Die Lehrer aber werden leuchten -wie des Himmels Glanz, und die so viele Gerechtigkeit weisen, wie -die Sterne, immer und ewiglich“. Bald ist auch die Hölle als Gehinom -bekannt und das jüngste Gericht und ebenso die Totenbrücke (S. 192). -Der Talmud namentlich bildete die Lehren weiter aus. Interessant dafür -ist eine Legende. Ein römischer Kaiser fragte den berühmten Jehuda -Hanassi, wie das wäre; der Körper könne doch ohne Seele nichts, und die -Seele sei doch an sich ohne Leidenschaft; wer büße denn für Missetat. -Da antwortete der Talmudist mit einer Erzählung: Ein König hatte einen -Garten mit herrlichen Früchten und ließ ihn, um ganz sicher zu sein, -von einem Blinden und einem Lahmen bewachen. Aber der Lahme stieg auf -des Blinden Schultern, und indem er dessen Schritte lenkte, kamen -sie an die Früchte und stahlen sie. Wer war schuld? Der Blinde, der -die Früchte nicht sehen oder der Lahme, der nicht zu ihnen gelangen -konnte? Der König erkannte die List und bestrafte beide. „Ganz so wird -es auch Gott beim Jüngsten Gericht machen. Er wird die Seele wieder -in den Körper versetzen, damit sie gemeinsam der Strafe teilhaftig -werden für die Untaten, die sie eben gemeinsam verübt haben.“ Daß die -Bibel Menschen kennt, die weggenommen werden, wissen wir von Henoch -und Elias. Ich habe von dem vielen nur weniges anführen können. Was -steht nicht alles in dem wunderlichen und zum Teil so schönen Buche -Henoch (167-64 vor Chr.), an das die Apokalypse so sehr erinnert! Und -wie vieles in den älteren Büchern noch bis auf Jesaias! Und sicher sind -die späteren Ideen vom Leben nach dem Tode nicht ohne Anhalt an Lehren -der Bibel oder von Werken, die uns verloren gegangen sind, entstanden, -wenn man bedenkt, wie außerordentlich abweisend die Juden gegen -jedes Fremde, namentlich Heidnische, stets gewesen sind, trotz aller -äußerlichen Drangsale. Die Ideen des ~Christentums~ vom Leben nach -dem Tode brauche ich nicht auseinanderzusetzen; wir kennen sie alle, -haben sie in der gewaltigen „Göttlichen Komödie“ und in unzähligen -malerischen Darstellungen. - -Ea-bani, Gilgames’ Freund, träumt einen schweren Traum; ein Dämon -führt ihn in die „Behausung der Finsternis, die Wohnung Irkallas (des -Totengottes)“ - - Nach der Behausung, die man betritt ohne wiederum hinauszugehen, - Nach dem Wege, dessen Bahn sich nicht zurückwendet, - Nach der Wohnung, dessen Bewohner das Licht entbehren, - Wo Erde ihre Nahrung, Lehm ihre Speise; - Bekleidet sind sie wie Vögel mit Flügelkleide - Und das Licht schauen sie nicht, in Finsternis wohnen sie. - -Das ist die erste ~babylonische~ Beschreibung der Unterwelt und ihrer -Toten. Und es finden sich in der Unterwelt alle Menschen: Tiarenträger, -Hohepriester und Priesterknechte, Beschwörer und Bettelpriester, -Helden und Feige. Eine fast wörtlich gleiche Beschreibung gibt die -berühmte „Höllenfahrt der Istar“. Die Unterwelt heißt Kurnugea (Land -ohne Rückkehr). Und die Todesgöttin Ereskigal selbst sagt, daß das -Los der Toten bejammernswert ist. Warum Istar die Unterwelt besucht, -ist nicht gewiß; sie erzwingt sich vom Pförtner Einlaß durch die -Drohung, die Tore zu sprengen und die Toten herauszulassen. Auf -Ereskigals Befehl öffnet der Pförtner und soll Istar „gemäß alten -Geboten“ behandeln. Durch sieben Tore muß sie wandeln und an jedem -wird ihr vom Pförtner ein Teil ihres Schmuckes und ihrer Bekleidung -fortgenommen. Als sie vor der Todesgöttin steht, ist sie gänzlich -entblößt. Sie fährt drohend gegen diese auf, wird aber auf deren Befehl -vom Vezier Namtar, der auch Krankheitsdämon ist, eingeschlossen und -mit sechzig Krankheiten behaftet. Da hört alle leibliche Liebe auf -Erden auf und alle Befruchtung und Fortpflanzung. Samas weint darob vor -Sin (Mondgott und Istars Vater) und Ea, und letzterer schafft einen -babylonischen Orpheus, Asusu-namir, einen Spielmann. Dieser soll vor -Ereskigal spielen, bis sie sich erfreut, und dann den Schlauch mit dem -Lebenswasser verlangen. So geschieht’s. Ea’s Geschöpf wird zwar wegen -der angewandten List verflucht, der Niedrigsten Niedrige zu sein. -Aber er erhält den Schlauch, Istar wird vor die Annunaki (Richter in -der Unterwelt) geführt, mit dem Lebenswasser besprengt und aus der -Hölle entlassen. An jedem Tore empfängt sie die ihr dort abgenommenen -Gegenstände. Das Gedicht ist in starker Unordnung, Greßmann meint, -durch Schuld des Abschreibers. Am Schluß steht etwas, das darauf -schließen läßt, daß die Toten auch zur Erde emporsteigen, und zwar in -den Klagetagen des Tamuz (Dumuzi), des babylonischen Adonis, den seine -Schwester Belili (eine Unterweltsgöttin, anstatt Aphrodite) beweint. -Der Unterweltsgott ist Nergal; er ist es in sonderbarer Weise geworden. -Die Götter veranstalten ein Mahl; da Ereskigal die Unterwelt nicht -verlassen darf, soll sie sich das Essen holen. Sie sendet ihren Vezier -Namtar hinauf. Alle Götter erheben sich vor ihm, nur Nergal (Gottheit -alles Schlimmen, der Sonnenglut, des Krieges, der Pest) bleibt sitzen. -Darüber ergrimmt die Todesgöttin und verlangt Nergals Auslieferung, -um ihn zu töten. Nach großem Jammern wird Nergal seinem Schicksal -entgegengesandt. Aber er nimmt sich vierzehn Geister mit und läßt -von jedem ein Tor der Hölle bewachen (hier sind also vierzehn Tore -vorhanden, nicht sieben). Nun stürmt er auf Ereskigal los und will sie -seinerseits töten. Auf ihr Bitten jedoch läßt er sie leben. Sie gibt -die „Tafeln der Weisheit“ (?) in seine Hand und wird seine Gattin, er -wird dadurch Gott der Unterwelt. Nergals Hauptkultort ist Kutha (wie -Marduks Babylon), danach heißt die Unterwelt auch Kutha. Es gibt noch -mehr babylonische Unterweltsberichte, aber neues ist nicht zu ersehen. -Die Unterwelt entspricht etwa dem Hades-Orcus. Totenrichter sind -vorhanden (die Annunaki), ein Totengott und eine Totengöttin herrschen, -eine Schreiberin und Dämonen aller Übel stehen ihnen zur Seite. Alfred -Jeremias sagt: „Die Anzeichen häufen sich, daß die Babylonier mit ihrem -Unsterblichkeitsglauben die Anschauung von einem Strafgericht bzw. -von einer Strafbefreiung nach dem Tode verbunden haben“. Und das ist -wirklich alles, was man einstweilen behaupten kann. - -Mehr wissen wir von den ~Ägyptern~. „Pyramidentexte“ (Zaubertexte, -die zwischen 2600 und 2500 v. Chr. in den Grabkammern der Pyramiden -eingegraben wurden, die toten Könige für das Jenseits auszurüsten) -und das „Totenbuch“ (wohl ebenso alt, vielleicht noch älter und dem -gleichen Zwecke dienend) geben Auskunft. Außerdem unzählige bildliche -Darstellungen. Das unterirdische Totenreich ist Amenti, das „Westland“, -oder Achernuti, die „heilige Unterwelt“, oder Aalu, „Schlangenfeld“. -Außerdem ist eine Art Elysium vorhanden, wie Sonnenberg, Am-Sesennu. -Doch kann das Totenreich auch jene Tiefe, untere Welt, Dat, sein. Sie -ist mit Dämonen und Ungetümen erfüllt. Der Tote, der sie von West nach -Ost zu durchwandern hat, muß sich durch alle Gefahren winden, und -besteht sie nur bei richtigem Kult auf Erden für ihn (S. 102). Sein -Geleiter ist Anubis (daher Hermes-Anubis, Hermanubis bei den Griechen). -Dieser hat ihn auch auf der Totenbarke über ein Wasser (entsprechend -dem Acheron) zu fahren. Alle Gegenstände, die der Tote trifft, selbst -die leblosen, muß er auf ihre Anfrage bei Namen nennen (S. 105). -Ist er zu den „Hallen der Wahrheit“ gelangt, so richten ihn Thot -und Anubis. Und Osiris, der eigentliche Herrscher der Tiefe, mit 42 -Richtern künden das Urteil. Ein ungünstiges vernichtet den Toten ganz. -Oder es treibt ihn zu Qualen, oder auf die Erde in Tiere, oder in die -Luftregion. Dort wird seine Seele von Stürmen gepeitscht und allmählich -geläutert (also eine Art Fegefeuer). Ein günstiges bringt die Freuden -des Jenseits. Der Tote zieht zum Sonnenberg (S. 181) im Osten (eine -Art Paradies), darf aber überhaupt seine Zukunft beliebig wählen (S. -102 f.). Im Totenbuch heißt es (der Tote spricht): „Ich bin angekommen -in dieser Welt der leuchtenden Geister, nämlich der Götter neben der -Sonnenwohnung“. „Offen stehen mir die Türen des Himmels, offen mir -die Türen der Erde, offen mir die Riegel des Erdgottes Qeb, offen das -erste Haus (die erste Zone des Sonnenlaufes).“ Bekannt ist, daß der -Tote sich mit jeder der Gottheiten identifiziert. „Ihr Vordergötter -reicht mir eure Hände; ich bin nämlich geworden zu dem, was ihr seid.“ -In unendlichen Wiederholungen spricht der Tote: „Ich bin Rā“, „ich -bin Tum“, „ich bin Osiris“ usf. und vindiziert sich alle Eigenheiten -des betreffenden Gottes, als sei er selbst dieser Gott. „Ich der Gott -Atumu, ich bin der Seiende. Ich war allein.“ „Ich bin der Lichtgott Rā -in seinen ersten Aufgängen.“ „Ich bin Gott, der Große, das Werden, er -selber.“ „Ich bin der gestrige Tag, ich kenne auch den morgenden Tag, -das ist Osiris.“ Lepsius sagt: „Der Gedanke lag durchgehends zugrunde, -daß der reine und gerechte Mensch zugleich ein Einzelwesen und zugleich -der höchste Gott selber sei, oder nur freiwillig die Existenz und Form -des einzelnen Menschen angenommen habe, mit dessen Tode aber in seine -göttliche Existenz zurückkehre... Der Gerechte würde also nach dem Tode -zum Gotte, er ginge in Gott selbst über.“ Vielleicht eilt das etwas zu -hoch; es entspräche dem Gedankenkreise der doch bei weitem tiefsinniger -und ethischer denkenden Indier. - -Wenden wir uns zu den ~Ariern~, so haben die eben genannten ~Indier~ -ihr Paradies mit allen Wonnen, ihre Hölle mit allen Qualen aufs -ausschweifendste ausgestattet. Wo die Gefilde der Seligen liegen, -und wo die Orte der Schrecken, ist schon erwähnt (S. 176). Das -höchste Paradies, das rein geistige, ist die Nirvana, von der später -gesprochen wird. Das göttlich-menschliche Paradies ist angefüllt mit -Gandharvenjungfrauen, schöngeformten Asparasen, prachtvollen Blumen und -Bäumen, Eß- und Trinkhäusern; überall Tanz, überall Gesang, Schatten, -Duft. In Sänften, auf Wagen und Elefanten kommen die Seligen zur -Behausung Yamas, des Herrschers, dessen Antlitz schöner als Lotos. -Und viele Paradiese sind übereinander, mit steigender Seligkeit, zu -denen die Menschen nach ihrem inneren Wert schweben. Die Hölle ist -grauenvoller, als die Paradiese schön sich bieten. Sie besteht aus mehr -Abteilungen untereinander als das Paradies übereinander; jeder Art von -Verbrechen ist eine Hölle zugewiesen. Eigenartig berührt es, daß die -Frauen den Männern in die Hölle folgen müssen, ob auch in das Paradies, -weiß ich nicht. Eine hübsche Sage im Krishnajogâras erzählt Wollheim -da Fonseca: „Einst floh eine von Tigern aufgescheuchte Gazelle aus dem -Walde, um ihr Leben zu retten, dem Palaste des Königs zu. Als der Fürst -sie kommen sah, erwachte die Jagdlust, und aufspringend tötete er die -Gazelle rasch mit dem Schwerte. Also brachte der König die bei ihm -Schutz Suchende um. Deshalb ist er mit seiner Gattin von dir (nämlich -dem Totenrichter Yama) zu bestrafen. Darauf ward nun der Fürst samt -seiner Gemahlin in die Hölle gebracht“. Der gleiche Verfasser teilt -auch nach dem gleichen Werke eine Schilderung der Höllenstrafen mit, -die ein erlöster König gibt: Hunger, Durst, Liegen in glühenden oder -umflammten Eisenbetten, Umarmen von Feuersäulen, Besprengtwerden mit -Höllenstein, auf Dornen wandeln, von Blutströmen überflossen werden, -von Tieren fortwährend zerrissen werden sind noch das Mildeste. Dante -hat nichts Schrecklicheres gesehen als jener indische König. Yama ist -der Totenrichter, Tschitraguptas der Toten-Staatsanwalt, Zeugen sind --- außerordentlich schön gedacht -- Sonne, Mond, Feuer, Äther, Erde, -Wasser, sogar Tageszeiten und Gesetz. Als Diener fungiert Tschandas mit -andern. Die Dauer der Höllenstrafe richtet sich nach dem Verbrechen, -die geringste beträgt 26 Jahre, die längste 800 Millionen Kalpas (zu -432 Millionen Jahre gerechnet), also bei weitem mehr als die Welt -selbst besteht. Eine vorzeitige Befreiung kann „durch Gebet, Opfer und -fromme Spenden der Nachkommenschaft“ (oder anderer) erzielt werden, -was bis zu einem gewissen Grade mit katholischen Lehren übereinstimmt. -Nach Verbüßung der Strafe tritt die Möglichkeit einer Läuterung ein, -indem die Seele eine Wanderung durch Körper unternimmt; sie beginnt -meist mit dem niedrigsten Tier und steigt zum Menschen empor, zunächst -in die verachtetste Kaste, um dann, wenn sie sich in Tugend bewährt, zu -den höheren Kasten und zuletzt in das Paradies (S. 181) zu gelangen. -Doch läutert auch schon ein heiliger Ort. Wie ein Sünderpaar, das aus -der Hölle entlassen zu Heuschrecken wurde und durch einen Sturm in den -Ganges geweht und in diesem so heiligen Wasser ertrunken war, sogleich -in das Paradies einging. Wir kommen darauf zurück. Die Anschauung von -der Hölle (späterer Name Naraka) ist viel jünger als die vom Paradiese. -In dem Rigveda wird nur allgemein von jener gesprochen, als von einem -tiefen Ort, dem Orte der niederen Finsternis, der Grube (Karta). -So heißt es IX, 73: „Der weise Hüter des Gesetzes läßt sich nicht -hintergehen, er hat Krinigar (das Gewissen) ins Herz gelegt; wissend -sieht er auf alle Dinge und schleudert die Bösen und die Ruchlosen in -die Grube“. Auch von dem Verschlungenwerden durch einen Wolf oder von -vieräugigen grauen Hunden nach dem Tode ist die Rede. Ebenso allgemein -sprechen die Upanishaden: „Es gibt in der Tat jene unseligen Welten, -welche in dichte Finsternis gehüllt sind; Menschen, die unwissend, -nicht erleuchtet sind (also Frevler), gehen nach ihrem Tode zu diesen -Welten“. Von Interesse ist, daß hier auch der Totenweg erwähnt sich -findet, der später als Brücke bezeichnet wird, also Totenbrücke ist. -„Derselbe Pfad führt entweder zu den Göttern oder zu den Vätern. Auf -beiden Seiten brennen immerdar zwei Flammen; sie versengen den, der -verdient versengt zu werden, und lassen den vorübergehen, der verdient -vorüberzugehen.“ - -Die Jenseitslehre, Eschatologie, der Indier ist mit dem obigen bei -weitem nicht abgeschlossen, wir werden ihr bald wieder begegnen. Die -der ~Eranier~ stellt sich relativ einfach dar. Drei Nächte verweilt -die Seele bei dem Körper zu seinen Häupten; in Lust und Wonnen, wenn -der Geschiedene gerecht gelebt hat, in Übelbefinden und Abscheulichem, -während der Dev Vajis, der Höllenwächter, sie ständig mit Schrecken -ängstigt, bei dem Ungerechten. Dann geht es auf gefahrvollen Wegen -zu der noch gefahrvolleren Cinvatbrücke, der Totenbrücke (S. 176). -Dort wird die Seele von Roshnu, dem Gerechten, nach ihrem Übeltun und -Wohltun gewogen. Für die gutbefundene Seele weitet sich die Brücke -viele Speerbreit, und jene geht ein nacheinander in die vier Paradiese -der guten Gedanken, guten Worte, guten Taten, endlosen Lichter, und -bleibt im letzten vor Ahuramazda in ewiger Freude. Die Seelen der Guten -(Ferver, Fravardin, Fravashi) sind die Helfer Ahuramazdas im Kampfe -gegen das Böse. Der Gott sagt zu Zarathustra (im Fravardin Yasht): -„Wenn die starken Schutzengel der Tugendhaften mir nicht Beistand -leisten würden, dann würden Vieh und Menschen, die beiden letzten der -hundert Klassen von Wesen, für mich nicht mehr existieren, dann würde -des Teufels Macht, des Teufels Ursprung beginnen, die ganze lebendige -Schöpfung würde dem Teufel gehören“. Eine so hohe aktive Bedeutung -haben die Guten. Den Schlechten zieht sich die Brücke fadenbreit -zusammen und sie stürzen in die Hölle. Der Dämon Vizaresha schleppt sie -dahin. Die Totenbrücke ist vom späteren Judentum und wahrscheinlich -auch von den Arabern übernommen. In einem hebräischen Werke des 10. -Jahrhunderts, das aber, wie Max Müller sagt, „Bruchstücke viel älteren -Datums enthält“, heißt es: „In dieser Stunde (des Jüngsten Gerichts) -ruft Gott die Götzen der Völker ins Leben zurück, und er sagt: ‚Jedes -Volk gehe mit seinem Gott über die Brücke des Gehinom, und wenn sie -über dieselbe gehen, so wird sie ihnen wie ein Faden erscheinen und sie -fallen in das Gehinom hinunter‘.“ Diese jüdische Ansicht soll nicht -von den Mohammedanern entlehnt sein, also wohl von den Persern. Die -Eranier kannten auch ein jüngstes Gericht und eine ~Auferstehung~, -~Apokatastase~, die mit dem Weltende (S. 166 f.) verbunden wird. Die -Auferstehung beginnt mit den Urwesen, Urmenschen und dauert 57 Jahre. -Sie ist eine körperliche: „Von der Erde werden die Knochen, vom Wasser -das Blut, von den Bäumen die Haare, vom Feuer der Lebenshauch, wie sie -in der Schöpfung ergriffen worden sind, zurückgefordert“. Die Seelen -erkennen die wieder aufgebauten Körper. Dann werden die Frommen von -den Gottlosen getrennt. Jene kommen in den Himmel, diese erleiden drei -Tage und drei Nächte körperlich in der Hölle Strafe. Darauf werden -alle Sünder in den durch den Weltbrand geschmolzenen Metallen (S. 166) -gereinigt. Die Frommen sollen die Schmelze nur wie warme Milch fühlen, -die Gottlosen aber wie glühende Schmelze. Und alles lebt vor Ahuras -Angesicht. Die Weltschlange Dahaka geht in der Schmelze unter, Ahriman -stürzt in die Tiefe. Ein allgemeines Opfer leitet die neue selige Zeit -ein. Jedenfalls haben wir es mit einem Unsterblichkeitsglauben zu tun. -Was Xenophon dem hinscheidenden Kyros in den Mund legt: „Mag ich nun -bei der Gottheit oder nichts mehr sein“, ist nicht persisch gedacht, -sondern griechisch-philosophisch. - -Die Anschauungen der ~Griechen~ und ~Römer~ von Unterwelt und Paradies -sind so bekannt, daß nur das Bedeutendste gesagt zu werden braucht. -Daß sie bis zu einem gewissen Grade den Anschauungen der Hebräer -gleichen, habe ich schon hervorgehoben (S. 183). Jedenfalls sind sie -im allgemeinen unerfreulich und wenig von ethischem Geiste getragen. -Vergehen gegen die Götter und Wohltun gegen die Götter spielen eine bei -weitem größere Rolle als Böses gegen die Menschen und Gutes gegen sie. -Indessen büßen die Danaiden doch für Gattenmord, und heißt es von dem -milden Menelaos in der Odyssee: - - Doch dir ist nicht geordnet, du göttlicher, o Menelaos, - Im roßweidenden Argos den Tod und das Schicksal zu dulden, - Nein, dich führen die Götter dereinst an die Enden der Erde, - Zu der elysischen Flur, wo der bräunliche Held Rhadamanthys - Wohnt und ganz mühelos leben die Menschen; - Nimmer ist Schnee da, noch Winterorkan, noch Regengewitter; - Ewig weh’n die Gesäusel des leis anhauchenden Westes, - Die Okeanos sendet, die Menschen säuselnd zu kühlen. - -Maßvoll wie der Grieche immer ist, sind auch seine Höllenstrafen -nicht so übertrieben und seine Paradiesesfreuden wesentlich Ruhe und -sorglose Bequemlichkeit. Doch kommen Menschen auch zu den Göttern -in den Olymp, steigen zu der Höhe der Halbgötter (es genügt, an -Herakles zu erinnern) oder werden als Gestirne an den Himmel versetzt. -Andererseits kennen die Griechen eine besondere Hölle sogar für Götter, -den Tartaros (S. 172). Eine Art Vorhölle ist die Asphodeloswiese, auf -der die Nichtschlechten = Nichtguten schattenhaft irren (S. 172). -Daß Menschen aus der Unterwelt auch zum Leben zurückgeführt werden -können, beweist das Beispiel der Alkestis. Bei Eurydike mißlingt dieses -nur durch Orpheus’ Unvorsichtigkeit. Erst spätere Zeit faßte das -Nachleben vom ethischen Standpunkte auf. Pindar hat viele Anspielungen -darauf. Seltsam berührt darunter die Behauptung, daß Menschen, -welche unglücklich gelebt haben, und doch rechtlich geblieben sind, -nach achtjähriger Läuterung im Hades von Persephone zur Welt wieder -entlassen werden, um dort starke, kluge und glückliche Regenten zu -werden. Das alles gehört zur Unsterblichkeit der Seele, die übrigens -Pindar auch ausspricht, und von der ja auch so viele Griechen überzeugt -waren. Aber darauf kommen wir noch zurück. Die Mysterien scheinen -wesentlich den Eingeweihten Hoffnung auf ein frohes Jenseits geboten -zu haben. Aussprüche von Platon, Sokrates, Cicero und anderen deuten -darauf hin. Polygnotos soll in Delphoi die Unterwelt dargestellt -haben. Trotz allem ist die Haltung der Griechen in der Frage der -Unsterblichkeit eine schwankende, selbst wenn wir von gewissen -überhaupt alles verneinenden Philosophen absehen. Oft schrumpft die -Unsterblichkeit zu dem bildlichen Bleiben des Ruhmes usf. zusammen. -Aber gewaltige Verfechter der Unsterblichkeit haben wir in Pythagoras, -Pindaros, Sokrates, Platon u. a., selbst in den Naturphilosophen (S. -231 f.). - -Die Römer haben manche Anschauung von den ~Etruskern~ übernommen. Diese -aber müssen eine Unterwelt voll Schauern gehabt haben, wie wir aus -den Bildern ihrer Grabkammern schließen können, in denen entsetzliche -Dämonen mit Schwertern, Hämmern, Feuerbränden u. a. die Toten -verfolgen, und aus der zahlreichen Schar ihrer Unterweltsgottheiten. -Ich darf auf das so schöne Werk von Dennis, „Cities and Cimeteries -of Etruria“ und auf das von K. O. Müller „Die Etrusker“ verweisen. -Wir wissen aber von der eigentlichen Religion der Etrusker gar zu -wenig und das Wenige gar zu unsicher, da dieses Volk so auffallend -vieles von den Griechen übernommen hat, selbst Namen der Gottheiten -(wie Aplu für Apollon). Mantus und Mania sollen Pluton und Persephone -entsprechen, Charun ist Charon. Vieles ist rein naturmenschlich; und -naturmenschlich, zum Teil mit allen Greueln, war auch der Totenkult. -Ich weiß nicht, wo ich einmal gelesen habe, daß Dante seine furchtbare -Phantasie in der Ausmalung der Hölle seiner toskanischen Abstammung -zu verdanken habe. Das Elysium der Etrusker scheint im ungestörten -Genuß der Lebensfreuden -- namentlich Tafelfreuden sind dargestellt -- -bestanden zu haben. - -Der Orcus des synkretistischen ~Römers~ ist bald die Unterwelt, bald -der in schrecklicher Gestalt angenommene Todesgott. Wenn man an den -griechischen Todesgott, Thanatos, an den milden Bruder des Schlafes -denkt, wird man kaum umhin können, die an Orcus sich knüpfenden -Schauer als aus Etrurien überkommen anzusehen. Rom war ja eine -Zeitlang in Etruskischer Abhängigkeit, fast etruskische Bundesstadt. -Dis pater und Proserpina sind die römischen Pluton und Persephone. -Die Menschenopfer, die in Latium dem Dis (auch dem Saturn, Vater des -Dis), ebenso noch anderen Unterweltsdämonen, gebracht wurden und die -Herkules durch Opfer von Bildern, Puppen, Mohnköpfen usf. abgelöst -haben soll, würden vielleicht auch auf etruskische Rechnung zu setzen -sein, wenn die Römer und Griechen nicht überhaupt Menschenopfer geübt -hätten (S. 97). Indessen soll in der Tat Dis pater oder Vatis eine -etruskische Unterweltsgottheit gewesen sein, wie auch die etruskische -Mania den Römern als Unterweltsgottheit diente. Von den Geistern der -Verstorbenen habe ich bereits gesprochen (S. 97 f.). Alles andere ist -fast ganz den griechischen Anschauungen nachgebildet, wenn es nicht -überhaupt graeco-italischer Gemeinbesitz war. Die Unterweltsfahrt -des Äneas bei Virgilius weicht, trotz der Nachahmung derjenigen des -Odysseus, von dieser in manchen Beziehungen ab; der späte Dichter wird -vieles hinzugeklügelt haben, um seine Erzählung mit neuem Schmuck zu -durchwinden. Und Virgil ist der Führer Dantes, so weit er als Heide -gehen darf, bis er von der Engelsgestalt der Geliebten Beatrice -abgelöst wird. Virgils Paradies ist also auch nicht unser Paradies, -sondern das griechische, seine Hölle hat aber einige Züge zu Dantes -Hölle geliefert. Lucanus, der Dichter der Pharsalia, soll einen -wirklichen Teufel der Unterwelt gekannt haben, einen Beelzebub. - -Die Unterwelt, das Niflhel der ~Germanen~, Hels Nebelreich mit den -Giftströmen kennen wir bereits (S. 173). Nastrand, Leichenstrand, heißt -diese Welt auch. - - Einen Saal sah ich stehen, der Sonne fern, - Auf Nastrands Flur; nordwärts stehen die Türen, - Es fallen Gifttropfen hinein durchs Fenster; - Dieser Saal ist geschmückt mit Schlangenhäuten. -- - Da sah ich waten durch schlammige Ströme - Meineidige Männer und Mordgesellen - Und die eines andern Geliebte verführten, - Da saugt Nidhoggr die Leichen der Toten, - Es zerfleischt der Wolf die Männer. - -Ähnlich sind andere Schilderungen. Die Totenherrscherin Hel, auch -Hellia, ist Tochter Lokis und der Schwester des Fenriswolfes und -einer „ungeheuren Schlange“. Und nichts gibt sie zurück, was ihr -zukommt. Selbst die Götter können ihr niemand entreißen, Baldr war -ihr verfallen. Übrigens wird die obige Schilderung der Voluspa schon -von christlichen Elementen durchsetzt sein. Spätere Sagen schmücken -Hel und Hels Reich weiter mit Furchtbarem aus. Hel ist halb schwarz -halb weiß; was sie besitzt, drückt unersättliche Gier aus. Zu ihrem -Reich führt nach neun Tagen Weges, der durch dunkle, tiefe Täler -geht, die die Dunkelelfen bewohnen, über den Fluß Giöll eine mit Gold -gedeckte Brücke, die eine Jungfrau Modgudhr, Seelenkampf, bewacht. -Den Fluß Giöll stellt Jakob Grimm mit der Lethe in Parallele. Die -Toten fahren oder reiten hin. So haben wir eine wirkliche Höllenfahrt -der Brunhild, und auch ein „Helreidr“ dieser Walküre, und das -Sternbild der Wagen (der große Bär) soll zuweilen Helwagen heißen. -Hel bedeutet übrigens die Göttin wie den Ort, was auch bei Hades und -Orcus der Fall ist. Die ursprüngliche Anschauung von diesem Reich -wird wohl einfach die eines Nebellandes gewesen sein, ähnlich der -homerischen vom Hades, eines Aufenthaltes der Toten allgemein, da -selbst Gottheiten hinziehen wie Baldr und Brunhild. Die Hölle wird -sogar als Herberge, Gasthaus, Valhöll, bezeichnet. Doch scheint die -Absonderung der auf dem Schlachtfelde gefallenen Helden zum Aufenthalt -im Göttersaal Odins, in Walhall, gleichfalls alt zu sein. Später -sind die Fürsten noch hinzugefügt, wovon schon die Vala in der Edda -spricht. Einen eigentlichen Todesgott hatten die Germanen nicht. Doch -sendet Odin seine Walküren in die Schlacht, die gefallenen Helden zu -ihm zu geleiten. Daß Wasser- und Meergeister, wie die Meergöttin Rân, -Menschen in den Tod ziehen, ist ein naheliegender Gedanke. Der Tod als -tötende Person ist eine späte Anschauung des Christentums; der ihm -gleichbenannte griechische θάνατος nimmt nur die Toten an sich. Und so -sind auch unsere so ergreifenden Totentänze ohne Beispiel im Altertum. -Ebenso ist der Höllenfürst eine späte, vielleicht dem Parsismus unter -Vermittlung des Judentums entnommene Anschauung (S. 149 f.). Aus allem -aber ist zu ersehen, daß die Germanen, wenn nicht eine allgemeine, -doch mindestens eine partielle Unsterblichkeit kannten. Und es ist -bemerkenswert, daß die Walhall bewohnenden Helden fast die Aufgabe der -eranischen Fravarshis (S. 192) haben, der Gottheit im letzten Kampfe -beizustehen. - -Von der ~slawischen~ Eschatologie weiß ich nichts zu sagen, bis -auf das schon erwähnte Naturmenschliche (S. 85 f.). - -Den ~Kelten~ werden Anschauungen beigemessen, die denen der Indier von -der Seelenwanderung entsprechen. Gewährsmann ist freilich Cäsar. Wir -haben davon schon gehandelt (S. 94), und kommen darauf noch zu sprechen -(S. 216). - -Wir kehren nach Asien zurück, um nur noch einiges zu behandeln. Der -heidnischen ~Araber~ Anschauungen waren rein naturmenschliche. Mohammed -jedoch hat unter dem Einfluß des Judentums und Christentums eine Hölle -und ein Paradies gelehrt; zwischen beiden einen Damm, auf dem sich -die Nichtschlechten = Nichtguten befinden, wie das Christentum eine -Hölle für die guten Heiden besitzt. So heißt es in Sure VII, Vers -39 ff. des Korans von der Sünde: „Ihnen sei Dschahannam, der Pfuhl, -und über ihnen seine Decken (aus Feuer), und also belehren wir die -Sünder“. „Diejenigen aber, welche glauben und das Rechte tun -- nicht -belasten wir eine Seele über Vermögen -- jene sollen des Paradieses -Gefährten sein und darin ewig verweilen.“ „Und zwischen ihnen ist eine -Scheide; und auf den Wällen sind Männer, die Alle an ihren Merkmalen -erkennen (die Höllengefährten sind schwarz, die Paradiesesgefährten -weiß); und sie rufen den Paradiesesgefährten zu: ‚Friede sei auf -euch‘, sie können es aber nicht betreten, wiewohl sie es begehren. -Und so ihre Blicke zu den Gefährten des Feuers gewendet werden, -sprechen sie: ‚Unser Herr, bring uns nicht zu den Ungerechten‘.“ Der -Koran kennt auch eine Auferstehung. Die Überlieferung, Sunna, hat -Mohammeds Lehren viel interpretiert und näher ausgeführt. So wird der -Tote schon im Grabe von Munkir und Nakir unter Folterung verhört. -Der dabei Rechtbefundene verbleibt in Ruhe und atmet Paradiesesluft, -der Sünder wird mit Keulen geschlagen und mit dem Grabe zerdrückt -(Eranische Sage S. 192). Am Tage des Jüngsten Gerichts wird vom Engel -Israfil die Posaune des Schreckens und die des Gerichts geblasen, da -vergeht zunächst alle noch lebende Kreatur. Nun versammeln sich alle -Seelen und gewinnen jede ihren Körper wieder, Mohammed erscheint an -ihrer Spitze. Gabriel hält eine Waage mit Schalen: Paradies und Hölle; -Keiner kann dem Anderen helfen, Jeder muß für sich allein stehen. -Gnade waltet nicht, nur Gläubigkeit und gute Taten entscheiden. Die -Ungläubigen verfallen überhaupt ewig der Hölle und Pein. Den Gläubigen -wird die Strafe nach Maß der Sünden bemessen. Nun müssen die Seelen -die Totenbrücke Serat beschreiten, sie ist scharf wie ein Messer und -heißer als Feuer. Sie spannt sich über dem Höllenschlund von der Erde -zum Himmel. Jeder Ungläubige und Sünder stürzt hinab. Mohammed mit den -Gläubigen und Rechtschaffenen überschreiten sie, denn ihnen breitet -und kühlt sie sich, während Engel zu beiden Seiten mit den Flügeln den -Abgrund verdecken. Im Himmel aber wird der Platz nach der Würdigkeit -zuerteilt. Der Gedanke der Totenbrücke ist höchst poetisch und von -Rückert in diesem Sinne bearbeitet. Er ist aber sicher, wie namentlich -die Einzelheiten zeigen, den Persern entnommen (S. 192). Die Hölle -hat sieben Stockwerke: je eines für milde Strafen der Mohammedaner -und für die Juden, zwei für Christen und eine gewisse Sekte von -ihnen, je eines für die Feueranbeter (Parsen), für Götzenanbeter, für -Ungläubige und Heuchler aller Religionen. Nur im obersten Stockwerk ist -die Strafe endlich, in allen anderen Stockwerken währt sie ewig. Vom -Paradies sagt schon Mohammed in der Sure LXXXIII des Koran: „Siehe, die -Gerechten werden wahrlich in Wonne sein. Auf Hochzeitsthronen (sitzend) -werden sie ausschauen. Erkennen kannst du auf ihren Angesichten den -Glanz der Wonne. Getränkt werden sie von versiegeltem Wein, dessen -Siegel Moschus ist -- und hiernach mögen die Begehrenden begehren -- -und seine Mischung ist Wasser von Tasnîm, eine Quelle, aus der die -Allah Nahestehenden trinken.“ Dieses ist dann mit aller derjenigen -glühenden Sinnlichkeit ausgeschmückt worden, die so großen Eindruck auf -naturmenschliche Gemüter macht und so außerordentlich zum erstaunlichen -Erfolg des Mohammedanismus beigetragen hat. - -Der ~Chinesen~ naturmenschliche Anschauung vom Nachleben und Jenseits -ist schon geschildert (S. 120 f.). Ob Konfucius ihr huldigte, ist -nicht gewiß. Er gebrauchte Fragenden gegenüber Ausflüchte. Wenn er -jener Anschauung zustimme, fürchte er, daß die Menschen über der -Pflege der Seele der Verstorbenen ihre eigene Seele vernachlässigen -möchten; wenn er ihr widerspreche, müsse er besorgen, daß die schöne -Pietät gegen Verstorbene verloren gehe. So ist denn auch oft behauptet -worden, daß die Lehre des Konfucius an sich nur das Diesseits betreffe, -nicht Strafe noch Lohn im Jenseits drohe und verspreche. Die Lehre -des edleren und geistigeren Lao-tsse ist mehr philosophisch und geht -auf eine schließliche Vereinigung mit dem Allgeist Tao (S. 220). -Aber Paradies und Hölle scheint sie gleichfalls nicht zu kennen. Die -Glückseligkeit beruht für den Guten in der Ruhe, mit der er dem Tode -entgegensieht, die Strafe des Bösen in der Angst vor dem Tode. Also -Paradies und Hölle hat jeder in sich, was ja auch die Ansicht sehr -vieler höchstgeistigen Europäer ist. Die Eschatologie der ~Japaner~ -wird trotz ihres schönen Göttersaales kaum eine andere sein. Von der -Eschatologie der ~amerikanischen Kulturvölker~ ist mir, abgesehen vom -Naturmenschlichen, schon Mitgeteilten (S. 124 f.), nichts bekannt -geworden. - -Der Rundgang zeigt, daß, bei aller Ähnlichkeit der Grundideen auf -der Erde, im einzelnen zwischen den Kulturvölkern doch erhebliche -Verschiedenheiten vorhanden sind. Selbst so nahe Stämme wie die -Indier und Eranier, die Hebräer und Babylonier weichen in ihren -Anschauungen über das Nachleben gar sehr erheblich ab. Und andererseits -bestehen Übereinstimmungen zwischen so fernen Völkern wie Hebräer und -Griechen-Römer. Nur das Gefühl von Unsterblichkeit der Seele, von Lohn -und Strafe findet sich fast überall. Hier mehr, dort weniger deutlich, -hier real, dort geistig gedacht, immer aber nach dem Leben beurteilt -und in den höchsten Religionen oft nicht viel anders aufgefaßt als -in den für uns niedersten. Einbildung auf seine Kultur ist nirgends -weniger angebracht als hier. - - -23. Seelenwanderung und Wiederbekörperung; Sansara, Nirvana. - -Ein höchst merkwürdiges Kapitel in der Lehre von den Anschauungen -der Menschheit bildet das in der Überschrift gekennzeichnete. Die -Anschauung von der ~Seelenwanderung~ und ~Wiederbekörperung~ mag -ihren Ursprung aus dem naturmenschlichen Animismus genommen haben. -Ihre eigentliche Bedeutung gab ihr jedoch die kulturelle Ethik und -die eschatologische Metaphysik. Wir tun am besten, sie sogleich -für dasjenige Volk zu schildern, das diese Anschauung am meisten -ausgebildet und am tiefsten durchdacht hat, die ~Indier~. Die -Anschauungen anderer Völker lassen sich leicht daran erklären. Das -Wesentliche ist, daß die Seele von je war (was auch Platons Ansicht -ist) und nur ständig die Körper wechselt, bis sie geläutert und -gereinigt (was das bedeutet, richtet sich nach der Lehre) zum ewigen -Seelenleben oder zur ewigen absoluten Ruhe eingeht. Danach steht der -Seele nach dem Tode zweierlei bevor: entweder ein neues körperliches -Leben oder ein Seelenleben, indem wir noch von der absoluten ewigen -Ruhe absehen. Sie hat zwei Wege: den Dêvayana, den Götterpfad, und -den Pitriyana, den Väter-Ahnenpfad. Vom Dêvayana lesen wir in einem -Upanishad -- die Upanishaden zählen wie die Veden, denen sie an Alter -fast gleich sind, die sie aber an geistigem Inhalt außerordentlich -übertreffen, während sie sie teilweise kommentieren, zu den heiligen -Büchern der Indier. Der Name besagt: „ein Niedersitzen zu Füßen des -Lehrers“ -- in Max Müllers Übersetzung: „Sie (die die höchste Stufe der -Vollkommenheit erreicht haben) gehen zum Lichte, vom Lichte zum Tage, -vom Tage zur Monatshälfte des zunehmenden Mondes, von der Monatshälfte -des zunehmenden Mondes zu den sechs Monaten, wo die Sonne nach Norden -geht, von diesen sechs Monaten zu der Welt der Devas (niederen -Götter), von der Welt der Devas zur Sonne, von der Sonne zur Stätte -des Blitzes. Wenn sie die Stätte des Blitzes erreicht haben, nähert -sich ihnen eine Person, nicht ein Mensch, und führt sie in die Welten -Brahmans. In diesen Welten Brahmans verweilen sie immer und ewig, -und es gibt keine Rückkehr für sie“. Was der Leser in dieser Angabe -nicht verstehen sollte, das vom Tage, dem Halbmonat, den Sechsmonaten -Gesagte, haben andere auch nicht verstanden; es scheinen hier uralte -Termini technici versteckt, deren Sinn verloren gegangen ist, und den -die Vedantaphilosophen in ihren Kommentaren (Sûtras) nur mit Zwang -und Mühe wiederherzustellen versucht haben. Das übrige aber ist klar. -Das wird in anderen Stellen und anderen Werken noch sinnfälliger und -genauer geschildert: wie, daß der betreffende Mensch durch die Sonne -hindurchgeht, ebenso durch den Mond, daß er die Welten der einzelnen -Götter durchmißt, einen Fluß Vigarâ (Nichtalternd) überschreitet, vor -die Halle (Vibhu) Brahmans gelangt, deren Hüter Indra und Pragapati -sind, und vor den Thron Brahmans tritt, dessen einzelne Teile als -Einsicht, Glanz, Umschau, Verstand, Geist usf. bezeichnet werden. Aber -das Wesentliche ist immer das gleiche: Eingehen der Seele in den Raum -zum höchsten Gott. - -Von den Nichtvollkommenen aber heißt es: „Sie gehen (bei der -Verbrennung, die hier vorausgesetzt ist) in den Rauch ein, vom Rauch in -die Nacht, von der Nacht in die Monatshälfte des abnehmenden Mondes, -von dieser Monatshälfte zu den sechs Monaten, wo die Sonne nach Süden -geht. Von den sechs Monaten gehen sie in die Welt der Väter, von der -Welt der Väter zum Äther, vom Äther zum Monde. -- Das ist Soma, der -König, das ist die Speise der Götter, die Götter nähren sich davon. -- -Nachdem sie dort solange verweilt als noch ein Rest (von guten Werken) -übrig ist, kehren sie auf dem Wege, auf dem sie gekommen sind, zum -Äther zurück, von da zur Luft. Wenn er (der Geist) zu Luft geworden -ist, wird er zu Rauch, nachdem er zu Rauch geworden ist, wird er zu -Nebel, nachdem er zu Nebel geworden ist, wird er zur Wolke, nachdem -er zu einer Wolke geworden ist, fällt er als Regen herab. Dann werden -sie (die Seelen) als Reis und Korn, Kräuter und Bäume, Sesam und -Bohnen geboren. Von da ist das Entkommen sehr schwer. Denn, wer immer -diejenigen, welche diese Speise essen und Samen ausstreuen, sein -mögen, er wird gleich ihnen. Diejenigen, deren Lebenswandel gut gewesen -ist, werden wahrscheinlich irgendeine gute Geburt erlangen, wie als -Brahmana oder als Kshatriya oder als Vaisya. Diejenigen aber, deren -Lebenswandel schlecht gewesen ist, werden wahrscheinlich eine schlechte -Geburt erlangen, wie als Hund oder als Schwein oder als Kandâla“. Auch -hier sind viele Abwandlungen vorhanden, ohne das Wesentliche zu ändern. -Namentlich haben Manu’s Schriften für jedes Verbrechen, für jede -Schlechtigkeit und Gedankenlosigkeit genau das Geschöpf angegeben, in -das die Seele eingehen muß. Diese Wanderung der Seele dauert so lange -fort, bis der Mensch in einem Leben es zur höchsten Vollkommenheit -gebracht hat. Die ganze Lehre ist verhältnismäßig einfach. Auch -wissen wir was Sünde, Vergehen, Gedankenlosigkeit usf. bedeutet. Die -Schwierigkeit liegt in der Bedingung der Vollkommenheit. Unzählige -Ausführungen und Bücher haben die Indier darüber geschrieben, aber -naturgemäß sind die Definitionen sämtlich negative. Als Grundprinzip -gilt: eine Seele ist von je und bleibt in alle Ewigkeit. Es kann -Seelen geben, die immer nur von Körper zu Körper gehen, denn es heißt -am Schluß des letzten Zitats: „Auf keinem dieser zwei Wege (Dêvayana, -Pitriyana) ziehen jene kleinen, oft wiederkehrenden Geschöpfe fort. Für -sie gilt der ~dritte~ Zustand, von dem es heißt: leb und stirb.“ Aber -auch sie haben keinen Anfang und kein Ende. - -Diese Lehre hat mehrere Erweiterungen erfahren, die sich alle auf -den letzten Zustand und auf die Vollkommenheit beziehen. Wir werden -später sehen, daß die Indier auch den Pandeismus gelehrt haben. -Der letzte Zustand besteht in dieser Lehre im Eingehen in die -betreffende Gottheit, Brahma oder Wischnu. So sagt in der Bhgavad-Gîtâ -Krishna-Wischnu, nach vielen Lehren über ein vollkommenes Dasein: - - Und wer zur Todesstunde mein gedenkt und so den Leib verläßt, - Der gehet in mein Wesen ein, das halte unbezweifelt fest. - -und an einer anderen Stelle: - - Durch sie wirst du mit mir vereint, befreit von der Geburten Zwang, - Mag auch die Schöpfung sich erneun, mag droh’n der Weltenuntergang. - -Und dieses wird noch in vielen Wendungen dringend eingeschärft. -Die Seele geht zuletzt dahin zurück, woher sie von je stammt, zur -Allgottheit. Was aber die Vollkommenheit betrifft, so schließt sie -nicht allein moralische und ethische Forderungen ein, sondern auch -solche, die sich auf die Affekte beziehen; es wird Freisein von -Affekten verlangt. In der gleichen Bhagavad-Gîtâ heißt es: - - Wer nie frohlockt und nimmer niemand haßt, wer nichts beklagt und - nichts begehrt, - Wen weder Glück noch Unglück rührt, auch der ist meiner Gnade wert. - (Auch) Wer gleich sich bleibt bei Freund und Feind, gleichgültig - gegen Freud’ und Leid, - Verachtung, Ehre, Kalt und Warm, vom Drang der Leidenschaft befreit, - Wer Lob und Tadel gleich erwägt, wen nicht die Sucht nach mehr - bewegt, - Wer keine Sorg um Obdach hegt, wes festen Sinn nichts mehr erregt... - -Der Mensch hat sich von den Schlacken des Lebens zu reinigen: - - Natur erzeugt die Wesenheit, die Leidenschaft, die Dunkelheit, - Und diese hemmen stets im Leib der ew’gen Seele Tätigkeit. - -Wie der ~Buddhismus~ derartigen Anschauungen noch eine besondere -Wendung gegeben hat, ist bekannt. Er hat die Lehre von der -~Metempsychose~ und ~Metensomatose~ zur letzten Ausbildung gebracht -und gleicherweise die Lehre vom letzten Zustand. Im Buddhismus spielen -die Gottheiten keine besondere Rolle; ihr Dasein wird nicht geleugnet, -nur ihre Bedeutung für Welt und Menschen (S. 182). Sie stellen selbst -nur einen Durchgangszustand dar im Leben des Alls, leben und vergehen -wie alles im All und haben es so nur mit sich zu tun, gleich jedem -lebenden Geschöpf. Es vermischt sich nun ein philosophischer Gedanke -mit ethisch-moralischen Betrachtungen. Das Leben, ganz allgemein, ist -ein Leiden, ob es unglücklich oder glücklich verläuft. Und ein Leiden -ist vor allem die Wiedergeburt. Dieses zu erkennen ist die erste Stufe -des Wissens. Die zweite aber besteht darin, daß man zu erkennen hat, -wie alles darauf gerichtet sein muß, nicht wiedergeboren zu werden. -Und dieses wird erreicht durch ein ethisch-moralisches Leben und durch -Abtötung jedes Willens nach Leben und Wiedergeburt, so zwar, daß ein -solcher Wille niemals auch nur in das Bewußtsein treten kann. Die -Taten sollen so sein, daß bei jeder Wiedergeburt der Mensch zu immer -höherer Stufe sich erhebt, denn es büßt der Mensch mit jeder Geburt -die Sünden und Mängel, und es genießt der Mensch die Folgen der Tugend -des voraufgegangenen Lebens: ~Karma-Gesetz~. Die Gedanken aber sollen -sich ganz in sich versenken, bis alles was das Leben bildet mit seinen -Leidenschaften, Gefühlen, Begehren, Anschauungen, Erwartungen, kurz -der ganze Wille im Leben und zum Leben vergangen und verklungen ist. -Wer so höchste Vollkommenheit und Abwesenheit jedes Lebenswillens -erreicht hat, geht zur absoluten Ruhe ein, in das Nirvana (ein Wort, -das schon in den Upanishaden für den letzten Zustand gebraucht wird), -das „Verwehen“ ein. Nicht daß die Seele sich verliert -- auch dem -Buddhismus ist alles was ist, ewig -- sie kommt in einen Zustand, -der dem Tod entspricht, in menschlichem Ermessen, das ja nur das -Leben kennt. Ein Zustand, in dem nichts vorhanden ist, was das Leben -ausmachte, zu dessen Einsicht also nur unendliche Abstraktion führt, -weshalb es auch oft mit „Nein, Nein“ erklärt wird, wie Brahma als -letzter Begriff. So lehrt die ~Dharma~. - -~Buddha~ ist bekanntlich unter dem Namen Gautama Sarvarthasiddha -als Fürstensohn zu Kapilavastu (um 623 v. Chr.) geboren. Bis zu -seinem 29. Lebensjahre hat er wie alle Fürstensöhne, wenigstens der -Volksidee nach, herrlich und in Freuden gelebt. Wie er also zu seiner -Leidensauffassung und Verneinung des Lebens kam, richtiger, sie -konsequenter ausbildete als schon vor ihm geschehen war? Er sah auf -einer Ausfahrt nach einem Lustgarten einen Greis „mit kahlem Haupt, -gebeugtem Körper und zitternden Gliedern. Bei einer zweiten Ausfahrt -gewahrte er einen unheilbaren Kranken, von Aussatz und Geschwüren -bedeckt, vom Fieber geschüttelt, ohne Führer und ohne Hilfe; auf einer -dritten einen von Würmern zerfressenen, verwesenden Leichnam am Wege. -Er fragte sich, wozu Lust, Tugend und Freude nützten, wenn sie dem -Alter, der Krankheit und dem Tod unterworfen seien.“ Da verläßt er -alles, zieht als Bettler durch die Lande und hört in allen Schulen die -Lehren der Priester und Forscher. Wie ihn nichts befriedigt, schließt -er sich in einen Wald ein, lebt in harten Kasteiungen und Bußübungen, -weshalb er Muni und, unter Hinzufügung seines Geschlechtsnamens, -Çakjamuni genannt wurde. Als er auch Kasteiung und Bußübung für -erfolglos erkennt, versinkt er in tiefstes Nachsinnen über den Grund -der Leiden und den Zweck des Lebens. Jetzt erst blitzt der richtige -Gedanke in ihm auf, als blitzender Strahl schießt er aus seiner -Stirne bis an das Ende der Welt. Und nun ist er Buddha (S. 139), -der „Erleuchtete“. Das ist Legende, aber wie sehr der Indier zu -Beschaulichkeit und Nichtigerklärung der Welt neigt, hat uns Rudyard -Kipling in einer seiner reizendsten Geschichten, vom höchstgestellten -Minister Purun Dass geschildert. - -Bei den ~Eraniern~ finden wir, was sehr seltsam berührt, nichts von -dieser Lehre der Seelenwanderung und Wiederbekörperung. Sie wird also -bei den Indiern wohl nach der Trennung von ihnen entstanden sein. Aber -am äußersten Ende Europas soll ein arisches Volk diese Lehre wenigstens -zu einem Teil besessen haben, die Kelten. Cäsar weiß davon. Er sagt in -„De bello Gallico“, VI, 14: „In primis hoc volunt (nämlich die Druiden) -persuadere; non interire animas, sed ab aliis post mortem transire ad -alios“. Das ist aber wohl das einzig Sichere; alles was sonst noch in -dieser Hinsicht von den Kelten und Druiden erzählt wird, ist Fabel oder -aus ungewissen Überlieferungen und späteren Bardenliedern erschlossen. -Die Seele soll nach dem Tode ihres Besitzers zuerst in die Lüfte zu -den Wolken schweben, letztere also sollen Sitz von Seelen sein. Wären -die Ossiangedichte altes Gut, so hätten wir einen Beweis für diese -Behauptung: „Meine Väter neigen sich herab von ihren Gewölken, zu -empfangen ihren graulockigen Sohn“, klagt Fingal nach dem Fall seines -geliebten Sohnes Oscar. Als Wolkengeister schweben sie über kämpfenden -Heeren und nehmen Teil an der Entscheidung, wie die Walkyren, die -ebenfalls Wolkengeister sind. Auch auf dem Monde weilen die Seelen, -ein Glaube, der weit verbreitet ist. Dort hausen sie unter Schnee und -Eis und vergessen alles vom vergangenen Leben. Bei Sonnenfinsternissen -kehren sie zur Erde zurück, werden von der Sonne erweckt und beginnen -ein neues irdisches Dasein. - -Von den Griechen haben namentlich die ~Pythagoräer~ und ~Platon~ die -Wiedergeburt gelehrt. Jene beschränkten die Seelenwanderung auf die -Tiere und Menschen; Pflanzen sollte eine Seele nicht zukommen. Zwischen -zwei Leben liegt ein reiner Seelenzustand, wie ja auch bei den Indiern, -Kelten und bei Platon. Ob dieser Zustand in Verbindung steht mit Lohn -und Strafe, die die Pythagoräer wie auch Andere lehrten, läßt sich -schwer entscheiden, denn bekanntlich hat sich durch Pythagoras’ Lehre -ein Wust von allen möglichen mystischen Ansichten ergossen. Eigenartig -noch ist die Meinung, daß die Seele nicht in jeden Körper eingehen -kann, sondern nur in den, der ihrer Harmonie (davon später) gemäß ist. -Im allgemeinen betrachteten sie, wie die Indier, die Verbindung der -Seele mit dem Körper als unwillkommen. Indessen sagten sie doch auch, -daß die Seele durch die Organe, die der Körper ihr bietet, Gelegenheit -zur Erkenntnis bekomme, und daß sie darum den Körper liebe, ein -Gedanke, der ganz und gar den Anschauungen der Indier widerspricht. -Pythagoras selbst soll Waffen im Heratempel zu Argos als die bezeichnet -haben, die er in einem früheren Dasein vor Troja geführt habe, und in -einem Hund die Seele eines verstorbenen Freundes erkannt haben; wenn -ersteres kein Märchen, letzteres kein boshafter Witz ist. - -~Platons~ Ideen von der Seelenwanderung sind namentlich in seinem -Phaidros auseinandergesetzt. Max Müller weist auf die, zum Teil -allerdings verblüffende, Übereinstimmung mit indischen Ideen hin; -namentlich die Lehre, daß die Seelenbekörperung neun Stufen hat, -entspricht der in Manu’s Gesetzbuch, wo gleichfalls neun Stufen -vorgesehen sind. Auch der Zwischenzustand der Seele zwischen zwei -Leben und der Endzustand muten stark indisch an. Platon hat alles in -ein mythisch-dichterisches Bild gekleidet. Er behandelt Menschen und -Götter in eins, was abermals indischem Verfahren entspricht. Das Bild -vergleicht die Seele „der zusammengewachsenen Kraft eines befiederten -Gespannes und seines Führers. Der Götter Rosse und Führer nun sind -selbst gut und guter Abkunft, die anderen aber vermischt.“ „Die Kraft -des Gefieders besteht darin, das Schwere emporhebend hinaufzuführen, -wo das Geschlecht der Götter wohnt.“ Sie wächst vom Göttlichen und -schwindet vom Bösen. „Der große Herrscher im Himmel, Zeus“ zieht mit -seinem Gespann den Himmel hinauf voran, ihm folgen alle Götter und -dann die Seelen, „wer jedesmal will und kann“. Zeus und die Götter -lenken leicht und sicher und schauen völlig alle Herrlichkeiten. Die -Gespanne der anderen Seelen aber steigen schwer und in Unordnung, so -daß die Seelen von den Herrlichkeiten gar keinen oder nur teilweisen -Genuß haben. Auf des Himmels Rücken angelangt und vom Umschwung -fortgerissen, blicken die Götter in das, „was außerhalb des Himmels -ist“ und sehen „farblose, gestaltlose, stofflose, wahrhaft seiende -Wesen“ und sie „lassen sich wohl sein, bis der Umschwung sie wieder -an die vorige Stelle zurückgebracht hat“. Die ganze Fahrt vollbringen -von den Menschenseelen einige, die der Gottheit am nächsten „folgten -und nachahmten“, wenn auch in Ängsten und Beschwerden und „kaum das -Seiende erblickend“. Andere erhoben sich bisweilen und tauchten dann -unter im Sträuben der Rosse. Die übrigen aber werden nur im unteren -Raume umhergetrieben, einander stoßend und drängend. „Und dieses ist -das Gesetz der Adrasteia“, sagt der Dichter-Philosoph, daß die Seele, -welche als des Gottes Begleiterin etwas vom Wahrhaften erblickt hat, -keinen Schaden erleidet und, soweit an ihr liegt, unverletzt bleibt. -Die Seele aber, die nichts sieht, fällt zur Erde und beginnt den -Kreislauf der Wiedergeburten, die also, wie schon bemerkt, neun Stufen -haben. Die besten können als weise Männer geboren werden, oder als der -Musen und der Liebe Lieblinge. Die folgenden als verfassungsmäßige oder -kriegerische Könige, dann die nächsten als Staatsmänner usf., bis zu -den letzten, welche das dem Griechen Verächtlichste werden -- Tyrannen. -Eine Seele kann mehrere Wiedergeburten erfahren. Die höchststehende -kehrt schon nach dreitausend Jahren dorthin zurück, woher sie gekommen -ist. Anderen Seelen mag dieses nicht unter zehntausend Jahren gelingen. -Innerhalb der Wiedergeburten, nach jedem Tode, kommt die Seele vor -das Gericht. Die böse verfällt dem unterirdischen Zuchtorte, wo sie -tausend Jahre Strafe erleidet, die bessere wird nach einer Stelle -des Himmels entrückt, wo sie, gleichfalls tausend Jahre, wie im -letzten Leben verweilt. Dann kann jede der beiden Seelen ihre fernere -Wiedergeburt frei wählen. Und so ist auch tierische Wiedergeburt -nicht ausgeschlossen. Der Philosoph leitet aus den Wiedergeburten die -Tatsache des Erinnerns ab, daß uns so manches, das wir zum erstenmal -sehen oder lernen, bekannt vorkommt. Die Ähnlichkeit der Platonischen -Anschauung mit indischer, sowohl in den Zwischenzuständen als im -Endzustand und in den Verwandlungen, ist nicht zu verkennen. Platon -ist von dieser Anschauung in anderen Schriften mehrfach abgewichen. -Gleichwohl muß sie für ihn doch grundlegende Bedeutung gehabt haben. -Wir sehen das an dem tiefen Ernst, mit dem ~Sokrates~, Platons -Wortführer, sie vorträgt. - -Es ist oft selbst von Griechen behauptet worden, daß Pythagoras und -Platon ihre Wiedergeburtanschauungen von den ~Ägyptern~ entlehnt haben. -Auch sagt Herodot von den letzteren: „Auch sind die Ägypter die ersten, -die den Satz aufgestellt haben, daß des Menschen Seele unsterblich -ist, und wenn der Leib vergeht, so fährt sie in ein anderes Tier, das -immer gerade zu der Zeit entstände, und wenn sie herum ist, durch alle -Tiere des Landes und des Meeres und durch alle Vögel, so fahre sie -wiederum in einen Menschenleib, der gerade geboren würde, und käme in -dreitausend Jahren herum.“ Wenn Herodot dann fortfährt: „Diese Meinung -haben einige Hellenen auch vorgebracht, die einen früher, die anderen -später. Ihre Namen weiß ich zwar, will sie aber nicht nennen“, so kann -er damit nur Pythagoräer und Orphiker meinen. Aber es ist immerhin -eigenartig, daß auch Platon die dreitausend Jahre hat, wenn auch nur -für die auserwählten Seelen. Eduard Zeller lehnt die Wiedergeburtslehre -für die Ägypter ab. Es ist für uns schwer, eine Entscheidung zu -treffen, da die Ägypter sehr viel vom Animismus in ihren Anschauungen -besaßen. Die außerordentliche Mühe, die die Ägypter sich gaben, ihrer -Seele Wohnstätten auf Erden zu beschaffen, spricht gegen den Glauben -einer Wiedergeburt bei ihnen. Der, freilich späte, Pausanias (zur Zeit -Hadrians und der Antonine) meint, die Griechen hätten ihre Anschauungen -von den Chaldäern und Indiern erhalten. Vielleicht hat er nicht so -unrecht. Klingt es nicht ganz indisch, wenn ~Empedokles~ sagt: „Ich -war bereits einmal Knabe, Mädchen, Pflanze, Vogel und flutentauchender -stummer Fisch“ und wenn er über das furchtbare Geborenwerden klagt? - -Es ist noch zu erwähnen, daß auch bei den ~Chinesen~ eine Schule des -Lao-tsse (S. 210) bestand, die Seelenwanderung und Wiederbekörperung -lehrte. Der bedeutende Mann sagt im Tao-te-king: „Wer nicht einsieht, -daß es eine Fortdauer gibt, und daß auch er fortdauere, der bereitet -sich durch seine Unüberlegtheit selbst Unheil. Wer aber von der hohen -Bedeutung der Fortdauer überzeugt und durchdrungen ist, der ist sicher -auch groß gesinnt, edel und vortrefflich“. Der Tod bedingt Auflösung -in die Grundstoffe. Aber hiernach erfolgt immer ein Wiederaufleben zu -einem neuen Zweck, zu einer neuen Bestimmung, zu neuem Leben. Lao-tsse, -der etwas später als Buddha blühte, ist in Indien gewesen, er wird -aus den dortigen Philosophenschulen manches gelernt haben. Aber sein -Taoismus ist doch kein Brahmanismus, geschweige gar ein Buddhismus. Es -ist, wie schon bemerkt, auch nicht zu ersehen, wie er sich das Ende -dachte, ob als ein Aufgehen im Tao, oder als überhaupt nicht vorhanden, -so daß die Wandlungen ins Unendliche fortdauern. - - -24. ~Seele und Unsterblichkeit, Leben-Reihe.~ - -Leicht erkennt der Mensch, daß das Leben nach zwei Richtungen -sich abspielt, nach der animalen und nach der geistigen. Früh ist -deshalb schon zwischen einer ~animalen~ Seele und einer ~geistigen~ -unterschieden worden. Der ersteren Seele Tätigkeit geht auf -Entwicklung des körperlichen Lebens, Erhaltung dieses Lebens, -Befriedigung der sinnlichen Begierden und Lüste und auf Zusammenleben -mit der äußeren Welt. Die zweite Seele hat es mehr mit dem Absehen -von dem körperlichen und äußeren Leben zu tun, und mit Denken, -Schließen und Erkennen. Platon hat von dieser zweiten Seele einen Teil -abgetrennt, den er θυμός (Mut) nennt. Wir wollen ihn mit „Verstand“ -bezeichnen. Er wirkt gegen die bösen und schlechten Triebe der ersten -Seele und leitet, im Gegensatz, die Wünsche und die Handlungen -zum Guten. Alsdann bleibt von der zweiten Seele das rein Geistige -übrig, der νοῦς, Nus, die „Vernunft“. Diese Dreiteilung nach Platon -(ἐπιθυμητικός, θυμός, νοῦς) erschöpft die Seelentätigkeiten zweifellos -nicht. Wenn aber die Stoiker eine Siebenteilung der Seele vornahmen -und davon fünf Teile an die Sinnentätigkeit vergaben (nach den fünf -Sinnesorganen), einen Teil auf die Fortpflanzung rechneten (wie die -Pythagoräer) und den letzten auf die Sprache, d. h. das Denken, so kann -dieses noch weniger befriedigen. Der Leser weiß, daß die Psychologie -meist eine Dreiteilung vornimmt: in Denken, Fühlen, Begehren, die -kaum für die Zwecke des reinen rationalen Teiles dieser Wissenschaft -ausreicht, und auf die übrigens auch nicht viel Wert gelegt wird. In -der Tat haben wir es hier mit Teilungen der Seele nur mit Rücksicht -auf die voraufgehenden Unsterblichkeitslehren zu tun. Denn naturgemäß -entsteht die Frage, was denn von der Seele unsterblich sein soll. Wir -wollen darum die Tätigkeit der Seele sorgfältiger unterteilen. Eine -eingehendere Untersuchung aller Seelentätigkeiten zeigt, daß man die -Seele für unseren Zweck, und wohl auch allgemeiner, in folgende Klassen -zerlegen kann. - -~Animale Seele~, zur Entwicklung, Erhaltung und Bewegung des Körpers. - -~Trieb-Seele~, zur Befriedigung von sinnlicher Lust und von Trieben. - -~Sinnen-Seele~, zum Wahrnehmen der Außenwelt und aller Reize an und in -unserem Körper. - -~Gefühls-Seele~, zum Empfinden der Affekte, wie Liebe, Haß, Zorn, -Mitleid usf. - -~Regulierende~ oder ~kategorische Seele~ (Bewußtsein, Kategorien, -Freiheit, Wille; Anschauungsformen). - -~Verstandes-Seele~ (Erkennen, Behalten, Erinnern, Wissen, Vorstellen u. -a.). - -~Vernunft-Seele~ (Sinnen, Denken, Schließen usf.). - -~Göttliche Seele~, ~Geist~, ~Glaube~, ~Intuition~. - -Über die vier erstgenannten Klassen ist nichts zu bemerken. Die -fünfte Klasse, deren Tätigkeiten wir auch insgesamt als Kategorien, -Stammtätigkeiten, bezeichnen können, gibt die Normen für alle -Seelentätigkeit überhaupt und zwar zwangmäßig. Unter dem Gesichtspunkt -des Bewußtseins kennen wir überhaupt nur die Tätigkeiten der Seele. -Nur das animale Leben bietet manche und sehr wichtige Tätigkeiten, -die unserem Bewußtsein sich entziehen. Die eigentlichen Kategorien, -wie Quantität, Qualität, Ursächlichkeit usf. regeln alle und jede -Wahrnehmung und Erfahrung und sind selbst für das animale Leben -unausweichlich. Freiheit wird allerdings als Kategorie von vielen -geleugnet. Eine Erörterung hierüber ist noch nicht am Platze. -Hier genügt es, daß alle unsere seelischen Tätigkeiten uns frei -~erscheinen~, selbst wo wir gezwungen werden. Wille endlich ist -die Einleitung mindestens zu allen bewußten Tätigkeiten. Welche -kategorische Bedeutung dem Willen zugeschrieben wird, weiß der Leser -aus Schopenhauers Philosophie. Endlich die Anschauungsformen, unter -denen wir und die Welt uns erscheinen, sind Raum und Zeit. Die Wirkung -der regulierenden Seele erstreckt sich also über alle Tätigkeiten der -übrigen Seelen. Über die sechste und siebente Klasse ist wiederum -nichts zu bemerken. Die achte Klasse hat im Sinne namentlich der -indischen, und überhaupt der theosophischen, Lehren hinzugefügt werden -müssen; ihre Bedeutung wird durch die Darlegungen im folgenden Buch -noch klarer als durch die Bezeichnung werden. Und nach den wichtigsten -Ansichten ist diese Klasse als Intuitionen enthaltend auch von der -Macht der regulierenden Seele auszunehmen. Die modernen ~Theosophen~ -scheinen diese Seele in drei Seelen abzustufen: Buddhi-Manas, der -Mensch als höchstes Prinzip; Buddhi, die Welt als höchstes Prinzip; -Atma, das höchste Prinzip überhaupt. Unsere sieben anderen Klassen -sind dann in vier untergebracht: Kama-Manas, die intellektuelle Seele, -Vernunft-, Verstandes- und regulierende Seele einbegreifend; Kama, die -Triebseele; Prana, die animale Seele; Linga-Scharira (der Ätherleib), -wohl die Sinnenseele. Die Namen sind indisch wie die Ideen. Der -Zerlegung der höchsten Seele in die drei Seelen kann man zustimmen. -Die Zusammenfassung der Vernunft-, Verstandes- und regulierenden -Seele scheint mir aber unzweckmäßig und lediglich der heiligen -Siebenzahl wegen erfolgt zu sein. Ich habe übrigens in meinem Werke -„Philosophische Grundlagen der Wissenschaft“ die Seelentätigkeiten -einzeln untersucht und sie in eine kanonische Tafel gebracht, -soweit sie für den dort entscheidenden Zweck nötig war. Die obige -Klasseneinteilung ist für das Allgemeine spezifizierter. - -Worauf bezieht sich nun die Unsterblichkeit? Auf die achte Seele unter -allen Umständen, und für diese ist die Unsterblichkeit eine absolute. -Das ist die Auffassung aller bisher behandelten Anschauungen. Der -Buddhismus scheint die absolute Unsterblichkeit auf diese Seele zu -beschränken, vermutlich auch der Wischnuismus, soweit er Pandeismus -ist (S. 229 f.). In diesen beiden Anschauungen würde es sich hiernach -für die übrigen Seelen nur noch um relative Unsterblichkeit und -Fortleben nach dem Tode handeln, bis sie nach der abgelaufenen Zahl -von Inkarnationen, Bekörperungen, annihiliert werden, oder, wohl -besser, sich selbst annihilieren, in der Weise, daß sie entweder -in Tat verschwinden oder in ein Anderes übergehen, das nicht mehr -mit Leben und Individualität in Verbindung steht. Schreiben wir -den Tieren und Pflanzen keine achte Seele zu, so wären diese von -der absoluten Unsterblichkeit ausgeschlossen. Das ist, glaube ich, -auch der Standpunkt unserer modernen Theosophen. Nach Platon bezöge -sich die absolute Unsterblichkeit auch auf die siebente Seele, da -er sie mit der achten zu der Vernunft-Seele zusammenfaßt. Jedoch -diese und die anderen Anschauungen können wohl eine absolute oder -relative Unsterblichkeit ohne die fünfte Seele nicht behaupten, diese -müßte immer mit einbegriffen sein. Die, nach Platon, am wenigsten -konzedierende Ansicht schreibt hiernach auch dieser fünften und dazu -der sechsten Seele absolute Unsterblichkeit zu, den vier anderen Seelen -nur relative. Aber Anschauungen wie z. B. die des Mohammedanismus -und Christentums, soweit sie ewige körperliche Strafen und ewige -körperliche Freuden als Belohnungen im Jenseits annehmen, müssen auch -für diese vier Seelen absolute Unsterblichkeit behaupten, also für die -Seele als Ganzes. Glauben sie, daß eine Seele schon für sich Pein und -Lust empfinden kann, so mag die erste Seele mit dem Tode schwinden -oder, bei Behauptung einer Wiederbekörperung, beschränkt fortbestehen. -Zugleich wird angenommen, daß, was absolut oder beschränkt fortbesteht, -immer beisammen bleibt, sonst würde ja die Individualität verloren -gehen. Bei einer Wiederbekörperung ändert sich dann nur die Person. -Aber die Individualität muß immer freier werden von den Schlacken -des materiellen, persönlichen Lebens, je mehr von dem nur beschränkt -Fortbestehenden sich annihiliert oder annihiliert wird, bis absolute -Freiheit davon eintritt, die Person für immer schwindet und die -absolute Unsterblichkeit nur noch das höchste Sein bedeutet. - -Fassen wir nun in der allgemeinsten Darstellung der oben behandelten -Anschauungen alle Vor-Leben, Leben, Nach-Leben zu einer ~Leben-Reihe~ -zusammen, mit verschiedenen Einzel-Leben, so träten also die acht -Seelen in den verschiedenen Leben in verschiedener Weise, Intensität, -in Tätigkeit. Jede von ihnen kann in einem Leben aufs äußerste -wirken, und in einem anderen Leben ganz zurückgedrängt sein, daß sie -wie nicht vorhanden erscheint. Und dieses kann auch im Einzel-Leben -der Fall sein; wir wissen ja, daß in unserem Körper-Leben in der -Tat die Seelentätigkeiten fortdauernd wechseln. Daher kann auch der -Unterschied zwischen Mensch und Tier und Pflanze, überhaupt zwischen -Mensch und jedem anderen Ding, aufgehoben werden, wie im Menschen -die verschiedenen Zustände schwinden. Und es ist kein Widerspruch, -wenn eine Lehre, wie die der Indier von der Metempsychose, die -Menschenseele auch in Tiere, Pflanzen und andere Dinge wandern und -ein neues Körper-Leben beginnen läßt. Die Gesamtheit der Seelen -bleibt, aber sie treten in der Tätigkeit teilweise oder ganz zurück, -so daß auch eine von ihnen oder zwei von ihnen, wie im Tiere die -beiden animalischen Seelen, ausschließlich wirken. Die ganze Reihe -soll aber, wenn sie auch Rückschritte aufweist, im wesentlichen -in der angegebenen Weise doch nach aufwärts führen, bis zuletzt -die animalischen Seelen ganz geschwunden sind, wenn auch das -Gesamtseelenindividuum sich noch bekörpert zeigt. In Buddhas Lehre -heißt das, bis der Wille zum (Körper-) Leben völlig erloschen ist. -Alsdann enthält die Leben-Reihe keine Körper-Leben weiter und das -Nach-Leben ist ein einziges, körperfreies. Diese nähere Ausführung -unter Spezialisierung der Einzelseelen habe ich zum zusammenfassenden -Verständnis der voraufgehenden nicht leicht zu durchdringenden -Anschauungslehren von Welt und Leben unternommen. Will der Leser von -Einzelseelen nichts wissen, so mag er darunter Tätigkeitsklassen der -Seele überhaupt verstehen. Das ändert an den Ausführungen nichts. -Er beachte aber immerhin, wie doch die fünfte Tätigkeitsklasse als -regulierend und kategorisch so ganz verschieden ist von allen anderen -Tätigkeitsklassen. Davon werde ich bei Betrachtung der sogenannten -materialistischen Anschauungen von Welt und Leben eingehend zu sprechen -haben. - -Von je ist danach gefragt worden, warum, wenn das Leben auch Vor-Leben -hat, wir von diesen nichts wissen, wenigstens nicht Alle etwas davon -wissen, wenn auch Einzelne, wie Pythagoras und Buddha, volle Kenntnis -davon gehabt haben wollen. Die schon erwähnte (S. 217) Tatsache, daß -wir beim Kennenlernen neuer Dinge wohl ~glauben~, sie schon zu kennen, -reicht, wie jeder sieht, durchaus nicht zum Nachweis hin, daß wir -etwas von unserem Vor-Leben wissen, ganz abgesehen davon, daß ja die -Vor-Leben überhaupt voneinander verschieden sein können und auch sein -sollen. Die einzige einigermaßen befriedigende Antwort haben wiederum -indische Weise gegeben, die ja, als die energischesten Verfechter der -Leben-Reihe, die Frage am meisten angeht, und an sie sich anschließend -unsere Theosophen. Wir können aber Frage und Antwort erst in einem -späteren Abschnitt behandeln. - -Den Eindruck wird aber, glaube ich, der Leser gewonnen haben, daß es -sich hier, wenn auch um zweifelvolle und vielleicht unrichtige, doch -um sehr großartige Anschauungen handelt, namentlich bei den in Indien -erblühten und später nach dem Westen verbreiteten von der Leben-Reihe -und ihrer Gipfelung im reinen absoluten Geistes- oder Gottes-Leben. -Wir lernen im nächsten Buch ihre mehr phantastische und im letzten -Buch ihre metaphysische Ausbildung kennen. Neben solchen Anschauungen -nimmt sich die von Paradies und Hölle philosophisch freilich recht -dürftig und derb naturmenschlich aus. Ob auch ethisch und erzieherisch, -ist allerdings eine andere Frage, denn die Leben-Reihe (~Sansara~ bei -den Indiern) ist gegen die Ruhe-Ewigkeit (~Nirvana~) aufs äußerste -herabgesetzt. - - - - -ZWEITES BUCH. - -Philosophisch-deistische und theosophische Anschauungen. - - -Zu den philosophisch-religiösen Anschauungen rechnen wir diejenigen -Lehren, bei denen Gott oder die Gottheit, oder eine wie eine Gottheit -wirkende Seele, den Mittelpunkt der Annahmen bildet, und wo zugleich -die Ordnung von Welt und Leben nach philosophischen Gesichtspunkten -betrachtet wird, rein religiöse Willkür ausschließend. Das Religiöse -lehnt sich an den Glauben, das Philosophische teils an Naturerkenntnis, -teils an metaphysische Begriffe an und strebt, alles mehr der ruhigen -Vernunft anzupassen. Manche der Anschauungen, die wir in diesem Buche -kennen lernen werden, liegen fast ganz im Bereiche der Dichtung. Eigen -ist ihnen allen aber die Erhöhung des Gottes- und des Seelenbegriffes -und die Bemühung, zwischen diesen Begriffen und der Welt mit dem -Menschen eine Verbindung herzustellen, die jenen Begriffen nicht zu -nahe tritt und doch Welt und Menschheit in keine zu unwürdige Stellung -bringt, ja im Gegenteil, Welt und Menschheit möglichst an jene Begriffe -anschließt. Die theosophischen Anschauungen haben ihre Grundlage, außer -im Glauben, in der Intuition. - - - - -DRITTES KAPITEL. - -Pandeistische und panpsychistische Anschauungen. - - -25. ~Pandeistische Anschauungen.~ - -Wenn auch nur durch einen Buchstaben (d statt th), unterscheiden wir -grundsätzlich ~Pandeismus~ vom Pantheismus. Die letztere Anschauung -rechnen wir zu den metaphysischen Anschauungen, während die erstere -noch an der Religion teilhaben soll. Sie ist eine Art gesteigerten, -vereinheitlichten und in das Göttliche übertragenen Animismus. Die -ganze Welt ist mit Seelengottheiten erfüllt, und diese Gottheiten -sind zu einer einzigen Welt-Seelengottheit (mitunter freilich auch -zu zwei solchen Gottheiten) zusammengeflossen, die alles durchdringt -und erfüllt und außer der Welt keine Bedeutung hat. Ansätze dazu -finden sich vielfach. Wir besprechen aber nur die hinreichend deutlich -hervortretenden Anschauungen. Daß einzelne Gottheiten Teile der Welt -sind, würde schon aus Naturmenschlichem folgen. Zeus soll ursprünglich -der Himmel selbst sein, Hera die Luft, Ge die Erde usf., Gottheiten -und Gegenstände zugleich (S. 127 f.). Hades, Orcus waren immer sowohl -Gott als Unterwelt, ebenso war Hel Göttin und Totenwelt. Von der -~ägyptischen~ Himmelsgöttin Nut wird gesagt, sie sei Lichtwohnung -der Sonnenscheibe, Halle des Mondes, die Sterne träten aus ihren -Lenden hervor und gingen in ihren Mund hinein, sie spanne und wölbe -sich über der Erde: alles völlig materiell. Ich verweise auch auf -das Bild S. 181, wo die Göttin als durchstirnte Frau im Doppelwinkel -gebogen erscheint, die Füße im Osten, die Hände im Westen auf die -Erde gestützt, den Rumpf in der Höhe gestreckt. Gleiches gilt auch -von dem Luftgott (Shu), dem Erdgott (Qeb), sie sind mit ihr auf -demselben Bilde zu Personen vereinigt. Aber bei den Ägyptern soll -sich der Pandeismus auch vollständiger ausgedrückt finden. Heinrich -Brugsch bringt dafür Belege. Er sagt: „Gott und das Weltall erscheinen -verbunden wie die Seele mit dem Körper. Gott ist ein Geist, der in -seinem kosmischen Hause wohnt, das er sich selbst gebaut hat“. Der -Name für Gott soll ägyptisch Nutr, Nuta, Nuti lauten, und dasselbe -besagen wie physis-natura, „die stets fortwirkende Tätigkeit des -Erzeugens und Hervorbringens“, zugleich auch das in dem Erzeugten -Enthaltene einbegreifend, also das Erzeugte und das es Erzeugende. Von -Gott (ob Amun, Rā, Osiris, Chnum usf.) wird nun in Inschriften außer -vielem, das ihn als den „Einen“, den „Urgeist“, den „Uranfänglichen“ -(auch „Anfangslosen“?), den „Ewigen“, den „Schöpfer“, die „Wahrheit“, -das „Leben“, den „Urvater“, die „Urmutter“, den „Barmherzigen“ usf. -bezeichnet, auch ausgesagt: „er ist der Schöpfer seiner Gestalt und der -Bildner seines Leibes“, „das Bleibende, das sich mehrt, ohne vernichtet -zu werden“, „der Eine, der sich millionenfach vervielfältigt“, „der -Himmel birgt seinen Geist, die Erde seine Gestalt und die Tiefe -verschließt sein Geheimnis“, „bleibend ist er, das Bleibende in allen -Dingen“, „das Bleibende aller Dinge (Menchet)“ usf. Diese und ähnliche -Angaben zeigen allerdings, daß die Ägypter auch einer pandeistischen -Anschauung sich genähert haben. Da aber Gott und die Gottheiten in -anderen unzähligen Angaben zweifellos nicht selbst die Welt sind, -sondern sie und ihre Teile errichten und beherrschen, handelt es sich -mehr um besondere, nicht einmal genau ausgeführte Ansichten, als um -allgemein anerkannte. - -Entschiedener tritt Pandeismus bei den ~Indiern~ hervor. So ist in der -Schöpfungsgeschichte, die von Brahmanaspati und Aditi ausgeht, Varuna -die ganze Welt. Die Erde, der Himmel, die Ozeane sind Varuna; Sonne und -Mond leuchten als seine Augen, der Himmel ist sein Leib, seine drei -Zungen sind Himmels-, Luft- und Erdenraum, er geht in seinen eigenen -Körper ein usf. Seine Gottheit tut er als Schöpfer seines eigenen -Leibes dar. In der Bhagavad-Gîtâ sagt Krischna-Wischnu dem Ardschuna -von sich: er sei aller Dinge Ursprung und Untergang, die Kraft in allen -Dingen und die Erscheinungen, Duft im Wein, Glanz in Sonne, Mond und -Gestirnen, Laut im Wort, sogar jeder Buchstabe, jedes Lied, Gebirg -Himalaja, Feigenbaum, Roß, Mensch, Schlange (überhaupt jedes Tier), -jede Jahreszeit. Wie er sich nachher Ardschuna als Gottheit zeigt, da -sieht dieser, außer unendlichem Strahlenglanz, „das Weltall in ihm -vereint:“ - - Alle Wesen, alle Götter, seh’ an deinem Leib ich hangen, - Brahma auf dem Lotussitz, samt den Sehern und den Schlangen, - Viel Gesichter, Arme, Leiber, viele Augen, du Gewaltiger; - Aber weder Ziel noch Anfang seh ich an dir, Vielgestaltiger... - -Dann wird geschildert, wie alles auch seinen Untergang in -Krischna-Wischnu findet; sein Mund nimmt die Menschenscharen auf, in -ihn strömen sie hinein wie die Flüsse in das Meer. Gleichwohl ist -nicht zu verkennen, daß auch hier die Verschmelzung zwischen Gott und -Welt keine absolute ist. Das Geistige, das Leben wird bei weitem mehr -betont als das Materielle, und oft wird von Gott wie außer und über -der Welt gesprochen. In anderen Fällen heißt es, in einem Upanischad, -vom Purusha als Weltprinzip: aus ihm sei alles entstanden und in -ihn kehre alles zurück, „aus ihm wird der Atem (Geist) geboren, das -Denkorgan und alle Sinnesorgane, Äther, Luft, Licht, Wasser, und -die Erde, die Trägerin von allem“. Auch hier jedoch findet sich ein -Zwiespalt, denn aus Purusha (Person) wird auch, nachdem er geopfert -ist, von den Göttern die Welt der Gegenstände und Erscheinungen -gebildet, wie bei den Germanen aus dem Riesen Ymir. Mehr in das Gebiet -des Metaphysischen, also mehr zum Pantheismus, gehört, was vom Brahman -gelehrt wird. Es ist ganz unpersönlich, ein Es, das Selbst der ganzen -Welt, wozu auch das einzelne Ding, der einzelne Mensch zählt. - - Was Eins ist, die Dichter nennen es mit vielen Namen; - Sie nennen’s Agni, Yama, Mâtarisvan. - -sagt ein Rigvedalied (164 des ersten Buches) von diesem Bráhman. Als -Brahmán wird es persönlich und dann kommen, wie in den anderen Fällen, -die Zweifel, indem die Welt auch als von ihm geschieden angesehen -werden kann. Im Atharvaveda wird gefragt: Von wem wurde diese Erde -geordnet? Von wem der obere Himmel geschaffen? usf. Die Antwort -lautet von Brahmán. Wenn das nicht alles aus sich heraus geschehen -ist, wäre Brahmán außerhalb der Welt. Sätze wie in einem Upanishad: -„Brahmán schwillt durch Hitze, daraus entsteht Nahrung (Stoff), aus -Nahrung Atem, Geist u. a.“ sprechen für die erstere Auffassung. Ganz -metaphysisch schon wird Prana (Geist, Atem, Seele, ψυχή) als Welt -bezeichnet. - -Unter den ~Griechen~ finden sich ähnliche Aussprüche erst bei den -Philosophen (und Orphikern). Auch diese Aussprüche sind insoweit -zweiseitig, als sie wie für Brahmán und Bráhman theologische und -metaphysische Bedeutung haben. Pandeistisch ist, wenn der Eleate -~Xenophanes~ (aus Kolophon um 580-492 v. Chr.) von Gott gesagt haben -soll: „Er ist ganz und gar Geist und Gedanke und ewig“, „er sieht ganz -und gar, er denkt ganz und gar, er hört ganz und gar (οὖλος δ’ορᾶ, -οὖλος δέ νοεῖ, οὖλος δέ τ’ἀκούει)“. „Das Eine und Weltganze (ἒν καὶ -πᾶν) fällt mit ihm zusammen“. „Gott ist mit allen Dingen mitgeboren.“ -Der Agrigentiner ~Empedokles~ (482-422 v. Chr.), den man auch zu den -Eleaten zählt, faßte die Welt in ihrem ursprünglichen Zustand als eine -in sich harmonisch geeinte Kugel auf, und nannte sie persönlich: „der -Sphairos“. - - Also steht er fest, im starken Busen des Einklangs, - Sphairos, rund und ganz vergnüglicher Ruhe sich freuend. - -Sphairos ist darum von manchen als der empedokleische Gott bezeichnet -worden. Und das gehörte dem Pandeismus an; wenn nicht Aristoteles recht -hat, wonach die Gottheit später entstanden sei als die Kräfte, die den -Sphairos sich in die wirkliche Welt umwandeln ließen (Zwietracht und -Streit). Bekannt ist, daß auch die ~ionischen Naturphilosophen~ -von einem mehr oder weniger belebten Urwesen ausgingen. Da aber dieses -Urwesen wohl als Seele aufgefaßt werden muß, sprechen wir davon im -nächsten Abschnitt. - -Die griechische Naturphilosophie ist durch die metaphysische -Spekulation, die Sophistik und die praktische Philosophie aufgehalten -und unterbrochen worden. Die Götter rückten in weite Ferne oder -wurden ganz wegdisputiert. Indem jedoch die Volksreligion sich -ungeschwächt erhielt und eher, aus dem Orient und Ägypten, neue -Elemente aufnahm als solche verlor, mußte auch die Philosophie zurück -in das Handgreiflich-religiöse gehen, um dieses so weit als möglich zu -heben und zu veredeln und dem Gedankenwege anzupassen. Namentlich in -der späteren Zeit, als durch die Römer ein unabwendbares Verhängnis -über die Mittelmeerwelt hereinbrach und die Gemüter bedrückte, macht -sich dieses Zurückgehen auf die Religion bemerkbar, und wir finden -vollständig ausgebildete pandeistische Lehren, die mit Emanismus und -Theosophie zuletzt in das Mystische übergreifen und ihren Einfluß bis -in die Neuzeit hinein fühlbar machen. Noch von heidnischen Gottheiten -ausgehend, wachsen sie durch das Judentum allmählich in das Christentum -hinein, ohne dabei ihren hellenistisch-kosmopolitischen Charakter ganz -zu verlieren. Wie aber die Kenntnisse mehr und mehr schwinden und mit -ihnen die realen Verknüpfungen der Tatsachen, schweifen die Lehren -mit Vorliebe ins Uferlose und Phantastische und werden Gegenstand -mehr der Sentimentalität und des Aberglaubens als der Überlegung und -des Glaubens. Gleichwohl sind diese Lehren von hohem Interesse, zum -Teil von dichterischer Gewalt, und für sehr viele ein froher Ersatz -für das nur so wenigen gegebene und die meisten so abstoßende kühle -Philosophieren, das schließlich auch noch nichts Entscheidendes geboten -hatte, weder aus Erfahrung noch aus Denken, und das im Grunde zuletzt -jeden auf sich selbst verweist, indem es ihm freilich die Mittel zu -geordnetem Lernen und Schließen an die Hand gibt. - -Wir nehmen zuerst die Schule der ~Stoiker~. Zeus ist der Geist (νοῦς) -der Welt und in der Welt, er ist das Keimende in der Welt (λόγος -σπερματικός). Er wird sogar materiell vorgestellt, als feiner feuriger -Dunst und als bildendes Feuer (πῦρ τεχνικὸν), jedoch auch als Hauch -(πνεῦμα). Welches Etwas er auch sei, so führt er dieses doch selbst -in jede andere Materie, Luft, Wasser, Erde usf. über. Sein besonderer -Wohnsitz ist der Umkreis der Welt oder die Sonne, aber von da breitet -er sich durch die ganze Welt in ihren verschiedenen Erscheinungen -aus. Wie Zeus die Welt aus seiner Substanz bildet, so nimmt er sie -auch wieder in sich auf, wandelt sie also wieder in feurigen Dunst -durch einen Weltbrand, um sie später aus sich neu niederzuschlagen. -Die Seelen sind Teile des göttlichen feurigen Dunstes, gewissermaßen -mehr oder weniger bedeutende Konzentrationen dieses Dunstes in -den Lebewesen. Jede Seele hat, wie die Gottheit im All, so in dem -betreffenden Leibe einen Sitz, im Herzen, wo sie sich von dem Blute -nährt; von da breitet sie sich, wie die Gottheit durch das All, -so durch den Körper aus, namentlich in den Sinnes-, Sprach- und -Zeugungsorganen. Dieser Pandeismus, der von ~Chrysippos~ (aus Soloi -280-208 v. Chr.) herrühren soll, ist schon eine Verbindung mit dem -Emanismus; Gott ist die Welt, insofern als diese aus seiner Substanz -durch Verdichtung und Abkühlung entstanden ist und entsteht, und er -sich strahlengleich mit seiner Substanz durch sie noch verbreitet. -Daß Gott als feurig gedacht wird (jedoch auch als Atem oder Äther) -ist dem Menschen entnommen, dessen Wärme sein Lebensprinzip bedeutet; -eine Idee, die sich schon bei den ersten griechischen Philosophen -und namentlich bei Heraklit findet. Der stoische Pandeismus ist -namentlich darin ein erklärter Emanismus, daß auch die Götter sich -nur als Äußerungen und Ausflüsse des Welt-Gott (Zeus) darstellen wie -die Seelen. Und damit kam er der Volksreligion durchaus entgegen, -die ja von einer Theogonie ausging. Da die Gottheit die ganze Welt -durchstrahlt und ihrerseits ein Materielles ist, so war es ganz -folgerichtig von den Stoikern, wenn sie auch den leblos scheinenden -Körpern vom göttlichen Odem mitteilten; sie betrachteten die -Eigenschaften der Körper als materiell und hauchartig. Sie gingen -noch weiter und erklärten alle Eindrücke auf uns als materiell. -Und so konnten ihnen selbst Tugend, Gedanken, Stimmungen, ja auch -Zeitabschnitte wie Jahr, Tag, Jahreszeit usf. in gleicher Weise -erscheinen, göttlich-materiell. Das geht über alles hinaus, was selbst -naturmenschlicher Animismus phantasiert hat. Wenn weiter die Stoiker -dem konsequenten Sensualismus huldigten, daß alles Wissen, im weitesten -Sinne des Wortes, nur aus sinnlichen Eindrücken stammt, die Seele bei -ihrem Eintritt in den Körper tabula rasa ist, so hat auch dieses in -der Annahme des gleichen Göttlich-Materiellen für die Eigenschaften -der Körperwelt und für die Seele seinen Grund; Materielles wirkt eben -auf Materielles. Darin begegnen sie sich mit den älteren Atomisten und -Mechanisten, die ja die Seele gleichfalls als materiell auffaßten. -Nur das Leere sahen die Stoiker als nichtmateriell an, ferner den -Raum als solchen (also auch den Ort als solchen), die Zeit als solche -und den formalen potentiellen Schluß. Von Gott hatten sie trotz der -angenommenen Materialität einen sehr hohen Begriff. „Er ist die ewige -Vernunft, welche die ganze Welt regiert und alle Materie durchdringt; -er ist die gütige Vorsehung, welche das Ganze sowohl wie das Einzelne -besorgt; er ist weise und Grund des natürlichen Gesetzes, welches das -Gute befiehlt und das Böse verbietet; er bestraft auch das Böse und -belohnt das Gute; er ist vollkommen und eines glückseligen Bewußtseins. -Seiner Naturseite nach ist er die bewegende Kraft der Materie, die -allgemeine Natur, ohne welche auch nicht das Geringste geschieht, er -ist das Verhängnis (εἱμαρμένη), welches alles nach notwendigen Gesetzen -des Zusammenhanges zwingt, und die Notwendigkeit aller Dinge.“ Die -Heimarmene findet sich gleichfalls bei Herakleitos und ist überhaupt -ein höchst beliebter Begriff. Aus den letzteren Eigenschaften Gottes -folgt der für die Stoiker so charakteristische ~Fatalismus~. „Er (Gott) -ist die belebende Seele der Welt, welche einen natürlichen Trieb -hat, aus sich wie aus einem Samen alles hervorwachsen zu lassen.“ So -stellt sich die stoische Anschauung als ein monistischer-deistischer -Materialismus und Mechanismus dar. Es ist bekannt, von welch -außerordentlicher Bedeutung der Stoizismus für die spätere Griechen- -und namentlich für die Römerwelt gewesen ist; seine Ethik und Dialektik -haben die besten Menschen und größten Staatsmänner beherrscht, trotz -des ~Indifferentismus~, den er aus dem Fatalismus heraus lehrte. - -Die späteren Schüler der ~platonisierenden Pythagoreer~ und der -~pythagorisierenden Platoniker~ schlossen sich zum Teil diesem -Pandeismus an. Doch gehören deren Anschauungen in eine andere -Darlegung (S. 255 ff.). Hier will ich allgemeiner noch hervorheben, -daß die Griechen, wenigstens in hellenistischer Zeit, auch einem -~Pantheos~ (~Allgott~) Altäre errichtet haben. Ob dieser Pantheos -mit der Welt identifiziert wurde, kann ich nicht sagen; er ist als -eine aber persönliche Einheit aufgefaßt worden, nicht etwa als eine -Kollektivgottheit, wie aus Inschriften aus Epidauros und Pergamon -hervorgeht. - -Pandeistische Andeutungen finden sich selbstverständlich auch bei -vielen anderen Völkern. So könnte man den Taoismus der ~Chinesen~, in -der ihm von Lao-tsse gegebenen Form, hierher rechnen, wenn er nicht -auch dem Naturalismus zuzuzählen wäre, da bei ihm mehr die Natur als -die Gottheit in den Vordergrund gestellt wird. Die Erwähnung an dieser -Stelle muß genügen, zumal mit solchen Sätzen wie: „aus Tao ist alles -hervorgegangen, in Tao kehrt alles zurück“ nicht viel für unsere Frage -anzufangen ist. Von den ~Japanern~ soll einer ihrer bedeutendsten -Philosophen, Yamazaki-Ansai, um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, -entwickelt haben: „Gott ist das Wesen aller Dinge und durchdringt -den Himmel und die Erde.“ Das klingt pandeistisch, kann jedoch auch -metaphorisch gemeint sein, wie wir ja ähnliche Aussprüche von Gott tun. - -Die weiteren Betrachtungen über pandeistische Anschauung schließen sich -an die in den nächsten Abschnitten zu besprechenden Lehren an. - - -26. ~Panpsychistische Anschauungen; Hylopsychismus, Hylozoismus.~ - -Von diesen Anschauungen sind die als omnanimistisch bezeichneten -bereits geschildert. Die der Theosophie angehörenden finden -später ihre Erledigung. Was übrig bleibt folgt wie von selbst dem -Pandeismus, und ist im Grunde nur durch Seele und Gott verschieden. -Eine ~All-Weltseele~ wird statt eines All-Weltgottes angenommen. Die -Seele steht uns näher als Gott, wir glauben sie besser zu kennen, da -wir sie uns selbst ja zuschreiben. Es hat darum scheinbar weniger -Schwierigkeit, sie mit der materiellen Welt verbunden zu denken als -Gott. Alle Einzelseelen sind dann nur Teile der Weltseele. Und wie -im Pandeismus von Gott den Dingen nur nach Maßgabe ihrer Stellung in -der Welt zukommt, so auch von der Seele. Da in unserer Seele Gutes -und Böses, Edles und Niedriges verbunden ist, entfällt bei Annahme -einer Allseele auch die Unbequemlichkeit eines Grundes für das Üble -in der Welt, den wir nicht gerne in Gott suchen, und nicht gerne für -einen zweiten Gott ausgeben. So gewinnen wir einen, wie man ihn auch -nennt, ~Hylopsychismus~ (ὕλη, Materie) oder ~Hylozoismus~, der dem -Pandeismus nur so weit entspricht, als dieser reiner ~Hylodeismus~ -ist und Gott außerhalb der Materie nicht weiter gesucht wird. ~Thales -von Milet~ (phönizischer Abkunft, wahrscheinlich 624-546 v. Chr.) -scheint einen solchen Hylozoismus angenommen zu haben. Da er nach -Aristoteles gemeint haben soll, alle Dinge seien von Göttern voll -(πάντα πλήρη θεῶν εἶναι), so ist es freilich schwer, zu entscheiden, -ob seine Anschauung in einem höheren Sinne, als von der Annahme einer -Weltseele beherrscht, zu verstehen ist, oder lediglich in dem Sinne -des Naturmenschen. Man möchte fast das letztere glauben, da als -Beispiel der Magnetstein angeführt wird, der Eisen anzieht. Zeller -ist dieser Ansicht. Das Feuchte galt dem Thales als Seele, und darum -das Wasser als Urstoff, aus dem alles andere sich durch Erstarren -und Sichverflüchtigen bildete. Hiernach sollte in allem das Feuchte -noch bestehen, in größerem oder geringerem Grade. Daß die Seele im -Blut gesucht wurde und im feuchten Atem, wissen wir bereits. Es -macht keinen großen Unterschied, wenn ~Anaximenes~ (wahrscheinlich -585-528 v. Chr.) statt des Feuchten das Luftartige als Seele, die -Luft als Urmaterie annahm. „Wie Luft (Atem) unsere Seele ist und uns -zusammenhält, so umfaßt auch die ganze Welt der wehende Hauch (πνεῦμα) -und die Luft.“ Thales sah in der Seele, wie aus dem Beispiel des -Magnets zu erkennen, ein Bewegendes, Anaximenes erkennt in ihr ein -sich selbst Bewegendes. Im übrigen herrscht Übereinstimmung. Feinste -Luft (durch Wärme ausgedehnteste) ist das Feuer, also am meisten -seelisch; dichteste (durch Kälte verdichtetste) ist die Erde, also am -wenigsten seelisch. Die Gestirne sind (von der Luft) zusammengedrücktes -Feuer, also jedenfalls hochbeseelt und doch erdenähnlich. Der gleichen -Anschauung huldigte ~Diogenes von Apollonia~ (von 430 v. Chr.); er -sprach sie noch schärfer aus, indem er im Luftartigen geradezu ein -„ungewordenes, unbegrenztes, vernünftiges Wesen, das alles beherrscht -und ordnet“, behauptete. „Denn gerade dieser Stoff (Luft), dünkt mich, -ist Gott, ist allgegenwärtig, alles verwaltend und in allem vorhanden. -Und es gibt auch nicht das Geringste, das nicht an seinem Wesen -teilhätte.“ Dieser Stoff ist „ewig und unsterblich“, er ist „Seele -und Geisteskraft“. „Bloße Umwandlungen der Luft sind alle Dinge.“ -Hier schwindet eigentlich die Materie und ist die Welt nur Seele in -verschiedener Darstellung, Manifestation. Schwierig ist es, die Rolle -der Wärme und Kälte (sie finden sich auch bei den Scholastikern als -Prinzipe) zu verstehen, die Diogenes wie auch seine Vorgänger zur -Bildung der Welt aus der Seelen-Urmaterie heranziehen. Man weiß nicht -recht, was sie neben der Seele noch sollen. Vielleicht, daß diese die -Wärme und Kälte aus sich selbst heraus entwickelt und so der eigene -Grund ihrer Verwandlungen mit der Urmaterie ist. Aber es wird auch von -äußerer Wärme gesprochen, der Sonnenwärme, welche Pflanzen, Tiere und -Menschen aus dem Urerdschlamm hervorgelockt haben soll. - -Daß der zwischen Thales und Anaximenes lebende Landsmann dieser beiden, -~Anaximandros~, eine Weltseele angenommen hat, ist wohl nicht sicher, -aber wahrscheinlich. Er spricht von dem Ersten (ἀρχή) als von einem -Unbegrenzten (ἄπειρον), Unbestimmten, aus dem alles hervorgeht und in -das alles zurückkehrt nach der Ordnung der Zeit. Dieses Erste ist ewig -und ständig in innerer Bewegung, also wohl beseelt, zu denken. Durch -die Bewegung (also das Leben) treten Scheidungen und Bindungen des im -Ersten Enthaltenen ein, die so unsere Welt darstellen; wie Warmes und -Kaltes sich abtrennen und in ihrer Vereinigung das Feuchte bilden, wie -dann aus diesem durch die weiteren Bewegungen Erde, Luft und Feuer sich -sondern, letzteres sich zur Höhe begibt und sich in einem Feuerkreis um -die Luft sammelt, diese in Gewittern durchbrechend. Mit den Scheidungen -und Bindungen finden zugleich Lösungen und Durchmischungen statt. Und -so gibt die Bewegung im Ersten eine ständig sich entwickelnde Welt und -periodisch sich wiederholende Welten. Diese letztere Anschauung ist -viel bewundert und von vielen aufgenommen und weiter entwickelt worden. -Die Bewegung als Prinzip hielt auch der Ephesier ~Herakleitos~ (um 504 -v. Chr.) fest, und er präzisierte sie sogar in dem berühmten Ausspruch -πάντα ρεῖ, „Alles ist in Fluß“. Nirgend ist auch nur für Augenblicke -Stillstand. „Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen und -nicht zweimal eine Substanz berühren.“ Allein das Seelische sah er -nicht in dieser Bewegung selbst, sondern in einem Feurigen; „diese -Welt (κόσμος), die Eine für alle Wesen, hat weder der Götter noch der -Menschen einer gemacht, sondern sie war immer und ist und wird sein ein -ewig lebendes Feuer, sich entzündend nach Maß und erlöschend nach Maß“. -Das Feuer wird auch als Hauch (ψυχή) bezeichnet, aus dem uns schon -bekannten Grunde. Die Welt ist aber stetige Umwandlungen von Feuer. Und -diese nie stillstehenden noch beharrenden Umwandlungen des eigentlich -Seelischen geschehen wie ein „Krieg, der ein Recht, Vater und König -aller Dinge ist“. „Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Und -die Einen macht er zu Göttern, die Anderen zu Menschen, die Einen zu -Sklaven, die Anderen zu Freien.“ So bildet das Psychisch-Wesentliche -in Heraklits Lehre die rastlose Tätigkeit der Seele auch im Kleinsten -der Welt, wodurch alles, wie es entsteht, sofort vergeht, so daß alles -ist und auch nicht ist. Der Begriff des Lebens ist der absoluter -Veränderung. Nach solcher steckt im Seelen-Feuer ein stetes, -unstillbares Verlangen. Und wie die Veränderungen nach der einen -Richtung gehen, geschehen sie auch nach der entgegengesetzten: „Des -Feuers Verwandlungen sind zuerst Meer, des Meeres zur Hälfte Erde, zur -Hälfte Feuer.“ „Für die Seelen ist es Tod: zu Wasser werden, für das -Wasser Tod: zu Erde werden. Aus Erde wird Wasser, aus Wasser Seele.“ -„Verbindungen sind: Ganzes und Nichtganzes, Eintracht und Zwietracht, -Einklang und Mißklang, und aus Allem Eins und aus Einem Alles.“ „Der -Gott ist Tag-Nacht, Winter-Sommer, Krieg-Frieden, Überfluß-Hunger.“ -„Gut und Schlecht ist eins.“ Ganz rein psychisch scheint die Anschauung -Heraklits nicht gewesen zu sein. Daß noch eine „verborgene Harmonie“ -angenommen wird, die die Gegensätze immer ausgleicht, kann eine -Eigenheit der Weltseele bedeuten, wie ja auch die Menschenseele sich -in sich immer ausgleicht, daß trotz der vielen und stetig wechselnden -Tätigkeiten die Einheit gewahrt bleibt. Allein es wird auch von -göttlichen Gesetzen, von Weisheit, Vernunft, ja von Verhängnis -- -die Heimarmene --, von Zeus als dem Regenten über alles gesprochen, -insgesamt von Prinzipien, „daß das Urwesen nach festen Gesetzen sich in -alle Dinge umsetze und aus ihnen wieder zurücknehme“. „Denn die Sonne -wird ihre Maße nicht überschreiten, ansonst werden sie die Erinnyen, -der Dike (als Weltordnung) Schergen ausfindig machen.“ Davon handeln -wir später. Ebenso von den hohen Anschauungen des Anaxagoras und -anderer, da sie über das rein Psychische bereits hinausragen. - - - - -VIERTES KAPITEL. - -Pythagoras, Anaxagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles. - - -27. ~Anschauungen aus Gesetz, Harmonie, Weltvernunft, Ideen und Formen.~ - -Der Leser wird mir in den späteren Auseinandersetzungen leichter folgen -können, wenn ich, die bisherige Systematik scheinbar, jedoch nur -scheinbar, unterbrechend, zuvor von den Anschauungen spreche, die sich -an die Namen in der Kapitelüberschrift knüpfen. - -~Pythagoras~, aus Samos (etwa 571-497 v. Chr.), gehört zu den -geheimnisvollen Gestalten des Griechentums; und so rätselvoll wie er -sich darstellt, sind auch seine und seiner Schüler, der ~Pythagoreer~, -Lehren, mit denen sich schon die Alten abgemüht haben, und die wir -fortwährend wieder aufgenommen finden. Das Wesentlichste aus diesen -Lehren verdanken wir hier, wie in so vielen anderen Gebieten, den -Mitteilungen des Aristoteles. Originales scheint von ~Philolaos~ -(S. 242) überliefert zu sein. Alle Dinge in der Natur bestehen aus -Begrenzendem und Nichtbegrenztem, „wie denn auch die ganze Weltordnung -(κόσμος) und alles in ihr aus diesen beiden besteht“. Das Begrenzende -wird als Punkt oder Punkte aufgefaßt; und sofern jeder Punkt eine -Einheit bildet, heißt es das Eins und, weiter gedehnt, die Zahl. -Diese sei das Wesen aller Dinge. „Und in der Tat hat ja alles, was -man erkennen kann, eine Zahl. Denn ohne sie läßt sich nichts erfassen -oder erkennen.“ Das Nichtbegrenzte ist, was zwischen den begrenzenden -Einheiten sich befindet, wie beim Klang das Intervall, bei den Körpern -die Leere zwischen den einzelnen Punkten. Und so bestehe alles aus -den Gegensätzen des Begrenzenden und des Nichtbegrenzten, das die -Pythagoreer auch durch Grade und Ungrade arithmetisch symbolisierten. -Entstanden nun sei die Welt an sich nicht, sondern nur nach der -menschlichen Denkweise. Von je sei das ~Ureins~, das Ungrade, gewesen -und das ~Leere~. Indem dieses Ureins das Leere an sich und in sich sog, -zerging es in eine Vielheit von Einsen, die durch das Leere getrennt -wurden. Und so seien die Dinge der Welt gegeben. Das Ureins war also -eigentlich eine lückenlos zur Einheit zusammengezogene Vielheit. Da -die Punkte mathematisch angesehen wurden, so konnte diese Urvielheit -auch als Urpunkt bezeichnet werden, denn sich berührende Punkte, selbst -in unendlicher Zahl, geben immer nur einen Punkt. Die Dinge entstehen -erst durch das Zwischentreten des Nichtbegrenzten, der Leere, des -Intervalls. Daher wird das Ureins „als Grund aller Dinge, als Gott -gepriesen, welcher alles lenke und führe, ein einiger und ewiger, -bleibend und unbewegt, sich selbst gleich und verschieden von allen -anderen Dingen“. Denn alle anderen Dinge enthalten ja noch ein anderes, -das Leere. Und die Weltentstehung und Weltentwicklung beruht auf einem -An- und Einatmen des Leeren durch das Ureins, auf einem Lebensprozeß. -„Das Eins (τὸ ἕν auch ἥ μονάς) ist aller Dinge Anfang.“ So ist die Welt -dualistisch erwachsen und dualistisch gedacht; das absolut vollkommene -Ureins ist ihr einer Teil, das völlig negierende Leere der andere -Teil. Darum die Unvollkommenheit der Welt. Die Verschiedenheit der -Dinge folgt aus der Verschiedenheit der Menge des Leeren, die sie -enthalten, wie die Verschiedenheit der Klänge aus der Verschiedenheit -der Intervalle zwischen den Tönen. - -Um auch die Ordnung der Welt zu erklären, gingen die Pythagoreer von -dem Prinzip aus, daß schon das Eins die Verbindung der Gegensätze -enthalte, denn zu Gradem addiert gibt es Ungrades, zu Ungradem Grades; -es vereinige in sich das Wesen des Graden und des ihm entgegengesetzten -Ungraden. In dieser Vereinigung liege die Grundharmonie. Und so -seien die Zahlen nicht bloß das Wesen der Dinge, sondern auch das -Wesen ihrer Zusammenstimmung, die ~Harmonie~. Das Leere aber bedinge -die Gegenstimmung, die Disharmonie. Zwei Töne für sich wären stets -harmonisch; nach Maß der Leere zwischen ihnen, ihres Intervalls, -können sie harmonisch bleiben wie in der Oktave, Quinte usf., oder -disharmonischen Klang geben, wie in der Sekunde, Septime usf. Im ganzen -wäre aber die Welt nach bestimmten Zahlenverhältnissen geordnet. „Denn -nichts von den Dingen wäre irgendwem klar, weder in ihrem Verhältnis -zu sich noch zu anderen, wenn die Zahl nicht wäre und ihr Wesen.“ So -richtig der letztere Gedanke an sich ist, so übertrieben verfolgten -ihn die Vertreter dieser Lehre, die schließlich alles in der Welt -durch Zahlen ausdrücken zu können glaubten, selbst Begriffe und -konkrete Gegenstände. In letzterer Hinsicht ist bekannt, wie sie durch -Zahlenverhältnisse die fünf regelmäßigen Körper: Kubus, Pyramide, -Oktaeder, Ikosaeder, Dodekaeder, daraus die fünf antiken Elemente: -Erde, Feuer, Luft, Wasser, Äther, letzteres das „Lastschiff“ der -Weltkugel, darstellten. Und so hatten sie eine gewaltige Ehrfurcht vor -den Zahlen, und die Vierzahl (Tetraktys), der sie eine ganz besondere -Bedeutung beimaßen, war ihnen sogar „die Quelle der nimmer versiegenden -Natur“. - -Das vornehmste, ursprünglichste und eigentlichste Element des Lebens -ist das Feuer. Es befinde sich in der Mitte der Welt, strahle von -da in die ganze Welt aus und ernähre so die ganze Welt und halte -sie zusammen. Um dieses Zentral~feuer~ (die Hestia, die Burg -des Zeus) drehen sich die zehn Sphären, nämlich, von außen nach -innen, der Fixsternhimmel, die fünf Planeten (Merkur, Venus, Mars, -Jupiter, Saturn), Sonne, Mond, Erde und Gegenerde. Die Gegenerde -(ἀντίχθων) ist eingeführt, um die heilige Zahl Zehn zu erhalten, -die „alles vollendend, alles wirkend und Anfang und Führerin des -göttlichen, himmlischen und menschlichen Lebens“ ist. Die leuchtenden -Gestirne strahlten entweder das Licht der Sonne zurück oder das des -Zentralfeuers. Letzteres gelte insbesondere von der Sonne, die einem -spiegelnden Kristall zu vergleichen sei. Zwischen den Abständen der -Sphären und ihrer Bewegung herrsche musikalische Harmonie; und indem -jede Sphäre durch ihre Schwingung einen Ton erzeuge, erklänge die Welt -in der berühmten ~Sphärenharmonie~, die wir nicht wahrnähmen, -entweder weil die Töne für unsere Wahrnehmung zu hoch liegen, oder weil -wir sie ständig in gleicher Weise hören. Über der ganzen Welt und sie -umgebend sei wieder das Feuer. An der Unvollkommenheit der Erde liege -es, daß wir vom Zentralfeuer nichts direkt bemerkten, sondern unter -Vermittlung der anderen Weltkörper, welche von ihm Strahlung erhielten. -Diese anderen Weltkörper werden dann auch für vollkommener als die Erde -angesehen, so auch als von vollkommeneren Wesen bewohnt. Die Welt aber -ist einheitlich, und von der Mitte aus begann sie zu entstehen. - -Kaum eine Schule ist so konsequent verfahren wie die pythagoreische und -hat, von trockenen Zahlenbeobachtungen ausgehend (bekanntlich bei den -Experimenten über die Tonverhältnisse), so phantasievolle Vorstellungen -entwickelt. Ihr Weltgebäude ist kühn und schön entworfen, und seine -Entwicklung aus Punkt und Leere ist groß erdacht. Und Pythagoras soll -ja zuerst für die Welt die Bezeichnung Kosmos benutzt haben, was -Schmuck, Ordnung und Schönheit bedeutet. Wie die Pythagoreer, deren -bedeutendste ~Philolaos~ und ~Archytas~ (beide etwas älter als Platon) -waren, ihre Ideen bis in die feinsten Regungen der Seele harmonisch -verfolgten, gehört nicht hierher. Die Seele selbst scheinen sie für -die Harmonie des Körpers gehalten zu haben. Doch unterschieden sie -die animalische Seele, mit dem Sitz im Herzen, von der Vernunft, -deren Wurzel im Gehirn liegt. „Hirn ist das Prinzip des Verstandes -(νοῦς), Herz das des Lebens (ψυχή) und der Empfindung (αἴσθησις)“. Von -einer dritten Seele, im Nabel, ließen sie Wachstum und Fortpflanzung -abhängen. Von einer vierten, im Schamglied, Zeugung. Wegen der -pythagoreischen Seelenwanderung darf ich auf Früheres verweisen (S. -217). - -Wie bei den Pythagoreern die Harmonie die Welt durchdringt, so bei -~Anaxagoras~ aus Klazomenai (um 500 bis 428 v. Chr.), dem Freunde -des Perikles und der Aspasia, die ~Weltvernunft~ (Nus, νοῦς). Es ist -freilich nicht sicher, daß er diese Vernunft durch die ganze Materie -verbreitet sich gedacht hat. Indessen wirkt sie unmittelbar auf die -Materie ein. Diese ist ursprünglich, wie bei Anaximandros, eine -regellose Mischung aller möglichen Dinge. Die Weltvernunft aber bringt -in dieser Mischung eine Wirbelbewegung hervor, die sich weiter und -weiter ausbreitet, indem sie sich zugleich erhält. Durch die Bewegung -aber wird Verwandtes zusammengeführt, Verschiedenes getrennt; so -entstehen die Dinge. Verbindung und Scheidung ist niemals vollständig, -sondern nur mehr oder weniger vollständig, so daß jedes Ding von allen -Dingen an sich etwas enthält; nur von gewissen mehr, von anderen -weniger, wodurch seine Art bestimmt ist. Z. B. besitze der weiße Schnee -auch ein Dunkles, denn er löse sich im dunklen Wasser dunkel auf. Die -Gesamtheit aber kann sich weder vermindern noch vermehren, sondern -alles bleibt stets gleich. Ein ganz modernes Prinzip! „Der Geist ist -unendlich und nach eigener Wahl herrschend, und vermischt ist er mit -keinem Dinge (wiewohl in einigen Dingen enthalten), sondern allein -selbst ist er für sich“, sagt der Philosoph. Der Geist ist nicht nur -Ursache des Beginnes der Weltbildung, sondern auch der Entwicklung -der Welt, ihrer Ordnung, er ist der „Wächter“ der Welt, „er bewege -und ordne nicht nur das Vergangene, sondern auch das Gegenwärtige -und Zukünftige“. Schöpfer ist er nicht, die Materie besteht neben -ihm von je, nicht einmal ihre Bestandteile vermag er zu ändern. Ja -selbst die Bewegung und Entmischung beherrscht er nur teilweise, da -diese auch von der Natur der Materie abhängt. Er kann sein Streben nur -angenähert durchführen. Und so ist die Welt nur im großen und ganzen -durch ihn geordnet. Daher wohl das Unvollkommene. „Da der Geist anfing -(„von einem gewissen kleinen Punkte aus“) zu bewegen, sonderte er aus -dem bewegten All; und so viel der Geist bewegte, alles dieses wurde -ausgeschieden. Der bewegten, aber ausgesonderten, Dinge Umkreisung -machte noch um vieles mehr ausscheiden.“ Also die Welt bildet sich -nach dem Anstoß auch selbst weiter; wiederum ganz modern gedacht! -Die Griechen aber sahen in seinem Dualismus und der halben Macht der -Weltvernunft einen erheblichen Mangel seines Systems. Anaxagoras war -Physiker, Mechanist, nebenbei auch Theosoph. Als solchem werden wir -ihm noch begegnen. Die Athener nahmen ihm seine Indifferenz gegen die -Götter übel, die schon aus der halben Wirksamkeit selbst der Vernunft -folgt; und weil er auch die Gestirne für Steine (von der Erde durch -die Wirbel losgerissen oder im Äther durch die Entmischung entstanden) -erklärte, verfiel er der bösen Anklage der Gottlosigkeit, die selbst -einem Sokrates das Leben kostete. Er mußte trotz des Schutzes des -gewaltigen Perikles fliehen. ~Euripides~ soll sein Schüler gewesen sein. - -Es ist bekanntlich noch nicht gelungen, mit Sicherheit festzustellen, -was ~Platon~ (427-347 v. Chr.) unter den „~Ideen~“ (εἶδος, ἰδέα) -verstanden hat, und der Auffassungen gibt es gar viele. Ihre -Konzeption verdanken die Ideen offenbar der Erkenntnis, daß trotz des -Mannigfaltigen gewisse Züge ganzen Klassen von Dingen und Erscheinungen -gleicherweise zukommen. Rein dialektisch wäre also eine Idee das in -einer Mannigfaltigkeit Gemeinsame. So bedeutete die Idee jedoch nur -ein Abgezogenes, einfach einen Denkakt ohne jede Realität. Das ist -aber nicht Platons Meinung. Zunächst behandelt er die Ideen als vor -der Welt Vorhandenes. Im Timaios heißt es, indem von der Bildung der -Welt durch Gott (Zeus) gesprochen wird: „So ist denn jene (die Welt) -nach dem Urbilde dessen entstanden, was der Vernunft und Erkenntnis -erfaßbar ist und beständig dasselbe bleibt. Schreiten wir nun auf -diesen Grundlagen zur Betrachtung dieser unserer Welt fort, so ist -sie eben hiernach ganz notwendigerweise ein Abbild von etwas Ewigem.“ -Dieses „Ewige“, oder auch die „ewigen Götter“, sind eben die Ideen, die -also vor der Welt vorhanden sein mußten, wenn die Welt ihr Nachbild -sein sollte. Und von ihnen, als dem „Vorbilde“ (παράδειγμα, Paradigma) -heißt es weiter: „Von allem nun, was zur Gattung der Teile gehört, -werden wir sie mit ~Nichts~ in Vergleich bringen wollen, denn was dem -~Unvollkommenen~ (eben als Teil) gleicht, das kann nicht schön sein. -Wohl aber werden wir sie ~demjenigen~, wovon die übrigen lebendigen -Wesen (nämlich nach Platons panpsychistischer Ansicht alle Wesen -überhaupt) als Einzelne und nach ihren Gattungen bloße Teile sind, als -am allerähnlichsten setzen“. Im weiteren Verlauf des Gesprächs, an das -wir uns vorläufig halten, wird dann untersucht, „ob es ein Feuer an und -für sich gibt und überhaupt alles übrige, wovon wir ein jedes so als -an und für sich seiend zu bezeichnen pflegen. Oder aber, ob nur das, -was wir sehen und was wir sonst mit den Sinnen des Körpers wahrnehmen, -bereits die Wahrheit bedeutet, die wir suchen, und einzig und allein -Wahrheit hat, und es außerdem schlechthin nichts anderes gibt. So daß -es nur ein eitler Wahn von uns wäre, wenn wir jedesmal von einem jeden -Dinge eine nur dem Denken erfaßbare Idee als das Seiende annehmen, -und dieselbe nichts als ein Name wäre.“ Man kann die Aufgabe nicht -schärfer stellen. Und Platon entscheidet sich, daß zugestanden werden -müsse: „das Eine sei die stets auf dieselbe Weise sich verhaltende -Art, ~unerzeugt~ und ~unvergänglich~, weder in sich ein Anderes von -anderswoher aufnehmend, noch selber in irgendein Anderes ausgehend, -unsichtbar und auch sonst mittelst der Sinne nicht wahrnehmbar, das, -dessen Betrachtung dem vernünftigen Denken zuteil geworden ist. Das -~Zweite~ aber, jenem gleichnamig und ähnlich, sei sinnlich wahrnehmbar, -erzeugt, in steter Bewegung, entstehend an einem Ort und wieder von da -verschwindend.“ Andere Äußerungen Platons in anderen seiner Gespräche -stimmen damit im wesentlichen überein, daß die Ideen das An-sich- -und Für-sich-Seiende (οὐσία, αὐτοζῶον) und zugleich, als Urbilder -(~Paradigmen~) der Dinge, das An-sich dieser Dinge, überhaupt von Allem -seien. Und indem jede Idee eine Klasse von Dingen in sich verkörpert, -ist sie eine Einheit, eine Henás oder Monás. Unter diesen Ideen scheint -Platon eine Rangstellung anerkannt zu haben, vermöge deren sie einander -untergeordnet, übergeordnet und beigeordnet sind. Ja, indem er von der -mitgeteilten Behauptung, daß jede Idee für sich sei, abgeht, bringt -er die Ideen selbst miteinander in Verbindung, so daß in einer Idee -auch mehrere Ideen sich abspiegeln können und in der Vorstellung jede -ein Vieles zu sein vermag, wodurch auch die sinnliche Mannigfaltigkeit -erklärt ist. - -Die Nachbilder der Ideen sind in etwas ausgeprägt, das am besten wohl -mit dem Heraklitischen Apeiron, dem unbegrenzten Etwas, verglichen -wird. Es ist nicht, was wir Materie heißen. Platon nennt es die -„~Gattung des Raums~“, „dem Untergange nicht unterworfen, welche -allem, was ein Werden hat, eine Stätte gewährt, selbst aber den -Sinnen unzugänglich ist, auch vom Geiste nur sozusagen durch einen -erschlichenen Schluß erfaßt und kaum zuverlässig bestimmt wird, -die, welche wir auch im Auge haben, wenn wir träumen, es müsse doch -notwendig das, was ist, an einem Orte sein und einen Raum einnehmen; -was aber weder auf der Erde noch sonst im Weltall sich befinde, -sei überhaupt gar nicht vorhanden“. Dieses also Geträumte ist nach -Platon auch das „Nichtseiende“, indem ihm eben nur die Ideen das -wahrhaft Seiende bedeuten. Es ist auffallend, daß Platon den Raum -als ein Besonderes denkt, da doch die Zeit als Abbild der Idee -„Ewigkeit“ erklärt wird. Warum ist nicht der Raum ein Abbild der Idee -„Unbegrenztheit“? Ist der Raum der Ort der Äußerungen (Bilder) der -Ideen, so gibt die ~Seele~ die Verbindung zwischen diesen Bildern -und den Ideen. Sie wird hiernach die Vorstellung dieser Ideen sein -und zugleich das deren Abbilder Belebende und Bewegende. Sie tritt -im Einzelnen auf, aber auch als Gesamtseele, ~Weltseele~. Sie wird -als der Grund aller körperlichen Gestalten bezeichnet und als die -Herrscherin. Ihr Sitz ist in der Mitte der Welt, die kugelförmig -gedacht ist; sie zieht sich aber durch alle Dinge, und die Einzelseelen -sind ihr angehörig. „Und so darf man es denn mit Wahrscheinlichkeit -aussprechen, daß diese Welt als ein wirklich beseeltes und vernünftiges -Wesen durch Gottes Vorsehung entstanden ist.“ Weltseelen und -Einzelseelen werden für Götter (zu diesen sind auch die Gestirne als -selige Wesen, „sichtbare Götter“, und die Götter der Volksreligion -gezählt) und Menschen von Gott selbst geschaffen, für Tiere, Pflanzen -und andere Dinge von den Göttern. Doch wird auch gesagt, die Seelen -seien von je. Davon und von ihren Wanderungen ist bereits gesprochen -(S. 217 f.). Die Umgebung der Seelen mit dem Leibe erfolgt durch die -Götter, wenn es nicht, wie es auch den Anschein hat, durch die Seelen -selbst, wenigstens durch die Weltseele, geschieht. Und indem die Seelen -das Ewige sind und dem wahren Sein so nahe stehen, haben sie im Leben -dem Werden und Vergehen, dem Einstürmen der Veränderungen Widerstand -zu leisten, um ihre ewige Göttlichkeit zu wahren. Das würde freilich -dem, daß die Seelen auch das Bewegende sein sollen, widersprechen, wenn -nicht die von der Seele stammende Bewegung ein anderes bedeutet, als -die von außen kommenden Veränderungen, vielleicht die innere Bewegung -der Triebe, Gedanken und Gefühle. Dann wären die Veränderungen in -dem „Raum“ begründet. Und dieser müßte doch etwas mehr bedeuten als -bloß ein Nichtseiendes, zumal er ungeschaffen neben Gott bestehen und -dessen Wirken auf Vollkommenheit hinderlich sein soll, daß die Welt nur -unvollkommen aus den Händen des höchsten Werkmeisters hervorgeht. Trotz -der Allmacht dieses Werkmeisters und der absoluten Vollkommenheit der -Vorbilder, der Ideen. - -Eine weitere Schwierigkeit besteht in dem Verhältnis der Seele zu der -Ideenwelt. Sie soll in diese Welt hineinragen. Ist sie geschaffen, so -kann sie selbst nur Abbild einer Idee sein, also von den Ideen keine -vollkommene Kenntnis erreichen. Besteht sie seit je, so ist nicht -zu begreifen, wie sie in ein Abbild der Ideen gerät, da die Ideen es -doch nicht tun. Und noch weniger, wie sie aus den Abbildern der Ideen -Kenntnis von den letzteren erlangen soll, da doch die ganze Kenntnis -nur die aus den Abbildern geschöpfte sein kann, also unvollkommen und -schattenhaft. Indessen wird auch gesagt, die Seele kenne die Ideenwelt -aus ihrer Existenz außerhalb des Körpers, und im Leben erinnere sie -sich dieser Welt (S. 225 f.). Das ist aber doch nur ein Notbehelf, -trotz dessen ~Ontologie~ und ~Ideologie~ unvermittelt bleiben. So -ist in Platons Lehre so manches unverständlich und einiges mit -anderem nicht zu vereinen. Der große Mann hat in seinem langen Leben -wahrscheinlich seine Ansichten nicht immer festgehalten oder gegenüber -weiteren Überlegungen nicht immer festhalten können. Und eine letzte -Zusammenfassung seines Systems besitzen wir nicht. Er hat wohl auch ein -festes System gar nicht geben wollen. Denn sein eigentliches Bemühen -gehörte der Sokratischen Ethik an. Das Gute und das Schöne sind ihm die -eigentlichen Ideen, beide sogar die Gottheit selbst. Und so knüpft sich -an seinen Namen der ~Sokratische Idealismus~ in seiner eingreifendsten -Bedeutung. Wir aber haben zunächst seine Reihe: Gott, Ideenwelt, Raum -(auch Materie), Weltseele (auch Einzelseelen), Welt (mit Einzeldingen). -Die Welt ist durch die Ideenwelt bestimmt. Gott schafft nach der -Ideenwelt, er schafft auch die Seelen. Ist der Raum bedeutungslos, so -bildet das Ganze eine Art Monismus. Allein das geht wohl zu weit, kaum -kann man in Platons Lehren auch nur einen Dualismus mit Sicherheit -anerkennen. Plutarch freilich, in seinen Lehrmeinungen der Philosophen, -sagt: „~Sokrates~, des Sophroniskos Sohn, und ~Platon~, Aristons Sohn, -haben über das All gleiche Meinung. Sie geben drei Prinzipien an: Gott, -die Materie und die Idee. Gott ist nämlich der Verstand, die Materie -der erste Gegenstand des Entstehens und Vergehens, und die Idee ein -unkörperliches Etwas, das in den Gedanken und Vorstellungen Gottes -existiert. Gott aber ist die Seele der Welt“. Er meint also in der Tat -einen Dualismus, indem er die Ideen und die Weltseele in Gott verlegt -oder als Emanationen Gottes ansieht und neben Gott die Materie bestehen -läßt. Nach Xenophon hat übrigens ~Sokrates~ es absichtlich vermieden, -über das Weltganze zu sprechen, und sogar diejenigen für Toren erklärt, -die darüber grübeln, da noch so viel über den Menschen selbst zu denken -sei. In seinen späteren Jahren muß Platon die Einfachheit der Ideen -aufgegeben haben. Pythagorisierend nahm er sie als zusammengesetzt -an aus dem Eins, als dem Guten, und aus dem Unbegrenzten -- dem -Großen und dem Kleinen. Das soll wohl heißen, daß jede Idee in sich -ein unterschiedsloses Gutes einheitlich darstellt, das in seiner Art -allumfassend ist. Das Umfassende als „unbestimmte Zweiheit“ angesehen, -wäre jede Idee Einheit und Zweiheit. Diese Darstellung ist von anderen -übernommen, wir werden ihr wieder begegnen (S. 256). - -Platons Schule ist die ~Akademie~, zu der viele hervorragende Männer -gehörten, die jedoch mehr und mehr in pythagorisierende Zahlenlehre -verfielen, wie ~Speusippos~, der unmittelbare Nachfolger Platons, alles -aus Eins und der Vielheit abzuleiten suchte, ohne dabei die Weltseele -und die Idee des Guten aufzugeben, und ~Xenokrates~, dem das Eins -oder das Ungrade und das Zwei oder das Grade „Vater“ und „Mutter“ der -Götter waren, das Eins sogar dem Zeus und dem Nus gleichkam. „Indem zu -der Zahl das Selbige und das Andere hinzutritt, entsteht die (Welt-) -Seele.“ Die Kräfte der Natur waren ihm Götter. Die Zahlenangaben sind -symbolische Ausdrucksweisen, deren Verständnis sich uns meist entzieht. -Von den Neuplatonikern sprechen wir später. Über Weltzeitalter, -Seelenwanderung und den Platonischen Ideen ähnliche Dinge bei anderen -Völkern ist bereits gesprochen (S. 226). - -Der größte Schüler des Platon, der große ~Aristoteles~ (384-322 v. -Chr.), der Sohn des Nikomachos, hat die Lehren seines Meisters vielfach -sehr scharf kritisiert. Er hat sie auch zu verbessern gesucht. Die -~Formen~ (εἶδη) der Dinge entsprechen den Platonischen Ideen. Sie sind -aber bei ihm nicht Wesen für sich, sondern nur das, was die Dinge als -solche ausmacht. Alle Dinge bestehen zunächst aus Stoff (ὕλη) und Form -oder Inhalt (μορφή, εἶδος, λόγος, τό τὶ ἐστί usf.). Der Stoff als -solcher ist nicht die Dinge selbst, wie auch nicht bei Platon, er ist -eine „erste Materie“. Indem er aber doch Dinge werden kann, muß er dazu -die Fähigkeit besitzen. So ist er eine ~Dynamis~, eine Möglichkeit, -~Potentialität~ für Wirkliches. Verwirklicht ist ein Ding in der Form, -und so bedeutet diese die ~Energie~ oder ~Entelechie~ des Dinges. Und -sie ist so unveränderlich und ewig wie bei Platon die Idee, nur daß -sie nicht außerhalb des Dinges etwas, ein Reales, bedeutet. Sie ist -das, was das Ding zum Dinge macht, also auch dessen Wesen, Begriff und -Endzweck. „Wenn etwas wird, so wird es nicht nur aus etwas, sondern -~durch~ etwas“, heißt es in der „Metaphysik“. Auch der Stoff ist ewig; -er soll auch das Unausweichliche, die ~Ananke~, einbegreifen und den -Zufall, die Tyche, und darum die Unvollkommenheit der Welt bedingen, -die Platon in dem „Nichtseienden“ des Stoffes sah. Die Form muß Macht -haben, den Stoff sich zu unterwerfen. Diese Macht aber wird nicht aktiv -in der Form gesucht, sondern passiv in dem Stoff, dem ein Verlangen -(ὁρμή) nach der Form zugeschrieben wird. Das wäre eine dritte Eigenheit -des Stoffes. Aristoteles faßt also den Stoff realer auf als Platon. -Indessen kann etwas Stoff mit Bezug auf Eines und Form mit Bezug auf -ein Anderes bedeuten. So ist Erz Stoff einer Bildsäule, Form aber mit -Bezug auf die Teile, aus denen es gewonnen ist; dadurch verläuft alles -freilich ins Begriffliche. Aus Form und Stoff gehen, wie die Dinge, so -auch die Veränderungen hervor; diese sind Wirklichkeiten von Möglichem -und als solche gleichfalls Energien oder Entelechien. Das Verändernde -ist die Form, das Veränderte der Stoff. - -Die Veränderung ist so anfang- und endlos wie Form und Stoff. Daher -(?) muß es ein unveränderliches Veränderndes (unbewegtes Bewegendes) -geben, also eine Form ohne Stoff, eine reine Aktualität, die, als ohne -Stoff, auch das absolut Vollkommene ist. Diese Form ist der ~Geist~ -(νοῦς), die ~Gottheit~, die allumfassende, absolute ~Vernunft~, die -in unaufhörlichem Sich-selbst-Denken (θεωρία) das „Denken des Denkens“ -ist; eine Wendung, die Andere viel benutzt und auch mißbraucht haben. -Diese letzte Form ist nur in sich tätig; sie wirkt aber durch ihre -Anwesenheit, daß alles ihr zustrebt, und bedingt dadurch das Leben der -Welt in seiner bestimmten Ordnung. „Einen auf die Welt gerichteten -göttlichen Willen, eine schöpferische Tätigkeit oder ein Eingreifen -der Gottheit in den Weltlauf hat Aristoteles nicht angenommen“, sagt -Zeller. Man sieht, die ganze Anschauung ist höchst mechanisch, im -Grunde ist die letzte Form auch überflüssig; sie besagt ja nur, daß -das Leben der Welt einen bestimmten Lauf von Ewigkeit zu Ewigkeit -hat. Und so gehörte diese Lehre sachlich nicht hierher, wenn es sich -nicht sonst empfohlen hätte, sie an Platons lebendige Ideenlehre -anzuschließen. Auch ist die Stellung des νοῦς, nachdem dieser einmal -angenommen ist, in der Tat die einer besonderen Gottheit, die nur -als solche mit der Welt aktiv nichts zu tun hat. Diesen Mangel der -Gottheit, wenn er ein solcher ist, ersetzt Aristoteles durch Einführung -der „~Natur~“ (φίσις), die für Leben und Sein in der Welt den Grund -abgibt, wie eine wirkliche Kraft. Vielleicht hat Aristoteles doch die -reine Passivität Gottes verlassen und Gottes Vernunft als Weltvernunft -aufgefaßt. Allein Aristoteles sagt, die Natur sei nicht göttlich (οὔ -θεία), sondern dämonisch (δαιμονία), sie wirke wie eine nach unbewußten -Trieben handelnde Künstlerin. Gleichwohl ist seine Anschauung, wie die -Platons und vieler Philosophen vor und nach ihm, eine ~zweckheitliche~, -~teleologische~. „Die Natur tut nichts zwecklos“, „sie strebt immer -nach dem Besten“, „sie macht nach Möglichkeit immer das Schönste“. Und -insofern die Natur die Welt selbst mit allen Geschehnissen ist, liegt -die Teleologie in ihr. Ihre Entwicklung ist durch sie selbst bestimmt. -Das wäre durchaus modern gedacht. Noch sei erwähnt, daß Aristoteles -als drittes Prinzip den Dingen die ~Beraubung~, ~Privation~ (στέρησις) -zuschreibt, sicher um die Verschiedenheiten der Dinge dialektisch zum -Ausdruck zu bringen. Und er denkt sich die Dinge in der Tat auch der -Art nach verschieden und meidet die mathematischen Konstruktionen der -Pythagoreer und Platons, sowie die Ableitungen der Atomisten, die wir -noch kennen lernen werden. - -Die Welt hat bei Aristoteles Kugelform; in der Mitte ruht die Erde, -der Himmel dreht sich in stets gleicher Weise. Alles an diesem ist -viel vollkommener als auf der Erde, die Gestirne sind vollkommenere -Wesen als selbst der Mensch. Es gibt einen oberen Himmel der Fixsterne -und untere Himmel der Planeten. Außer der allgemeinen Bewegung des -oberen Himmels, der diese unteren Himmel mitführt, haben diese auch -noch eigene Bewegungen; schwingende und neigende, eben zur Erklärung -der scheinbaren Bewegungen der Planeten, zu denen auch Sonne und Mond -gezählt werden. Eine ähnliche Anordnung nimmt auch Platon an, und zwar -von der Erde aus: Mond, Sonne, Merkur (Stilbon), Venus (Heosphoros), -Mars (Pyroeis), Jupiter (Phaethon), Saturn (Phainon), Fixsterne. Im -übrigen ist alles in der Welt möglichst konzentrisch kugelförmig -geordnet, wie auch die Bewegung der Sphären kreisförmig sich darstellt -und die Elemente kugelig sich übereinander lagern (Erde, Wasser, Luft, -Feuer, Äther). In Aristoteles Ansichten liegt es, daß das Bessere -immer das Schlechtere regiert. So hängen die Winde der Luft von den -Gestirnen ab, die Wogen des Meeres von den Winden. Je mehr die Zahl der -Regierenden wächst, desto geringere Einheitlichkeit; und so herrscht in -allem auf der Erde die größte Unordnung, und diese nimmt ab, je höher -wir steigen. Aristoteles sah darum auch diejenigen Gestirne als die -ferneren an, die die geordneteren Bewegungen aufweisen, die Fixsterne -also als die fernsten. Die Sonderbewegungen der Planeten werden schon -von Platon und Früheren durch Einführung weiterer Sphärendrehungen -erklärt. Mit der Fixsternsphäre wird die Zahl aller erforderlichen -Sphären von Eudoxos auf 23, von Kallippos und Aristoteles auf 34 -geschätzt. Da aber jede höhere Sphäre jede tiefere in ihre Bewegung -hineinziehen müßte, sind noch 22 Sphären angenommen, die sich entgegen -jenen drehen. Insgesamt hat man so 56 Sphären. Jede Sphäre muß von -einem unkörperlichen und unbewußten Geist bewegt werden, davon also -56 vorhanden sind, zu denen eben die Gestirne zählen. Dieses System, -in Verbindung mit pythagoreischen Harmonielehren, hat wohl Cicero -vorgeschwebt, als er seinen wunderlichen Aufsatz „Scipios Traum“ -schrieb. Die Welt ist ewig von je in je, und, indem auch die Formen -ewig sind, hat es die gleichen Dinge, zum Beispiel Menschen, immer -gegeben, wie auch Platon annimmt, trotz der stetigen Entwicklung nach -oben. Das Leben der Wesen hat niemand nach der vitalen wie nach der -geistigen Seite so eingehend zergliedert wie Aristoteles. Das gehört -nicht mehr hierher. Nur an seine berühmte, aus seiner Formenlehre -folgende Definition der ~animalen Seele als der Entelechie des -organischen Körpers~ sei erinnert. Der Mensch besitzt noch einen Geist -(νοῦς) außerdem, mit der animalen Seele verbunden. Wie, ist nicht zu -ersehen, zumal vom Geist mindestens ein Teil, der tätige (ἀίδιος), ewig -sein soll. - -Aristoteles’ Schule ist die der ~Peripatetiker~, seine eigentlichen -Schüler aber hat er im Mittelalter unter den Arabern und -abendländischen Scholastikern gehabt, bei denen er Jahrhunderte -hindurch souverän herrschte, bis nach Anbruch der neueren Zeit diese -Herrschaft unter harten Kämpfen allmählich gebrochen worden ist, ohne -doch bisher ganz zu verschwinden. Er war eben ein außerordentlicher -Mann, der auf dem Gebiete der Dialektik Großes und auch als -Naturforscher höchst Bedeutendes geleistet hat. Er wird uns noch -oft begegnen, er und sein Lehrer Platon, die eigentlichen Sterne -griechischer Idealphilosophie. - - - - -FÜNFTES KAPITEL. - -Anschauungen aus Theosophie, Deismus und Emanismus. - - -Die ~Theosophie~ und die mit ihr meist verbundene ~Emanationslehre~ -beruhen außer auf dem Glauben, wie an einer anderen Stelle bereits -hervorgehoben, weniger auf logischen Verstandesfolgerungen und auf -Naturbetrachtungen, als vielmehr auf Eingebungen, innerem Schauen -(contemplatio), auf Intuition, meist aus dem Fühlen heraus. Es wird -dieser Intuition, mitunter höchster Phantasie und Verzückung, ihr Recht -eingeräumt, selbst gegen den Widerstand der kühlen Vernunft. Zugleich -tritt die irdische Welt als Selbständigkeit in den Hintergrund. Verband -der Pandeismus Gott mit der Welt, so schließt die Theosophie umgekehrt -die Welt an Gott an. Gleichwohl neigt sie meist zu einem gewissen -~Pandeismus~, wofür wir manche Beispiele kennen lernen werden. So ist -die Theosophie doppeldeutig zu verstehen, als eine Erkenntnis Gottes -durch die Welt und als eine Erkenntnis der Welt durch Gott; letzteres -also als eine Erkenntnis, wie Gott sie besitzt, als eine absolute -Erkenntnis. Fast alle Schulen und Vereinigungen, die sich in dieser -Weise mit der Theosophie beschäftigt haben und noch beschäftigen, wie -unsere modernen Theosophen, haben die zweite Art der Erkenntnis in -ihren wesentlichen Teilen geheim, esoterisch behandelt. So verband und -verbindet sich mit der Theosophie ein ~Occultismus~, der, soweit er -an die Öffentlichkeit tritt, naturgemäß als ~Mystizismus~ erscheint. -Und sie führt zu ~Supranaturalismus~. Ja in den Auswüchsen zu -~Theurgie~, ~Nekromantie~ und manchem Spuk, den wir vom ~Spiritismus~ -kennen. Es ist auch vielfach das Gebiet der ~Geheimgesellschaften~, -deren Lehren nur den Eingeweihten, Mysten, Adepten bekannt waren -oder bekannt sind. Ob die griechischen Mysterien hierhergehören, -läßt sich nicht feststellen. Da wir nicht mehr sagen können, als wir -wissen, beschäftigen wir uns hier nur mit den exoterischen Lehren. -Sie enthalten viel Bedeutendes und Hohes neben manchem, das wir nur -kopfschüttelnd vernehmen mögen. Ich erinnere aber zum Verständnis des -Folgenden, namentlich in nichtheidnischen Kreisen entstandenen, daß, -frei von allem Mystizismus, schon in der Bibel die Wesensgleichheit des -Geistes des Menschen mit dem Odem Gottes vorgetragen ist. Um solche -Wesensgleichheiten in allgemeinerem Sinne handelt es sich in allen zu -beschreibenden theosophischen Anschauungen. Für Gott werden wir auch -~Urgeist~ setzen. - - -28. ~Orphiker und Neu-Pythagoreer.~ - -Die ~Orphiker~ sagten: Vom Geiste (ὅλον, Universum) lösten sich, wie -vom Winde geweht, Stücke ab. Die lebenden Wesen atmeten sie ein und -würden dadurch zu belebten Dingen. Doch ist uns von den Neu-Orphikern -manches Ausführlichere überliefert. Nach der sogenannten Rhapsodischen -Schule ist eine Trias von drei Urwesen vorhanden: Chronos (wohl Zeit), -Aither (das allgemein Leuchtende), Chaos (wüste Materie). Aus Chronos -entsteht im Aither ein leuchtendes (silbernes) Ei. Daraus geht der -Weltschöpfer, als Trias: Phanes-Erikapaios-Metis, hervor. Der erste -Name hängt mit Leuchten zusammen, der zweite soll Lebensspender -bedeuten, der dritte tatkräftige Einsicht. Diese Dreigottheit strahlt -Sonne, Mond und Tag von sich, damit entsteht auch Nacht, dann Uranos, -Gaia, Kronos und die übliche Götterreihe mit Zeus. Sie führt auch -den Namen Eros, als schaffende Kraft, Protogonos als Urgeborener, -Monogenes als Einziggeborener, Dionysos, Pan usf. Zeus verschlingt -alles mit Phanes zugleich und bringt nun die eigentliche Welt hervor. -Eine andere Schule stellt an die Spitze ein „Unaussprechbares“, dann -ein Dreiwesen Chronos--Herakles--Ananke-Adrasteia und Materie als -Wasser und Erde, alles zusammen wieder eine Dreiheit. Aus dem Dreiwesen -geht hervor als zweite Trias: Feuchter Äther, unbegrenztes Chaos, -nebelartige Finsternis. Nun erst entsteht durch das Dreiwesen in dieser -Trias das Ei, darin der Same aller Dinge, und aus dem Ei, dem Phanes -entsprechend, das neue weltschöpferische Wesen Protogonos-Zeus-Pan. Der -Deutung wird durch die Namen nur wenig nachgeholfen. Gruppe glaubt, daß -einiges auf den Orient, als Heimat solcher Mythen, hinweise, namentlich -auf Babylon, und er führt die Istar-Tammuz-Sage (S. 197) als Quelle -an; ich habe nicht recht ersehen können, in welchem Zusammenhange. -Einiges sei auch wohl im kleinasiatischen Attiskult zu suchen. Pan -ist in solche kosmogonische Theorien, wie auch in die stoischen, nur -seines Namens wegen verschlagen, der als „All“ (τὸ πᾶν) übersetzt -wurde. Tatsächlich ist Pan lediglich Hirtengott, und der Name bedeutet -nur Hirt (nach Roscher aus Paon zusammengezogen). Die Anordnung in -Triaden ist eigentlich neu-platonisch, wie wir noch sehen werden; doch -mag sie auch den orphischen Systemen eigen gewesen sein. Gruppe hält -es nicht für ausgeschlossen, daß solche Theosophien schon zur Zeit -der Peisistratiden in Griechenland (Athen) im Schwange gewesen sind. -Allerdings werden schon von dem behaupteten Lehrer des Pythagoras, -~Pherekydes~ aus der Insel Syros, ähnliche Theosophien mitgeteilt, -mit Zeus-Eros, Chronos, Chthonie (Erde) als erste Trias; Feuer, Luft, -Wasser (alle aus Chronos hervorgehend) als zweite, aus der dann die -Götter entstehen und die Welt von Zeus-Eros gebildet wird. Auch von -~Epimenides~ soll etwas Ähnliches gelehrt worden sein. Wir haben es -weniger mit Philosophen als mit Theologen zu tun. - -Die ~Neu-Pythagoreer~, in ihren verschiedenen Lehren, beschäftigten -sich insgesamt mit den vier Stammannahmen der Tetras: Gott, Seele, -Materie, Widergott. Einige Schulen vereinigten Seele mit Gott und -gewannen so die Dreiheit, Trias: Weltgeist, Materie, Widergeist. -Entzogen andere Schulen auch noch der Materie ihre Neutralität, indem -sie den Widergeist in sie versetzten, so ergab sich die Zweiheit, -Dyas, von Geist und Materie, beide aktiv und widerstreitend. In -letzterem Sinne sprechen sie in Pythagoras’ Zahlenlehre von dem Eins -als dem Geist und dem Zwei als der Materie, und das Eins sollte das -Vollkommene, das Zwei das Unvollkommene sein. Aber das Zwei muß -zugleich das dem Eins Widerstreitende bilden, sonst ist das Übel in -der Welt nicht zu erklären. Gleichwohl beherrscht das Eins das Zwei; -absolut als Urgeist, weniger vollkommen als Seele. Die lebenden Wesen -haben nun teil am Urgeist als Seele oder Geist und an der Materie, -samt deren Widergeist. Wie sich aber in ihnen Geist und Widergeist -bekämpfen, ist nicht recht ersichtlich; nur scheint strengste Ethik -und Askese als Wirkerin gegen den Widergeist betrachtet zu sein, die -den Geist frei macht und ihn in seiner Göttlichkeit erscheinen läßt. -Der seltsame Wundermann ~Apollonios~ von ~Tyana~ (4 v. Chr. bis 96 -n. Chr.), dessen Leben ~Philostratos~ beschrieben hat, gehört den -Neu-Pythagoreern an. In seinem Wesen gemahnt er sehr an die indischen -Asketen, die sich sogar Macht über den Beschluß der Götter zuschrieben, -und die Götter durch Buße und inniges Gebet zwingen zu können glaubten, -wie unsere Gesundbeter der „Christian Science“. Der Neu-Pythagoreismus -ist mit Platonischen Lehren durchsetzt und geht schließlich in den -Neu-Platonismus über. Aber auch stoische Elemente sind ihm nicht -fremd. Denn manche Neu-Pythagoreer vereinigten Geist und Materie zu -einer Unität, gleich derjenigen der Stoiker, und unterschieden sich -von diesen im Grunde nur noch durch das Mystische und durch ihren Hang -zur Weltentfremdung und Selbstkasteiung. Ihrem Mysticismus entspricht -ihr weitgehender ~Dämonenglaube~, den wir auch bei den Stoikern -finden und der hoch in das griechische Altertum hinaufreicht, als -ein Naturmenschliches. Einige sahen in den Dämonen die eigentlichen -Regenten, ~Archonten~ der Welt, ganz im Sinne des alten Hesiodos, -dessen Anschauungen wir hier zur Klarstellung anführen. Nach ihm sind -die Dämonen Geister dahingeschiedener Menschengeschlechter, wie nach -dem Naturmenschen. Vom Geschlecht aus dem Goldenen Zeitalter heißt es -in den „Werken und Tagen“: - - Gute, des Wehs Abwehrer, der sterblichen Menschen Behüter, - Welche die Obhut tragen des Rechts und der schnöden Vergehung, - Dicht in Nebel gehüllt, ringsum durchwandelnd das Erdreich, - Geber des Wohls; dies war ihr glänzendes Ehrenamt. - -An einer anderen Stelle nennt er sie „heilige Diener des Zeus“ -und gibt ihre Zahl auf drei Myriaden an. Die Seelen der anderen -Menschengeschlechter werden als „sterbliche Götter der oberen Erde“ -bezeichnet (die des zweiten, Silbernen Geschlechtes), oder als -indifferente selige Geister (die Halbgötter des vierten Geschlechtes), -oder sie werden gar nicht genannt. Darauf bezieht sich beispielsweise -~Plutarchos~ in seiner Schrift über Isis und Osiris (oder wer diese -Schrift verfaßt hat). Er bringt aber noch eine sehr eigenartige -Auffassung des Empedokles bei, wonach die Dämonen für ihre Fehler und -Vergehungen auch gestraft werden, bis sie geläutert ihrem früheren -Stande zurückgegeben sind. Wir werden diesen Dämonen bald unter -anderer Gestalt wieder begegnen. Aber solchem Dämonenglauben wird es -möglicherweise zuzuschreiben sein, wenn einige Neupythagoreer gar nur -die Materie mit ihrer Gottheit als ursprünglich anerkennen und das Gute -als eine daraus nachgeborene Gottheit ansehen wollten. Das erklärt dann -freilich das Unvollkommene der Welt radikal. Einen ähnlichen Gedanken -in einer sehr viel höheren, und auch umgekehrten, Auffassung finden -wir bei unserem Jakob Böhme wieder. Zunächst wenden wir uns noch zwei -morgenländischen Anschauungskreisen zu. - - -29. ~Indische Theosophie und Sufismus.~ - -Wie die hebräische Philosophie auf der Bibel, beruht die ~indische~ auf -Veda und Upanishaden, als den heiligen Büchern. Und da die Upanishaden -wesentlich der Erläuterung der Veden dienen, wird die indische -Philosophie besonders als die ~Vedantaphilosophie~ bezeichnet. Daß es -jedoch indische Philosophien gibt, die weit ab von den Lehren der Vedas -und der Upanishaden führen, beweisen namentlich die buddhistischen und -manche Philosophien rein materialistischen Charakters, die in Indien -als das Fremdartigste dastehen. In der Vedantaphilosophie nun, die uns -hier noch allein angeht, herrscht wesentlich die Anschauung, daß Seele -und Urgeist das gleiche sind, sei es, daß sie getrennt voneinander -bestehen, so daß jedes lebende Wesen eine Art Kleingott bedeutet, -der nur durch die Verbindung mit der Materie gehindert ist, Gott -gleich zu werden, oder daß die Seelen am Urgeist überhaupt teilhaben. -Diese Anschauung ist späterhin nach zwei Richtungen weitergebildet -worden. ~Ramanuga~ und seine Schule betrachteten den Urgeist Brahman -als wirkliche Gottheit, und für sie war die Gottheit im lebenden -Wesen real. Ja, ihre Lehre ging bei Vielen in den schon behandelten -Pandeismus über, wenn auch die Materie mit der Gottheit verbunden -wurde. Die Welt war eine ~Evolution Brahmas~. Max Müller teilt einen -interessanten Text aus dem Kandogya-Upanishad mit, der für Ramanugas -Anschauung spricht. Indra als Führer der glänzenden Götter, Devas, -Virokana als Führer der den Devas widerstreitenden Âsuras, wollen das -absolute Selbst, das Atmân, erkennen und wenden sich an Pragâpati, -den Herrn der Schöpfung. Er erklärt ihnen zuerst, was sie im Auge, im -Wasser sich spiegeln sähen, das sei das Selbst. Beide fassen danach -das Bild als das Selbst auf, also ein Anderes. Und Virokana ist -damit befriedigt und gründet darauf bei seinen Âsuras die Lehre der -Äußerlichkeiten. Aber Indra merkt bald, daß das Bild nicht das Selbst -sein kann. Er kommt zu Pragâpati zurück. Und das muß er nun wiederholt -tun, indem er immer höhere Antworten erhält, die die jedesmaligen -Zweifel anerkennen und seine Anschauung von Stufe zu Stufe steigen -lassen. Der letzte Bescheid geht von der Verbindung zwischen Körper und -Seele aus. „Wie ein Pferd an einen Wagen gespannt ist, so ist der Geist -(prana) an diesen Körper gespannt.“ Steht der Geist von dem Körper -absolut frei, so ist er die „höchste Person“ (uttama purusha). Wer -weiß: ich will denken, der ist das Selbst. Wer weiß: ich will reden, -ich will sehen, der ist das Selbst usf. Die Organe sind nur Mittel. -Sogar das Denkorgan ist nur Mittel; wer weiß, daß er denken will oder -denkt, der ist das Selbst. „Derjenige, welcher dieses Selbst kennt und -es versteht, erlangt alle Welten und alle Wünsche.“ Letzteres bedeutet, -daß er die höchste Erkenntnis besitzt, sich selbst und so die Welt -erkennt. Schon hier ist das Absolute stark verflüchtigt, obwohl es als -purusha (Person) bezeichnet wird. - -Noch mehr geschieht dieses in der zweiten Schule der -Vedantaphilosophie, der ~Sankhya~. Der Urgeist rückt in unbegreifliche -Fernen; die Seelen mögen an ihm teilhaben, für die Anschauung ist -dieses aber nicht von Belang. Dadurch geht die Sankhyaphilosophie in -einen gewöhnlichen Dualismus zwischen Geist und Materie über, dessen -Betrachtung nicht mehr ganz hierher gehört. Die Abstammung von oder -die Verbindung der Seele mit Brahman zeigt sich nur darin, daß sie -in der realen Welt allen Vorgängen gegenüber das absolut Ruhende, -reiner Geist ist. Ihr Verhältnis zu der realen Welt kommt nur dadurch -zustande, daß von ~ihr~ aus Licht auf die Dinge fällt; wie manche -Griechen geglaubt haben, daß wir dadurch sehen, daß vom Auge Strahlen -ausgehen, die die Gegenstände betasten. Und die Hemmungen unseres -Geisteslichtes an den Dingen sind unsere körperlichen Leiden und -Freuden, wenn wir sie als Hemmungen hinnehmen. Durchschauen wir aber, -daß Leiden und Freuden doch uns selbst gar nicht berühren, da in uns -gar nichts vorgeht, so haben wir die Erkenntnis erreicht, die uns von -der Welt frei macht und die Seele als absoluten Geist bestehen läßt. -Daß diese Lehre, wie jeder Dualismus, an der Unbegreiflichkeit der -Wirkung differenter Potenzen aufeinander leidet, sieht der Leser. -Verdeutlichungen durch Bilder, wie daß ein weißer Kristall rot -erscheint, wenn hinter ihm ein roter Gegenstand gehalten wird, sind -üble Notbehelfe, namentlich für uns, die wir die physikalischen Gründe -kennen. Eine Art Vermittlungsschule zwischen den beiden genannten ist -die von ~Sankara~ begründete. Die Seele ist Brahman selbst. Und die -Welt? Diese ist überhaupt nicht. Wir werden diese Lehre im dritten -Buche behandeln. Hier erwähnen wir nur noch, daß Askese, Selbstquälen -und Sichversenken wie zur absoluten Erkenntnis, so auch zur Erreichung -hoher magischer Macht führen soll. Die ~Yoga~-Lehre (Anspannungslehre) -geht so auch in Okkultismus über. Und wer hat nicht von den -übermenschlichen Taten indischer Fakire gehört? - -Mit den orphischen und den indischen Lehren eine gewisse Ähnlichkeit -haben die der persisch-mohammedanischen Sekte der ~Sufi~ (die -Reinen, Frommen). Die Seelen sind auch hier Teile Gottes, in der Art -Gott gleich, aber dem Grade nach unendlich von ihm verschieden. Im -letzteren Umstand besteht die Differenz gegen die indischen Lehren, -nach denen Seele und Brahman überhaupt das gleiche bedeuten. Indessen -durchdringt auch nach den Sufi Gott alle Materie. Darum sollen die -Menschen stets der geistigen Wesenseinheit mit ihm eingedenk sein, -und Gott lieben heißt: sich selbst lieben. Denn zuletzt wird die -Seele mit Gott vereinigt. Den Sufismus soll zuerst eine Frau, -Rabia, im 8. Jahrhundert bekannt haben; von ihr werden viele schöne -Aussprüche mitgeteilt. Die Lehre ist bei vielen ihrer Anhänger in -einen Pandeismus und eine Theosophie (Arif) übergegangen. Manche -haben sich mit Gott derart verbunden geglaubt, daß sie sich für -„Leute der Gewißheit“ hielten und das Studium der heiligen Bücher -für ein Dreschen leeren Strohes erklärten. Die Derwische werden ein -Zerrbild der philosophischen Sufi bilden, wie die Fakire ein solches -der philosophischen Vedantisten. Im Sufismus spielt die Intuition die -Rolle, wie in der Theosophie überhaupt. Demut und Ergebung ziehen ihr -voraus, vollständiges Aufgehen in Gott folgt. Die Sufi haben sich -an der glühend sinnlichen Poesie des Orients in hervorragendstem -Maße beteiligt. Es wäre schade, wenn alle Schönheiten dieser Poesie -symbolisch gemeint sein sollten. Und ihr größter Lyriker, Mohammed -Schemseddin, genannt Hafis (Ehrennamen für jemand, der den Koran -auswendig weiß), soll Goethe zu seinem Westöstlichen Divan begeistert -haben. - - -30. ~Philon von Alexandrien.~ - -Wir kehren zum Abendlande zurück. Den Übergang zu den Neu-Platonikern -einerseits und den Gnostikern andererseits gibt die Anschauung -~Philons~, des alexandrinischen Juden (geboren um 30 v. Chr.), die -zwischen Platons Philosophie und den biblischen Lehren zu vermitteln -suchte. Man rechnet Philon zu den Eklektikern. Eklektiker waren -übrigens fast alle hellenistischen Philosophen nach der Stoa. Höchst -charakteristisch ist schon, was er von der Schöpfung der Welt sagt: -„Gott sah in seiner Göttlichkeit voraus, daß eine schöne Nachahmung -nicht würde existieren können, ohne ein schönes Muster, und daß von den -sinnlichen Dingen keines tadelfrei sein würde, das nicht einem Vorbilde -und einer geistigen Idee nachgeformt worden wäre. Deshalb schuf er, -da er diese sichtbare Welt gründen wollte, vorher die nur im Denken -vorhandene Welt, damit er nach einem unkörperlichen und gottähnlichen -Muster das Körperliche ausführe, dieses ein späteres Abbild des -Früheren, ebensoviele sinnliche Dinge umfassend, wie in jenem ideelle -enthalten sind. Die Ideenwelt (sie entspricht der Platonischen) nun -dürfen wir nicht als an irgendeinem Ort vorhanden uns vorstellen oder -bezeichnen.“ Philon nimmt das Beispiel eines Architekten, der eine -Stadt gründen will, und führt weiter aus: „Ähnlich muß man es sich -in betreff Gottes vorstellen, der, als er die Gründung dieser seiner -ungeheuren Stadt überdachte, zuerst die ~Vorbilder~ zu derselben ersann -und dann eine ~ideelle Welt~ aus ihnen zusammensetzte und endlich nach -~deren~ Vorbild die ~Sinnes~welt schuf.“ „Es ist offenbar, daß jene -vorbildliche Abbildung, die wir die ideelle Welt nennen, selbst das -vorbildliche Muster ist, die Idee der Ideen.“ Er nennt diese Idee der -Ideen die „Vernunft Gottes“. Gemeint ist eine Idee von den Ideen, so -daß wir die absteigende Reihe hätten: Gott, Ideen, Zusammenfassung -der Ideen, sinnliche Welt. Und für diese Ansicht führt er die Genesis -selbst an: „Es ist dies nämlich die Meinung Mose, nicht die von mir -herrührende. Indem er uns die Schöpfung des Menschen erzählt, sagt er -ausdrücklich, daß derselbe ~nach~ dem Bilde Gottes geschaffen ist. -Wenn aber der Teil (der Mensch) ein Bild des Bildes ist, so ist es -offenbar auch das Ganze, das heißt die gesamte sinnlich offenbare -Welt.“ Und so erklärt sich denn die Unvollkommenheit in der Welt durch -die absteigende Bedeutung in der Schöpfungsreihe, und freilich auch -dadurch, daß Gott von seiner ~unendlichen~ Güte der ~endlichen~ Welt -nur einen ~endlichen~ Teil verliehen hat. Gott selbst ist gänzlich -außerhalb der Welt, zu nichts in der Welt in Beziehung; er ist das -„Seiende“. Die Idee der Ideen ist der ~Logos~, „der intelligible Ort -der intelligiblen Welt“ der zusammengefaßten Ideen. Die „Fleischwerdung -des Logos“, um mit dem Evangelisten Johannes zu sprechen, gibt die -sinnliche Welt. Und so ist auch der Logos von Philon als Erzengel -aufgefaßt, der Mittler zwischen der sinnlichen Welt und Gott, indem -er selbst die „Vernunft Gottes“ ist, eine ~Ausstrahlung~ Gottes, des -absoluten Lichtes. - -Zu diesem und zu allem folgenden wollen wir ein versinnlichendes -Beispiel aus der Natur nehmen. Die Sonne ist, wie wir metaphorisch -sagen können, die Lichtgrundquelle, das Licht. Sie sendet mannigfache -Strahlen aus: rote, grüne, chemische, wärmende, elektrische usf. Die -Strahlen sind nicht die Sonne, haben aber ihren Ursprung in der Sonne; -schwindet die Sonne, so vergehen die Strahlen; sie sind ohne sie -nichts, die Sonne aber besteht auch ohne die Strahlen. Die einzelnen -Strahlenarten würden den einzelnen Ideen entsprechen. Alle zusammen -geben sie die Idee der Ideen und entsprechen dem Logos. Denken wir -uns, daß sie irgendwo im Raume etwas bewirken, das materiell sich neu -geltend macht (wie etwa die chemische Zusammensetzung von Chlor und -Wasserstoff zu Salzsäure, oder das Wachsen und Blühen einer Pflanze), -so haben wir ein Ähnliches für die Hervorbringung der sinnlichen -Welt durch den Logos. Das Beispiel zeigt, daß der Vorwurf, den man -Philon und überhaupt allen macht, die zwischen Gott und der Schöpfung -vermitteln, daß nämlich die Vermittlung selbst, der Logos, doch auch -nur Gott sei, nicht ganz gerechtfertigt ist. In der Tat sind es die -Strahlen, welche die Salzsäure zustandebringen, die Pflanze wachsen -und blühen lassen; nicht die Sonne selbst tut es, sie ist die Ursache -der Strahlen, wie Gott die Ursache des Logos, und dieser seinerseits -die Ursache der sinnlichen Welt. Die weitere Entwicklung geht nun -dahin, daß die verschiedenen Teile der Welt Materialisierungen -verschiedener Ideen innerhalb des Logos sind, durch den Logos. Der -Mensch ist Materialisierung der bedeutendsten Ideen; seine Seele -enthält sogar von den Ideen selbst, und die Zusammenfassung dieser -Ideen ist der ~Logos im Menschen~, seine ~Intuition~, die hiernach von -der Denkkraft ein Anderes ist. So enthält der Mensch neben dem Körper -auch Strahlen Gottes, die einzeln verschiedene Fähigkeiten seiner -Seele bedeuten, zusammen die absolute Einsicht. Diese Lehre kann als -~Emanationslehre~ bezeichnet werden, besser aber als ~Radiationslehre~, -denn bei Emanation denkt man an Ausfluß von dem Gegenstande selbst, -was ja nicht stattfinden soll. Der Mensch hat nichts von Gott selbst -in sich, sondern nur von seinen Ideen, seinen Strahlen, wie auch der -Logos als Zusammenfassung aller Ideen, aller Strahlen. Bis hierher ist, -glaube ich, das System ganz konsequent. Was außerdem vom Menschen und -der Seele ausgeführt wird, enthält freilich Schwierigkeiten in reicher -Zahl. Der Mensch soll als ~Mikrokosmos~ dem ~Makrokosmos~ entsprechen, -also würde er vom Logos im Kleinen alles enthalten, was der Welt als -Ganzes zukommt. Darin soll seine Ebenbildlichkeit Gottes bestehen, er -wäre eine Art inkorporierter, in sich zusammengezogener Logos. Das -ist schwer zu verstehen; wir müßten denn alle Strahlen, die den Logos -ausmachen, einzeln hinlänglich geschwächt uns vorstellen. Wenn weiter -dieser Logos dann als Nus (νοῦς) bezeichnet und von der logischen -Einsicht abgesondert wird, so müssen wir zwischen der Intuition und -der logischen Einsicht einen Unterschied annehmen und jene vielleicht -als ~absolute Einsicht~ (ohne logisches Denken und Schließen), diese -als ~relative~ bezeichnen. Nun soll der Nus allein unsterblich, die -übrige Seele, die, wie bei den Stoikern die Seele überhaupt (S. 232), -materiell gedacht ist, sterblich sein. Die relative Einsicht wird aber -gleichfalls als Logos bezeichnet, wie soll sie denn sterblich sein? -Auch daß sich, wie Philon lehrt, der Nus soll von Gott trennen können --- was offenbar zuliebe denjenigen angenommen ist, die an einen Gott -überhaupt nicht glauben -- versteht man nicht innerhalb des Systems. -Wir können freilich auch für diese Trennung physikalisch ein Analogon -bieten. Wenn die Sonne plötzlich keine Strahlen mehr aussendet, so -laufen die vorher erregten, wie innen gegen die Sonne zu abgerissen, -durch den Raum weiter. Indessen behalten sie doch, wenn auch von der -Sonne getrennt, ihre Qualität bei und schreiten fort, wie wenn sie noch -mit der Sonne zusammenhingen, nur sich immer weiter innen und nach -außen von ihr entfernend, nichts aber in ihrer Art noch in ihrem Gange -ändernd. - -Wie die Idee der Ideen als Erzengel personifiziert, individualisiert -wird, so auch jede Idee oder ein Bündel von Ideen für sich. Daraus -resultiert das Heer der Engel, Dämonen, Geister. Die letzteren -sind auch Seelen; gehen sie in Körper ein, so verfallen sie der -Sinnlichkeit, aus der sie sich in einem Leben oder in mehreren Leben --- Philon ist also ein Anhänger von Platons Metempsychose -- wieder -befreien müssen, wenn sie ihre frühere Göttlichkeit erreichen wollen. -Dieses kann man mit der Hauptlehre allerdings nicht in Einklang -bringen. Und das liegt eben daran, daß die Strahlen, Kräfte Gottes auch -als absolut gut behandelt werden. Ist die Materie gänzlich neutral, -so bleibt hier, wie in allen von den gleichen Voraussetzungen (der -absoluten Güte Gottes und der Neutralität der Materie) ausgehenden -Anschauungen, kein Platz für das Böse, und die Einführung beruht auf -Redewendung ohne Grund. Aber das berührt die allgemeine Anschauung des -Philosophen nicht. - - -31. ~Der Logos und die Sophia.~ - -Der Begriff des ~Logos~ ist von so großer Bedeutung geworden, weil der -vierte Evangelist ihn zur Grundlage seines Systems gemacht hat. Logos -bedeutet ursprünglich das Wort, und so ist es von Luther übersetzt -worden. Das „~Wort~“ aber hat bei Johannes die gleiche Rolle wie -der Logos bei Philon. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei -Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfange bei Gott. Alle -Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist nichts -gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das -Licht der Menschen. Und das Licht scheinet in der Finsternis, und die -Finsternis hat es nicht begriffen.“ Das ist alles durchaus im Sinne -der Philonischen Anschauung; nur daß das „Wort“ noch näher mit Gott -verknüpft ist als bei Philon. Logos hat schon früh bei den Griechen die -Nebenbedeutung von Gedanke, logische Ordnung, gehabt. Herakleitos aus -Ephesos soll bereits gelehrt haben, „das Wesen des Schicksals sei der -Logos, der die Substanz des Weltalls durchdringe“. „Alles geschieht -nach dem Logos.“ „Der Logos ist ewig.“ „Der Seele ist der Logos eigen, -der sich selbst mehrt.“ Letzteres ein Seitenstück zu: „Der Sinn ist -dem Menschen Dämon (ἦθος ἀθρώπῳ δαίμων).“ Max Müller stellt diesen -Logos mit dem indischen Ritam in Parallele, eben der zwingenden -Ordnung. Aber das „Wort“ selbst hatte bei den Indiern kosmogonische -Bedeutung im Brahma, als Spruch, während der Logos bei Heraklit nicht -schöpferisch auftritt, sondern nur als von je vorhanden (ἀεὶ ἐῶν). -Erst die Stoiker faßten den Logos auch als schöpferisch auf, indem er -bei ihnen die göttliche Vernunft bedeutete. Und so sprachen sie auch -gemäß ihrem schon gebildeten Pandeismus von einem Logos in jedem Dinge, -von „bekörperten Logoi“, die den Typus der Dinge, ihre „spezifische -Qualität“ darstellten; alle die platonischen Ideen real gedacht. So -hat sich also die später so wichtige Auffassung des Logos allmählich -vorbereitet. Die eigenartige Zwischenstellung des Logos zwischen Gott -und der Welt scheint aber vorher nicht gekannt zu sein, denn Platons -Ideen sind nicht schöpferisch, weder seine eigenen, noch wie sie -Aristoteles auffaßte; sie treten nicht als Mittler zwischen Gott und -der Welt auf, daß Gott selbst von der Welt völlig unberührt bliebe. -Goethe läßt Faust Logos zuletzt mit „Tat“ übersetzen. Das entspricht -der Auffassung Philons sehr nahe, wohl mehr als „Wort“, da die Ideen -bei Philon „Kräfte“ Gottes sind („Kraft“ benutzt ja Faust vorher auch). -Weiter nennt Philon den Logos den „Sohn Gottes“, den „Einziggeborenen“, -den „Erstgeborenen“. Diese Wendung scheint, wenigstens für den Logos -(sonst S. 255), vor Philon nicht bekannt gewesen zu sein. Sie ist -aber später die wichtigste geworden. Im Evangelium Johannis wird sie -auf Christus übertragen: „Und das Wort ward Fleisch und wohnete unter -uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des -eingeborenen Sohnes vom Vater.“ - -Noch ein zweites Prinzip bei Philon hat in der Folge große Bedeutung -erlangt: die Sophia, die „~Weisheit~“ Gottes. Während dem „Worte“ in -der Bibel nur mit Zwang der Sinn des Philonischen Logos beigelegt -werden kann, das „Wort“ dort vielmehr lediglich soviel wie Ruf, -Befehl, etwa wie in den ersten Zeilen der Genesis, besagt, nicht -mehr, scheint die „Weisheit“ eine besondere Stellung einzunehmen. In -den „Sprüchen“ Salomos sagt die „Weisheit“ (Chachma) von sich: „Mich -schuf der Ewige als seines Wandels Anfang.“ Sie war, ehe noch die -Erde, ehe Meer, Wolken, Himmel waren. „Da war ich Wonne Tag für Tag, -Pflegling, spielend vor ihm (vor Gott) aller Zeit.“ Ähnlich könnte -man die Aussprüche in Hiob, Kap. 28, interpretieren, wo die Weisheit -gleichfalls bei der Schöpfung zugegen ist. Doch wird sie hier zuletzt -als „Fürst des Herrn“ erläutert. Der geistvolle Sirachide aber sagt -(Sprüche, Kap. 24) ganz sinnfällig von der Weisheit: „Ich ging hervor -aus dem Munde des Höchsten, und wie ein Nebeldampf bedeckte ich die -Erde. Ich nahm meinen Wohnsitz in der Höhe und mein Thron war auf einer -Wolkensäule. Die Himmelswölbung durchkreiste ich allein, und in der -Tiefe der Fluten des Chaos wandelte ich.“ Sodann: „Von Ewigkeit her, -von Anfang an schuf er mich, und bis in die Ewigkeit werde ich nicht -aufhören.“ Dann folgt eine hochpoetische Schilderung, die die Weisheit -von sich selbst gibt. Bei Philon scheint die Weisheit mit dem Wort -zusammenzufallen: als „Vernunft Gottes“. - - -32. ~Die Gnostiker und Manichäer.~ - -Indem wir uns zu den christlichen ~Gnostikern~ (Gnosis = Erkenntnis, -intuitives Wissen, Offenbarung) wenden, haben wir mit der Schwierigkeit -zu kämpfen, daß deren Lehren, abgesehen schon von ihrer Dunkelheit, -uns nur bruchstückweise überliefert sind. Die Theosophie unserer Zeit -wendet ihnen besondere Aufmerksamkeit zu. Außer den älteren Werken von -Baur und Harnack (in seiner Dogmatik) besitzen wir ein zweibändiges -Buch von Heinrich Schmitt, das mit schöner Begeisterung geschrieben -ist, aber doch auch vieles dunkel läßt, trotz der „Licht“lehre, -die die Gnosis sein soll, und das manches enthält, das wie ein -Spätprodukt aussieht, und leider viel Allzuüberschwengliches, womit -man nichts anzufangen weiß. Es hat in der Gnosis zwei Hauptschulen -gegeben, ~dualistische~ und ~monistische~. Die ersteren sind von -zwei Prinzipien, Gott und Widergott (auch Materie, als widersetzlich -gedacht) ausgegangen, die anderen von Gott allein. Und die Lehren sind -eine Mischung von Heidentum, Christentum und Philosophie. Sie sollen -aber freilich wesentlich dem Heiden-Christentum zugute kommen, obwohl -sie sich besonders der Philonischen Emanationslehre anschließen. Von -beiden Schulen können nur die bedeutendsten Vertreter hervorgehoben -werden. Ich werde mich an die trockene Darstellung der älteren Werke -halten, und was Schmitt ausführt zuletzt erwähnen. - -~Basilides~ (ein Alexandriner zur Zeit Hadrians) gehört der -dualistischen Schule an. Seine Lehre ist eine ~Emanationslehre~. -Für den höchsten Begriff wollen wir immer Gott sagen. Gott ist das -Absolute und Unerkennbare im Sinne Philons. Aus ihm ist hervorgegangen -die Vernunft, aus dieser das Wort und nun in weiterer Reihe: die -Vernünftigkeit, die Weisheit, die (sittliche) Kraft, die Gerechtigkeit, -der Frieden. Das sind sieben Stufen nach Gott, alle geistig-ethisch. -Außerdem sollen Weisheit und Kraft ihrerseits die Tugenden, die -geistigen Herrscher, die Engel hervorgebracht haben. Alles wird als -reale ~Emanation~ Gottes angesehen. Die Engel werden auch als die -Ersten genannt und als die Werkmeister der Welt, die ~Demiurgen~. -Also Gott schafft selbst die Welt nicht, sondern von ihm emanierte -Prinzipien bilden sie. Der weltbildenden Engel aber sind, in stetig -abnehmender Vollkommenheit, so viel als der Tage im Jahre, 365. -Die weitere Ausführung scheint nun wesentlich in den Bahnen des -Zarathustrismus zu laufen. Denn es wird offenbar ein böses Prinzip -vorausgesetzt, das, sobald es, wie Ahriman das Reich Ormuzds, das -Lichtreich Gottes erblickt, in Widerstreit mit den Engeln gerät. -Es entsteht eine „Verwirrung und Vermischung“, letztere wohl der -Lichtkräfte mit den Finsterniskräften. Und dabei bilden die Engel die -Welt, so gut sie es bei diesem Tohuwabohu vermögen, aus Lichtern mit -angehängter Finsternis. Den 365 Engeln entsprechen 365 Himmel oder -Welten. Unseren Himmel und unsere Welt hat der erste unter jenen Engeln -gewirkt. In diesem für uns eigentlichen ~Demiurgos~ soll Basilides den -Gott der Bibel gesehen haben, was der Bibel selbst widerspricht, da -Jehova gar keine Widersacher hat, noch haben kann. Dieser Demiurgos -habe ein Volk sich auserwählt, die Israeliten, und habe ihnen die -ganze menschliche Welt unterwerfen wollen. Dagegen hätten sich -die anderen Engel erhoben. Und den Streit zu schlichten, habe Gott -~Christus~, seinen ~Mittler~, in die Welt gesandt. Eine andere Wendung -sagt auch, daß Christus in der Regierung der Welt überhaupt die, -als nicht hinreichend stark dem Finstern gegenüber erprobten, Engel -ablösen sollte. So wacht also über der Welt eine Vorsehung, die von -Gott ausgegangen ist und im Mittler ihre wirkende Kraft gefunden hat. -Wie die Welt entstanden ist, wird nicht gesagt; die Materie scheint -eine Art Mischung von Licht und Finsternis zu sein. Es wäre die Welt -eine doppelte Emanation: der Lichtmächte, von oben nach unten, und der -Finsternismächte, von unten nach oben. Letztere Emanation ist auch eine -~Evolution~. Die der Lichtmächte wäre im Menschen die bedeutendere. -Mit ihr wachse die Intuition. Und die vollkommenen Adepten seien darum -auch absolut frei, sogar neben den Engeln. Diese Überhebung soll zur -moralischen Verkommenheit vieler Anhänger dieser Lehre geführt haben. -Im übrigen wird noch die Seelenwanderung völlig im Sinne der Indier -und namentlich Buddhas gelehrt, und in dem Körper-Leben die Strafe -für bewußte Sünden, Anhängen an die finstern Mächte in uns, gesehen. -Die Läuterung geschieht durch allmähliches Abstreifen der Finsternis, -wahrscheinlich in eranischem Sinne (S. 203). Für die unverschuldeten -Leiden hatten die Basilidianer den bekannten Jammertrost, daß sie gegen -mögliche, in der Anlage vorhandene, Sünden hüten oder warnen sollten. - -Dieser Dualismus ist noch in verschiedener Weise durchgeführt worden. -Eine Schule (des Hermogenes, Arnobius, Synesius u. a.) nahm als zweites -Urwesen die Materie. In Gott sei alles in größter Ordnung, in der -Materie in größter Unordnung (beides wie bei Anaximander, Anaxagoras -und anderen griechischen Philosophen). Was dort in Ordnung, hier in -Unordnung sich befindet, soll das gleiche sein (Bewegung?). Gott bringt -nun in die Unordnung der Materie Ordnung hinein; indes, da es sich eben -um zwei Urwesen handelt, so weit nur, als das Gute in ihm dem Grade -nach das Böse in der Materie überragt. So entstehe und entwickle sich -die Welt, indem die Ordnung in Gott für sich schon die Unordnung in -der Materie zu ordnen beginne, wie ein Gegenstand die Wünsche lenkt. -Und die Welt sei Unordnung neben Ordnung. Die Seele sei aus dem Etwas -in der Materie hervorgegangen, oder auch sie sei eine Emanation einer -höheren Emanation Gottes, die ihrerseits noch weit von Gott abstehe. -Lactantius’ Dualismus enthält Christus als Prinzip des Guten, den -Teufel als Prinzip des Bösen, beide von Gott hervorgebracht. - -Endlich erwähne ich noch bei den Dualisten den ~Manichäismus~, der -diesem Gnostizismus nahe steht. Der Stifter Mani (um die Mitte des 3. -Jahrhund. n. Chr.) war ein Perser. Daraus erklärt sich, daß seine Lehre -wesentlich alten Zoroastrismus mit verarbeitet. Von Interesse ist, daß -jeder Schöpfung im Reiche der Finsternis eine gleichgebildete im Reiche -des Lichtes entspricht, was an die eranischen Fervers und Platons Ideen -erinnert. Auch die Wendung darf nicht übergangen werden, daß im Kampfe -zwischen Licht und Finsternis in manchen Stellen des Universums (in -Sonne und Mond) das Licht in bedeutendem Übergewicht sich befindet. -Und indem Verwandtes sich anzieht, wirken diese Stellen im Umschwung -der Welt wie Schöpfräder und führen mehr und mehr von mit Finsternis -behaftetem Licht in die Lichtsphäre. Dieser Prozeß des Heranlockens -von Licht durch Licht ist aufgefaßt als eine Kraft des Lichtes (der -Physik widerspricht er). Und Christus soll der höchste Walter dieser -Kraft sein. Wenn die Manichäer sonst nicht alles physisch betrachteten, -würde man die obige Anschauung als eine hübsche Allegorie ansehen, -um die Tätigkeit Christi in der Seligmachung der Menschen sinnfällig -auszudrücken. Aber was sollen dabei Sonne und Mond? In der Sonne -scheinen die Manichäer überhaupt etwas Göttliches gesehen, wenigstens -ihr Licht als eine göttliche Offenbarung angenommen zu haben. Auch ging -Mani bei ihnen bald aus einem ~Parakleten~ in den Erlöser über oder -in den heiligen Geist. Er fiel in Persien als Opfer seiner Lehren, da -dort gerade die eranische Religion unter dem Einfluß der eben sich -erhebenden Sassaniden in den Monotheismus geleitet wurde, der in der -Tat mit dem Zarathustrismus an sich nicht unverträglich ist. - -Die Lehre des ~Valentinus~ (um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. -in Alexandrien und Zypern), der monistische Gnostizismus, wird als -idealistische bezeichnet. Der Anfang ist ein Ururwesen, die ~absolute -Stille~, das ~große Schweigen~ (Sige, σιγή), und ihm zur Seite als -Urwesen das absolute ~Sich-in-sich-Denken~ (Ennoia, ἔννοια) und die -unergründliche Tiefe, der ~unergründliche Schoß~ (Bythos, βυθός). -Unter Vermittlung der beiden Urwesen emaniert aus dem Ururwesen der -~Nus~, auch ~Monogenes~ (S. 266), der einziggeborene Vater und Grund -aller Dinge, der zugleich allein seinen Ursprung, das Ururwesen, -fassen kann. Nus wäre die absolute Vernunft, der absolute Geist, -Urvernunft, wie wir der Kürze halber sagen wollen. Mit dem Urgeist -geht die absolute Wahrheit, Urwahrheit (Aletheia, ἀλήθεια) hervor. -Dieses wird so gedeutet, daß Gott an sich nicht begriffen werden kann, -sondern nur unter den Gesichtspunkten der Vernunft und der Wahrheit, -dem man gewiß zustimmen wird. Aus den beiden letzteren nun emaniert -das Wort (der Logos) und das Leben (Zoê). Und aus diesen der geistige -Mensch (ἄνθρωπος) und die geistige Gemeinschaft (ἐκκλησία), Kirche. -So haben wir mit Bythos und Ennoia (oder Sigê, wie manche sagen) vier -Emanationspaare (~Syzygien~), die die erste Emanationsreihe darstellen, -die ~Urachtheit~. Jedes der Paare wird als männlich-weiblich -angesehen; das männliche gab das Wesen, die Substanz, das weibliche -die Kraft. „Shakespeares Romeo und Julia“, sagt Heinrich Schmitt in -seinem genannten Buch, „ist in den herrlichsten Szenen auch nur eine -Umschreibung des heiligen Geheimnisses der Syzygie des Valentinus.“ -Allein Valentinus wird einfach von der gemein-irdischen Beobachtung -des Zeugens durch Mann und Weib ausgegangen sein, und wird dieses -Prinzip in die geistige Sphäre erhoben haben. Vielleicht hat er auch -nur die ägyptische Achtheit (S. 101) neu gedeutet, die ja auch gepaart -ist. Dieses System wird nun weitergeführt. Jede Emanation wird als -Aion bezeichnet, ein Name, der Zeitliches bedeutet wie auch Welt. -Es bringen nun Logos und Zoê fünf physische, Mensch und Gemeinschaft -sechs ethische Aionenpaare durch Emanation hervor. Die Namen kann ich -nicht anführen, sie stehen auch nicht alle fest; es finden sich aber -darunter solche wie Mischung, Durchdringung, Lust u. a. in den fünf -Paaren; Glaube, Liebe, Hoffnung, Einsicht usf. in den sechs Paaren. -So haben wir insgesamt jetzt 15 Paare zu 30 Aionen. Diese bilden das -berühmte geistige ~Lichtreich der Fülle~, das ~Plérôma~ (πλήρωμα). Aber -schon in diesem Reich geht die Bedeutung herab mit der Entfernung vom -Ururwesen, obwohl noch jeder Aion sich in voller Seligkeit befindet, -völlig frei von allem Übel. Die wachsende Beschränktheit bezieht sich -auf wachsenden Verlust an Einsicht in das Ururwesen. So steht jedem -Aion der Hóros (ὄρος), die Grenze, zur Seite und hält ihn in sich -zusammengefaßt. - -Nun heißt es, daß der letzte weibliche Aion, die ~himmlische Weisheit~, -~Sophia~, vor Sehnsucht nach dem Ururwesen in leidenschaftliche -Wallung geriet, sich von ihrem männlichen Part abwandte und nach dem -Ururwesen, stürmend, begehrte. Sie wird zwar von ihrem Hóros in sich -zurückgeführt, aber der Abfall von ihrer Bestimmung bleibt. Jetzt -bringt das Aionenpaar Vernunft und Wahrheit das neue Paar Christus -und den Heiligen Geist hervor, die das Reich der Fülle in sich -festigen, derart, daß jeder Aion das ganze Pleroma in sich erkennt, -und wenigstens in dieser Beziehung die Sehnsucht gestillt wird, -wenn auch nicht die nach dem Höchsten. Wie in früheren Systemen ist -auch hier alles übersinnlich vorgebildet, was der sinnlichen Welt -angehört, das zeigt sich ja schon in den Paaren. Und so hat auch die -Leidenschaft der Sophia, ihr Sichvergessen, den Grund alles Übels in -der Welt. Denn diese Leidenschaft, als ~Achamoth~ von ihr getrennt -gedacht, geht in die sinnliche Welt. Aus der Sophia also, weil ohne -Zusammenwirken mit ihrem männlichen Aion, entsteht die sinnliche Welt. -Diese Welt ist keine rechte Emanation mehr, sondern eher ein Akzidens -des letzten weiblichen Aion nach dem Abfall. Da sie aber immerhin -von einem Aion stammt, der das ganze übersinnliche Reich in sich -vorstellt, so enthält sie alles Übersinnliche in sinnlichen Bildern, -gleicherweise also auch das Lebende, das Geistige und Wahrheitliche -usf. und das Leidenschaftlich-Üble. Wie die sinnliche Welt entsteht, -ist schwer zu ersehen. Eine hübsche Auslegung besagt, daß aus den vier -Äußerungen der Leidenschaft (Achamoth) die vier Elemente erwachsen -sind: aus den Tränen das Nasse, aus dem Lachen das Feurige, Lichte, -aus der Traurigkeit das Dunkle, Starre, aus der Furcht das Bewegliche, -Luftige. Aber es wird auch sehr vieles andere erzählt; so namentlich -das Befremdende, daß Christus aus Mitleid die Gedanken des abgefallenen -Aion in der Materie nachgestaltet habe. Das Wesentliche bleibt: die -Welt ein Produkt aus Tun und Leiden und aus dem Lichtreich, dem -Pleroma, als Folge und infolge eines Abfalles hervorgegangen. Achamoth -spielt die Rolle des Demiurgs, die Weltseele ist ihr Erzeugnis wie -die Welt. Nach einer anderen Wendung ist sogar erst diese Weltseele, -und zwar ganz unbewußt, der Weltbildner. Und so sinkt die Welt -allerdings immer tiefer in der Reihe des Göttlichen, einer blinden -Naturkraft verdankt sie ihre Entstehung. Und diese Naturkraft führt -den Plan ihrer Mutter, Achamoth, auch ohne diese und ihren Plan zu -kennen, aus und pflanzt der Welt auch das Lebende und Geistige ein. -Mit dem letzteren aber hat der Mensch ein Übersinnliches, wenn auch -nur im Abbild, gewonnen; insgesamt besteht er aus Materie (ὕλη), Seele -(ψυχή) und Geist (πνεῦμα). Und es wird von materiellen, psychischen -und geistigen Menschen (Hylikern, Psychikern und Pneumatikern) -gesprochen. Heiden, Juden und Eingeweihte bedeuten die Muster für -diese Dreiteilung. Materie und Seele sind vergänglich, ewig besteht -nur der Geist. Es scheint, als wenn die rein materiellen Menschen -als Ausflüsse besonderer Prinzipe angesehen werden, der ~Archonten~ -(Herrscher), die zwischen dem himmlischen Reich des Lichtes und dem -irdischen weilen und vielleicht tiefere Emanationen des Demiurg sind. -Zu ihnen wird der Dämon ~Adamas~ gehören (der alte Adam in uns), -der die Rolle des Teufels im System vertritt. Aber vielleicht hat -man eine weitere unterweltliche Emanation angenommen, deren Archon -Adamas ist, höllische Geister und Teufel. Christus, wie er nach dem -Fall der Weisheit die Äonenwelt geordnet, führt auch die Welt immer -mehr dem Geistigen zu, dem Lichtreiche. Und am Ende der Tage wird er -der Welt-Naturkraft das Bewußtsein ihrer Wesenseinheit mit Achamoth -verleihen, daß der Demiurg in Achamoth aufgeht, Achamoth aber sich -mit Sophia vereinigt. Und alles Materielle und alle Seelen verglühen -in einem allgemeinen sich selbst aufzehrenden Weltfeuer. Die Geister -aber schweben in das Lichtreich zu den ihnen vorgebildeten Aionen und -verschwimmen mit ihnen zu ewiger Ruhe. Der wahre Schluß wäre erreicht, -wenn auch diese Aionen in das Universum eingingen, in das große -Schweigen, bis vielleicht neue Aionen und neue Welten den Kreis der -Offenbarungen des Ururwesens durchlaufen. So in ewiger Reihe. - -Valentinus soll Verfasser des Buches ~Pistis Sophia~ (Glaube Weisheit) -sein, das Schmitt als das Gnostikerevangelium bezeichnet. In diesem -Buche läßt er Christus selbst, nach seiner Verklärung, im unendlichen -Lichte noch einmal seinen Jüngern erscheinen und das Geheimnis des -Irdischen und Überirdischen offenbaren. ~Adolf Harnack~ denkt von den -Gnostikern ziemlich hoch. Von ihren Lehren sagt er (Dogmengeschichte): -„So entstand ein philosophisches dramatisches Gedicht, dem Platonischen -ähnlich, aber ungleich komplizierter und darum phantastischer, in -dem gewaltige Mächte, das Geistige und Gute mit dem Materiellen und -Schlechten, in eine unheilvolle Verbindung gesetzt erscheinen, aus der -aber schließlich das Geistige, unterstützt durch die stammverwandten -Mächte, die zu erhaben sind, um je in das Gemeine herabgezogen -zu werden, doch wieder befreit wird.“ Namentlich das System des -Valentinus verdient wohl diese bedeutenden Worte des großen Theologen. -Heinrich Schmitt sieht aber in diesen Lehren überhaupt das Höchste, -was Menschengeist ersonnen hat: wahre, absolute Offenbarung, und -in Valentinus den größten intuitiven Denker. „An der lebendigen -Wirklichkeit und Wahrheit des Pleroma zweifeln,“ sagt er, „bedeutet -soviel wie an der Wahrheit des mathematischen Bewußtseins zweifeln, -denn seine höchsten Formen sind nur die vollendete Selbsterkenntnis -des mathematischen Bewußtseins.“ Das „mathematische Bewußtsein“ steht -hier wohl für formale Logik, denn die Wahrheit der Mathematik geht nur -so weit wie die der formalen Logik. Diese allein ist intuitiv absolut -wahr. Die Grundlagen der Mathematik, die Axiome, sind nur Behauptungen, -denen die Erfahrung bisher noch nicht widersprochen hat. - -Zuletzt möchte ich den Leser auf eine merkwürdige Stelle in Goethes -„Dichtung und Wahrheit“ hinweisen, fast am Schluß des achten Buches. -Gott erscheint sich in seiner Produktion zunächst als Zweites, das -wir den Sohn nennen. Gott und Sohn wieder erscheinen sich im Dritten -(Heiliger Geist). Nun sagt unser Olympier: „Hiermit war jedoch der -Kreis der Gottheit geschlossen, und es wäre ihnen selbst nicht möglich -gewesen, abermals ein ihnen völlig Gleiches hervorzubringen. Da jedoch -der Produktionstrieb immer fortging, so erschufen sie ein Viertes, -das aber schon in sich einen Widerspruch hegte, indem es, wie sie, -unbedingt und doch zugleich in ihnen enthalten und durch sie begrenzt -sein sollte. Dieses war nun Luzifer, welchem von nun an die ganze -Schöpfungskraft übertragen war.“ Luzifer schafft die Engel, unbedingte, -aber nun in ihm enthaltene Wesen. „Umgeben von einer solchen Glorie -vergaß er seines höheren Ursprunges und glaubte ihn in sich selbst zu -finden, und aus diesem ersten Undank entsprang alles, was uns nicht mit -dem Sinne und den Absichten der Gottheit übereinzustimmen scheint.“ -Das Heer der Engel teilt sich, ein Teil konzentriert sich mit Luzifer, -der andere wendet sich seinem Ursprunge zu. „Aus dieser Konzentration -der ganzen Schöpfung, denn sie war von Luzifer ausgegangen und mußte -ihm folgen, entsprang nun alles das, was wir unter der Gestalt der -Materie gewahr werden, was wir uns als schwer, fest und finster -vorstellen, welches aber, indem es, wenn auch nicht unmittelbar, doch -durch Filiation vom göttlichen Wesen herstammt, ebenso unbedingt -mächtig und ewig ist als der Vater und die Großeltern.“ Goethe meint -nun, durch die stetige Konzentration ohne die Expansion hätte die -Welt samt Luzifer sich zuletzt doch aufgerieben. Darum verleihen nun -die „Elohim“ in einem Augenblick „dem unendlichen Sein die Fähigkeit, -sich auszudehnen, sich gegen sie zu bewegen; der eigentliche Puls des -Lebens war wiederhergestellt.“ „Dieses ist die Epoche, wo dasjenige -hervortrat, was wir als Licht kennen, und wo dasjenige begann, was wir -mit dem Worte Schöpfung zu bezeichnen pflegen.“ Was von der Expansion -hier gesagt ist, liegt ganz im Sinne des Valentinus, denn dieser -nimmt gerade die Sehnsucht (πάθη) nach oben, als den Aionen eigen, -die zwar Sophia zum Abfall bringt, aber doch zuletzt die Welt zu Gott -zurückführt. Bewegung nach unten und nach oben ist die Grundidee -des Gnostikers wie des Dichters, und übrigens auch griechischer -Naturphilosophen. Der Mensch soll auch nach unserem Dichter das -Vermittelnde zwischen oben und unten sein. So sicher legte sich der -junge Goethe, was er von den gnostischen Lehren las, zurecht. Schon in -den ersten Gesprächen, die wir von ihm noch besitzen, finden sich die -Ideen der Konzentration und Expansion. Und damit vergleiche man aus dem -späteren Zyklus „Gott und Welt“ die schöne Strophe: - - Was wär’ ein Gott, der nur von Außen stieße, - Im Kreis das All am Finger laufen ließe! - Ihm ziemt’s, die Welt im Innern zu bewegen, - Natur in sich, sich in Natur zu hegen, - So daß, was in ihm lebt und webt und ist, - Nie seine Kraft, nie seinen Geist vermißt. - -Die gnostischen Lehren sollen ihren Ursprung von dem rätselhaften -samaritanischen Messias ~Simon Magus~ genommen haben. Harnack sagt, daß -seine Existenz und seine hohe geschichtliche Bedeutung nicht geleugnet -werden können. Er lebte zugleich mit Petrus, in heftigem Widerstreit -zu ihm, der seinen Zauber durch Gottes Wort zunichte machte. Übrigens -gibt es der gnostischen Schulen viele, wie die ~Doketen~, ~Peraten~, -~Ophiten~ usf. Jede Schule lehrte noch etwas Besonderes. Doch Askese, -Okkultismus, Astrologie und Magie zeigten sich überall. Darauf habe ich -nicht einzugehen. - - -33. ~Der Neuplatonismus.~ - -Wir wenden uns nunmehr den ~neuplatonischen~ Lehren zu, die mit -den gnostischen eine gewisse Verwandtschaft haben, im Grunde die -~heidnische Gnosis~ bedeuten. Der Urheber war ein Lastträger, ~Ammonios -Sakkâs~ zu Alexandrien (Ende des 2. und Anfang des 3. Jahrhunderts -n. Chr.), der eigentliche Begründer ~Plotinos~ (204-270 n. Chr.), in -Ägypten geboren und des ersteren Schüler; ~Longinus~, ~Porphyrios~ und -~Jamblichos~ sind die Emendatoren und Interpreten. Die Philosophie, um -deren Wiederbelebung es sich handelt, ist zwar die platonische, aber -das Ganze zeigt sich mit Pythagoreertum und Stoischem gemischt und -stellt eine Theosophie dar, weshalb die Behandlung hier erfolgt. Gott -als Urwesen steht über allem Denken und Sein; selbst das Bewußtsein -gehört nicht zu seinen Eigenschaften, er ist überhaupt absolut -eigenschaftslos. Ihn zu erkennen ist daher nur Sache der reinen -Intuition. Daher betrachtet Plotinos alles Wahrnehmen, selbst alles -Denken, wie wir es kennen, als gänzlich belanglos. „Im Himmel bedürfen -die Seelen der Worte nicht; dort ist kein verständiges Denken und -nicht das Vernünftige in unserem Sein.“ Wir werden das im Mittelalter -wiederfinden, bis zu völliger Verachtung aller Wissenschaft. Und -von Goethe erzählt Kestner (Gespräche Bd. I, S. 22): „Er strebt -nach Wahrheit, hält jedoch mehr vom Gefühl derselben, als von ihrer -Demonstration.“ Das Wahrnehmen ist ein Leiden und eine beschwerliche -Notwendigkeit für die Seele, hervorgehend aus der allgemeinen -~Sympathie der Dinge~ in der Welt, und das Leben bedeutet kaum mehr als -ein Traum. Einzig die Intuition hilft: „Was die übersinnliche Wahrheit -ist, weiß der, der sie sieht.“ Eben diese Intuition stempelt die -neuplatonische Philosophie zu einer Theosophie. Und Plotinos behauptet -selbst, „oftmals das gepriesene Schauen des Göttlichen und die Einigung -mit ihm erfahren zu haben“. Überhaupt ist der Mensch niemals von Gott -getrennt. „Wir haben das Eins (Gott), wenn wir es auch nicht sagen“; -vielleicht auch, wenn wir es nicht bewußt sind. Sind wir es bewußt, -so hört das Eigenbewußtsein auf. Das ist eigentlich der Standpunkt -des Indiers der Upanishaden. Die Intuition gilt höher selbst als die -Vernunft. Gott weilt überall, aber nicht in den Dingen. Es ist eine -Konzession an das Menschenherz, wenn Gott auch das absolut Gute genannt -wird, und an die Kausalität, wenn er auch Urgrund (ἀρχή) bedeutet. An -sich steht Gott in gar keiner Beziehung zu irgend etwas. Es ist dann -freilich schwer zu verstehen, wie selbst die Intuition ihn fassen und -mit dem Einen eins sein soll. Nun folgt eine Art Emanationslehre. -Gleich einer Quelle, die Wasser aussendet und dabei doch Quelle -unvermindert bleibt, warf das Eins ein Zweites aus sich heraus, -den Nus, den wir schon kennen, die absolute Vernunft, die absolute -Intuition. Als Zweites ist es unvollkommener denn das Erste; es ist -aber ~absolute Vernunft~, weil es das Erste geschaut hat. Sonst ist -es ein übersinnlich Seiendes, ein Lebendes und Vermögendes. Hier sind -offenbar mehrere Aionen der Gnostiker in einen Aion vereinigt. Auch -darin liegt Gnostisches, daß nun der sinnlichen Materie entsprechend -eine übersinnliche gesetzt wird, welche nichts anderes ist als die -Allgemeinheit der Vernunft. Die Vernunft ist hiernach eine Einheit in -sich, aber doch eine Mannigfaltigkeit, ein κόσμος νοητός, gegenüber -dem Einen, das sie umgibt wie ein Kreis seine Mitte. Eine Emanation -der Vernunft ist nun die absolute ~Seele~, ein Gedanke, ein Logos von -ihr. Wie die Vernunft alle Arten des Denkens, so faßt ihre Emanation -Seele alle Arten des Seins zusammen, sie steht aber schon an der Grenze -des übersinnlichen Reiches. Plotinos’ Pleroma, um gnostisch zu reden, -ist also recht beschränkt, denn auch die absolute Seele begreift viele -Aionen in sich. Und so besteht das erste Universum mit dem Urwesen (τό -πρῶτον) nur aus dieser Dreiheit: Ureins, Urvernunft, Urseele. Plotinos -war eben Heide. - -Die absolute Seele bringt die ~Weltseele~ hervor. Und diese ist mit -der Welt so verbunden wie die Menschenseele mit dem Leib. Sie ist -aber so mannigfaltig wie die absolute Seele, und so gehört sie allen -Teilen der Welt an. Die Welt wieder, als Materie gedacht, schafft sich -die zweite Seele selbst, unbewußt, wie der Demiurg der Gnostiker. -Die Emanation tritt als Drang, Notwendigkeit auf. Da aber die zweite -Seele doch Emanation der übersinnlichen ersten Seele, und diese -Emanation der absoluten Vernunft ist, muß sich die Welt immerhin als -so gut als möglich und so schön als möglich geordnet erweisen. Die -zweite Seele prägt ihr auch von ihrem Übersinnlichen ein. Das kann -wegen der Unfähigkeit der Materie nur allmählich geschehen; in diesem -allmählichen Aufnehmen des Übersinnlichen beruht, was wir Zeit nennen. -Da ferner alle Seelen die zweite Seele sind, so besteht zwischen ihnen, -also zwischen den Dingen, ein Zusammenhang, eine „~Sympathie~“, was -wir noch oft und später, in anderer Form, auch bei den Leibnizschen -Monaden wiederfinden werden. Diese Sympathie bewirkt es, daß keinem -Dinge etwas widerfahren kann, das nicht alle Dinge mitempfinden. Ferner -führen die Seelen, wie bei den Gnostikern, als von oben stammend und -nach unten (wenn auch passiv) wirkend, ein Doppelleben, zur Höhe -und zur Tiefe. Die Materie aber ist der Gegenpol im Ganzen zu dem -Urwesen, und an der Grenze des Seins das Mangelhafte, das Böse. Das -Leben zeigt verschiedene Grade, aber alles hat Seele. Wir finden so -einen monistischen Idealismus, der zu einem Panpsychismus geführt hat; -selbst leblosen Körpern kommt eine Seele zu, wie der Erde, den Steinen. -Eine Auflösung der Welt erfolgt nicht; die Welt bleibt, nachdem sie -entstanden, ewig. Ewig strahlen auch die Seelen in die Materie hinein, -aber ihr Zusammenhang mit der Materie ist nur ein scheinbarer. Da die -Materie doch auch nur Emanation der Seelen sein soll, muß angenommen -werden, daß überhaupt die Emanationen miteinander an sich ohne -Verbindung sind. Nur die Gemeinschaft des letzten Ursprunges hält sie -zusammen. In der Tat lehrt Plotinos auch eine gewisse Willensfreiheit. -Und doch wird die Sucht nach Selbständigkeit als Ursprung alles Bösen -betrachtet (wie in Goethes „Weltbild“) und alles Niedrigen, wie von -allem Leben die Pflanze das niedrigste sein soll, da jede für sich -allein steht. Die reinste Seele kommt dem Himmel (Zeus?) zu. Diese ist -ganz in sich zusammengezogen und folgt nur ihren absoluten ehernen -Gesetzen. Dann haben wir die Seelen der Gestirne. Und so werden auch -Himmel und Gestirne wie Götter behandelt; sie haben aber bloß die der -ersten absoluten Seele nächststehenden Manifestationen der Weltseele. -Mit der Welt hängen sie nur durch die „Sympathie der Dinge“ zusammen, -sonst sind sie in bezug auf diese, wie alles, passiv. Tatsächlich liegt -das Gesetz der Welt, die ~Vorsehung~, nur in der absoluten Vernunft. -Nach den sichtbaren Göttern kommen die Dämonen und dann die Menschen, -Tiere, Pflanzen usf. Des Menschen Aufgabe im Leben ist die ~Katharsis~, -die Reinigung von allem Irdischen, verbunden mit ~Sichversenken~, die -zur Intuition führt. Jede Seele kann durch Dämonen, Götter und Himmel -zurück zum Lichtreich gelangen. Die Schule der Neuplatoniker lehrte -denn auch Seelenwanderung. - -Man sieht, wie in den ~Emanationslehren~ die Emanationen so verschieden -angegeben sich finden. In manchen Systemen werden Urwesen und -Emanationen nach Triaden als πατήρ, δύναμις, νοῦς geordnet (S. 255). -Der mit dem Pseudonym ~Dionysios der Areopagite~ (ein unbekannter -christlicher Neuplatoniker, der um 500 n. Chr. gelebt haben mag) -bezeichnete Schriftsteller, der einen so merkwürdigen Einfluß auf -die mittelalterlichen Religionsphilosophen ausgeübt hat, zählt als -~Hierarchie~ drei Triaden zu je drei Abteilungen von Emanationen -auf. Die erste Trias besteht aus den ~Seraphim~, die von Gott, den -~Cherubim~, die von den Seraphim, und den ~Thronen~ (~festen Naturen~), -die von den Cherubim erleuchtet werden. Dann folgen in den nächsten -Triaden: die ~Archonten~, ~Tugenden~, ~Mächte~; ~Prinzipes~, ~Erzengel~ -und ~Engel~, die immer weiter das göttliche Licht durch Überlieferung -verbreiten, aber in immer geschwächterer Form, bis es zum Menschen -gelangt. Doch kann der Mensch zu den Engeln sich emporheben, ja noch -höher, bis zu Gott, wie er auch selbst Licht zu verbreiten weiß. Der -himmlischen Hierarchie sollte die kirchliche entsprechen. Die Kirche -als Aion hat schon Basilides aufgestellt. Bei Dionysios erscheint das -ganze Pleroma als übersinnliche Kirche. Fünf Stadien hätte der Mensch -zu durchlaufen bis zur Vergottung: Reinigung, Erleuchtung, Weihung, -Vergöttlichung, Aufgehen in Gott. Sie bilden das ~große Mysterium~, -das, wie man sieht, indisch ausläuft, und zu entsprechenden Mystizismen -und Verzückungen geführt hat. - - -34. ~Übergang zum Mittelalter; Augustinus, Scotus Erigena.~ - -Schon lange vor Dionysios mußte die Kirchenlehre mehr und mehr in -die Anschauungen eingreifen, und nachdem der Evangelist Johannes -Christus mit dem Logos identifiziert hatte, war es nur folgerichtig, -daß nun allmählich Christus die weltschöpferische Rolle übernahm. -Gleichwohl konnte die völlige Hinausschiebung Gottes in das absolut -Untätige, entgegen dem deutlichen Bibelworte, nicht ohne Widerspruch -bleiben. Hieraus ist dann der durch das ganze Mittelalter und darüber -hinaus sich fortsetzende Streit über das Wesen Gottes und über das -Verhältnis der drei Einheiten zueinander entstanden, der durch ein -Glaubensbekenntnis allein naturgemäß nicht geschlichtet werden konnte. -Diesem Streit zu folgen ist nicht meine Aufgabe. Wir finden aber in -allen theosophischen Lehren die Rolle Gottes bald aktiv, bald passiv -aufgefaßt. Und seltsamerweise mußte sie für das Volk wie für den -verstandesmächtigen Philosophen immer passiver werden, für diesen -aus tiefer Überlegung der Hoheit des Gottesbegriffes, für jenes -aus Zurückdrängung Gottes durch die Zwischenstufen. Ja auch diese -Zwischenstufen wurden je höher, je mehr vom Volke in die neutrale Ferne -gerückt. Und wie die Macht der menschlich so schönen und rührenden -Gestalt der Himmelskönigin zunahm, und die Heiligen mit ihren Wundern -im Leben und im Tode sich überall einschoben, mußten zuletzt auch die -beiden anderen Einheiten der Trinität fast passiv werden, um so mehr -passiv, je genauer ihre Verbindung mit Gott selbst gedacht und geglaubt -wurde. Es kam noch ein anderes hinzu, was die poetischen Systeme der -Theosophen abseits drängte und zersetzte: die ständig wachsende Macht -der Aristotelischen Lehre, die, an Stelle der lebenden Gestalten -der Ideen Platons und der Emanationen, in den Formen dialektische -Bilder brachte und für die lichtgewobenen Schönheiten potentielle -Realitäten gab. Gleichwohl finden wir Emanationslehren noch das ganze -Mittelalter hindurch und sehen sie am Beginn der Neuzeit und in unserer -Zeit mit außerordentlicher Kraft sich wieder beleben. Sie sind eben -schöne Dichtungen und für den Menschen durch die Stellung, die sie -ihm im Universum verleihen, auch sehr schmeichelnd und Unendlichkeit -verheißend. Bringen wir zunächst für das Mittelalter noch einige -Angaben. - -Der große Kirchenvater ~Aurelius Augustinus~ (geb. 354 zu Thagaste in -Afrika, gest. 430 als Bischof von Hippo Regius ebenda), das Licht der -~patristischen Philosophie~, gehört nicht eigentlich zu den Theosophen. -Seine Anschauung muß aber kurz skizziert werden, weil sie von so -außerordentlichem Einfluß auf die des ganzen Mittelalters gewesen -ist. Gott hat die Welt geschaffen: Allein nicht aus sich, sondern als -~Evolution~ in Zeit und Raum aus dem ~Nichts~ (Platons Nichtseiendes?). -Daher kann die Welt die Vollkommenheit Gottes nicht besitzen. Sie ist -nur für sich vollkommen, gegen Gott aber unvollkommen. Gleichwohl wird -für alles und jedes sein Grund in Gott verlegt. Nur ~eine~ Weisheit -besteht, in dieser sind die unendlichen unbegrenzten Schätze der -~intelligiblen Dinge~ (Rerum intelligibilium); letztere enthalten alle -unfehlbaren und unveränderlichen Gründe (rationes) der Dinge, auch der -sichtbaren und veränderlichen, welche durch sie (die Weisheit Gottes) -geschaffen sind. Denn Gott hat nichts nichtwissend geschaffen; hat er -aber wissend geschaffen, so hat er es so weit geschaffen, als er es -wußte. In der Tat ist ja das Nichts qualitätlos. Es liegt in solchen -Anschauungen zweifellos etwas Neuplatonisches, Theosophisches, und -Augustinus ist auch der Ansicht, daß das bloße offenbarende Wort, -die Schrift, nichts ist ohne die Bestätigung des göttlichen Geistes -in uns, also durch Intuition erst Realität gewinnt. Aber im Grunde -läßt er das Problem des Bösen in der Welt doch auch ungelöst; -Unvollkommenheit ist noch kein Böses, wenigstens sträubt sich unser -menschliches Gefühl gegen eine solche Ansicht. Denn wenn wir auch -zugeben, daß aus Passivität Anderen Unheil erwachsen kann, so ist doch -das Böse für uns ein durchaus aktiver Begriff. Eher vermöchten wir -das Schlimme, das uns selbst im Leben widerfährt, Krankheit, Verlust -usf., der Unvollkommenheit der Welt zuzuschreiben. Aber wir können -nicht umhin, dem Bösen auch eine ethische Bedeutung beizumessen; und -dann ist es aus einer Unvollkommenheit der Welt nicht abzuleiten, -namentlich nicht, wenn es ~bewußt~ auftritt. Augustinus’ Lehre ist -eben optimistisch, und eine solche Lehre hat keine andere Erklärung -für das Schlechte als die Redewendung: „Das Böse oder das Übel -bezeichnet nur die Beraubung des Guten (privatio boni)“, welche eben -nur Redewendung ist für etwas, das wir nicht ergründen können. Wenn -wir Gott theologisch-religiös auffassen und ihn aktiv allein und -aus Nichts und gegen Nichts die Welt schaffend annehmen, so bleibt -mindestens das Bewußt-Schlechte unerklärt. Und das ist es auch in der -Folge geblieben, die bei weitem theologischer verfährt als der bei -allem Aberglauben so geistvolle und hochdenkende Kirchenvater. Seine -Ansicht von der Welt als Einheit mit absoluter Ordnung der Entwicklung -unterscheidet sich von den reinmaterialistischen Anschauungen, die wir -noch kennen lernen werden, nur durch den Grund der Einheit und Ordnung, -denn sogar die Wunder reiht er in diese Ordnung ein, so daß sie zur -Natur zählen. Der Materialist setzt keinen Grund, für Augustinus ist -der Grund im Schöpfer und Lenker der Welt. Und so gehören ihm zur Natur -auch die Engel. Und er hat nicht übel Lust, denen zu folgen, die im -Himmel und den Gestirnen zwar auch nur Dinge der Natur sehen, aber -höhergestellte als Mensch und andere Wesen (S. 289). Alles dieses, -zum Teil vergröbert, aber auch durch den Einfluß der Aristotelischen -Philosophie mehr ins Abstrakte gewendet, finden wir namentlich auch bei -den Scholastikern. - -~Johannes Scotus Erigena~ (um das 9. Jahrhundert in Irland geboren) -läßt in einer seiner mehreren Ansichten alles von Gott emaniert sein. -Gottes Klarheit, welche mit Recht auch Dunkelheit genannt wird, breite -sich über alles aus. Die ungeformte Materie soll nur das Unendliche -bedeuten, welches, da es formlos sei, alle Formen in sich enthalte. -Gott hat die Welt aus seinem eigenen Wesen gebildet. Jedes Geschöpf -ist eine ~Theophanie~, ein Sichoffenbarmachen Gottes. Gott sei an -sich vorhanden wie ein Gedanke im Menschen bestehe; er manifestiere -sich in der Welt durch sich selbst, wie ein Gedanke, der sich denkt, -sich selbst zur Erkenntnis komme. So sei Gott ohne die Welt absolut -negativ. Es klingt wie eine Blasphemie, wenn gesagt wird, Gott wisse -nicht, was er sei, und er werde erst geschaffen mit der Schöpfung, -indem er sich in seiner Schöpfung offenbart, die Schöpfung so aus -Nichts hervorbringend. Das ist auch fast so abstrakt wie die indische -Tad-Anschauung. Freilich bleibt es bei diesem absoluten, und ja -auch nicht zu durchdringenden, Pandeismus nicht. Wie der Indier muß -Scotus Gott doch etwas zuschreiben, Willen, und die Geschöpfe sind -dann Willensakte. Der Wille ist persönlich als Emanation Gottes -(als Christus) gedacht, wie wohl auch die Ursachen (zusammengefaßt -als Heiliger Geist), die Scotus von Gott ausgehen läßt, Emanationen -sind, und die Wirkungen, die wieder von ihnen ausgehen, Emanationen -ihrer selbst darstellen. So ist Christus der Urheber, und der Heilige -Geist der Vollender der Welt (Pater vult, filius facit, spiritus -sanctus perficit, heißt die berühmte Formel). Die Ursachen müssen -als verschieden voneinander angesehen worden sein, und weil sie -Emanationen gleicher Ordnung bedeuten sollten, besteht kein Rang -zwischen ihnen, also auch keine Folge ihrer Wirkungen. Es wird nun -jedes Geschöpf als eine Art Mikrokosmos angesehen, indem aber die -Ursachen in ihm sich in beliebiger Folge geltend machen können, -soll es eine allgemeine Folge auch des Denkens nicht geben. Das ist -freilich ein Schluß, der den Weg zur absoluten Wahrheit, das heißt zur -Erkennung des ~Ganzen~ im Mannigfaltigen versperrt; Jeder faßt nach -~seiner~ Weise sich und die Welt auf. Da Jeder aber eine Theophanie -darstellt, so ist seine Auffassung eine reale. Die Welt hat so viele -Gestaltungen als Geschöpfe sind, alle diese Gestaltungen sind die -ganze Welt. Indessen wird doch auch eine Abstufung in den Geschöpfen -angenommen. Und als ein unergründliches Geheimnis -- darin verborgen, -daß Gott alles nach Maß und Zahl und Gewicht geschaffen habe -- wird -es bezeichnet, daß jedes Geschöpf in der Ekstase, also intuitiv, -Gott (incomprehensibilem et inintelligibilem causam) in seiner -nächsthöheren Theophanie (proxima illi theophania) „von Angesicht zu -Angesicht“ erkenne. So konstatiert Scotus eine Harmonie in der Welt, -in der alles, selbst die Materie, eben als Theophanie, unvergänglich -ist, selbst jeder Gedanke, jedes gute oder böse Wollen; aber ohne -jede „Sympathie der Dinge“. Eine solche Welt würde es eher verstehen -machen, wenn wir, nachdem Jahrtausende hindurch Menschenliebe gepredigt -worden ist, uns Vorträge halten lassen über den ethischen Wert des -gegenseitigen Sichtotschlagens. Da die irdische Welt die letzte aller -Emanationen ist, so schafft sie selbst nichts wirklich; sie scheint -nur zu schaffen, und so ist sie auch Nichts, und sie wird mit allem -untergehen, was in ihr ist. Ewig ist nur das Geistige, und durch das -Geistige findet die Rückkehr zum Ursprung zurück, die Erkenntnis Gottes -in uns (als Theophanie). Das System ist idealistisch-monistisch, und -so fehlt auch eine wirkliche Erklärung des Bösen in der Welt. Es wird -nur eine indirekte ~doppelte Prädestination~ gelehrt. Gott hat die -Zahl der Guten und Bösen vorherbestimmt, die letzteren jedoch nur als -notwendigen Gegensatz zu den Guten. Damit ist der Begriff des Guten und -Bösen als solcher aufgehoben, es tritt nur die Relativität ein, und -diese ist vergänglich. Wenn der Leser fragt: wie hat sich der Philosoph -mit der Kirchenlehre abgefunden? so kann man ihm nur antworten: wie -ein souveräner Denker, gar nicht! Da er aber gleichwohl dem orthodoxen -Glaubensbekenntnis angehört, so haben wir ein Beispiel der „~doppelten -Wahrheit~“, die immer auftritt, wo Glaube und Denken nebeneinander -wirken, und die so oft gegen herrschende Gewalt aushelfen muß. Auch -stand Scotus erst am Beginne des ~dunklen~ Mittelalters und blieb auch -für mehrere Jahrhunderte der bedeutendste Denker der christlichen Welt. -Seine Emanationslehre hat aber etwas Nordisch-Düsteres, das Universum -ist für ihn kein „überschäumendes Licht“ wie für die südlichen -Emanisten. - - -35. ~Islamisch-arabische Theosophien.~ - -Wir unterbrechen hier die Betrachtung der christlichen Theosophie, um -uns erst zu der ~islamisch-arabischen~ und der ~jüdischen~ Philosophie -zu wenden. Beide haben auf den Gang der christlichen Philosophie im -Mittelalter einen bedeutenden Einfluß gehabt, nicht allein indirekt -durch Verbreitung namentlich der Aristotelischen Anschauungen, sondern -auch unmittelbar, indem vieles von ihren Lehren auf jene überging. -Der Mohammedaner steht dem Koran gegenüber gebundener da als wir der -Bibel, denn der Koran enthält wenig Erzählung, an die man glauben -soll, sondern vor allem Lehre. Nimmt der Moslem diese nicht an, so -ist er eben kein Moslem. Daher können mohammedanische Anschauungen, -solange sie eben mohammedanisch sind, nur Besonderes betreffen, worin -der Koran der Deutung Spielraum läßt. Liberal und orthodox kann sich -hier nur auf die Auslegung gewisser Einzelheiten beziehen. Aber diese -Einzelheiten gehen wie überall eben auf die Grundfragen der Menschheit. -Und in diesen hat Mohammed keine andere Lösung vorbereitet, als wir -sie in unseren heiligen Schriften finden. Daher die Verwandtschaft -zwischen den mohammedanischen Auslegungen und den unsrigen auch dort, -wo auf dem Boden des Bekenntnisses stehengeblieben, also von der -eigentlichen Religionslehre nicht abgewichen wird. Diese Verwandtschaft -ist naturgemäß größer mit den jüdischen Auslegungen als mit den -christlichen, da die Trinität dem Islamismus wie dem Mosaismus fehlt, -beide also nur von Gott Rechenschaft sich zu geben haben, während im -Christentum noch von der Wesenseinheit Christi und des Heiligen Geistes -mit Gott die Klarheit gewonnen werden muß. Wir behandeln zunächst -die Anschauungen zweier islamischen Sekten, die sich in der Tat wie -Kirchlich-Liberale und Kirchlich-Orthodoxe gegenüberstehen, während -beide doch kirchlich sind. Wir würden sie nach den Auseinandersetzungen -über religiöse Anschauungen im voraufgehenden Buche sowenig zu erwähnen -brauchen wie jüdisch- oder christlich-kirchliche Anschauungen, wenn sie -nicht einige Wendungen hätten, die gerade hierher gehören. - -Zunächst die Anschauungen der freieren Sekte der ~Muatazile~ -(Mu’tazila, die Sichabsondernden). Sie nehmen an, daß Gott bei der -Erschaffung der Welt, die in ihm mit allen ihren Eigenschaften als -eine Möglichkeit bestand, alles in sie hineingelegt habe, freilich -nur alles Gute. In die vernünftigen Wesen habe er auch den freien -Willen getan; wenn der Mensch diesen zum Bösen anwende, sei Gott -nicht verantwortlich. Es ist nicht eine Emanationslehre, sondern eine -Evolutionslehre; aber doch ist in den Dingen Göttliches vorausgesetzt, -da was jetzt in ihnen vorhanden, vorher als Mögliches in Gott bestanden -hat. Den Gegensatz zu den Muatazile bildeten die ~Motakallim~ -(Mutakallimun, die Sprechenden) als Orthodoxe. Wir werden ihnen später -als Atomisten begegnen. Hier haben wir nur zu erwähnen, was sie von der -Welt und dem Menschen sagten. Alles ist von Gott geschaffen, aber ganz -nach Willkür. Gott hätte jede andere Welt ebenso schaffen können. Gott -regiert auch die Welt absolut und ständig; kein Vorgang ohne Gottes -Veranlassung. Und so entsteht alles in jedem Augenblick aus nichts, -als wenn die Welt fortwährend, in jedem Zeitmomente -- die Motakallim -dachten sich die Zeit atomistisch als aus lauter „Jetzt“ sich reihend --- geschaffen würde. Wenn gleichwohl Naturgesetze gelten, so wird -Gottes an sich souveräner Wille durch seine Vernunft geleitet. Diese -Vernunft setze vieles als notwendig, wie die Vereinigung von Seele und -Leib und die sittliche Ordnung. Und Gottes Vorauswissen hemme ihn, -Böses und Übel, das eintreten soll, zu hindern; denn täte er es, so -würde er ja sein Wissen ändern, und Gott ist absolut. So sind denn auch -die menschlichen Handlungen solche Gottes; doch werde der Mensch auch -erleuchtet, und dann ist er ein „einsichtiges“ Werkzeug Gottes. Diese -Lehre, abgesehen von der letzteren Erleichterung, ist um so herber, -als der Mensch gleichwohl für Missetat bestraft werden soll. Und auch -das Anthropomorphische in Gottes Eigenschaften wird dadurch nicht -annehmbarer, daß es mit absoluter unendlicher Macht verbunden auftritt. -Das Ganze ist auf dem starren Glauben des Mohammedanismus gegründet, -der ja auch zu dem ~Kismet~ geführt hat. Die Vollendung dieser -orthodoxen Lehre ist die der ~Aschariten~, die auch jede Kausalität -leugnen, überhaupt jeden Zusammenhang in der Welt, außer durch Gott, -ablehnen. - -Die mohammedanische Wissenschaft übernahm, wie so vieles andere vom -Abendlande, auch den Neuplatonismus. Gleich einer ihrer bedeutendsten -Philosophen, ~Aviçenna~ (Iba Sina 980-1037 n. Chr.), scheint -Plotins Lehren fast unverändert in seine Anschauungen übertragen zu -haben, nicht bloß hinsichtlich Gottes und der Emanationen, wo seine -~Intelligenzen~ der Nus Plotins und die beiden Seelen sind, sondern -selbst in bezug auf die Ordnung in der Welt und die Stellung des -Menschen. Ja selbst der große ~Averroes~ (Ibn Roschd 1105-1198 n. -Chr. zu Cordova) gehört eigentlich hierher. Wir betrachten seine -Lehre etwas genauer, weil vieles in ihr enthalten ist, das gegen die -Emanationstheorie zu sprechen scheint, die er auch abgelehnt haben -soll. Die Welt ist von Gott gebildet, aus Materie. Wesen, Wissen und -Wirken sind bei Gott absolut und das gleiche mit ihm selbst. Die -Materie hat Gott nicht geschaffen, sie besteht neben ihm, und zwar -von vornherein mit allen Fähigkeiten begabt, das zu werden, was sie -in der Welt ist; also eine Welt mit allen Vorgängen abzugeben. So -wird die Schöpfung der Welt durch Gott mehr auf einen Auslösungsakt -zurückgeführt, und ist im Grunde nur in diesem Auslösungsakt -spiritualistisch, etwa wie bei Anaxagoras, gedacht. Und auch dieses -wenige Spiritualistische ist noch fast bedeutungslos gemacht, indem -die Schöpfung in die Unendlichkeit zurückverlegt wird. Allein dieser -Standpunkt ist offenbar nicht konsequent beibehalten, sonst müßte -Averroes zu einer rein physischen Anschauung von dem Gang der Welt -gekommen sein. Davon ist er aber oft weit abgewichen. Schon die -Sonderstellung, die er dem Himmel zuweist und die in vieler Hinsicht -an neuplatonische Anschauung erinnert, ist sehr eigenartig. Dieser -Himmel war nicht und ist nicht vergänglich. Ihm wird eine Seele -zugeschrieben, die ihn auch bewegt; und diese Seele ist mit Vernunft -begabt, und zwar mit solcher, wie sie eigentlich sonst Gott beigemessen -wird. Mit dieser Vernunft regiert der Himmel die Bewegungen aller -Gestirne. Und sein Erkennen geht nur auf sich und das Höhere; das -Niedrigere, die eingeschlossene Welt, erkennt der Himmel nicht als -solches, sondern allein aus dem Höheren. Und so wird ihm, was für die -Gestirne geschieht, für die Menschheit abgesprochen, wie auch Gott -selbst: nämlich die Vorsehung. Indessen doch nicht in dem Grade wie -Gott, über den es ja kein Höheres gibt, woraus ihm etwas offenbar -werden könnte; während der Himmel eben den Gang der Welt noch aus -höheren Ursachen entnehmen kann. Man muß nun schließen, daß er diese -Erkenntnis weiter dem Niederen zu erkennen gibt; wir hätten die -Astrologie, und alles so Befremdliche, was vom Himmel gesagt ist, -wäre nur dieser Astrologie wegen gesagt. Aber auch die Rolle Gottes -ist nicht so allein auf den ersten Anstoß beschränkt, wie aus den -Annahmen über die Materie sich zu ergeben scheint. Schon die höheren -Ursachen (Mächte), die der Himmel erkennt, müssen doch Gott ihre -Entstehung verdanken. Und wenn wir erfahren, daß der Mensch nicht -bloß sich und was unter ihm, sondern auch das Höchste zu erkennen -die Fähigkeit haben soll, so muß doch Gottes Geist wenigstens in ihm -sein. Und dieser Eindruck wird verstärkt, indem der Mensch auch zu -der letzten Erkenntnis soll gelangen können, worin er sich selbst -erkennt. Mitunter freilich scheint es, als wenn die Erkenntnis des -Höchsten nicht die Erkenntnis Gottes zu bedeuten hat, sondern nur die -Erkenntnis des Höheren und noch Höheren usf. Aber der Vernunft wird -doch auch Unsterblichkeit zugeschrieben. Nicht dem besonderen Verstande -des besonderen Menschen, welcher vielmehr mit ihm stirbt, sondern der -allgemeinen Vernunft, von der der besondere Verstand nur ein Akzidens -im Leben ist. Und diese allgemeine Vernunft ist eben einheitlich. -Wir haben also bei Averroes tatsächlich einen Dualismus von Geist und -Materie, vermehrt durch die Sonderstellung des Himmels, und durch die -In- und Außerweltstellung Gottes. Vieles aber verliert sich völlig in -Mystik; schon was vom Himmel gesagt ist, gehört hierher. Noch mehr, -wenn gar dem Himmel intelligibles Mitwirken bei der Entstehung der -Dinge zugeschrieben wird; so wird „der besondere Mensch von der Sonne -hervorgebracht und von der besonderen Materie, welche ein anderer -besonderer Mensch darbietet, daß sie von der erzeugenden Kraft der -Sonne belebt werde“. Daß, obwohl die Sonne allgemein Menschen beleben -kann, sie diesen besonderen Menschen belebt, liege daran, daß ihr eine -besondere Materie geboten ist, die eben nur Bestimmtes empfangen könne. -Das alles wird man nur verstehen, wenn Averroes, trotz seiner Ablehnung -der Emanationslehre, doch nach deren Schema gearbeitet hat; sonst kämen -Dinge heraus, die man einem so hervorragenden Denker nicht zumuten darf. - -Andere Philosophen der mohammedanischen Welt haben von ihrer -Rechtgläubigkeit hinzugefügt. Aber der große Einfluß der Gnosis auf sie -zeigt sich bei ihnen in dem so hervortretenden Hang zum Mystizismus -selbst bei den bedeutendsten unter ihnen. Wir verdanken solchem -Tüfteln und Forschen nach dem Geheimen der Natur die ~Alchemie~ und -die feinste und spitzfindigste Ausbildung der ~Astrologie~. Und -abgesehen von ihren Übersetzungen der griechischen Werke (namentlich -der aristotelischen), haben sie durch nichts so erheblich auf die -Forschung des mittelalterlichen Abendlandes gewirkt wie durch ihre -Geheimwissenschaften. Wir werden übrigens von ihnen noch bei mehreren -Gelegenheiten zu sprechen haben. - - -36. ~Jüdische Theosophie und Kabbala.~ - -Da die Gnosis im Grunde aus jüdischen Anschauungen sich entwickelt -hat, denn das erste konsequente, wenn auch nicht vollständige, System -ist das von Philon, so darf es nicht wundernehmen, wenn sie auch bei -jüdischen Forschern sich weitergebildet findet. Hervorzuheben ist -zunächst der so bedeutende Dichter ~Salomon ben Gabirol~ (1020 n. -Chr. zu Malaga geboren und in der Philosophie als Avicebron bekannt). -Ich brauche nur aus einem Hymnus von ihm, „die Königskrone“, die -entscheidenden Verse anzuführen: - - Du bist Gott! Und nicht getrennt ist deine Einheit von deiner - Göttlichkeit, - So wenig als dein Dasein von deiner Ursprünglichkeit; - Denn alles fließt aus ~einer~ Quelle. - Und wenn auch jedes anders heißt, so ist doch aller Ziel dieselbe - Stelle. - Du bist weise! Des „Lebens Quelle“ ist die ~Weisheit~, dir - entstammend, hell und klar, - Und deiner Weisheit gegenüber ist der Mensch des Wissens bar. - Warst früher als alles Frühe, und in deinem Schoß - Da wuchs die Weisheit groß. -- -- - Du bist weise! Und deine Weisheit strahlte aus die ~Willenskraft~, - Die wie ein Meister, wie ein Künstler wirkt und schafft, - Die aus dem Nichts hervor ließ gehn das ~Sein~, - Wie aus dem Aug’ des Lichtes Schein, - Die ohne Eimer schöpft des Lichtes Kraft - Und ohne Werkgang alles schafft. - -Also die Emanationen sind Weisheit, Willenskraft, Sein. Und die -Willenskraft baut die Welt als Emanation. - -Das imponierendste System der jüdischen Gnostik und Mystik ist die -~Kabbala~. Früher mißachtet und verrufen, wird sie jetzt mit Eifer -hervorgezogen und auf ihren wissenschaftlichen Ideengehalt untersucht. -Das kabbalistische System ist in sehr vielen Traktaten und Werken -niedergelegt. Die bedeutendsten Schriften sind das ~Sepher Jezira~ -(Buch der Schöpfung) und das ~Sepher Sohar~ (Buch des Glanzes), -redigiert von ~Mose de Leon~ um 1300 n. Chr. in Spanien. Es ist eine -ins Minutiöse durchgeführte Emanationslehre, um die es sich handelt; -freilich mit Zahlen- und Buchstabenmystik aufs äußerste durchsetzt -(namentlich im erstgenannten Werk, das alles in der Welt aus Zahlen -und Buchstaben aufbaut). Das Urwesen ist „das Unendliche“ (~En Soph~), -oder „der heilige Alte“, oder der „~Alte vom Tage~“, auch das „heilige -Antlitz“. Es bedeutet ganz Licht. Der Emanationen gibt es zehn in -absteigender Bedeutung: die höchste Krone oder oberste Höhe, die -ideelle Weisheit oder ideelle Einsicht, die Liebe oder Gnade, die -Stärke, das Recht, die Herrlichkeit oder Barmherzigkeit, der Sieg oder -die Geistesmacht, der Glanz oder die Schönheit, der Grund, der Kranz -oder das Reich. Es bestehen nun vier Welten in absteigender Folge. -Der Mensch ist in allen beteiligt, nach den verschiedenen Bedeutungen -seiner Seele, deren, gemäß der Bibelbezeichnungen, vier angenommen -werden: Adam mit dem Beiwort Kadmon als Urmenschenseele, Neschamah -als intuitive, Ruach als denkende, Nephesch als lebende Seele (vgl. -S. 221 ff.). Daher kann der Mensch sich bis zu dem Höchsten erheben. -Die vier Welten aber sind: Aziruth, entsprechend dem Pleroma, also das -absolute Lichtreich, alle Urbilder der Schöpfung enthaltend; Beriah, -eine intellektuelle Sphäre der Innerlichkeit, die Aionen Weisheit und -Einsicht herrschen darin; Jezirah, die Welt der Engel, an deren Spitze -der Erzengel Metathron (also dem Griechischen entnommen, der dem Throne -Nächststehende), hier waltet die Schönheit. Die letzte Welt zerfällt -in mehrere Schichten, die oberste Schicht ist die des Demiurgos; -dann folgt die der Dämonen, die irdische Welt. Und nun geht es -merkwürdigerweise wieder in die Höhe, denn die weitere Schicht enthält -Emanationen von Sieg und Glanz, und die letzte Schicht das Reich -(Malkuth). H. Schmitt sieht darin einen hervorragenden Optimismus, da -schon in der niedrigsten Welt das Lichtreich erreichbar ist. Weiteres -anzuführen muß ich mir versagen; meine Leser wissen aber, wie so -vieles aus der Kabbala als Mystik und Okkultismus in die Nekromantie, -Theurgie, und was des Spukes mehr, übergegangen ist. Wir haben es nur -mit dem Gedanklichen zu tun. Und dieses ist bedeutend genug in der -Reihe der gnostischen und neuplatonischen Systeme. Es führt sogar -über diese hinaus durch die bezeichnete konsequente Einfügung des -Menschen in ~alle~ Welten, wodurch sein Anteil am Lichtreiche und -seine Bestimmung, durch reines Leben und durch Erkenntnis sich zu -diesem Reiche aufschwingen zu können -- was ja der eigentliche Zweck -dieser Lehren ist --, noch entschiedener hervortreten. Darin kommt -diesem System nur die indische und die moderne Theosophie gleich. Die -kabbalistische Literatur ist unendlich. Unseres Goethe wegen verweise -ich auf das tüchtige Werk von C. Kiesewetter „Faust in der Geschichte -und Tradition“, in dem der Leser vieles Hierhergehörige finden wird, -sowie auf das große Faustbuch von Scheible in der absonderlichen -Sammlung „Das Kloster“. - -Zum Schluß erwähne ich noch, daß unter den Juden auch Sekten wie -die Muatazile und Muatakallim sich finden; es sind die ~Karaiten~ -oder ~Karäer~, die freiheitlicheren und die ~Rabbaniten~, die -orthodoxeren. Über die ersteren ist viel geschrieben worden; ich -kann aber darauf nicht eingehen, das Wesentliche ist schon bei den -islamischen Sekten gesagt. Unter den jüdischen Philosophen des -Mittelalters ist aber besonders der allbekannte Arzt der ägyptischen -Herrscher, ~Maimonides~ (Mose ben Maimûn, abgekürzt Rambam, gestorben -1205 n. Chr.) hervorzuheben, der den Karaiten zuneigt und so die -Schrift geistig auszulegen wünscht. In den Geschöpfen macht er einen -Unterschied zwischen solchen mit vergänglicher Seele, und solchen mit -unvergänglicher. Ob er zu letzteren ~alle~ Menschen rechnete, oder nur -die tugendhaften und erleuchteten, kann ich nicht sagen. Die Frage, ob -die Welt in endlicher Zeit geschaffen ist, oder seit unendlicher, hält -er für unentscheidbar. Übrigens gehört auch der so außerordentliche und -edle Dichter ~Jehuda Halevi~ (um 1140) hierher. - - -37. ~Die mittelalterliche Theosophie der christlichen Scholastiker und -Mystiker.~ - -Wir wenden uns wieder den christlichen Anschauungen zu, um uns mit -ihnen ohne Unterbrechung bis zum Schluß dieses Buches zu beschäftigen. -Die Theosophen und Mystiker stehen in einem gewissen Gegensatz zu -den ~Scholastikern~, namentlich mußten sie sich den ~Nominalisten~ -unter diesen, die mit Aristoteles den Allgemeinheiten (Universalien, -Ideen) der Dinge jede Existenz außerhalb des menschlichen Verstandes -absprechen und die Annahme einer solchen für eine pure Einbildung -erklären, fernhalten, während sie mit den ~Realisten~, die mit Platon -gerade jenen Allgemeinheiten absolutes Vorhandensein zusprechen, -wenigstens einige Berührungspunkte haben konnten. Gleichwohl gehört -auch die Scholastik hierher, soweit sie Welt- und Lebenanschauung -betrifft; und seltsamerweise haben gerade die Nominalisten viel -Übernatürliches geglaubt. Die Lehren der Religion werden möglichst -dogmatisch aufgefaßt; Philosophisches kommt nur zum Vorschein, wenn -sie mehr oder weniger frei interpretiert sind. Gott ist Schöpfer und -Erhalter der Welt fast ganz im biblischen Sinne. Die Welt ist sein Werk -und real. Der Zweck des Lebens in der Welt ist Vorbereitung für das -Jenseits, wo Gottes Gnade vollendet, was sie im Diesseits begonnen. Das -Leben aber ist geregelt durch die religiöse ~Offenbarung~. So mischt -sich hier Transzendentes mit Realem, und das Realste ist gerade die -Offenbarung. Daher auch die Lehren über Glauben, Ethik, Moral absolut, -dogmatisch genommen werden. Und Gott ist nicht bloß Schöpfer, sondern -auch Erlöser und Vollender, die Trinität. So ist weiter die Welt ein -„Gottesstaat“ (die Civitas dei des Augustinus) auch den Scholastikern. -Ein Unterschied in ihr besteht freilich; der Mensch als vernünftiges -Wesen ist auch Selbstzweck, das Nichtvernunftbegabte ist nur vorhanden. -Derartige Anschauungen müssen zu schwerzuverstehenden Prädestinationen -führen, wie schon selbst die Gnade Gottes nicht begriffen werden kann, -da sie ja in der Welt fehlen dürfte, wenn Gott die Welt vollkommen -geschaffen hätte. Oder sie müssen in einen Dualismus zwischen Gut und -Böse, Materie und Geist auslaufen. - -Sehr bemerkenswert ist es, daß die beiden größten Scholastiker, -~Albert der Große~, ~Albertus Magnus~ (1193-1280, zu Lauingen in -Schwaben geboren) und ~Thomas von Aquino~ (1225-1274) trotz ihrer -aristotelischen Richtung der Emanationslehre zuneigen. Der erstere -meint, Gott sei erkennbar durch Intuition, die seine Gnade verleiht, -und aus der Wahrnehmung in der Natur. Ganz faßbar könne er nicht -sein, weil er eine Unendlichkeit darstellt. Gott sei der allgemeine -tätige Verstand (Intellectus universaliter agens). Und dieser ströme -ständig Intelligenzen aus. Die Welt ist durch Gottes Willen geschaffen. -Dieser Wille ist frei; in der geschaffenen Natur zeigt er sich in den -Gesetzen, denen sie folgt, nur scheinbar gebunden. So bildet sich die -Natur stetig selbst, aber immer unter dem Willen Gottes. Die ganze -Welt aber ist eine Emanation nach absteigenden Graden; letzteres, weil -immer die Ursache vollkommener ist als die Wirkung. Darum hat denn -Gott auf diesem Wege nur eine unvollkommene Welt hervorgehen lassen -können. Sie bildet aber eine feste Einheit, weil keine Emanationsstufe -fehlt; die Emanationen sind stetig wie das stetige Strahlen der Sonne. -In dieser Weise ist also auch Gott in den Seelen wie überhaupt in -allen Dingen gegenwärtig, da selbst die niedersten Grade der Emanation -an die höchsten stetig anschließen. Und so geschieht alles aus sich -heraus, vermöge des Anteils am göttlichen Willen und an der göttlichen -Intelligenz. Die Dinge als solche sind vergänglich wie die ganze -sichtbare Welt; aber das in sie Emanierte ist, als gottentstammt, -unvergänglich. Die Materie ist gleichfalls von Gott geschaffen; sie -wird nicht als Emanation angesehen, sondern als eine Art Bedingung für -die sichtbare Schöpfung. Und so enthält ihm die Materie die Keime aller -Wesen von je und in die Zukunft in sich, so daß die Entwicklung der -Dinge wie bei Averroes, eine Art Evolution ist, aber doch nur, weil -Gott diese Keime von vornherein in die Materie gelegt hat, während bei -Averroes die Keime der Materie an sich gehören sollen. Der Emanation -von oben nach unten entspricht die Evolution von unten nach oben, wie -wir es schon von mehreren Systemen kennen. So entwickelt sich auch -die Menschheit zu immer höheren Graden, wobei sie alles Frühere immer -beibehält. Wie das geschieht, ist nicht recht verständlich, wenn nicht -wieder die präformierten Keime zu Hilfe gerufen werden, also Gottes -Willensakte. Trotz der theosophisch-theologischen Anlage ist ein -gewisser Mechanismus der Durchführung nicht zu verkennen; er zeigt sich -in der starren Evolution des einmal in die Materie Gelegten. Wie denn -auch deshalb Albertus das Wunder, Augustinus nachahmend, ganz natürlich -erachtete. Die Verschiedenheit der Dinge (die ~Individuation~) folgt -aus dem gleichen Prinzip. Gott hat sie eingepflanzt, in der Materie -evolviert sie sich. Albert scheidet aber den Geist von der Materie, -und ersteren behandelt er wesentlich spiritualistisch; Gott zieht ihn -unmittelbar aus seinem Lichte heraus, nicht aus etwas der materiellen -Prinzipe. Daraus leitet er Freiheit des Willens ab, denn Gott ist -absolut frei. Und so stehen wir hier hinsichtlich des bewußten Bösen -vor derselben Schwierigkeit wie bei Augustinus und so vielen Anderen. - -Wenig verschieden von diesen Anschauungen sind die des größten Schülers -Alberts, des Scholastikers par excellence, ~Thomas von Aquino~. Nur daß -Gott eine noch höhere Stelle angewiesen wird und, man möchte sagen, -eine noch größere Freiheit. Alle möglichen Welten sind Gott offenbar. -Er wählt eine nach Maßgabe seiner Güte und seiner Vollkommenheit. -Aber den Geschöpfen ist nur das, und gerade das verliehen, was der -einmal gewählten Welt gemäß ist. Sollte damit das Unvollkommene und -Schlechte im einzelnen motiviert sein, so ist also zugleich die -Verantwortlichkeit aufgehoben. Gleichwohl vindiziert der Philosoph -den Geschöpfen Willensfreiheit; es bleibt also auch hier bei der -Unvollkommenheit im Verhältnis zu Gott. Im übrigen wird die Emanation -ganz so durchgeführt wie bei Albert dem Großen. Dementsprechend -liegt auch der Vernunftgrund (ratio) der Geschöpfe, insgesamt und im -einzelnen, in der Idee, die Gott von sich selbst hat, nur daß diese -Idee als unendlich durch die Vernunftgründe in der Welt nicht erschöpft -werden kann, viel weniger durch ein Einzelnes. Und in einem ist Thomas -konsequenter als Albert. Beide betrachten die Materie als durchaus -zugehörig zu den Wesen, nicht bloß zufällig oder nach Willkür um die -Seele gehüllt. Aber Thomas, die Seele eben als Göttliches ansehend, -schreibt ihr auch zu, daß sie sich selbst den Körper aus der sonst -eigenschaftlosen Materie aufbaut. Das ist eine Durchbrechung der -absoluten Evolutionslehre Alberts, und nach der spiritualistischen -Seite hin. Die Vernunft ist aber das oberste Prinzip. Man hat darum -diese Lehre als den ~intellektualistischen Determinismus~ bezeichnet. -Auch das verdient noch besonders hervorgehoben zu werden, daß eine -Schöpfung in der Endlichkeit der Zeit nicht angenommen zu werden -brauche. Eine solche Schöpfung sei nur Glaubenssache, denkbar sei -auch eine Schöpfung in der Unendlichkeit. Offenbar wollte der Aquinate -dadurch der unschönen und vorwitzigen Frage aus dem Wege gehen, was -denn Gott vor der Erschaffung der Welt getan habe. Daß aber, sobald -die Schöpfung in die Unendlichkeit hinausgerückt wird, die Idee der -Schöpfung überhaupt aufhört, liegt auf der Hand. Dann hat eben die Welt -von je bestanden, sie ist gar nicht erschaffen, und Gottes Tätigkeit -beschränkt sich allenfalls auf ein Leiten der Welt. Läßt man dieses -Leiten auch noch fort, so gelangt man zu der rein mechanistischen -physischen Anschauung von der Welt. Und daran ändert nichts, daß -man die Schöpfung von ihrer Ursache unterschieden hat, gemeint hat: -Gott sei ohne Ursache, die Welt aber mit Ursache. Das könnte für die -Schaffung in der Unendlichkeit einen Sinn nur haben, wenn die Welt -Emanation Gottes wäre oder zu seinem Wesen gehörte, was ja abgelehnt -wird. Solchen im Grunde bedeutungslosen Distinktionen begegnet man -oft. Ich glaube darum, daß Thomas von Aquino nur hat sagen wollen, wir -vermögen für die Erschaffung der Welt keinen Zeitpunkt anzugeben, und -das Festhalten oder Nichtfesthalten an der biblischen Angabe hierüber -dürfe jedem überlassen bleiben. Und das kann vom Standpunkte der -Wissenschaft, die ja schon bei der Entwicklung der Erde mit Hunderten -Millionen von Jahren rechnen muß, nur gutgeheißen werden, obwohl -Thomas davon nichts gewußt hat. Albert der Große (Doctor universalis) -war auch ein großer Naturforscher, der Aquinate (Doctor angelicus) -ein gewaltiger Dialektiker. Diesem ist sein noch außerordentlicherer -Landsmann ~Dante~ in seinen Anschauungen gefolgt. Und die Verse am -Schluß der ganzen „Göttlichen Komödie“ (übersetzt von König Johann von -Sachsen) - - O ewiges Licht, das, auf dir selbst nur ruhend, - Allein du selbst dich kennst und, dich erkennend, - Sowie von dir erkannt dir liebend lächelst! - Das Kreisen, das in dir also erzeugt schien, - Wie rückgestrahltes Leuchten, da ich etwas - Mit meinen Augen es ringsum betrachtet, - Zeigt’ in dem Innern mir mit unserem Bilde - Von seiner eigenen Farbe sich bemalet, - So daß ich mein Gesicht ganz drein versenkte. -- -- - Sehn wollt’ ich, wie das Bild sich mit dem Kreise - Vereint, und wie’s drin seine Stätte findet; - Doch gnügten nicht dazu die eignen Schwingen. - Bis daß mein Geist von einem Blitz durchzuckt ward, - In welchem sein Verlangen sich ihm nahte. - Der hehren Phantasie gebrach’s an Kraft hier, - Doch schon schwang um mein Wünschen und mein Wollen, - Wie sich gleichförmig dreht ein Rad, die Liebe, - Die da die Sonne rollt und andre Sterne. - -können durchaus auf thomistische wie gnostische Anschauungen -gedeutet werden. Solcher Verse aber gibt es viele in dem Gedicht des -Florentiners. Und das Standbild des Dichters vor der Santa Croce -in seiner Vaterstadt drückt dieses mächtige Hinausschreiten des -Begeisterten in das Reich des höchsten Schauens über alle Maßen schön -aus. - -Das Übernatürliche als eine notwendige Ergänzung unserer natürlichen -Erkenntnis sieht auch der große ~Johannes Duns Scotus~ (wahrscheinlich -ein Schotte von der Grenze Englands, gestorben 1308 zu Köln) an. Und -dieses Übernatürliche ist das Göttliche in uns. Es ist aber nur der -Möglichkeit nach in uns. Ob wir zu ihm gelangen, hängt von unseren -Handlungen ab, die in unserem freien Willen liegen. Hier ist, wie -auch sonst vielfach, der freie Wille auf das Gute bezogen; bei -anderen Philosophen findet er sich auf das Schlechte gerichtet, wohin -er eigentlich mehr gehört, vom ethischen Standpunkt gesehen. Alles -Übernatürliche ist darum so weit natürlich, als es der vernünftigen -Seele von vornherein, wenn auch zunächst nur potentiell, vom Schöpfer -eingepflanzt ist. Außer der Natur steht das Übernatürliche, wenn es in -den Geschöpfen nicht schon vorhanden ist und jedesmal von Gott ausgeht -und diesen Geschöpfen erst verliehen wird. Gott ist das schlechthin -Einfache (simpliciter simplex). Gleichwohl müssen wir in ihm eine -Vielheit erkennen, nach der Augustinischen Trinitätslehre, als Wissen, -Verstand und Wille, und als Vorbilder der Mannigfaltigkeit in der Welt. -So ist die Schöpfung eine doppelte: nach dem Verstand -- die Natur, -nach dem Willen -- die Vernunft. Die Mannigfaltigkeit in der Welt ist -an sich zufällig; daher muß in Gott etwas sein, das ihn veranlaßt hat, -die Welt so zu schaffen, wie sie sich zeigt. Das ist eben der Wille -Gottes, und dieser ist ja frei in bezug auf alles, was nicht dem Wesen -Gottes angehört. Für uns die wichtige Folgerung hieraus wäre: die Welt -gehört nicht zum Wesen Gottes, weder direkt noch indirekt. Scotus ist -also weder Pandeist noch Emanist, er steht einfach auf dem Boden der -Bibel. Abweichend aber meint er, daß Gott auch eine dieser Welt, sogar -sittlich, entgegengesetzte Welt hätte hervorbringen können. Daraus -würde nun folgen, daß das Böse in der Welt auch durch Gottes Willen -entstanden ist, da ja alles absolut seinem Willen entspricht. Und so -sieht alles wie ganz nach Willkür geschaffen aus. Eine Milderung findet -sich nur darin, daß, nachdem Gott die Welt wie sie ist geschaffen -hat, er an sie gebunden sein soll, indem Gott neben einem absoluten -Willen auch einen geordneten Willen haben soll. Warum, sieht man -nicht ein. Es wird zwar gesagt, daß der Wille Gottes mit seinem Wesen -zusammenhängt. Aber was ist sein Wesen, wenn er auch Entgegengesetztes -wollen kann? Und das Ganze wird nicht klarer, wenn der Verstand Gottes -in zwei Teile zerlegt wird, einen in sein eigenes Wesen gerichteten -und einen, der die Welt erkennt, weil er sie gewollt hat, und wenn -ferner gemeint wird, der erste Verstand greife in den zweiten ein und -so entstehe die Welt dem Wesen Gottes gemäß. Auf diese Weise läuft man -eigentlich immer im Kreise herum, und das hat seinen Grund in dem ja -überall im Mittelalter sich zeigenden Wunsche, das Theologische mit dem -Philosophischen und der Naturerkenntnis, den ~liber scriptus~ mit dem -~liber vivus~ zu versöhnen, was eben nicht möglich ist. Der Begriff -von Gott wird dabei immer komplizierter und immer unverständlicher. Im -übrigen denkt Scotus von der Welt ganz physisch, namentlich ist ihm der -Himmel nichts besonderes. Und alles ist ihm vergänglich, das Göttliche -in uns natürlich nicht. - -Mit einem Fuße bei den Mystikern steht der Empiriker ~Roger Bacon~ -(Doctor mirabilis, 1214-1292), Landsmann des noch empirischeren Bacon -von Verulam, insofern er von einem intuitiven absoluten Wissen -spricht, zu dem man durch verschiedene Grade der Erleuchtung aufsteigt, -um zuletzt „reiner Spiegel Gottes“ zu werden. In Gott sei der tätige -Verstand des Menschen, der Verstand des Irdischen sei nur ein leidender -Verstand, wie auch arabische Philosophen sagen. So bestehe neben der -sinnlichen Erfahrung eine übersinnliche. Arabisch ist es auch (S. 289 -f.), wenn er die Materie als die Keime aller Entwicklung der Welt -enthaltend ansieht. Indem er aber die Materie gleichwohl von Gott -erschaffen sein läßt, nähert er sich dem Standpunkt des Albert, daß -eben Gott diese Keime in die Materie gelegt hat (S. 295). - -Gehen wir zu den ~Mystikern~ selbst über, so haben wir solche -verstandesklare Größen wie die genannten Scholastiker nicht zu -verzeichnen. Unser unglücklicher genialer Kaiser Otto III. war eine -durchaus mystisch veranlagte Natur. Mystiker waren alle großen Mönche -und Ordensstifter. Aber dieser Mystizismus bezieht sich nur auf die -bestimmte christliche Religion und die Erscheinungen in ihr, und geht -dabei stark in das Visionäre über, wie bei dem so sympathisch-milden -heiligen Franziskus und dem so energischen Bernhard von Clairvaux, der -trotz seines reinen Wollens so viel unfruchtbares Unheil auf die Welt -heraufbeschworen hat, weil er die schlechten Instinkte der Massen und -die niedrige Herrsch- und Goldbegier der Führer nicht in Rechnung zu -ziehen verstand. Wir haben es hier mit dem philosophischen Mystizismus -zu tun. Der Begründer dieses mittelalterlichen Mystizismus ist, obwohl -vor ihm schon ~Anselm von Canterbury~ (in Italien 1033 geboren) -sich als ein halber Pandeist zeigte, der Deutsche (?) ~Hugo von St. -Victor~ (gestorben 1140). Die Welt ist eine ~Abspiegelung~ Gottes. -So ist die Vernunft ein Ebenbild Gottes, und die Offenbarung in ihr -bedeutet die übernatürliche Offenbarung Gottes. Unser Erkennen ist eine -Kette, die Glied an Glied bis zum Höchsten führt, der selbst keine -Wirkung ist und keine Ursache hat. Und wir hören bei ihm auf, weil -eben unsere Vernunft sich als Spiegel von ihm darstellt. Folgerichtig -erkennt Victor eine innere Lehre an, also eine Entwicklung aus sich -selbst heraus. Und diese soll auf der einen Seite zu der Erkenntnis -Gottes führen, welche allen Menschen gemeinsam ist, auf der anderen -Seite zu der des Erlösers, welche dem Christentum eigen ist. Da die -Vernunft aller Menschen gleichen Ursprung hat, muß man annehmen, daß -in manchen Menschen die zweite Erkenntnis schlummert oder durch eine -Widersetzlichkeit zurückgehalten wird. Diese ist die Sünde, welche -die Vernunft in Verwirrung gebracht hat und welche den Menschen -überhaupt von dem Höchsten entfernt. Woher aber die Sünde kommt, ist -um so weniger zu verstehen, als die vernünftigen Geschöpfe die ~ganze~ -Idee Gottes spiegeln sollen, nicht bloß einen Teil, wie alle anderen -Dinge der Welt. Allerdings wird dieser Satz auch eingeschränkt; die -Vernunft soll sich nach dem Höchsten zu entwickeln. Demnach wäre -das Ebenbild Gottes nur potentiell und würde allmählich aktuell und -völlig real, sobald der Mensch sich von allen Schlacken gereinigt hat. -Alsdann erkennt er Gott durch Anschauen, intuitiv, denn die reine -verstandesmäßige Ableitung kann das Unendliche nicht begreifen. So -spricht Hugo von drei Augen der Seele; eines, das Auge des Fleisches, -für die sinnlichen Dinge und den Körper, eines der Vernunft, für die -Erkennung ihrer, der Seele selbst, und alles dessen, was in ihr ist, -und eines der Anschauung (contemplatio) für die Erkennung Gottes in -sich und in Gott. Gleichwohl ist die Seele einheitlich. In einer uns -schon bekannten, aber trotz der fortwährenden Wiederholung gleich -unverständlich bleibenden Wendung soll das Böse zum Guten dienen, -um letzteres zu durchschauen. Nicht viel verständlicher ist die -weitere, gleichfalls so oft wiederkehrende Behauptung, daß die Welt -der Menschen wegen da ist, der Mensch aber Gottes wegen. Letzteres -könnte doch nur einen Sinn haben, wenn Gott erst im Menschen sich -selbst offenbart, was Thomas von Aquino vom Verhältnis Christi zu Gott -aussagt. Sittlich aber scheint mir Hugos Idee bedeutender. Und sie ist -für ihn der Ausfluß aller Vorschriften für das Leben, die in dem Satz -gipfeln, daß gegenüber der Einsicht des Menschen in sich selbst und -seiner Beschäftigung mit sich selbst die Einsicht in die Natur und die -Beschäftigung mit der Natur ganz zurückzutreten hat, als wenn Gott nur -in uns, nicht in der Natur zu erkennen wäre. Der Mystiker sieht darum -sein Heil in Sittenreinheit und frommem Sich-in-sich-Versenken. Die -äußeren Mittel der Religion unterstützen beides. - -Ein Namensvetter unseres Philosophen, der Schotte ~Richard von St. -Victor~ (gestorben 1173), hat für uns darum noch hervortretende -Bedeutung, weil er den Wert des Schauens ganz besonders betonte; der -Glaube steht ihm sehr tief gegenüber dem Schauen, tiefer noch als -der Verstand, der seinerseits schon tief genug angesetzt wird. Er -stirbt, wenn das Schauen beginnt; und wenn Gott erscheint, vergehen -Sinn, Gedächtnis und Vernunft. Das hätte ein Indier sagen können oder -ein Valentinianer. Und Schauen ist „Ekstase, Entrückung (raptus) des -Geistes, Herausschreiten (excessus) aus sich selbst“ usf. Wollte man -das wörtlich nehmen, so käme man zu den visionären Verzückungen der -Heiligen und Unheiligen oder auf naturmenschliche Denkweise. Und -wohin soll man die Ansicht bringen, daß Gott den Geschöpfen sich noch -besonders mitteilen kann? Das ist klarer und echter Mystizismus, in dem -die Gottheit des Menschen schon im Leben auf die Spitze getrieben ist. -Doch wird er dadurch gemäßigt, daß auch ein Schauen in der Vernunft -und in der Einbildungskraft, außer dem in der reinen Intelligenz, -anerkannt ist. Es dürfte dem Leser aufgefallen sein, daß hier und in -allem Früheren, obwohl wir im vollen Kirchentum stecken, fast nur -von Gott die Rede ist. In der Tat haben sich die Philosophen mit der -Trinität nicht gut abfinden können, oder nur vermittelst der „doppelten -Wahrheit“. Indessen möchte ich eine Ansicht nicht unterdrücken, die -hierüber ein Mystiker geäußert hat, der Engländer ~Isaac~ (um 1150), -und die man allerdings mit Heinrich Ritter (Geschichte der christlichen -Philosophie) als verständig ansehen darf. „An Gott (dem Vater) hat -alles teil, sofern es ist, weil er das höchste Sein ist und das -Sein allgemeines Prinzip aller Dinge ist. Die bestimmte Weise des -Teilnehmens, nach welcher ein jedes Ding ein besonderes Wesen von Natur -ist, empfängt aber ein jedes Geschöpf nur durch den Sohn Gottes, indem -der Vater alles nur durch den Sohn verleiht. Endlich aber muß von der -natürlichen Verleihung der Gaben der Gebrauch unterschieden werden, -welchen die vernünftigen Wesen von ihren Gaben machen und durch welchen -sie erst wahrhaft der Tugend und der Erkenntnis Gottes teilhaftig -werden. Dieser Gebrauch gelingt ihnen nur durch die Erleuchtung des -Heiligen Geistes.“ Andere Ganz- oder Halbmystiker, wie den ~Alanus~ -(gegen 1200), seinerzeit ein großes Kirchenlicht und für die unseligen -Waldenser von verhängnisvoller Bedeutung, den ~Bonaventura~ (1221 im -Kirchenstaate geboren), der eine Reise des Geistes zu Gott geschrieben -hat und stark pandeistische Neigungen zeigt, den Franzosen ~Johann -Gerson~ (zu Gerson bei Rheims 1363 geboren) usf., übergehen wir, es -kommt Neues nicht zum Vorschein. Eine Erwähnung verdient aber durchaus -der fromme Dominikaner „~Meister Eckehart~“ (geboren bei Gotha, -gestorben 1327). Seine Anschauungen sind wesentlich gnostisch, und -zwar mit den Valentinianischen verwandt. Die Emanation beginnt mit -Christus, dem Bilde des Vaters, und dem Heiligen Geist, dem umfassenden -Liebesbunde. Zugleich emanieren alle Gründe der Schöpfung, deren -Abbild die Schöpfung ist, wie ihr Sein sich als ein Überströmen des -Seins Gottes darstellt. Gott ist das Sein selbst, für Gott gibt es -keine Zeit, sondern -- und diese Wendung ist von großem Interesse --- nur ein Jetzt; Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft sind ihm in das -Jetzt zusammengezogen, so daß die ganze Welt von je und in je ihm -zugleich, im Jetzt webend, und nur ist durch dieses Jetzt-Sein. Aber -freilich nicht in diesem Sein. Denn Gott, als das reine absolute Sein, -hat nicht Teil an der mannigfaltigen endlichen Welt. So besteht für -ihn auch keine Mannigfaltigkeit, keine Zahl. Alles ist Eins, es ist -für ihn auch kein Raum. Im Grunde der Seele ist ein „ungeschaffenes -und unschaffbares Licht“, ein „Seelenfünklein“, das mit den übrigen -Seelenkräften nichts gemein hat, ein göttlicher Keim. Dieser leuchtet -intuitiv in das Lichtreich, und durch ihn kann der Mensch zum Schauen -des Höchsten gelangen. Damit wohl verträglich ist die Ansicht, daß -außerhalb dieses „Seelenfünkleins“ die Welt nur Schein und Nichts ist. -Von dem Gottesfunken in uns sind ja alle idealistischen Denker und -Dichter überzeugt. „Soll die Seele Gott erkennen,“ sagt Eckehart, „so -muß sie ihn erkennen oberhalb der Zeit und oberhalb des Raumes. Denn -Gott ist weder Dieses noch Jenes, wie diese mannigfaltigen Dinge, Gott -ist Eins! Soll die Seele Gott sehen, so darf sie nicht zugleich den -Blick auf irgendwelche Dinge richten, die in die Zeit gehören (und in -den Raum, müssen wir hinzufügen). Denn während Zeit und Raum und sonst -dergleichen Bilder (Körper) ihr (der Seele) Bewußtsein erfüllen, vermag -sie unmöglich Gott gewahr zu werden.“ Die Seele muß sogar sich selbst -vergessen und sich selbst verlieren. In Gott findet sie sich wieder. -Damit hat freilich die Welt ihre ganze Bedeutung eingebüßt; man weiß -nicht, wozu sie da ist. Im übrigen schließt sich Eckehart den großen -Scholastikern an. - -Der flämische ~Jan van Ruysbroek~ (1293-1381) muß es in der Verzückung -sehr weit gebracht haben, da er „doctor ecstaticus“ genannt wurde. In -der Schilderung des Zustandes eines wahrhaft Gottschauenden geht er so -weit, daß er von einem „Verschlungenwerden in den grundlosen Abgrund -unserer ewigen Seligkeit“ spricht, wobei jedes Denken ein Ende hat. -„Wo wir aber prüfen und erfassen wollen, was wir fühlen, verfallen -wir in Vernunft. Und da finden wir sogleich Unterschied und Anderheit -zwischen Gott und uns und finden Gott als ein Unbegreifliches aus uns.“ -Außer dieser seligen Gnadeneinheit mit Gott haben wir im Leben in und -mit der Natur eine leidende und tätige Einheit, die jedoch gleichfalls -eine „Begegnung unseres Geistes mit Gott“ bedeutet. Vielleicht ist -dieser Mann der konsequenteste Theosoph des Mittelalters, trotz seiner -sonstigen Anhänglichkeit an die kirchlichen Lehren und Gebräuche. Und -er spricht in schönen Bildern. Maria war und ist ihm die „Morgenröte -und der Anbruch des Tages aller Gnaden“. „Gott hat unzugängliche Höhe -und abgründige Tiefe, unbegreifliche Breite und ewige Länge, (er ist) -ein dunkles Schweigen (Sigê der Gnostiker), eine wilde Wüste, das -Rufen aller Heiligen in der Einheit, ein allgemeiner Genuß an sich -selbst und an allen Heiligen in der Ewigkeit.“ Er kennt, wie andere -Gnostiker, zwei Himmel, den äußeren, ohne Zeit und Ort, für das Reich -Gottes und seiner Heiligen, „erfüllt mit Glorie und ewiger Freude“, -ohne jede Veränderung, und den inneren Himmel, „der erste Antrieb“. -Letzteres klingt averroistisch. Und das Böse und Schlechte? Davon wird -nur in Gleichnissen gesprochen, die ohne Bedeutung sind. - - -38. Theosophie und Emanismus in neuerer Zeit. - -Die Scholastik hatte den Vorrat an zugänglichen Begriffen und -Distinktionen bis zu einem gewissen Grade erschöpft und war zuletzt -dahin gelangt, ihr System, wie von ~Raimundus Lullus~ (1235 auf -Malorca geboren, 1315 von fanatischen Mauren in Afrika gesteinigt) -geschehen, in Tabellen, Schemata und Reihen zu ordnen, die dem Menschen -sogar das Denken ersparen sollten. Gleichwohl ist ihre Bedeutung -nicht zu unterschätzen; die logische Schärfe des Ausdrucks hat ihr -sehr viel zu verdanken, und würde ihr noch weit mehr zu verdanken -haben, wenn das Latein wissenschaftliche Sprache geblieben wäre. Viel -ist uns von der emsigen Forscherarbeit der Scholasten im Gebiete -der Begriffsbestimmungen verloren gegangen, dadurch, daß wir ihre -Sprache verlassen und uns zu den Nationalsprachen gewendet haben. -Auch ist wohl deutlich genug hervorgetreten, daß sie die eigentlichen -Probleme der Menschheit keineswegs außer acht ließen. Wir haben Welt- -und Lebenanschauungen von ihnen kennen gelernt, die tief durchdacht -und durchfühlt sind. Die Scholastik konnte sich aber auf ihrer Höhe -nicht halten. Als die Wissenschaften erwachten, die Kenntnis der -Welt wuchs, die Schätze griechischen Geistes erschlossen wurden, als -die Renaissance mit der Fülle großer Erscheinungen auf fast allen -Gebieten menschlicher Tätigkeit anbrach, und als die Reformation sich -vorbereitete, die Geister frei zu machen, war für die Scholastik nur -noch ein stilles Dasein möglich, das sie lange wie im Verborgenen -führte, um später allerdings zu neuer Kraft sich aufzuraffen, dann -rasch zur Vereinzelung zurückzusinken. Sie hatte der Menschheit nicht -mehr viel Neues zu sagen, und wo sie einen Anlauf nahm, sprang sie -ihrer Natur nach zu kurz, vor die Naturwissenschaft, oder zu weit über -diese hinweg, und mußte darum zurückgewiesen werden. Anders verhält -es sich mit dem theosophischen Mystizismus. Ist er schon wegen seiner -dichterischen Färbung und schrankenlosen Unbegrenztheit von je ein -Schoßkind der Menschen gewesen, so eignet ihm noch zu, daß er sich -so leicht aller Wissenschaft anpaßt. Er kann ihre Ergebnisse in sich -aufnehmen, und indem er sie ins Hohe und Höchste zu führen vorgibt -und versucht, scheint er sie sogar zu veredeln. Dazu kommt der große -Einfluß, den er auf die Kunst ausübt, die ja von Dichtung sich nährt -und lebt. So darf es nicht wundernehmen, daß der Baum der Theosophie -mit seinen verschiedenen Zweigen immer reich in Blüten gestanden hat, -wenn auch diese Blüten nur selten Früchte entwickelten. Auch kommt es -dem Menschen nicht immer auf die Früchte an. - -Am Eingang der neueren Zeit steht die imponierende Gestalt des -Kardinals ~Nikolaus Cusanus~ (eigentlich Krebs, zu Cues an der Mosel -1401 geboren, gestorben 1464). Er ist bis zu einem gewissen Grade -Pandeist. Gott schafft die Welt nur aus sich (de nullo alio creat, sed -ex se); indem er alles umfaßt, entfaltet er alles aus sich, ohne doch -sich dabei irgend zu verändern. Im Grunde ist das eine Emanationslehre. -Doch verwirft der Cusaner die Abstufungen in dieser Lehre, die Welt ist -als Ganzes aus Gott entstanden. „Gott ist vermittelst des Universums in -allem, und die Vielheit der Dinge vermittelst des Universums in Gott“ -(Deus est mediante universo in omnibus et pluralitas rerum mediante -universo in deo). Und so gehört auch ausnahmslos alles zusammen, -und wir vermögen das Einzelne nur als Glied des Allgemeinen und das -Allgemeine nur als Ausfluß Gottes zu erkennen. Deshalb entscheidet -der Cusaner die oft aufgeworfene Frage, ob etwas aus der Wirkung oder -aus der Ursache erkannt werden kann, dahin, daß dieses nur aus der -Ursache, in letzter Instanz also nur aus Gott, zu geschehen vermag. -In der Welt haben wir daher „wie in einem Buche, geistig die Gedanken -Gottes zu lesen“. Die Idee von dem absoluten Ganzen der Welt, von ihrem -absoluten inneren Zusammenhange dürfen wir gerne entgegennehmen; sie -entspricht unserem Wissen von der Welt, und ist übrigens sehr alt, da -sie sich schon bei den ionischen Naturphilosophen und bei Herakleitos, -bei Platon u. a. findet. Einer pandeistischen Anschauung ist sie so -gemäß wie einer rein physischen. Freilich faßt er den Zusammenhang -der Geschöpfe nicht mechanistisch auf, sondern die allgemeine Liebe -aus Gott verbindet jedes mit allem, wie in einem Lebewesen, womit -nach Platon die Welt auch verglichen wird, indem jedes Glied mit -allen anderen Gliedern sympathisch zusammenhängt, so daß keines -verletzt werden kann, ohne daß alle Glieder darunter leiden. Wenn nun -Cusanus dazu kommt, gleichwohl drei Welten zu unterscheiden: eine -intelligible um Gott, eine intelligible um den menschlichen Geist, -eine sinnliche um die sinnliche Welt, so kann das eigentlich nur den -Sinn haben, daß unsere Tätigkeit sich auf Gott, auf unseren Geist, -auf die sinnliche Welt richtet, so daß es sich nur um drei Stufen der -Intelligenz handelt, die sich auf drei Verschiedenes in der Einheit -richten, wie uns schon bekannt. Indem der Mensch nun zunächst von oben -nach unten geht, findet er unten die Begrenzung und muß umkehren, -um nach oben zu steigen. So wendet sich alles erst vom Hohen zum -Sinnlichen und dann vom Sinnlichen zurück zum Hohen. „Dieses ist -der Kreislauf des Seins und des Denkens. Und so kehrt alles in das -Prinzip zurück, von welchem es ausgegangen ist.“ Goethes Kontraktion -und Expansion! die wir auch schon aus anderen Lehren kennen. Schlimm -ist es aber, daß der Mensch zwar in sich die Welt und sich in der -Welt erkennt, jedoch nur menschlich und vermittelst der Welt. Gott -und die Wahrheit unmittelbar zu erkennen, ist ihm nicht gegeben. Er -kann beides nur durch die Welt erkennen. Auch so noch ist er zuletzt -nur auf wahrscheinliche Vermutungen (conjecturae) angewiesen. Diese -Vermutungen, die unsere Vernunft, unsere Gedankenwelt zusammensetzen, -schaffen wir, wie Gott die Welt schafft. Und so befinden sich alle -unsere Wissenschaften nur innerhalb der Genauigkeit. Völlig wie ein -moderner Naturforscher räsoniert, wenn er von der leeren Wahrheit der -Unvereinbarkeit des Widersprechenden absieht und die Welt nimmt, wie -sie sich ihm darbietet. Es ist merkwürdig, daß ein Kardinal das sagen -konnte, denn die Vermutung bezieht sich auch auf unsere Kenntnis von -Gott und im Grunde auch auf die Sittengesetze. Nur die Vermittelung -durch Gott selbst gestattet, die Genauigkeit in eine gewisse Wahrheit -zu wandeln. Es scheint, als ob der Cusaner uns so beschränkt, weil wir -das Unendliche nicht fassen können. Und das hat seinen guten Grund. -Das Unendliche als Fertiges liegt allerdings nicht im Bereiche unserer -Intelligenz, die diskursiv ist. Ein Kreis bleibt für uns ein Kreis; -mag sein Mittelpunkt noch so weit von uns fortrücken, er wird im -Fortrücken seines Mittelpunktes niemals etwas anderes für uns als ein -Kreis. Und so wissen wir vom Kreis immer nur das eine; was ein Kreis -mit einem vollendet unendlich großen Radius ist, wissen wir nicht, denn -die Antwort: eine gerade Linie, ist falsch, obwohl der Herr Verfasser -sie selbst in einem Examen gegeben hat. Aber die Gnostiker behaupten -ja, daß wir die Unendlichkeit in der Intuition besitzen. Auf diesem -Standpunkt scheint also Nikolaus Cusanus sich nicht zu befinden. Im -übrigen ist für ihn die Welt zwar unendlich und für unendliche Zeit, -aber von Gott in der Endlichkeit geschaffen. Und indem sie von Gott -doch verschieden ist und nicht sein unendliches Wesen einbegreift, -ist sie auch „wegen der in ihr liegenden Zufälligkeit der Materie“ -unvollkommen, eine uns schon bekannte Wendung. Da zeigt sie sich denn -wenigstens als das Vollkommenste, ein bestes Gemeinsames, dem „das -Bild und das Leben Gottes in unvergänglicher Weise eingeprägt ist“. -Im Grunde wäre das die Sprache eines religiös-frommen Naturforschers, -nicht eines Mystikers, wie mitunter gesagt wird. Der Cusaner hat -uns lediglich auf die unendliche Entwicklung verwiesen, auf die -asymptotische Annäherung an Wahrheit und Gott, obwohl auch in seinem -System ein mächtiger Helfer in Christus, als Mittler zwischen Mensch -und Gott, steht. - -Nicht ganz, aber fast Neuplatoniker, durch seinen Kampf gegen -Aristoteles und die aristotelischen Scholastiker bekannt, und durch -seinen Einfluß, den er auf Cosmo von Medici und dadurch auf die -Akademie zu Florenz geübt hat, von Bedeutung ist der Grieche ~Gemistos -Plethon~ (um 1450), dem man sogar polytheistische Neigungen nachgesagt -hat. Gott ist das Eins, und in ihm sind Wesen, Energie und Vermögen zu -einer Einheit verbunden. Erste Emanationen sind die Geister, die das -ganze Gebiet der Vernunft (νοῦς), Gottheiten, verschiedenen Wesens, -verschiedener Energie und eines Vermögens, das mit Wesen und Energie -verbunden ist, bedeuten. Die zweite Emanation ist die Seele als -Weltseele, in der auch das Vermögen als ein Besonderes sich geltend -macht. Gott (Zeus, Basileus) schafft die Welt der sinnlichen Dinge, -die Materie ist als Unbestimmtes nur ein Zeichen der Unvollkommenheit -dieser sinnlichen Dinge, nicht ein Besonderes, das schon dagewesen wäre -vor der Welt. Vorsehung und Notwendigkeit beherrschen die Welt, beide -in Gott begründet und selbst die Gottheiten beugend. Der Notwendigkeit -ist sogar Gott selbst unterworfen. Die Gottheiten sind Vermittler -zwischen Gott und der Welt. Das Ganze macht einen verworrenen Eindruck; -man weiß nicht recht, was die Gottheiten zu tun haben, wenn Gott selbst -alles schafft, wenn Vorsehung und Notwendigkeit herrschen. Wenn die -Gottheiten nur Naturkräfte sind, warum wird ihre Verehrung von einem -Christen polytheistisch empfohlen? Man weiß auch nicht, woher der -Mensch den freien Willen hat, der von ihm behauptet wird, und davon -doch seine Verantwortlichkeit abhängt. Ein Anhänger des Plethon war -sein Schüler, der berühmte Kardinal ~Bessarion~. - -Die Akademie zu Florenz hat wohl in Cosmo di Medici ihren Begründer, -es war eine geistige Gemeinschaft. Platonismus, und vor allem -Neuplatonismus wurden gepflegt. ~Marsilius Ficinus~ (1433-1499) gehörte -zu den hervorragendsten Vertretern dieser Akademie. Den Neuplatonikern -kann er nur bis zu einem gewissen Grade zugezählt werden, denn er -verwirft die Plotinische Emanationslehre ganz und gar. In vielem steht -er auf dem Boden der Lehre des Thomas von Aquino, er ist wesentlich -Theologe. Daß er nebenbei auch Mystik treibt, von Seelen der Gestirne -spricht, von ihren Einflüssen auf die irdischen Dinge, daher Kabbala -lehrt und Alchymie, das hebt ihn noch nicht auf die Höhe theosophischer -Gedanken über die Welt. Doch nimmt er eine Weltseele an, die alles -belebt, und behauptet, daß wir mitunter schon im Dasein Gott schauen -können, und daß „die Seele, von den Fesseln des Körpers erlöst und rein -scheidend, aus einem sicheren Grunde Gott wird (fit deus); Gott aber -und Gottes Ewigkeit ist das gleiche“. Ganz theologisch ist wieder, wenn -jedem Wesen eine besondere Seele zugeschrieben wird. - -Eine sympathische und durch seinen frühen Tod verklärte Gestalt ist -der Freund des Ficinus, ~Giovanni Pico~ (1463-1494), jüngster Sohn -des Fürsten von ~Mirandola~. 900 Streitsätze schlug er nach der Sitte -der Zeit, nach der ja auch Luther verfuhr, in Rom an und forderte -alle zum Kampfe um sie heraus. Selbst das Reisegeld für Ferne wollte -er bezahlen. Aber dreizehn dieser Sätze schienen ketzerisch, und -Innozenz VIII. verbot den Kampf. Pico war Dichter und Philosoph. Als -letzterer kam er zu der auch vielen anderen geläufigen Ansicht, daß im -Grunde die meisten Philosophen doch gar nicht so sehr voneinander in -ihren Meinungen abwichen. Der Leser wird das schon aus dem Bisherigen -bestätigen können. Der Mensch ist ein mittlerer Mikrokosmos. „Gott gibt -dem Menschen bei der Geburt die mannigfaltigen Samen und Sprossen aller -Art Leben ein.“ Ganz auf sich gestellt, vermag er alles nach unten -und alles nach oben zu durchleben. Wendet er seinen Blick nach oben -und zieht sich in die Mitte des Universums, also wohl in sich selbst, -zurück, so wird er „Eins mit Gott Geist werden, in des Vaters einsamer -Finsternis (Abgeschiedenheit? Sigê?), der über allem thront, und wird -allem vorausstehen“. Mit dem Begriffe Gottes plagt sich Pico nicht -minder, wie alle anderen vor ihm und nach ihm, die diesen Begriff -auf das Höchste treiben wollten und wollen. Das liegt daran, daß alle -Ausdrücke der sinnlichen Welt angepaßt sind. Und ob man „Sein“ sagt, -oder „Eins“, oder „Das“, oder „Selbst“, man bleibt in der sinnlichen -Welt und mindestens in den Kategorien der menschlichen Vernunft. Was -wir von Gott bejahen, müssen wir deshalb von ihm verneinen. Und so -meint in der Tat „Gott sei Alles“ das gleiche wie „Gott sei Eins“, -„Gott sei das Sein“ nichts anderes wie „Gott sei das Nichtsein“. In -manchen Lehren erinnert Pico an Nikolaus von Cusa, so namentlich in -der von der Einheit der Welt, von der Notwendigkeit der Materie für -das erste Leben und Erkennen, von der Befreiung von dieser Materie -durch die allumfassende Liebe, und in der Anerkennung und Hervorhebung -der Freude an der Schönheit der Welt und der Menschenwerke. Angenehm -berührt seine Toleranz gegen jede Religion bei eigener tiefer -Religiosität. - -Auf dem gleichen Wege treffen wir unseren Landsmann ~Johann Reuchlin~ -(1455 zu Pforzheim geboren, gestorben 1522, er nannte sich gräzisiert -auch ~Kapnion~). Er war in Italien und kannte Pico persönlich. Das -ist nun ein Theosoph und Mystiker aus des Herzens Grunde. Er hat -auch ein höchst umfangreiches Werk über die Kabbala geschrieben. Er -verwirft manches dieser Lehre, aber das meiste anerkennt er doch. „Denn -was anderes bezweckt der Kabbalist oder Pythagoras, als die Seelen -der Menschen in Götter zu beziehen, das heißt, sie zur vollkommenen -Glückseligkeit zu fördern“, sagt er. Und Gott gleich werden ist sein -Bestreben, denn der Grund aller Vernunft ist die letzte und höchste -Wahrheit. Diese Wahrheit kann aber nicht durch Denken erreicht werden, -das ja nur diskursiv wirkt, sondern allein durch innere Offenbarung. -Er urteilt darum auch von Denken und Logik sehr gering. Darin tut er -eigentlich, gerade nach seiner Ansicht, unrecht, denn die Gesetze der -reinen Logik sind als Selbstverständlichkeiten Offenbarungen, durch -keinen Schluß zu gewinnen. Ja solche Sätze wie „das Nichtseiende ist -Seiendes und das Seiende ist Nichtseiendes“ stellen nur scheinbar -einen logischen Widerspruch dar, wie schon oben bemerkt. Er meint --- der Leser verzeihe diese Abschweifung -- der obige Satz sei in -mente richtig, da könne man Entgegengesetztes und Widersprechendes -vereinigen, aber in ratione würden sie weitest auseinandergehalten. -Doch nicht, die Worte besagen ja nichts ohne Bezugnahme. Der Satz an -sich ist in mente gerade so falsch wie in ratione. Wendet man ihn aber -auf etwas an, dem wir alle positiven und alle negativen Prädikate -gleicherweise zusprechen oder absprechen, so ist er richtig. Es gehört -das zu den Antinomien unserer Vernunft. Aber Reuchlin haßt die Logik --- und das ist sehr bezeichnend -- als „Feind des Glaubens und der -Theosophen“, was also die arme Logik gar nicht ist, wenn Reuchlin unter -Logik nicht das Urteil des sogenannten kalten Verstandes meint. Dieses -können Glaube und Theosophie allerdings nicht brauchen, oder nur in -dem Sinne des Cusaners. Ganz entgegen dem Cusaner schreibt er jedem -Dinge sein eigenes besonderes Wesen zu, das es aus den allgemeinen -Naturgesetzen herausheben kann. Darum muß auch jedes Ding für sich in -seinen geheimsten Eigenschaften studiert werden. So kommt er also auch -zur Magie, freilich auch zur Naturwissenschaft. - -Ein Genosse Reuchlins in Theosophie und Okkultismus war der Kölner -~Cornelius Agrippa von Nettesheim~ (1486-1535), ein höchst unruhiger -und zerfahrener Herr, der alles mögliche trieb und sich mit allen -Leuten zankte. Und dabei doch ein nicht unbedeutender Mann. Bei allem -Hang zur Mystik spricht er mitunter wie ein moderner Naturforscher, -so hinsichtlich der Grundlagen der Wissenschaften, und er hat auch -die Naturwissenschaft zu fördern versucht. Und obwohl er, ganz wie -Reuchlin, die Offenbarung in uns sucht und alle Schlußwissenschaften -als eingebildet und leer abweist, ist doch seine Mystik durch fromme -Religiosität gemäßigt. „Nicht in der Zunge, sondern im Herzen ist der -Sitz der Wahrheit; nicht der Verstand, sondern der Wille verbindet -mit Gott.“ Die Freiheit des Menschen geht ins weiteste, und so darf -er auch die Schrift auslegen und braucht sich nicht an theologische -Behauptungen zu halten. Was Agrippa von der Religion sagt, ist -fast alles vortrefflich; Luther freilich zählt er zu den Ketzern -und Kupplern, ohne deshalb dem Papste gewogen zu sein. Alle Dinge -hängen aber in ihrem Urgrunde zusammen. Die Welt ist dreifach: die -elementare sinnliche (Welt der irdischen Dinge), die himmlische (Welt -der Gestirne), die übersinnliche (Welt der Intelligenzen). In allen -Welten findet sich das gleiche, nur in steigender Vergeistigung, ein -Gedanke, den wir schon von Gnostikern und Kabbalisten kennen. Gott -aber ist das Urbild von Allem. Was aus ihm hervorgeht ist: bei den -Intelligenzen die verteilten Gewalten, bei den Gestirnen die Kräfte, -in der sinnlichen Welt die Körper. Der Mensch hat vom Göttlichen, und -darum kann er auch das Göttliche schauen. Wie Reuchlin, schreibt er den -Dingen der Welt besondere Wesenheit, ~qualitates occultae~, zu und mit -den gleichen Folgen. Was ihn dazu veranlaßt, ist die Bemerkung, daß die -Körper aufeinander wirken, was aus der Materie nicht erklärbar sei. -Nun, wir plagen uns noch heute mit dieser Angelegenheit, obwohl wir von -den qualitates occultae nichts wissen wollen. Agrippa sieht in allen -Elementen Leben und Seele, er leitet sie aber von einer allgemeinen -~Weltseele~ ab, zwischen die und die Körper er als Vermittlung einen -~Welthauch~ (spiritus) setzt, der nicht Körper und nicht Seele sein -soll, eine Art Äther, nach den drei Welten und der Weltseele auch -„fünfte Essenz“. Das Ganze hat das Aussehen einer Emanationslehre. -Und durch einen Sinn der Natur, welcher auch den Tieren innewohnt und -ihnen einen wahrsagerischen Geist gibt, hängen wir mit der übrigen -Welt zusammen, in einer Weise, welche die menschliche Wahrheit weit -übersteigt; „wir vermögen durch ihn die verborgenen Zeichen der Dinge -zu erkennen und ihre geheimen Kräfte zu gebrauchen.“ Das wieder ist -hellste Mystik, wenn es nicht naturwissenschaftlich gedeutet wird. - -Wie eine starke Abkühlung nimmt sich solcher Schwärmerei gegenüber die -Lehre des Mantuaners ~Petrus Pomponatius~ (1462-1525 oder 1530) aus, -den man auch als Atheisten verschrien hat. Der Mensch wird sehr tief -gestellt nach Verstand und nach Sittlichkeit. Das Wahre zu erkennen, -ist ihm nicht gegeben. Übel und Sünde aus der Unvollkommenheit der -Welt zu erklären, lehnt er ab. Er meint, Gott habe die Welt nach -allen Möglichkeiten geschaffen. Zu diesen Möglichkeiten gehörte aber -ebenso alles Übel wie alles Gute. „Alles Gute und alles Übel der Natur -ist von Gott.“ Aber die bewußte Sünde gleichfalls in dem Weltplan zu -suchen, scheut sich unser Philosoph, wie alle Religionsphilosophen sich -scheuen. Er meint, diese stamme aus dem freien Willen des Menschen. -Die Welt ist wie zufällig aus dem Willen Gottes in der Endlichkeit -hervorgegangen und hört in der Endlichkeit auf. So spielt auch die -Welt eine nur sehr geringe Rolle. Es ist eine trübselige Anschauung, -etwas erhellt durch die Abweisung der noch trübseligeren Lehre von der -Prädestination. Die Gaben Gottes an die Menschen gehen nur nach dem -Guten, und auch nur ohne Zwang; der Mensch hat die Fähigkeit bekommen, -nach dem Guten zu streben. Tut er es nicht, wendet er sich zum Bösen, -so hat er die Folgen im Diesseits und im Jenseits zu gewärtigen. -Hier spricht er ganz wie ein Theologe, und theologisch ist im Grunde -auch seine Ansicht von der Unsterblichkeit der Seele. Letztere ohne -Leib kann er sich nicht denken; die absolute Unsterblichkeit lehnt -er darum ab. Aber die Auferstehung im Leibe gibt er zu, wie ja auch -die Lehre vom jüngsten Gericht fordert. Pomponatius ist Aristoteliker -und dementsprechend reichlich praktisch nüchtern. Er gehört zu den -Materialisten des Mittelalters. - -Den Praeceptor Germaniae und großen Humanisten ~Philipp Melanchthon~ -dürfen wir hier übergehen. Abgesehen von der Theologie und der schönen -Sittlichkeitslehre, hat er nirgend einen besonderen eigenen festen -Standpunkt und keine Wendung, die in der Anschauung von Welt und Leben -etwas Neues besagte. ~Luther~ werden vielfach mystische Neigungen -zugeschrieben, sein Verhalten gegen Teufel und Hexen spricht wohl -dafür. Aber der große Reformator hatte zu viel mit der Praxis zu tun, -als daß er sich der Schwärmerei oder neuen Anschauungen hätte hingeben -können. Höchstens, daß der Kirchenvater Augustinus, dem der düstere -~Calvin~ folgte, seine jugendlicheren Jahre beherrschte. ~Zwingli~ -aber ist Neuplatoniker als Philosoph. Überhaupt war die Reformation -zunächst der Ausbildung größerer Anschauungen nicht günstig. Die -Religion zu reinigen von Schlacken und Äußerlichkeiten, nahm alles in -Anspruch, und wo auf die Innerlichkeit zurückgegangen wurde, geschah -es doch wesentlich auf Grund schon alter Formeln. Wie rasch auch die -reformierten Kirchen verknöcherten, ist bekannt. Erst die entfesselte -Forschung der Humanisten, Astronomen und Naturforscher, die plötzliche -Weitung des Blickes rings um die Erde herum, haben die neue Zeit -aufgehen lassen. Mit der eindringenden Kenntnis des schönen und freien -Heidentums, mit der Zertrümmerung des Himmels und der Übertragung -seiner Gebilde aus der Sphäre der Geister und Engel in die irdische -Welt, mit den experimental gewonnenen Ergebnissen auf dem Gebiete der -Mechanik, Physik und Chemie, mit der Einsicht von der frei schwebenden -Kugel der Erde, von ihren Landen, Bewohnern und Produkten konnten alte -Probleme mit neuen Ideen in Fülle verarbeitet werden. Ob das aber -ohne die Reformation so rasch hätte geschehen können, darf nach dem -Schicksal, das so viele edle Geister unter dem Papsttum noch im 16. und -17. Jahrhundert betroffen hat, wohl bezweifelt werden. Das Standbild -auf dem Campo dei fiori redet eine zu deutliche Sprache. - -Neben der rein theologischen Festigung der Welt- und Lebenanschauung -ging die mystische, die sich auch in den bekannten Aufständen Luft -machte. Es ist natürlich, daß zu einer so bewegten Zeit wie die der -Reformation viele für sich selbst denken und handeln wollen, zumal -wenn die Lösung, die man ihnen vom Bisherigen gibt, doch nur wieder -Fesseln anlegte, und keineswegs solche von Rosen, wenn auch nicht so -eiserne wie die früheren. Und so zeigt die Reformationszeit Menschen, -die sich ganz in sich zurückziehen möchten, um dort nach theosophischen -Lehren Gott und sein Werk zu finden, oder die das Reich Gottes auf -Erden schon gekommen wähnen und alles Volk zu diesem Reich berufen. -~Karlstadt~, ~Sebastian Frank~, ~Schwenkfeld~, die ~Wiedertäufer~ sind -einige Namen und Bezeichnungen. Etwas marktschreierisch, namentlich -aber verworren, trotz allen Ernstes und aller Tüchtigkeit, wirkte der -~Bombastus Theophrastus Paracelsus von Hohenheim~ (1493 zu Einsiedeln -in der Schweiz geboren, 1541 gestorben), ein höchst unruhiger Mann, -dem Aberglauben aufs äußerste ergeben. Mitunter redet er durchaus wie -ein moderner Naturforscher und bald darauf wie in verirrter Phantasie. -Er heilt durch gute chemische Mittel und behauptet doch, daß in den -Gestirnen das Schicksal des Menschen bestimmt sei. Wie vielen, ist -ihm der Mensch ein Mikrokosmos, der den Makrokosmos in sich trägt. -So deutet er die biblische Erzählung, daß der Mensch aus dem Staube -gemacht sei, dahin, dieser Erdenkloß sei „ein Auszug aus allen Körpern -und Geschöpfen, aus Himmel und Erde“ gewesen, eine „fünfte Essenz“, -die wir schon kennen. Das meiste ist trivial, wenn man es aus seiner -verstiegenen Sprache in einfachen Ausdruck überträgt, oder es ist -unverständlich. „Und wisse,“ heißt es einmal, „daß die Seele (bei -Paracelsus der unsterbliche Teil des Menschen) Blut und Fleisch ist -und in Blut und Fleisch sein muß, und aber, daß da zweierlei Fleisch -sind, das tödlich und das ewig.“ Das Sterbliche ist der Geist oder -die Geister im Menschen. Und Geister sieht Paracelsus überall. Höchst -sonderbar klingt es, wenn er die drei chemischen Elemente, die er mit -Früheren unterscheidet -- Quecksilber, Schwefel, Salz -- mit Geist, -Seele und Leib, nicht bloß formell zusammenstellt. Sein Gewährsmann -ist der Allerweltsgewährsmann Hermes Trismegistos. Die ganze Welt -ist ein chemischer Prozeß, in dem aus der chaotischen Verwirrung der -Verbindungen allmählich das Unreine nach einer Seite, zur ewigen Qual -in der Urmaterie, das Reine nach der anderen Seite, zur Verklärung -und Freude in Gott, ausgeschieden wird; jenes ist das Böse, dieses -das Gute. Der chemische Prozeß ist nicht bildlich gemeint, aber -selbstverständlich nicht in der Beschränkung, in der wir einen solchen -verstehen. Es ist nicht ohne Interesse, solche Lehren vorzutragen, -weil aus ihnen doch erhellt, wie sich der Mensch bemüht, den Gang der -Welt und des Lebens unter ein ihm verständliches Prinzip zu bringen; -der Chemiker und Arzt, der Paracelsus vornehmlich war, nimmt ein -chemisch-biologisches Prinzip. Der Cosentiner ~Bernard Telesius~ (1508 -bis 1588) benutzte ein anderes Prinzip, den Kampf zwischen Wärme und -Kälte (fast möchte man sagen Expansion und Kontraktion). Die Kälte ist -in der Mitte der Welt, in der Erde, die Wärme ringsum im Himmel und -in der Sonne. Gott hat sie so angeordnet, und nachdem er es getan, -bedarf es keines neuen Eingreifens. An der Grenze zwischen der Wärme -und der Kälte berühren sich beide und bringen dadurch alle Vorgänge -hervor. Das ist physikalisch gedacht, und Telesius war Physiker, -sogar mathematischer Physiker. Als solcher leugnete er auch die Leere -und neigte er gar sehr zum Materialismus. Das gehört aber nicht mehr -hierher. Ein anderer, wie der Illyrier ~Franz Patritius~ (1529-1597) -nimmt körperliches und unkörperliches Licht für Kälte und Wärme. Doch -ist ihm freilich das unkörperliche Licht, das göttliche Licht der -Gnostiker und Neuplatoniker deren Anschauungen er sich anschließt. -An die moderne ~Panspermie~ (S. 447) erinnert seine Annahme, daß die -ganze Welt von Samen des Lebens erfüllt sei, welche vom Lichte getragen -und verbreitet werden. Die Ähnlichkeit mit der modernen Panspermie -ist sogar durch den Träger viel größer als es auf den ersten Blick -scheint. Es gibt wirklich nichts Neues unter der Sonne! Selbst was ein -neuzeitlichster sonderbarer Vierdimensionenschwärmer ermittelt hat, daß -die Körper Schlacken (Faeces) sind, hat Patritius schon ausgesprochen. -Er nennt die Erde den Auswurf (faex) in dem Flusse des Weltlebens. - -Der edle Märtyrer ~Giordano Bruno~ (zu Nola um 1548 geboren und zu Rom -1600 schmachvoll verbrannt) ist hier zunächst wegen seiner Anschauung -vom Zusammenhange der Welt mit Gott zu nennen. Er schließt sich darin -Nikolaus von Cusa an, aber mit einer Neigung nach der mehr gnostischen -Seite hin. Gott ist zwar nur sich selbst erkennbar, aber er ist nicht -außer uns, und darum haben wir ein Bewußtsein von ihm. „In allen -Dingen ist das Göttliche in verborgener Weise und die Einheit des alles -umfassenden Prinzips, wenn auch in der Mannigfaltigkeit zerstreut, -vorhanden.“ Dieses Prinzip ist nach Bruno die universelle Vernunft, -„das innerste, wirklichste und eigenste Vermögen und der Teil der -Weltseele, der ihre Macht bildet. Sie ist ein Identisches, welches das -All erfüllt, das Universum erleuchtet und die Natur unterweist, ihre -Gattungen so, wie sie sein sollen, hervorzubringen.“ (Von der Ursache, -dem Prinzip und dem Einen, Übersetzung von Adolf Lasson.) Diese -universelle Vernunft wirkt also von Innen heraus. Sie ist der Grund -aller Bewegung und Entwicklung der Welt und aller Dinge. Sie ist die -Vernunft, „welche alles ~macht~“, in der Mitte zwischen der Vernunft, -welche alles ~ist~, und der Vernunft der einzelnen Dinge, welche alles -~wird~. Wir haben es aber bisher nur mit einem Teil der Weltseele zu -tun gehabt, der Macht. Der zweite Teil ist die absolute Herrschgewalt; -sie lenkt die Welt, ohne von ihr irgend beeinflußt zu werden, und -verleiht ihr Leben und Vollkommenheit, beides stufenweise aufsteigend -bis zu den vollkommensten Wesen. Die Welt wird als ein „gewaltiger -Organismus“ bezeichnet und als „ein Abbild des obersten Prinzips“. Und -es werden diejenigen getadelt, „welche nicht einsehen, noch anerkennen -wollen, daß die Welt mit ihren Gliedern belebt sei; als ob Gott -sein Abbild beneidete“. Alle Teile der Welt sind beseelt, und zwar -„ohne allen Abzug“. Indessen sind viele, eben die, die wir unbelebt -nennen, nur der Fähigkeit nach beseelt; sie enthalten wenigstens „ein -Prinzip und einen Keim des Lebens“. Das bedeutet eigentlich, daß diese -Dinge in ein entstehendes oder vorhandenes beseeltes Wesen eingehen -können, ohne darin ein Fremdes zu sein; ihre fakultative Beseelung -geht in wirkliche über, sie beleben sich. Aber doch scheint Bruno dem -unbelebten Körper eine gewisse andere Beseelung zuzuschreiben, indem -er sich auf die Wirkungen bezieht, welche sie auf uns, als beseelte -Wesen, hervorbringen, wie Affekte, Begierden, Gefühle usf. Er beruft -sich sogar darauf -- und das ist für den so klaren Bruno etwas seltsam ---, daß „die Nekromanten viele Dinge durch Totengebeine zu bewirken -hoffen, und daß sie glauben, dieselben behielten, wenn auch nicht -dieselbe, doch eine Art von Lebensfunktion, welche ihnen zu jenen -außerordentlichen Wirkungen verhelfen können“. Lasson hat dazu eine -sehr lesenswerte Bemerkung geschrieben. Bruno zahlt seiner Zeit den -Zoll. So verwirft er auch nicht Krankenbehandlung durch Anhängen von -Steinen und Murmeln von Beschwörungsformeln, durch Magie oder durch -Fünftelessenzen neben der Behandlung durch die Apothekerheilmittel, -aus dem Vernunftsatz, daß es besser ist, auf irgendeine Weise geheilt -zu werden als gar nicht. Die Hauptsache ist, man weiß jetzt, was -Bruno unter der Allbeseelung meint: gewisse Funktionen, die auch -dann noch bestehen, wenn ein Wesen tot ist, und die überhaupt aller -Materie angehören, höhere Funktionen bei Pflanzen, noch höhere bei -Tieren, Menschen usf. Die Beseelung ist der Welt „immanent“. Außer -der Weltseele besteht eine Materie, ein Substrat, die von uns so -wenig definiert werden kann wie die Weltseele. Die Verbindung mit der -letzteren gibt die Dinge. Die substanzielle Form der Dinge ist die -Seele. Materie wie jede Seele „können nicht zerstört und vernichtet -werden, so daß sie das Sein durchaus und in jedem Sinne verlören“. - -So ist die Welt ein dreifaches Unvergängliches: Universelle Vernunft -oder allgemeine Weltseele, Macht der universellen Vernunft oder -eigentliche Weltseele, Materie oder Substrat. Bei Gott nun ist Vermögen -und Wirklichkeit das gleiche, er ist „Urvermögen“ und „Urwirklichkeit“. -Die Welt aber, deren jeder einzelne Teil ja etwas anderes sein könnte, -wie ein Stein auch Holz, ein Mensch dieser oder ein anderer, verbindet -Vermögen und Wirklichkeit nicht; ersteres ist bei weitem umfassender. -So ist alles expliziert, zerstreut, unterschieden. Darum wird die Welt -als Schatten, auch Ebenbild, des Urvermögens und der Urwirklichkeit -bezeichnet. Aber dieses Ebenbild „ist in ~spezifischer~ Wirklichkeit -alles das, was es seinem ~spezifischen Vermögen~ nach ist“. „Deshalb“, -wird dann noch gesagt, „wird es nicht schwierig und nicht bedenklich -sein, schließlich anzunehmen, daß ~das Ganze der Substanz nach eines -ist~.“ Beim Herabsteigen auf der Stufenleiter der Natur gibt es zwar -eine doppelte Substanz, eine geistige und eine körperliche; aber -schließlich gehen beide „auf ein Wesen und eine Wurzel zurück“. Dieses -wird in der mannigfachsten Weise variiert, so indem in der Materie -eine körperliche und eine unkörperliche unterschieden wird, die beide -aber doch nur Materie sind. Die Materie, in diesem Sinne aufgefaßt, -entfaltet alles, was sie unentfaltet enthält, „darum muß man sie -ein Göttliches, die gütigste Ahnfrau, die Gebärerin und Mutter der -natürlichen Dinge, ja der Substanz nach die ganze Natur selber nennen“. -Sie ist das Universum und ein „Einiges, Unendliches, Unbewegliches“. -Diese Eigenschaften des Universums werden nach allen Richtungen -ausgeführt, indem immer das Gegensätzliche als mit dem Universum gleich -vereinbar dargelegt wird (S. 311). Da es alles vereinigt, kann es nicht -ein Einzelnes sein. Also hat es keine Gestalt, keine Bewegung, nicht -Größe noch Kleinheit, nicht Zeit noch Ewigkeit, nicht Zentrum noch -Umgebung. Es ist unveränderlich; die einzelnen Dinge ändern nur die Art -des Seins, nicht das Sein selbst, und das Universum umfaßt ~alle~ Arten -des Seins. So ist das Universum in allem. Von diesem Standpunkt aus -ist auch das Sterben nur ein Wechsel der Art des Seins oder des Ortes -im Universum. Und so gibt es auch nichts Neues im Universum; was ist, -war schon, und was kommt, war schon; ein Gedanke, der sich auch bei dem -Cusaner findet, und der im „Prediger“ so oft ausgeführt wird. „Da seht -ihr also wie alle Dinge im Universum sind und das Universum in allen -Dingen, wir in ihm, es in uns, und so alles in eine vollkommene Einheit -einmündet.“ Und diese Einheit ist stetig und dauert immer, dieses Eine -ist ewig. Jedes Ding im Universum, weil es das, was alles in allem ist, -in sich hat, umfaßt in seiner Art die ganze Weltseele. Diese Weltseele -ist also in jedem Teile des Universums ganz. Auch sind die Welten -nicht etwa wie in einer Ausdehnung oder einem Orte, sondern „wie in -einer umfassenden, erhellenden, bewegenden wirkenden Kraft, welche von -jeder dieser Welten ebenso umfaßt wird wie die ganze Seele von jedem -Teile derselben“. Wichtig ist auch die Bemerkung, „daß es eine und -dieselbe Stufenleiter ist, auf welcher die Natur zur Hervorbringung -der Dinge herabsteigt, und auf welcher die Vernunft zur Erkenntnis -derselben emporsteigt, indem sie durch die Vielheit der Mittelglieder -sich bewegen“. Fast darwinistisch aber klingt es, „daß die Vernunft die -Vielheit und Verschiedenheit der Arten auf eine und dieselbe Wurzel -zurückführt“. Und so faßt die Urintelligenz alles aufs vollkommenste -in ~einer~ Anschauung. Und diesem hat der Mensch nachzustreben, um zum -„Unterschiedslosen“ zu gelangen. - -Es ist schwer zu sagen, in welche Kategorie wir des großen Nolaners -Lehre einzutragen haben; sie ist ebensowohl theosophisch als -emanistisch, als panpsychistisch, als physisch (Bruno war Anhänger -des Kopernikanischen Systems), je nach der Deutung, die man seinen -Bezeichnungen gibt. In anderen Schriften tritt das Theosophische mehr -hervor als in der hier besonders benutzten Hauptschrift. Also darf man -vielleicht glauben, daß das ganze System eine Erhebung des Physischen -aus seiner Natur in das Göttliche ist oder eine Durchstrahlung des -Physischen durch das Göttliche; beides eine Art Pandeismus. Und so -zeigt sich auch der Begriff Gottes von dem des Universums nicht -getrennt; Gott ist naturierende Natur, Weltseele, Weltkraft. Da Bruno -durchaus ablehnt, gegen die Religion zu lehren, so hat man solche -Angaben wohl umgekehrt zu verstehen: Weltkraft, Weltseele, naturierende -Natur, Universum sind in Gott. ~Gott ist Kraft der Weltkraft, Seele -der Weltseele, Natur der Natur, Eins des Universums.~ Bruno spricht ja -auch von mehreren Teilen der universellen Vernunft, des Urvermögens -und der Urwirklichkeit. Und damit hängt zusammen, daß für ihn die Welt -unendlich ist und ohne Anfang und Ende; sie ist in demselben Sinne -allumfassend wie Gott. Aber nicht ganz wie Gott. Gott sei in allem und -im einzelnen allumfassend, die Welt jedoch wohl in allem, aber nicht -im einzelnen, da sie ja Teile in sich zuläßt. „Ich sage,“ heißt es in -einer Schrift über das Unendliche, „das ganze Universum ist unendlich, -denn es hat weder Rand noch Grenze noch Oberfläche; doch sage ich, daß -das Universum nicht ganz und gar (totalmente) unendlich ist, daß, was -wir davon auch nehmen mögen, endlich ist.“ Und an dieser Endlichkeit -liegt die Verschiedenheit der Dinge und ihr Gegensatz zueinander. Für -die Übel, Tod und Böses, hat Bruno keine andere Erklärung als Mangel -und Unvermögen. „Sie finden sich in den explizierten Dingen, weil diese -nicht alles sind, was sie sein können, und durch äußeren Zwang werden, -was sie sein können. Da sie daher nicht zugleich und auf einmal so -vieles sein können, so geben sie das eine Sein auf, um das andere zu -erlangen.“ Das ist im Grunde nur eine Darlegung des Tatsächlichen. - -Bei Giordano Brunos universalistischem Gesinnungsgenossen, dem -Kalabrier ~Thomas Campanella~ (1568 bis 1639, Dominikaner wie jener; -wenn auch nicht verbrannt, aber in allen Kerkern Spaniens heimisch, und -alle Torturen fast gewohnt), tritt das Theosophische etwas stärker in -den Vordergrund. Die Welt ist eine Mischung aus Sein und Nichts. Dem -Sein, Gott, wohnen drei ~Primalitäten~ inne: Allmacht, Allweisheit und -Allwille; dem Nichtsein Unmacht, Unbewußtheit, Bosheit. Die göttlichen -Primalitäten äußern sich in der Welt als Notwendigkeit, Vorsehung, -Harmonie. Wie die Mischung zustande kommt, ist ein transzendentes -Geheimnis. Gott ist das schlechthin Seiende, ein Überseiendes, eine -Übersubstanz. Er hat von seinem Sein und von seinen Primalitäten (als -Liebe, Erkennen, Wollen) den Geschöpfen mitgeteilt, wie eine Emanation. -Und so sind alle Geschöpfe ihrer Wahrheit nach in Gott, nur daß ihnen -das Nichtsein als ein Mangel anhaftet, davon Gott selbstverständlich -frei ist. Und es gibt Welten, die sich zu immer höheren Stufen erheben, -wie Emanationen, und von denen jede die niederen einschließt und -von den höheren eingeschlossen wird, bis zu Gott, der alles umfaßt. -Selbst die Engel stehen noch viel näher dem Nichts als Gott. Das -Unterscheidende der Welt als Welt, da es durch das Nichts gegeben ist, -bildet also das Übel und das Böse, sonst wären die Geschöpfe Gott, -und alles bestände unterschiedslos. Der Mensch ist frei zum Guten -wie zum Bösen. Da jede Primalität von der höheren eingeschlossen ist, -geht das Tun vom Willen aus, muß gelenkt werden durch das Erkennen und -seine Richtung nehmen zur Liebe. Alles dieses fließt aus der Natur -der Geschöpfe. Wie in diesen Rahmen die Materie, die als gänzlich -eigenschaftslos angesehen wird, paßt, kann ich nicht sagen. Es hat -aber Gott zuerst den Raum geschaffen, der als die Substanz der Materie -anzusehen sei, dazu die Materie als solche, als begrenzte Einheit und -Grundlage für alle Verschiedenheiten. Zuletzt zwei Kräfte, die, wie bei -Telesius, als Wärme und Kälte angenommen werden, die beide die ganze -Materie angreifen und so in Streit geraten. Durch sie aber entstehen -im einzelnen lebendige Wesen, im ganzen die Ordnung und Harmonie der -Welt unter Leitung Gottes oder der Engel. Dabei müssen den Wesen die -Primalitäten mitgeteilt werden, direkt oder indirekt. Das Ganze ist -hier so wenig wie bei Telesius zu durchschauen. Überhaupt sind alle -allgemeinen Angaben noch verständlich, während die Ausführungen im -einzelnen für uns wenig mehr als unverständlich verlaufen. Das liegt in -dem Mangel an Kenntnissen. Und solche und ähnliche Ausführungen fußen -auch meist auf den Annahmen der ionischen Naturphilosophen, die, weil -sehr lückenhaft überliefert, nicht anders als unklar wiedergegeben -werden konnten. - -Wir kehren zu unseren deutschen Theosophen zurück. ~Nikolaus Taurellus~ -und ~Valentin Weigel~ übergehen wir, um uns sofort zu unserem größten -Mystiker ~Jakob Böhme~ zu wenden. Dieser ebenso sonderbare wie höchst -bedeutende und liebenswerte Mann ist 1575 zu Altseidenberg bei Görlitz -geboren, hütete erst das Vieh und ward dann ehrsamer Schuster. Als -solcher lebte er bis 1624, seinem Todesjahre, in Görlitz. Schreiben -und Lesen verstand er nur notdürftig. Er wurde von wunderbaren -Gesichten und Verzückungen heimgesucht, war also vielleicht ein -armer kranker Mensch. Sie gaben ihm aber Anlaß, 1612 seine erste -Schrift „Morgenröte im Aufgang“ (Aurora) zu verfassen. Die Theologen, -überall unduldsam, eiferten gegen ihn, und so wurde ihm vom Magistrat -das Schreiben untersagt. Nach sieben Jahren, da sein Anhang wuchs -und sein Leben sich als ein frommes und unsträfliches erwies, ließ -man es zu, daß er weiterschrieb. Der einfache Mann muß viel gehört -und gelesen haben; er stand auch mit vielen in Verbindung. Wie der -frühere Schuster Hans Sachs ist er ein gewaltiger Poet, aber in seiner -innig-tiefen Weise, indem er sich eine außerordentliche Welt erdichtet -und in außerordentlicher Bildersprache redet. Dabei ist er von allen -Theosophen der konsequenteste, vielleicht der einzig konsequente. - -Mittel zur Erkenntnis ist ihm fast allein das Schauen. Gleich wie -das Auge des Menschen in die Gestirne sieht, so auch die Seele in -das göttliche Wesen, darinnen sie lebt. Und aus diesem Schauen hat -seine „Feder geschrieben“. Und da er eine tiefsittliche Natur ist, -gewinnt alles bei ihm sittliche oder gegensittliche Bedeutung. So ist -Licht: Freundlichkeit und Liebe, Wärme: Grimm, ist Haß: Finsternis -und -- Paracelsistisch -- Begierde: Salz, Angst: Schwefel. Die -Naturerscheinungen sind Gutes und Böses, und Gutes und Böses sind -Naturerscheinungen. Geist und Körper gehen durcheinander. Und Gott -selbst wird körperlich aufgefaßt, nur von ganz außerordentlicher -Feinheit. „Die harte Qualität, die zeucht das ganze körperliche Wesen -der Gottheit zusammen und hält es und vertrocknet es, daß es bestehe.“ -Das Auffallende einer solchen Behauptung schwindet, wenn man bedenkt, -daß ja auch der philosophisch und dialektisch so hochgeschulte Giordano -Bruno Materie und Seele schließlich in Eins, die allgemeine Substanz, -auslaufen läßt. Jakob Böhme hat dieses nur sinnlicher ausgedrückt. Und -so sieht er in der Tat in Gottes Wesen das Nichts; das Unkörperliche -und Eigenschaftslose, würden wir sagen. Aus diesem seinem Nichts -schafft Gott die Welt, absteigend sie immer derber verhärtend, indem er -sich zusammenzieht. In Gott ist zunächst die abgeschlossene Selbstheit, -die absolute Einheit. Außerdem aber der Drang nach Selbstoffenbarung in -der Vielheit. Gott bildet hiernach eine ~Polarität~, eine ~Entzweiung~ -mit sich selbst. Und so ist Gott auch Gutes und Böses. „~Denn der -heiligen Welt Gott und der finsteren Welt Gott sind nicht zween Götter; -es ist ein einziger Gott; er ist selber alles Wesen; er ist Böses und -Gutes, Himmel und Hölle, Licht und Finsternis, Ewigkeit und Zeit, -Anfang und Ende; wo seine Liebe in einem Wesen verborgen ist, als da -ist sein Zorn offenbar.~“ So zu lesen im Mysterium magnum. Und man kann -sich nicht deutlicher ausdrücken. Gerade aus dieser Polarität heraus, -die ja einfach der Welt entnommen ist, erwächst die Welt durch Gott und -in Gott, mit dem ethischen Endziele -- man denke an einen ähnlichen -Gedanken der Eranier (S. 202) --, daß im Bereich der Menschheit der -Kampf zwischen Gut und Böse, Liebe und Haß, Güte und Zorn usf. zum -Vorteil der ersten Pole entschieden wird. Jakob Böhme einfach den -Gnostikern und Theosophen üblicher Art zuzurechnen, geht also nicht -wohl an, obwohl er Ausdrücke der Gnostiker tatsächlich braucht. An ihm -imponiert die vor nichts zurückschreckende Folgerichtigkeit seines -Systems, die in Lehren, welche nur das Licht an der höchsten Stelle -kennen und die absolute Einheit, nicht vorhanden sein kann; die auch -mangeln muß, wo von der schwächlichen Unvollkommenheit der doch so -derbe Teufel in der Welt sich herschreiben soll. Als Feuer wird dieses -Böse bezeichnet, verzehrend und peinigend, wenn es sich im Menschen -geltend macht. Auch ist der Teufel „in Kraft des Zornes Gottes“. Diese -Eigenschaft wird in zwei Eigenschaften zerlegt, in Trieb, Begierde und -in Aufnahme böser Befriedigung. - -Wir haben bis jetzt zwei Eigenheiten Gottes kennen gelernt, -„Quellgeister“, wie Jakob Böhme sie außerordentlich schön und -bezeichnend nennt. Ein dritter Quellgeist ist das In- und -Gegeneinanderwirken der beiden ersten Geister, wodurch alles aus der -Selbstheit drängt und in die Selbstheit zurückfließt, ein ewiger -Prozeß im Kreise. Hiernach scheint die Welt ständig auszuströmen und -zurückzuströmen, also immer zu werden und zu vergehen, wie bei den -Systemen, die in Gott nur das „Jetzt“ anerkennen, nicht Vergangenheit -noch Zukunft (S. 287, 303). In diesen drei Quellgeistern sieht Jakob -Böhme furchtbarste Zerrissenheit, Unruhe und Pein, als kosmogonische -Begriffe. Der vierte Quellgeist, der Feuerblitz, soll die Enge in der -Welt zersprengen, aus dem Bösen in das Gute, aus dem Übel in das Heil -führen. Er ist also eine Art Erleuchtung durch Gottes lichte Gnade. -Als fünfter Quellgeist steht das himmlische Liebesfeuer, „der wahre, -der heilige Geist, der alles in Liebe eint“. Heinrich Schmitt (S. -267) vergleicht ihn mit der himmlischen Weisheit der Gnostiker. Den -sechsten Quellgeist bezeichnet Jakob Böhme als Hall oder Schall. Er -ist wohl das Wort, der Logos, bedeutet jedoch auch die Harmonie der -Geister, „gleich einer himmlischen Musik von vieltausend Instrumenten, -gegen deren göttlichen Schall, der von Ewigkeit zu Ewigkeit aufgeht, -die künstlichste irdische Musik nur wie ein Hundegebell erscheint.“ -„Hier herzet der Bräutigam die Braut und entstehet das wahre Leben -aller Kreatur, in jedem Ding nach seiner Eigenschaft.“ Also ist es -wohl auch die allgemeine Vernunft, die alles in sich in Einklang -ordnet. Endlich der siebente Quellgeist führt aus dem Himmlischen -ins Irdische, als irdische Vernunft und irdisches Leben und alles -Heilige in sich fassend. Aber im Leben sind alle Quellgeister, bis -auf die Feuer-Quellgeister, geschwächt und verdunkelt, und nur in -innerlichster Anschauung hinreichend erkennbar. Dem Menschen sollen -fünf von ihnen als Kampfmittel gegen die Feuer-Quellgeister dienen, -die in ihm das Böse bedingen. „So sich ein Feuer in einem Quellgeiste -erhebet, so ist’s der Seele nicht verborgen; sie mag alsbald die -anderen Quellgeister aufwecken, die dem angezündeten Feuer zuwider -sind, und mag löschen. Will aber das Feuer zu groß werden, so hat -sie (die Seele) ihr Gefängnis, da mag sie den angezündeten Geist -einschließen, als nämlich die herbe, harte Qualität (Entbehrung -und Kasteiung, Selbstzucht), und die anderen Geister müssen ihre -Stockmeister sein, bis ihm der Zorn vergehet und das Feuer verlischt.“ -Mitunter freilich scheint es, als wenn das „Feuer“ ein besonderes -ist, nicht ein Quellgeist. Über das Schauen der Quellgeister heißt -es: „Du sollt aber nicht denken, daß das himmlische Licht in dieser -Welt in den Quellgeistern gar erloschen sei; nein, es ist nur eine -Dunkelheit, welches wir mit unsern verderbten Augen nicht ergreifen -können. So aber Gott die Dunkelheit wegtäte, die über dem Lichte -schwebet, und würden dir deine Augen eröffnet, so sähest du auch -hier an der Stelle, wo du in deinem Gemache stehest, sitzest oder -liegest, das schöne Angesicht Gottes (ein kabbalistischer Ausdruck, -oder aus der Daniel-Apokalypse) und die ganze himmlische Pforten. Du -darfst deine Augen nicht erst in den Himmel schwingen; denn es stehet -geschrieben: das Wort ist dir nahe, nämlich auf deinen Lippen und an -deinem Herzen.“ Eine schöne und höchst charakteristische Stelle für die -reine Innerlichkeit der Anschauung! Der Mensch wird dreifach geboren; -in der ersten Geburt (der siderischen) voll der Herrlichkeiten der -guten Quellgeister, in der zweiten (animalischen) gleich einem Tiere; -in der dritten, am Ende der Tage, zu Himmelreich oder Hölle. Die -Engel haben nur das Gute, die Teufel nur das Böse. Aber beide nicht -ausschließlich, da sie von Gott kommen und „Gott wider Gott steht“. -Eine Art doppelte Prädestination ist nicht zu verkennen, doch liegt -es in dem umfassenden Quellgeist, daß die Seele das Gute gegen das -Böse in Kampf rufen kann. Der Weltentstehung geht der Abfall der Engel -vor. „Das Wesen der verstoßenen Geister entzündet und verdichtet sich, -um die neue Welt zu gebären.“ Der Mensch tritt an Stelle Luzifers. -Adams Fall beginnt mit seinem ersten Schlaf im Paradiese, was für Eva -nicht sehr schmeichelhaft wäre, wenn Böhme nicht meinte, daß schon das -Sichüberlassen der Untätigkeit ein Zeichen der Fleischlichkeit sei. -Denn das Leben denkt er sich durchaus energisch geführt, als einen -Kampf des Guten in uns mit dem Bösen in uns, zum Siege des Guten. - -Unter den mehreren Anschauungen ~Schellings~, denen wir später noch -begegnen werden, finden sich auch solche, die ganz auf dem Boden -der Anschauungen Jakob Böhmes erwachsen sind. Gott ist die absolute -„Indifferenz“, der „Ungrund“, ohne jedes Prädikat. Aber Gott ist -gleichwohl potentiell eine Dualität, weil nämlich Gott auch den -Grund seines Seins in sich haben muß. Dieser Grund ist in ihm als -gesonderte Existenz. Und als Grund des Seins ist er zugleich ein -Begehren nach Sein. Da er aber Gott selbst angehört, so schaut Gott -hieraus sein Ebenbild, den Logos, eine Vereinigung von Vernunft und -Seins-Begehren, die sich als Schaffens-Wille äußert und nun die Welt -schafft und ordnet. Man sieht, wie Schelling die „Selbstentzweiung -Gottes“ auffaßt. Die Vernunft geht nach oben, dem Vollkommenen, das -Begehren nach unten, dem Niederen. Das Weitere, das Böhme ethisch -entwickelt, behandelt Schelling mehr historisch, unter Benutzung seiner -naturwissenschaftlichen und Geschichtskenntnisse. Erst überwiegt das -Begehren, und es werden rohe Produkte geschaffen und erhalten, wie die -ausgestorbene Vorwelt sie zeigt. Allmählich kommt die Vernunft mehr -und mehr zur Geltung, es entstehen die höheren Wesen; der Mensch tritt -auf, erst roh, barbarisch, dann edler. Vernunft und Begehren stehen -immer in Kampf; das Fortschreiten der Vernunft ist kein stetiges, -aber ihre Wirkung geht, mit Schwankungen, doch aufwärts. Das Endziel -ist die Oberherrschaft der Vernunft, das Schwinden des Begehrens, die -Vereinigung der Welt mit dem Göttlichen zu einer Identität. - -Auch ~Krause~ (1781-1832) scheint sich dem Hauptprinzip Böhmes -angeschlossen zu haben, indem er das Dasein der Welt aus einer „inneren -Entgegensetzung der Wesenheit in Gott“ ableitet. Und obgleich er -Pantheist ist, überträgt er doch alles in Gott, so daß seine Lehre eine -All-in-Gott-Lehre sein soll, und verleiht Gott Eigenschaften, die nicht -weit ab von den Quellgeistern Böhmes liegen. Manches aber freilich paßt -sich den Anschauungen der Zeit an, und einzelnes, wie es scheint, dem -Spinozaschen Pantheismus. Überhaupt werden wir sehen, daß Jakob Böhmes -Entzweiung Gottes mit sich sehr oft benutzt wird, noch bis in die -neueste Zeit hinein und in Systemen, die vom Böhmeschen weit abzuliegen -scheinen, wie zum Beispiel in dem dialektischen System Hegels. - -Wir gehen in der Zeit stark zurück und führen von anderen Theosophen -noch besonders an den Brüsseler Arzt ~Johann Baptist van Helmont~ -(1577-1644), der in Visionen und Träumen die Wahrheit suchte und -Logik und Vernunftwissenschaft, wie alle Intuitiven, verachtete, und -der dabei doch zugleich ein nicht unbedeutender Naturforscher war, -indem er das Reich Gottes von dem Reich der Natur scharf trennte. -Er sah aber überall Leben und glaubte, daß jede natürliche Kraft -als ~Archeus~ sich selbst ihren Körper bilde. „Aber in der Tat sind -so viele Arten (species) lebender (von Gott in die Natur gelegter) -Lichter, als Arten lebender Kreaturen. Und so ist in diesen Lichtern -selbst alle und jede Unterscheidung der Arten.“ Die Materie ist das -zweite Prinzip der Natur. In jedem Dinge ist ein Samen, daraus es -sich entwickelt. Die Entwicklung wird aber durch eine innere Anlage, -ein „Ferment“, eingeleitet und weitergeleitet. Eigenartig ist seine -Annahme einer Wirkung in die Ferne, einer Art Strahlung -- er hat dafür -das wunderliche Wort ~Blas~ geprägt -- die von den Gestirnen nicht -minder wie von den Wesen ausgeht und nach Außen und Innen wirken soll, -was ja mit astrologischen und mit modernen Ideen übereinkommt. Außer -Archeus und Blas wird noch, als an einem Punkt im Körper konzentriert, -die Seele angenommen. Diese sitzt im Magenmund, der Archeus in der -Milz. Gehirn und Nerven sind Werkzeuge der Seele, der Archeus ist ihr -ausführendes Organ, für das körperliche Leben. Dazu kommt der Geist -als das Gotteslicht. Es sind etwas viel Distinktionen: Archeus, Seele, -Geist, Samen, Ferment, und man weiß zuletzt doch nicht recht, wie -all diese Dinge miteinander zusammenhängen. Namentlich konkurrieren -Archeus und Ferment, Seele und Geist. Zu Jakob Böhme bildet van Helmont -insofern einen Gegensatz, als er den energischen Kampf in der Natur, -den jener so dichterisch und geistvoll vertritt, ablehnt. Die Natur -ist ihm vielmehr ein geordnetes Ganzes mit selbständigen einzelnen -Wesen. Den Engländer ~Fludd~ (1574-1637), einen ganz gehörigen -Mystiker, erwähne ich, nicht weil er Wärme und Kälte als weltbildende -Prinzipe benutzt, wie schon viele vor ihm getan, sondern weil er sich -auf Versuche mit einem Thermometer beruft, dessen Beschreibung er in -einem wenigstens 500 Jahre alten Manuskript gefunden haben will. Die -Ergebnisse der Versuche sind zutreffend. ~Blaise Pascal~ (1623-1662) -hat mit Jakob Böhme einige Ähnlichkeit, er zeigt sich als tiefsinniger, -religiöser Mystiker und zugleich doch als Skeptiker. ~Montaigne~ -(1533-1592) ist als Mystiker nur zu erwähnen, mehr noch ist er -Skeptiker. Aber ~Swedenborg~ (1689-1772) ist ganz und gar Mystiker. - -Die Theosophie zieht sich wie ein roter Faden noch lange durch alle -Systeme, wie wir sehen werden. In unserer Zeit konnte sie sogar -einen sehr bedeutenden Aufschwung erfahren, mit allem Zubehör von -Mystizismus und Okkultismus. Dem veränderten Verhalten der Menschen den -besonderen Religionen gegenüber entspricht es, daß sie sich wesentlich -der ~indischen~ Auffassung angeschlossen hat. Ein anscheinend für -die betreffenden Kreise bestimmtes grundlegendes Werk hierüber, „The -Key to Theosophy“, von der klugen Helene Petrowna Blavatsky (Carl -Bleibtreu hat über sie ein Buch veröffentlicht, das leider durch -unnötige Ausfälle gegen Andere und durch Übertreibungen entstellt -ist), arbeitet ganz im Fahrwasser der schon mitgeteilten Lehren des -Wundervolkes der Indier. Ebenso im Grunde das Werk von Franz Hartmann -„Mysterien, Symbole und magisch wirkende Kräfte“. Die Hauptgedanken -erhellen bereits aus den Seite 223 mitgeteilten Ansichten über die -Seele, und auch das Prinzip, daß alles, ausnahmslos, Eines ist, der -Theos, das Brahma usf., ist uns schon bekannt. Ebenso die Lehre von -der Reinkarnation und das ~Karma-Gesetz~, daß jeder erntet, was er -gesäet hat. Ferner, daß die Erkennung des „Ich-selbst“ die Erkennung -von allem bedingt, auch die des Dinges hinter den Erscheinungen, des -Transzendentalen im Sinne Kants (S. 350). „Das Selbst des Universums -und das Selbst jeden Wesens im Universum ist ein und dasselbe Selbst“, -lautet der Hauptsatz dieser Theosophie. Und dieses Selbst ist eben -der Theos. Wir selbst sind es. Alles dieses entspricht durchaus dem, -was wir von indischer Theosophie wissen. Die Durchführung dieser -Hauptgedanken darzulegen muß ich mir versagen, ebenso muß ich die -Schilderung der sieben Reiche (im Anschluß an die sieben Seelen, S. -223) und die Erklärung der Symbole und Mysterien übergehen, zumal mir -sehr vieles allzudunkel geblieben ist. Nur weniges ist gnostischen -Anschauungen entnommen und noch weniger kirchlich-christlichen. Und es -läßt sich ja nicht bestreiten, daß, so poetisch schön die letzteren, -und namentlich die gnostischen, Anschauungen sind, sie philosophisch -den tiefdurchdachten und bis ins äußerste scharf getriebenen Lehren -der indischen Schulen zurückstehen. Und nach dem wirklich großen Jakob -Böhme ist ja auch kein christlicher Theosoph erschienen, der ein -befriedigendes System hätte aufstellen können. In Böhme aber haben -wir mehr den sittlich hohen und phantasiebegabten Mann zu verehren -als den unumwundenen Dialektiker. Er war rücksichtslos in seiner -Entzweiung Gottes mit sich selbst, sein frommer Sinn aber führte ihn -auf geschlungenen Pfaden immer wieder zurück zu dem einzig gnädigen -und gütigen Gott, wie ihn die Fülle der Menschheit ja allein als -Gott des Trostes und der Verheißung brauchen kann, wie ihn aber der -spekulative Menschenteil nicht ohne inneren Widerspruch, angesichts des -so unglaublich verbreiteten und fast unser ganzes Leben durchquälenden -Schlimmen und Üblen, auf sich wirken lassen kann. Wo die Persönlichkeit -verloren geht, schwindet die Poesie, und man mag uns Gott noch so -erhaben schildern, noch so gewaltig und unendlich, er wird uns immer -fremder und kälter und unverständlicher. Der strafende und der liebende -Vater geht verloren. Es kommt ein geheimnisvolles Etwas hinter grauen -Schleiern. Das Leben wird verschwommen, wie die Anschauung zerfließt. -Es ist überall ein Verstecktes da, nirgend doch ein Greifbares, und -die Gesellschaft muß sich schließlich mit einem feinen Schatten -begnügen und einem ethischen Kodex, mit einem ewigen marklosen Leben, -wenn nicht einem absoluten Tod. Diese Reaktion ist gegenüber den -unsäglichen Albernheiten, die so viele mit der persönlichen Religion -treiben, gegenüber den selbstsüchtigen Pachtungen des lieben Gottes, -dessen sich so viele erdreisten, gewiß durchaus gerechtfertigt. Eine -solche Reaktion hat die Philosophie von je gegen die Theologie geübt, -daher die eigentlich so unwahre ~doppelte Wahrheit~. Gegenwärtig -aber, wo ein dritter gewaltiger Kämpe auf den Plan getreten ist, -die kalte, beweiskräftige Naturwissenschaft, die allen Glauben -überhaupt hinwegzuschwemmen droht, ist es nur wohl zu verstehen, wenn -manche, abhold dem Zerstörlichen, sich in ein Reich flüchten, das der -Naturwissenschaft nicht angreifbar zu sein, den Gedanken keinen Zwang -zu tun und für Phantasie und Gefühl Befriedigung zu bieten scheint. -Kommt noch dazu, daß das Geheimnis vor der Grenze dieses Reiches -wandelt und jedem Nahenden mit dunklen Reden Wunderbares zu schauen -verheißt. Indessen scheint der anglo-amerikanische Stamm besonders -geneigt, sich dort einzubürgern; in Deutschland sind wir noch sehr -mißtrauisch den Verheißungen gegenüber. Die Menschheit verhält sich -gegenwärtig fast synkretistisch in bezug auf die Religion. Und wenn -gar einer Hochreligion, dem Christentum, das Wichtigste, Christi -Leben und Leiden auf Erden für die Menschheit, also sein persönliches -Erlöserwerk, fast mit Übereifer abgestritten wird, was bleibt vielen da -übrig, als zum Unerforschlichen in seiner Unnahbarkeit zurückzukehren -und, wie Jakob, mit der geheimnisvollen Erscheinung zu ringen, um -ihren Namen zu erfahren! Oder, unbekümmert um eine Gottheit, ein -irdisches Leben in ethischen Regeln als den alleinigen Zweck des -Menschen zu betrachten, wenn man dieses Leben nicht überhaupt als ein -Übel unter gleicher Voraussetzung zu überwinden hat! Wunderbar ist, -wie dabei die größten Gegensätze nebeneinander bestehen. Der mitunter -fast halluzinierende Theosoph und Spiritist hat den kühl abwägenden -und alles Supernaturalistische abweisenden Ethiker, Optimisten oder -Pessimisten zum Nachbarn. Wie sich allmählich aber eine Anschauung -mehr und mehr zur Herrschaft emporringt, die den Theismus (auch als -Deismus) mit dem sogenannten Atheismus versöhnt und verbindet, der -spinozistische Pantheismus, der mit der Theosophie die Idee eines -alles umfassenden, alles begreifenden Etwas, mit dem Atheismus die der -Selbständigkeit der Welt, ihr Freisein von einem persönlichen außer und -über ihr stehenden Herrscher, ihr Wurzeln auf sich selbst gemein hat, -werden wir später sehen. Einstweilen können wir vom Deismus noch nicht -scheiden. - - -39. Deistischer Rationalismus. - -Die weitere Entwicklung der Philosophie und Wissenschaft war jedoch -zunächst der intuitiv-religiösen Auffassung der Welt und des Lebens an -sich nicht günstig und mußte zu kühlerer Betrachtung der Dinge führen -und so an Stelle der Intuition den vernunftgemäßen ~Rationalismus~, -die festen Regeln der Vernunft, setzen. Rationalistisch ist schon die -Sokratische Ethik, ebenso zu einem sehr großen Teil die Aristotelische -Philosophie und vieles andere von dem, was ich schon vorgetragen habe -(„Nichts Größeres als Vernunft, denn sie ist die Seele der Seele“, soll -Scaligers Wahlspruch gewesen sein). Der moderne Rationalismus beginnt -mit dem Urheber der modernen Philosophie, ~René Descartes~, ~Renatus -Cartesius~ (1596 zu La Haye bei Tours geboren, 1650 zu Stockholm -gestorben). Er muß aber bei diesem noch durchaus als mit Deismus -gemischt bezeichnet werden, weil Gott ganz und gar noch in der Mitte -der Anschauung steht. Sein Rationalismus beruht auf Gottbeweisen. -„Der formale Grund,“ sagt Descartes, „woraus wir den Glaubenssachen -zustimmen, besteht in einem gewissen inneren Licht, mit dem, von -Gott erleuchtet, wir vertrauen, daß was uns zu glauben gelehrt wird, -von ihm enthüllt ist, und daß er nicht lügen kann, da jenes Licht -sicherer ist als das ganze Licht der Natur.“ Das ist zunächst noch -durchaus theosophisch gesprochen. Und Descartes ist gläubiger, sogar -wundergläubiger Katholik. Gleichwohl ist er Rationalist, er will -überall mit Vernunftgründen beweisen. Mit dem „Licht der Natur“ will -er wissenschaftlich in alles Natürliche hineinleuchten und nur beim -Allerletzten dem übernatürlichen Licht, der inneren Offenbarung, -Intuition, sein Vertrauen schenken. Dieses lehrt ihn aber, daß Gott in -jedem Augenblicke Grund der Welt ist, daß diese ins Nichts versinkt, -sobald er sie verläßt. Und so ist auch das natürliche Licht von Gott -in der Natur entzündet, denn Gott kann nur wahr sein, selbst in seinen -Werken. Diese Wahrheit ist an sich eine relative, sofern Gott die Welt -auch ganz anders hätte schaffen und einrichten können, als geschehen -ist; für uns jedoch bedeutet sie eine absolute nach unserer Art. -Unter solchen Umständen nimmt es sich sonderbar aus, daß Descartes -gleichwohl, mit anderen vor ihm, sich noch nach ~Beweisen~ für das -Dasein Gottes umschaut. Diese sind eben ein Teil seines Rationalismus. -Er geht von dem berühmten Satz aus: „Je pense, donc je suis“; cogito, -ergo sum; Ich denke, also bin ich; einem Satze, der sich lange vor ihm -schon ausgesprochen findet. Das ist also eine Gewißheit: „Ich bin“. -Aus dieser Gewißheit schöpft er die weitere: Was ich für sicher weiß, -oder einfacher, was in mir keinen Widersprüchen begegnet, ist auch -wahr. Und wie so viele vor ihm und nach ihm vertauscht er das Wahre -mit der Existenz. Wir haben in uns eine Idee von einem unendlichen, -absolut vollkommenen und absolut realen Wesen. Nun sind wir selbst -endlich, unvollkommen und zeitlich beschränkt. Und alles um uns ist -es gleichfalls. Also können wir jene Idee weder aus uns noch aus der -Natur geschöpft haben. Und folglich ist sie absolute Wahrheit, und Gott -besteht. Offenbar ist dieser ~psychologische~ oder ~anthropologische~ -Beweis einzig ein intuitiver. Er ist nicht falsch, wie man oft -behauptet hat; er ist nur, als intuitiv, unserer discursiven Vernunft, -die rein logisch schließt und sagt, weder ein Unendliches noch ein -Absolutes liege ~fertig~ in unserem Geiste, sondern nur als stetig -fortgeführte Abstraktion, unzugänglich. Der andere Beweis heißt der -~ontologische~. Im Grunde ist er eine Ergänzung zum psychologischen. -In diesem wurde die absolute Realität Gottes vorgesetzt. Descartes -meint, diese gehöre schon zum absolut Vollkommenen; was absolut -vollkommen ist, muß auch wirklich sein. Die Wurzel steckt in der so -oft gemachten Annahme, daß alles Unvollkommene aus einer Beimischung -von Nichtwirklichem, Nichtseiendem herstamme, die der Leser im -Voraufgehenden so oft hat hinnehmen müssen. Aber dieser Zusatzbeweis -ist an sich nicht nötig. Der psychologische Beweis genügt für die -Intuition völlig. Und wer keine Intuition zugibt, dem hilft der -Zusatzbeweis auch nicht, denn wie Kant nachgewiesen hat, gehört das -~Dasein~ nicht zu dem Begriff eines Dinges, wie die übrigen Merkmale. -Hat nun Gott auch keine Merkmale, was bleibt dann übrig, wenn ihm auch -das Sein entzogen wird? - -Im Menschen erkennt Descartes eingeborene Begriffe (ideae innatae, -apriorische), sodann empirisch erworbene, auch abgezogene Begriffe -(ideae adventitiae, aposteriorische), zuletzt hervorgebrachte Begriffe -(ideae factae). Die ersteren umfassen die Hochbegriffe Gott, Wahrheit, -Freiheit usf.; die mittleren dienen zur Erkenntnis der Natur; die -letzten zum Hinausgehen über das unmittelbar in der Natur Gegebene, -im Anschluß daran. Vor allem ist der Mensch ein geistiges Wesen. -Descartes sieht aber in der Welt, wie Gott sie geschaffen hat, einen -Dualismus: Geist und Materie. Begrifflich werden beide als „~Substanz~“ -bezeichnet. Jedes von ihnen hat ein „~Attribut~“: der Geist stetiges -Denken, die Materie Ausdehnung. Die Einzelnen sind „~Modi~“: im Geist -die Gedanken, in der Materie die Körper mit Figur, Größe, Bewegung, -Ruhe usf. Diese beiden Substanzen sind absolut getrennt; und jede -besteht nach ihrer Art, der Geist nach geistiger, die Materie nach -mechanischer Art. Dinge ohne Geist haben nur mechanistisches (besser -physisches) Leben. So unser Körper, in dem alles rein mechanisch -geschieht, wie in unbelebten Körpern, in Maschinen. Tiere und Pflanzen -sind den unbelebten Dingen gleich, sind Maschinen. Der Mensch hat noch -den unsterblichen Geist. Die Welt, ohne die Geister, ist hiernach auch -eine gewaltige Maschine. Geschaffen wurde sie als eine harte Masse. -Gott zerschlug diese Masse und setzte ihre Teile (wie bei Anaxagoras -der Nus) in wirbelnde Bewegung. Nun stießen und rieben diese Teile -aneinander, und es entstand so eine feine, gröbere und ganz grobe -Materie. Die feine zerstreute sich am weitesten in das All und bildete -in inneren Wirbeln allmählich die Sonne und die Fixsterne. Die gröbste -Materie gab Erde, Planeten, Monde, Kometen usf. Die mittlere Materie -wirbelt noch um Sonnen und Planeten und andere Körper und reißt die -Planeten um die Sonnen, die Monde um die Planeten herum. Eine gewisse -Ordnung unter allen Körpern entsteht durch das Stoßen und Reiben; -wie auch die drei Materien sich durch Stoßen und Reiben voneinander -geschieden haben. Descartes ist, wie wir sehen, in seinem Dualismus -theosophischer Deist in bezug auf Gott und Geist, Mechanist in bezug -auf die Körperwelt nach ihrer Entstehung und der ihr eingeprägten -Bewegung. - -Wie wirkt aber die Seele auf den Körper? An sich kann eine solche -Wirkung nicht stattfinden. Was Descartes darüber sagt, ist lediglich -seinen mechanistischen Anschauungen nachgebildet. Die Seele sitzt -in der Zirbeldrüse, in der Mitte des Gehirns. Die zu dieser Drüse -führenden Nerven werden von feinstem Blut (spiritus animalis) -durchströmt. Dadurch kommt die Drüse in Schwingungen, die die Seele -aufnimmt. Umgekehrt muß diese die Drüse in Schwingungen versetzen, -die den Gang des feinsten Blutes regulieren und so auf den Körper -mittelbar wirken. Diese Vergrobsinnlichung kann einen modernsten -Mechanisten erfreuen, aber die Frage nicht lösen. Darum ruft ~Geulincx~ -(aus Antwerpen 1625-1669) Gott zu Hilfe. Jedem körperlichen Vorgang -entsprechend veranlaßt Gott einen seelischen, und jedem seelischen -entsprechend einen körperlichen. So lenkt Gott die Seele nach dem -Körper und den Körper nach der Seele. Frei ist nur immer je der -erste Vorgang, je der zweite ist von Gott veranlaßt, ausgelöst. -Also wirkt Gott ~gelegentlich~, es ist ein ~Okkasionalismus~, der -eine höhere Bedeutung gewinnt, wenn Gott nicht jedesmal regulierend -eingreift, sondern von vornherein Seele und Körper so gegeneinander -abgestimmt hat, daß sie, obwohl sich gegenseitig absolut fremd, doch -aufeinander antworten. Der Pariser ~Malebranche~ (1638 bis 1715) faßt -das Verhältnis, nach Geulincx’ Vorgang, in dieser Weise auf. Aber -beide haben in Descartes’ Philosophie noch die Wendung gebracht, daß -der Geist überhaupt von Gott ist, die Materie freilich nicht. Dieser -Dualismus geht dann in einen solchen zwischen Gott und Welt über; und -er ist wenigstens insoweit pandeistisch, als Gott in den geistigen -Dingen vorhanden ist, vielleicht auch in den nichtgeistigen, sofern es -sich um Vorgänge handelt. - -Es ist üblich, an diese Betrachtungen Spinozas Lehren anzuschließen, -gewissermaßen als letzte Ausbildung der Cartesischen. Allein Spinozas -Anschauungen sind rein monistisch und auch in keiner Weise deistisch. -Spinoza selbst hat Cartesius’ Schriften interpretiert und mag auch -sein System als aus dem Cartesischen erwachsen angesehen haben. Es ist -aber nicht mehr daraus hervorgegangen als des Cartesius’ System aus -irgendeinem der früheren Systeme mit Gott, Geist und Materie. Und das -rationalistische ist bei Cartesius kaum wo zu finden als in solchen -„Beweisen“, deren einer oben angeführt ist und seinen Grund doch allein -in der Intuition hat. Denn wiewohl Cartesius, wie schon bemerkt, auch -das natürliche Licht, die Erkenntnis aus dem Vorhandenen, auf Gott -zurückführt, ist er doch voller Zweifel an der Wirksamkeit dieses -Lichtes. Fürchtet er doch mitunter, daß dieses Licht von einem bösen -Dämon herrühren möchte, welcher uns Falsches für Gewisses vorspiegelt. -So daß ihm zuletzt nur das Intuitive bleibt, als das einzig Sichere, -wozu zunächst sein Grundsatz vom Dasein Gottes gehört und damit in -Verbindung der vom eigenen Dasein, der demnach lauten müßte: ~Ich -schaue Gott, also bin ich~ (contemplor deum, ergo sum). Und in der Tat -ist Descartes auch nicht übel geneigt, den Geist als eine Emanation -Gottes anzusehen. Mit Descartes’ Deismus hängt auch zusammen, daß er -die Welt unendlich im Raume und unendlich in der Dauer, aber endlich -in der Entstehung auffaßt, und daß, wo er seinem Mechanismus abhold -wird, er Gott nicht allein die Schaffung der Welt, sondern auch ihre -stete Erhaltung und Leitung zuschreibt. In der Frage des freien Willens -verhält er sich sehr unsicher. Als Mechanist muß er ihn leugnen. Als -Deist kann er ihn bis zu einem gewissen Grade zulassen. Und in dem -Schwanken zwischen Mechanismus und Deismus ist wohl das Unsichere und -Sichwidersprechende in Descartes’ Anschauungen überhaupt zu suchen. -Spinozas System, das wir später kennen lernen werden, ist durchaus -konsequent. Und die Kunstausdrücke, die er nach Cartesius’ System -verwendet, besitzen ganz andere Wertgebung. - - -40. ~Prästabilierte Harmonie, Determinismus, Monaden, Korpuskeln, -Realen, Samen.~ - -Wir haben bereits an mehreren Stellen von der Anschauung einer -„Sympathie der Dinge“ gesprochen, durch die der Zusammenhang zwischen -den Dingen in der Welt erklärt werden sollte. Den Gipfel solcher -Lehren bildet die ~prästabilierte Harmonie~ in Verbindung mit der -~Monadologie~. Eine erste Fassung finden wir bei ~Franz Mercurius -van Helmont~ (1618-1699), dem Sohn des uns schon bekannten Arztes. -Wie er die Seele stoisch betrachtet, so hat er sich im Grunde auch -eine Art Pandeismus zurecht gelegt, indem Gott zwar von allen Dingen -verschieden, aber doch nicht von allen Dingen abgetrennt oder geteilt -sein soll. Da Gott selbst ohne Zeit, ohne Raum, ohne Änderung, ohne -Vielheit ist, so läßt sich sein Zusammenhang mit den Dingen nur so -verstehen, daß er die Welt ständig ohne Ende schafft, indem er immer -weiter zu dem Vorhandenen Neues hinzubringt und zugleich alles zur -Veränderlichkeit bestimmt. Gedacht ist dieses emanistisch; der Mittler -ist das feinste von Gott ausgehende und das All erfüllende Licht, die -Welt ist ein davon abgeschwächtes. Und Christus ist insofern in der -Tat die Mitte, als er nur zum Guten veränderlich ist, nicht zum Bösen, -während die Geschöpfe zum Guten und Bösen sich neigen. Indessen ist -auch den Geschöpfen verliehen, sich dem Guten unendlich zu nähern, -und darin beruht die Unendlichkeit der Schöpfung. Die Geschöpfe -enthalten von Gott das Gute als Keim, und jedes Geschöpf ist eine -Unendlichkeit für sich, indem es eine geistige Reihe ohne Ende bildet. -So spiegelt jedes Geschöpf in gewisser Hinsicht Gott selbst ab, nur -unendlich unvollkommener als Gott. Wie Licht bemerkt wird, wenn es -an einem Körper reflektiert, (wir müssen sagen in uns, an der Retina -auftrifft), so kommt Gottes Licht zum Bewußtsein, indem es auf eine -dunkle Substanz trifft, die Materie des Körpers. Darum ist der Körper -notwendig auch zum Bewußtsein Gottes; als wenn das Licht seiner selbst -bewußt wird, indem es auf einen hemmenden Körper stößt. Lehren, -wonach Gott sich nur in der Schöpfung kennt, sind bereits erwähnt. -Und von Gott strahlt es auch ins Unendliche nach allen Seiten aus. -Dadurch ist die Verbindung aller Dinge bewirkt, indem eben jedes Ding -zu jedem Ding und durch jedes Ding geistige Emanationen sendet. So -wäre jedoch nur eine Art allgemeine Statik erreicht. Zur Dynamik in -der Welt kann van Helmont nur durch Mitwirkung Gottes gelangen. Die -Welt besteht aus unzähligen, unteilbaren ~Monaden~, die das physische -Leben bedingen, deren jede aber für sich absolut ein Individuum ist. -Verbunden sind die Monaden durch gottentstammte, allgemeine Sympathie -(wohl emanistisch so gedacht wie die Verbindung von Gott mit der Welt), -und ihre Wirkung aufeinander geschieht durch von Gott eingepflanzte -Bewegungsmöglichkeit der einen Monade zu der anderen. Also rührt alles -von Gott her, Unendlichkeit jedes Individuums zum Guten, Endlichkeit -zum Bösen, Sympathie Jedes gegen Jedes, Wirkung Jedes gegen Jedes. Die -körperlichen und geistigen Dinge sind Aggregate von Monaden, die unter -der Herrschaft einer Monade, der Seele, stehen, die als Zentralgeist -alle einzelnen Monaden in sich faßt, insbesondere des betreffenden -Dinges, aber auch der übrigen Welt (durch Sympathie?). Und wie keine -Monade, nachdem sie geschaffen, untergehen kann, so erst recht nicht -die Seele. Was noch von mehreren Welten gesagt wird, reicht ins -Mystische. Vier sind vorhanden: die oberste Welt ist Christus als -Lichtall. Die folgende, Welt der Schöpfung, ist wohl als eine Art -platonischer Ideenwelt gedacht. In der dritten Welt, Welt der Bildung, -wird in der oberen Schicht das Gute der Ideen verwirklicht, in der -unteren das Unvollkommene. Die Festigkeit nehmen die unvollkommenen -Verwirklichungen in der vierten, mechanischen körperlichen Welt der -Gestaltung. So gehört der Körper der vierten, der Geist der dritten, -die Seele der zweiten Welt an. Das stellte die eigentliche Welt (Mundus -factionis) wieder sehr niedrig, wenn eben nicht Gottes Strahlen bis -in sie hineinreichten und so eine Entwicklung nach oben ermöglichten. -Diese Entwicklung aber schließt die Seelenwanderung, „Revolution der -Seelen“, ein. Jede Seele bildet sich ihren Körper aus den Monaden -nach der durch ihren Zustand bestimmten Herrschermacht. So entwickelt -sich ihr Leib mit ihrer eigenen Entwicklung, und sie kann so aus den -niedrigsten Existenzen zu den höchsten steigen, aber auch von höchsten -zu niedrigsten fallen. Hat sie auf Erden die höchste Existenz erreicht, -so geht sie in die erste Welt ein und kommt nicht wieder; dort -entwickelt sie sich noch weiter. Die Seelen der Kinder sind Monaden der -Eltern, daraus die Vererbung des Guten wie des Bösen. Sehr verständlich -ist die ganze Lehre offenbar nicht; sie enthält zuviel nach einer -Seite, der der Vollkommenheit, und zu wenig nach der anderen, der -des Schlimmen; das letztere ein Mangel, den wir ja überall getroffen -haben, außer bei Jakob Böhme. Eine wirkliche Harmonie haben wir hier -nicht, viel weniger eine prästabilierte. Aber die Anlage ist zweifellos -vorhanden, namentlich in den lebensvoll aufgefaßten Monaden. - -Wir kommen zu einem der Größten, ~Gottfried Wilhelm Leibniz~. Er ist -zu Leipzig am 21. Juni 1646 als Sohn des Moralprofessors Leibniz -geboren. Gestorben ist er am 14. November 1716. Seine Bedeutung für -fast alle Zweige der Wissenschaft ist außerordentlich. Hier haben wir -es nur mit einer seiner Leistungen zu tun, die aus seiner Welt- und -Lebenanschauung fließt. In einer der vielen Auslassungen über seine -Anschauung, in der Schrift „De la nature en elle-même“, bezieht sich -Leibniz auf die bekannten Eigenheiten der Körper, die der „Trägheit“ -zugeschrieben werden, und meint mit Recht, daß diese allein aus der -Ausdehnung der Dinge oder ihrer Masse nicht zu verstehen sei, daß es -sich vielmehr um etwas handle, das außerdem den Dingen noch zukomme. -„Und dieses substantielle Prinzip,“ sagt er, „das in den lebenden -Wesen Seele heißt, in den anderen substantielle Form, und die zusammen -mit der Materie eine wirkliche Substanz bildet, aber schon durch sich -eine Einheit darstellt, dieses Prinzip nenne ich eine ~Monade~.“ Die -Monaden sind einfach, ohne Teile, nicht bildbar und nicht vernichtbar, -außer durch Gott. Jede Monade ist ein Gegenstand für sich; irgendeine -Einwirkung auf ihr Wesen und in ihrem Wesen durch ein Äußeres, außer -durch Gott, ist absolut ausgeschlossen. „Die Monaden,“ heißt es in -der Monadologie, „haben keine Fenster, durch die etwas eindringen und -hinaussteigen könnte.“ Alle Änderungen einer Monade kommen aus ihrem -eigenen Inneren. Die Monaden sind erschaffen und dabei mit ihren -Änderungen begabt. Sie sind jede eine Einheit einer Vielheit von -Einzelheiten, die hiernach eine Beziehung bilden. Diese jedesmalige -Vielheit in der Einheit, wechselnd in den vorübergehenden Zuständen, -ist die ~Perzeption~, und was den Wechsel von einer Perzeption zur -anderen bewirkt, bildet die ~Appetition~. Solches muß aus unserem -Seelenleben erschlossen sein, da wir uns unserer Einheit bewußt -sind, zugleich aber auch der Vielheit in unseren Seelentätigkeiten. -Perzeption wäre also die jeweilige Wahrnehmung aller inneren -Tätigkeiten, Appetition die des Wechsels der Tätigkeiten. Hiernach -kann man die Monaden auch als Seelen ansehen oder als Entelechien (S. -250); letzteres, weil sie eine gewisse Vollkommenheit der Zwecklichkeit -besitzen. Doch reserviert Leibniz die Bezeichnung „Seele“ für -diejenigen Monaden, deren Perzeptionen mehr unterschieden und von -Gedächtnis begleitet sind. Die Monaden weichen nämlich voneinander ab -in Perzeption und Appetition. Aber selbst jede Seele verhält sich bald -deutlich, bald undeutlich bewußt, nur daß bei ihr die undeutlichen -Perzeptionen vorübergehend sind, die bei den einfachsten Monaden -dauernd. Monaden ohne jede deutliche Perzeption werden als „ganz bloß“ -bezeichnet (Monades toutes nues). So stufen die Monaden sich ab von -gänzlicher Bloßheit bis zum Menschenseelischen, mit der Kenntnis der -notwendigen und ewigen Wahrheiten, und mit dem Bewußtsein von sich -selbst und von Gott. Alle Monaden haben die Gründe ihrer Vollkommenheit -und Unvollkommenheit in sich. Dem Grade der Vollkommenheit entspricht -die Tätigkeit (actio), dem der Unvollkommenheit das Leiden (passio). -Jede Monade hat ein Bewußtsein von demjenigen, was in den anderen -Monaden enthalten ist; sie gilt um so vollkommener, je mehr sie sich -a priori Rechenschaft geben kann von dem, was in den anderen Monaden -vorgeht; und darin besteht ihre Wirkung auf sie. Leidend verhält sie -sich, sobald der Grund von dem, was in ihr vorgeht, in demjenigen sich -befindet, das es deutlich in einem anderen, eben in ihr, kennt. - -Die gegenseitige Wirkung ist hiernach nur eine ideelle. An sich liegt -sie in Gott, indem Gott bei Schaffung der Dinge überhaupt für jede -Monade mit Bezug auf alle anderen Monaden bedacht war. In diesem -Bedachtsein Gottes bei der Schaffung jeder Monade auf alle anderen -Monaden, wodurch deren geordnete Wirkungen aufeinander nach ewigen -Gesetzen sich erklärt, ist die ~prästabilierte Harmonie~ begründet. -Jede Monade wirkt zwar nur nach ihrer Art, aber diese Art ist von -vornherein so beschaffen, wie es die Rücksicht auf alle anderen Monaden -erforderte, so daß jede Monade nach ihrer Art ihre bestimmte Stellung -in der Welt von vornherein einnimmt. So hat jede Monade Bewußtsein -vom ganzen All. Indessen doch immer wieder in ihrer Art. Und so -schaut die Welt vom Gesichtspunkte (point de vue) jeder Monade anders -und anders aus. Aber wie eine Stadt von verschiedenen Standpunkten -verschiedene Anblicke bietet und doch nur immer dieselbe Stadt ist, so -die Welt. Sie ist nur eine, wenn auch von den verschiedenen Monaden -verschieden aufgefaßt. Gott ist aber der allgemeine Grund aller Dinge, -in ihm erscheint jedes wie es ist. Und wie es ist, mußte es aus der -Natur Gottes sein, der die Welt nicht nach einem willkürlichen Plan -so oder anders hätte schaffen können, sondern wie er sie geschaffen -hat, als Gott schaffen mußte. Denn Gott ist absolut vollkommen; sein -Können, sein Wissen, sein Wollen -- bei den Monaden: Subjekt (Eigen), -Perzeption, Appetition -- sind absolut unbeschränkt. Und weil sie -absolut sind, konnte es sich nicht um die „Wahl eines Besseren“ -handeln, das ja ein endliches Wissen bedeutet. - -Alle Dinge sind aus Monaden zusammengesetzt. Da die Wirkung der Monaden -aufeinander nur eine gedachte ist, so besagt die Zusammensetzung -nicht ein Zusammenhalten, sondern ein deutlicheres Bewußtsein -dieser Monaden von einander als von anderen Monaden, die nicht dem -betreffenden Dinge angehören. In dem Wechsel des Bewußtseins von dem -anderen ist es begründet, wenn Monaden aus den Dingen ausscheiden. -So ist alles Wachsen nur ein Zunehmen von Monaden mit Bewußtsein vom -Vorhandenen und im Bewußtsein des Vorhandenen. Und umgekehrt, alles -Schwinden eine Abnahme von Monaden mit solchem Bewußtsein und in -solchem Bewußtsein. Und so sind auch räumliche Form und Materie nur -solche Bewußtseinszustände. Alles dieses liegt in den Monaden und -der prästabilierten Harmonie. Und die Welt ist ein „Phainomenon bene -fundatum“, eine gewaltige Maschine, deren einzelne Teile, die Monaden, -gleiche Maschinen sind. Im Kleineren werden wir diese Vergleichung -später bei dem philosophischen Biologen ~Driesch~ wiederfinden. Die -Welt ist nirgend und niemals unterbrochen, sie ist kontinuierlich -und lebt kontinuierlich nach Gottes Harmonie. Die Unvollkommenheiten -liegen in der Endlichkeit der Monaden, hinsichtlich ihres Subjekts, -ihrer Perzeption und ihrer Appetition, die ja notwendig war, sollte -überhaupt eine Welt vorhanden sein, da, wenn diese Endlichkeit -aufgehoben wird, alles ja Gott ist. Dem Preis Gottes und dem Verhältnis -des Menschen zu ihm ist die berühmte Théodicée gewidmet. Diejenige -Monade in einem Ding, welche namentlich Bewußtsein von allen anderen -Monaden hat, ist die ~Zentralmonade~, bei den Lebewesen die ~Seele~. -Nur sofern eine solche Zentralmonade vorhanden ist, darf von einem -„Körper“ gesprochen werden, der im übrigen nichts bedeutet als Monaden, -hauptsächlich im Bewußtsein der Seele. So gibt es keinen Leib ohne -Geist. Aber auch keinen Geist ohne Leib, denn das würde bedeuten, -daß eine Monade überhaupt von anderen Monaden kein Bewußtsein hätte. -Freilich besagt dieses, daß im Grunde jeder Leib unendlich ist wie das -All, so daß an sich die ganze Welt, jedes darin Seele und Leib wäre, -und das was wir Leib nennen, nur den Teil bedeutete, der besonders zum -Bewußtsein gelangt ist. Dieser Schwierigkeit kann man nur entgehen, -wenn man annimmt, daß die Monaden von gewissen Monaden so gut wie gar -kein Bewußtsein haben. Sie ist aber auch allen panpsychistischen und -pandeistischen Anschauungen inhärent. Da die Monaden keine Ausdehnung -haben, und da die Welt als Kontinuum besteht, so sind die Dinge nicht -bloß dem Gedanken nach ins Unendliche teilbar, sondern tatsächlich -ins Unendliche organisiert. Charakteristisch aber für Leibniz, in -dem wir ja auch einen großen Mathematiker und Physiker besitzen, -ist, daß er nach Prästabilierung der Harmonie nur die Weltgesetze -walten und ein stetes Eingreifen Gottes, wenn es vorhanden ist, immer -nur in den Weltgesetzen sich äußern läßt. Und seine Naturerklärung -ist eine mechanische; unvermittelte Wirkungen lehnt er ab, so die -Newtonsche Attraktionswirkung in die Ferne, die er für ein stetes -Wunder erklärt. Das gehört schon in das folgende Buch. Wie man von der -Leibnizschen Anschauung zur Unsterblichkeit der Seele kommen muß und -zur Seelenwanderung kommen kann, ist klar. Wie aber die Unsterblichkeit -hier eine ganz andere Bedeutung hat als die theologische, ist ebenso -klar. Die irdische Persönlichkeit kann ja gar nicht bestehen bleiben, -wenn die Zentralmonade sich von den anderen Monaden, dem Körper, -getrennt und so das deutliche Bewußtsein ihrer verloren hat. Sie kann -dann von ihnen kein anderes inneres Bewußtsein haben als im Leben von -den ihrem Körper nicht gehörigen Monaden, also nur das allgemeine -Weltbewußtsein, das gegenüber dem Bewußtsein vom Körper so gut wie gar -nicht besteht. - -Zum Schluß noch eine Bemerkung. Es ist mehrfach behauptet worden, -daß die von Leibniz eingeführte ~Perzeption~ im Gegensatz zur -~Apperzeption~ ein rein unbewußtes Vorstellen sein soll. Das ist, -wie ich glaube, nicht richtig. Leibniz scheint mir unter Perzeption -nur eine passive, automate Art des Vorstellens zu verstehen, die -stufenweise von völliger Unbewußtheit zu Höchstbewußtsein steigt. -Leibniz hat sich freilich nicht bestimmt genug ausgedrückt. Allein -seine ganze prästabilierte Harmonie hätte ja gar keinen besonderen -Wert neben der einfacheren Mechanistik, wenn er unter Perzeption -in der Tat nur ein absolutes Unbewußtes verstanden hätte. Außerdem -könnte man nicht, wie Leibniz es tut, von verschiedenen Perzeptionen -sprechen; was unbewußt ist, kann nicht verschieden sein. Ich glaube, es -ist verwechselt worden das Eintreten der Vorstellung, das allerdings -unbewußt sein soll, mit der Vorstellung selbst, die alle Stufen der -Deutlichkeit durchlaufen kann. - -Die Monadenlehre Leibniz’s ist von ~Droßbach~ in zwei lesenswerten -Büchern: „Die persönliche Unsterblichkeit“ und „Die Genesis des -Bewußtseins“ ins Atomistische übertragen und nicht unerheblich -ausgebaut worden. Ich muß mich aber auf diesen Hinweis beschränken. -Eine „Harmonie der Welt“ hat der große ~Kepler~ (1571-1630) -an die Spitze seiner Anschauungen gestellt, freilich mehr in -pythagoreisch-mathematischem Sinne. - -Daß des „Professors der Menschheit“ und großen philosophischen -Systematikers und Polyhistors ~Christian Wolff~ (geboren zu Breslau -1679, gestorben 1754) letzte Elemente, ~Corpuscula~ derivativa, -der Dinge mit Leibniz’s Monaden und sein Determinismus mit dessen -prästabilierter Harmonie übereinkommen, ist schon zu Lebzeiten des -bedeutenden Mannes erkannt worden. Nur will er den Monaden statt -des geistigen Weltbewußtseins, -vorstellens, -kennens mehr Kräfte -zuschreiben, durch die sie wirken und leiden; Kräfte jedoch, die -mit dem, was wir gewöhnlich Kraft nennen, keine Ähnlichkeit haben, -überhaupt sich nicht aus der physischen Natur verstehen lassen. Es -findet also gegen Leibniz eigentlich nur ein Namentausch statt, der -aber nicht zum Vorteil des Systems ausschlägt. Diese Philosophia -corpuscularis soll aber die wahre Ratio der besonderen Phänomene -beibringen, denn diese sind begründet in den Qualitäten der Korpuskeln -und der Art, wie diese untereinander verbunden sind. Die schöne Poesie -des Leibnizschen Systems fehlt hier, im Grunde auch die Konsequenz. -Sobald es sich jedoch um die Wirkung zwischen Körper und Seele handelt, -erkennt Wolff die prästabilierte Harmonie als die beste Erklärung an. - -Determinist im Leibnizschen Sinne, soweit seine Rechtgläubigkeit es -zuließ, war auch ~Moses Mendelssohn~ (1729 zu Dessau geboren, 1786 -in Berlin gestorben). Indessen war er es nur unter der Bedingung der -Unsterblichkeit. Wenn die Hoffnung dieser nicht wäre, sei der Mensch -das elendeste Tier auf Erden und bliebe ihm nichts übrig, als in -Betäubung dahinzuleben und zu verzweifeln. Und wie er bemüht war -die Unsterblichkeit zu erweisen und zu ihr mit aller Kunst eines -gottgläubigen und edlen Gemütes zu überreden, zeigt sein ~Phädon~, -der erst als Übersetzung des gleichnamigen Gesprächs des Platon -beabsichtigt ist, dann aber das Vorbild verläßt und schärfer noch als -dieses, und mit besseren Waffen, für unsere Seele kämpft. Aber überall -tritt bei ihm der Deismus hervor und spielt die Contemplatio eine -viel größere Rolle als die Ratio. Seltsam ist, daß, obwohl er selbst -pandeistische Neigungen verrät, die außerordentliche Philosophie seines -geistesgewaltigen Glaubensgenossen Spinoza ihm so zuwider war, daß -der Kampf gegen die Meinung, sein Freund Lessing sei in den letzten -Lebensjahren Spinozist gewesen, ihm das Herz brach und ihn früh ins -Grab senkte. - -Es ist möglich, das ~Lessing~ in der Tat zuletzt sich dem Pantheismus -Spinozas zugewandt hat; ursprünglich aber war er Leibnizianer, -namentlich in bezug auf die letzten Wesen und die Harmonie. Was Gott -denkt, ist; dachte er sich selbst insgesamt, so ward der ihm identische -Sohn, Christus. Stellte er sich in seinen Vollkommenheiten zerteilt -vor, so ward die Welt. Diese muß darum von allen möglichen Welten die -vollkommenste sein, die vollkommene Stufenleiter der Vollkommenheiten -darstellen. Der unmittelbare Gegenstand dieser schöpferischen Tätigkeit -sind einfache Wesen, alles Zusammengesetzte ist nur eine Folge dieser -Schöpfung. Alles was in der Welt vorgeht, ist aus der Harmonie der -einfachen Wesen zu erklären. Die einfachen Wesen sind „gleichsam -eingeschränkte Götter“. Sie sind voneinander unterschieden durch -größeres oder geringeres Bewußtsein ihrer Vollkommenheit. Das Gesetz -des Menschen sei: „Handle deinen individualischen Vollkommenheiten -gemäß“. Im Grunde steckt schon hier ein Stück Pandeismus, denn die -Welt ist: die Vollkommenheiten Gottes zerteilt gedacht. Und Lessing -sagt auch, daß er sich die Wirklichkeit einer Welt außer Gott nicht -denken könne. Aber Spinozas Pantheismus ist das gleichwohl nicht. Die -Unsterblichkeit betrachtet er wie Platon, die Indier u. a., als Mittel -zur steten Vervollkommnung. Und gleicherweise die Seelenwanderung. -Paragraph 93 und folgende in „Die Erziehung des Menschengeschlechts“ -heißt es: „Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu seiner -Vollkommenheit gelangt, muß jeder einzelne Mensch (der früher, der -später) erst durchlaufen haben... Warum könnte jeder einzelne Mensch -auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt gewesen sein?... Warum -sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue -Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal so viel -weg, daß es der Mühe, wieder zu kommen, etwa nicht lohnet? Darum nicht? --- Oder weil ich es vergesse, daß ich schon dagewesen?... Und was ich -auf jetzt vergessen ~muß~, habe ich denn das auf ewig vergessen? Oder -weil so zuviel Zeit für mich verloren gehen würde? -- Verloren? -- Und -was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?“ Das -wiegt tausend Räsonnements eines trockenen Theologen auf. Schwierig -damit, daß nämlich der Einzelne sich fortschreitend vervollkommnet, -zu vereinen ist Lessings Ansicht, daß die Vollkommenheit der Welt -keine fortschreitende sondern eine (durchschnittlich) stabile ist, -was eben daraus folgen würde, daß Gott sie geschaffen hat. Ob dem -Fortschritt Rückschritte entsprechen? Daß ein Lessing die Leibnizschen -Lehren von Himmel und Hölle des Orthodoxen entkleiden mußte, versteht -sich von selbst. Lessing wird auch zu den ~Popularphilosophen, -Aufklärungsphilosophen~ gerechnet. - -Von ~Herbart~ (1776 in Oldenburg geboren, 1841 gestorben) gehören -wenigstens die ~Realen~ hierher. Darin, daß sie absolute Einheiten, -unteilbar, zeitlos, raumlos sein und Aggregate von ihnen die Dinge -bedeuten sollen, gleichen sie den Leibnizschen Monaden. Sie sind auch -uranfänglich voneinander verschieden. Jede Reale soll ihre Qualität -stetig und in Ewigkeit behalten. Das einzige, ihr inneres Leben -Bedeutende ist lediglich die „~Selbsterhaltung~“. Diese macht sich -geltend den „~Störungen~“ anderer Realen gegenüber, und in dieser -Selbsterhaltung besteht alles Leben und Vergehen in der Natur. So -sind alle unsere seelischen Tätigkeiten wie Denken, Fühlen, Wollen -usf. nur Selbsterhaltungen gegen Anderes; und das Bewußtsein ist der -Inbegriff all dieser Selbsterhaltungen. Die Dinge sind wie bei Leibniz -ein Zusammensein von Realen, aber nicht in dessen geistigem Sinne, -da die Realen keine Vorstellung haben, sondern ein mehr zufälliges. -Wenn verschiedene Reihen von Realen einen gleichen Ausgangspunkt -haben, so fassen wir sie als Ding auf. Gegenüber der Klarheit des -Leibnizschen Systems weiß man sich hier kaum durchzufinden. Da die -Realen absolut einfach und ohne jede Vorstellung von Anderem sein -sollen, namentlich ohne jeden Wechsel in ihrem Inneren, wie erfährt -da eine Seele die „Störung“, also die Gegenwart einer anderen Seele? -Was kann Selbsterhaltung anderes bedeuten als Tätigkeit zur Erhaltung -eines Vorhandenen, eben des Selbst? Wie ist das aber mit der absoluten, -einfachen Wechsellosigkeit zu vereinigen? Was führt die Realen -zusammen? Herbart spricht auch von Vorstellungen. Zeller (Geschichte -der deutschen Philosophie seit Leibniz) meint, die Konsequenz dieses -Systems wäre, „daß die Form, unter der uns die Realen erscheinen, -ihre Verbindungen und die Änderung dieser Verbindungen, nicht in -ihnen selbst und ihrem objektiven Verhältnis, sondern nur in unserer -subjektiven Auffassung begründet sei“. Aber auch das geht nicht. -Wir sind ja selbst Reale; wie kommen ~wir~ denn zu Auffassungen, ob -subjektiven oder objektiven? In Herbarts Naturphilosophie machen sich -die Übel dieser Unbegreiflichkeiten so schwer geltend, daß zuletzt --- eben aus absolutem Mangel an jedem ideellen oder wirklichen -Zusammenhang zwischen den Realen, wodurch auch ein Raum und eine -Zeit, selbst nur gedacht „intelligibel“, ausgeschlossen wird -- sogar -~Möglichkeiten~ von Zusammensein von Realen, erst als Bilder und dann -als Reale selbst, behandelt werden, wie geometrische Konfigurationen, -und daß auch teilweise Durchdringlichkeit der Realen angenommen wird. -Ich darf hier aufhören, weil ich doch nicht weiß, wie eine deutliche -Anschauung zu gewinnen ist. Nur das möchte ich noch erwähnen, daß -Herbart Gott aus teleologischen Gründen setzt. Bringt Gott den -Zusammenhang hinein? Und wie? - - - - -DRITTES BUCH. - -Metaphysische und physische Welt- und Lebenanschauungen. - - -Wir sammeln in diesem Buche alle diejenigen Anschauungen von Welt und -Leben, bei denen von Gott als Weltschöpfer und Welterhalter entweder -ganz abgesehen oder der geringst mögliche Gebrauch gemacht wird. -Vielfach widerstreitet hier die Theorie der Praxis; und so bestehen -Anschauungen, bei denen von Gott entweder nur nicht gesprochen wird, -indeß er im Hintergrunde doch mindestens als erste Ursache waltet, -oder bei denen, was theoretisch wegdisputiert ist, praktisch wieder -eingeführt wird. Es soll dieses im einzelnen erhellen. Viele aber -nehmen in der Tat lieber einen blinden Zwangsmechanismus als einen -unumschränkten Herrn, der so viel Übel in der Welt geschehen läßt. Die -Gesamtheit der Anschauungen teilt sich in metaphysische und physische. -Jene erwachsen aus Untersuchungen über die letzten Dinge, über das was -wahr ist, diese aus der umgebenden Wirklichkeit. Die Unterscheidung -besteht jedoch nur für die Extreme, sonst geht Metaphysisches und -Physisches durch und ineinander. - - - - -SECHSTES KAPITEL. - -Welt- und Lebenanschauungen des Idealismus. - - -Wenn wir die Dinge, und uns mit, so nehmen, wie sie uns erscheinen, -und nichts weiter hinter ihnen als Anderes setzen, so sprechen wir -von einem ~Realismus~. Betrachten wir aber die Dinge nur als von -uns verdinglichte Erscheinungen, hinter denen ein Anderes entweder -gar nicht vorhanden, oder eben als ein Anderes vorhanden ist, so -sprechen wir von einem ~Idealismus~, und das was etwa hinter den -Dingen steht, bedeutet das ~Transzendente~. Dinge sind dann für uns -objektivierte Transzendente; entweder Nichts oder unserem Begreifen -entzogene Gegenstände, ~transzendente Wirklichkeiten~. Die zahlreichen -Arten und Abarten des Idealismus besonders zu erklären, darf ich hier -unterlassen, sie werden bald in der Behandlung hervortreten. - - -41. Phantomismus (Illusionismus), Eleaten, Skeptiker. - -Die ~Indier~ hatten auch die Anschauung, daß die ganze Welt, -einschließlich aller Lebewesen, nur ein Traum Brahmas sei. Mit dem -Traum ist alles entstanden, und wenn Brahma erwacht, ist alles -geschwunden, wie die Bilder unserer Träume kommen und spurlos verwehen. -Denn Traumgestalten sind wir, und Traumgestalten sind Himmel, Gestirne -und Erde. Eine Milderung dieser Anschauung bedeutet es, wenn, in einer -anderen Anschauung, dieser Traum nur in den Menschen verlegt wird, es -also heißt, die Welt ist nur in ~uns~ als ein Traum. Wir bestehen, -die Welt aber besteht nur in uns. Unser irdisches Leben ist Träumen. -Sind wir von diesem Leben befreit, so ist keine Welt, nur wir sind. In -dieser, dem Verständnis aus der Analogie unserer wirklichen Traumwelten -leichter zugänglichen Form ist die Lehre weit verbreitet. Wir finden -sie selbst bei den realistischen Chinesen. Lao-tsse sagt, das Leben sei -ein Gaukelspiel eines wirren Traumes. - -Indessen gibt dieses letztere kein philosophisches System, weil -es gar zu sehr metaphorisch unernst wirkt. In der ersten Wendung -aber finden wir bei den Indiern Lehren, die durchaus einem solchen -philosophischen System angehören. Eines nur ist: Brahman (S. 230). -Dieses Eine ist ewig und unveränderlich, ohne jede Qualität, ein -absolutes Eins. Zu diesem Eins kommt das Unwissen (Avidyiâ), oder -das Sichtäuschen (Mâyâ), ein Unbegreifliches; und unter diesem ist -das Eins Mannigfaltigkeit, Welt geworden, mit allen Dingen und allen -Veränderungen. Das ist ein Pantheismus, aber nur als Phänomen, nicht -als Wirklichkeit; die transzendente Wirklichkeit ist allein das Eins, -Brahman. Die Dinge und die Vorgänge sind als Täuschung praktisch real, -als transzendente Wirklichkeit Nichts, oder vielmehr Brahman. So lautet -die ~Illusionslehre~ des ~Sankara~ in der Vedantaphilosophie (S. 259): - - „In einem halben Vers will ich erklären, was in Millionen Bänden - erklärt worden ist; - Brahman ist wahr, die Welt ist falsch, die Seele ist Brahman und - nichts anderes.“ - -Und so besteht ein doppelter Brahman, die absolute transzendente -Wirklichkeit, das Eins, Param Brahman, und die Illusionswirklichkeit, -das phänomenale Brahman, Aparam Brahman. Damit hat die Welt Realität -und hat auch keine. Praktisch ist sie aber durchaus real. Letzteres -mußte Sankara lehren, denn sonst fielen ja alle ethischen Grundsätze -und alle Religion mit allen Göttern fort, und für Sankara war die Veda -eine heilige Schrift. Warum die Illusion hinzukommt, wird nicht gesagt, -noch woher sie stammt. Sie wird aber mitunter neben Brahman (oder ~in~ -Brahman?) so real bezeichnet, daß sie als Mâyâ Persönlichkeit erlangt, -gar als Gattin Brahman sich zugesellt. - -Der Leser, dem die griechische Philosophie bekannt ist, wird schon -bemerkt haben, welche außerordentliche Ähnlichkeit die obigen -Darlegungen mit denen der Schule der sogenannten ~Eleaten~ haben. -Als Stifter dieser Schule wird ~Xenophanes~ (S. 231) bezeichnet, -ein Ionier, der sich in Elea in Unteritalien niederließ. Er ist es, -von dem der berühmte Ausspruch stammt, daß, wenn Rosse und Ochsen -„malen könnten und Werke bilden wie die Menschen, so würden die Rosse -roßähnliche, die Ochsen ochsenähnliche Göttergestalten malen und -Werke bilden, wie jede Art gerade selbst das Aussehen hätte“. Und -so tadelte er die Griechen nicht bloß wegen ihrer Anthropomorphie -der Götter, sondern auch wegen ihrer Götter-Vielheit. Nur einen Gott -gibt es, ein Eins, ein Ewiges, Unvergängliches. Und dieses ist das -Weltganze. Mehr ist von seinen allgemeinen Lehren mit Zuverlässigkeit -nicht bekannt. Selbst daß er in Gott das Weltganze gesehen hat, -dürfte mehr Vermutung sein, da, was er sonst von der Welt sagt, rein -physisch ist und der Würde der Gottheit kaum entspricht. Sicherer -ist was ~Parmenides~ (um 544 v. Chr. geboren) aus Elea lehrte: -„Nötig ist dies zu sagen und zu denken, das Seiende existiert, denn -das Sein (τὸ ἐόν) ist, das Nicht ist nicht.“ „So bleibt nur noch -Kunde von einem Wege, daß das Seiende existiert. Darauf stehen gar -viele Merkpfähle. Weil ungeboren, ist es auch unvergänglich, ganz, -einziggeboren (μονογενές), unerschütterlich und ohne (zeitliches) -Ende. Es war nie und wird nicht sein, weil es jetzt ganz alles ist.“ -„Auch teilbar ist es nicht, weil es ganz gleichartig ist. Und es ist -auch nirgend etwa ein intensiveres, das seinen Zusammenhang hindern -möchte, noch ein geringeres; es ist ganz vom Seienden erfüllt... -Sodann liegt es unbeweglich in den Schranken starker Fesseln, ohne -Anfang, ohne Ende... Als Selbiges in Selbigem verharrend, ruht es in -sich selbst und verharrt so standhaft alldort. Denn der starke Zwang -(ἀνάγκη, Ananke) hält es in den Banden der Schranke, die es rings -umgibt. Darum darf das Seiende nicht unabgeschlossen sein, denn es ist -mangellos, und es wäre gänzlich mangelhaft, wär’s anders...“ (Diels: -Fragmente der Vorsokratiker. Ich habe hier und im folgenden, sowie -im voraufgegangenen, die Übersetzungen dabei benutzt, jedoch, meinem -Zweck entsprechend, sie möglichst genau an den Wortlaut des Originals -angepaßt.) Schon der Abschluß zeigt, daß Parmenides sich das Seiende -als eine Realität dachte. Was er weiter sagt, rückt diese Realität fast -ins Materielle: „Aber da eine letzte Grenze vorhanden ist, so ist das -Seiende abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse -einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich -stark“. Das wäre auch der Sphairos des Empedokles (S. 231). Es ist -aber nichts weiter als dieses in sich gleiche, in sich ruhende, rings -umschränkte, zeitlose, absolut Seiende. „Und so ist auch alles leerer -Schall, wovon die Menschen sprechen, überzeugt, es sei wahr: nämlich -~Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung -des Ortes und Wechsel der Farbe, überhaupt der Eigenschaften~.“ In -diesem letzteren Satze liegt das Schwergewicht der eigentlichen Lehre. -Und dieser Satz hat die Philosophen unendlich geplagt, und plagt sie -noch jetzt. Er besteht im Grunde aus zwei Sätzen: „Aus Nichtsein kann -kein Sein werden“ und „Aus Sein kann kein Nichtsein hervorgehen“. Indem -ein jedes Entstehen bedeuten soll, daß vorher Nichtsein war, wo jetzt -Sein ist, und ein Vergehen, daß jetzt Nichtsein ist, wo vorher Sein -war, dürfte es überhaupt keine Änderung geben, da nur das Sein da sein -soll. Es ist bekannt, wie der Hauptdialektiker der Eleaten, ~Zenon~ -(etwa nach 500 v. Chr. geboren), gleichfalls aus Elea, mit diesen -Sätzen bewies, es gäbe in der Tat nicht die geringste Änderung in der -Natur. Nicht einmal Bewegung sei möglich, denn alles setze sich aus -Ruhe zusammen, und Ruhe sei keine Änderung; der Übergang aus einer Ruhe -in eine andere aber sei undenkbar, weil dabei ein Seiendes schwände -und ein Nichtseiendes entstehe. „Das Bewegte bewegt sich weder in dem -Raume, in dem es sich befindet, noch in dem es sich nicht befindet.“ -Das gehört nicht hierher; es kommt im Grunde alles darauf hinaus, daß -ein „Werden“ und „Vergehen“ als für sich begrifflich nicht faßbar -angesehen wird und durchaus aus Nichtsein und Sein oder aus Sein und -Nichtsein soll zusammengesetzt sein müssen. ~Herakleitos~ ist gerade -vom entgegengesetzten Standpunkt ausgegangen (S. 238), für ihn gab es -nur „Werden“ und „Vergehen“. Auch die Spitzfindigkeiten der Eleaten --- wie die berühmte Schlußfolge, Achill könnte nie eine Schildkröte -einholen, weil, so oft er einen Weg mache, die Schildkröte doch auch -einen zurücklege, also ihm immer voraus sei -- beruhen auf solchen -Unfaßbarkeitsannahmen, die dann Zusammensetzungen aus Widersprechendem -bedingen. Seltsamerweise spukt die Formel: Werden = Sein + Nichtsein -noch heute in vielen Köpfen. Die Eleaten leugneten auch alle Größe -und alle Teilung ab, kurz alles, was die Welt als Mannigfaltigkeit in -Raum und Zeit darstellt. Nur das Sein erkannten sie an. Was ist dann -die Welt? -- Lediglich Schein, nichts als Schein, ganz im Sinne der -Indier. Und wenn beispielsweise Parmenides ziemlich eingehend von der -Entstehung und Ordnung der Welt spricht, so bemerkt er, daß es sich -doch um ein „Wahngebild“ handelt und um „Wahngedanken“. ~Melissos~ aus -Samos (um 440) sagt, weil der Dinge viele sind und sie sich ändern. -Woher aber der Schein, der Wahn? Darüber haben die Eleaten keine -Vermutung ausgesprochen, und so stehen sie den Indiern erheblich -nach, die wenigstens ein Prinzip dafür aufgestellt haben, wenn dieses -auch nichts anderes besagt, als daß der Schein, als Unkenntnis und -Täuschung, ein Etwas für sich sei, das zusammen mit dem Absoluten die -Welt gebe. In der Tat ist auch die eleatische Lehre nur nach Worten -monistisch, an sich verfährt sie dualistisch, denn der Schein ist -nicht Sein, und doch sind beide vorhanden. Hierher gehört im Grunde -auch die sogenannte ~Megarisch-Elische Schule~ (von ~Eukleides~ aus -Megara, einem Verehrer des Sokrates begründet), die nur ein Seiendes -anerkannte, das ~Gute~, alles andere in der Welt für nichtseiend, -Schein erklärte und sich der eleatischen Dialektik zum Nachweis einer -solchen Behauptung bediente. Im übrigen ist der eleatischen Lehre -Großartigkeit nicht abzusprechen. Melissos sagt: „So ist es (das -Seiende) denn ewig, und unendlich, und eins, und ein in sich gleiches -Alles. Und es könnte nicht irgend einmal untergehen, noch empfindet -es Schmerz oder Leid.“ „Auch gibt es kein Leeres, denn das Leere ist -nichts; demnach kann das, was ja nichts ist, nicht vorhanden sein.“ -Also Eins nur besteht, zeitlich und räumlich überall, nie sich ändernd, -in sich ohne jede Unterscheidung. - -An diese Lehren schließen sich sachlich die des ~Skeptizismus~ -(Skepsis, Zweifel) an. Sie können hier kurz behandelt werden, da sie -nicht eigentlich eine Welt- und Lebenanschauung geben. Die Erfahrung, -wie vieles unsicher und widersprechend ist, führt zu der Meinung, daß -man nichts mit Bestimmtheit behaupten könne, und in der Übertreibung, -deren sich die ~Sophisten~ schuldig gemacht haben, daß man von allem -alles behaupten könne, was sie in ihrer Streitmethode, ~Eristik~, zu -so scharfsinnigen Auseinandersetzungen, aber auch zu so verderblichen -Lehren geführt, hat. ~Protagoras~ (480-410 v. Chr.), ~Gorgias~ -(zwischen 484 und 375), ~Prodikos~, ~Hippias~ sind die hervorragendsten -Vertreter der noch wissenschaftlichen und ethischen Schule der -Sophistik. Das Heer der übrigen Sophisten darf übergangen werden. Der -ungeheure Einfluß der Sophisten als Lehrer, namentlich der praktischen -Staatskunst, ist bekannt. Manche unter ihnen haben Macchiavelli -nichts nachgegeben. Von Protagoras rührt der Spruch her: „Aller Dinge -Maß ist der Mensch, das Seiende für sein Sein, das Nichtseiende für -sein Nichtsein“. Dieser Satz ist offenbar von Wichtigkeit für den -Idealismus überhaupt, namentlich in dessen Form als ~Kritizismus~. -Skeptizismus findet sich naturgemäß überall in der Philosophie. In -die Akademie eingeführt hat ihn ~Pyrrhon~ aus Elis (365-275 v. Chr.). -Ein bedeutender Vertreter ist ~Arkesilaos~ (315 bis 240 v. Chr.), der -jede Möglichkeit, durch Erfahrung oder Nachdenken zu Erkenntnissen zu -gelangen, bestritt, also für die Wahrheit kein Merkmal in der Welt -fand, und dem so die Wahrscheinlichkeit (Eulogon) als Richtschnur aller -Behauptungen und Handlungen dienen mußte. Das eigentliche Haupt der so -genannten ~Neuen Akademie~ war aber ~Karneades~ aus Kyrene (224-155 -v. Chr.), der unerbittliche Kritiker den Dogmatikern gegenüber, die -sich wesentlich aus der stoischen Schule rekrutierten. Ein höchst -scharfsinniger Mann, vermochte er alle dogmatischen Lehren von Gott -und Wahrheit mit guten Gründen anzugreifen und zu bekämpfen, indem er -überall Widersprüche und nicht zu beweisende Annahmen aufdeckte. Nun, -die Menschheit leidet ja von je daran. Wäre dem nicht so, so gäbe es -ja keine Wissenschaft von Welt und Gott, sondern ein Wissen. Darum -gerade retten sich die einen in die Dogmatik, andere in den Glauben, -noch andere in die Wahrscheinlichkeit, und viele in die Intuition. -„Was ist Wahrheit?“ soll Pilatus gefragt haben. Das wird eben immer -und von je gefragt. Und die Untersuchungen der neueren Philosophie -richten sich eben auf die Kriterien der Wahrheit, und darauf, eine -Wahrheit aufzustellen, um alles andere daran anschließen zu können, -wie Descartes eine solche in dem Ausspruch „Ich denke, also bin ich!“ -gefunden zu haben glaubte und Fichte in seinem Ich-Satz. Wir werden -noch vielen Skeptikern begegnen. - - -42. Phänomenaler Idealismus. - -Die Idee, daß die Dinge nicht so sind wie sie uns scheinen, findet -sich vom Altertum durch das ganze Mittelalter mehr oder weniger -deutlich ausgesprochen. In der neueren Zeit zuerst in ein System -verarbeitet hat sie der in Irland geborene Engländer ~George Berkeley~ -(1684-1753), ein großer Denker und Naturkenner. Er ist ein heftiger -Gegner des Materialismus und Spinozismus und bezeichnet seine Lehre -als ~Immaterialismus~. In der Tat hat sie auch viel Theosophisches, -wie er auch so manches von den mittelalterlichen Theosophen und -Mystikern einfach übernahm. Er ist von der Wahrhaftigkeit Gottes im -Cartesischen Sinne überzeugt. Also können Wahrnehmung und Vernunft -nicht absolut lügen und trügen. Darum ist er auch Nominalist. Nun -aber meint er, Wahrnehmung sei durchaus von dem Wahrgenommenen zu -trennen. „Da wir wahrnehmen, daß verschiedene von den Empfindungen -einander begleiten, so werden diese durch einen Namen umgrenzt und -so für ein Ding ausgegeben.“ „Sinnliche Dinge sind hiernach nichts -anderes als so viele sinnliche Qualitäten oder Kombinationen von -sinnlichen Qualitäten.“ Alle diese Qualitäten sind aber, da ~wir~ -wahrnehmen, nur in unserer Seele. Außerhalb Gottes und der Seele -gibt es keine Erscheinungen. Da nun eine Erscheinung ganz ein -Inneres ist, so können die Dinge den Erscheinungen nicht gleichen, -die Erscheinungen sind keine Kopien der Dinge. Berkeley beruft sich -überall auf physikalische und physiologische Erkenntnisse, die durchaus -zutreffend sind. Und so ist es auch richtig, wenn er meint, daß -wir unsere Wahrnehmung der Ausdehnung nicht den Dingen zuschreiben -können, denn ein anderes ist die Ausdehnung in den Wahrnehmungen des -Sehens, ein anderes in denen des Tastens; sie werden nur konfundiert, -weil sie sich stets begleiten. Berkeleys ~Sensualismus~ ist hiernach -ein ~innerer~, ein ~Phänomenalismus~. Und so ist zu verstehen, daß -er Dinge ohne Erscheinungen in uns als Fiktionen bezeichnet, wie -die abstrakten Figuren und Zahlen in der Mathematik. Ich darf auf -entsprechende Ausführungen in meinem Buche „Philosophische Grundlagen -der Wissenschaften“ hinweisen. So kämpft er auch gegen die Annahme -einer absoluten Substanz, Materie, die niemand kennt und niemand -kennen kann, und der man, um zu einer Welt zu gelangen, gezwungen ist, -eine Menge verborgener Eigenschaften zuzuschreiben, die anderweit -wieder abgestritten werden müssen; so Bewegung aus sich heraus, der -doch die Trägheit widerspricht. Nur der Geist ist absolute Substanz, -er allein ist tätig und wo er sich leidend verhält, folgt dieses aus -der Schranke, die ihm gesetzt ist. Die Körper sind nicht, sondern sie -werden: durch unsere Wahrnehmungen. Und so existieren sie nur „sekundär -und abhängig“. - -Gleichwohl ist Berkeleys System kein solches des reinen Scheines, -noch weniger des Nichts. Das Kausalitätsprinzip greift bei ihm ein. -Die Wahrnehmungen müssen doch irgend einen Grund haben. Diesen sieht -er nicht wie Indier und Eleaten in uns selbst, sondern außer uns, in -einem Geist außer unserem Geiste; und das ist der göttliche Geist. -Seiner sind wir sicher, eben aus den Wahrnehmungen in uns, nämlich -aus den Naturerscheinungen und ihrer Ordnung. „Der große Beweger und -Urheber der Natur offenbart sich ständig selbst den Augen der Menschen -durch sinnliche Intervention willkürlicher Zeichen (wie der Mensch -durch willkürliche Zeichen, Sprache, seinen Geist offenbart), welche -keine Ähnlichkeit noch Verbindung mit den bezeichneten Dingen haben.“ -Das ist von vielen vor ihm schon gesagt und wird auch in der Bibel in -der mannigfachsten Weise variiert. Aber hier handelt es sich um den -~kosmologischen Beweis Gottes~. Und so ist Gott die naturierende Natur, -und der überall und jederzeit wirkt. Wahrhaft ist alles nur in Gott als -Eins. Was wir kennen und erkennen, sind Abbilder dieses Wahrhaften. -Unser Geist wirkt wie Gott. Nur daß Gott ohne jede Beschränkung ist, -so daß er beliebig schafft, und was er schafft der Ewigkeit angehört. -Aus unserer Gottähnlichkeit folgt dann ein gewisser freier Wille. -Wie aber das bewußt Böse? Das ist nicht gesagt, wenn es nicht als -zur Ordnung der Dinge gehörig angesehen wird. Trotz allem Schein ist -die Welt real. „Alle Dinge zusammen mögen ein Universum sein, Eines -durch die Verbindung, Beziehung und Ordnung zu ihren einzelnen Teilen, -welches das Werk des Verstandes ist.“ Rein intelligibel betrachtet -aber sind die Dinge unbeweglich und unveränderlich. Man sieht: nur die -Intervention Gottes, der absolut wahrhaft ist, macht es, daß hinter -dem Schein eine transzendente Wirklichkeit vorhanden sein könnte. Und -aus der gleichen Intervention ergäbe sich Berkeleys Rationalismus -und die Möglichkeit der Wissenschaften, im Grunde wie bei Descartes. -Die transzendente Wirklichkeit aber, soweit sie zugestanden sein -sollte, wird fast pandeistisch aufgefaßt, und unser Verhältnis zu ihr, -und damit zu Gott theosophisch. Im wesentlichen aber ist Berkeleys -Phänomenalismus wirklicher Schein. Kant nennt das ~empirischen~ oder -~dogmatischen Idealismus~. - -Mit dieser Berkeleyschen Anschauung hat die spätere ~Fichte~sche große -Ähnlichkeit. Gott wird unmittelbar gesetzt als das absolute Sein, wie -die Eleaten sich dieses Sein dachten. Alles andere ist nur Wissen als -Bild des göttlichen Seins: Ein Sein Gottes außer seinem Sein, nicht -Gott selbst, sondern sein Schema. In diesem Bilde ist das Sein ein -Mannigfaltiges. Indem es aber, wenn auch ein Bild, doch ein Göttliches -ist, muß es eine göttliche Weltordnung darstellen. Gleichwohl ist -wie bei Berkeley die Natur nur die Schranke des Bewußtseins, und an -sich eine nichtige und wesenlose Erscheinung, die ihr Dasein nur -in unserer Vorstellung hat. Wieder ganz wie bei Berkeley steht die -Natur zwischen Gott und Geist, Bewußtsein. Wir werden später sehen, -daß in seiner ersten Philosophie Fichte umgekehrt Gott aus der -Weltordnung abgeleitet, eigentlich die Weltordnung für Gott erklärt -hat. Dieser Idealismus, der die äußere Welt in einen Schein auflöst -und sie nur retten kann durch die Annahme Gottes und dessen absoluter -Wahrhaftigkeit, ist sogleich nach Berkeley von dem Schotten ~David -Hume~ (1711-1776) vollends auf die Spitze getrieben worden, indem auch -die Autorität unserer eigenen Vernunft in Zweifel gesetzt ist. Denn -unsere Vernunft ist nichts Bleibendes, sondern stetig Wechselndes, eine -~Folge~ von Bewußtseinsinhalten, kein ~seiender~ Bewußtseinsinhalt, -so daß ein ständiges seiendes Ich nicht behauptet werden kann. Nur -die zusammenhängende Kette dieser Folge erweckt den Schein eines -solchen Ich, in Wahrheit leben wir ein solches Leben ohne Ich. Unsere -Psychologie hat kein Subjekt, keine Seele, sie besteht lediglich aus -~assoziierten~ inneren Erscheinungen, ein Satz, den wir später bei -modernen Psychologen wiederfinden werden. Es gibt also nirgend ein -Wirkliches in der Welt, nicht außer uns, nicht in uns; alles ist -Schein und Erscheinung, hier wie dort. Was die Erscheinungen und ihre -Assoziation, Vergesellschaftung, in uns hervorbringt, wissen wir nicht. -Wie auf einer Schaubühne treten die inneren Erscheinungen auf; Bühne -und Regisseur sind uns aber unbekannt, von ihnen ist nichts aussagbar. -Und was darüber ausgesagt wird, ist pure Einbildung. Es ist eine Art -Deutung der Heraklitischen Lehre in eleatischem Sinne, und Hume kann -sehr wohl auf diesem Standpunkte seiner Philosophie als Skeptiker -bezeichnet werden. Gleichwohl hat er auch ein realistisches System -begründet, das wir später (S. 407 ff.) kennen lernen werden, indem er -das Unerschaubare beiseite ließ, sich an den Schein hielt, und diesen -gleich einem festen Gegebenen behandelte. - - -43. Kants transzendentaler Idealismus. - -Organisierte Wesen und Naturzweck. - -„Wir haben also sagen wollen: daß alle unsere Anschauung nichts -als die Vorstellung von Erscheinung sei: daß die Dinge, die wir -anschauen, nicht das an sich selbst sind, wofür wir sie anschauen, -noch ihre Verhältnisse an sich selbst so beschaffen sind, als sie -uns erscheinen, und daß, wenn wir unser Subjekt, oder auch nur die -subjektive Beschaffenheit der Sinne überhaupt aufheben, alle die -Beschaffenheit, alle Verhältnisse der Objekte in Raum und Zeit, ja -selbst Raum und Zeit verschwinden würden, und als Erscheinungen nicht -an sich selbst, sondern nur in uns existieren können. Was es für -eine Bewandtnis mit den Gegenständen an sich und abgesondert von -aller dieser Rezeptivität unserer Sinnlichkeit haben möge, bleibt uns -gänzlich unbekannt. Wir kennen nichts als unsere Art, sie wahrzunehmen, -die uns eigentümlich ist, die auch nicht notwendig jedem Wesen, obzwar -jedem Menschen zukommen muß.“ (Kritik der reinen Vernunft, S. 66, -ich zitiere dieses Werk nach der ausgezeichneten Reclam-Ausgabe). -Diese Auffassung nennt Kant selbst Idealismus, und sofern gleichwohl -alles als wirklich angesehen wird, den ~transzendentalen~ oder -~formalen~ Idealismus, während vom ~materialen~ der ~dogmatische~ -Idealismus die Dinge leugnet, der ~skeptische~ sie bezweifelt. -Kant ist transzendentaler oder formaler Idealist. Raum und Zeit -(besser Räumlichkeit und Zeitlichkeit) sind die berühmten beiden -„Anschauungsformen“ der Vernunft. „Sie hängen unserer Sinnlichkeit -schlechthin notwendig an, welcher Art auch unsere Empfindungen sein -mögen.“ Der Raum ist die Anschauungsform des nach Außen gerichteten -Sinnes, die Zeit die des nach Innen gerichteten Sinnes. Die -Bedeutung dieser Feststellungen habe ich in meinem früher genannten -Buche, ich glaube auf das sorgfältigste, zergliedert, und ich habe -nachgewiesen, daß die Eigenschaften des Raumes sich ohne den Begriff -der Ursächlichkeit nicht erschöpfen lassen, und daß die Besonderheit -der Zeit in den Geschehnissen als Projektion des inneren Bewußtseins -vom Wechsel in unserer Seelentätigkeit nach Außen aufzufassen ist. Ich -muß auf dieses Buch verweisen, darin der Leser auch gewisse andere -Distinktionen hinsichtlich der verschiedenen Arten von Raum und Zeit -finden wird. Obwohl nun Raum und Zeit unausweichliche Formen unserer -Anschauung nach Außen und nach Innen sein sollen, können sie uns doch -nichts, weder über die Welt noch über die Seele, lehren. Sie sind als -Stammbegriffe, Räumlichkeit und Zeitlichkeit, ~a priori~, „das ist, vor -aller wirklichen Wahrnehmung“, vorhanden; sie sind „reine Anschauung“. -Wogegen Empfindung ist „das in unserer Erkenntnis, was da macht, daß -sie Erkenntnis ~a posteriori~, das ist empirische Anschauung heißt“. - -Die apriorischen Stammbegriffe, deren Bedeutung als apriorische so oft -und so energisch geleugnet worden ist und noch geleugnet wird, spielen -bei Kant eine große Rolle. Ich selbst halte sie für ganz unerläßlich; -ein äußeres oder inneres Leben ohne beispielsweise den Stammbegriff -der Ursächlichkeit, scheint mir absolut ausgeschlossen. Kein Tier -würde essen oder trinken ohne diesen Stammbegriff, kein Tier auf einen -Reiz irgendeine Wahrnehmung haben. Daß die Stammbegriffe uns nicht -immer bewußt sind, ist zwar richtig, tut aber nichts zur Sache. Das -Bewußtsein gehört überhaupt nicht zu allen physischen Handlungen. Wir -wenden viele Tätigkeiten der Seele, z. B. das Wollen, mehr oder weniger -bewußt, zuweilen ganz unbewußt an. Zwar geschieht sehr vieles bewußt, -was uns nachher unbewußt geschehen erscheint, weil wir kein Interesse -daran hatten, es zu behalten, wie namentlich animalische Handlungen, -Gehen, Essen usf., und auch logische, wie das Rechnen aus „Gewohnheit“. -Aber mögen auch die Handlungen vom Tiere oder vom Kinde unbewußt -geschehen, aus „Instinkt“ oder „Trieb“, so bleibt doch zweifellos der -~Grund~ für diesen Instinkt oder Trieb. Und will man keinen Grund -angeben, so sind Instinkt oder Trieb apriorisch, angeboren, und man hat -nichts gewonnen außer etwas, das man bei entwickeltem Verstande wieder -fallen läßt. Es ist etwas nötig, das die Wesen animalisch, weltlich -und geistig überhaupt leben läßt. Damit müssen sie von vornherein -ausgerüstet sein, sonst ist keines dieser Leben als Leben möglich, -wenigstens nicht für den, der in den Wesen nicht pure Zwangsmaschinen -sieht. Dieser braucht allerdings keine apriorischen Seelentätigkeiten. -Es sind -- ich will mich vorsichtig ausdrücken -- gewisse apriorische -Seelentätigkeiten nötig, die von den untersten Wesen nach oben und vom -Geborensein nach dem Alter, phylogenetisch und ontogenetisch, mehr -und mehr ins Bewußtsein treten, deutlicher und deutlicher werden, wie -ein Gedanke, eine Vorstellung, ein Wille, eine Empfindung usf., die -ja auch verschwommen beginnen und zuletzt scharfstrahlig leuchten -können. „Erworben“, „erlernt“ sind hier nur leere Redewendungen, denn -man wird immer fragen müssen, woher die ~Fähigkeit~ zum Erwerben, -Erlernen kommt, und wird dann eben auf das Apriorische zurückgelangen. -Einer Puppe kann man die menschliche Gestalt geben und sie so oft -zum Gehen anleiten als man will, sie geht doch nicht von selbst, -sie hat im Inneren die Fähigkeit dazu nicht. Diejenigen aber, die -auch in den lebenden Wesen zwangsmäßige äußere und innere Automaten -sehen, dazu eigentlich auch die Okkasionalisten gehören, brauchen -freilich, wie bemerkt, Apriorisches nicht, sie brauchen dann auch keine -~abgeleiteten~ Begriffe, keine Erfahrung, überhaupt gar nichts. Ich -werde später diese Ausführungen vervollständigen (S. 474 f.), auch -mich auf sie zu berufen haben, und verweise nur noch auf das früher -(S. 222 f.) von der kategorischen oder regulativen Seele Gesagte. Denn -das Apriorische ist kategorisch, regulativ. Es gehört zu den größten -Verdiensten Kants, daß er das Angeborene von dem Erworbenen so scharf -zu unterscheiden gelehrt hat, indem er nachwies, wie ersteres durchaus -die unausweichliche Voraussetzung für letzteres ist. Die Notwendigkeit -für das Leben überhaupt hat er nicht betont, sie folgt aber unmittelbar. - -Also, es besteht eine Welt. Sie ist transzendental. Die Seele faßt -sie nach ihren Kategorien auf. Welches diese Kategorien außer Raum -und Zeit noch sind, habe ich hier nicht auseinanderzusetzen. Nach -der reinen Vernunft gehören die ethisch-religiösen Begriffe, wie -Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, nicht zu diesen Kategorien. Sie -unterliegen mit anderem den ~Antinomien~ (Gegensätzlichkeiten) und -~Paralogismen~ (Vorspiegelungen, Einbildungen, Erschleichungen) der -Vernunft. Darauf kommen wir noch zurück. Daß die Welt tatsächlich ist -und sich nicht, wie bei Berkeley, in einen von Gott in uns eingeimpften -Schein auflöst, hat Kant oft betont. „Wenn ich sage: im Raum und in -der Zeit stellt die Anschauung, sowohl der äußeren Objekte, als auch -die Selbstanschauung des Gemüts, beides vor, so wie es unsere Sinne -affiziert, das ist, wie es erscheint, so will das nicht sagen, daß -diese Gegenstände ein bloßer ~Schein~ wären. Denn in der Erscheinung -werden jederzeit die Objekte, ja selbst die Beschaffenheiten, die wir -ihnen beilegen, als etwas wirklich Gegebenes angesehen, nur daß, sofern -diese Beschaffenheit nur von der Anschauungsart des Subjekts in der -Relation des gegebenen Gegenstandes zu ihm abhängt, dieser Gegenstand -als ~Erscheinung~ von ihm selber als ~Objekt an sich~ unterschieden -wird. So sage ich nicht, die Körper scheinen bloß außer mir zu sein, -oder meine Seele scheint nur in meinem Selbstbewußtsein gegeben zu -sein, wenn ich behaupte, daß die Qualität des Raumes und der Zeit, -welcher, als Bedingung ihres Daseins, gemäß ich beide setze, in meiner -Anschauungsart und nicht in diesen Objekten an sich liege. Es wäre -meine eigne Schuld, wenn ich aus dem, was ich zur Erscheinung zählen -sollte, bloßen Schein machte. Dieses geschieht aber nicht nach unserem -Prinzip der Idealität aller unserer sinnlichen Anschauungen“, sondern, -wie Kant nun weiter ausführt, gerade nach dem Prinzip der objektiven -Realität der Anschauungsformen. Und er wundert sich nicht, daß Berkeley -aus Widerspruch gegen diese objektive Realität der Anschauungsformen -zur Aufhebung aller Objektivität der Gegenstände gekommen sei, indem -er sie für einen Schein erklärte. Er hätte sogar die eigene Existenz -für Schein erklären müssen. Kant meint, die letztere Ungereimtheit -hätte sich noch niemand zu Schulden kommen lassen; den Indiern war sie -keine Ungereimtheit. Für die Wirklichkeit, wenn auch transzendente, -von uns nicht zu erfassende, der Welt hat sich Kant oft in gleicher -und nachdrücklicher Weise ausgesprochen. Der vierte Paralogismus -bezieht sich ja unmittelbar auf Ablehnung der Schein-Welt (s. unten). -Es gibt also Dinge-an-sich, ~Noumena~; wie diese uns erscheinen, sind -sie ~Phänomena~. Alle unsere Erfahrungen beziehen sich auf letztere, -ob es Dinge außer uns sind oder in uns. Aus der Übertragung unserer -Kenntnisse und Meinungen von den Phänomena auf die Noumena entstehen -jene berühmten vier ~kosmologischen Antinomien~, die sich im Satz, -der Thesis, wie in dem Gegen-Satz, der Antithesis, mit gleicher -Evidenz beweisen lassen, wie: Die Welt hat einen Anfang in der Zeit -und Grenzen im Raum; Die Welt hat keinen Anfang in der Zeit und -keine Grenzen im Raum. Alles besteht aus einfachen Teilen, und nur -das Einfache ist; Nichts besteht aus einfachen Teilen und nirgend -existiert Einfaches. Außer Gesetzen ist Freiheit notwendig; Es ist -keine Freiheit, nur Gesetze sind. Zu der Welt gehört ein schlechthin -notwendiges Wesen, Gott; Es existiert kein zur Welt schlechthin -notwendiges Wesen. Im Gebiete des inneren Lebens führt jene Übertragung -zu den vier ~Paralogismen~, den Erschleichungen wie: Die Seele ist -etwas, das zur Bestimmung keines Dinges gebraucht werden kann, absolute -Substanz. Die Seele ist einfach. Die Seele ist persönlich. Das Dasein -aller Gegenstände äußerer Sinne ist zweifelhaft (skeptischer oder -dogmatischer Idealismus). Die Antinomien beziehen sich der Reihe nach -auf: Schöpfung und Ende oder Nicht-Schöpfung und Nichtende der Welt, -und Nichtgrenzen oder Grenzen der Welt; Eins oder Mannigfaltigkeit der -Welt; Verantwortlichkeit oder Nicht-Verantwortlichkeit des Menschen -(oder Gut und Böse und Nicht-Gut und Nicht-Böse) in der Welt; Gott ein -Schöpfer und Herr der Welt oder Gott Nicht-Schöpfer und Nicht-Herr. -Und die Paralogismen auf: Vorhandensein einer von allen wahrnehmbaren -Objekten auszunehmenden Seele; Unsterblichkeit der Seele; Seele als -Sonderwesen; Nichtwirklichkeit der Welt. Es sind die Kardinalfragen, -um die es sich handelt. Und nur der vierte Paralogismus führt zu -einem positiven Ergebnis, daß die Nichtwirklichkeit der Welt nur eine -Erschleichung des Verstandes ist. Die Antinomien sind nicht lösbar; -die drei ersten Paralogismen ergeben ein Negatives. In der Tat ist -auch hier mit der Dialektik nichts auszurichten; die Naturwissenschaft -aber bietet einiges zur Lösung dieser Fragen in dem einen oder anderen -Sinne, was später zur Sprache kommt. - -Gehen wir noch einmal zurück auf die kosmologischen Verhältnisse. -Die vier Antinomien betreffen in der Thesis Vollkommenheiten, -nämlich: der Dauer und Grenzen, der Zusammensetzung, des Daseins, des -Absoluten. Kant spricht so von vier ~transzendentalen Ideen~. Sie -sind ~kosmologisch~, solange sie die Vollständigkeit der Bedingungen -in der Sinnenwelt betreffen, also in der Welt der Erscheinungen, -Phänomene. Sobald wir sie jedoch auf dasjenige beziehen, was außerhalb -dieser Sinnenwelt steht, auf die Noumena, so werden sie schlechthin -~transzendent~. Schon die kosmologischen Ideen sind an keiner -Erscheinung in concreto vorzustellen, da sie die ~Vollendung~ einer -empirischen Reihe bedeuten. Die transzendenten aber trennen sich -überhaupt von der Erfahrung; sie beruhen allein auf Begriffen a priori. -Gleichwohl, meint Kant, drängt uns vieles zunächst die vierte Idee, -von Gott, wenigstens auf eine transzendente Wirklichkeit zu beziehen, -also eine solche anzunehmen. Sofern etwas durch die Idee allein, in -individuo, also als ein Einzelnes, bestimmbar oder gar schon bestimmt -ist, nennt Kant es ~Ideal~ oder ~Prototypon~. Gewisse Ideen haben nun, -wenn auch nicht wie Platons Idee der göttlichen Kraft, ~schöpferische~, -aber doch ~praktische Kraft~ als ~regulative Prinzipe~, und die ihnen -entsprechenden Ideale sind „Urbilder“ für diese Regeln. „Diese Ideale,“ -sagt nun Kant (Kritik der reinen Vernunft, S. 453), „ob man ihnen -gleich nicht objektive Realität (Existenz) zugestehen möchte, sind -doch um deswillen nicht für Hirngespinste anzusehen, sondern geben ein -unentbehrliches Richtmaß der Vernunft ab, die des Begriffes von dem, -was in seiner Art ganz vollständig ist, bedarf, um darnach den Grad -und die Mängel des Unvollständigen zu schätzen und abzumessen.“ Und er -warnt ausdrücklich, sie etwa mit den Geschöpfen der Einbildungskraft -zu verwechseln, „welche mehr eine im Mittel verschiedener Erfahrungen -gleichsam schwebende Zeichnung, als ein bestimmtes Bild ausmachen“, -Monogramme, wie er sagt. Ein solches transzendentales Ideal ist nun -das ~Ding-an-sich~ als Allbesitz der Realität, das ens realissimum, -indem es der durchgängigen Bestimmung, die notwendig bei allem was -existiert angetroffen wird, zugrunde liegt. Dieses Ideal „ist aber auch -das einzige eigentliche Ideal, dessen die menschliche Vernunft fähig; -weil nur in diesem einzigen Falle ein an sich allgemeiner Begriff -von einem Dinge durch sich selbst durchgängig bestimmt, und als die -Vorstellung von einem Individuum erkannt wird.“ So ist dieses Ideal -das Prototyp aller Dinge, welche insgesamt als Nachbilder (Ektypa) den -Stoff zu ihrer Möglichkeit von ihm nehmen, und indem sie demselben -mehr oder weniger nahekommen, dennoch unendlich weit daran fehlen, es -zu erreichen. Es ist in der Vernunft die „Möglichkeit aller Dinge“, -und so das „Urwesen (ens originarium)“, „höchste Wesen (ens summum)“, -„Wesen aller Wesen (ens entium)“. „Der Begriff eines solchen Wesens -ist der von ~Gott~ in transzendentalem Verstande gedacht.“ Indessen -doch wieder alles nur in der Vernunft; die objektive Existenz eines -„Wesens von so ausnehmendem Vorzuge“ ist uns völlig ungewiß. Und nun -bringt Kant, wiewohl er also in der Vernunft die Notwendigkeit eines -solchen Ideals, das aber im Grunde nichts anderes ist als die einzige -Idee aller Realität, zugesteht, seine berühmten Gründe gegen alle -vermeintlichen „Beweise“ einer Existenz Gottes. Und dabei bleibt es -der reinen Vernunft gegenüber. Daß wir „diese Idee vom Inbegriffe -aller Realität hypostasieren, kommt daher, weil wir die ~distributive~ -Einheit des Erfahrungsgebrauchs des Verstandes in die ~kollektive~ -Einheit eines Erfahrungsganzen dialektisch verwandeln, und an diesem -Ganzen der Erscheinung uns ein einzelnes Ding denken, was alle -empirische Realität in sich enthält, welches dann vermittelst der... -transzendentalen Subreption, mit dem Begriffe eines Dinges verwechselt -wird, was an der Spitze der Möglichkeit aller Dinge steht, zu deren -durchgängiger Bestimmung es die realen Bedingungen hergibt“. Die Reihe -ist: Realisierung, Hypostasierung, Personifizierung. „Die Vernunft wird -durch einen Hang ihrer Natur getrieben, über den Erfahrungsgebrauch -hinauszugehen, sich in einem reinen Gebrauche und vermittelst bloßer -Ideen zu den äußersten Grenzen aller Erkenntnis hinaus zu wagen, und -nur allererst in der Vollendung ihres Kreises, in einem für sich -bestehenden systematischen Ganzen Ruhe zu finden.“ Damit ist aber eben -keine objektive Existenz gegeben, das heißt, nicht ~bewiesen~. Manche, -namentlich Materialisten, haben nun gemeint, Kant hätte Gott, Seele -usf. überhaupt abgelehnt, er hätte ~bewiesen~, daß sie vor der reinen -Vernunft nicht existieren. Das ist völliges Mißverständnis. Er hat nur -erklärt, daß die Existenz dieser Dinge sich aus der reinen Vernunft -nicht beweisen lasse. Daß diese Dinge auch als Dinge-an-sich überhaupt -nicht vorhanden sind, hat er nirgend gesagt; es würde auch seinem -transzendentalen Standpunkt, den er so oft betont, widersprechen. -Denn dieses alles gehört ja zur transzendenten Wirklichkeit. Wenn -er daher in der „Kritik der praktischen Vernunft“ davon Gebrauch -macht, und von jenen Dingen als von praktisch-regulativen Prinzipien -handelt, so ist er ganz innerhalb seines Systems geblieben und -keineswegs von ihm abgewichen. Charakteristisch dafür ist, wie er -vom freien Willen spricht. Wenn wir alle menschlichen Handlungen bis -auf den Grund verfolgen könnten, würden wir eine stetige Kette von -Ursache und Wirkung finden, und jede Handlung aus ihren Bedingungen -als notwendig sogar voraussagen können. Also „in Ansehung unseres -~empirischen~ Charakters gibt es keine Freiheit“. Allein wir haben auch -den transzendenten „intelligiblen Charakter“; und da hier von einer -Naturkausalität keine Rede ist, so können dieselben Handlungen ihrer -Ursache nach vollkommen frei sein. Wir können nur nicht ~beweisen~, -daß, so aufgefaßt, sie es sind, weil das Transzendente außerhalb aller -Erfahrung liegt. Aber beweisen, daß sie es, transzendent aufgefaßt, -~nicht~ sind, können wir aus gleichem Grunde auch nicht. Und das gilt -von allen Hoch-Ideen und Hoch-Idealen, und hat auch Bezug auf Kants -„~Kategorischen Imperativ~“, Schillers „~Du kannst, denn du sollst~“. -Daß sein System ein Dualismus ist, hat übrigens der große Philosoph -selbst anerkannt; es ist ein solcher in der Unterscheidung der -transzendenten Welt von der empirischen, in der Annahme beider Welten, -praktisch auch in der Annahme von Gott und Welt oder von Geist und Welt -usf. - -Auch die dritte große Kritik, die „Kritik der Urteilskraft“, enthält -ein kosmologisches Regulativ: die ~Teleologie~, den ~Begriff der -Zweckmäßigkeit~. Es bezieht sich auf die Ordnung der Dinge -- z. -B. in Familien, Rassen, Arten, Gattungen usf. -- und den Übergang -der Abteilungen ineinander, die Ordnung der Geschehnisse -- z. B. -staatliche, individuelle, elektrische usf. --, endlich die Ordnung -der Ursachen. Der Begriff bezweckt hiernach wesentlich Vereinfachung -der Naturübersicht durch Zusammenziehung und Zusammenhang, Auffassung -der Weltordnung vom Standpunkte einer Einheitlichkeit und eines -Zweckes. Vom Verstand selbst wird ein solcher Begriff nicht gefordert, -wohl aber von der ~Urteilskraft~; und sofern er eine Bedingung a -priori feststellt, unter der allein Dinge Objekte unserer Erkenntnis -werden können, bedeutet er ein transzendentales Prinzip. Er ist -aber ein ~subjektives~ Prinzip der Urteilskraft; denn nicht der -Natur als solcher wird der Begriff der Zweckmäßigkeit unterlegt und -vorgeschrieben, sondern die Urteilskraft ordnet sich selbst ein Gesetz -für die Reflexion über die Natur vor. „Es ist nicht ein Prinzip der -bestimmenden, sondern bloß der reflektierenden Urteilskraft. Man -will nur, daß man -- die Natur mag ihren allgemeinen Gesetzen nach -eingerichtet sein wie sie wolle -- durchaus nach jenem Prinzip und den -sich darauf gründenden Maximen ihren empirischen Gesetzen nachspüren -müsse, weil wir nur so weit als jenes (Prinzip) stattfindet, mit -dem Gebrauche unseres Verstandes fortkommen und Erkenntnis erwerben -können.“ Man sieht, wie außerordentlich vorsichtig Kant dieses Prinzip -der Teleologie einführt. Keineswegs gibt er es als ein Prinzip der -Natur selbst aus. Nicht einmal den Kategorien zählt er es zu. Die -Zweckmäßigkeit ist kein ~konstitutives~ Prinzip der Ableitung der -Produkte der Natur, keine neue Kausalität, als welche sie der reinen -Vernunft angehören und zur Anschauung dienen würde, sondern lediglich -ein ~regulatives~ Prinzip, nur für die reflektierende Beurteilung. -Unter dem Begriff der Kausalität ~müssen~ wir die Natur betrachten, -unter dem der Zweckmäßigkeit ~beurteilen~ wir sie nur. Soweit das -Urteil auf Empfindungen (Lust, Unlust, Schön, Unschön usf.) zurückgeht, -ist die Zweckmäßigkeit ~subjektiv~ (oder formal) und Gegenstand der -ästhetischen Urteilskraft. Begründet es sich aber auf Verstand und -Vernunft, indem es sich um bestimmte Bedingungen handelt, „unter denen -etwas, (z. B. ein organisierter Körper) nach der Idee eines Zweckes -der Natur zu beurteilen sei“, so wird die Zweckmäßigkeit ~objektiv~ -(auch ~real~) genannt. Wir wissen, daß die Menschheit sich von je mit -beiden Arten von Zweckmäßigkeit beschäftigt hat: die Welt und das -Leben einerseits einer harmonischen Schönheit, andererseits einer -zielstrebigen Entwicklung und Ordnung zuzuführen. In anderer Form wird -das Prinzip auch in drei Prinzipe zerlegt: ~Gesetzmäßigkeit~, ~engere -Zweckmäßigkeit~, ~Zweck~, und wird die Anwendung dem Verstand, der -Urteilskraft, der Vernunft zugewiesen. Alle fließen aus dem allgemeinen -transzendentalen Prinzip. Die weiteren, ungemein scharfen und schönen -Distinktionen muß ich übergehen. - -Nur einen Begriff möchte ich hervorheben, den der ~organisierten -Wesen~, diese sind „Dinge als Naturzwecke“. Ein solches Ding muß „sich -zu sich selbst wechselseitig als Ursache und Wirkung verhalten“. Ein -Ding ist aber Natur~zweck~, wenn seine Teile „nur durch ihre Beziehung -auf das Ganze möglich sind“, so daß ein jeder Teil, „sowie er nur -~durch~ alle übrigen da ist, auch als ~um~ der anderen und ~des Ganzen -willen~“, als ein „hervorbringendes Organ“ besteht. Diese Definition -schließt alle Kunstprodukte aus. Wir können uns eine Maschine -vorstellen, samt Kessel, Heizung und Regulatoren, die sich selbst in -Gang erhält, indem sie selbst Wasser in den Kessel nachpumpt, Kohlen -in die Heizung nachschüttet und auch ihren Gang selbst reguliert; -ein vollständiger Automat. Sie wirkt und verursacht (indirekt) ihre -Wirkung. Ja, wir können uns sogar die Maschine so eingerichtet denken, -daß sie auch physikalisch und chemisch Teile ersetzt, entfernt und -ansetzt. Ist sie nach der obigen Definition ein organisiertes Wesen? -Keineswegs! Sie gleicht einem solchen, zum Beispiel dem Menschen, -in äußeren Tätigkeiten, etwa Gehen, Drehen usf., sodann in der -Stoffaufnahme und -abgabe, in der Regulierung der äußeren Tätigkeiten, -obzwar hier schon nur noch, soweit Kraft erforderlich oder überflüssig -ist und durch die Stoffaufnahme oder -abgabe geregelt wird. Zuletzt -auch etwa in Dingen wie Ankleidung, Entkleidung, Ersatz von Teilen -durch künstliche Teile. Aber die Hauptsache fehlt: das Hervorbringen -jedes Teiles aus sich selbst, die Schaffung der Form, ihr Wachstum -und ihre Erhaltung an jeder Stelle aus sich selbst. Indem Kant gerade -dieses fordert, erhebt er den organisierten Körper, der eine Maschine -ja auch ist, zum organisierten Wesen, zum belebten Wesen, das keine -Maschine sein kann. Viel unnötiger Streit würde vermieden sein, wenn -die modernen Automatenanhänger unter Materialisten und Philosophen -die lichtvollen Darlegungen unseres Kant sich recht zu Gemüte führen -wollten. Automat ist nicht einmal das geringfügigste Lebewesen, -geschweige der Mensch. Cartesius hatte durchaus Unrecht, die Pflanzen -und Tiere dafür zu erklären, und moderne Mechanisten und Sensualisten -irren bei weitem mehr, auch den Menschen hinzuzuziehen. ~Driesch~ -in seinem belehrenden Buche „Philosophie des Organischen“, ist viel -zu gelinde verfahren, als er erklärte, daß, wenn ein Lebewesen eine -Maschine sein sollte, jeder, auch der kleinste ihrer Teile die gleiche -Maschine sein müßte, und daß, in Verbindung mit dem Zusammenhang -dieser Teile miteinander, eine solche aus unendlich vielen gleichen -Maschinen zusammengesetzte, ihnen gleiche Maschine nicht denkbar sei. -Die Wirksamkeit der organisierten Wesen von ~Innen~ heraus und ~auf -sich selbst~, auf ihre eigene Form, ihr eigenes Sein, ihr eigenes Leben --- das ist das Entscheidende; das leisten auch die kleinen Maschinen, -die man etwa für jede Zelle setzen wollte, oder gar, wie bei den -einzelligen Wesen, für jeden Teil einer Zelle, nicht, und -- was die -Hauptsache ist -- eine Maschine, die das leisten müßte -- etwa eine -Lokomotive, deren Räder, Kolben, Kessel, Regulatoren usf. ganz und in -jedem Teil gleichfalls Lokomotiven sind --, ist auch nicht vorstellbar -für uns. Denn, wie wiederum Kant hervorgehoben hat, da unser Denken -ein diskursives, kein intuitives ist, vermögen wir am Fertigen den -Aufbau nicht nach Gesetzen abzuleiten. Da tritt eben der Zweck ein, -und wir haben für die Urteilskraft im Fertigen einen Naturzweck, als -organisiertes Wesen, wenn es den obigen Bestimmungen Kants entspricht, -ein nicht organisiertes, wenn Entstehung, Wachstum, Erhaltung von -außen positiv oder negativ erfolgt, wie bei einem Kristall oder bei -den Pseudozellen. Es ist immer auf das ~fertige, stabile~ Lebewesen -Bedacht genommen, nicht auf das ~entstehende~ und ~sich entwickelnde~ -und ~sich erhaltende~. Im Fertigen mag manches maschinenmäßig aussehen, -Entwicklung und Erhaltung aber schließen die Maschine gänzlich aus. - -Diese Betrachtung, die ich an Kants Erklärungen anlehne, ist von -ungemeiner Wichtigkeit für die grundsätzliche Unterscheidung zwischen -der lebenden und der unbelebten Welt, mag auch die erstere durchaus -wie die letztere von äußeren Umständen abhängen, selbst wenn dieses -nach Darwinschen Prinzipien geschieht, in ihrer allerübertriebensten -Form. „Aber ~innere Naturvollkommenheit~,“ sagt Kant (Kritik der -Urteilskraft, Ausgabe von Kirchmann, S. 249), „wie sie diejenigen -Dinge besitzen, welche nur als ~Naturzwecke~ möglich sind und darum -organisierte Wesen heißen, ist nach keiner Analogie irgendeines uns -bekannten physischen, das ist Naturvermögens, ja, da wir selbst zur -Natur im weitesten Verstande gehören, selbst nicht einmal durch -eine genau angemessene Analogie mit menschlicher Kunst, denkbar und -erklärlich.“ Und das gilt, trotz aller Phrasen von mechanistischer und -anderer Seite und aller Hinweisungen auf Maschinen allerwunderbarster -Art und Vollkommenheit und auf Kristalle und künstliche Zellen. Das -~Von-innen-heraus~, das ~Aus-sichselbst-heraus~ (wenn auch unter -Benutzung aufgenommener Stoffe) fehlt immer und ~kann~ nach unseren -Begriffen nicht vorhanden sein, wenn nicht ein Neues zu dem Physischen -hinzukommt, eben das Psychische, das den Naturzweck von innen heraus -vollbringt. Driesch unterscheidet eine dreifache Harmonie in der -Entwicklung der Wesen: ~Harmonie der Konstellation~ -- die Teile -entwickeln sich zu einem individuellen Ganzen, selbst wenn sie sich -unabhängig voneinander entwickeln, wie bei dem Menschen Muskeln und -Nerven; ~Harmonie der Kausalität~ -- die bildenden (formativen) -Ursachen treffen genau die sich entwickelnden Teile nach der Richtung -der Endform, obwohl diese Teile sich jedes nach ganz verschiedenen -Richtungen entwickeln können; ~Harmonie der Funktion~ -- alle -Funktionen greifen ineinander zu einer einheitlichen Wirkung ein. Diese -drei Harmonien sind Kants Naturzweck. Ihr ~Erfolg~ sieht physisch aus, -ihren ~Gang~ aber in der Entwicklung und Erhaltung wird man unter -keinen Umständen als physisch im gewöhnlichen Sinne des Wortes erklären -können. Selbst eine Maschine ist ein Automat nur als ~fertiger~ -Gegenstand; gebaut aber hat sie sich nicht selbst, der Mensch hat sie -hergestellt und muß sie auch erhalten. Wenn man das Psychische auch zum -Physischen rechnen will, so mag das geschehen. Zur Welt gehört es ja. -Das berührt aber die Sonderstellung des Psychischen nicht, daß es eben -von Innen heraus schafft, nach Innen und nach Außen schafft, da alles -andere nur von Außen nach der Oberfläche heranzieht, von der Oberfläche -nach Außen abgibt. Höchstens spontane physikalische und chemische -Umsetzungen könnten als ein Ähnliches erwähnt werden. Aber abgesehen -davon, daß auch hier die Ähnlichkeit nur eine höchst oberflächliche -ist, wie sich jeder selbst zurechtlegen kann, werden wir später sehen, -wie grundverschieden der Lebensvorgang ist von den bezeichneten -Umsetzungen, ja wie er ihm zum Teil geradezu entgegenläuft. Und -dieses erhellt auch schon daraus, daß jene Umsetzungen eben -~Umsetzungen~ sind, die Organisierung aber das Gegenteil bezweckt und -erreicht: fortdauernde Schaffung des ~Gleichen~ und Erhaltung des -~Gleichen~, wenn auch durch physikalisch-chemische ~Assimilation~ und -~Dissimilation~. Wir sprechen von dieser Angelegenheit später noch mehr. - -Naturzweck darf nicht verwechselt werden mit Zweckmäßigkeit; es kann -etwas sehr Unzweckmäßiges gleichfalls Naturzweck sein, wie das ohne -Hilfe gänzlich hilflose Kind der ersten Zeit. Das liegt daran, daß der -Zweck tatsächlich noch nicht erreicht ist, oder nur so weit erreicht -ist, als es dieses Ding selbst betrifft, noch nicht aber so weit, als -sein Verhältnis zur äußeren Welt erfordert. Auch hier drückt sich -Kant, wenn auch bestimmt, doch sehr vorsichtig aus. Das Beispiel der -organisierten Natur führt dazu, daß die an sich subjektive Maxime des -Naturzwecks ausgedehnt und gesagt wird: „Alles in der Welt ist irgend -wozu gut, nichts ist in ihr umsonst; und man ist durch das Beispiel, -das die Natur an ihren organischen Produkten gibt, berechtigt, ja -berufen, von ihr und ihren Gesetzen nichts als was nur zweckmäßig ist -zu erwarten.“ Und er meint, ~insgesamt~ aufgefaßt; denn er führt als -Beispiele an, auch was für Einzelnes unzweckmäßig ist, wie Gifte, -Ungeziefer usf. Also in toto sei man berufen, Zweckmäßigkeit zu -erwarten. Was Kant zu seiner Zeit vermißte, nämlich die Einbeziehung -der Zweckmäßigkeit in die Naturwissenschaft, das konnte in unserer -Zeit zum Teil nachgeholt werden. Er selbst hat ja schon allein durch -sein unübertroffenes und in seiner Vollständigkeit (soweit selbst -gegenwärtig nur möglich) und allumfassenden Tiefe noch heute einzig -stehendes Werk über den Weltbau gewaltig vorgearbeitet. Und er hat -auch der modernen Entwicklungs-Naturwissenschaft vorgearbeitet, daß er -sogar als Vorläufer Darwins bezeichnet und in Anspruch genommen werden -konnte. Wir verlassen diesen Größten, dessen System als Kritisches zu -jedem System gehört und gehören muß. Was Eugen Dühring von ihm sagt, -ist eine schwere Unbegreiflichkeit dieses doch geistig selbst so -bedeutenden Mannes. - - -44. Ich, Nicht-Ich; Thesis, Antithesis, Synthesis; Naturphilosophie. - -Unter dieser Überschrift besprechen wir Anschauungen unmittelbarer -Nach-Kantianer. Wir können aber sehr kurz sein, denn es handelt -sich nicht um eine fruchtbare Fortbildung der Lehre des Meisters, -sondern eigentlich um eine Verschleppung in das Gestrüpp der -Dialektik. ~Fichte~ (1762-1814), in seiner ersten Philosophie, stellt -sich idealistischer als Kant. Er geht allein vom ~Ich~ aus, als -erstem Grundsatz; diesem muß ein ~Nicht-Ich~ als zweiter Grundsatz -entsprechen, und als dritter Grundsatz steht die ~Reaktion~ des Ich -gegen das Nicht-Ich. Nun haben wir eine unbedingte Wahrheit: ~Ich -ist Ich~, oder ~Ich bin~. Das gibt die Identität oder Realität; -die ~Thesis der Identität~ (~Realität~). Diese enthüllt alle innere -Tätigkeit. Das Ich setzt sich selbst, allein durch sich selbst. Die -zweite Wahrheit lautet: ~Nicht-Ich ist nicht Ich~, also führt sie zur -~Verneinung~ (~Negation~). Diese Wahrheit ist nicht mehr, wie die -erste, unbedingt, da außer dem Nicht-Ich ein Ich gesetzt ist, das -vorhanden sein muß; sie ist aber unbedingt der Form nach, und dem -Inhalt nach, sobald eben das Ich gesetzt ist. Die dritte Wahrheit -gibt die ~Umgrenzung~ (~Limitation~), indem die Gegensätzlichkeit, -die zwischen den beiden ersten Wahrheiten besteht -- es wird sogar -Widerspruch gesagt; ich sehe aber nicht einmal eine Gegensätzlichkeit, -die Wahrheiten sind doch lediglich koordiniert und stehen in gar -keiner Verbindung zueinander --, aufgehoben wird, sie lautet: ~Ich -zum Teil Nicht-Ich, wenn Nicht-Ich zum Teil Ich~. Es ist die reine -symbolische Mathematik. Wert gewinnt sie nur durch die empirischen -Bestimmungen, und so wird sie auch aus dem empirischen Bewußtsein -entnommen und versachlicht. Das Nicht-Ich ist entweder ein eigenes -Tätiges und ~kausal~ der Grund des „Leidens“ des Ich. Oder es ist an -sich nicht vorhanden, aber das Ich wechselt in seiner Tätigkeit, ist -begrenzt, und faßt diese Begrenztheit als Leiden durch ein Nicht-Ich -auf. Der letztere Fall gibt den dogmatischen Idealismus, der erstere -soll dogmatischer Realismus sein; ich vermag aber nicht einzusehen, -warum er nicht den transzendentalen Idealismus soll konstruieren -können. Das Gefühl der Begrenztheit (S. 338) ist wie eine Reflexion der -Ich-Tätigkeit nach dem Ich zurück. Und dadurch kommt die Anschauung, -als wenn außer dem Ich noch etwas wäre, gegen das das Ich nicht -ausgedehnt werden kann. Indem nun Fichte sich für diese Auffassung des -Idealismus entschließt, verlegt er Kants Ding-an-sich zwar in das Ich -selbst, bringt aber dafür das Unbegreifliche der Begrenztheit des Ich -als ein Neues, wodurch für die Vereinfachung der Anschauung nichts -gewonnen ist. Außerdem fragt man vergeblich, wie ein allein bestehendes -Ich je von einer solchen Begrenztheit soll Bewußtsein haben können. -Wenn es allein besteht, ist es ja absolut vollkommen. Wahrscheinlich -ist Fichte deshalb zuletzt ganz zum Berkeleyschen deistischen -Idealismus gedrängt worden, seiner späteren Philosophie, von der schon -gesprochen ist (S. 358). In seiner ersten Philosophie aber geht er -in mancher Hinsicht noch radikaler vor als Kant; er sieht sogar von -Gott ganz ab. „Die moralische Weltordnung ist das Göttliche, das wir -annehmen.“ - -Von den vielen Anschauungen ~Schellings~ (1775-1854) schließt sich -die erste, ganz an Fichtes Entwicklungen an. Später gestand er im -Sinne Kants dem Ding-an-sich eine objektive Existenz zu, und ging -sogar so weit, die Identität dieses Dinges mit der Vorstellung in uns -zu behaupten. Richtete er nun die Vorstellung nach dem Ding, so kam -er zum gewöhnlichen dogmatischen Realismus. Tat er das Umgekehrte, -indem er das Ding der Vorstellung anpaßte, so folgte der Kantische -Idealismus; verhielt er sich aber zwischen beiden indifferent, so -geriet er auf Spinozas Anschauung. Er hat das letztere getan, und so -in der Identitätsphilosophie auch Spinozas Anschauung, die wir noch -kennen lernen werden, vertreten. Wir haben gesehen, daß Schelling in -der weiteren Entwicklung sich auch dem Mystizismus und Jakob Böhmes -Theosophie angeschlossen hat. Zuletzt ist er auch positiver Philosoph -geworden. Aus allem darf man ihm keinen Vorwurf machen; es hat ihn eben -keine Anschauung befriedigt, und selbst eine sich zu schaffen, reichte -seine Begabung, die wesentlich nach dem Methodischen ging, nicht hin. -Mehr kann man ihm, wie auch dem bald zu nennenden Hegel und auch -Herbart, das etwas wüste Wirtschaften mit den naturwissenschaftlichen -Kenntnissen und die willkürlichen Analogisierungen des Geistigen mit -dem Physischen verdenken, wodurch bekanntlich diese ganze Philosophie -und namentlich ihr bedeutendster Teil, die Naturphilosophie, aufs -höchste in Verruf gekommen ist, so daß gerade die Naturforscher sich -von ihr voll Widerwillen abwandten, und daß, fast bis in unsere Zeit, -Naturphilosophie verpönt war. Wertvoll noch jetzt ist, gleichfalls nach -Fichte, Schellings Unterscheidung zwischen dieser Naturphilosophie -und der Transzendentalphilosophie. In jener ist die Natur zum Ersten -gemacht, und es wird gefragt, wie sie in das Intelligente des Subjekts -dringt; in dieser ist die Intelligenz des Subjekts das Primäre, und es -ist zu entscheiden, wie aus ihr die Natur entsteht. Die Antwort für -die erste Frage ist in Kants Prinzip der Urteilskraft enthalten (S. -367), die für die zweite in dessen transzendentem Idealismus. Schelling -geht empirischer vor; er erhebt einen Erfahrungssatz, dessen innere -Notwendigkeit erkannt ist, zu einem apriorischen Satz: „Empirismus, -zur Unbedingtheit erweitert, ist Naturphilosophie“. Es wird nicht -viele geben, die mit dieser Definition einverstanden sind. Oder es -muß eine theoretische Naturphilosophie unterschieden werden von einer -praktischen; jene ist wieder Transzendentalphilosophie, da überhaupt -alles Unbedingte transzendent ist. Schelling freilich behauptet, daß -man in der Natur auch das Absolute erkennen kann. Ich wüßte nicht, wie -das empirisch geschehen soll. Selbst wir, die wir die Einheitlichkeit -der Vorgänge und der Stoffe in der Natur so bis ins Einzelne verfolgt -haben, können keine absolute Einheit in der Natur feststellen; -nicht einmal für alles, das Psychische eingeschlossen, auch nur -wahrscheinlich machen. Man denke, wie jetzt sogar das Trägheitsgesetz -wankt, wie die allgemeine Gravitation zweifelhaft wird, selbst das -Substanz- und Energiegesetz nicht mehr sichere Wahrheit ist. Wissen von -der Natur kann eben nie zur Unbedingtheit gelangen; nicht etwa allein, -weil die Erfahrungen immer unvollständig sind, sondern einfach, weil -die Welt sich stetig wandelt und uns immer nur das Jetzt zur Verfügung -steht, nicht das Vor noch das Nach. Eine Naturphilosophie kann also nur -transzendent oder empirisch sein. Im ersteren Falle gehört sie mit der -Transzendentalphilosophie überhaupt zusammen, im zweiten ist sie eine -gewöhnliche empirische Wissenschaft. In unseren „Naturphilosophien“ -vereinigen wir beide Arten, aber nur um möglichst vollständig zu sein, -und wegen der Zweckmäßigkeitsmaxime der Urteilskraft, die jedoch, wie -wir wissen, nichts bedingt, sondern nur leitet. - -~Hegels~ (1770-1831) Entwicklung der verschiedenen Stufen des Geistes -ist sehr lehrreich, hat aber auch bei ihm mehr methodischen Wert, wie -überhaupt sein ganzes philosophisches System im Grunde Methodik ist. -Die reale und ideale Welt sind auch hier gesetzt. Ihr Wirken für sich -und ihr Verhalten zueinander wird aber aus der ~logischen Idee~, die -der Welt zugrunde liegt, und der Entwicklung nach dieser Idee erklärt. -Diese logische Idee ist nicht der Nus des Anaxagoras, noch der sonst -bekannte Logos. Er wirkt in besonderer Weise, nämlich zufolge den drei -Grundsätzen Fichtes, vielleicht richtiger nach denen Jakob Böhmes. Wir -sahen, wie bei diesem Manne Gott sich mit sich selbst entzweite, und -wie dann das Entzweite sich in der Entwicklung zur Identität wieder -erheben sollte. Hegel meint ganz entsprechend, jeder Begriff entzweie -sich mit sich selbst und schlage so in sein Gegenteil um, um dann in -einer höheren Einheit sich mit ihm auszugleichen. Der gesetzte Begriff -ist die ~Thesis~, der durch Umschlagen erzeugte die ~Antithesis~, -die Ausgleichung in der höheren Einheit die ~Synthesis~. So geht das -Universum in stetiger Entwicklung von Thesis zur Antithesis, Synthesis, -von dieser zu neuer Antithesis, Synthesis usf. Solche Kreisvorgänge -sind dem Naturforscher wohl vertraut. So meinte es aber Hegel nicht. -Seine Ansicht ist rein transzendent: die Idee schlägt um in Natur, -ganz oder, soweit in der Natur Nichtnaturgesetzliches vorhanden ist, -etwa Zufälliges, zum Teil, wobei dieses Zufällige Idee ist. Beide, -Idee und Natur, vereinigen sich in der höheren Einheit Geist, der von -der Natur abhängig, zur Natur im Gegensatz und die Natur erkennend -ist. Der Geist bedeutet hiernach die aus ihrer Entäußerung in sich -zurückgekehrte Idee. Wie, infolge der Abhängigkeit von der Idee, -das Wesen der Natur Notwendigkeit und Zufälligkeit ist, so das des -Geistes Freiheit, Unabhängigkeit von allem Äußeren. Er entwickelt sich -aber in drei Stufen als: ~subjektiver Geist~, hinsichtlich seines -Verhaltens zur Natur (neutral, leidend, gegensätzlich); ~objektiver -Geist~, der das Allgemeine in den Äußerungen menschlichen Zusammenseins -betrifft (Moral, Sittlichkeit, Recht, Verhalten zu Staat, Gesellschaft -und Familie usf.), ~absoluter Geist~, der als Anschauung auf Kunst -und Wissenschaft, als Vorstellung auf Religion, als Vernunft auf -Begriffsbildung (Philosophie) sich bezieht. So gut diese Distinktionen -sind, so lehren sie doch für das Wesentliche nichts. Mit Sätzen -wie: Die Natur ist die „Idee in der Form des Anderssein“ ist nichts -anzufangen. Woher stammt die Idee? Wie ist sie aufzufassen? Als -transzendentaler Grund alles Seins und Denkens, etwa wie die „Vernunft -Gottes“? Wie ist ihr Umschlagen in Natur zu verstehen? Hat man dabei -die gnostisch-theosophischen Vorstellungen anzuwenden oder ist das -Ganze einfach ein Gesetztes? Mehr bedeutet es, wenn Religion als -Denken des Absoluten, als „Inseinswissen mit Gott“ bezeichnet wird, -so daß ein ~Wissen~ von Gott erfolgt. Wenn dann noch näher bestimmt -wird, Religion sei „Wissen des göttlichen Geistes von sich durch -Vermittlung des endlichen Geistes“, so muß der göttliche Geist in uns -stecken; und wäre nicht die „Idee“, die so unvermittelt steht, so hätte -man einen üblichen Pandeismus. Ich habe schon hervorgehoben, daß im -Hegelschen System die Methodik die Hauptsache ist, und in dieser hat -Hegel höchst Bedeutendes geleistet. Auch seine naturwissenschaftlichen -Systematisierungen sind nicht von der Hand zu weisen. Das gehört aber -alles nicht hierher. - -Den edlen ~Schleiermacher~ (1768-1834) erwähne ich sogleich hier. -Denn er spricht gleichfalls von etwas wie These und Antithese, jedoch -empirischer, indem er meint, daß, da unser Denken an Wahrnehmungen -gebunden ist, es sich immer in Gegensätzen bewegt und das -Gegensatzlose, also die letzte Synthese in Hegels Sinn, nie erreicht. -Einen transzendentalen Grund alles Seins und Denkens erkennt er mit -Kant an, doch weiter mehr in der Bedeutung von Spinozas System, das er -sehr hochstellt. Seine Individualitätslehre ist aber wie ein Ausschnitt -aus Leibniz’ Monadologie. Jedes Individuum, jeder Mensch bedeutet ein -Wesen für sich, eine „eigentümliche und ursprüngliche Darstellung -der Welt“. Deshalb ist der Mensch aber auch ein „Kompendium“ seiner -ganzen Gattung, der Menschheit, so daß er in dieser Menschheit „sein -eigenes vervielfältigtes, deutlicher ausgezeichnetes und in allen -seinen Veränderungen gleichsam verewigtes Ich anschaut“. „Der Geist -ist das Erste und Einzige, die ganze Welt nur sein selbstgeschaffener -Spiegel (S. 370), nur der große gemeinschaftliche Leib der Menschheit.“ -Es ist schwer zu verstehen, was das besagen soll, vielleicht ist es -spinozistisch zu deuten. - - -45. ~Die Welt als Wille und Vorstellung; Pessimismus, Philosophie des -Unbewußten, moderner Idealismus.~ - -~Arthur Schopenhauer~, dieser ganz außerordentliche Mann (1788 in -Danzig geboren, 1860 zu Frankfurt a. M. gestorben), ist eigentlich der -einzige, der Kants System erfolgreich bereichert hat. Die Welt ist -wie bei Kant ein transzendentes Objekt. Wir haben von ihr nur unsere -Vorstellungen. Diesen Standpunkt glaubt Schopenhauer energischer -zu vertreten als Kant. Die Vorwürfe, die er diesem macht, er hätte -in der zweiten Ausgabe seiner Kritik der reinen Vernunft seinen -transzendental-idealistischen Standpunkt verlassen, sind jedoch -ungerechtfertigt. Auch in der zweiten Auflage des Grundwerkes ist das -Ding-an-sich kein Objekt, das je an Anschauung und Kategorien gebunden -ist, sondern das Transzendentale hinter den Vorstellungen, und das -Wirkliche. Schopenhauer reduziert alle Kategorien auf Kausalität, -Ursächlichkeit; es ist in der Tat die Grundkategorie (S. 361). -Ursächlichkeit mit Raum und Zeit sind so die Bedingungen a priori -aller Vorstellungen. Und die Welt ist zunächst Vorstellung unter -diesen Bedingungen. „Die Welt ist meine Vorstellung“, leitet sich -das Hauptwerk Schopenhauers: „Die Welt als Wille und Vorstellung“ -ein. Indessen damit kann der Gegenstand nicht erschöpft sein. Der -Philosoph geht als Naturforscher, der er zugleich ist, auf den Teil -der Welt zurück, der unser Leib ist. Und da findet er denn, daß -diesem gegenüber, außer der Vorstellung, doch noch etwas anderes -vorhanden ist, wodurch er in toto genere verschiedener Art aufgefaßt -wird. In meinem Buche „Philosophische Grundlagen usf.“ habe ich für -diese Auffassung die Bezeichnung „Körperbewußtsein“ gewählt. Nach -Schopenhauer ist es ~Wille~. Der Körper ist durchaus dem unterworfen, -was wir in uns als Wille kennen, namentlich: er bewegt sich, und -Teile von ihm bewegen sich. Aber dieses ist nicht so zu verstehen, -daß der Wille als Ursache die Bewegung des Körpers zur Folge hat, -keineswegs, sondern beide sind absolut miteinander verbunden; Bewegung -und Wille sind ein Akt. „Der Willensakt und die Aktion des Körpers -sind nicht zwei objektiv erkannte verschiedene Zustände, die das Band -der Kausalität verknüpft, stehen nicht im Verhältnis der Ursache und -Wirkung; sondern sie sind eins und dasselbe, nur auf zwei gänzlich -verschiedene Weisen gegeben: einmal ganz unmittelbar und einmal in der -Anschauung für den Verstand. Die Aktion des Leibes ist nichts weiter -als der objektivierte, das heißt in die Anschauung getretene Akt des -Willens.“ Ja, der ganze Leib ist nichts anderes als der objektivierte, -das heißt zur Vorstellung (= Anschauung) gewordene Wille. Und so -erklärt Schopenhauer den Leib als die „~Objektität des Willens~“. -Der Leib ist also ein Doppeltes: eine bloße Vorstellung in Raum, -Zeit und nach Kausalität, und eine Objektität des Willens. In diese -Objektität des Willens zieht Schopenhauer auch anderes hinein, denn -er rechnet zu der Objektivation des Willens auch Gefühle wie Lust und -Unlust, Schmerz, Behagen usf. „Man hat aber gänzlich Unrecht, wenn -man Schmerz und Wollust Vorstellungen nennt: das sind sie keineswegs, -sondern unmittelbare Affektionen des Willens in seiner Erscheinung, dem -Leibe: ein erzwungenes augenblickliches Wollen oder Nichtwollen des -Eindruckes, den dieser erleidet“. Vorher meint er: es ist „andererseits -jede Einwirkung auf den Leib, unmittelbar auch Einwirkung auf den -Willen: sie heißt als solche Schmerz, wenn sie dem Willen zuwider; -Wohlbehagen, Wollust, wenn sie dem Willen gemäß ist“. Ich gestehe, daß -ich nicht recht folgen kann; mir scheint das Nichtwollen und Wollen -des Eindruckes, das zweifellos vorhanden ist, doch sehr verschieden -zu sein von der Empfindung selbst, mehr eine Begleiterscheinung als -der Gegenstand selbst. Doch mag das sein, da Schopenhauer offenbar -Wille in einer sehr weiten Bedeutung faßt, neben Verstand, der die -Vorstellungen ist, als ein Zweites im Ich. Ob die Objektität zwischen -Leib und Willen nicht auch als eine gegenseitige angesehen wird: Leib -Objektität des Willens, Wille Objektität des Leibes, weiß ich nicht. Es -dürfte aber wohl anzunehmen sein. Denn es heißt weiter: „Ich erkenne -meinen Willen nicht im Ganzen, nicht als Einheit, nicht vollkommen -seinem Wesen nach, sondern ich erkenne ihn allein in seinen einzelnen -Akten, also in der Zeit, welche die Form der Erscheinung meines Leibes, -wie jedes Objektes, ist: daher ist der Leib Bedingung der Erkenntnis -meines Willens. Diesen Willen ohne meinen Leib kann ich demnach -eigentlich nicht vorstellen.“ Und so wären Leib und Wille allerdings -eines des anderen Objektität, oder doch Bedingung. Diese Erkenntnis -kann nur nachgewiesen, „zum Wissen der Vernunft erhoben, oder in die -Erkenntnis in abstracto übertragen werden“. Sie kann aber ihrer Natur -nach nicht bewiesen werden, da sie selbst „die unmittelbarste ist“. -Und sie ist um so bedeutender als sie zwei ganz inkommensurable Dinge -betrifft: den Leib, der „eine anschauliche Vorstellung“ ist, und den -Willen, der „gar nicht Vorstellung ist, sondern ein von dieser toto -genere Verschiedenes“. Wie sonst das Verhältnis zwischen Körper und -Geist. Er nennt jene Erkenntnis „die philosophische Wahrheit κὰτ’ -ἐξοχήν“. Mit der Objektität des Willens bringt er auch, was Kant als -Naturzweck bezeichnet hat, in Verbindung; und es ergibt sich hieraus -vielleicht noch schärfer, wie gar nicht zu vergleichen Maschinen mit -organisierten Wesen sind (S. 369). „Die Teile des Leibes müssen den -Hauptbegehrungen, durch welche der Wille sich manifestiert, vollkommen -entsprechen, müssen der sichtbare Ausdruck desselben sein: Zähne, -Schlund und Darmkanal sind der objektivierte Hunger; die Genitalien der -objektivierte Geschlechtstrieb; die greifenden Hände, die raschen Füße -entsprechen dem schon mehr mittelbaren Streben des Willens, welches -sie darstellen. Wie die allgemeine menschliche Form dem allgemeinen -menschlichen Willen, so entspricht dem individuell modifizierten -Willen, dem Charakter des Einzelnen die individuelle Korporisation, -welche daher durchaus und in allen Teilen charakteristisch und -ausdrucksvoll ist.“ Noch mehr gilt letzteres natürlich bei Übergang -von Art zu Art, von Gattung zu Gattung usf. - -Es ist bis jetzt von Dingen gesprochen mit Vorstellung und Willen. -Wie verhält es sich mit den anderen Dingen, die wir unbelebt nennen? -Dazu bedarf es einer genaueren Auseinandersetzung dessen, was -„Wille“ bedeutet. Wille ist ein absolut Unbedingtes, Grundloses. -Er ist weder der Kausalität noch einer Anschauung unterworfen -außerhalb seiner Objektivation. „~Ding-an-sich~ aber ist allein der -~Wille~.“ „Er ist es, wovon alle Vorstellung, alles Objekt, die -Erscheinung, die Sichtbarkeit, die ~Objektität~ ist.“ Wille ist also -das Transzendente Kants. Objektiv möglichst deutlich gedacht ist -er das, was wir gewöhnlich Wille nennen, Wille des Menschen. Diese -Unterscheidung zwischen Willen an sich und objektivem Willen in der -Objektivität gibt Schopenhauer die Möglichkeit, in der gleichen Weise -wie Kant die transzendente Freiheit mit der objektiven Unfreiheit zu -vereinen. Ferner, da Wille an sich grundlos ist, so wird er nicht von -Vorstellungen geleitet, obzwar von ihnen begleitet. Wille-an-sich darf -also nicht mit dem objektiven bewußten Willen verwechselt werden. -Er ist Wille, ob in bewußten oder unbewußten Handlungen. Das ist -von großer Bedeutung wenn wir bedenken, wie viel in unserem Körper -unbewußt vor sich geht und selbst in unseren geistigen Tätigkeiten. -Was wir also Trieb und Instinkt nennen, ist auch nur in Erscheinung -getretener Wille-an-sich. Nun hat man immer den objektiven Willen mit -den Kräften in der Natur verglichen. Schopenhauer kehrt das Verhältnis -um und stellt die Kräfte unter die Erscheinungen des transzendenten -Willens. Er will „jede Kraft in der Natur als Wille gedacht wissen“. -Er meint damit ein Unbekannteres auf ein Bekannteres zurückgeführt -zu haben. Das muß man ohne weiteres zugestehen. Indem nun, wiewohl -beim transzendenten Willen weder von Freiheit noch von Unfreiheit -gesprochen werden kann, doch bei dem objektivierten Willen Freiheit -ausgeschlossen ist, da er ja das Objekt eines Anderen ist, wirken auch -die Kräfte unfrei nach festen Gesetzen. Nun ist der Weg zu der übrigen -Natur offen. Wie der Leib sich zu dem Willen verhält, so verhält sich -die Natur überhaupt zu dem Willen, der in Erscheinung als objektiver -Wille oder als Kräfte auftritt. Also die ganze Natur ist Objektität -des Willens in seinen verschiedenen Erscheinungen. Und wie Leib und -Wille an sich inkommensurabel sind, so auch die Natur überhaupt und -Wille. „Denn in jedem Ding in der Natur ist etwas, davon kein Grund je -angegeben werden kann, keine Erklärung möglich, keine Ursache weiter -zu suchen ist; es ist die spezifische Art seines Wirkens, das heißt -eben die Art seines Daseins, sein Wesen. Zwar von jeder einzelnen -Wirkung des Dinges ist eine Ursache nachzuweisen, aus welcher folgt, -daß es gerade jetzt, gerade hier wirken mußte; aber davon, daß es -überhaupt und gerade so wirkt, nie.“ Ein Ding zeigt als Schwere, -Undurchdringlichkeit, Magnetisierung usf. „jenes unergründliche Etwas“: -„dieses (Etwas) aber, sage ich, ist ihm (dem Ding), was dem Menschen -sein Wille (der transzendente) ist, und ist, so wie dieser, seinem -inneren Wesen nach, der Erklärung nicht unterworfen, ja, ist an sich -mit diesem identisch“. Der Philosoph vergleicht dann den Charakter des -einzelnen Menschen mit der wesentlichen Qualität (forma substantialis) -eines einzelnen Dinges und erklärt letztere wie ersteren. Der Wille -ist nur eins, das Ding-an-sich, „das Wesen-an-sich“, sagt Schopenhauer -auch; die Vielheit in unserer Anschauung, die Erscheinungen, sind -aus den Anschauungsformen Raum und Zeit gegeben. Und so hat die -Objektivation des Willens unzählige Stufen, die in den zahllosen -Individuen ausgedrückt sind, und die „als die unerreichten Musterbilder -dieser oder als die ewigen Formen der Dinge dastehen, nicht selbst -in Zeit und Raum, das Medium der Individuen, austretend, sondern -feststehend, keinem Wechsel unterworfen, immer seiend, nie geworden; -während jene (Individuen) entstehen und vergehen, immer werden und -nie sind“. Und diese Stufen der Objektivation, sagt Schopenhauer, -sind nichts anderes als ~Platons Ideen~, was er des Genauern noch -ausführt. Die ~Stufen der Objektivation~ aber führen vom Tiefsten zum -Höchsten, vom Leblosen durch Pflanze, Tier zum Menschen. Und die -Weltordnung, im Einzelnen wie in bezug Jedes zu Jedem, rührt daher, -daß es ja ein Wille ist, dem alle Stufen der Objektivation angehören, -der sich in allem objektiviert. Von diesem Wesen, „was immer es auch -sein möchte“, wird gesagt, daß die unendliche Ausdehnung der Welt ganz -allein seiner ~Erscheinung~ angehört, „es selbst hingegen in jeglichem -Dinge der Natur, in jedem Lebenden, ganz und ungeteilt, gegenwärtig -ist“. Schopenhauer steht nicht weit von den drei größten Metaphysikern -Platon, Spinoza, Kant. Sein unsterblicher Ruhm aber ist, daß er dem -transzendenten Wesen ~bekanntes~ Leben einhauchte durch den „Willen“. - -Und so ist die ganze Natur ein gewaltiges Leben, und durch und -durch erfüllt von ~Willen zum Leben~. „Alles drängt und treibt zum -~Dasein~“, heißt es. Namentlich an der tierischen Natur wird es -augenscheinlich, „daß Wille zum Leben der Grundton ihres Wesens, die -einzige unwandelbare und unbedingte Eigenschaft derselben ist“. Sogar -eine generatio aequivoca, nach den Kenntnissen seiner Zeit, schreibt -Schopenhauer diesem ungestümen Drange, namentlich zum organischen -Leben, zu. Und gleichfalls „den entsetzlichen Alarm und wilden Aufruhr -desselben (des Stoffes), wenn er in irgendeiner einzelnen Erscheinung -aus dem Dasein weichen soll, zumal, wo dieses bei deutlichem Bewußtsein -eintritt. Da ist es nicht anders, als ob in dieser einzelnen -Erscheinung die ganze Welt auf immer vernichtet werden sollte“. So -ist der Wille zum Leben „das nicht weiter Erklärliche, sondern jeder -Erscheinung zugrunde zu Legende“. Und dieser Wille ist weit entfernt, -„wie das Absolutum, das Unendliche, die Idee und ähnliche Ausdrücke -mehr, ein leerer Wortschwall zu sein“. Er ist das „Allerrealste“, das -wir kennen, ja der „Kern der Realität selbst“. Aber grundlos wie der -Wille, ist auch dieses Streben und Hasten zum Leben. Und so wirkt die -Lebenswut nie befriedigt, nie zu befriedigen, und blind drängend durch -die Flut der Erscheinungen. Daher ist die Welt unvollkommen. Noch -mehr, sie ist ein ~Übel~, nicht die beste, nach Leibniz, sondern die -allerschlechteste. So tönt diese Philosophie in den so eigenartigen -~Pessimismus~ Schopenhauers aus, in seinen Lebenshaß. Er ist scheinbar -durch sein System begründet, aber doch wohl namentlich durch seine -trübe Gemütsverfassung, die er ja mit so vielen Großen teilt, welche -das Treiben der Welt anwidert und die darum einsam ihre Wege durch -die Tage gehen. Auch seine Bekanntschaft mit den Upanishadenlehren -muß zu diesem Pessimismus beigetragen haben. Er war von diesen Lehren -hochbegeistert, wie jeder es sein muß, der ihre Tiefe erkennt. Aber in -seinem System kann er keinen Trost gefunden haben, wie der Indier und -namentlich der Buddhist. Denn wenn er auch Bekämpfung des Willens zum -Leben lehrte, sein System zeigt, daß diese Bekämpfung aussichtslos ist. -Die Welt ist eben Wille zum Leben, von je in je. Und das „Wunder“, das -diesen Willen zur Ruhe brächte, kann nur die Vernichtung des Willens -selbst sein, die ja bei einem transzendenten Ding-an-sich ohne ein noch -höheres Wesen, davon Schopenhauer aber die Welt nicht abhängen läßt, -unmöglich ist. - -Die Schopenhauersche Lehre ist ~Identitätsphilosophie~, aber kein -wirklicher Monismus. Beziehungen zu Fichtes Philosophie, die behauptet -worden sind, kann ich überall nicht finden. Auch ist bekannt, -wie ablehnend sich Schopenhauer zur Trias Fichte-Schelling-Hegel -verhalten hat und mit seiner Leben-Philosophie gegenüber der fast -inhaltleeren Dialektik dieser Vorgänger, über die er oft genug -spottet, sich verhalten mußte. Der gewaltige ~Richard Wagner~ darf als -Schopenhauerianer bezeichnet werden. - -In ~Fr. Nietzsches~ (1844 zu Röcken geboren, gest. 1900) System spielt -bekanntlich der Wille eine sehr hervorragende Rolle. Aber wie dieser -Dichter unter den Philosophen fast ausschließlich sich mit dem Menschen -und dem Leben beschäftigt, hat der Wille bei ihm nur Bedeutung mit -Bezug auf den Menschen und mit Bezug auf das Leben. Und selbst hier -betrifft er nur das ~Verhalten~ des Menschen im Leben und das Verhalten -der gesamten Menschheit. Was der Große hier Außerordentliches gedichtet -hat, gehört jedoch nicht zu unserem Thema. Im rein Philosophischen -rechnet man Nietzsche wohl auch zu den Phänomenalisten und zu den -Naturalisten, von denen wir später sprechen werden. Er hat sogar -die innere Welt für phänomenalistisch (S. 356) erklärt, falls das -nicht bildlich dichterisch gemeint ist. Mir jedoch scheint er mehr -zu den Mystikern nach indischer Art, namentlich in der Auffassung -Schopenhauers, zu neigen. Was er von der periodischen Wiederholung der -Welt sagt, klingt dahin. Freilich nicht ganz in dem Sinne der Indier, -den wir kennen, denn nach ihm soll die Welt sich in genau ~derselben~ -Weise ständig wiederholen, so daß alles die gleiche Existenz innerhalb -der Ewigkeit immer und immer würde durchmachen. Auf seinem eigentlichen -Gebiete wird ihm ~Max Stirner~ (für Kaspar Schmitt, gest. 1856) als -Vorläufer zugewiesen. - -In der Einleitung zu seiner „Philosophie des Unbewußten“ sagt ~Eduard -v. Hartmann~ (geboren zu Berlin 1842, gestorben 1906): „Ich bekenne -freudig, daß die Lektüre des Leibniz es war, was mich zuerst zu -den hier niedergelegten Untersuchungen angeregt hat“. Wenn das ad -verbum zu verstehen ist, so würden wir, nach dem was auf S. 344 vom -Unbewußten in Leibniz’ Lehre gesagt ist, Hartmanns Philosophie einem -Mißverständnis zu verdanken haben. In der Tat ist diese Philosophie -auch keine Fortbildung der Leibnizschen Lehre, namentlich nicht in dem -Hauptpunkte; sie ist die Lehre Schopenhauers, mit einem, allerdings bei -diesem nicht enthaltenen, aber darum sie gerade sehr komplizierenden, -weiteren Prinzip, dem der Zweckmäßigkeit des ~Ganzen~, während der -volle Ausdruck des Willens im ~Einzelnen~ durchaus Schopenhauerisch -ist, da er ja diesen Ausdruck auch den Platonschen Ideen gleichsetzt -(S. 383). Die beiden Prinzipe Schopenhauers, ~Vorstellung~ und ~Wille~, -sind auch Hartmanns Prinzipe. Nun unterscheidet er in der Welt das -~Bewußte~ und das ~Unbewußte~ und findet, daß das Bewußtsein „die -Möglichkeit der Emanzipation des Intellektes vom Willen“ ist, während -im Unbewußten Vorstellung und Wille „in untrennbarer Einheit verbunden“ -sind. Es kann im Unbewußten „nichts gewollt werden, was nicht -vorgestellt wird, und nichts vorgestellt werden, was nicht gewollt -ist“. ~Dabei sind Wollen und Vorstellung beide unbewußt~. Es bedeutet -ein zweifellos hohes Verdienst Hartmanns, die Rolle des Unbewußten -so sorgfältig durch die organische Welt, die ja hier hauptsächlich -in Betracht kommt, verfolgt und untersucht zu haben. Alle Kenntnisse -der Physiologie, Biologie, Anatomie, Physik usf. werden dabei zu Rate -gezogen und mit größter Gründlichkeit verarbeitet. Das Ergebnis ist: -1. Das Unbewußte bildet, erhält und ergänzt den Organismus und leitet -alle seine Tätigkeiten und den Gebrauch für den bewußten Willen. 2. -Es gibt dem Lebewesen die Instinkte zur Sinneswahrnehmung, Sprach- -und Staatenbildung usf., wozu ein bewußtes Denken nicht ausreicht. -3. Es erhält das Geschlecht durch den Geschlechtstrieb, paßt die -Lebewesen ihren Bedingungen und den Menschen insbesondere seiner -Geschichte an und führt zur möglichsten Vollkommenheit. 4. Es leitet -oft die Handlungen durch Ahnungen und Gefühle. 5. Es fördert das -bewußte Denken durch Eingebungen (Intuition?). 6. Es beglückt durchs -Gefühl für das Schöne und durch künstlerische Produktion. Es kommt -darauf an, ob dieses alles zutrifft, denn wir sind oft genug in -Zweifel, was an uns unbewußt geschieht, was bewußt. Und wenn Hartmann -meint, das Bewußte werde von Gedächtnis begleitet, das Unbewußte -nicht, so ist das selbstverständlich ein sehr täuschendes Kriterium. -Die anderen Kriterien aber können wir entweder nicht brauchen, als -unkontrollierbar, wie z. B., daß das unbewußte Denken nur unsinnlicher -Art sein kann. Oder sie sind nicht zutreffend, wie „das Unbewußte irrt -nicht“. Es irrt sehr oft, wie wir an Fehlgeburten, Fehlbildungen, -Fehlschlüssen im Traum, Fehleingebungen im Wachen usf. reichlich sehen. -Ist aber gemeint: es irrt nicht unter den gegebenen Verhältnissen, -so ist das zwar richtig, aber dann haben wir nur wieder ein -Unkontrollierbares. Und so sind alle Kriterien nicht immer zutreffend -oder nicht kontrollierbar. Und wenn nun gar gesagt wird (Philosophie -des Unbewußten, 9. Aufl. Bd. II, S. 4), „das unbewußte Denken kann -nur von ~unsinnlicher~ Art sein“, und dann (S. 30) „denn auch das -Unbewußte muß die Form der ~Sinnlichkeit~ gedacht haben“, sonst hätte -es nämlich diese Form „nicht so zweckmäßig schaffen können“, so weiß -man eigentlich nicht mehr, was nun das Unbewußte ist. Sein Denken soll -unsinnlich sein, und es soll doch die Form der Sinnlichkeit gedacht -haben? Und so zieht Hartmann zwischen dem Bewußtsein und dem Unbewußten -zuletzt die grobe materialistische Grenze: „die Gehirnschwingungen, -allgemeiner die materielle Bewegung, als conditio sine qua non des -Bewußtseins“. Während das Unbewußte „notwendig als ein Immaterielles -angesehen werden muß“. - -Die Sache wird aber noch dadurch verwickelter, daß „Wille und -Vorstellung“ zwar im Unbewußten sind, aber nicht ~das~ Unbewußte. Es -wird angenommen, daß Wille und Vorstellung „das unbewußter und bewußter -Vorstellung Gemeinschaftliche“ sind. Die Form des Unbewußten wird als -„das Ursprüngliche“ gesetzt, „das des Bewußtseins aber als ein Produkt -des unbewußten Geistes und der materiellen Einwirkung auf denselben“. -Hartmann entscheidet sich aus einer Alternative für diese Annahme. Das -zweite Glied dieser Alternative ist: „daß zwar der unbewußte Geist ein -von der Materie unabhängiges selbständiges Dasein habe, der bewußte -aber ein ausschließliches Produkt materieller Vorgänge ohne jede -Mitwirkung unbewußten Geistes sei“. Dieses Glied lehnt er ab, wegen -der „Wesensgleichheit der bewußten und unbewußten Geistestätigkeit“, -übersieht aber, daß er dafür Materie auf ein Immaterielles wirken -läßt. Wenn er dann später die „Wesensgleichheit von Geist und Materie“ -dartut, so hebt er eben jeden wirklichen Unterschied zwischen Bewußtem -und Unbewußtem, außer in Worten, auf. Es ist, wie ich glaube, nicht -möglich, in diese Distinktionen Hartmanns Konsequenz und Schärfe -hineinzubringen; das System läuft im Kreise in sich zurück. Und das -folgt eben, weil das Unbewußte für das Bewußte und das Bewußte für -das Unbewußte als Kriterium benutzt werden muß. Läßt man also das -alles fort, so bleibt nur der transzendente „unbewußte Geist“ als, im -Schopenhauerschen Sinne, weltbildend. Aber während bei Schopenhauer für -diesen Geist nur Wille steht, ist ihm hier Vorstellung hinzugenommen, -die, bewußt oder unbewußt, kaum anders als sinnlich gedacht werden -kann. Vielleicht ist das der Grund, daß Hartmann sein System als -~transzendentalen Realismus~ ausgibt. Nach Kant ist solcher Realismus -dogmatisch. - -Es wäre damit eine ganz bedeutende Verschlechterung des -Schopenhauerschen Systems herbeigeführt, wenn es sich nicht um die -„Zweckmäßigkeit“ und den „Zweck“ der Welt handelte. Für Hartmann ist -zwar die Welt auch so schlecht als möglich, sie ist eine „unselige“. -Allein sie ist hervorgetreten, wenn auch nicht als Selbstzweck, doch -als Zweck, und zwar das zu erreichen, was, wie wir gesehen haben, im -Schopenhauerschen System nicht möglich ist, nämlich, „den Willen von -der Unseligkeit seines Wollens zu erlösen“. Es wird nämlich im Willen -selbst ein Blindes, ein „Alogisches“ gesehen, im Vorstellen dagegen -ein „Logisches“, das in der höchsten Potenz als bewußte Vernunft -die höchste Intelligenz wird. Der Weltprozeß erscheint hiernach -„als ein ~fortdauernder Kampf des Logischen mit dem Unlogischen~, -~der mit der Besiegung des letzteren endet~“. Diese Besiegung kann -aber erst „mit dem zeitlichen Ende des Weltprozesses, dem jüngsten -Tage, zusammenfallen“. Die Weltdauer ist begrenzt; am Ende der Tage -kommt die ~Welterlösung~, das Ende der Illusion, „die Aufhebung -alles Wollens ins absolute Nichtwollen“. Dazu ist erforderlich, daß -möglichst viel Menschheit vorhanden sei, weil diese allein imstande -ist, Willensverneinung durchzuführen, die Vernunft über den Willen -zu erheben. Und ferner, daß diese Menschheit mehr und mehr „von der -Torheit des Wollens und dem Elend des Daseins ~durchdrungen~ sei, -daß dieselbe eine so ~tiefe Sehnsucht~ nach dem Frieden und der -Schmerzlosigkeit des Nichtseins erfaßt habe“, und so alles für Wollen -und Dasein Sprechende als Eitelkeit und Nichtigkeit erkannt werde. -Das ist alles offenbar aus der Menschheit selbst entnommen. Wie das -auf den transzendentalen unbewußten Geist Anwendung finden soll, -kann man nicht einsehen, wenn man nicht die ganze Lehre in die reine -pandeistische Theosophie überträgt, aus dem unbewußten Geist Gott -macht und aus Wille und Vorstellung zwei Manifestationen von ihm, -über die er besonders schaltet. Sobald der Welt ein Ende gegen ein -~Anderes~ vorausgesagt wird, muß eben etwas da sein, das dieses Ende -herbeiführt. Außerdem bemerkt man übrigens, daß, wenn nicht die Welt -zuletzt ~ganz~ aus vernünftigen Wesen besteht, alles Leblose überhaupt -in Vernunftbegabtes übergegangen ist, ein solches Ende nicht möglich -ist. Oder soll das Ende der Welt ein gemeiner Kadaver sein? Dann wäre -diese ganze Philosophie überhaupt nur auf die belebte Welt zu beziehen. -Im letzten Kapitel aber werden wir das Ende der Welt von ganz anderen -Gesichtspunkten betrachten und sehen, daß eine allmähliche Entwicklung -des Alls nach reiner Beseelung in der Tat nicht ausgeschlossen ist (S. -479 f.). Die Hartmannsche Philosophie aber ist inkonsequent und im -ganzen keine Verbesserung der Schopenhauerschen, in mancher Hinsicht -sogar eine Trübung dieser. - -Auf dem Boden des Idealismus stehen auch viele von den modernen -Philosophen, wir werden sie im folgenden kennen lernen. Ihr Verfahren -ist ein mehr naturwissenschaftlich-induktives, das, im Gegensatz -zu dem analytischen, deduktiven Vorgehen der älteren Metaphysiker, -Kant schon eingeleitet und oft angewendet hat. Gleichwohl wird dem -Geist, wie z. B. von R. ~Eucken~ geschieht, eine außerordentliche -Vormacht eingeräumt, vermöge deren er zum Absoluten aufsteigt, als ein -Selbständiges in der Welt. - - - - -SIEBENTES KAPITEL. - -Spinozismus und Neuspinozismus sowie Neuidealismus. - - -Der ~Spinozismus~ ist im Wesen aufs äußerste getriebener Idealismus. -Er hat trotz seiner Bezeichnung als ~Pantheismus~ mit religiösen -Überzeugungen nichts zu tun. ~Gott ist hier allein das transzendente -Ding-an-sich~. Und wenn man sich vor dem Spinozismus als einem -~Atheismus~ gefürchtet hat und von gewissen Seiten noch fürchtet, -so hat das seine Berechtigung für diejenigen, welche sich Gott -nur mit persönlichen Eigenschaften begabt denken konnten und nur -denken können. Der Spinozismus in seiner reinen Form schließt einen -~persönlichen~ Gott völlig aus. Aber gerade deshalb konnte sich ihm -die moderne Naturwissenschaft anpassen. Und so hat er in unserer Zeit -eine Bedeutung erlangt, die in Verbindung mit Kants und Schopenhauers -transzendenten Anschauungen die aller anderen Philosophien weit -überragt und in der Form des ~Neuspinozismus~ allmählich sich zur -wissenschaftlichen Herrschaft aufschwingt. Dieses ist auch mit ein -Grund, warum der Spinozismus erst an dieser Stelle behandelt wird. -Außerdem wollte ich ihn auch äußerlich vom Cartesianismus ablösen, mit -dem er, wie früher ausgeführt (S. 337), gar keine Beziehung hat, außer -etwa, daß er auf ihn folgt und daß der Urheber sich mit ihm eifrig -beschäftigt hat und seiner öfter gedenkt und seiner Nomenklatur sich -bedient. - -Der Neuidealismus ist vom Spinozismus schwer zu trennen, er ist darum -mit diesem zusammen behandelt. - - -46. ~Spinoza und der Pantheismus.~ - -~Baruch~ (~Benedikt~) ~Spinoza~ ist 1632 in Amsterdam geboren und 1677 -im Haag gestorben. Er ist Sohn eines portugiesisch (oder spanisch, -aus Espinoza stammend?) -jüdischen Mannes und gehört zu den nicht -vielen, von denen Eugen Dühring in seiner zwar sehr scharfsinnigen, -aber mitunter überscharfen Geschichte der Philosophie mit hoher Achtung -auch vor dem Menschen spricht. Das für uns in Betracht kommende -Hauptwerk (ich benutze die Ausgabe von Berthold Auerbach) Spinozas ist -die „Ethik“; sie ist nach seinem Tode von seinem Lebensfreunde, dem -Arzt Ludwig Meyer, herausgegeben und enthält eine Darstellung seines -Systems in völlig mathematischer Form. Sie beginnt mit Definitionen der -wichtigsten Begriffe. ~Ursache seiner selbst~ ist das, dessen Wesen -das Dasein in sich schließt, oder das, dessen Natur nicht anders als -daseiend begriffen werden kann. ~Substanz~ ist, was in sich ist und -aus sich begriffen wird, das also keines anderen bedarf, um daraus -gebildet zu werden. ~Attribut~ ist, was der Verstand von der Substanz -als ihr Wesen ausmachend erkennt. Modi sind die Affektionen der -Substanz, oder das was in einem Anderen ist, wodurch man dieses Andere -auch begreift. ~Gott~ ist das schlechthin unendlich Seiende, „das heißt -die Substanz, die aus ~unendlichen~ Attributen besteht, von denen -jedes ein ~ewiges~ und ~unendliches Wesen~ ausdrückt.“ Das sind die -fünf Hauptbegriffe des Spinozaschen Systems. Was ~unendlich~ ist, wird -negativ durch das, was endlich ist, festgestellt: dasjenige heißt in -seiner ~Art endlich~, was durch ein anderes von gleicher Natur begrenzt -werden kann. ~Ewigkeit~ ist das Dasein selbst, sofern es allein aus -der Definition des ewigen Dinges begriffen wird. Die Attribute Gottes -sind hiernach durch nichts begrenzt, und ewig aus dem Sein Gottes. -~Frei~ ist ein Ding, wenn es allein aus der Notwendigkeit seiner Natur -da ist, und allein von sich zum Handeln bestimmt wird; ~unfrei~, -was von einem anderen zu sein, oder in bestimmter Weise zu sein und -zu wirken gezwungen ist. Nach den Definitionen folgen Axiome; eines -enthält den Satz der Kausalität: Eine bestimmte ~Ursache~ hat notwendig -eine ~Wirkung~, eine Wirkung ohne Ursache kann nicht erfolgen. Die -Erkenntnis der Wirkung schließt die Erkenntnis der Ursache in sich. -Von den Sätzen müssen wir gleichfalls einige anführen. Dinge, die -nichts miteinander gemein haben, können nicht gegenseitige Ursache -sein. Eduard v. Hartmann, wenn er diesen so klaren Satz beachtet hätte, -wäre nie zu seiner so inkonsequenten Weltendetheorie gekommen. Zu der -Natur einer Substanz gehört notwendig das Dasein und die Unendlichkeit -(Nicht-Begrenztheit durch ein anderes gleicher Natur). Attribute einer -Substanz können nur aus sich begriffen werden. - -~Gott ist notwendig da. Außer Gott kann es keine Substanz geben und -läßt sich keine begreifen. Alles was ist, ist in Gott, und nichts -kann ohne Gott sein oder begriffen werden. Gott ist absolut frei, -handelt nur aus den Gesetzen seiner Natur. Gottes Dasein, Gottes Macht -und Gottes Wesenheit sind ein und dasselbe, Gott ist nicht nur die -wirkende Ursache des Daseins, sondern auch der Wesenheit der Dinge. Die -Welt ist notwendig so wie sie ist, kein Ding ist frei, nichts in der -Welt geschieht frei, noch zufällig. Alles ist aus der Notwendigkeit -der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise da zu sein und zu -wirken. Die Dinge sind die Modi, Existenzweisen Gottes, nach zwei -Attributen: Ausdehnung (Körperlichkeit) und Vorstellung (Geist), die -ihre formale Wesenheit sind.~ Diese gesperrt gedruckten Sätze enthalten -das gewaltige, so konsequente und darum in seiner Starrheit fast -unheimliche System Spinozas. Es ist, wie der Leser sieht, in der Tat -pantheistisch; ein jedes Ding wird nur begriffen aus den Attributen -Gottes, und bedeutet nur eine Existenzweise Gottes. Dabei handelt es -sich um ein Zwangsystem; daß nichts anders ist als es sein muß, nichts -anders wirkt als es wirken muß; und die Kette der Ursachen wird ins -Unendliche geführt. Ein Zweck findet in der Welt nicht statt. ~Die -Ordnung und Verknüpfung der Vorstellungen ist dieselbe wie die Ordnung -und Verknüpfung der Dinge.~ Aus diesem wichtigen Satz ergibt sich -die ~Parallelität zwischen Körper und Geist~. Es ist an sich kein -Zusammenhang zwischen den beiden formalen Wesenheiten der Welt und -des Menschen vorhanden, außer daß die entsprechenden Attribute, deren -Existenzweisen die Dinge sind, Attribute Gottes, der einen und einzigen -Substanz, sind. Weil sie aber dieser einen Wesenheit angehören, können -sie nur in paralleler Art Existenzweisen sein. ~Und so sind Körper -und Geist parallele Erscheinungen und wirken parallel.~ Dieses ist so -streng ausgedrückt, daß sogar gesagt wird: „Der Körper kann den Geist -nicht zum Denken, noch der Geist den Körper zur Bewegung oder Ruhe, -noch zu etwas anderem bestimmen“. Nur die Parallelität zeigt Körper -und Geist als in Abhängigkeit voneinander. An sich ist der Geist nur -Geist, der Körper nur Körper. Aber vermöge der Parallelität und der -Zugehörigkeit der Attribute zu dem Einen, sind im Geiste adäquate -Vorstellungen von dem Körper und der Körperwelt vorhanden. Darum -konnte Spinoza auch behaupten: der Gegenstand der Vorstellung, welche -den menschlichen Geist ausmacht, ist der Körper, oder ein gewisser, in -der Wirklichkeit vorhandener Modus der Ausdehnung. Und darum konnte -er weiter feststellen, daß alles wirklich da ist, insbesondere auch -unser Körper da ist, wie wir ihn wahrnehmen. Hier berührt sich Spinozas -Philosophie mit der der ~Positivisten~, der ~Wirklichkeitsphilosophen~. -Und wenn Spinoza weiter folgert: Der menschliche Geist faßt einen -äußeren Körper nur durch die Vorstellungen der Affektionen seines -Körpers als wirklich daseiend auf, so haben wir einen Hauptsatz der -~Sensualisten~ vor uns. Auch das ~Transzendentale~ finden wir in -diesem System, sofern die Vorstellungen in Gott der Existenzweisen -als ~Essenzen~ (essentia) von den tatsächlichen Existenzweisen als -~Existenzen~ (existentia) und damit ~Ideal~dinge von ~Real~dingen -getrennt werden. Die Dinge unterscheiden sich in der formalen Wesenheit -gar nicht voneinander, sondern nur in ihren Existenzweisen. So ist -also der Geist überall wie der menschliche, der Körper überall wie der -menschliche; nur die Weise, wie beide die Dinge ausmachen, ist von Ding -zu Ding abweichend. ~Also ist die Welt an sich durchaus einheitlich.~ -Spinozas System ist hiernach ein ~Monismus~. Es werden zwar Körper und -Geist unterschieden und sogar absolut auseinandergehalten; sie sind -jedoch Parallel-Existenzweisen des gleichen einen Urwesens, um so zu -sprechen, nach absoluten Gesetzen, so daß sie durchaus wie eine Einheit -bilden, und ihre formalen Wesenheiten fließen aus den Attributen des -gleichen einen Urwesens. Auch ist der Mensch nur ein Teil der Natur und -leidet auch als ein solcher, und lebt und stirbt als ein solcher. Nur -aus sich heraus sich zu verändern, ist ihm nicht gegeben, da er ja bloß -eine Existenz~weise~ bedeutet. - -Spinozas System ist die einleitende Begründung zu seinem eigentlichen -Thema, eben der Ethik. Von dieser zu sprechen, ist nicht unsere -Aufgabe. Sie ist viel angegriffen und viel geschmäht worden, wegen -des kühlen Verstandes, der in ihrer Auffassung herrscht. In seinem -stillen Kämmerlein wird aber kaum jemand umhin können, zu gestehen, -daß sie das enthält, was eine von Phrasen und leeren Einbildungen freie -Menschenethik enthalten muß. Eher kann man ihr den Vorwurf machen, -daß sie dem System selbst nicht immer folgt und aus dem Pantheismus -zuweilen in einen Deismus übergeht. Wer hat in solchen Dingen je ganz -konsequent gedacht? Für uns von Bedeutung ist, daß Spinoza auch die -Unsterblichkeit lehrt. Er sagt: „Der menschliche Geist kann mit dem -Körper (d. h. mit dem Leben des Körpers) nicht gänzlich vernichtet -werden, sondern es bleibt etwas von ihm übrig, das ewig ist“. -Dieses folgt schon daraus, daß eben der Geist, wenn auch nur eine -Existenzweise, doch jedenfalls in einem Attribut, in einer Vorstellung -Gottes enthalten ist. Und es gilt selbstverständlich ebenso für den -Körper. Weil aber der Geist im Dasein eben nur eine Existenzweise ist, -kann er sich dessen, was er vorher gewesen, nicht erinnern können. „Die -Vorstellung,“ sagt Spinoza, „welche die Wesenheit des Körpers unter -der Form der Ewigkeit ausdrückt, ist ein gewisser Modus des Denkens, -der zum Wesen des Geistes gehört und notwendig ewig ist. Demnach ist -es unmöglich, daß wir uns erinnern, vor dem Körper dagewesen zu sein, -da es ja in dem Körper keine Spuren davon geben, noch die Ewigkeit -durch die Zeit definiert werden oder irgendeine Beziehung auf die Zeit -haben kann“. Das hebt die ~persönliche~ Unsterblichkeit auf. Aber -„nichtsdestoweniger denken und erfahren wir, daß der Geist ewig ist. -Denn der Geist bemerkt diejenigen Dinge, die er durch den Verstand -begreift, nicht minder als diejenigen, die er im Gedächtnis hat. Denn -die Augen des Geistes, womit er die Dinge sieht und beobachtet, sind -eben die Beweise. Wenn wir uns daher auch nicht erinnern, vor dem -Körper dagewesen zu sein, so bemerken wir doch, daß unser Geist ewig -ist, insofern er die Wesenheit des Körpers unter der Form der Ewigkeit -enthält, und daß dieses sein Dasein (des Körpers) nicht durch die Zeit -definiert oder durch Dauer erklärt werden könne“. Es ist nicht leicht, -sich in diesen Gedankengang hineinzufinden. Er soll aber wohl besagen, -daß, weil wir den Begriff der Ewigkeit der Materie als zu ihrem Wesen -gehörig in uns haben, auch die Ewigkeit des Geistes gewährleistet ist, -wohl aus dem Parallelverhalten der zwei in Einem zusammenlaufenden -Attribute in den Existenzweisen. Die Ethik faßt auch Gott persönlicher -auf, als dem System entspricht. Sie hat jedoch aus den Grundlagen -recht, wenn sie alle Erkenntnis auf die Erkenntnis Gottes richtet und -diese Erkenntnis als wahr ansieht. Wir sind ja Existenzweisen Gottes, -die Seele ist eine begrenzte Weise des allgemeinen Denkens als Attribut -Gottes. - - -47. ~Neuspinozismus und Neuidealismus.~ - -Spinozas System hat wegen seiner unerbittlichen Strenge und Konsequenz, -wie bemerkt, der Menschheit lange widerstrebt. Es ist wohl auch -nicht immer recht verstanden worden. Daß aber große Geister zu ihm -neigten, sehen wir an ~Goethes~ Beispiel, der schon früh sich mit -ihm beschäftigte. Lavater erzählt (Gespräche Goethes, Bd. I, S. 75) -vom 28. Juni 1774, wie eifrig Goethe ihn von Spinoza und Spinozismus -unterhalten und wie bedeutend er von ihm gesprochen habe. Später hat -Goethe dem Spinozismus mehr und mehr seine interessierte Aufmerksamkeit -geschenkt, so daß er sogar als Spinozist bezeichnet worden ist. In -der neuesten Zeit hat der Spinozismus großen Zuzug aus den Kreisen -namentlich der Naturforscher und seltsamerweise auch aus den Kreisen -der Materialisten unter ihnen erfahren. Ich kann hier nur auf einiges -eingehen, da Entscheidendes dem letzten Kapitel vorbehalten bleiben -muß. Schon von Schleiermacher habe ich erwähnt, daß er in wesentlichen -Anschauungen Spinozist gewesen ist. Der Neuspinozismus aber knüpft sich -vor allem an die Namen Fechner, Wundt und Häckel. Zuerst jedoch ein -~spiritualistischer Spinozist~. - -~Lotze~ (1817 in Bautzen geboren, gestorben in Berlin 1881) ist, als -Naturforscher und Mediziner, Atomistiker und Physiker, jedoch nur, -soweit es sich um die Körper, auch unseren Körper, und die Vorgänge -zwischen und in ihnen handelt. Die Seele ist aber vom Körper -durchaus verschieden, obzwar Körper und Seele aufeinanderwirken. -Letzteres müßte unverständlich bleiben, wenn die Dinge nicht Modi -einer ~Allsubstanz~, eines ~Weltgeistes~ wären. Dessen Verhalten -zu den Dingen entspricht unserem Verhalten zu unseren inneren -Tätigkeiten; es ist also immanent, Eigenheit des Weltgeistes. Der -Weltgeist ist in sich folgerichtig, und dieses bedeutet in der Welt -der Erscheinungen die Ordnung. So ist die Einheit der Dinge trotz -der Vielheit ihrer Eigenschaften in dem ~Gesetz~ begründet. Das wäre -alles allenfalls noch Spinozistisch. Spinozistisch ist auch noch die -Korrespondenz der Zustände und Änderungen in den Dingen an Stelle der -Abhängigkeiten, denn sie erinnert an Spinozas Parallelismus, zumal auch -alle einheitlichen Dinge als Seelen oder Geister aufgefaßt werden. -Abweichend wird jedoch einerseits der Weltgeist, Gott, über die Dinge -erhoben, und andererseits werden die Dinge mehr verselbständigt. So -geht der straffe Monismus Spinozas fast in einen theistisch-deistischen -Dualismus über. Und indem noch Leibniz’ Monadenlehre Verwendung findet, -haben wir mehr einen geistvollen Eklektizismus von Materialismus, -Spinozismus, Cartesianismus und Monadenlehre als ein einheitliches -festes System. Aber alles ist innig und fein verarbeitet. Das zeigt -sich namentlich darin, daß die Monaden einerseits mehr physikalisch -aufgefaßt werden mit wirklichen Wechselwirkungen zwischen ihnen, die -bei den Leibnizschen Monaden als wirklich nicht vorhanden sind, auch -nicht bei Spinozas Modi, andererseits sie in Spinozas Art als Modi -der Allsubstanz betrachtet werden, so daß sie nach drei Richtungen -strahlen würden. In jeder Monade sind beide Attribute der Allsubstanz -zu erkennen. Die Seele ist nur eine Monas, der Körper besteht aus -vielen Monaden. Aus der teilweisen Unabhängigkeit der Monaden von der -Allsubstanz -- wie diese Unabhängigkeit entsteht, soll eine nicht zu -beantwortende Frage sein -- ergibt sich eine gewisse Freiheit des -Willens und damit eine freiere Ethik, die in Verbindung mit einer -Zwecklichkeit der Welt den ~teleologischen Idealismus~ bildet. Die -Einheit wird dadurch gegeben, daß alles sich auf die Ethik beziehen -soll, selbst Logik und Metaphysik. Darin spricht sich der Zug der -modernen Zeit aus. - -~G. Th. Fechner~ (1801-1887) ist Naturforscher, induktiver Idealist, -Spinozist und Mystiker in einer Person. Mit dem als Astrophysiker -so bedeutenden ~Zöllner~ hat er eine Zeitlang auch dem Spiritismus -gehuldigt. Das tut nichts. Er war ein hervorragender Forscher und -hat die Wissenschaft der ~Psychophysik~ begründet und mit einem -berühmt gewordenen Gesetz bereichert. Seele und Körper sind Formen -einer Substanz, eines Realen. Er führt aber diesen Spinozismus in das -Kant-Schopenhauersche Transzendentale. Die Welt ist für uns nicht die -Modi selbst, sondern die ~Erscheinungen~ dieser in unserem Bewußtsein. -Spinoza hatte schon zwischen Essenzen und Existenzen unterschieden. Die -letzteren wären die Erscheinungen. Gleichwohl ist die Welt nicht etwa -ein Traumbild, ein Phantom, sondern eine Wirklichkeit, wenn auch eine -transzendente. Das wird erwiesen durch die in unserem Bewußtsein von -der Welt vorhandene Ordnung und Gesetzmäßigkeit. Ordnung und Gesetz -sind das Wesen der Erscheinungen. Das Bewußtsein davon ist das höhere -Bewußtsein, die Vernunft. Und da wir in Spinozas Sinn Existenzweisen -Gottes sind, so ist Gott das höchste Wesen, dessen Bewußtsein alle -Erscheinungen und alle Zusammenhänge umfaßt. In der von Fechner -verfolgten Wechselbeziehung von Körper und Seele, die auch ~Wilhelm -Wundt~ (S. 399) lehrt, sehen manche einen Widerspruch gegen Spinozas -System. Das ist nicht der Fall, da ja eine solche Wechselbeziehung als -Parallelsein von Körper und Seele gerade nach Spinozas Anschauung, eben -der ~psychophysische Parallelismus~, unvermeidlich ist. Es ist nur -ein Streit um Worte, wenn man Wechselbeziehung von Parallelbeziehung -unterscheiden und trennen will. Ist jene so unveränderlich wie diese, -so gelten beide gleich viel. Spinozas Theorie hat ja gerade darin ihren -Vorzug, daß wirkliche Beziehungen zwischen zwei absolut verschiedenen -Attributen nicht angenommen werden, sondern Parallelbeziehungen, aus -der Zugehörigkeit der Attribute zu dem All-Einen. Fechner freilich -bezeichnet seine Lehre wegen dieser Wechselbeziehungen auch als -materialistisch. Überdem soll nicht nur kein Geist ohne Körper -sein, sondern auch kein Gott ohne Welt, ein Gedanke, dem wir schon -öfter begegnet sind. Sein Mystizismus drückt sich in der Annahme -von Wesen höher als der Mensch aus, von Geistern. Solche sollten -zum Teil mit den Weltkörpern Wesen bilden, oder noch höher, mit den -Weltsystemen. Die Erde als großes Tier hat auch der französische -Astronom Flammarion angesehen. Man bemerkt aber, daß man so zuletzt -überhaupt die Welt als Ganzes, wie ein Lebewesen betrachten würde, -mit untergeordneten Weltsystemen, Welten usf. als Einzel-Lebewesen, -die die Welt zusammensetzen, wie ja die organischen Wesen in der -Tat aus Lebewesen, sichtlich oder verborgen, aufgebaut sind. Diese -Konsequenz hat, auf die Erde, auch Fechner gezogen; und weiter, daß -immer die umfassendere Seele von den eingeschlossenen Seelen weiß, -während sich ausschließende Seelen voneinander ohne Wissen sind. Die -Bedeutung einer Seele aber richtet sich nicht nach dem Umfang, und -so bleibt die Menschenseele auf ihrer Höhe auch den umfangreicheren -Seelen gegenüber. Denn entscheidend ist die Größe des Bewußtseins, im -Leibnizschen Sinne: ihre Deutlichkeit, und diese braucht mit dem Umfang -nicht zusammenzuhängen. Es kommt hier die Lehre von der ~Schwelle~ des -Bewußtseins in Betracht, aus der eine Art ~Bewußtseinsleiter~, wie eine -Tonleiter aufgebaut wird. Fechner hat auch über die Pflanzenseele eine -Schrift: „Nanna oder über das Seelenleben der Pflanzen“ verfaßt, deren -Ideen sich gerade jetzt mehr und mehr Bahn brechen. Aber den kleinsten -Teilen der Materie, den Atomen, hat Fechner Leibniz’ Monadenleben doch -abgesprochen. - -~Wilhelm Wundt~ (geb. 1832 zu Neckarau), der geistvolle Führer in -der Psychophysiologie, den wir schon genannt haben, steht, abgesehen -vom Mystizismus Fechners, ungefähr auf gleichem Boden. Er ist als -Physiolog und Psycholog sehr ins Einzelne gegangen und hat in allen -Seelenfunktionen nachzuweisen versucht, daß sie mit Körperfunktionen -zusammenhängen. Persönlich halte ich einen solchen Nachweis nur im -Gröbsten für möglich, und namentlich den Hauptnachweis, als Ursache -und Folge, überhaupt nicht für erbringbar, da in solchen transzendenten -Fragen die Zeit ausscheidet. Für die Erfahrung ist aber sehr viel -durch solche Untersuchungen gewonnen, und der Nachweis, daß Körper und -Geist als Erscheinungen in der Tat untrennbar sind, ist von höchster -Bedeutung. Wir kommen im letzten Kapitel noch darauf zu sprechen. Das -gesamte ~Leben~ sieht Wundt als nie rastendes inneres ~Geschehen~ an, -das kein ~Beharrendes~ besitzt. Zum Beharrenden glaubt er, kommen wir -lediglich durch Projektion der Außenwelt in unsere innere Welt; zum -~Bewußtsein~ wie für die Außenwelt zum Raum, indem wir für das aus -jener Projektion fälschlich gewonnene Beharrende einen Ort brauchen -und ihn uns einbilden, eben das Bewußtsein. An sich drückt Bewußtsein -nichts aus, als daß wir ein inneres Leben führen, und es ist nicht -von den anderen inneren Erscheinungen des Lebens verschieden. Kaum -daß der Wille herausgehoben wird. Offenbar kann ebenso auf das ganze -Gebiet dessen, was auf S. 222 f. als regulative oder kategorische -Seele bezeichnet ist, geschlossen werden. Eine solche Seele wäre also -nicht ein Besonderes, und wir hätten eine ~assoziative Psychologie~ -(S. 359). Die Verneinung alles Beharrenden ist heraklitisch. Ich -weiß aber nicht, wie sie sich für das innere Leben soll durchführen -lassen, ohne dieses in ein völliges Schattenspiel aufzulösen, denn -mit der Verneinung des Bewußtseins als eines Beharrenden -- ich -glaube eines Organs für die innere Welt, wie die Sinnesorgane für -die äußere -- ist auch die Verneinung der Individualität gegeben, -damit auch die Verneinung der Anschauungsformen. Und so wäre auch -die Welt zu verneinen. Dann bliebe nur noch die indische Maja. Wir -haben auch davon noch zu sprechen. Gleichwohl wird die Welt als eine -Totalität aufgefaßt, nämlich als Ganzheit der Willenstätigkeiten. -Diesen entsprechen die Vorstellungstätigkeiten und ordnen sich -nach ihnen. Der Gedanke ist spinozistisch mit genauerer Angabe der -Attribute. Allein die ~Gottesidee~ scheint gesondert behandelt zu -sein. Von Bedeutung ist noch Wundts Unterscheidung zwischen einer -~quantitativen Transzendenz~, wie wenn der Umfang eines Gegenstandes -oder einer Vorstellung über die Grenzen hinaus erweitert wird, und -der ~qualitativen Transzendenz~, wenn das Hinausgehen zu überhaupt -Verschiedenem erfolgt. In allen metaphysischen Problemen haben wir -es mit beiden Transzendenzen zu tun. Offenbar hängen sie mit den -Attributen zusammen. Die große Bedeutung Wundts als Ordner der -philosophischen Wissenschaften habe ich nur zu erwähnen. Zu den -Neu-Spinozisten ist wohl auch A. ~Riehl~ (geb. 1844) zu rechnen, jedoch -mit einer starken Neigung zum Transzendental-Idealistischen, da er die -„gemeinsame Quelle von Natur und Verstand“ für transzendent erklärt -und außerdem die psychische Welt durchaus von der physischen scheidet. -Aber der Parallelismus vermittelt ihm einen „philosophischen Monismus“. -Ähnlich verhält es sich mit dem freundlichen ~Adolf Lasson~ (geb. -1832). Über ~Häckels~ Spinozismus kann ich nur im Zusammenhange mit dem -Energismus reden. - - - - -ACHTES KAPITEL. - -Empirismus, Sensualismus, Realismus, Naturalismus, Positivismus. - - -Wir nähern uns der physischen Anschauung von Welt und Leben. Den wenn -auch nicht zeitlichen, aber sachlichen Übergang bilden die in der -Überschrift verzeichneten Anschauungen. Die Namen besagen schon, um was -es sich dabei handelt. Nur ist hervorzuheben, daß unter Sensualismus -der ~äußere~ Sensualismus verstanden ist, nicht der innere, der der -Phänomenalismus ist, und den wir schon untersucht haben (S. 356 ff.). -Diese Anschauungsweisen sind die sich von selbst darbietenden; eine -Besprechung verdienen sie nur, soweit sie philosophisch durchdacht -sind. Wir finden sie selbstverständlich bei allen Völkern und -zu allen Zeiten, so auch bei den Griechen (unter den Zynikern, -Epikureern, Stoikern usf.). Zu einem System ausgebildet sind sie -jedoch erst in den neueren Zeiten, und von denen allein wollen wir -hier sprechen. Den Idealismus haben wir fast ganz in Deutschland -behandeln können; was wir jetzt vortragen werden, betrifft wesentlich -englische und französische Denker, deutsche kommen erst in neuerer -Zeit und, hinsichtlich der Originalität, in zweiter Reihe in Betracht. -Dafür haben wir freilich in ~Ernst Mach~ einen der konsequentesten -Sensualisten. - - -48. ~Die englische Trias: Bacon, Locke, Hume.~ - -Von dem englischen Dreigestirn ist ~Francis Bacon von Verulam~ -(1561-1626), der bekannte Begründer der naturwissenschaftlichen -Erfahrungsmethoden, für uns von geringerer Bedeutung; er hat eine -neue, besondere Anschauung von Welt und Leben nicht entwickelt. Nur -auf die Notwendigkeit der Beurteilung der Welt und ihrer Geschehnisse -auf Grund der Erfahrung hat er scharf hingewiesen. Die neuere -~Empirie~, als Untersuchungsmethode, nimmt mit ihm namentlich in den -Naturwissenschaften ihren eigentlichen Anfang. Endursachen lehnt -er ab, weil mit ihnen nichts anzufangen sei, sie gehörten in die -Gotteslehre, nicht in die eigentliche Wissenschaft. Die Natur müsse aus -ihren eigenen Vorgängen und Ursachen erklärt werden, also empirisch, -nicht metaphysisch, ein Standpunkt, den schon viele vor ihm vertreten -haben, auf dem wir auch Aristoteles finden. Seine Methode ist die der -~Induktion~. Reiner Empirist ist aber Bacon nicht, eher empirischer -Panpsychist, da er die ganze Materie belebt sein läßt. Auch nimmt er -ein allgemeines Gesetz an, das die Natur beherrschen soll. Er gesteht -sogar Intuition zu. Und doch schreckt er uns mit den Trugbildern, -Idolen, die uns aus unserer allgemeinen Natur, doch auch aus unserer -individuellen Art und aus gedankenloser Einbildung, als Tradition und -Anlernung, stetig verfolgen sollen. - -~John Locke~ (1632 in Wrington geboren, gestorben 1704) gehört zu den -Größten im Reiche des Gedankens. Sein Meisterwerk: „An essay concerning -human understanding“ (ich zitiere nach der Reclam-Ausgabe) ist das -Hauptalles des Empirismus. Locke ist aber nicht bloß Empirist; wir -finden auch Idealismus, Sensualismus und Realismus bei ihm vertreten. -Empirist ist er hinsichtlich unserer Ideen, Idealist in bezug auf -die Materie, und zwar transzendentaler, Sensualist, wo es sich um -Verbindung der Ideen mit der Erfahrung handelt, Realist in bezug auf -Körper und Vorgänge. Die Ideen (Empfindung, Vorstellung, Begriff -usf.) sind sämtlich aus der Erscheinung erworben; keine Idee ist -uns angeboren, ist a priori, alle sind a posteriori. „Bei manchen -Leuten,“ sagt er, „steht die Ansicht fest, daß der Verstand gewisse ihm -angeborene Grundbegriffe enthalte, gewisse ursprüngliche Vorstellungen, -κοιναὶ ἔννοιαι, dem menschlichen Bewußtsein gewissermaßen aufgeprägte -Schriftzüge, die die Seele bei ihrem ersten Eintritt in das Dasein -empfange und mit sich in die Welt bringe.“ Das soll also nicht der -Fall sein: „Sie sind dem Geiste nicht von Natur eingeprägt, weil sie -den Kindern, Idioten usw. nicht bekannt sind.“ Alle Kinder und Idioten -hätten nicht den geringsten Begriff von ihnen. Und es scheint ihm „fast -ein Widerspruch darin zu liegen, wenn man sagen wollte, es gäbe der -Seele eingeprägte Wahrheiten, die sie nicht bemerke oder verstehe.“ -„Denn daß dem Geiste etwas eingeprägt werde, ohne daß es ihm zum -Bewußtsein käme, scheint mir kaum verständlich zu sein.“ Die Vernunft -entdeckt auch die Ideen nicht, sie bildet sie nur allmählich aus den -Eindrücken, die sie empfängt. Locke unterscheidet nun die innere -Erfahrung (reflection) von der äußeren (sensation). Aber eine innere -Erfahrung ohne äußere erkennt er nicht an. Wie bei den Stoikern und -vielen andern, ist die Seele für ihn erst eine tabula rasa, ein „leeres -Kabinet“. Die Sinne lassen „erst Vorstellungen ein, der Verstand -einverleibt sie dem Gedächtnis und versieht sie mit Zeichen, Namen. -Dann, im weiteren Fortschreiten abstrahiert er aus ihnen Begriffe -und lernt allmählich allgemeinere Namen. So gewinnt er Materialien -für sein Denkvermögen.“ Wir haben also nur die Fähigkeit Ideen zu -bilden, nicht besitzen wir diese Ideen von vornherein. Nicht einmal -die logischen Begriffe sind angeboren; Kinder kennen weder den Satz -der Identität, noch den des Widerspruchs. Die Idee Gottes ist nicht -angeboren. Ebensowenig die Idee der Materie. Das Kind und der Idiot -wissen von beiden nichts. Alles an Ideen ist allein aus den Eindrücken -abgeleitet, die Ideen sind empirisch gewonnen. Das wird nun auch mit -stärkerem Grunde von den praktischen Grundsätzen behauptet, ebenfalls -zum Teil von den moralischen und ethischen. Diese sind erst recht nicht -angeboren. Die Beweise dafür werden aus dem Leben des Einzelnen und -der Menschen eingehend geführt. In der Tat ist ja das Material für -solche Beweise scheinbar groß genug. Alle Ideen sind aus Sensation -und Reflexion gewonnen. „Äußere Gegenstände versehen den Geist mit -den Ideen sinnlicher Eigenschaften, die aus allen den verschiedenen -Wahrnehmungen bestehen, die sie in uns hervorbringen, und der Geist -versieht den Verstand mit den Ideen seiner eigenen Tätigkeit.“ Die -Ideen der Reflexion werden aber später erworben, und die Seele -fängt an, Ideen zu haben, wenn sie mit der Wahrnehmung beginnt. Die -Wahrnehmung ist das eine, das der Geist tut, und die Reflexion an -diesen Wahrnehmungen ist das zweite. Aber ohne Wahrnehmungen gibt es -auch keine Reflexion. So sind die Wahrnehmungen das Grundlegende. -Das ist reiner ~Empirismus~. Nun aber sind Wahrnehmungen solche doch -nur insoweit, als wir sie bewußt erfassen. Daher ist unsere innere -Tätigkeit Voraussetzung der Wahrnehmungen. Und so entsteht ein -gegenseitiges Sichbedingen: ohne Sensation keine Reflexion, und ohne -Reflexion keine Sensation. Das letztere aber liegt auf dem Gebiete des -~Sensualismus~. Unser Inneres erst macht die Wahrnehmungen zu dem, was -sie sind. Und als solche sind sie in unserem Inneren durchaus real. - -Ob sie auch objektive Realität haben, muß die Verbindung der -Wahrnehmungen unter dem Einfluß der Reflexion entscheiden. Dann zeigt -sich, daß manche Wahrnehmungen nicht den Dingen selbst anhaften, -sondern nur durch Eindrücke von ihnen auf uns hervorgebracht werden, -wie Farben, Töne, Gerüche, Wärme, Kälte usf. Anderen dagegen, wie -Festigkeit, Ausdehnung, Figur, Ruhe, Bewegung, schreibt Locke -~objektive~ Wahrheit zu, sie sind wirklich. Selbst Raum, Zeit und Zahl -gehören dazu. Hier haben wir einen ~Realismus~ und ~Positivismus~. -„Weil unsere Sinne außerstande sind, irgendwelche Ungleichheit -zwischen der in uns entstandenen Idee und der Beschaffenheit des sie -hervorbringenden Objekts (das Objekt selbst, nicht das Ding-an-sich, -wie der Herausgeber meint) zu entdecken, so sind wir zu der Vorstellung -geneigt, daß unsere Vorstellungen Ebenbilder von etwas in den Objekten -Enthaltenem und nicht die Wirkungen gewisser in der Modalität ihrer -primären Eigenschaften liegender Kräfte seien, mit welchen primären -Eigenschaften die in uns entstandenen Ideen keine Ähnlichkeit haben.“ -Das letztere klingt freilich idealistisch gesprochen. Und an einer -weit davon entfernten Stelle wird gesagt: „Offenbar erkennt der Geist -die Dinge nicht unmittelbar, sondern nur vermittelst der Ideen, die -er von ihnen hat. Unser Wissen ist deshalb nur so weit real, als -eine Übereinstimmung zwischen unseren Ideen und der Realität der -Dinge besteht. Was soll aber hierfür als Kriterium dienen? Woran soll -der Geist, wenn er nichts als seine eigenen Ideen wahrnimmt, deren -Übereinstimmung mit den Dingen selbst erkennen?“ Locke glaubt sich -helfen zu können, indem er die Art der Ideen in Betracht zieht. Er -hatte gleich im Anfang seines Werkes ~einfache~ Ideen (simple ideas) -von komplexen (complex ideas) unterschieden und zu jenen alle Ideen -gerechnet, denen Wahrnehmung durch die äußeren Sinne (einen Sinn oder -mehrere Sinne zugleich) entspricht, oder durch den inneren Sinn allein -(Denken, Fühlen usf.), oder durch beide Sinnenarten zusammen (Lust, -Schmerz, Kraft, Existenz, Einheit). Auf diese einfachen Ideen stützt -er sich. Nach seiner Lehre kann der Geist keine von ihnen aus sich -selbst hervorbringen; er ist nur reflexiv beteiligt, ihre Entstehung -verdanken sie Eindrücken (s. oben). Also müssen sie „notwendigerweise -das Erzeugnis von Dingen sein,“ „die auf natürlichem Wege auf den -Geist einwirken und an ihm eben die Wahrnehmung hervorbringen, -wofür sie durch die Weisheit und den Willen des Schöpfers bestimmt -und eingerichtet sind. Daraus folgt, daß die einfachen Ideen -nicht Erdichtungen unserer Phantasie, sondern die natürlichen und -regelmäßigen Erzeugnisse von Dingen außer uns sind, die tatsächlich -auf uns einwirken, und daß sie also die ganze beabsichtigte oder -für unseren Zustand erforderliche Ähnlichkeit an sich tragen.“ Die -Einführung Gottes zum Beweise der Realität der Dinge entspricht dem -Verfahren des Descartes (S. 337). Selbst die komplexen Ideen, mit -Ausnahme der Idee von der Substanz (Materie) sollen zu dem gleichen -Schluß führen. Unserer eigenen Existenz sind wir intuitiv gewiß. -Gottes Dasein können wir mit Gewißheit erkennen. Und der Beweis dafür -wird wie immer aus den ihm zugeschriebenen Eigenschaften entnommen. -Indessen auch von der Welt; er ist also ontologisch und kosmologisch. -Sonst entscheidet überall einzig die Vernunft in Verbindung mit der -Wahrnehmung. - -Der Raum wird als ein eigenes Reales angesehen, also ist auch ein von -Körpern freier Raum zugestanden. Die Zeit wird durch die Folge unserer -eigenen Ideen gewonnen. Hier ist der Gedankengang von hohem Interesse. -Erst haben wir in unserem Inneren die Idee der Sukzession; in unser -Bewußtsein kommt einiges, anderes verschwindet. Ein Abstand zwischen -den Teilen der Sukzession ist die Dauer. Indem wir ferner „gewisse -Erscheinungen in bestimmten regelmäßigen Dauern sinnlich wahrnehmen, -erlangen wir die Ideen von bestimmten Längen oder Maßen der Dauer, wie -Minuten, Stunden, Tagen, Jahren usf.“ Nun können wir in unserem Sinn -Dauern wiederholen, so kommen wir dazu, „uns eine Dauer vorzustellen, -wo nichts wirklich fortdauert oder besteht“. Indem wir Maße von Dauern -immer weiter aneinanderfügen, gelangen wir zu dem Begriff der Ewigkeit. -Endlich: „durch die Betrachtung irgendeines Teiles der unendlichen -Dauer, als abgegrenzt durch periodische Maße, kommen wir zu der Idee -dessen, was wir im allgemeinen die Zeit nennen“. Hier wirkt Inneres und -Äußeres. Und ich glaube, nichts zeigt so klar, wie wenig angeborene -Ideen entbehrt werden können, als diese mühsame und nach Außen und -nach Innen schwingende Ableitung der Zeit. Sofern die Reflexion nur an -Wahrnehmung anschließen soll, möchte man der Zeit Realität zusprechen. -Aber sie scheint mit gleichem Rechte auch idealistisch aufzufassen -zu sein, da ja die Reflexion wieder Bedingung der Wahrnehmung ist, -also auch der Folge in den Wahrnehmungen. Von der Materie (Substanz) -wird gesagt, daß wir von ihr „im allgemeinen keine klare Idee“ haben. -Weil wir von körperlichen Substanzen, „wie Pferd, Stein usf. reden und -an sie denken, so ist zwar unsere Idee von jeder derselben nur die -Verknüpfung oder Zusammenfassung einer Mehrzahl einfacher Ideen von -sinnlichen Eigenschaften, die wir gewohnt sind in dem Pferd oder Stein -genannten Dinge vereinigt zu finden; weil wir uns aber nicht denken -können, wie sie jede für sich oder eine durch die andere bestehen -sollten, so setzen wir voraus, daß sie durch ein gemeinschaftliches -Subjekt existieren und getragen werden, und diese Stütze bezeichnen -wir mit dem Namen „Substanz“, obgleich wir sicherlich von dem Dinge, -das wir voraussetzen, keine klare oder deutliche Idee haben.“ Also -ist die Substanz als solche idealistisch gedacht. Dagegen haben wir -vom „Geiste“ „eine ebenso klare Idee wie vom Körper“. Mit demselben -Recht, mit dem wir dem Körper Realität zuschreiben, können wir auch die -Realität des Geistes behaupten. Der Geist scheint fast substantiell -gedacht zu sein, denn es wird ihm Bewegungsfähigkeit zugeschrieben. Es -heißt: „Denn da meine Seele, so gut wie mein Körper, ein reales Wesen -ist, so ist sie gewiß ebensogut wie der Körper imstande, ihren Abstand -von einem anderen Körper oder Wesen zu verändern, und also der Bewegung -fähig.“ - -Von ~David Hume~ (bei Edinburg 1711 geboren, 1776 gestorben), der -als der bedeutendste Philosoph Englands anerkannt wird, haben wir -in anderem Zusammenhange bereits gesprochen (S. 358). Hier kommt -es auf seinen ~Empirismus~ und ~Sensualismus~ an. Er geht insofern -nicht so weit wie Locke, als er Begriffe auch a priori anerkennt. -Sein für uns in Betracht kommendes Hauptwerk ist „Enquiry concerning -human understanding“ (ich zitiere nach der deutschen Ausgabe der -Philosophischen Bibliothek). Für Humes Anschauungen von Wichtigkeit -ist seine Unterscheidung zwischen Eindrücken und Gedanken oder -Vorstellungen. Eindrücke (impressions) sind „alle unsere lebhafteren -Auffassungen, wenn wir hören, sehen, tasten, drücken, wünschen, -wollen.“ ~Gedanken~ oder ~Vorstellungen~ (ideas, perceptions) sind die -weniger lebhaften Auffassungen, „deren wir uns bewußt werden, wenn -wir uns auf eine jener oben erwähnten Wahrnehmungen oder Regungen -besinnen“. Vorstellungen sind also immer „einem gleichartigen -Eindruck nachgebildet“. Es gibt Ausnahmen von dieser Regel, indem -die Einbildung Vorstellungen in einer Reihe von Vorstellungen auch -ohne voraufgegangenen Eindruck aus benachbarten Vorstellungen zu -ergänzen vermag, zum Beispiel eine besondere, nie gesehene Farbe in -einer Farbenskala, wo sie fehlt. Hume führt diesen Fall selbst an; -aber er legt diesen Ausnahmen kein Gewicht bei, vielleicht weil die -Ergänzung lediglich eine Mittelung aus den einschließenden bekannten -Vorstellungen ist. Versteht man nun unter angeboren das, „was -ursprünglich, das heißt von keiner vorangegangenen Auffassung das -Abbild ist, dann können wir wohl behaupten, daß alle unsere Eindrücke -angeboren und unsere Vorstellungen nicht angeboren sind“. Wir würden -uns im Kreise bewegen, wenn wir nicht umgekehrt sagen wollten: Es -gibt Seelentätigkeiten, die angeboren sind, wie die Wahrnehmungen, -der Wunsch, der Wille (Humes Ausdrucksweise ist zu unbestimmt, um -die Reihe in seinem Sinne selbst fortsetzen zu können), diese nennen -wir Eindrücke; und es gibt weiter Tätigkeiten, die nicht angeboren, -sondern Abbilder jener Tätigkeiten sind, diese heißen Gedanken oder -Vorstellungen. Hume legt aber auf die Unterscheidung zwischen angeboren -und nichtangeboren anscheinend gar keinen Wert. Wie Eindrücke die -Grundlage der Vorstellungen sind, so können sie ihrerseits wieder -Eindrücke hervorrufen, diese wieder Vorstellungen veranlassen usf. -Aus den Eindrücken folgen die Tatsachen. Alle Denkakte, die Tatsachen -betreffen, „scheinen sich auf die Beziehung von Ursache und Wirkung -zu gründen“. Aber Hume sagt: „Ich wage es, als einen ausnahmlosen -Satz hinzustellen, daß die Kenntnis dieser Beziehung in keinem Falle -durch Denkakte a priori gewonnen wird; sondern daß sie ganz und gar -aus der Erfahrung stammt, indem wir finden, daß gewisse Gegenstände -beständig in Zusammenhang stehen.“ Die Beispiele, die Hume wählt -- -ein Mann, dem ein gänzlich fremder Gegenstand vorgelegt wird, würde -nicht imstande sein, trotz genauester Prüfung, „irgendwelche von seinen -Ursachen oder Wirkungen zu entdecken“. Adam hätte „aus der Flüssigkeit -und Durchsichtigkeit des Wassers nicht herleiten können, daß es ihn -ersticken, noch aus der Helligkeit und Wärme des Feuers, daß es ihn -verzehren würde“ -- zeigen aber deutlich, daß es sich für Hume nicht -um den Ursächlichkeitsbegriff handelte, sondern allein um objektive -Ursache und Wirkung. Seine Behauptungen enthalten also keineswegs eine -Ableugnung des Kausalitätsbegriffes, sondern nur der Möglichkeit, -~besondere~ Ursachen und Wirkungen allein aus der Vernunft zu erkennen. -Und darin muß jeder beistimmen. Die Kausalität außer der Erfahrung sagt -ja nicht, das und das ~wird~ aus ~dem~ und ~dem~ geschehen, sondern: -was geschieht, geschah und geschehen wird, ist eine Folge von irgend -etwas; wir sehen alles als Folge von etwas an; nicht, wir erwarten -Dieses als Folge von Jenem. Letzteres kann selbstverständlich nur durch -Erfahrung gerechtfertigt werden. Ja, man muß Hume beipflichten, wenn -er weiter meint, wir hätten auch aus der Erfahrung noch kein Recht, -aus bestimmten Ursachen auf bestimmte Wirkungen zu schließen, selbst -wenn wir so und so oft die Wirkungen haben eintreten sehen. „Vergeblich -behauptet man, die Natur der Körper aus vergangener Erfahrung kennen -gelernt zu haben. Ihre verborgene Natur und alle ihre Wirkungen können -wechseln, ohne jeden Wechsel in ihren sinnlichen Eigenschaften“. Und -er sagt ferner: „Diese Verknüpfung also (daß wir in einer Reihe von -Fällen Ereignisse stets im Zusammenhange sehen), die wir im Geist -~empfinden~, dieser gewohnheitsmäßige Übergang von einem Gegenstand -zu seinem üblichen Begleiter, ist das Gefühl oder der Eindruck, -nach dem wir die Vorstellung von Kraft oder notwendiger Verknüpfung -bilden. Weiter steckt nichts dahinter“. Gleichwohl glaube ich, daß -diejenigen zu weit gehen, welche Hume den Ursächlichkeitsbegriff -als solchen ablehnen lassen; von diesem Begriff ist bei ihm, wie -bemerkt, gar keine Rede; er lehnt nur ab, daß wir je ohne Erfahrung -Verknüpfung zwischen Erscheinungen ermitteln können, und daß wir je, -wo wir Verknüpfungen festgestellt haben, mit Gewißheit sie auch für -nicht festgestellte Fälle in der Vergangenheit oder für die Zukunft -behaupten können. Deshalb wird Ursache auch noch anders definiert, -als ein „Gegenstand, dem ein anderer folgt, und dessen Erscheinen -stets das ~Denken~ zu jenem anderen führt“. Somit ist das Verhältnis -zwischen Ursache und Wirkung entweder reine Tatsachenbehauptung -- -auf diese Schwingung folgt dieser Ton, und allen gleichgearteten -Schwingungen sind gleichgeartete Töne gefolgt -- oder eine Denkfolge --- auf diese Schwingung folgt dieser Ton, beim Erscheinen dieser -Schwingung greift der Geist vor und bildet die Vorstellung des Tones ---. Außer diesen beiden Gesichtspunkten, meint Hume, haben wir -für die Beziehung von Ursache und Wirkung keine Vorstellung. Der -erste Gesichtspunkt geht auf unmittelbar Erfahrenes, der zweite auf -Erwartetes. Letzterer betrifft selbst nach Hume einen geistigen Akt. -Die beiden Gesichtspunkte sollen in gleicher Weise auch für psychische -Erscheinungen gelten. Eine Art ~gewohnheitsmäßiges~ Schließen des -Geistes sei es, das beide Fälle umfaßt. Von denselben Gesichtspunkten -aus ist, was Hume über das „Wunder“ sagt, höchst interessant und -bedeutend. Die Vernunft spricht hier gar nicht mit, sondern nur der -Glaube. Er nennt die Leute gefährliche Freunde oder versteckte Feinde, -die es unternommen haben und unternehmen, die christliche Religion -mit den Prinzipien der menschlichen Vernunft zu verteidigen. „Unsere -allerheiligste Religion gründet sich auf Glauben, nicht auf Vernunft.“ -Die gleiche Ruhe des Denkens trägt die Untersuchungen über Vorsehung -und zukünftiges Dasein. Beides wird in das Gebiet des Glaubens -verwiesen. Vernünftigerweise haben wir kein Recht, sie zu behaupten. -Bei der Vorsehung, die die Weltordnung umfaßt, sind es nur Tatsachen, -die wir vor uns haben, und die zurück auf eine allgemeine Ursache zu -führen wir durch nichts rechtfertigen können. Zu der Annahme eines -Jenseits veranlassen uns gleichfalls nur Tatsachen, daß nämlich vieles -nicht genügend belohnt oder bestraft wird, sogar Gutes bestraft, -Übles belohnt sich findet. „Daher all die fruchtlosen Bemühungen, -Rechenschaft über die Erscheinungen des Übels in der Natur zu geben -und die Ehre der Götter zu retten (Hume läßt einen Athener sprechen), -während wir doch die Tatsache des Bösen und des Wirrens, woran die -Welt so überreich ist, anerkennen müssen.“ Außer ~Ursache und Wirkung~ -haben wir als Vorstellungsverknüpfungen noch ~Ähnlichkeit~ (und -~Kontrast~) und ~Berührung in Zeit oder Raum~. Es sind dieses die drei -~Assoziationsprinzipe~. - -Die ganze Anschauung ist eine ~Tatsachen~anschauung, sowohl in bezug -auf das äußere wie auf das innere Leben, ein ~Positivismus~. Der -reinen Vernunft wird fast nichts eingeräumt. Alles ist eine Häufung -von äußeren assoziierten Erscheinungen und inneren assoziierten -Erscheinungen. Wie für die äußeren Tatsachen keine allgemeine Ursache -behauptet wird, so für die inneren keine allgemeine Seele. Von dieser -subjektlosen Psychologie habe ich bereits gesprochen (S. 359, 400). Nur -eine Art „Ich“ wird anerkannt und die Welt so gesetzt, wie sie sich -bietet. Sensualistisch ist diese Anschauung, weil alle Vorstellungen -durchaus nicht ohne Eindrücke sein sollen. Freilich werden zu diesen -Eindrücken auch psychische gerechnet, so daß der Sensualismus in der -Tat kein vollständiger ist, sondern mit Idealismus sich überdeckt. - - -49. ~Die weitere Entwicklung.~ - -Die in gewaltigen Strömen sich ergießenden Anschauungen des -Materialismus und des Idealismus hemmten die weitere Entwicklung der -vorstehend behandelten Ansichten. So haben wir denn aus früherer -Zeit nur noch einen namhafteren Sensualisten vorzuführen, der nicht -zugleich Materialist gewesen ist, ~Etienne Bonnot de Condillac~ (in -Grenoble 1715 geboren, 1780 gestorben). Und selbst er gehört nicht ganz -hierher, da er nicht allein sensualistisch, sondern auch idealistisch -urteilt. Unser Geist entwickelt sich aus unseren Lebensbedürfnissen, -zu denen noch das Bedürfnis der Erfüllung unserer Neugier kommt. -Angeborene Begriffe haben wir nicht; die Begriffe dienen überhaupt -nur zur Klassifikation der Dinge. Eigenheiten unseres Geistes, wie -Wahrnehmen, Denken, Wollen usf., als Ursprüngliches gibt es nicht, -nur erworbene Fertigkeiten, Gewohnheiten (habitudes acquises). Unsere -Sinne sind das Prinzip unserer Kenntnisse; mit den Sinnen beginnen -sie und durch die Sinne vervollkommnen sie sich. Die Aufmerksamkeit -ist eine im Gewirr von Empfindungen hervortretende Empfindung, also -ein höherer Grad der Lebhaftigkeit einer Empfindung. Das ist auch -das Bewußtsein in seinen beliebigen Abtönungen. Unsere Empfindungen -können nicht bloß einmal zugleich sein, sondern auch beisammen -hintereinander, indem eine ihre Spur zurückläßt; alsdann haben wir die -Erinnerung. Diese aber ist eine Vergleichung. Und so kommen wir zu -Lockes Reflexion neben der Sensation. Condillac will also über Locke -hinaus vereinfachen, die Reflexion aus der Sensation entstehen lassen. -Daß dieser Versuch als ein mißglückter bezeichnet werden muß, ist klar, -denn: „eine lebhafte Empfindung ist Aufmerksamkeit“ und „Empfindungen -lassen Spuren zurück“ sind doch nur Redewendungen. Das erhellt noch -mehr, wenn unserem Geist Freiheit in der Kombination der Empfindungen -gelassen wird. Wir haben aber nur den Sinnen und dem, was sie uns -zuführen, der Natur, zu folgen. Somit können wir nie auf den Grund -der Erscheinungen kommen; die einzigen Grundlagen aller Wissenschaft -sind nur Tatsachen. Auch unsere Empfindungen durch die Sinne sind nur -solche Tatsachen; die einfachen Ideen, die sie bieten, lassen sich -nicht erklären. Nur die komplexen Ideen können wir auseinanderwickeln, -analysieren. Alle Empfindungen sind nur Modifikationen unseres Ich. -Hier spielt ein ~innerer~ Sensualismus als Phänomenalismus hinein, „die -Seele ist es, die empfindet, ihr allein gehören die Empfindungen an“. -„Unsere Empfindungen existieren außer uns nicht.“ Und so verbindet -sich Condillacs Positivismus auch mit Dualismus, sogar mit Deismus, -da einerseits zwischen Körper und Geist unterschieden wird und -andererseits alles Bestimmende, der Materie wie der Seele, von Gott -kommen soll. Da nun Körper und Geist absolut verschieden sein sollen -und in Gott auch nicht Vereinigung finden, so gelangt Condillac zu -einem ~okkasionalistischen~ (S. 336) ~Sensualismus~ und einem ~freien -Psychismus~. Man sollte nun glauben, daß das Ich eine besondere -Bedeutung hat. Keineswegs! Das Ich wird erst erkannt aus der Folge der -Empfindungen, und es ist nur „eine Sammlung von Empfindungen, die es -erfährt, und solcher, die das Gedächtnis ihm in Erinnerung bringt“. Für -die Erkenntnis der Außenwelt hat er sein berühmtes Beispiel der Statue -erfunden, die er allmählich mit allen Sinnen begabt. Er findet, daß nur -das Tastgefühl uns eine Außenwelt gewiß macht, die übrigen Empfindungen -können es nicht tun. Nicht einmal unser eigenes Körperbewußtsein -vermöge uns unseren Körper zu sichern; nur wenn wir ihn betasten, haben -wir ihn. Trotz dieser sehr mangelhaften Erweisung der Körperwelt, sieht -Condillac diese als sicher an; er ist darin dogmatischer Realist. -Es ist erstaunlich, was man alles als Sensualist sein kann! Selbst -wenn man ein so methodischer Kopf ist, wie Condillac sich anscheinend -überall durch seine fast minutiösen Analysen und Synthesen zeigt. - -Zu den Sensualisten werden noch ~Hemsterhuis~, ~Montesquieu~, -ja ~Rousseau~ gezählt, aber mehr in der Weise wie Männer, die -sensualistisch denken, nicht sensualistische Systeme errichten. -Vielleicht ist bei Rousseau (1712 zu Genf geb., 1778 gest.) aus seinem -Sensualismus seine berühmte Vorliebe für den Naturzustand abzuleiten -und seine Feindschaft gegen die Reflexion, die er weit gegen die -Sensation zurückstellt und der er doch bei jeder Gelegenheit so -huldigt, wie dem menschlichen Gefühl und Hochdenken. Im 19. Jahrhundert -haben wir zunächst in ~Beneke~ (1798-1854) einen Realisten nach Art der -vorgeführten zu sehen. Auch für ihn gibt es keine angeborenen Begriffe -an sich, wohl aber die Fähigkeit, Begriffe herzustellen. Man hat bisher -darin gefehlt, meint er, „daß man die in der ausgebildeten Seele -hervortretenden Formen als schon vor der Erfahrung, oder bestimmter, -vor der Entwicklung der Seele gegebene (angeborene) voraussetzt. Dies -ist falsch: Die Formen, welche für die Erkenntnis zunächst vorliegen, -~sind erst in der Entwicklung der Seele entstanden~, vor derselben nur -~prädeterminiert~ in angeborenen Anlagen und Verhältnissen, welche ganz -andere Formen an sich tragen“. - -Diese, übrigens nicht neue, Auffassung hat viele begeisterte Anhänger -gefunden, namentlich in der neuesten Zeit, da der Führer der modernen -Sensualisten, Ernst Mach, sie anerkannt hat. Aber wie wenig sie erklärt -und wie sehr sie eigentlich nur ein Spiel mit Worten ist, erhellt, -glaube ich, genügend aus dem bisher Vorgetragenen. Seit Aristoteles -seine ~potentiellen Eigenschaften~ erfunden und in die Welt gebracht -hat, spuken sie in allen Wissenschaften, selbst in den exakten, trotz -der so bestimmten Aufklärungen, die Kant uns über sie gegeben hat. -Ich setze mit einem Wirklichen nicht mehr als mit einem Potentiellen, -das Wirklichkeit wird. Und ein Potentielles, das Wirklichkeit nicht -wird, hat für Erklärungen, für Einsichten gar keinen Wert. Es ist nur -ein Streit um Worte, veranlaßt durch das Mißverständnis, als wenn wir -von allem, was wir enthalten, in jedem Moment durchaus die gleiche -intensive Kenntnis haben müßten. Auf diese Weise ist für uns alles -potentiell, und zwar in jedem Moment; wir, die Welt, die Eindrücke, -unser Gehen, Stehen usf., denn dies alles ist uns durchaus nicht immer -in gleicher Weise gegenwärtig, und es lohnt nicht, überhaupt über -etwas nachzudenken. Wir wenden im ausgebildetsten Zustand immer nur -einzelnes an, sind uns mitunter unseres Körpers, der ganzen Umgebung -nicht bewußt, folgen einem fremden Wollen, einem verborgenen Fühlen. -Gleichwohl ist doch alles in unserer Seele da, und wir benutzen es -sofort, sobald wir dazu gezwungen werden oder es wollen. Sofort -empfinden wir dann, und empfinden wir räumlich und zeitlich und kausal. -Sofort bei der Geburt empfindet das Kind Hunger, Durst, Schmerz, -Sättigung usf. Es urteilt noch nicht logisch, aber schon kausal; es -hat den Raumbegriff, denn es führt Gegenstände zum Mund und sucht die -Brust der Mutter. Das gilt alles für das Kind wie für das Tier, und -das nennt man eben angeboren. Die Fähigkeiten würden dem Kinde gar -nichts nützen, es wüßte selbst nach dem ersten Schluck aus der Mutter -Brust nicht, daß es weitersaugen soll, um den Hunger zu stillen, wenn -es den Kausalbegriff nicht hätte. Daß wir lange Zeit nicht darauf -kommen, was wir besitzen anzuwenden, hat mit dem Besitz nichts zu -schaffen. Erwerbung sagt rein gar nichts, sondern drückt nur die -Tatsache aus, daß Gleiches allgemein Gleichem gleicht. Es gibt eben -Dinge in der Welt, die man ~nicht~ ableiten kann, weil sie schon das -Einfachste sind. Etwas muß doch da sein; wenn auch nur die Mittel, -daß wir überhaupt existieren, überhaupt wahrnehmen, fühlen, denken -usf. Wenn dieses Etwas nicht von vornherein vorhanden ist, so kann ja -niemals ein Anfang gemacht werden, denn zu diesem Anfang, so unbestimmt -und dunkel er sein mag, gehört ja schon das Etwas. Es mag einer noch -so schlecht gehen, so muß er seine Beine doch dazu haben; hat er sie -nicht, oder nur potentiell, indem sie ihm im Körper stecken, so kann er -nicht einmal auf die miserabelste Weise auch nur den kleinsten Schritt -tun. Ohne angeborene Eigenheiten gibt es gar keinen Anfang des Lebens, -das Leben würde sofort zu Grunde gehen. Welche Eigenheiten man als -angeboren annehmen soll, und ob bei allen Wesen die gleichen, darüber -kann gestritten werden; aber nicht, ob überhaupt Eigenheiten als -angeboren anzunehmen sind (S. 362). - -Um auf unseren Philosophen zurückzukommen, so leitete er alle -psychischen Vorgänge aus Grundvorgängen ab: aus Reizaneignung, -das heißt Empfindung und Wahrnehmung, den „Urvermögen“ der Seele; -aus Umbildung zu neuen Urvermögen; aus Assoziation und Nachklang -der Reizaneignung; aus Kombination. Diese Vermögen, ihr Wirken -und Zusammenwirken sind die Seele. Es ist also abermals eine Art -assoziative Psychologie, aber doch mit einem, wenn auch im Hintergrund -wirkenden Ich. - -In dem gleichen Jahre wie Beneke ist auch ~Auguste Comte~ (zu -Montpellier) geboren, der eigentliche Positivist des 19. Jahrhunderts, -ehe er durch Krankheit in Mystizismus verfiel, in dem er 1859 -zu Paris starb. Seine „Philosophie positive“ ist ein Grundwerk. -Die Metaphysik mit ihren Ideen und Kategorien wird von vornherein -abgelehnt; sie ist nur eine Scheinwissenschaft, eine Art Theologie. -Drei Folgen des Denkens nennt Comte. Zuerst sieht der Mensch in und -hinter den Dingen Persönlichkeiten. Wir kennen diesen Zustand schon -und haben ihn im ersten Buch eingehend dargelegt. Später verlieren -die Persönlichkeiten das Persönliche allmählich und gehen zuletzt, -soweit sie noch übrig gelassen werden, in metaphysische Begriffe über. -„Sie (die Scheinwissenschaft) setzt ihre Kategorien an die Stelle der -Dämonen; aber sie hört nicht auf, Entitäten, das heißt erdichtete -Wesenheiten, im Hintergrunde der Erscheinungen vorauszusetzen“ (E. -Dühring, Geschichte der Philosophie). Das soll sich wohl auf die -Dinge-an-sich beziehen. Im dritten Stadium wendet sich das Denken dem -zu, was ist, der rein positiven Betrachtung der Welt. Comte hat von -diesem Gesichtspunkt aus die bekanntesten Wissenschaften: Mathematik, -Mechanik, Physik, Chemie, Astronomie, Physiologie, Gesellschaftslehre -behandelt. Es ist eine „Hierarchie der positiven Wissenschaften“, die -Wissenschaften werden positiv-induktiv vorgeführt. Für die Welt- und -Lebenanschauung ergibt sich fast nichts; nur daß Comte das geistige -Leben von der Physik und Chemie doch geschieden hat, verdient besondere -Erwähnung. Er erkennt bloß an, daß in diesem Leben physische Vorgänge -als Momente eintreten. Das Leben selbst aber ist etwas anderes als -diese Vorgänge, aus ihnen nicht zu begreifen und als etwas für sich -nach seinen Positiven zu studieren. Comte hat viele Nachfolger in -Frankreich, England wie Deutschland gehabt. - -Bei uns der bedeutendste Positivist ist ~Eugen Dühring~ (geb. -1833) ein Mann, so scharfsinnig in kritischen Untersuchungen wie -wissenschaftlichen Entdeckungen; die Physik verdankt ihm eines ihrer -sichersten und schönsten Gesetze. Seine „Wirklichkeitsphilosophie“ -betrachtet alles: Raum, Zeit, Welt wie wir es uns vorstellen, nach -Maßgabe wohl des Zusammenwirkens aller Sinne. Aus dem „Gesetz der -bestimmten Anzahl“ wird geschlossen, daß, wenn der Raum unbegrenzt -sein sollte, doch die Welt der Dinge begrenzt ist, und auch, daß sie -zeitlich einen Anfang gehabt hat, soweit wenigstens es sich um Vorgänge -handelt. Vor diesem Anfang bestand also ein vorgangloses Sein. In -diesem Urzustande können gleichwohl Verschiedenheiten in den Dingen -und Zuständen vorhanden gewesen sein, nur zeitliche Folgen davon -nicht. Diese sind aus diesem Zustande heraus entstanden und entwickeln -sich nun immer weiter. Aber alles Beharrliche oder nach Beharrung -strebende haben wir als aus diesem Urzustande noch überkommen oder -zurückgeblieben anzusehen. War einmal ein Anfang zu den Geschehnissen -unserer Welt, so können sich Anfänge zu neuartigen Geschehnissen noch -einstellen. Das Ganze stellt aber eine Entwicklungsreihe dar, und zwar -aus der Natur selbst heraus, ohne Zuhilfenahme einer höheren Macht. -Und die ganze Natur ist eine Einheit. Man wird unwillkürlich an die -Anschauungen der ionischen Naturphilosophen erinnert. Dem Anfang kann -ein Ende entsprechen, etwa ein Zustand analog dem Urzustand. Jedoch -sei ewige Wiederholung des Gewesenen nicht ausgeschlossen. Eine Seele -als Sondergegenstand wird nicht zugestanden, wohl aber werden Kräfte -in der Natur angenommen. Zwischen der inneren Welt und der äußeren -Welt besteht ein Parallelismus. Manches wird mechanistisch aufgefaßt, -wie daß alle Subjektivität aus Widerstandsempfindungen und das -Bewußtsein aus einem Antagonismus mechanischer Kräfte stammen soll. Das -eigenartigste ist der „Urzustand“. In einer Wirklichkeitsphilosophie -darf man über ihn nicht hinausgehen. Aber wer kann sich dabei -beruhigen? Wir sprechen noch davon. Auf weiteres in Dührings -Philosophie einzugehen, muß ich mir versagen, sie betrifft mehr die -Lebensbetrachtung. - -Von den modernsten Sensualisten und Positivisten nenne ich nur ~Ernst -Mach~ (geb. 1838) als den tonangebenden. Seine Schriften sind, wie -die des ihm ähnlichen ~Poincaré~, voll Geist und einer erdrückenden -Menge von Tatsachen. Worin er bestimmt ist, folgt er namentlich Hume, -Kant, Beneke und Wundt. Indem er aber die tieferen Untersuchungen -als „Scheinprobleme“ ablehnt, kann er trotz seines Positivismus und -Sensualismus doch kein befriedigendes System geben. Und wenn er so -viele Nachbeter hat, so ist der Grund, daß seine „wissenschaftliche -Ökonomie“ so bequem ist. Der Mann selbst hat sie gar nicht geübt; er -ist nicht einmal den Scheinproblemen aus dem Wege gegangen -- das -kann nämlich überhaupt kein ernst denkender Mensch, der nicht einfach -Heusammler sein will --. Aber es folgt eine Koterie seinen Spuren, -die, den Lehrer mißverstehend und übertreibend, fast alles verdammt, -was wie Verletzung der „wissenschaftlichen Ökonomie“ ausschaut, und -alle Theorie und Spekulation mit der törichtesten Ironie verfolgt, -weil sie den Freipaß des Meisters zu haben glaubt, nicht über das -Positive hinaus gehen zu brauchen, ja nicht hinaus gehen zu sollen. -In der Beurteilung des Machschen Positivismus und Sensualismus kann -ich mich nur ~Max Planck~ (S. 442) anschließen. Wir wollen aber erst -einiges darüber sagen. Das meiste werde ich der Hauptschrift Machs -„Erkenntnis und Irrtum“ entnehmen. „Wir sind ebensolche Dinge wie die -Dinge der ~physikalischen~ Umgebung, die wir durch ~uns selbst auch~ -kennen lernen.“ Es wird uns aber eine gewisse Stabilität zugeschrieben, -also eine Art Ich. Dieses Ich ist die Gesamtheit der untereinander -zusammenhängenden Vorstellungen, also „dasjenige, was nur für uns -allein vorhanden ist“. Das wäre innere, assoziative Auffassung. Die -Stabilität der Gedanken, also das Ich, aber wird erklärt, indem sie -auf die Stabilität der Tatsachen schließen läßt, diese Stabilität -voraussetzt, von dieser Stabilität ein Teil ist. Daß diese drei -Bestimmungen nicht das gleiche besagen, ist klar. Die dritte steht -sogar im Gegensatz zu den beiden ersten, denn wenn etwas ein Teil -von einem anderen ist, so kann es dieses nicht voraussetzen, noch -darauf schließen lassen. Ein Stück eines Körpers ist ein Teil von -ihm; aber von dem Stück kann ich weder auf den Körper schließen, noch -ihn voraussetzen. Die Schwierigkeit und Unbegreiflichkeit liegt hier -genau da, wo sie sich bei den materialistischen Anschauungen allgemein -befindet. Ich verweise, um nicht zweimal dasselbe zu sagen, auf die -Ausführungen im letzten Abschnitt dieses Buches. - -Ich und die Welt werden in Eins betrachtet: „Ein ~isoliertes Ich~ -gibt es ebensowenig, als ein ~isoliertes Ding~.“ ~Ding~ und ~Ich~ sind -provisorische Fiktionen gleicher Art. Das Physische und Psychische -enthalten gemeinsame Elemente. Zwar wird die „solipsistische -Position“, das heißt der Phänomenalismus als solcher abgelehnt. Aber -wir haben „die Elemente der realen Welt und die Elemente des Ich -zugleich vor uns. Was uns allein noch weiter interessieren kann, -ist die ~funktionale Abhängigkeit~ (in mathematischem Sinne) dieser -Elemente ~voneinander~“. Diese funktionale Abhängigkeit kann ein -~Ding~ genannt werden. Also wir und die ganze Welt, wir können beides -Dinge nennen, sind eine funktionale Abhängigkeitsreihe. Die Grundlage -bilden die Sinnesempfindungen; von ihnen geht alles intellektuelle -Leben aus, und zu ihnen kehrt es zurück. Die sinnlichen Vorstellungen -sind die „psychischen Arbeiter“; die Begriffe, aus ihnen und ihrem -Zusammenhang stammend (sie sind auch Zusammenfassung der Tatsachen), -sind die „Ordner und Aufseher“, welche die Scharen jener Arbeiter -„auf ihren Platz stellen und ihnen ihr Geschäft anweisen“. „Die -Sinnesempfindungen sind eben die eigentlichen ~ursprünglichen Motoren~, -während die Begriffe sich nur auf jene (die Sinnesempfindungen), oft -nur durch andere begriffliche Zwischenglieder berufen.“ Wenn das -nicht bloß Poesie sein soll, so muß das innere Leben mit dem äußeren -~automatisch~ aufgefaßt werden. In der Tat sagt auch Mach: „Das fest -Bestimmte, Regelmäßige, Automatische ist der Grundzug des tierischen -und menschlichen Verhaltens“, a fortiori natürlich des Verhaltens -der Welt. Automatisches paßt sich an Automatisches, das es durch die -Sinne zugeleitet erhält, automatisch an. Eine freie Seele läßt sich -zwar nicht widerlegen, aber sie als „wissenschaftliche Hypothese“ -anzunehmen oder nach ihr zu forschen, ist eine „methodologische -Verkehrtheit“. Über angeborene Ideen und Kausalität denkt Mach ganz -wie Hume. Über Raum und Zeit, soweit ich zu sehen vermag, wie Kant. -Seine Unterscheidung der verschiedenen Raum- und Zeitauffassungen, -begrifflich, physiologisch, mathematisch usf. ist von Interesse; -ich habe darüber in meinem Buche „Philosophische Grundlagen usf.“ -eingehend gehandelt. Die Folgen der Machschen Lehren sind die jedes -übertriebenen Sensualismus; es ist alles rein subjektiv, niemand kann -für sich, noch weniger natürlich für einen anderen etwas behaupten, -noch ihm widersprechen. Jeder reine Sensualismus vernichtet sich -notwendig selbst. Und das tut der Machsche durchaus. ~Verworn~, dessen -Auseinandersetzungen über Nerven und Gehirn man mit Interesse liest, -scheint ihm philosophisch nachzufolgen. - -Wir haben es mit einem ~Agnostizismus~ zu tun von der Art etwa des -von ~Herbert Spencer~ vertretenen. Aber dieser steht in seinem, trotz -Positivismus und Materialismus fast kirchlichen Deismus weit ab von -Mach. Als Positivist ist er Evolutionist im Sinne Darwins, jedoch in -bezug auf die ganze Natur, und mit starker Neigung zu den Ansichten der -ionischen Naturphilosophen, indem bei ihm Konzentration und Dissipation -(auch Evolution und Dissolution) eine große Rolle spielen. Das Absolute -ist das Unerkennbare, eine transzendente Substanz an sich. Überhaupt -ist das Wesen der Welt unerkennbar. - - - - -NEUNTES KAPITEL. - -Physische Welt- und Lebenanschauungen. - - -Trennen wir Welt und Leben, so haben wir also eine Anschauung in bezug -auf die Welt und eine solche in bezug auf das Leben. Wenn wir aber die -ganze Natur, unbelebt und belebt, nur unter dem einen Gesichtspunkt des -Materiellen und der in und zwischen den Materien wirkenden Kräfte und -Vorgänge betrachten, so schließen wir uns an die allgemeine ~physische -Welt- und Lebenanschauung~ an. Übernatürliche und geistige Wirkungen -und Vorgänge werden weder für die Welt noch für das Leben angenommen, -ebensowenig Stoffe, die andere Eigenschaften besitzen, als die wir an -der Materie kennen. Sollten Elektrizität, Magnetismus und elektrischer -Strom nicht unter der gewöhnlichen trägen Materie einzubegreifen sein, -so fügen wir sie trotzdem an diese an, indem wir unter Materie als -Stoff alles das verstehen, wovon wir rein physische Eigenschaften, -also physikalisch-chemische, kennen und in unveränderlicher Weise -finden. Was aber die Vorgänge anbetrifft, so dürfen wir sie zunächst -in drei Typen einreihen: ~Bewegungen~, ~Induktionen~, ~chemische -Umsetzungen~. Über Bewegungen und chemische Umsetzungen ist nichts -zu sagen. Zu den Induktionen rechnen wir solche Vorgänge, wie das -Hervorrufen oder Vernichten von Elektrizität, Magnetismus, Strom. Indem -wir von ~Umsetzungen~ allgemein sprechen, wollen wir diese Induktionen -mit den chemischen Umsetzungen vereint denken. Und sollten wir alle -drei Typen zusammen nehmen, so sprechen wir von mechanistischen -Vorgängen, ohne damit sagen zu wollen, daß sie der gewöhnlichen -Mechanik angehören, sie könnten auch dem Elektromagnetismus oder einem -anderen Erscheinungsgebiet zuzuschreiben sein. Neuerdings hat man auch -die Energien in Rücksicht gezogen, und so müssen wir von einem weiteren -Typus handeln, dem der ~Energieumwandlungen~. Ob diese, nun vier, -Typen in einen Typus übergeführt werden können und in welchen, etwa -in den der Bewegung oder der Energieumwandlung, hat die Wissenschaft -zu ermitteln; einstweilen wissen wir noch nichts Sicheres und bleiben -die Typen besser noch getrennt. Es macht auch für die folgenden -Untersuchungen nichts aus, ob wir von einem Typus oder von allen Typen -ausgehen. Das allein Wesentliche ist das Physische. Indessen bietet -der Typus der Energieumwandlungen soviele Besonderheiten, und hat er -in der Wissenschaft eine so umfassende Eigenwichtigkeit erlangt, daß -wir ihn später für sich untersuchen werden. Und so wollen wir, jene -drei ersten Typen vereinigend, von einer ~mechanistischen~ Welt- und -Lebenanschauung sprechen, hinsichtlich des vierten Typus aber von -einer ~energetischen~, und, wo beide Anschauungen verbunden sind, von -einer ~mechanistisch-energetischen~. ~Materialistisch~ nennen wir -eine Anschauung, in der alles auf Materie begründet ist. Eine solche -Anschauung müssen wir, je nachdem die Seele als ein Besonderes, wenn -auch gleichwohl Stoffliches, behandelt wird oder nicht, indem im -letzteren Falle eine Seele überhaupt nicht in Frage kommt, in zwei -Klassen trennen, in ~psychischen~ und in ~physischen Materialismus~. -Alle diese Namen sind nicht sehr bezeichnend; aber da sie eben erklärt -sind, mögen sie, als gewohnt, so stehen bleiben. Die Geschichte des -reinen Materialismus ist bekanntlich von F. A. ~Lange~ (1828-1875) -in einem umfangreichen Werke behandelt. Ich darf mich darum auf die -allerwichtigsten Angaben beschränken und den Raum mehr zu kritischen -Bemerkungen verwenden. - - -50. ~Materialismus und Mechanismus, Atomistik.~ - -Als bereits untersucht ist derjenige psychische Materialismus -auszuscheiden, der aus naturmenschlichen Anschauungen entspringt. -Wissenschaftlichen solchen Materialismus finden wir zuerst bei den -~Griechen~. Auch davon habe ich bei mehreren Gelegenheiten schon -gesprochen, und es genügt hervorzuheben, daß die Seele als stofflich -angesehen wird, wie der Körper, wenn auch als feiner stofflich. So sind -alle Wirkungen zwischen Seele und Welt die gleichen wie zwischen den -Körpern der Welt. Und indem noch die Wirkungen zwischen den letzteren -als rein mechanistisch betrachtet werden, ohne jede unmittelbare -oder mittelbare Beeinflussung durch ein außer- oder übernatürliches -Wesen, auch ohne jeden Vernunftgrund, erhalten wir das konsequenteste -materialistische System, das von ~Demokritos~ (aus ~Abdera~, geboren -um 470, gestorben um 390 v. Chr.) begründete, einen fast vollständigen -~materialistischen Monismus~. Stoß und Druck sind die Kräfte, Lösung -und Verbindung, zusammen mit Bewegung, sind die Vorgänge. Nicht Zweck -noch Zufall sind vorhanden, einzig Grund (λόγος) und Notwendigkeit -(ἀνάγκη) herrschen. Andere Griechen haben Liebe und Haß, Anziehung und -Abstoßung als wirkende Ursachen angenommen und Verhängnis (εἰμαρμένη) -als Grund. Die Angaben sind meist sehr dunkel und unbestimmt. Da die -Griechen für keine Kraft eine Regel ihrer Wirkung kannten, waren die -Namen schließlich nicht mehr als Namen, wenn sie nicht aus einem -allgemeinen Prinzip flossen, wie bei Empedokles, Heraklit, Anaxagoras -u. a. Demokrits Druck und Stoß, oder auch Stoß allein, ist der modernen -Wissenschaft wohlbekannt und dient noch jetzt als Grundlage für die -fremdesten Kraftberechnungen. - -Ehe wir weitergehen, müssen wir jedoch von der ~Atomistik~ sprechen. -Sie scheint fast gleichzeitig, wenn auch in verschiedener Ausbildung, -von mehreren ~Forschern~ eingeführt worden zu sein. Es ist schon von -Bedeutung, daß ~Empedokles~ (aus Akragas 483-423) die Stoffe in vier -~Elemente~ (Stoicheia) Feuer, Luft, Wasser, Erde einteilte, die ihrer -Beschaffenheit nach verschieden voneinander sein sollten, und aus -deren Mischung er alle Körper bestehen ließ, während er die Vorgänge -als Mischungen und Entmischungen ansah, veranlaßt durch Liebe und Haß. -„Denn zuerst vernimm die vierfache Wurzel aller Dinge: Zeus (Feuer) der -Schimmernde und Here (Luft) die Lebenspendende und Aidoneus (Erde) und -Nestis (Wasser), die ihren Tränen sterblichen Lebensquell entfließen -läßt.“ „Denn aus diesen Elementen entsproßt alles, was da war, ist -und sein wird, Bäume und Männer und Weiber und Tiere, Vögel und -wassergenährte Fische.“ Sogar Götter „langlebige an Ehren reichste.“ -„Geburt gibt es bei keinem einzigen von allen sterblichen Dingen und -kein Ende in verderblichem Tod. Nur Mischung gibt es vielmehr und -Austausch des Gemischten“: Wäre Empedokles nicht zugleich ein großer -Mystiker, so könnte er für die Welt- und Lebenanschauung als der erste -ganz klare mechanistische Materialist angesehen werden. Denn Mischung -und Entmischung sind mechanische Vorgänge, und Liebe und Haß (oder -Streit) bedeuten kaum etwas anderes als Anziehung und Abstoßung. Das -alles soll aber die Grundlage der ganzen Weltentwicklung bilden, das -Leben eingeschlossen. Indessen, die Elemente wie die Kräfte werden -eben mystisch dargestellt, wie ja im Grunde auch die sogenannte -Ionische Naturphilosophie eine mystische ist (S. 231). ~Anaxagoras~ -(S. 243) ging in der Unterteilung der Körper viel weiter. Alle Stoffe -sollten aus kleinsten Teilchen zusammengesetzt sein. Diese Teilchen, -~Samenteilchen~ (Spermata, σπέρματα), später ~Homoiomerien~ (ὁμοιομερῆ) -genannt, sollten alle gleich groß sein, in der Beschaffenheit -aber den Körpern gleichen, denen sie angehörten; also bei Fleisch -Fleischteilchen, bei Luft Luftteilchen usf. sein. ~Leukippos~ -(Zeitgenosse des Anaxagoras) faßte diese Teilchen entgegengesetzt -auf; sie sollten in der Beschaffenheit gleich, in den Massen und -Formen verschieden sein. Er setzte auch für sie Unteilbarkeit fest -und gewann so die Atome, deren wir uns noch jetzt bedienen, und aus -denen, wenn auch in ganz neuer Wendung, auch die Monaden, Realen -usf. hervorgegangen sind, falls sie nicht eher den Anaxagorischen -Samenteilchen entsprechen. Ich darf nicht vergessen hinzuzufügen, daß -auch in ~Indien~ Atome (Paramanu) bekannt gewesen sind; das Lehrsystem -des Vaiseshika führt sie als die wahrnehmbaren Körper zusammensetzend -auf. Auch diese scheinen jedoch den Anaxagorischen Homoiomerien zu -gleichen. Die Atomistik ist von arabischen und anderen Forschern sogar -auf die Zeit übertragen worden (S. 287). - -Kehren wir zu Demokritos zurück. Die Atome sind durch ~Leere~ getrennt. -Ihre Zahl ist unendlich, ebenso unendlich verschieden ist ihre Schwere -und ihre Form. Die feinsten Atome sind kugelig. Aus solchen feinsten -Atomen ist die Seele zusammengesetzt, die darum ein äußerst Dünnes -und Bewegliches darstellt. Die eigentlichen Körper sind Aggregate von -Atomen, auch Mischungen von solchen, selbst mit jenen feinsten Atomen, -daher auch die Körper überhaupt als mehr oder weniger belebt angesehen -werden. Die Atome halten sich durch Rauheiten, Zacken, Ärmchen usf. -zusammen, da Molekularkräfte noch nicht bekannt waren. Alle Wirkungen -beruhen auf Bewegungen der Atome gegeneinander, also in Stoß und Druck. -Auch die Wirkung des Körpers auf die Seele und der Seele auf den Körper -ist keine andere. ~Demokritos~ soll sehr viel geschrieben haben; wir -besitzen auch einiges von ihm, namentlich zum Teil sehr schöne Sprüche -(Diels Fragmente der Vorsokratiker I², S. 398 ff.), aber leider fast -nichts von seiner Naturphilosophie. Und so sind wir auf die Berichte -Anderer angewiesen, die zwar reichlich fließen, aber das Wichtigste -doch unentschieden lassen, namentlich die Frage, woher die Atome ihre -unregelmäßige seitliche Bewegung haben, da die ungleichen Massen nur -geregelte Bewegungen in parallelen Linien oder nach Zentren ergeben, -nicht beliebige nach allen möglichen Richtungen, die ja angenommen -werden müssen, weil wir Wahrnehmungen aus allen möglichen Richtungen -empfangen, und weil wir nach allen möglichen Richtungen wirken, und -ja auch Bewegungen nach allen möglichen Richtungen sehen. Demokrits -System, mit oder ohne Seele aus besonderen Atomen, hat im Altertum sehr -viele Anhänger gefunden, namentlich unter den Sophisten und Epikureern. -~Epikuros~, ein Samier (341-271 v. Chr.), und durchaus edel denkend und -edel lehrend, übernahm zur Stütze seiner bekannten Lebensansicht jenes -System fast unverändert. Doch brachte er einige Verbesserungen an. Wir -sahen, daß zur Wirkung die Stöße der Atome notwendig sind. Nun kannten -die Alten die allgemeine Gravitation nicht, ebensowenig die molekularen -Anziehungen, sondern nur den Fall der Körper. Da aber dieser Fall im -leeren Raum, wie der scharfsinnige Naturforscher Aristoteles erkannte -und einwandte, für alle Atome, trotz ihrer abweichenden Massen und -Formen, gleich schnell vor sich gehen muß, so können Zusammenstöße -nicht erfolgen, also gerade das kann nicht stattfinden, was notwendig -ist. Epikuros verlieh deshalb den Atomen eine Neigung, aus sich -heraus von der geraden Bahn ein wenig abzuweichen. Alsdann können sie -allerdings zusammenstoßen, Wirbel bilden usf. Der Lehre Demokrits -angehörig war es auch, wenn er eine unendliche Zahl von Welten für -zulässig hielt, da ja bei unendlich vielen Atomen unendlich viele -Bewegungsverteilungen und Aggregationen möglich sind, nicht bloß solche -wie sie unsere Welt zusammensetzen. Teleologisches schlägt Epikur so -sorgfältig aus wie sein Vorgänger. Die Entstehung der Lebewesen aus -der Erde, dem Schlamm, lehrte er mit so vielen anderen. Im übrigen ist -er reinster Sensualist, so daß er sogar nicht anstand, Sonne und Mond -für gerade so groß oder nur wenig größer, als sie gesehen werden, zu -behaupten. - -Seine Vollendung hat das empedokleisch-demokritisch-epikureische System -durch den römischen Dichter ~Titus Lucretius Carus~ (wahrscheinlich -99-55 v. Chr.) erhalten, der in seinem Lehrgedicht „De rerum natura“ -Anschauungen entwickelt, die von denen der modernen kinetischen Theorie -der Körper sich nur noch in wenigem unterscheiden. Bernhardy, in seiner -Geschichte der römischen Literatur, erklärt jenes Lehrgedicht für -„eins der edelsten Denkmäler jener Literatur“, den Dichter als „einen -Geist, den an Reichtum der Gedanken und der Tiefe wenige übertreffen“. -Der Begriff der Zweckmäßigkeit, des Anfanges und des Endes ist völlig -entfernt, entfernt ist auch der Begriff einer außer- und überweltlichen -Macht und einer besonderen Seele. Einzig und allein die Atome mit -ihren ewigen Bewegungen und Zusammenstößen bilden die Welt. Die Atome -werden wie von Demokritos angenommen, Trennungen und Verbindungen wie -von Empedokles, die Körperzusammenballungen wie von Epikuros. Alle -Unterschiede zwischen den Körpern werden aus der Zahl der Atome, ihren -Formen und ihren Aneinanderlagerungen erklärt. Die Atome sind auch in -den Körpern in steter Bewegung, die wir nur wegen der Kleinheit dieser -Atome nicht sehen; ähnlich, wie wir auch bei einer Herde aus weiter -Entfernung die Bewegung der einzelnen Tiere nicht unterscheiden. Auch -hinsichtlich der Entwicklung und Auflösung von Welten nach Welten, -infolge der ständigen Bewegung der Atome, folgt der Römer dem Griechen. -Er läßt die Welten sich stetig weiter bilden, denn im Raume überall -um uns und neben uns und zwischen uns sind noch unzählige Atome, die -noch nicht zu Körpern sich zusammengefunden haben. So bilden die Welten -eine unendliche Kette von stetem Werden und Vergehen, wie wir das -auch bei Herakleitos und anderen gesehen haben. Unendlichkeiten und -Unendlichkeiten streiten gegeneinander und führen zu Unendlichkeiten. -Die Seele (anima) und der Geist (animus) sind selbst körperlich, aus -den feinsten, rundesten und beweglichsten Atomen bestehend. Die Seele -ist in der Wärme und Lebensluft des Körpers enthalten, der Geist -bedeutet einen besonders feinen Teil von ihr. Im Tode verlassen diese -Atome den Körper ganz oder größtenteils; im Leben nehmen sie besonders -alle Atomstöße von außen auf und geben ihrerseits Stöße nach außen. -Da die Atome nur physikalisch betrachtet werden, so kann kein Atom -für sich seelische oder geistige Eigenschaften aufweisen, also auch -nicht Empfindungen haben. Woher nun die Empfindung der Lebewesen? -Das wird allein aus der Ansammlung der Atome zum Körper erklärt. -Diese Ansammlung erhält Eigenschaften, die den einzelnen Atomen nicht -zukommen, wie auch ein Atom keine Farbe hat, ein Körper aus Atomen aber -Farbe aufweist. Solche und viele ähnliche Analogien kann man allerdings -anführen. Dann muß alles aus den Ansammlungen selbst erklärt werden. -Da sogar unsere Wissenschaft solche Erklärungen kaum für einige der -einfachsten Eigenschaften der Körper aus der Atomlehre abzuleiten weiß -und sich meist mit der Angabe begnügen muß, daß Bewegung und Verteilung -der Atome und Atomverbände diese Eigenschaften bewirken, wie schon die -alten Atomisten behaupteten, so darf es nicht wundernehmen, wenn diese -schließlich einfach auch sagten: ~Bewegung der Atome ist Empfindung~. -Auf dieses Hauptdogma kommen wir noch zu sprechen. Daß Lucretius die -persönliche Unsterblichkeit ablehnen mußte, versteht sich von selbst. -Der Tod hebt die Persönlichkeit, die ja durch den besonderen Komplex -des Körpers mit den feinen Seelenatomen begründet ist, vollständig -auf. Sobald die Seelenatome ausgetreten sind, können sie nicht mehr -auf den Körper und kann der Körper nicht mehr auf sie wirken. Beide -bedeuten nun zwei getrennte Atomhaufen. Nur als sich diese Atomhaufen -durchdrangen, zeigte das Ganze was wir Leben nennen, eben als Ganzes. -Und so gibt es auch kein Jenseits. Alle Furcht, alles Bangen, aller -Schmerz und alles Leid, mit dem Tode sind sie vorbei, nichts bleibt -vom Leben im Leben zurück. Daher ist die Todesfurcht so töricht und -zu verwerfen. Ein Trost ist die Einsicht in den Gang der Natur, in -ihre unausweichliche Notwendigkeit und absolute Gleichgültigkeit -gegen alles ohne Ausnahme. Selbstverständlich gibt es weder Gott noch -Götter in irgendeiner persönlichen Gestalt. Die Menschen sind nur aus -Unkenntnis der wahren Grundlagen der Welt zur Annahme der Götter -gekommen. Lucretius ist geneigt, die Religion aus der Naturbewunderung -abzuleiten, und schreibt darum der ursprünglichen Religion große -Reinheit zu. Die Verschlechterung sei erst später hervorgetreten. Wie -weit das richtig sein kann, wissen wir bereits. Vieles andere, was -sein Gedicht noch sehr Schönes und Tiefgedachtes enthält, müssen wir -übergehen. - -Was im ~Mittelalter~ von materialistischen und mechanistischen -Anschauungen geäußert worden ist, habe ich bereits im zweiten Buche -angeführt. Ein System ist nicht ausgebildet worden, weder unter -Christen noch unter Arabern oder Juden; Religion und Mystizismus waren -gleich hinderlich. Daß aber manche Systeme stark ans Mechanistische -streiften, haben wir dort gesehen. Die neuere und die moderne Zeit -haben an der Grundlage des alten Materialismus und Mechanismus nur -wenig geändert und sie, und die sich anschließenden Betrachtungen, nur -mehr den mittlerweile gewonnenen naturwissenschaftlichen Kenntnissen -angepaßt. Hier müssen wir nun den Unterschied zwischen belebter und -unbelebter Welt schärfer betonen. Seit der großen Anschauung des -Kopernikus vom Bau der Welt, seit Keplers und Newtons Berechnungen -der Himmelsbewegungen sind für die unbelebte Welt der Materialismus -und Mechanismus zu immer allgemeinerer Anerkennung gelangt, soweit -sie das Bestehende betreffen. Gegenwärtig hält es wohl jeder, der -die Natur kennt, für töricht, unkontrollierbare außerirdische und -überirdische Eingriffe in ihren Gang anzunehmen. Aber schon für die -unbelebte Welt werden die Verhältnisse andere, sobald es sich um ihren -Anfang und ihren Plan handelt. Kennzeichnend für den Materialismus ist -dann, daß ein Anfang überhaupt nicht zugegeben wird und ebensowenig -ein Plan. Das erstere besagt, die Welt ist von je, sie ist nicht -entstanden. Das zweite lehnt jede Zwecklichkeit ab, die Welt ist -ein Mechanismus, der ewig läuft. Es ist mit ihr und in ihr nichts -beabsichtigt, und sie führt nicht zu einem Ziele. Wir würden bei -einer ewiggehenden Uhr, ohne Zeiger und Stundenblatt, auch nicht von -Plan und Zwecklichkeit sprechen. Und wenn wir gleichwohl sehen, daß -Ordnung in der Welt herrscht, Vorgänge nach bestimmten Regeln sich -richten, Welten sich entwickeln usf., so gehört das eben alles zur -Welt und ihrem Gange, gerade so wie die regelrechte Anordnung der -Räder, Federn usf. einer Uhr, wie das Eingreifen aller ihrer Teile -ineinander, wie das von Zeit zu Zeit in Wirksamkeittreten besonderer -Teile u. a. Es ist nur konsequent, wenn aus einer solchen Anschauung -heraus auch das Vorhandensein von besonderen Kräften abgelehnt wird. -Die Welt ist eine Anordnung und ein Vorgang; alle Einzelvorgänge sind -nur dieser eine Vorgang, wie alle Teile der Uhr die Uhr sind und -Einzeldrehungen, Schwingungen usf. darin, der Gang der Uhr. So wie -die Räder sich drehen, müssen sie sich drehen, so wie andere Teile -schwingen, müssen sie schwingen, alles aus dem Gang der Uhr. Und das -ist ohne weiteres auf die Welt zu übertragen. Manche möchten im Gang -selbst den Plan und die Zwecklichkeit sehen. Allein das verfliegt -ebenfalls, wenn kein Anfang und kein Ende vorhanden ist. Auch diesem -mechanistischen Monismus in bezug auf die unbelebte Welt haben sich -vom Altertum ab sehr viele angeschlossen. Und ein unverkennbarer und -sehr schwerwiegender Vorzug von ihr ist, daß sie eben keiner Kräfte -bedarf, auch nicht derjenigen, die wir natürliche, physische Kräfte -nennen. Die Kräfte werden nur symbolisch zugelassen, Zufälligkeiten -kommen überhaupt nicht in Frage. Wenn wir so manches voraussehen und -voraussagen können, so verhält es sich damit, um beim Beispiel zu -bleiben, wie mit der Uhr, wo wir auch vorher wissen, welche Zähne -der Räder in welche andere Zähne eingreifen werden, daß und wann ein -Stift irgendwo etwas mitnehmen oder auslösen oder hemmen wird, weil -wir die Teile kennen und den Zwang durchschaut haben. So kennen wir -auch die uns erreichbaren Teile der Welt und haben den Zwang in ihnen -durchschaut. Und damit operieren wir. Wir stehen der Welt wie einer -Uhr gegenüber; sie ist bei weitem komplizierter als eine Uhr, sie ist -unendlich an Vorgängen und Körpern. Aber das berührt das Wesentliche -nicht. Wir können sie gleichwohl wie einen Zwangsmechanismus ansehen. - -Nun aber wir, die Lebewesen. Hier scheiden sich die Wege der nur -Welt-Mechanisten von den Wegen auch der Leben-Mechanisten. Jene -sehen im Leben, wie wir schon wissen, doch ein Besonderes, das nicht -mechanisch ist; diese einbeziehen das Leben in den Mechanismus der -Welt überhaupt. Das Leben ist gleichfalls der Vorgang der Welt, ein -Zwangsvorgang wie alle anderen Einzelvorgänge dieses Allvorganges, -und von diesen Einzelvorgängen nicht im Wesen, sondern nur in der -Erscheinung verschieden; letzteres ganz so, wie wir unzählige -Bewegungsarten haben, die doch alle nur Bewegung sind, sogar solche, -die nicht im geringsten mehr wie Bewegung erscheinen -- zum Beispiel -die molekularen Bewegungen in den Körpern als Wärme u. a. Was wir -als freie Lebensäußerungen ansehen, sind nur Einzelvorgänge, die im -Vorgang der Welt kommen und gehen müssen, wie die Weltkörper sich -bewegen müssen. Was wir Denken, Wollen und Fühlen nennen, sind auch -nur solche Vorgänge, etwa -- und das haben fast alle Materialisten -und Scheinidealisten, wie Eduard von Hartmann (S. 388), bis auf -unsere Zeit, wo die energetische Auffassung vorwiegt, von den alten -Mechanisten dogmatisch übernommen -- Bewegungen bestimmter Teile in -unserem Körper, im Gehirn, in den Ganglien. Daß wir nicht imstande -sind, hier wie in der unbelebten Welt, den Zwang aufzuweisen, daß -wir hier noch von Zweckmäßigkeiten und von Freiheit reden müssen, -liegt an der Unvollständigkeit unserer Kenntnisse, wie wir auch den -gewöhnlichen Zufall noch stehen lassen, weil wir die Gründe seines -Eintretens nicht überschauen, obwohl selbst ein Psychist Zufälle -als solche nicht zugestehen mag. Daß weiter uns die Erkenntnis der -Welt zwar wie selbstverständlich erscheint, die Nichterkenntnis des -Lebens aber gleichfalls, ist nur Einbildung. Die Welt ist trotz -ihrer Ungeheuerlichkeit als Ganzes einfach, das Leben aber schon für -sich überkompliziert. Sobald wir jedoch ins Einzelne gehen, scheint -uns auch von der Welt vieles nicht erkennbar zu sein, zum Beispiel -ihr atomistischer Bau. Und derartige Aufstellungen sind um so -entscheidender, als ein fundamentaler Unterschied zwischen Lebewesen -und nichtbelebten Dingen überhaupt nicht zugegeben wird; die Lebewesen -sollen auf der niedrigsten Stufe in die nichtbelebten Wesen übergehen. -Oder das Leben beginnt unendlich schwach und uncharakterisiert, so -daß es vom Nichtleben nicht mehr zu unterscheiden sei; die Reihe -der unbelebten Dinge bilde mit der der belebten eine Folge. Nur -die Extreme unterschieden sich so sehr; aber sie seien gleichwohl -durch eine stetige Kette verbunden, die nach unten allmählich zu -Dingen wie Steine führt, nach oben in wachsender Komplikation und -Verzweigung zu so gearteten Vorgängen, die als seelische und geistige -Tätigkeiten erscheinen, wie Bewußtsein und Denken, die abwärts jedoch -allmählich auf nichts zusammenschrumpfen. Das ungefähr ist die -Anschauung der konsequenten Welt- und Leben-Mechanisten. Wir werden -sie später besprechen und dann auch sehen, welcher Annahmen sie noch -bedarf. Daß auch ideale Philosophien, wenn auch nicht in physischen -Zwangsmechanismus, doch in einen Welt- und Leben-Zwang auslaufen können -und ausgelaufen sind, wissen wir schon. Selbst die rein religiöse -Anschauung, konsequent aufgefaßt, führt zu einem solchen Zwang und -muß dazu führen. Hier handelt es sich aber um den ~physischen~ -Zwangsmechanismus, nicht um den göttlichen oder geistigen oder -transzendentalen. - -~Pierre Gassendi~ (1592 in der Provence geboren, gestorben 1655) ist -noch kein vollständiger Materialist im vorbezeichneten Sinne. Wie sehr -er bibelgläubig sich verhält, zeigt, daß er trotz besserer Einsicht das -tychonische Weltsystem dem Kopernikanischen vorzog, weil nach der Bibel -die Sonne sich bewegen soll. Und so läßt er auch die Welt mit Allem -von Gott erschaffen sein. Nach der Erschaffung jedoch gibt er allein -physische Vorgänge zu, namentlich nach Muster der Alten: Verbindungen -und Trennungen der Atome. Diesen teilt er eine innere Fähigkeit mit, -sich zu bewegen. Ebenso verhält er sich zu der Welt des Lebens. -Er gesteht einen unsterblichen Geist zu, nimmt aber zugleich eine -Demokritische Seele an und sucht sogar zu erweisen, daß diese in der -Tat das leisten kann, was von ihr gefordert wird. Also teilt er mit -der einen Hand aus und nimmt mit der anderen; eine wunderliche Mischung -von Spiritualistischem und Materio-Mechanistischem aus der „doppelten -Wahrheit“. Sein Hauptkampf galt dem Cartesianismus; hier ist er -erfolgreich. Seine eigene Lehre ist aber so inkonsequent als möglich, -wahrscheinlich, weil er sie nicht konsequent aussprechen durfte. Das -Kopernikanische System verdankt ihm ein schönes Experiment. Die Gegner -hatten eingewandt, wenn die Erde sich bewegte, könnte ein in die Höhe -geworfener Stein nicht auf dieselbe Stelle herabfallen, von der aus -er geworfen ist. Der Einwand ist zutreffend, wenn von der Trägheit -abgesehen wird, die es veranlaßt, daß der Stein die Bewegung der Erde -auch dann noch mitmacht, wenn er in die Höhe fliegt und zurückkehrt. -Gassendi aber bewies das, indem er einen Gegenstand auf einem in der -Tat sich bewegenden anderen Gegenstand, einem Schiff, aus der Höhe, von -der Mastspitze, herabfallen ließ, mit dem erwarteten Erfolg, daß der -Gegenstand am Fuße des Mastes ankam, nicht hinter ihm. - -In diesem Zusammenhang ist auch der in seiner Staatsraisonauffassung -noch den harten Vormund der Antigone übertreffende ~Thomas Hobbes~ -(geboren in Malmesbury 1588, gestorben 1679) zu nennen. Die -Wahrnehmungen werden mechanistisch so erklärt, wie die klassischen -Materialisten sie auffaßten: Bewegungen pflanzen sich zu den -Sinnesorganen fort und verursachen dort Bewegungen, die ins Gehirn -und von da ins Herz gehen. Erinnerung und Gedächtnis sind nur Reste -der Bewegungsaffektion, ebenso ist Ideenassoziation Verkettung -solcher Bewegungsaffektionen. Jede Materie hat in sich Anlage zur -Empfindung. So ist es wohl zu verstehen, wenn Hobbes, was vielen ein -Widerspruch gegen seine mechanistische Ansicht zu sein scheint, die -Vernunft auch als etwas ~Angeborenes~ erklärt. Angeborenheit einer -Fähigkeit steht durchaus nicht im Gegensatz zu Mechanismus; sie ruht -ja schon in der Grundannahme einer besonderen atomistischen Seele; die -belebten Wesen haben mit dieser körperlichen Seele eben die Anlage zum -„Leben“ bekommen. Und so brauchte Hobbes selbst angeborene Begriffe -und Fähigkeit, solche zu fassen und zu bilden, nicht ohne weiteres -abzulehnen. Die Angeborenheit liegt in den Atomen, die sich zu Seele -und Geist vereinigt haben, in ihrer Form, Bewegung und Anordnung --- wenn man das versteht. Doch mag Hobbes selbst in der Tat in -Inkonsequenzen verfallen sein. Alle Materialisten, gerade die ernsten -und ernst denkenden, können den Faden nicht ganz festhalten, ebenso -wie die Idealisten ihren Faden mitunter fallen lassen, sobald sie -hinreichend Naturforscher sind. Beurteilung von Empfindungen beruhe -auf Wechsel der Bewegungen bei gleichzeitiger Fortdauer, Erfahrung auf -Beurteilung von solchen Bewegungen nach Gleichheit oder Ungleichheit -mit früher in die Seele Gedrungenem und dort an den Atomen noch nicht -Verklungenem. Ein Bewegungssystem muß ein anderes als sich gleich -erkennen oder ungleich; vielleicht, indem es sich zu ihm widerstandslos -addiert oder Widerstand leistet. Solche Beurteilungen fixieren wir in -Namen, und diese erst geben uns die Mittel einer geordneten Folge von -Vorstellungen. Wie, ist eigentlich nicht zu verstehen. Jedenfalls ist -alles Seelische und Geistige aus Veränderungen im Körper abzuleiten -(Mens nihil aliud erit praeterquam motus in partibus quibusdam corporis -organici; die Vernunft wird nichts weiter sein, denn eine Bewegung -in gewissen Teilen des organischen Körpers). Und so ist auch alles -von ~außen~ durch Bewegung verursacht. „Nichts nimmt von sich selbst -Beginnen, sondern von der Wirkung eines unmittelbaren Tätigen außerhalb -seiner.“ Die Fähigkeit dazu hat aber Alles in sich selbst, sofern -Bewegung nur Bewegung hervorruft. So ist denn Erkenntnis Erkennen -der Bewegungen und ihres Zusammenhanges. Wir müssen wohl sagen, -~Sich~erkennen. Raum und Zeit werden von Materialisten im allgemeinen -als real angesehen. Hobbes aber sagt: „Raum ist das Phantasma eines -existierenden Dinges, als existierend“. „Zeit das Phantasma einer -existierenden Bewegung, als existierend.“ Also beständen beide außer -den Dingen nicht. Wenn nun Hobbes weitergehend behauptet: ein Mensch -würde die Welt aus sich, aus den Bewegungen seiner Seelenatome heraus -nach außen projizieren, auch wenn eine solche Welt nicht da wäre, so -kann er das nur für den Fall meinen, daß der Mensch Bewegungen aus -einer Welt schon empfangen hat, sonst würde sich sein Materialismus in -reinen Phantomismus auflösen, und er könnte von den Bewegungen ganz -absehen, die ja gerade zum Verständnis des Zusammenhanges unserer mit -einer wirklichen ~Außenwelt~ nötig sein sollen. Weiter läßt Hobbes -noch Gott gelten als ein besonders feines und reines, unendliches -körperliches Wesen. Und mit dieser Annahme ist eine Art Deismus -verbunden. Ein solcher Deismus kann auch unbeschadet des Materialismus -bestehen, da ja Gott als körperliches Wesen nur selbst zur Welt -gehört. Ob das freilich die Ansicht von Hobbes war, möchte ich nicht -entscheiden. Aber zuzutrauen wäre es schon diesem rücksichtslosen -Forscher. So erklärt er ja auch: „Die Furcht vor unsichtbaren -Mächten sei es, daß diese aus Erdichtungen oder aus Erzählungen ihre -Öffentlichkeit hernehmen, diese Furcht ist ~Religion~; sind die Mächte -nicht öffentlich angenommen, so ist die Furcht ~Aberglaube~“. Die -Religion hat also kein Kennzeichen, außer daß sie vom Staat anerkannt -ist, sonst ist sie eben purer Aberglaube. Rücksichtsloser denkt der -modernste Materialist auch nicht. Nur daß dieser nicht wie Hobbes -jeden hängen würde, der die Staatsreligion abweist. Gleichwohl ist der -Gottesbegriff bei Hobbes ein hoher. Die Atome sah Hobbes nicht bloß als -nach Form und Größe verschieden an, sondern auch im Wesen, so daß sogar -Atome ohne Schwere, Imponderabilien, vorhanden sein sollten, als die -feinsten für Geist und Gott körperlich in Betracht kommenden. - -~Robert Boyle~ (1627-1691) gehört hierher nur als Atomist, der die -Atome in die Chemie und Physik in exakter Weise eingeführt hat. Seine -Atome sind, wie die Descartes’, Trümmer einer zersplitterten Materie. -~Newton~ (1642-1727) haben wir lediglich als den großen Begründer der -Mechanik des Weltalls zu nennen. Beide waren keine materialistischen -Mechanisten. - -Die übertriebenste Ausbildung hat der materialistische Mechanismus -im 18. Jahrhundert erfahren. Die ~Aufklärungsphilosophie~, die in -Deutschland in Lessing, Herder u. a. zu so schönen idealen Blüten -ersproßte, zeitigte in Frankreich, dicht neben den so bedeutenden -Bestrebungen ~Rousseaus~ und ~Voltaires~, auch den ~Enzyklopädismus~. -~Diderot~ und ~d’Alembert~ sind noch gemäßigte Naturalisten und -Materialisten. Aber der Pfälzer Baron ~Holbach~ und die Franzosen -~Mirabaud~ und ~de la Mettrie~ gehören zu den extremsten Materialisten, -ohne daß die Naturkenntnisse der damaligen Zeit sie dazu eigentlich -berechtigte. Materialistische Werke schossen damals wie Pilze aus der -Erde. Sie wären nicht so schlimm gewesen, wenn sie sich nicht zum -Teil auch bemüht hätten, die Lebensanschauungen auf fast gemeinen -~Egoismus~ und ~Utilismus~ zu lenken, die an sich gar nichts mit -einer materialistischen Betrachtung von Welt und Leben zu tun haben. -War der Materialismus bei denen, die ihn nicht kannten, schon oft -in den Verdacht eine Lehre der Unmoral und des Eigennutzes zu sein, -geraten, so schien er gegen Ende des 18. Jahrhunderts diesen Verdacht -zu rechtfertigen. Aber die Revolution schwemmte mit anderem auch -diesen ethischen Materialismus hinweg; und die Menschheit hat ihr -zweifellos dafür zu danken. Der Materialismus konnte wieder reine -Wissenschaft werden, was er im Altertum war und in unserer Zeit -ist. Als ernsteres Hauptwerk des enzyklopädischen Materialismus -wird das „Système de la nature ou des lois du monde physique et du -monde morale“, 1770 in London gedruckt, angesehen. Als Verfasser ist -Mirabaud angegeben; aber es ist längst fest ausgemacht, daß der Pfälzer -Baron ~Holbach~ der Verfasser war. Die Schrift ist zwar gegen die -übliche Religion gerichtet, scheint aber im übrigen weder Eigennutz -noch Unmoral zu lehren, sie bricht sogar für die Tugend eine Lanze. -Der Materialismus darin bewegt sich in den Bahnen, die wir schon -kennen; er folgt anscheinend namentlich Hobbes. Doch ist er stark mit -Mystizismus versehen, denn die Atome werden nicht bloß mit Ausdehnung -und Masse begabt, sondern auch mit besonderen geheimnisvollen Kräften -und Eigenheiten, wie Sympathie und Antipathie, Liebe und Haß. Die -Atome sind selbst noch zusammengesetzt aus kleinsten Körperchen; in -diese werden wohl die Besonderheiten verlegt. Übrigens hat unsere -Wissenschaft die Atome zwar der Häkchen, Vorsprünge, Ärmchen usf. zum -gegenseitigen Anhalten und Verketten beraubt, aber dafür notgedrungen -Eigenschaften bei ihnen eingeführt, die nicht weit ab von den eben -genannten liegen, wie Anziehung, Abstoßung, Polarität, Affinität -usf. Und noch sind unsere Bemühungen, für diese Eigenschaften einen -allgemeinen Ausdruck zu finden, nicht gelungen, obwohl wir überzeugt -sind, daß ein solcher vorhanden sein wird, und wir auch den Weg, der -zu ihm führt, zu kennen glauben dürfen. Auch die Zerteilung der Atome -in noch kleinere Teilchen, wir nennen sie Corpusceln, entspricht -modernen Anschauungen. Mystischer ist, wenn den Atomen auch eigenes -inneres Streben zur Bewegung zugeschrieben wird. Hier kommt auch etwas -wie die Herbartsche „Selbsterhaltung“ zum Vorschein. Es heißt: „Die -Erhaltung ist also der allgemeine Zweck, nach dem alle Energien, alle -Kräfte, alle Fähigkeiten der Wesen ständig gerichtet zu sein scheinen.“ -Sie wird mit der Trägheit identifiziert und gehört tatsächlich einem -allgemeinen großen Naturgesetz an. Die Natur ist ganz Leben, Leben -aus den materiellen Kräften der Natur, wofür auch das berühmte -Phlogiston herangezogen wird. Denn nur Materie und Bewegung sind da; -ohne Anfang, ohne Ende, ohne Zufall, ohne Freiheit, ohne Schöpfer, -wie es bei einem Materialisten strenger Observanz sein muß. Und -keine Ausnahme gibt es; der Mensch bildet sich nur ein, ein anderes -zu sein als die Natur überhaupt. Auch er und alle seine körperliche -und seelische und geistige Tätigkeit ist nur Materie und Bewegung, -und ganz nach der gleichen Notwendigkeit geregelt wie bei jedem Ding -der Natur. Götter und Gott hat nur der Aberglaube erdacht, und damit -Gedankenträgheit, Vorurteil, Unduldsamkeit und Verfolgungssucht in der -Welt heraufbeschworen. Wer die Natur kennt, braucht keine Gottheit, so -wenig wie er einer Seele und eines Geistes als etwas Besonderen bedarf. -Spricht man aber von einer bewegenden Ursache in der Natur, so mag man -wohl Gott meinen. „Wenn wir dem Worte „Gott“ einen Sinn unterlegen -wollen, so werden wir finden, daß es nichts anderes bezeichnen kann -als die Summe der unbekannten Kräfte, welche das Universum beleben.“ -So ist denn die Natur auch „die Notwendigkeit ihrer selbst“, was sonst -genau so von Gott ausgesagt wird. Und von gleichem Standpunkt werden -Tugend, Vernunft und Wahrheit die „verehrungswürdigen Töchter der -Natur, der Souveränin aller Wesen“ genannt und als „unsere einzigen -Gottheiten für immer“ bezeichnet. Es ist also eine Hypostasie der -Natur, bei aller Auffassung als nur Materie und Bewegung. Aus dieser -Natur heraus fließen alle sittlichen Vorschriften als auf Selbstliebe -begründet. Hier geht das Ganze in eine Art edlen Epikureismus über, -und unter Wahrung des frohen Lebensgenusses. Holbach spricht in dieser -Beziehung wie unsere modernen Materialisten, die eine Ethik aus sich -selbst heraus lehren, welche neben gesundem Egoismus verbindlichen -Altruismus enthält, nicht die fast zuchthausmäßig zwingenden Religionen -von Hobbes, oder einen Krieg aller gegen alle. So ist dieses Système -ein ganz modernes Werk, und ein menschlich gesundes dazu, wo nicht die -Grenzen nach der einen und der anderen Seite überschritten werden. Und -wo nicht solche Unentschiedenheiten herrschen wie in der wichtigsten -Frage, ob die Atome auf sich selbst beruhen und die Natur ein Vieles -aus diesen Einzelnen darstellt, oder ob die Natur eine absolute Einheit -ist, von der noch die Atome eine Art Scheinleben haben, so daß für -Eigenleben nirgend Platz und, wie im Pandeismus und Pantheismus, alles -Zwang und Fatalismus ist. - -Rücksichtslose Krönung fand das Werk des mechanistischen Materialismus -in ~Julien Offraye de la Mettries~ Werk: „L’homme machine“, der -Mensch eine Maschine. Sein System ist älter als das eben behandelte -Holbachsche, aber fast noch konsequenter. Der Mensch ist durchaus von -seinem Körper abhängig. „Ein Nichts, eine kleine Fiber, irgend etwas, -das die subtilste Anatomie nicht entdecken kann, hätte aus Erasmus und -Fontanella zwei Toren gemacht“. Das ist Binsenwahrheit, die Lamettrie -durch eine Unzahl von Beispielen in der oben genannten Schrift und dem -älteren Werke: „Histoire naturelle de l’âme“ oder „Traité de l’âme“ -belegt hat. Und in dieser Hinsicht unterscheidet sich der Mensch vom -Tiere (oder der Pflanze) in keiner Weise. Sind nach Descartes die Tiere -Maschinen, so sind es auch die Menschen. Und nun wird das Maschinelle -des Menschen im einzelnen verfolgt. Wir brauchen das nicht genauer -darzutun. Indessen scheint Lamettrie nicht den Menschen als Ganzes -als Maschine angesehen zu haben, sondern in allen seinen Teilen; -denn er findet das Leben in ~allen~ Teilen des Organismus und gibt -Erläuterungen dazu, wie das Weiterleben von abgetrennten tierischen -Teilen, die Ergänzung zerschnittener Polypen usf. Zu der hieraus -folgenden Idee, daß ein Lebewesen eine in jedem Teile gleiche Maschine -ist (S. 369 f.), gelangt er aber nicht; er unterscheidet die Wesen -nur nach Kompliziertheit der maschinellen Einrichtung. „Der Mensch -verhält sich zu den Tieren, wie eine Planetenuhr von Huyghens zu einem -gemeinen Uhrwerk.“ Auf die Zahl der Teile, Räder usf. kommt es bei ihm -an. Wir wissen aber, daß es darauf allein nicht ankommt. Keine noch so -komplizierte Maschine kann einem Lebewesen verglichen werden; gerade -aus Lamettries Gründen für das Leben überall im Körper. Was er sonst -in seiner Schrift noch mit gewisser „absichtlicher Frechheit“ (Lange, -Geschichte des Materialismus) ethisch vorbringt, müssen wir übergehen. -Im übrigen darf ich auf die eingehende Würdigung dieses, immerhin sehr -merkwürdigen, Mannes in dem genannten Werk von Lange hinweisen, dem -hiernach in der Tat viel bitter Unrecht geschehen ist, als eine Art -„Prügeljungen des französischen Materialismus“. - -Ganz im Sinne Lamettries klingt der Satz ~Ludwig Feuerbachs~: „Was der -Mensch ißt, das ist er“, obwohl Feuerbach mehr Positivist und Empirist, -als Materialist gewesen ist, trotz Ablehnung der Unsterblichkeitslehre. -Im übrigen brauchen wir den modernen mechanistischen Materialismus -nicht weiter zu verfolgen. Er knüpft sich an die Namen ~Karl Vogt~, -~Büchner~, ~Moleschott~, ~Czolbe~, ~Dubois-Reymond~ in seiner -ersten Zeit usf. Weder ist er so konsequent wie der klassische oder -englisch-französische, noch bietet er neue Gesichtspunkte, oder -konnte er solche bieten. Lediglich aus den vermehrten Kenntnissen -in Astronomie, Physik, Chemie, Physiologie und beschreibenden -Naturwissenschaften sind festere Stützen für die materialistische -Anschauung gewonnen worden. Wir sprechen davon im Zusammenhang mit -dem folgenden. Was aber allzu seicht ist, wie beispielsweise die -Belehrungen von Büchner, werden wir übergehen. Des geistvollen und -tiefen ~David Friedrich Strauß~’ Materialismus in „Der alte und der -neue Glaube“ kann ich nur aus einer Art Vergnügen an Errungenschaft -aus fremdem Gebiete und aus Überschätzung der, ihm naturgemäß nicht -hinreichend geläufigen, Ergebnisse der Naturwissenschaften erklären. - - -51. ~Allgemeine und besondere Naturgesetze, Entwicklungslehre.~ - -Die Erfahrung hat gelehrt, daß alle Erscheinungen und Vorgänge der -physischen Welt zunächst von drei allgemeinen Gesetzen beherrscht -werden, die wir als ~kosmische Regulative~ bezeichnen wollen: dem -Gesetz der Erhaltung der Massen, dem der Erhaltung der Energien und -dem der Trägheit und des gleichsinnigen Strebens nach einem bestimmten -Endzustande. Die beiden ersten Gesetze sind einfach, wenn man die -Begriffe von Masse und Energie aufgefaßt hat. Ich muß diese Begriffe -als bekannt voraussetzen. Der dritte Satz, soweit er von Trägheit -spricht, ist ebenfalls einfach; er besagt nur, daß Zustände, welche -bestehen, sich nur durch Anlaß oder dauernde Kraft ändern. Wenn -ein Anlaß schon ausreicht, den Zustand dauernd zu ändern, in einen -anderen überzuführen, so ist jener Zustand ~labil~ gewesen. Bedarf -es einer stetig wirkenden Kraft, so daß die Änderung immer nur der -Kraft nachgebend geschieht, so war jener Zustand ~stabil~. Ob ein -Zustand stabil oder labil ist, hängt ab sowohl von diesem Zustand -selbst als auch von dem, der in der Umgebung, also allgemein in der -Welt herrscht, wenn wir die Welt als eine Einheit auffassen. Hiernach -ist auch der zweite Teil des dritten Satzes leicht zu verstehen, denn -der darin enthaltene Endzustand wird ein stabiler Zustand sein. Daß -es kein labiler sein kann, folgt daraus, daß ein stabiler Zustand -sich wiederherstellen kann, wenn die ihn ändernde Kraft aufgehört -hat zu wirken, ein labiler Zustand dagegen nicht. Eine Kugel in dem -tiefsten Punkt eines vertikal gestellten Kreiskanals ist in stabilem -Zustand; schiebt man sie aus diesem Punkt heraus, so kehrt sie in ihn -zurück oder schwingt um ihn hin und her. Die gleiche Kugel auf den -höchsten Punkt des Kanals gelegt, kann dort ebenfalls ruhen, beim -geringsten Anlaß aber fällt sie herab und kehrt nicht wieder zurück. -Die Wissenschaft hat für den Endzustand auch eine gewisse mathematische -Bestimmung gefunden, nämlich, daß etwas, das ~Entropie~ genannt -wird, den höchstmöglichen Wert erreicht, so daß alle Änderungen in -der Natur zur ~Vermehrung~ dieser Entropie dienen, wenn sie dieselbe -nicht ungeändert lassen. Es heißt darum der dritte Satz auch der -~Entropiesatz~. Der Satz wird noch in anderer Weise ausgesprochen. Die -Vorgänge in der Natur vermögen wir uns so vorzustellen, daß sie auch -rückwärts durchlaufen werden können, wie ein Körper in die Höhe steigen -und von da herabfallen kann; oder so, daß dieses nicht zulässig ist, -wie der Ofen einen Raum erwärmt, aber dieser Raum seine Wärme an den -Ofen nicht zurückzugeben vermag. Demnach sind die Vorgänge ~umkehrbar~, -~reversibel~, oder ~nicht umkehrbar~, ~irreversibel~. An sich kennen -wir keinen Vorgang, der vollständig umkehrbar ist. Genau genommen sind -alle Vorgänge in der Natur nicht umkehrbar. Aber wie dem auch sein mag, -so besagt jener dritte Satz, daß aus allen Vorgängen immer ein Rest -bleibt, der nicht umgekehrt werden kann. Die Welt kommt also allmählich -in einen Zustand, der sich nicht redressieren läßt. - -Endlich sei noch ein Ausspruch des Satzes erwähnt, der von ~Boltzmann~ -und ~Planck~ herrührt, nämlich: Die Natur führt alle Änderungen in der -Weise, daß zu jeder Zeit derjenige Zustand herrscht, der unter den -gegebenen Verhältnissen der wahrscheinlichste ist. Von allen Zuständen, -die die Welt erreichen könnte, strebt sie demjenigen zu, der für sie, -wie sie sich nun einmal eingerichtet zeigt, der wahrscheinlichste ist. -Es kommt also darauf an, wie wir sie eben als eingerichtet ansehen -müssen. Tiefe Untersuchungen der genannten Forscher haben ergeben, -daß diese Einrichtung so angenommen werden muß, daß in den ~letzten -Einzelnen~ räumlich wie zeitlich absolute ~Nichtordnung~ besteht. -Die letzten Einzelnen sind die Atome oder Molekeln der Materie in -ihrer Bewegung, oder auch solche Erscheinungen, wie eine Unzahl von -unendlich rasch aufeinanderfolgenden Lichtschwingungen aller möglichen -Art, welche einen Strahl natürlichen Lichtes ausmachen u. ä. Bei den -Atomen oder Molekeln bezieht sich die Nichtordnung auf die Bewegungen -in den Körpern, Atom- und Molekularbewegungen; diese Bewegungen dürfen -für alle Atome oder Molekeln im Raume, sowie für ~eine~ Molekel in -der Zeit, keine Ordnung aufweisen, weder in der Richtung noch in der -Geschwindigkeit. Bei Erscheinungen wie dem natürlichen Licht müssen die -unzähligen es zusammensetzenden, unendlich rasch aufeinanderfolgenden -Einzelstrahlen in keiner ihrer Eigenschaften, wie Farbe, Polarisation, -Schwingungskurve, Stärke usf. Ordnung zeigen. Absolute Nichtordnung muß -herrschen, so daß alles zu erwarten und nichts vorauszusetzen ist. Das -betrifft aber, um es nochmals hervorzuheben, die letzten Einzelnen, die -ein Ganzes (Körper, natürlicher Strahl, Wärme usf.) zusammensetzen. -Daher von ~elementarer Nichtordnung~ gesprochen werden kann. Das ist -ein etwas wunderliches Ergebnis für die Einrichtung unserer Welt: -Ordnung in den Ganzen, Nichtordnung in den Elementen. Aber Lucretius -Carus hat schon für die Atome von der Nichtordnung gesprochen, und -Bernouilli, Krönig, Clausius, Maxwell u. a. haben diese besondere -Nichtordnung zur Begründung der bekannten kinetischen Theorie der -Körper und der Wärme benutzt, wie sie für Strahlen schon von Fresnel -in der Theorie des natürlichen Lichtes Anwendung gefunden hat. Alle -elementaren Einzelnen sollen in ihrer Nichtordnung auch voneinander -völlig ~unabhängig~ sein. Findet das nicht statt, sind Systeme von -ihnen zusammenhängend im Wechsel ihrer Zustände, ~kohärent~, wie zwei -Strahlen, die von derselben Lichtquellenstelle ausgehen, so bleibt zwar -auch für sie im gesamten der Erscheinungen und Vorgänge das dritte -Gesetz bestehen, aber im besonderen kommen Änderungen hinzu, welche -den Erfolg dieses Gesetzes aufhalten, also verzögern, indem sie gegen -dieses Gesetz verlaufen. Zwei Lichtstrahlen gleicher Temperatur sollten -nach diesem Gesetz, wenn man sie in andere Strahlen umwandelt, auch -dann keinen Temperaturunterschied zeigen; sie lassen jedoch gleichwohl -einen solchen hervortreten, falls sie kohärent sind. Ich darf auf den -kurzen, aber sehr gehaltvollen Aufsatz von Max Planck, „Die Einheit des -physikalischen Weltbildes“ verweisen. - -Das Recht, diese Sätze, die selbstverständlich nur auf der Erde -geprüft werden können, auf das ganze uns bekannte Weltall auszudehnen, -nehmen wir aus der, namentlich durch die Spektralanalyse erwiesenen -Tatsache, daß die Himmelskörper aus den Stoffen bestehen, die auch -unsere Erde bietet. Es wäre ein Verfahren ins Blaue hinein und -ganz unwissenschaftlich, wenn jemand behaupten wollte, daß die -Grundeigenschaften der Stoffe und der Vorgänge zwischen ihnen auf den -Himmelskörpern andere sind und anderen Gesetzen folgen als auf der -Erde. Freilich müssen wir zugeben, daß wir gewisse Zustände, unter -denen sie sich auf den Himmelskörpern befinden, auf der Erde noch -nicht herzustellen vermögen. Aber jene Gesetze nehmen wir eben als -von den besonderen Zuständen unabhängig an, da sie sich so auf der -Erde erweisen, soweit hier Prüfung möglich ist. Das Bestehen etwaiger -Kohärenz hat auf diese Gesetze keinen Einfluß, auf die beiden ersten -Gesetze in keiner Beziehung, auf das dritte Gesetz in seinem Enderfolge -nicht, wenn es auch, wie bemerkt, den Gang nach diesem Gesetz aufhalten -und verzögern kann. - -Regieren diese drei Gesetze alle physischen Erscheinungen und Vorgänge -der Welt ausnahmslos, so bestehen für die Einzelerscheinungen und -Einzelvorgänge noch besondere Gesetze und Regeln. Manche von diesen -sind von so allgemeiner Bedeutung, daß sie wieder die ganze Welt -betreffen. So die Massenanziehung nach der Newtonschen Formel, -von der keine greifbare Substanz ausgenommen ist und die absolut -unveränderlich scheint. So die Regel, wonach für alle nicht kohärenten -Systeme die Wärme immer nach den kälteren Körpern von selbst hinströmt -und strahlt, und nie umgekehrt nach den wärmeren. Andere dagegen sind -Spezialgesetze, wie die Formeln, nach denen Körper sich anziehen -oder abstoßen oder drehen, wenn elektrische oder magnetische oder -Stromeinflüsse sich geltend machen, oder wie diejenigen, welche die -Beugung, Reflexion und Brechung von Licht- und Schallstrahlen, die -Zusammendrückbarkeit der Körper, zum Beispiel der Gase, feststellen -usf. Solche Gesetze können in ihrer Wirkung auch von der Umgebung -abhängen. Wie dem aber auch sei, so nehmen wir uns doch die Freiheit, -auch sie auf das Weltall auszudehnen, das heißt, ihre Gültigkeit -überall anzusetzen, wo sich Gelegenheit zu ihrer Geltendmachung bietet, -nicht bloß auf der Erde. Von dem Gesetz der Massenanziehung und dem -der Zerstreuung der Wärme nach den kälteren Stellen sind wir ja der -Allgemeingültigkeit fast sicher. - -So können wir uns hiernach die Welt aufbauen, so daß sie unserer -irdischen entspricht, und dürfen aus dem, was wir für diese wissen, auf -das All übertragen: alle Stoffe, alle Erscheinungen, alle Vorgänge, -alle Gesetze. Und in dieser Weise ist der mechanistische Materialismus -für das physische All zunächst zu verstehen. Aus dem gleichen Grunde -dürfen wir die systematische Ordnung am Himmel, in Raum und Zeit, -wiederum aus irdischen Erfahrungen ableiten. So ist die gewaltige -Lehre Kants vom Weltsystem und seiner Entwicklung entstanden, nachdem -seit dem Altertum ein solches System aufzubauen die Bemühungen nicht -geruht haben und Descartes schon ein sehr eigenartiges, aber nicht den -Tatsachen hinreichend entsprechendes System aus seiner Theorie der -Himmelswirbel abgeleitet hatte. Wir haben hier die Geburt, das Leben, -den Untergang, das Wiederaufleben usf. der einzelnen Systeme im Weltall -nach bestimmten Prinzipien. - -Das alles gilt von der physischen Welt. Wie steht es mit der lebenden -Welt? Soweit die Körper der Lebewesen in Betracht kommen, nicht anders -als mit der physischen Welt; sie sind den Weltgesetzen unterworfen wie -allen Einzelgesetzen, und kein lebendes Wesen kann seinen Körper diesen -Gesetzen entziehen, sie gelten hier so streng wie in der unbelebten -Natur. Hinsichtlich der Körper dürfen wir die lebenden Wesen dem All -ohne weiteres einverleiben. Wie es hinsichtlich der Psyche steht, -wird später besprochen. Hier erwähnen wir nur das, für die Psyche -Unbedeutende, aber für das Leben und seine Entwicklung sehr Bedeutende. -Im Bereiche dieser Erscheinungen kennen wir außer jenen kategorischen -Gesetzen noch zwei andere Gesetze: das der ~Selbsterhaltung~ und das -der ~Erhaltung der Art~ (~Vererbung~), das heißt der Erhaltung des -individuellen Körpers und Geistes und der Erhaltung der Nachkommen -in der besonderen Gestaltung dieses Körpers und Geistes. Sehen wir -von allen psychischen Wirkungen ab, so würden in einer absolut -unveränderlichen Umgebung beide Gesetze streng zur Ausführung -gelangen können. Wir vermögen uns sehr wohl einen Zustand zu denken, -in dem ein Wesen nach seiner Einrichtung lebt und vergeht und genau -entsprechende Wesen produziert, so daß die Kette der Wesen immer aus -gleichen Ringen zusammengesetzt ist. Alsdann ist auch nur eine einzige -Wesenart vorstellbar, und von je in je. Ob das irgendwo in der Welt -stattfindet, wissen wir nicht; sollte das der Fall sein, so dürfte es -sich entweder auf Wesen beschränken ohne geistige Tätigkeit, oder auf -solche mit höchster Vernunft. Die Gründe sind leicht einzusehen. Genug, -ein solcher Zustand ist durchaus vorstellbar. Wie nun die Verhältnisse -auf der Erde sind, steht die Selbsterhaltung wie die Erhaltung der Art -in einem steten Kampf mit der ganzen Umgebung. Die Lebewesen suchen -instinktiv oder planmäßig die Umgebung ihrer Art anzupassen, aber auch -sich selbst der Umgebung anzupassen. Letzteres geschieht größtenteils -nur instinktiv, unbewußt -- wir werden später die Bedeutung davon -kennen lernen. Unter Umgebung ist dabei nicht allein die unbelebte -Natur verstanden, sondern auch die belebte. Aus der Anpassung an die -Umgebung aber folgt, daß die beiden Erhaltungsgesetze nur bedingt -erfüllt werden können, nämlich mit Rücksicht auf diese Umgebung. Und -so treten schon im Leben des Individuums Änderungen seines Selbst ein -und folglich nach dem zweiten Erhaltungsgesetz Änderungen der Art. Auf -diesen Grundgedanken -- von den Einzelheiten müssen wir hier absehen --- ist die ~Entwicklungslehre der belebten Wesen~ aufgebaut worden, -namentlich von Lamarck und Darwin, nachdem Geister wie die ionischen -Naturphilosophen, Kant, Goethe und andere sie schon mehr oder weniger -bestimmt gedacht haben. Ob diese Entwicklungslehre, ~Phylogenie~, -in der ~Paläontologie~ und in der Wachstumslehre, ~Ontogenie~, eine -durchaus sichere Stütze hat, ist gegenwärtig wieder etwas zweifelhaft -geworden. Daß aber die Arten sich ändern müssen, wo die Umgebung sich -ändert, ist ganz unausweichlich, wenn auch daraus noch lange nicht -folgt, daß alle Arten wie die Zweige eines Baumes aus einem Lebewesen -hervorgegangen sein müssen. Das hängt mit der Entstehung der Lebewesen -überhaupt zusammen. - -Ich will darüber und über die ~Abstammungs~-, ~Deszendenzlehre~ nur -einiges sagen. Erstens ist es sehr wohl möglich, daß große Klassen von -Lebewesen aus verschiedenen Urwesen ihren Ursprung genommen haben. Der -Bau eines Insektes ist trotz der entsprechenden Organe, wie Magen, -Lunge, Füße, Augen usf. so himmelweit von dem eines Säugetieres -verschieden, daß, wenn nicht absolut zwingende Gründe der Paläontologie -vorhanden sind, die irgendwann in der Geschichte der Erde ein Wesen -nachweisen, das sich ebensogut zu der Stufe der Säugetiere wie zu der -der Insekten entwickeln konnte, man noch wissenschaftlicher verfährt, -Insekt und Säugetier auf verschiedene Urwesen zurückzuführen. Man -verliert ja dadurch gar nichts hinsichtlich des Hauptsächlichen, der -Entwicklungslehre. Auch eingeschränkt auf Arten, die wirklich einander -entsprechen, hat sie immer noch ihre hohe Bedeutung und braucht auch -nicht so sehr mit dem Mangel an Zeit zu kämpfen. Doch mag das sein, -es hat mehr ein Interesse des Kennens als des Erkennens, denn das -Psychische berührt es gar nicht. Und die törichten Exklamationen -von Leuten, die fürchten, ihre Gottähnlichkeit würde ihnen durch -die Entwicklungslehre genommen werden, beruhen auf zu geringer -Überlegung. Wir sind Gott ähnlich mit und ohne Entwicklung, wenn -wir uns dessen bewußt sind. Die Entwicklungslehre für sich kann den -Geist, die Seele nicht aus der Welt schaffen. Und wenn sie eine Art -Mechanistik darstellt aus den physischen Einwirkungen von außen, so -sagt sie damit an sich nichts Neues, sondern etwas, das der Mensch -seit je gewußt hat, daß er nämlich von solchen Einwirkungen durchaus -abhängig ist. Wir können also die Entwicklungslehre ruhig bestehen -lassen, ohne unserer Seele etwas anzutun. Selbst ein Nachweis, daß die -seelische Organisation mit der körperlichen in der Entwicklungsreihe -wächst, würde von keinem Belang sein. Aber ein solcher Nachweis, wie -soll er wohl geführt werden, ohne auf die auffälligsten Widersprüche -und Unbegreiflichkeiten zu stoßen? Die Pflanzenwelt besteht so lange -wie die Tierwelt; hat aber die höchste Pflanze -- mögen auch die -Pflanzen, wie die neusten Untersuchungen gelehrt haben, nicht ohne -Sinnesorgane und Nerven, vielleicht auch nicht ohne Vorstellungen sein --- psychisch Ähnlichkeit auch nur mit einer Schnecke? Eine Ameise, die -in der körperlichen Organisation so vielen Insekten nachsteht, von den -Säugetieren gar nicht zu reden, besitzt eine viel größere geistige -Rührigkeit als manches höchste Säugetier. Körperlich ganz benachbarte -Arten zeigen durchaus verschiedene geistige Äußerungen. Die geistigen -Verschiedenheiten selbst innerhalb derselben Art sind auch dann noch -ungeheuer, wenn wir von pathologischen Verhältnissen absehen, nur das -Normale nehmen. - -Viel wichtiger ist das zweite. Woher kam das Urwesen, oder woher -kamen die Urwesen? Die beiden Hauptansichten darüber sind schon -im Altertum geäußert worden. Nach den Mechanisten müßte es sich -gerade so gebildet haben wie jeder unbelebte Körper. Damit hängt die -sogenannte generatio equivoca, die Selbstzeugung, zusammen, an die noch -Schopenhauer geglaubt hat. Ließen doch manche Griechen die Lebewesen -einfach aus Schlamm oder Erde unter der Einwirkung der Hitze der Sonne -auf diesen Schlamm oder die Erde erwachsen sein. Gerade die moderne -Naturwissenschaft hat die Selbstzeugung als nichtig erwiesen. Unter den -Umständen, die wir nur herzustellen vermögen, sagen die Materialisten -strenger Observanz; aber unter anderen Umständen? -- Darüber läßt sich -nicht streiten, es liegt außerhalb der wissenschaftlichen Methode. -Ich verweise aber, um Mißverständnissen vorzubeugen, durchaus auf -die Definition der Lebewesen, wie wir sie unserem Kant verdanken und -die wohl auch für den Materialisten allerstrengster Observanz gültig -sein wird. Die zweite, schon im Altertum bekannte Annahme ist die -neuerdings als ~Panspermie~ bezeichnete. Keime aller Dinge, auch der -belebten Wesen, sollten durch das ganze Weltall verteilt sein, und -wenn letztere in geeignete Verhältnisse kamen, sollten sie sich zu -den betreffenden Lebewesen entwickeln. Die Entwicklung wurde mitunter -nach der ~Evolutionslehre~ gedacht, deren neuerer intensiver Vertreter -~Albrecht von Haller~ gewesen ist. In jedem Keim (nach der Hauptansicht -in der Eizelle, nach anderen Ansichten in der Samenzelle) steckt schon -das Wesen in kleinster Gestalt, in diesem eingehüllten Wesen ein von -ihm eingehülltes usf., so daß jeder Keim eine unendliche Zahl immer -ineinander eingekapselter Wesen einer Art enthielte. Ein Keim ist so -in der Lage, durch stete Fortpflanzung eine unbegrenzte Reihe von -Wesen einer Art herauszuwickeln, und es genügte, wenn von jeder Art -auch nur ein Keim von je vorhanden war. Wir wissen jetzt (bereits seit -~Caspar Friedrich Wolff~ 1759), daß diese Evolutionslehre in dieser -Form nicht zutrifft. Auch in einer anderen Form, die ~Weismann~ ihr -gegeben hat, und die lange in der Biologie großes Ansehen genoß, daß -nämlich zwar nicht die vollständigen Wesen, aber doch die letzten -Teile, aus denen sie sich bilden, in den Keimen schon vorhanden seien, -so daß es sich um eine Trennung dieser Teile und dann um ein Wachstum -handelt, muß die Evolutionslehre gegenwärtig abgelehnt werden. Denn -gegenwärtig meint man: die Wesen entwickeln sich durch Sprossung oder -Teilung aus einer Zelle, unter sehr verwickelten Erscheinungen auf -Grund des Stoffwechsels, eine Lehre, die als ~Epigenesis~ bezeichnet -wird, indem alles erst in der Entwicklung entsteht, aus gewissen -Eigenschaften der Keimteile. Aber die Panspermie behält gleichwohl ihre -Bedeutung. Eine Hauptschwierigkeit für sie kannten die Alten nicht, -nämlich die sehr tiefe Temperatur des Weltalls, die wohl 150° C unter -Null beträgt. Moderne Forscher, wie W. ~Thomson~ und ~Helmholtz~, -haben darum mehr gelegentlichen Transport von Keimen durch Meteorite -für nicht ausgeschlossen gehalten und so Verbreitung von Weltkörper zu -Weltkörper. ~Arrhenius~ hat dann, nach den Forschungen der neuesten -Zeit über Strahlen- und Elektrizitätsdruck, gezeigt, daß kleine Keime -auch ohne Meteorite von Weltkörper zu Weltkörper geschleudert werden -können, und daß die Fluggeschwindigkeit dabei so groß sein kann, -daß die Keime zwischen Körper und Körper die furchtbare Kälte des -Weltraumes überdauern können. Das alles muß man jetzt zugeben; und so -ist in der Tat die Verbreitung von Leben durch das Weltall möglich, -zumal wenn man Keime aller Art zuläßt, namentlich auch solche, die -unter ganz anderen Verhältnissen sich entwickeln können als auf der -Erde herrschen, etwa unter solchen auf dem Monde, wo atmende Wesen in -unserem Sinne nicht vorhanden sein können usf. Ich wüßte nicht, was dem -entgegenstehen sollte. Atome werden ja auch von allen möglichen Arten -angenommen, und wie wenig bei Keimen in ihrer Struktur dazu gehört, sie -nach ganz verschiedenen Richtungen sich entwickeln zu lassen, ist ja -bekannt; die Keimzellen (z. B. Ei und Sperma) differentester Lebewesen -sind für uns mitunter kaum zu unterscheiden. Gleichwohl müssen sie jede -ein Eigenes haben, das sie veranlaßt, sich gerade zu dem bestimmten -Wesen zu entwickeln. Sind einmal Keimzellen gegeben, so hat es weiter -keine Not, denn nun entwickeln sich solche Zellen im Laufe des -Lebensprozesses immer weiter, wie gesagt, durch Sprossung oder Teilung; -der Intervention einer neuen Urzelle bedarf es dann nicht. - -Das alles betrifft die Entwicklung der ~Wesen-Reihe~, die ~Phylogenie~. -Die Entwicklung der ~Einzelwesen~, die Ontogenie, wäre sehr einfach, -wenn die Evolutionstheorie sich als zutreffend erwiesen hätte; die -Keime mit ihren ins Unendliche ineinandergekapselten Wesen gleicher Art -wären von je, oder geschaffen, das Weitere beträfe nur die Auswicklung, -sozusagen aus der Hülle, wobei der betreffende Urkeim von Geschlecht -zu Geschlecht weiter und weiter gegeben würde. Nur die Umstände, -unter denen die Auswicklung erfolgt und die Art, wie sie erfolgt -und wie das Wachstum geschieht, böten, freilich recht bedeutende, -Schwierigkeiten. Allein wir sollen es mit der Epigenesis zu tun haben, -und da handelt es sich nicht bloß um diese Schwierigkeiten, sondern -auch um die Frage, warum sich aus Ei und gegebenenfalls Samenzelle -jedesmal ein den Eltern gleiches Wesen entwickelt. Hier gilt nun, -wie man sagt, das ~Gesetz der Vererbung~; und es wird darum als -erwiesen angesehen, daß die Entwicklung der Einzelwesen in den ersten -Stadien die der Wesenreihe bis zu einem gewissen Grade wiederholt. -~Die Phylogenie spiegelt sich in der Ontogenie wieder~, oder noch -schärfer: ~Die Ontogenie ist eine Rekapitulation der Phylogenie~. -Die Untersuchungen darüber sind außerordentlich verwickelt. Ich darf -wegen dieses ~biogenetischen Grundgesetzes~ namentlich auf unseres -greisen, dem Vaterlande zum Stolz gereichenden Forschers ~Häckel~ -Schriften verweisen, denen nur grobe Unbedachtheit, um nicht ein -härteres Wort zu benutzen, aus kleinen Irrtümern und Versehen, wie sie -bei sorgfältigster Arbeit sich nicht vermeiden lassen, absichtliche -Unrichtigkeiten unterschieben konnte. Wie weit die Ontogenie als -~Palingenesie~ in der Tat Phylogenetisches wiederholt, ist wohl noch -strittig. Häckel selbst hat hervorgehoben, daß manche Stufen in -der Ontogenie fehlen, andere abgekürzt auftreten und viele Stufen -nachträgliche Erwerbungen, ~zenogenetisch~ sind, die sich in der -Phylogenie nicht finden. Aber alles würde immer nur beweisen, daß -Bestehendes möglichst erhalten wird, selbst wenn es längst vergangen -ist, um so mehr, wenn es noch blüht. Tatsachen der Vererbung gibt -es aber unzählige, sie sind durch die ~Deszendenztheorie~ fast -Gemeingut geworden. Was veranlaßt aber die Vererbung, daß Wesen -verschiedener Art nicht einmal Nachkommen hervorbringen können? Der -Grund muß in den Elementen, aus denen die Lebewesen sich entwickeln, -liegen, in Ei und Samen. Aber worin er besteht, wissen wir nicht. -Der Inhalt von Ei und Samenzelle (Protoplasma, Nukleus, Chromatin, -Zentrosom und vielleicht noch anderes) ist außerordentlich kompliziert -gebaut. Noch komplizierter, abgesehen von den Einzelligen und den -Amöben, trotz Feststellung typischer Vorgänge, wie namentlich der -~Gastrulation~, ist die Entwicklung selbst. Es scheinen auch polare -Kräfte mitzuspielen, für die wir noch keinen Ausdruck haben, und -Struktur- und Beschaffenheitsdifferenzen in den Inhalten der Elemente. -So ist das Gesetz der Vererbung einstweilen nur eine Umschreibung -für eine Reihe von Tatsachen. Es muß aber mit außerordentlicher -Energie wirken, da es aus einer unendlichen Zahl von Möglichkeiten -immer nur ein Bestimmtes zuläßt und selbst noch Dinge, ~rudimentäre -Organe~, erhält, die für das Wesen nutzlos oder gar schädlich -sind, worüber Darwin so eingehend geschrieben hat. Und dabei wirkt -die Vererbung, indem sie sich nicht bloß auf das Ganze erstreckt, -sondern sogar auf die kleinsten Einzelheiten; alle Organe, alle -Gliedmaßen, alle Nerven, Muskeln, Knochen usf., und alles dieses in den -feinsten histologischen Feinheiten, werden vererbt. Wir wollen diese -Vererbung die ~morphologische~ nennen und setzen ihr an die Seite die -~biologische~, indem die Vererbung auch die ~Folge~ in der Entwicklung -der einzelnen Teile betrifft, sowie die ~funktionale~, welche sich auf -die ~Tätigkeiten~ der einzelnen Teile bezieht. - -Allein die Vererbung geht selbst auf die ~Stellen~ des Eies, aus -denen die Entwicklung geschieht; bestimmte Stellen entwickeln sich -in bestimmter, immer gleicher Weise, wenn die Entwicklung ungestört -geschieht. Das ist eine ~Lokalisationsvererbung~. Driesch spricht -darum von einer ~morphologischen Bedeutung~ der einzelnen Stellen -im Ei, indem die Bedeutung dasjenige ist, was aus dieser Stelle bei -ungestörter Entwicklung hervorgeht. Die Vererbung sorgt, daß auch hier -immer das gleiche folgt; das nun ist um so wunderbarer, als die neuere -Biologie wohl unzweifelhaft nachgewiesen hat, daß aus derselben Stelle -sich sehr vieles andere entwickeln kann und unter Umständen in der Tat -sich entwickelt, daß Stellen die Entwicklung anderer Stellen übernehmen -und durchführen können. Der gleiche Forscher spricht deshalb auch von -einer ~morphologischen Potenz~ dieser Stellen, welche viel umfassender -ist als die morphologische Bedeutung. ~Unter allen Potenzen einer -Stelle treibt die Vererbung bei normalen Verhältnissen also immer nur -eine in die Aktualität, in die Bedeutung hinaus.~ Und nun kommt noch -das weitere Wunderbare, daß, wenn die Verhältnisse bei der Entwicklung -anormal sind, diese Entwicklung, trotz des dadurch bedingten Wechsels -der in die Wirklichkeit gebrachten Potenzen der einzelnen Stellen -des Eies, ~doch ein durchschnittlich normales richtiges Wesen zutage -fördert~. So mächtig ist das Gesetz der Vererbung im Kleinsten wie im -Großen. Es ist ein ~morphologisches Gesetz~ von zwingender Gewalt. -Also regelt die Vererbung Gestalt, Entwicklung aus dem Kleinsten in -das Kleinste und Große, und in das Ganze, den Gang der Entwicklung, -die Wirksamkeit aller Teile, ja auch Geistestätigkeit, wie jeder weiß. -Es ist ein großzügiges Gesetz, da es Abweichungen zuläßt, ohne das -Wesentliche zu beeinträchtigen. Als Erhaltungsgesetz steht es in einem -gewissen Gegensatz zu dem Anpassungsgesetz, wirkt aber auch mit ihm -zusammen, indem es immer das erhält, was nach dem Anpassungsgesetz -eingetreten ist. - -Zu der morphologischen Potenz möchte ich selbst noch folgende Bemerkung -machen. Sie ist zunächst ~ontogenetisch~ verstanden, bezieht sich -also auf dieselbe Wesensart, eigentlich auf eine bestimmte Zelle. -Wenn man aber beachtet, daß die Ontogenie der Phylogenie entspricht, -so möchte man fast glauben, daß die morphologische Potenz noch eine -viel allgemeinere Bedeutung hat, nämlich auch eine ~phylogenetische~. -Alsdann würde sie besagen, daß aus dem Eiinhalt an sich überhaupt jedes -mögliche Wesen entstehen kann. Von vornherein hätte der Eiinhalt die -Eigenschaft, nicht bloß aus jeder Stelle jedes zu dem betreffenden -Individuum Gehörige hervorzubringen, sondern auch jedes beliebige -Individuum jeder beliebigen Art. Er sei morphogenetisch gänzlich -universell, und die phylogenetische Entwicklung bedeute lediglich ein -immer weiteres Zutagetreten der Potenzen des Eiinhaltes zu immer neuen -Formen. Es wäre dieses eine Art ~phylogenetische Evolution~, jedoch -nicht vorhandener Formen, auch nicht von Differenzierungen vorhandener -Bausteine, sondern von Potenzen, die dem protoplasmatischen Stoffe, -der den Eiinhalt bildet, von vornherein innewohnen, ~Potenzen~, wie -~im Individuum zu allen seinen Teilen~, ~so in der Wesenreihe zu allen -Wesen beliebiger Art~. Eine derartige Anschauung würde den Zusammenhang -zwischen Ontogenie und Phylogenie ins klare setzen und die Entstehung -der verschiedenen Wesenformen in den Gang der Entwicklung eines Wesens -und den durch äußere oder andere Einflüsse herbeigeführten Abschluß -dieser Entwicklung verlegen. Die bestehenden Wesen wären nicht die -~vollendeten~ Entwicklungen, sondern ~Stufen~ in der allgemeineren -Entwicklung der Gesamtpotenz des protoplasmatischen Stoffes. Und das -Steigen in der Reihe der Wesen wäre bedingt durch das immer später -eintretende Abschließen der Stufen. Kennen wir doch Lebewesen, die -unmittelbar Stufen in einer bestimmten Entwicklung sind und als solche -ihr ganzes Dasein verbringen, wenn sie nicht später die Entwicklung -fortsetzen. Manche halten sogar das Weib für ein Wesen, das gegenüber -dem Mann auf einer früheren Stufe der Entwicklung stehen geblieben ist. -Vielleicht ist nicht bloß eine Art des betreffenden Stoffes vorhanden, -sondern es bestehen zwei Arten, mit abweichenden phylogenetischen -Potenzen; eine für die Reihe der Tiere, die andere für die Reihe der -Pflanzen. Vielleicht sind auch selbst für die Reihe der Tiere mehrere -Arten des protoplasmatischen Stoffes anzunehmen. In einer so ungemein -verwickelten Sache hat man das Recht, auch allgemeine Ideen zu äußern. -Doch mag es bei dieser Äußerung selbst verbleiben; der Phantasie sei -es überlassen zu träumen, wie viele neuartige Wesen noch als weiterer, -später eintretender Abschluß der Entwicklung aus dem protoplasmatischen -Stoff entstehen können. - -Ein ferneres Erhaltungsgesetz können wir in der ~Restitution~, die -als Sonderfall die ~Regeneration~ enthält, sehen, wonach Lebewesen -ihren Körper ergänzen und erneuen, vollständig oder wenigstens zum -Teil. Die Beispiele hierfür streifen mitunter das Verblüffende; so -wenn von manchen Tieren abgeschnittene Stücke sich zu ganzen, gleichen -Tieren wieder auswachsen, unmittelbar oder nachdem sie zuvor eine -Rückverwandlung fast in den ersten Zustand erfahren haben, so weiter, -wenn von gewissen Zellen einer Pflanze neue Zweige oder Blätter oder -gar eine ganze neue gleiche Pflanze hervorwächst usf. Je höher wir in -die Reihe der Lebewesen kommen, desto mehr verliert allerdings der -Körper die Fähigkeit, sich zu ergänzen. Aber selbst bei dem Menschen -ist sie noch nicht ganz erloschen. Und wo die unmittelbare körperliche -Restitution, hier oder bei anderen Wesen, fehlt, tritt wenigstens -Nebenbildung, Umbildung, Weiterbildung oder Funktionsübertragung ein. -Für Nebenbildung sind Beispiele die adventiven Restitutionen, indem in -der Nähe eines verlorenen Organs ein anderes entsteht wie bei Pflanzen, -wozu auch die Bildung von neuen Organen neben nur teilweise entfernten -Organen gehört wie „der Gliedmaßen und des Schwanzes bei Amphibien, des -Kopfes der Planarien, der Wurzelspitze der Pflanzen“; für Umbildung bei -Pflanzen die Umwandlung von Schuppen in Blätter oder die Umbildung von -verletzten Augen bei gewissen Krebstieren in Antennen; Weiterbildung -durch kompensatorische Hypertrophie zeigt sich in der Vergrößerung von -Organen, wenn das Gegenorgan verloren ist, wie einer Niere nach Verlust -der zweiten Niere; endlich Funktionsübertragung finden wir oft bei -Gehirnkrankheiten, wenn zum Beispiel bei Lähmung des Sprechzentrums -andere Stellen des Gehirns allmählich die Sprechermöglichung übernehmen. - -Zu diesen Erhaltungsgesetzen kommt noch ein ~morphologisch-biologisches -Ordnungsgesetz~, das schon erwähnte und in Kants Auseinandersetzungen -vom Naturzweck (S. 369) behandelte ~Gesetz der Harmonie~, das -die Zusammenstimmung aller Teile in der Ordnung, der Ursache und -Folge und in der Wirksamkeit vermittelt. Doch es ist in einem so -außerordentlich dunkeln und schwierigen Gebiet, auf dem sogar die -speziellen Fachleute, weil eben die Beobachtungen noch nicht entfernt -hinreichen und darum die mannigfachste Deutung zulassen, gefährlich, -von bestimmten Gesetzen nach bestimmten Richtungen zu sprechen. - -Ich habe darum nur dasjenige vorgebracht, was mir gegenwärtig noch -am sichersten zu sein scheint, wenngleich es wohl sehr vieles andere -gibt, das nicht minder bedeutungsvoll ist. Und alles betrifft, wie -der Leser sieht, meist den Körper und dessen Funktionen. Und die -Gesetze sind ~Regulation~ für den Körper und dessen Funktionen, -~morphologisch-biologische Regulation~, und zwar nicht bloß für die -Einzelwesen, sondern auch für die Wesenreihe, also ontogenetisch und -phylogenetisch. Wie es sich mit der Psyche verhält, werden wir noch -sehen. Aber auch das obige wird noch zu ergänzen sein. - - -52. ~Energetische Anschauungen; Ostwald und Häckel.~ - -Es muß hervorgehoben werden, daß kein Vorgang in der Natur ohne -Änderung von Energien in ihrer Menge oder Umwandlung in andere -Energien vorhanden ist. Wir sprechen allgemein von Umwandlung von -Energien. Ein Stein, den ich halte, hat Schwereenergie; lasse ich -ihn fallen, so geht ein Teil dieser Energie in Bewegungsenergie -über, ist der Stein auf die Erde gestürzt, so wandelt sich die -Bewegungsenergie in Wärme oder Energie beim Zerschlagen usf. um. -Die Schule der ~Energetiker~, deren Führer Wilhelm Ostwald ist, -setzt an Stelle aller Vorgänge Energieumwandlungen. Die Welt enthält -eine gewisse Zahl von Energien in bestimmter Gesamtmenge; das Leben -der Welt bedeutet die stetige Umwandlung dieser Energien hier und -überall, unter Wahrung der Gesamtmenge, die unveränderlich ist. -Bewegungsvorgänge, Lichtvorgänge, Wärmevorgänge, chemische Vorgänge -usf., alles ist nur Energieumwandlung. Das soll nun ebenso für die -Vorgänge des Lebens gelten, und zwar nicht bloß des animalischen, -sondern auch des seelischen und geistigen. Ostwald, in seinem Buche -„Die Energie“, sagt: „Dieses Verhältnis (des Begriffes der Energie -zu dem des Geistes) glaube ich so auffassen zu dürfen, daß die -geistigen Geschehnisse ebenso sich als energetische auffassen und -deuten lassen, wie alle übrigen Geschehnisse auch.“ Diese Theorie wird -an den Tatsachen des Lebens erläutert. Zunächst das rein Animalische -bietet keine Schwierigkeit, die Vorgänge im Körper sind ja die gleichen -wie sonst in und an beliebigen Körpern. Sind die Vorgänge in der -physischen Welt überhaupt nur Energieumwandlungen, so sind sie es auch -im Körper der Lebewesen. Die Sinneswahrnehmungen sollen gleichfalls -nur solche Umwandlungen bedeuten. Energien gelangen an und in unsere -Sinnesorgane, dort werden sie in andere Energien umgewandelt (z. B. wie -die Lichtenergie im Sehpurpur des Auges auch in chemische Energie), -dann findet eine Leitung durch den Nerv (seinen Achsenzylinder) -statt, als „Nervenenergie“, deren Art Ostwald selbst als noch nicht -bestimmbar angibt. Im Zentralorgan, Gehirn oder Rückenmark (in den -Ganglien) angelangt, erfährt die Energie eine abermalige Umwandlung -in „psychische Energie“ (vielleicht Energie chemischer Zersetzung, -Dissimilation). Ein Teil wird Wahrnehmung, der andere geht als -Nervenenergie zurück, wandelt sich in den Organen des Körpers um und -veranlaßt dort die Energieumwandlungen, die wir in der Bewegung, -Ausscheidung usf. sehen. Also nur Umwandlung von Energien in Energien. -Und Ostwald sagt ausdrücklich: „Daß die geistigen Vorgänge in all ihrer -Mannigfaltigkeit eben nicht als ~Begleiterscheinungen~ der betreffenden -Energie, sondern ~als diese Energie selbst~ aufgefaßt werden müssen“. -Also die ganze psychische Tätigkeit ist Energie und deren Umwandlung. -(Übrigens behaupten die Mechanisten das gleiche in bezug auf Bewegung: -die psychistische Tätigkeit ist Bewegung und deren Umwandlung. Ostwald -faßt die Mechanistik anders auf: die psychistische Tätigkeit soll -danach Begleiterscheinung der Bewegung sein; das ist aber, wie ich -glaube, nicht die Ansicht Demokrits und seiner Nachfolger.) Was dazu zu -sagen ist, werde ich im nächsten Abschnitt beibringen. - -Hier will ich nur einen der interessantesten Punkte dieser Energetik -hervorheben. Ostwald meint, die wesentlichste Energie in uns sei -die chemische. Nun lassen sich chemische Anordnungen ersinnen und -aufweisen, welche wiederholte Vorgänge leichter ausführen als -erstmalige. Dieses vergleicht Ostwald mit dem Gedächtnis in den -Lebewesen sowohl hinsichtlich des Eigenlebens als hinsichtlich -der Vererbung, also die chemische Erinnerungsfähigkeit mit der -psychischen. Indem er dann weiter das Bewußtsein des Ich gleichfalls -in die Erinnerung und die Erinnerungsmöglichkeit setzt, gewinnt er -einen Zusammenhang dieses Bewußtseins mit der chemischen Erinnerung. -So sagt er dann: „Hier schützt uns die Energetik alsbald gegen die -kindliche Vorstellung von der ‚Aufbewahrung der Erinnerungsbilder‘ -in den Zellen des Gehirns, indem sie an die Stelle der ~Bilder~ die -entsprechenden Vorgänge, das heißt an die Stelle einer gedachten -~räumlichen~ Mannigfaltigkeit, für welche kein Substrat nachzuweisen -ist, eine ~zeitliche Reaktionsfolge~ setzt, die allein dem zeitlichen -Charakter der geistigen Vorgänge gerecht wird“. Ostwald hat mit der -Ersetzung des Raumes durch die Zeit sicher recht, wenn jemand die -Bilder im Raume annehmen würde. Der Psychiker tut das aber nicht; er -setzt sie in die Seele, die mit dem Raum gar nichts zu tun hat. Der -Mechanist muß freilich die Bewegungen im Gehirn verteilt annehmen. -Der Energetiker hebt -- so muß man wohl Ostwald verstehen -- den -Begriff des Raumes überhaupt auf, da er den der Masse auflöst. -Darüber später. Gleichwohl ist es schwer einzusehen, wie aus der -Reaktionsfolge Erinnerung und Erinnerungsvermögen sich ergeben sollen. -Jeder Schritt in einer Reaktion ist ja geschwunden, sobald er beendet -ist; er hat ja kein Bleibendes eben als Folge. Wie soll da im Laufe -einer Reaktionsfolge ein vergangener Schritt zum Vorschein kommen? -Wir entwickeln einen Gedankengang, das wäre eine Reaktionsfolge. Wir -können ihn nur entwickeln, wenn wir alle Schritte dieses Ganges uns -fortwährend vorhalten; sobald ein Schritt uns nicht gegenwärtig ist, -haben wir den Faden verloren, wie wir sagen. Also soll eine physische -Reaktionsfolge bei jedem Schritt die ganze voraufgegangene Reaktion -zugleich darstellen. Das ist notwendig; die einfache Nachwirkung von -Reaktionen, wie sie in der Physik und Chemie bekannt sind -- ein -Kautschukfaden dehnt sich anders, wenn er vorher schon gedehnt gewesen -ist, als wenn er das nicht war -- genügt nicht. Die ganze verflossene -Reaktion muß bei jedem Schritt der Reaktion immer wieder da sein. Es -ist dieses ein Seitenstück zu der Darlegung der organisierten Körper -als Maschinen mit ganz gleichen Maschinen als kleinsten Teilchen -derselben. Ich weiß nicht, wie man das verstehen soll. Nun gar das -Erinnerungs~vermögen~. Hier soll irgendeine Reaktion längst verflossene -Reaktionsfolgen hervorrufen, die mitunter mit ihr nicht die geringste -Ähnlichkeit haben, wie wenn man einen Ton hört und sich dabei einer -Farbe erinnert oder eines Gegenstandes oder einer Begebenheit. Die -Vorstellungen ohne Substrat müssen ja nach dieser Theorie gleichfalls -Reaktionsfolgen von Energien sein. Ich hebe diese Bedenken schon hier -hervor. Über die Auffassung unserer geistigen Tätigkeiten, unserer -Gefühle, unserer Anschauungsformen, unserer Kategorien (ob erworben -oder nicht erworben) im Sinne der Energetik, hat sich Ostwald nicht -ausgesprochen; er hat selbst anerkannt, daß das meiste noch sehr dunkel -sei. - -Ostwald hat in seiner Energetik den Begriff der Materie in den der -Energien aufgelöst. Ich muß auch darauf hier schon eingehen, da wir -wissen müssen, was diese Auflösung eigentlich bedeutet. Auch ist -sie für seine Theorie von größter Wichtigkeit. Jede Energie ist -~zwiespältig~, ein Produkt von zwei Faktoren, der ~Intensität~ und der -~Kapazität~. Der nicht physikalisch vorgebildete Leser wird mich am -besten an einem Beispiel verstehen. Lebendige Kraft (Masse mal Quadrat -einer Geschwindigkeit) ist eine Energie. Steigen wir auf einen Turm -und lassen da ein Kilogramm aus freier Hand herunterfallen, so bekommt -dieses, an der Erde angelangt, eine bestimmte Geschwindigkeit und eine -bestimmte lebendige Kraft, Energie. Nehmen wir statt ein Kilogramm ein -Stück von zwei Kilogramm, so langt dieses an der Erde mit der gleichen -Geschwindigkeit an, aber seine lebendige Kraft ist doppelt so groß. -Bei drei Kilogramm ist die Geschwindigkeit wiederum die nämliche, -aber die lebendige Kraft dreimal so groß usf. Also richtet sich die -Aufnahmefähigkeit, Kapazität, für diese Energie nach der Masse. Diese -ist der eine Faktor. Nun besteigen wir einen anderen, viermal so hohen -Turm und lassen wieder das eine Kilogramm frei fallen. Wir finden -jetzt die Energie unten am Boden, indem die Geschwindigkeit, mit der -das Kilogramm dort anlangt, jetzt doppelt so groß ist, aufs vierfache -gesteigert. Bei einem neunmal so hohen Turm würden wir unten am Boden -das Kilogramm mit der dreifachen Geschwindigkeit ankommen sehen -und bei ihm eine neunfache Energie bemerken usf. Also ist hier die -Geschwindigkeit entscheidend. Diese, oder vielmehr ihr Quadrat, ist -das zweite an der Energie, ihr Intensitätsfaktor. Was hat nun Masse -mit Geschwindigkeit zu tun? Wir können jeder Masse jede beliebige -Geschwindigkeit erteilen. In der behandelten Energie sind aber Masse -und Geschwindigkeit zu einem Produkt vereint. Entsprechendes gilt für -alle Energien ausnahmslos. Alle führen ein zwiespältiges Dasein nach -zwei Richtungen. - -Wir haben gewissermaßen eine Spinozasche Substanz mit zwei Attributen: -Intensität, Kapazität. Das wäre ganz gut. Aber diese Attribute sind -voneinander ~absolut unabhängig~; jedes kann für sich beliebig -konstant bleiben, wenn das andere variiert, oder variieren, wenn das -andere konstant ist; und variieren beide, so variiert jedes durchaus -nur für sich, ohne jede Beziehung zum anderen. Nicht einmal eine -Parallelvariation, wie bei den Spinozaschen Attributen der Substanz, -ist hier vorhanden. Auch die Abhängigkeit von der Energie ist nur eine -relative, denn wenn letztere variiert, braucht nur eines der Attribute -mit zu variieren, und wenn beide Attribute reziprok variieren, bleibt -die Energie konstant. Daraus folgt, daß keines der Attribute in Energie -aufgelöst ist. Beide Attribute, Kapazität und Intensität, stehen neben -Energie durchaus selbständig da. Nun ist in den wichtigsten Vorgängen -Masse eine solche Kapazität. Somit ~bleibt~ die Masse. Sie hat nur -ihren Namen geändert; sie ist als Kapazität einem allgemeinen Begriff -untergeordnet, zu dem Volumen, Form, Elektrizitätsmenge usf. gehört. -Eine wirkliche Vereinfachung hat so wenig stattgefunden, wie bei -mechanischen Vorgängen, wenn man das Bewegungsmoment einführt, das -gleichfalls Kapazität und Intensität hat, Masse und Geschwindigkeit. -Und alle Schwierigkeiten, die aus dem Begriff der Masse erwachsen, -namentlich alle Dualismen, sind in der Energetik nicht vermieden; sie -bleiben als solche und müssen sofort zutage treten, sowie man die -Energieumwandlungen in physischen Vorgängen wirklich verfolgt. Was -wandelt sich da, Kapazität oder Intensität? Oder wandeln sich beide? -Was bedeuten im einzelnen Vorgang Kapazität und Intensität? Fragt man -darnach nicht, so weiß man nicht, wie die Energie sich wandelt; ob -sie in ihrer Art unverändert bleibt oder in eine neue Art übergeht, -das heißt, ob wir innerhalb der einen Erscheinung bleiben, und diese -nur intensiv steigt oder fällt, oder ob wir überhaupt eine andere -Erscheinung erhalten. Also vom Wichtigsten bleibt man ununterrichtet. -Geht man aber in das Einzelne, so sitzt man sofort wieder fest mit -der Kapazität und Intensität, zum Beispiel der Masse und dem Quadrat -der Geschwindigkeit usf. Und das ewige Problem: wie kann Variation -einer Masse psychische Vorgänge auch nur beeinflussen, zum Beispiel -sie stärken oder schwächen? bleibt so ungelöst, wie überhaupt in der -materialistischen Theorie. Denn die Antwort: weil die Masse Kapazität -der Energie ist, besagt gar nichts für das Problem, sie ändert nur -den Namen, Kapazität für Masse. Die Energetik leistet, von diesem -Gesichtspunkte betrachtet, nicht mehr als die Mechanistik; die -Hauptfragen läßt sie offen. - -Gleichwohl darf man zugestehen, daß, wenn sonst nichts gegen sie -vorläge, sie der Mechanistik vorzuziehen ist, da sie ja bei weitem -allgemeiner sich darstellt und alles Physische umfaßt, und da -Arbeit, Energie viel mehr an Psychisches anklingt als Bewegung. Nur -was sie zu leisten verspricht, das leistet sie tatsächlich nicht: -Kapazität (darunter auch Masse) und Intensität bleiben jede für -sich und jede neben der Energie, ganz so, wie in der Mechanistik -Masse und Geschwindigkeit jede für sich stehen und jede neben dem -Bewegungsmoment. Sagt der Mechanistiker, alle psychischen Vorgänge -sind Umwandlungen von Bewegungsmomenten, so spricht er gerade so wie -der Energetiker. Aber das Erhaltungsprinzip, das doch für Energien -immer, für Bewegungsmomente nur ausnahmsweise gilt? Das Prinzip hat -für die ~Art~ der Vorgänge gar keine Bedeutung. Man kann aus ihm -für diese Art absolut nichts entnehmen. Es ist für die Grundfrage -völlig irrelevant. Die Energetik sagt: psychische Vorgänge sind -Energieumwandlungen. Wir erfahren damit, daß sie dem Prinzip der -Erhaltung unterworfen sind. Aber was da wandelt, wie es wandelt, -erfahren wir durchaus nicht, da wir es doch erfahren müssen, wenn -wir nicht ein Wort für ein anderes setzen, und wenn wir zwischen -den verschiedenen psychischen Vorgängen unterscheiden wollen. Meint -man, daß wir das jetzt noch nicht können und daß die Zukunft uns -das aufdecken muß -- wohl! Aber die Rollen der Kapazitäten und der -Intensitäten muß die Energetik so gut wie die Mechanistik sogleich -aufdecken. Sogleich muß sie zeigen, warum, wenn im Gehirn eine Masse -variiert, zum Beispiel Wasser austritt, Ermüdung und Bewußtlosigkeit -entstehen können. Die Antwort, weil damit eine Energieänderung -verbunden ist, belehrt nicht. Denn erstens braucht das gar nicht der -Fall zu sein, da der zweite Faktor, die Intensität, die Energieänderung -durch die Stoffänderung sowohl nach Stärke als nach Art aufheben kann. -Zweitens ist eine solche Antwort nur eine Antwort in Worten, gerade so -wie in der Mechanistik. Über der Energie sind ihre beiden Faktoren zu -sehr vergessen worden. Obwohl sie doch so variieren können, daß die -Energie überhaupt nicht variiert, weder nach Stärke noch nach Art. Was -dann wirklich geschieht, werden wir uns ja leicht vorstellen, es kann -das ganze Leben zerstört werden. Was geschieht dann aber psychisch nach -der Energetik? Gar nichts! - -Ich habe dieses alles erwähnen müssen, nicht um die Mechanistik -gegenüber der Energetik hervorzuheben -- die Mechanistik ist meines -Erachtens noch bei weitem unbrauchbarer auf psychischem Gebiete als -die Energetik --, sondern um klarzulegen, was wir an der etwas stark -prätentiös auftretenden Lehre der Energetik haben, worin sie uns -gerade so in Stich läßt wie alle physischen Theorien. Was im nächsten -Abschnitt zu sagen ist, wird das Vorstehende noch sehr verstärken. - -~Häckel~ ist nicht so weit gegangen wie Ostwald, er hat der Materie -ihr Recht gelassen und möchte alles aus Umwandlungen von Materie -und Energie erklären. Häckel ist materialistischer Spinozist. Mit -Spinoza nimmt er ein Ding-an-sich an, und an diesem Ding Attribute. -Für das eine Attribut setzt er, entsprechend der Ausdehnung nach -Spinoza, die Materie. Als zweites Attribut nimmt er die Energie an. -Indessen fühlt er selbst sich gezwungen, dieses Attribut in zwei -Attribute zu zerlegen: in Energie, nach Art dessen, was wir gewöhnlich -Energie nennen, nämlich die gewöhnliche physikalisch-chemische, oder -physische, wie wir kürzer sagen, und in Energie, die er als ~Psychom~ -bezeichnet. Letztere ist etwa die psychische Energie nach Ostwald. -Allein während Ostwald diese Energie nur so bezeichnet, weil er frei -lassen will, daß in psychischen Vorgängen auch andere Arten von Energie -mitwirken als die wir vorläufig kennen, haben Häckels Psychome eine -selbständigere Bedeutung. Sie wandeln wie die anderen Energien und -mit den anderen Energien, jedoch sie erhalten sich selbst, ohne diese -anderen Energien. Dadurch aber sind sie scharf von ihnen geschieden, -und sie sind ein ~drittes~ Attribut des Ding-an-sich, der allgemeinen -Substanz. Häckel sagt in seinem an Sich ausgezeichneten und höchst -edel geschriebenen Buche „Die Welträtsel“, einem Buche, das übrigens -den einzigen wirklichen Versuch einer Enträtselung der Welt auf Grund -der modernen Naturwissenschaft unternimmt: „Die drei fundamentalen -Attribute der Substanz (des Ding-an-sich): a. Raumerfüllung oder -Ausdehnung, Stoff (= Materie); b. Bewegung oder Mechanik, Kraft (= -Energie); und c. Empfindung oder Weltseele, Geist (= Psychom) sind -demnach ganz allgemeine Grundeigenschaften aller Körper.“ Und -- -was also besonders bedeutungsvoll ist -- das Erhaltungsgesetz, das -er für die beiden ersten Attribute, Materie und Energie, für jedes -besonders, annimmt, läßt er in ganz gleicher Weise für das dritte -Attribut, das Psychom abermals besonders, gelten, denn gesperrt -gedruckt stellt er den Satz hin: „~Die Summe der Empfindung im -unendlichen Weltraum ist unveränderlich.~“ Also die drei Attribute -stehen nebeneinander; es handelt sich um eine ~Trinität~ der Welt, die -Häckel auch nennt. Materialist ist er nur darin, daß er dem dritten -Attribut die Eigenschaft der zwei anderen Attribute zuschreibt, was -aber gleichfalls Spinoza entsprechen würde. Indem er aber bei diesem -dritten Attribut von stufenweiser Verschiedenheit in der Reihe der -Körper spricht, von Erwerbung in der Entwicklung (der ontogenetischen -wie der phylogenetischen) und von Vererbung, stellt er es noch weiter -ab von der physischen Energie, bei der nichts von derartigem zu finden -ist, als allein aus der Verselbständigung folgen würde. Seine Lehre ist -aber durchaus eine Entwicklungslehre. Was also von dieser gesagt ist -und von ihrem Verhältnis zu den psychischen Eigenheiten, trifft hier -in jeder Hinsicht völlig zu. Und Häckel selbst kommt ja dem entgegen -durch die Sonderstellung des Psychomattributs. In allem aber, was er -von der Entwicklung des Bewußtseins spricht, so schön es ist, kann -man im Grunde nur eine Verfolgung der Bewußtseinszustände durch die -organische Reihe sehen. Wie aber diese Zustände ~physisch~ entstanden -sind, wie sie sich ~physisch~ entwickeln, davon wird nichts gesagt. Und -das gerade ist doch für uns die Hauptsache. Die geringste seelische -Regung zeigt sich so grundverschieden von jeder physischen Kraft, jedem -physischen Vorgang, jeder physischen Umwandlung, daß sie schon ein -Wunder dünkt, und daß es uns gar nichts hilft, wenn man uns erklärt, -daß zwischen unserer geistigen Tätigkeit und der der tiefststehenden -Lebewesen eine kontinuierliche Stufenleiter ist. Wir können das -zugeben. Aber woher selbst nur die erste tiefste Seelentätigkeit? -Die Frage bleibt unbeantwortet wie die: woher das erste tiefste -organisierte Wesen (nach Kant)? Hätte Häckel das nicht selbst gefühlt, -so würde er das Psychom als drittes Attribut nicht von der Energie -absolut abgesondert haben in seinem Wesen, es sogar für vererblich -erklärt haben. - -Ostwald und Häckel sind die originalen Schöpfer der Energetik der -Psyche, nach zwei recht verschiedenen Richtungen. Ihre Schüler haben -nichts Wesentliches hinzugefügt, nicht selten aber die Lehren ihrer -Meister höchst mißverstehend angewendet. Nur den bekannten Physiker -~Felix Auerbach~ muß ich hervorheben, doch spreche ich von ihm später. - - -53. ~Über die physischen Welt- und Lebenanschauungen überhaupt; -Weltende, Unsterblichkeit.~ - -Wir kommen zu einer letzten Besprechung der vorstehend dargelegten -Anschauungen und nehmen erst die unbelebte Welt. Es handelt sich -allein um den Anfang, da nur hier etwas Außer- und Übernatürliches -in Frage kommen kann, für alles Folgende aber wir auf dem physischen -Standpunkt durchaus bleiben dürfen. Von dem Anfang nun wissen wir, -bestimmt, nichts. Aber wir können auf ihn schließen aus dem Ende, -falls wir annehmen, daß die Welt nicht unendlich ist an Stoff und -Energie. Diese Annahme der Begrenztheit an Stoff und Energie -- sie -entspricht der Anschauung von E. Dühring (S. 417) -- wollen wir -machen; ob sie sich rechtfertigen läßt, ist später untersucht. Wir -haben drei regulative Prinzipe kennen gelernt, nur das dritte kommt in -Betracht. Dieses Prinzip hat zur Folge, daß alle Vorgänge, erzwungene -und freie zusammen, die in einem absolut abgeschlossenen System -stattfinden, dahin gerichtet sind, in diesem System einen bestimmten -Zustand herzustellen, in dem nur noch in sich genau zurücklaufende und -rückgängig zu machende Vorgänge möglich sind, wie zum Beispiel Bewegung -von Körpern in stets gleichen Bahnen. Wo nun Widerstände vorhanden -sind und wo Energien mitspielen, die nur beschränkt sich in andere -Energien umwandeln, besteht keine Möglichkeit für genau rückgängig -zu machende Vorgänge. In diesen Fällen geht der Endzustand in einen -solchen über, in dem überhaupt keine Vorgänge mehr vorhanden sind; -das System ist, wie wir sagen können, physisch tot. Und -- das ist -das Wichtigste -- ~allein aus sich heraus kann dieses System niemals -wieder zu Leben gelangen, es bleibt in Ewigkeit in dem gleichen -Beharrungszustand, wenn von außen nicht etwas eingreift~. Dehnen wir -diesen Satz auf das Universum aus, so würde er bedeuten, daß, wenn jene -genannten Bedingungen erfüllt sind, auch das Universum einmal physisch -absterben, in einen bestimmten Beharrungszustand übergehen muß. Nun -kennen wir in der Tat Energien, die, nach den Verhältnissen, wie sie -eben im Weltall bestehen, nur beschränkt verwandelbar sind. Dazu gehört -als die wichtigste Energie die Wärme. Ob auch im Weltenraume überall -Widerstände vorhanden sind oder nur in beschränkter Zahl auftreten, -wissen wir natürlich nicht. Wir wissen aber, daß überall ungeheure -Massen von kleinen Körpern und von Staubwolken verbreitet sich finden. -Wir wissen, daß sehr oft Himmelskörper zusammenstoßen. Endlich sind -wir mehr und mehr gezwungen, anzunehmen, daß der Weltenraum mit einem -Stoff erfüllt ist, dem Äther, der ganz außerhalb alles Materiellen -stünde, wenn er nicht der Bewegung der Körper durch ihn einen -- wenn -auch noch so geringen -- Widerstand leistete. Über die Natur des Äthers -wird freilich noch viel zwischen den Gelehrten gestritten. Jedenfalls -haben wir Widerstände im Weltall, und wenn etwa irgendwo ein System -sich in der Tat absolut widerstandslos in Ewigkeit bewegen sollte, -wofür aber kaum eine Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, so würde eben -der Endbeharrungszustand die Bewegung dieses Systems einbegreifen. -Von den verlorenen Vorgängen könnte aber keiner allein aus der Welt -heraus wieder erstehen. Ich habe mich hier absichtlich sehr vorsichtig -ausgedrückt. Andere fassen das „Ende der Welt“ viel schärfer. Hier -betrifft das Ende entweder alle Vorgänge oder wenigstens gewisse -Vorgänge. - -Wenn aber ein Vorgang ein Ende hat, so muß er in einer endlichen Welt -einmal begonnen haben. Er kann aus anderen Vorgängen erwachsen sein, -wie Wärmebewegung aus dem Zusammenstoß von Körpern. Dann sind es diese -anderen Vorgänge, an die wir uns zu halten haben. So können wir in -der Reihe weiter zurückgehen. Ist nun die Welt endlich, so müssen wir -in endlicher Zeit auf etwas gelangen, hinter dem die Reihe nicht -mehr fortgesetzt werden kann, da in einer endlichen Welt die Zahl der -Zustände nicht unendlich sein kann. Das bedeutet aber, daß irgend wann -Vorgänge geschaffen sein müssen, aus denen heraus sich alle Vorgänge -unserer Welt entwickelt haben, die zuletzt wieder zur Beharrung führen. -Wieviele Vorgänge geschaffen sein sollen, ist gleichgültig, denn eine -Schöpfung ist eine solche, ob es sich um Millionen von Vorgängen -handelt oder nur um einen Vorgang. Das gilt für die gesamte Welt, auch -wenn Kohärenzen (S. 441) stattfinden. Also für eine endliche Welt -kommt man -- so lehrt die Naturwissenschaft -- nicht ohne einen Anfang -aus, das heißt, nicht ohne einen Schöpfungsakt der Vorgänge. Eugen -Dühring nimmt, wie wir wissen (S. 417), gleichfalls einen vorgangslosen -Urzustand der Welt an. Er lehnt einen Schöpfungsakt für die Vorgänge, -oder wenigstens für einen Vorgang, ab. Wie er aber dann zu einer Welt -mit Vorgängen kommen will, ist rein naturwissenschaftlich absolut nicht -zu ersehen. Eine Schöpfung, ob durch Gott oder eine Weltseele, ist ganz -unausweichlich. Ein absoluter Ruhezustand kann aus sich niemals einen -Vorgang hervorbringen. Es bedarf dazu durchaus eines Einwirkens von -Außen. - -Es ist begrifflich gleichgültig, ob wir von einer Schöpfung der -Vorgänge, oder der Körper, oder einer Materie im Sinne eines Chaos -sprechen. Doch ist es zweckmäßig, nicht mehr zu sagen als die Lehre -ergibt. Gleichwohl möchte ich noch folgendes hinzufügen. Die neuere -Wissenschaft führt mehr und mehr zu der Anschauung, daß, was man letzte -Teilchen der Materie nennt, Atome, Korpuskeln usf., Ungleichheiten -im Weltäther bedeuten, wie kleine Wirbel Ungleichheiten in einem -Wasser. Die Körper wären Ansammlungen solcher Ungleichheiten. -Ungleichheiten aber können entstehen und vergehen. Sind in dem Stoff, -in dem sie sich finden, hier der Weltäther, Widerstände vorhanden, -so müssen die Ungleichheiten einmal entstanden, das heißt geschaffen -sein. Dann reduzierte sich der Anfang auf den Äther allein, außer -der Schöpferkraft. Und zuletzt müssen die Ungleichheiten schwinden. -Zusammen bedeutet dieses, daß die Welt der Materie geschaffen ist und -allmählich sich auflöst. Mit dem Prinzip der Erhaltung der Materie -steht das nicht im Widerspruch, wenn wir den Äther in Rücksicht -ziehen, denn die Ungleichheiten lösen sich eben nur auf, der Äther in -ihnen bleibt. Was die Energien anbetrifft, so müssen sie am Anfang -alle sogenannte Spannungsenergien gewesen sein, und zwar, wenn auch -die Materie geschaffen ist, solche im Äther. Der große englische -Physiker Maxwell hat derartige Energien im Äther angenommen. An die -Materie knüpfen sie sich entweder nur scheinbar oder tatsächlich, wenn -die Materie selbst nur Äther in besonderem Zustand ist. Aus diesen -ursprünglichen Spannungsenergien sind dann durch die Geschehnisse -die anderen Energien hervorgegangen, und in diese Spannungsenergien -werden diese anderen Energien zurückkehren, wenn die körperliche Welt -das bezeichnete Ende, auch der Körper, gefunden hat. Das Ende ist der -Anfang. Eine Idee, die übrigens schon bei den Alten sich findet. - -Ist nun die Welt wirklich endlich? Darüber kann man nur Vermutungen -anstellen. Die meisten werden der Ansicht sein, daß das nicht der -Fall ist. Indessen haben William Thomson (Lord Kelvin) und Ritter -Berechnungen über die möglichen Geschwindigkeiten der Himmelskörper im -Weltall aufgestellt, aus denen sich ergibt, daß die materielle Welt -nicht wohl unendlich angenommen werden kann. Ich darf auf mein Buch -„Die Entstehung der Welt“ usf. verweisen. Wäre diese Welt unendlich, -so müßte sie entweder erst seit endlicher Zeit bestehen, geschaffen -sein, oder die Himmelskörper sollten außerordentlich viel größere -durchschnittliche Geschwindigkeiten aufweisen, als sie solche zeigen. -William Thomson geht so weit, die Zahl der Himmelskörper, an der -Größe der Sonne gemessen, auf höchstens Tausend oder zehntausend -Millionen zu schätzen. Selbstverständlich ist eine solche Schätzung -nicht entscheidend, da wir einerseits nicht bis in die unendlichen -Tiefen des Raumes tauchen können, andererseits unsere Kenntnisse von -den Geschwindigkeiten der Gestirne doch nur sehr beschränkt sind. -Aber während die Antinomie der Vernunft an sich Unendlichkeit und -Endlichkeit gleich wahrscheinlich läßt, ist für die Endlichkeit doch -wenigstens ein Argument aus der Wirklichkeit beigebracht, während -die Unendlichkeit nur durch eine Meinung vertreten werden kann. Das -Argument müssen wir anerkennen. Und so ist die Endlichkeit der Welt -wahrscheinlicher als die Unendlichkeit, und damit die Schöpfung -wahrscheinlicher als die Anfangslosigkeit. - -Um einer solchen, für den Materialismus ja verhängnisvollen, Schöpfung -(als Folge des Endes) zu entgehen, hat Häckel gemeint, jenes dritte -Weltprinzip gelte zwar für isolierte endliche Systeme, nicht aber für -das Universum, denn in der Unendlichkeit könne manches vorkommen, -was das Prinzip durchbricht. (Ich weiß nicht, ob er dabei an die -Boltzmann-Planckschen Kohärenzen gedacht hat, die ja aber das Prinzip -gerade im Universum nicht durchbrechen.) Das heißt doch eigentlich, -Vorgänge im Universum zugestehen, die man für irgendwelche endliche -Teile der Welt absolut leugnet. Nun wissen wir freilich nicht viel -vom Universum, aber seine Einheitlichkeit ist doch gut erwiesen. -Und ferner: will man hier besondere, in dem uns bekannten Teil der -Welt verbotene Vorgänge zugestehen, dann fallen alle Naturgesetze, -namentlich auch die beiden Erhaltungsgesetze für Materie und Energie, -die wir doch auch nur in sehr beschränktem Gebiete prüfen können. -Es liegt also hier eine arge Inkonsequenz vor. Man kann nicht -monistisch-materialistisch auf einer Seite die absolute Gleichheit in -der Natur behaupten, und auf der anderen Seite ein Gesetz, das für noch -so große und noch so gelegene Systeme der Welt Geltung haben soll, für -die ~ganze~ Welt ableugnen, ohne gerade das einzuführen, was ja der -Materialist am meisten bekämpft, außerweltliche Eingriffe. - -Wir wenden uns zu der ~belebten Welt~. Über die Mechanistik selbst, -wie sie vorzustellen sein möchte, ist nichts zu sagen; Bewegung, -Stoß, Druck, Strahlung sind allen bekannt. ~Zehnder~ hat in einer -Schrift: „Das Leben im Weltall“ vielleicht das vollständigste und -durchgearbeitetste materialistisch-mechanistische System für die -Struktur und die Bildung der Lebewesen gegeben. Ich kann die -Lektüre dieser ausgezeichneten und anregenden Arbeit nur auf das -angelegentlichste empfehlen. Doch wird der Leser an der Hand der -vorstehenden und der noch folgenden Auseinandersetzungen bald ersehen, -daß für die Lösung unserer Fragen, trotz der tiefen Untersuchung, -nichts gewonnen ist, wie meines Erachtens auf diesem Wege auch -gar nichts gewonnen werden kann. Den Ansichten Zehnders über die -~Fistillen(Röhrchen-)struktur~ der kleinsten Elemente der organischen -Gewebe dürfte aber neben der von Quincke und anderen vermuteten -~Schaumstruktur~ des Protoplasma vielleicht dauernder Wert zukommen. - -Eingehender muß ich von der Energetik sprechen. Was da zu entwickeln -ist, werden wir auf die Mechanistik anwenden, soweit über diese -noch etwas bemerkt werden muß. Das physische Leben soll also -Energieumwandlungen sein. Über die Art der Energien und ihrer -Umwandlung ist nichts gesagt. Etwas kann aber darüber festgesetzt -werden, und muß es auch, wenn die Energetik nicht von vornherein -abgewiesen werden soll. Es stehen nämlich die Folgen der einwirkenden -Energien mitunter in gar keinem Verhältnis zu der Stärke dieser -Energien, was sie doch nach dem Prinzip der Erhaltung tun müßten. -Hier hilft nur die Erfahrung aus, daß ungeheure Wirkungen durch -geringe Ursachen ausgelöst werden können, wie die Explosion eines -Pulverfasses durch einen Funken. Der Funke reißt vielleicht nur zwei -Atome des Pulverhaufens auseinander, aber das genügt, daß nunmehr alle -Atome des Haufens auseinanderfahren. Der Funke hat mit seiner Energie -die Spannungsenergie im Pulverhaufen frei gemacht, daß sie sich in -furchtbare Explosionsenergie verwandelt. - -Ich glaube nun, daß, wenn man die Seelentätigkeiten überhaupt als -Energien ansehen will, man sie als ~auslösende Energien~ betrachten -muß. Daß der Wille wie eine auslösende Tätigkeit wirkt, ist schon -lange vermutet und behauptet worden. Ich meine aber, daß alle anderen -Seelentätigkeiten gleichfalls nur auslösend sich kundtun. Es seien -zur Klarstellung einige Beispiele angeführt. Ein Riß, ein Schnitt -in unseren Körper kann keine größere physikalisch-chemische Energie -bedeuten, als zum Zerteilen des betreffenden Gewebes erforderlich -ist. Diese Energie bringt das Gefühl Schmerz hervor. Und welche -enormen physikalisch-chemischen Energien kann dieser Schmerz zur -Äußerung bringen: Schreien, Weinen, Umsichschlagen, Krampf aller -Muskeln, selbst Selbstverletzung usf., Energien, die schon jede für -sich die ursprünglich angewandte Energie beim Riß oder Schnitt bei -weitem überragen. Fände nur eine Umwandlung statt, so dürften sie -alle zusammen nur höchstens so intensiv sein wie diese letztere -Energie. Also sind durch die Seelentätigkeit Schmerz ganz neue -physikalisch-chemische Energiemengen ins Leben gerufen, sie können -nur ausgelöst sein. Dazu denke man noch, daß wir diese Energien bis -zu einem gewissen Grade durch unseren Willen ja auch zu unterdrücken -vermögen; wir halten uns tapfer oder wir schämen uns, uns so gehen -zu lassen, die Energien sind dann nicht ausgelöst, ein Antagonist -gegen den Schmerz, der Wille, hat ihre Auslösung gehemmt. Beispiele -entsprechender Art ließen sich unzählige anführen; man denke an die -ungeheuren Energieentwicklungen, welche das Ehrgefühl, das Rachegefühl, -die Liebe usf. im Gefolge haben können und haben, während die auf -uns einwirkende physikalisch-chemische Energie -- ein Wort, also -ein Schall, der unser Gehör trifft, oder Licht, von der Geliebten -Gestalt in unser Auge gestrahlt, und ähnliches -- äußerst geringfügig -sein kann. Ferner, wir sind imstande, eine Unzahl von Bewegungen mit -demselben Willen gleichzeitig auszuführen. Als Knabe habe ich in meinem -Heimatorte fahrende Musikanten bewundert, die ein ganzes Orchester -waren; Hand und Fuß, Kopf und Mund, kurz, fast jeder Körperteil -bearbeitete ein Instrument, und nicht selten klangen alle Instrumente -zugleich und machten einen Heidenlärm. Wir vermögen ja auch von -einer Zentrale beliebig viele Sprengungen zugleich zu vollführen, -alles auslösend. Man könnte im letzten Beispiel freilich sagen, um -mehr oder viel zu tun, bedarf es einer entsprechend vergrößerten -Willensleistung, wie in dem analogen physikalischen Beispiel die -Zahl der erforderlichen elektrischen Funken wächst wie die Zahl der -Sprengungen. Wir besitzen noch kein entscheidendes objektives Maß -für die Intensität unserer Seelentätigkeiten; was davon nach außen -zum Vorschein kommt, steht in gar keinem Verhältnis zu ihnen, wie ja -schon daraus erhellt, daß wir bei noch so heftiger innerer Erregung -jede Äußerung unterdrücken können, so daß wir wie innerlich völlig -tatlos erscheinen. Es ist möglich, daß man noch Mittel und Wege -finden wird, auch die im Inneren verlaufenden Seelentätigkeiten -physikalisch-chemisch festzustellen und zu verfolgen. Die Wirkungen von -Reizen auf das Zentralnervensystem werden ja bereits nach geistvollen -Methoden untersucht. Einstweilen aber wenden wir uns noch am besten an -uns selbst. Und da glaube ich, daß man zwar seinen Willen stärken und -schwächen kann, aber nicht, indem man ihn verdoppelt, verdreifacht, -vervierfacht usf. oder unterteilt, sondern indem man mit dem gleichen -Willen andere Seelentätigkeiten wie Gleichgültigkeit, Trägheit, -Abschweifung, Bedenken, Furcht usf., kurz, Antagonisten oder Hemmer -aus dem Wege schafft. Der „Geübte“ braucht ja auch nur eines relativ -kleinen Willens, um die physikalisch-chemische äußere Energie zu -entwickeln, die der Ungeübte bei noch so heftigem Wollen nicht zustande -bringt, weil eben die Seelentätigkeiten einander nicht beliebig -weichen, von den bekannten physiologischen Verhältnissen zu schweigen, -da sie im letzten Grunde -- selbst wenn für „gewohnte Nervenbahnen“ -andere histologische Struktur oder chemische Zusammensetzung oder -physikalisches Verhalten nachgewiesen sein sollten, wie für die -ungewohnten -- doch wieder auf psychologische Verhältnisse zurückführen. - -Die obigen Auseinandersetzungen mögen noch Zweifel lassen, im ganzen -werden sie aber wohl die aufgestellte Behauptung rechtfertigen, daß die -psychischen Energien ~auslösende~ sind. Über die Frage, wie sich die -psychischen Energien gegeneinander verhalten, wird später gesprochen -werden. - -Indessen haben die psychischen Energien noch ganz andere Aufgaben -zu erfüllen, als nur Energien auszulösen. Vier Klassen von -Zusammenwirkungen zwischen physischen und psychischen Energien sind zu -unterscheiden: physische Energien gegen physische, psychische Energien -gegen physische, physische Energien gegen psychische, psychische -Energien gegen psychische. - -Die erste Klasse bietet gegenwärtig grundsätzlich kein besonderes -Interesse mehr. Es besteht, wie schon oft hervorgehoben, kein Zweifel, -daß alle physikalischen und chemischen Vorgänge im Körper der Lebewesen -ganz nach den Gesetzen der physikalisch-chemischen Vorgänge überhaupt, -wie sie in der unbelebten Welt sich abspielen, erfolgen. Das haben -unsere großen Physiko-Physiologen Johannes Müller, du Bois-Reymond, -Helmholtz und viele andere unzweideutig nachgewiesen. - -Die zweite Klasse ist schon schwieriger zu übersehen. Es handelt sich -hier um die Wirkungen der Psyche auf den Körper. Wir nennen sie, nur -dem Brauch folgend, motorische Wirkungen. An sich sind sie nicht bloß -bewegend, sondern überhaupt auch der Art nach sehr mannigfaltig. -Wir haben Bewegungen, wie die der einzelnen Gliedmaßen, mancher -Eingeweide, des Herzens, der Augen usf. Der Wille löst hier lebendige -Kräfte aus. Dann kommen Ausscheidungen, Sekretionen, wie die in den -Verdauungsorganen und den Drüsen. Mit solchen Wirkungen verbinden -sich die Vorgänge bei der Aufnahme von Stoffen in den Körper, durch -unmittelbare Einführung, durch Absorption, Osmose usf. Kurz, alles was -zum Wachstum, zur Ernährung und zur Erhaltung des Körpers dient. Diese -Wirkungen sind nicht mehr rein motorischer Art, hier spielen chemische -und besondere physikalische Energien mit, aber immerhin handelt es sich -noch um Auslösung von Energien. Nun aber kommen Wirkungen der Psyche -auf den Körper, die rein ~regulierend~ sind. Wir können hierher schon -Hunger, Durst, Atemnot, Sekretionsdrang und ähnliches rechnen, die -analog den Zentrifugalregulatoren unserer Dampfmaschinen wirken. Sie -regulieren den Stoffgehalt, also auch den Energieinhalt des Körpers. -Noch wichtiger ist, daß Seelentätigkeiten die physischen Energien -zwingen, sich in ganz bestimmter Weise zu äußern und zu wandeln. Das -wichtigste Beispiel der morphologisch-biologischen Regulierung haben -wir behandelt (S. 453 f.). Andere Beispiele geben die regulierenden -Tätigkeiten mittels des Nervus vagus und anderer Nerven auf Herz, -Zwerchfell, Drüsen, Eingeweide usf. Hier handelt es sich also nicht -mehr um Umwandlungen von Energien ineinander, sondern um Herbeiführung -von bestimmten Verhältnissen in diesen Umwandlungen. Die Psyche, -so können wir zunächst sagen, verhält sich hier dem Energieprinzip -gegenüber ganz so wie das physische Regulativ, welches gleichfalls -die Energieumwandlungen innerhalb jenes Prinzips beherrscht. Die -Energien als solche regulieren ihre Umwandlungen selbst nicht, nur daß -ihre Summe konstant bleibt, ist gesichert. Aber eine Summe kann aus -den verschiedensten Summandenreihen hervorgehen; daß eine bestimmte -Summandenreihe sie bildet, erfordert ein eingreifendes Prinzip. Das -ist in der Physik und Chemie eben das dritte physische Prinzip. Man -könnte sagen, in die Lebenserscheinungen greife ebenfalls das dritte -Weltprinzip ein. Das tut es gewiß. Allein wozu sind die regulierenden -Gefühle und Nerven vorhanden? Die äußeren Umstände sollten doch, -wie in physikalischen und chemischen Vorgängen, allein genügen, die -Umwandlungen zu regulieren. Aber immer, wenn die Umwandlungen einen -für die Entwicklung oder Erhaltung des Lebens ungeeigneten Verlauf -einschlagen, tritt die Regulierung durch besondere Seelentätigkeiten -ein. Wir haben eben zwei Regulierungen, eine rein physische Regulierung -nach dem physischen Prinzip, bestimmt durch den Zustand des Körpers, -die rein mechanisch wirkt, wie in einem unbelebten Körper, ganz ohne -Bezugnahme auf das Leben, und eine Regulierung, die unmittelbar auf das -Leben gerichtet ist. Diese kommt bei belebten Wesen als neue hinzu. -Unser Denken ist diskursiv, nicht intuitiv. Wenn wir Teile haben, die -sich vor uns zu einem Ganzen zusammensetzen, so wissen wir, wie das -Ganze aus ihnen hervorgegangen ist, haben wir aber nur ein Ganzes, -so ist uns die Entstehung aus den Teilen verborgen. Kant begründet -damit in der Kritik der Urteilskraft das Prinzip der Zweckmäßigkeit. -Das wollen nun die Materialisten nicht anerkennen, sie lehnen es als -Einbildung ab. Aber ich weiß nicht, wie man rein mechanistisch oder -energetisch die psychische Regulierung bei Entwicklung des Körpers aus -den unzähligen Möglichkeiten nach der ganz bestimmten Richtung (S. 450 -f.), und im Körper sich verständlich machen will, ~die zweifellos ein -Besonderes neben der physischen ist~, die, ich möchte sagen, immer die -Umstände so wandelt, daß das physische Regulativ so reguliert, wie es -für die Erhaltung des Körpers erforderlich ist. Das zeigt sich ja schon -bei der chemisch-physikalischen Assimilation und Dissimilation der -Stoffe in den Zellen (z. B. den Ganglien), die immer im Gleichgewicht -gehalten werden, und bei dem Ruhebedürfnis, sobald durch körperliche -oder geistige Tätigkeit die Dissimilation vorherrschend geworden ist. -Wenn also die psychischen Tätigkeiten physische Energien auslösen, -so würden sie auch das physische Regulativ für die Vorgänge zwischen -den Energien stetig auslösen. Kann man da die psychischen Tätigkeiten -überhaupt noch als physische Energien ansehen? In der Physik und Chemie -tun Energien, wie bemerkt, ~nichts~ dergleichen. Nur ~auszulösen~ -vermögen sie und sich ineinander zu wandeln, ~weiter nichts~. Das ist -noch der entgegenkommendste Ausdruck für das Verhältnis der psychischen -Regulierung zur physischen. Manche werden sogar geneigt sein, die -erstere als Kampfregulierung gegen die letztere zu betrachten. Und -sie hätten recht, da, sobald die psychische Regulierung fehlt und die -physische frei waltet, der Körper zugrunde geht. - -Zu dieser Klasse gehören auch noch diejenigen Auslösungen, welche -als Ausdruck unserer Seelentätigkeiten nach Außen dienen, wie die -der physischen Energien beim Sprechen zum Ausdruck der Gedanken und -Wünsche, beim Wechseln der Gesichtszüge zum Ausdruck der Empfindungen, -bei vielen anderen Bewegungen zum Ausdruck der Triebe, Gefühle usf. -Hier liegen die Verhältnisse anscheinend wieder einfach, physische -Energien treten als Folge von psychischen auf. Die Bedeutung, die diese -Vorgänge haben, beruht zum großen Teil auf Übereinkommen, wie bei -der Sprache. In anderen Fällen ist es naturgemäße Abwehr oder Flucht. -In noch anderen, wie bei Schreien aus Schmerz, das so weit in der -Tierreihe verbreitet ist, bei Lachen und Singen aus Vergnügen und bei -Weinen ist es schwer, die Bedeutung abzuleiten. - -Wir kommen zur dritten Klasse; sie umfaßt das Tätigkeitsgebiet der -sensiblen Nerven; Reize der physischen Energien bringen psychische -Erscheinungen, und zwar fast alle -- die Physizisten sagen, -überhaupt alle -- hervor. Teilen wir die psychischen Erscheinungen -ein in: Wahrnehmen (physisch und psychisch), Vorstellen (Anschauen, -Phantasieren, Erkennen, Erinnern usf.), Empfinden (Fühlen, Begehren -usf.), Denken (Schließen, Glauben usf.), Wollen, so würden also im -Extrem alle diese Erscheinungen von physischen Energien hervorgerufen -werden können. Dagegen läßt sich nichts sagen, jeder weiß es. Und -wenn der Körper mit der Außenwelt in Verbindung sein soll, muß es ja -auch selbstverständlich so sein. Es fragt sich nur wie? Wenn jemand -unsere zur Faust geschlossene Hand ergreift und öffnen will, so löst -diese Energie unseren Willen aus, und dieser löst die physische -Gegenwirkung unserer Muskeln gegen den Angriff aus. Das ist einfach: -ein explodierender Pulverhaufen kann von Feuererscheinungen begleitet -sein, die den erloschenen Funken, der ihn zur Explosion gebracht -hat, wieder entzünden. Ähnlich brächten physische Energien in den -Sinnesorganen psychische Sinneswahrnehmungen hervor, wie die fünf -bekannten, dazu noch Kälte- und Wärmeempfindung, Schmerzempfindung, -Gleichgewichtsgefühl, Körpergefühl usf., wobei nicht entschieden zu -werden braucht, ob spezifische oder nur graduelle Verschiedenheiten -zwischen einigen dieser Wahrnehmungen bestehen. Schwieriger ist -es schon, zu begreifen, wenn Reize Erkennen, Erinnern, Denken, -Fühlen auslösen, und noch mühevoller, wenn dieses mit mehreren -Seelentätigkeiten der verschiedensten Art zugleich geschieht. - -Ich habe bei den bisherigen Betrachtungen die unbewußten -Seelentätigkeiten von den bewußten nicht getrennt; um so mehr aber muß -jetzt ein Unterschied gemacht werden. Über das Verhältnis der ersteren -zu den physischen Energien kann man die Behauptungen nicht prüfen, -denn es fehlt hier auch die ~innere~ Untersuchung, von der äußeren -ganz zu schweigen. Bei den bewußten Seelentätigkeiten aber haben wir -die innere Prüfung zur Verfügung. Hier glaube ich nun behaupten zu -dürfen, daß zwischen Reiz und ausgelöster Seelentätigkeit stets ein -anderes sich schiebt, die Kausalität. Es ist bekannt, daß die physische -Anschauung apriorische Eigenschaften der Psyche nicht anerkennt. Mit -allen Kategorien soll die Kausalität erworben, aus der Erfahrung -jedes einzelnen oder ganzer Geschlechter erschlossen, abstrahiert -sein. Die Kausalität ist dann, wie alle Kategorien, selbst psychisch -wesenlos, denn die Seelentätigkeit ist das Schließen, nicht das Ende -des Schließens, der Schluß. Und eine andere Ansicht kann die physische -Anschauung vom Leben auch gar nicht haben. Von diesem Standpunkte aus -~folgt~ die Kausalität, wie jede Kategorie, den durch Reize ausgelösten -Seelentätigkeiten. Der Gegenstand ist außerordentlich schwierig. -Ich glaube aber, wie schon bemerkt, in meinem Buche „Philosophische -Grundlagen der Wissenschaften“ naturwissenschaftlich das getan zu -haben, was Kant philosophisch geleistet hat: erwiesen zu haben, daß -Reize bewußte Seelentätigkeiten gar nicht auslösen ohne Mitwirkung -der Kausalität, daß diese Mitwirkung -- wenn nicht gar ~Vor~wirkung --- die unausweichliche Bedingung ist für jedes bewußte Leben in der -physischen Welt. In dieser Hinsicht nimmt die Kausalität für das Leben -die gleiche Stellung ein wie das Bewußtsein selbst. Ja, man könnte -wohl sagen: es gibt gar kein Bewußtsein von der Einheit des Ich im -Verhältnis zur äußeren Welt und zu der Mannigfaltigkeit der inneren -Welt ohne Kausalität, denn ohne Kausalität ist ein Erkennen sowohl -des Verschiedenen als des Gleichen völlig ausgeschlossen, also das -Erkennen überhaupt und jeder Zusammenhang. Ich glaube sogar erwiesen zu -haben, daß selbst die Anschauung, die wir von den Besonderheiten des -Raumes haben, nicht ohne die Kausalität hat gewonnen werden können, -gerade wenn naturwissenschaftlich gesprochen wird. Ist dies aber -alles zutreffend (man vgl. auch S. 409, 414 f.), wie soll man sich -dann die Verbindung zwischen Kausalität -- und das gilt auch für alle -anderen Kategorien -- und physischen Energien vorstellen? Kann da auch -nur von einer Auslösung gesprochen werden? Ich glaube, so wenig wie -bei der Zeit- und Raumanschauung. Und diese haben wir ununterbrochen -im bewußten Zustande, die Kausalität tritt aber hier jedesmal erst -auf, wenn ein Reiz ausgeübt wird, und dann folgt die betreffende -Seelentätigkeit als Erkennung des Reizes. - -Endlich die vierte Klasse, die Verbindung der psychischen Tätigkeiten -miteinander. Häckel sagt geradezu: „Jede Psychomform kann in eine -andere übergeführt werden“. Also Umwandlung der psychischen Energien -ineinander. Hierfür scheint manches zu sprechen. Wir haben die -Empfindung „Hunger“; wir essen, und allmählich schwindet diese -Empfindung, und es wächst die Empfindung „satt“ heran, die bis zu -„übersatt“ steigen kann, die eine oder andere als Äquivalent für die -verlorene Empfindung Hunger. So wandelt sich auch mitunter das Gefühl -der Verehrung in das der Gleichgültigkeit oder gar der Verachtung, -das der Liebe in Haß usf. Indessen kennen wir auch Fälle, in denen -von einer Umwandlung des einen in das andere doch wohl nicht die -Rede sein kann. Es scheint, als ob die Seelentätigkeiten in Gruppen -zu teilen sind, die sich getrennt voneinander halten, sich nicht -ineinander wandeln. Worin soll sich das Bewußtsein wandeln, da es -doch überall dabei sein muß und, wie das Auge die Gegenstände, so die -anderen Seelentätigkeiten wie ganz außer und über ihnen betrachtet? -Wer Kategorien, wie die Kausalität, anerkennt, wird auch wegen ihrer -in Verlegenheit sein. Sie sind die Regulative für alle inneren -Seelentätigkeiten, wie Wahrnehmen, Denken usf. Nehmen wir noch ein -handgreiflicheres Beispiel. Es meint ein Mensch, aus Unwissenheit oder -aus Aberglauben, oder aus besonderer Stimmung heraus, ein Gespenst -zu sehen. Es ist eine innere Wahrnehmung. Bangen, Furcht und Angst -ergreifen ihn und dauern mit der Wahrnehmung. Eine Umwandlung der -Wahrnehmung in diese Gefühle hat nicht stattgefunden, die Wahrnehmung -kann diese Gefühle sogar überdauern. Aus solchen und ähnlichen -Beispielen glaube ich entnehmen zu sollen, daß auch die psychischen -Energien, um wieder energetisch zu reden, sich nur auslösen, und daß -die Umwandlungen nur scheinbar sind, indem immer ein anderes dazwischen -tritt, so der Reiz, den die Speisen ausüben, der die eine Empfindung, -Hunger, aufhebt und die andere, „satt“ oder „übersatt“, auslöst, neue -Wahrnehmungen über den Gegenstand der Verehrung oder Liebe usf. Daß -aber außerdem, auch hier wie bei der dritten Klasse, Erscheinungen -auftreten, Regulierungen, die keiner physischen Energie zukommen. - -Überblicken wir alles bisher Gesagte, so ergibt sich folgendes: - -1. Werden die Seelentätigkeiten als physische Energien betrachtet, so -hat man sie als auslösende Energien anzusehen. Sie können dann ihr -Äquivalent nur ineinander finden, was allgemein nicht zutrifft. Oder -sie haben ihr Äquivalent in den physischen Energien der betreffenden -Nervenzellen (Ganglien und Ganglienanhäufungen im Gehirn, Rückenmark, -Sonnengeflecht), im ~Psychoplasma~, wie Häckel sagt. Das letztere -zu behaupten sind die Materialisten und Energetiker naturgemäß am -meisten geneigt. Aber haben sie die Behauptung auch schon experimentell -bewiesen? Man kann darauf nur mit Nein antworten. Die feststehende -Tatsache, auf die sie sich immer berufen, daß Körper und Geist sich -stets beeinflussen, ist kein Beweis. Es ist richtig, daß das Gehirn -eines müden Menschen durch Dissimilation gewisse Stoffe mehr enthält -und andere weniger als das eines nicht müden. Müssen darum diese -Umwandlungen Äquivalente der Gedanken- oder Gefühlsenergien sein, -können sie nicht indirekt entstanden sein? Man denke an folgenden -Fall. Der Wille zwingt einen Muskel, sich zusammenzuziehen oder zu -strecken. Während des Zustandes der Kontraktion oder Streckung bildet -sich im Muskel als störender Stoff Milchsäure aus, und der Muskel -ermüdet und zehrt zuletzt gewissermaßen den Willen auf. Aber unter -wie anderen Ernährungsverhältnissen steht der kontrahierte oder -gestreckte Muskel gegenüber dem normal liegenden! Diese Änderung der -Ernährungsverhältnisse hat die Änderung in der Zusammensetzung des -Muskels herbeigeführt, die Änderung ist kein Äquivalent des Willens. -Ähnlich ist kaum eine Seelentätigkeit ohne Beeinflussung des Herzens -und anderer Teile des Körpers vorhanden. Die dadurch herbeigeführten -physischen Änderungen müssen auch die Ernährung der Zellen ändern. Dies -alles kann man, wie ich glaube, mit großem Rechte jener apodiktischen -Behauptung so lange entgegenhalten, als nicht Beweise im einzelnen -beigebracht sind. Und diese fehlen noch, wenn auch zugestanden werden -kann, daß die Untersuchung namentlich der Stromschwankungen in den -Nerven und der Stoffumsetzungen in den Ganglien einiges in Aussicht -stellen mag. - -2. Die Seelentätigkeiten bieten Erscheinungen, die bei keiner -physischen Energie anzutreffen sind, indem sie namentlich, zur -Entwicklung und Erhaltung des Körpers als ~lebenden~ Gegenstandes, -auch ~regulierend~ wirken. Hierüber ist nach dem Gesagten nichts -hinzuzufügen. - -3. Es gibt Seelentätigkeiten, denen der Charakter von Energien -beizumessen nicht angängig ist. Dahin gehört vor allem die Anschauung -der Zeit und gehören die Kategorien, wie namentlich die Kausalität, -Regulative des inneren Lebens und des Lebens in und mit der äußeren -Welt. Auch das Bewußtsein würde ich hierher rechnen als Organ zur -~Wahrnehmung~ des inneren Lebens. - -Endlich bedenke man noch folgendes: Was haben wir von den physischen -Erklärungen der psychischen Tätigkeiten noch außerdem zu verlangen? - -4. Alle physischen Vorgänge müssen sich zusammengefaßt als ein -~Gesamtes~ erkennen; es entspricht das unserem Bewußtsein von -unserem Ich und dem was auf S. 455 f. davon und von den Ostwaldschen -Reaktionsfolgen gesagt ist. - -5. Jeder physische Vorgang muß sich außerdem für sich ~in sich~ -erkennen. - -6. Jeder physische Vorgang muß ~jeden anderen~ Vorgang kennen und -erkennen, da jeder jeden anderen hervorruft und korrigiert, zum -Beispiel die Empfindung Schmerz den Willen Schreien. - -7. Kein physischer Vorgang darf durch Hinzutreten neuer Vorgänge oder -durch Schwinden vorhandener ~gestört~ werden. Das könnte man physisch -noch am ehesten verstehen. - -8. Jeder physische Vorgang muß andere Vorgänge, beliebiger Art, selbst -entgegengesetzte, ~voraussehen~, denn wir kennen unsere inneren und -äußeren Handlungen und wissen, was auf jeden Vorgang in uns folgt, bis -zu bestimmter Vorstellung oder gar Wahrnehmung. - -Wer das alles von physischen Vorgängen glaubt zugestehen zu können, mag -die Welt der Psyche der Welt der Physis gleich machen. Ich persönlich -halte ein solches Zugeständnis für ganz undenkbar. Automaten, selbst -solche unseres phantastischesten Dichters E. T. A. Hoffmann wird -wohl niemand mehr als Beispiele anführen. Oberflächliche Analogien -kann man überall finden. Darum handelt es sich nicht. Um bestimmte -Verständlichmachung handelt es sich, daß man mit Einsicht sagen -kann: Jawohl, so kann es sich in der Tat verhalten. Davon aber sind -Mechanistik und Energetik unendlich weit entfernt, selbst wenn man von -den Widersprüchen absieht, in die sie sich gegen sich selbst verwickeln -und von denen der bedeutendste der der Gegenwirkung des physischen und -des psychischen Regulativs ist. Die physikalisch-chemischen Gesetze -wirken im Leben ganz so wie in der unbelebten Welt. Aber sie sind im -Leben nicht die einzigen Gesetze, es kommen noch andere Gesetze hinzu, -namentlich regulierende, die in der unbelebten Welt nicht bestehen, -soviel wir wissen, und deren Aufgabe in Gegenwirkungen gerade gegen -jene physikalischen Gesetze besteht. Auch die physikalisch-chemischen -Erscheinungen erschöpfen das Leben nicht; es sind im Leben noch -andere Erscheinungen vorhanden, die wir in der unbelebten Welt nicht -treffen, wie die wunderbaren der phylogenetischen und ontogenetischen -Entwicklung aus den unzähligen Möglichkeiten (S. 448 ff.). Das Leben -enthält eben mehr als das Unbelebte, und zwar Eigenes, Besonderes. - -Nun noch einige Worte. Die physischen Anschauungen bringen es -anscheinend mit sich, daß weder von Gott noch von Freiheit oder -Unsterblichkeit gesprochen werden kann. Ich will nur über das letztere -etwas sagen, die Unsterblichkeit. Als Ganzes kommt sie physisch nicht -in Betracht. Aber vielleicht zum Teil? Wir wissen, daß in der Natur -Wärme unsterblich ist. Alle Vorgänge in der Natur sind irgendwo -mit Wärmeentwicklung verbunden. Wärme ist nur beschränkt in andere -Energie verwandelbar, also muß insgesamt immer eine Wärmezunahme -erfolgen. Und so steigt die Menge Wärme im Weltall zu bestimmtem -Höchstbetrag, der dann bleiben muß (vgl. jedoch S. 440). Wenn in den -psychischen Energien solche vorhanden sein sollten, die gleichfalls -nur beschränkt verwandelbar sind, so müssen diese stetig zunehmen. -Ohne Umwandlungen sind solche Energien Leben ohne Tätigkeit; also -dieses Leben muß im Weltall stetig wachsen. Am Ende sind diese Energien -allein von allen psychischen Energien vorhanden, und wir haben nur -Leben ohne Tätigkeit, kein anderes. Das erinnert frappierend an das -buddhistische Nirwana-Leben. Es ist ein Leben, nur ohne Tätigkeit. -Und sollten etwa gar selbst die sonst beschränkt verwandelbaren -Energien der Natur diesen psychischen Energien gegenüber unbeschränkt -verwandelbar sein, was ja in keiner Weise ausgeschlossen ist, so würden -überhaupt die letzten Energien nur Leben sein, ohne Tätigkeit. Das -Nirwana-Leben würde in den Äther versinken, wo es zum Beginn der Welt -war und durch einen gewaltigen Akt in physisches Leben übergeführt -worden ist, um am Ende der Tage in den Äther zurückzukehren. Kaum -brauche ich hervorzuheben, daß diese Unsterblichkeitslehre nicht -die spiritualistische ist, die sich ja auf das Individuum bezieht, -während es sich hier um das Gesamte handelt, wofür Häckel in seinem -Psychom-Erhaltungsgesetz sie unmittelbar feststellt. Aber etwas -Individuelles haftet ihr doch auch an, wenn die Psychome eben nur -beschränkt verwandelbar sind. Fast ist es schade, daß man eine Theorie -ablehnen muß, die zu so bedeutenden Unsterblichkeitsfolgerungen führen -kann. Aber gegenwärtig scheint mir jede Anschauung auf rein physischer -Grundlage aussichtslos. - -In letzter Stunde ist mir eine Schrift von ~Felix Auerbach~ bekannt -geworden, „Ektropismus oder die physikalische Theorie des Lebens“. -Der zweite Titel hätte besser fortgelassen werden sollen, denn eine -physikalische Theorie des Lebens wird nicht gegeben, nicht einmal -angedeutet. Nur daß der Verfasser der Ostwaldschen Energetik anhängt, -möchte aus der Schrift hervorgehen. Doch spricht er von Geist und -Willen wie von etwas Besonderem -- er nennt sie das „Göttliche“ im -Menschen -- gegenüber den Erscheinungen in der unbelebten Natur. Es -handelt sich also nur um den Ektropismus. Ektropismus nun ist der -Gegensatz zum Entropismus. Letzterer bedeutet, wie wir wissen, und -Auerbach namentlich feststellt, die ~Ausgleichung~, ~Zerstreuung~ -und ~Entwertung~ der Energie. ~Ektropismus~ bezieht sich also auf -~Sonderung~, ~Konzentrierung~ und ~Werthebung~ der Energie. Von selbst -tritt allein Entropismus ein, Ektropismus dagegen immer nur durch -Wirkung von außen. So ist der Vorgang des Falles schwerer Körper -entropisch, die Körper fallen von selbst. Das Steigen schwerer Körper -aber ist ektropisch, in jeder höheren Lage haben sie mehr Energie. -Und von selbst steigen sie nicht, sie müssen von außen gehoben oder -heraufgedrückt werden. Auerbach ist nun der Ansicht, daß die belebten -Wesen ektropisch wirken. Das ist an sich nicht neu; denn daß die -lebenden Wesen Energien vor der Zerstreuung wahren und aufspeichern, -z. B. die Pflanzen in ihrem Körper, wer weiß es nicht? Aber Auerbach -gibt dieser Tatsache eine höhere Bedeutung, und zwar analog derjenigen -der Regulation (S. 451). Das Leben ist eine Regulation gegen den Tod -des Weltalls, der nach dem Entropieprinzip unvermeidlich eintreten -soll; ist es kein absolut abhelfendes Prinzip -- verstehe ich Auerbach -recht, so möchte er sogar so weit gehen -- so ist es doch jedenfalls -ein retardirendes. Daß Anfang und Ende aufs genaueste zusammenhängen, -stellt auch er fest, und so will ich seinen Hauptsatz, soweit er hier -in Betracht kommt, im Wortlaut anführen. Er setzt einen Urzustand etwa -im Sinne Eugen Dührings voraus, Chaos nennt er ihn, in dem also alle -Energie entropisch war (oder war gar keine Energie da?), da keine -Vorgänge bestanden. Dieser Urzustand wurde plötzlich durch einen -Schöpfungsakt zur höchstmöglichen Ektropie gebracht: „Am Anfange wurde -aus dem Chaos der Kosmos (also die Welt der Vorgänge). Das Chaos war -schlaff und träge, der Kosmos ist gespannt und bewegt. Das Chaos ist -leer, der Kosmos ist gefüllt mit Energie. Ihre Quantität bleibt immer -dieselbe, aber ihre Qualität unterliegt fortwährendem Wandel; und was -die Rolle der Wandlungen durchgemacht hat, ist für den Kosmos verloren. -Spannung und Bewegung lassen nach, die Energie wird gebunden und -zerstreut, verwirrt und entwertet, die Energie strebt einem Maximum zu. -Da tritt eine neue Erscheinung auf den Plan: das Leben. In der leblosen -Natur herrscht der Ablauf, nur schwach gedämpft durch den Aufzug. In -der lebendigen Natur herrscht die Entwickelung, und sie versucht, dem -auch hier tätigen Ablauf die Spitze zu bieten. Der Versuch gelingt -nur allmählich und nur in bescheidenen Grenzen. Aber die ordnende, -auslösende und ektropische Begabung kommt und reift mählich und -heimlich. Und im Menschengeschlechte feiert sie mit strahlendem -Glanze das Fest ihrer Befreiung.“ Das Leben ist wie ein „Wächter“, -der unablässig eingreift und das „Schädliche“ (das Entropische) -„absiebt“. Wenn der Leser das in unsere einfache Sprache überträgt, -so findet er es nicht weit von den hier geäußerten Ideen, wenigstens -nach ~einer~ Richtung, denn die anderen, fast noch bedeutungsvolleren -Regulationen kommen bei Auerbach nicht zur Behandlung. Eigenartig -ist noch, daß Auerbach an die Entstehung des Kosmos aus dem Chaos -die Entstehung auch der größten Ordnung anschließt, die allmählich -entropisch in die Un-Ordnung übergeht (S. 441). Das Leben greift wieder -regulierend ein, es schafft Ordnungen aus den Un-Ordnungen. Wie das -Leben dieses tut, wie es überhaupt den Kampf gegen den Entropismus -durch Ektropismus führt, darüber sagt der Verfasser nichts Bestimmtes. -Aus einigen Nebenäußerungen möchte man schließen, daß er das Leben in -gewissen selektiven Eigenschaften der protoplasmatischen Stoffe sucht, -analog etwa der selektiven Eigenschaft mancher als halbdurchlässig -bezeichneten Stoffe, die zum Teil von einer Zuckerlösung wohl das -Wasser, aber nicht den Zucker durchlassen. Aber freilich sollte die -grobe Mechanistik seinem System sehr fern stehen. Wegen der weiteren -Schlüsse in bezug auf das Verhalten des Menschen und der Menschheit, -darf ich auf die sehr interessante Schrift verweisen. Der Satz „Der -Kosmos -- und mit ihm sein Vertreter, der Staat -- hat ein direktes -Interesse nur an dem starken und ektropischen Individuum“, klingt ganz -nach Nietzsche. - -Alles was in diesem Abschnitt ausgeführt ist, hängt mit dem -~Vitalismus~ und ~Neuvitalismus~, z. B. nach ~Reinke~, zusammen. Ich -habe diese Bezeichnungen zu benutzen vermieden; ihre Bedeutung geht -nach der einen Seite, nach der physischen, zu weit, nach der anderen -Seite, nach der psychischen, hier geistigen, viel zu sehr in die Enge. -Man soll auch keine Worte auffrischen, die nun einmal, und mit Recht, -eine so unwissenschaftliche Nebenbedeutung bekommen haben wie der -Vitalismus. Ich schließe dieses Buch mit einigen Bemerkungen über die -Welträtsel im allgemeinen. - -~Du Bois-Reymond~, in seiner berühmt gewordenen Ignorabimusrede, -die Häckel einer psychologischen Metamorphose zuschreibt, die aber -aus einer allmählich gewachsenen Erkenntnis geflossen ist, daß der -Materialismus in keiner Form ausreicht, die „Welträtsel“ zu lösen, -wie sie ja bei vielen anderen Forschern gleichfalls allmählich sich -geltend machen mußte, hat sieben solche Welträtsel aufgestellt. Drei -davon sollen überhaupt unlösbar, „transzendent“ sein: der Ursprung -der Materie und der Kraft, der Ursprung der Bewegung, die Entstehung -der einfachen Sinnesempfindung und des Bewußtseins. Drei andere -sollen lösbar sein, wenn auch schwer: die Entstehung des Lebens, die -(anscheinend absichtsvolle) Zweckmäßigkeit der Natur, das vernünftige -Denken und der Ursprung der damit verbundenen Sprache. Eines bleibt -unentschieden: die Frage nach der Willensfreiheit. Hat die spätere -Entwicklung der physischen Anschauungen dem Manne Unrecht gegeben? -Ich glaube nein! Im Gegenteil, mir scheint sie die Rätsel noch -mehr transzendent gemacht zu haben als er sie auffaßte. Wir sehen, -selbst mit den bei weitem besseren Mitteln der Energetik kommt man -der Lösung jener Rätsel nicht einen Schritt näher, höchstens, daß -man sie auf andere Dinge bezieht, etwa das erste Welträtsel statt -auf Materie und Kraft, auf Energie mit seinen beiden Faktoren; das -zweite Rätsel statt auf Bewegung auf Energieumwandlung. Nur das -Ignorabimus möchte ich ablehnen. Es ist gar kein Ignorare, wenn man -sich davon überzeugt hat, daß es in der Welt doch etwas mehr gibt als -ein Einzelnes im ewigen Einerlei der Existenz und des Wechsels. Wir -suchen zwar überall nach Vereinfachung und sollen danach suchen. Wenn -aber Vereinfachungen zu nichts führen als zu Redewendungen, ohne die -Einsicht in das Wesen der Sache irgend zu fördern, und nur Rätsel -und Unverständliches zu Rätseln häufen, so sind sie kein Gewinn und -müssen fallen gelassen werden, sobald ihre Untauglichkeit erkannt -ist. Bei den rein physischen Anschauungen ist dieses, glaube ich, -der Fall. Die rein materialistische mag schon kein Mensch mehr. Die -energetische, so bestechend sie ist, wird, davon bin ich überzeugt, -ihr Schicksal teilen. Spinozas Anschauung in Verbindung mit Kants -Transzendentalismus, scheint mir allem am besten gerecht zu werden, -soweit menschliche Voraussicht und Einsicht etwas behaupten darf. Sie -bietet noch den ungeheuren Vorteil, daß wir sie so leicht fortführen -und erweitern können, wie Häckels Beispiel zeigt. In der Tat müssen -wir jetzt schon sagen, daß der allgemeinen Substanz für unsere Welt -mindestens drei Attribute zukommen: Geist, Energie, Materie (oder was -für Materie stehen kann). Die allgemeine Substanz soll ja unendlich -viele Attribute haben. So ist es durch nichts ausgeschlossen, daß -unsere Welt in der Tat diese drei oder vielleicht noch mehr Attribute -ausmacht. Und andere Welten, von denen schon die Alten träumten, -können mit diesen noch andere Attribute bedeuten in beliebiger Zahl. -Wer also ein Ding-an-sich mit unendlich vielen Attributen annimmt, -muß unendlich viele Welten zugestehen und vielleicht noch Übergänge -und Überdeckungen zwischen ihnen. Und er darf sogar die Leben-Reihe -(S. 221) durch diese verschiedenen Welten führen. Auch eine solche -Auffassung bildet einen Monismus und gehörte in die Anschauungen des so -umfassenden ~Monistenbundes~. Aber freilich verirrt sich schon manches -ins Mystische, wohin Kant auch seine „Träume eines Geistersehers“ -geführt haben, da wir von nichts wissen als allein von unserer Welt. - - - - -Namen- und Sachregister. - - - A - - Aberglaube 27, 434. - - Abspiegelung, die Welt als 300, 379. - - Abwehrformeln 190. - - Achamoth 273 ff. - - Adam 150. - - Adam von Bremen 93. - - Afrika 20 ff., 57 ff. u. a. a. O. - - Agnostizismus 420. - - Agrippa Cornelius 312. - - Ägypter 100 ff., 129, 132, 155, 158, 165, 180, 184, 188, 198, 219, - 228 u. a. a. O. - - Ahnenkult 43 ff., 46 u. a. a. O. - - Aion 271 u. a. a. O. - - Akademie 248, 355. - - Akzidens 289. - - Alanus 303. - - Albertus Magnus 294. - - Alchemie 290. - - d’Alembert 435. - - Allegorie 98. - - Alte vom Tage 291. - - Altruismus 437 u. a. a. O. - - Amerika 17 ff. u. a. a. O. - - Ammonios Sakkâs 277. - - Amulett 40. - - Ananke, ἀνάγκη 250, 352, 422. - - Anaxagoras 243, 269, 423. - - Anaximandros 237, 269. - - Anaximenes 236. - - Andrée 164. - - Animismus 36 ff. u. a. a. O. - - Anschauungsformen 360 ff., 475 f. u. a. a. O. - - Anselm 300. - - Antinomien 363 ff. - - Apokastase 253. - - Apollonios von Tyana 256. - - A posteriori 360 ff. - - Appetition 341 ff. - - A priori 360 ff. - - Araber 108, 208. - - Archeus 329. - - Archonten 257, 273. - - Archytas 242. - - Ariost 18. - - Aristoteles 249 ff. u. a. a. O. - - Arkesilaos 355. - - Arnobios 269. - - Arrhenius 179, 448. - - ἀρχαί 7 ff. - - Aschariten 288. - - Äschylos 185. - - Assimilation 372, 473. - - Assoziationsprinzipe 359, 400, 411, 415, 418. - - Assyrier 108 ff.; s. a. Babylonier. - - Astrologie 109, 188, 290. - - Atheismus 154. - - Äther 465 f. - - Atomistik 422 ff., 465 f. u. a. a. O. - - Attribute 335, 392 ff., 461 f., 484 u. a. a. O. - - Auerbach, Felix 463, 482 f. - - Auferstehung 192 ff. - - Aufklärungsphilosophie 347, 434 ff. - - Augustinus 281, 315. - - Australien 17 u. a. a. O. - - Automatisches 419, 428, 479 u. a. a. O. - - Averroes 288, 295. - - Avicebrol 291. - - Avicenna 288. - - Avidyia 350. - - Awatars 169. - - - B - - Babylonier 108 ff., 130, 134, 153, 158, 160, 161, 178, 183, 196. - - Bacon Roger 299. - - -- von Verulam 402 ff. - - Barden 95. - - Basilides 268 ff. - - Bastian Adolf 66 ff. - - Baur 267. - - Begriffsgottheiten 141 f. - - Belebung 32 ff., 424, 436 u. a. a. O. - - Beneke 413. - - Berkeley 356 ff. - - Bernhardy 426. - - Bernouilli 441. - - Beschwörung 54, 190. - - Beseelung 36 ff., 319, 382 ff., 390, 424, 436 u. a. a. O. - - Besessene 56. - - Bessarion 309. - - Bewegungsmoment 459. - - Bewußtsein 400, 474 ff. u. a. a. O. - - Bewußtseinsleiter 399. - - Bewußtseinsschwelle 399. - - Bhagavad-Gîtâ 115 u. a. a. O. - - Bibel 106 f., 157, 177, 184 u. a. a. O. - - Biogenetisches Grundgesetz 449. - - Blavatsky, Helene Petrowna 330. - - Böhme, Jakob 323 ff. u. a. a. O. - - Boltzmann 440. - - Bonaventura 303. - - Boyle, Robert 434. - - Brahmaismus 120. - - Brugsch 100, 146 u. a. a. O. - - Bruno Giordano 317 ff. u. a. a. O. - - Büchner 438. - - Buddha 215 u. a. a. O. - - Buddhismus 120, 122, 214. - - Bürger 55. - - - C - - Calvin 315. - - Campanella 322. - - Cartesius 333 ff. - - Cäsar 88 f., 94, 97, 216. - - Centrosom 450. - - Chachma 266. - - Chamberlain 83. - - Chauvinismus 83. - - Cherubim 280. - - Chinesen 120 f., 143, 164, 210, 235. - - Christian Science 257. - - Chromatin 450. - - Chrysippos 233. - - Cicero 99, 253. - - Civitas dei 294. - - Claudius, Kaiser 95. - - Clausius 441. - - Comte 40, 415 ff. - - Condillac 411. - - Constant, Benjamin 29. - - Contemplatio 304. - - Cooper 23. - - Curtis 50 f. - - Cusanus, Nikolaus 306. - - Czolbe 438. - - - D - - Dämonenglaube 43 ff., 53, 257. - - Dante 206, 297. - - Darwin 445 ff., 450 ff. - - Deismus 253 ff. - - Delitzsch, F. 153. - - Demiurg 268 f. u. a. a. O. - - Demokritos 423 f. - - Dennis 205. - - Derwische 261. - - Descartes 333 ff. u. a. a. O. - - Deszendenzlehre 445 ff., 449. - - Determinismus 296. - - Dharma 215. - - Diderot 435. - - Diels 352 u. a. a. O. - - Dies fasti et nefasti 191. - - Ding-an-sich 365, 390 ff., 461 ff. u. a. a. O. - - Diogenes von Apollonia 236. - - Dionysios Areopagita 280. - - Dissimilation 372, 455. - - Doketen 276. - - Driesch 343, 370, 450 f. - - Droßbach 345. - - Dualismus 13, 148, 267, 458 ff. u. a. a. O. - - Dubois Reymond 438, 471, 483. - - Dühring, Eugen 416 ff., 463, 481. - - Duns Scotus 298. - - - E - - Eckehart, Meister 303. - - Edda 93 f. - - Egoismus 435. - - Ei 450 ff. - - εἴδωλον 37, 193. - - Einheitlichkeit der Welt 16 ff. - - Eklektiker 261. - - Ektropie 480 ff. - - Eleaten 351 u. a. a. O. - - Elemente 423. - - Elysium 204. - - Emanationslehre 253 ff., 263 f., 278 u. a. a. O. - - Empedokles 220, 423. - - Empirismus 376, 401 ff., 454 ff., 483. - - Endlichkeit 363 f., 464 f. - - Energetiker 454, 483. - - Energie 421 ff., 454 ff. u. a. a. O. - - -- psychische 455 ff. - - Energismus 420 ff. - - Engel 261 u. a. a. O. - - Entelechie 250 u. a. a. O. - - Entropie 440 u. a. a O. - - Entwicklungslehre 443 ff. - - Enzyklopädismus 435. - - Epigenesis 448. - - Epikuros 425. - - Eranier 110, 131, 139, 148, 159, 162, 166, 174, 202, 216. - - Erhaltungsprinzipe 440. - - Eristik 354. - - Eschatologie 71 ff., 192 ff. - - Eschmunazar, König 108. - - Essäer 276. - - Ethische Gottheiten 138 f. - - Etrusker 205. - - Eucken 390. - - Euemeros 52, 97. - - Eukleides aus Megara 354. - - Euripides 96 f., 183, 244. - - Evolution 258, 269, 282, 295, 420, 447 f., 452. - - - F - - Fakire 261. - - Fananybrauch 42. - - Fatalismus 138, 234, 437. - - Faust 54, 266. - - Fechner 398 f. - - Fegefeuer 192 ff. - - Ferment 329. - - Fervers 111, 208. - - Fetische 39 ff., 90, 104 u. a. a. O. - - Fetischismus 36 ff. - - Feuerbach, Ludwig 438. - - Feuth, Ludwig 113. - - Fichte 358, 373 f. - - Flammarion 399. - - Florenz, Karl 124. - - Fludd 329. - - Flutsagen 161 ff. - - Fohi 121. - - Foismus 122. - - Formen 249, 383 u. a. a. O. - - Frank, Sebastian 316. - - Franziskus der Heilige 300. - - Freiheit 182 ff., 367, 393, 479 u. a. a. O. - - Fresnel 441. - - Frobenius 5, 42, 57 ff., 74, 79. - - Frohars 111, 208. - - Funktionsübertragung 453. - - - G - - Ganglien 455, 473. - - Gassendi 431. - - Gastrulation 450. - - Gegengottheiten 148 f. - - Gegenstandsgottheiten 127 ff. - - Geheimbünde 57, 254. - - Geheimlehre 189. - - Geister 55. - - Geisterglaube 48 ff., 53. - - Geistige Vorgänge 455 ff. - - Generatio equivoca 384, 446. - - Germanen 88 ff., 136 f., 140, 156, 158, 167, 173, 206. - - -- Nord- 92 ff. - - Gerson, Johann 303. - - Gespenster 53. - - Geulincx 336. - - Gilgamesepos 109, 188, 196. - - Gleichartigkeit der Menschheit 11 f. - - Gnostiker 267 ff., 277 u. a. a. O. - - Goethe 266, 275, 277, 307, 396, 445. - - Gorgias 355. - - Götterglaube 56. - - Götterneid 185. - - Götzenbilder 48. - - Götzendienst 43 ff. - - Graßmann 103 u. a. a. O. - - Grey 4, 53. - - Griechen 50, 95 ff., 130, 137 f., 143, 162, 167, 171, 203, 230 - u. a. a. O. - - Grimm, Jakob 37, 45, 73, 75, 90 ff. - - Gruppe 255 f. - - Gubernatis 114. - - - H - - Häckel 401, 449, 461 ff. - - Hades 204. - - Hafis 261. - - Halbkulturvölker 4. - - Haller, Albrecht v. 447. - - Hammurabi 110. - - Hanusch 86. - - Harmonie 241. - - -- Gesetz der 453. - - -- Prästabilierte 338 ff. - - Harnack, Adolf 267 ff., 274. - - Harpyen 73. - - Hartmann, Eduard v. 386 ff. - - -- Franz 330. - - Hebräer 49, 106 ff., 144, 156, 177, 192. - - Hegel 376. - - Heimarmene, εἰμαρμένη, 239, 422. - - Hel 206 f. - - Helmholtz 448, 471. - - Helmont, Baptist van 328. - - -- Franz van 338. - - Hemsterhuis 413. - - Henotheismus 144, 147 ff. - - Herakleitos 238, 353. - - Herbart 347. - - Herder 435. - - Hermogenes 269. - - Herodot 45 f., 50, 89, 106. - - Hesiod 158, 172. - - Hexen 53 ff. - - Hierarchie 280. - - Himmel der Erde gleich 17 ff. - - Himmelskörper 466 u. a. a. O. - - Hinduismus 119. - - Hippias 355. - - Hobbes 432 f. - - Hoffmann, E. T. A. 479. - - Holbach 435 ff. - - Hölle 78, 192 ff., 208. - - Homa 96, 155 f., 171. - - Homer 112. - - Homoiomerien 423. - - Horatius 188. - - Hugo von St. Victor 300. - - Hume 358, 407 ff. - - Hylodeismus 236 ff. - - Hylopsychismus 235 ff. - - Hylozoismus 235 ff. - - Hypostasie 366, 437. - - - I - - Ideale 365. - - Idealismus 349 ff., 360 ff. u. a. a. O. - - Idealphilosophie 253, 349 u. a. a. O. - - Ideen 244 ff., 264, 335, 364, 405 u. a. a. O. - - Ideenassoziation 432 u. a. a. O. - - Identitätsphilosophie 385 ff. u. a. a. O. - - Idololatrie 50 f. - - Illusionslehre 350. - - Indier 113 ff., 132, 135, 139, 156 f., 161, 162, 166, 176, 187, 200, - 211, 228, 258, 350 f., 424. - - Indifferentismus 234. - - Individuation 295. - - Induktion 402. - - Inkarnationen 169. - - Intelligenzen 288. - - Intelligible Dinge 282 u. a. a. O. - - Intensität 457. - - Intuition 263 u. a. a. O. - - Irreversibilität 440 f. - - Isaak 302. - - Istars Höllenfahrt 197. - - Italiker 158. - - - J - - Jamblichos 277. - - Japaner 123 f., 133, 164, 210, 235. - - Jehuda Halevi 293. - - Jenseits der Kulturvölker 192 ff. - - -- -- Naturvölker 71 ff. - - Jeremias, Alfred 110 u. a. a. O. - - Jezira 291. - - Johannes, Apostel 265. - - - K - - Kabbala 290 ff. - - Kalpa 201. - - Kant, Immanuel 359 ff., 484 u. a. a. O. - - Kapazität 457. - - Karäer 293. - - Karlstadt 316. - - Karma 215, 330. - - Karneades 355. - - Katasterismen 34. - - Kategorien 222 f., 360 ff. u. a. a. O. - - Kategorischer Imperativ 367. - - Kausalität 409, 414 f., 474 ff. u. a. a. O.; s. auch Kategorien, - Regulative. - - Keimteilchen 423, 447. - - Kelten 94 ff., 208, 216. - - Kepler 345. - - Kiesewetter 293. - - Kismet 138, 288. - - Klopstock 150. - - Kohärente Systeme 441, 467. - - Konstitutionsprinzip 366 ff. - - Kopernikus 321, 428, 432. - - Kosmos, κόσμος 238, 240, 481 u. a. a. O. - - Kräfte als Wille 382 ff. - - Krause 328. - - Kritizismus 355 u. a. a. O. - - Krönig 441. - - Kultur 80 ff. - - Kulturvölker 4, 6, 80 ff. - - Kyrenaiker 355 f. - - - L - - Labilität 439 ff. - - Lactantius 270. - - Lamaismus 122. - - Lamarck 445. - - Lamettrie 435 ff. - - Lange, F. A. 422, 438. - - Lao-tsse 210, 220, 235, 350. - - Lasson, Adolf 319, 401. - - Lavater 396. - - Leben 16 ff., 482 u. a. a. O. - - Lebenanschauung, Erklärung 1 ff. - - Leben-Reihe 220 ff. - - Lebensschicksal 182 ff. - - Leere 240, 424. - - Leibniz 340 ff. u. a. a. O. - - Lessing 346, 434. - - Leukippos 424. - - Liber scriptus 299. - - Liber vivus 299. - - Lichtreich 272. - - Lilith 150. - - Lippert 40 ff., 84 ff., 90 ff., 102 f., 112, 124 ff., 131. - - Littauer 85, 87, 164. - - Livingstone 74. - - Locke, John 402 ff. - - Logos 142, 262, 265 ff., 422 u. a. a. O. - - Longfellow 21. - - Longinus 277. - - Lotze 396 f. - - Lucanus 95. - - Lucretius Carus 426 ff., 441. - - Lullus, Raimundus 305. - - Luther 265, 314. - - - M - - Mach, Ernst 414, 417 ff. - - Magier 112. - - Maimonides 293. - - Malebranche 336. - - Mandäer 276. - - Manichäer 270 ff. - - Manu 213, 217. - - Märchen 22. - - Marsilius Ficinus 309. - - Maschinen 369, 457. - - Materialismus 420 ff., 467 f., 477 ff. u. a. a. O. - - Materie 246, 279 u. a. a. O. - - Maui 4 ff., 21. - - Maxwell 441, 466. - - Maya 350. - - Mayavölker 125. - - Mechanismus 420 ff. u. a. a. O. - - „Medizin“ 42 ff. - - Melanchthon 314. - - Melissos aus Samos 354. - - Mendelssohn, Moses 345. - - Menschenopfer 46 u. a. a. O. - - Messiasidee 169. - - Metamorphosen 37. - - Metempsychose 214 f. - - Metensomatose 214 ff. - - Mexikaner 124. - - Meyer, Ludwig 391. - - Milton 150. - - Mirabaud 435. - - Modus 335, 392. - - Mohammedanismus 208. - - Moleschott 13 u. a. a. O. - - Monaden 339, 340 ff., 397 u. a. a. O. - - Monismus 13 u. a. a. O. - - Monistenbund 484. - - Monolatrie 70. - - Monotheismus 151 ff. - - Montaigne 330. - - Montesquieu 413. - - Morphologisch-Biologisches Ordnungsgesetz 453. - - Morphologisches Gesetz 451. - - Mose de Leon 291. - - Motakhallim 287. - - Muatazile 287. - - Müller, Johannes 470. - - -- K. O. 205. - - -- Max 20, 24 ff., 33 f., 38, 81, 115, 211, 217, 265. - - Multismus 13. - - Mysterien 57. - - Mystiker 290 f., 293 ff., 300 ff. u. a. a. O. - - Mystizismus 254 u. a. a. O. - - Mythologie 56. - - - N - - Natur 251. - - Naturalismus 401 ff. - - Naturgesetze 439 ff. - - Naturphilosophen 231 u. a. a. O. - - Naturphilosophie 376. - - Naturreligion 56 f. - - Naturvölker 4, 16 ff. - - Naturzweck 369 ff. - - Nekromantie 254. - - Nephesch 292. - - Neschamah 292. - - Neuplatonismus 277 ff. - - Neupythagoräer 255 ff. - - Neuspinozismus 396. - - Neuvitalismus 483. - - Newton 428, 434. - - Nichtordnung, elementare 441, 482. - - Nichtumkehrbarkeit 440 f. - - Nietzsche 385. - - Nikolaus Cusanus 306. - - Nirvana 211 ff., 226, 480 u. a. a. O. - - Nominalisten 293 f. u. a. a. O. - - Noumena 363. - - Nukleus 450. - - Nus, νοῦς 243 u. a. a. O. - - - O - - Objektivation 379 ff. - - Occasionalismus 336, 413 u. a. a. O. - - Occultismus 254. - - Offenbarung 30, 294. - - Ontogenie 445 ff., 449. - - Ophir 61. - - Ophiten 276. - - Orakel 189. - - Orcus 205. - - Organisierte Dinge 369. - - -- Wesen 369 ff. - - Orphiker 255 f. - - Ossian 95. - - Ostwald, Wilhelm 454 ff., 462 u. a. a. O. - - Otto III., Kaiser 300. - - Ovid 100. - - Ozeanier 17 ff. - - - P - - Palingenesie 449. - - πᾶν, τό 231, 255. - - Pan 255. - - Pandämonismus 56. - - Pandeismus 227 ff., 254 u. a. a. O. - - Panpsychismus 235 ff. u. a. a. O. - - Panspermie 317, 447. - - Pantheismus 227, 390 ff. - - Pantheos 234. - - Paracelsus 316. - - Paradies 78, 159, 192 ff., 208. - - Paraklet 270. - - Parallelen, anthropologische 10 ff. - - Parallelismus, psychophysischer 393, 397 ff. u. a. a. O. - - Paralogismen 363 ff. - - Parmenides 352. - - Pascal, Blaise 329. - - Patristische Philosophie 281. - - Patritius 317. - - Paulus Diaconus 45. - - Pausanias 97. - - Peraten 276. - - Peripatetiker 253. - - Peruaner 125. - - Perzeption 341. - - Pessimismus 384 ff. - - Peters, Carl 61. - - Phänomenalismus 356 ff. u. a. a. O. - - Pherekydes 256. - - Philolaos 242. - - Philon 261 ff. - - Philostratos 257. - - Phönizier 108. - - Phylogenetische Evolution 452. - - Phylogenie 445 ff., 449. - - Physische Energien 468 ff., 473 u. a. a. O. - - Physizismus 420 ff. - - Pico Giovanni 310 f. - - Pistis Sophia 274. - - Planck, Max 418, 440, 442. - - Platon 217 f., 221, 244 ff. u. a. a. O. - - Pleroma 272. - - Plethon Gemistos 309. - - Plotinos 277 ff. - - Pluralismus 13. - - Plutarchos 257. - - Poincaré 417. - - Polarität 324, 450. - - Polygnotos 204. - - Polylatrie 70 f. - - Polynesier 66 u. a. a. O. - - Polytheismus 127 ff. - - Porphyrios 277. - - Positivismus 394, 401 ff. - - Potentialität 250, 414. - - Potenz, morphologische 451. - - Prana 223, 230. - - Prädestination 285 u. a. a. O. - - Prädetermination 414 u. a. a. O. - - Prediger 186. - - Preußen 87. - - Primalitäten 322. - - Prinzipe 7 ff., 367 ff. - - Prodikos 355. - - Propheten 107. - - Protagoras 355. - - Protoplasma 450 ff., 468. - - ψυχή 36 ff. u. a. a. O. - - Psychische Energien 454 ff., 468. - - Psychologie, assoziative 359, 397, 400, 411, 415, 418 u. a. a. O. - - Psychom 461. - - Psychophysik 398. - - Psychophysiologie 399. - - Psychoplasma 477. - - Pyramidentexte 198. - - Pyrrhon 355. - - Pythagoräer 217, 239. - - Pythagoras 239. - - - Q - - Qualitates occultae 313. - - Quellgeister 325 ff. - - Quincke 468. - - Quinta essentia 313, 316. - - - R - - Rabbaniten 293. - - Ramanuga 258. - - Rationalismus 333. - - Ratzel 61. - - Raum 246, 360, 433 u. a. a. O. - - Realen 347. - - Realismus 349 ff., 401 ff. u. a. a. O. - - Realisten 293 f. u. a. a. O. - - Regeneration 453. - - Regulation 454, 481. - - -- biologische 454. - - -- morphologische 454. - - Regulative 360 ff., 365 ff., 439 ff. 471. - - Reinkarnation 211 ff. - - Reinke 483. - - Religionsursprung 23 ff., 434 ff. - - Rephaim 193. - - Restitution 452 f. - - Resurrektion 79. - - Reuchlin, Johann 311. - - Reversibilität 440 f. - - Richard von St. Victor 302. - - Riehl 401. - - Rigveda 20 u. a. a. O. - - Ritter, Heinrich 466. - - Römer 50, 98 ff., 129, 143, 172, 203. - - Rousseau 413. - - Ruach 292. - - Rudimentäre Organe 450. - - Runen 94. - - Ruysbroek 304. - - - S - - Salomon ben Gabirol 291. - - Samenteilchen, Keimteilchen 423 ff. - - Sankara 260, 351. - - Sankhya 259. - - Satan 149 ff. - - Schamanismus 39, 44 ff., 122. - - Scheible 293. - - Schelling 327, 375. - - Schicksalsgottheiten 136 ff. - - Schiller 367. - - Schleiermacher 378. - - Schmitt, Heinrich 267, 271, 274. - - Scholastiker 293 f., 305 u. a. a. O. - - Schopenhauer 379 ff. - - Schöpfer 131 u. a. a. O. - - Schöpfung 464 u. a. a. O. - - Schwartz, W. 132. - - Schwenkfeld 316. - - Scotus Erigena 283 f. - - Seele 36 ff., 45, 71 ff., 343 u. a. a. O. - - Seelenarten 221 ff. - - Seelenkult 43 ff. u. a. a. O. - - Seelentätigkeiten 221 ff., 473 ff. u. a. a. O. - - Seelenwanderung 211 ff. u. a. a. O. - - Selbsterhaltung 347, 436, 444. - - Sensualismus 356, 394, 401 ff., 425 u. a. a. O. - - Seraphim 280. - - Shintoismus 123. - - Sigê 271. - - Simon Magus 276. - - Sirenen 73 f. - - Skeptizismus 354 ff. u. a. a. O. - - Slawen 85 ff., 208 u. a. a. O. - - Sohar 294. - - Sokrates 219, 248. - - Soma 117. - - Sophia 267 ff., 272. - - Sophisten 354 f. - - Speiseverbote 191. - - Spektralanalyse 442. - - Spencer, Herbert 420. - - Speusippos 249. - - Sphärenharmonie 242. - - Spieß 77. - - Spinoza 337, 390 ff., 484 u. a. a. O. - - Spinozismus 390 ff. u. a. a. O. - - Spiritismus 254. - - Stabilität 439 ff. - - Stammannahmen 7 ff. - - Stammbegriffe 360 ff.; s. auch Kategorien. - - Stephens, John 126. - - Steresis 251. - - Sterne, Carus 113 u. a. a. O. - - Stirner, Max 386. - - Stoff 250. - - Stoiker 232 ff. - - Strabon 112. - - Stuhlmann 52. - - Substanz 335, 392 ff.; s. auch Ding-an-sich. - - Sufismus 258. - - Sundainseln 17 f. u. a. a. O. - - Sündenfall 159 f. - - Supranaturalismus 254. - - Swedenborg 330. - - Sympathie der Dinge 277 u. a. a. O. - - Synesius 269. - - Syzygien 271. - - - T - - Tabu 48. - - Tacitus 88 ff. - - Tangaroa 69 ff. - - Tao 121, 143, 210. - - Taurellus 323. - - Teleologie 251 f., 367, 397. - - Telesius 317. - - Teufel 37 u. a. a. O. - - Thales 236. - - Themistokles 97. - - Theogonie 131 u. a. a. O. - - Theosophie 223, 253 ff., 286 ff., 330 u. a. a. O. - - Therapeuten 276. - - Theophanie 284. - - Theromorphie 101 ff. - - Theurgie 254. - - Thomas von Aquino 296. - - Thomson, William 448, 466. - - Thronen 280. - - Totemismus 39, 47. - - Totenbehandlung 41 f. u. a. a. O. - - Totenbuch 199 u. a. a. O. - - Totenkahn 72 ff. - - Totenkult 72 ff. u. a. a. O. - - Totenland 73 ff. - - Totenrichter 192 ff. - - Totenvögel 73 ff. - - Trägheit 340, 436, 439 ff. - - Transzendentalismus 359 ff., 484 u. a. a. O. - - Transzendenz 350 ff., 400 f. u. a. a. O. - - Träume 43 ff. - - Twesten 138. - - Tylor 34 f., 49. - - - U - - Überlebsel 55. - - Umkehrbarkeit 440. - - Unbewußtes 386 ff., 474 ff. - - Unendlichkeit 363 f., 464. - - Universalien 293. - - Unsterblichkeit 192 ff., 204, 220 ff., 395, 479 u. a. a. O. - - Unterwelt 171 ff., 192 ff. - - Upanishaden 201, 211 f., 385. - - Urwesen 446 ff. - - Urzustand 417, 481. - - Utilismus 435. - - - V - - Vaiseshika 424. - - Valentinus 271. - - Vedantaphilosophie 212 f., 258 ff. - - Vedareligion 119. - - Vererbung 444 ff. - - -- biologische 450. - - -- funktionale 450. - - -- Lokalisations- 450. - - -- morphologische 450. - - Verworn 420. - - Virgil 206. - - Vischer, Friedrich 35. - - Vitalismus 483. - - Vogt, Karl 438. - - Volksetymologie 98. - - Voltaire 435. - - Vorstellung, die Welt als 379 ff. - - - W - - Wahrheit, doppelte 285, 331. - - Wahrsagung 189. - - Walhalla 207. - - Weigel 323. - - Weinstein 150. - - Weismann 447. - - Weissagungen 107. - - Weltanfang 416 ff., 464 ff. u. a. a. O. - - Weltanschauung, Erklärung 1 ff. - - Weltbau 170 ff., 252. - - Weltbaum 110, 132. - - Weltentstehung 63, 67 ff., 155, 240, 335. - - Welterlösung 389 u. a. a. O. - - Weltgang 440 ff. - - Weltgesetze 439 ff., 467. - - Welträtsel 461 ff., 483. - - Weltseele 247, 278, 313, 321. - - Weltuntergang 166 ff. - - Weltvernunft 243, 278 u. a. a. O. - - Weltwiederholung 237, 346, 386, 416, 425 f. u. a. a. O. - - Widergott 267. - - Wiedertäufer 316. - - „Wilde“ 70. - - Wille, die Welt als 379 ff. - - Windischmann 174. - - Wirklichkeitsphilosophie 398, 416. - - Wirklichkeit, transzendente 350 ff., 360 ff. u. a. a. O. - - Wolff, Caspar Friedrich 447. - - -- Christian 345. - - Wollheim da Fonseca 200. - - „Wort“ 265, s. Logos. - - Wunderglaube 21, 283. - - Wundt, Wilh. 399 ff. - - - X - - Xenokrates 249. - - Xenophanes 231, 351. - - - Y - - Yamazaki-Ansai 235. - - Yelch 62, 73. - - ὕλη 236. - - Yoga 260. - - - Z - - Zahl 240 ff. - - Zalmaweth 193. - - Zauberer und Zauberwesen 53 ff. - - Zehnder 46 ff. - - Zeit 360, 406 u. a. a. O. - - Zeitatome 287. - - Zenogenesie 449. - - Zenon 353 f. - - Zöllner, Friedrich 398. - - Zufall 182 ff. - - Zwangsmechanismus 428 ff., 435 f. u. a. a. O. - - Zweckmäßigkeit 372, 472 f. - - Zwingli 315. - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Welt- und Lebenanschauungen; -hervorgegangen aus Religion,, by Max Bernhard Weinstein - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELT- UND LEBENANSCHAUUNGEN *** - -***** This file should be named 51586-0.txt or 51586-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/1/5/8/51586/ - -Produced by Mark C. Orton, Knujon Mapson, Reiner Ruf, and -the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. Special rules, -set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to -copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to -protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project -Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you -charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you -do not charge anything for copies of this eBook, complying with the -rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose -such as creation of derivative works, reports, performances and -research. They may be modified and printed and given away--you may do -practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License (available with this file or online at -http://gutenberg.org/license). - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy -all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. -If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project -Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the -terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or -entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement -and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic -works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" -or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project -Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the -collection are in the public domain in the United States. If an -individual work is in the public domain in the United States and you are -located in the United States, we do not claim a right to prevent you from -copying, distributing, performing, displaying or creating derivative -works based on the work as long as all references to Project Gutenberg -are removed. Of course, we hope that you will support the Project -Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by -freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of -this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with -the work. You can easily comply with the terms of this agreement by -keeping this work in the same format with its attached full Project -Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in -a constant state of change. If you are outside the United States, check -the laws of your country in addition to the terms of this agreement -before downloading, copying, displaying, performing, distributing or -creating derivative works based on this work or any other Project -Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning -the copyright status of any work in any country outside the United -States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate -access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently -whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the -phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project -Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, -copied or distributed: - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived -from the public domain (does not contain a notice indicating that it is -posted with permission of the copyright holder), the work can be copied -and distributed to anyone in the United States without paying any fees -or charges. If you are redistributing or providing access to a work -with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the -work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 -through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the -Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or -1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional -terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked -to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the -permission of the copyright holder found at the beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any -word processing or hypertext form. However, if you provide access to or -distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than -"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version -posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), -you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a -copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon -request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other -form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm -License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided -that - -- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is - owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he - has agreed to donate royalties under this paragraph to the - Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments - must be paid within 60 days following each date on which you - prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax - returns. Royalty payments should be clearly marked as such and - sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the - address specified in Section 4, "Information about donations to - the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." - -- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or - destroy all copies of the works possessed in a physical medium - and discontinue all use of and all access to other copies of - Project Gutenberg-tm works. - -- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any - money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days - of receipt of the work. - -- You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm -electronic work or group of works on different terms than are set -forth in this agreement, you must obtain permission in writing from -both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael -Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the -Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -public domain works in creating the Project Gutenberg-tm -collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic -works, and the medium on which they may be stored, may contain -"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or -corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual -property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a -computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by -your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium with -your written explanation. The person or entity that provided you with -the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a -refund. If you received the work electronically, the person or entity -providing it to you may choose to give you a second opportunity to -receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy -is also defective, you may demand a refund in writing without further -opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER -WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO -WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. -If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the -law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be -interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by -the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any -provision of this agreement shall not void the remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance -with this agreement, and any volunteers associated with the production, -promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, -harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, -that arise directly or indirectly from any of the following which you do -or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm -work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any -Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. - - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of computers -including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit http://pglaf.org - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. -To donate, please visit: http://pglaf.org/donate - - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic -works. - -Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm -concept of a library of electronic works that could be freely shared -with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project -Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. - - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. -unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/51586-0.zip b/old/51586-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 67a712f..0000000 --- a/old/51586-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h.zip b/old/51586-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 9d6930b..0000000 --- a/old/51586-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/51586-h.htm b/old/51586-h/51586-h.htm deleted file mode 100644 index 773be96..0000000 --- a/old/51586-h/51586-h.htm +++ /dev/null @@ -1,20097 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=utf-8" /> - <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - <title> - The Project Gutenberg eBook of Welt- und Lebenanschauungen hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis, by Max B. Weinstein. - </title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - -body { - margin-left: 10%; - margin-right: 10%; -} - - h1,h2,h3,h4 { - text-align: center; /* all headings centered */ - clear: both; - font-weight: normal;} - -h1 {font-size: 250%;} -h2 {font-size: 175%;} -h3,.s3 {font-size: 150%;} -h4,.s4 {font-size: 115%;} -.s5 {font-size: 90%;} -.s6 {font-size: 70%;} -.s7 {font-size: 50%;} - -h1 {line-height: 1.3em;} -h3 { line-height: 1.5em;} -h4 { - margin-top: 2em; - margin-bottom: 1em;} - -p { - margin-top: .51em; - text-align: justify; - margin-bottom: .49em; - text-indent: 1em;} - -p.p0,p.center {text-indent: 0} - -.mtop1 {margin-top: 1em;} -.mtop2 {margin-top: 2em;} -.mtop3 {margin-top: 3em;} -.mbot2 {margin-bottom: 2em;} -.mbot3 {margin-bottom: 3em;} -.mleft-05 {margin-left: -0.5em;} -.mleft2 {margin-left: 2em;} -.mleft3 {margin-left: 3em;} -.mleft12 {margin-left: 12em;} -.mright2 {margin-right: 2em;} - -div.chapter,div.section {page-break-before: always;} - -h2.nobreak,h3.nobreak {page-break-before: avoid;} - -hr { - width: 33%; - margin-top: 2em; - margin-bottom: 2em; - margin-left: auto; - margin-right: auto; - clear: both; -} - -hr.book {width: 75%; margin: 3em 12.5%;} -hr.chap {width: 60%; margin: 2em 20%;} -hr.full {width: 95%; margin: 2.5em 2.5%;} - -hr.r50 {width: 50%; margin: 3em 25%;} - -ul.index,ul.aufz1 {list-style-type: none;} -ul.aufz1 { - list-style-type: none; - line-height: 1.3em; - margin: -0.5em auto;} - -ol.aufz2a { - list-style-type: upper-roman; - line-height: 1.5em;} - -li.ifrst { - margin-top: 1.5em; - margin-bottom: 0.5em; - font-weight: bold;} -li.indx { margin-top: .5em; } -li.isub1 {text-indent: 1em;} -li.isub2 {text-indent: 2em;} - -table { - margin-left: auto; - margin-right: auto; -} - -table.toc {width: 90%;} - -td.buch { - font-size: 150%; - text-align: center; - padding-top: 1em;} -td.kap { - font-size: 125%; - text-align: center; - padding-top: 0.8em; - padding-bottom: 0.8em;} -td.ukap {text-align: justify;} -td.thema { - font-size: 90%; - padding-left: 3em; - text-align: justify;} -td.ste { - text-align: right; - vertical-align: bottom; - padding-left: 0.5em;} - -.tdr {text-align: right;} - -.pagenum { /* uncomment the next line for invisible page numbers */ - /* visibility: hidden; */ - position: absolute; - left: 92%; - font-size: smaller; - text-align: right; - letter-spacing: 0; - margin-right: 0} /* page numbers */ - -.center {text-align: center;} - -.smaller {font-size: smaller;} - -.gesperrt { - letter-spacing: 0.2em; - margin-right: -0.2em;} - -sup { - vertical-align: top; - font-size: 70%;} - -/* Images */ -.figcenter { - margin: auto; - text-align: center; -} - -.figleft { - float: left; - clear: left; - margin-left: 0; - margin-bottom: 0.5em; - margin-top: 1em; - margin-right: 1em; - padding: 0; - text-align: center; -} - -.figright { - float: right; - clear: right; - margin-left: 1em; - margin-bottom: 0.5em; - margin-top: 1em; - margin-right: 0; - padding: 0; - text-align: center; -} - -img {max-width: 100%; height: auto;} - -img.logo { - width: 10em; - height: auto; - margin: 4em auto;} - -/* Poetry */ -.poetry-container {text-align: center;} - -.poetry {display: inline-block; - text-align: left;} - -.poetry .stanza {margin: 1em auto;} - -.poetry .verse { - text-indent: -3em; - padding-left: 3em; - font-size: 90%;} - -/* Transcriber's notes */ -.transnote { - background-color: #E6E6FA; - color: black; - font-size:smaller; - padding:0.5em; - margin-bottom:5em;} - -.nohtml {display: none;} - -@media handheld { - -.nohtml {display: block;} - -.gesperrt { - letter-spacing: 0; - margin-right: 0; - font-style: italic;} - -table.toc {width: 100%;} - -td.thema {padding-left: 1.5em;} - -.poetry-container { - display: block; - text-align: left; - margin-left: 2.5em;} - -.figleft {float: left;} - -.figright {float: right;} - -} - - </style> - </head> -<body> - - -<pre> - -The Project Gutenberg EBook of Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen -aus Religion, Philosophie und Naturerkenntn, by Max Bernhard Weinstein - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis - -Author: Max Bernhard Weinstein - -Release Date: March 28, 2016 [EBook #51586] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELT- UND LEBENANSCHAUUNGEN *** - - - - -Produced by Mark C. Orton, Knujon Mapson, Reiner Ruf, and -the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<h1>WELT- UND<br /> -LEBENANSCHAUUNGEN<br /> - -<span class="s7 center">HERVORGEGANGEN AUS</span><br /> - -<span class="s6">RELIGION, PHILOSOPHIE<br /> -UND NATURERKENNTNIS</span></h1> - -<p class="s4 center mtop3 mbot3">VON</p> - -<p class="s3 center">PROF. D<span class="smaller">R</span>. <b>MAX B. WEINSTEIN</b></p> - -<div class="figcenter"> - <a id="signet" name="signet"> - <img class="mtop2 logo" src="images/signet.jpg" - alt="Signet des Verlages" /></a> -</div> - -<p class="s3 center">LEIPZIG</p> - -<p class="s4 center">VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH</p> -<p class="s4 center">1910</p> - -<hr class="r50" /> - -<p class="smaller mbot3 center">Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_iii" id="Seite_iii">[S. III]</a></span></p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Vorwort">Vorwort.</h2> - -</div> - -<p>Wer sich mit einem Gegenstande lange und eifrig beschäftigt hat, -hegt unwillkürlich den Wunsch, die Ergebnisse seines Studiums und -Nachdenkens zu ordnen und für die Dauer festzuhalten. So habe ich -dieses Buch nicht bloß für den Leser, sondern auch für mich selbst -geschrieben, und darum wird es bei aller Objektivität, die eine -wissenschaftliche Veröffentlichung selbstverständlich auszeichnen muß, -doch auch den Eindruck des Persönlichen machen. Über die Anschauungen -von der Welt, und auch über die vom Leben, ist schon viel geschrieben; -das Thema ist ja für Laien und Gelehrte wichtig und interessant genug. -Ich glaube aber, daß noch kein Buch vorhanden ist, das die Aufgabe -von so allgemeinen Gesichtspunkten und in so umfassender Darstellung -behandelt, wie das vorliegende. Meist sind es Ausschnitte aus einzelnen -Gedankengebieten der Völker und Forscher, die geboten werden, entweder -vom Standpunkte des Anthropologen, oder des Gottesgelehrten, oder -des Philosophen und des Naturforschers. Ich habe es versucht, alles -in eins zusammenzufassen, Anthropologie, Religion, Philosophie und -Naturwissenschaft, denn nur aus einer Darstellung des Ganzen wird man -das Bedeutungsvolle des Gegenstandes zu übersehen und das Einzelne -zu würdigen vermögen. Und nicht nur das ist von Interesse, was -Große denken und sagen, sondern auch, was Völker, selbst in ihrem -Naturzustande, erdichten und zur Richtschnur ihres Lebens in sich -und mit Anderen machen. Es sind wunderliche und wunderbare Bilder, -die kaleidoskopisch an uns vorüberziehen. Es handelt sich aber, wie -ich, um Mißverständnissen vorzubeugen, hervorheben muß, nicht um eine -Geschichte,<span class="pagenum"><a name="Seite_iv" id="Seite_iv">[S. IV]</a></span> sondern um eine Schilderung der Anschauungen selbst. -Darum ist der Inhalt, wie ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis lehrt, -durchaus nur sachlich geordnet, und wo Raum und Zeit zu entscheiden -scheinen, hat sich dieses im Rahmen des Tatsächlichen von selbst -eingestellt. Darum sind auch nur die Hauptmomente behandelt, und -sollte ein Leser den einen oder anderen Namen vermissen, so hat der -Verfasser ein Besonderes, das sich an diesen Namen für seine besondere -Aufgabe knüpft, nicht feststellen können. Manche glauben, daß ein -Verfasser, was er nicht sagt, auch nicht weiß und nicht gedacht hat. -Es wäre beschämend, wenn man nicht unendlich viel mehr wüßte und -dächte, als man in seinen Büchern, so zahlreich sie schon sein mögen, -niedergelegt hat. Aber es ist nicht angängig, alles, was man weiß und -denkt, weiterzugeben, denn man muß auch den Leser berücksichtigen. Auch -ist zwar vielfach das Leben lang genug das wichtigste zu lernen, aber -leider allzu kurz, was man möchte, zu schaffen.</p> - -<p>Ich habe eine rein wissenschaftliche Darstellung gewählt, denn die -Anschauungen sind nicht bloß geschildert, sondern aufs sorgfältigste -zergliedert und auf ihren Wert untersucht. Auch sind sie von der hohen -Warte des allgemeinen Menschengeistes und des großen Wissens unserer -Zeit betrachtet. Wer über Welt- und Lebenanschauungen umfassend -schreiben will, muß sich nicht allein mit der Arbeit der Vergangenheit -vertraut machen, sondern sich auch in die Strömungen der Gegenwart -versenken können, und bedarf außerordentlich eingehender Kenntnisse -auf allen Gebieten der menschlichen Betätigung. Der Leser soll -unterrichtet werden, und zwar sorgfältig und richtig, nicht, wie es -durch so viele populäre Werke leider geschieht, oberflächlich oder -gar falsch. Außerdem soll er zum eigenen weiteren Denken angeregt und -angeleitet werden. Bereicherung mit Kenntnissen und Ideen, Bereicherung -mit geistigem Streben ist die Aufgabe eines wissenschaftlichen Buches. -Trotz des großen Ernstes der Be<span class="pagenum"><a name="Seite_v" id="Seite_v">[S. V]</a></span>handlung und der sehr erheblichen -Schwierigkeit der Materie wird die Darstellung, wie ich hoffe, als klar -und einer guten Prosa angemessen befunden werden. Ich bin keiner noch -so tiefgründigen Untersuchung aus dem Wege gegangen, habe jedoch, wo -Sonderkenntnisse erforderlich waren, diese stets mitgeteilt. Kritik -ist fast auf jeder Seite geübt, ich habe mich bestrebt Objektivität -und Ruhe des Urteils zu wahren. Das Buch ist für den Fachmann und für -den Gebildeten, überhaupt für jeden, der sich auf dem wichtigsten -Gebiete des menschlichen Denkens und Dichtens unterrichten will, -geschrieben. Das Persönliche kommt in der Darstellungsweise und in der -Geltendmachung der eigenen Meinungen und Anschauungen zum Vorschein. -Ich habe vor längerer Zeit zwei Bücher geschrieben, auf die ich mich -oft berufe: „Philosophische Grundlagen der Wissenschaften“ und „Die -Entstehung der Welt und der Erde nach Sage und Wissenschaft“. Mit dem -vorliegenden Buche bilden diese Bücher, wenn auch jedes für sich ein -selbständiges Ganze darstellt, eine höhere Einheit, die ich freilich -noch gern durch ein Buch über das Leben selbst ergänzen möchte. Bei -aller Sorgfalt ist es in umfangreichen Werken nicht immer möglich, -Unebenheiten und Versehen zu vermeiden. Ein Herr aus Frankreich hat -mich auf eine Stelle in den „Philosophischen Grundlagen“ aufmerksam -gemacht, die ich, einem so geschmackvollen und liebenswürdigen Volke -gegenüber, wie das französische in der Tat gerne nicht geschrieben -haben möchte.</p> - -<p>Die wichtigeren Werke, die ich bei Abfassung meines Buches verwendet -habe, sind in diesem Buche selbst verzeichnet. Wo es mir nur irgend -möglich war, habe ich mich an die Originale gehalten; benutzte ich -bei fremden Sprachen zur Erleichterung Übersetzungen, so paßte -ich sie möglichst dem Wortlaut der Originale an. Es ist schon ein -melancholisches Geschäft, aus Arbeiten Anderer Auszüge zu machen, aber -abstoßend langweilig, Auszüge auszuziehen. Ich habe letzteres<span class="pagenum"><a name="Seite_vi" id="Seite_vi">[S. VI]</a></span> nur -notgedrungen getan, wo mir die Originale nicht zur Verfügung standen -oder die Sprache mir doch verschlossen war. Abbildungen enthält nur -der erste Teil des Buches, die übrigen Teile boten keinen Anlaß, sie -zu schmücken. Ein sehr eingehendes Inhaltsverzeichnis und Namen- und -Sachregister wird, hoffe ich, die Brauchbarkeit des Buches auch zum -Nachschlagen erhöhen. Beim Lesen der Korrekturen hat mich mein Freund, -der Lehrer an der Berliner Baugewerkschule Dr. <span class="gesperrt">Levy</span>, formell -und sachlich unterstützt. Ihm und der Verlagsbuchhandlung, die viel -Mühe mit dem Buche gehabt und für eine würdige Ausstattung gesorgt hat, -meinen besten Dank. Möchte der Leser das Buch so gern lesen, wie der -Verfasser es gern und aus dem Innern heraus geschrieben hat.</p> - -<p><span class="gesperrt">Charlottenburg</span>, im Mai 1910.</p> - -<p class="tdr mright2"><b>Weinstein</b>.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_vii" id="Seite_vii">[S. VII]</a></span></p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Inhaltsverzeichnis">Inhaltsverzeichnis.</h2> - -</div> - -<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="ukap"> - <span class="gesperrt">Vorwort</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_iii">III</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - <span class="gesperrt">Vorbemerkungen.</span> Charakteristik, Prinzipe und - Einteilung der Welt- und Lebenanschauungen. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 1. <span class="gesperrt">Bedeutung der Welt- und Lebenanschauungen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_1">1</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Ursprung <a href="#Seite_1">1</a>. — Verhalten der Menschen <a href="#Seite_2">2</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 2. <span class="gesperrt">Naturvölker und Kulturvölker</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_4">4</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Schwierigkeiten bei den Naturvölkern <a href="#Seite_4">4</a>. — Schwierigkeiten bei - den Kulturvölkern <a href="#Seite_6">6</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 3. <span class="gesperrt">Hauptfragen und Stammannahmen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_7">7</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Formulierung der Hauptfragen <a href="#Seite_7">7</a>. — Liste der Stammannahmen <a href="#Seite_9">9</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 4. <span class="gesperrt">Vergleichung der Anschauungen, Parallelen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_10">10</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Gleichartigkeit der Menschheit <a href="#Seite_10">10</a>. — Beispiele für Parallelen <a href="#Seite_12">12</a>. - — Völkerzusammenhänge <a href="#Seite_13">13</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 5. <span class="gesperrt">Einteilung der Welt- und Lebenanschauungen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_13">13</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Formelle Einteilung <a href="#Seite_13">13</a>. — Sachliche Einteilung <a href="#Seite_14">14</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="buch" colspan="2"> - Erstes Buch. Psychisch-religiöse Welt- und Lebenanschauungen. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Erstes Kapitel. Anschauungen der Naturvölker. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 6. <span class="gesperrt">Irdisch-menschliche Anschauungen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_16">16</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Irdischer Standpunkt des Naturmenschen <a href="#Seite_16">16</a>. — Übertragung - auf das Himmlische und Kosmogonische <a href="#Seite_17">17</a>. — Naturmenschlicher - Egoismus und Unverstand <a href="#Seite_22">22</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 7. <span class="gesperrt">Über den Ursprung der Religionen, Vorläufiges</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_23">23</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Bedeutung und Entstammung der Religion <a href="#Seite_23">23</a>. — Ursprung aus der Sprache - <a href="#Seite_24">24</a>. — Religionsstufen <a href="#Seite_27">27</a>. — Ursprung aus der Macht <a href="#Seite_28">28</a>. — - Ursprung aus dem Kategorischen <a href="#Seite_29">29</a>. — Ursprung aus Offenbarung <a href="#Seite_30">30</a>. - — Ursprung aus Lehre <a href="#Seite_31">31</a>. — Verschiedene Ursprungsmöglichkeiten <a href="#Seite_31">31</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 8. <span class="gesperrt">Allgemeine Belebung</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_32">32</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Wie der Naturmensch überall Leben sieht <a href="#Seite_32">32</a>. — Behandlung - der Gegenstände als lebende <a href="#Seite_35">35</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 9. <span class="gesperrt">Seele und Beseelung, Animismus, Fetischismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_36">36</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Entdeckung der Seele <a href="#Seite_36">36</a>. — Art der Seele <a href="#Seite_37">37</a>. — Beseelung der - Gegenstände, Fetischismus, Animismus <a href="#Seite_39">39</a>. — Verhalten der - Seele <a href="#Seite_40">40</a> — Die Seele und der Tote <a href="#Seite_41">41</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_viii" id="Seite_viii">[S. VIII]</a></span> - 10. <span class="gesperrt">Schamanismus, Totemismus, Seelen-, Ahnenkult</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_43">43</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Freiheit der Seele vom Körper <a href="#Seite_43">43</a>. — Die Seele als Gegenstand - <a href="#Seite_44">44</a>. — Seelen- und Ahnenkult <a href="#Seite_46">46</a>. — Tierseelen <a href="#Seite_47">47</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 11. <span class="gesperrt">Geister- und Dämonenglaube, Götzendienst</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_48">48</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Tabuismus <a href="#Seite_48">48</a>. — Götzen und Götzendienst <a href="#Seite_48">48</a>. — Vergottete - Gegenstände <a href="#Seite_50">50</a>. — Vergottete Menschen <a href="#Seite_52">52</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 12. <span class="gesperrt">Zauberwesen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_53">53</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Beschwörungen <a href="#Seite_53">53</a>. — Spuk und Überlebsel <a href="#Seite_55">55</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 13. <span class="gesperrt">Höhere Anschauungen bei Naturvölkern</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_56">56</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Götterglaube, Mythologie <a href="#Seite_56">56</a>. — Höhere Gottheiten <a href="#Seite_57">57</a>. — - Höhere theogonische und kosmogonische Ideen der Ozeanier <a href="#Seite_62">62</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 14. <span class="gesperrt">Seele und Jenseits bei den Naturvölkern</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_71">71</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Unterhaltung und Vernichtung der Seelen <a href="#Seite_71">71</a>. — Aufenthalt - der Seelen, Jenseits <a href="#Seite_72">72</a>. — Totenvögel, Totenkähne u. ä. <a href="#Seite_73">73</a>. — - Totenwanderung <a href="#Seite_75">75</a>. — Polynesische Hölle <a href="#Seite_76">76</a>. — Schicksal - der Seele <a href="#Seite_77">77</a>. — Resurrektion <a href="#Seite_79">79</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Zweites Kapitel. Religiöse Welt- und Lebenanschauungen der Kulturvölker. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 15. <span class="gesperrt">Die Kulturvölker als Naturvölker</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_80">80</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Wann begann die Kultur? <a href="#Seite_80">80</a>. — Unterschied zwischen Kultur- - und Naturvölkern <a href="#Seite_82">82</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 16. <span class="gesperrt">Allgemeine Religionsanschauungen bei den Kulturvölkern - im Kreise der Menschheit</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_83">83</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Begriff des Wilden <a href="#Seite_83">83</a>. — Höhere Anschauungen aus Naturanschauungen - <a href="#Seite_84">84</a>. — Anschauungen der Littauer, Preußen und Slawen <a href="#Seite_85">85</a>. — - Anschauungen der Germanen <a href="#Seite_88">88</a>. — Anschauungen der Kelten <a href="#Seite_94">94</a>. — - Anschauungen der Griechen und Römer <a href="#Seite_95">95</a>. — Anschauungen der Ägypter - <a href="#Seite_100">100</a>. — Anschauungen der Hebräer <a href="#Seite_106">106</a>. — Anschauungen der Phönizier - <a href="#Seite_108">108</a>. — Anschauungen der Babylonier und Assyrier <a href="#Seite_108">108</a>. — - Anschauungen der Eranier <a href="#Seite_110">110</a>. — Anschauungen der Indier - <a href="#Seite_113">113</a>. — Anschauungen der Chinesen, Tibetaner und Japaner - <a href="#Seite_120">120</a>. — Anschauungen der amerikanischen Kulturvölker <a href="#Seite_124">124</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 17. <span class="gesperrt">Polytheistische, henotheistische und - antagonistische Anschauungen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_127">127</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Die Gottheiten des Polytheismus <a href="#Seite_127">127</a>. — Gegenstandsgottheiten - und Gottheiten über Gegenstände <a href="#Seite_128">128</a>. — Schöpfer und Leiter - <a href="#Seite_131">131</a>. — Schicksalsgottheiten <a href="#Seite_136">136</a>. — Ethische Gottheiten <a href="#Seite_138">138</a>. - — Begriffsgottheiten <a href="#Seite_140">140</a>. — Henotheismus <a href="#Seite_144">144</a>. — Antagonistische - Gottheiten <a href="#Seite_148">148</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 18. <span class="gesperrt">Monotheistische Anschauungen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_151">151</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Entstehung des Monotheismus <a href="#Seite_151">151</a>. — Monotheistische Unterströmungen <a href="#Seite_153">153</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 19. <span class="gesperrt">Anschauungen von Welt, Menschheit und Weltkatastrophen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_155">155</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Entstehung von Welt und Menschheit <a href="#Seite_155">155</a>. — Paradies und Sündenfall <a href="#Seite_159">159</a>. - — Flutsagen <a href="#Seite_161">161</a>. — Weltuntergang <a href="#Seite_166">166</a>. — Messiasidee <a href="#Seite_169">169</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_ix" id="Seite_ix">[S. IX]</a></span> - 20. <span class="gesperrt">Weltbau</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_170">170</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Stellung der Erde <a href="#Seite_170">170</a>. — Gestaltung der Welt <a href="#Seite_171">171</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 21. <span class="gesperrt">Leben und Gottheit</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_182">182</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Zufall, Freiheit usf. <a href="#Seite_182">182</a>. — Menschenschicksal und Götterneid - <a href="#Seite_184">184</a>. — Lebensweisheit <a href="#Seite_186">186</a>. — Orakel und Beschwörungen - <a href="#Seite_189">189</a>. — Glückliche und unglückliche Tage <a href="#Seite_191">191</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 22. <span class="gesperrt">Nachleben und Jenseits (Eschatologie) der Kulturvölker</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_192">192</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Naturmenschliches <a href="#Seite_192">192</a>. — Eschatologie der Hebräer <a href="#Seite_192">192</a>. — - Eschatologie der Babylonier und Assyrier <a href="#Seite_196">196</a>. — Eschatologie - der Ägypter <a href="#Seite_198">198</a>. — Eschatologie der Eranier <a href="#Seite_202">202</a>. — Eschatologie - der Griechen und Römer <a href="#Seite_203">203</a>. — Eschatologie der Germanen - <a href="#Seite_206">206</a>. — Eschatologie der Kelten <a href="#Seite_208">208</a>. — Eschatologie - der Mohammedaner <a href="#Seite_208">208</a>. — Eschatologie der Chinesen und Japaner <a href="#Seite_210">210</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 23. <span class="gesperrt">Seelenwanderung und Wiederbekörperung</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_211">211</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Anschauungen der Indier <a href="#Seite_211">211</a>. — Anschauungen des Buddhismus - <a href="#Seite_214">214</a>. — Anschauungen der Eranier <a href="#Seite_216">216</a>. — Anschauungen - der Kelten <a href="#Seite_216">216</a>. — Anschauungen der Pythagoräer und Platons - <a href="#Seite_217">217</a>. — Anschauungen des Lao-tsse <a href="#Seite_220">220</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 24. <span class="gesperrt">Seele und Unsterblichkeit, Leben-Reihe</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_220">220</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Unterteilung der Seele <a href="#Seite_220">220</a>. — Worauf sich die Unsterblichkeit - bezieht <a href="#Seite_223">223</a>. — Leben-Reihe <a href="#Seite_224">224</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="buch" colspan="2"> - Zweites Buch. Philosophisch-deistische und theosophische Anschauungen. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Drittes Kapitel. Pandeistische und Panpsychistische Anschauungen. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 25. <span class="gesperrt">Pandeistische Anschauungen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_227">227</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Ägypter <a href="#Seite_228">228</a>. — Indier <a href="#Seite_229">229</a>. — Ionische Naturphilosophen <a href="#Seite_231">231</a>. - Stoiker <a href="#Seite_232">232</a>. — Pythagoräer und Platoniker <a href="#Seite_234">234</a>. — Japaner <a href="#Seite_235">235</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 26. <span class="gesperrt">Panpsychistische Anschauungen, Hylopsychismus, - Hylozoismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_235">235</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Ionische Naturphilosophen <a href="#Seite_236">236</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Viertes Kapitel. Pythagoras, Anaxagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 27. <span class="gesperrt">Anschauung aus Gesetz, Harmonie, Weltvernunft, Ideen - und Formen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_239">239</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Pythagoras und die Pythagoräer <a href="#Seite_239">239</a>. — Anaxagoras, Weltvernunft - <a href="#Seite_243">243</a>. — Sokrates und Platon, Ideenlehre, Akademie - <a href="#Seite_244">244</a>. — Aristoteles und die Peripatetiker <a href="#Seite_249">249</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Fünftes Kapitel. Anschauungen aus Theosophie, Deismus und Emanismus. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 28. <span class="gesperrt">Orphiker und Neu-Pythagoräer</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_255">255</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Orphiker <a href="#Seite_255">255</a>. — Neu-Pythagoräer <a href="#Seite_256">256</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 29. <span class="gesperrt">Indische Theosophie und Sufismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_258">258</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Indische Theosophie <a href="#Seite_258">258</a>. — Sufismus <a href="#Seite_260">260</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_x" id="Seite_x">[S. X]</a></span> - 30. <span class="gesperrt">Philon von Alexandrien</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_261">261</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 31. <span class="gesperrt">Der Logos und die Sophia</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_265">265</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Der Logos <a href="#Seite_265">265</a>. — Die Sophia <a href="#Seite_266">266</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 32. <span class="gesperrt">Die Gnostiker und Manichäer</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_267">267</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Dualistischer Gnostizismus <a href="#Seite_267">267</a>. — Monistischer Gnostizismus - <a href="#Seite_271">271</a>. — Goethes gnostische Dichtung <a href="#Seite_275">275</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 33. <span class="gesperrt">Der Neuplatonismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_277">277</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Plotinos und seine Lehre <a href="#Seite_277">277</a>. — Dionysios der Areopagite <a href="#Seite_280">280</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 34. <span class="gesperrt">Übergang zum Mittelalter</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_281">281</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Zurückdrängung der Gottheit <a href="#Seite_281">281</a>. — Augustinus <a href="#Seite_282">282</a>. — Scotus - Erigena, Prädestination und doppelte Wahrheit <a href="#Seite_283">283</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 35. <span class="gesperrt">Islamisch-arabische Theosophie</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_286">286</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Koran und Philosophie <a href="#Seite_286">286</a>. — Muatazile und Motakhallim - <a href="#Seite_287">287</a>. — Avicenna und Averroes <a href="#Seite_288">288</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 36. <span class="gesperrt">Jüdische Theosophie und Kabbala</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_290">290</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Salomon Ben Gabirol <a href="#Seite_290">290</a>. — Die Kabbala <a href="#Seite_291">291</a>. — Maimonides - und Jehuda Halevi <a href="#Seite_293">293</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 37. <span class="gesperrt">Die mittelalterliche Theosophie der christlichen - Scholastiker und Mystiker</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_293">293</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Scholastiker, Nominalisten und Realisten <a href="#Seite_293">293</a>. — Albert der - Große <a href="#Seite_294">294</a>. — Thomas von Aquino <a href="#Seite_296">296</a>. — Dante <a href="#Seite_297">297</a>. — Duns - Scotus <a href="#Seite_298">298</a>. — Roger Bacon <a href="#Seite_299">299</a>. — Anselm von Canterbury <a href="#Seite_300">300</a>. - — Hugo und Richard von St. Victor <a href="#Seite_300">300</a>. — Alanus, Bonaventura, - Gerson <a href="#Seite_303">303</a>. — Meister Eckehart <a href="#Seite_303">303</a>. — Ruysbroek <a href="#Seite_304">304</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 38. <span class="gesperrt">Theosophie und Emanismus in neuerer Zeit</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_305">305</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Untergang der Scholastik <a href="#Seite_305">305</a>. — Nicolaus Cusanus <a href="#Seite_306">306</a>. — - Gemistos Plethon <a href="#Seite_309">309</a>. — Marsilius Ficinus und Giovanni Pico - <a href="#Seite_309">309</a>. — Reuchlin und Agrippa <a href="#Seite_311">311</a>. — Pomponatius <a href="#Seite_313">313</a>. — - Die Reformatoren und ihre Nachfolger <a href="#Seite_314">314</a>. — Paracelsus <a href="#Seite_316">316</a>. - — Telesius und Patritius <a href="#Seite_317">317</a>. — Giordano Bruno <a href="#Seite_317">317</a>. — Campanella - <a href="#Seite_322">322</a>. — Jakob Böhme <a href="#Seite_323">323</a>. — Schelling und Krause - als Böhmianer <a href="#Seite_327">327</a>. — Baptist van Helmont u. a. <a href="#Seite_328">328</a>. — Ausgang - in die moderne Theosophie <a href="#Seite_330">330</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 39. <span class="gesperrt">Deistischer Rationalismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_333">333</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Descartes und der Cartesianismus <a href="#Seite_333">333</a>. — Geulincx, Malebranche - und der Okkasionalismus <a href="#Seite_336">336</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 40. <span class="gesperrt">Prästabilierte Harmonie, Determinismus, - Monaden, Korpuskeln, Realen, Samen</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_338">338</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Mercurius van Helmont <a href="#Seite_338">338</a>. — Leibniz, Monadologie und - prästabilierte Harmonie <a href="#Seite_340">340</a>. — Christian Wolff <a href="#Seite_345">345</a>. — Moses - Mendelssohn <a href="#Seite_345">345</a>. — Lessing <a href="#Seite_346">346</a>. — Herbart und die Realen <a href="#Seite_347">347</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="buch" colspan="2"> - Drittes Buch. Metaphysische und physische Welt- und Lebenanschauungen. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Sechstes Kapitel. Welt- und Lebenanschauungen des Idealismus. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 41. <span class="gesperrt">Phantomismus (Illusionismus), Eleaten, Skeptiker</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_350">350</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Phantomismus und Illusionismus der Indier <a href="#Seite_350">350</a>. — Die - Eleaten <a href="#Seite_351">351</a>. — Die Skeptiker <a href="#Seite_355">355</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_xi" id="Seite_xi">[S. XI]</a></span> - 42. <span class="gesperrt">Phänomenaler Idealismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_356">356</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Berkeley <a href="#Seite_356">356</a>. — Fichtes Phänomenalismus <a href="#Seite_358">358</a>. — Humes - Phänomenalismus <a href="#Seite_358">358</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 43. <span class="gesperrt">Kants transzendentaler Idealismus. Organisierte - Wesen und Naturzweck</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_359">359</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Kants transzendentaler Idealismus <a href="#Seite_359">359</a>. — Anschauungsformen - und Kategorien <a href="#Seite_360">360</a>. — Antinomien und Paralogismen - <a href="#Seite_362">362</a>. — Ideen und Ideale <a href="#Seite_364">364</a>. — Regulative Prinzipe - <a href="#Seite_365">365</a>. — Teleologie <a href="#Seite_367">367</a>. — Organisierte Wesen und Naturzweck <a href="#Seite_369">369</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 44. <span class="gesperrt">Ich, Nicht-Ich; Thesis, Antithesis, - Synthesis; Naturphilosophie</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_373">373</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Fichtes erste Philosophie <a href="#Seite_373">373</a>. — Schellings Idealismus und - Naturphilosophie <a href="#Seite_375">375</a>. — Hegel <a href="#Seite_376">376</a>. — Schleiermachers spinozistischer - Idealismus <a href="#Seite_378">378</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 45. <span class="gesperrt">Die Welt als Wille und Vorstellung, Pessimismus, - Philosophie des Unbewußten</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_379">379</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Schopenhauer und die Welt als Wille und Vorstellung <a href="#Seite_379">379</a>. — - Der Wille zum Leben, Pessimismus <a href="#Seite_384">384</a>. — Nietzsches Willenslehre - und Idealismus <a href="#Seite_385">385</a>. — Eduard von Hartmann und die - Philosophie des Unbewußten <a href="#Seite_386">386</a>. — Weltende <a href="#Seite_390">390</a>. — Andere - Idealisten <a href="#Seite_390">390</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Siebentes Kapitel. Spinozismus und Neuspinozismus sowie Neuidealismus. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 46. <span class="gesperrt">Spinozismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_390">390</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Spinoza und der Pantheismus, Substanz, Attribute und Modi <a href="#Seite_391">391</a>. — - Das System <a href="#Seite_392">392</a>. — Parallelität von Geist und Körper <a href="#Seite_393">393</a>. — - Transzendentalität <a href="#Seite_394">394</a>. — Ethik und Unsterblichkeit <a href="#Seite_395">395</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 47. <span class="gesperrt">Neuspinozismus und Neuidealismus</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_396">396</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Lotze <a href="#Seite_396">396</a>. — Fechner, Psychophysik <a href="#Seite_398">398</a>. — Wilhelm Wundt, - assoziative Psychologie <a href="#Seite_399">399</a>. — Riehl, Lasson u. a. <a href="#Seite_401">401</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Achtes Kapitel. Empirismus, Sensualismus, Realismus, Naturalismus, Positivismus. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 48. <span class="gesperrt">Die englische Trias: Bacon, Locke, Hume</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_402">402</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Bacon von Verulam und der Empirismus <a href="#Seite_402">402</a>. — John Locke - und der Empirismus, Sensualismus und Positivismus <a href="#Seite_402">402</a>. — - David Humes sensualistisch-positivistische Anschauung, Assoziationsprinzipe <a href="#Seite_407">407</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 49. <span class="gesperrt">Die weitere Entwicklung</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_411">411</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Condillac, Montesquieu, Rousseau u. a. <a href="#Seite_411">411</a>. — Beneke und - die Prädetermination <a href="#Seite_413">413</a>. — Comte und der Positivismus <a href="#Seite_415">415</a>. - — Eugen Dührings Wirklichkeitsphilosophie <a href="#Seite_416">416</a>. — Ernst - Machs sensualistischer Posivitismus <a href="#Seite_417">417</a>. — Herbert Spencer - und der Agnostizismus <a href="#Seite_420">420</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kap" colspan="2"> - Neuntes Kapitel. Physische Welt- und Lebenanschauungen. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Definitionen <a href="#Seite_421">421</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_xii" id="Seite_xii">[S. XII]</a></span> - 50. <span class="gesperrt">Materialismus und Mechanismus, Atomistik</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_422">422</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Der griechische Materialismus und die griechische Mechanistik - <a href="#Seite_422">422</a>. — Atomistik, auch indische und arabische <a href="#Seite_423">423</a>. — Epikuros, - Lucretius Carus <a href="#Seite_425">425</a>. — Materialismus und Mechanismus im - Mittelalter <a href="#Seite_428">428</a>. — Mechanistischer Monismus <a href="#Seite_428">428</a>. — Gassendi - <a href="#Seite_431">431</a>. — Hobbes <a href="#Seite_432">432</a>. — Boyle, Newton <a href="#Seite_434">434</a>. — Aufklärungsphilosophie - <a href="#Seite_434">434</a>. — Baron Holbach und das Système de la nature - <a href="#Seite_435">435</a>. — Lamettrie <a href="#Seite_437">437</a>. — Ludwig Feuerbach u. a. <a href="#Seite_438">438</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 51. <span class="gesperrt">Allgemeine und besondere Naturgesetze, - Entwicklungslehre</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_439">439</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Die Weltgesetze <a href="#Seite_439">439</a>. — Die Sondergesetze <a href="#Seite_443">443</a> .— Vererbungsgesetz - <a href="#Seite_444">444</a>. — Abstammungslehre <a href="#Seite_445">445</a>. — Urwesen <a href="#Seite_446">446</a>. — - Evolution und Epigenesis <a href="#Seite_447">447</a>. — Panspermie <a href="#Seite_447">447</a>. — Phylogenie - und Ontogenie, biogenetisches Grundgesetz <a href="#Seite_449">449</a>. — Morphologisch-biologische - Vererbungsgesetze, morphologische Potenz <a href="#Seite_450">450</a>. — Phylogenetische Evolution - <a href="#Seite_452">452</a>. — Restitution und Regeneration <a href="#Seite_453">453</a>. — Biologisch-harmonische - Gesetze, Regulationen <a href="#Seite_453">453</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 52. <span class="gesperrt">Energetische Anschauungen; Ostwald und Häckel</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_454">454</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Ostwalds physische und psychische Energetik <a href="#Seite_454">454</a>. — Zwiespältigkeit - der Energie <a href="#Seite_457">457</a>. — Scheinmonismus <a href="#Seite_458">458</a>. — Energetik - und Mechanistik <a href="#Seite_459">459</a>. — Häckel als Spinozist <a href="#Seite_461">461</a>. — Psychom - und Psychoplasma <a href="#Seite_461">461</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="ukap"> - 53. <span class="gesperrt">Über die physischen Welt- und Lebenanschauungen - überhaupt; Weltende, Unsterblichkeit</span> - </td> - <td class="ste"> - <a href="#Seite_463">463</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="thema"> - Gang der physischen Welt und Weltende <a href="#Seite_463">463</a>. — Anfang der - Welt und Schöpfung <a href="#Seite_464">464</a>. — Endlichkeit der Welt <a href="#Seite_466">466</a>. — - Zehnders Bild der Lebenmechanistik <a href="#Seite_467">467</a>. — Die psychischen - Energien als auslösende <a href="#Seite_468">468</a>. — Zusammenwirken der physischen - und psychischen Energien <a href="#Seite_470">470</a>. — Schwierigkeiten aus - den regulierenden psychischen Tätigkeiten <a href="#Seite_473">473</a>. — Was eine - physische Theorie des Lebens zu leisten hätte <a href="#Seite_477">477</a>. — Unmöglichkeit - einer physischen Theorie des Lebens <a href="#Seite_479">479</a>. — Unsterblichkeit - aus einem physischen Weltgesetz <a href="#Seite_479">479</a>. — Auerbachs Ektropismus - <a href="#Seite_480">480</a>. — Du Bois Reymonds Welträtsel und Ignorabimus - <a href="#Seite_483">483</a>. — Letzte Anschauung <a href="#Seite_484">484</a>. - </td> - <td class="ste"> - - </td> - </tr> -</table> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_1" id="Seite_1">[S. 1]</a></span></p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="VORBEMERKUNGEN"><span class="s5">VORBEMERKUNGEN.</span><br /> - -Charakteristik, Prinzipe und Einteilung der Welt- und -Lebenanschauungen.</h2> - -</div> - -<h4>1. <span class="gesperrt">Bedeutung der Welt- und -Lebenanschauungen</span>.</h4> - -<p>Es liegt schon in der Natur des Menschen, von sich selbst und von -allem, was ihn umgibt und störend oder unterstützend in sein Leben -eingreift, sich eine Ansicht zu bilden. Vielfach und bedeutungsvoll -sind die Fragen, die dabei gestellt werden, und mit deren Beantwortung -die Menschheit, seit sie ihrer sich bewußt ist und die Fähigkeiten -ihrer Seele auch geistig anzuwenden gelernt hat, sich müht und -plagt. Und diese Beantwortung bildet eine Welt- und Lebenanschauung; -vollständig, wenn sie alle Fragen betrifft, fragmentarisch, wenn -sie nur in das Einzelne dringt. Es gibt Anschauungen, die nur aus -träger Gedankenlosigkeit oder aus trotziger Verbitterung oder gar aus -pathologischer Denkweise hervorgehen. Diese lassen wir beiseite. Die -Weltanschauungen, mit denen wir es hier allein zu tun haben, können -auf naiver Naturbetrachtung und naivem Egoismus beruhen, sodann auf -Kultgebräuchen und Religionslehren, auf philosophischen Untersuchungen -und Meinungen, endlich auf naturwissenschaftlichen und soziologischen -Feststellungen. Alle diese Grundlagen mögen gesondert stehen oder -miteinander verbunden sein. Bei wenigen Menschen haben die Anschauungen -nur eine objektive, rein wissenschaftliche Bedeutung. Die meisten -wollen neben der Erkenntnis auch eine Beruhigung für das<span class="pagenum"><a name="Seite_2" id="Seite_2">[S. 2]</a></span> Dasein und -darüber hinaus gewinnen. Indessen bilden sich eine eigene Anschauung -nur wenige Menschen. Den anderen wird sie durch Erziehung oder -Religionsvorschriften eingeimpft. Letztere waren ja früher gerade bei -den Kulturvölkern von so zwingender Gewalt, daß eine andere Anschauung -als die, welche die Religion allein zuließ, gar nicht gehegt, -geschweige geäußert werden durfte. Viele standen und stehen freiwillig -unter dieser zwingenden Gewalt, indem die Glaubenssätze der Religion -für sie über jeden Zweifel erhaben sind. Andere beugten und beugen -sich ihr aus Weltklugheit oder weil das Beispiel des Widerstandes sie -schreckte. Auch Lehren, die gerade mit besonderer Kraft ausgesprochen -sind oder in Mode stehen, werden gerne ergriffen. Denn es handelt sich, -wenn man eine Welt- und Lebenanschauung sich bilden will, immer um eine -tiefe und schwere Gedankenarbeit, und mitunter um einen harten Kampf -mit sich selbst und mit Anderen. Und bei der Unsicherheit des Kennens -und Erkennens fällt der Mensch von Zweifeln in Zweifel und nimmt darum -gerne an, was ihm autoritativ übermittelt ist. Mitunter muß der Name -an Stelle der Sache treten. Wie wenige von einer Religionsgemeinschaft -wissen, was eigentlich die Lehren dieser Religion sind, zumal, wenn -diese Lehren von vornherein als „geoffenbart“ vorgetragen werden. Viele -wollen sie gar nicht einmal wissen; die symbolischen Formeln genügen -ihnen, das übrige soll der Seelsorger verantworten. Und was hat für -die meisten Nietzscheaner Nietzsche eigentlich gelehrt? Man darf nicht -fragen, ohne auf die hohlsten Redensarten zu stoßen, wenn man überhaupt -eine Antwort und nicht eine Widerfrage oder eine Abweisung erhält. Am -ehesten auf eine bestimmte sachliche Welt- und Lebenanschauung stößt -man bei Naturmenschen und bei unreifer Jugend, nur daß es sich dabei -teils um widersinnige, teils um töricht übereilte Äußerungen handelt. -Für die Naturvölker werden wir das später eingehend verfolgen, da -es ein anthropologisches Interesse hat. Wer die junge Kulturwelt -belauschen will, braucht nur ihre modernen Dichtungen zu lesen, die bei -schönen Worten und reizvollen Wendungen<span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span> gedanklich oft recht blühenden -Unsinn enthalten und Anschauungen wiedergeben oder erraten lassen, -bei denen selbst einen mild urteilenden harte Ungeduld ergreift. Die -ernst und selbständig denken, suchen sich allmählich zu einer sie -befriedigenden Welt- und Lebenanschauung durchzuringen. Da hierzu -auch Kenntnisse gehören und namentlich auch Disziplin des Denkens, -kommen nur sehr wenige Begünstigte schon früh zu einer brauchbaren -solchen Anschauung. Viele gelangen erst in späten Jahren dazu, und -noch mehr mühen sich ihr Leben hindurch umsonst ab und müssen sich mit -einem Stück einer Anschauung oder mit mehreren Anschauungen begnügen, -zwischen denen sie nicht zu vermitteln vermögen.</p> - -<p>Ich habe unbestimmt von einer Welt- und Lebenanschauung gesprochen. -Die Welt- und Lebenanschauung gibt es noch nicht. Selbst bei den -Kulturvölkern sind unzählige Anschauungen im Schwange, und eine -Anschauung wird von der anderen bekämpft, und von jeder Anschauung -kann man nachweisen, daß sie hier oder da unrichtig sein muß, von -keiner aber, daß sie richtig ist. Die wichtigsten Dinge, die in einer -Welt- und Lebenanschauung zur Sprache kommen, sind zeitlich, räumlich -und sinnlich unerreichbar. So ist niemand bei der Schöpfung zugegen -gewesen; der eine kann sie also ganz leugnen, der andere ebenso sicher -absolut bejahen. Daher handelt es sich hier fast ausschließlich um -Meinungen. Und diejenige Meinung wird die größte Wahrscheinlichkeit -für sich haben, welche mit den Vorgängen im All, jetzt und früher, am -besten in Einklang ist. Hier aber spielen subjektive Ansichten mit, -gerade wie in der Religion; und was dem einen erwiesen scheint, weist -der andere weit von sich. Und wie oft geradezu Widersinniges für sicher -genommen wird, werden wir an vielen Beispielen sehen. Ich habe einmal -in einer sehr wichtig und bedeutend tuenden Broschüre gelesen, unsere -Welt sei die Schlacken oder auch die Auswurfstoffe aus der vierten -Dimension. Wie töricht! wird der Leser ausrufen. Aber wir haben noch -viel seltsamere Ansichten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span></p> - -<div class="section"> - -<h4>2. <span class="gesperrt">Naturvölker und Kulturvölker</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir unterscheiden zunächst die Anschauungen der <span class="gesperrt">Naturvölker</span> von -denjenigen der <span class="gesperrt">Kulturvölker</span>. Die Völker der <span class="gesperrt">Halbkultur</span> -folgen wesentlich den Naturvölkern. Auch steht so mancher Kulturmensch -ganz auf dem Standpunkt des Wilden. Trifft er sich dort, so mag er in -sich gehen und in die ihm gehörige Klasse überwandern.</p> - -<p>Einfacher und doch verworrener sind die Anschauungen der Naturvölker -als die der Kulturvölker. Wie es unendlich viele Mühe gemacht hat, -in die Religion der Naturvölker einige sichere Einsicht zu erhalten, -weil auf Befragen nicht bloß fast jedes Dorf, sondern fast jeder -Befragte etwas besonderes erzählt, so verhält es sich hinsichtlich -der Weltanschauungen. Gemeinsame Lehren ergaben sich nämlich bald, -weil ihre praktische Betätigung in unmittelbare Erscheinung trat. Aber -Meinungen und Anschauungen hatte jeder für sich. Und dabei handelte es -sich nicht einmal immer um Verlegenheit vor dem Frager und Mißtrauen -gegen ihn, sondern einfach um Mangel an Ansicht und Unüberlegtheit. -Wie viele Kulturmenschen würden auf Befragen nach ihrer Weltanschauung -bestimmt antworten können oder wollen? Und wo sie eine solche -Anschauung besitzen, würden sie in Staaten mit polizeilichen oder -kirchlichen Gewalten aus Furcht vor Nachteilen, sonst in dem unbequemen -Gefühl, etwas Törichtes zu sagen, noch weit mehr mit ihren Meinungen -zurückhalten als ein Naturmensch, oder sich mit Ausflüchten helfen. -Als ich mich mit der Religion der ozeanischen Völker beschäftigte, -fiel es mir auf, daß von den unzähligen Namen für Götter und Helden, -welche in einem Hauptwerk hierüber, Greys „Polynesian Mythology“, -enthalten sind, kaum zwei in den sehr vielen Angaben der Seefahrer -des achtzehnten Jahrhunderts (Cooks, Wilsons, Pokocks u. a.) sich -finden. Die bei weitem wichtigste Bezeichnung für Götter und Dämonen in -diesen Angaben, Eatooa oder Atoa oder ähnlich, sucht man in gleicher -Eigenschaft in Greys Werk vergeblich. Ein anlautender Name kommt<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span> -wohl vor, er bezeichnet aber eine Insel oder einen Distrikt. Nur die -Namen Tane und Maui scheinen zeitlich und räumlich sehr verbreitet zu -sein. Frobenius, in seinem Buche „Die Weltanschauung der Naturvölker“ -hat sich der Mühe unterzogen, für die afrikanischen Völker den Namen -einer der bekanntesten Gottheiten durch die Stämme zu verfolgen. Er -geht von dem Namen Tschuka aus, der bei den Ibo und in Kalabar einfach -Gott bedeuten soll, und stellt mehr als fünfzig Namen auf, die jenem -Namen entsprechen sollen, darunter solche wie Rupe, Ndsakumba und -ähnliche, die nicht entfernt mehr an den Ausgangsnamen erinnern. Das -kann und wird zum Teil an den abweichenden Sprachen liegen, wie wir -ja für unser „Gott“ selbst unter den Indogermanen um eine ähnlich -lautende Bezeichnung verlegen sind. Dann aber muß man sich wundern, -daß Hottentotten und Buschmänner, die eine von den eigentlichen -Bantu-Negern des mittleren Afrika ganz verschiedene Rasse bilden, fast -den gleichen Namen für Gott besitzen wie die ihnen so fernen Neger des -oberen Kongo, Touquo und Tuiko gegen Tuku (vermehrt Tuku-Tuku), während -fast sich berührende Stämme der gleichen Rasse und anscheinend des -gleichen Sprachstammes ganz abweichende Namen aufweisen. Bei den Yoruba -an der Nigermündung heißt es Dso oder Zo, wie in dem weit entfernten -Saumgebiet Ostafrikas. Aber in dem nahen Kamerun soll man das gleiche -mit Loba, Lebe, Rubi bezeichnen, wie ähnlich mit Lubari in Uganda, wo -ja auch Dso oder Zo bestehen soll, und wo als eigentlicher Name des -Schöpfers Kitonda angegeben wird. Vieles muß also an den verschiedenen -Angaben liegen, die im gleichen Bezirk von verschiedenen Personen -dem gleichen oder einem anderen Forscher gemacht werden. Anderes an -der kindlichen Gewohnheit der Naturvölker, Namen beliebig zu ändern -oder zu verdrehen. Wer Reisewerke miteinander vergleicht oder die -Namen in Atlanten und anderen Werken sucht, gerät mitunter in helle -Verzweiflung. Gegenwärtig kommt noch dazu, daß die meisten Naturvölker -schon mit Kulturmenschen durchsetzt sind und vieles Kulturelle, -namentlich Religiöse,<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> von ihnen gehört und in sich aufgenommen haben. -Neuere Mitteilungen über Ansichten von Naturvölkern können darum -nur mit größtem Mißtrauen benutzt werden, namentlich, wenn sie an -Kulturansichten erinnern. Und da die älteren Reisenden meist weder -die Kenntnisse noch das Interesse besaßen, sich wirklich genau über -die besuchten Völker zu orientieren, sondern nur allzu gerne sich die -tollsten Lügen aufbinden ließen, um zu Hause die merkwürdigsten Fabeln -erzählen zu können, so sieht es eigentlich mit Untersuchungen über die -Welt- und Lebenanschauung der Naturvölker übel aus. In den Märchen -und Erzählungen, die uns von den Naturvölkern vorgetragen werden, -sind Züge reinster Empfindung und Tugend und dicht daneben Roheiten -entsetzlichster Bestialität. Ganz wie in den Sagen der alten Griechen. -Wer kann die rührende Szene zwischen Hektor und Andromache mit der -scheußlichen des Totenopfers für Patroklos vereinigen? Wir kommen -dadurch auf einen Punkt, der von großer Bedeutung ist und uns noch -beschäftigen wird.</p> - -<p>Für die <span class="gesperrt">Kulturvölker</span> scheint die Untersuchung einfacher und -sicherer zu sein, hier ist ja so vieles durch Tradition und Schrift -bekannt. Aber das Ungeheuere des Materials wirkt erdrückend. Es -prahlte jemand mit seinem Fleiße und rechnete so viel Tätigkeit -zusammen, daß für den Tag 26 Stunden Arbeit herauskamen. Selbst dieser -Zauberkünstler wäre nicht imstande, das Material auch nur zum vierten -Teil zu bewältigen, und wenn er Methusalems Alter erreichte. Man muß -sich darum auf Hauptansichten und Hauptwerke beschränken. Und dieses -darf um so eher geschehen, als wahrhaft große Meinungen nur spärlich -erblüht sind, und als unglaublich Viele bewußt und unbewußt die Wege -der Großen wandeln. Das ist kein Tadel; und wer in mühseliger Arbeit -das gefunden hat, was einem Großen vor ihm schon als Geschenk des -Genies eingefallen ist, darf mit Fug und Recht stolz sein und alberne -Kritik aus Zusammengelesenhaben ablehnen. Eine solche Arbeitsvermehrung -nimmt man gerne entgegen. Eine andere Schwierigkeit liegt in dem Mangel -an Bestimmtheit in so vielen Meinungen<span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span> und Schriften. Wir werden von -zwei wilden Rossen nach entgegengesetzten Richtungen gezogen, dem -Verstand und dem Gefühl. Mancher wird innerlich zerrissen, viele geben -wenigstens dem einen oder dem anderen etwas nach. Kommt noch dazu -die menschliche Gebundenheit um des bloßen Lebens willen an anderer -Meinung, etwa die bemerkte an Staat und Kirche, so ergibt sich ein -weiteres Schwanken. Hat man doch dem großen Kant Inkonsequenzen in -seinem philosophischen System vorgeworfen. Und wer weiß so recht, was -Fichtes oder gar Schellings eigentliche Philosophie gewesen ist, da -man doch von jedem von ihnen mehrere ganz abweichende Philosophien -hat? Und da bei weitem die meisten Menschen inkonsequent sind, die -einen aus Anlage, die anderen aus ehrlichem Zweifeln, so berührt uns -ein ganz konsequenter Mann oder eine ganz konsequente Ansicht fast -unheimlich. Wir werden sehen, daß auf unserem Gebiete davon nur sehr -wenig vorhanden ist. Man kann fast sagen: mitunter zum Glück für die -Menschheit. Denn mit absoluter Konsequenz ist oft Fanatismus und mit -diesem Verfolgungssucht verbunden, die sich in der konsequentesten -Religion, der katholischen, in so entsetzlichen Taten geäußert hat, -und eine Herrschernatur wie Innozenz III., trotz so großer Leistungen, -durch die Ausmordung Tausender andersdenkender unschuldiger Menschen -fast fluchbeladen erscheinen läßt.</p> - -<div class="section"> - -<h4>3. <span class="gesperrt">Hauptfragen und Stammannahmen (principia,</span> -ἀρχαὶ<span class="gesperrt">) der Welt- und Lebenanschauungen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Der Leser sieht, welch umfangreiche Arbeit hier zu bewältigen -ist, und wie alles nur in großen Zügen zur Darstellung kommen -kann. Doch habe ich die Absicht, weit über die engen Grenzen der -Spezialbetrachtungen hinauszugehen, die immer nur einzelne Klassen -der Menschheit betraf. Ich möchte vorführen, was der Mensch allgemein -an Welt- und Lebenanschauungen geschaffen hat; nicht diese oder jene -Philosophenschule, diese oder jene Religion,<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> dieses oder jenes Volk. -Unter solchen Umständen ist eine gewisse Systematik unausweichlich, -sonst verläuft man sich in der Fülle des Gebotenen und gerät in Gefahr, -die Darlegung in Phrasen aufzulösen. Und nirgends ist diese Gefahr so -groß und sind ihr so viele Schriftsteller erlegen als gerade auf dem -Gebiete, mit dem wir uns hier beschäftigen sollen. Was Prinz Heinz -von seinem dicken Freunde bei der Musterung seiner Rechnungen gesagt -hat, und ich einmal einen berühmten Nationalökonomen auf einem Kommers -auf die Universitätsvorlesungen habe anwenden hören, soll uns zur -Warnung dienen. Gründlichkeit hier, Schmuckrede dort, zwischen diesen -Symplegaden müssen wir unser Schifflein hindurchsteuern.</p> - -<p>Fast jede Weltanschauung geht von einer Stammannahme oder von mehreren -Stammannahmen aus. Es muß daher von großer Bedeutung für die Ordnung -des Vortrags sein, wenn vor allem diese Stammannahmen vorgeführt -werden. Vollständig dieses zu tun ist für einen beschränkte Zeit -lebenden Menschen nicht möglich, wegen der unendlichen Menge von -Büchern, die er lesen müßte. Nachdem ich mich aber durch so viele Jahre -frei und veranlaßt in so vielen Wissenschaften umgesehen habe, glaube -ich, daß in der nachfolgenden Aufzählung Wichtigeres nicht fehlen -wird. Sollte der Leser noch eine und eine andere Annahme wissen, so -füge er sie gütigst hinzu; wir sind alle gerne Kärrner der Königin -Wissenschaft. Die Annahmen gehen aber auf</p> - -<ul class="aufz1"> - <li>den Grund des Alls und den der Einzelnen,</li> - <li>den Bestand des Alls,</li> - <li>das Wesen der Dinge,</li> - <li>das Wesen und den Grund der Geschehnisse,</li> - <li>die Entwicklung des Alls,</li> - <li>das Ende des Alls,</li> - <li>das Ende der Einzelnen.</li> -</ul> - -<p>Das sind sieben Hauptpunkte. Es ist nicht angängig, die allgemeine -Liste ganz nach diesen Hauptpunkten einzurichten; die Behandlungen -müßten vielfach durcheinander gehen und sich verschlingen, wodurch -viele unnötige und störende<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span> Wiederholungen entstehen würden. -Gleichwohl ist die nachfolgende Liste unterteilt, und zwar derartig, -daß sie in einiger Beziehung sich den Hauptpunkten anschmiegt. Wenn -manche Hauptpunkte in der Liste nicht berücksichtigt zu sein scheinen, -so ist es in der Tat nur ein „scheinen“. Durch gehörige Untersuchung -der Stammannahmen und namentlich auch durch Verbindung zweier oder -mehrerer von ihnen werden auch diese Hauptpunkte zur Erledigung -gebracht.</p> - -<p>Die Liste enthält vier Klassen: phantomistische Annahmen, -wesenheitliche, wesenheitlich-begriffliche, begriffliche. Es kommt auf -die absolute Richtigkeit der Benennungen nicht an, diese müssen nur -durchschnittlich zutreffen und können es auch nur. Nun möge die Liste -selbst folgen.</p> - -<ol class="aufz2a"> - <li><span class="gesperrt">Phantomistische</span>.<br /> - <div class="mleft-05"> - 1. Nichts,<br /> - 2. Traum,<br /> - 3. Schein. - </div></li> - <li><span class="gesperrt">Wesenheitliche</span>.<br /> - <div class="mleft-05"> - 4. Das (indisch Tad),<br /> - 5. Etwas,<br /> - 6. Urwesen, Ding an sich, Substanz,<br /> - 7. Gott,<br /> - 8. Götter (in allen Abstufungen),<br /> - 9. Weltgeist,<br /> - 10. Schöpfer (Schöpfung),<br /> - 11. Vernichter, Satan, Widergott,<br /> - 12. Weltseele,<br /> - 13. Einzelseele,<br /> - 14. Weltvernunft,<br /> - 15. Einzelvernunft,<br /> - 16. Emanation,<br /> - 17. Chaos, Urmaterie,<br /> - 18. Materie (auch Elemente und Körper),<br /> - 19. Energie, Entropie,<br /> - 20. Psychoma. - </div></li> - <li><span class="gesperrt">Wesenheitlich-begriffliche</span>. - <div class="mleft-05"> - 21. Sein, Nichtsein,<br /> - 22. Werden, Vergehen,<br /> - 23. Ruhe, Erregung,<br /> - 24. Attribute,<br /> - 25. Ideen,<br /> - 26. Formen,<br /> - 27. Modi (auch Essenzen und Bilder),<br /> - 28. Monaden (auch Realen),<br /> - 29. Zahl,<br /> - 30. Raum (auch Leere),<br /> - 31. Zeit,<br /> - 32. Harmonie,<br /> - 33. Disharmonie (auch Entzweiung in sich). - </div></li> - <li><span class="gesperrt">Begriffliche</span>. - <div class="mleft-05"> - 34. Gut,<br /> - 35. Böse,<br /> -<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> - 36. Liebe (auch Anziehung),<br /> - 37. Haß (auch Abstoßung),<br /> - 38. Streit,<br /> - 39. Zwang (absoluter),<br /> - 40. Notwendigkeit,<br /> - 41. Anlage (auch Prädestination, Prästabilisation),<br /> - 42. Unfreiheit, Determinismus,<br /> - 43. Ursächlichkeit,<br /> - 44. Beschränktheit,<br /> - 45. Zweckmäßigkeit (Teleologie, auch Instinkt),<br /> - 46. Entwicklung,<br /> - 47. Produktion und Reaktion (auch Regulative),<br /> - 48. Parallelismus,<br /> - 49. Gelegenheitlichkeit,<br /> - 50. Zufall, Association,<br /> - 51. Freiheit,<br /> - 52. Unbeschränktheit. - </div></li> -</ol> - -<p>Die Liste sieht bunt genug aus; es soll ja aber auch ein allgemeiner -Überblick über die Welt- und Lebenanschauungen gegeben werden. -Wir könnten nun weiter so verfahren, daß wir einfach die obigen -Stammannahmen einzeln und zu zweien oder mehreren nehmen, so würden wir -schon eine große Zahl aller bisher entwickelten Anschauungen gewinnen. -Aber die Liste soll uns nur im einzelnen leiten. Die Betrachtung führen -wir allgemein.</p> - -<div class="section"> - -<h4>4. <span class="gesperrt">Vergleichung der Anschauungen, -Parallelen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Drei Hauptaufgaben haben wir zu erfüllen: die Anschauungen einzeln -oder in Klassen vorzuführen, sie auf ihre theoretische und praktische -Bedeutung zu untersuchen, sie miteinander zu vergleichen. Über die -beiden ersten Aufgaben ist nichts besonderes mehr zu sagen. Die dritte -Aufgabe aber gibt zu einer wichtigen Bemerkung Anlaß. Die Vergleichung -kann zu zwei Zwecken geschehen. Einmal um die Kulturzustände der Völker -oder Zeiten, innerhalb deren die Anschauungen geäußert sind, gegen -einander abzuwägen. Sodann um über die Priorität einer aufgestellten -Anschauung zu entscheiden. Das erstere gehört nur zu sehr geringem -Teil hierher, da wir ja keine Kulturgeschichte schreiben, und wird -sich meist bei den Vorführungen selbst erledigen. Das zweite lassen -wir fort, sofern es sich um Prioritäten einzelner Personen handelt. -Diskussionen hierüber haben nur dann einen Wert, wenn mit der Priorität -auch der Sinn<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> der Anschauung verbunden ist, den wir ja bei einem -gedankentiefen Manne immer eine Stufe höher verstehen müssen als bei -einem mittelmäßigen Kopf, wenn der Ausdruck der Ansicht dazu Raum -läßt. Nun aber werden Anschauungen nicht bloß von einzelnen Personen -ersonnen, sondern, wie Lieder, von einem ganzen Volke, so daß es -sich um Volksanschauungen handelt. Dann können Völker miteinander in -Wettbewerb treten und hat die Frage nach der Priorität doch große -Bedeutung. Ich darf nur an den Streit Babel und Bibel erinnern, der -mit so außerordentlicher Heftigkeit in unseren Tagen geführt worden -ist. Und gerade an diesen Streit kann ich anknüpfen. Er entsprang aus -behaupteten Ähnlichkeiten zwischen der Literatur der Babylonier und -gewissen Teilen der Bibel, so daß die erstere Vorläufer und Muster -für die Erzählungen und die Lehren der Bibel sein sollte. Auch ganz -abgesehen davon, ob die Ähnlichkeiten wirklich so bedeutend sind, daß -man es wagen dürfte, ein Werk wie die Bibel in wichtigsten Teilen -der Originalität zu entkleiden, machte sich in diesem Streit eine -verblüffende Außerachtlassung aller Errungenschaften der Anthropologie -geltend. Längst haben die Anthropologen erkannt, daß die Menschheit -eine auffallend gleichartige Masse bildet, daß Gebräuche, Gedanken -und Vorstellungen sich oft an den entferntesten Punkten der Erde in -gleicher Weise vorfinden. Ein so ekelhafter und so seltsamer Brauch -wie das Auffangen und Verwenden der Fäulnisflüssigkeit des Leichnams -zeigt sich im Herzen Afrikas und auf weit abliegenden ozeanischen -Inseln. Die Entstehung der Menschen aus Bäumen oder Steinen wird fast -auf der ganzen Erde erzählt. Reineckes Streiche und Schlauheiten, nur -übertragen auf Hasen und Schakale, geben auch den verschiedensten -Negerstämmen Stoff zum Lachen. Märchen fast des gleichen Inhalts finden -sich bei Völkern, die weder sprachlich noch stammlich zusammenhängen. -Ich habe mir mehr als zwanzig Ähnlichkeiten sogar im Einzelnen -zusammengestellt. Eine sehr seltsame und sehr wichtige, daß nämlich -die Wasser über dem Himmel der Bibel in Ozeanien sich wiederfinden,<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span> -habe ich schon in meinem Buche „Die Entstehung der Welt und der -Erde nach Sage und Wissenschaft“ hervorgehoben. Ich kann hier mit -noch einer, nicht minder bedeutenden, vielleicht noch bedeutenderen -aufwarten. Nach der Bibel schafft Gott zwischen den Wassern eine -Dehnung, wodurch die Scheidung zwischen Himmel und Erde bewirkt -wird. Bei den Neuseeländern sind Himmel und Erde ursprünglich auch -aufeinander und der Gott Tane-mahuta trennt sie, daß ein Zwischenraum -zwischen ihnen entsteht. Geschieht letzteres auch grobsinnlich — -der Gott stemmt den Kopf gegen die Erde, Papa, und die Füße gegen -den Himmel, Rangi, und drückt so diese Gatten auseinander — die -Sache ist doch die gleiche, das Schaffen der Ausdehnung zwischen -Himmel und Erde. — Der Neuseeländische Maui wird von seiner Mutter, -eingewickelt in einen Wulst ihrer Haare, ins Meer geworfen, von -den Wogen ans Land gespült und dort aufgefunden und erzogen. Damit -vergleiche man die Kindheitsgeschichte Mose. Der Hauptunterschied -besteht nur darin, daß Mose von einer Königstochter aufgenommen -wird, Maui von einem männlichen Vorfahr. — Die Polynesier haben -Schwanenjungfrauen wie wir und mit fast den gleichen Erzählungen. — Ra -kennzeichnet in Ozeanien den Sonnengott, genau wie im alten Ägypten. -— Fast noch verwunderlicher ist, was Max Müller mitteilt, daß einem -Zwillingsgötterpaar der indischen Mythologie, Yama und Yami, ein -anderes, Yame und Yama, mit gleicher Bedeutung in Peru entspricht. Nun -denke man, welche wilde Theorien unsere Babylonier darauf gegründet -haben, daß im Babylonischen, das doch eine Schwestersprache des -Hebräischen ist, ein Wort sich fand, das an Jehova anklang! Und Indien -und Peru, Altägypten und Ozeanien! — Josuas Wunder, daß die Sonne auf -sein Geheiß stehen bleibt, ist von vielen Ozeaniern nachgeahmt, z. B. -bis ein Haus fertig ist oder ein Wanderer seinen Weg zurückgelegt hat. -— Totenschiff und Totenführer kennen nicht bloß die Griechen, sondern -auch die Polynesier und einige Afrikastämme und Indianer. — Maui raubt -das Feuer wie Prometheus. — Solare Gottheiten<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span> der Neger erregen -Krankheiten durch Wurfgeschosse wie Apollon. — Gleich den Israeliten -geht ein Hottentottenheros, Heitsi-Eibibs, durch das Wasser, das sich -vor ihm spaltet und wie dort über dem Verfolger zusammenschlägt. — -Ich könnte noch viel mehr anführen, Regenbogen, Weltei, Wahrsagekunst, -Jonas und anderes betreffend. Aber ich glaube, daß die obige kurze -Aufzählung schon genügt darzutun, wie außerordentlich vorsichtig man -bei Schlüssen aus Ähnlichkeiten sein muß. Diese Vorsicht muß aber geübt -werden, sonst kann man hinsichtlich der Völkerzusammenhänge zu den -bösesten Schlüssen kommen. Wir werden später noch vieles andere kennen -lernen, was auf gleichem Gebiete liegt, Ost und West, Nord und Süd -verbindet und seine Wurzel eben in Zufall oder in der Gleichartigkeit -des Menschengeschlechts hat. Im allgemeinen kann man sagen, daß alles -Entlehnte sich ziemlich bald durch Mißverständnis, Unstimmigkeit und -Gezwungenheit verrät. Echtes, Eingeborenes, geht frei nach rechts -und links ausgreifend und entwicklungsfähig einher. Doch sollen die -Schwierigkeiten bei der Scheidung nicht verkannt werden.</p> - -<div class="section"> - -<h4>5. <span class="gesperrt">Einteilung der Welt- und -Lebenanschauungen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Man teilt die Welt- und Lebenanschauungen in zwei Klassen ein, in -<span class="gesperrt">monistische</span> und <span class="gesperrt">pluralistische</span> oder <span class="gesperrt">multistische</span> -(dualistische, trialistische usf.). Die erstere Klasse soll -Anschauungen enthalten, die, von einem Gesichtspunkt ausgehend, das -gesamte All, ohne irgend eine Ausnahme darin, als eine Einheit mit -zeitlich und räumlich unbegrenzt gleichen Eigenschaften betrachten. So -z. B. behauptet der bekannteste Monismus — den ich hier nicht mit dem -unzureichenden und irreführenden Beiwort: materialistischer, sondern -allgemeiner und treffender: physischer Monismus bezeichnen will —, -daß das gesamte All, belebt und unbelebt, stets und überall nur von -den Erscheinungen, die wir in der unbelebten Natur kennen, erfüllt und -beherrscht worden ist, wird und werden wird. Ihm gegenüber<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span> betrachtet -der Dualismus die Welt von zwei unabhängigen Gesichtspunkten, z. B. -indem er das All durchaus in Leben und Nichtleben, in Körper und Geist, -in Gott und Welt usf. teilt. Noch weiter würde die Teilung gehen im -Trialismus, Tetralismus usf. Dabei käme es eigentlich darauf an, daß -die Trennungen im Pluralismus absolute sind. Derartige Anschauungen -besitzen wir nicht recht; es läßt sich nicht vermeiden, daß eines in -das andere eingreift. Indessen gibt es, wie wir noch sehen werden, -einen wirklichen Monismus auch noch nicht. Überhaupt bringt es der -Gegenstand mit sich, daß keine der Anschauungen auch nur theoretisch, -geschweige praktisch, durchaus konsequent ist, wenigstens wenn man sie -sachlich und nicht bloß nach den Behauptungen untersucht. Mitunter -erscheinen die Anschauungen der Wilden, namentlich in ihrer praktischen -Anwendung, bei weitem konsequenter als die der Kulturmenschen. Und das -hat seinen guten Grund, den wir noch kennen lernen werden.</p> - -<p>Der obigen Einteilung werden wir nur bei den einzelnen Anschauungen -Rechnung tragen können. Allgemein werden wir drei Hauptklassen -unterscheiden: psychisch-religiöse, religionsphilosophische, -philosophisch-physische, und werden darunter finden: -irdisch-menschliche, irdisch-göttliche, religiöse, psychische -(auch geistige), philosophische (metaphysische), physische -(naturwissenschaftliche); phantomistische, theosophische, mystische -Anschauungen. Die drei letzten sind durch das Semikolon absichtlich -von den anderen getrennt; sie bedeuten eine eigenartige Gattung -von Anschauungen diesen gegenüber, in der Phantasie und Grübelei -eine besonders große Rolle spielen. Aus den ineinandergreifenden -Benennungen in den Hauptklassen sieht der Leser schon, daß auch -hier scharfe Scheidungen nicht vorhanden sind. Und wie sollten auch -solche Scheidungen bestehen! Jede Anschauung wird regiert durch -Erfahrung, Wunsch, Religion und Nachdenken. Die Erfahrung gibt die -Welt wie sie ist, oder wenigstens erscheint, das ist das Physische. -Der Wunsch richtet sich auf den Gang der Welt in bezug auf uns und -auf andere, als positiver und negativer Egoismus, bedeutet also das -Irdisch-menschliche.<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> Die Religion ist bei den meisten verdeckter -Egoismus, und zwar natürlicher Egoismus, der, berechtigt, auf -Erhaltung seiner selbst und anderer geht, aber auch häßlicher, der -die Gottheit oder die Weltordnung zur Demütigung, Dienstbarmachung -oder gar Vernichtung des Anderen sich zum Vorteil oder nur zur -Schadenfreude herbeiruft. Bei anderen, wie bemerkt, und wiederum -recht vielen, ist sie lediglich gedankenloses Anhängen an bestimmte -Satzungen. Verhältnismäßig die Minderzahl faßt die Religion innerlich -mit tiefem Fühlen und fester Überzeugung auf. Endlich das Nachdenken, -das philosophische, sucht die unmittelbare Erfahrung der äußeren -und inneren Welt zu verknüpfen; Widerstrebendes zu vereinigen, das -Mannigfaltige zu vereinheitlichen und aus allem diesen das Gewirr -der Welt und des Lebens unter wenige Gesichtspunkte zu bringen, die -auch Schlüsse auf Unbekanntes und Zukünftiges gestatten. Dazu können -wir getrost auch das Phantasieren und Grübeln rechnen, die beide -nur ein Übergreifen des Denkens auf übersinnliche oder unsinnliche -Objekte darstellen. Das eine oder das andere von diesen vier Steuern -auf dem Meere der Anschauungen mag hier und dort nicht zur Anwendung -gelangen, es mag sogar herausgehoben und als unnötig beiseite gelegt -werden. Das tut nichts und berührt die Bedeutung dieser Steuer für die -Gesamtbetrachtung nicht.</p> - -<p>Und so kennzeichnen die gewählten Namen für die einzelnen Anschauungen -nur das Vorwiegende in der jeweiligen Anschauung. Denn beispielsweise -fehlt das Physische in keiner der Anschauungen, aber es gibt -Anschauungen, in denen es ganz besonders zur Geltung gebracht ist. -Gleicherweise verhält es sich mit dem Religiösen, wo nur die rein -materialistischen Anschauungen eine Ausnahme machen, und mit dem -Philosophischen und Irdisch-menschlichen.</p> - -<hr class="book" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="ERSTES_BUCH"><span class="s5">ERSTES BUCH.</span><br /> - -Psychisch-religiöse Welt- und Lebenanschauungen.</h2> - -<h3 class="nobreak" id="ERSTES_KAPITEL"><span class="s5">ERSTES KAPITEL.</span><br /> - -Anschauungen der Naturvölker.</h3> - -</div> - -<h4>6. <span class="gesperrt">Irdisch-menschliche Anschauungen</span>.</h4> - -<p>Diese sind bald erledigt. Für sie ist alles, wie es sich den Sinnen -darstellt. Weder über das Wesen noch über die Ursache des Vorhandenen -wird nachgedacht. Es wird alles so genommen wie es geboten ist, und -Kenntnisse und Gesichtsweite richten sich nach dem Wahrgenommenen. -Damit verbunden ist die Beziehung jeglichen Gegenstandes und Vorganges -auf die eigene Person. Es ist ein rein anthropozentrischer Standpunkt, -indem das Ich der entscheidende Inhalt der Welt ist, und Gut und -Böse sind, was dem Ich dient oder dem Ich schadet. Von vornherein -werden die Himmelskörper als Gegenstände gleich denen der Erde oder -gar der nächsten Umgebung angesehen, so als gewöhnliche Körper, -Menschen oder Tiere oder Früchte. Der Kulturmensch, der die Gelehrten -sich den Kopf über die Welt zerbrechen läßt, wird die Himmelskörper -schon als das betrachten, was aus der Wissenschaft auch gegen seine -Absicht ihm zur Kenntnis gelangt ist. Aber bei Naturvölkern ist es -eine Selbstverständlichkeit, daß die Welt einheitlich der irdischen -gleicht. Naiv wird angenommen, was die Forschung mit vieler Mühe, -wenn auch in ganz anderem Sinne, zum Teil erst erweist. Nichts ist -charakteristischer als die An<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span>schauung vom Himmel und von dem darüber -Befindlichen, die wir bei so vielen Naturvölkern vorfinden. Der Himmel -ist ein Zeltdach, am Horizont an die Erde durch Stricke, Ranken und -ähnliches befestigt, oder von Bergen, Felsen, Bäumen, Menschen, Tieren -getragen. So kann ein Mensch auch einfach in den Himmel gelangen. -Tawhaki, ein neuseeländischer Heros und später Halbgott, hat ein -dem Himmel entstiegenes Weib Tanga-Tanga oder Hapai und von ihr ein -Töchterlein. Wie in unseren Märchen verschwindet das Weib jeden Tag mit -Morgengrauen, bis sie aus Liebe gänzlich bei ihm bleibt. Eines Tages -aber beleidigt er sie in dem Kind, das er als übelriechend bezeichnet, -und sie entflieht mit dem Kind in ihre himmlische Heimat. Nun sucht -er einen Weg, in den Himmel zu gelangen, um sie zurückzuholen. Nach -einigen Abenteuern gelangt er dahin, wo die Befestigungsseile des -Himmels die Erde treffen. Dort findet er eine alte Tante von ihm, und -die gibt ihm den Rat, an dem festgemachten Seil emporzuklettern. Sein -Bruder Karibi, der ihn begleitet hatte, nimmt ein zu loses Seil und -wird nun von den Winden Ost und West hin und her geschleudert. Tawhaki -selbst aber ist vorsichtig, klettert sicher und kommt so in den Himmel. -Menschen, die auf irgendeine Weise in den Himmel gelangt sind und zur -Erde zurückwollen, machen ein Loch, binden ein Tau an und lassen sich -an dem Tau herab. Oder es schießt jemand einen Pfeil in die Höhe, der -im Himmel stecken bleibt, dann schickt er einen zweiten in den ersten, -einen dritten in den zweiten usf. So gewannen die Söhne Ajelens in -Nordamerika eine Pfeilleiter, in den Himmel zu klettern, und einer so -entstandenen Pfeilleiter bediente sich der polynesische Heros Quat. In -Australien wirft ein Mann seine Lanze, an die ein Seil gebunden ist, -gegen den Himmel, die Lanze bleibt dort stecken und er hat so einen -Weg. Noch einfacher macht es Kasimbaha in Celebes, er benutzt die -Rottangranke, nachdem die Feldratte ihre Dornen abgenagt hat, um in -den Himmel zu gelangen. Wenn die Höhe eines Baumes nicht reicht, wird -ein Zauber angewendet, ihn rasch wachsen zu lassen. Ein Kannibale, -Quasawara, stellte dem<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span> vorhin erwähnten Quat (Banks-Inseln) und seinen -Brüdern nach. Alle flohen auf die Spitze eines Kasuarinenbaumes. Der -Verfolger kletterte hinter ihnen her, aber Quat machte den Baum immer -höher wachsen. Zuletzt reichte dieser bis zum Himmel. Da bog Quat den -Baum zur Erde, stieg rasch mit seinen Brüdern herab, indem er die -Spitze festhielt, und als sie alle unten waren, ließ er die Spitze los, -der Baum schnellte auf und der zurückgebliebene Quasawara zerschlug -den Kopf an dem Himmel. Wer sich über so kindliche, fast kindische -Anschauungen verwundern sollte, der denke, daß ja für den Augenschein -der Himmel in der Tat nicht sehr fern ist, je nach Beschaffenheit der -Luft und der Vergleichsgegenstände vielleicht 20 bis 80 Meter. Der -Naturmensch folgt diesem Augenschein und läßt den Himmel über Bergen -sich entsprechend wölben, mitunter auch die Berge in den Himmel ragen. -Unwillkürlich denkt man an Astolfs Fahrt mit dem Apostel Johannes zum -Monde, um Rolands Verstand, der dort in einer Flasche aufbewahrt wird, -herabzuholen, nach Ariostos Dichterphantasie. Auf dem Monde</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Da gibt es andre Flüsse, andre Seen,</div> - <div class="verse">Als sie in unsrer Welt, und andre Auen;</div> - <div class="verse">Da kann er andre Täler, andre Höhen</div> - <div class="verse">Mit ihren Städten, ihren Schlössern schauen,</div> - <div class="verse">Und Häuser, groß, wie er sie nie gesehen,</div> - <div class="verse">Zuvor noch, noch hernach auf Erden bauen;</div> - <div class="verse">Auch weite gibt’s, einsame Waldreviere,</div> - <div class="verse">Allwo die Nymphen jagen ihre Tiere.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Diese Verse führe ich des Folgenden wegen an. Der Naturmensch nimmt -das gleiche an. Im Himmel ist nämlich für ihn alles wie auf der Erde: -Wälder, Seen, Berge, selbst Menschen und Häuser. Und die Menschen -unterscheiden sich an sich in nichts von den Erdenmenschen, nur daß -man sie, da sie den Himmel bewohnen, etwas höher einschätzt. Tawhaki -findet zuletzt sein Weib und sein Kind und bleibt bei ihnen, er spielt -die Rolle eines Gewittergottes, indem es von seinen Fußtritten donnert -und blitzt. Noch naiver ist die Erzählung von Rupes Himmelaufstieg. Er -sucht seine Schwester und will darüber seinen Ahnen Rehua befragen. Der -aber wohnt<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> im zehnten Himmel — es wird also eine Vielzahl von Himmeln -angenommen, wie auch anderweitig. — Rupe durchklettert alle Himmel, -wie, wird einfach nicht gesagt. In allen ist es wieder genau wie auf -der Erde. Endlich gelangt er in den zehnten Himmel und findet dort auch -den gesuchten Rehua. Und wie gemein irdisch es da zugeht, wird fast -mit Humor geschildert. Rupe verlangt zu essen. Da schüttelt der uralte -Rehua die Locken, und es fallen eine Menge Vögel heraus, die gebraten -werden. Auf Rupes verwunderte Frage, warum die Vögel in seinem Haar -nisten, sagt Rehua, er hätte dort eine so große Menge von — Insekten, -daß alle Vögel auf seinem Haupte ihre Nahrung suchen. Ja, Rupe findet, -daß Rehuas Sklaven diesen schändlich behandelt haben, und muß seine -Wohnung vom gräßlichsten Schmutz säubern. Und das im zehnten Himmel! -zu dem der Hochgott der Ozeanier, Tane, die Wege besonders versperrt -haben soll. In Borneo steigt ein Mann auf die Plejaden und bekommt dort -Reis vorgesetzt, den er so kennen lernt. Fast gleiche Auffassungen -finden wir in Australien und in Afrika, bei den Eskimo und bei anderen -Völkern. Daß die Indianer Jagdgründe im Himmel erwarten, wissen wir -ja schon aus Coopers Romanen. Aber folgende indianische Sage ist noch -deutlicher, die ich nach Frobenius, gekürzt, gebe. Der Coyote hatte -einen Sohn und dieser besaß zwei Frauen, von denen der Coyote eine für -sich wünschte. Er wollte ihn töten und veranlaßte ihn, um einen Vogel -zu fangen, auf einen Baum zu klettern. Nun ließ er den Baum höher und -höher wachsen, bis dieser den Himmel berührte, daß sein Sohn sich -an der Feste den Kopf einschlage. — Man vergleiche dazu die vorhin -mitgeteilte Erzählung von Quat und Quasawara auf den Banks-Inseln. -Aber der Sohn sprang vom Baum in den Himmel hinein. Was er da findet -entspricht genau der ozeanischen Auffassung, Männer und Frauen, die -Holz fällen. Von einem Mann und einer Frau wird er aufgenommen. Wie -er Sehnsucht nach der Erde bekommt, spinnt ihm die Frau ein Seil und -läßt ihn in einem Korb zur Erde nieder. Es will schon viel sagen, wenn -einmal ein Held sich in den Balg eines Vogels<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span> tut und in den Himmel -fliegt. Meist ist der Himmel so nahe und so irdisch, daß sogar Menschen -ihn zurückschieben, wie in Ozeanien und Australien an vielen Orten -erzählt wird. Zugleich ist er so derb solide, daß, wenn er herabstürzt, -er alles zerschlägt und die Menschen tötet. Von einem Herabstürzen des -Himmels wissen aber afrikanische, ozeanische und australische Stämme -manches zu erzählen.</p> - -<p>Der Himmel wird entweder oben gehalten oder, wie schon mitgeteilt ist, -als Zelt an die Erde mit Stricken, Ranken befestigt. Bei den Wanyamwesi -soll, nach Stuhlmann, eine Riesin, Fumyahólo, den Himmel gleich Atlas -stützen. Ihr Gatte, Niamtitinwa, gleichfalls ein Riese, hält die Erde -auf einer Seite, die andere Seite der Erde ruht auf einem Berg Lugula -oder Lugiya. Wenn dieser Riese zu seiner Frau geht, bebt die Erde. -Andere Afrikaner lassen die Erde auf einem Horn einer Kuh ruhen. Beben -entsteht, wenn die Kuh die Erde auf das andere Horn umlegt. Ozeanier -stellen sich die Erde vor als auf ein Netz aufgeschüttet, das im Meere -schwimmt, oder als Klumpen, den der Held Maui mit einem Netz aus dem -Meere emporgezogen hat. Weit verbreitet ist die Annahme, daß Erde -und Himmel von Säulen gestützt werden. Im übrigen wird nicht viel -nachgedacht, wir wissen ja auch, wieviel Kopfzerbrechen es den klügsten -Menschen im Altertum gekostet hat, eine Stütze für die Erde zu finden, -und welch ungetümliche Zurüstungen die geistig so hochstehenden Indier -getroffen haben, die Erde halten zu lassen (<a href="#Seite_176">S. 176</a>). Und ich darf -auch auf mein Buch „Die Entstehung der Welt und der Erde in Sage und -Wissenschaft“ verweisen. Hier zitiere ich noch nach Max Müller einen -Vers aus dem Rigveda, bekanntlich dem ältesten Schriftdenkmal der -Indier: „Ungestützt, nicht befestigt, wie bringt er es fertig, nicht zu -fallen, wenn er sich erhebt?“ „Er“ ist die Sonne.</p> - -<p>Was die Himmelskörper anbetrifft, so werden auch diese rein irdisch, -oft menschlich oder tierisch aufgefaßt. Ich habe auch dafür in -meinem obengenannten Buche Beispiele gegeben, die ich nur durch -einiges ergänzen darf. Bei manchen Indianern werden Sonne und Mond -so menschlich angesehen,<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span> daß sie Kinder haben. Ein Held gelangt -auf dem bekannten Wege in den Himmel und in das Haus der Sonne und -heiratet dort eine Tochter der Sonne. Mit seiner Frau in einem Korb -herabgelassen, muß er sie in einer Hütte versteckt halten, weil -sie zu stark leuchtet. Der Mond kann in Ozeanien von einem Adler -verschlungen werden. Aber das Verschlungenwerden von Sonne und Mond -bei Finsternissen ist ja fast in allen Erdteilen Erzählung und Glaube. -Und bekannt ist der furchtbare Lärm, den viele Völker gegen den Himmel -machen, um den Drachen, die Schlange, oder was es für ein Tier sein -mag, von seinem Opfer zu verscheuchen. In Polynesien ist die Sonne -selbst ein Ungetüm. Maui, der Herkules oder Simson der Polynesier, -dem sie zu heiß ist und zu rasch läuft, lauert ihr am Aufgangsorte -auf, wirft ihr eine Schlinge um den Hals, mit der er sie drosselt, -während er ihr zugleich mit seiner Keule Wunde über Wunde schlägt. Da -verliert das Ungetüm durch die Wunden den größten Teil der Hitze und -von Siechtum matt schleicht sie nun langsam ihres Weges. Daß der Mond -ein gewöhnliches Licht, eine Lampe, ist, findet sich oft erwähnt, noch -öfter ist er eine alte Frau. Wunderschön klingt es, liegt aber doch auf -gleichem Gebiet, wenn amerikanische Indianer die Dämmerröte für den -Widerschein der Fittige eines roten Schwanes erklären:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Kann’s die Sonne sein, sich neigend</div> - <div class="verse">Überm flachen Wasserspiegel?</div> - <div class="verse">Kann der Schwan es sein, der rote,</div> - <div class="verse">Fließend, fliegend, wundgeschossen</div> - <div class="verse">Mit dem Pfeil, dem Zauberpfeile,</div> - <div class="verse">Rings die Flut mit Purpur färbend,</div> - <div class="verse">Mit dem Purpur seines Herzbluts,</div> - <div class="verse">Rings die Luft mit Glanz erfüllend,</div> - <div class="verse">Mit dem Glanze seiner Federn?</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">singt Longfellow im „Hiawatha“ nach einer Sage der Odjibwä-Indianer (in -Freiligraths Übersetzung).</p> - -<p>Mit derartigen Anschauungen verbindet sich ein naiver Wunderglaube, -der das Wunder des Wunderbaren entkleidet. Wie selbstverständlich -öffnen sich Felsen auf ein Gebot sogar eines Tieres, wachsen Bäume bis -in den Himmel hinein,<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span> bleibt die Sonne auf Wunsch stehen, beleben -sich Klötze und Häuser. Man wird sagen, das sind Märchen — und -solche kann man von den Negern in schöner Auswahl in dem hübschen -Buche des Fräulein von Held und in sehr vielen Reisebeschreibungen -und anthropologischen Werken lesen —, aber das Märchen hat für den -Naturmenschen, wenn es nicht direkt behufs Erzählens erfunden ist, -die Bedeutung, die es für das Kind besitzt, oder richtiger besaß, ehe -noch der hypermoderne Realismus das Kind in den Märchen Unsinn zu -sehen lehrte. Dazu kommt noch ein Umstand, auf den in einem folgenden -Abschnitt einzugehen ist, und der derartigen „Märchen“ ein ganz anderes -Aussehen verleiht und sie mit Mythe und Religion in Verbindung bringt. -Aber diese Selbstverständlichkeit des Wunders bei den Wilden ist -eines der größten Hindernisse für die Verbreitung des Christentums -unter den Naturvölkern ohne Gewalt, denn für die höheren Lehren hat -der Wilde nur selten Verständnis. Der Kampf ums Dasein und der naive -absolute Egoismus beschäftigt sein ganzes Leben, Tun und Trachten. In -den Erzählungen, die die Reisenden uns mitteilen, kommen zwar auch -Züge von Großmut vor, jedoch nur selten, und solche von Menschenliebe, -wie die Kulturreligionen sie verstehen, existieren kaum, selbst -bei Naturvölkern, die schon in Berührung mit der Zivilisation sich -befinden. Diese Tugend scheint der Mensch zu allerletzt zu lernen. Sie -ist freilich die schwerste von allen, nicht allein, weil sie absolute -Überwindung des Egoismus erfordert, sondern auch weil der Gegenstand -der Liebe sich nur sehr selten in liebenswürdiger Gestalt gibt, wo -nicht zugleich das Mitleid mitspricht. Und die Naturvölker haben -keine rechte Gelegenheit, von uns auch nur aus Mitleid, geschweige -aus Fühlen Liebe zu lernen. Gestalten wie Livingstone sind einzig. -Indessen ist die Gewalttätigkeit, vielfach Roheit und Brutalität, mit -der die Naturvölker so oft behandelt wurden, allerdings nicht der -eigentliche Grund für ihren Mangel an unseren Haupttugenden. Die rein -egoistische Grundlage ihres Wesens ist noch jedem, der mit ihnen in -Berührung kam, aufgefallen, nicht bloß Fremden<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> gegenüber, sondern -auch gegen ihre nächsten Angehörigen. Es fehlt ihnen die Schule, -die bei den Kulturvölkern nun schon Tausende von Jahren dauert, und -namentlich drückt auf sie unwiderstehlich ihre Umgebung. Ein Wilder, -der in eine Umgebung versetzt wird, die nach jenen hohen Lehren -lebt, kann diese sehr wohl annehmen und auch in sich aufnehmen, wie -die Erfahrung ja hinreichend erwiesen hat. So aber verbietet zum -Beispiel ein Negerhäuptling, weil es ihm so gefällt (car tel est notre -plaisir), seinem ganzen Volke den Anbau des notwendigsten Getreides auf -mehrere Jahre, herrscht bei ganzen Stämmen die Sitte, die Alten und -Kranken auszusetzen oder zu töten, bildet bei noch anderen die Zahl -der gemordeten Menschen, in Schädeln, die auf einer Schnur gereiht -getragen werden, den höchsten Ruhm des Helden, und was der Greuel noch -mehr sind, an die man nicht denken mag und die man schon als Knabe in -Coopers Romanen mit einem gewissen Grausen gelesen hat, während sie in -der Wirklichkeit, wegen des Mangels eines jeden edleren Beweggrundes, -noch viel entsetzlicher wirken würden. Wenn nicht auch hier ein Motiv -vorhanden wäre, das in der ganzen Welt bekannt ist, in der ganzen -Welt zu den abscheulichsten Taten geführt hat, noch jetzt bei den -Kulturnationen in schönstem Flor steht, hier vielfach mit dem Fluch der -Lächerlichkeit begabt, aber beim Naturmenschen dessen ganzes Leben und -Tun erfüllend und lenkend — der Aberglaube. Hier verflicht sich unsere -Betrachtung mit der für die nächste Klasse der Anschauungen. Diese -müssen wir durch eine Sonderbetrachtung einleiten.</p> - -<div class="section"> - -<h4>7. <span class="gesperrt">Über den Ursprung der Religionen, -Vorläufiges</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die Bedeutung des Wortes Religion wollen wir hier im allerweitesten -Sinne fassen; also dazu auch Meinung, Erzählung, Sage, Mythe rechnen, -sofern sie sich auf nicht jedem zur Verfügung stehende Kräfte und -Äußerungen beziehen. So weit müssen wir gehen, wenn wir von der -Religion der Naturvölker sprechen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span></p> - -<p>Religion entstammt dem Ursächlichkeitsbegriff des Menschen, das heißt -der Eigenheit der Seele, alles notwendig als die Folge eines anderen -anzuschauen. Es kann einen Ursächlichkeitsbegriff ohne Religionen -geben, aber keine Religion ohne diesen Ursächlichkeitsbegriff. -Das gilt auch für geoffenbarte Religionen, da um eine Offenbarung -aufzufassen schon der Ursächlichkeitsbegriff vorhanden sein muß, -indem ohne diesen nichts mit einem anderen verknüpft werden kann. -Wahrscheinlich gibt es kein Lebewesen ohne den Ursächlichkeitsbegriff, -wie dunkel er in manchen Lebewesen auch sein mag. Aber außer diesem -Ursächlichkeitsbegriff dürfte auch der Lebenstrieb ein Großes zur -Entstehung von Religionen beigetragen haben. Und da dieser Trieb -sich vornehmlich äußert in Begehren und Fürchten, so werden schon -am Ursprung der Religionen diese Empfindungen für ihre Richtung -entscheidend sein. Wie, wann und wo die Religionen ihren Ursprung -nahmen, darüber bestehen bei den Forschern noch gegenwärtig unendlich -viele Meinungen. Einige sehen die Religionen als Folgeerscheinung der -Sprache an. Da auch Tiere in ihrer Weise sprechen können, und wir -diesen doch nicht gerne religiöse Anschauungen zuschreiben möchten, -muß es sich schon um eine Sprache handeln, die den Menschen vom Tiere -unterscheidet. Leider wissen wir nicht recht, wo der Unterschied -beginnt. Will man aber von uns selbst rückwärts schließen, so wird -man meinen, daß Namen- und Begriffsbildung die entscheidenden -Momente in der Sprache waren. Max Müller, der diesen Standpunkt -mit größter Konsequenz vertritt, bezeichnet es als Tatsache, daß -dazu die Wortwurzeln dienten, allein dienen konnten, und — was das -Wesentlichste ist — daß diese Wurzeln, „infolge der Art und Weise, -in der sie zuerst ins Dasein traten, <span class="gesperrt">Handlungen</span> ausdrückten, -die gewöhnlichen Handlungen, die auf einer früheren Gesellschaftsstufe -vollführt wurden. Der Himmel war der, der bedeckt, die Sonne die, die -wärmt, der Mond der, der mißt, die Wolke die, die regnet“ usf. Sah nun -der Mensch z. B. das Feuer, das für ihn eine so eminente Bedeutung -hat, so fiel ihm namentlich<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> die Ruhelosigkeit dieses Elementes auf, -das Flammen, Zucken, Züngeln, Springen usf. Er bezeichnete es also -mit der Wortwurzel in „bewegen“, in den indogermanischen Sprachen -mit AG. Da aber diese Wurzel ein Handeln des Menschen ausdrückt, -eben das „Bewegen“, so kam er allmählich zu der Anschauung, daß in -der Flamme etwas Bewegendes, ein Agens sei, zu ihrer Natur gehöre, -„Beweger hier“, „Beweger da“, im sanskritischen AG-ni-s, damit wäre -zum Beispiel in Sanskrit der Agni gewonnen, der „Beweger“. Im Laufe -der Jahrhunderte trat dann eine immer weitergehende Vergeistigung -ein, erst ein beseelter Beweger, wie ein Mensch, dann ein göttlicher -Beweger usf., bis zuletzt bei einigen Sekten Agni zum höchsten Gott -und Schöpfer hinaufidealisiert ward. Diese Theorie des großen Sprach- -und Religionsforschers hat zweifellos etwas sehr Bestechendes. Man -bedarf nicht einmal der wirklichen Sprache; es genügt ja völlig, wenn -der Mensch in sich selbst die Handlungen auffaßt, wenn er es auch -nach außen nicht zum Ausdruck bringt. Er wird dann innerlich das -Feuer so betrachten, wie er es mittelst der Sprachwurzeln nach außen -kundgibt. Aber bedeuten auch die ersten Sprachwurzeln nur Handlungen -des Menschen, ist das auch der Fall mit den ersten bestimmten inneren -Denkregungen? Werden auch diese sich nur auf Handlungen beziehen? Fast -möchte man es glauben, da das Leben des Menschen in Handlung aufgeht -und die Natur ja auch in stetem Geschehen sich befindet. Dinge also, -die ruhen, würden keinen Anlaß zur Entstehung religiöser Begriffe -geben. Diesen Schluß zieht auch Max Müller, da er von dem bekannten -Fetischismus, Animismus und der Personifikation als Grundelemente -der Religion nichts wissen will. Es ist schwer auf einem Gebiete wie -dieses, wo jede Tradition und jede Erfahrung mangelt, etwas Bestimmtes -zu sagen; unter den Völkern, die wir kennen, befindet sich und befand -sich keines mehr im Ursprung der Religionsbildung, alle hatten und -haben ein schon ziemlich kompliziertes System religiöser Ansichten. Am -Kinde aber zu beobachten, wie bei ihm religiöse Anschauung entsteht -und wächst, würde nur ersprießlich sein können,<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> wenn man es als -Wilden, gesondert von allem kulturmenschlichen Verkehr, aufwachsen -ließe. Elterliche Brutalität bringt es manchmal zuwege, daß ein Kind in -dieser Weise aufwachsen könnte, wenn die Kultur es nicht an sich von -allen Seiten umgäbe. Und seit dem alten Ägypterkönig, von dem Herodot -erzählt, daß er, um zu erfahren, welches die eigentlich menschliche -Sprache sei, ein Kind vom ersten Tage gegen jeden menschlichen -Verkehr abgeschlossen habe, ist das Experiment nicht wieder gemacht -worden. Also, es fehlt an Mitteln zur Entscheidung. Nur das, glaube -ich, muß man sagen, daß es nicht die <span class="gesperrt">äußere</span> Sprache war, die -die Religionen schuf, sondern die <span class="gesperrt">innere</span>, und diese wird der -<span class="gesperrt">äußeren</span> weit vorausgegangen sein. Wenn Max Müller nur die -äußere Sprache versteht, dann ist meines Erachtens seine Theorie nicht -haltbar. Begehren und Furcht, ich wiederhole es, sind die Grundpfeiler -für religiöse Anschauungen. Und wahrscheinlich Furcht zuerst, dem -Begehren sich später erst anschließt. Die meisten Forscher greifen, -wenn es sich um religiöse Regungen oder gar Anschauungen handelt, viel -zu hoch. Man muß, wenigstens wenn man Religion in so weitem Sinne -faßt, wie es der Anthropolog zu tun gezwungen ist, unter Abstraktion -von aller ursprünglichen Offenbarung, tief herabsteigen. Sind die -Menschen aus der Reihe der Lebewesen durch fortschreitende Entwicklung -hervorgegangen und haben sie ihre seelischen Fähigkeiten allmählich -erreicht, so wird man in dem Auftreten religiöser Regungen gar nicht -weit genug zurückgehen können. Und bekanntlich behaupten manche -Naturforscher, daß Tiere wohl auch etwas haben möchten, was einer -Religionsanschauung — im weitesten Sinne des Wortes — entspricht. -Sicher ist ja, daß manche Tiere sich vor ungewohnten Dingen und -Bewegungen fürchten, daß sie unter Umständen Gespenster sehen usf. -Haben doch sogar manche gemeint, daß der Hund im Menschen eine Art -göttliches Wesen (göttlich vom Standpunkte des allertiefststehenden -Wilden) sehe, was freilich mit der Tatsache, daß der Hund jeden anderen -als seinen Herrn auch ohne Grund anbellt und anfällt, nicht recht -harmonieren will.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span></p> - -<p>Nun unterscheidet Max Müller allerdings drei Stufen der -Religionsanschauung: physische, anthropische (Max Müller scheut sich -vor dieser Wortbildung und sagt anthropologische, ich sehe aber nicht -ein, warum, um einer ungewohnten und freilich auch anfechtbaren -Wortbildung zu entgehen, man zu einer anderen, bereits in anderem -Sinne vergebenen greifen soll) und psychologische. Diese Stufen sind -sicher für die allgemeine Entwicklung treffend gewählt, sie umfassen -aber nicht alles. Man darf ferner Lippert in seinem Hauptsatze im -allgemeinen beistimmen, daß Religion ohne einen gewissen, wenn auch -noch so niedrigen, rohen und selbst gemeinen Kultus, nicht verstanden -werden kann. Allein dieser Satz hilft nur die etwaige Religion des -Tieres von der des <span class="gesperrt">fortgeschrittenen</span> Menschen unterscheiden, -wenn nicht vielleicht gewisse Tierklassen, wie die bekannten -Ameisengattungen, auch Kultus besitzen. Die Entwicklungslehre kann -aber nicht anders als annehmen, daß zuerst die religiösen Anschauungen -des Menschen sich gar nicht von denen der Tiere unterschieden haben, -aus welchen er hervorgegangen ist, und daß diese Anschauungen -allmählich zu Höherem aufstiegen, indem sich gleichzeitig alle Greuel -entwickelten, die den Namen Religion entweihten und entweihen. Wir -wissen nicht, ob die geistigen Kräfte des Menschen zunahmen, weil seine -animalischen Ausrüstungen mehr und mehr verloren gingen, oder ob das -umgekehrte stattfand, daß seine animalische Ausrüstung zurückging, -weil die geistigen Fähigkeiten stiegen. Der bequemste Ausweg wird -sein, wenn wir annehmen, daß beides gleichzeitig stattfand, indem -immer eins das andere nach sich zog. Dann mußte einerseits die -Einsicht wachsen, andererseits der Trieb der Selbsterhaltung; und es -scheint, daß zunächst die ganze zunehmende Einsicht in den Dienst -der Selbsterhaltung gestellt worden ist. Deshalb hat sich der Mensch -zunächst soviel furchtbarer als das furchtbarste Tier entwickelt, und -seine Religionsanschauung ging keineswegs die stillen Wege, die viele -so gerne annehmen, indem sie alle Greuel auf „Aberglauben“ schieben. -Wir mögen über den Aberglauben des<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> Kulturmenschen lachen, der auf die -Türschwelle oder den Türpfosten seiner Behausung ein Hufeisen nagelt, -wir mögen lachen, wenn gleichfalls Kulturmenschen sich vor dem 13ten -und dem Freitag fürchten, und was der so zahlreichen Albernheiten noch -mehr sind. Glauben die betreffenden Leute an sie, so haben sie zu der -bekannten Religion noch eine andere. Verhalten sie sich neutral, so -treiben sie all den Unfug aus Affennachahmung, „nützt es nicht, so -schadet es nicht“. Glauben sie nicht daran, so machen sie sich eines -Vergehens gegen den geistig schwächeren Teil der Menschheit schuldig. -Aber dem Naturmenschen ist „Aberglaube“ seine eigentliche Religion, und -was man bei ihm noch Mystisches und Höheres etwa findet, hat für ihn -gar keine oder nur Erzählungsbedeutung.</p> - -<p>Andere haben den Urgrund aller religiösen Anschauungen in dem Gefühl -der Schwäche gesucht, das der Mensch der ihn umgebenden Natur gegenüber -hat. Er soll eine Macht über sich empfinden und diese allmählich -höher und höher einschätzen lernen. Der Trieb der Selbsterhaltung -würde ihn dann zur Verehrung und Anbetung dieser Macht durch Worte -und Taten führen. Irregeleitet, würde der Mensch zunächst nicht eine -Macht annehmen, sondern viele Mächte, und sie in dem lokalisieren, -was für ihn besondere Bedeutung hat, also in Sonne, Mond, Feuer, -Sturm, Gewitter, Strom, Meer u. a. Man kann sehr vieles für diese -weitverbreitete Ansicht vom Ursprung der Religion beibringen. Das -Gefühl einer Übermacht über sich ist schon im Tierreich vorhanden; -ein kleines schwaches Mädchen kann den stärksten Hund zum hündischen -Gehorsam zwingen, wie wir ja zu unserm Vergnügen oft genug sehen; -der Hund hat ein Gefühl von der Übermacht des Menschleins. Dahin -gehören auch solche Tatsachen aus dem Tierleben, die mit ihrem -eigenen Gesellschaftsleben zusammenhängen, wenn einem Individuum -selbstverständlich die Übermacht zuerkannt wird, wie bei den Bienen. -Auch das Verhalten der Blattläuse gewissen Ameisenarten gegenüber -dürfte auf dem Gefühl einer Übermacht beruhen; denn ohne Widerstand zu -leisten und ohne einen<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> Fluchtversuch selbst dann zu machen, wenn sie -beflügelt sind, lassen sich diese Insekten von den Ameisen in deren -Heim schleppen und tragen, wo sie, wie bei den Menschen das Vieh, -gehegt und aufgezehrt werden. Fast denkt man an das Verhältnis des -Volkes zu wilden Häuptlingen oder sinnlosen Despoten. Ist das Gefühl -der Übermacht beim Menschen nur auf dem der Furcht gegründet, so würde -es sich wenig von dem der intelligenteren Tiere unterscheiden. Aber -beim Menschen soll noch hinzukommen, daß er auch Hoffnung auf Gutes -und Erwartung von Gutem für sich auf diese Übermacht gründet. Und das -wäre freilich etwas, das im Tierreiche wohl nur selten gefunden wird. -Die Beispiele von Hunden, die allerhand Künste vollführen in Erwartung -einer Belohnung, von Vögelchen, die auf den Ruf eines, der ihnen Samen -oder Bröckchen bietet, ihm beliebig auf Hand und Schulter fliegen, -dürfen, glaube ich, hier nicht angeführt werden. Es sind Erfahrungen, -denen die Tiere, namentlich im Zustand der Domestikation, folgen.</p> - -<p>Auf dem Wege zur spiritualistischen Ansicht von der Entstehung der -Religionen treffen wir die Behauptung, daß religiöse Anschauung -überhaupt zur Eigenheit des Menschen gehöre, gewissermaßen apriorisch -eine Kategorie, ein Regulativ seines inneren und äußeren Lebens bilde. -Einen energischen Vertreter dieser Ansicht finden wir in Benjamin -Constant, der sie schon im ersten Kapitel seines großen Werkes „De la -réligion“ feststellt. Sofern die religiöse Anschauung in der Kategorie -der Ursächlichkeit beruht, und diese allerdings eine unumgängliche -Vorbedingung unseres inneren und äußeren Lebens bedeutet, könnte man -letzteres auch von der religiösen Anschauung annehmen. Daß indessen -der Begriff der Ursächlichkeit für sich nicht hinreicht, den Trieb zur -religiösen Anschauung zu erklären, darf wohl als sicher hingestellt -werden. Es ist zwar richtig, daß die religiöse Anschauung ein Regulativ -unseres Lebens ist. Aber es spielt bei ihr noch etwas mit, das -durchaus dem Bereiche des Fühlens angehört und für das wir im Begriff -der Ursächlichkeit keinen adäquaten Ausdruck finden. Auch die Tiere -und<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span> selbst die Pflanzen müssen den Begriff der Ursächlichkeit bewußt -oder unbewußt (instinktiv, wie wir sagen) besitzen, sonst existierten -sie nicht. Aber religiöse Anschauung schreiben wir ihnen doch nicht -zu. Ferner gibt es zweifellos Menschen, die jedes religiösen Gefühls -gänzlich bar sind, nicht einmal einem Aberglauben huldigen. Soll also -religiöse Anschauung in der Tat eine Eigenschaft der Menschenseele -sein, so muß sie außer in der Ursächlichkeit noch in anderem eine -Wurzel haben, oder nur in diesem anderen. Dieses ist wohl auch die -Meinung von Wilhelm Wundt, daß nämlich die Ursächlichkeit für eine rein -psychische Entstehung einer religiösen Anschauung nicht hinreicht. Nun -haben wir schon früher Furcht und Begehren als die Haupttriebfedern -für religiöse Annahmen hervorgehoben. Von diesen Menscheneigenschaften -soll aber, als unwürdig, gerade abgesehen werden. Dann würde freilich -nichts übrig bleiben als die religiöse Anschauung als <span class="gesperrt">eigene</span> -Kategorie zu betrachten, wogegen doch sehr vieles spricht, was bei -der Vorführung der einzelnen Religionsanschauungen hervortreten wird, -wo wir den allerniedrigsten Meinungen begegnen, die jeder Kultur und -jeder Menschlichkeit ins Gesicht schlagen. Soll sich aber jene Ansicht -auf <span class="gesperrt">unsere Idee</span> von Religion beziehen, so ist eben der Begriff -Religion viel zu eng gefaßt, und wir brauchen darüber hier noch nicht -zu diskutieren.</p> - -<p>Endlich die rein spiritualistische Ansicht selbst sieht die Religion -als von höchster Macht geoffenbart an. Das kann, <span class="gesperrt">absolut -genommen</span>, eigentlich nur von der einzigen wahren Religion gemeint -sein, denn es ist ja ausgeschlossen, daß eine Offenbarung in mehrerer -Gestalt erfolgen kann. Kein Mensch weiß, welches diese einzige -wahre Religion ist, jeder gibt die seinige dafür aus. Und irgendein -Kriterium zur Entscheidung haben wir nicht. Vergangene und gegenwärtige -Geschichte der Religionen schneiden uns dazu jede Möglichkeit ab. Die -beliebte Ausrede, daß die Menschen die Offenbarung verdorben hätten, -hilft hier nichts, sondern schadet nur. Denn was eine <span class="gesperrt">absolute</span> -Offenbarung ist, muß mit zwingender Gewalt die Menschen leiten und -kann sie nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> zu so furchtbaren Taten führen, wie die religiösen -Verfolgungen sie gezeitigt haben. Anders hat eine absolute Offenbarung -gar keinen Sinn, denn dem Besten im Menschen widersprechend wird man -sie doch nicht gestalten wollen.</p> - -<p>Gibt man den Standpunkt des Absoluten auf, so läßt sich über -Offenbarung eher reden. Dann wären die Religionen Inspirationen -einzelner Menschen oder einzelner Völkerschichten und dürfen darum -unvollkommen sein. Die Offenbarung verliert dadurch freilich die -Bedeutung, wegen deren sie eigentlich angenommen ist: die absolute -Richtigkeit jener betreffenden Religionsanschauung unwidersprechbar zu -machen. Sie geht auf den Standpunkt eines jeden menschlichen Einfalls -oder Erdenkens oder Fühlens zurück. Dafür haben wir ja allerdings -Beispiele, und darunter solche gewaltigster Wirkung und edelster -Lehren. Viele aber auch, die absurd und höchst schädlich sich erwiesen -haben.</p> - -<p>Was ist nun das Ergebnis dieser Betrachtungen? Ich glaube, daß man -bei der Untersuchung der Entstehung der Religionsanschauungen, wie -in so vielen anderen Fällen, überhaupt nicht rigoros auf diesem -oder jenem Standpunkt bestehen kann. Wie die Elektrizität in einem -Gewitter aus allen möglichen Vorgängen entstanden sein kann und -tatsächlich entsteht, so werden auch die Religionsanschauungen aus -den verschiedensten Ursachen hervorgegangen sein. Der Mensch hat -ein reichliches Kapital an Eigenschaften und Trieben in seinem -Inneren, um sie bald so, bald anders zu kombinieren und in neue -Werte umzusetzen. Mitunter ist eines, mitunter ein anderes für seine -Ansicht entscheidend. Religionen werden aus allen den vorgenannten, -vielleicht aus noch manchen anderen Quellen hervorgegangen sein. Die -Entwicklung, die die Religionen genommen haben, weist schon darauf -hin, daß sie nicht wohl auf <span class="gesperrt">einen</span> Ursprung zurückgeführt werden -können, sondern daß bei ihnen verschiedene und mitunter mehrere -Momente wirksam gewesen sind. Auch haben sich viele Religionsforscher -gezwungen gesehen, einerseits niederen Anschauungen auch höhere Momente -zuzugestehen, andererseits in höheren auch niedrige<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> anzuerkennen. Eine -wirkliche „Philosophie der Religion“ müßte alle Momente in Betracht -ziehen und ihren Einfluß in den einzelnen Religionen verfolgen. Aber -dazu mangeln uns nur allzusehr die Kenntnisse, sobald wir aus der -geschichtlichen Kulturwelt heraustreten. Es ist nicht Aufgabe dieses -Buches, hierauf genauer einzugehen, auf einzelnes und auf andere -Theorien wird jedoch noch oft genug hingewiesen werden.</p> - -<div class="section"> - -<h4>8. <span class="gesperrt">Allgemeine Belebung</span>.</h4> - -</div> - -<p>Gehen wir nun zu den einzelnen Religionsformen über, so scheint -in der Tat die von Max Müller angenommene physische Religion die -ursprünglichste zu sein, jedoch in ganz niedriger Bedeutung. Über die -Stufe der stumpfen Selbstverständlichkeit erhoben, wird der Mensch in -allem, was ihn umgab, etwas gesehen haben, das wir allerdings am besten -unbestimmt als Agens, Tätiges, Handelndes, Wirkendes bezeichnen können. -Namentlich in den Vorgängen wie Flamme, Sturm, Gewitter, Regen usf. -wird dieses zunächst geschehen sein, dann auch in den Gegenständen. -An den Tieren war eine derartige Betrachtung selbstverständlich, -ihre Ausdehnung auf Bäume, Blumen, Gräser konnte folgen. Dann mögen -fließende oder wogende Gewässer und zuletzt Berge, Felsen, Steine -an die Reihe gekommen sein. Es ist mißlich, solche Serien ex post -aufzustellen, da bei besonderen Völkern vieles von ihrer besonderen -Umgebung abhängig gewesen sein wird. Dazu ist zu beachten, daß auf -Menschen, wie übrigens auch auf Tiere, Gegenstände besonderer Art und -unter besonderen Umständen auch eine besondere Wirkung ausüben, wie -überhängende Felsen oder Steine in ebener Gegend, Bäume gewundener -oder übermäßiger Gestalt, Dämpfe aus der Erde aufsteigend usf. Kein -Hund hält einer Selterwasserflasche stand, die man vor ihm aufknallen -läßt, und überhängende oder fast schwebende Steinplatten sind selbst -einem beherzten Manne ungemütlich. Also mögen gewisse tote Gegenstände -viel eher mit dem Etwas versehen gedacht worden sein, als harmlose<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span> -Sträucher. Es ist vieles erzählt worden, woraus man schließen möchte, -daß die Feuerländer sich auf dieser Stufe der Weltanschauung befinden, -in der in allem ein Etwas Tätiges gesehen wird, ohne daß dieses Etwas -schon mit dem, was im Menschen das Tätige ist, identifiziert wird.</p> - -<p>Wenn der Mensch unter solchen Anschauungen seine Meinung bestimmter zu -fassen lernt, so wird er in dem in den Gegenständen Handelnden etwas -Lebendes sehen, sei es, daß die Gegenstände selbst leben, sei es, daß -etwas in ihnen vorhanden ist, das lebt. Beides finden wir, aber das -erstere kann offenbar nicht von weitem Umfange sein, da Lebloses von -Lebendem zu unterscheiden selbst dem Tiere leicht fällt. Max Müller hat -ein sehr lehrreiches Beispiel auf das sorgfältigste untersucht, die -Bedeutung Agnis in der altindischen Religion. Wie wir sahen, scheint -ihm „Agni den Begriff der lebhaften Bewegung ausgedrückt zu haben. -Am nächsten verwandt würde lateinisch ag-ilis sein“. Im Lateinischen -haben wir ignis, im Altslawischen ogni, im Littauischen ugnì. Das würde -noch auf der ersten Stufe stehen. Aber nun kommen Namen, die offenbar -einen tätigen Gegenstand ausdrücken: Dahana = der Brenner, An-ala -= der Blaser (mit der Wurzel An, die auch in animus, anima, ἄνεμος -enthalten ist und hauchen, wehen bedeutet). Max Müller führt noch -andere Namen auf, die gleichfalls einen tätigen Gegenstand betreffen. -Und er sagt allgemein: „Wenn dieser Schritt einmal getan war, wenn das -Wort Agni, Feuer, einmal geprägt war, so war die Versuchung groß, ja -fast unwiderstehlich, wie Agni als Agens aufgefaßt worden war, so auch -ihn als etwas aufzufassen, das den einzigen anderen aktiven Subjekten, -die den Menschen bekannt waren, glich, als tierischen und menschlichen -Agens.“ Und darin kann man ihm lediglich beistimmen. So führt er denn -auch an, daß im Rigveda von der Zunge oder den Zungen Agnis gesprochen -wird, von seinen Zähnen, seinen Kinnbacken, seiner brennenden Stirne, -seinem flammenden Haar, seinem goldenen Bart. Diese Sprechweisen als -metaphorisch aufzufassen, würde möglich sein, wenn der erste Begriff -des Agni ein höherer wäre.<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> So aber möchten sie kaum anders als ad -verbum genommen werden, als Beschreibung Agnis als eines lebenden Etwas -(s. jedoch <a href="#Seite_25">S. 25</a>). Ich habe schon erwähnt, daß die Polynesier die Sonne -auch als Ungetüm betrachten, die Eskimo nehmen Sonne und Mond als -Mädchen und Knaben, wie südamerikanische Völker und wie, umgekehrt, -die Australier als Mann und Frau. Algonkinindianer, die den Mond für -die Frau der Sonne ansehen, erklären sogar die Finsternis dadurch, -daß diese Gestirne zuweilen ihr Kind (das also dunkel sein muß) in -den Armen vor sich halten. Daß man die Arme nicht sieht, kommt daher, -daß sie ständig einen Bogen gespannt vor sich halten. Hübsch ist eine -Sage bei den Mexikanern, die Tylor in seinem vorzüglichen Buche „Die -Anfänge der Kultur“ mitteilt. Die alte Sonne war ausgebrannt und die -Welt in Finsternis begraben. Da sprang ein Held in ein riesiges Feuer -und stieg, zum Gott geworden, als Tonatiuh strahlend im Osten als -neue Sonne auf. Nach ihm sprang ein zweiter Held in das Feuer. Aber -dieses war schon matt, und so kam er nur als Mond, Metztli, empor. Hier -sind also Sonne und Mond zwei Männer. Doch steht diese Sage für das -Gegenwärtige schon zu hoch. Mehr paßt hierher, daß bei den Alëuten der -Mond mit Steinen nach denen wirft, die ihn beleidigen. Man bedenke, -daß man in der Tat früher vielfach geglaubt hat, daß die Meteorsteine -Auswürflinge des Mondes seien. Auch die Sterne werden für Lebewesen, -Menschen oder Tiere, gehalten, wohl auch für Teile von Lebewesen. Ich -will nicht die griechischen Katasterismen anführen, die in so schönen -Sagen erzählt werden und noch in der so späten Zeit der Ptolemäer zu -der Versetzung des prachtvollen Haares der Berenike an den Himmel -geführt haben. Aber in Afrika ist die Milchstraße ein Zug Vögel. -Anderweitig sind die Sterne Menschen, welche in den Himmel geklettert -sind und nun nicht herabkönnen. In Ozeanien werden die Sterne auch als -Augen berühmter Häuptlinge ausgegeben, so daß diese letzteren großen -Wert im Leben auf möglichst glänzende Augen legen und die ihnen von -Natur verliehenen dadurch zu verbessern suchen, daß sie anderen die -Augen ausreißen<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span> und sie verzehren. Daß der Regenbogen ein lebendes -Ungetüm ist, das sogar Menschen frißt oder sie vergiftet, wird in -Polynesien erzählt. Der Gott Perkun soll in Littauen auch den Donner -selbst bedeutet haben. Stürme werden personifiziert; so sind bei den -Indianern, von denen Hiawatha erzählt, Wabun, Schawondasee, Kabibonda -Lebewesen, die Ostwind, Südwind und Nordwind bedeuten, deren Vater, -der allgemein Sturm, Mudjeekewis, heißt. Bei den Polynesiern finden -wir ähnlich personifizierte Winde, die Verwandte sind von Göttern. -Der Hauptwindgott Tawhiri-matea, der den Schimpf, der seinem Vater -und seiner Mutter, Himmel und Erde, durch ihre gewaltsame Scheidung -geschehen ist (<a href="#Seite_12">S. 12</a>), rächen will, läßt seine Kinder, die Stürme, -auf Meer und Land los, und er selbst wütet in ihrer Mitte, so daß die -Wälder, die Kinder Tane Mahutas, gestürzt, die Länder überschwemmt -und die Meere durchwühlt werden. „Den niederen Menschenstämmen,“ sagt -Tylor in seinem genannten Werke, „werden Sonne und Gestirne, Bäume und -Flüsse, Wind und Wolken persönliche, belebte Geschöpfe, welche ein nach -Analogie des menschlichen oder tierischen gedachtes Leben führen und -ihre besonderen Aufgaben im Universum mit Hilfe ihrer Gliedmaßen wie -Tiere erfüllen.“ Und er weist mit Recht auf das Verhalten der Kinder -hin, die zuerst gleichfalls alles beleben. Wie das Kind „schlägt der -Wilde Brasiliens den Stein, über den er gestolpert ist, oder den Pfeil, -der ihn verwundet hat.“ Tylor teilt noch andere Beispiele mit. So wird -bei gewissen südasiatischen Stämmen der Baum gefällt und zu Spänen -zerhackt, von dem jemand tödlich herabgefallen ist. Entsprechende -Beispiele finden sich sogar bei Kulturvölkern, ich darf an die Gerichte -erinnern, die bei den Athenern über leblose Gegenstände gehalten -wurden, durch die ein Mensch umgekommen war, an die Geißelung des -Hellesponts durch Xerxes und an anderes aus dem Altertum und selbst aus -dem Mittelalter Bekannte. Fast möchte man an die „Tücke des Objekts“ -erinnern, die Friedrich Vischer in seinem Roman „Auch einer“ so launig -beschreibt. Es war früher eine Sitte in Deutschland, wenn der Hausherr<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span> -gestorben war, es allem im Hause mitzuteilen, selbst dem Ackergerät und -den Vorräten. Wir dürfen uns darum nicht wundern, daß der Naturmensch -tatsächlich Gegenstände für lebend hält, die ihm doch tot scheinen -sollten, und sich so überall von Leben umgeben fühlt, dessen Natur er -nicht kennt, und das ihn infolgedessen beängstigt und bedrückt. Diese -Allbelebung, der wir auf niedrigster Kulturstufe begegnen, findet sich -von allem Groben geklärt in höchsten philosophischen Spekulationen -wieder, wie wir sehen werden. Für die Wildenstufe hat Tylor sie als -„Animismus“ bezeichnet, diesem Worte jedoch noch eine weitere Bedeutung -verliehen.</p> - -<div class="section"> - -<h4>9. <span class="gesperrt">Seele und Beseelung, Animismus, -Fetischismus</span>.</h4> - -</div> - -<p>Sobald der Mensch dazu gelangt ist, an sich selbst den Körper von der -Seele zu unterscheiden, wird er naturgemäß das gleiche auch für alle -anderen Lebewesen und für die von ihm lebend gedachten Wesen tun. -Wann der Mensch „seine Seele entdeckt“ hat, entzieht sich unserer -Kenntnis. Den Unterschied zwischen einem lebenden Tiere und einem -getöteten kennen anscheinend auch Tiere selbst. Der Mensch aber muß -zu irgendeiner Zeit diesen Unterschied tiefer aufgefaßt haben und so -zu einer Zweiteilung seines Ich gekommen sein. Gegenwärtig scheint -kein Volk zu existieren, das den Begriff der Seele nicht kennt. Und -man möchte auch glauben, daß, sobald der Mensch die Ursächlichkeit -hinreichend bewußt anzuwenden gelernt hat, er durch den Anblick des -Toten neben dem Lebenden zu der Ansicht gezwungen werden mußte, -jenem fehle etwas, das dieser besitzt und was, eben weil körperlich -der Tote zunächst sich vom Lebenden noch gar nicht unterscheidet, -das Leben bedingen muß. Der Tote hat also etwas verloren, das Leben -in ihm, wir sagen die Seele. Der Naturmensch faßt die Seele als -körperlich auf, namentlich als Atem. Das tut er ja mit dem Menschen -überhaupt, man denke an ψυχή, anima, bei den Griechen und Römern, die -ein „Wehen“ bedeuten, an ruach,<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span> nephesch bei den Hebräern, die das -gleiche aussagen. Das deutsche „Seele“ soll auch mit einer derartigen -Auffassung zusammenhängen, mit seîvan = sich bewegen, seivs = das Meer, -in Verbindung stehen. Mitunter wird die Seele auch als „Schatten“ -bezeichnet und zwar nicht metaphorisch, sondern konkret, denn der -Naturmensch sieht den Schatten für ein Körperliches an, etwa wie die -Luft, und wir haben ja selbst Sagen, die von dem gleichen Gesichtspunkt -ausgehen. Der Teufel, erzählt Jakob Grimm, unterhielt in einer Gruft -zu Salamanca sieben Schüler mit der Bedingung, daß der siebente nach -Beendigung des Studiums das Gelag zahlen sollte. Als er seine Schule -entließ, wollte er den letzten Schüler zurückbehalten. Dieser aber -wies auf seinen Schatten, der wäre der letzte. Da mußte der Teufel den -Schatten nehmen, und der Schüler blieb ohne Schatten, wie — Peter -Schlemihl. Sonst also ist die Seele etwas Luftartiges, und darum kann -sie auch den ganzen Körper durchdringen und überall in ihm sein, -während sie andererseits wie Luft nicht gesehen wird. Mitunter freilich -wird die Seele unmittelbar als ein Lebewesen betrachtet, entweder als -ein dem Menschen gleichendes Bild — weshalb die Griechen sie auch -bildlich als εἴδωλον, kleines, den Verstorbenen, zuweilen sogar in -der Tracht, nachahmendes Menschlein darstellten —, oder noch derber -als Schmetterling, Wiesel, Vogel, am meisten als Schlange aufgefaßt. -Auf anderen Stufen wird die Seele auch als Pflanze betrachtet; Jakob -Grimm scheint in seiner deutschen Mythologie damit die Metamorphosen -verfolgter Menschen, namentlich Mädchen, wie Daphne und Syrinx, in -Verbindung zu bringen. „Ursprünglich,“ sagt er, „mag aber die Idee -eines unmittelbaren schnellen Übertritts der Seele in die Gestalt -der Blume (wofür er einige Beispiele aus deutschen, romanischen -und slawischen Sagen beiträgt) zugrunde liegen, wie aus bloßen -Blutstropfen, die nur einen kleinen Teil des Lebens enthalten, eine -Blume entspringt, im Blut hat die Seele Sitz, mit seinem Verströmen -flieht sie hin.“ Die Tschechen nennen die auf Sandgrabhügeln wachsende -Quendelblume „Mutterseelchen“. Aber da die Seele dem<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> Körper Leben -verliehen hat, schreibt der Mensch ihr höhere Eigenschaften zu als der -Mensch als solcher besitzt.</p> - -<p>Übertrug nun der Mensch die Entdeckung an sich auch auf die anderen -Lebewesen und auf die ihm belebt scheinenden Gegenstände, so gewann -er rings um sich Seelen, die er im allgemeinen seiner Seele ähnlich -achten mußte. Und so wurden die Tiere wie er beseelt und füllten -sich Sonne, Mond, Gestirne, Bäume, Berge, Felsen, Meer, Flüsse und -Naturerscheinungen mit Seelen. Max Müller sagt zwar: „Ich kann nicht -umhin, es vernunftwidrig zu nennen, wenn man uns weismachen will, -daß zu irgendeiner Zeit in der Geschichte der Welt ein Mensch so -einfältig gewesen sei, daß er nicht imstande war, zwischen leblosen -und belebten Wesen zu unterscheiden, eine Unterscheidung, bei der -selbst die höheren Tiere kaum jemals fehlgehen; oder gar, daß sich -der Mensch darin gefiel, der Sonne und dem Mond, Bäumen und Flüssen -Leben oder eine Seele zuzuschreiben, obwohl er sich dessen vollkommen -bewußt war, daß sie weder Leben noch Seele besäßen.“ Aber gerade dieses -letztere kann angesichts der außerordentlichen Zahl von Tatsachen -nicht zugegeben werden. Der Mensch war sich eben nicht bewußt, daß -die Gegenstände weder Leben noch Seele besäßen, er hat eben gerade -das Gegenteil angenommen. Und man kann sagen, daß die Entdeckung der -Seele als eines Sonderdinges ihm geholfen hat, die Schwierigkeiten, -die sich aus der offensichtlichen Leblosigkeit vieler Gegenstände -ergeben, zu verringern. Denn er sah an sich, daß er zu Zeiten — im -Schlaf — gleichfalls wie leblos erscheint. Da konnten die Seelen der -Gegenstände ähnlich sich in Schlummer oder Halbschlummer befinden. Er -sah, daß Menschen leblos sind, sobald die Seele aus ihnen schwindet; -das konnte auf die Gegenstände gleichfalls Anwendung finden, wo etwa -der Augenschein gegen ein Leben allzusehr sprach.</p> - -<p>Mit der Einführung der Seele als Sonderding und Lebensprinzip, was -selbstverständlich nur sehr allmählich geschah, nahmen nun die -Religionen eine neue Wendung. Sie geht nach verschiedenen Richtungen. -Wir unterscheiden zunächst<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> Fetischglaube, Seelenglaube, einschließlich -Schamanismus, Ahnenglaube, einschließlich Totemismus, Geister- und -Dämonenglaube, Götterglaube. Man darf nicht annehmen, daß es sich hier -um nacheinander entstandene oder — wenigstens gegenwärtig — auch nur -getrennte Religionsgebiete handelt. Alles geht durcheinander, und wir -haben ein solches Gewirr von Angaben und Meinungen, daß es kaum möglich -ist, zu sagen, was bei diesem oder jenem Volke das Wesentliche ist. -Daher auch die sich oft widersprechenden Definitionen und Ergebnisse -der einzelnen Forscher und die Verschiedenheiten in der Bedeutung, die -sie, je nach Ansicht, den besonderen Anschauungsformen beimessen. Nur -allgemeine Grundzüge lassen sich feststellen.</p> - -<p>Es entspricht, wie schon bemerkt, der Natur des Menschen, daß -ungewohnte, neue oder seltene Gegenstände seine besondere -Aufmerksamkeit erregen. Tritt die Beseelung hinzu, so kann Furcht -oder Erwartung an diese Gegenstände sich knüpfen. Sie werden als -zauberkräftig im Schlimmen oder Guten angesehen, und der Mensch sucht -sie durch Gaben zu versöhnen oder sich günstig zu stimmen. Darauf etwa -beruht der <span class="gesperrt">Fetischismus</span>, wie die Portugiesen ihn in Afrika -zuerst kennen gelernt und aus ihrer Sprache (feitiço, Zauber) benannt -haben. Hiernach kann alles Fetisch sein oder werden: Töpfe, Steine, -Holz, Haar, Geflecht usf. Charakteristisch ist eine Erzählung aus -Afrika. Es wurde ein Anker gefunden, ein jedenfalls ungewohntes oder -gar unbekanntes Ding. Einer brach ein Stück davon ab und starb kurze -Zeit darauf. Sofort heißt es, der Anker wäre ein Fetisch, und der Mann -hätte sterben müssen, weil er durch Verletzung diesen Fetisch gekränkt -hätte. In Ozeanien sollen chinesische Töpfe als Fetische verehrt -werden. Tausende sind der Beispiele, die für den Fetischglauben aus -allen Teilen der Welt beigebracht und Tausende auch die Fetische, die -in unsere Museen und Sammlungen versetzt sind. Orte, wo üble Fetische -sich befinden, werden gemieden und nur zu Kulthandlungen aufgesucht. -Gute Fetische nimmt man nach Hause oder tut sie in besondere Hütten. -Erfüllen solche Fetische die Erwartungen<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> nicht, oder zeigen sie -sich unwirksam, so werden sie mitunter wohl gezüchtigt, und wenn das -nichts nützt, fortgeworfen, als gänzlich leblos erkannt. Fetische -können von selbst wirken und ihrem Besitzer Glück und Gesundheit -bringen und erhalten — solche haben wir ja in Unzahl ebenfalls z. -B. in den <span class="gesperrt">Amuletten</span>. Oder sie reagieren nur auf Anrufung -durch einen Sachverständigen. Daraus ergibt sich nun der ganze Unfug -des Zauberwesens und der Zauberer, der überall auf der Erde sich -findet und überall die gleichen Züge trägt. Betrügende Betrüger und -betrogene Betrüger spielen da ihre verhängnisvolle Rolle. Bei der -Beurteilung darf man nicht vergessen, daß der Wilde so wenig Mittel -gegen Krankheit, Hungersnot, Tiere usf. besitzt und darum naturgemäß -zu allem greift, davon er irgend glauben kann, daß es ihm nützen -möchte. Wir finden das gleiche auch bei uns, wo der Mensch von bessern -Hilfsmitteln verlassen ist und irgendwelche Beispiele ihm bekannt sind, -daß dieses oder jenes, wenn auch noch so Absurde, irgendwo und wann -geholfen hat. Wir sehen aber, daß der Fetischglaube rein auf Furcht -und Egoismus gebaut ist, und dementsprechend ist der Kult der Fetische -eingerichtet. Mit dem guten Fetisch wird wie mit einem Liebling -verkehrt; er erhält Gaben an Essen und Getränk, Sitz und Lager. Manche -schaffen sich Hunderte und Tausende von Fetischen an; Steine, über die -sie stolpern, Blätter, die zu ihren Füßen geweht werden, Holzstücke, -die ihnen auffallen, Figuren usf. Und sie sitzen mitunter in der -großen Masse von solchen Gegenständen und bitten sie schmeichelnd und -verehrend, ihre Kraft ihnen zu weihen. Gefürchtete Fetische können -zu furchtbaren Götzen sich auswachsen, die nur durch blutige Opfer -zu versöhnen sind, wozu namentlich auch Menschenopfer gehören. Der -Fetischismus wird vielfach, so von Comte, Lippert, Schultze u. a. in -viel weiterem Sinne aufgefaßt, was später noch zur Sprache kommt. -Ich habe die beschränktere Umgrenzung gewählt, um nicht bei einer -allgemeinen Untersuchung sogleich ins Uferlose zu geraten. Gibt es doch -auf der anderen Seite Forscher, welche von einem Fetisch<span class="gesperrt">glauben</span> -überhaupt nichts wissen wollen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span></p> - -<p>Der Seelenglaube erschöpft sich nicht in dem Glauben an eine Seele, -sondern er geht auch auf die Beschaffenheit und Eigenheit der Seele -ein. Sie kann ihre Behausung überall nehmen, hält sich jedoch am -liebsten am gewohnten Orte auf. Da sie immerhin unheimlich wirkt, -sucht man sie entweder zu bannen oder man überläßt ihr ihren gewohnten -Aufenthalt. So wird oft ein Topf oder ein Korb hingestellt und die -Seele des Gestorbenen gebeten, darin ihren Platz zu nehmen. Dem Körper -entsprechend, den sie bewohnt hat, zieht sie Nachbildungen aus Holz -oder Ton oder Stein vor. Hat sie sich in eine solche Nachbildung -begeben, so kann letztere Fetisch werden und darum haben so viele -Fetische Menschen- und Tiergestalt. In anderen Fällen sucht man sie den -gewohnten Eingang in die Behausung vergessen zu machen und greift zu -so kindlichen Mitteln, daß man den Toten rennend mehrmals um die Hütte -herumträgt, oder daß man den Toten nicht durch die Türe, sondern durch -ein zu diesem Behufe gemachtes Loch hinausschafft, das nachher wieder -geschlossen wird.</p> - -<p>Lippert erzählt eine tragikomische Geschichte aus unserer eigenen -Zeit (1879) und unserem eigenen Vaterlande, die ebensogut in Afrika -hätte passieren können. In einem Dorfe bei Zittau hatte sich ein -Militärmusiker entleibt. Der Hauswirt gestattete unter keinen Umständen -die Hinausbeförderung der Leiche durch den gewöhnlichen Ausgang, weil -„in diesem Falle die Seele des Selbstmörders im Hause bleibe und darin -spuke“. Die Träger mußten fort und kamen, da es spät war, erst am -nächsten Tage mit den Gensdarmes wieder. Wie erstaunt waren sie, die -Leiche vor dem Hause in einer hölzernen Kiste zu finden. Der Hauswirt -hatte sie in der Nacht mit Hilfe einiger Freunde in die Kiste getan und -an einem Strick durch das Fenster hinabgelassen. Wie es bei uns auch -von Spukgeschichten wimmelt, brauche ich kaum hervorzuheben.</p> - -<p>Geht man ganz nachsichtig vor, oder hat man besondere Gründe, so wird -der Tote in der Hütte oder unter dem Eingang der Hütte begraben. Im -ersteren Fall wird die Hütte wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> auch von den Angehörigen verlassen, -damit die Seele ungestört bei ihrem Körper verweilen kann. Oder es wird -der Seele eine besondere Hütte gebaut, in der eben der Tote beigesetzt -wird. Dieses letztere berührt sich zwar mit Kulturgepflogenheiten, -hat aber einen anderen Sinn, lediglich den, der Seele einen festen -Aufenthaltsort zu geben, ohne sie zu kränken. Endlich werden Tote auch -unter Bäumen und Felsen oder in Höhlen beigesetzt. Ihr Gebiet geht -dann, soweit der Schatten des Baumes, Felsens oder der Höhle reicht. -Nach mohammedanischem Glauben bleibt die Seele des Abgeschiedenen noch -eine Nacht bei ihm. Wilde verlängern die Zeit beliebig. Damit die -Seele nicht herauskomme, werden dem Toten alle körperlichen Öffnungen -verstopft, oder es werden die Teile, in denen man die Seele vermutet, -wie Hirn, Herz und namentlich Niere herausgenommen und vernichtet, oder -als „Medizin“, als Zaubermittel gegen Unfälle und für Stärkung der -eigenen Kräfte verwendet. Namentlich Feinden gegenüber, wie Raubtieren -und menschlichen Feinden, wird so verfahren, wenn die Feinde nicht -ganz aufgezehrt werden, um ihre Seele in sich aufzunehmen. Der Drang -nach solcher Medizin ist so groß, daß, wo der Glaube herrscht, die -Seele gehe mit der Leichenflüssigkeit ab, selbst dieser widerliche -Saft getrunken wird. Frobenius, der davon als vom <span class="gesperrt">Fananybrauch</span> -spricht, teilt mehrere Beispiele aus Afrika und Polynesien mit. Nicht -selten führt der Glaube zu gemeinen Mordtaten, und der Mörder hat nur -den Wunsch, etwa die Niere des Getöteten zu verschlingen; er hat dann -zwei Seelen, ist also kräftiger und darf auf längeres Leben hoffen. -Auch der Glaube scheint zu bestehen, daß man die Seele verhindern -kann, mit dem Toten zurück ans Tageslicht zu kehren, wenn man der -Leiche Hände und Füße bindet. Der Brauch scheint uralt zu sein, denn -auch in prähistorischen Gräbern Europas hat man Skelette mit Fesseln -an Händen und Füßen gefunden. Wie sehr die Körperlichkeit der Seele -ein Grundgedanke des Naturmenschen ist, ergibt auch die Ansicht, daß -die Seele in der Form ganz dem Körper folgt. Fehlt einem Menschen ein -Glied, so besitzt<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> auch die Seele dieses Glied nicht. Daher schneiden -Wilde den Toten den Daumen der rechten Hand ab, damit die Seele nicht -nach ihnen ihre Geschosse schleudern kann. Es wird erzählt, daß, als -auf einer Plantage viele Neger Selbstmord begingen, um im Jenseits als -freie Seelen zu leben, der Besitzer zuletzt den Leichen Hände und Füße -abschlagen ließ. Das wirkte: die Neger fürchteten nun, ihr jenseitiges -Dasein so verstümmelt verbringen zu müssen. Daher die Vernichtung der -Seele durch absolute Zerstückelung oder besser durch Verbrennen des -Körpers (<a href="#Seite_71">S. 71</a>). Die Seele krankt und altert sogar mit dem Körper, und -darum fürchten so manche Wilde bei Siechtum oder Alterschwäche, im -Jenseits nicht mehr imstande zu sein, von den dort gebotenen Freuden -hinreichend genießen zu können. Daraus hat man die grausame Sitte so -mancher Naturvölker erklären wollen, die Alten und Siechen zu töten; -man will sie dem Jenseits noch in einiger Kraft erhalten. Eine Sitte, -die auch bei Germanen, Kelten und Slawen sich nachweisen läßt.</p> - -<p>Eine Seele kann auch Ummauerungen nicht durchdringen. Daher muß, wo der -Körper von einem Grabhügel umschlossen ist, an diesem Hügel ein Loch zu -ihm gelassen werden, damit Speise und Trank der Seele zugeführt werden -können; die neben das Grab getane würde die Seele nicht erreichen.</p> - -<div class="section"> - -<h4>10. <span class="gesperrt">Schamanismus, Totemismus, Seelen-, -Ahnenkult</span>.</h4> - -</div> - -<p>Da die Seele eine gewisse Freiheit vom Körper genießt, so kann sie sich -mitunter aus diesem auch bei Lebzeiten entfernen. Und so glaubt der -Naturmensch, daß Gestalten, die er im Träumen sieht, entweder Seelen -dieser sind, die sich von ihnen gelöst haben und nun zu seiner Seele -gekommen sind, oder daß seine Seele aus seinem Körper gegangen ist -und jene Seelen aufgesucht hat. Dabei bieten die leblosen Gegenstände -keine Schwierigkeit, denn diese werden ja auch beseelt gedacht. Es -kann nicht meine Absicht sein, das unheimliche Kapitel der Träume zu -behandeln; ich habe nur das hervorzuheben, was für die Anschauung von -Be<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span>deutung ist. Wie sehr es in der Natur des Menschen liegt, sich -mit seinen Träumen zu plagen, kann selbst der Vorurteilsfreieste an -sich gewahren. Und alle Aufklärungen der Physiologen und Biologen -nützen nur wenig dem, der von einem bösen Traum betroffen ist; er -liegt ihm den Tag über in allen Gliedern; der Träumer ist froh, -wenn dieser Tag vorüber, da seltsamerweise im allgemeinen der Wert -eines Traumes auf die Zeit zwischen Nacht und Nacht beschränkt wird. -Nicht wenige Ethnologen und Anthropologen sind geneigt, die Seelen- -und Religionsanschauungen überhaupt aus den Traumerscheinungen -abzuleiten. Indessen träumen auch Tiere. Etwas Besonderes muß also -beim Menschen wohl hinzukommen, ihm die Reflexion oder den Einfall aus -jenen Anschauungen zu erwecken. Manchen Menschen wird die Fähigkeit -zugeschrieben, ihre Seele nach gewissen Vorbereitungen, die meist auf -Hervorrufung einer Ekstase oder dumpfen Betäubung abzielen, beliebig -aus ihrem Körper nach bestimmten Orten hinauszusenden, um dort -Erkundigungen über Diebstähle, Feindespläne, Heilmittel, Schicksale -von Menschen und Tieren einzuziehen. Der betreffende Mensch liegt -gleich einem Toten, seine Seele geht inzwischen, wohin er sie entsandt -hat. Nachdem sie das Gewünschte erfahren, kehrt sie in ihn zurück, -er erwacht und weiß nun alles. Unzählig sind die Mitteilungen von -solchen Seelenentsendungen und den wunderbaren Erfolgen, namentlich -bei den Völkern Nordasiens, Nordeuropas und Nordamerikas, und auch -Afrikas. Und manche davon sind so auffallend, daß sie selbst unter -gebildeten Reisenden Glauben gefunden haben. Die Leute mit solcher -Macht über ihre Seele gehören meist zur Klasse der Priester und -Zauberer, oder, wie wir sie gemeinhin heißen, weil sie auch Krankheiten -heilen und für alle möglichen Fälle Mittel besitzen und verabreichen, -„Medizinmänner“. Bei den verschiedenen Völkern führen sie verschiedene -Namen. Der bekannteste ist der der <span class="gesperrt">Schamanen</span> (aus dem indischen -Çramana), und in Verbindung mit gewissen Geisterkulten sprechen wir von -<span class="gesperrt">Schamanismus</span> als einer Religionsäußerung.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span></p> - -<p>Solche Ansichten kennen auch die arischen Völker. Odhin soll mitunter -schlafen und dabei soll seine Seele als Vogel, Fisch oder Schlange die -Welt durchstreifen, um dem Herrn, was sie erkundet, mitzuteilen. Eine -seltsame Erzählung hat uns der Geschichtschreiber der Langobarden, -Paulus Diaconus, aufbewahrt, die ich nach Jakob Grimm (Deutsche -Mythologie) wiedergebe. „König Gunthram (der bekannte Frankenkönig) -war im Wald ermüdet auf dem Schoß eines treuen Dieners entschlafen. -Da sieht der Diener aus des Herrn Munde ein Tierlein, gleich einer -Schlange, laufen und auf einen Bach zugehen, den es nicht überschreiten -kann. Jener legt sein Schwert über das Wasser, das Tier läuft darüber -hin, und jenseits in einen Berg. Nach einiger Zeit kehrt es auf -demselben Wege in den Schlafenden zurück, der bald erwacht und erzählt, -wie er im Traum über eine eiserne Brücke in einen mit Gold erfüllten -Berg gegangen sei.“ Schlangen gehören zu den auf der ganzen Erde -verbreiteten Bildern und Verkörperlichungen der Seele. Die Schlange -also war König Gunthrams Seele. Paulus Diaconus teilt übrigens noch -mit, daß man an der betreffenden Stelle nachgegraben und in der Tat -viel verstecktes Gold gefunden habe. Die Seele hat also das Richtige -ermittelt. Von dem Gold ließ der König einen Kelch machen, den er dem -heiligen Marcellus in seiner Residenz Châlons widmete, wo der König -selbst begraben wurde.</p> - -<p>Auch fremde Seelen vermag der Kundige zu senden, wohin er will. Die -Könige von Dahome, so oft sie den Rat eines Gottes einholen wollten, -töteten einen Menschen, dessen Seele zum Gott ziehen und von ihm -das Nötige in Erfahrung bringen sollte, um es dem Zauberer dann zu -offenbaren. Ähnliches erzählt bekanntlich Herodot von den thrakischen -Goten: „Alle fünf Jahre wählen sie einen von ihnen durch das Los, den -schicken sie als Boten an Zalmoxis und tragen ihm ihr jedesmaliges -Anliegen auf.“ Die Entsendung geschieht, indem drei Leute Wurfspieße -halten und der zu Sendende hochgeworfen wird, daß er auf die Spieße -fällt. Ist er gleich tot, so wird das als gnädiges Zeichen des Gottes<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> -betrachtet, sonst wird ein anderer Bote in gleicher Weise entsandt. -Herodot fügt hinzu: „Sie geben ihm aber den Auftrag, wenn er noch -lebt“. So gleichen sich Anschauungen in voneinander so fernen Landen -und so weit abstehenden Zeiten, zum Beweise wie gleichartig die -Menschen denken, schließen und handeln!</p> - -<p>Die Anerkennung der Obergewalt mancher Menschen über sich führt dazu, -daß deren Seelen besonders hoch bewertet werden. An den Seelenglauben -knüpft sich so der <span class="gesperrt">Ahnenglaube</span> als das Natürliche und der -<span class="gesperrt">Übergeordnetenglaube</span> als das oft Aufgezwungene. Den Ahnenglauben -finden wir fast auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten verbreitet. -Vielleicht mangelt er selbst denjenigen Völkern nicht, die ihre alten -Väter und Mütter aussetzen oder gar töten. Es liegt ja nahe, daß der -Ernährer der Familie eine eigene Stellung einnimmt und seine Seele -besonders geachtet wird. Offenbar wird sie besonders geneigt sein, den -Zurückgebliebenen die gleichen und mehr Wohltaten zu erweisen wie im -Leben. Da der Wilde absoluter Realist ist, sucht er sich ihre Zuneigung -zu wahren. Und dieses hat zu einem eigenartigen <span class="gesperrt">Seelen</span>- und -<span class="gesperrt">Ahnenkultus</span> geführt, der sich überall vorfindet und, wie zu -anmutenden Gebräuchen, so auf der Wildenstufe zu den schändlichsten -Grausamkeiten geführt hat, die in den merkwürdigsten Formen vertreten -sind. Alles dieses steigert sich ins Ungemessene, wenn es sich um -die Seele eines mächtigen Zauberers oder eines Häuptlings handelt, -so daß hier deren Tod ein wahrer Jammer in des Wortes bösester -Bedeutung für ein ganzes Volk werden kann. Wir haben schauerliche -Funde aus prähistorischen Zeiten, und entsetzenvolle Erzählungen aus -Vergangenheit und Gegenwart. Indessen ist es nicht meine Aufgabe, die -Kulte zu besprechen, nur die Anschauungen gehören hierher. Diese aber -führen, wie man sieht, zu einer Stufung in den Seelen. Der niedrige -Sklave hat eine niedrige Seele, die nichts vermag, der Ahne, Priester -und Häuptling besitzen bedeutende Seelen. Und je höher der Rang, -je größer die Gewalt, desto mächtiger auch die Seele im Guten und -nament<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span>lich im Bösen. Diese Differenzierung ist von großer Wichtigkeit; -sie hat zu Theorien geführt, wonach die Religionen überhaupt aus -Seelen- und Ahnenglaube (wenn wir unter Ahnen allgemein Übergeordnete -verstehen) hervorgegangen seien. Ich komme darauf später zu sprechen.</p> - -<p>Die Tiere erachtet der Naturmensch als von sich nicht verschieden, -er verleiht ihnen Seelen, der seinigen gleich. Sprechen doch manche -afrikanische Stämme davon, daß gewisse Menschen beliebig als Menschen -oder als wilde Tiere leben können. Und wenn Polynesier von Leuten -erzählen, die sich beliebig in Raubtiere, Vögel, Fische oder Schlangen -verwandeln, so meinen sie das nicht nach Art unserer Sagen und Fabeln, -sondern rein reell. So hat sich neben einem Menschenseelenglauben -auch ein Tierseelenglaube ausgebildet und daran ein Tierseelenkult -angeschlossen, der <span class="gesperrt">Totemismus</span>. Und wunderlich berührt es, wenn -als Ahnenseelen auch Tierseelen angenommen werden, wie das namentlich -bei den Indianern der Fall ist, wo nicht bloß Familien, sondern auch -ganze Stämme irgendein Tier: Bär, Rabe, Schlange, Schildkröte, Spinne -usf. als Urahnen bezeichnen. Wenn ich Lippert recht verstehe, will er -freilich nicht die Tierseele als die Ahnenseele anerkennen, sondern -eine Menschenahnenseele annehmen, die in das Tier gefahren ist, in -ihm ihren Wohnsitz aufgeschlagen hat. Damit würde übereinstimmen, daß -Ahnentiere in der Regel nicht getötet und nicht gegessen werden dürfen, -aber wiederum nicht dazu passen, daß bei gewissen Festen gerade solche -Tiere verzehrt werden müssen. Indessen besteht über den Totemismus -überhaupt keine rechte Sicherheit. Manche wollen in den Ahnentieren -nichts weiter als Wappenbilder sehen, und zweifellos machen solche -auch vielfach diesen Eindruck. Oder sie erklären sie lediglich durch -Tiernamen menschlicher Ahnen, die durch Mißverstand zur Annahme von -Tieren als Ahnen geführt haben. Das eine oder das andere wird in vielen -Fällen zutreffen. Sicher aber ist, daß Tierseelen mitunter nicht -mindere Bedeutung haben wie Menschenseelen und gleichfalls Verehrung -genießen. Familie und Stamm<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> halten ihr Totem (der Name stammt von den -Algonkinindianern her, „Dodaim“) hoch und nennen sich nach ihm Bär, -Wolf, Hirsch usf.</p> - -<div class="section"> - -<h4>11. <span class="gesperrt">Geister- und Dämonenglaube, -Götzendienst</span>.</h4> - -</div> - -<p>Ein unmittelbares Kind des Seelenglaubens ist der <span class="gesperrt">Geister</span>- -und <span class="gesperrt">Dämonenglaube</span>. Geister und Dämonen sind die Seelen -abgeschiedener Menschen oder Tiere. Ist es gelungen, diese Seelen an -Gegenstände, tote oder Lebewesen, zu bannen, so hat man die Fetische, -die um so wichtiger sind, je bedeutender die Seele. Häuptlinge -und Priester können erklären, in den und den Gegenstand sei eine -besonders wichtige Seele gefahren oder gebannt. Der Gegenstand ist -dann <span class="gesperrt">Tabu</span>, unberührbar und unnahbar, die bekannte Plage der -ozeanischen Stämme. Gegenstände, namentlich menschliche Figuren, -aber auch Tiere und tierische Figuren, werden besonders gerne zum -Sitz einer Seele genommen, und ist die Seele von einiger Bedeutung, -so haben wir ein <span class="gesperrt">Götzenbild</span> als Fetisch. Götzenbilder sind -räumlich und zeitlich außerordentlich verbreitet und finden sich selbst -gegenwärtig sogar bei den Kulturnationen. Sie entstammen aber der -menschlichen Eigenheit, alles materiell zu fassen. Und es mag noch so -oft gesagt werden, Männer und Frauen in katholischen Ländern sollen -durch bekleidete und gekrönte Marien- und Heiligenbilder nur an die -hohe Gottesmutter und an Menschen frommsten Lebenswandels erinnert -werden, so faßt das einfache Volk die Sache doch anders auf, wenn -auch nicht so wie der Neger oder der Gesellschaftsinsulaner, der sein -Götzenbild absolut sich dienstbar erachtet und es mit einer rohen Seele -versieht, die unter Umständen gezwungen werden muß, Dienste zu leisten, -aber doch immerhin beseelt. Wie sollten sonst die Wunderbilder, -die als solche Wunder tun oder die gar Lebensäußerungen von sich -geben, wie Weinen, Zunicken, Blutschwitzen zu erklären sein, von den -Hostien, deren Lebensäußerungen so unendlich vielen unschuldigen -Menschen den qualvollsten Tod gebracht haben,<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span> zu schweigen, die nicht -einmal menschliche Figur nachahmen. Es kann kaum anderes angenommen -werden, als daß für den Unaufgeklärten in allen diesen Dingen sich -mindestens die Kraft der Gottheit oder des Heiligen kundgibt, zumal -es sich ja immer um <span class="gesperrt">besondere</span> solche Dinge handelt, nicht um -alle. Anhänger der Lehre, daß alle Religion aus dem Seelenkult in -Verbindung mit Fetischglaube hervorgegangen ist, würden sogar sagen, -daß angenommen wird, die Kraft <span class="gesperrt">stecke</span> in den betreffenden -Dingen. Das geht sicher zu weit, selbst für das Mittelalter; es handelt -sich nur um eine Manifestation, nicht um Götzendienst im Sinne des -Naturmenschen. Ob aber der Molochdienst der Phönizier und Karthager, -der Çiva- und Kalidienst der Indier, der ursprüngliche Götterdienst -der Griechen und Römer, der Tierdienst der alten Ägypter, der Baum- -und Bilderdienst der alten Germanen, Kelten, Littauer, Preußen, Slawen -von jenem Götzendienst sehr weit entfernt gewesen ist, darf mit Recht -bezweifelt werden. Tylor macht darauf aufmerksam, wie trotz der -allgemeinen Verbreitung der Götzendienst doch manchen Völkern fehlt, -während die ganze Umgebung ihm huldigt. Das bekannteste Beispiel ist -das der Hebräer, denen ja selbst die Anfertigung eines Götzenbildes -verboten war. Aber wie sehr Fetischgötzendienst im Blute des Menschen -liegt, sehen wir ja gerade an den Hebräern. Was haben die gewaltigen -Seher und Propheten predigen und eifern müssen, um das Volk vom -Götzendienst abzuhalten, und wie viele Rückfälle in diesen Dienst sind -zu verzeichnen! Die lebhafteste Schilderung haben wir im Buch der -Richter vom Götzendienst im Hause des Micha, der sogar einen Leviten -zum Priester der Götzenbilder anstellt, sodann in der Anbetung des -goldenen Kalbes mit ihrem so verhängnisvollen Ergebnis für das Volk. -Aber nach dem Exil finden wir keine Spur von Götzendienst mehr vor, und -wie zuwider und verhaßt dieser Dienst dem Volke war, sehen wir an der -Heldenzeit der Makkabäer in der Empörung selbst gegen den veredelten -Bilderdienst der Griechen. Und unmittelbar neben diesem Hebräervolk -sitzt das ihm doch verschwisterte und dabei götzendienerischeste<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span> Volk -der Phönizier und im Süden hausen die tatsächlich Fetische anbetenden -Araber und im Osten die, trotz unserer Babylonier, götzendienerischen -Mesopotamier. Als zweites Beispiel werden die Götzendiener der -Gesellschaftsinseln und die vom Götzendienst freien Bewohner der -Tonga- und Fidschiinseln genannt. Selbst Religionen, die überhaupt -nicht auf Götterverehrung basieren, wie der Buddhismus, haben zuletzt -doch zu <span class="gesperrt">Idolatrie</span> und Fetischismus geführt, sobald sie zu -Völkern gelangten, die die hohen Lehren nicht begriffen und nur das -aufnahmen, was ihrem, ich möchte fast sagen, Wildeninstinkt entsprach. -So ist die edle Lehre Gotamas bei Tibetanern und Mongolen zu einem -elenden Götzendienst herabgesunken, mit Geister- und Hexenwesen und -allem möglichen Beschwörungsunfug. In China ist ein Götze nach einem -Prozeß gegen ihn aus einer Provinz ausgetrieben worden, weil er einem -Mädchen durch seinen Priester Heilung versprach und das arme Wesen -dennoch starb. Mir fällt ein amüsantes Histörchen aus Herodot ein. -Der joviale Vater der Geschichte erzählt, die Männer von Kaunos, der -Vaterstadt des großen Malers Protogenes, hätten von ihren Göttern -manches erfleht, aber es nicht erhalten. Da seien sie mit Lanzen -und Schwertern in den Tempel gestürzt und hätten mit Schreien und -Herumstechen in der Luft die Götter aus dem Tempel gejagt, seien in -gleicher Weise hinter ihnen her gerannt, bis sie sie über ihre Grenze -gescheucht hätten. Dann hätten sie neue Götter in den Tempel geladen. -Als es aber unter diesen nicht besser wurde, hätten sie auch diese -hinausgetrieben und ihre alten Götter zurückgeholt. Völlig negermäßig! -Und ähnliche Beispiele gibt es in großer Zahl bei Griechen, Römern und -anderen Völkern, wenn auch nicht so ganz naturnaiv. Sehr lehrreich ist, -was Curtis in seinem lesenswerten Buche „Ursemitische Religion“ von -den mohammedanischen Stämmen in Syrien und den angrenzenden Gebieten -erzählt. Bei vielen dient Mohammeds Lehre kaum als Deckmantel für einen -Heiligen-Fetischglauben. Die Heiligen, Weli, können in Gräbern — die -große Zahl solcher in allen mohammedanischen Ländern ist ja bekannt -—<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> leben, aber auch in Bäumen, Felsen, Steinen, Quellen, Wassern -usf. „Theoretisch,“ sagt der genannte Verfasser — und er beruft sich -auch auf den bekannten Palästinaforscher Conder — „werden sie in -Verbindung mit Gott verehrt; tatsächlich jedoch kennen viele Leute -keinen anderen Gott als sie. Sie sind die Gottheiten, welche das Volk -fürchtet, liebt, verehrt und anbetet.“ Ein frommer Moslem erzählte, -sein Schutzpatron sei in einen in Asâl befindlichen Stein gefahren. Und -Steine als Aufenthalt scheinen überhaupt bei den Weli nicht unbeliebt -zu sein, namentlich irgend bemerkenswerte, wie Pfeiler, Denksteine usf. -Curtis erinnert daran, daß auch im Alten Testament Steine mitunter eine -besondere Rolle spielen, wie der Stein Jakobs, auf dem sein Haupt bei -dem schönen Traum geruht hatte und den er salbte und ein Haus Gottes -nannte. Auch Bäume sind in obigem Sinne heilig. „Offenbar sind nach -dem Volksglauben heilige Bäume Stätten der Offenbarung von Geistern.“ -„In solchen Bäumen wird Fleisch aufgehängt, gleichsam die Nahrung für -die darin wohnhaften Geister.“ Besonders seltsam sind die Gewässer, -in denen Heilige wohnen. Sie werden namentlich von Frauen aufgesucht, -welche unfruchtbar sind und glauben, daß wenn sie sich dem Wassergeist -ergaben, sie fruchtbar werden. Sie legen sich darum in den Wasserlauf -und lassen die Fluten über ihren Schoß spülen. Daß es sich hier um -etwas anderes handelt als Baden, erhellt aus folgender sonderbaren -Erzählung Curtis’. Ein reicher Moslem in Damaskus hatte seine Frau im -Zorn verstoßen und die dreifache Scheidung ausgesprochen. Bald tat -es ihm leid, er konnte sie aber nach dem Gesetz nunmehr nicht wieder -heiraten, bevor sie nicht mit einem anderen vermählt gewesen und von -ihm geschieden war, oder bevor sie nicht wenigstens einem anderen sich -hingegeben hatte. Die mohammedanischen Ulemas wußten ihm nicht zu -helfen. Aber der Patriarch (!) gab ihm den Rat, die Frau sollte sich -in den Rásadafluß niederlegen, „sich vom Wasser umspülen lassen und -so eine Ehe vollziehen; dann könne er sie wieder heimführen. Damit -erklärten sich auch die Ulemas einverstanden.“ Einen viel anderen -Rat<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> als hier erste Priester zweier hoher Religionen gaben, würde ein -Medizinmann Afrikas auch nicht gegeben haben. Selbst die Bestechung -fehlt hier nicht, wobei es ganz handelsmäßig zugeht, indem dem -Heiligenbild mehr und mehr geboten wird, wenn es anscheinend nicht in -der Laune ist, den Wunsch zu gewähren.</p> - -<p>Je bedeutender die Seele, desto höher wertet, wie bemerkt, der -Fetischgötze, in dem sie wohnte. Und so konnten Häuptlingsseelen Götzen -für ein ganzes Volk abgeben, so daß manche Volksgötzen nach Häuptlingen -benannt sind, wie auch umgekehrt Häuptlinge nach Götzen. So müßte die -Bevölkerung des Olymps der Naturmenschen ins Ungemessene wachsen, wenn -nicht durch Vergessen oder absichtliches Entfernen für Abgang gesorgt -würde. Es ist bekannt, daß der Messenier Euemeros zur Zeit Alexanders -behauptete — was übrigens andere schon vor ihm angenommen hatten —, -die griechischen Götter seien lediglich vergötterte Fürsten und Helden. -Er ist wegen dieser öden Ansicht viel angefeindet worden und wird, mit -bezug auf die griechischen Götter, die wir kennen, auch im Unrecht -sein. Daß aber Götter ursprünglich solche Fetischgötzen von Häuptlingen -sein können, wird man kaum bezweifeln dürfen, und die griechischen -Sagen tragen selbst viel dazu bei, ihren Göttern Menschenursprung -zuzuschreiben. Bei den Naturvölkern aber sind solche Vergötterungen -selbstverständlich. Der Häuptling ist der mächtigste im Stamm, er kann -zu Lebzeiten Gutes und Übles, und namentlich letzteres, zufügen. Also -muß seine Seele der gleichen Art sein, und der Gegenstand, in dem sie -wohnt, ein Menschenbild, ein Tierbild oder auch ein lebendes Tier, -durch sie besondere Kraft besitzen, gleichfalls Gutes und namentlich -Übles anzustiften, und muß durch Opfer, oft sogar Menschenopfer, -bei guter Laune erhalten werden. Selbst in Menschen kann die Seele -einziehen, dann fallen diese in Raserei. So erzählt Stuhlmann von den -Waganda. Er erwähnt auch, daß, wenn ein Priester stirbt, bald sich -jemand zu seinem Nachfolger aufwirft, indem er behauptet, jenes Seele -sei in ihn gefahren.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span></p> - -<h4>12. <span class="gesperrt">Zauberwesen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Nun können noch Seelen frei in der Luft leben oder in Bergen, -Höhlen, Wäldern, Gewässern, Wolken usf. Diese geben das Heer der -<span class="gesperrt">Geister</span>, <span class="gesperrt">Gespenster</span>, <span class="gesperrt">Dämonen</span>, von denen es um -den Naturmenschen wimmelt. Nichts Unangenehmes kann vorgehen, daran -nicht irgendein Geist schuld ist. Deshalb ist dem Naturmenschen der -Zauberer so unentbehrlich, der es versteht, die Dämonen auszutreiben -und zu bannen und sie auch gegen die Feinde auszusenden. Manaia, so -erzählt Grey in seiner Polynesian Mythology, hatte die Schwester des -Ngatoro-i-Rangi zur Frau. Diese kochte ihm eines Tages schlechtes -Essen. Da verfluchte er ihren Bruder und entsandte so böse Geister -gegen ihn und sein Volk. Die Frau schickte sofort ihre Tochter aus, -den Bruder zu warnen. Das Mädchen kam hin und erzählte den Vorfall; -darauf grub Ngatoro-i-Rangi, nachdem er und seine Angehörigen sich -durch Untertauchen in Wasser gereinigt hatten, mit diesen eine Grube, -und unter Beschwörungen schaufelte er die gegen ihn ausgesandten bösen -Geister in diese Grube hinein, überschüttete sie mit Erde, stampfte -diese fest und spannte darüber beschwörte Gewänder und zuletzt ein -Geflecht. So hatte er die Dämonen vernichtet. Später zieht er mit -seinen Leuten gegen Manaia und gebraucht eine Kriegslist. Sie schlagen -sich alle die Nasen wund und legen sich für tot, die Waffen verborgen, -auf die Erde. Priester Manaias kommen und finden sie und meinen nicht -anders, als ihre Geister hätten sie getötet und hergebracht. Auf ihren -Ruf strömt das Volk hinzu. Aber während sie noch über die Verteilung -der vermeintlich Toten streiten, springen diese auf, fallen über sie -her und erschlagen alle. Dann — fressen sie sie auf. Noch eigenartiger -ist eine zweite Erzählung Greys, gleichfalls aus Neuseeland. Zwei -Zauberer, Purata und Tautohito, besaßen in einer Festung einen -holzgeschnitzten Kopf, der auf Beschwörung Geister über Geister -aussandte, die alles, was sich der Festung nahte, töteten, so daß -niemand mehr wagte, in die Gegend zu kommen,<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> die einem Leichenfelde -glich. Da beschließt ein gewaltiger Zauberer, Hakawau, hinzugehen und -jenen Zauber zu vernichten. Zuerst beruft er seine Geister und läßt -sich von ihnen im Schlafe sein Schicksal zeigen. Dieses ist günstig, -denn er träumt, sein Haupt berühre den Himmel und seine Füße ständen -fest auf der Erde. Nun macht er sich auf. Und wie er der Festung -sich naht, schickt er mit Beschwörung seinerseits Geister wider die -feindseligen Geister. Es entsteht eine förmliche Schlacht zwischen den -zwei Geisterscharen. Die Zauberer in der Festung schreien lauter und -lauter auf den hölzernen Kopf ein, der mehr und mehr Geister entsendet. -Hakawau aber ist kräftiger, und so siegt sein Geisterheer und erschlägt -das feindliche. Zuletzt dringt er in die Festung ein, indem er über den -Zaun klettert, und vernichtet den tödlichen Zauber vollends.</p> - -<p>Anrufungen, Beschwörungen und Kulte der Geister und Dämonen wechseln -ständig miteinander, und so ist der Naturmensch auch der ständige -Sklave dieses Glaubens und lebt namentlich in der Nacht in jeglicher -Furcht vor den Schöpfungen seiner eigenen Phantasie, richtiger seiner -konsequenten, aber von falschen Voraussetzungen ausgehenden Schlüsse. -In geringerer Fülle, aber immer ja noch reichlich genug, ist der -Geisterglaube auch bei den Kulturnationen vorhanden. Und zuzeiten nimmt -er gar gewaltig überhand.</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,</div> - <div class="verse">Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll.</div> - <div class="verse">Wenn auch ein Tag uns klar vernünftig lacht,</div> - <div class="verse">In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht.</div> - <div class="verse">Wir kehren froh von junger Flur zurück,</div> - <div class="verse">Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick.</div> - <div class="verse">Von Aberglauben, früh und spät umgarnt —</div> - <div class="verse">Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt —</div> - <div class="verse">Und so verschüchtert stehen wir allein</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">sagt Faust, bevor die Sorge ihn erblinden läßt, wohl mit Rücksicht -auf den gerade blühenden Weinsberger Geisterspuk des so bedeutenden -Dichters Justinus Kerner. Und was tut der Spiritismus gegenwärtig -anderes als eine Geisterwelt errichten, und auf demselben Stamme wie -die Natur<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span>völker, nur, bei den ernsten Anhängern, in edlerer und -gedankenreicherer Form. Aber der Vampyrglaube der slawischen Völker -ist grauenvoll genug, daß er uns selbst in der Oper von Marschner noch -erschreckt. Und ähnliche Gespenster- und Dämonengestalten, wo sind sie -nicht zu finden? Tote geben überall Anlaß zu Furcht und Wahngebilden, -nicht minder tut es das Spiel der Natur an abgelegenem Ort oder zu -mitternächtlicher Stunde. Wir verdanken diesen Gebilden so herrliche -Dichtungen wie Bürgers „Leonore“ und unzählige Volksballaden. Das -sind „<span class="gesperrt">Überlebsel</span>“ aus grauer Vorzeit, sagt man. Und in der Tat -schwindet bei uns im Volke der Geister- und Gespensterglaube mehr und -mehr, wogegen er freilich in der Gesellschaft und in einer ganzen -Schule von Psychologen in gleicher oder anderer Form stark anschwillt, -trotz der mitunter lächerlichsten Prozesse gegen betrügerische -Beschwörer. Der Naturmensch faßt die Sache rein materiell auf, wie die -beiden Beispiele, die durch hunderte zu vermehren keinen Zweck hätte, -lehren. Die Geister sind für ihn zwar irdisch, sogar vernichtbar. -Aber daß sie nicht wahrzunehmen sind, das füllt ihn mit banger Furcht -vor stetem und verderblichem Angriff und zwingt ihn zu steter Abwehr. -Unfall, Krankheit und Tod sind dem Naturmenschen nicht natürlich, -sondern Durchbrechung der Natur und immer auf Rechnung böser Geister zu -setzen, die von selbst oder von irgendeinem Feind gesandt, den Menschen -befallen. Und so hat er sich ständig zu wahren und zu wehren, und der -Zauberer muß bald die günstigen Geister zur Hilfe herbeirufen, bald -die bösen durch Beschwörung und Tanz und Rasseln mit allen möglichen -Dingen vertreiben und wenn möglich zurück auf den Feind lenken. Wie -schon der Römer halb Sklave seiner dies fasti und nefasti, seiner -Träume und Ahnungen, aller Vorfälle und Erzählungen war, so ist das in -noch viel höherem Grade der Naturmensch. Überall sieht dieser die Hand -unheimlicher Mächte. Das gilt vielleicht nicht für alle Naturmenschen, -aber sicher weitaus für die meisten. Selbst Beduinen sind der Ansicht, -daß Menschen von Geistern im Traume erschlagen werden können. Und -„von bösen Geistern<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span> Besessene“ kennt das Altertum, das ganze -Mittelalter und ein gutes Stück der Neuzeit. Dieses zu besprechen ist -unerquicklich, und um so unerquicklicher, als beim Naturmenschen alle -Mittel angewendet werden, den Besessenen zu heilen, vom bösen Geist zu -befreien, bei uns aber, in unsinnigem Aberglauben, zuletzt die Heilung -in Ertränken und Verbrennen der Unglücklichen gesehen wurde.</p> - -<div class="section"> - -<h4>13. <span class="gesperrt">Höhere Anschauungen bei Naturvölkern; -Naturreligionen, Naturmythen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Indem der Naturmensch alles mit Geistern erfüllt, läßt er auch -Himmel, Sonne, Mond, Gestirne, Erde, Meer, Flüsse, Quellen, Wolken, -Wälder nicht von Geistern frei. Diese besonderen Geister aber haben -für ihn nur zeitweise perniziöse Bedeutung, im allgemeinen jedoch -spenden sie ihm Wohlleben. Sie treten so nun aus der Reihe der übrigen -Geister heraus. Und sie sind es, aus denen sich allmählich die -<span class="gesperrt">Naturreligion</span> entwickelt. Vor allem der Himmel, als der Ort -der Himmelskörper, dann Sonne, Wetter und Erde gewinnen mehr und mehr -an Bedeutung. Und indem sie für ganze Völker und Länder entscheidend -sind und auf lange Zeiten, werden sie mit den vornehmsten Geistern -bevölkert. Aber dieser Prozeß geht langsam vor sich. Und eigentlich muß -der <span class="gesperrt">Pandämonismus</span> schon bis zu einem gewissen Grade abgeklungen -sein, wenn jene höheren Mächte hervortreten sollen. In der Tat haben -sie auch bei dem Naturmenschen bei weitem geringere Bedeutung als -die unmittelbaren Geister und Dämonen, zumal sie ja ständig sichtbar -bleiben und der Mensch so an ihren Anblick gewöhnt ist. Mit ihnen aber -beginnt der eigentliche <span class="gesperrt">Götterglaube</span> und die <span class="gesperrt">Mythologie</span>, -die sich dann zuletzt zum <span class="gesperrt">Gottglauben</span> steigert. Es ist oft -gefragt worden, ob die Wildenstämme schon im Besitz solcher höheren -und höchsten Ideen sind. Ich habe schon hervorgehoben, daß bei ihnen -keineswegs nur eine Anschauung herrscht, daß ihr Sinnen und Meinen -sich vielmehr nach allen möglichen Richtungen wendet. Und so ist es -schon<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span> zu erwarten, daß, wenn nicht alle, doch einige Stämme außer -den unmittelbaren Geistern und Dämonen auch die höheren anerkennen -werden, vielleicht den höchsten Geist. Das wird auch vielfach behauptet -und durch Beispiele zu erweisen gesucht. Aber es ist mitunter recht -schwer, einzusehen, daß dem wirklich so ist. Meist handelt es sich um -einen Namen, ohne besondere Angabe der Qualitäten, höchstens unter -Bezugnahme auf Schöpfung. Wenn man bedenkt, wie halbselbstverständlich -dem Wilden das Wunder ist, begreift man auch, wie wenig die Schöpfung -intellektuell für ihn zu bedeuten hat. Sie wird ja oft Menschen -übertragen. Frobenius sagt, die afrikanischen Götter hätten dreierlei -Ursprung: Geister als vergötterte Ahnen und Herrscher, letztere -nicht selten noch zu ihren Lebzeiten. Mystische Gottheiten, die zum -Menschen gleichgültig stehen. „Sie entsprossen dem Gefühl, daß neben -den von den Afrikanern so sorgsam beobachteten Ausnahmeerscheinungen -eine noch unerkannte Regelmäßigkeit in der Natur herrscht; sie sind -gleichsam die Personifikation des Rhythmus in der Natur.“ Götter der -hohen Mythologie, wie Sonnengötter usf. Eine strenge Scheidung soll -es zwischen diesen drei Gruppen nicht geben, sie sollen ineinander -übergreifen. Die erste Gruppe kennen wir. Was man mit der zweiten -Gruppe anfangen soll, ist nicht recht ersichtlich, zumal sie sich -nicht weiter entwickelt hat, wenn wir nicht in die Naturwissenschaft -übergreifen wollen. Möglicherweise soll aber auch diese zweite Gruppe -gerade zu den Höchstbegriffen führen, dann wäre die dritte Gruppe an -die erste anzufügen. Einstweilen können wir in ihr nichts weiter als -ein dunkles Fühlen und Ahnen sehen, ohne Namen und Sage, fast die -Götter der Mysterien. Ich bekenne, daß ich für diese Götter bei den -Naturvölkern keinen rechten Anhalt gefunden habe. Aber Geheimbünde -bestehen bekanntlich bei ihnen in reichlicher Zahl, und es ist nicht -ausgeschlossen, daß sie Mysterien pflegen wie die Griechen und -andere Völker. Wir finden solche Bünde in Nordamerika, Westafrika, -den ozeanischen Inseln, in Australien usf., von den Kulturvölkern zu -schweigen. Was man von ihrem Tun und<span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span> Treiben liest, ist freilich kaum -geeignet, höhere Begriffe von ihren Geheimnissen einzuflössen; das -meiste liegt auf dem Gebiete egoistischer Herrschsucht und der Raub- -und Mordgier, auch des bösen Kannibalismus, und ist bei weitem mehr -Plage als Wohltat, selbst wenn eine Art Rechtsüberwachung (ähnlich -der Fehme) stattfindet. Keineswegs sind diese Mysterien mit den -griechischen zu vergleichen, von denen alle alten Schriftsteller mit so -hoher Achtung sprechen. Also über die zweite Gruppe weiß ich nichts zu -sagen, vielleicht weiß ein anderer mehr.</p> - -<p>Die dritte Gruppe wird von Frobenius in mehreren Beispielen behandelt. -Aber hier bedarf es mitunter sehr weitgehender Deutungen, um zu -höheren Ideen zu gelangen. Nehmen wir einige davon. Schango, bei den -Yoruba an der Nigermündung, ist Gott des Donners, Blitzes und Feuers. -Er ist Sohn des Meeres (Yemaja); Oschumare, der Regenbogen, ist sein -Diener und trägt Wasser von der Erde in seinen Wolkenpalast. Ara, das -Donnergrollen, ist sein Bote, Biri, die Finsternis, sein Gefolge. -Er hat drei Frauen, die ihm Schnur, Bogen und Schwert tragen. Das -alles klingt sehr schön und ganz wie ein hoher Naturmythos. Aber -das ist nicht der einzige Mythos von Schango. Nach anderen Mythen -stammt er von sterblichen Menschen. „Er war Herrscher in Oyo, der -Hauptstadt Yorubas. Er war so grausam, daß Häuptlinge und Volk ihm -eine Kalebasse voll Papageieneier schickten mit der Botschaft, daß -er durch die Regierungsgeschäfte müde sei und schlafen gehen solle.“ -Darüber entsteht ein Krieg; er muß fliehen, alles verläßt ihn, selbst -sein Weib. Da hängt er sich auf. Nun erschrecken alle, sie suchen -seinen Leichnam und finden eine Kette aus der Erde ragend. Darunter -aber hören sie Schangos Stimme. Jetzt bauen sie darüber einen Tempel -für Schango als Gott. Und wie Zweifler sagen, Schango sei doch tot, -da kommt dieser in einem Gewittersturm und erschlägt die Ungläubigen. -Hier ist nichts mehr von hohen Ideen, die Geschichte verläuft richtig -fetischmäßig. Noch andere Mythen von Schango stehen nicht viel höher, -zumal, wenn man beachtet, was auf <a href="#Seite_16">S. 16</a> ff. über die<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span> Weltauffassung -der einfachsten Naturmenschen gesagt ist. Höchstens eine Art Herrentum -nach Art von Mauis erkennt man noch. Eine andere Gottheit ist Hubeane -bei den Basuto, hier fehlt eine hohe Sage ganz. Sein Vater war -Modimo, „der alles gut erschaffen, nur nicht den Menschen, welcher -bald dem Verderben und dem Tode verfiel.“ Hubeane ergeht sich in -Nichtswürdigkeiten diesem seinem Vater gegenüber und schlägt ihn sogar. -Nun will ihn dieser töten und versucht es mit vergiftetem Brei, durch -Meuchelmörder usf. Allen Nachstellungen entzieht sich Hubeane, und -zuletzt muß der Vater fliehen. Nach einer anderen Mythe ist Hubeane -Sohn eines Weibes, das allein noch übrig blieb, nachdem alle Menschen -von einem Ungeheuer verschlungen sind. Er zieht, plötzlich erstarkt, -zum Kampf gegen dieses Ungeheuer, wird aber auch verschlungen. Doch -weiß er sich zu helfen, denn er schneidet ein Loch durch den Leib des -Ungeheuers und schlüpft heraus, hinter ihm her kommen alle Menschen -ans Tageslicht. Diese Sage ist in einer anderen, wo Hubeane von einem -Schmuck, den er bei der Geburt am Halse schon mitbringt, Litaolane -heißt, genauer ausgeführt; namentlich in den Verfolgungen, die er -von den durch ihn befreiten Menschen erfährt. So flieht er einmal -und verwandelt sich an einem Fluß in einen Stein. Seine Verfolger -ergreifen den Stein und werfen ihn an das andere Flußufer hinüber. -Dort wird der Stein wieder zu Litaolane, und dieser lacht seine Gegner -aus. Die Auslegung, die Frobenius der ersten Sage gibt, meint, Hubeane -wird verschlungen = Sonnenuntergang, er kommt wieder ans Tageslicht -= Sonnenaufgang. Alle Menschen folgen ihm = erwachen im Schimmer der -Morgensonne. Das ist aus Analogien erschlossen. Und alles andere, -die Verfolgung durch die Menschen? Man wird gestehen, es ist nicht -viel Besonderes an solchen Mythen. Und dabei sagt Frobenius: „Mit -Schango und Hubeane haben wir den ganzen Vorrat der unverfälschten -Sonnengötter des negerischen Afrika erschöpft.“ Er erzählt dann von -dem hottentottischen Heitsi-Eibib, Tsui-Goab, Kauna. Ich kann in allen -diesen Erzählungen nur mehr oder weniger törichte<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> Märchen sehen und -vermag den Deutungen von Frobenius nicht zu folgen. Nur in einigen -Zügen läßt sich etwas Bedeutenderes blicken, wie, daß Heitsi-Eibib -durch ein Wasser flieht, das sich vor ihm spaltet, über seine Verfolger -aber zusammenschlägt (<a href="#Seite_13">S. 13</a>), daß Tsui-Goab in einem weißen Himmel über -dem blauen Himmel wohnt, und dieser sich, die Menschen zu schützen, -vorschiebt, so oft Tsui-Goab zürnt.</p> - -<p>Ein Beispiel eines echten Fetischscheusals ist der weiter behandelte -O-dente von der Goldküste. Der in einer Höhle bei Date wohnende -Geist, er hieß zuerst Konkom, war „ein Mann mit nur einem Auge, einem -Arm, krebszerfressener Nase und voller Schwären“. Dieser anmutigen -Erscheinung immer zu opfern, ohne sie zu sehen, wurden die Leute müde -und bei einem Opferfeste griffen beherzte Männer, als ein Arm aus der -Höhle sich streckte, die Fleischstücke in Empfang zu nehmen, diesen Arm -und zogen trotz allen Wimmerns die Gestalt nach. Aber entsetzt liefen -alle davon unter dem Rufe: „Es ist kein gemeiner Mann, in der Tat, es -ist ein Gott.“ Völlig entsprechend dem Standpunkte des Naturmenschen! -Deshalb unterhandelten sie mit ihm. Er zeigte sich versöhnlich und -legte ihnen als Buße auf, alle Früchte auf dem Felde und im Hause zu -verbrennen, sie sollten jegliches hundertfältig zurückerhalten. Die -Leute taten’s, da war Konkom gerächt, denn er floh von ihnen und eine -Hungersnot brach aus. Er begab sich nach Krakye, wurde dort O-Dente -genannt, und die Einwohner behielten ihn gerne. Er zog sich wieder -in eine Höhle zurück und Krakye wuchs mächtig. Indessen gefiel es -ihm dort nicht, er wollte nach Date zurück. Da erstand in diesem Ort -ein Weib Koko, das von ihm, O-Dente, besessen wurde und den Datern -alles mögliche verhieß, wenn sie O-Dentes Befehle erfüllten. Der Gott -zöge dann selbst wieder zu ihnen. Der Gott verlangte Stiere und Rum, -verbot dunkelblaues Zeug zu tragen. Ferner sollte niemand nachts mit -einem Licht über die Straße gehen, „er könnte vielleicht eines der -Kinder O-Dentes sehen, die im Donner und Windesrauschen gekommen, bei -Nacht die<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span> Stadt durchwandern, sie zu bewachen.“ Nun geschieht ein -Menschenopfer, das ich in seiner Scheußlichkeit nicht erzählen mag, und -über diesem Opfer wird ein Altar in Gestalt eines Kegels errichtet. Und -das geschah nicht etwa vor Jahrhunderten, sondern in unserer Zeit.</p> - -<p>Die anderen ähnlichen Gottheiten darf ich übergehen, sie sind übrigens -alle unilateral. Woraus zu entnehmen ist, daß sie Sonnengottheiten -bedeuten, kann man nicht immer erfahren. Die Angaben bei den -Afrikastämmen sind sehr verschieden. Die Namaqua sehen die Sonne für -eine Scheibe Speck an, wovon man sich sogar ein Stück abschneiden kann. -Demgegenüber nehmen die Madagassen die Sonne als einen strahlenden -Körper an. „Sie betrachten sie als die Quelle des irdischen Besitzes, -Genusses und aller Fruchtbarkeit.“ Bei den Ewara an der Guineaküste ist -Lisa der Sonnengott, seine Frau ist Gleti, der Mond. Sie haben viele -Kinder, davon sind die Töchter die Sterne, welche Gleti stets folgen. -Wenn Lisa Gleti schlägt, wird diese dunkel, daher die Mondfinsternisse. -Carl Peters in seinem Werke „Im Goldlande des Altertums“ behauptet von -den Makalanga einen Sonnendienst gleich demjenigen des semitischen -Baal. Er sieht bekanntlich im Makalangadistrikt das biblische Ophir. -Max Müller hat nachgewiesen, daß dem Sonnendienst vielfach parallel ein -Feuerdienst geht. In Afrika scheint dieser jedoch nicht sehr häufig und -wesentlich auf die südlichen Stämme beschränkt zu sein. Die Hereros -sollen ein heiliges Feuer, Ukuruo, unterhalten, das von einer Tochter -des Häuptlings, die den Titel Ondangere führt, gepflegt wird. Also -eine Art Vestalinnendienst, der auch ganz dem römischen gleicht. Den -Prometheus spielt ein alter König. Das Feuer erhält auch Opfer, und es -dient auch um böse Geister zu verjagen.</p> - -<p>Bei den Indianern scheint von höheren Ideen etwas vorhanden zu sein, -das Frobenius’ zweiter Gruppe der afrikanischen Gottheiten entspricht. -Ratzel, in seiner Völkerkunde, sagt: „Wo sich ein hinreichend -abstrakter Begriff (nämlich für Gott) findet, deckt er sich doch nur -mit ‚Seele‘,<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> ‚Geist‘, ‚schalten‘ oder einfach ‚wunderbar‘. Manitus -(der Algonkins) sind zahllose Geister von bekannter Herkunft, die die -ganze Natur bevölkern und bald feindlich, bald wohlwollend dem Menschen -begegnen.“ Gleichwohl kennen einige Stämme einen höchsten Weltschöpfer, -einen Lichtgott, der die Welt für die Lichtmänner geschaffen hat. Die -entdeckenden Europäer wurden für diese gehalten. Sonnenkult haben alle -amerikanischen Stämme; Ratzel meint, soweit der Ackerbau reicht (wohl -soweit Nutzpflanzen gedeihen). Manche verehren auch Mond und Gestirne. -Aber nach den Sagen z. B. der Tlinkitindianer, an der Küste von -Nordwestamerika, die Krause in seinem Buche über diese Stämme mitteilt, -haben sich Sonne, Mond und Gestirne in drei Kästen befunden, die ein -Häuptling, der Onkel Yelchs, besaß. Dieser letztere, als Knabe, setzte -es durch, nacheinander mit allen drei Kästen zu spielen, öffnete sie, -trotz des Verbots des Onkels, und so flogen erst die Gestirne, dann -der Mond, zuletzt die Sonne an den Himmel. Und Yelch, wenn auch die -Indianer sagen: „So wie Yelch handelte und lebte, so müssen auch wir -handeln und leben“, war keine hohe Gottheit. In den vielen Mythen, die -Krause von ihm mitteilt, ist die Hauptsache, daß er als Rabe Streiche -über Streiche machte. Ob er Rabe war oder nur ein Rabengefieder trug, -er fliegt jedenfalls wie ein Rabe und benimmt sich auch ähnlich. Bei -anderen Stämmen sind es andere Tiere, die Yelch vertreten, wie Bär, -Schildkröte, Spinne. Es ist also doch eigentlich nur höherer Totemismus -und Ahnenglaube, der unter dem Einfluß des Christentums eine neue, mehr -aufs Ideale gehende Färbung erhalten hat. Der Indianer unterscheidet -sich in dieser Hinsicht vorteilhaft vom Neger. Und nun gar die -Kulturvölker des alten Amerika; ich möchte nicht wiederholen, was ich -in meinem Buche „Die Entstehung der Welt“ ausgeführt habe, und verweise -darauf.</p> - -<p>Unter den Ozeaniern haben es die Polynesier, trotz der sonstigen auf -Fetisch- und Seelenglauben beruhenden Ansichten, zu einigen hohen -Ideen gebracht. Die große Begeisterung, die andere ihren Sagen und -Mythen entgegen<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span>bringen, teile ich nicht, weil selbst in den besten -Kindischheit und Barbarei durchscheinen. Gleichwohl ist nicht zu -leugnen, daß manches auf der Höhe griechischer Schöpfungen gleicher -Art steht. Schon das Ehepaar Rangi und Papa, so materiell sie -aufgefaßt werden, sind doch als höhere, besondere Wesen, Himmel und -Erde, gekennzeichnet. Sie sind zuerst eng aneinander geschmiegt, so -daß allgemein Finsternis besteht und ihre Kinder von Licht nichts -wissen. Die so vergehenden Zeiten, nach Dekaden gerechnet, werden -als Wesen aufgefaßt, Po. Jene Kinder heißen Tangaroa, Rongo-ma-tane, -Haumia-tiki-tiki, Tane-mahuta, Tawhiri-ma-tea, Tu-matauenga. Von der -gewaltsamen Trennung Rangis und Papas habe ich schon gesprochen. Sobald -sie getrennt sind, ist es Licht. Von Sonne und Gestirnen wird nichts -gesagt. Aber auch die Bibel kennt Licht ohne Sonne, es ist das erste, -was Gott schafft. Nun sollte man erwarten, daß die Kinder Rangis und -Papas etwas ganz Besonderes sind. Aber nein, sie sind rein irdisch. -Grey, dem ich hier folgen darf, als dem wohl bedeutendsten Kenner -polynesischer Mythologie, sagt: „Tangaroa bezeichnet (signifies) Fisch -jeder Art, Rongo-matane bezeichnet Kartoffel und alles vegetabilisch -als Nahrung Kultivierte, Haumia-tiki-tiki bezeichnet Farnwurzel und -alles wildwachsende Eßbare, Tane-mahuta bezeichnet Wälder, Vögel und -Insekten, die darin wohnen, und alle Dinge, die aus Holz gemacht -werden, Tawhiri-ma-tea bezeichnet Wind und Stürme, Tu-matauenga -bezeichnet Mensch.“ Damit ist nicht viel anzufangen. Der Realismus -geht noch weiter. Der Wind und Sturm ist mit der Gewalttat, die gegen -Himmel und Erde, auf Veranlassung des ersten Menschen, verübt ist, -nicht einverstanden und rächt Vater und Mutter, indem er seine Brüder -überfällt. Alles unterliegt ihm. Nur Tu-matauenga widersteht allein -ohne Hilfe seiner Brüder. Nun zieht er über diese her und zehrt alles -von ihnen, was irgend eßbar ist, also vom Wald alles Getier, vom Meer -die Fische usf., auf. Zuletzt macht er noch Beschwörungsformeln, um sie -zu zwingen, den Menschen immer zur Nahrung zu dienen. Und so wird der -erste Mensch als<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span> Gott bezeichnet, der die Menschen diese Beschwörungen -lehrte. Außer diesem Tu-matauenga läßt nur noch Tawhiri-ma-tea, das -Wetter, göttlichere Eigenschaft erkennen. Anderweitig ist Tangaroa -ein Hauptgott. Die Nachkommen des ersten Menschen sind die Menschen -überhaupt. Sie erst haben Menschengestalt, die vier ersten Geschöpfe -gleichen Menschen nicht. Rangi und Papa aber bleiben bis jetzt -getrennt. Und wenn Papa voll Sehnsucht seufzt, steigen die Seufzer -als Nebel zum Himmel, und wenn Rangi um die Geliebte weint, fallen -die Tränen als Tau zur Erde; ein wunderschönes Bild. Rangi und Papa -sind auch die Wohltäter der Menschen, indem Rangi Hauche, Menschen und -Pflanzen zu kühlen, sendet, und Nebel, Tau und Regen und klares Wetter, -damit die Pflanzen wachsen. Papa aber läßt die Pflanzen aus ihrem Schoß -hervorgehen. Das tun sie, daß ihre Kinder zu essen haben.</p> - -<p>Unter den Nachkommen befindet sich der bekannte Maui, mit vollem -Namen Maui-tiki-tiki-a-Taranga. Er ist eine Frühgeburt und von seiner -Mutter Taranga in die See geworfen (<a href="#Seite_12">S. 12</a>). Nach polynesischer Ansicht -sollte er verderblicher Geist werden und die Menschen quälen, denn -Frühgeburten müssen unter Beschwörungen vergraben werden. Er ist -es nicht, zeigt aber in seinem Charakter in der Tat auch bösartige -Eigenschaften. So tötet er ohne Grund ein junges Mädchen und macht -ganze Ernten verdorren. Seinen Schwager verwandelt er aus Neid über -dessen Erfolg beim Fischen in einen Hund, so daß seine Schwester aus -Gram sich ins Meer stürzt. Er ist an sich ein Heros, der sich vor den -Göttern fürchtet, aber er vollbringt Taten, die göttlich scheinen. Wie -er die Sonne zwingt, langsam die Welt zu umgehen und nicht brennend zu -strahlen, ist schon erwähnt. Seine zweite Haupttat ist das Heraufziehen -der Nordinsel von Neuseeland an einem Kiefer als Angelhaken, aus dem -Meere. Er ist aber darum doch nicht Erdschöpfer, da die Erde schon vor -ihm bestand; er bewohnt schon ein Land mit seinen vier Brüdern. Die -Insel aber zieht er wie zufällig, beim Fischen mit diesen Brüdern, in -Gestalt eines Fisches empor. Die dritte Tat,<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> wegen deren man ihn mit -Prometheus verglichen hat, betrifft den Raub des Feuers. Indessen ist -Feuer längst schon vorhanden, Maui kommt es mehr darauf an, das Feuer -seiner Ahnin Mahu-ika zu zerstören. Er löscht aber vorher alles Feuer -auf der Erde aus. Warum, ist nicht ersichtlich, da er kein anderes -mitbringt, wenn’s nicht ist, daß er indirekt die Feuergöttin veranlaßt, -den Rest ihres Feuers in Bäumen zu bergen, denen es die Menschen durch -Reiben entlocken können. Er treibt mit der Feuergöttin, trotz der -Warnung seiner Mutter, Spott. Er verlangt von ihr Feuer, sie läßt es -aus einem Fingernagel hervorsprühen und gibt es ihm. Da löscht er es -aus und bittet um neues, um es abermals auszulöschen. So fährt er fort, -bis Mahuika die Kraft aller Finger- und Zehennägel verbraucht hat, -außer der des Nagels einer großen Zehe. Diesen stampft sie — da sie -sich betrogen erkennt — voll Wut auf den Boden. Alles gerät in Brand, -Erde, Feld und Wald. Maui flieht als Adler und kann sich zuletzt doch -nur retten, indem er seinen Vorfahr Tawhiri-ma-tea um Regen anfleht. -Die Göttin aber behält von ihrem ganzen Feuer nur einige Funken, die -sie sammelt und mit denen sie verfährt wie angegeben. Wenn diese Mythe -nicht sinnlos sein soll, so muß die Feuergöttin irgendeinen bösen Dämon -bedeuten, oder es ist in der Sage etwas verloren gegangen. Anderweitig -wird der Mythos denn auch anders erzählt, so in Tonga, wo Maui mit -dem Erdbebengott ringt, ihn überwältigt und das Feuer, an dem er sich -gewärmt hatte, den Menschen bringt. Noch anders holt er das Feuer als -Vogel. Sein letztes Abenteuer bringt ihm den Tod und den Tod auch der -Menschheit. Eine Ahnin von ihm wohnt am Himmelshorizont, Hine-nui-te-po -ist ihr Name, „große Frau Nacht“. Maui zieht zu ihr, begleitet von -vielen Vögeln, die seine Genossen sind. Er findet sie schlafend und -beschließt, in sie hineinzukriechen, sie ganz zu durchziehen und erst -aus ihrem Munde sie zu verlassen. Er bittet die Vögel, nicht zu lachen, -bis er wieder heraus ist, damit die Furchtbare nicht erwacht, und -begiebt sich in sie hinein. Die Vögel verbeißen krampfhaft das Lachen -über die Szene,<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span> aber das kleine Vögelchen Tiwakawaka vermag nicht -an sich zu halten und lacht plötzlich auf. Da erwacht Hinenui-te-po, -springt auf und tötet Maui. Hierin ist zweifellos der Sonnenuntergang -geschildert, zumal Grey festgestellt hat, daß der Vogel Tiwakawaka in -der Tat nur bei Sonnenuntergang sich hören läßt. Kommt noch dazu, daß -Mauis Eltern in der Unterwelt leben, und er bei ihnen weilt und von -Zeit zu Zeit emporsteigt, daß er Kraft über die Sonne Tama-nui-te-Ra -übt, um verständlich zu machen, daß er als Sonnenheros angesehen wird.</p> - -<p>Bastian, in seinem Buche „Die heilige Sage der Polynesier“, teilt -aber noch viel höhere Anschauungen aus den Maorisagen mit. Vor -Rangi und Papa haben schon andere Dinge bestanden, die zum Teil -wesentlich als <span class="gesperrt">Begriffe</span> aufzufassen sind. Er zählt deren -17 auf. Zuerst Te-Kore, das Nichts, dann Te-Po, die Urnacht, -hierauf Te-Rupunga, das Sehnen, sodann Empfindung, Ausbreitung, das -Luftschnappen, Gedanke usf., zuletzt Hau-Ora, Lebensatem, und Atea, -Weltall, gespalten in Rangi und Papa. Das geht freilich sehr hoch -und weit, und Bastian vergleicht die Reihe mit ähnlichen Reihen in -buddhistischen Anschauungen. Von Rangi und seiner zweiten Liebe Atatuhi -(Dämmerungsstrahlen) sollen Mond, Sterne, Tagesgrauen, Tag, von ihm -und seiner dritten Liebe Werowero (Hitzgezitter), Ra, die Sonne, -stammen. Papa mit verschiedenen Männern bringt hervor Blitzesglanz, -Donnergeroll, die Hinenui-te-po, sodann Inseln. Hier haben wir -eine Kosmogonie in Form einer Theogonie. Noch andere Götter werden -aufgeführt, deren Nachkommenschaft immer ihrer Funktion entspricht. So, -wenn Tawhiri-ma-teas Geschlecht Erdbeben, Regenbogen, Hagel, Regen, -Eis, Sturm, Kälte usf.; Tangaroas Aale, Muscheln, Hai, Walfisch, -Seevögel usf. ist. Tu-mata-uenga, in Tiki als Mensch reproduziert, -hat Rangis Tochter Kau-ata-ata zur Frau, das wäre also Eva, und von -ihr zwei Kinder. Dann entwickelt sich das Geschlecht der Menschen -weiter, und es findet sich darunter ein Matuika, Vater des Feuers, -ein Fliegengott, ein Gott der Felssteine, ein Trawaru, Vater der -Hunde. Die ganze Welt<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span> soll aus zehn Himmeln übereinander und zehn -Erdschichten untereinander bestehen. In jenen sollen die Götter und -Geister thronen — im höchsten weilt Rehua (für Rangi?) — im neunten, -achten und siebenten die vergötterten Seelen in der Stufenfolge ihrer -Bedeutung. Dann kommen die Untergötter, die Atua, zu denen auch Tawhaki -(<a href="#Seite_17">S. 17</a>) gehört, die Halbgötter. Im vierten Himmel ist ein Lebensquell -für Embryonen, im dritten (Nga-Roto) das Wasser über dem Firmament, -im zweiten Regen und Sonnenschein. Der erste Himmel ist der feste -und das Reich Tawhiri-ma-teas. Wie sich das mit dem auf <a href="#Seite_19">S. 19</a> f. -Mitgeteilten vereinen soll, kann ich nicht sagen. Auf die Schilderung -der Erdschichten kommen wir zurück.</p> - -<p>Fast noch verblüffender ist, was Bastian uns von der hawaischen -Mythologie erzählt. Er hat auf Hawai in der Bibliothek des Königs -(Kalakaua) ein aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts stammendes -Manuskript „He Pule Heiau“ entdeckt, dessen Wortlaut er mitteilt und -das ein Schöpfungsbild enthält. Die Welt ist mehrmals geschaffen. -Die jüngste Schöpfung ging in acht Perioden vor sich. Bis zum Schluß -der achten Periode herrscht Po, Finsternis, jedoch mit abnehmender -Stärke, indem ein Schimmer stetig wächst. Erst dann tritt Ao, -Licht, ganz hervor. Innerhalb dieser Perioden aber erscheinen erst -Intelligenz, dann Abgrund (männlich und weiblich). Hierauf entstehen -die Lebewesen, von unten nach oben sich entwickelnd. Zugleich füllt -sich der Abgrund mit Erde, bis der Abgrund ganz verschwunden ist. -Nun, in der achten Periode kommen der Mensch, als Urweib Lalai, -indem sie „hervorwächst gleich einem Blatt“, und die persönlichen -Götter. Das Weib verbindet sich erst mit den Urkräften, dann mit dem -Sonnengott und mit Kane und Kii und anderen Göttern, woraus zuletzt -das Heroen- und Menschengeschlecht hervorgeht. Das ganze ist eine -Entwicklungsgeschichte, wobei immer zuerst das Geistige und dann das -zugehörige Materielle entsteht, und sie wird bis in die historische -Zeit hingeführt. Als Probe führe ich nach Bastian die zweite Strophe -des Gedichtes an:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span></p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft3">Geboren in Nacht.</div> - <div class="verse">Geboren Kumuligo, aus der Nacht als männliches,</div> - <div class="verse">Geboren Poele, aus der Nacht als weibliches,</div> - <div class="verse">Geboren die Milben im Gewimmel,</div> - <div class="verse">Geboren das Gewimmel in Reihen,</div> - <div class="verse">Geboren die Würmer, die Grabenden, die Erde aufwerfend,</div> - <div class="verse">Geboren ihre Mengen mit Nachkommenschaft,</div> - <div class="verse">Geboren die im Schmutz sich windenden,</div> - <div class="verse">Geboren ihre zuckenden Reihen,</div> - <div class="verse">Geboren Seeeier ohne Zahl,</div> - <div class="verse">Geboren ihre streifige Nachkommenschaft in Reihen.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Die interessante einleitende Strophe dieser seltsamen Dichtung lautet:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Hier dreht der Zeitumschwung zum Ausgebrannten der Welt,</div> - <div class="verse">Zurück der Zeitumschwung nach aufwärts wieder,</div> - <div class="verse">Noch sonnenlos die zeitverhüllten Lichter,</div> - <div class="verse">Und schwankend nur im matten Mondgeschimmer;</div> - <div class="verse">Aus Makaliis mächtigem Wolkenschleier</div> - <div class="verse">Durchzittert schattenhaft das Grundgebild künft’ger Welt.</div> - <div class="verse">Des Dunkels Beginn aus den Tiefen des Abgrunds,</div> - <div class="verse">Der Uranfang von Nacht in Nacht,</div> - <div class="verse">Von weitesten Fernen her, von weitesten Fernen,</div> - <div class="verse">Weit aus den Fernen der Sonne, weit aus den Fernen der Nacht.</div> - <div class="verse mleft3">Noch Nacht ringsumher.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Sehr klar ist das nicht. Es soll aber besagen, daß die neue Welt -beginnt, nachdem die frühere zugrunde gegangen ist, daß dieses in -tiefer, nur schwach durchschimmerter Finsternis geschieht, daß durch -das Plejadengestirn (Makalii) die zukünftige Welt ideell durchleuchtet. -Die letzten vier Verse, wenn sie nicht die Herkunft des Dunkels und der -Nacht schildern sollen, verstehe ich nicht. Aber Bastian gibt selbst -die Übersetzung mit dem größten Vorbehalt. Andere Erzählungen stimmen -bis auf die Götterzugabe mit biblischen Angaben. Bastian freilich und -Achelis erklären es lediglich aus der übereinstimmenden Denkweise der -Menschen. Ich glaube aber nicht, daß das bei so speziellen Angaben, wie -die Entstehung des Weibes aus der Rippe des Mannes, zulässig ist. Doch -sei wenigstens hervorgehoben, daß eine Göttertrias, Kane, Ku, Lono, -vorhanden ist, die<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> alles schafft, Himmel, Erde, Sonne, Mond, Sterne -und Lebewesen. Anderweitig ist Tangaroa oder Taaroa der Weltschöpfer, -von dem bei den Marquesasinsulanern das von Moerenhout aufbewahrte -Gedicht die höchsten Gedanken äußert:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Es weilet hier, Taaroa sein Name, in des Raumes unendlicher Leere;</div> - <div class="verse">Keine Erde noch, kein Himmel noch, keine See war da, keine Menschen.</div> - <div class="verse">Von oben herab Taaroa ruft, in Neugestaltungen wandelnd,</div> - <div class="verse">Taaroa, er als Wurzelgrund, als Unterbau der Felsen,</div> - <div class="verse">Taaroa als der Meeressand, Taaroa in weitester Breitung.</div> - <div class="verse">Taaroa bricht hervor als Licht,</div> - <div class="verse">Taaroa waltet im Inneren, Taaroa im Umkreis, Taaroa hienieden.</div> - <div class="verse">Taaroa die Weisheit,</div> - <div class="verse">Geboren das Land Hawaii.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und dabei die doch zweifellosen Fetische, Götzen und Geister (Atua). -Man muß annehmen, daß neben der Volksreligion, die, wie überall, im -rein Konkreten haftet, auch eine höhere Anschauung vorhanden ist, die -wenigen zugehört. Auch ist bekannt, daß oft die höheren Stände eine -andere Religion haben als die niederen, sogar andere Fetische und -Götzen. Und im übrigen stehen die sonstigen Sagen von jenen Göttern -keineswegs auf sehr hoher Stufe. Selbst die Sage von Taaroa oder -Tangaroa endet nicht sehr hoch. Wie es um ihn hell wurde, rief er -den Sand der Küste zu sich. Dieser konnte aber nicht zu ihm fliegen. -Dann rief er die Felsen zu sich. Auch diese vermochten es nicht, da -sie festgewurzelt seien. Nun steigt er selbst zur Erde, und aus der -Muschelschale, in der er bisher gehaust, macht er die Inseln, darauf -zeugt er aus seinem Rücken die Menschen, wandelt sich in ein Boot -und schwimmt auf dem Meere. Dort verspritzt er im Sturme sein Blut, -worauf sich das Meer und die Wolken färben. Zuletzt wird sein Gerippe, -„das Rückenbein oben, auf dem Boden liegend, eine Wohnung für alle -Götter und zugleich das Vorbild für den Tempel.“ „Tangaroa wurde zum -Himmel“, sagt Ratzel in seiner Völkerkunde. Man kann das zugeben, -wenn man den Himmel nicht so anschaut wie wir es tun, und wenn man -über alle Inkonsequenzen hinwegsieht, da ja ohne Tangaroa schon Land, -Meer und Wolken vorhanden sind und man nicht recht begreift, wie<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span> -dieser Gott da noch zum Himmel werden konnte. Auf Neuseeland ist -Tangaroa recht indifferent als Gott der Meere, eigentlich der Tiere -darin, und anderweit erscheint er auch als böser Geist, wie der ihm -entsprechende Kanaloa. Auf die anderen besonderen Lehren einzugehen ist -nicht nötig, nachdem wir die Höhen und die Tiefen kennen gelernt und -gesehen haben, wie naiv große Gedanken mit skurrilsten Torheiten bei -demselben Naturvolk bestehen können, was wir ja von uns selbst auch -rühmen müssen. Auch habe ich weiteres Material schon in meinem mehrmals -genannten Buche mitgeteilt.</p> - -<p>Können wir nun sagen, daß die Naturvölker sich bis zu dem Gedanken -eines Gottes in unserem Sinne durchgerungen haben, auch wenn wir ihre -sonstigen Anschauungen beiseite lassen? Ich glaube, nein! Sie mögen -bis zu einer Ahnung von etwas sehr Hohem und Übermächtigem gelangt -sein. Einige unter ihnen mögen auch, namentlich unter fremdem Einfluß, -bestimmtere Begriffe davon gefaßt haben. Aber im ganzen sind sie nicht -einmal zu einem Polytheismus, wie ihn Ägypter oder Griechen hatten, -gekommen. Der Omnanimismus und Pandämonismus ist die Grundlage ihrer -Anschauungen, und das Bedeutendste ist eine <span class="gesperrt">Monolatrie</span> innerhalb -jener und innerhalb einer <span class="gesperrt">Polylatrie</span>. Bastian selbst, der am -meisten geneigt scheint, wenigstens den Polynesiern hohe Begriffe -von Gott und Welt zuzuschreiben, meint, daß es sich bei ihnen nicht -um Schöpfungen handelt, sondern um Aufblühen von Vorhandenem. Und -der ganze Kult, den sie geübt haben und üben, mit allen Albernheiten -und Grausamkeiten, ist ein greller Widerspruch gegen jeden höheren -Begriff. Man hat zuerst die Anschauungen der „Wilden“ nicht hoch -genug stellen können, dann nicht niedrig genug, und jetzt scheint man -sie wieder erheblich zu überschätzen. Das erste kam aus Unkenntnis -und theologischer Voreingenommenheit, das zweite aus Enttäuschung -angesichts der Wirklichkeit, das letzte scheint auf Übertragung -des Verhaltens des Naturmenschen unter dem Einfluß der Kultur oder -unter dem Auge des Kulturmenschen auf Verhältnisse des isolierten -Naturmenschen zu beruhen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span></p> - -<div class="section"> - -<h4>14. <span class="gesperrt">Seele und Jenseits bei den -Naturvölkern</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir müssen zu den ursprünglichen Seelenansichten zurückkehren. Die -Seele bedingt das Leben des Körpers, außerhalb des Körpers kann sie -also nicht anders existieren, denn als lebend. Folglich lebt sie, -solange der Mensch oder ein anderes Wesen es zuläßt. Der Mensch kann -sie vernichten, indem er sie mit der Behausung, in der sie sich -befindet, etwa dem Blut, dem Herzen, der Niere, dem Auge usf. verzehrt. -Sie ist dann ganz in ihn aufgegangen, mit seiner Seele verschmolzen -oder auch von seiner Seele verzehrt. Aus dieser Ansicht haben viele -die Menschenfresserei erklären wollen, entweder, um seine eigene Seele -zu stärken, sich zum Fetisch einer verwandten Seele zu machen, oder -um schädliche und gefürchtete Seelen aus der Welt zu schaffen. Ein -zweites Verfahren beruht auf Vernichtung des Körpers durch tiefes -Vergraben oder Verbrennen, solange die Seele noch in ihm weilt, wenn -auch nicht mehr aktiv. Ein drittes endlich läßt Seelen verkommen, -indem ihnen die Bedürfnisse nicht gereicht werden, deren sie nicht -entbehren können, wie Behausung, Speise und Trank. Die Umkehrung -bedeutet die Konservierung der Seele, indem für ihre Bedürfnisse -ständig gesorgt wird. Die harmlose Form ist, wenn ihr Behausung, Speise -und Trank geboten werden. Und wir wissen, daß diese Form, vollständig -oder unvollständig, bewußt oder unbewußt, bis weit in hohe Kulturen -hinein zur Anwendung gelangt, bei den Naturvölkern aber jeder Seele, -die erhalten werden soll, oder die man sich geneigt machen will, -unmittelbar geboten wird. Noch klingt es harmlos, wenn dem Toten Gerät -und Schmuck in das Grab getan wird, zum Gebrauch für seine Seele, und -wenn man die Behausung seiner Behausung auf Erden anpaßt, in Form -einer Höhle, einer Hütte, eines Palastes, eines Tempels, wie eben die -Seele, da der Körper noch lebte, es gewohnt war. Beispiele sind auf -der ganzen Erde verbreitet, von niedrigen Löchern und Hütten bis zu -den Prunkbauten und Prunkeinrichtungen bei den Etruskern, Ägyptern, -Chinesen u. a. Nun aber wird dem Toten auch<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span> Lebendes beigegeben, -dessen seine Seele im Leben bedurfte, und hierin kennt die Konsequenz -des Naturmenschen keine Grenze, außer dem Egoismus, der ihn hindert, -alles fortzugeben. Tiere, Sklaven, Frauen, gefangene Feinde werden, -lebend oder vorher getötet, mit begraben oder auf dem Scheiterhaufen -mit dem Toten verbrannt. Je höherstehend der Verstorbene, desto -umfangreicher diese Gaben; bei dem Tode eines Häuptlings wird Jagd nach -Menschen gemacht, um die Gabe so groß als möglich zu gestalten. Mit -einer armen Polyxena wie Achill würde sich ein Dahomeerhäuptling nicht -begnügt haben, hier ging die Zahl der Schlachtopfer in die Hunderte -und mehr. Und wie entsetzlich klingt, was Herodot von den Totengaben -bei den Skythen erzählt und was wir auch von Germanen, Slawen, Kelten -u. a. wissen. Die Seele sollte möglichst viele Seelen zum Genuß, zur -Bedienung und als Gefolge bekommen.</p> - -<p>Schwer kann das mit einer Ansicht verbunden werden, daß die Seele -immer auf Erden verbleibt und im Grabe Hof hält oder in der Luft -umherschwirrt oder gar in einen Fetisch fährt. Und so sehen wir in -der Tat die Naturvölker, wenn auch einige wirklich glauben, die -Seelen blieben auf der Erde so lange, bis diese selbst untergeht, im -allgemeinen doch auch zu Aufenthaltsorten für Seelen greifen, die -nicht der Erde selbst angehören. Und dazu eigneten sich vor allem -Sonne und Mond und dann die Gestirne. Es ist daher ganz richtig, wenn -gemeint wird, daß auch diese Himmelskörper als Fetische betrachtet -und entsprechend verehrt werden (<a href="#Seite_39">S. 39</a> ff.). Hier dürfen wir schon -von einem „Jenseits“ sprechen. Aber Naturvölker kennen ein Jenseits -überhaupt, entweder als Totenstadt, oder als Unterwelt, oder als Welt -hinter dem Horizont, oder über dem Himmel. Totenstädte haben z. B. die -Dajaks auf Borneo. Die Erweiterung wären Totenländer. Und Frobenius -sagt: „Das Totenland liegt nicht nur sehr oft da, woher einst der -Stamm kam, sondern die Ereignisse auf der Seelenreise entsprechen den -Vorgängen der einstigen Wanderung. So ziehen die Seelen dieser Völker -(der Ozeanier), die einst zu Boot über den Ozean kamen,<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span> im Kahne über -das Wasser hin in das Land der Seligen.“ Darum, meint der Genannte, -werden in Ozeanien die Toten häufig in Kanoes bestattet, was übrigens -auch von Indianern bekannt ist. Grimm führt in seiner „Deutschen -Mythologie“ an, daß die Asen „Balders Leiche auf ein Schiff brachten, -in dem Schiff den Scheiterhaufen errichteten, anzündeten und so der -flutenden See überließen.“ Und die Nordgermanen verbrannten noch im -zehnten Jahrhundert ihre toten Seehelden auf dem Schiffe. Auch bei -den Russen wird von einem Falle erzählt, wo ein Vornehmer in einem -Kahne verbrannt wurde, und mit ihm, außer Pferden und Hunden, auch -Mädchen verbrennen mußten. Ein unruhiger Störenfried, ein lästiger -Geist wird von den Nikobaren im Geisterkorbe eingefangen, dieser auf -ein Geisterschifflein gelegt und in die See hinausgerudert. Charons -Totenkahn und das ägyptische Totenschiff sind ja bekannt. Indessen -werden Seelen in das Jenseits namentlich auch von Vögeln befördert, ein -Glaube, der auch den Griechen bekannt war, deren Harpyien und Sirenen -Totenvögel (oder Seelenvögel) sind, wie selbst der Hahn bei ihnen -Totenvogel sein kann. Die Griechen haben den Totenvogel allmählich zum -Teil vermenschlicht, indem sie ihm zuerst menschliche Extremitäten, -später umgekehrt einen menschlichen Kopf, mitunter von wunderbarer -Schönheit, gaben. Die Naturvölker sind bei der einfachen Vogelgestalt -geblieben, indessen doch oft unter Beimischung von etwas Menschlichem. -Ist Yelch, der Rabe, ein Totenvogel der Nordwestamerikaner, wie -Frobenius meint, so kann es auch ein Mensch in Vogelkleidung sein -(<a href="#Seite_62">S. 62</a>). Andererseits holt Maui die Seelen der Vornehmen in die -Sonne. Er wird aber mit Vögeln in Verbindung gebracht, da er sich -auf seinen Fahrten so oft in einen Vogel, wie in ein anderes Tier, -verwandelt. Ich stelle zwei Abbildungen nebeneinander, eine griechische -„Harpyie“ oder „Sirene“ mit einer Seele als εἴδωλον auf dem Arme und -einen nordwestindianischen Totenvogel, einen Mann und dessen ihm aus -dem Munde entfliehende Seele tragend. Die Seele ist auf letzterer -Darstellung als Schlange (<a href="#Seite_45">S. 45</a>) wiedergegeben, die aus dem Munde des -Mannes<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span> gleitet. Totenkähne sind auch in Afrika bekannt. Nach der Sage -der Ewe an der Nordguineaküste werden die Toten von Fährgeistern über -den Fluß Volta gesetzt. Auf Totenvögel dagegen kann man nur aus den -Opferungen von Hahn und Henne bei allen Totenfesten und bei manchen -Fetischfeiern schließen. Den Australiern ist die Krähe Totenvogel, vom -Totenkahn wissen sie gleichfalls einiges. Übrigens bringt Frobenius -Totenkahn und Totenvogel in Verbindung, indem er nachweist, daß -Totenkähne nicht selten mit Vogelschnäbeln und Vogelattributen versehen -sind.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="illus-086_a" name="illus-086_a"> - <img class="mtop2" src="images/illus-086_a.jpg" - alt="Griechische Harpyie mit einer Seele" /></a> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="illus-086_b" name="illus-086_b"> - <img class="mtop1 mbot2" src="images/illus-086_b.jpg" - alt="Nordwestindianischer Totenvogel" /></a> -</div> - -<p>Allein, wo ist das Totenland des Jenseits? Frobenius meint, die Seele -zieht der Sonne nach, wie bei den Ägyptern. Demnach wäre das Jenseits -im Sonnenuntergangsland. Aber wie erwähnt, ist auch die Sonne selbst -Seelenaufenthalt, so nach der Sage der Tahitier und Buschmänner. -Barotse sollen Livingstone einen Hof um die Sonne folgendermaßen -erklärt haben: „Die Bavimo (Seelen) halten ein Pitscho (Versammlung) -ab; siehst du nicht den Herrn (die Sonne) in der Mitte?“ „Wenn -Sonnenschein von Regen begleitet wird, sagen die Dahomeer, die Seelen -zögen zu Markte.“ Nach den Ewe soll das Totenland eine Sandebene am -Flusse Volta sein. Manche Indianerstämme setzen das Totenland weit im -Westen an.<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span> Jede Seele wird an der Grenze von ihren Verwandten und -Stammesgenossen erwartet und findet im Lande reichlich Wild zum Jagen -und Flüsse zum Fischen. Andere wieder lassen die Seelen als Vögel -die Milchstraße entlang ziehen, und nehmen ihren Aufenthalt über dem -Himmel an. Die Melanesier nennen das Totenland Mbulu und beschreiben -die Schicksale der Seele auf ihrer Wanderung dahin. Die Damen wird -es interessieren, daß die Seelen Unverheirateter es ganz besonders -schlecht dabei haben; ein Totengeist Nangga-Nangga hebt sie hoch und -schleudert sie gegen einen Felsen, daß sie zerschellen. Aber weniger -angenehm wird es sie berühren, daß darum auf den Fidschiinseln die -Witwe erdrosselt wurde, damit sie sogleich mit ihrem Manne gehen -konnte. Der Mann, wenn seine Frau starb, gab ihr als Beweis der -Frauenschaft einen Teil seines Bartes unter die Achselhöhle mit. In -das eigentliche Jenseits gelangt die Seele durch Schwimmen oder in -einem unsichtbaren Kahn. Doch gelingt dieses fast nur den Seelen der -Vornehmen, die der misera plebs gehen auf dem langen gefahrvollen -Wege unter oder kehren zurück zur Erde, um hier planlos herum zu -irren. Auch bei germanischen Stämmen geht es ins Jenseits über ein -Wasser. Jakob Grimm führt mehrere Beispiele dafür in seiner „Deutschen -Mythologie“ an. Eine schwedische Volkssage weiß von einem goldenen -Schiff, das in Runemad beim Schlüsselberge versenkt liege, und auf -dem Odhin die Erschlagenen von Bravalla nach Walhall geführt haben -soll. Ein Unbekannter nimmt Sinfiöltis, Siegmunds Sohn, Leiche in -einen Kahn und fährt davon. Franken glauben, daß das Totenland im -(jetzigen) Britannien liegt, wohin die Seelen der Verstorbenen von den -Uferanwohnern übergefahren werden, die dafür von allen Abgaben befreit -sind. Die Fährleute sehen niemand, merken nur ihre Kähne voll, wenn sie -um Mitternacht abstoßen. Angekommen fühlen sie die Kähne allmählich -entlastet und hören eine Stimme jedem einzelnen Namen und Vaterland -abfragen. Derartige Sagen müssen auch bei den Kelten bekannt gewesen -sein, da noch gegenwärtig anklingende Erzählungen in der<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> Bretagne in -Umlauf sind. Aus dem keltischen Artuskreise bittet im Lanzelot vom See -die Demoiselle d’Escalot „que son corps fût mis en une nef, richement -équippée, que l’on laisserait aller au gré du vent sans conduite.“ Ich -habe dieses gleich hier angeführt, weil ich mich später darauf berufen -will. Die griechische Sage von der Überfahrt auf Charons Nachen gehört, -glaube ich, nicht ganz in diesen Kreis, da die Überfahrt schon in der -Unterwelt, wenn auch noch vor dem Seelenaufenthalt, geschieht.</p> - -<p>Ganz abweichend davon, aber wiederum mit anderen weitverbreiteten -Anschauungen über den Seelenaufenthalt in den großen Zügen in Einklang -stehend, ist was Bastian von dem Jenseits der Maori erzählt, und was -sich fast wie eine abgekürzte Dantische Höllenbeschreibung liest. -Die Erde besteht, wie schon bemerkt, aus zehn Schichten. Die oberste -Schicht ist die Erde selbst. Die folgende Schicht gehört dem Reiche -der Wurzeln und Knollen. Mit der dritten Schicht, Reinga, wo auch die -Nachtgöttin Hine-nui-te-po weilt, hebt das eigentliche Totenreich an. -Bis dahin sind die Seelen noch lebens- und empfindungsfähig und können -zur Erde zurück und dort noch viel Unheil anrichten. Aber nun beginnen -die Kräfte mehr und mehr zu schwinden. In der fünften schon kann die -Seele zu einem bleichen Schatten geworden sein, alsdann fällt sie der -rachsüchtigen Göttin Rohe, ursprünglich Mauis Gemahlin, zur Beute und -wird getötet. Kann sie noch entkommen, so gelangt die Seele mit immer -weiter abnehmenden Kräften in die sechste, siebente Schicht. Wenige -taumeln in die achte Schicht, wo sie zum Teil vom Gotte Meru vernichtet -werden, noch weniger in die neunte, um von da in die letzte Schicht -Meto = Verwesungsgestank zu stürzen, wo alles endet. „Das waren die -Aussichten nach dem Tode, also noch trauriger als sie Odysseus bei -seinen Waffengefährten im Hades fand“, sagt Bastian. Der Eingang zu -dieser Unterwelt befand sich auf der Nordinsel von Neuseeland, im -Nordkap, der Weg soll wieder westwärts führen. Freundlicher sehen -selbst die Australier das Jenseits an, die Guten ziehen zu den guten -Geistern, die Bösen zu den bösen.<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span> Oder die Seelen sitzen auf Bäumen -oder weilen in einer Höhle. Bei den unkultivierten Malayen führt der -Weg in das Jenseits über oder unter Meer, und sie müssen mit Waffen und -Gefolge und mit Bestechungsmitteln ausgerüstet sein, um die Gefahren -von Geistern und Höllenhunden besiegen zu können, ehe sie in das -Paradies gelangen. Oder, die eines natürlichen Todes sterben, gehen -nach Norden und bleiben dort in einem Walde, „dessen Bäume sich beim -Einbruch der Dunkelheit in Hütten verwandeln.“ Dort leben sie „aus den -unsichtbaren Bestandteilen der Tiere, aus Reis und den Opfergaben der -Verwandten“, letzteres wie überall. Die eines unnatürlichen Todes, im -Kampfe oder während der Entbindung Gestorbenen kommen zu den Göttern.</p> - -<p>Fassen wir die Frage vom Schicksal der Seele nach dem Tode ethisch -auf, so muß es auffallen, wie verschieden die Antworten sind. Dem -absolut Hoffnungs- und Freudlosen der Maori steht das fast Vergnügliche -der Indianer gegenüber. „Soviel scheint festzustehen,“ sagt Spieß in -seinem umfangreichen Werke „Vorstellungen vom Zustande nach dem Tode“, -„daß alle Elemente von Schrecken oder Furcht vor der anderen Welt der -ursprünglichen Religion der Indianer fremd waren. Nur einzelne Spuren -einer notwendigen oder vermutlichen Reinigung und Vergeltung finden -sich. Meist aber besteht der Unterschied zwischen Guten und Bösen -nur darin, daß jene ohne alle Schwierigkeit über den See oder Fluß -gelangen, welchen man vor dem Betreten der anderen Welt passieren muß, -diese entweder in dem Wasser untergehen oder bis zum Kinn in das Wasser -sinken, wo sie in alle Ewigkeit vergeblich das nahe lockende Gestade -zu erreichen sich abquälen, oder aber, daß sie erst nach schwerem -Ringen an das Gestade kommen.“ Also das Ausbleiben des Gewinnes ist die -Strafe (Tantalusqual!). Im übrigen hat schon Schiller in Nadowessiers -Totenlied treffend das indianische Jenseits geschildert. Dazwischen -liegen vermittelnde Ansichten, wie bei den Eskimo, daß die Seelen -der Guten in die warme Erde, die der Bösen in den eisigen Himmel -gelangen. Eine höchst interessante Umkehrung unserer An<span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span>sichten, die -aus der Natur des Landes sich erklärt, das die Eskimo bewohnen, und -Carus Sternes (Ernst Krauses) Warnung durchaus bestätigt, Mythen ohne -Rücksicht auf die Lebensverhältnisse zu erklären. Eine entsprechende -Umkehrung hat man bei den früheren Negersklaven in Amerika beobachtet. -Während der freie Neger in Afrika das frohe Jenseits im Westen sucht, -besteht für den amerikanischen Negersklaven dieses Jenseits im Osten, -in Afrika, und viele haben sich bei zu drückendem Joche getötet, um -nach Afrika zurückzugelangen und dort frei als Seelen zu leben (<a href="#Seite_43">S. 43</a>). -Es läßt sich nicht leugnen, daß manche Naturvölker strenge Bestrafung -der Bösen im Jenseits oder auf dem Wege dahin allerdings annehmen, und -Belohnung der Guten. Aber sie definieren Gut und Böse nach ihrer Art. -Und das kommt, wenn es wohl geht, auf tapfer und feige heraus, wie bei -den Germanen. Meist steht es mit dem „Gut“ nach unseren Begriffen sehr -übel. Dazu rechne man noch die selbstverständliche Bevorzugung der -Vornehmen auch im Jenseits, wovon eine Spur auch im Homer noch erhalten -ist, wo Achill im Hades, wenn auch Schatten, doch Übergeordneter der -Schatten ist, um Paradies und Hölle der Naturmenschen von denen der -Kulturmenschen erheblich zu scheiden. Doch kommt es gedanklich darauf -nicht an; die Idee entscheidet hier, nicht ihre Übereinstimmung mit -dem, was wir meinen.</p> - -<p>Viel weniger als um das Schicksal der Seele nach dem Tode ist der -Naturmensch bekümmert um ihr Weilen vor dem Leben. Was mit der -Seelenwanderung zusammenhängt, werden wir später besprechen, da eine -solche bei den Naturvölkern nur so weit vorhanden ist, als die Seelen -an sich beliebig sich von einem Körper in einen anderen begeben können. -Aber selbst das genügt schon, um zu überzeugen, daß sie schon früher -auf Erden gewesen sind und nun zurückgekehrt seien. Darum erzählen -viele Sagen von Menschen, die im Jenseits geweilt haben, und dann -wieder zur Erde gelangt, eine vollständige Beschreibung des Jenseits -geben konnten. Manche solcher Beschreibungen verlaufen wie die von -Orpheus und Eurydike; so eine sehr anmutige Geschichte von einem -Indianer,<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> der, da seine Geliebte starb, ihr in das Jenseits folgte, -aber durch den großen Geist wieder auf die Erde geschickt wurde. Und -irgendwo habe ich gelesen, daß es einem Europäer, der ein Negermädchen -zur Frau nahm, auf keine Weise gelang, ihr auszureden, sie sei nicht -schon früher unter gleichem Namen und unter gleichen Verhältnissen auf -der Erde gewesen. Das ist nicht die bekannte Metempsychose, sondern -eine dem Naturmenschen mehr passende <span class="gesperrt">Resurrektion</span>. Indessen -kommen die Seelen auch in anderer Weise zur Erde. Und zwar nach dem, -was Frobenius das Gesetz der Umkehrung nennt. Dieselben Mittel, die -die Seele ins Jenseits befördern, bringen sie auch auf die Erde. Also -sind namentlich Vögel zugleich Seelenbringer. Bei den Tonganern und -Samoanern bringt Tuli als Vogel die Seelen in die Menschenkörper, ja -sogar in Würmer. Die Neuseeländer erzählen, daß einst ein gewaltiger -Vogel sich auf das Meer senkte und dabei ein Ei fallen ließ; aus dem -kamen „ein alter Mann und eine alte Frau, ein Knabe und ein Mägdlein -mit Hund und Schwein in einem alten Kanoe hervor und landeten an der -Küste Neuseelands.“ Soviel lebende Kraft wohnt den Vögeln inne, daß -aus einem Vogel die ganze Erde samt allem Lebenden auf ihr hergestellt -wurde, erzählen Malaien auf Sumatra. Hierher gehört auch eine Sage bei -den Australiern, daß die Sonne ursprünglich ein Emuei gewesen sei. -Ein kleiner Vogel richtete es her und warf es in die Luft, da wurde -es hell. Darum dienen Vögel und ihr Blut zu Opfern und symbolischen -Handlungen, wo es sich um Belebung und Befruchtung handelt, so daß -sogar Fetischbilder, durch Versenken eines Huhnes in ihr Inneres, oder -durch Bestreichen mit Vogelblut — man erinnere sich, daß im Blut -die Seele wohnt — oder selbst durch Umwinden mit Vogelfedern belebt -werden. Brautleute werden in Afrika mit Vogelblut bestrichen, um sie -fruchtbar zu machen, und in Felder werden Vogeleier versenkt, daß sie -möglichst ertragfähig werden. Und an unseren Freund Storch darf nur -erinnert werden.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span></p> - -<h3 class="nobreak" id="ZWEITES_KAPITEL"><span class="s5">ZWEITES KAPITEL.</span><br /> - -Religiöse Welt- und Lebenanschauungen der Kulturvölker.</h3> - -</div> - -<h4>15. <span class="gesperrt">Die Kulturvölker als Naturvölker</span>.</h4> - -<p>Daß die gegenwärtigen und vergangenen Kulturvölker einst auf dem -Standpunkte der Naturvölker sich befunden haben, kann kaum einem -Zweifel unterliegen. Freilich treten uns die meisten Kulturvölker, -sobald ihre Geschichte beginnt, schon wie kulturfertig entgegen. Es -gehört zu den großen Rätseln der Menschenentwicklung, daß zum Beispiel -die Ägypter mit einem Schlage als das Volk dastehen, als welches sie -dann mehrere Jahrtausende die Geschichte kennt. Brugsch hat dieses für -ihr ganzes Religions- und Mythensystem nachgewiesen. Wir wissen es in -gleicher Weise für ihre Kunstfertigkeit, für staatliches und soziales -Leben. Und in dem Moment, da für uns die erste Hieroglyphe geschrieben -ist, steht sie bis auf Geringfügigkeiten, die nur die Ausführung -betreffen, vollendet da. Wie das Volk die Hieroglyphe gelernt hat, wie -seine Bauten, Einmeißelungen, Malereien, Einrichtungen des Staates und -des Lebens, Meinungen über Gott und Welt begonnen und sich entwickelt -haben, ist uns nicht bekannt. Wir müssen annehmen, daß die Ägypter -Tausende von Jahren gebraucht haben, ehe sie es zu der Stufe der Kultur -gebracht haben, von der aus die ersten und die letzten Kundgebungen -in fast gleicher Weise sprechen. Warum haben wir aus diesen Tausenden -von Jahren gar keine Mitteilung? Wir wissen es nicht. Das Volk steht -fertig da, als wenn es fertig plötzlich geschaffen wäre. Es könnte in -dem Moment, da der erste König herrschte, das erste Bauwerk errichtet -wurde, eben eingewandert sein. Davon aber wird nichts erzählt; im -Gegenteil, wir haben den Eindruck, als wenn Ägypten immer von Ägyptern -bewohnt gewesen sei, und finden auch sonst nirgends eine Spur, daß -diese etwa früher in anderen Ländern geweilt hätten. Und doch<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> wissen -wir aus prähistorischen Funden auch in Ägypten, daß in grauer Zeit, -vielleicht vor zehn- oder zwanzigtausend Jahren, Menschen auf sehr -niedriger Kulturstufe im Niltale gelebt haben. Sind es die ältesten -Ägypter? Ähnlich geht es uns mit den Babyloniern, Phöniziern, Hebräern, -ja selbst mit den Griechen nach den Ergebnissen der Ausgrabungen der -letzten Jahrzehnte. Es ist, als wenn die Menschheit vor etwa fünf- bis -sechstausend Jahren auf einmal auf die Idee gekommen wäre, zu schreiben -und Denkmäler zu hinterlassen, so fest errichtet, daß sie sich bis auf -uns erhalten konnten. Ist das die Erfindung eines Mannes bzw. mehrerer -erleuchteter Männer? Oder wie sollen wir uns das sonst erklären? Max -Müller bringt einmal als Beweis dafür, daß die Schriften des Alten -Testaments nicht in sehr früher Zeit verfaßt sein können, die Tatsache -bei, daß eine der ältesten Inschriften in semitischer Sprache, die -wir besitzen, die bekannte des Edomiterkönigs Mesa, nur etwa in das -Jahr 900 v. Chr. hinaufreicht. Aber wenn ein König solche Inschriften -schon anfertigt, muß er doch voraussetzen, daß man sie allgemein auch -zu lesen versteht, muß die Schreibkunst doch schon fast Gemeingut -geworden sein. Und wie viele Jahrhunderte gehören dazu, nach Erfindung -der Schreibkunst! Aus unserer eigenen Erfahrung müssen wir sagen, -mindestens zehn, wenn nicht noch mehr.</p> - -<p>Hiernach bleibt uns allerdings nichts übrig als anzunehmen, daß die -Kulturen solcher Völker weit über die geschichtliche Zeit hinaus -vorhanden waren, wenn wir auch keine Kunde von ihnen aus dieser -extrapolierten Zeit besitzen und auch nicht anzugeben vermögen, warum -wir sie nicht besitzen. Die Entwicklung der Menschheit ist mit einer -Formel zweifellos nicht abgetan. Einzelne stören offenbar den Gang -der Formel, und wohin dieser Gang Menschen erst in Jahrhunderten oder -Jahrtausenden bringen würde, dahin versetzt sie überzeugend oder -gewaltsam eben ein Einzelner. Dürfen wir aber auch nur im Durchschnitt -sprechen, so ist doch gleichwohl sicher, daß rohere Zustände und selbst -ganz rohe bestanden haben müssen, falls wir nicht jeden Gedanken -einer Entwicklung der Menschheit aufgeben wollen.<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span> Denn damit ein -einzelner erfolgreich wirken könne, dazu gehört schon eine gewisse Höhe -der Kultur. Und die Zeit dazu haben wir, wenn wir bedenken, daß die -Menschheit als solche, selbst wenn sie mit den jetzigen tiefststehenden -Wilden verglichen wird, schon seit mindestens zwanzigtausend Jahren, -wahrscheinlich sogar noch seit sehr viel längerer Zeit besteht, da -man bereits dem tertiären Menschen auf der Spur ist. Auch kennen wir -ja Völker, die sich zu Kulturvölkern entwickelt haben, wie Germanen, -Polen, Littauer usf.</p> - -<p>Eine Grenze zwischen dem Naturmenschen und dem Kulturmenschen -aufzustellen, sind wir nicht in der Lage; die Naturperiode fließt wie -ein mehr und mehr an Fülle verlierender Strom in die Kulturperiode -hinein. Und man darf selbst sagen, daß dieser Strom unter eine gewisse -Fülle überhaupt nicht hinabsinkt, ja auch an Fülle wieder anwächst, -nachdem er schon stark abgenommen hat. Wir besitzen es mehr im -Gefühl als in Definitionen, welches ein Kulturvolk ist und welches -ein Naturvolk. Der Gesamteindruck entscheidet, im einzelnen können -reine Naturäußerungen im höchsten Kulturvolk vorhanden sein. Daher -wird der Naturforscher über Kultur anders denken wie der Philosoph -oder Theologe, oder Ökonom oder Literat usf., und wer Krieg und -Menschenvernichtung verabscheut, anders als der in seinem Kriegsleben -einzigen Ruhm und einziges Menschenwürdige sieht. Wir würden uns in ein -nicht zu entwirrendes Netz von widersprechenden Meinungen verstricken, -wollten wir ein Merkmal für Kultur aufstellen. Selbst das anscheinend -Selbstverständlichste: sittliche Höhe und Achtung vor Gottes Ebenbild -und Gottes Geschöpfen würde fehlschlagen, da wir größte Verkommenheit -und Nichtswürdigkeit durchaus mit dem, was wir Kultur nennen müssen, -vereinbar sehen, wie an den Höfen der ersten römischen Kaiser und -der drei Herrscher vor Ludwig XVI. in Frankreich. Auch genügt es für -unsere Zwecke, wenn wir als Kulturvölker die sonst als solche namhaft -gemachten annehmen. Es kommt für unsere Betrachtungen nicht darauf an, -ob wir ein Volk mehr oder weniger in den Kreis der Kultur einbeziehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span></p> - -<p>Nur in einer Hinsicht müssen wir vorsichtig zu Werke gehen, in -historischer. Mißverstandener Nationalstolz und namentlich Eitelkeit -im Kreise wirklicher Kulturvölker hat einzelne Nationen verleitet, -den Anfang ihrer Kultur möglichst weit in die dunkelsten Zeiten -hinauszuschieben; ein Seitenstück zu dem wunderlichen Bestreben mancher -Herrschergeschlechter, die Abstammung wenigstens auf die Trojaner -zurückzuführen. Lippert ist der Ansicht, daß slawische Schriftsteller, -um ihrem Volk eine Art urarische Mythologie mit daran anknüpfenden -hohen Anschauungen zu retten, nicht einmal vor Korrigierung von -Urkunden zurückgeschreckt sind. Ich habe darüber kein Urteil. Aber -als ich das wohl umfassendste Werk über slawische Mythologie las, das -von Hanusch, mußte ich gleichfalls staunen, mit welcher Energie und -Kunst überall Beziehungen zu der altindischen Religion bis in die -Namen hinein gefunden wurden, während größte Gelehrte noch jetzt sich -damit plagen, einen oder zwei Götternamen als wenigstens dem größten -Teil der Arier überhaupt gemeinsam nachzuweisen. Ähnlich verhält es -sich mit den Ungarn, denen Monotheismus und alle schönen Tugenden -zugeschrieben werden zu einer Zeit, da sie als wildeste Wildenhorde -Deutschland, Italien, Frankreich mit Mord, Brand und Schändung -erfüllten. Auch wir Deutschen sind von solchem Chauvinismus nicht frei; -viel ist bei uns in bezug auf die alten Germanen gesündigt worden -und noch mehr wird gegenwärtig gesündigt. Aber wir haben doch einen -Tacitus als Kronzeugen. Wer über die Anschauungen der Völker schreiben -will, hat mit nationalistischen Übertreibungen sehr zu kämpfen, daß -er schließlich fast um jede kritische Beurteilung gebracht wird. Ein -seltsames Beispiel von fast verwunderlichem Chauvinismus bietet das -sonst geistvoll geschriebene Buch von Chamberlain, „Die Grundlagen der -Kultur des 19. Jahrhunderts“.</p> - -<div class="section"> - -<h4>16. <span class="gesperrt">Allgemeine Religionsanschauungen bei den -Kulturvölkern im Kreise der Menschheit</span>.</h4> - -</div> - -<p>Man ist früher von dem klassischen Polytheismus und dem Monotheismus -als von dem Normalfall menschlicher<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span> Religionsanschauung ausgegangen -und hat die Anschauungen der „Wilden“ mehr als Kuriosität oder helle -Verrücktheit angesehen. Aber mit der wachsenden Ausbildung der -Ethnologie und Anthropologie hat sich eine Wendung vollzogen, die -nicht wenige Forscher dahin führte, gerade die Anschauungen der Wilden -zum Ausgangspunkte der höheren Anschauungen zu wählen und diese aus -jenen abzuleiten. Das konsequenteste System nach dieser Richtung hat -Lippert aufgebaut. In mehreren Werken hat er nachzuweisen gesucht, -wie fast alle Kulturvölker noch in der Zeit, da schon die Geschichte -von ihnen spricht, im wesentlichen bewußtem oder unbewußtem Seelen- -und Ahnenglauben gehuldigt haben. Man kann sagen, die Tatsachen, -die dieser so bedeutende Forscher beigebracht hat, seine Ansicht zu -begründen, sind nach einer Richtung hin allerdings erdrückend. Es ist -ganz unmöglich, ihrer Beweiskraft, daß Seelen- und Ahnenglaube in -allen Religionen der Kulturvölker sich vorfinden und eine mehr oder -minder wichtige Rolle spielen, sich zu entziehen. Ich habe ja bereits -manches nach ihm selbst, nach Jakob Grimm und vielen anderen in den -vorstehenden Abschnitten vergleichend angeführt. Und dieses schon, -wenn auch nicht vollständig beigebracht, zeigt, wie die gleichen Ideen -sich auf der ganzen Erde verbreitet finden. Aber, wie bei Ausführung -einer jeden neuen Idee, gehen Lippert und seine Anhänger, wie ich -glaube, vielfach zu weit, wenn sie die Religionsanschauungen mit -Seelen- und Ahnenglaube für erschöpft halten, und alles weitere, was -die Menschen etwa noch gedacht haben, daraus hervorgegangen ansehen. -Die Frage spitzt sich zu der zweiteiligen zu: Kann Polytheismus sich -aus Seelen- und Ahnenglaube entwickeln? Kann Monotheismus auch nur -aus Polytheismus erwachsen? Ich werde mich mit dieser Doppelfrage -später beschäftigen. Lippert aber bemüht sich überall den Seelen- und -Ahnenkult nachzuweisen, entweder als allein bestehend, oder als einzige -Grundlage der weiteren Anschauungen, oder als neben diesen letzteren -Anschauungen fortdauernd und oft sie vertretend. Namentlich auf die -Folgen des Seelen- und Ahnenglaubens kommt es dabei an: auf die<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> -Annahme von Seelenwesen (Geister, Nixen, Feen, Kobolde, Zwerge, Holde, -Unholde, Gespenster, Dämonen, Teufel usf.), von Mineral-, Pflanzen-, -Tier-, Menschenfetischen, von Orakeln, auf den Kult, der allem -Voraufgenannten gewidmet wird, einschließlich der Bestattungs- und -Grabgebräuche, und der Toten- und Seelenfeste, auf Menschenopfer und -Kannibalismus, einschließlich der Blutgebräuche. Schon diese Aufzählung -lehrt jeden, der Sagen, Märchen und Gebräuche der Völker kennt, daß -keine Kultur frei von dem einen oder anderen Naturmenschlichen sich -zeigt. Worauf es aber ankommt, ist der Nachweis des Ganzen, oder doch -alles Wesentlichen; letzteres, weil Sitte oder Vorteil manches mildert -oder entfernt, wie zum Beispiel Menschenopfer und Kannibalismus.</p> - -<p>Gehen wir nun auf das einzelne ein, so wird von Lippert vielen -Kulturvölkern in ihrer geschichtlich heidnischen Zeit jeder andere -Glaube als Seelen- und Ahnenglaube überhaupt abgesprochen. Den -<span class="gesperrt">Littauern</span> soll ein eigentlicher Götterglauben fehlen; was -von ihnen erzählt wird, weise nur auf reinen Seelen- und Ahnenkult -hin. Und es sei nicht denkbar, daß, wenn ein Volk, das vor noch -nicht sechshundert Jahren zum Christentum bekehrt worden ist, eine -Götterlehre besessen hätte, diese ihm in so kurzer Zeit so ganz -aus dem Gedächtnis hätte schwinden können, und daß nicht einmal -Chronisten und Missionare von ihr berichtet hätten. Von den zwei -bestimmt überlieferten Gottheiten, Perkunas und Zemina, sei die erste -wahrscheinlich nordgermanischen Ursprungs und importiert, die andere -zweifelhafter Qualität.</p> - -<p>Von den Anschauungen der heidnischen <span class="gesperrt">Slawen</span> hegt Lippert die -gleiche Ansicht. Hier ist besonders interessant, was er von dem -bekanntesten Slawenkult, dem des Swantewit auf Rügen, ausführt. Die -genaue Beschreibung, die Saxo Grammaticus von diesem Kult gibt, bietet -ihm selbst die Handhabe, im Swantewit nichts anderes zu sehen als -einen Ahnen, der in der Weise der Naturvölker verehrt wird, also nicht -etwa einen Himmels- oder Lichtgott, als der er nach der ersten Silbe -seines Namens, welches Licht, Welt bezeichnet, von andern gedeutet -worden ist. Diesen Namen erklärt er<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span> als „der der Swantower“, womit -ebensowohl eine Familie wie eine Familiengemeinschaft bezeichnet sein -konnte. Und eine Hauptstütze für seine Ansicht ist ihm das mit dem Kult -verbundene Orakel, bei dem ein Roß, Swantewits Roß, die Hauptrolle -spielt. Das Roßorakel ist auch bei den Germanen bekannt. Tacitus gibt -darüber eine Auseinandersetzung, wonach kein anderes Orakel bei ihnen -ein so großes Vertrauen genießt, denn sie halten sie (die Rosse) für -die „<span class="gesperrt">Mitwissenden</span> der Götter“. Hiernach wird das Roß für eine -Art Tierfetisch erklärt. Damit vergleiche man aber, was die slawischen -Mythographen lehren. Hanusch findet also in den Anschauungen der -Slawen Übereinstimmung mit indischen und eranischen höchsten Lehren. -Die Trimurti Brahma, Wischnu und Schiwa entsprechen ihm Piorun-Proven, -Radegast, Porenut (als gutes Prinzip, wie auch die Göttin Siva; die -Göttinnen Morana und Ubijica als verderbliches) als Triglav. Bei -den Preußen: Perkun, Potrimbo, Pikollo. Ja die Übereinstimmung gehe -so sehr ins einzelne, daß Piorun mit dem physischen, Proven mit dem -geistigen Brahma übereinkomme, Piorun-Proven die physische und geistige -Lichtgottheit darstelle, Radegast in gleichen Inkarnationen (Awatar) -erscheine wie Wischnu, und die welterhaltenden und weltzerstörenden -Eigenschaften Schiwas in entsprechenden Gottheiten nachgewiesen werden! -Die Gleichheit mit den eranischen Anschauungen soll durch Bjelboh -und Czernyboh gegeben sein; ersterer Ormuzd, letzterer Ahriman. Der -Weiße Gott und der Schwarze Gott sind allerdings slawische Gewalten, -die dem eranischen Dualismus entsprechen, aber nicht entfernt mit -der hohen Bedeutung wie Ormuzd und Ahriman; sie unterscheiden sich -wenig von gutem Geist und bösem Geist, immerhin ist die Kongruenz -bemerkenswert. Swatowit und besondere Kundgebungen von ihm wie -Swenteboh, Witislaw, Harowit, Rugiewit, Porewit, Jutreboh usf., -die teils Friedensgötter, teils Tages- und Tageszeitengötter, auch -Morgen- und Abendsterngötter sein sollen, emanieren von Belboh als -dem Lichtgott; Wrag, Zlyboh von Czernyboh. Das Zutreffende dieser -Parallelisierung wird außer an den Eigenschaften der Gottheiten auch an -entsprechenden Festen<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> der Eranier und der Slawen zu erweisen gesucht. -Nun wird noch behauptet, daß die slawischen Anschauungen gewissermaßen -die Verschmelzung der indischen und der eranischen darstellen. Bei den -<span class="gesperrt">Preußen</span> und <span class="gesperrt">Littauern</span> soll Auschwe die Lichtgottheit, -Puskaijtis die Finsternisgottheit bedeuten. Und es werden noch die -bekannten indischen Göttinnen mit littauischen parallelisiert: Maja -= Laima, Lakschmi = Lada, Parwati-Bhawani = Liethva (slawisch Baba), -Saraswati = Perkunatele, Kali = Niola. Hanusch erkennt auch eigentlich -slawische Elemente in der slawischen Götterlehre an. Und diese sollen -sich beziehen auf eine Übertragung in die Natur der mehr abstrakten -Begriffe, die ursprünglich jene Gottheiten bedeuteten, also auf eine -Art Vermaterialisierung der altindisch-eranischen Anschauungen. „Das -Äußere der Natur (ὕλη) war im Bewußtsein der Slawen das eigentliche -Sein und wurde belebt von einem allgemeinen Geiste, der in den -einzelnen äußeren Individuen als individueller Geist erschien. -Doch war dieser Geist nichts anderes als eine Personifikation des -Lebensprozesses, den man der Analogie nach zum Unbelebten hinzudachte.“ -Das klingt fast wie im Geiste des Animismus gesprochen. Und hierher -gehört auch das Zugeständnis von irdischen (und unterirdischen) -Gottheiten neben oberirdischen und das der Anthropomorphisierung -der Gottheiten (der Sonne, des Mondes, der Gestirne, des Wetters -usf.), welche letztere in unzähligen Sagen und Liedern eine oft -recht anmutende Rolle spielt. Das Ganze kommt auf einen Naturdienst -heraus, mit mehr oder weniger wuchtigen Naturgewalten und mit einem -unübersehbaren Heer von guten und bösen Geistern, dem sich ein Dienst -von Schutzgeistern für alle Verhältnisse und Tätigkeiten des Lebens -anschließt. Aber das alles liegt doch weit ab von dem Seelen- und -Ahnenglauben, den Lippert den Slawen allein zugestehen will. Seelen -Verstorbener als Gespenster und Dämonen kannten die Slawen auch nach -Hanusch. Auch behandelten sie die Seelen mitunter wie die eigentlichen -Naturvölker, gaben ihnen Grüße an früher Verstorbene mit, empfahlen -ihnen geselliges Betragen gegeneinander usf. Ihre Gottheiten aber -sind weder<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span> Seelen noch Ahnen. Ich weiß den Widerspruch nicht zu -lösen; wieviel Unzutreffendes und gewaltsam Hineininterpretiertes -auch in den Bearbeitungen der slawischen Mythologie durch slawische -Schriftsteller vorhanden sein mag, <span class="gesperrt">alles</span> kann unmöglich erfunden -sein. Dagegen spricht schon, daß gegen den Dualismus Belboh-Czernyboh -sich nichts einwenden läßt, er ist zu gut durch Schriftsteller und noch -vorhandene Sagen und Lieder bezeugt. Hanusch hat zu wenig vom Kult -(und den Gebräuchen), Lippert zu wenig von der Mythologie gesprochen. -Bei Berücksichtigung beider, des Kultes und der Mythologie, wird man -wohl den heidnischen Slawen und Littauern mehr die Anschauungen der -Naturvölker zuschreiben, jedoch mit nicht wenigen höheren Ideen. Ob die -letzteren ein Überrest der früheren Verbindung mit Indiern und Eraniern -sind, wie Hanusch will, oder ob sie sich später ausgebildet haben, läßt -sich nicht sagen.</p> - -<p>Noch schwieriger ist es natürlich mit den <span class="gesperrt">Germanen</span>. Cäsar hat -im 21. Kapitel des VI. Buches seines „Bellum Gallicum“ eine sehr -wegwerfende Bemerkung über ihre Religionsanschauung gemacht. „Deorum -numero eos solos ducunt quos cernunt et quorum aperte opibus juvantur, -Solem Vulcanum et Lunam, reliquos ne fama quidem acceperunt.“ Also -nur was sie sehen: Sonne, Feuer, Mond, und aus dessen Macht sie -offensichtlich Nutzen ziehen, verehren sie. Das wäre freilich rein der -Standpunkt des Naturmenschen, der auch alles nur körperlich auffaßt -und es nur beschenkt, wenn ihm eine größere Gegengabe geleistet wird. -Tacitus denkt aber über die Germanen erheblich besser. Er schreibt -freilich 150 Jahre später, als die Germanen schon vieles an Kultur -angenommen hatten. Allein er bringt auch sehr altes und einheimisches -Material bei, da er wenigstens einigemal germanische Bezeichnungen -benutzt. Er sagt nun im zweiten Kapitel seiner „Germania“, die Germanen -feierten in alten Liedern „Deum Tuisconem, terra editum, et filium -Mannum originem gentis conditoresque“, und erzählt nun wie Mannus -drei Söhne hatte, aus denen die bekannten drei deutschen Hauptstämme -seiner Zeit hervorgingen. Also jedenfalls sind<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> die Germanen Nachkommen -von Tuisco und Mannus. Von Mannus meint Jakob Grimm: „Kein Name kann -deutscher klingen“. Aber was er ideell bedeutet, darüber besteht schon -Streit. Der große Mythologe schreibt ihm einen tieferen Sinn zu: als -„ein denkendes, seiner bewußtes Wesen“ bezeichnend. „Mannus aber ist -der erste Helde, der Gottessohn und aller Menschen Vater“, und er -parallelisiert ihn mit dem indischen Manus, der nach einer Version, auf -Brahmas Geheiß, alle Geschöpfe, Götter, Asuren und Menschen schaffen -sollte und alle Welten, Bewegliches und Unbewegliches. Dann wäre also -der germanische Mannus etwas sehr Hohes. Aber wie paßt der Vater Tuisco -dazu, der selbst aus der Erde hervorgegangen, also eine Art Erdgeist -ist? Der Name ist nicht sicher, es bestehen infolgedessen auch viele -Deutungen für den Gott. Die höchste geht auf den Himmel und setzt -den Gott, dem Sinn und der Stellung nach, dem Uranos, dem Namen nach -(Tivisco, Tuisco) dem Zeus an die Seite. Die Erde spielt dann die Rolle -der Gaia, die auch Uranos und Pontos geboren haben soll. Die niedrigste -wählt natürlich Lippert. Eine mögliche Lesart ist nämlich auch -Tiusco. Grimm stellt sie mit Tivisco zusammen, was eben jene höchste -Bedeutung ergibt. Lippert findet etymologisch als Bedeutung „Geist“ -angemessener. Und indem Mannus einfach als „Mann“ erklärt wird, ist Tiu -sein Schutzgeist, und somit der aller Germanen, und Tiusco bedeutet ein -„Geistwesen“, wie Mannisco ein „Mannwesen“, ein „Mensch“. Damit wären -wir wieder auf den Ahnen und dessen Seele gekommen.</p> - -<p>Tacitus sagt ferner: „Deorum maxime Mercurium colunt.“ Es wäre eine -ganz anmutende Hypothese des genannten Forschers, daß dieser Merkur -ein Viehschutzgeist ist, da ein Teil der Germanen noch nomadische -Viehzucht betrieb, und dieser Deutung von seiten der griechischen und -römischen älteren Mythologie keine Schwierigkeiten entgegenstehen. -Aber Cäsar erzählt auch von den Kelten, daß ihr höchster Gott Merkur -gewesen sei, und die Kelten waren keine nomadischen Viehzüchter. -Herodot teilt mit, daß die Thrakerkönige am meisten Hermes verehren -und von ihm abzustammen behaupten. Auch<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span> hier wird man Viehzucht als -Motiv nicht annehmen können. Indessen gibt vielleicht Cäsar selbst -die Erklärung: „Hunc omnium inventorem artium ferunt, hunc viarum -atque itinerum ducem, hunc ad quaestus pecuniae mercaturasque habere -vim maximam arbitrantur“. Und da Tacitus zur Einführung Merkurs bei -den Germanen genau derselben Formel sich bedient wie Cäsar zu der bei -den Kelten (nur deorum statt deum), so wird er wohl auch an Cäsars -Erklärung gedacht haben. Bekanntlich wird seit Paulus Diaconus Wotan -für Merkur genommen, und auf diesen paßt Cäsars Erklärung einigermaßen, -die sich auf einen Erfindungs-, Wege- und Handelsgott bezieht. Tacitus -mag auch noch gewußt haben, daß Wotan auch Tote (erschlagene Helden) -in sein Reich geleitet, also als Psychopompos wirkt, und weiter, -daß er auch Sturmgott ist, wie Hermes bei den Griechen ursprünglich -einen Windgott bedeutete. Und daß Wotan der größte Gott war, würde -auch stimmen; dem Merkur namentlich sollen Menschenopfer gebracht -worden sein, wie Tacitus erzählt. Gleichwohl braucht darum Lipperts -Ansicht noch nicht unrichtig zu sein, daß es sich um einen Ahnengott -handelt, denn alles was aufgezählt ist, als in das Bereich dieses -Merkur fallend, übertrifft nicht, was auch ein Naturmensch einem -höchsten Fetisch zuschreibt. Ja, wenn wir sehen, wie Jakob Grimm mit -so vielen Beispielen belegt hat, daß die Deutschen noch im Mittelalter -die Neigung hatten, den „Wunsch“, in der umfassendsten Bedeutung, zu -personifizieren, und daß Wotan auch Wunschgott ist, so wird man noch -mehr auf die Seite Lipperts zu treten geneigt sein. Es kommt also -darauf an, ob die Germanen dem Wotan-Merkur noch andere Eigenschaften -zugeschrieben haben, die in das Hohe gehen und aus dem einfachen -Seelen- und Ahnenglauben nicht mehr erklärt werden können.</p> - -<p>Einmal bemerkt nun Tacitus, die Germanen „schlössen weder die Götter -zwischen Wände ein, noch stellten sie sie in menschlicher Gestalt dar, -<span class="gesperrt">wegen der Größe der Himmlischen</span>; Lichtungen und Haine heiligen -sie ihnen. Und mit der Götter Namen nennen sie jenes Geheime, das sie -nur<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> mit Ehrfurcht (oder Scheu) sehen“. Ist das gesperrt Gedruckte aus -dem Sinne der Germanen gesprochen, so muß der Streit als entschieden -gelten. Allein es ist schon von vielen vermutet worden, daß Tacitus, -was er hier von den Göttern sagt, aus <span class="gesperrt">seinen</span> Ansichten geholt -hat. Was wir sonst von den germanischen Götteranschauungen kennen, -spricht nicht immer für so hohe Begriffe. Auch wissen wir, daß -mindestens später die Germanen sehr wohl Bildnisse ihrer Gottheiten -von Holz, Stein oder Metall besaßen; dafür sind sehr viele Zeugnisse -vorhanden. Interessant ist, was Tacitus selbst von der Göttin Nerthus, -die er als Mutter Erde bezeichnet, erzählt. Ihr Kultort (er wird in -der Nähe von Rügen gesucht) ist ein jungfräulicher Hain, den niemand -betreten darf außer dem Priester. Dort sei ein Wagen ganz mit einem -Gewande (veste!) bedeckt. Der Priester glaubt, daß die Göttin sich -darin befände. An ihrem Feste wird der Wagen von Kühen in Prozession -herumgeführt, dann herrscht Freude und Friede ringsum, wohin die -Göttin gelangt. Zuletzt führt der Priester die „vom Verkehr mit den -Sterblichen gesättigte“ Göttin nach ihrem Tempel zurück. Dort werden -alsbald „der Wagen, die Gewänder (vestes!) und, wenn du es glauben -willst, die Gottheit selbst in einem geheimen See abgewaschen. Diener -bedienen, die sofort der See verschlingt“. Hiernach muß der Wagen -ein Kultobjekt enthalten, in dem die Göttin selbst weilt, da sie mit -den Sterblichen verkehrt (konversiert, sagt sogar Tacitus) und davon -ermüdet. Dieses Objekt erklärt Lippert für einen Fetisch. Daß hier ein -weibliches Wesen in Betracht kommt, würde zwanglos aus der auch den -Germanen früher bekannten Mutterfolge sich ergeben. Außerdem nahmen -die Germanen in die Schlacht effigies et signa mit. Das sind nach -Jakob Grimm figurierte Gegenstände, nach Lippert Seelenfetische und -Gegenstände, die den Fetischen gehören. Von den von Tacitus ferner -noch genannten Gottheiten finden sich Mars und Herkules überall, wo -Krieg und Heldengeist herrscht, und Kastor und Pollux vertreten, -vielleicht irgendein bemerkenswertes Brüderpaar. Doch weiß man mit -diesem letzteren allerdings nichts anzufangen. Auch<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> die Isis wird -als von einem Teil der Sueven verehrt angeführt. Der Römer meint, ihr -Dienst sei importiert, weil wie bei Isisfesten ein Schiff herumgeführt -wird. Aber Jakob Grimm hat schon nachgewiesen, daß Umzüge mit Schiffen -in Deutschland noch im Mittelalter geschahen, und er vermutet in Isis -eine deutsche Göttin und in dem Schiff etwas Ähnliches wie im Wagen der -Nerthus. Lippert weist noch auf das Totenschiff hin (<a href="#Seite_75">S. 75</a>). Gleichwohl -kann man sich der Ansicht Jakob Grimms nicht verschließen, daß, da -Tacitus so oft und bedeutend von Gott und Göttern der Germanen spricht, -teils allgemeinen teils vaterländischen und häuslichen, dieses, -zusammengehalten mit sonstigen Überlieferungen und Überlebseln, bloß -einen Naturmenschenglauben nicht erlaubt. „Wie läßt sich,“ sagt er, -„alles andere, was wir von der Sprache, der Freiheit, den Sitten und -Tugenden der Germanen wissen, hinzugenommen, der Gedanke festhalten, -sie hätten, in dumpfen Fetischismus versunken, sich vor Klötzen und -Pfützen niedergeworfen und ihnen rohe Anbetung erwiesen?“ So niedrig -meint es Lippert ja auch nicht, der Seelen- und Ahnenglaube kann sehr -wohl mit einer geläuterten Ansicht von Welt und Leben bestehen. Und -der Götterdienst der Germanen und die Totenbräuche bei ihnen waren -keineswegs sehr harmlos; und letztere sind durchaus, wofür Jakob Grimm -selbst viele Beispiele beibringt, auf naturmenschliche Anschauungen -von der Seele begründet. Also werden wir wenigstens einen Einschlag -von Seelen- und Ahnenglauben, und auch von Fetischismus (Lippert -führt mehrere Beispiele an von Bäumen, denen selbst Opfer dargebracht -wurden), in der Religion der Germanen nicht von der Hand weisen -können. Wir wissen ja, daß z. B. die Franken, selbst nach Annahme -des Christentums, noch Menschen beim Übergang über den Po geopfert -und in diesen Fluß gestürzt haben, und ähnliche aus dem Seelen- und -Fetischglauben fließende Greuel werden noch manche erzählt.</p> - -<p>Von dem großen <span class="gesperrt">nordisch-germanischen</span> Göttersaal ist nicht -gesprochen. Daß er zum Teil auch den eigentlichen Germanen bekannt -gewesen ist, darf nicht mehr bezweifelt<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> werden, obwohl die Erzählungen -der Edda sehr deutliche Spuren fortgeschrittenerer Kultur und -Weltkenntnis, sowie des Einflusses des Christentums an sich tragen. Die -nordischen Mythen verstärken den Eindruck, daß die Gesamtgermanen zwar -eine höhere Naturreligion gehabt haben, etwa im Sinne der Griechen und -Ägypter, daß aber auch viel Naturmenschliches vorhanden war. Von den -Menschenopfern bei den Skandinaviern erzählt Adam von Bremen (elftes -Jahrhundert) nach den Mitteilungen eines Swen Ulfsson, der sich zwölf -Jahre an dem Hofe des Schwedenkönigs aufgehalten hat. Im Hain am Tempel -zu Upsala, der Odin, Thor und Freyr geweiht war, hingen mitunter 70 und -mehr geopferte Menschen neben Hunden und anderen Tieren. Von diesem -Hain sagt der Genannte: „is enim locus tam est sacra gentilibus, ut -singulae arbores ejus ex morte vel cibo immolatorum divinae credantur.“ -Also man hielt die Bäume wegen der Opfer oder der Opferspeise für -göttlich (geheiligt). Die Götter wurden mit Blut versöhnt, die -Priester hießen auch selbst Götter: Goda, Dior, Asar, Anses; gleich -lebenden Fetischen. Heilige Haine gab es überall, wie auch sonst auf -der Welt, einzeln und in der allerverschiedensten Zusammensetzung. -Der feste Glaube der Skandinavier, nach tapferem Leben in Walhall das -freudigste Dasein bei Trunk, Speise und Waffenspiel fortzusetzen, ist -bekannt. Doch muß auch ein Leben der Toten in den Gräbern angenommen -worden sein. In dem Harbardslied der älteren Edda, in dem Thor vom -Fährmann Harbard (Graubart) so sehr verspottet wird, fragt Thor seinen -Quälgeist, woher er solche Spottreden habe, und Harbard antwortet: „Ich -lernte sie bei Männern, bei jenen uralten, die in den Heimatshügeln -wohnen.“ Da höhnt Thor: „Wie gibst du den Gräbern anmutige Namen, daß -du sie Heimatshügel nennst.“ Totenbeschwörung wurde viel geübt. Im -Hyndlalied ruft Freia die Vala Hyndla aus dem Grabe hervor, daß sie -ihr wahrsagen solle. Richard Wagner hat daraus wohl den Gedanken zu -der stürmisch-gewaltigen ersten Szene des dritten Aktes von Siegfried -geschöpft. Zauberei und Hexerei blühten in Skandinavien mehr noch -als in<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> Deutschland und müssen sich zuzeiten zu wahrer Kalamität -ausgewachsen haben, da mehrere Könige Hunderte von Menschen, die diesen -Gewerben nachgingen, verbrennen ließen. Wälder, Berge, Wasser, Höhlen -wimmelten von Geistern und Dämonen. Meist waren diese bösartiger -Natur. Doch hatte jeder Skandinavier auch einen Schutzgeist (Vätten), -einen „Führer“, Fylgior, dessen Bedeutung der des Mannes entsprach. -Gleichwohl war das Volk auffallenderweise höchst fatalistisch -gesonnen: „gegen sein Schicksal kann sich niemand bewahren“ wird in -Liedern unzählig variiert. Das ist nicht naturmenschlich gedacht. -Als naturmenschlich aber wiederum muß es bezeichnet werden, wenn -die Götter, wie es so oft geschieht, kaum höher gestellt werden -als machtvollere Menschen. Odin spricht von sich im Runenliede des -eddischen Havamal im gleichen Tone, wie ein Runenzauberer reden würde. -Er führt sich ein, wie er an einem Baume (wohl an der Weltesche -Yggdrasil) neun Nächte hing, ohne Speise und Trank. Da lernte er Runen -und fiel herab. Und dann zählt er alles auf, was er mittelst dieser -Runen zu vollbringen weiß: Hilfe gegen Sorgen und Seuchen, feindliche -Waffen stumpfen und weichen, Freiheit dem Gefesselten, Leben dem -Getöteten usf. Und welch eine Fülle von menschlich Verkommenem unter -den Asen und Asinnen enthält das Schmählied Lokis, die Lokasenna in -der Edda. Da erscheinen die Götter und Göttinnen niedriger noch als -im Nibelungenring; Wagner hat sie noch veredelt. Es scheint, als -wenn die südlichen Germanen doch höhere Ideen von ihren Gottheiten -besessen haben als ihre nordischen Brüder. Doch hat man oft Lieder -wie die Lokasenna als bewußte Begründung zu der so hochtragischen -Götterdämmerung angesehen.</p> - -<p>Von den <span class="gesperrt">Kelten</span> ist nicht viel überliefert. Cäsar sagt, daß -die Druiden das Volk lehren, die Seele gehe nicht unter, sondern -fahre nach dem Tode des Menschen in einen anderen Körper. Diodor aus -Sizilien erzählt das gleiche, fügt aber noch hinzu: „Daher kommt es, -daß bei ihren Leichenbegängnissen einige Leute Briefe, die sie an -ihre verstorbenen Väter, Mütter oder Verwandte geschrieben haben, -in das Feuer<span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span> werfen, in der Meinung, daß die Toten diese Briefe -lesen würden.“ Cäsar erzählt auch, daß bei Leichenbegängnissen nicht -bloß Gegenstände und Tiere, sondern auch Sklaven und Schutzbefohlene -mitverbrannt wurden. Die Gallier liehen auch Geld, mit Bezahlung -im Jenseits, wo sie also wie im Diesseits lebten. Lucanus, in der -Pharsalia, spricht letzteres auch deutlich aus:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">... Ihr lehret dawider, daß nimmer die Schatten</div> - <div class="verse">Wollen zum schweigenden Erebus hin, auch sähen sie nimmer</div> - <div class="verse">Plutos dämmerndes Land, es beherrsche die Glieder derselbe</div> - <div class="verse">Geist noch in anderer Welt: es steht — wenn euer Gesang wahr —</div> - <div class="verse">In eures Lebens Mitte der Tod. — —</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Das alles ist sicher rein naturmenschlich. Daß die Welt von drei -Druiden geschaffen oder aus der Tiefe, auch aus dem Meere heraufgeholt -sei, gehört ebenfalls hierher. Was es mit den Gottheiten Teutates, -Hesus, Cermunus, Taranis, Belis oder Belenus, Ogmius, Andrate und -vielen anderen für eine Bewandtnis hatte, können wir nicht sagen. -Cäsar teilt mit, die Gallier verehrten Merkur, Apollo, Mars, Jupiter, -Minerva. Damit ist für unsere Zwecke nichts anzufangen. Doch wissen -wir, daß sie die Gottheiten aus der Materie hervorgegangen ansahen, -und daß sie auch Flüssen, Quellen, Bergen, Bäumen opferten. Und ihr -Götterdienst war von solchen Greueln erfüllt, daß Kaiser Claudius, -nachdem alle Mittel, ihn zu mildern, gescheitert waren, ihn ganz -unterdrücken mußte. Gleichwohl werden die Gallier wenigstens in der -Kultur ziemlich hoch gestanden haben, da Cäsar und andere so viel von -ihren Städten, Tempeln, Schulen und Kenntnissen mitteilen. Von dem, -was die altgälischen Barden erzählen und was wir im Ossian lesen, hat, -wegen der mindestens zweifelhaften Originalität, abgesehen werden -müssen. Einiges ist übrigens von mir an anderer Stelle vorgetragen.</p> - -<p>Wir sind gezwungen, die Runde durch die Kulturvölker fortzusetzen. -Die <span class="gesperrt">griechische</span> Religionsanschauung ist nach allen Richtungen -durchforscht. Merkmale des Seelen- und Ahnenglaubens, auch des -Fetischismus, sind in ihr, namentlich in früherer Zeit und bei -abgelegeneren Stämmen zweifellos<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span> vorhanden. Bei Homer führt die Seele -ganz das Leben wie bei den Naturvölkern; sie entflieht eilig aus der -klaffenden Wunde, sie zieht wie dampfender Hauch unter die Erde, sie -erscheint im Traume, um für den Körper Begräbnis zu erflehen, damit -sie selbst Ruhe finde, sie trinkt Blut und gewinnt dadurch irdisches -Gedächtnis und Kraft, sie bekommt Gaben und Menschenopfer. Kleidung, -Schmuck, Waffen wurden den Toten noch bis in die letzte Zeit ins Grab -getan.</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Deinem Weibe trägt die Dienerschar</div> - <div class="verse">Den Schmuck in Händen, dessen sich die Toten freun</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">sagt der Chor in der Alkestis des Euripides zu Admetos. Und eine -eingehende Schilderung aller Gaben teilt Atossa in den Persern des -Aischylos mit. Lukianos noch spottet darüber, daß man den Toten soviel -mitgebe oder mit ihnen soviel verbrenne, als ob sie sich dessen im -Jenseits bedienen könnten. Und die überhaupt durch überwältigendes -Unglück zweifelsüchtig gewordene Hekabe sagt in den Troerinnen des -Euripides, da sie ihrem so grausam hingemordeten Enkel Astyanax die -Totenfeier richtet, zu den Dienern:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Geht, übergebt den Toten seinem düstern Grab;</div> - <div class="verse">Denn Totenkränze hat er ja, wie’s ihm gebührt.</div> - <div class="verse">Und wenig kümmert’s, mein’ ich, die dort unten sind,</div> - <div class="verse">Ob einem hier ein reiches Totenopfer wird;</div> - <div class="verse">Das ist nur eitler Übermut der Lebenden.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und doch glaubt dieselbe Hekabe, daß in der Unterwelt der Vater, -Hektor, die Wunden des Sohnes heilen wird. Soviel Inkonsequenz herrscht -bei einer ja ungewissen Sache.</p> - -<p>In Ausnahmefällen geschah auch den Gräbern Verehrung. Was der Chor in -dem vorgenannten Drama Alkestis bei der ergreifenden Totenfeier noch -spricht:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Nicht wie das Grab anderer sei deiner Gemahlin Grab</div> - <div class="verse">Angesehn; zu ihm wie zu den Göttern,</div> - <div class="verse">Betend ehr’ es der Wanderer!</div> - <div class="verse">Und mancher, die Pfade seitwärts wandelnd, redet das Wort:</div> - <div class="verse">„Sie starb, den Gemahl zu retten;</div> - <div class="verse">Nun ward sie selige Göttin.</div> - <div class="verse">Heil, Holde, dir! Glück gewähr uns!“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span></p> - -<p class="p0">ist nicht bloß dichterische Empfindung. Der gleiche Chor ruft der -toten Alkestis nach: Κούφα σοῖ χθὼν ἐπάνωθεν πέσοι, sit tibi terra -levis, Leicht sei dir die Erde! wie wir noch jetzt sagen. Von dem -Seelenphantom, dem εἴδωλον, und den Seelenvögeln habe ich bereits -gesprochen (<a href="#Seite_73">S. 73</a> f.). Daß die Griechen Seelen auch in Schlangen sahen -und verehrten, wissen wir aus Pausanias. Daß auch Fetische bekannt -waren, sehen wir aus den vielen Verwandlungen von Menschen in Bäume, -Sträucher und Felsen. Außerdem ist es hinreichend bezeugt, wie in -frühen und späten Zeiten Steine und Pfosten Sinnbilder von Göttern -waren, denen auch Opfer gebracht wurden. Was aber den Ahnenkultus -anbetrifft, so hat schon Euemeros den ganzen griechischen Götterglauben -auf ihn zurückgeführt. Und das haben bekanntlich mehr oder weniger -vollständig viele vor ihm und nach ihm gleichfalls getan. Zu solchen -Übertreibungen haben die Griechen selbst beigetragen, indem jedes -Fürstengeschlecht und jedes Völkchen möglichst von einer Gottheit, -mindestens aber von einer Halbgottheit abstammen wollte, indem von den -Göttern gar zu menschlich erzählt worden ist, und endlich, indem den -Mächtigen auf Erden nicht selten göttliche Ehren erwiesen wurden. Dazu -kommen die noch bis in sehr späte Zeit vorgefallenen Menschenopfer, die -jeder wahrhaft höheren Gottheitsanschauung so sehr widerstreben. Und -wenn ein Themistokles oder gar ein Cäsar solche Opfer vollziehen, so -kann man sich das zwar dadurch erklären, daß sie dem Drängen des Volkes -(oder Heeres) nachgegeben haben. Aber auf dem Volke bleibt es doch -haften. In der unheimlichen ersten Szene der Hekabe des Euripides sagt -der Geist des Polydoros:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Denn über seinem Grab erschien der Thetis Sohn,</div> - <div class="verse">Der Fürst Achilleus hielt Achajas Heer zurück,</div> - <div class="verse">Das nach der Heimat schon die Meeresruder schwang;</div> - <div class="verse">Und meine Schwester fordert er, Polyxena,</div> - <div class="verse">Als teures Grabesopfer sich und Ehrenlohn.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und dieses Opfer ward ihm ja, Achills Seele erhielt die Braut. -Gleichwohl überhebt uns einer weiteren Untersuchung die Tatsache, -daß, so menschlich oft die Götter an Leben, Be<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span>tragen, Fühlen und -Leidenschaften sich auch geben, sie doch wirkliche Götter darstellen, -keineswegs potenzierte Menschen, wie man oft behauptet hat. Namentlich -aber nicht Ahnen, wogegen schon die allgemeine Verehrung, die sie -genießen, spricht. Wenn auch gefabelt wurde, Zeus sei König in Kreta -gewesen, sei dort gestorben und liege dort begraben — nichts in dem -Zeus, wie wir ihn kennen, erinnert daran. Apollon und Artemis sind -Götter trotz ihrer Geburt von einem sterblichen Weibe. Das hängt mit -der Entstehung der Mythen und Sagen zusammen, die nicht immer von -religiösen Anschauungen veranlaßt ist. Ein Teil wird aus Vorgängen -zwischen Menschen, namentlich in Fürstenhäusern, stammen, die zuerst -bewußt und später, nachdem die Personen vergessen sind, unbewußt, auf -Gottheiten übertragen wurden. Einen anderen Teil verdankt man der -dichterischen Erfindung des Volkes und Einzelner. Noch ein anderer -ist aus Personifizierung von Naturerscheinungen hervorgegangen. -Sodann spielt eine große Rolle die Deutung der Gottheitennamen, die -Volksetymologie, indem aus richtiger oder unrichtiger Übersetzung und -Umschreibung des Namens Tätigkeiten und Wirkungen abgeleitet werden, -an die sich naturgemäß Erzählungen anschließen. Weiter werden manche -Sagen mehr oder minder geistreiche Redeblüten und erkünstelte Allegorie -sein. Zuletzt dürften recht viele als Erklärung von Gebräuchen im Leben -und im Kult, deren Ursprung und Bedeutung dem Gedächtnis entschwunden -sind, und andere zur Begründung von Ansprüchen auf Menschen und Besitz -erfunden sein. Wir haben in den griechischen Sagen und Mythen für alles -Beispiele und ebenso in den Sagen und Mythen anderer Völker. Bei so -großer Vielartigkeit des Entstehungsgrundes kann man nicht erwarten, -ein einheitliches Bild zu bekommen. Und so enthalten die griechischen -Sagen Schönes und Anmutendes neben Häßlichem und Abstoßendem, Hohes -neben Niedrigem und Tieferdachtes neben Törichtem und Aberwitzigem. -Bei Vielem aber tut man dem Volk mehr Ehre an, wenn man es aus -naturmenschlichen Anschauungen ableitet als aus Allegorien oder -Naturerklärungen, und wenn man davon absieht, von uns nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> mehr zu -verstehende Weisheit zu behaupten, wie es früher Mode gewesen ist und -auch gegenwärtig mitunter noch beliebt wird.</p> - -<p>Bei den <span class="gesperrt">Römern</span> liegt der Seelenglaube noch offener als bei den -Griechen. Die Inferi, in besonderer Bezeichnung Manes oder Lemures, -sind ganz naturmenschlich gedachte Seelen Verstorbener, die unter -der Erde weilen. Als Larven fügen sie dem Menschen Böses zu, als -Lares familiares sorgen sie für die betreffende Familie. Bekanntlich -schrieben die Römer allem, also auch Menschen, jedem einen Genius -zu, der im Laufe der Zeit mehr und mehr Funktionen bekam und zuletzt -alles vorstellte, wodurch der Mensch zu seinem Tun und Lassen im Leben -bewegt wurde. Es war etwas Göttliches in diesen genii, und sie wurden -demgemäß auch im Familienkreise oder, wenn es sich um die genii der -Götter, der Machthaber oder die des Staates, der Stadt, des Ortes usf. -handelte, öffentlich verehrt, und bei ihnen wurde auch geschworen. Ob -man die Seelen der Menschen mit den genii zu identifizieren hat, weiß -ich nicht; von manchen Forschern geschieht es. Jedenfalls haben wir -es mit einem ausgedehnten Glauben und Kult zu tun, der, ob er sich -auf die genii, inferi, manes, larvae, lares und welche Namen noch in -Gebrauch sein mochten, bezog, sich dem allgemeinen Seelenglauben und -Seelenkult eng anschließt. Die Seelen mußten im Tode versöhnt werden, -was durch ganz bestimmte Zeremonien und Gaben geschah; sie hatten ein -Anrecht auf fortgesetzte Verehrung — Cicero spricht von manium jura, -den Rechten der Manen, — seitens der Angehörigen. Geschah das nicht, -so irrten sie ruhelos auf der Erde umher und sannen und taten Böses. -An drei Tagen im Jahre: 24. August, 5. Oktober und 8. November öffnete -man den Seelen absichtlich die Pforte der Unterwelt, den mundus, das -war ein in der Mitte der Ortschaft befindliches rundes Loch, mit einer -Kuppel überwölbt, die eine mit einem Steine bedeckte Öffnung hatte. In -diesen mundus tat man auch die allgemeinen Gaben für die Seelen, in ihn -wurden auch Menschen gestürzt, „die zu Schutzgeistern der Stadt werden -sollten.“ Da man einmal vergessen hatte, den Toten ihre Spenden zu -geben, verließen<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span> sie ihre Gräber und man hörte sie durch die Straßen -der Stadt und der Umgebung schwirren, bis man ihnen die Gaben an die -Gräber brachte, erzählt Ovid. Und so konnten Zauberer auch die Seelen -in die Oberwelt beschwören, wovon ja auch die Griechen soviel wußten.</p> - -<p>Gleichfalls an Naturmenschliches erinnert die Verehrung des Feuers auf -dem häuslichen Herde, das wie lebend behandelt wurde und Opfergaben -empfing. Überhaupt hatte der Römer einen häuslichen Kultus — seinen -Penaten, das sind eben die Seelen und das häusliche Feuer, gewidmet — -der den öffentlichen an Bedeutung weit überragte und einen Kultus des -Naturmenschen darstellte. Und gleiches gilt wohl auch von den Griechen. -Wie rührend klingt das von der Sklavin mitgeteilte Gebet der zum -Sterben bereiten Alkestis vor dem Herdfeuer als Göttin, um Schutz für -die zu hinterlassenden Waisen:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Laß nicht, wie ich nun, ihre Mutter, enden muß,</div> - <div class="verse">Sie vor der Zeit hinsterben, sondern hochbeglückt</div> - <div class="verse">Im väterlichen Lande laß froh ihr Leben fliehn.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Die römische Religion ist ungemein zusammengesetzt: himmlische -Götter, Feld-, Berg-, Wald-, Baum- und Quellgötter, Götter der -Unterwelt, Götter fast für jedes Ereignis und für jede Handlung -im Leben des Einzelnen und der Gesamtheit. Dazu die unzähligen -Seelen- und Ahnengötter, denn die manes sind dii und können sogar -den Himmel erreichen, wie die von Romulus und der Kaiser. Kaum -ein Volk — vielleicht mit Ausnahme der Indier und Japaner — hat -einen so gefüllten und so bunten Göttersaal. Und aus allem spricht -eine Art Kindlichkeit und Natürlichkeit, wie aus einem veredelten -Naturmenschenglauben. Wäre nicht so manches Kindische dabei und so -manches Rohe, so mutete sie uns vielleicht mehr an als die glanzvolle -griechische Mythe.</p> - -<p>Wie vorsichtig man bei den <span class="gesperrt">Ägyptern</span>, wegen ihrer Unart, ihren -Worten allerlei mystische Bedeutungen zu geben, mit Behauptungen -sein muß, hat Brugsch in seiner „Religion und Mythologie der alten -Ägypter“ erwiesen. Man kann die höchsten Ideen herauslesen, wo gar -keine vorhanden sind,<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> weil ein hohes Wort steht, das gleichwohl in -gewöhnlichster Bedeutung benutzt ist. Und auch das Umgekehrte wird der -Fall sein. Ein zweiter Umstand, der die Beurteilung der ägyptischen -Anschauungen so sehr erschwert, ist die verblüffende Vorliebe für -tierische Merkmale. Götter werden mit Frosch-, Schlangen-, Widder-, -Schakal-, Katzen-, Sperber-, Falken- usf. -kopf, oder ganz tierisch -als Käfer, Affen, Krokodile usw. dargestellt, mitunter sogar in -Kombination mehrerer Tiere, wie Râ einmal in derselben Gestalt als -Mensch, Frosch und Affe. Und das geschieht nicht bloß in Bildern, -sondern auch in Texten: die Seele des Osiris ist der Bock von Mendes, -die Seelen der Götter sind Krokodile, heißt es in einer Inschrift des -Königs Seti I. Der Erdgott Qeb sagt von sich: ich pfeife wie der Falke -und ich gackere wie die Gans. Vieles, vielleicht das meiste, wird -symbolisch aufzufassen sein aus den Eigenschaften der Tiere oder auch -aus ihrem Verhalten gegen die Naturerscheinungen. Manches muß aber auf -theromorphe Anschauungen, auf Totemismus beruhen, da ja die Ägypter -tatsächlich gewissen Tieren, nicht bloß dem bekannten Apis, Verehrung -dargebracht und sie nach dem Tode mit Feierlichkeit begraben haben. -Herodot, der sehr eingehend davon erzählt, weiß warum, aber er sagt es -nicht aus Furcht vor den göttlichen Dingen. Einmal, wo er sich gehen -läßt, teilt er ein höchst albernes Märchen über den Widderkopf des Amun -(Zeus) mit: Zeus hätte ihn vorgesteckt, um sich nicht Herakles, der ihn -durchaus sehen wollte, in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Wir können -kaum etwas anderes annehmen als naturmenschliche Anschauung. Nach -Brugsch aber müssen die Ägypter einen sehr hohen Gottesbegriff gehabt -haben. Die Texte, die er anführt, sind entscheidend. Wir kommen später -auf sie zurück. Daneben besaßen sie eine kosmogonische, schon Herodot -bekannte, männlich-weibliche Vierheit, von der ich schon in meinem -mehrmals genannten Buche gesprochen habe. Sodann eine Hauptgottheit -und eine Neunheit von Göttern, die den eigentlichen Gegenstand -der Verehrung bildeten: Râ (auch Tum, Ptah, Amun), Chon, Tafnut, -Qeb, Nut (auch Hathor), Osiris, Isis (auch Mut),<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> Set, Nephthys, -Horus. Jede der Gottheiten wurde noch vielfach gespalten nach ihren -besonderen Verrichtungen oder Erscheinungen, wie die Gottheit Sonne -als Morgensonne, Mittagsonne, Abendsonne, Sommersonne, Wintersonne. -Umgekehrt übernahm fast jeder Gott auch die Verrichtungen und -Erscheinungen aller anderen Götter und vereinigte sie sogar in sich, -so daß er dann „Gott“ wurde. Aber eigenartig ist, daß die Neunheit -auch als eine Folge von vorhistorischen Königen Ägyptens aufgefaßt -wurde, also von Ahnen der Königsgeschlechter. Wie ja umgekehrt den -Königen Göttlichkeit zugeschrieben wurde, nicht bloß formell, sondern -mit entsprechenden Folgen. Freilich erzählten die ägyptischen Priester -Herodot, daß diese Götter-Könige nicht mit den Menschen zusammengelebt -hätten.</p> - -<p>Was aber den Totenkult anbetrifft, so ist bekannt, wie minutiös -ausgebildet er in Ägypten gewesen ist und wie notwendig er für die -Fortdauer der Seele nach dem Tode erachtet wurde. Seelen konnten -zugrunde gehen, wenn ihnen die nötigen Kulte mangelten. Lippert führt -Beweise dafür an, daß noch nach mehr als dreitausend Jahren nach -ihrem Tode die ältesten ägyptischen Könige Seelenpfleger hatten. -Und solche Seelenpfleger schafften sich viele und erhielten viele -durch Stiftungen. So stiftete Ramses II. seinem Vater Seti einen -vollständigen königlichen Haushalt, „mit Äckern, Viehweiden, Geflügel, -Herden, Schiffen, Zinsen aller Art, mit Handwerksleuten, Knechten -und Mägden.“ Sich selbst stiftete er sogar eine Bibliothek in seinem -Grabtempel. Und jeder Sohn war verpflichtet, einen Teil der Habe auf -den Kult seiner Eltern zu verwenden. Der Tote brauchte im Jenseits -alles, was er im Leben nötig hatte. Ich kann mich nicht enthalten, -hier schon einen Text aus Brugschs genanntem Werke mitzuteilen. Der -Tote wendet sich an Osiris und andere Götter mit dem Gesuche „zu -gewähren: das Leuchten am Himmel, das Vermögen auf der Erde und das -Wahrwerden der Stimme in der Unterwelt, das Gehen und Kommen nach -meinem Hause, meine Abkühlung in seinem Schatten, meine Stillung des -Durstes mit Wasser aus meinem Teiche zu jeder Zeit,<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> das Wohlergehen -aller meiner Gliedmaßen, das Geschenk des Niles und Hülle und Fülle -frischen Gemüses der Jahreszeit für mich, meinen Spaziergang am Rande -meines Teiches zu jeder Zeit, das nicht fehlende Ruheplätzchen für -meine Vogelseele auf dem Aste des Baumes, den ich gepflanzt habe, -meine Abkühlung im Schatten meiner Sykomoren, meine Nahrung von ihren -Früchten, meine Sprache, in welcher ich rede, gleich wie die Diener -des Horus, meinen Ausgang gen Himmel, meine Rückkehr nach der Erde — -ohne Hindernisse auf dem Wege, ohne Bereitung von Fallstricken für -meine Person, ohne Absperrung meiner Seele — meine Anwesenheit in der -Schar der Gebenedeiten unter den Hochwürdigen, meine Betauung meines -Feldes in dem elyseischen Gefilde von Aru, mein Dasein im Friedefeld -und meine Erscheinung mit Opferkannen und Brotspenden vor dem Gotte -Onnophris.“ Völlig Leben und Freuden eines Grundherrn, statt der Seele -eines Toten! Die letztere macht sich bemerkbar in der „Vogelseele“ und -in der Furcht bei der Rückkehr auf die Erde, durch Hindernisse und -Fallstricke verloren zu gehen. Die Vogelseele gemahnt an Fetische. Sehr -charakteristisch ist ein schönes Zwiegespräch eines Menschen mit seiner -Seele, das wohl vor viertausend Jahren gehalten worden ist. Die Seele -mahnt zum Ausharren im Leben. Ganz nach dem Grundsatz des Herakles in -der Alkestis — „dem Sterblichen geziemt es, sterblich nur gesinnt zu -sein“ — sagt sie ihm nach manchen Ausführungen über Gestorbensein: -„Folge dem frohen Tag, vergiß die Sorgen.“ (Noch genauer ausgeführt ist -dieser epikureische Gedanke in dem etwa aus Ramses II. Zeit stammenden -sogenannten Harfnerlied <a href="#Seite_188">S. 188</a>). Der Mann aber zählt in einer Unzahl -von Strophen alle Trübsale des Lebens und alle Schlechtigkeiten der -Menschen auf und schließt mit den Worten (Greßmann, Altorientalische -Texte):</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Der Tod steht heute vor mir ...</div> - <div class="verse">Wie ein Mensch sein Haus zu sehen wünscht,</div> - <div class="verse">Nachdem er viele Jahre in Gefangenschaft verlebt hat.</div> - <div class="verse">Wer dort ist, wird ja ein lebender Gott sein,</div> - <div class="verse">Der die Sünde straft an dem, der sie tut.</div> -<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> - <div class="verse">Wer dort ist, wird ja im Sonnenschiff stehen</div> - <div class="verse">Und das Auserlesenste daraus an die Tempel geben lassen.</div> - <div class="verse">Wer dort ist, wird ja ein Wissender sein, dem nicht gewehrt worden ist</div> - <div class="verse">Und der zu Ra betet, wenn er spricht.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Die Seele ist nun überzeugt und sagt:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Dein Leib gelangt zur Erde.</div> - <div class="verse">Ich will mich niederlassen, nachdem du ruhst —</div> - <div class="verse">Laß uns zusammen eine Stätte haben.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Also bleibt die Seele und läßt sich an der Stätte des Toten nieder, -oder — wie man wohl nach den Worten des Menschen schließen muß — sie -ist immer bei dem Toten, wohin er geht.</p> - -<p>Fetische sollen den Ägyptern, nach Lippert, sehr vertraut gewesen sein. -Auf einem Block, der späterhin als Mühlstein verwendet wurde, und -der eine Inschrift aus der Zeit von etwa 712 v. Chr. trägt, die sich -jedoch als Erneuerung einer alten Schrift, die „seine Majestät (König -Schabaka) als ein Werk der Vorfahren gefunden habe, von Würmern ganz -zerfressen“, gibt, und die nur noch teilweise lesbar ist, deren Inhalt -also jedenfalls sehr alt sein muß, heißt es: „Ptah war zufrieden, -nachdem er alle Dinge geschaffen hatte. Er hatte die Götter gebildet, -die Städte gemacht, die Gaue gegründet. Er hatte die Götter in ihre -Heiligtümer gesetzt, ihre Opferbrote gedeihen lassen, ihre Heiligtümer -gegründet, ihre Leiber ähnlich gemacht zu ihrer Zufriedenheit. -<span class="gesperrt">Die Götter zogen ein in ihre Leiber aus allerlei Holz, kostbaren -Steinen, aus allerlei Metall und allen Dingen, die wachsen, woraus sie -entstanden waren.</span> Er fügte zusammen alle Götter und ihre Seelen -im Ptah-Tempel, dem Besitze alles Lebens, in dem das Leben der beiden -Ägypten gemacht war.“ Das klingt stark fetischistisch, namentlich das -Unterstrichene läßt schwer andere Deutung zu. Gleichwohl glaube ich, -daß man doch zu weit geht, wenn man die Gestirne, und namentlich die -Herrscher unmittelbar als Fetische bezeichnet. Mögen auch die Herrscher -Söhne der Sonne oder Sitz eines Gottesgeistes gewesen sein, Fetische -im Sinne des Naturmenschen waren sie nicht. Als Götter bezeichnen sie -sich nach ihrem Ableben. Aber im Sinne der Ägypter können<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span> alle Toten -Götter sein, sie kehren in Gott zurück, wie wir später sehen werden. -Die Hofsprache muß von der Anschauung unterschieden werden. Unsere -Herrscher sind auch von Gottes Gnaden, und niemand hält sie für etwas -anderes als fehlende, im wesentlichsten machtlose Menschen, obwohl -manche vom Gottesgnadentum wirklich überzeugt sind. Tiere sind gewiß -Fetische gewesen, wie der berühmte Apis, wie Schlangen, Krokodile, -Katzen, Vögel, der Skarabäus usf. Sodann hat man auch Standbilder als -Aufenthaltsgegenstände von Seelen angesehen. Wie bei uns Heiligen- -und Marienbilder von Ort zu Ort und von Haus zu Haus geführt werden, -um ihre Wunderkraft zu spenden, sind schon im grauesten Altertum -Götterbilder durch weite Lande zu gleichem Zweck versandt worden. -Wir besitzen Berichte darüber, einen aus der Zeit Ramses II. über -die Versendung „Chons des Gebieters“ nach Bechten (Baktrien?), um -eine Prinzessin vom bösen Geist zu befreien, wie Griechen Palladien -raubten, Römer Götterstandbilder und Embleme entführten. Da aber in der -späteren Zeit den lebenden Seelen die Wahl des Aufenthaltes freistand, -mögen allerdings noch mehr Gegenstände als Fetische angesehen worden -sein, als wir nachweisen können. Belebung toter Dinge ist dem Ägypter -durchaus geläufig. Ein Text, den Brugsch aus dem 125. Kapitel des -Totenbuches, den der Tote ins Grab (in die Brusthöhle) bekam, läßt in -24 Versen Pfosten, Schwelle, Schloß, Schlüsselloch, Getäfel, Türflügel, -Friesstücke usf. des Totengerichtssaales den Toten nach ihren Namen -fragen. Er muß sie angeben, bevor er weiter kann. Und diese Namen -sind zum Teil ganz persönlich lebenbedeutend, wie die linken Pfosten -„Ausführer dessen, was wahr ist“, die Friesstücke „Schlangenbrut der -Göttin Ranut“, das Schlüsselloch „Lebensauge des Gottes Sebek“ heißen. -Kaum wird man hier Allegorien oder tiefsinnige Mystik sehen können. Und -wem fällt nicht das erste Wunder ein, das Mose vor Pharao vollbringt -und dessen Zauberer sofort nachahmen, die Verwandlung von Stäben in -Schlangen? Bei den Ägyptern hat sich der Seelen- und Ahnenglaube -(wenn letzterer vorhanden gewesen sein sollte) nie zu den Greueln -entwickelt,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> die wir anderweit so oft gefunden haben. Herodot sagt: -„Denn die kein Tier opfern dürfen außer Schweinen, Stieren und Kälbern, -nämlich die da rein sind, und Gänse — wie werden die denn Menschen -opfern?“</p> - -<p>Wir wenden uns zu den <span class="gesperrt">Hebräern</span>. Es ist bereits von Vielen -hervorgehoben worden, wie wenig dieses Volk, trotz seines so langen -Aufenthaltes unter den Ägyptern, von diesen an Anschauungen angenommen -habe. Der Gott, den Mose das Volk lehrte, war absolut verschieden -selbst von dem höchsten Gott Ägyptens, denn dieser gehörte so ganz zur -Materie, daß man den Ägyptern nicht mit Unrecht eine Art Pantheismus -zugeschrieben hat. Der Gott Mose steht aber ganz außerhalb der Materie. -Gleichwohl bezeugt es die Bibel selbst, daß den Hebräern vor dem Exil -dieser Gott nur selten genügte, daß sie sich Götzen schufen, auf Höhen -opferten und besondere Hausgötter (Theraphim) besaßen und verehrten. -Das ist so bekannt, daß ich darauf nicht einzugehen brauche. Eine -andere Frage aber ist, ob die Hebräer auch dem Seelen- und Ahnenglauben -und dem Fetischglauben huldigten. Lippert hat in Konsequenz seiner -Theorie das in vollem Umfange bejaht. Aber ich glaube doch, daß der -Einwand dagegen, über den er zu leicht hinweggeht, entscheidend -ist. In der Bibel wird nämlich so wenig von dem Leben nach dem Tode -gesprochen, daß oft und von vielen der Schluß gezogen worden ist, die -Hebräer hätten ein solches Leben überhaupt nicht gekannt. Ist auch -dieser Schluß übereilt, so bleibt doch die Tatsache bestehen: die -Bibel spricht nicht von dem Leben nach dem Tode, oder nur in ganz -dunklen Ausdrücken (<a href="#Seite_193">S. 193</a>). Daß die Verfasser und Redaktoren der -Bibel, um den ägyptischen Seelenkult auszumerzen, absichtlich alle -Hinweise darauf ferngehalten hätten, wie Lippert annimmt, kann nicht -zugegeben werden, denn sie hätten mehr Grund und Anlaß gehabt, den -Götzen- und Theraphimdienst zu übergehen, und das haben sie nicht -getan. Wie in der Antike, spricht die Bibel überall objektiv von -ihren Menschen, sie verhehlt nicht einmal bei ihren Lieblingen selbst -das Schlechteste in ihrem Beginnen. Einen Seelenglauben wird man<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> -hiernach bei den Hebräern nicht annehmen können. Daß ein Ahnenglaube -nicht bestand, ist wohl am besten dadurch erwiesen, daß weder einer -der Patriarchen, noch der Führer — und Abraham und Mose waren doch -gewiß verehrungswürdige Gestalten — irgend einen Kult, auch nur den -allereinfachsten, geschweige göttlichen, empfingen. Es bleiben also -noch die Fetische. Diese verlieren eigentlich ohne Seelenglauben ihre -besondere Bedeutung. Sie werden kleine bequem im Hause aufzubewahrende -und auf Reisen mitzunehmende Götzenbilder gewesen sein, wie etwa -die Heiligenbilder, mit denen Ludwig XI. von Frankreich seinen Hut -gespickt hatte und zu denen er betete, indem er den Hut vor sich -hinstellte, wenn er eine seiner bekannten Unternehmungen beabsichtigte -oder ausführte. Mitunter handelte es sich auch um große Götzenbilder, -wie in Davids Hause und bei Micha. Will man dieses alles Fetische -nennen, so mag das sein. Aber ich glaube, daß das goldene Kalb und -die ehernen Schlangen die einzigen Tierfetische sind, die man als -solche bestimmt deuten kann. Die Stiftshütte mit ihren Einrichtungen -hält Lippert für eine Fetischbehausung mit zugehörigen Spenden. Als -was sie in der Bibel gedeutet werden, weiß jeder. Indessen überall, -wo wir Opfer finden, werden wir auf anthropomorphische Auffassungen -gestoßen. Daher die Propheten von diesem ganzen Dienst nichts wissen -wollten. Geisterbeschwörung, Zauberei und Wahrsagung kannten und übten -die Hebräer in reichem Maße. Man denke an die Beschwörung für den -tragischen König Saul. Man darf aber wohl wieder auf die Propheten und -Seher verweisen, um darzutun, daß hier im ganzen doch ein anderer Geist -herrschte als bei rohen Naturvölkern und selbst als bei den umgebenden -Kulturvölkern. Was noch aus den Weissagungen geschlossen wird, aus der -Beschneidung usf., kann aus einem Seelenglauben gerechtfertigt werden. -Dann aber bezieht sich — wie doch nun einmal die Bibel zu dem Leben -nach dem Tode sich verhält — dieser Glaube allein auf das Lebende -und hat mit dem eigentlichen naturmenschlichen Seelenglauben, wie er -geschildert ist und der gerade auf den Tod sich bezieht, nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> zu tun -und ist von ihm so weit verschieden, wie die Blutsbrüderschaft von dem -Totenopfer, obwohl beide Ansichten von der Seele betreffen.</p> - -<p>Die <span class="gesperrt">Phönizier</span> müssen noch in sehr später Zeit einen ziemlich -ausgedehnten Fetischglauben, neben ihrer Astral- und Naturreligion -gehabt haben. Berge werden als Baal genannt und verehrt, wie -Baal-Hermon, Baal-Libanon, und auch Bäume tragen diese Auszeichnung, -wie der Baal-Thamar, die Palme. Steine wurden als Beth-el, Heim -(Aufenthaltsort) der Gottheit (βαίτυλος) angesehen und empfingen, wo -Phönizier waren und hinkamen, Opfer. Heliogabal war, ehe er Kaiser -wurde, Priester eines schwarzen Steines zu Emesa, wahrscheinlich eines -Meteorsteines, da er vom Himmel gefallen sein sollte. Astarte wurde zu -Byblos als konischer Stein verehrt, eine hier abgebildete Münze aus der -Zeit des Kaisers Macrinus zeigt ihren Tempel mit Altar und diesem Stein -im Säulenhofe. Doch wurde sie freilich meist in menschlicher Figur -dargestellt. Wir wissen von den Anschauungen der Phönizier zu wenig, -wenn wir auch ihren blutigen und menschenmordenden Molochskult kennen. -Aus Inschriften in Gräbern und auf Sarkophagen muß man schließen, daß -die Phönizier sehr besorgt um Erhaltung ihrer sterblichen Reste waren. -Aber es finden sich auch Verwahrungen dagegen, daß die Toten Schätze -besäßen, König Eschmunazar sucht sich in dieser Weise gegen Grabräuber -zu schützen.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="illus-120" name="illus-120"> - <img class="mtop2 mbot2" src="images/illus-120.jpg" - alt="Münze mit Astarte-Stein zu Byblos" /></a> -</div> - -<p>Den ausgesprochenen Fetisch- und Seelenglauben der <span class="gesperrt">Araber</span> habe -ich bereits in meinem genannten Buche geschildert. Wie es mit den -<span class="gesperrt">Babyloniern</span> und <span class="gesperrt">Assyriern</span> in dieser Beziehung steht, -läßt sich nur vermuten. Ihre Religion, wesentlich eine Astralreligion, -sollen sie von dem so rätselhaften Volke der Sumerer überkommen -haben; sie steht in vieler Beziehung hoch genug. Daß aber bei -ihnen<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> Wahrsagekunst, Traumdeuterei, Zauber- und Beschwörungswesen, -Magie jeder Art, Astrologie in höchster Blüte standen, weiß man -sicher. Sie hatten Geister und Dämonen in reicher Zahl, wie die -sieben Hauptdämonen, von denen es in einer Legende heißt (Greßmann, -Altorientalische Texte):</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Anstürmende Wetter, böse Götter sind sie,</div> - <div class="verse">Schonungslose Dämonen, die auf dem Himmelsdamm geboren wurden, sind sie usf.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Der Himmelsdamm soll der Tierkreis sein. Vielleicht ist es aber der -Horizont, wohin es, wie überall, zur Unterwelt geht. Jene Dämonen -sind Sturm-, Finsternis- und Wettergeister, sie verschlingen auch -Sin, den Mond. Andere Dämonen in besonders großer Menge bringen Pest, -Not und alle Krankheiten. Ihre Darstellung ist tierisch und oft -grotesk-furchtbar; Drachen und Greife spielen eine Hauptrolle, aber -auch Hunde, Skorpionen, Schlangen, Panther, Wölfe usf. Soviel ich -jedoch sehen kann, findet sich keine Angabe, die auf eine Beziehung -zu Seelen Abgeschiedener deutete, wiewohl Hexen und Verhexungen sehr -bekannt und gefürchtet sind; schon das zweite Gesetz Hammurabis -behandelt Zauberer und solche, die der Zauberei bezichtigt werden. -Ein Gottesurteil, Werfen in den Strom, entscheidet. Ein Leben nach -dem Tode wird durchaus angenommen, und zwar wie bei Naturmenschen -mit den Bedürfnissen des Diesseits. Gilgames (Jzdubar), der Held des -gleichbenannten Epos, hat seinen Freund Eabani durch Tod verloren. -Er denkt nun voll Furcht auch an seinen Tod, und nachdem ihm sich -unsterblich zu machen oder wenigstens das Jenseits zu schauen -mißlungen, muß Nergal, der Totengott, auf Eas Befehl ein Loch in der -Erde öffnen, durch das Eabanis Geist emporsteigen kann. Gilgames -befragt ihn nun. Wir besitzen nur den Schluß, aber er entscheidet. -Eabani sagt:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Wer den Tod des Eisens starb — sahst du einen solchen? — Ich sah ihn —</div> - <div class="verse">Auf dem Ruhebett liegt er und trinkt klares Wasser.</div> - <div class="verse">Wer in der Schlacht getötet ist — sahst du (einen solchen)? — Ich sah (ihn) —</div> - <div class="verse">Sein Vater und seine Mutter halten sein Haupt und sein Weib (beugt sich) über ihn.</div> -<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span> - <div class="verse">Dessen Leichnam aufs Feld geworfen ist — sahst du (einen solchen)? — Ich sah (ihn).</div> - <div class="verse">Sein Geist findet keine Ruhe in der Erde.</div> - <div class="verse">Dessen Geist keinen Pfleger hat — sahst du (einen solchen)? — Ich sah (ihn) —</div> - <div class="verse">Im Topf Zurückgebliebenes, Bissen, die auf die Straße geworfen, ißt er.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Das entspricht völlig uns schon bekannten Ansichten. In dem furchtbaren -Fluch, den Hammurabi auf denjenigen herabbeschwört, der seine -Gesetze mißachten sollte, findet sich auch: „Unten in der Unterwelt -möge er (Samas, „der große Richter Himmels und der Erde“) seinen -Totengeist nach Wasser schmachten lassen!“ Vielleicht ist dieses -Wasser das Wasser des Lebens, das die Richter der Unterwelt, die -Anunnaki, in Verwahrung hielten (<a href="#Seite_197">S. 197</a>). Daß die Geister auch einen -Kult hatten, sieht man aus den vier letzten Versen des angeführten -Textes. Daß die Götter Fetische waren, möchte ich nicht behaupten, -trotz solcher Ausdrücke wie im zweiten Gesetz Hammurabis: „Er (der -bezichtigte Zauberer) soll zum Stromgott gehen und in den Stromgott -eintauchen.“ Lippert aber ist naturgemäß dieser Ansicht und erklärt -den Gestirndienst für Fetischdienst. Es spricht einstweilen dagegen -der Mangel von Seelengeistern. Die Sitten, mögen sie zum Teil noch so -sehr „afrikanisch“ sein, haben damit nichts zu schaffen. Was es aber -mit dem auf assyrisch-babylonischen Denkmälern so oft wiederkehrenden -heiligen Baum naturmenschlich für eine Bewandtnis hat, kann ich -nicht sagen. In den Mythen ist der Baum hinreichend bekannt und als -Weltgegenstand auf der ganzen Erde verbreitet. Als das möchte ich den -assyrisch-babylonischen nicht ansehen, wegen der Anbetungen und Opfer, -die ihm sogar von Göttern und Genien dargebracht werden. Doch sei auf -das schöne Buch des Pfarrers Alfred Jeremias „Das Alte Testament im -Lichte des alten Orients“ verwiesen.</p> - -<p>Sehen wir von dem eigentlichen Zoroastrismus der <span class="gesperrt">Eranier</span> ab, -der einer anderen Betrachtung angehört, so wissen wir nicht viel von -den sonstigen Anschauungen dieser Völker, um mehr behaupten zu können, -als daß Seelen- und Fetischglauben bei ihnen wahrscheinlich bekannt -und gehegt worden<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span> ist. Reste finden wir in den Zarathustrischen -Lehrwerken. Als der Urstier starb, heißt es im Bundehesh: „Gosurun, das -ist die Seele des einzigerschaffenen Stieres, ging aus dem Leibe des -Stieres hervor und stand vor dem Stiere. So stark wie tausend Menschen, -wenn sie zugleich ihr Geschrei erheben, klagte Gosurun dem Ahura.“ Die -Klage bezieht sich auf durch Ganamino (Ahriman) in die Welt gebrachte -Übel. Von Ahura auf die Zukunft verwiesen, klagt die Stierseele weiter -dem Sternenkreis, dem Mondkreis, dem Sonnenkreis. Nun zeigt ihm Ahura -den Frohar des Zarathustra. Dieser <span class="gesperrt">Frohar</span> ist aber allgemein die -Seele, die also präformiert besteht (von Ahura geschaffen, Kap. II) und -selbständig lebt. An einer anderen Stelle (Kap. VI) treten die „Frohars -der Krieger und Reinen“ beim Kampf Ahuras gegen Ahriman mit Keulen und -Lanzen in der Hand auf, also wie die Menschen selbst (<a href="#Seite_43">S. 43</a>). Und so -sind überhaupt anscheinend alle Frohars (Seelen) zuvor schon in Ahuras -Reich vorhanden, etwa wie Platons Ideen. Und selbst die Welt hat einen -solchen Frohar; lange bevor sie Welt wird, besteht sie schon im Himmel. -Und auch die höchsten Götter besitzen Frohars. Ahura sagt ausdrücklich -(Kap. XV): „Die Seele ist zuerst geschaffen und der Leib wurde hernach -für sie geschaffen, und sie wurde in den Leib gelegt“ (ähnlich Kap. -XVII). Die Seele wird auch das „Selbsttätige“ genannt.</p> - -<p>Weiter wissen wir von wunderbaren Vögeln; wie Karsapt, der dem -Urmenschen und Paradiesherrscher Yima die mazdaijaçnische Lehre -von Ahura überbrachte, von Varaghna der demselben Yima, da er die -Unwahrheit gesagt hatte, die drei Gnaden entnahm, von dem auch aus -Märchen bekannten Simorg und vielen anderen. Manche von ihnen kämpfen -gegen die bösen Nachtgebilde, wie, ganz naturgemäß, der Hahn. Auch -sind Dämonen, Geister, Gespenster usf. in unendlicher Zahl bekannt, -gute (Yazatas) und böse (Dêvs), menschlich und tierisch geformte, -wie der furchtbare Dahâka, dem Yima erliegt, und der teuflische -Vernichter Aesna daeva, den man mit dem Asmodeus verglichen hat. Die -Vorbedingungen für Seelen- und Fetischkult sind hiernach aller<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span>dings -gegeben. Gleichwohl kann ich nicht ersehen, daß ein solcher Kult in -der historischen Zeit stattgefunden hat. Zwei Stellen finde ich in -Windischmanns „Zoroastrische Studien“, die unmittelbar auf Berg- und -Baumkult sich beziehen, und beide betreffen das unsterblichmachende -Haoma: „Anrufen will ich den Berg Hukairya, den ganz reinen, -goldenen, von welchem herabfließt Ardviçura Anâhita, tausend -Männer hoch besitzt sie Majestät wie alle Wasser, die auf der Erde -hervorfließen.“ Die Ardviçura Anâhita ist das Lebenswasser, in ihm -wächst der (weiße) Haoma-Baum Gaskerena (<a href="#Seite_175">S. 175</a> f.). Und es heißt: -„Wir rufen Gaskerena, den starken, von Mazda geschaffenen, an.“ Selbst -dieses als Fetischismus anzusehen, möchte ich zaudern; es fehlt das -Charakteristische, da ja die Gegenstände nur vorgestellt sind, nicht -in Körperlichkeit angebetet werden. Außerdem sind es Lebensspender. -Auf das irdische Homa, das bei Opfern dienende gelbe Homa, bezieht -sich die Anbetung nicht. Lippert schreibt dem Fetischismus unter den -Eraniern eine viel größere Bedeutung zu und rechnet hierher auch -die Anbetung des Feuers. Der Zarathustrismus verleiht dem Feuer an -sich keine göttliche Bedeutung; die Erklärungen, die ich darüber im -Bundehesh aufgesucht habe (von den fünf und den drei Feuern) sind rein -physisch. Gleichwohl findet eine wirkliche Feuerverehrung bekanntlich -in so ausgedehntem Maße statt, daß sie vielfach als das Wesentliche der -„Religion der Magier“ angesehen wurde. Möglich, daß dabei auch an einen -Geist gedacht ist. Strabo erzählt, die Götter nähmen von den Opfern -nur die Seele, alles Körperliche werde von den Priestern und Opfernden -verzehrt. Aber dem Feuer wird Fett und Öl unmittelbar gespendet, -das eben das Feuer anfacht, wie wenn es einen von der Spende sich -ernährenden Geist enthielte. Auch dem Wasser wird geopfert, hier aber -nach Strabos Bericht in der Weise, daß alles <span class="gesperrt">neben</span> dem Wasser -geschieht, dieses selbst nichts erhält, damit es nicht verunreinigt -werde. Etwas Bestimmtes läßt sich für die historische Zeit nicht -behaupten; diese ist zu spät, in Anbetracht der langen Vergangenheit, -die das Volk schon vor seinem Eintritt in die<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span> Geschichte gehabt hat. -In dieser Vergangenheit aber wird es wohl viel Naturmenschliches -gedacht und gewirkt haben.</p> - -<p>Wir suchen das am besten bei den Indiern auf, deren Anschauungen sich -vielfach mit denen der Eranier decken, wie sie ja wahrscheinlich mit -diesen am längsten zusammengelebt haben. Seit den Auseinandersetzungen -Carus Sternes (Ernst Krause) neigt man von mehreren Seiten der -Ansicht zu, daß die Wiege der Arier in (Nord-)Europa gestanden hat, -die <span class="gesperrt">Indier</span> der am weitesten nach Osten verschlagene Stamm -sind, und demgemäß die urarischen Anschauungen nicht bei ihnen zu -suchen sind, sondern eher an ihrem westlichen Gegenpol. Es läßt sich -gegenwärtig nicht viel darüber sagen. Nur wäre es sehr merkwürdig, wenn -in der Heimat noch mehr als tausend Jahre tiefe Barbarei herrschte, -da bei den östlichst ausgewanderten Stämmen schon hohe eigene, -nicht etwa von Fremden angenommene, Kultur strahlte. Kein Volk hat -eine so merkwürdige Reihe von Religionsanschauungen entwickelt wie -die Indier. Alles ist in diesen Anschauungen vertreten, des Wilden -Ansichten, des Polytheisten, des Monotheisten und des höchstdenkenden, -völlig abstrakten Philosophen. Und das Übel ist, daß das meiste -nebeneinander hergeht, das Absurdeste mit dem Großartigsten sich nahe -verträgt. Gleichwohl müssen wir annehmen, daß das Naturmenschliche -an sich allem voraufgegangen ist und sich später neben dem Höheren -noch erhalten hat, mitunter auch in einer Kraft, daß es dieses -Höhere völlig überwallt. Als die Indier ihr jetziges Land von Iran -aus erwarben und in allmählichem Vordringen in Besitz nahmen, was -wohl vor mehr als viertausend Jahren geschah, fanden sie schon eine, -nichtarische, Bevölkerung vor, wir nennen sie Dravida, die noch -gegenwärtig wesentlich auf dem Standpunkte des Naturmenschen sich -befindet. L. <span class="gesperrt">Feuth</span> in seiner interessanten Sammlung „Aus dem -Lande der Nibelungen“ schreibt den Dravida weite Verbreitung, bis -nach Persien hin, und bedeutende Kultur zu. Ich vermag ihm aber in -seinen Argumenten nicht zu folgen. Fetisch- und Seelenglaube waren -vorherrschend, und böse und gute Geister erfüllten das All und wohn<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span>ten -in allen Gegenständen, namentlich in Tieren (Schlange), doch auch in -Bäumen, Pfählen, Steinen. Sollte die Seele eines Verstorbenen in einen -Gegenstand einziehen, so wurde dieser auf das Grab gesetzt und mit Öl -bestrichen. Das Priestertum war ein Schamanentum.</p> - -<p>Die Indier haben manches von diesen Anschauungen und Kulten angenommen, -wenn sie es nicht schon selbst mitgebracht haben sollten. Die Schlange -(Nâgaa) spielt bei ihnen eine große Rolle, sogar als Gewitter- und -Sturmerregerin. Krischna sieht seines Bruders Râma Seele „als Schlange -aus seinem Munde hervorgehen und in das Meer gleiten, wo sie von den -Schlangengöttern mit großen Ehren empfangen wurde“. Das entspricht -völlig dem, was auf <a href="#Seite_45">S. 45</a> gesagt ist. Und so wurde auch den Schlangen -ein erheblicher Kult gewidmet. Ein anderer Fetisch ist der „weiße -Elefant“, der mit dem Apis der Ägypter verglichen werden darf und -der als Regenmacher dient. Gubernatis hat über die Tiere in der -indogermanischen Mythologie ein umfangreiches Buch verfaßt, auf das -verwiesen werden muß. Die Deutungen auf Naturerscheinungen, wie Wolken, -Morgenröte, Blitz, Donner usf., lehnt Lippert ab. Für die Urzeit, wie -ich glaube, durchaus mit Recht; später haben die betreffenden Tiere in -der bilderreichen Sprache des Indiers allerdings zur Allegorisierung -der vergötterten Naturerscheinungen gedient. Auch die Ägypter nannten -trotz ihres Apis sehr viele Götter „Wildstier“. Und nicht selten ist -die allegorische Bedeutung völlig vergessen und tritt das Tier an -Stelle der Erscheinung, wie die Kuh für die Morgenröte, oder Kühe -für Wolken, das Roß in Vertretung Indras als Sonnen- und Wettergott -(auch Poseidon wandelt sich in ein Roß), wie ferner die Schlange -als Wolkenungetüm, das die Wasser zurückhält und von Indra mit dem -Donnerkeil erschlagen werden muß, bevor die Wasser befreit sind und -auf die Erde strömen können. Der weiße Elefant wird sogar gewürdigt, -sich in den Schoß der Prinzessin Maja zu begeben und von ihr als -Buddha geboren zu werden. Die Seelen bedürfen in der Unterwelt der -Nahrung. Sie empfangen sie aus den Opfern, den Geschenken, die sie im -Leben an die Priester der Unterwelts<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span>gottheit Yama gespendet haben. -Lippert erzählt, daß Fürsten Hunderte von Dörfern und ganze Länder an -Brahmanen vergeben hätten, um dadurch im Jenseits standesgemäß versorgt -zu sein. Überhaupt soll das „Gib, auf daß ich gebe“ ein Grundzug der -alten indischen Indrareligion sein; was dem entsprechen würde, was -von Naturmenschen zu erwarten ist (<a href="#Seite_39">S. 39</a> f.). Indessen konnten doch -arme Leute sich dadurch den Unterhalt im Jenseits sichern, daß sie -sich auf Erden besondere Entbehrungen und Kasteiungen auferlegten. -In dem als Bhagavad-Gîtâ (Gottheit-Lied) bezeichneten Zwiegespräch -des Epos Mahâbharâta, das man schon mit der Ilias verglichen hat, -das aber gedanklich so viel höher steht als diese, als sie im ganzen -künstlerisch von ihm übertroffen wird, will der Pandu-Held Ardschuna -nicht gegen seine Verwandten, die Kuruiden, kämpfen. Er sagt zur -Begründung (Übersetzung von R. Boxberger):</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Wie sollten wir, die Wissenden, nicht scheuen diese Freveltat,</div> - <div class="verse">Da auf Geschlechtesuntergang ein zahllos Heer von Übeln naht?</div> - <div class="verse">Stirbt ein Geschlecht, so höret alsbald auf der Manenopfer Pflicht,</div> - <div class="verse">Und ruhlos wird der ganze Stamm, wenn Ahnenkultus ihm gebricht ...</div> - <div class="verse">Dann gehen Stammesmörder samt dem ganzen Stamm zur Unterwelt,</div> - <div class="verse">Denn aus dem Himmel stürzt der Ahn, sobald das Manenopfer fehlt.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Der Ahn darf also nur so lange im Himmel bleiben, als er Opfer -empfängt, sobald dieses aufhört, muß er in die Unterwelt. Auch die -Gottheit Krischna (Wischnu), die eben mit Ardschuna das Zwiegespräch -hält und die so außerordentlich hohe Ideen vertritt, lehrt:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Zu Göttern geht, wer sie verehrt; zu Ahnen, wer diese ehret, ein;</div> - <div class="verse">Zu Larven, wer die Larven ehrt; zu mir, wer mich verehrt allein.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und er stellt auch fest, daß der Mensch nach dem Tode mit dem -vereint wird, woran er im Sterben denkt. Völlig wildenmäßig mutet -es an, wenn in dem Atharvaveda zu dem Toten gesagt wird: „Kehre -nicht zurück auf den Götterpfaden, dort bleibe, wache bei den -Vätern“, und namentlich, wenn den Toten die Fessel angelegt wird: -„Die Kudifessel, die man den Toten anlegt, die Hemmerin der Füße“ -(<a href="#Seite_42">S. 42</a>). Selbst der große Sanskritkenner Max Müller gibt das -Naturmenschliche in den An<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span>schauungen der Indier zu, aber doch nur in -den allerursprünglichsten. Indem er jedoch den Gang dieser Anschauungen -an einem Gott, an Agni, dem Feuergott, darlegt, sagt er: „Sie werden -sehen, daß wir im Veda diesen Gott des Feuers beobachten können lange -bevor er überhaupt ein Gott ist, und auf der anderen Seite werden wir -seine weitere Entwicklung bis dahin zu verfolgen imstande sein, wo er -nicht bloß ein Gott des Feuers, sondern ein höchster Gott, ein Gott -über allen anderen Göttern, Schöpfer und Lenker der Welt ist.“ Dann -erzählt er, wie Agni in den Veden oft menschlich und tierisch aufgefaßt -wird. Dêva wird er zunächst, rein physikalisch, der „Glänzende“, -genannt, bis dieser Name höhere und höhere Bedeutung gewinnt und -Gottheit überhaupt bezeichnet. Dabei bleibt das Bewußtsein von der -eigentlichen Natur des Agni: „Du, o Agni, wirst geboren, zu erstrahlen -wünschend, du wirst geboren aus den Himmeln, du aus den Wassern, du -aus dem Steine, du aus dem Holze, du aus den Kräutern, du, o König -der Menschen, der reine“, heißt es in einem Lied des Rigveda. Daraus -aber ergibt sich, daß für Max Müller Agni auch in der ursprünglichsten -Auffassung nicht ein Fetisch im Sinne des Naturmenschen ist. Aus -solchen Rigvedaversen an Agni, wie: „Du bist dem Menschen immer Vater -und Mutter“, „Agni halte ich für meinen Vater, ich halte ihn für meinen -Verwandten, meinen Bruder und meinen beständigen Freund“, könnte Agni -als Ahn in Anspruch genommen werden, aber dem stehen unzählige andere -Verse unmittelbar entgegen. Alles was von Agni gesagt wird, er lecke -mit Zungen, er esse mit scharfen Kinnbacken, er zerkaue und strecke -nieder die Wälder, er tue den Bäumen Gewalt an, er mache die Pflanzen -zu seiner Speise, er schere das Haar der Erde, er springe aus dem -Holz hervor usf., klingt theromorph und anthropomorph, kann aber kaum -anders denn als sehr prägnante dichterische Ausdrucksweise angesehen -werden (s. jedoch <a href="#Seite_33">S. 33</a> f.). Wenn es dann an einer anderen Stelle des -Rigveda heißt: „Agni, unser Priester, wird beim Opfer herumgeführt, -ein Roß seiend“, so könnte man freilich wie bei Swantewit an einen -Tierfetisch als Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span>treter Agnis denken. Max Müller lehnt es aber ab -und hält auch dieses für bildliche Ausdrucksweise, und nach allem, was -sonst der Rigveda von Agni sagt, wohl mit Recht. Agni ist freilich kein -ursprünglicher Gott, der Urgott der Indier scheint Indra zu sein, der -später von seiner Höhe herabsank, immerhin aber stets Bedeutung hatte, -während er bei den Eraniern sich nur noch als Geist findet. Der gleiche -Forscher führt als weiteres Beispiel die Stürme (Marut) an, von denen -auch im Rigveda ganz persönlich gesprochen wird. Sie schütteln Himmel -und Erde, gleich dem Saum eines Gewandes, sie erscheinen glänzend auf -ihren Wagen mit Speeren, Dolchen, Ringen, Äxten und Peitschen, die -sie in der Luft klatschen lassen, sie schießen Pfeile und schleudern -Steine, sie haben goldene Kopfbinden rings um den Kopf, sie werden auch -als Musikanten Sänger, Pfeifer und Tänzer, mitunter auch als Vögel und -als wilde Eber mit Hauern dargestellt. Man kann nicht irdischer und -dramatischer sprechen, und weniger fetischmäßig. Wie es sich mit dem -Soma als Gottheit, als Opfer und als berauschendes Getränk verhält, ist -nicht ganz klar, so wenig wie bei dem entsprechenden Haoma der Eranier. -Ursprünglich als höchst bedeutungsvoll, ja Unsterblichkeit verleihend, -dargestellt, gepriesen und empfohlen, wurde es später verpönt und -verboten, wahrscheinlich infolge zu großer Anwendung als berauschendes -Getränk. Einen Fetisch werden wir in der betreffenden Pflanze, die also -von Soma bewohnt gewesen sein sollte, kaum sehen können.</p> - -<p>Nach allem möchte ich glauben, daß zwar die Indier des Rigveda und der -folgenden Zeiten die Seele und ihr Leben naturmenschlich aufgefaßt -haben. Dafür spricht schon die angenommene Seelenwanderung, von der -später die Rede sein wird. Daß sie selbst Götter naturmenschlich als -mit menschlichen Bedürfnissen und Schwächen behaftet sich dachten. Daß -aber der Fetischglaube sich nur in vereinzelten Erscheinungen, die für -das Ganze bedeutungslos waren, geltend machte, selbst wo Tiere wie -Stier, Schlange, Elefant und der berühmte Affe Hanumann in Betracht<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> -kommen. Im einfachen Volk und bei Einzelnen wird natürlich, wie ja -auch bei den höchsten Kulturnationen, sehr viel Fetischismus vorhanden -gewesen sein. Aber die Religionsanschauungen der Indier nehmen eine so -merkwürdige Richtung, einerseits in das rein Abstrakte, andererseits -in das rein Ethisch-Anthropopathische, daß so niedrige Ansichten -wie die des Fetischismus nicht in ihnen als Wesentliches existiert -haben können, trotz aller heiligen Tiere und verehrten Erscheinungen. -Der Fetischismus stellt sich sonst überall mit einer gewissen -Selbstverständlichkeit dar — er ist ja dem Naturmenschen in der Tat -selbstverständlich —, die gegenständliche Ausdrucksweise der Indier -ist aber meist so dunkel und verstiegen, daß wir uns zu Allegorien -und Symbolen retten müssen, wenn wir nicht reinen Unsinn und absurdes -Geschwätz bei einem doch so tief veranlagten, so hoch denkenden und so -dichterisch empfindenden Volke annehmen wollen. Höchstens furchtbaren -Dämonenglauben und ins äußerste gegen sich und gegen die Mitmenschen -getriebene Konsequenz gewisser Götter- und Kultlehren müssen wir bei -einzelnen Sekten zugestehen, und Leichtgläubigkeit gegenüber von -Behauptungen anerkannter und nicht anerkannter Priester und Zauberer, -und endlich einen verblüffenden, spitzfindigen, kleinlichen, das ganze -Leben wie ein eisernes Gespinst durchziehenden Formalismus gegen die -höheren Mächte, von denen selbst der so freie Buddha das Volk nicht -hat lösen können. Solche Ausdrücke wie in dem Rigveda: „Indra hilft -dem, der reichlich schenkt und opfert; eine heilige Handlung hat keine -Wirkung, wenn die entsprechende Dakschina nicht gereicht wird“, und -„Indra wendet sich ab von Dürftigkeit und Hunger“, dazu Verwünschungen -von Werkfeindlichen und Nichtopfernden, sind freilich schlimm. Dieselbe -Ansicht findet sich sogar in der Bhagavad-Gîtâ. Krischna sagt daselbst:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Als einst der Herr die Welt erschuf, setzt’ er den Opferdienst auch ein,</div> - <div class="verse">Durch diesen pflanzt euch fort, er soll des Vaterfluches Ruh euch sein.</div> - <div class="verse">Durch ihn ernährt die Götter all, daß sie erhalten diese Welt;</div> - <div class="verse">Nur so gelanget ihr zum Heil, wenn eins das andere erhält.</div> -<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> - <div class="verse">Erwünschtes Gut gewähren sie, wer ihnen Opferdienst gewährt;</div> - <div class="verse">Ein Dieb ist, wer, den Göttern nichts entgeltend, ihr Geschenk verzehrt.</div> - <div class="verse">Wer von des Opfers Überrest sich nährt, wird frei von Sündenqual,</div> - <div class="verse">Doch ihr verfällt, der nur für sich bereitet hat das Festesmahl ...</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Dabei steht die Bhagavad-Gîtâ im bewußten Gegensatz zu den „heiligen -Schriften“, also wohl den Veden und ihren Opferkommentaren. Noch -schlimmer sind die Witwenverbrennungen und gar die tückischen -Menschenopfer an die Zerstörungsgöttin Kali. Auch zeigen sich -die bildlichen Darstellungen der Gottheiten meist aufs höchste -abenteuerlich-grotesk und nicht selten rein götzenhaft. Wir haben aber -bei den Indiern in Anschauung, Literatur und Kunst eine wunderliche -Mischung von Edelstem und Rohestem, Schönstem und Abstoßendstem, wie -kaum bei einem anderen Volke. Das erschwert die richtige Einschätzung -außerordentlich. Denn wer hört und liest, daß Götterbilder gebadet -werden sollen, daß Götterbilder mit Leben begabt und des Lebens beraubt -werden, wird gewiß geneigt sein, in diesen Götterbildern Fetische zu -sehen. Wer aber an die unglaublichen geistigen Leistungen des Volkes -denkt, wird jenes auf gleiche Stufe stellen mit dem entsprechenden bei -der Athene, bei unseren Marien- und Heiligenbildern und bei unseren -Kirchen, wo ebenfalls Weihung und Entweihung stattfindet, und es mit -dem Bedürfnis so vieler Menschen erklären: woran sie sich wenden, -gegenständlich vor sich zu haben, und dieses dann mit Verehrung zu -behandeln; und der Verehrung zu entkleiden, sobald es profanem Zwecke -übergeben wird oder übergeben werden muß.</p> - -<p>Man hat die ältere Indierreligion, die sich an die Namen Indra, -Rudra, Yama, Agni, Varuna, Mitra u. a. anschließt, als die -<span class="gesperrt">Vedareligion</span> bezeichnet, die jüngere, um die Trimurti: Brahma, -Wischnu, Çiva, mit den zugehörigen Frauengestalten, sich bewegende, -als <span class="gesperrt">Hindureligion</span>. Brahma gehört beiden Religionen. Für die -jüngere Linie gilt hinsichtlich unseres Themas nichts anderes als für -die ältere. Die Gottheiten sind nur konzentrierter und machtvoller -und darum — bis auf Brahma, von dem als von einem Abstraktum<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span> -nachher zu sprechen ist — um so furchtbarer; Çiva gehört zu den -grauenvollsten Schöpfungen der menschlichen Phantasie. Die dritte -und vierte, mit dem Hinduismus parallele Religionsanschauung: der -höhere <span class="gesperrt">Brahmaismus</span> und der <span class="gesperrt">Buddhismus</span> gehen schon über -eigentliche <span class="gesperrt">Religions</span>anschauungen hinaus und führen in die -philosophische Theosophie und das ethische Menschentum. Wir werden ihre -Hauptlehren aber gleichwohl noch, wenigstens teilweise, mit in diesem -Buche behandeln.</p> - -<p>Die <span class="gesperrt">Chinesen</span> machen uns die Arbeit leicht, ihre konfuzianischen -Anschauungen, die der Staatsreligion angehören, sind so völlig -auf Seelen- und Ahnenglaube begründet, wie kaum selbst bei einem -Naturvolke. Wie die ganze Welt durch das Zusammenwirken von Yang -(Wärme, Licht, Männlichkeit) und Yin (Kälte, Finsternis, Weiblichkeit) -entstanden ist, besteht auch die Seele aus zwei Teilen: einem guten -Teil, Schen, und einem bösen, Kwei. Nach dem Tode gibt jener Teil -die guten, dieser die bösen Geister. Der Tote bedarf der Wartung und -stetiger Gaben. Letztere werden ihm jetzt meist in Attrappen aus Papier -gereicht, das gilt namentlich von Geld, Menschen und Tieren. Im Hause -sind auf einem Tisch Seelentafeln aufgestellt, die Namen und Rang der -Ahnen enthalten, vor ihnen Opfer an Speisen und Trank. Seelentafeln -besitzen auch die Tempel und Altäre der Götter, Kaiser, Heiligen, -großen Männer und der Naturgegenstände (Flüsse, Berge, Sterne, Sonne, -Mond, Himmel usf.), welche verehrt werden. Es wird angenommen, daß -die Seelen sich zeitweilig in diese Tafeln (oder auch Bilder) begeben -und von den Opfern genießen. Selbst die höchstverehrten Gegenstände, -Himmel und Erde, werden als Seelen verehrt. Der Kaiser, „der Sohn des -Himmels“, ist die Seele des Himmels auf Erden. So durchdringt der -Seelenglaube und Seelenkult die ganze Staats- und Volksreligion, und -wie das Volk allen möglichen Seelen opfert, so geschieht es auch vom -Staat, vom Kaiser und den Mandarinen an bestimmten Tagen, einzeln -und kollektiv. Seelen, welche sich bewähren, indem sie die Wünsche -erfüllen, erhalten die ausschweifendste Verehrung; ihnen werden<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> -Kapellen und Tempel errichtet, das Volk strömt in Massen mit Geschenken -aller Art herbei. Bleibt die Erfüllung der Wünsche aus, so geraten die -Seelen in Verruf und werden verlassen. Priester und Priesterinnen sind -imstande Seelen in sich aufzunehmen und von Ort zu Ort zur Anbetung -zu transportieren, sie sind lebende und wandelnde Fetische. Indessen -scheint es, als ob gegen das Verfahren des Wilden der umgekehrte Weg -eingeschlagen ist. Dieser entnimmt die Seele dem Menschen oder Tiere -und versetzt sie in die Gegenstände. Die Chinesen dagegen glauben, daß -die Seele der Lebewesen aus der Seele von Gegenständen, nämlich aus -der des Himmels (als Schen) und der der Erde (als Kwei) stammt. So -werden auch folgerichtig Krankheiten daraus abgeleitet, daß Schen den -Körper ganz oder zum Teil verläßt, und besteht die Kunst des Arztes -nicht darin, einen bösen Geist aus dem Körper zu bannen, sondern den -guten in den Körper zurückzuführen. Es ist also nicht richtig, wenn -die Anschauungen der Chinesen denen der Naturvölker gleichgesetzt -werden, vielmehr gehören sie eigentlich dem Pandeismus statt dem -Pananimismus, an, und zwar einem dualistischen. Das Naturmenschliche -tritt in der Verselbständigung der Seelen hervor und in den materiellen -Eigenschaften, die den Seelen zugeschrieben werden. Deshalb freilich -unterscheiden sich selbst die höchsten Seelen, die von Himmel (Tien) -und Erde (Ki) und die der Kaiser nur graduell von den naturmenschlichen -Seelen, und können allerdings sie und alle beseelt gedachten -Gegenstände als Fetische bezeichnet werden. Die ganze Natur besteht aus -solchen Fetischen. Der Gang der Natur, das Tao, das durch den Planeten -Jupiter (Tai-sui) geregelt wird, bestimmt den Gang des Menschen; der -Mensch hat sich genau diesem Gang anzuschließen, und wo er ihn nicht -ohne weiteres erkennt, durch Orakel ihn zu ermitteln. Kombinationen -ganzer und gebrochener Linien, die schon von dem 2300 v. Chr. gelebt -haben sollendem Fohi herrühren, und denen, indem sie für Gottheiten, -wie Himmel, Erde, Gewässer, Berge, Wind, Donner usf. stehen, dieser -Gottheiten Seele innewohnt, dienen dazu; und die Enträtselung -geschieht<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> durch Priester. Die hierher zu rechnenden Lehren, die das -ganze Leben und alle Handlungen des Chinesen, vom Niedrigsten zum -Höchsten, regeln, hat Konfuzius im Yih-King gesammelt. Es war dem -Menschen die Möglichkeit geboten, ganz in die Natur aufzugehen, ein -Tschen-sjen zu werden und so mit der Welt einig zu leben. Indessen -bestand ein Mittel, zum Ziele zu gelangen, doch auch darin, möglichst -viele Schen in sich zu vereinigen; und das geschah ganz naturmenschlich -durch Verschlucken von möglichst vielen Gegenständen, die man beseelt -glaubte. Eine ganz andere Auffassung des Taoismus behandeln wir später -(<a href="#Seite_143">S. 143</a>, <a href="#Seite_220">220</a>).</p> - -<p>Der <span class="gesperrt">Buddhismus</span>, der als Foismus in China so weite Verbreitung -gefunden hat, mußte sich solchen Volksansichten fügen und hat sich -dem Seelenkultus angeschlossen, freilich auf eine ihm eigene, mehr -geistige Weise, indem der Kultus durch Vorlesen seiner heiligen Bücher -und Anrufen von Buddhas Namen geschieht. Doch kommt zur Abwendung -von Unheil auch das Hersagen von Zaubersprüchen und das Opfern von -Gegenständen in Frage, was ganz den Sinn der Geisterversöhnung hat. -Gleiche Mittel dienen bei den Seelenmessen, die Seelen zu befreien, -sie in den Zustand der buddhistischen Seligkeit zu versetzen. Wie -aber hier die indische Tüftelei hineinspielt, zeigt sich an der -Bedeutung des Gedankens. Es genügt oft schon, wenn ein Heiliger sich -ganz in Wünsche für den Toten versenkt, um diesem die Seligkeit zu -verschaffen. Wie auch in gleicher Weise ein Mensch sich selbst in -den Heiligenzustand aller Grade versetzen kann, bis zum höchsten -des Buddha, wenn er den Ordnungen des Hinayana und des Mahayana, -die bekanntlich auch so vieles Edle und Ideale in sich vereinigen, -nachstrebt. Der Buddhismus hat in Tibet und einem Teil der Mongolei -als <span class="gesperrt">Lamaismus</span> eine beherrschende Machtstellung gewonnen. Aber -das Volk ist dabei leer ausgegangen. Es hat früher einem vollständigen -Seelen- und Fetischglauben gehuldigt, war ganz dem <span class="gesperrt">Schamanentum</span> -ergeben, und jetzt sind Menschen seine Götter, die Lama, welche als -inkarnierte buddhistische Intelligenzen angesehen werden; die beiden<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span> -Höchstgestellten, der Dalai Lama und der Tasi Lama, als inkarnierte -Boddhisattwen (historisch und geistig), die Unzahl der anderen als -inkarnierte buddhistische Heilige vergangener Zeiten. Die Inkarnationen -sind eine indische Erfindung; Wischnu zählt deren, Awatare, eine -erhebliche Zahl. Der verkommene Buddhismus hat sich ihrer bemächtigt, -um Menschenfetische aus einem der größten und edelsten Männer aller -Länder und Zeiten zu schaffen. Neben den hohen Lehren des Meisters, die -sich ja nicht verlieren können, wuchert greulichster Aberglaube und -einfältigster Heiligenkult.</p> - -<p>Von den Anschauungen der <span class="gesperrt">Japaner</span> habe ich schon bei anderer -Gelegenheit gesprochen. Ihre primitive Religion aber, mit einigen -Änderungen jetzige Staatsreligion, ist der <span class="gesperrt">Shintoismus</span> -(chinesisch: Pfad der Götter, japanisch: Kami no Michi). Beseelung -alles möglichen spielt wie in China eine Hauptrolle. Dazu die -Vergöttlichung und der Kult von Herrschern und anderen Menschen -(für Kriegskunst, Schreibkunst, Sittenlehre usf.) und die Verehrung -von Tieren, wie Fuchs, Hirsch, Schildkröte Schlange, wesentlich -wegen ihrer schädlichen Eigenschaften, sowie von gewissen Bäumen -(Sakaki und Hinoki). Die Sanktuarien der Shintotempel enthalten als -„Stellvertreter des erlauchten Geistes“, Mitamaschiro (auch Shintai), -irgendeinen Gegenstand, einen Metallspiegel (in einem Spiegel hat -die Sonnengottheit Amaterasu ihr Antlitz bewundert), ein Schwert u. -a., die in Beutel oder Truhen verschlossen sind und als Fetische -angesprochen werden könnten. Ähnliche Götterembleme in Schreinen haben -auch die einzelnen Familien in ihrer Behausung auf einem „Göttersims“, -neben Krügen oder Flaschen mit Maiswein und Vasen mit Zweigen der -heiligen Bäume oder mit Blumen. Auch Familienahnendienst besteht in -ausgedehntem Maße, und mitunter ebenfalls im Hause selbst, wo auf dem -„Sims der erlauchten Seelen“ Seelentäfelchen stehen. Die Toten bekommen -Gebrauchsgegenstände mit. Weiter an naturmenschliche Anschauungen -erinnert die Furcht des Shintoisten, sich rituell zu verunreinigen. -Blut, Tod und Geburt verunreinigen am meisten und nachhaltigsten, und -wie der Neger die gebärende<span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span> Frau absperrt, tut es auch der Shintoist. -Auch Atem verunreinigt. Kein Verunreinigter darf einen Tempel besuchen. -Und die Priester mußten mit vorgehaltenen Masken opfern, ganz wie Saxo -Grammaticus von den Priestern des Swantewit erzählt, die im Tempel des -Gottes nicht atmen durften, sondern zum Atmen jedesmal hinausgehen -mußten. Lippert meint, da im Atem die Seele sei, solle eine Beleidigung -der Gottheit, durch aufdringliche Vermischung der Menschenseele mit -ihrer Seele, verhindert werden. Bei allem ist die vielfach sehr schöne -Mythologie bemerkenswert, die sich auf Naturgottheiten bezieht. -Der Shintoismus hat sich später mit dem Buddhismus vereinigt; die -Gottheiten, Kami, wurden mit den Buddhas, <span class="gesperrt">Hotoke</span>, gleichgesetzt, -sie sollen die Satzungen Buddhas bewahrt haben. Karl Florenz („Die -Religionen der Japaner“, in dem B. G. Teubnerschen Sammelbuche „Die -Orientalischen Religionen“), dem ich in obigem zum Teil gefolgt bin, -sagt: „Die Shintogottheiten werden angerufen in Verbindung mit allem -Günstigen, Freudigen, Glückverheißenden; Buddha aber in Verbindung mit -den Kümmernissen des Lebens und beim Tode“. Das letztere entspricht ja -völlig dem Charakter der Buddhalehre, wie das erstere dem Charakter -des Shinto (eigentlich des Volkes) angemessen sein wird. Der reine -Buddhismus soll in Japan eine höhere Stufe einnehmen als in China oder -Tibet und sich mehr den Lehren des Meisters anschließen. Gleichwohl -wird das Pantheon des japanischen Buddhismus als das riesenhafteste -der Welt bezeichnet, wie Japan als das tempelreichste. Doch gehört die -weitere Schilderung nicht mehr hierher.</p> - -<div class="figleft"> - <a id="illus-138" name="illus-138"> - <img src="images/illus-138.jpg" - alt="Mexikanisches Götterbild" /></a> -</div> - -<p>Indem wir nun noch ganz über den Stillen Ozean wandern, gelangen wir zu -den <span class="gesperrt">amerikanischen Kulturvölkern</span>. In Amerika überhaupt scheint -der Sonnenkult besonders verbreitet zu sein; seine größte Ausbildung -hat er jedoch eben unter den Kulturvölkern dieses Erdteils erfahren. -Bei den <span class="gesperrt">Mexikanern</span>, wo der Sonnengott zugleich Kriegsgott -(Huitzilopochtli) war, nahm dieser Kult die grauseste Form durch die -Massenmenschenopfer an, die mit Kannibalismus verbunden waren. Blut -mußten die Menschen den Gottheiten bei jeder Ge<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span>legenheit als Gabe -bringen; war es nicht das eines Opfers, so war es das eigene Blut -durch Schlitze in der Brust, den Ohren, der Zunge, den Lippen. Im -Blut wohnt die Seele, wie wir wissen. Die <span class="gesperrt">Mayavölker</span> übten -ähnliche Gebräuche, wenn auch nicht entfernt in der rücksichtslosen -Furchtbarkeit wie die Mexikaner. Und bei den <span class="gesperrt">Peruanern</span> hat -der Sonnenkult schon einen bedeutenden Adel erreicht, der nur selten -von Menschenopfern unterbrochen wurde. Die Inka waren Sonnensöhne -und vertraten die Sonnengottheit auf Erden. Vertreter der Gottheit -waren auch die Herrscher Mexikos; sie legten einen Eid ab, bewirken -zu wollen, „daß die Sonne ihren Lauf gehe, daß die Wolken regnen, -die Flüsse fließen und die Früchte reifen.“ Wir kennen ähnliche -Verpflichtungen der Herrscher auch bei anderen Völkern, und ein König -der Norweger hat sich selbst zum Opfer bringen müssen, als es unter -seiner Herrschaft nicht gelang, die Götter dem Volke günstig zu stimmen -und eine Hungersnot abzuwenden. In Mexiko wie in Peru erhielten die -Herrscher schon bei Lebzeiten Gottesdienst und Opfer, die nach ihrem -Tode fortgesetzt wurden. Menschliche Schutzgeister fanden sich überall. -Zum Teil waren es die Geopferten selbst, die man dann schon bei -Lebzeiten vor ihrer Opferung mit göttlichen Ehren behandelte und mit -allen Gaben beschenkte, um sie sich günstig zu stimmen. Andere Geister -gewann man durch Vermauern oder Vergraben von Menschen, namentlich von -Kindern. Sonnensäulen und Huacas — ein Wort, das auch Geister bedeuten -soll — sind Mäler solcher Schutzgeister, oder auch Steine, die sich -an den Orten befinden. Viel verbreitet in Mexiko war auch die Sitte, -Götter selbst zu essen. „Am dritten Jahresfeste des Huitzilopochtli -verfertigen die Priester ein Bild des Gottes, zusammengebacken aus -allerlei Sämereien mit dem Blute der geopferten Kinder. Nach diesem -Bilde schoß ein Priester einen Pfeil und durchschoß den Gott. Dann nahm -ein Priester an ihm die Handlungen vor wie an einem Menschenopfer. -Er öffnete die Brust, brachte ein Herz hervor und reichte es dem -Könige, der es aß. Den Leib des Bildes aber verteilte er so an die -Quartiere der Stadt, daß jeder Einwohner<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span> ein Teilchen davon erhalten -konnte. Dieses nannte man Teocualo, der Gott, den man ißt.“ So erzählt -Lippert. Die Handlung läßt verschiedene Deutung zu; die einfachste und -naheliegendste scheint mir doch die zu sein, daß das Bild den Gott -darstellte und jeder, aus einer Opferhandlung an ihm, einen Teil von -ihm in sich aufnehmen wollte. Nach dem Genannten wären die Tempel hier, -in Peru, und übrigens auch anderweitig, lediglich Begräbnisstätten für -einen vergötterten Ahnen. Zu all diesem Naturmenschlichen kommen nun -noch die Tierfetische, die Totems. In Mexiko gelten als solche Kolibri, -Reiher, Adler, Schlange, Bär usf. Und die Götterbilder erhielten sie -als Symbole, wie aus nebenstehender Darstellung einer Gottheit zu -ersehen ist. Im Haupttempel wurde sogar eine lebende Klapperschlange -gehalten und verehrt. In Peru kommt der Kondor hinzu. Wir besitzen -durch John L. Stephens (Reisen in Zentralamerika, Reisen in Yucatan) -eine große Zahl von Darstellungen mittelamerikanischer Gottheiten und -Kulthandlungen. Auf dem seltsamen Kreuz zwischen den beiden anbetenden -Figuren im Tempel zu Palenque steht ein Hahn oder ein Reiher, die Arme -des Kreuzes enden wohl in stilisierten Schlangen. Tiere, Alligatoren, -Vögel, Affen, kommen auf den Bildwerken Mittelamerikas oft vor, nicht -selten auch Menschen mit eigenartigen Tierköpfen.</p> - -<p>Ich schließe damit die wohl etwas ermüdende Aufzählung. Das -Naturmenschliche ist für eine Betrachtung der Welt- und -Lebenanschauungen von außerordentlicher Bedeutung, weil<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> es das -Allgemeinmenschliche darstellt. Es verleugnet sich zu keiner Zeit und -bei keinem Volke, selbst nicht bei uns, von denen nicht besonders -gesprochen zu werden brauchte. Und wo es nicht offen zutage tritt, -weil mehr Erfahrungen und bessere Einsichten zu anderen Anschauungen -geführt haben, da wirkt es versteckt durchaus noch mit und lenkt -die Ansichten weit mehr, als stolze Kultur zugestehen mag. Es ist -materiell verfeinert und ethisch gehoben worden, aber im Wesen findet -es sich nicht sehr verändert. Und eigentlich sind es nur der absolute -Materialismus und absolute Energismus, die aber, wie sich später zeigen -wird, zu absolutem Zwangssystem führen, sowie der Spinozismus, die das -Naturmenschliche äußerlich ganz abgestreift haben. Demnach werden wir -auch in der Folge noch oft an die bisherigen Darlegungen zu erinnern -haben.</p> - -<div class="section"> - -<h4>17. <span class="gesperrt">Polytheistische, henotheistische und -antagonistische Anschauungen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die Gesamtheit der Gottheiten des <span class="gesperrt">Polytheismus</span> können -wir einteilen in: irdische Geister- und Gegenstandsgottheiten, -Vergötterungen, Naturerscheinungen, Herrsch- und Schaffensgottheiten, -Schicksals- und ethische Gottheiten, Prinzipiengottheiten. Die -beiden ersten Gottheitenarten sind unmittelbar naturmenschlich, sie -gehören dem Animismus und dem Seelen-Ahnenglauben an. Sie liefern -das unübersehbare Heer der Genien, Geister, Feen, Nymphen aller Art, -Dämonen, Hexen usf., wovon schon die Rede gewesen ist. Auch die -Naturerscheinungen als persönliche Gottheiten aufgefaßt, enthalten -sehr viel Naturmenschliches. Ist das Feuer, das Wetter, der Sturm, -die Sonne, der Mond, ein Stern, der Himmel, die Erde eine Gottheit, -so muß eine Beseelung angenommen sein, die mit der betreffenden -Erscheinung so verbunden ist wie bei den Lebewesen. Daraus folgt -natürlich nicht, daß diese Beseelung aus den Lebewesen herstammen muß, -sie kann selbständig gesetzt sein und mit besonderen Eigenheiten; -wie auch eine Pflanze anders beseelt ist, denn ein<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span> Tier, und dieses -anders, denn ein Mensch. Soll also auch nicht bestritten werden, -daß in gewissen Fällen die Naturgottheiten in der Tat aus Fetischen -abgeschiedener Seelen hervorgegangen sind, die sich die betreffenden -Erscheinungen zum Sitze erwählt haben, so glaube ich doch nicht, daß -dieses in allen Fällen geschehen ist. Weder Zeus als Himmel noch Helios -als Sonne, noch Wuotan als Wetter, noch Rā, Indra, Mitra, Ahura-Mazda -und so viele andere enthalten einen Hinweis auf rein Seelenhaftes. -Wenn Seelen ihren Wohnsitz in Sonne, Wetter, Feuer usf. aufschlagen, -so geschieht das in den hervorgehobenen Fällen immer, nachdem die -Gottheit von der Erscheinung schon geschieden, Zeus schon der Gott des -Himmels, Helios der der Sonne usf. geworden ist. Man muß auch beachten, -wie in diesen Fällen so ganz anders von den Seelen gesprochen wird -als von den Göttern. Homer ist für die Griechen Kronzeuge, da er in -bezug auf die Seelen ganz naturmenschlich denkt, seine Götter aber -absolut nichts Schattenhaftes, wie doch die Seelen bei ihm, an sich -haben. Die Vergöttlichung der Naturerscheinungen ist eine Folge des -Animismus überhaupt, nicht erst der Verselbständigung der Seele und -ihrer Lokalisierung in der Welt. Auf dieser Stufe des Polytheismus -gehören die Weltanschauungen einem monistischen Animismus an, der nur -in der Weise einer Entwicklung fähig ist, daß die Beseelungen, besser -die beseelten Dinge, mehr und mehr voneinander nach ihrer Bedeutung -geschieden und geordnet werden, bis Wetter, Himmel, Sonne, Gestirne -usf. höher bewertet sind als selbst der Mensch. Aber die Welt ist -einheitlich aus, nach Art der lebenden Menschen, bestehenden Dingen -zusammengesetzt, und sie war von je so und bleibt so. Ein Polytheismus -ist nur darin zu sehen, daß eben die höher erachteten, das heißt -die mächtigeren, Dinge aus egoistischen Gründen verehrt werden, wie -Menschen auch, die man fürchtet und sich geneigt machen will.</p> - -<p>Wie man lernte, die Gottheiten aus den Dingen herauszunehmen und sie -als <span class="gesperrt">Herrscher über diese Dinge</span> zu setzen, ist schwer zu sagen. -Die Erkenntnis und die Verselbständigung der Seele kann wohl nicht -herangezogen werden, weil mit ihrer<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span> Entnahme die Ertötung der Dinge -selbst notwendig verbunden war; beim Himmel und seinen Objekten, der -Erde, dem Meere usf., aber davon keine Rede sein konnte. Zwar darf man -von einem Sterben und Aufleben bei wechselnden Erscheinungen sprechen, -wie bei Wettern, Sonnenunter- und -aufgängen u. ä., und das hat man -ja auch überall getan. Aber das ist noch durchaus verschieden von der -Beherrschung durch freie Gottheiten, die das wechselnde Verhalten der -Dinge nach Belieben leiten. Auf dem rein animistischen Standpunkt -glauben wirklich viele Völker, daß jeder Tag eine neue Sonne hat, die -am Morgen geboren wird und am Abend stirbt. Ja, manche leiten daraus -das Sterben der Lebewesen überhaupt ab. Ich habe die polynesische Sage -von Maui, dem Sonnenheros, und seinem Tode in der Finsternisgöttin -erzählt (<a href="#Seite_65">S. 65</a>); sein Tod brachte, erklären die Neuseeländer, das -Sterben in die Welt, vorher hat alles unbegrenzt gelebt. Und Osiris, -ursprünglich ein Sonnengott, ist nach seinem Tode ein Totengott -geworden. Im siebzehnten Kapitel des Totenbuches heißt es: „Ich bin -der gestrige Tag, ich kenne auch den morgenden Tag. Das ist Osiris. -Was ist das? Der gestrige Tag ist Osiris, der morgende Tag ist der -Lichtgott Rā.“ Hier zeigt sich’s ganz deutlich, daß wir es nicht mit -von der Erscheinung getrennten Gottheiten zu tun haben; die gestrige -Sonne ist Osiris, die heutige Rā. Aber ein Volk wie die Ägypter ist -dabei nicht stehen geblieben, und wo es dem Rā oder Osiris die höchsten -Eigenschaften zuschreibt, wozu auch ewige Dauer gehört, da hat es -ihn von der Erscheinung schon abgelöst. Die Römer hatten etwas, das -die Scheidung der Gottheiten von den Erscheinungen hätte vorbereiten -können, die genii, die ja außer den Dingen stehen und diese leiten. -Allein, sie schieben selbst den Gottheiten Genien zu; Jupiter hatte -seinen genius wie Mars, Minerva, die anderen Götter alle, und wie -Menschen und Tiere usf. Die genii standen also selbst den Göttern noch -übergeordnet, die den Erscheinungen übergeordnet standen; wenn auch die -genii untrennbar von den Göttern waren, daß man sie vielleicht auch als -ihnen beigeordnet bezeichnen könnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span></p> - -<p>Man wird hiernach wohl nicht umhin können, anzunehmen, daß von den -Erscheinungen getrennte Gottheiten durch ein Gefühl von Höherem als -die Erscheinungen sich allmählich aufgedrängt haben. Dieses Gefühl -wird erst sehr dunkel gewesen sein, sich aber bei einem Volke im -Laufe der Jahrhunderte zu immer größerer Klarheit herausgearbeitet -haben. Wie sehr Völker zu kämpfen hatten und haben, um sich dieses -Gefühls stets bewußt zu sein, sehen wir ja daran, daß immer und immer -wieder die Gottheit mit der Erscheinung verwechselt, trotz schon -erreichter höherer Auffassung, in die rein animistische Auffassung -zurückgefallen wird. In demselben Kapitel des Totenbuches, dem obiges -Zitat entnommen ist, heißt es: „Ich bin der Urgedanke dessen, was da -ist und was da sein wird. Was ist es? Das ist Osiris.“ Also dieser -höchste Gedanke betrifft den gleichen Gott, der nur der gestrige Tag -sein sollte. Ähnliches gilt von Helios, Marduk, Jupiter, Zeus und von -anderen Gottheiten. Wenn es wahr ist, daß die Namen der Gottheiten -Appellative sind (was freilich gegenwärtig nur für einige zugestanden -wird), nur daß wir so viele noch nicht zu übersetzen vermögen, wie -Istar, Aphrodite u. a., so ist eine derartige zweiseitige Auffassung -ganz verständlich, die Namen entsprechen den mit den Erscheinungen -identifizierten Gottheiten, zum Beispiel Dyaus (Zeus, Jovis), „was -glänzt“, „das Strahlende“. Sie blieben den Gottheiten auch, als diese -von den Erscheinungen getrennt wurden; und nun waren sie zugleich nur -Namen, wie von Personen, und Erscheinungsbezeichnungen, sodaß die -Gottheit bald ein Individuum, bald eine Erscheinung bedeutete. Lippert -geht von der Ansicht aus, daß ursprünglich dem Seelen-Ahnenglauben -entsprechend die Namen der Gottheiten Herr, Herrin, Mann, Frau, Geist -besagen sollten. Zweifellos läßt sich das bei einigen Namen nachweisen. -Zeus als Ὑπατος ist höchster Herr, Schang-ti der Chinesen für Himmel -ist das gleiche, Freia ist die Frau, Mannus der Mann usf. Aber andere -sind ebenso sicher nicht auf solche Bedeutungen zurückführbar. Dyaus, -Dev, Div als Glanz, nach Max Müller, ist schon erwähnt. Hier freilich -macht Lippert eine sehr treffende Bemerkung. Bei den<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> Eraniern sind -die Dev gerade das Entgegengesetzte wie bei den ihnen so nahestehenden -Indiern, nämlich böse Geister statt gute. Es wäre nicht denkbar, -daß man die bösen Geister auch als glänzende bezeichnet hätte. Es -müsse darum Dev ursprünglich eine beiden Völkern gemeinsame neutrale -Bedeutung besitzen. Und diese findet er nach Worten in slawischen -Sprachen in der Tat nahestehend den Bezeichnungen seiner Annahme. Die -Etymologien sind vielfach recht unsicher, er kann in diesem Falle wohl -recht haben. Amun heißt aber der Verborgene oder Gerufene, Brahma der -Sprechende, Agni der Flackernde, Apollon der Abwehrende, Helios der -Brennende, Artemis die Schlachtende (als Todesgöttin), Wuotan der -Wütende (der Stürmende) usf. Auch wären solche Namen wie Dyauspitar -(Jupiter), Demeter unnötige Pleonasmen, wenn der erste Teil nichts -anderes besagte als der zweite. Zu beachten ist endlich, daß umgekehrt -selbst Personennamen in Würdebezeichnungen übergegangen sind, wie Cäsar -in den Kaiser. Die Ansicht Lipperts wird sich also wohl kaum allgemein -aufrecht erhalten lassen. Wo sie aber bei höchsten Auffassungen -zutrifft, handelt es sich oft lediglich um Anerkennung der höchsten -Herrschaft, wie bei unserem der HERR, nicht um Ahnenglauben.</p> - -<p>Wenn die Gottheiten von den Erscheinungen getrennt sind und nun -diese beherrschen, so verursachen sie sie auch, wie Poseidon oder -Wuotan den Sturm, Zeus oder Indra den Donner und Blitz, Osiris -die Nilüberschwemmungen. Sie treten also nicht bloß als Leiter -und Herrscher auf, sondern auch als <span class="gesperrt">Hervorbringer</span>, und -wenn die letztere Eigenschaft ausgedehnt wird, können sie auch zu -<span class="gesperrt">Schöpfern</span> werden. Indessen hängt es wohl mit der ursprünglichen -Anschauung von den Gottheiten als den Erscheinungen selbst zusammen, -daß in vielen Fällen sie tatsächlich nicht als Schöpfer dieser -Erscheinungen gelten. Im Gegenteil finden wir vielfach Kosmogonie -mit der Theogonie verbunden; Erscheinung und die zugehörige Gottheit -erstehen zugleich, oder sie sind zugleich vorhanden. Allenfalls -werden Menschen, Lebewesen überhaupt, von einer Gottheit geschaffen. -Und selbst dabei ist oft Unsicherheit und Zweideutigkeit vorhanden, -indem<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span> neben diesen Schöpfungen auch spontane Entstehung angenommen -wird, oder einfacher, Abstammung von Gottheiten auf natürlichem Wege. -Es ist fast trivial, auf <span class="gesperrt">Hesiodos’</span> Theogonie zu verweisen. -Chaos, Ge, Tartaros, Eros werden, und nun entwickelt sich die ganze -Götterreihe, wobei die Erscheinungen als ihnen selbstverständlich -zugehörig und mit ihnen hervorgehend angesehen sind. Uranos entsteht -mit dem Himmel, Helios mit der Sonne, Pontos mit dem Meer usf. Ähnlich -liegen die Verhältnisse bei den <span class="gesperrt">Ägyptern</span>. Nun = Thot (Urwasser -= Urgeist) sind vorhanden, es entwickelt sich die kosmogonische -Götter-Vierpaarheit; wodurch die Grundlage zu allen Erscheinungen -gewonnen ist. Aus einem Ei, das das Paar He-Hehet aus dem Urwasser -heraufholt, ersteht Rā und mit ihm sogleich das Licht, die Sonne. Rā -aber differenziert sich in neue Gottheiten, welche Naturerscheinungen -darstellen. Unter den verschiedenen <span class="gesperrt">indischen</span> Kosmogonien -entspricht die wichtigste, mit den Grundelementen Tad (Das), Tapas -(Inbrünstige Betrachtung), aus denen Kama (Wille), Ritam (Weltordnung, -Kausalität), Satyam (Wahrheit, Folge) und der Wechsel von Tag und -Nacht, Sonne, Mond, Gestirne usf. hervorgehen, gleichfalls diesem -Prinzip. Noch mehr hierher gehört vielleicht die Kosmogonie, die mit -Brahmanaspati (Herr des Gebets oder Opfers) als Urprinzip beginnt. -Âditi und Dakhsha sind seine Folgen, das, woraus entsteht, und das, -was entstehen lassen kann. Daraus die Âdityas, zu denen Varuna gehört. -Dieser nun ist der eigentliche Weltschöpfer: er schafft alle Wesen, -erhält Himmel und Erde, er setzt die Sonne an den Himmel. Die Sonne -(Sûrya) wird jedoch auch wie Rā in einem Weltei aus dem Urmeere -emporgehoben. Nach einem Rigvedahymnus stellt Varuna einen Baum „in das -Bodenlose“ auf, der wohl ein <span class="gesperrt">Weltbaum</span> sein soll, wie die Esche -Yggdrasil der Germanen. W. Schwartz hat ein Buch, „Indogermanischer -Volksglaube“, geschrieben, in dem er den Weltbaum als Licht- oder -Sonnenbaum erklärt und als kosmogonisches Prinzip in Anspruch nimmt. -„Das aufsteigende Licht erschien .... als Lichtsäule oder unter dem -Reflex eines<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span> Baumes als Stamm; die in den Wolken sich verästelnden -Sonnenstrahlen als Äste und Zweige, die Wolken als Blätter.“ Nach ihm -und anderen wären Sonne, Mond, Gestirne Früchte dieses Himmelsbaumes. -Ich kann diesem und was noch weiter von fast allen Erscheinungen -als mit dem Weltbaum zusammenhängend gesagt wird, nicht folgen, so -interessant die Ausführungen im einzelnen sind. Der Weltbaum ist, -glaube ich, lediglich als Stütze der Welten gedacht, oder als Träger, -da ja für den wissenschaftlich nicht geschulten Geist eine Stütze -durchaus nötig ist, so daß eine solche fast auf der ganzen Welt als -Baum, Berg, Säule, Tier, Mensch usf. angenommen wird. Varunas Baum wird -nichts anderes sein, wie auch Zeus’ Baum, auf den er die Welt gleich -einem Gewand gehängt hat. Bei den <span class="gesperrt">Japanern</span> entstehen wenigstens -die Sonnen-, Mond- und Sturmgottheiten (Amaterasu, Tsonkiyoumi, -Sousano) zugleich mit Sonne, Mond, Gewitter aus dem rechten und dem -linken Auge und aus dem Atem des Götterpaares Isanami und Isanaghi.</p> - -<p>In anderen Fällen sind die Gottheiten vorhanden, und besondere von -ihnen bauen die Welt, wenn nicht einer von ihnen alles bildet. Dann -werden die Erscheinungen unter die Gottheiten verteilt. Schon die -<span class="gesperrt">Ägypter</span> kennen einen allgemeinen Weltschöpfer, der bald Amun, -bald Osiris, Rā, Ptah, Atum oder Tum genannt wird. So heißt es in -dem siebzehnten Kapitel des Totenbuches: „Ich, der Gott Atumu, ich -bin der Seiende. Ich war allein im Urgewässer (Nun). Ich, der Gott -Atumu, der Schöpfer des Himmels und Bildner des Seienden, ich bin -aufgegangen aus dem Urgewässer.“ „Ich bin der Lichtgott Rā in seinen -ersten Aufgängen. Was ist das? Nämlich der Lichtgott Rā als König am -Anfang seiner Herrschaft über das, was er erschaffen hat.“ Aber an der -gleichen Stelle wird doch Rā als Gottheit (Atumu) in der Sonnenscheibe -bezeichnet: „Ich bin der, welchen keiner unter den Göttern übertrifft. -Was ist das? Das ist Atumu (wofür auch Rā steht) in seiner Scheibe.“ -Und ferner wird ein solcher Schöpfer zunächst nur Schöpfer der -Gottheiten dargestellt, die nun ihrerseits weiterschaffen. So heißt es -in dem sogenannten<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> Apophisbuch von 310 v. Chr., das einem Priester -Esmin ins Grab gegeben war und ihn in der Unterwelt vor dem Feinde -Rā’s, dem Drachen Apophis, schützen sollte, und in dem Rā als Allherr -redet:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Erst als ich entstanden war, entstand das Entstandene,</div> - <div class="verse">Alles Entstandene entstand, nachdem ich entstanden war.</div> - <div class="verse">Zahlreich waren die Gestalten, die aus meinem Munde herauskamen.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Nun wird, wie in babylonischen und anderen Schöpfungsgedichten, -erzählt, was nicht vorhanden war. Dann lautet es: „Ich schuf alle -Gestalten, indem ich allein war.“ „Es entstanden viele Gestalten -der Gestalten, In den Gestalten der Erzeuger Und in den Gestalten -ihrer Kinder. Ich ergoß Samen in meine Hand, Ich begattete mich mit -meinem Schatten.“ „Ich spuckte aus den Schu, ich spie aus die Tafêne -(Tafnut).“ „Sie (diese Götter) brachten mir mein Auge hinter sich -her, Und nachdem ich es mir eingesetzt hatte, Weinte ich über sie. -So entstanden die Menschen.“ Bis auf das letzte sehr schöne Bild, -daß die Menschen aus den Tränen (rîme = weinen, rôme = Mensch) des -Gottes entstehen, ist alles wunderlich, kraus und zum Teil häßlich. -Weiter wird erzählt, wie von Schu und Tafnut alle anderen Götter -hervorgehen. Sie erzeugen Qeb und Nut, diese Osiris, Seth, Isis, -Nephthys. In einem anderen Text sagt Rā zu Thot: „Ich werde dich aber -die beiden Himmel mit deiner Schönheit und deinen Strahlen umfassen -lassen.“ Und als Erklärung wird hinzugefügt: „Das ist die Entstehung -des Mondes, des Thot.“ Der Wert derartiger Feststellungen wird dadurch -sehr geschmälert, daß sie so oft auf einem Wortspiel beruhen. Und in -Wortspielen ist niemand so groß wie die Ägypter, Brugsch gibt eine -Menge Beispiele dafür.</p> - -<p>Bei den <span class="gesperrt">Babyloniern</span> sind die Gottheiten schon vor der Welt -vorhanden, mindestens die drei: Anu, Ellil und Ea, wohl auch die Istar. -Andere heißen ihre Söhne, wie Marduk Sohn Ea’s genannt wird. Die Welt -ist, wenigstens zum Teil, von Marduk gebildet. In dem Schöpfungsepos, -Enuma Elis, Tafel VI ist leider gerade der diese Bildung beschreibende -Text fast ganz zerstört. Einiges ersieht man aber aus der Tafel VII, in -der<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> Marduk unter verschiedenen Namen gepriesen wird. Dort heißt es von -ihm u. a.:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„Tutu-Ti-Ukkinu, Leben der Götterschar,</div> - <div class="verse">Der für die Götter festsetzte den glänzenden Himmel,</div> - <div class="verse">Der ihre Wege in die Hand nahm, bestimmte ihre Bahnen.“ —</div> - <div class="verse">„Der himmlischen Sterne Bahnen haltet er in Händen.“ —</div> - <div class="verse">„Weil er die Stätte geschaffen, die Feste gebildet,</div> - <div class="verse">Nennt seinen Namen ‚Herr der Länder‘, Vater Ellil.“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Ein anderer Text gibt Anu als Schöpfer des Himmels, Nudimmud, d. i. -Ea, als Schöpfer des Ozeans an. Letzterer schafft dann auch aus Lehm -den Ziegelgott, den Schmiedegott, kurz überhaupt die Handwerksgötter, -und ferner Berge, Meer, Rohr, Wald, Könige, Menschen usf. Nach noch -einem anderen Text ist es die Göttertrias Anu, Ellil und Ea, die Sonne -und Mond mit den Gottheiten Samas und Sin hervorbringt. Wunderlich -klingt folgende Reihe aus einem als „Beschwörung gegen Zahnschmerz“ -bezeichneten Texte. Der Verfasser beginnt mit dem Uranfang, ehe er zu -seinem Zahnwurm kommt, der ihn plagt:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Nachdem Anu den Himmel erschaffen,</div> - <div class="verse">Der Himmel die Erde erschaffen,</div> - <div class="verse">Die Erde die Ströme erschaffen,</div> - <div class="verse">Die Ströme die Gräben erschaffen,</div> - <div class="verse">Die Gräben den Sumpf erschaffen,</div> - <div class="verse">Der Sumpf den Wurm erschaffen.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Was endlich in einem letzten Text (alle aus „Greßmann, Altorientalische -Texte“ entnommen) der Strom, „der alles schuf“ und den die großen -Götter gruben und mit Zyklon, Feuer, Grimm, Schrecken, Furchtbarkeit -begabten, bedeuten soll, weiß ich nicht. Die babylonischen Texte -enthalten nicht selten, was uns Aberwitz erscheint. Wir haben ja -auch unter ihnen reine Schülerarbeiten und Formeln von irgendwelchen -obskuren Beschwörern; Kundgebungen, die nicht besser ausgefallen sein -werden, als solche gegenwärtig ausfallen.</p> - -<p>Ähnliche Ideen von der unabhängigen Schöpfung der Erscheinungen und der -Gottheiten finden sich bei den <span class="gesperrt">Indiern</span>. Da aber bei diesen ja -alles vertreten ist, läßt sich eine Scheidung zwischen den einen und -den anderen Ideen kaum be<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span>wirken. -So gehört das oben (<a href="#Seite_132">S. 132</a>) Gesagte -zum Teil auch hierher, namentlich wenn die Gottheiten so verblaßt sind -wie dem Varuna (oder wie der schaffende Gott genannt wird) gegenüber. -Vielleicht hierher gehört auch die <span class="gesperrt">germanische</span> Kosmogonie, denn -im Eddagedicht Vafthrudnismal werden für Sonne, Mond, Tag, Nacht, -Jahreszeiten Väter angegeben (Mundilföri für Sonne und Mond, Dallingr -für den Tag, Norvi für die Nacht, Windswalr für den Winter, Savasudr -für den Sommer: alle offenbar Appellativnamen). Die Erde ist aus Ymir -hervorgegangen. Aber das Voluspagedicht, das von letzterem sehr wohl -weiß, erzählt nichts von Vätern der erstgenannten Dinge; Sonne und Mond -werden als vorhanden eingeführt, nur ohne Namen und ohne bestimmten -Sitz, bis beides die Götter verliehen.</p> - -<p>Die <span class="gesperrt">Schicksalsgottheiten</span> sollten nach unserem Gefühl mit den -ethischen Gottheiten verbunden sein. Tatsächlich sind sie es nicht, sie -stehen neben diesen. Sie sind auch früher als diese, denn Ethik, selbst -nur Sinn für Recht und Unrecht ist nicht ursprünglich naturmenschlich, -sondern Folge höherer Gesittung; ein praktisches Regulativ zwischen -Egoismus und Altruismus, das das wirkliche Zusammenleben der -Menschen miteinander ermöglicht — abgesehen von der Kindesliebe, -die ja überhaupt nicht bloß eine menschliche Eigenschaft ist. Die -Schicksalsgottheiten entstammen dem dumpfen Gefühl der Ohnmacht des -Menschen gegen Tod und Unheil. Alle müssen sterben, und vieles Unheil -läßt sich mit aller Mühe, allem Flehen und allen Gaben an die gewählten -Gottheiten nicht abwenden. Da der Mensch jedes gegenständlich auffaßt, -so denkt er sich zuletzt persönliche Mächte, welche unbewegbar walten, -und deren Willen gegenüber selbst seine Gottheiten ohnmächtig sind. -So hängt sein Los ab von diesen Gottheiten und vom Schicksal. Erstere -bewirken alles, sofern jene letzteren indifferent sich verhalten, -Gutes und Böses; daher ihre Verehrung und Versöhnung mit Gabe und -Beschwörung. Aber die Schicksalsgötter sind nicht zu beugen, sie werden -darum sehr gefürchtet, und an ihnen wird möglichst vorbeigegangen. Die -<span class="gesperrt">Griechen</span> hatten für ihre<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> Moirai: Klotho, Lachesis, Atropos; -die Spinnerin (des Lebensfadens), die Loserin (der Geschicke), die -Unabwendbare, einen gewissen, aber nur wenig verbreiteten Kult; die -Römer für ihre Parcae: Nona, Decima, Morta, gar keinen, obwohl Parca -ursprünglich Geburtsgöttin war. Ob die <span class="gesperrt">germanischen</span> Nornen, in -der Edda Urdr, Verdandi, Skuld (aber auch andere) verehrt worden sind, -steht wohl nicht fest. Je höher die Herrscher- und Schaffensgottheiten -steigen, um so mehr müssen die Schicksalsgottheiten zurücktreten. -Sie verhalten sich darum überhaupt mehr passiv; sie herrschen nicht, -schaffen nicht und leiten nicht. Sie bestimmen nur ein für allemal. -Was sie bestimmen, geschieht, mitunter freilich (wie bei Homer) unter -ihrer Mitwirkung. Trotz ihrer unabwendbaren Macht sind sie also nicht -immer kosmische Gottheiten. Die griechischen <span class="gesperrt">Moiren</span> waren -Töchter von Zeus und Themis. Daher sind sie von den Unsterblichen den -Sterblichen gesetzt, wie Penelope sagt. Ja, jedem Sterblichen kann -eine Moira gesetzt sein. Dann ist Moira einfach das Geschick, und -Zeus heißt der Moiragetes, wie Apollon der Musagetes. Aber Hesiodos -nennt im „Schild des Herakles“ Atropos die „älteste und erhabenste -Göttin“. Die <span class="gesperrt">Nornen</span> haben zum Teil noch niedrigere Abkunft, -außer von Göttern auch von Alben und Zwergen. Mehr der indischen -Auffassung von der Allbedeutung und Allmacht des Wortes entspricht die -griechische Aisa und römische Fata für Moira und Parca. Es sind der -Spruch des Zeus und des Jupiter, als der höchsten Gottheiten, dem aber -diese Gottheiten selbst nicht mehr sich entziehen können, so daß die -Folgen ganz unabwendbar bleiben. In dieser Auffassung schwinden die -Schicksalsgottheiten als solche völlig und gewinnt das Wort bestimmende -Kraft, oder der Spruch, oder der Gedanke, oder das Opfer. Das gehört -schon in die Betrachtung der letzten Klasse von Gottheiten. Bei anderen -Völkern als den genannten habe ich besondere Schicksalsgottheiten, den -Moiren entsprechend, überhaupt nicht finden können; bei diesen werden -also die eigentlichen Gottheiten zugleich auch das Geschick bestimmen. -Sie haben auch nicht solche Sagen wie die Griechen, von dem Sturz -ganzer Götter<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span>dynastien, und wie die Germanen, von der Vernichtung von -Göttern in der Götterdämmerung, wenn auch Weltvernichtung ihnen bekannt -ist.</p> - -<p>Ins Äußerste getrieben, führt die Schicksalslehre zum -<span class="gesperrt">Fatalismus</span>, dem <span class="gesperrt">Kismet</span>, einem Bruder der rein -mechanistischen Weltanschauung. Selbst das noch verhältnismäßig frohe -Griechentum kennt diese triste Seelenberuhigung, der sich später -namentlich die stoische Schule bemächtigte. Aber wie rührend klagt -nicht schon Hekabe in den Troerinnen des Euripides:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">In die Wechsel des Schicksals füge dich still;</div> - <div class="verse">Schiff hin, wie der Gott, wie die Welle dich treibt,</div> - <div class="verse">Und kehre den Bug nicht wider den Strom;</div> - <div class="verse">Denn du fährst mit dem Steuer des Schicksals.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Von Gottheiten wie Nike, Fortuna, Victoria, Sors usf. braucht hier -nicht gesprochen zu werden.</p> - -<p>„Fast in allen polytheistischen Religionen,“ sagt Twesten in seinen -„Ideen der asiatischen Kulturvölker und Ägypter“, „welche Spuren ihrer -älteren Gestaltung in der Überlieferung oder in dem späteren System -bewahrt haben, bei den indischen und iranischen Ariern, wie bei den -Ägyptern und bei den Griechen, tritt die Verbindung der Götter mit den -Körpern oder Kräften der Natur mehr und mehr in den Hintergrund, indem -bald an denselben Göttern intellektuelle und moralische Eigenschaften -die Naturseite zurückdrängen, bald ein neues Geschlecht das ältere -ersetzt, wenn dieses den geistigen Ansprüchen nicht mehr genügt.“ Das -letztere muß zwar, als zu hoch gedacht, abgelehnt werden, aber mit dem -voraufgehenden kann man sich nur einverstanden erklären.</p> - -<p>Die <span class="gesperrt">ethischen Gottheiten</span>, sofern sie mit dem Jenseits in -Verbindung stehen, werden wir später behandeln. Für das Diesseits -<span class="gesperrt">besondere</span> ethische Gottheiten einzuführen und hoch zu verehren, -war nur den <span class="gesperrt">Griechen</span> vorbehalten. Apollon, Nemesis, Themis -haben nirgends ein gleiches. Die Furiae der Römer, die den Erinnyen -entsprechen, stehen gleichwohl in weiter Ferne von ihnen, da sie -nur Gespensterseelen von Verbrechern sind, deren die Götter sich -bedienen, lebende<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> Verbrecher zu schrecken und zu strafen. In Apollon -hat das, was wir als Griechentum bezeichnen, die Kalokagathie, seine -blühendste Idee erreicht. Sonst werden die verschiedenen Gebiete des -Ethos von verschiedenen Gottheiten mitverwaltet, insgesamt namentlich -von der höchsten Gottheit. Die griechische Kalokagathie schließt ein: -Gerechtigkeit, edles Benehmen, in sich gefaßte Harmonie des Lebens, -ruhige Milde, Liebe zu Kunst und Kenntnis. Was über diese Eigenschaften -hinausgeht: die entsagende, tiefgefühlte und stets geübte Liebe zur -Menschheit, gehört, soweit ich sehen kann, nicht zum Kreise der -Apollinischen Lehren. Man denke nur, wie als etwas so Außerordentliches -es hervorgehoben wurde, daß die Athener einen Altar des Mitleids -hatten, was doch selbstverständlich hätte sein sollen. Ein anderes -dagegen mutet uns in der Apollinischen Lehre christlich und mosaisch -an, die Entsühnung von Sünde; Apollon ist auch der entsühnende Gott. -Er ist überhaupt die Gottheit des höheren inneren Lebens, darum auch -der Amphiktyonie. Am nächsten den Griechen stehen die <span class="gesperrt">Eranier</span>; -Ahurô Mazdâo ist das Prinzip des Guten, er ist aber zugleich ein -Weltgott, das Prinzip des Lichtes. Das Gute, das er vertritt, bedeutet -Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Das Schöne fehlt bei ihm, das für -Apollon so charakteristisch ist: die edle Einfalt und stille Größe, -wie Winckelmann von der Kunst der Griechen sagt. Wohl auch die -vorbezeichnete Liebe. Ahurô Mazdâo, Ormuzd, gleicht mehr dem Zeus, der -ja auch die Gerechtigkeit verwaltet, und nur partiell dem Apollon. Die -<span class="gesperrt">Indier</span> haben in der Wischnu-Lehre einen wunderlichen Ausweg -gefunden, um einen Gott in verschiedener Bedeutung für die Welt -erscheinen zu lassen und ihn zugleich menschlich-persönlich zu machen, -die Inkarnationen, Awatâras, Wischnus. Von diesen kommen hier die erste -und neunte in Betracht. Als Krischna ist Wischnu das Ideal alles Edlen, -Guten und Schönen; halb Gott, halb Mensch, zieht er von Land zu Land -in stetem Kampfe mit dem Schlechten und Gemeinen. Die schon erwähnte -Bhagavad-Gîtâ (<a href="#Seite_115">S. 115</a>) enthält die Lehren dieses Gottes. Sie werden -unendlich variiert vorgetragen:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span></p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Furchtlosigkeit und Lauterkeit, im Wissenstrieb Beharrlichkeit,</div> - <div class="verse">Freigebigkeit, Enthaltsamkeit und Opfer, Buße, Redlichkeit</div> - <div class="verse">Und Unschuld, Güte, Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit, Leutseligkeit</div> - <div class="verse">Und Menschenliebe, Milde und Ernst, Schamhaftigkeit und Festigkeit,</div> - <div class="verse">Kraft, Langmut, Würde, Mäßigkeit, Ausdauer, Demut</div> - <div class="verse">Sind Zeichen göttlicher Geburt;</div> - <div class="verse">Stolz, Heuchelei, Zorn, Prahlerei, Schamlosigkeit, Unwissenheit,</div> - <div class="verse">Wer diesen frönet, ist dämonischer Geburt geweiht.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">An anderer Stelle werden Wollust, Zorn und Geiz die drei Pforten der -Unterwelt (Hölle) genannt. Das entspricht alles der Apollinischen -Lehre. Und doch ist im wesentlichen Krischnas Lehre weit von dieser -entfernt, denn ihr Grundzug ist die absolute Entsagung; frei von -Begierden, aber auch frei von Gefühlen. Den Menschen soll kein Leid -anfechten, aber auch keine Freude erfreuen, die Sinnenwelt soll ihm -nichts gelten:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">In jedem Ding der Sinnenwelt sind stetig Lieb’ und Haß vermählt,</div> - <div class="verse">Die beiden sind des Weisen Feind; drum frön’ er nicht der Sinnenwelt.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und an anderer Stelle:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Dem Eifer geht das Wissen vor, dem Wissen die Beschaulichkeit,</div> - <div class="verse">Entsagung der Beschaulichkeit, und ihr die Unerregbarkeit.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Das ist nichts Apollinisches, Apollon ist der Gott des maßvollen -Lebens, er ist auch der Gott der schönen Sinnenwelt. Krischnas Lehre -hat im späteren Buddhismus ihre Höhe erreicht (<a href="#Seite_214">S. 214</a> f.). Und wirklich -wird der Buddha als neunte Inkarnation Wischnus angesehen. Nach der -Meinung der Wischnuiten gibt es unzählige Buddhas, die jedesmal -erscheinen, wenn die Welt in Genuß, Sünde und Leiden versunken ist. Der -geschichtliche Buddha ist einer von ihnen. Und der Zweck der Lehre? -Nicht die Menschheit apollinisch zu immer höheren und höheren Idealen -zu führen, sie immer mehr dem Schönen und Guten zu unterordnen, sondern -ihr den Willen zum Leben zu nehmen, daß die Menschen nicht im Kreise -der Seelenwanderung wiederkehren, daß sie in das allgemeine Nirwana -— Krischna, als das Allwesen, sagt: in ihn — eingehen und aufgehen. -Davon später.</p> - -<p>Andere Völker haben auch Gottheiten, die die Sitte wahren, wie die -<span class="gesperrt">Germanen</span> Freyr, Freia und Fricka, aber nicht ganz<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> von der -Bedeutung und der Hoheit der behandelten. Bei manchen finden sich -„Söhne“ der Gottheiten, wie Söhne des Rā in Ägypten, die Sonnensöhne -des Inkalandes, die Himmelssöhne des Reiches der Mitte, die Nachkommen -der Amaterasu in Japan. Dann haben diese als Fürsten und Herrscher -die Bedeutung ethischer Gottheiten, neben ihren sonstigen göttlichen -Eigenschaften. Ethos wird dann freilich meist von diesen Herrschern -definiert. Und wenn dabei Eigennutz, Grausamkeit, Schwäche und -Urteilslosigkeit mitspielen, so ist das Volk dieses auch von seinen -Gottheiten gewöhnt. Aber Ordnung schafft diese Anschauung. Und mitunter -in so bewunderungswürdiger Weise wie in Peru, da der Mensch über den -Menschen mehr unmittelbare Macht hat als die Gottheit, er also jeden zu -seinem willenlosen Sklaven zwingen kann. Später tritt das Gesetz als -diese Gottheit auf und die gesellschaftliche Sitte; die Gesamtheit ist -die Exekutive, oder Organe sind es, die bestellt sind. Keine höhere -Stufe aber gibt es, als wenn das sokratische Daimonion in uns wohnt, -wir das Ethos aus uns selbst schöpfen.</p> - -<p>Wir kommen zu der letzten Klasse von Gottheiten, zu den -<span class="gesperrt">Begriffsgottheiten</span>. Es versteht sich von selbst, daß je -höher die Gedanken von den Gottheiten steigen — ohne daß diese -Gottheiten in das All selbst einverleibt werden, was der Pandeismus -vollbringt, dessen Betrachtung später folgt —, diese um so mehr der -irdisch-menschlichen Eigenheiten, Eigenschaften entkleidet werden. So -nähern sie sich stetig dem rein Begrifflichen, und das Persönliche -macht sich nur noch in der Art des Begrifflichen geltend, und -darin, daß auch dem Begrifflichen Wirkung zugeschrieben wird. Die -Indier allein haben es hier zur letzten Konsequenz gebracht. Ihre -begriffliche Urgottheit ist Tad, nichts weiter als Das ohne jede -Eigenschaft; nicht einmal Sein oder Nichtsein wird diesem reinen -Begriff zugesprochen. Doch weil mit einem solchen einzelnen Begriff -absolut nichts anzufangen ist, haben die Indier freilich noch andere -Begriffsgottheiten eingeführt, wir das Wort oder der Spruch oder der -Gedanke, die Ordnung, das Opfer. Ist die Welt vorhanden, so können<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span> -diese Dinge als weltregierende Prinzipe angesehen werden, die Prinzipe -sind vergottheitet. Mußte die Welt jedoch erst geschaffen werden, so -ist den Begriffen eine tätige Macht zuzuschreiben. Davor sind die -Indier nicht zurückgeschreckt, sie sind konsequenter gewesen als -Platon, zwischen dessen Ideen und den Dingen eine unüberbrückbare -Kluft besteht. Die Begriffe wirken wie der Logos, λόγος, von dem wir -noch zu sprechen haben, und sie werden auch so persönlich gefaßt wie -dieser λόγος. Andeutungen einer solchen Begriffsanschauung finden -sich bei den Indiern schon in frühester Zeit. So heißt es in den -Vedânta-Upanishaden: Am Anfang war das Sat. Max Müller übersetzt -Sat mit das Seiende, τὸ ὄν; an einer anderen Stelle wird gesagt: Am -Anfang war das Asat, also das Nichtseiende, τό μὴ ὄν. Wie in einer -Polemik gegen diese sich anscheinend widersprechenden Angaben wird -in der Bhagavad-Gîtâ behauptet: „Das anfangslose Brahma heißt nicht -Sein noch Nichtsein“. Daher auch andere Formeln vorhanden sind wie: -„Im Anfang war das Selbst“, was wohl Tad bedeutet. Oder <span class="gesperrt">Tad twam -asi</span>: „<span class="gesperrt">Das Selbst bist du.</span>“ Es ist ganz natürlich, daß so -abgrundtief-abstrakte Auffassungen dem Ausdrucke, der doch immer an -dem Materiellen hängt, widerstreben, und daß darum selbst noch so -weitgehende Umschreibungen doch immer an Materielles erinnern. Aber -freilich kommt hinzu, daß, indem aus dem Immateriellen Materielles -folgen soll, ersteres selbst auf der höchsten Stufe unwillkürlich -Materialität gewinnt und so zu dem äußersten Seienden wird, das -alles umfaßt. Hier nun verschmilzt die Begriffsanschauung einerseits -mit dem Deismus und Pantheismus, sowie mit der Theosophie und dem -Emanismus, die bald zu besprechen sind. Andererseits geht sie in den -Materialismus insofern über, als, sobald sie materialistisch ist, -sie in die Anschauung einer Allmaterie führt, oder zu etwas, das in -der materiellen Welt wahrgenommen wird. So heißt es in denselben -Upanishads, die von dem Selbst als von dem Urding sprechen, auch: Am -Anfang war Finsternis; und gar: Am Anfang war Wasser; auch: Am Anfang -war Pragâpati, der Herr alles Geschaffenen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span></p> - -<p>Sehr nahe den Begriffsreligionen scheint der von Lao tsse (etwa um 600 -v. Chr.) bei den <span class="gesperrt">Chinesen</span> weitergebildete (<a href="#Seite_122">S. 122</a>) „Taoismus“ -zu stehen. Das Urwesen ist Tao, ein absolutes Sein und absolutes -Wissen, also etwa wie das indische Tad mit Tapas vereint. Zu diesem -Tao kommt Yin, das gebärende weibliche Prinzip, und Yang, das tätige, -gestaltende männliche. Ihnen gesellt sich das Khi, eine Art Eros. Damit -sind neben Tao noch drei kosmogonische Prinzipe gewonnen. Die ganze -Welt, bis ins einzelne, existiert von je in Tao. Durch jene drei, -wohl auch in ihm gedachte Prinzipe, kommt sie zur Wirklichkeit. Und -so ist Tao auch der höchste Gott, dem aber als abstraktem Wesen weder -Opfer, noch Gebet, noch Geschenk frommt, sondern nur ein tadelloses -Leben (<a href="#Seite_122">S. 122</a>). Eine solche geistige Lehre konnte für die Chinesen so -wenig bedeuten, wie die entsprechenden hohen Lehren anderen Völkern. -Sie ist bald in Verfall geraten und hat sich der staatlichen Religion -gegenüber nicht halten können. Die <span class="gesperrt">Griechen</span> sind spät erst zu -Abstrakten als kosmogonischen Prinzipen gelangt, wie δύναμις, νοῦς, -ἀνάγκη, πιστίς; Schaffenskraft, Vernunft, Notwendigkeit, Glaube und -Ähnliches. Die <span class="gesperrt">römischen</span> Begriffsgottheiten darf man nicht -hierher rechnen; die Indigetes sind allmählich ersonnene, Tätigkeiten -und Geschehnisse darstellende, und darum ihnen vorstehende Gewalten, -die der Römer auf Schritt und Tritt vor sich fand, und die nichts mit -den höheren Fragen der Menschheit zu tun hatten, sondern nur mit ihren -Verrichtungen und den Vorgängen in ihrem Leben. Es sind vergeistete -Begriffe; jeder einem engen Gebiet angehörend und insgesamt, trotz der -sehr großen und beliebig zu vermehrenden Zahl, für die Weltanschauung -nicht bedeutender als die Geister selbst. Das sieht man an solchen -Vergeistungen wie Adeona (für die Rückkehr der Kinder), Afferenda (für -die Zubringung der Mitgift), Fabulinus (für das Sprechen der Kinder), -Mutunus Tutunus (für die Begattung und Befruchtung) usf. Nicht wenige -im Heer der Indigetes sind überhaupt Erscheinungen, wie der berühmte -Aius Locutius, die mächtige Stimme, welche dem Plebejer M. Caedicius -in der Nacht verkündete, daß die<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> Gallier auf Rom rückten, und andere. -Von weiteren Völkern ist in dieser Hinsicht noch weniger zu sagen, -sofern es sich um Anschauungen im Gebiete des Religiösen handelt. -Erst in einer monotheistischen Anschauung finden wir eine Bezeichnung -Gottes, die ganz der begrifflichsten der Indier entspricht. Da Mose -in der Szene am Dornbusch Gott um seinen Namen fragt, um sich dem -Volke gegenüber darauf berufen zu können, wird ihm zur Antwort: Eheje -ascher Eheje, „Ich werde sein, der ich sein werde“, so solle er dem -Volke sagen. Wie das indische „Tad twam asi“ klingt dieses. Und der -Name, den wir Jehova lesen, steht ja auch mit Sein in Verbindung. Und -auch darin ist viel Ähnlichkeit zwischen den in Religionsanschauungen -von allen Ariern am weitesten gekommenen Indiern und den in gleicher -Weise unter allen Semiten am meisten sich auszeichnenden Hebräern, daß -neben dem Abstraktesten als Gottheit auch so Konkretes aufgefaßt und -ausgesagt wird, nur daß hier das Konkrete bei anthropomorphistischer -Redeweise endet, dort darunter noch tief hinabgeht. Namentlich aber -fehlt den Hebräern die Mehrheit der Begriffsgottheiten, die sich bei -den Indiern in Tad, Tapas, Om, Ritam, Satyam, Brahman, Purusha, Sat, -Asat usf. kundtut und eben dem Polytheismus angehört, im Gegensatz zum -Monotheismus.</p> - -<p>Die religiösen und die mit ihnen zusammenhängenden Weltanschauungen -im Polytheismus haben sich noch nach anderer Richtung hin entwickelt, -nach der des <span class="gesperrt">Henotheismus</span>. Ich muß aber hier eine Bemerkung, -die ich über diese Heraushebung einer gewissen Erscheinung in den -Religionsansichten in meinem Buche „Die Entstehung der Welt“ gemacht -habe, zurücknehmen. Ich halte jetzt den von Max Müller betonten -Unterschied zwischen Henotheismus und Monotheismus für durchaus -berechtigt, ja notwendig. Bekanntlich hat man früher dazu geneigt, der -Menschheit den Monotheismus als das Ursprüngliche, den Polytheismus -als das Spätere zuzuschreiben. Der lange und heftig darüber geführte -Streit ist im Grunde wesenlos. Wenn ein Mensch mit dem Begriff Gottheit -nicht das verbindet, was wir damit<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span> verbinden, sondern nicht mehr als -was der Naturmensch darunter versteht, oder höchstens die Annahme -einer besonderen Übermacht, so ist es ziemlich gleichgültig, ob er -mehrere Götter setzt oder nur einen Gott. Indessen müssen wir doch -auch sagen, daß der Naturmensch praktisch sicher sich niemals mit -einem Gott begnügt. Die Idee, die er von Gott hat, ist so ganz auf -ihn und seine Bedürfnisse zugeschnitten, daß er immer eine große Zahl -von Gottheiten braucht. Wie er, wenn er steigern will, einfach die -Worte wiederholt, zum Beispiel viel-viel für mehr, ferne-ferne (vgl. -das griechische Tar-Taros) für sehr ausgedehnt, so nimmt er zwei und -mehr Gottheiten, um sein Ziel desto sicherer zu erreichen. Und da die -Gottheiten auch so beschränkt sind, wie er selbst sich fühlt, bedarf er -für jeden besonderen Fall auch eine besondere Gottheit. Ich habe schon -erwähnt, daß oft in Hütten unzählige Gottheiten vorgefunden werden, und -daß dem Wilden und dem nicht unterrichteten Volke überhaupt die ganze -Welt mit Geistern aller Art erfüllt ist. Es mag sein, daß manches Volk -schon in sehr frühen Kulturzuständen eine reinere Religionsanschauung -besitzt. Curtius spricht in diesem Sinne von den Pelasgern und ihrem -Dienst zu Dodona, der sich wesentlich nur auf ein Götterpaar, Zeus und -Dione, bezogen haben soll. Allein Religionen entwickeln sich in der -Regel mit steigender Kultur zu immer höheren Anschauungen und immer -reineren Diensten. Wenigstens von dem Moment ab, wo letztere mit vollem -Bewußtsein geübt werden; während vorher, da der ursprünglich so rohe -Dienst fehlt, anscheinend, eine edlere Religion besteht, die aber -bewußt überhaupt noch nicht vorhanden ist, sondern nur dumpf gefühlt -oder geahnt wird. Es verhält sich mit solchen Religionsanschauungen, -die also als Menschen-Gemeingut sich einstellen, wie mit der Kultur -selbst.</p> - -<p>Anders ist es mit den anormal von Einzelnen den Menschen verkündeten -und ihnen aufgedrängten Lehren. Deren Hoheit freilich geht mit den -Stiftern zugrunde, oder erhält sich nur kurze Zeit nach ihnen. Und die -Anschauungen sinken mitunter in erschreckender Weise, bis Propheten -und Reforma<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span>toren kommen, die ihnen für einige Zeit den ursprünglichen -Sinn wieder verleihen oder wieder zu verleihen sich mühen. An solchen -Fall des Geistes nur zu denken ist widerwärtig, geschweige darüber -zu schreiben, zumal in unserer Zeit, wo Menschen und Völker sich -in Erfindungen überbieten, sich gegenseitig zu vernichten, ganz im -Gegensatze zu den edelst gemeinten Religionslehren. Von vorgetragenen -Anschauungen ist aber noch nicht die Rede, sondern von den spontan -auftretenden. Auch bei diesen ist es möglich, daß die Zahl der -Gottheiten steigt, statt ständig abzunehmen. Wenn Stämme sich friedlich -vereinigen, tun sich auch ihre Gottheiten zu einer Gesellschaft -zusammen. Brugsch hat das für die Ägypter klar erwiesen, deren -Gaugottheiten, nach Vereinigung der Gaue, alle zu Landesgottheiten -geworden sind. Selbst wenn Stämme oder Völker durch das Übergewicht -eines Stammes oder Volkes gewaltsam in eine Herrschaft gezwungen -werden, gehen ihre Gottheiten im allgemeinen nicht verloren, sobald der -Zwang nicht eben aus Religionsanschauungen heraus geübt worden ist. -Die bezwungenen Gottheiten bleiben geduldet, meist sogar anerkannt -und zu denen der Eroberer kollegial, vielleicht in niederer Stellung, -gesellt. Welchen Synkretismus haben nicht die Römer geübt! Und gleiches -zeigt sich bei den Indiern, Mexikanern u. a. Die Hebräer sind in dem -Lande Kanaan sogleich tief von den Lehren Mose gesunken, indem sie die -Gottheiten der unterdrückten ersten Besitzer dieses Landes aufnahmen. -Auch durch einfachen Import können die Götter sich vermehren, wie, -wahrscheinlich, bei den Griechen aus dem Verkehr namentlich mit den -semitischen Völkern (Phöniziern, Lydern, Assyrern) und mit Ägyptern, -sicher bei den Römern; man denke an die einfach aufgenommenen, ja -herbeigeholten griechischen Gottheiten und an den Isisdienst.</p> - -<p>Bei allem aber geht nebenher das unbewußte Bestreben, die Gottheiten -zu zentralisieren. Daraus erwächst zunächst die Heraushebung gewisser -Gottheiten als Mittelpunkte, um die sich die anderen Gottheiten -gruppieren. Gehören diese anderen Gottheiten dem Stamme selbst an, so -kommt dieses in der Weise zum Ausdruck, daß sie als Söhne, Töchter, -Enkel,<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span> Brüder, Schwestern usf. jener Gottheiten aufgezählt werden. -Daher die Theogonien. Sind sie feindlichen oder niedergeworfenen -Stämmen entnommen, so spielen sie die Rollen böser Geister oder -gestürzter Götter. Die Beispiele bei den Griechen sind jedem Leser -bekannt. Gesellt sich noch zu den Anschauungen der Kult, so zwingt -auch dieser zu einer gewissen Ökonomie und Hervorhebung. So kann -zuletzt ein Volk, ein Stamm, ein Gau, eine Stadt, eine Familie, bei -voller Anerkennung aller anderen noch vorhandenen Gottheiten, die -Verehrung auf eine einzige Gottheit beschränken, und damit haben -wir den <span class="gesperrt">Henotheismus</span>. Dem allein verehrten Gott werden dann -naturgemäß auch alle Eigenschaften zugeschrieben, die auf alle -Gottheiten verteilt sind. Er nimmt die Stelle des Oberherrschers im -Gottheitenkreise ein, die zur absoluten werden kann, wenn die anderen -Götter nur noch die seinen Willen ausführenden Mächte sind, wie die -Engelscharen Gottes. Einen solchen äußersten Henotheismus hat es -nie und nirgends gegeben, die Gottheiten haben stets überall ihre -persönliche Bedeutung behalten. Nicht Zeus, noch Marduk, Rā, Indra, -Huitzilopochtli, Wuotan usf. konnten je eine solche Stellung in der -Religionsanschauung erreichen, trotz ihrer Übermacht. Der Henotheismus -ist also keine vollendete Anschauung, sondern eine solche, der sich -Völker mehr oder weniger genähert haben, von philosophischen Ansichten -natürlich abgesehen. Dabei waren freilich die Ideen dem Kult voraus, -wie immer. Der Grieche mochte also an sich Zeus als den Weltherrscher -und Weltlenker in der Idee anerkennen. Daneben verehrt hat aber der -Athener seine herrliche Stadtgöttin Pallas Athene, die Demeter, -Dionysos und viele andere; der Spartaner seinen Apollon und Herakles -usf. Immerhin kommt der Henotheismus dem Monotheismus ganz nahe. Am -nächsten vielleicht ist er ihm bei den Ägyptern, unter dem so seltsamen -König Amenhotep IV (um 1370 v. Chr.) gekommen, der einzig die Sonne, -Rā, als Gottheit anerkannt wissen wollte. Wir besitzen aus seiner Zeit -eine außerordentlich schöne, dem Amenhotep-Echnaton (als Totem) in den -Mund gelegte Hymne an die Sonne, von der ich es bedaure, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span> ich sie -wegen ihrer Länge nicht wiedergeben kann (in Greßmann, Altorientalische -Texte, S. 189 ff.). Darin wird Rā als der glänzende Gott gefeiert, -der alles geschaffen hat, Welt, Menschen, Gebirge, Flüsse, Städte, -Dörfer, Wege, alles Getier, bis zum niedrigsten Wurm, und der über -alles machtvoll herrscht. Warum der Henotheismus in Monotheismus nicht -übergehen kann, und auch nicht übergegangen ist, werden wir im nächsten -Abschnitt sehen.</p> - -<p>Zuletzt müssen wir noch eine sehr bedeutungsvolle Anschauung -hervorheben, die als <span class="gesperrt">dualistische</span> bezeichnet wird, hier aber -da sie auf der Annahme von zwei <span class="gesperrt">Gegengottheiten</span> beruht, als -antagonistische darzustellen ist. Daß gute und böse Geister geglaubt -und verehrt werden, ist schon hervorgehoben und ausgeführt worden. -Ein sich bewußt bekämpfendes Götterpaar haben aber die Eranier -geschaffen. Ormuzd als Prinzip des Guten, des Lichtes, und Ahriman -als Prinzip des Bösen, der Finsternis, bilden dieses Paar. Sie sind, -sobald Ahriman die Welt des Lichtes entdeckt, in Kampf und bleiben in -Kampf. Ormuzd schafft alles Gute, Ahriman vernichtet es oder sucht es -zu vernichten und schafft alles Böse. Gutes und Böses sind eben in -der Welt vorhanden und ringen miteinander; Zarathustras Anschauung -ist eine Übertragung in das Göttliche. Die Welt stammt von Ormuzd, -von ihm ressortieren alle guten Gottheiten und guten Geister. Die -Unterwelt ist das Werk Ahrimans, und ihm gehorchen alle Dämonen aller -Krankheiten und Übel. Der Kampf aber soll mehr und mehr zum Siege des -Guten führen, und dazu sind die Menschen hervorgebracht. Das folgt -schon aus der geistigen Höhe der Eranier und mehr wohl noch aus der -des Zarathustra. Der Entwicklungsgang zeigt, daß erst das Böse so sehr -überwiegt, daß das Gute kaum in Betracht kommt, wie auch viele Völker -nur dem bösen Prinzip opfern und schmeicheln, aus Furcht. Dann gewinnt -das gute Prinzip mehr und mehr an Boden und Einfluß. Es stehen aber -noch beide Prinzipe indifferent nebeneinander, gute Geister und böse -Geister wirken getrennt. Im weiteren Verlaufe beginnt der Kampf und das -Übergewicht des Guten. Ich darf aber<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> nicht unterlassen hervorzuheben, -daß nach anderen Anschauungen Ormuzd und Ahriman nicht als getrennte -Gottheiten aufzufassen sind, sondern daß die höchste Gottheit, nennen -wir sie Ormuzd, zwei Prinzipe in sich vereinigt, nämlich als Vohu manô, -der „gute Geist“, der alle Wirklichkeit und Güte hervorbrachte, und -als Akem manô, der „böse Geist“, aus dem alles Unwirkliche und Üble -entstanden ist. Und diese Prinzipe sind auch im Menschen vereinigt, -wie in Ahuramazda. Bei letzterem treten sie als sein Çpenta mainyu, -sein „wohltätiger Geist“, und als Angra mainyu, sein „schädlicher -Geist“, auf. Das soll die eigentliche Lehre Zarathustras gewesen sein. -Dann wäre freilich ihr Dualismus kein Antagonismus, sondern Gott -wäre so dualistisch in seinem Wirken aufgefaßt wie der Mensch. Dem -Naturmenschlichen liegt dieses sicher bei weitem näher. Max Müller, -der ebenfalls Zarathustras Lehre so deutet, weist darauf hin, daß oft -Eigenschaften der Gottheiten von ihnen getrennt und zu besonderen -Gottheiten gemacht werden; so sei es später mit dem Angra mainyu -geschehen, und mit allen besonderen Eigenschaften Ormuzds. Jenes wurde -zum Ahriman, diese gaben das Heer der weiteren Götter und der Engel. -Wie Ormuzd sei dann auch der von ihm abgetrennte Ahriman gespalten -und so mit einem Heer von Unterweltgeistern und Dämonen versehen -worden. Das sind Ideen, die schon oft geäußert und auch auf andere -Religionsanschauungen angewendet worden sind, wir begegnen ihnen noch -in der Emanationslehre. Ahriman ist oft als der gefallene Engel, aus -dem Satan hervorgegangen ist, der Widersacher, gedeutet worden. Es kann -kaum einem Zweifel unterliegen, daß ein Teil der persischen Lehren in -das alexandrinische Judentum und in das Christentum eingedrungen ist. -In der Tat trägt auch Satan alle Züge des Ahriman. Es ist aber dieser -Satan nicht der im Hiob, welches ja als eines der ältesten Bücher der -Bibel, vielleicht das älteste, angesehen wird, vorkommende, da der -letztere nicht als Prinzip des Bösen auftritt, sondern lediglich als -eine Art Mephistopheles, ein Ankläger. Gott fragt ihn, ob er schon -einen so gerechten<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span> Mann wie Hiob gesehen habe. Da antwortet er, Hiob -sei ja mit allen Glücksgütern gesegnet. Wenn Gott ihm diese nähme, so -würde er ihm schon absagen. Auch erscheint dieser Satan im Kreise der -„Göttlichen“ vor Gott. Ich darf auf den Prolog im Himmel zum Faust -verweisen. Die Sage von dem gefallenen „Engel“ ist höchst dunkel und -unbefriedigend. Man sieht, daß sie eigentlich eine Art Erklärung für -ein angenommenes Fremdes bieten soll, und weder Milton noch Klopstock -haben im Grunde das Fremde von dieser großartigen Figur des Luzifer -abstreifen können. Ich habe mich selbst mit ihr beschäftigt und sie -mir verständlich zu machen versucht; was ich darüber erdichtet habe, -kann ich aber hier nicht vortragen, ich wills in einem Drama „Adam und -Lilith“ veröffentlichen.</p> - -<p>Indessen ist der Kampf zwischen Gut und Böse so sehr Menschengemeingut, -daß selbst monotheistische Anschauungen unwillkürlich auch ein -Prinzip des Bösen einführen; man denke an die Schlange der Bibel. -Ja, polytheistische Anschauungen können ein Prinzip des Bösen mehr -entbehren als monotheistische. Denn da ihre Gottheiten beschränkt in -der Macht sind, vermögen sie schon von selbst nicht alles aus der Natur -der Dinge und Menschen fließende Böse und Schlimme zu verhindern. Fast -naiv sagt Zeus gleich im Beginn der Odyssee:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Wunder, wie sehr doch klagen die Sterblichen wider die Götter!</div> - <div class="verse">Nur von uns sei Böses, vermeinen sie; aber sie selber</div> - <div class="verse">Schaffen durch Unverstand, auch gegen Geschick, sich das Elend.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">und bezieht sich dann darauf, daß selbst er mit den Warnungen, die -er durch Hermes hinabsandte, den Aigisthos nicht verhindert habe, -Klytemnästra zu ehelichen und Agamemnon zu töten. Wenn die Menschen -außerdem noch das passiv wirkende Schicksal nehmen und Gottheiten, -die nach Laune entscheiden, so wird eine besondere Gottheit für das -Schlimme entbehrlich. Bei den Griechen und Römern zeigt sich dieses am -deutlichsten. Dann bei den Babyloniern, den Germanen (denn Loki ist -nicht eigentlich das Prinzip des Bösen, nur Wagner hat ihn dazu in -dem genialen Loge gemacht) u. a. Die Ägypter haben im Set ein solches -Prinzip, aber nicht entfernt<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> von der Großartigkeit und Bedeutung des -Ahriman. Er ist auch nicht das Prinzip des moralisch Bösen, eher das -des Naturverderblichen, wie sein Verhalten gegen Osiris zeigt. Auch der -Indier Çiva und ihre Kali sind wie Set mehr Prinzipe der Vernichtung -als des Bösen, und Çivas Natur ist keineswegs eine entschiedene, -sie zeigt sich auch schaffend, wie Wischnu-Krishna Schöpfer und -auch Vernichter ist. Überhaupt müssen wir das Vernichtende von dem -eigentlich Bösen scheiden. Ahriman ist vernichtend und böse, die -entsprechenden Gottheiten anderer Völker, wo solche vorhanden, sind -nur oder fast nur vernichtend. Sie sind nicht einmal immer oder nicht -ausschließlich Unterweltsgottheiten wie Ahriman, sie stehen nur mit -der Unterwelt in Verbindung. Die Eranier haben das böse Prinzip mit -als Gottheit anerkannt, weil sie den Monotheismus des guten Prinzips -nicht durchzuführen wußten. Und sie sind wenigstens konsequent darin -gewesen, indem sie ihm fast die Größe und Macht gegeben haben wie dem -guten Prinzip. Unberührt davon bleibt ihr sonstiger Polytheismus, -der teils die Naturerscheinungen betrifft (Sonne, Wetter, Himmel -usf.), teils mehr begriffliche Dinge und Dinge der Anschauung, wie -in den Amesha Çpenta: Herrschaft, Weisheit, Unsterblichkeit usf.; -Raum, Zeit, Kraft, Stoff usf. Die Bedeutung des Kampfes zwischen Gut -und Böse wird uns aber später noch viel beschäftigen. Denn auf einer -anderen Stufe, auf der das Böse in das „Fleisch“ verlegt wird, tritt -das Leben in Kampf mit der Materie, und die Anschauung gewinnt ein -philosophisch-naturwissenschaftliches Gepräge, trotz ihrer Bedeutung -für das Ethische, und sie geht auf das All, seinen Zweck, seine -Entwicklung und sein Ende.</p> - -<div class="section"> - -<h4>18. <span class="gesperrt">Monotheistische Anschauungen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Der <span class="gesperrt">Monotheismus</span> bildet eine Religionsanschauung, die — wenn -außerordentliches Wirken und Walten in Frage kommen soll —, dem -Gedanken die höchste ist. Die Erfahrung hat aber gelehrt, daß es -zugleich diejenige Anschauung ist, welcher der Mensch am heftigsten und -am meisten<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span> widerstrebt. Der Einzige ist dem Menschen zu übergeordnet, -zu unnahbar. Und leitet Einer alles im All, so hat er nicht nur -Unzähliges zu versorgen, sondern auch Unzähliges nach unzähligen -Richtungen. Wie sollte das Individuum dabei mit seinen Sonderwünschen -Berücksichtigung finden! Der Allgott kann nicht Hausgott sein, kaum -Volksgott. So wenigstens spricht es allgemein im Menschen. Wir sehen -denn auch geschichtlich, daß keine monotheistische Anschauung auf dem -Wege der Entwicklung erstanden ist, daß alle, die wir kennen, von -bestimmten Personen ins Leben gerufen sind (<a href="#Seite_81">S. 81</a>), von Menschen, -die gewaltigen Geistes den Gang der Entwicklung <span class="gesperrt">unterbrochen</span> -haben und die Menschheit in Bahnen leiteten, die ihr ganz fremd -gewesen sind, denen sie höchst widerwillig folgte, die sie bei jeder -Gelegenheit verlassen hat, und die sie noch heute scheuend möglichst -meidet. Daraus schon kann man schließen, daß der Monotheismus nicht aus -irgendeinem Polytheismus sich sublimiert hat. Aber ein noch stärkeres -Argument besteht in folgendem. Wir kennen keine einzige polytheistische -Anschauung, in der nicht neben dem männlichen Prinzip das weibliche -vertreten wäre, und zwar nicht etwa bloß untergeordnet nebenbei, -sondern meist durchaus nebengeordnet und hauptsächlich. Istar ist -ein absolutes Hindernis für eine Monotheisierung der babylonischen -Anschauungen, Hathor oder Isis für eine solche der ägyptischen, Dione, -Hera, Athena für eine solche der griechischen, usf. durch ausnahmslos -alle wirklich polytheistischen Anschauungen. Im ältesten Monotheismus, -der Grundlage für alle anderen entsprechenden Anschauungen, findet -sich auch nicht die leiseste Spur eines weiblichen Prinzips neben dem -männlichen. Ich habe schon bemerkt, daß polytheistische Anschauungen -nicht einmal zu einem wirklichen Henotheismus geführt haben. Jetzt -sehen wir, daß sie dahin auch gar nicht führen können. Sie vermögen -nur bis zu einem Duismus, zu einem Gottheitpaar (unterschieden vom -Dualismus der Gegengottheiten der Eranier) aufzusteigen, nicht zu -einem einzigen Gott. Gäbe es polytheistische Anschauungen ohne ein -weibliches Prinzip, so wäre ein solches<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> Aufsteigen, wenn auch, -nach der Art des Menschen, nicht wahrscheinlich, doch wenigstens -möglich. Solche Anschauungen aber hat kein Polytheismus ausgebildet. -Das gewaltige Hindernis des weiblichen Prinzips für wirklichen -Monotheismus hat auch der ebenso große Orientalist wie außerordentliche -Babylonierbewunderer F. Delitzsch anerkannt. Wenn er und andere, wie -namentlich der so verdienstvolle Pfarrer Jeremias, wenigstens von -„monotheistischen Unterströmungen“ bei gewissen Völkern, namentlich -aber den Babyloniern, sprechen, so muß es richtiger „henotheistische -Unterströmungen“ heißen. Was Friedrich Delitzsch sagt, muß ich -anführen („Babel und Bibel“, erster Vortrag 1905, S. 81 f., Anmerkung -42). Seine babylonischen Zitate gebe ich aber in Übersetzung nach -Greßmann („Altbabylonische Texte“) und vollständig, damit der Leser -selbst urteilen kann. Der Text — als Tafel des Kudurru Sohnes des -Mastukku unterzeichnet und als kollationierte Kopie eines älteren -Textes angegeben — ist neubabylonisch; aus welcher Zeit er stammt, -ist nicht entschieden. Greßmanns Übersetzung ist insofern nicht -vollständig, als vor dem Namen die Bezeichnung „Gott“ (il) fehlt. Die -Formel lautet immer: „Gott (Name) ist Marduk in bezug auf...“ Nur -dreizehn Götter sind lesbar: Tu, Lugal-Akila, Ninib, Nergal, Zamama, -Ellil, Nabium, Sin, Samas, Adad, Tishu, Râbu, Sukamuna. Diese also -sind Marduk mit Bezug auf: Pflanzung, Quelltiefe, Kampf, Schlacht, -Herrschaft und Entscheidung, Erleuchtung der Nacht, Recht, Regen, -Heer,?, Bewässerungsröhren. Auf der Rückseite als Fortsetzung können -wir noch fünf Zeilen wenigstens teilweise lesen, nach der Formel: -Eigenschaftsname (Untersucher, Üppiger sind noch zu entziffern), Bild, -Göttername. Darunter steht: „Zusammen acht Bilder der großen Götter“; -Zamama, Nabium, Nergal, Sulmânu, Pabilsag sind als solche Götter noch -zu entziffern. Diese Rückseite, die drei Namen enthält, die auch auf -der Vorderseite stehen und die von demselben Schreiber herrührt, -läßt keinen Zweifel, daß es sich überall um Götter, mindestens zum -Teil sogar um große Götter handelt, falls die Vorzeichnung il = Gott -zur Feststellung noch nicht ausreichen sollte. Also ist Marduk<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> -einfach diese Götter, er hat ihre Verrichtungen. Friedrich Delitzsch -sagt nun: „Marduk ist sowohl Ninib als Nergal; sowohl Mondgott wie -Sonnengott usw.“ Das von ihm sogar gesperrt gesetzte „ist“ steht nicht -im Text, bei Greßmann ist es als von ihm zugesetzte Erläuterung in -Klammern getan. Doch mag das sein. Wie darf man aber aus einer solchen -Festsetzung schließen, daß der biblische Monotheismus babylonisch -ist? Es kommt hier nicht darauf an, daß es sich gerade um Bibel -und Babel handelt, sondern ob jene Festsetzung einen Monotheismus -bedeutet. Da ist es mir schwer begreiflich, wie man den Charakter -des Monotheismus so verkennen kann. Im Monotheismus ist Gott weder -Sonnengott, noch Mondgott, noch überhaupt ein Erscheinungsgott. Wir -haben hier Jehova als Beispiel. Wo steht in der Bibel auch nur ein -Wort davon, daß Jehova Sonnengott, Mondgott, Pflanzengott, Besitzgott -usf., sogar Bewässerungsröhrengott ist? Gott steht im Monotheismus -über alle Welt, er ist nichts von dem in der Welt; er schafft die -ganze Welt (in der Bibel einfach durch Befehl) und regiert die ganze -Welt. Marduk, selbst in der Deutung durch Delitzsch, ist nichts weiter -als so und so viele Götter bestimmter Gegenstände und Erscheinungen, -die der betreffende Verfasser des Textes sogar sämtlich aufzuführen -sich gezwungen sieht, gewisse acht „großen Götter“ (als Bilder) -<span class="gesperrt">zusammenzählend</span>. Das steht tief selbst unter der Auffassung, die -die Griechen von Zeus hatten, den sie ja auch Zeus-Helios, Zeus-Hades -nennen und der ihr Gottherrscher gewesen ist. Und was sagen alles -die Ägypter von fast jedem ihrer Götter aus, und wie außerordentlich -viel Höheres und Umfassenderes! Delitzsch schwächt im Laufe seiner -Auseinandersetzung seine Ansicht auch ab, indem er meint: „Es läßt -sich, soweit dieser Text in Betracht kommt, <span class="gesperrt">höchstens</span> von -einer monotheistischen Unterströmung reden.“ Ich selbst glaube, kaum -von einer henotheistischen Unterströmung. Ich darf mich mit diesen -Auseinandersetzungen begnügen, aus denen wohl hinreichend erhellt, was -unter Monotheismus zu verstehen ist und wie er sich zu Polytheismus -und Henotheismus verhält.<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span> Von den monotheistischen Anschauungen -braucht nichts gesagt zu werden; wir sind alle in ihnen erzogen. -Und worin wir dabei mit uns selbst in Kampf geraten, das gehört vor -das Forum des Philosophisch-Naturwissenschaftlichen. Dahin — wenn -nicht in das Gebiet der Gedankenunfähigkeit oder Gedankenträgheit — -gehört auch, was über Atheismus zu sagen wäre, denn Atheismus als -Religionsanschauung ist natürlich ein Widerspruch in sich und hat auch -nie existiert.</p> - -<div class="section"> - -<h4>19. <span class="gesperrt">Anschauungen von Welt, Menschheit und -Weltkatastrophen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die mythischen und sagenhaften Anschauungen über die <span class="gesperrt">Entstehung -der Welt und des Menschen</span> habe ich in meinem besonderen Buche -hierüber dargestellt. Manches ist hier wiederholt, ergänzt und -weitergeführt, jedoch nur soweit der Zweck dieses Buches es erforderte. -Von allgemeinerer menschlicher Bedeutung ist dabei die Annahme eines -Urwesens oder mehrerer Urwesen. Wo nur ein Urwesen in Frage kommt, ist -es Gott, Rā, Jehova oder Brahma. Ob Nun (auch Ptah, Rā, Amun usf.) der -<span class="gesperrt">Ägypter</span> Gott oder Urmaterie (Urwasser) bedeutet, ist nicht zu -entscheiden. Als „Vater der Götter“, als das er in einem Tempel aus -der Zeit Seti I. bezeichnet und mit Federn auf dem Haupte (Zeichen -der Beseelung) und der Geißel in der Hand (Zeichen der Leitung) -dargestellt ist, möchte man ihn für Gott halten, zumal er auch „nutr“ -heißt. Ebenso wenn er der „Herr der Acht“ (<a href="#Seite_132">S. 132</a>) und unmittelbar -„Schöpfer“ genannt wird. Aber Nun heißt auch der Nil zur Zeit seines -höchsten Standes, und sogar das Meer; Brugsch bringt Belege dafür. So -wird es sich wohl um eine Urmaterie in Verbindung mit einem Urgeist -handeln, was der pandeisierenden Richtung der ägyptischen Anschauungen -(<a href="#Seite_228">S. 228</a>) entspricht. Bei zwei und mehr Urwesen kann es sich nur um -Gottheiten handeln, oder um Gottheiten in Verbindung mit Materie. Auch -hier sind die Anschauungen nicht immer gesichert. Was sind Okeanos und -Tethys, Gottheiten oder Urwasser und Urkraft? <span class="gesperrt">Homer</span><span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span> spricht -von ihnen wie von Personen, doch von Okeanos sicher auch wie von einem -Weltstrome. Und Chaos und Ge, Tartaros und Eros? Chaos möchte man -für Urmaterie halten, doch zeugt Chaos die Finsternis (ἔρεβος) und -die Nacht (νύξ). Tartaros scheint mehr ein Begriff zu sein, wie etwa -Unendlichkeit; später ist es ein Ort. Ge, Gaia, trägt die Züge einer -Göttin, außerdem ist es freilich auch die klobige Erde. Nur Eros ist -lediglich Gottheit bei Hesiod, hat aber hier gar keine kosmogonische -Bedeutung. Die <span class="gesperrt">Eranier</span> kannten außer den Gottheiten Ormuzd -und Ahriman noch vier andere kosmogonische Urwesen: Twasha, Zrwana -akarana, Anaghra raocâo, Anaghra temâa, die als Raum, Zeit, Licht, -Finsternis gedeutet werden; die beiden letzteren sollen auch Kraft und -Materie darstellen. Sind auch die Amesha Çpenta, zu denen Vohumano, -Ashavahista, Kshatra, Aurwatat, Ameretat, Armaiti gehören, als Urwesen -aufzufassen, so kämen noch Eigenschaften hinzu: Erhaltung, Wahrheit, -Ordnung (Herrschaft), Vollkommenheit, Unsterblichkeit, Weisheit. -Die Eranier hätten dann freilich alles, was zur Schaffung, Ordnung, -Wirkung und Leitung einer Welt gehört, schon im voraus angenommen. Den -<span class="gesperrt">Germanen</span> galten als Urwesen <span class="gesperrt">eine</span> Gottheit und Materie, da -die Götter Burs Söhne heißen, und aus Ymir, dem Riesen, die Welt gebaut -wird, wie bei den Indiern aus Purusha (Person). Ob die <span class="gesperrt">Hebräer</span> -außer Jehova auch die Materie als Urwesen ansahen, ist nicht sicher. -Es ist nicht nötig, den ganzen Erdball zu durchwandern, wir finden -immer Urwesen gleich den hervorgehobenen, bald in dieser, bald in jener -Zusammensetzung. Manche Völker haben je nach der Lehre verschiedene -Arten von Urwesen angenommen, wie besonders die Indier, außer dem -absolut Seienden und dem absolut Sinnenden, Tad und Tapas, auch -persönliche Gottheiten und persönliche Weltwerkmeister (z. B. Varuna) -und Weltmaterie (was ja Purusha ist). Die noch vor zehn Jahren Modernen -haben es versucht, den alten Indiern nachzutun und dichterisch die Welt -aus sich zu schaffen. Da wir uns schon so lange mit schwierigen und -ernsten Dingen beschäftigen und noch schwierigere und<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span> ernstere Dinge -uns bevorstehen, darf ich vielleicht auch für das Vergnügen des Lesers -etwas tun, indem ich ein Gedicht, das die Kreuzzeitung vor mehreren -Jahren aus gleichem Grunde mitgeteilt hat, nachdrucke. Der Dichter -heißt — ich will’s lieber nicht sagen.</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Im Donnersang, da ich erschuf das Meer,</div> - <div class="verse">War seine Schöpfung alt, schon tausend Jahre her,</div> - <div class="verse">Und ich selber uralt,</div> - <div class="verse">Und verlor Halt und Gestalt,</div> - <div class="verse">Verfiel trübsinnig im Traum,</div> - <div class="verse">Überspritzt von weißem Wogenschaum.</div> - <div class="verse">Schreiende Adler, mich beschwirrend,</div> - <div class="verse">Durch die Höhlen meines Mantels wirrend.</div> - <div class="verse">Alle meine Seelen schliefen.</div> - <div class="verse">Da hob sich strahlend die Sonne aus den Tiefen,</div> - <div class="verse">Ich erschauere.</div> - <div class="verse">Merkend, wie ich tigerhaft mich belaure:</div> - <div class="verse">Meine Hand, steil zur Wölbung hochgereckt,</div> - <div class="verse">Und das Himmelsdach schon abgedeckt,</div> - <div class="verse">Die Sonne hinaus zu lassen</div> - <div class="verse">In ihre goldnen Gassen.</div> - <div class="verse">Und die Hand schafft ohne den Geist,</div> - <div class="verse">Ich liege von schreienden Adlern bekreist,</div> - <div class="verse">Es geschieht alles sonder meinen Willen.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Man sieht wie einfach das Schaffen ist, worüber sich die Menschen so -sehr den Kopf zerbrechen.</p> - -<p>Ein zweiter, allgemeinerer kosmogonischer Gedanke betrifft den -Menschen. Dieser ist nun bei manchen Naturvölkern gleichfalls ein -Urwesen, und auch ein Schaffensprinzip. Im allgemeinen entsteht er -nach der Welt, als Abkömmling der Götter, oder von ihnen besonders -hervorgebracht. In der <span class="gesperrt">elohistischen</span> Schöpfungsgeschichte -der Bibel wird der Mensch von Gott geschaffen: „Und Gott schuf den -Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn, Mann und Weib -schuf er sie.“ Der Mensch ist wie Licht, Sonne, Mond usf. geschaffen; -es wird nicht gesagt woraus. Die jehovistisch-elohistische Erzählung -gibt aber den Stoff an und fügt den Odem Gottes hinzu. „Und der ewige -Gott bildete den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase -Odem des Lebens; da ward<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> der Mensch zu belebtem Wesen.“ Aus Erde sind -auch alle Tiere gebildet, nur der Odem Gottes fehlt ihnen. Bei den -<span class="gesperrt">Babyloniern</span> scheint nach Berossos, und übrigens auch nach dem -Schöpfungsgedicht Enuma Elis, das Blut der Götter in der Erschaffung -des Menschen eine Rolle zu spielen. Bel läßt sich den Kopf abschlagen, -und das hervorstürzende Blut wird mit Erde vermischt. Daraus werden -Menschen und Tiere geformt. Diese Wendung ist recht verschieden von der -biblischen. Die <span class="gesperrt">Ägypter</span> dachten sich den Menschen gleichfalls -aus Erde gebildet. Wir haben Darstellungen, wo der Gott vor einer -Töpferscheibe sitzt und den Menschen formt. <span class="gesperrt">Hesiod</span> nimmt, nach -den fünf aufeinanderfolgenden Geschlechtern, verschiedene Substanzen -an, Gold, Silber, Erz oder Esche, Eisen; für das vierte Geschlecht ist -der Stoff nicht angegeben. Dieses nach der Güte der Menschen symbolisch -zu deuten liegt nahe, scheint aber nicht ganz zulässig. Bildner sind -hier die Götter allgemein bei den beiden ersten Geschlechtern, und ist -es Zeus bei den beiden folgenden Geschlechtern. Vom fünften Geschlecht -wird ein Bildner nicht genannt, es wird geboren. Nach anderen -griechischen Sagen wird der Mensch aus Erde, Schlamm, Lehm oder Ton von -Göttern und besonders bekanntlich von Prometheus geformt, dem Athene -geistig beisteht; letzteres jedoch erst nach späterer Dichtung. Sonst -wachsen die Menschen auch aus Bäumen oder Sträuchern hervor, wie bei -den <span class="gesperrt">Germanen<span class="gesperrt">, </span>Eraniern</span>, auch <span class="gesperrt">Griechen</span> (Attis aus -dem Mandelbaum, Adonis aus dem Lorbeer), <span class="gesperrt">Italikern</span> und anderen -Völkern, oder aus Steinen, Felsen, Eisblöcken. Die Sage, daß nach der -Flut die Menschen aus Steinen entstanden, die Deukalion und Pyrrha -hinter sich warfen, gehört nicht hierher; Zeus belebte die Steine. -Ebenso begaben Odin, Hönir und Lodurr Esche und Ulme mit Seele, Atem, -Blut und Farben zu lebenden Menschen.</p> - -<p>Auch die Anschauung von einer <span class="gesperrt">Entwicklung der Welt</span> ist weit -verbreitet. Wir haben hier verschiedenes zu betrachten. Das erste -betrifft den Menschen. Hier spielt die Neigung, die Vergangenheit -in günstigem Licht der Gegenwart gegenüberzustellen, eine große -Rolle. An die herrliche<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> <span class="gesperrt">Paradiesgeschichte der Bibel</span> und den -verhängnisvollen <span class="gesperrt">Sündenfall</span> brauche ich nur zu erinnern. Einen -Sündenfall kannten auch die <span class="gesperrt">Eranier</span>. Das erste Menschenpaar, -Maschiah und Maschianeh (Mensch und Menschin), wird von Ahura Mazda -vermahnt, gute Gedanken zu denken, gute Worte zu reden, gute Werke zu -tun und den Devs (den bösen Geistern) nicht zu opfern. Und gehorsam -und guten Sinnes sagt es: „Ahura hat Wasser, Erde, Bäume und Tiere, -Sterne, Mond und Sonne und alle Annehmlichkeiten geschaffen, welche -von der Reinigkeit offenbar sind samt und sonders.“ Hierauf lief der -Feind in ihr Denken und verfinsterte ihr Denken, und sie logen sodann: -„Ahriman hat geschaffen Wasser, Erde, Bäume und Tiere und das übrige.“ -Durch diese gottlose Rede wurden beide Gottlose (Darvand’s) und ihre -Seele ist bis zum zukünftigen Körper in der Hölle. So lautet es im -Bundehesh. Es wird dann geschildert, wie ihre Speisen geschmacklos -und ihr Leben mühselig wird, wie sie in Sünde fortfahren und dadurch -die Devs immer mächtiger werden. In einer anderen eranischen Sage -spielt auch das Paradies eine gewisse Rolle. Vîvanhão, den man mit -dem indischen Vivasvân gleichsetzt, doch ohne das Dunkel, das auf -dieser Persönlichkeit ruht, zu erhellen, ist der erste Mensch, der -den heiligen Haoma grüßt (<a href="#Seite_112">S. 112</a>). Sein Sohn ist Yima, entsprechend -dem Yama, Sohn des indischen Vivasvân. Ihm schon (vor Zarathustra) -wird von Ahura die mazdajaçnische Lehre kundgetan. Darauf lebt er -mit seiner ganzen menschlichen Nachkommenschaft auf paradiesischer -Erde, bei paradiesischem Klima unsterblich und unschuldsvoll. Und wie -die Erde zu klein wird, sie alle zu fassen, gräbt er die westliche -Grenze wiederholt mit goldener Schaufel und spricht: „Sei freundlich, -Çpenta-Armaiti, gehe auseinander und dehne dich aus zum Tragen des -Viehes, der Zugtiere und der Menschen.“ Und jedesmal dehnt sich die -Erde um ein Drittel größer als sie war. So lebt Yima mit Allen tausend -Jahre. Darauf folgt ein Ereignis, das der Flut entspricht, worüber -später gesprochen wird. Unsterblichkeit und die Gnaden verliert aber -Yima mit seiner ganzen Nachkommen<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span>schaft wegen einer Lüge. Er wird -Opfer des Drachen Dahâka. Yima ist Firdusis Dschemschid (Dschem der -„Glänzende“), der untergeht, weil er sich anbeten ließ; Dahâka der -arabische Tyrann Dhohhak (Zohak) mit Schlangen, die ihm aus den -Schultern wuchsen.</p> - -<div class="figleft"> - <a id="illus-172" name="illus-172"> - <img src="images/illus-172.jpg" - alt="Babylonisches Siegelbild" /></a> -</div> - -<p>Die <span class="gesperrt">babylonischen</span> Texte kennen zwar die Sünde gegen Gottes -Gebote und Bußpsalmen, aber der Sündenfall ist bei ihnen nicht erzählt. -Ein Siegelbild, das hier wiederholt sein mag, ist auf diesen Sündenfall -gedeutet worden. Zwei Personen sitzen zu beiden Seiten eines Baumes, -hinter der Person links ringelt eine Schlange in die Höhe. Die Personen -sind voll bekleidet (sogar mit Hüten), da doch Adam und Eva nackt -sind, vor und bei dem Sündenfall. Schlangen, zusammen mit Gottheiten, -finden sich bei den Babyloniern auch sonst. Will man die beiden -Darstellungen (Fig. 27 und 70) bei Jeremias „Das Alte Testament“, -S. 81 und 203 nicht gelten lassen, weil die erste vielleicht nicht -babylonisch, sondern persisch, die zweite vielleicht nicht Original, -sondern Kopie oder freie moderne Erfindung ist, so bleibt doch noch -die nach Fig. 35, S. 100, in der Sin (Mondgott) und Istar einander -gegenüberstehen, und zwischen ihnen, außer anderen Zeichen, zweifellos -auch das Bild einer sich emporringelnden Schlange sich befindet. Es -sind im wiedergegebenen Siegelbild zwei Gottheiten — eine sicher eine -Gottheit, weil sie eine gehörnte Kopfbedeckung trägt, die, wie Jeremias -sagt, „bei den Babyloniern ausschließlich göttliches Abzeichen ist“ — -mit dem bekannten mystischen Baum zwischen ihnen; eine Darstellung, die -sich so außerordentlich oft und vielfach variiert auf babylonischen, -assyrischen (auch persischen) Denkmälern findet. Die eine Gottheit hat -eine Schlange zum Symbol, oder die Schlange kann auch ein feindliches -Wesen sein, da ja Drachenkämpfe der Gottheiten bei den Babyloniern -so gewöhnlich sind. Und es kennen<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> sogar die Babylonier einen ewig -lebenden Menschen, der nach dem Sündenfalle ja nicht möglich sein -sollte. Wir werden ihm bei der Flutsage begegnen.</p> - -<p>Bei anderen Völkern scheint von einem Sündenfall im Sinne der -biblischen Erzählung ursprünglich überhaupt nicht die Rede -zu sein. Selbst was Hesiodos von den mehrmals berührten fünf -Menschengeschlechtern erzählt, gehört nicht hierher. So möchten es -nur die Hebräer und die Eranier sein, denen ein solcher in allen -Einzelheiten geläufig war, freilich in ganz verschiedener Ausführung. -Selbst die nächsten Verwandten der Eranier, die <span class="gesperrt">Indier</span>, kennen -den eigentlichen Sündenfall nicht; das Bewußtsein seiner Göttlichkeit -hat der Mensch durch Avidyâ, Nichtwissen, verloren. Gerne übergeht man -die Bedeutung des Sündenfalles eines einzelnen Menschenpaares für die -ganze Menschheit. Die Bibel kennt als Folge die Mühsale des Lebens und -den Tod; der Sündenfall ist eine Erklärung dafür, wie viele Völker für -beides eine Erklärung gesucht und in der mannigfachsten Weise gefunden -haben. Die unterschiedslose Belastung der Menschheit in alle Zeit -mit der Sünde als solcher, ist, soweit ich sehen kann, in der Bibel -nicht vorhanden; bei den Eraniern könnte sie eher nachgewiesen werden. -Unterschieden davon ist der Sündenfall Luzifers im Engelschore, wovon -schon gesprochen ist (<a href="#Seite_150">S. 150</a>).</p> - -<p>Aber freilich, die Bosheit und Gewalttat der Menschen auf der Erde -steigt, und schließlich sendet Gott die Flut, alles Lebende, mit -Ausnahme des Noah und dessen, das ihm mitzunehmen befohlen ist, zu -vernichten. <span class="gesperrt">Flutsagen</span> sind bekanntlich überall nachzuweisen. -Als der Erzählung der Bibel am nächsten stehend, muß man die Sage -der <span class="gesperrt">Babylonier</span> ansehen. Wir haben vier Berichte darüber (die -Bibel enthält bekanntlich zwei). Einer ist im Gîlgames-Epos enthalten, -zwei scheinen nur andere Rezensionen dieses Berichtes zu sein, der -vierte ist der von Berossos überlieferte. Im wesentlichen stimmen -diese Berichte überein. Der babylonische Noah heißt im ersten Bericht -Ut-Napistim, den wir oben kennen gelernt haben, mit dem Beinamen -Atra-hasis (der „Hochgescheite“, nach Greßmann), woraus vielleicht<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span> der -Xisuthros des Berossos entstanden sein möchte, wie sein Vater Opartes -aus dem babylonischen Ubar-Tutu. Der eigentliche Urheber der Flut ist -Ellil, Gottheit der Erde, auch des Tierkreises, der früher als Bel -gelesen wurde. Drei andere Götter (Anu, Ninib, Ennugi) lassen sich -im Ratschluß der Götter dazu bereden. Den Grund für die Flut können -wir nur aus den Vorwürfen, die später Ea dem Ellil macht, entnehmen. -Demnach handelt es sich anscheinend um Sünden einzelner gegen Ellil; -denn jener sagt, er hätte dem Sünder seine Sünde, dem Frevler seinen -Frevel auflegen sollen, er hätte ja Löwen, Wölfe, Hungersnot oder Pest -senden können die Menschen zu verringern, statt der Sintflut, die alle -vernichtete. Istar ist auf Seiten Ea’s. Aber an einer anderen Stelle -sagt sie, sie hätte die Sintflut den Göttern geraten. Die Götter -spielen übrigens dabei eine traurige Rolle. Wie die Sintflut wächst, -bekommen sie Furcht. „Sie entwichen und stiegen empor zum Himmel Anus. -Wie ein Hund drückten sich die Götter, an der Mauer lagernd.“ Ea, der -immer den Menschen Wohlmeinende rettet Ut-Napistim, indem er ihm rät, -ein Schiff zu bauen. Daß er ihn aber auch veranlaßt, den Anderen eine -bösartige Lüge zu sagen und sie dadurch in ihr Verderben zu reißen, -klingt häßlich. Im übrigen stimmt vieles mit der biblischen Erzählung; -so namentlich das Schiff (in der Bibel ein Kasten, die Arche), seine -Ausrüstung samt Inhalt, das Landen an oder auf einem Berg (Nisir oder -Nimus statt Ararat), das Aussenden einer Taube und eines Raben (bei den -Babyloniern auch noch einer Schwalbe), das Opfer Ut-Napistims, Noahs, -nach der Flut. Das spätere Schicksal des babylonischen Noah ist aber -ein ganz anderes als das des biblischen; denn er wird der Menschheit -entrückt und lebt unsterblich, wie wir gesehen haben, im weiten Westen.</p> - -<p>Bei den <span class="gesperrt">Eraniern</span> sagt Ahura Mazda dem Yima die Flut an. Aus hier -gänzlich fehlenden Gründen soll harter Frost die Erde ergreifen und -Schnee alles verhüllen. Um sich und alles andere vor den beim Schmelzen -der Eis- und Schneemassen entstehenden Fluten zu schützen, soll Yima -sich ein „Varem“, eine Wohnung, machen. Die <span class="gesperrt">Indier</span> haben die<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span> -Flutsage in mehreren Versionen, ihr Noah ist Manu (Manu = Mensch). -Die Voraussagung der Flut, die Warnung und der Rat, ein Schiff zu -bauen, wird diesem von einem Fisch (er wird als Gott-Fisch gedeutet, -wie etwa der Ea der Babylonier), den er klein gefangen hat, und auf -dessen Bitte, daß er nicht von anderen Fischen verzehrt werde, in einem -Topf, dann in einem Loch aufwachsen läßt, bis er ihn ins Meer tut. Das -Schiff wird an das „Horn“ des Fisches gebunden und dieser führt es zum -nördlichen Gebirge. In einer späteren Sage nimmt Manu, wie Noah, auch -Pflanzen und Tierpaare in das Schiff, und wird die Flut wie in der -Bibel sieben Tage voraus verkündet. Als Grund für die Flut ist in der -Mahabharata die Sühnung der Erde überhaupt angegeben. In einer anderen -Sage aber, in mir nicht verständlicher Weise, die Rettung der Vedas und -der sie bewahrenden sieben Rishis (Seher, Sänger). Die Rettung heiliger -Schriften aus gleichem oder ähnlichem Anlaß spielt auch bei den -Eraniern, Germanen und Babyloniern eine Rolle. Die von Zeus wegen der -Frevel des „ehernen“ Geschlechts verhängte Flut, der Kasten (λάρναξ), -den Deukalion-Noah auf Rat seines Vaters Prometheus baut und in dem er -sich mit seiner Gattin Pyrrha nach dem Berge Othrys rettet, gehören -der bekannten <span class="gesperrt">griechischen</span> Flutsage an. Diese deukalionische -Flutsage ist viel ausgeschmückt und später auch von Plutarchos und -Lukianos mit orientalischen Zügen bereichert worden, wodurch sie -sich der biblischen oder babylonischen näherte. Pausanias, in seiner -Beschreibung Attikas, erzählt auch, daß die Athener im Umkreise -ihrer Stadt einen Erdspalt zeigten, durch den die Flut abgelaufen -sei. Vor die deukalionische Flut ist die ogygische zu setzen, die -Boiotien betraf und Attika, und in der die sonderbaren Städte Athen -und Eleusis am Kopaissee untergegangen sein sollen. Aber eine Sintflut -war es nicht. Der alte Buttmann sieht in Ogyges den Okeanos, also den -Wassergott überhaupt, und erklärt, freilich in seiner Vorliebe für -seltsame Etymologien — z. B. Tubalkain ist Vulkan — auch Noah für -einen Wassergott (wegen des hebräischen Nahar, das Fluß bedeutet). Eine -Flutsage der <span class="gesperrt">Germanen</span> ist<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span> schwer zu erweisen. Die jüngere Edda -erzählt, daß, als die Götter (Odin, Wili, We) den Riesen Ymir, den wir -schon kennen, töteten, aus ihm soviel Blut ausgeflossen sei, daß das -ganze Riesengeschlecht ertrank. Ein Riese nur rettete sich mit seinem -Weibe auf einem Boot (Lûdr) und erzeugte das Menschengeschlecht. Dieser -Noah heißt Bergelmir. Jakob Grimm nennt diese Flutsage gegenüber der -biblischen „roh und unausgebildet“. Diese germanische Sage erinnert -jedoch an eine ähnliche der Babylonier, wo Ellil den Löwen Labbu -tötet, und dessen Blut „drei Monate, einen Tag und zehn Stunden“ -fließt. Flutsagen finden sich noch weit auf der Erde verbreitet. Bei -den <span class="gesperrt">Litauern</span> ist die Arche eine Nußschale, die der höchste Gott -Pramzinas, der die Flut zur Vertilgung der Bösen herabgesandt hatte, da -er Nüsse aß, aus dem Himmelsfenster auf die Erde warf.</p> - -<p>Andere Völker erzählen anderes, so Indianerstämme, Neger, Ozeanier, -Peruaner usf. Richard Andree hat sich die große Mühe gemacht, alle -Flutsagen zu sammeln und führt 88 auf. Aber in wirklichem Zusammenhang -dürften nur die biblische und babylonische stehen, wie auch Andree -meint. Von diesen wird letztere, wegen ihrer viel roheren Züge, wohl -die ältere sein. Die dichterische Erzählung vom Regenbogen ist der -Bibel eigen. Sonst werden Flutsagen zu verschiedensten Zeiten lokal -entstanden sein, da ja Überflutungen und Überschwemmungen überall -vorkommen und aus den verschiedensten Ursachen. Das Wesentliche ist -das ethische Motiv und die Rettung eines Menschenpaares. <span class="gesperrt">China</span> -scheint eine Flutsage nicht ausgebildet zu haben. Die Überschwemmungen -des Nils sind der Segen des Landes. Die des Hoangho jedoch der „Fluch -Chinas“. Sie sind aber von je als natürlich angesehen worden, und -uralt sind die Versuche, den Fluß einzudämmen. Ob <span class="gesperrt">Japan</span> eine -Flutsage hat, weiß ich nicht; bei den gewaltigen Beben (Japan ist -das erdbebenreichste Land der Erde) und den damit oft in Verbindung -stehenden Meerüberstürmungen sollte man Flutsagen erwarten.</p> - -<p>Sehr wunderlich — wenn der Gegenstand nicht so ernst wäre, fast -wie eine Spotterzählung — klingt eine aus etwa<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span> 1300 v. Chr. uns -überlieferte <span class="gesperrt">ägyptische</span> Sage aus dem „Buche von der Himmelskuh.“ -Es ist eine Inschrift in einer Kammer Seti I. in Bibân el Moluk. Die -Menschen müssen über den Gott Rā schlecht gesprochen und gegen ihn -Anschläge gemacht haben. Das nimmt er ihnen gewaltig übel. Ganz im -Stile eines Herrschers versammelt er, Rats zu pflegen, die anderen -Götter, die sich völlig wie Hofschranzen ihm nähern. Der älteste -Gott, Rā’s Vater Nun, wird zuerst gefragt und erwidert: „Mein Sohn -Rā, du Gott, der größer ist als sein Schöpfer und gewaltiger als sein -Erzeuger, bleib auf deinem Throne sitzen! Die Furcht vor dir ist groß, -wenn dein Auge (es ist damit die Göttin Hathor gemeint) sich gegen die -richtet, die dich lästern.“ Rā sagt nun: „Seht, sie laufen davon in die -Wüste, aus Furcht wegen dessen, was sie gesagt haben.“ „Laß dein Auge -hingehen, daß es sie für dich schlage, die boshaft gelästert haben“, -ermahnt Nun. Hathor eilt hinter die Menschen nach der Wüste und tötet -sie alle. Ein Teil ist aber nach Süden geflüchtet, diesen will Rā -retten. Er läßt von Elefantine Didi (?) holen, dieses, sowie Getreide, -von dem „Lockigen“ zu Heliopolis und seinen Dienerinnen mahlen und zu -Bier verarbeiten und das Bier an den Ort bringen, wo Menschen noch -weilen. Dann steht „die Majestät des Rā in der Frühe unter dem Schutze -der Nacht auf, um diesen Schlaftrunk auszugießen.“ „Da wurden die -Gefilde vier Spannen hoch mit der Flüssigkeit angefüllt, durch die -Macht der Majestät dieses Gottes.“ Hathor aber, die hinkommt den Rest -der Menschen zu töten, findet alles mit dem Bier überschwemmt. „Da -trank sie und es schmeckte ihr gut, und sie kehrte trunken heim, ohne -die Menschen erkannt zu haben.“ Eine wunderliche Menschenvernichtungs- -und Flutsage! Die Flut aus Bier und zur Rettung des Menschenrestes! -Übrigens ist doch Rā’s Weilen auf Erden nicht mehr. Die Göttin Nut als -Kuh hebt ihn in die Höhe und bildet den Himmel, dort bleibt Rā.</p> - -<p>Von viel größerer Bedeutung ist es natürlich, wenn nicht bloß die -Lebewesen untergehen, sondern die ganze <span class="gesperrt">Welt</span> vernichtet wird.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span></p> - -<p>Bei den <span class="gesperrt">semitischen Stämmen</span> kenne ich nur einen Hinweis des -Babyloniers Berossos darauf, den Seneca erhalten hat. Die Welt soll -verbrennen, wenn die Planeten im Krebs sich zusammenfinden, „so -daß eine gerade Linie durch die Kreise aller gehen kann“. Das ist -astrologische Ansicht, nicht Mythe, doch weben sich bei den Babyloniern -freilich Astrologie und Mythos durcheinander. <span class="gesperrt">Weltuntergang</span> und -<span class="gesperrt">Weltbrand</span> sind sonst spezifisch <span class="gesperrt">arische</span> Anschauungen. -Denjenigen <span class="gesperrt">Indiern</span>, die die Welt nur als eine Täuschung (Maja) -oder als einen Traum Brahmas ansehen, ging die Welt unter, sobald der -Gott die Täuschung erkannte oder vom Traum erwachte. Eine Stelle in der -Bhagavad-Gîtâ lautet:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Wer weiß, daß schon ein Tag bei Gott der Weltenalter tausend macht,</div> - <div class="verse">Und tausend Alter eine Nacht; der Sterbliche kennt Tag und Nacht.</div> - <div class="verse">Wann einstens Gottes Tag anbricht, dann tritt, was dunkel war ans Licht;</div> - <div class="verse">In Finsternis verlischt das Licht, sobald die Gottesnacht anbricht.</div> - <div class="verse">Und jedes Wesen, das entstand, verschwindet, wann die Nacht anbricht,</div> - <div class="verse">Doch kehret wieder, was verschwand, wann anbricht Gottes Tageslicht.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">So schwer der Sinn zu durchdringen ist, so wird doch zweifellos von -höheren Weltzeitaltern gesprochen; Zeitaltern des Lichtes wechselnd -mit Zeitaltern der Finsternis. Die gewöhnlichen Weltenalter betragen -ein Kalpa, gleich 432 Millionen Jahre. Je nach Verlauf einer solchen -Kalpa geht die Welt unter und wird neu gebildet. Es ist die Lehre der -Râmânuga-Schule des Vedânta, die wir noch genauer kennen lernen werden. -Gottes Tag und Nacht betrügen je tausend solche Kalpa, wenn in der -obigen Stelle unter Weltenalter die Kalpa verstanden sind. Vielleicht -aber sollen die tausend Weltenalter selbst eine Kalpa sein, dann würde -nach der obigen Stelle die Welt abwechselnd eine Kalpa bestehen und -darauf eine Kalpa nicht bestehen. Der Untergang (Mahapralajas) betrifft -nicht nur die ganze Welt, sondern auch alle Götter, bis auf den Einen -und Einzigen. Einen Untergang der Welt kannten auch die <span class="gesperrt">Eranier</span>: -der Komet Muspar, indem er auf die Erde stürzt und alles schmelzt, -verbrennt sie. Es steht dieses allerdings mit der Reinigung der Welt -von Bösem in Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span>bindung. Allein, es heißt im Bundehesh doch auch -ausdrücklich: „Ahura wird auf seinem herrlichen Thron ohne Schöpfung -sein, denn Werke wird er nicht vollbringen, während jene (die -Amesha-Çpenta?) den Toten bereiten.“ Den Weltbrand der <span class="gesperrt">Griechen</span> -— der durch Phaethon veranlaßte, gehört nicht wohl hierher — werden -wir später kennen lernen.</p> - -<p>Wir wenden uns sogleich zu den <span class="gesperrt">Germanen</span>, von denen wir darüber -die eingehendsten Nachrichten haben. Der Weltuntergang (ragna rök, der -Waltenden Verrauchung) ist in der Edda als ein Kampf, der Kampf der -Götter gegen Surtur (der Schwarze, Hüter des Feuerlandes Muspelheim) -geschildert, in dem jene untergehen und die Welt verbrennt. Die Wala in -der Voluspa erzählt:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Von Osten fährt der Kiel; Kommen werden Muspills</div> - <div class="verse">Söhne übers Meer, Aber Loki steuert.</div> - <div class="verse">Fifl’s (Loki’s) Söhne fahren Mit dem Wolf allesamt,</div> - <div class="verse">Zugleich ist der Bruder Byleists (Loki’s) bei der Fahrt. —</div> - <div class="verse">Surtur fährt von Süden Mit flammendem Schwert,</div> - <div class="verse">Es blitzt von dem Schwerte Die Sonne der Schlachtgötter;</div> - <div class="verse">Die Felsberge stürzen, Riesinnen schreiten einher,</div> - <div class="verse">Es betreten die Menschen den Helweg; Der Himmel aber klafft.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Nun folgt der Kampf der Götter: Odin steht gegen den Wolf Fenrir, von -dem er verschlungen wird, Thor gegen die Midgardschlange, die ihn -vergiftet, Freyr gegen Surtur, von dem er getötet wird. Zuletzt sinkt -die Erde ins Meer, die Sterne fallen vom Himmel:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Es wütet Feuer und zehrende Flamme,</div> - <div class="verse">Hoch leckt die Lohe gegen den Himmel selbst.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Andere nordische Sagen stimmen mit der obigen Erzählung überein, -nur daß sie mehr ausführen. In <span class="gesperrt">Deutschland</span> selbst haben wir -die Götterdämmerung in dem Althochdeutschen, im neunten Jahrhundert -aufgezeichneten Lied Muspilli. Elias steht anstelle der Asen, der -Antichrist und Satanas für Loki und Surtur. Elias wird verwundet und -das weitere lautet in der Übersetzung von Johannes Scherr: „Die Berge -entbrennen, kein Baum bleibt stehen auf der Erde, die Wasser trocknen -aus, das Meer verdampft, in Lohen vergeht der<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span> Himmel, der Mond fällt -hernieder, Midgard flammt auf, kein Fels steht fest. Der Tag der -Vergeltung fährt über die Lande, fährt über die Völker mit Feuer. Da -kann kein Verwandter dem anderen helfen vor dem Muspille.“ Einzelnes -stimmt auffallend mit dem Bericht der Wala.</p> - -<p>Der zerstörten alten Welt (nur das Meer bleibt) muß eine neue folgen. -Auch nach germanischer Sage ist diese neue Welt besser als die frühere. -Die Wala schaut:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Heraufkommen seh ich Zum anderen Male</div> - <div class="verse">Aus dem Meer eine Erde, Eine wieder grüne;</div> - <div class="verse">Es fallen die Fluten, Ein Aar fliegt darüber,</div> - <div class="verse">Welcher am Felsen Nach Fischen jagt.</div> - <div class="verse">Es versammeln sich die Asen Auf Idafelden</div> - <div class="verse">Und von Moldthinur (die Midgardschlange?), Der wuchtigen, sprechen sie</div> - <div class="verse">Und erinnern sich da An frühere Taten</div> - <div class="verse">Und an Fimbultyrs (Odins) Uralte Runen</div> - <div class="verse">Da werden sich dann Die wundersamen</div> - <div class="verse">Goldenen Tafeln (Runentafeln?) Im Grase finden,</div> - <div class="verse">Welche sie damals In der Urzeit hatten.</div> - <div class="verse">Es werden ungesät Die Äcker da wachsen,</div> - <div class="verse">Alles Übel wird weichen; Baldr wird kommen;</div> - <div class="verse">Vereint werden Hodr und Baldr Unter den Dächern des Hropt (Odins),</div> - <div class="verse">Die beiden Kampfgötter ...</div> - <div class="verse">Einen Saal sah ich stehen, Schöner als die Sonne,</div> - <div class="verse">Mit Gold gedeckt, Auf Gimles (Himmels-) Flur,</div> - <div class="verse">Da sollen die fröhlichen Scharen (guten Menschen?) wohnen,</div> - <div class="verse">Und Freude genießen Bis ans Ende der Tage.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Nach Vafthrudnismal in der älteren Edda heißen die neuen Asen Vidar -und Veli, Modi und Magni, Nachkommen von Odin und Thor, die nicht mit -der Welt untergegangen sind. Aber Baldr ist ja die poetischere und -höhere Figur mit seinem blinden Bruder Hödr. Das neue Menschenpaar ist -Lif und Lifthrasir; sie hatten sich während des Weltunterganges (?) in -Hoddmimirs (der Weltesche) Grün geborgen, ihre Speise war Morgentau. -Als Sonne leuchtet nach der jüngeren Edda eine Tochter der früheren -Sonne. Damit vergleiche man den Weltuntergang und Weltneubau nach der -Offenbarung Johannis, namentlich Kap. 6, 7 und 20, 21. Man wird sehr -erhebliche Ähnlichkeiten zwischen beiden Er<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span>zählungen finden. Auch die -Sybillinischen Orakel, Buch V, 345 ff., gehören hierher.</p> - -<p>Die Menschheit hat immer gerne an kommende bessere Zeiten geglaubt. -War die Welt in Sünde und Gewalttat versunken und in Ärmlichkeit und -Verkommenheit, so sollte die Gottheit eingreifen, nicht bloß strafend -wie früher, sondern helfend und schaffend. Die Indier haben zu diesem -Behufe die <span class="gesperrt">Inkarnationen</span>, <span class="gesperrt">Awatars</span> (<a href="#Seite_139">S. 139</a>), einer -Gottheit (Wischnu’s) erdacht, semitische Völker den <span class="gesperrt">Messias</span>, -andere Völker Wiederkehr lange vergangener Wohltäter oder von Göttern -auf Erden. An diesem Glauben sind die Peruaner und Mexikaner zugrunde -gegangen, da sie in solchen Bluthunden wie Pizarro und Cortes mit ihrem -spanischen Gesindel diese erwarteten Wohltäter und Götter (Viracocha -bei den Peruanern, Quetzalcoatl bei den Mexikanern) sahen. Aber die -Juden haben sich an dem Messiasglauben gewaltig aufgerichtet und ihm -ihre Erhaltung durch Jahrtausende zu danken. Und das Christentum ist -durch ihn Weltreligion geworden. Kaum ein Gedanke der Menschheit hat -sich von so enormer Bedeutung, ideeller und praktischer, erwiesen, wie -dieser vom Messias, den der zweite Jesaias so liebevoll ausführt, der -Indier so phantastisch begabt. Steigen wir von der hohen Messiasidee -herab, so sind es Helden und Herrscher, deren Wiederkehr vom Volke -erwartet wird, und die inzwischen irgendwo verborgen oder schlafend -vorgestellt werden. Unser Friedrich I., Barbarossa (eigentlich nicht -er, sondern Friedrich II.) gehört hierher als die markanteste Gestalt. -Aber andere Völker der Erde besitzen ähnliche Gestalten. Stanley — -„Through the dark Continent“ — erzählt aus den Sagen von Uganda, daß -der erste König Kintu als milder und Blutvergießen scheuender Herrscher -im hohen Alter, da er seine Nachkommen allen Grausamkeiten frönen sah, -mit seinem Weibe geflohen sei. Das Volk war überzeugt, daß er sich -verborgen halte, und alle späteren Herrscher suchten ihn. Einem der -spätesten, dem siebenundzwanzigsten (Mtesa war der fünfunddreißigste), -Ma’anda ward es zuteil, ihn mit seiner Gefolgschaft in einem tiefen -Walde sehen zu dürfen.<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> Er sollte nur mit seiner Mutter und dem -führenden Bauern kommen. Sein treuer Katekiro folgte ihm aber, um -ihn vor etwaigem Verrat zu schützen. Kintu erkannte des letzteren -Anwesenheit und machte Ma’anda Vorwürfe. Als Katekiro darauf hinter -einem Baume vortrat, tötete Ma’anda ihn durch einen Speerwurf. Da -entschwand Kintu mit allen um ihn.</p> - -<div class="section"> - -<h4>20. <span class="gesperrt">Weltbau</span>.</h4> - -</div> - -<p>Was die <span class="gesperrt">Gestaltung der Welt</span> betrifft, so hängt diese naturgemäß -nicht unmittelbar mit der Mythe zusammen, sondern mit dem äußeren -Schein. Gleichwohl darf man von mythischen Kosmologien sprechen als von -solchen Anschauungen über die Welt, die nicht auf wissenschaftlicher -Untersuchung oder Meinung beruhen, sondern, wie die Mythen von den -Gottheiten, behauptet werden, und die den Mythen und Sagen zugrunde -gelegt werden. Da ist allen Völkern gemeinsam die <span class="gesperrt">zentrale Stellung -der Erde</span>. Die Erde ist die Mitte der Welt. Meist wird sie von -Wasser umgeben gedacht. Ihre Gestalt ist die einer Scheibe (rund oder -eckig), eines Zylinders (auch Würfels) oder eines gewaltigen Gebirges -oder einer konvexen Schale. Sie schwimmt auf Wasser oder ist durch -Säulen, Menschen oder Tiere unterstützt, oder hängt an Wurzeln des -Weltbaumes. Der Himmel ist einfach oder, entsprechend der Zahl der -gesondert sich bewegenden Gestirne — sieben Planeten (Merkur, Venus, -Mars, Jupiter, Saturn, Mond, Sonne) und die Fixsterne insgesamt — -und der etwa angenommenen Götterwohnsitze, mehrfach gedacht. Alle -Himmel sind solide und umgeben die Erde wie Glocken. Die Gestirne -sind Leuchten, auch Götterwohnsitze oder gar Körperteile der Götter -(Augen, Antlitz, Leib); sie bewegen sich auf den Himmeln von Ost nach -West und kehren auf unsichtbaren Wegen von West nach Ost zurück. Es -liegt nicht in der Natur der Mythe, konsequent zu sein und auf die -Einzelheiten in den Erscheinungen zu achten. Bemerkt sie Abweichungen -gegen die gedachten einfachen Verhältnisse, so sind eben die Götter -frei und können sie beliebig ver<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span>anlassen. Daher eine Wiedergabe -der Erscheinungen nur in den großen, allgemein wahrnehmbaren Zügen, -und vielfache Verworrenheit und unbekümmertes Widersprechen in der -Beschreibung.</p> - -<p>Der <span class="gesperrt">Griechen</span> mythischen Ansicht erste literarische Mitteilung -finden wir bei Homer. Die Erde ist eine Scheibe vom Strome Okeanos -umflossen und vom Himmel überdeckt. Aus dem Okeanos steigen die -Gestirne empor und in ihn tauchen sie unter, sofern sie überhaupt auf- -und untergehen und nicht, wie die Bärin, „niemals in Okeanos’ Bad“ sich -hinabtauchen. Fern im Westen, hinter dem Okeanos, ist der Eingang zu -Hades’ Reich, das sich jedoch unter die Erde hinziehen muß. Denn wie im -Kampfe der Götter vor Troja Poseidon die Erde erschüttert, springt „des -Nachtreichs Fürst Aïdoneus“ voll Schreck in die Höhe und schreit:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft12">Daß ihm von oben</div> - <div class="verse">Nicht die Erd’ aufrisse der Landerschüttrer Poseidon,</div> - <div class="verse">Daß nicht Menschen erschien’ und Unsterblichen seine Behausung.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Diese Behausung ist „Fürchterlich, dumpf, voll Wustes, wovor selbst -grauet den Göttern“. Weiter, wohl darunter, findet sich Erebos. Und -noch weiter, und so tief unter Hades’ Reich wie die Erde vom Himmel -entfernt, der Tartaros, der furchtbarste Ort, wo die Titanen Japetos -und Kronos, von Zeus verbannt, gefesselt in tiefster Finsternis -sitzen. Im Westen, am Rande der Erde, jedoch diesseits des Okeanos, -wenn nicht als Inseln im Okeanos, liegt auch das Elysische Gefild, „wo -der bräunliche Held Rhadamanthys wohnt, und ganz mühelos in Seligkeit -leben die Menschen“. Aus allen diesen Angaben hat man entnehmen wollen, -daß Homer die Welt eigentlich als Kugel ansieht, deren eine Hälfte -erleuchtet über der Erde, deren andere Hälfte ewig dunkel unter ihr -liegt. Was den Okeanos anbetrifft, so ist er bei Homer ein Strom. -Neuere Untersuchungen glauben jedoch, daß die vorhomerische Bedeutung -den Himmelshorizont gebe, Okeanos früher überhaupt der Himmelsgott -gewesen sein möchte. Die Etymologie mit der deutschen „Woge“ entfiele -dann freilich. Es soll Okeanos dem Sanskritwort açayana entsprechen und -„um<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span>fassend“, „anliegend“ heißen. Ich sehe nicht recht, warum das nicht -auch der homerische Okeanos soll sein können, der ja auch die Erde -umfaßt, ihr anliegt. Die Götterwohnung ist auf dem Olympos, über den -Wolken, deren Tore die Horen öffnen und schließen; und Helios leuchtet -den Göttern wie unten den Menschen. Hesiods Anschauungen von der Welt -stimmen mit denen Homers im wesentlichen überein, er ist nur in seinen -Mitteilungen etwas detaillierter. So hinsichtlich des Tartaros, daß -ein Amboß neun Tage und Nächte fallen müßte, um von der Erde zu ihm -zu gelangen, daß selbst ein Sturmwind in einem vollen Jahre ihn nicht -zu durcheilen vermöchte, daß auf ihm die Erde gewurzelt ist und der -Boden der Meere. Das sind recht stattliche Abmessungen, denn im Sinne -Hesiods umgerechnet wäre die Weite des Tartaros mehr als dreißig Erden- -und die Tiefe gar zwanzig Sonnenweiten. Der Himmel wird nach Hesiod -von Atlas getragen, nach Homer, in einer freilich noch nicht geklärten -Stelle, trägt Atlas die Säulen, die den Himmel stützen und von der Erde -ab halten. Diese Säulen laufen wohl rings (ἀμφίς) um die Erde herum. -Aber dann schwindet freilich Atlas als Person, der doch Kalypso zur -Tochter besaß. Man hat auch Atlas als das Meer erklärt (etwa Okeanos?). -Stützen für den Himmel, Gebirge, auch rings umlaufende, finden wir auch -anderweit. Unerklärlich für die Mythe ist der Aufgang der Gestirne, -nachdem sie untergegangen sind. Von der Sonne wird erzählt, sie fahre -nächtlich auf dem Okeanos in einem Nachen, Becher, von Westen über -Norden um die Erde herum, nach Osten zurück. Es mag aber auch gedacht -sein, daß die Gestirne unter der Erde zurückkehren. — Das Weltbild -der Argonautensage schließt sich dem vorstehend Beschriebenen an; man -hat noch, was wahrscheinlich auch Homer und Hesiod annahmen, einen -Meeresarm oder Stromweg vom Schwarzen Meere nach dem atlantischen oder -arktischen Meer ziehen lassen, so daß Europa für sich zur Insel wird.</p> - -<p>Von den <span class="gesperrt">Römern</span> haben wir eine eigentliche mythische Kosmographie -nicht; die Dichter wandeln in griechischen Bahnen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span></p> - -<p>Die Welt der <span class="gesperrt">Germanen</span> ist dreiteilig: obere Welt, mittlere -Welt, untere Welt, jeder Teil wieder aus drei Teilen bestehend; -und von den neun Teilen spricht die Edda an verschiedenen Stellen. -Nach Simrock sind diese: Muspelheim (Feuerwelt), Asenheim oder -Asgard (Götterwelt), Liosalfaheim (Lichtelfenwelt) als obere Welt; -Jötunheim (Riesenwelt), Midgard oder Mannheim (Menschenwelt), Wanaheim -(Wanenwelt, Welt der Neben-, Halb- oder Untergötter) als mittlere Welt; -Swartalfaheim (Schwarzelfenwelt), Niflheim (Nebel-, Eiswelt, Gegenwelt -zu Muspelheim), Niflhel (Helwelt, Totenwelt) als untere Welt. Die -drei Hauptwelten werden von je einem Zweige (oder einer Wurzel) des -Weltbaumes Yggdrasil gestützt; für diesen Baum soll auch die Irminsul, -deren Nachbild Karl der Große bei den alten Sachsen gestürzt hat, -stehen. Die Welt der Germanen ist hiernach reicher gegliedert als die -der Griechen und poetischer gestaltet. Übrigens bestehen zwischen den -verschiedenen Teilen der Welt auch Verbindungen, wie von Asgard zur -Erde die Brücke Bifröst (bebende Ruhe), auf der Richard Wagner am -Schluß des „Rheingold“ unter so wunderbarer Musik die Götter von der -Erde nach Walhall (eigentlich ein Saal in der Götterburg Gladsheim) -ziehen läßt. Um die Erde windet sich der Weltwurm, Midgards ormr, -Jakob Grimm sagt: „offenbar das Weltmeer“. Also der Okeanos? Noch -sind die drei berühmten Brunnen zu erwähnen, die in den drei Welten -Asenheim, Jotunheim und Niflhel unter den Zweigen des Weltbaumes -hervorsprudeln: Urdbrunnen, Mimisbrunnen, Hwergelmir (der rauschende -Kessel). Am ersten Brunnen „halten die Asen und Nornen ihr Gericht“, -den zweiten hütet der weise Mimir (nicht der Mime Wagners, sondern -ein halbgöttliches Wesen, das mit dem Brunnenwasser täglich Weisheit -trinkt, und dem Odin ein Auge als Pfand in den Brunnen versenken muß, -bevor er aus diesem gleichfalls Weisheit und Zukunftschauen trinken -darf), am dritten sitzt Nidhöggr mit anderen Schlangen. Der Himmel wird -wie bei den Griechen als die Erde deckend oder umfassend gedacht. Die -Gestirne haben jedes seine Stätte (oder seinen „Stuhl“, oder seinen -„Tisch“),<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> die wandelnden unter ihnen Rosse und Wagen. Die Sonne ist -das „Feuerrad“ (fagra-hvel in der Edda) oder der „leuchtende Schild“ -oder „Wuotans Auge“ oder „Gottes Antlitz.“ Der Mond wird auch als -„Schein“ bezeichnet. Der Sonne und des Mondes Lauf um die Welt wird als -Flucht vor zwei Wölfen (Sköll und Hati) gedacht, die sie verfolgen und -sie zuzeiten verschlingen (Finsternisse!). Die Mondveränderungen werden -Zwergen zugeschrieben, „wir wissen nicht näher wie“, sagt Jakob Grimm. -Wir wissen auch nicht, wie sich die Germanen die Rückkehr der Gestirne -von Westen nach Osten gedacht haben.</p> - -<div class="figright"> - <a id="illus-187" name="illus-187"> - <img src="images/illus-187.jpg" - alt="Eranische Ansicht von Himmel und Erde" /></a> -</div> - -<p>Darf man in der zoroastrischen uns überlieferten Literatur alte -Tradition sehen, so hatte die Mythe der <span class="gesperrt">Eranier</span> bereits eine -ziemlich richtige Ansicht von der Erde und dem Weltall. Im Minokherd -heißt es: „Himmel und Erde und Wasser und alles andere unter dem -Himmel ist so geformt worden wie das Ei der Vögel, der Himmel ist über -der Erde und unter der Erde einem Ei ähnlich durch das Händewerk des -Schöpfers Ahura Mazda geformt, die Erde innerhalb des Himmels wie das -Gelbe im Ei.“ Also das Weltall ist kugelförmig. Noch bedeutungsvoller -ist eine Stelle im älteren Bundehesh. Dort wird im einunddreißigsten -Kapitel von Himmel, Erde und den Gestirnen unmittelbar als stützenlos -gesprochen. Der Himmel ist „ohne Säulen“, die Erde „hat keine Träger“, -die Gestirne „schweben im Luftraum“. Weiter wird im Bundehesh -erzählt, die Erde enthalte sieben Quartiere, Keschvaras, eines in -der Mitte, sechs um dieses herum. Das nachfolgende, aus Windschmanns -„Zoroastrische Studien“ entnommene Bild (jedoch mit Vertauschung zweier -Quartiere) gibt die Lage der Quartiere gegeneinander und ihre Namen -an. Nun wird im sechsten Kapitel, das den Lauf der Sonne in Tag und -Jahr behandelt, mitgeteilt (ich habe die Ordnung beibehalten): „Wenn -die Sonne aufgeht, erleuchtet sie das Keschvar Çavahi, Fradatatfsn -und Vidadatfsn und die Hälfte Qaniras. Wenn sie an jener Seite der -Finsternis untergeht, erleuchtet sie das Keschvar Arezahi, Vourubaresti -und Vourazaresti und die Hälfte von Qaniras. Wenn hier Tag, so ist dort -Nacht.“<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> -Man sieht an der Abbildung, daß eine solche Beleuchtung nicht -möglich ist, wenn die Erde nicht Zylinderförmig oder kugelförmig ist; -das letztere würde mit der Angabe im Minokherd stimmen. Noch wird von -der Erde folgendes erzählt. Es sind auf ihr mehrere wichtige heilige -mythische Berge. Der Berg Harburc ist um die Erde und an den Himmel -befestigt, er reicht sogar über die Region der Gestirne hinaus, bis zu -den „anfangslosen Lichtern“. An ihm gehen Sterne, Sonne und Mond auf -und unter. Das letztere ist schwer zu verstehen, zumal es im fünften -Kapitel heißt: „Der Berg Taera ist in der Mitte der Welt, die Sonne -umkreist ihn wie das Wasser rings um die Welt... Der Taera Harburc ist -jener, an welchem ich Sonne, Mond und Sterne von zurück wieder kreisen -lasse... Am Harburc geht jeden Morgen die Sonne auf und am Abend unter, -der Mond, die Fixsterne und die Planeten haben ihr Band und ihr Gehen -an ihm.“ Hiernach wäre zu schließen, daß der Harburc ein die Erde etwa -in Richtung des Äquators umkreisendes Gebirge ist. Er könnte aber auch -die Erde so umlaufen wie die Stützsäulen der griechischen Mythe. Für -letzteres spricht, daß das dem Okeanos vergleichbare Meer Frhankart -oder Voroukasha am Fuße des Harburc läuft und die Erde, anscheinend -im Süden, zu einem Drittel umgibt. Zwei Flüsse gehen vom Nordpunkt -(?) des Harburc aus, einer nach Osten, der Arg, der andere, Vas, nach -Westen; beide münden im Meer Frhankart oder Voroukasha. So wird der -Wasserring um die Erde (die bewohnte?) vervollständigt. Von Bedeutung -ist auch der Strom, den die Wunderquelle Ardviçura Anahita (Anahita ist -auch Göttin des Planeten Venus) aussendet. Letztere kommt vom Himmel -auf einen aus Rubin bestehenden Berg herab, der bald Hugar Bulvend, -bald Hukairya, oder Haraiti, oder<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> Hara Berezaiti genannt wird. Auf -diesem Berg befindet sich der Paradiesbaum und das Paradies, das Mithra -(früher Yima) bewohnte, und von ihm führt der Weg über die Brücke -Cinvat in den Himmel. Die Ardviçura strömt durch goldene Kanäle zur -Erde in das Weltmeer und unter die Erde, und bildet so das belebende -und reinigende Naß. Der Himmel ist aus Edelstein geformt, die Gestirne -sind unter ihm, „zwischen Himmel und Erde“, angebracht. Die Sonne heißt -auch „Rosselenker“, Aurvat-açpa. Tierkreis und viele Sterne sind mit -Namen bekannt. Im übrigen besteht die Welt aus dem Lichtreich, der -„bekörperten“ eigentlichen Welt, und dem Finsternisreich unter dieser. -Diese selbst ist also in der Mitte, im Vai.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="illus-188" name="illus-188"> - <img class="mtop2 mbot2" src="images/illus-188.jpg" - alt="Indisches Weltbild" /></a> -</div> - -<p>Von den <span class="gesperrt">Indiern</span> weiß ich nichts erheblicheres zu sagen; sie -dichten eine Menge übereinander angeordnete Oberwelten, fast für jeden -Gott eine, oder für jede Gestirnklasse eine, außerdem solche für Büßer, -Fromme, Wahrheit usf. Unter dem Himmel kommt die Luftwelt, Dunstwelt. -Diese Oberwelten insgesamt werden im Norden (?) von Elefanten getragen. -Letztere stehen auf der Erde, die ihrerseits auf Elefanten ruht. Die -Stütze dieser Tiere ist die Weltschildkröte, und diese wieder lagert -auf der gewaltigen Weltschlange, die das ganze Universum umspannt -und im unteren Teile im un<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span>geheuren Meere ruht. Zwischen Erde und -Schildkröte sind die Welten der Verfluchten, untereinander angeordnet. -Das vorstehende Bild gibt die ganze Phantastik mit dem goldenen Berg -Meru als Oberwelten. Wer von der Unentwirrbarkeit indischer Kosmogonie -und Kosmographie einen Begriff haben will, lese den zweiten Abschnitt -im Werk Adolf Bastians: „Der Buddhismus in seiner Psychologie.“ Es ist -kaum möglich zu erkennen, was wirklich gedacht wurde. Die Indier haben -eine schöne Mathematik und Astronomie besessen. Wie sie aber mythisch -den Lauf der Gestirne erklärten, habe ich nicht erkunden können. -Wunderlich ist (<a href="#Seite_212">S. 212</a>), daß die Götter vom Monde speisen, daher seine -Abnahme, die in Zunahme durch einwandernde Seelen übergeht.</p> - -<p>Wir wollen nur noch die Vorstellungen der Hebräer, Babylonier und -Ägypter betrachten. In der <span class="gesperrt">Bibel</span> wird von der Welt oft -gesprochen, meist in der Weise wie sie durch die Schöpfungsgeschichte -gegeben ist. Die Erde aus dem unteren Wasser hervorragend, darüber der -Luftraum und der Himmel; an dem Himmel die Gestirne, über dem Himmel -die oberen Wasser. Letzteres entspricht der babylonischen Vorstellung, -worauf man viel Wert gelegt hat, aber auch Vorstellungen, die wir in -Ozeanien (<a href="#Seite_17">S. 17</a>) und wohl auch in Ägypten (<a href="#Seite_181">S. 181</a>) finden, und sie -liegen ja nahe. Die Erde ist fest. Im 104. kosmographischen Psalm heißt -es: „Er hat die Erde auf ihre Vesten gegründet, sie wanket nicht in -Ewigkeit.“ Und im Hiob, Kap. 38, spricht der Ewige: „Worauf doch wurden -ihre (der Erde) Gründe eingesenkt, oder wer legte ihren Eckstein?“ -Aber gerade in diesem Buche, Kap. 26, haben wir eine merkwürdige -Angabe Hiobs, daß die Erde frei schwebe: „Den Norden spannte er über -Leeres, hängte die Erde über das Nichts.“ Dort wird auch von Säulen des -Himmels gesprochen, ob bildlich oder materiell, ist, wie in poetischen -Werken so oft, schwer zu entscheiden. Doch steht der Himmel auch auf -dem Saume des Weltozeans. Von den Wassern sagt der 104. Psalm: „Du -hattest die Flut wie Gewand darüber (über die Erde) gedeckt, auf Bergen -standen Gewässer. Vor deinem Dräuen flohen sie, vor deines Donners -Stimme enteilten sie.<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> Stürmten Berge hinan, Täler hinab, zum Raum, -den du für sie gegründet; du setztest Grenzen, sie überschreiten sie -nicht, nicht kehren sie wieder, die Erde zu bedecken.“ Die oberen -Wasser „bilden das Obergemach“ im Himmel. Auch eine Unterwelt, Tachat, -Scheol, ist vorhanden, nach Hiob, Kap. 26, unter den Wassern: „Die -Schatten (Rephaim) entstehen (oder erbeben) unter den Wassern und deren -Bewohnern. Nackt ist die Unterwelt vor ihm und keine Decke hat der -Abgrund.“ Ebenso nach Kap. 38, Vers 16, 17: „Kamst du bis zu des Meeres -Quellen, durchwandeltest den Abgrund der Flut? Sind dir enthüllt des -Todes Pforten, die Pforten des Todesschattens siehst du?“ Die Gestirne -kehren unter der Erde nach Osten zurück. Im Prediger (Kap. 1, Vers 5) -wird von der Sonne gesagt: „Und aufgeht die Sonne und untergeht die -Sonne, und zu ihrer Stätte keuchend, geht sie daselbst auf“. „Keuchend“ -(wörtlich), weil sie in die Höhe steigen muß.</p> - -<div class="figleft"> - <a id="illus-190" name="illus-190"> - <img src="images/illus-190.jpg" - alt="Babylonische Weltkarte" /></a> -</div> - -<p>Die <span class="gesperrt">babylonische</span> Mythe weiß im Grunde auch nicht mehr von der -Welt. Ihr allgemeines Weltbild ist, wie schon erwähnt, das der Bibel; -es mag auch älter sein. Jeremias bringt in seinem Buche „Das Alte -Testament im Lichte des alten Orients“ eine „babylonische Weltkarte“, -die ich wiederhole. Er sagt: „Jedenfalls stellen die sieben Dreiecke -die sieben entsprechenden Teile des den Himmelsdamm und die Erde -umströmenden Meeres dar, und sie hängen mit den sieben Kreisen (s. -unten) des Supuk (Supuk samê ist der Tierkreis) zusammen, der in den -Himmelsozean taucht. Vielleicht sind auch die sieben Meere in Betracht -zu ziehen, die in der indischen Kosmologie hervortreten, und die sieben -Inseln im Meere bei Henoch, Kap. 77“, wir können hinzufügen: die -sieben Keschvars der Eranier. Vom gleichen<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> Autor entnehme ich noch -die folgenden Angaben: Das All ist ein doppeltes sich entsprechendes. -Das himmlische All hat die drei Teile: Himmelsozean, Tierkreis -(himmlische Erde), Nordhimmel. Das irdische All die: Ozean (in der -Erde und um die Erde), Erde, Lufthimmel (wo Meteore erscheinen und die -Geister schweben). Die Wandelsterne, innerhalb des Tierkreises sich -bewegend (an Zahl sieben mit Sonne und Mond), sind die Dolmetscher -des göttlichen Willens. „Der Fixsternhimmel verhält sich dazu wie -ein an den Rand des Offenbarungsbuches geschriebener Kommentar.“ -Die Sterne heißen denn auch Sitir samê, „Schrift des Himmels“. Aus -solchen und ähnlichen Anschauungen ist die berühmte chaldäische -Astrologie hervorgegangen, mit allen ihren wissenschaftlichen -Leistungen und, bis in unsere Zeit nachklingenden, Torheiten. Nach -den sieben Planeten wird der Tierkreis als aus sieben konzentrisch -übereinander gestellten Ringen bestehend (die sieben Kreise, von -denen oben die Rede war) angesehen, „wie eine kreisförmige Treppe, -ein riesiger Stufenturm“ (indisch?). „Die siebente Stufe führt in -den obersten Himmel, den Himmel des Gottes Anu.“ Letzterer Himmel -wird auch als der Fixsternhimmel betrachtet und als erster Himmel -gezählt. Dieser Stufenhimmel ist in den Stufentempeln Babyloniens -mit allen oder einigen Stufen nachgeahmt. Unter den sieben Stufen -sind drei hervorgehoben, die von Sin (Mondgott), Samas (Sonnengott), -Istar (Venusgöttin); diese bedeuten die Regenten des Tierkreises. Auf -Siegelzylindern finden wir häufig Samas zwischen zwei Bergspitzen als -„Himmelstor“ hervortretend. Aber weder von diesem Tor noch von dem -Weltberg und dem „Länderberg“ habe ich mir eine Anschauung bilden -können. Arrhenius („die Vorstellung vom Weltgebäude“) bringt nach -einer Zeichnung von Faucher-Gudin eine Abbildung der babylonischen -Welt. „In der Mitte liegt der Kontinent, der nach allen Seiten hin -sich zum Weltberg Ararat erhebt. Das Land ist rings vom Ozean umgeben, -auf dessen hinterer Seite die Wohnungen der Götter liegen. Über dem -Weltberg liegt der Himmel wie eine Glocke (nach der Abbildung auf -einem um den Ozean herumlaufenden<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span> zweiten Gebirge aufruhend). Der -nördliche Teil war mit einem Rohr versehen (mit zwei Öffnungen). Aus -der östlichen Öffnung trat die Sonne am Morgen hervor, erhob sich am -Firmament, um am Nachmittag wieder zu sinken und schließlich beim -Einbruch der Nacht in die westliche Öffnung des Rohres einzutreten. -Während der Nacht schob sie sich durch das Rohr und trat am nächsten -Morgen durch dessen östliche Mündung wieder heraus.“ Woher der gelehrte -Verfasser den Sonnentubus genommen hat, kann ich nicht sagen. Bequem -ist er zweifellos, aber in keinem der mir zur Verfügung stehenden Texte -und Abbildungen finde ich auch nur eine Andeutung davon. Im übrigen -ist die irdische Welt in allen Teilen ein Abbild der Himmelswelt, was -auch die Ägypter annahmen und wovon (in Umkehrung) wir ja Beispiele -bei den Naturvölkern fanden. Das meiste von diesem Besonderen steht, -wie man sieht, trotz äußerer Ähnlichkeit in striktem Gegensatz zu der -biblischen Anschauung; der Himmel hat in dieser mit der irdischen Welt -nicht das geringste zu schaffen, und das ganze All ist nichts Gott -gegenüber. Gott hat den Gestirnen die „Satzungen“ gegeben.</p> - -<p>Auch der <span class="gesperrt">Ägypter</span> Welt bestand aus den bekannten drei Teilen, -Himmel, Erde, Tiefe (Pet, Ta, Dat). Der Himmel ist der Ausgespannte, -der Verhüllende, der Hohe, der Gewölbte (Kapu) usf. Er ruht auf vier -Säulen oder wird von der Luftregion (Shu) gestützt und trägt die -Gestirne und ihre Gottheiten. Der Tempel wird als ein Abbild des -Himmels angesehen und dementsprechend ausgebaut und geschmückt. Brugsch -führt viele Beispiele an. So ist also „für die auf Erden lebenden -Bewohner der Himmel eine prächtige Tempelhalle, ein Dom, unter dessen -glanzvollem Dache sie sich ihres Daseins freuen“. Mit einem Himmel -überdacht werden auch die Grabkammern; aber dieser Himmel ist schwarz, -es ist der untere Himmel, an dem die Sonne nächtlich hinzieht. Mitunter -scheinen sich die Ägypter mehrere Himmel übereinander gedacht zu -haben; die doppeltgekrümmte Figur in der nächsten Abbildung, welche -Himmel, Luft und Erde durch Personen darstellt, erscheint zweimal -oder dreimal wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span>holt, als Sonnenhimmel, Mondhimmel usf. Die Sonne -fährt auf ihrem Himmel auch im Sonnennachen (na-n-Rā), der vom Urgott -Nun (auf einem Bilde, aus dem Urgewässer hervorragend) getragen wird. -Im Hiob wird der Himmel als Spiegel bezeichnet, bei den Ägyptern als -Eisen. Eisen (ba) steht mitunter geradezu für Himmel („Rā fährt oder -schwimmt oder wandert auf dem Eisen“), wie umgekehrt das „Eisen des -Himmels (ba-n-pet)“ für Eisen überhaupt benutzt wird. Der mythische -Name der Erde (Ta) heißt Qeb. Das soll Biegung, Krümmung bedeuten. -Ob den Ägyptern aber die runde Gestalt der Erde bekannt war, oder -ob Qeb lediglich die Unebenheiten kennzeichnen soll, ist ungewiß. -Auch „Schwäche“ soll in dem Worte liegen, und die Erde wird auch -als schwacher, alter Mann dargestellt (wie in der obigen Abbildung) -oder als leidendes Weib. Die untere Welt ist das Nachtsonnenreich -der Welt, unter der Erde und unter den Wassern. Wir kommen auf sie -zurück. Figürlich wird sie als zusammengekrümmte Gestalt, Osiris, -gebildet. „Die untere Hemisphäre zusammengekrümmt enthält seine -(des Osiris) Gestalt“, heißt es in einer Inschrift. Die ganze Welt -scheint vom Urwasser Nun eingeschlossen zu sein, wie sich aus einer -Abbildung bei Brugsch, „Religion und Mythologie der alten Ägypter“, <a href="#Seite_216">S. -216</a>, ent<span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span>nehmen läßt. Das entspräche etwa der biblisch-babylonischen -Auffassung. Wenn aber auf der Abbildung auch ein Rand des Wassers -außerhalb der Welt sichtbar ist, so würde das mehr an den Okeanos der -Griechen erinnern, hinter dem ja auch die Welt, im Tartaros, sich -fortsetzt. Indessen kann es sich auch um eine Willkür des Malers -handeln. Das All wird unter dem Bilde des Skarabäus dargestellt.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="illus-193" name="illus-193"> - <img class="mtop2 mbot2" src="images/illus-193.jpg" - alt="Ägyptische Abbildung von Himmel, Luft und Erde" /></a> -</div> - -<div class="section"> - -<h4>21. <span class="gesperrt">Leben und Gottheit</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die <span class="gesperrt">Anschauung vom Leben</span> richtet sich nach dem Grade der -Freiheit Gott oder den Göttern gegenüber und nach dem Grade des -Vertrauens. Die arischen Stämme scheinen noch am wenigsten abhängig von -ihren Göttern gewesen zu sein, aber wohl auch am wenigsten vertrauend -auf sie. Aus ihrer Mitte ist der Buddhismus hervorgegangen, in dem -die Götter, wenn ihr Dasein nicht geleugnet wird, doch als sehr -geringwertig für die Menschen angesehen werden. Hier gilt der extremste -Grundsatz nach einer Seite hin; das Leben des Menschen ist bestimmt -durch ihn selbst, er ist selbst Meister seines Geschickes (<a href="#Seite_211">S. 211</a> ff.).</p> - -<p>Fünf Gesichtspunkte sind es vor allem, nach denen das Leben mit -seinen inneren und äußeren Vorgängen beurteilt wird: <span class="gesperrt">Zufall</span>, -<span class="gesperrt">Freiheit</span>, <span class="gesperrt">Fürsorge</span>, <span class="gesperrt">Vorausbestimmung</span>, -<span class="gesperrt">Zwang</span>. Die genaue Untersuchung dieser Gesichtspunkte gehört -in die Metaphysik und Ethik. Auch entfallen hier, wo wir von den aus -der Religion fließenden Anschauungen sprechen, der erste und fünfte -Gesichtspunkt; es bleiben nur die drei mittleren Gesichtspunkte, -und sie setzen das Verhältnis des Menschen zur Gottheit fest. Wenn -bei religiöser Anschauung Willensfreiheit herrschen soll, so muß -Verantwortlichkeit gegen die Gottheit bestehen. Der Egoismus führt -dann auch zu Anforderungen an die Gottheit. Beide können mit dem Leben -abgetan sein, oder auch sich über das Leben hinaus fortsetzen. Im -ersten Falle hat der Mensch alles Unheil, das ihn im Leben betrifft, -als Strafe für freiwillige Missetat zu betrachten, alles Gute als -Belohnung für Wohlverhalten.<span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span> Das letztere nimmt er meist ohne zu -danken hin; er wird immer irgendeine schöne Tat finden, für die er -Belohnung glaubt sich erwarten zu dürfen. Denn das rein ethische -Wohltun aus Trieb der Seele und Freude daran ist gar selten und -schaltet eigentlich die Gottheit aus. Aber eine Strafe sieht der -Mensch nicht immer als verdient an. Dazu gehört wahre, herzensinnige -Frömmigkeit und Zerknirschung, wie wir sie in den Hymnen, Psalmen und -Kirchenliedern oft so ergreifend ausgedrückt finden. Hier vermischt -sich die Anschauung mit der von der Fürsorge der Gottheit für den -Menschen. Das Leben wird der Gottheit vertrauensvoll überlassen. Was -diese bietet, wird in Demut angenommen, was sie verhängt, in Demut -ertragen; vielleicht als Belohnung, vielleicht als Buße, immer aber -als Ratschluß des Höchsten, der schon weiß, warum. Ich brauche aus dem -Monotheismus keine Beispiele anzuführen. Aber auch der Polytheismus -kennt solche Anschauungen:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Zeus, wer du auch seist, Hoher, Unerforschlicher,</div> - <div class="verse">Ob Geist der Menschen, ob Naturnotwendigkeit,</div> - <div class="verse">Ich fleh dich an; denn du lenkst auf stiller Bahn</div> - <div class="verse">Hinwandelnd, alles Menschenlos zum rechten Ziel.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">ruft die unglückselige Hekabe bei Euripides aus. Ähnlich heißt es in -dem schönen babylonischen Klagelied an Istar:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Du schaust auf den Unglücklichen und Zerschlagenen,</div> - <div class="verse">Leitest ihn täglich rüstig.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Damit in Verbindung steht dann die für alle Religion so absolut -notwendige Anschauung, daß die Gottheit sich erbitten läßt, unverdiente -Gnaden erweist, verdiente Strafe erläßt. Im Polytheismus wird sogar -eine Gottheit gegen die andere angerufen. In jenem Istar-Liede sagt der -Flehende:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Löse meine Brust und schaffe mir Fülle!</div> - <div class="verse">Lenke meinen Schritt, daß ich</div> - <div class="verse">Froh und frei mit den Lebenden die Straße ziehe!</div> - <div class="verse">Gib du Befehl, daß auf deinen Befehl der erzürnte Gott wieder gut werde,</div> - <div class="verse">Daß die Göttin, die sich zürnend abgewandt, wieder gut werde.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">So wird Istar auch der „Stern der Klagen“ genannt, und dieses trotz -der Schilderung ihrer willkürlichen, absoluten Übermacht, die -Freunde verfeindet und auf dem Schlacht<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span>felde herrscht. Seltsam, -mehr wunderlich, klingt die fast stehende Versöhnungsformel an die -Gottheiten, daß „ihr Herz sich beruhigen möge“ oder „sie selbst sich -beruhigen mögen“, wie überhaupt die babylonischen Texte soviel von der -Unruhe der Gottheiten sprechen, ja von ihrem Lärmen, wodurch auch so -viel Kampf und Streit zwischen ihnen entsteht; so der kosmogonische -Kampf Apsus und Tiamats gegen sie. Vielleicht treffen unsere -Übersetzungen nicht den richtigen Sinn. Es sind auch Kollektivlieder -für jede beliebige Gottheit gedichtet und bekannt. Wenn der Mensch -sein Wohlverhalten dem Gotte vor Augen stellt, so geschieht das nicht -selten in der Weise, daß er sagt, die und die Sünde hätte er nicht -begangen. Das 125. Kapitel des ägyptischen Totenbuches ist dafür sehr -charakteristisch. Die Vorschrift lautet: „Was NN (als Toter) spricht, -wenn man zur Halle der beiden Wahrheiten (<a href="#Seite_189">S. 189</a>) gelangt, nachdem NN -sich losgemacht hat von allem Bösen, das NN getan hat, um das Antlitz -aller Götter zu schauen“. Und nun kommen die Bekenntnisse. „Ich habe -nicht falsch gehandelt gegen die Menschen“ usf. Dreiundsechzig solche -negative und kaum zehn positive, unter den letzteren freilich das so -schöne:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Ich habe dem Hungernden Brot gegeben,</div> - <div class="verse">Und dem Dürstenden Wasser,</div> - <div class="verse">Und dem Nackten Kleider.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Andere Völker sind ähnlich verfahren. Bei allen aber werden nicht -selten Zweifel an der Hilfe der Gottheit geäußert, entweder weil -diese dem Menschen zu fern steht und sich um ihn nicht kümmert, oder -weil der Mensch sich zu niedrig dünkt Gott gegenüber. Wie oft ist dem -letzteren Gefühl in Psalmen, aber auch in den anderen Schriften der -Bibel Ausdruck verliehen: „Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest“ -usf. Bei den Ariern finden wir mehr den Zweifel an dem Wollen der -Gottheit; Euripides bietet eine Menge von Beispielen. Hekabes Ausruf: -„Ihr Götter! Zwar unnütze Helfer seid ihr uns; doch ist es tröstlich -anzuflehen die Himmlischen, wenn unsereinen heimsucht das Mißgeschick“, -gehört noch zu den mildesten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span></p> - -<p>Weit verbreitet ist sogar die Anschauung von der Gottheiten „<span class="gesperrt">Neid -und Mißgunst</span>“ gegen die Menschen. Wie sie untereinander Neid und -Mißgunst hegen und dadurch zum Kampf gegeneinander getrieben werden, -daß ein Göttergeschlecht das andere stürzt, hat in furchtbaren Worten -Aischylos im Prometheus geschildert. Dann wie die Gottheiten nach -Willkür herrschen, ganz wie Tyrannen auf Erden:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Ach, neue Herrn sind im Olymp</div> - <div class="verse">Am Ruder jetzt; neuem Gesetz gemäß regiert</div> - <div class="verse mleft2">Ohne Gesetz Zeus jetzt.</div> - <div class="verse mleft2">Das früher Gewaltige jetzt vertilgt er’s.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und dann:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft2">Auf die armen Menschenkinder nahm</div> - <div class="verse">Er keine Rücksicht; ganz zu vertilgen ihr Geschlecht,</div> - <div class="verse">Ein anderes neues dann zu schaffen, war sein Plan.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Prometheus, der dies von Zeus sagt, rettet die Menschen. Das steht -nicht fern von der Art wie Ellil bei den Babyloniern verfährt, daß -Ea wenigstens für wenige Retter sein muß. Namentlich erregt Glück -den Neid der Götter. Und wer etwa sich darin überhebt, muß es schwer -büßen. Niobes Tragödie spricht noch jetzt zu uns aus den herrlichen -und rührenden Darstellungen, die wir bewundern. Selbst die Bibel hat -Anklänge, daß Gott dem Menschen nicht alles gewähren will, wie in der -Paradiessage und in der Sage vom Turmbau zu Babel. Doch tragen solche -Erzählungen auch den Stempel der Erklärung für Erscheinungen im Leben -der Menschheit. Warum der Mensch mühselig sein Leben verbringt, warum -er stirbt, warum er so zerstreut und vielsprachig auf Erden weilt. -Andere Völker haben aus gleichem Grunde andere Sagen erfunden.</p> - -<p>So ist die Freiheit des Menschen doch keine unbedingte und die Fürsorge -der Gottheit keine vollkommene. Darum ist es dem Menschen auch ein -vertrauter Gedanke, daß er über sich überhaupt nicht zu bestimmen -habe, daß, wie seine Geburt, so auch sein ganzes Leben durch die -Gottheit vorausbestimmt ist und sein Tod. Was ihm Gutes zukommt, was -ihn Böses berührt, hat die Gottheit schon vorgewirkt. Dieses<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> entweder -absolut oder relativ (vom Schicksal <a href="#Seite_136">S. 136</a> ff.). Wie weit die absolute -Vorausbestimmung geht, sehen wir in dem grämlichen „Prediger“: „Denn -auch daß ein Mensch esse und trinke und Gutes genieße für alle seine -Mühe, ist eine Gabe Gottes. Ich weiß, daß alles was Gott tut, das wird -ewig sein, hinzuzufügen ist nichts und davon zu nehmen ist nichts, und -Gott tat es, daß sie sich fürchten vor ihm.“ „(Ich weiß) daß, was den -Menschensöhnen begegnet und was dem Vieh begegnet einerlei Begegnis für -beide sei; wie der Tod dieses, so der Tod jener, und einerlei Geist in -allem, so daß der Vorzug des Menschen vor dem Viehe nichts sei, denn -alles ist eitel.“ Daraus folgt dann das berühmte: „Nichtigkeit der -Nichtigkeiten, alles ist nichtig.“ So scharf wie im „Prediger“ findet -sich der Pessimismus freilich selten ausgesprochen, außer etwa bei -Philosophen. Aber über Gebundenheit und Machtlosigkeit klagt der Mensch -überall.</p> - -<p>Die Verzweiflung führt dann zunächst zu der <span class="gesperrt">Lebensweisheit der -Unbekümmertheit und des Genießens</span>. Im „Prediger“ wird sie -fortwährend empfohlen: „Siehe, was ich gesehen habe, das ist gut, daß -es schön ist, zu essen und zu trinken und Gutes zu sehen für alle seine -Mühe, die er sich müht unter der Sonne die Zahl seiner Lebenstage, -die Gott ihm gegeben, denn das ist sein Teil.“ „Am Tage des Glückes -fühle dich glücklich, und am Tage des Unglückes sieh’s an.“ „So preise -ich die Freude, daß nichts gut ist für den Menschen unter der Sonne -als zu essen und zu trinken und sich zu freun.“ „Denn so viele Jahre -der Mensch lebt, ihrer aller freue er sich und gedenke der Tage der -Dunkelheit, daß ihrer viele sein werden; alles was kommt ist nichtig.“ -Gemildert werden diese Lehren durch die ethische Auffassung, daß die -Freude ein Entgelt für die Mühsal ist, die der Mensch tragen muß, und -daß bei allem der Mensch doch nichts Böses tun darf, sondern Gutes -wirken muß. Eine Tradition schrieb den „Prediger“, selbstverständlich -mit Unrecht, König Salomo zu. Die Azteken hatten im König -Netzahualcoyotl (1470) einen ähnlichen Salomo: „Allen irdischen Dingen -ist ihr Ende bereitet. Inmitten der fröhlichen Laufbahn ihres Glanzes -und<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span> ihrer Eitelkeit geht ihnen die Kraft aus und sie werden zu Staube. -Das ganze Erdenrund ist nichts als ein Grab, und alles, was darauf -lebt, wird einst darunter begraben werden. Die Dinge von gestern sind -heute nicht mehr und die Dinge von heute werden vielleicht schon morgen -nicht mehr sein. Die einst auf Thronen gesessen, Versammlungen gelenkt, -Heere befehligt, Länder erobert, göttliche Verehrung gefordert, der -Macht der Herrschaft, dem Ruhm nachgejagt haben, wo sind sie jetzt? -Verschwunden mit all ihrer Herrlichkeit, gleich dem Rauche, der aus dem -Krater des Popokatepetl aufsteigt und spurlos verschwindet.“ So lautet -die triste Weisheit des aztekischen Königs nach Ixtlilxochitl, als -wenn er das entsetzliche Schicksal seines Volkes und seiner Nachkommen -geahnt hätte. Und daran schließt er, wie der „Prediger“, die Mahnung: -„Aber du, mein Freund, so freue dich der Anmut dieser Blumen, freue -dich mit mir. Wirf nun Furcht und Sorge von dir, die uns den Genuß -verderben bis ans Ende des Lebens. Sammle ja alle zusammen, welche -Liebe dir verbindet, welche teuer dir in Freundschaft. Denn auf Erden -ist nichts sicher als des Todes herbe Schneide. Auch im Wechsel ist -die Zukunft.“ Phantasiebegabte Ethnologen haben bereits behauptet, -die Azteken und Mayas wären die verlorenen zehn Stämme Israel. Also -Tradition! Gleiche Anschauungen sollen sich im alten peruanischen -Drama „Ollanta“ finden. Sicher haben die Literaturen der meisten -Völker solche und ähnliche Ausbrüche von Menschenverzweiflung über das -Leben. Wie die Indier darüber dachten, haben wir an anderer Stelle zu -erörtern. Von den griechischen und römischen Lehren genügt es, zwei -Äußerungen hervorzuheben. Herakles sagt in der Alkestis zu dem um seine -Herrin trauernden Diener:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Den Menschen allen ist verhängt des Todes Los</div> - <div class="verse">Und ihrer keinem noch wurde geoffenbart,</div> - <div class="verse">Ob nur der Tage nächster sie am Leben trifft.</div> - <div class="verse">Denn dunkel ist, wohin des Schicksals Wege gehn,</div> - <div class="verse">Und nicht erlernbar, und die Kunst enthüllt es nicht ...</div> - <div class="verse">Erheitre dich und trinke, rechne diesen Tag</div> - <div class="verse">Für dein, das andre für des Schicksals Eigentum.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span></p> - -<p class="p0">Und als Hauptspruch den schon benutzten (ähnlich auch von Epicharmos):</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Sterblichen geziemt es, sterblich auch gesinnt zu sein.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und sicher fällt meinem Leser noch Horatius’ Ermahnung ein: „Quid -sit futurum cras fuge quaerere, quam fors dierum cunque dabit, -lucro appone.“ In einer Rezension des Gilgames-Epos der Babylonier -(vielleicht aus mehr als 2000 v. Chr.) sagt Sabitu (eine Göttin, die am -Rande der Welt wohnt) zum Helden:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Als die Götter die Menschen schufen,</div> - <div class="verse">Setzten sie den Tod für die Menschen ein,</div> - <div class="verse">Das Leben aber nahmen sie in ihre Hand.</div> - <div class="verse">Du, Gilgames, dein Leib sei gefüllt,</div> - <div class="verse">Tag und Nacht vergnüge dich!</div> - <div class="verse">Täglich mache ein Freudenfest!</div> - <div class="verse">Tag und Nacht tanz und juble usf.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Ähnliche Lehren finden wir in dem ägyptischen sogenannten Harfnerliede, -dessen Inhalt aus etwa 1700 v. Chr. stammt. Es wird geschildert wie -Menschen, Städte und Länder vergehen, und dann rät der Dichter:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Folge deinem Herzen, solange du lebst,</div> - <div class="verse">Leg Myrrhen auf dein Haupt und kleide dich in feines Linnen,</div> - <div class="verse">Gesalbt mit den ächten Wundern der Gottesdinge.</div> - <div class="verse">Sei noch fröhlicher, laß dein Herz nicht ermatten,</div> - <div class="verse">Folge deinem Herzen und deinem Vergnügen,</div> - <div class="verse">Verrichte deine Sachen auf Erden und quäle dein Herz nicht,</div> - <div class="verse">Bis jener Tag des Wehgeschrei’s zu dir kommt kommt —</div> - <div class="verse">Denn Osiris hört ihr Schreien nicht —</div> - <div class="verse">Und die Klage errettet niemanden aus dem Grabe.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Alles dieses klingt so allgemein menschlich aus urältester Zeit, und -klingt noch heute.</p> - -<p>Es ist nur ganz natürlich, daß der Mensch gerne sein Schicksal erkennen -möchte. Die Chaldäer vornehmlich haben dazu die <span class="gesperrt">Astrologie</span> -geschaffen, die sich aber fast überall auf der Erde vorfindet, sei es -daß die Gestirne, als Gottheiten, in ihrer Stellung bei der Geburt -und später, ihren Willen kundtun, sei es daß höhere Mächte das -Geschick wie Schrift am Himmel ordnen (<a href="#Seite_179">S. 179</a>). Es wird jedem Stern -an sich eine Bedeutung für das menschliche Wesen und für die Welt -beigemessen — wer denkt nicht an den Stern bei Christi Geburt!<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span> — -und auch in Verbindung mit den anderen Sternen. Und es gilt, aus der -Kombination der Sterne das Wahre zu erraten, oder am Himmel wie in -einem Buche zu lesen. Das verstehen nicht alle, sondern nur gewisse -Leute. Sonst hat die Menschheit noch die <span class="gesperrt">Orakel</span> der Gottheiten -ausgebildet, wofür die Griechen wohl die merkwürdigsten Beispiele -besitzen. Oder <span class="gesperrt">Wahrsagungen</span> durch Geister Verstorbener, oder -von weisen Männern und Frauen, — die Beschwörung der Hexe von Endor, -zu der der gewaltige und unglückliche Saul wandert, gehört hierher. — -Auch Zeichen an Tieren, namentlich bei den in dieser Hinsicht recht -törichten Römern, die sich von ihren eigenen Deutern verspotten lassen -mußten, oder solche an Gewitter, Wind und allen möglichen Begegnissen -spielen eine große Rolle. Von diesem allen zu sprechen ist nicht meine -Aufgabe. Die „Geheimlehre“ ist eine sehr ausgebreitete Wissenschaft -mit Horoskop, Beschwörung, Hölzchenwerfen, Kartenlegen und allem so -sonderbaren Unfug, Zauber und Spuk. Sie hat noch jetzt, wie die vielen -Prozesse zeigen, die dabei doch immer nur flagrante Fälle treffen, eine -außerordentliche Bedeutung in vielen, nicht selten geistig sehr wenig -gebildeten oder von Aberglauben durchsetzten Kreisen. Ich wüßte aus -meinen Kreisen die unglaublichsten Dinge zu erzählen, wie ein, an sich -ganz verständliches Drängen des Menschen, seine Zukunft und die Folgen -seines Tuns und Lassens zu erkennen, zu größten Albernheiten ausartet. -Wieviel Unheil die griechischen Orakel angerichtet haben, meist durch -Zweideutigkeit, oft auch durch Dienstfertigkeit gegen eine Person oder -einen Stamm, wie des delphischen Orakels gegen die Spartaner, ist -bekannt. Aber die erleuchtetsten Geister der Griechen haben doch an -sie geglaubt. Da ist es nicht zu verwundern, wenn Ägypter, Chinesen, -Amerikaner, Indier usf. gleichfalls an solche Dinge glaubten, und daß -Weissagungen zu Staatseinrichtungen wurden. Der delphische Gott hat -fast die ganze alte Kulturwelt, bis tief nach Asien hinein und bis zu -den Säulen des Herakles durch seine Aussprüche beherrscht. Wir kennen -deren eine große Zahl. Und wie gerne denkt man an die Prophezeiungen -der gewaltigen Propheten<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> mit ihrer so immensen ethischen und -religiösen Bedeutung! Und, in weitem Abstande freilich, doch zum Teil -von poetischem Geist getragen, stehen die sibyllinischen Weissagungen, -aus so viel späterer Zeit. Auch in den babylonischen, ägyptischen -und anderen Texten haben wir Prophezeiungen, namentlich aber viele -Beschwörungen von Göttern und Dämonen. So sehr bildeten diese einen -Bestandteil des Lebens, daß sie sich zu Formeln verdichteten, in die, -ähnlich wie bei den Bittliedern (<a href="#Seite_184">S. 184</a>), nur der jedesmalige Name des -Gottes oder Dämons des <span class="gesperrt">Beschwörenden</span>, oder desjenigen für den -etwas beschwört werden sollte, und die Bitte (z. B. um Heilung von der -und der Krankheit) einzutragen war. So beginnt ein babylonischer Text:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Ich rufe euch an, ihr großen Götter,</div> - <div class="verse">... Gott und Göttin, Herrn der Erlösung,</div> - <div class="verse">Wegen NN, Sohnes des NN, dessen Gott NN, dessen Göttin NN ist,</div> - <div class="verse">Der krank und zerschlagen, voll Trauer und Kummer ist.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und bei solcher Beschwörung wurden, harmlos genug, Blüten, Früchte, -Wolle usf. verbrannt. Eine der großen babylonischen Beschwörungen -unter dem Namen Ea und Atrahasis (<a href="#Seite_161">S. 161</a>), betrifft Unheil und Sünde, -die das ganze Land ergriffen haben, und Plagen, die Ellil gesandt -hat, richtet sich aber wesentlich auf Hilfe für schwangere Frauen. Ea -und Atrahasis scheinen die Helfenden zu sein. Selbst die Gottheiten -benutzen bei ihrem Tun Beschwörungsformeln; in demselben Text bilden -(symbolisch?) Ea und die Göttermutter Mami oder Aruru Wesen aus Lehm, -dabei spricht Mami eine Beschwörung und speit auf den Lehm. Bei -dieser Beschwörung spielen sieben „Mütter“ (man denkt unwillkürlich -an die Mütter im „Faust“) eine Rolle. Selbst Ormuzd bedient sich -einer Beschwörungsformel, des Honover, gegen Ahriman und stürzt ihn -dadurch zu Grunde. Die ungeheure Bedeutung des Spruches bei den -Indiern habe ich mehrmals hervorgehoben. Und der Römer konnte ohne -<span class="gesperrt">Abwehrformeln</span> überhaupt nicht leben; wie auch gegenwärtig der -Bauer, und nicht bloß dieser, gegen Beschreien, bösen Blick, Katzen, -die ihm über den Weg laufen u. a. Abwehrformeln murmelt oder sich -bekreuzigt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span></p> - -<p>Mit derartigen Anschauungen hängen dann die der <span class="gesperrt">Dies nefasti</span> -zusammen, der Tage, die an sich voll Unheil sind, und an denen nichts -unternommen werden darf, sowie ihrer Gegensätze, der <span class="gesperrt">Dies fasti</span>, -der guten Tage. Die Kalender in allen Teilen der Erde hatten die -Aufgabe, diese Tage anzumerken. Und Priester und Wahrsager wurden bei -großen und kleinen Unternehmungen benutzt, durch Vogelschau, Opfer -und sonstige Anzeichen festzustellen, ob der betreffende Tag dazu -auch geeignet sei. Die Geschichte der Völker ist voll von Beispielen -dafür. Auch die Sabbatvorschriften, für die die Bibel einen so -menschenfreundlichen und edlen Zweck angibt, die Ruhe von Mühe und -Arbeit für sich und alle anderen, selbst für das arbeitende Vieh, -beziehen sich anderweitig vielfach auf schlimme Tage. Ein babylonischer -Text, den man als Sabbatvorschrift bezeichnet und der in der Tat für -den 7., 14., 19., 21. und 28. des Schalt-Ellul das Kochen von Fleisch, -das Anziehen eines Hemdes, das Opfern, das Fahren, das Wahrsagen, das -Behandeln von Kranken, jede Unternehmung verbietet, wie etwa am Sabbat -der Hebräer, beginnt aber mit der Überschrift: „Ein böser Tag“. Es ist -also kein Sabbat, kein Sonntag, der ja ein feierlicher und glücklicher -Tag sein sollte und war und ist. Auch die Folge im Monat zeigt dieses; -zwischen dem 14. und 19. sind nur fünf, zwischen dem 19. und 21. gar -nur zwei Tage. Und unsere „Freitage“ und „Dreizehnten“! Selbst die -gleichfalls auf der ganzen Erde verbreiteten <span class="gesperrt">Speiseverbote</span> -gehören bis zu einem gewissen Grade hierher, soweit sie nicht -einheimischen Anschauungen ihre Entstehung verdanken. Doch kann ich -darauf nicht eingehen.</p> - -<p>Im ganzen nimmt die Freiheit des Menschen zu, wie die Zahl der -Gottheiten abnimmt und der monotheistische „Knecht Gottes“ ist sicher -freier als der polytheistische „Bildner“ seiner Gottheiten. Das liegt -auch daran, daß nicht, wie unter Menschen, mit der Macht des Einzelnen -die Unterdrückung und so oft auch die Ausnutzung wächst, sondern daß -der Glaube an die Fürsorge aus dem donnernden und gefürchteten Gott -einen, wenn auch strafenden, doch gütigen Vater im<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span> Himmel macht, trotz -der vielen Erfahrungen, die hier so bewegend widersprechen.</p> - -<div class="section"> - -<h4>22. <span class="gesperrt">Nachleben und Jenseits (Eschatologie) -der Kulturvölker</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir kommen zu einer recht schwierigen und umfangreichen Untersuchung, -aber einer von der höchsten Bedeutung. Wie die Naturvölker über -<span class="gesperrt">Nachleben</span> und <span class="gesperrt">Jenseits</span> denken, habe ich oft und eingehend -auseinandergesetzt (auch Abschnitt 14). Wir haben es jetzt mit den -Kulturvölkern zu tun. Daß auch bei ihnen Reste naturmenschlicher -Anschauungen auf diesem Gebiete in reichlicher Zahl sich finden, -habe ich gleichfalls schon dargelegt und mitgeteilt. In der Tat ist -im Grunde jedes Nachleben mit irdischem Fühlen, Denken und Bedürfen -an sich naturmenschlich, und nur die hinzukommenden ethischen Motive -und ethischen Veranstaltungen können Kulturelles begründen. So sehen -wir denn auch im allgemeinen rein Naturmenschliches mit Kulturellem -gepaart und gemischt. Drei Hauptanschauungen müssen wir vor allem -unterscheiden. In der einen Anschauung ist der Gestorbene für immer -tot, höchstens, daß er am Ende der Zeit auferweckt wird. Nach der -zweiten kann er als Dämon, Gespenst, Geist usf. aus gewissen Gründen -die Erde noch besuchen. Es handelt sich dann nur um Naturmenschliches, -das wir schon kennen. In der dritten Anschauung stirbt der Mensch -nur, um in anderer Gestalt wieder zu kommen. Das allgemeine Leben -ist kein einmaliges, sondern ein von Ewigkeit her bestehendes -Kommen und Scheiden der Seele, bis zum Eingehen in die letzte Ruhe -(Seelenwanderung, Metempsychose). Das ist dem nächsten Abschnitt -vorbehalten.</p> - -<p>Wir betrachten die erste Anschauung und müssen dabei sogleich ein -Volk gesondert behandeln, weil bei ihm die größten Zweifel noch -ungelöst vorhanden sind: die alten <span class="gesperrt">Hebräer</span>. Der bekannte -Pentateuchausdruck für das Sterben ist: „Sich zu den Vätern -versammeln“. Wie das animistisch gedeutet werden kann, ist bereits -ausgeführt (<a href="#Seite_106">S. 106</a>). Sonst finden wir die Angabe, die Seele oder der -Geist, Nephesch<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span> oder Ruach, als das von Gott dem Staubgebildeten -Eingehauchte, verlasse den Menschen im Sterben; der Leib werde zur -Erde. Der „Prediger“ in seinem Pessimismus sagt: „Allen Lebenden ist -Hoffnung, denn es ist besser um einen lebenden Hund als um einen toten -Löwen“. Und er spricht den Toten jeden Anteil ab „an allem, was unter -der Sonne geschieht“. Selbst den Lohn empfangen sie nicht, „sie wissen -nicht das geringste“. Das wäre also absoluter Tod. Aber wie unsicher -sich der „Prediger“ fühlt, zeigt die Äußerung: „Alles geht an einen -Ort, alles ward aus dem Staube und alles kehrt zurück zum Staube. Wer -kennt den Geist (Ruach) der Menschensöhne, ob er in die Höhe (Maala) -steigt, und den Geist des Viehs, ob er hinuntersinkt zur Erde (Arez)“. -Und diese Unsicherheit finden wir fast überall bei den alten Hebräern. -Der Aufenthaltsort des Toten ist der Scheol, Tachat; aber es ist schon -nicht gewiß, ob wir darin einen Hades, Orcus zu sehen haben oder nur -das Grab des Betreffenden. Das erstere scheint das allgemeinere, doch -sind die Epitheta auf Grab wie auf Totenreich anwendbar: die „Öde“, -die „Verborgenheit“, „einsame Gruft“ usf. Im Hiob, Kap. 10, wird vom -„Land der Finsternis und Todesschatten“ gesprochen, auch vom „Land -des Grauens, ein Dämmerungsdunkel, wo es graut wie Dämmerungsdunkel“. -Im Jesaias werden die „Pforten der Unterwelt“ (Schaare Scheol) -genannt. Und die Toten heißen „Bewohner der Nichtigkeit“. Solche und -ähnliche Angaben deuten wieder mehr auf eine besondere Unterwelt. -Die Geschiedenen werden meist als Rephaim, die Kraftlosen, Matten -bezeichnet oder als Zalmaweth, Schatten, Bilder; letzteres fast -genau den griechischen εἴδωλα entsprechend. Und überhaupt gleichen -diese Anschauungen in merkwürdiger Weise den griechisch-römischen, -ohne die späteren Ausschmückungen. Von Lohn oder Strafe sind in den -alten Schriften keine rechten Spuren zu finden. Bei bewußt- und -empfindungslosen Seelen würden sie auch keine Bedeutung haben. Um -so höher muß man eigentlich Anschauungen einschätzen, wenn sie die -Menschheit Recht, Sitte und Liebe lehren wollen, ohne Drohen mit ewigen -Strafen und ohne<span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span> Verheißung ewigen Lohnes. Auf Auferstehung der -Toten deuten Aussprüche wie Jesaias 26, 19: „So mögen aufleben deine -Toten, meine Leichen wieder erstehen: Erwachet und jubelt, Bewohner -des Staubes! Denn Tau auf Pflanzen ist dein Tau, aber die Erde wirft -Schatten nieder“. Erst nach der Rückkehr vom Exil scheinen sich die -Ideen von Hölle und Paradies zu bestimmten Anschauungen ausgebildet zu -haben. Schon solche Stellen wie Psalm 17, 15: „Ich aber werde schauen -in Gerechtigkeit dein Antlitz, der Wonne Fülle haben, wenn ich erwacht, -an deinem Bilde“. Psalm 16, 10, 11: „Denn nicht überläßt du meine Seele -(Naphschi) der Gruft (Scheol), lässest nicht deine Frommen schauen die -Grube (Tachat). Den Pfad des Lebens wirst du mir kundtun; Fülle der -Freuden ist vor deinem Antlitz, Wonne in deiner Rechten immerdar“. -Psalm 26, 9: „Raff meine Seele nicht mit Sündern hin, mit Blutmenschen -nicht mein Leben“ u. ä. deuten darauf hin. Man weiß nur von wenigen -Psalmen, wann sie gedichtet sind; manche meinen übertrieben, alle seien -erst nach dem Exil entstanden. Genauere Angaben finden sich in den -Apokryphen und den Pseudepigraphen. In dem zweiten Makkabäerbuch (wohl -kurz vor Christi Geburt geschrieben, vielleicht schon um 100 vor Chr.) -handelt Kap. 7 von dem Martyrium der sieben Brüder, die die katholische -Kirche unter ihre Heiligen aufgenommen hat (die Reliquien werden im -Kölner Dom gezeigt), und dabei von Auferstehung und Leben im Himmel. Im -Kap. 12 wird erzählt, wie Juda’s Leute bei den bei Adullam gefallenen -Juden „unter dem Hemde Zaubermittel von den Götzen aus Jamnia gefunden -hätten“. Um das zu sühnen, sammelte Juda Geld und sandte es als Opfer -nach Jerusalem, „indem er auf die Auferstehung Bedacht nahm. Denn hätte -er nicht erwartet, daß die in der Schlacht Gefallenen auferstehen -würden, so wäre es Torheit gewesen, für Tote zu beten. Sodann zog er -in Betracht, daß dem in Frömmigkeit Entschlafenen der herrlichste -Gnadenlohn aufbehalten sei“. Zwischen 150 vor Chr. und 40 nach Chr. -soll das „Buch der Weisheit Salomonis“ verfaßt sein. Darin heißt es -von<span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span> den Gottlosen: „Und nicht erkannten sie Gottes Geheimnisse, Noch -hofften sie einen Lohn des heiligen Wandels, Und wollten nichts wissen -von einem Ehrenpreis für makellose Seelen. Denn Gott hat den Menschen -zur Unvergänglichkeit geschaffen. Und ihn zum Bilde seines eigenen -Wesens gemacht. Durch den Neid des Teufels aber kam der Tod in die -Welt. Es erfahren ihn aber die, welche jenem angehören, der Gerechten -Seelen aber sind in Gottes Hand, und keine Qual kann sie berühren. -Nach dem Wahne der Unverständigen scheinen sie tot zu sein“. Nun kommt -etwas, das wie Glaube an Fegefeuer klingt: „Denn wenn sie auch nach -der Anschauung der Menschen gestraft werden, ist doch ihre Hoffnung -ganz von der Unsterblichkeit erfüllt. Und nachdem sie eine kurze Qual -überstanden haben, werden sie große Wohltaten erfahren, denn Gott hat -sie nur geprüft und hat sie seiner würdig befunden“. Das wird noch -weiter ausgeführt, und wie sie zuletzt auch die Heiden richten und über -die Völker herrschen. Es heißt dann: „Die Gottlosen aber werden ihren -Gesinnungen gemäß Strafe erleiden.“ Hier, und noch an anderen Stellen, -haben wir also Unsterblichkeit, Auferstehung, Belohnung nach dem Tode, -Läuterung, Strafe der Sünder. Alle Elemente, aus denen später das -Christentum die gewaltigen Dichtungen von Paradies, Hölle, Fegefeuer, -Auferstehung und Jüngstem Gericht geschaffen hat. Die Unsterblichkeit -ist jedoch noch an die Erfüllung von Gottes Geboten geknüpft. Und schon -im Daniel (vor 100 vor Chr.) heißt es in Kap. 12: „Und viele, so unter -der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, etliche zum ewigen Leben, -etliche zu ewiger Schmach und Schande. Die Lehrer aber werden leuchten -wie des Himmels Glanz, und die so viele Gerechtigkeit weisen, wie -die Sterne, immer und ewiglich“. Bald ist auch die Hölle als Gehinom -bekannt und das jüngste Gericht und ebenso die Totenbrücke (<a href="#Seite_192">S. 192</a>). -Der Talmud namentlich bildete die Lehren weiter aus. Interessant dafür -ist eine Legende. Ein römischer Kaiser fragte den berühmten Jehuda -Hanassi, wie das wäre; der Körper könne doch ohne Seele nichts, und die -Seele sei doch an sich ohne Leidenschaft;<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span> wer büße denn für Missetat. -Da antwortete der Talmudist mit einer Erzählung: Ein König hatte einen -Garten mit herrlichen Früchten und ließ ihn, um ganz sicher zu sein, -von einem Blinden und einem Lahmen bewachen. Aber der Lahme stieg auf -des Blinden Schultern, und indem er dessen Schritte lenkte, kamen -sie an die Früchte und stahlen sie. Wer war schuld? Der Blinde, der -die Früchte nicht sehen oder der Lahme, der nicht zu ihnen gelangen -konnte? Der König erkannte die List und bestrafte beide. „Ganz so wird -es auch Gott beim Jüngsten Gericht machen. Er wird die Seele wieder -in den Körper versetzen, damit sie gemeinsam der Strafe teilhaftig -werden für die Untaten, die sie eben gemeinsam verübt haben.“ Daß die -Bibel Menschen kennt, die weggenommen werden, wissen wir von Henoch -und Elias. Ich habe von dem vielen nur weniges anführen können. Was -steht nicht alles in dem wunderlichen und zum Teil so schönen Buche -Henoch (167–64 vor Chr.), an das die Apokalypse so sehr erinnert! Und -wie vieles in den älteren Büchern noch bis auf Jesaias! Und sicher sind -die späteren Ideen vom Leben nach dem Tode nicht ohne Anhalt an Lehren -der Bibel oder von Werken, die uns verloren gegangen sind, entstanden, -wenn man bedenkt, wie außerordentlich abweisend die Juden gegen -jedes Fremde, namentlich Heidnische, stets gewesen sind, trotz aller -äußerlichen Drangsale. Die Ideen des <span class="gesperrt">Christentums</span> vom Leben nach -dem Tode brauche ich nicht auseinanderzusetzen; wir kennen sie alle, -haben sie in der gewaltigen „Göttlichen Komödie“ und in unzähligen -malerischen Darstellungen.</p> - -<p>Ea-bani, Gilgames’ Freund, träumt einen schweren Traum; ein Dämon -führt ihn in die „Behausung der Finsternis, die Wohnung Irkallas (des -Totengottes)“</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Nach der Behausung, die man betritt ohne wiederum hinauszugehen,</div> - <div class="verse">Nach dem Wege, dessen Bahn sich nicht zurückwendet,</div> - <div class="verse">Nach der Wohnung, dessen Bewohner das Licht entbehren,</div> - <div class="verse">Wo Erde ihre Nahrung, Lehm ihre Speise;</div> - <div class="verse">Bekleidet sind sie wie Vögel mit Flügelkleide</div> - <div class="verse">Und das Licht schauen sie nicht, in Finsternis wohnen sie.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span></p> - -<p class="p0">Das ist die erste <span class="gesperrt">babylonische</span> Beschreibung der Unterwelt -und ihrer Toten. Und es finden sich in der Unterwelt alle Menschen: -Tiarenträger, Hohepriester und Priesterknechte, Beschwörer und -Bettelpriester, Helden und Feige. Eine fast wörtlich gleiche -Beschreibung gibt die berühmte „Höllenfahrt der Istar“. Die Unterwelt -heißt Kurnugea (Land ohne Rückkehr). Und die Todesgöttin Ereskigal -selbst sagt, daß das Los der Toten bejammernswert ist. Warum Istar -die Unterwelt besucht, ist nicht gewiß; sie erzwingt sich vom -Pförtner Einlaß durch die Drohung, die Tore zu sprengen und die Toten -herauszulassen. Auf Ereskigals Befehl öffnet der Pförtner und soll -Istar „gemäß alten Geboten“ behandeln. Durch sieben Tore muß sie -wandeln und an jedem wird ihr vom Pförtner ein Teil ihres Schmuckes -und ihrer Bekleidung fortgenommen. Als sie vor der Todesgöttin steht, -ist sie gänzlich entblößt. Sie fährt drohend gegen diese auf, wird -aber auf deren Befehl vom Vezier Namtar, der auch Krankheitsdämon ist, -eingeschlossen und mit sechzig Krankheiten behaftet. Da hört alle -leibliche Liebe auf Erden auf und alle Befruchtung und Fortpflanzung. -Samas weint darob vor Sin (Mondgott und Istars Vater) und Ea, und -letzterer schafft einen babylonischen Orpheus, Asusu-namir, einen -Spielmann. Dieser soll vor Ereskigal spielen, bis sie sich erfreut, -und dann den Schlauch mit dem Lebenswasser verlangen. So geschieht’s. -Ea’s Geschöpf wird zwar wegen der angewandten List verflucht, der -Niedrigsten Niedrige zu sein. Aber er erhält den Schlauch, Istar -wird vor die Annunaki (Richter in der Unterwelt) geführt, mit dem -Lebenswasser besprengt und aus der Hölle entlassen. An jedem Tore -empfängt sie die ihr dort abgenommenen Gegenstände. Das Gedicht ist -in starker Unordnung, Greßmann meint, durch Schuld des Abschreibers. -Am Schluß steht etwas, das darauf schließen läßt, daß die Toten -auch zur Erde emporsteigen, und zwar in den Klagetagen des Tamuz -(Dumuzi), des babylonischen Adonis, den seine Schwester Belili (eine -Unterweltsgöttin, anstatt Aphrodite) beweint. Der Unterweltsgott -ist Nergal; er ist es in sonderbarer Weise geworden. Die Götter -veranstalten ein<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> Mahl; da Ereskigal die Unterwelt nicht verlassen -darf, soll sie sich das Essen holen. Sie sendet ihren Vezier Namtar -hinauf. Alle Götter erheben sich vor ihm, nur Nergal (Gottheit alles -Schlimmen, der Sonnenglut, des Krieges, der Pest) bleibt sitzen. -Darüber ergrimmt die Todesgöttin und verlangt Nergals Auslieferung, -um ihn zu töten. Nach großem Jammern wird Nergal seinem Schicksal -entgegengesandt. Aber er nimmt sich vierzehn Geister mit und läßt -von jedem ein Tor der Hölle bewachen (hier sind also vierzehn Tore -vorhanden, nicht sieben). Nun stürmt er auf Ereskigal los und will sie -seinerseits töten. Auf ihr Bitten jedoch läßt er sie leben. Sie gibt -die „Tafeln der Weisheit“ (?) in seine Hand und wird seine Gattin, er -wird dadurch Gott der Unterwelt. Nergals Hauptkultort ist Kutha (wie -Marduks Babylon), danach heißt die Unterwelt auch Kutha. Es gibt noch -mehr babylonische Unterweltsberichte, aber neues ist nicht zu ersehen. -Die Unterwelt entspricht etwa dem Hades-Orcus. Totenrichter sind -vorhanden (die Annunaki), ein Totengott und eine Totengöttin herrschen, -eine Schreiberin und Dämonen aller Übel stehen ihnen zur Seite. Alfred -Jeremias sagt: „Die Anzeichen häufen sich, daß die Babylonier mit ihrem -Unsterblichkeitsglauben die Anschauung von einem Strafgericht bzw. -von einer Strafbefreiung nach dem Tode verbunden haben“. Und das ist -wirklich alles, was man einstweilen behaupten kann.</p> - -<p>Mehr wissen wir von den <span class="gesperrt">Ägyptern</span>. „Pyramidentexte“ (Zaubertexte, -die zwischen 2600 und 2500 v. Chr. in den Grabkammern der Pyramiden -eingegraben wurden, die toten Könige für das Jenseits auszurüsten) -und das „Totenbuch“ (wohl ebenso alt, vielleicht noch älter und dem -gleichen Zwecke dienend) geben Auskunft. Außerdem unzählige bildliche -Darstellungen. Das unterirdische Totenreich ist Amenti, das „Westland“, -oder Achernuti, die „heilige Unterwelt“, oder Aalu, „Schlangenfeld“. -Außerdem ist eine Art Elysium vorhanden, wie Sonnenberg, Am-Sesennu. -Doch kann das Totenreich auch jene Tiefe, untere Welt, Dat, sein. Sie -ist mit Dämonen und Ungetümen erfüllt. Der Tote, der sie von West nach -Ost zu durchwandern hat, muß sich durch<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> alle Gefahren winden, und -besteht sie nur bei richtigem Kult auf Erden für ihn (<a href="#Seite_102">S. 102</a>). Sein -Geleiter ist Anubis (daher Hermes-Anubis, Hermanubis bei den Griechen). -Dieser hat ihn auch auf der Totenbarke über ein Wasser (entsprechend -dem Acheron) zu fahren. Alle Gegenstände, die der Tote trifft, selbst -die leblosen, muß er auf ihre Anfrage bei Namen nennen (<a href="#Seite_105">S. 105</a>). -Ist er zu den „Hallen der Wahrheit“ gelangt, so richten ihn Thot -und Anubis. Und Osiris, der eigentliche Herrscher der Tiefe, mit 42 -Richtern künden das Urteil. Ein ungünstiges vernichtet den Toten ganz. -Oder es treibt ihn zu Qualen, oder auf die Erde in Tiere, oder in die -Luftregion. Dort wird seine Seele von Stürmen gepeitscht und allmählich -geläutert (also eine Art Fegefeuer). Ein günstiges bringt die Freuden -des Jenseits. Der Tote zieht zum Sonnenberg (<a href="#Seite_181">S. 181</a>) im Osten (eine -Art Paradies), darf aber überhaupt seine Zukunft beliebig wählen (<a href="#Seite_102">S. -102</a> f.). Im Totenbuch heißt es (der Tote spricht): „Ich bin angekommen -in dieser Welt der leuchtenden Geister, nämlich der Götter neben der -Sonnenwohnung“. „Offen stehen mir die Türen des Himmels, offen mir -die Türen der Erde, offen mir die Riegel des Erdgottes Qeb, offen das -erste Haus (die erste Zone des Sonnenlaufes).“ Bekannt ist, daß der -Tote sich mit jeder der Gottheiten identifiziert. „Ihr Vordergötter -reicht mir eure Hände; ich bin nämlich geworden zu dem, was ihr seid.“ -In unendlichen Wiederholungen spricht der Tote: „Ich bin Rā“, „ich -bin Tum“, „ich bin Osiris“ usf. und vindiziert sich alle Eigenheiten -des betreffenden Gottes, als sei er selbst dieser Gott. „Ich der Gott -Atumu, ich bin der Seiende. Ich war allein.“ „Ich bin der Lichtgott Rā -in seinen ersten Aufgängen.“ „Ich bin Gott, der Große, das Werden, er -selber.“ „Ich bin der gestrige Tag, ich kenne auch den morgenden Tag, -das ist Osiris.“ Lepsius sagt: „Der Gedanke lag durchgehends zugrunde, -daß der reine und gerechte Mensch zugleich ein Einzelwesen und zugleich -der höchste Gott selber sei, oder nur freiwillig die Existenz und Form -des einzelnen Menschen angenommen habe, mit dessen Tode aber in seine -göttliche Existenz zurückkehre... Der Gerechte würde also nach dem Tode -zum<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> Gotte, er ginge in Gott selbst über.“ Vielleicht eilt das etwas zu -hoch; es entspräche dem Gedankenkreise der doch bei weitem tiefsinniger -und ethischer denkenden Indier.</p> - -<p>Wenden wir uns zu den <span class="gesperrt">Ariern</span>, so haben die eben genannten -<span class="gesperrt">Indier</span> ihr Paradies mit allen Wonnen, ihre Hölle mit allen -Qualen aufs ausschweifendste ausgestattet. Wo die Gefilde der Seligen -liegen, und wo die Orte der Schrecken, ist schon erwähnt (<a href="#Seite_176">S. 176</a>). Das -höchste Paradies, das rein geistige, ist die Nirvana, von der später -gesprochen wird. Das göttlich-menschliche Paradies ist angefüllt mit -Gandharvenjungfrauen, schöngeformten Asparasen, prachtvollen Blumen und -Bäumen, Eß- und Trinkhäusern; überall Tanz, überall Gesang, Schatten, -Duft. In Sänften, auf Wagen und Elefanten kommen die Seligen zur -Behausung Yamas, des Herrschers, dessen Antlitz schöner als Lotos. -Und viele Paradiese sind übereinander, mit steigender Seligkeit, zu -denen die Menschen nach ihrem inneren Wert schweben. Die Hölle ist -grauenvoller, als die Paradiese schön sich bieten. Sie besteht aus mehr -Abteilungen untereinander als das Paradies übereinander; jeder Art von -Verbrechen ist eine Hölle zugewiesen. Eigenartig berührt es, daß die -Frauen den Männern in die Hölle folgen müssen, ob auch in das Paradies, -weiß ich nicht. Eine hübsche Sage im Krishnajogâras erzählt Wollheim -da Fonseca: „Einst floh eine von Tigern aufgescheuchte Gazelle aus dem -Walde, um ihr Leben zu retten, dem Palaste des Königs zu. Als der Fürst -sie kommen sah, erwachte die Jagdlust, und aufspringend tötete er die -Gazelle rasch mit dem Schwerte. Also brachte der König die bei ihm -Schutz Suchende um. Deshalb ist er mit seiner Gattin von dir (nämlich -dem Totenrichter Yama) zu bestrafen. Darauf ward nun der Fürst samt -seiner Gemahlin in die Hölle gebracht“. Der gleiche Verfasser teilt -auch nach dem gleichen Werke eine Schilderung der Höllenstrafen mit, -die ein erlöster König gibt: Hunger, Durst, Liegen in glühenden oder -umflammten Eisenbetten, Umarmen von Feuersäulen, Besprengtwerden mit -Höllenstein, auf Dornen wandeln, von Blutströmen überflossen werden, -von Tieren fortwährend zerrissen<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span> werden sind noch das Mildeste. Dante -hat nichts Schrecklicheres gesehen als jener indische König. Yama ist -der Totenrichter, Tschitraguptas der Toten-Staatsanwalt, Zeugen sind -— außerordentlich schön gedacht — Sonne, Mond, Feuer, Äther, Erde, -Wasser, sogar Tageszeiten und Gesetz. Als Diener fungiert Tschandas mit -andern. Die Dauer der Höllenstrafe richtet sich nach dem Verbrechen, -die geringste beträgt 26 Jahre, die längste 800 Millionen Kalpas (zu -432 Millionen Jahre gerechnet), also bei weitem mehr als die Welt -selbst besteht. Eine vorzeitige Befreiung kann „durch Gebet, Opfer und -fromme Spenden der Nachkommenschaft“ (oder anderer) erzielt werden, -was bis zu einem gewissen Grade mit katholischen Lehren übereinstimmt. -Nach Verbüßung der Strafe tritt die Möglichkeit einer Läuterung ein, -indem die Seele eine Wanderung durch Körper unternimmt; sie beginnt -meist mit dem niedrigsten Tier und steigt zum Menschen empor, zunächst -in die verachtetste Kaste, um dann, wenn sie sich in Tugend bewährt, zu -den höheren Kasten und zuletzt in das Paradies (<a href="#Seite_181">S. 181</a>) zu gelangen. -Doch läutert auch schon ein heiliger Ort. Wie ein Sünderpaar, das aus -der Hölle entlassen zu Heuschrecken wurde und durch einen Sturm in den -Ganges geweht und in diesem so heiligen Wasser ertrunken war, sogleich -in das Paradies einging. Wir kommen darauf zurück. Die Anschauung von -der Hölle (späterer Name Naraka) ist viel jünger als die vom Paradiese. -In dem Rigveda wird nur allgemein von jener gesprochen, als von einem -tiefen Ort, dem Orte der niederen Finsternis, der Grube (Karta). -So heißt es IX, 73: „Der weise Hüter des Gesetzes läßt sich nicht -hintergehen, er hat Krinigar (das Gewissen) ins Herz gelegt; wissend -sieht er auf alle Dinge und schleudert die Bösen und die Ruchlosen in -die Grube“. Auch von dem Verschlungenwerden durch einen Wolf oder von -vieräugigen grauen Hunden nach dem Tode ist die Rede. Ebenso allgemein -sprechen die Upanishaden: „Es gibt in der Tat jene unseligen Welten, -welche in dichte Finsternis gehüllt sind; Menschen, die unwissend, -nicht erleuchtet sind (also Frevler), gehen nach ihrem Tode zu diesen -Welten“. Von Interesse ist,<span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span> daß hier auch der Totenweg erwähnt sich -findet, der später als Brücke bezeichnet wird, also Totenbrücke ist. -„Derselbe Pfad führt entweder zu den Göttern oder zu den Vätern. Auf -beiden Seiten brennen immerdar zwei Flammen; sie versengen den, der -verdient versengt zu werden, und lassen den vorübergehen, der verdient -vorüberzugehen.“</p> - -<p>Die Jenseitslehre, Eschatologie, der Indier ist mit dem obigen bei -weitem nicht abgeschlossen, wir werden ihr bald wieder begegnen. -Die der <span class="gesperrt">Eranier</span> stellt sich relativ einfach dar. Drei Nächte -verweilt die Seele bei dem Körper zu seinen Häupten; in Lust und -Wonnen, wenn der Geschiedene gerecht gelebt hat, in Übelbefinden -und Abscheulichem, während der Dev Vajis, der Höllenwächter, sie -ständig mit Schrecken ängstigt, bei dem Ungerechten. Dann geht es -auf gefahrvollen Wegen zu der noch gefahrvolleren Cinvatbrücke, der -Totenbrücke (<a href="#Seite_176">S. 176</a>). Dort wird die Seele von Roshnu, dem Gerechten, -nach ihrem Übeltun und Wohltun gewogen. Für die gutbefundene Seele -weitet sich die Brücke viele Speerbreit, und jene geht ein nacheinander -in die vier Paradiese der guten Gedanken, guten Worte, guten Taten, -endlosen Lichter, und bleibt im letzten vor Ahuramazda in ewiger -Freude. Die Seelen der Guten (Ferver, Fravardin, Fravashi) sind -die Helfer Ahuramazdas im Kampfe gegen das Böse. Der Gott sagt zu -Zarathustra (im Fravardin Yasht): „Wenn die starken Schutzengel der -Tugendhaften mir nicht Beistand leisten würden, dann würden Vieh und -Menschen, die beiden letzten der hundert Klassen von Wesen, für mich -nicht mehr existieren, dann würde des Teufels Macht, des Teufels -Ursprung beginnen, die ganze lebendige Schöpfung würde dem Teufel -gehören“. Eine so hohe aktive Bedeutung haben die Guten. Den Schlechten -zieht sich die Brücke fadenbreit zusammen und sie stürzen in die -Hölle. Der Dämon Vizaresha schleppt sie dahin. Die Totenbrücke ist vom -späteren Judentum und wahrscheinlich auch von den Arabern übernommen. -In einem hebräischen Werke des 10. Jahrhunderts, das aber, wie Max -Müller sagt, „Bruch<span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span>stücke viel älteren Datums enthält“, heißt es: -„In dieser Stunde (des Jüngsten Gerichts) ruft Gott die Götzen der -Völker ins Leben zurück, und er sagt: ‚Jedes Volk gehe mit seinem Gott -über die Brücke des Gehinom, und wenn sie über dieselbe gehen, so -wird sie ihnen wie ein Faden erscheinen und sie fallen in das Gehinom -hinunter‘.“ Diese jüdische Ansicht soll nicht von den Mohammedanern -entlehnt sein, also wohl von den Persern. Die Eranier kannten auch ein -jüngstes Gericht und eine <span class="gesperrt">Auferstehung</span>, <span class="gesperrt">Apokatastase</span>, -die mit dem Weltende (<a href="#Seite_166">S. 166</a> f.) verbunden wird. Die Auferstehung -beginnt mit den Urwesen, Urmenschen und dauert 57 Jahre. Sie ist -eine körperliche: „Von der Erde werden die Knochen, vom Wasser das -Blut, von den Bäumen die Haare, vom Feuer der Lebenshauch, wie sie -in der Schöpfung ergriffen worden sind, zurückgefordert“. Die Seelen -erkennen die wieder aufgebauten Körper. Dann werden die Frommen von -den Gottlosen getrennt. Jene kommen in den Himmel, diese erleiden drei -Tage und drei Nächte körperlich in der Hölle Strafe. Darauf werden -alle Sünder in den durch den Weltbrand geschmolzenen Metallen (<a href="#Seite_166">S. 166</a>) -gereinigt. Die Frommen sollen die Schmelze nur wie warme Milch fühlen, -die Gottlosen aber wie glühende Schmelze. Und alles lebt vor Ahuras -Angesicht. Die Weltschlange Dahaka geht in der Schmelze unter, Ahriman -stürzt in die Tiefe. Ein allgemeines Opfer leitet die neue selige Zeit -ein. Jedenfalls haben wir es mit einem Unsterblichkeitsglauben zu tun. -Was Xenophon dem hinscheidenden Kyros in den Mund legt: „Mag ich nun -bei der Gottheit oder nichts mehr sein“, ist nicht persisch gedacht, -sondern griechisch-philosophisch.</p> - -<p>Die Anschauungen der <span class="gesperrt">Griechen</span> und <span class="gesperrt">Römer</span> von Unterwelt und -Paradies sind so bekannt, daß nur das Bedeutendste gesagt zu werden -braucht. Daß sie bis zu einem gewissen Grade den Anschauungen der -Hebräer gleichen, habe ich schon hervorgehoben (<a href="#Seite_183">S. 183</a>). Jedenfalls -sind sie im allgemeinen unerfreulich und wenig von ethischem Geiste -getragen. Vergehen gegen die Götter und Wohltun gegen die Götter -spielen eine bei weitem größere Rolle als Böses gegen die Menschen und -Gutes gegen sie. Indessen büßen die<span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span> Danaiden doch für Gattenmord, und -heißt es von dem milden Menelaos in der Odyssee:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Doch dir ist nicht geordnet, du göttlicher, o Menelaos,</div> - <div class="verse">Im roßweidenden Argos den Tod und das Schicksal zu dulden,</div> - <div class="verse">Nein, dich führen die Götter dereinst an die Enden der Erde,</div> - <div class="verse">Zu der elysischen Flur, wo der bräunliche Held Rhadamanthys</div> - <div class="verse">Wohnt und ganz mühelos leben die Menschen;</div> - <div class="verse">Nimmer ist Schnee da, noch Winterorkan, noch Regengewitter;</div> - <div class="verse">Ewig weh’n die Gesäusel des leis anhauchenden Westes,</div> - <div class="verse">Die Okeanos sendet, die Menschen säuselnd zu kühlen.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Maßvoll wie der Grieche immer ist, sind auch seine Höllenstrafen -nicht so übertrieben und seine Paradiesesfreuden wesentlich Ruhe und -sorglose Bequemlichkeit. Doch kommen Menschen auch zu den Göttern -in den Olymp, steigen zu der Höhe der Halbgötter (es genügt, an -Herakles zu erinnern) oder werden als Gestirne an den Himmel versetzt. -Andererseits kennen die Griechen eine besondere Hölle sogar für Götter, -den Tartaros (<a href="#Seite_172">S. 172</a>). Eine Art Vorhölle ist die Asphodeloswiese, auf -der die Nichtschlechten = Nichtguten schattenhaft irren (<a href="#Seite_172">S. 172</a>). -Daß Menschen aus der Unterwelt auch zum Leben zurückgeführt werden -können, beweist das Beispiel der Alkestis. Bei Eurydike mißlingt dieses -nur durch Orpheus’ Unvorsichtigkeit. Erst spätere Zeit faßte das -Nachleben vom ethischen Standpunkte auf. Pindar hat viele Anspielungen -darauf. Seltsam berührt darunter die Behauptung, daß Menschen, -welche unglücklich gelebt haben, und doch rechtlich geblieben sind, -nach achtjähriger Läuterung im Hades von Persephone zur Welt wieder -entlassen werden, um dort starke, kluge und glückliche Regenten zu -werden. Das alles gehört zur Unsterblichkeit der Seele, die übrigens -Pindar auch ausspricht, und von der ja auch so viele Griechen überzeugt -waren. Aber darauf kommen wir noch zurück. Die Mysterien scheinen -wesentlich den Eingeweihten Hoffnung auf ein frohes Jenseits geboten -zu haben. Aussprüche von Platon, Sokrates, Cicero und anderen deuten -darauf hin. Polygnotos soll in Delphoi die Unterwelt dargestellt -haben. Trotz allem ist die Haltung der Griechen in der Frage der -Unsterblichkeit eine schwankende, selbst wenn wir von gewissen<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span> -überhaupt alles verneinenden Philosophen absehen. Oft schrumpft die -Unsterblichkeit zu dem bildlichen Bleiben des Ruhmes usf. zusammen. -Aber gewaltige Verfechter der Unsterblichkeit haben wir in Pythagoras, -Pindaros, Sokrates, Platon u. a., selbst in den Naturphilosophen -(<a href="#Seite_231">S. 231</a> f.).</p> - -<p>Die Römer haben manche Anschauung von den <span class="gesperrt">Etruskern</span> -übernommen. Diese aber müssen eine Unterwelt voll Schauern gehabt -haben, wie wir aus den Bildern ihrer Grabkammern schließen können, -in denen entsetzliche Dämonen mit Schwertern, Hämmern, Feuerbränden -u. a. die Toten verfolgen, und aus der zahlreichen Schar ihrer -Unterweltsgottheiten. Ich darf auf das so schöne Werk von Dennis, -„Cities and Cimeteries of Etruria“ und auf das von K. O. Müller „Die -Etrusker“ verweisen. Wir wissen aber von der eigentlichen Religion -der Etrusker gar zu wenig und das Wenige gar zu unsicher, da dieses -Volk so auffallend vieles von den Griechen übernommen hat, selbst -Namen der Gottheiten (wie Aplu für Apollon). Mantus und Mania sollen -Pluton und Persephone entsprechen, Charun ist Charon. Vieles ist rein -naturmenschlich; und naturmenschlich, zum Teil mit allen Greueln, -war auch der Totenkult. Ich weiß nicht, wo ich einmal gelesen habe, -daß Dante seine furchtbare Phantasie in der Ausmalung der Hölle -seiner toskanischen Abstammung zu verdanken habe. Das Elysium der -Etrusker scheint im ungestörten Genuß der Lebensfreuden — namentlich -Tafelfreuden sind dargestellt — bestanden zu haben.</p> - -<p>Der Orcus des synkretistischen <span class="gesperrt">Römers</span> ist bald die Unterwelt, -bald der in schrecklicher Gestalt angenommene Todesgott. Wenn man an -den griechischen Todesgott, Thanatos, an den milden Bruder des Schlafes -denkt, wird man kaum umhin können, die an Orcus sich knüpfenden -Schauer als aus Etrurien überkommen anzusehen. Rom war ja eine -Zeitlang in Etruskischer Abhängigkeit, fast etruskische Bundesstadt. -Dis pater und Proserpina sind die römischen Pluton und Persephone. -Die Menschenopfer, die in Latium dem Dis (auch dem Saturn, Vater des -Dis), ebenso noch anderen Unterweltsdämonen, gebracht wurden und die -Herkules durch<span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span> Opfer von Bildern, Puppen, Mohnköpfen usf. abgelöst -haben soll, würden vielleicht auch auf etruskische Rechnung zu setzen -sein, wenn die Römer und Griechen nicht überhaupt Menschenopfer geübt -hätten (<a href="#Seite_97">S. 97</a>). Indessen soll in der Tat Dis pater oder Vatis eine -etruskische Unterweltsgottheit gewesen sein, wie auch die etruskische -Mania den Römern als Unterweltsgottheit diente. Von den Geistern der -Verstorbenen habe ich bereits gesprochen (<a href="#Seite_97">S. 97</a> f.). Alles andere ist -fast ganz den griechischen Anschauungen nachgebildet, wenn es nicht -überhaupt graeco-italischer Gemeinbesitz war. Die Unterweltsfahrt -des Äneas bei Virgilius weicht, trotz der Nachahmung derjenigen des -Odysseus, von dieser in manchen Beziehungen ab; der späte Dichter wird -vieles hinzugeklügelt haben, um seine Erzählung mit neuem Schmuck zu -durchwinden. Und Virgil ist der Führer Dantes, so weit er als Heide -gehen darf, bis er von der Engelsgestalt der Geliebten Beatrice -abgelöst wird. Virgils Paradies ist also auch nicht unser Paradies, -sondern das griechische, seine Hölle hat aber einige Züge zu Dantes -Hölle geliefert. Lucanus, der Dichter der Pharsalia, soll einen -wirklichen Teufel der Unterwelt gekannt haben, einen Beelzebub.</p> - -<p>Die Unterwelt, das Niflhel der <span class="gesperrt">Germanen</span>, Hels Nebelreich mit den -Giftströmen kennen wir bereits (<a href="#Seite_173">S. 173</a>). Nastrand, Leichenstrand, heißt -diese Welt auch.</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Einen Saal sah ich stehen, der Sonne fern,</div> - <div class="verse">Auf Nastrands Flur; nordwärts stehen die Türen,</div> - <div class="verse">Es fallen Gifttropfen hinein durchs Fenster;</div> - <div class="verse">Dieser Saal ist geschmückt mit Schlangenhäuten. —</div> - <div class="verse">Da sah ich waten durch schlammige Ströme</div> - <div class="verse">Meineidige Männer und Mordgesellen</div> - <div class="verse">Und die eines andern Geliebte verführten,</div> - <div class="verse">Da saugt Nidhoggr die Leichen der Toten,</div> - <div class="verse">Es zerfleischt der Wolf die Männer.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Ähnlich sind andere Schilderungen. Die Totenherrscherin Hel, auch -Hellia, ist Tochter Lokis und der Schwester des Fenriswolfes und -einer „ungeheuren Schlange“. Und nichts gibt sie zurück, was ihr -zukommt. Selbst die Götter können ihr niemand entreißen, Baldr war -ihr verfallen. Übrigens wird die<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span> obige Schilderung der Voluspa schon -von christlichen Elementen durchsetzt sein. Spätere Sagen schmücken -Hel und Hels Reich weiter mit Furchtbarem aus. Hel ist halb schwarz -halb weiß; was sie besitzt, drückt unersättliche Gier aus. Zu ihrem -Reich führt nach neun Tagen Weges, der durch dunkle, tiefe Täler -geht, die die Dunkelelfen bewohnen, über den Fluß Giöll eine mit Gold -gedeckte Brücke, die eine Jungfrau Modgudhr, Seelenkampf, bewacht. -Den Fluß Giöll stellt Jakob Grimm mit der Lethe in Parallele. Die -Toten fahren oder reiten hin. So haben wir eine wirkliche Höllenfahrt -der Brunhild, und auch ein „Helreidr“ dieser Walküre, und das -Sternbild der Wagen (der große Bär) soll zuweilen Helwagen heißen. -Hel bedeutet übrigens die Göttin wie den Ort, was auch bei Hades und -Orcus der Fall ist. Die ursprüngliche Anschauung von diesem Reich -wird wohl einfach die eines Nebellandes gewesen sein, ähnlich der -homerischen vom Hades, eines Aufenthaltes der Toten allgemein, da -selbst Gottheiten hinziehen wie Baldr und Brunhild. Die Hölle wird -sogar als Herberge, Gasthaus, Valhöll, bezeichnet. Doch scheint die -Absonderung der auf dem Schlachtfelde gefallenen Helden zum Aufenthalt -im Göttersaal Odins, in Walhall, gleichfalls alt zu sein. Später -sind die Fürsten noch hinzugefügt, wovon schon die Vala in der Edda -spricht. Einen eigentlichen Todesgott hatten die Germanen nicht. Doch -sendet Odin seine Walküren in die Schlacht, die gefallenen Helden zu -ihm zu geleiten. Daß Wasser- und Meergeister, wie die Meergöttin Rân, -Menschen in den Tod ziehen, ist ein naheliegender Gedanke. Der Tod als -tötende Person ist eine späte Anschauung des Christentums; der ihm -gleichbenannte griechische θάνατος nimmt nur die Toten an sich. Und so -sind auch unsere so ergreifenden Totentänze ohne Beispiel im Altertum. -Ebenso ist der Höllenfürst eine späte, vielleicht dem Parsismus unter -Vermittlung des Judentums entnommene Anschauung (<a href="#Seite_149">S. 149</a> f.). Aus allem -aber ist zu ersehen, daß die Germanen, wenn nicht eine allgemeine, -doch mindestens eine partielle Unsterblichkeit kannten. Und es ist -bemerkenswert, daß die Walhall bewohnenden Helden fast die<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span> Aufgabe der -eranischen Fravarshis (<a href="#Seite_192">S. 192</a>) haben, der Gottheit im letzten Kampfe -beizustehen.</p> - -<p>Von der <span class="gesperrt">slawischen</span> Eschatologie weiß ich nichts zu sagen, bis -auf das schon erwähnte Naturmenschliche (<a href="#Seite_85">S. 85</a> f.).</p> - -<p>Den <span class="gesperrt">Kelten</span> werden Anschauungen beigemessen, die denen der Indier -von der Seelenwanderung entsprechen. Gewährsmann ist freilich Cäsar. -Wir haben davon schon gehandelt (<a href="#Seite_94">S. 94</a>), und kommen darauf noch zu -sprechen (<a href="#Seite_216">S. 216</a>).</p> - -<p>Wir kehren nach Asien zurück, um nur noch einiges zu behandeln. Der -heidnischen <span class="gesperrt">Araber</span> Anschauungen waren rein naturmenschliche. -Mohammed jedoch hat unter dem Einfluß des Judentums und Christentums -eine Hölle und ein Paradies gelehrt; zwischen beiden einen Damm, auf -dem sich die Nichtschlechten = Nichtguten befinden, wie das Christentum -eine Hölle für die guten Heiden besitzt. So heißt es in Sure VII, Vers -39 ff. des Korans von der Sünde: „Ihnen sei Dschahannam, der Pfuhl, -und über ihnen seine Decken (aus Feuer), und also belehren wir die -Sünder“. „Diejenigen aber, welche glauben und das Rechte tun — nicht -belasten wir eine Seele über Vermögen — jene sollen des Paradieses -Gefährten sein und darin ewig verweilen.“ „Und zwischen ihnen ist eine -Scheide; und auf den Wällen sind Männer, die Alle an ihren Merkmalen -erkennen (die Höllengefährten sind schwarz, die Paradiesesgefährten -weiß); und sie rufen den Paradiesesgefährten zu: ‚Friede sei auf -euch‘, sie können es aber nicht betreten, wiewohl sie es begehren. -Und so ihre Blicke zu den Gefährten des Feuers gewendet werden, -sprechen sie: ‚Unser Herr, bring uns nicht zu den Ungerechten‘.“ Der -Koran kennt auch eine Auferstehung. Die Überlieferung, Sunna, hat -Mohammeds Lehren viel interpretiert und näher ausgeführt. So wird der -Tote schon im Grabe von Munkir und Nakir unter Folterung verhört. -Der dabei Rechtbefundene verbleibt in Ruhe und atmet Paradiesesluft, -der Sünder wird mit Keulen geschlagen und mit dem Grabe zerdrückt -(Eranische Sage <a href="#Seite_192">S. 192</a>). Am Tage des Jüngsten Gerichts wird vom Engel -Israfil die Posaune des Schreckens und die des Gerichts geblasen, da -vergeht zunächst alle noch lebende<span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span> Kreatur. Nun versammeln sich alle -Seelen und gewinnen jede ihren Körper wieder, Mohammed erscheint an -ihrer Spitze. Gabriel hält eine Waage mit Schalen: Paradies und Hölle; -Keiner kann dem Anderen helfen, Jeder muß für sich allein stehen. -Gnade waltet nicht, nur Gläubigkeit und gute Taten entscheiden. Die -Ungläubigen verfallen überhaupt ewig der Hölle und Pein. Den Gläubigen -wird die Strafe nach Maß der Sünden bemessen. Nun müssen die Seelen -die Totenbrücke Serat beschreiten, sie ist scharf wie ein Messer und -heißer als Feuer. Sie spannt sich über dem Höllenschlund von der Erde -zum Himmel. Jeder Ungläubige und Sünder stürzt hinab. Mohammed mit den -Gläubigen und Rechtschaffenen überschreiten sie, denn ihnen breitet -und kühlt sie sich, während Engel zu beiden Seiten mit den Flügeln den -Abgrund verdecken. Im Himmel aber wird der Platz nach der Würdigkeit -zuerteilt. Der Gedanke der Totenbrücke ist höchst poetisch und von -Rückert in diesem Sinne bearbeitet. Er ist aber sicher, wie namentlich -die Einzelheiten zeigen, den Persern entnommen (<a href="#Seite_192">S. 192</a>). Die Hölle -hat sieben Stockwerke: je eines für milde Strafen der Mohammedaner -und für die Juden, zwei für Christen und eine gewisse Sekte von -ihnen, je eines für die Feueranbeter (Parsen), für Götzenanbeter, für -Ungläubige und Heuchler aller Religionen. Nur im obersten Stockwerk ist -die Strafe endlich, in allen anderen Stockwerken währt sie ewig. Vom -Paradies sagt schon Mohammed in der Sure LXXXIII des Koran: „Siehe, die -Gerechten werden wahrlich in Wonne sein. Auf Hochzeitsthronen (sitzend) -werden sie ausschauen. Erkennen kannst du auf ihren Angesichten den -Glanz der Wonne. Getränkt werden sie von versiegeltem Wein, dessen -Siegel Moschus ist — und hiernach mögen die Begehrenden begehren — -und seine Mischung ist Wasser von Tasnîm, eine Quelle, aus der die -Allah Nahestehenden trinken.“ Dieses ist dann mit aller derjenigen -glühenden Sinnlichkeit ausgeschmückt worden, die so großen Eindruck auf -naturmenschliche Gemüter macht und so außerordentlich zum erstaunlichen -Erfolg des Mohammedanismus beigetragen hat.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span></p> - -<p>Der <span class="gesperrt">Chinesen</span> naturmenschliche Anschauung vom Nachleben und -Jenseits ist schon geschildert (<a href="#Seite_120">S. 120</a> f.). Ob Konfucius ihr huldigte, -ist nicht gewiß. Er gebrauchte Fragenden gegenüber Ausflüchte. Wenn -er jener Anschauung zustimme, fürchte er, daß die Menschen über der -Pflege der Seele der Verstorbenen ihre eigene Seele vernachlässigen -möchten; wenn er ihr widerspreche, müsse er besorgen, daß die schöne -Pietät gegen Verstorbene verloren gehe. So ist denn auch oft behauptet -worden, daß die Lehre des Konfucius an sich nur das Diesseits betreffe, -nicht Strafe noch Lohn im Jenseits drohe und verspreche. Die Lehre -des edleren und geistigeren Lao-tsse ist mehr philosophisch und geht -auf eine schließliche Vereinigung mit dem Allgeist Tao (<a href="#Seite_220">S. 220</a>). -Aber Paradies und Hölle scheint sie gleichfalls nicht zu kennen. -Die Glückseligkeit beruht für den Guten in der Ruhe, mit der er dem -Tode entgegensieht, die Strafe des Bösen in der Angst vor dem Tode. -Also Paradies und Hölle hat jeder in sich, was ja auch die Ansicht -sehr vieler höchstgeistigen Europäer ist. Die Eschatologie der -<span class="gesperrt">Japaner</span> wird trotz ihres schönen Göttersaales kaum eine andere -sein. Von der Eschatologie der <span class="gesperrt">amerikanischen Kulturvölker</span> ist -mir, abgesehen vom Naturmenschlichen, schon Mitgeteilten (<a href="#Seite_124">S. 124</a> f.), -nichts bekannt geworden.</p> - -<p>Der Rundgang zeigt, daß, bei aller Ähnlichkeit der Grundideen auf -der Erde, im einzelnen zwischen den Kulturvölkern doch erhebliche -Verschiedenheiten vorhanden sind. Selbst so nahe Stämme wie die -Indier und Eranier, die Hebräer und Babylonier weichen in ihren -Anschauungen über das Nachleben gar sehr erheblich ab. Und andererseits -bestehen Übereinstimmungen zwischen so fernen Völkern wie Hebräer und -Griechen-Römer. Nur das Gefühl von Unsterblichkeit der Seele, von Lohn -und Strafe findet sich fast überall. Hier mehr, dort weniger deutlich, -hier real, dort geistig gedacht, immer aber nach dem Leben beurteilt -und in den höchsten Religionen oft nicht viel anders aufgefaßt als -in den für uns niedersten. Einbildung auf seine Kultur ist nirgends -weniger angebracht als hier.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span></p> - -<h4>23. <span class="gesperrt">Seelenwanderung und Wiederbekörperung; -Sansara, Nirvana</span>.</h4> - -</div> - -<p>Ein höchst merkwürdiges Kapitel in der Lehre von den Anschauungen -der Menschheit bildet das in der Überschrift gekennzeichnete. Die -Anschauung von der <span class="gesperrt">Seelenwanderung</span> und <span class="gesperrt">Wiederbekörperung</span> -mag ihren Ursprung aus dem naturmenschlichen Animismus genommen -haben. Ihre eigentliche Bedeutung gab ihr jedoch die kulturelle Ethik -und die eschatologische Metaphysik. Wir tun am besten, sie sogleich -für dasjenige Volk zu schildern, das diese Anschauung am meisten -ausgebildet und am tiefsten durchdacht hat, die <span class="gesperrt">Indier</span>. Die -Anschauungen anderer Völker lassen sich leicht daran erklären. Das -Wesentliche ist, daß die Seele von je war (was auch Platons Ansicht -ist) und nur ständig die Körper wechselt, bis sie geläutert und -gereinigt (was das bedeutet, richtet sich nach der Lehre) zum ewigen -Seelenleben oder zur ewigen absoluten Ruhe eingeht. Danach steht der -Seele nach dem Tode zweierlei bevor: entweder ein neues körperliches -Leben oder ein Seelenleben, indem wir noch von der absoluten ewigen -Ruhe absehen. Sie hat zwei Wege: den Dêvayana, den Götterpfad, und -den Pitriyana, den Väter-Ahnenpfad. Vom Dêvayana lesen wir in einem -Upanishad — die Upanishaden zählen wie die Veden, denen sie an Alter -fast gleich sind, die sie aber an geistigem Inhalt außerordentlich -übertreffen, während sie sie teilweise kommentieren, zu den heiligen -Büchern der Indier. Der Name besagt: „ein Niedersitzen zu Füßen des -Lehrers“ — in Max Müllers Übersetzung: „Sie (die die höchste Stufe der -Vollkommenheit erreicht haben) gehen zum Lichte, vom Lichte zum Tage, -vom Tage zur Monatshälfte des zunehmenden Mondes, von der Monatshälfte -des zunehmenden Mondes zu den sechs Monaten, wo die Sonne nach Norden -geht, von diesen sechs Monaten zu der Welt der Devas (niederen -Götter), von der Welt der Devas zur Sonne, von der Sonne zur Stätte -des Blitzes. Wenn sie die Stätte des Blitzes erreicht haben, nähert -sich ihnen eine Person, nicht ein Mensch, und führt sie in<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> die Welten -Brahmans. In diesen Welten Brahmans verweilen sie immer und ewig, -und es gibt keine Rückkehr für sie“. Was der Leser in dieser Angabe -nicht verstehen sollte, das vom Tage, dem Halbmonat, den Sechsmonaten -Gesagte, haben andere auch nicht verstanden; es scheinen hier uralte -Termini technici versteckt, deren Sinn verloren gegangen ist, und den -die Vedantaphilosophen in ihren Kommentaren (Sûtras) nur mit Zwang -und Mühe wiederherzustellen versucht haben. Das übrige aber ist klar. -Das wird in anderen Stellen und anderen Werken noch sinnfälliger und -genauer geschildert: wie, daß der betreffende Mensch durch die Sonne -hindurchgeht, ebenso durch den Mond, daß er die Welten der einzelnen -Götter durchmißt, einen Fluß Vigarâ (Nichtalternd) überschreitet, vor -die Halle (Vibhu) Brahmans gelangt, deren Hüter Indra und Pragapati -sind, und vor den Thron Brahmans tritt, dessen einzelne Teile als -Einsicht, Glanz, Umschau, Verstand, Geist usf. bezeichnet werden. Aber -das Wesentliche ist immer das gleiche: Eingehen der Seele in den Raum -zum höchsten Gott.</p> - -<p>Von den Nichtvollkommenen aber heißt es: „Sie gehen (bei der -Verbrennung, die hier vorausgesetzt ist) in den Rauch ein, vom Rauch in -die Nacht, von der Nacht in die Monatshälfte des abnehmenden Mondes, -von dieser Monatshälfte zu den sechs Monaten, wo die Sonne nach Süden -geht. Von den sechs Monaten gehen sie in die Welt der Väter, von der -Welt der Väter zum Äther, vom Äther zum Monde. — Das ist Soma, der -König, das ist die Speise der Götter, die Götter nähren sich davon. — -Nachdem sie dort solange verweilt als noch ein Rest (von guten Werken) -übrig ist, kehren sie auf dem Wege, auf dem sie gekommen sind, zum -Äther zurück, von da zur Luft. Wenn er (der Geist) zu Luft geworden -ist, wird er zu Rauch, nachdem er zu Rauch geworden ist, wird er zu -Nebel, nachdem er zu Nebel geworden ist, wird er zur Wolke, nachdem -er zu einer Wolke geworden ist, fällt er als Regen herab. Dann werden -sie (die Seelen) als Reis und Korn, Kräuter und Bäume, Sesam und -Bohnen geboren. Von da ist das Entkommen sehr schwer. Denn, wer immer -diejenigen,<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span> welche diese Speise essen und Samen ausstreuen, sein -mögen, er wird gleich ihnen. Diejenigen, deren Lebenswandel gut gewesen -ist, werden wahrscheinlich irgendeine gute Geburt erlangen, wie als -Brahmana oder als Kshatriya oder als Vaisya. Diejenigen aber, deren -Lebenswandel schlecht gewesen ist, werden wahrscheinlich eine schlechte -Geburt erlangen, wie als Hund oder als Schwein oder als Kandâla“. Auch -hier sind viele Abwandlungen vorhanden, ohne das Wesentliche zu ändern. -Namentlich haben Manu’s Schriften für jedes Verbrechen, für jede -Schlechtigkeit und Gedankenlosigkeit genau das Geschöpf angegeben, in -das die Seele eingehen muß. Diese Wanderung der Seele dauert so lange -fort, bis der Mensch in einem Leben es zur höchsten Vollkommenheit -gebracht hat. Die ganze Lehre ist verhältnismäßig einfach. Auch -wissen wir was Sünde, Vergehen, Gedankenlosigkeit usf. bedeutet. Die -Schwierigkeit liegt in der Bedingung der Vollkommenheit. Unzählige -Ausführungen und Bücher haben die Indier darüber geschrieben, aber -naturgemäß sind die Definitionen sämtlich negative. Als Grundprinzip -gilt: eine Seele ist von je und bleibt in alle Ewigkeit. Es kann -Seelen geben, die immer nur von Körper zu Körper gehen, denn es heißt -am Schluß des letzten Zitats: „Auf keinem dieser zwei Wege (Dêvayana, -Pitriyana) ziehen jene kleinen, oft wiederkehrenden Geschöpfe fort. Für -sie gilt der <span class="gesperrt">dritte</span> Zustand, von dem es heißt: leb und stirb.“ -Aber auch sie haben keinen Anfang und kein Ende.</p> - -<p>Diese Lehre hat mehrere Erweiterungen erfahren, die sich alle auf -den letzten Zustand und auf die Vollkommenheit beziehen. Wir werden -später sehen, daß die Indier auch den Pandeismus gelehrt haben. -Der letzte Zustand besteht in dieser Lehre im Eingehen in die -betreffende Gottheit, Brahma oder Wischnu. So sagt in der Bhgavad-Gîtâ -Krishna-Wischnu, nach vielen Lehren über ein vollkommenes Dasein:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Und wer zur Todesstunde mein gedenkt und so den Leib verläßt,</div> - <div class="verse">Der gehet in mein Wesen ein, das halte unbezweifelt fest.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">und an einer anderen Stelle:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span></p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Durch sie wirst du mit mir vereint, befreit von der Geburten Zwang,</div> - <div class="verse">Mag auch die Schöpfung sich erneun, mag droh’n der Weltenuntergang.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und dieses wird noch in vielen Wendungen dringend eingeschärft. -Die Seele geht zuletzt dahin zurück, woher sie von je stammt, zur -Allgottheit. Was aber die Vollkommenheit betrifft, so schließt sie -nicht allein moralische und ethische Forderungen ein, sondern auch -solche, die sich auf die Affekte beziehen; es wird Freisein von -Affekten verlangt. In der gleichen Bhagavad-Gîtâ heißt es:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Wer nie frohlockt und nimmer niemand haßt, wer nichts beklagt und nichts begehrt,</div> - <div class="verse">Wen weder Glück noch Unglück rührt, auch der ist meiner Gnade wert.</div> - <div class="verse">(Auch) Wer gleich sich bleibt bei Freund und Feind, gleichgültig gegen Freud’ und Leid,</div> - <div class="verse">Verachtung, Ehre, Kalt und Warm, vom Drang der Leidenschaft befreit,</div> - <div class="verse">Wer Lob und Tadel gleich erwägt, wen nicht die Sucht nach mehr bewegt,</div> - <div class="verse">Wer keine Sorg um Obdach hegt, wes festen Sinn nichts mehr erregt...</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Der Mensch hat sich von den Schlacken des Lebens zu reinigen:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Natur erzeugt die Wesenheit, die Leidenschaft, die Dunkelheit,</div> - <div class="verse">Und diese hemmen stets im Leib der ew’gen Seele Tätigkeit.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Wie der <span class="gesperrt">Buddhismus</span> derartigen Anschauungen noch eine -besondere Wendung gegeben hat, ist bekannt. Er hat die Lehre von der -<span class="gesperrt">Metempsychose</span> und <span class="gesperrt">Metensomatose</span> zur letzten Ausbildung -gebracht und gleicherweise die Lehre vom letzten Zustand. Im Buddhismus -spielen die Gottheiten keine besondere Rolle; ihr Dasein wird nicht -geleugnet, nur ihre Bedeutung für Welt und Menschen (<a href="#Seite_182">S. 182</a>). Sie -stellen selbst nur einen Durchgangszustand dar im Leben des Alls, -leben und vergehen wie alles im All und haben es so nur mit sich -zu tun, gleich jedem lebenden Geschöpf. Es vermischt sich nun ein -philosophischer Gedanke mit ethisch-moralischen Betrachtungen. Das -Leben, ganz allgemein, ist ein Leiden, ob es unglücklich oder glücklich -verläuft. Und ein Leiden ist vor allem die Wiedergeburt. Dieses zu -erkennen ist die erste Stufe des Wissens. Die zweite aber besteht -darin, daß man zu erkennen hat, wie alles darauf gerichtet sein muß, -nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span> wiedergeboren zu werden. Und dieses wird erreicht durch ein -ethisch-moralisches Leben und durch Abtötung jedes Willens nach Leben -und Wiedergeburt, so zwar, daß ein solcher Wille niemals auch nur in -das Bewußtsein treten kann. Die Taten sollen so sein, daß bei jeder -Wiedergeburt der Mensch zu immer höherer Stufe sich erhebt, denn -es büßt der Mensch mit jeder Geburt die Sünden und Mängel, und es -genießt der Mensch die Folgen der Tugend des voraufgegangenen Lebens: -<span class="gesperrt">Karma-Gesetz</span>. Die Gedanken aber sollen sich ganz in sich -versenken, bis alles was das Leben bildet mit seinen Leidenschaften, -Gefühlen, Begehren, Anschauungen, Erwartungen, kurz der ganze Wille -im Leben und zum Leben vergangen und verklungen ist. Wer so höchste -Vollkommenheit und Abwesenheit jedes Lebenswillens erreicht hat, geht -zur absoluten Ruhe ein, in das Nirvana (ein Wort, das schon in den -Upanishaden für den letzten Zustand gebraucht wird), das „Verwehen“ -ein. Nicht daß die Seele sich verliert — auch dem Buddhismus ist alles -was ist, ewig — sie kommt in einen Zustand, der dem Tod entspricht, -in menschlichem Ermessen, das ja nur das Leben kennt. Ein Zustand, in -dem nichts vorhanden ist, was das Leben ausmachte, zu dessen Einsicht -also nur unendliche Abstraktion führt, weshalb es auch oft mit „Nein, -Nein“ erklärt wird, wie Brahma als letzter Begriff. So lehrt die -<span class="gesperrt">Dharma</span>.</p> - -<p><span class="gesperrt">Buddha</span> ist bekanntlich unter dem Namen Gautama Sarvarthasiddha -als Fürstensohn zu Kapilavastu (um 623 v. Chr.) geboren. Bis zu -seinem 29. Lebensjahre hat er wie alle Fürstensöhne, wenigstens der -Volksidee nach, herrlich und in Freuden gelebt. Wie er also zu seiner -Leidensauffassung und Verneinung des Lebens kam, richtiger, sie -konsequenter ausbildete als schon vor ihm geschehen war? Er sah auf -einer Ausfahrt nach einem Lustgarten einen Greis „mit kahlem Haupt, -gebeugtem Körper und zitternden Gliedern. Bei einer zweiten Ausfahrt -gewahrte er einen unheilbaren Kranken, von Aussatz und Geschwüren -bedeckt, vom Fieber geschüttelt, ohne Führer und ohne Hilfe; auf einer -dritten einen von Würmern zerfressenen, verwesenden Leichnam am Wege. -Er fragte sich, wozu Lust, Tugend und Freude nützten,<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span> wenn sie dem -Alter, der Krankheit und dem Tod unterworfen seien.“ Da verläßt er -alles, zieht als Bettler durch die Lande und hört in allen Schulen die -Lehren der Priester und Forscher. Wie ihn nichts befriedigt, schließt -er sich in einen Wald ein, lebt in harten Kasteiungen und Bußübungen, -weshalb er Muni und, unter Hinzufügung seines Geschlechtsnamens, -Çakjamuni genannt wurde. Als er auch Kasteiung und Bußübung für -erfolglos erkennt, versinkt er in tiefstes Nachsinnen über den Grund -der Leiden und den Zweck des Lebens. Jetzt erst blitzt der richtige -Gedanke in ihm auf, als blitzender Strahl schießt er aus seiner -Stirne bis an das Ende der Welt. Und nun ist er Buddha (<a href="#Seite_139">S. 139</a>), -der „Erleuchtete“. Das ist Legende, aber wie sehr der Indier zu -Beschaulichkeit und Nichtigerklärung der Welt neigt, hat uns Rudyard -Kipling in einer seiner reizendsten Geschichten, vom höchstgestellten -Minister Purun Dass geschildert.</p> - -<p>Bei den <span class="gesperrt">Eraniern</span> finden wir, was sehr seltsam berührt, nichts -von dieser Lehre der Seelenwanderung und Wiederbekörperung. Sie wird -also bei den Indiern wohl nach der Trennung von ihnen entstanden sein. -Aber am äußersten Ende Europas soll ein arisches Volk diese Lehre -wenigstens zu einem Teil besessen haben, die Kelten. Cäsar weiß davon. -Er sagt in „De bello Gallico“, VI, 14: „In primis hoc volunt (nämlich -die Druiden) persuadere; non interire animas, sed ab aliis post mortem -transire ad alios“. Das ist aber wohl das einzig Sichere; alles was -sonst noch in dieser Hinsicht von den Kelten und Druiden erzählt -wird, ist Fabel oder aus ungewissen Überlieferungen und späteren -Bardenliedern erschlossen. Die Seele soll nach dem Tode ihres Besitzers -zuerst in die Lüfte zu den Wolken schweben, letztere also sollen Sitz -von Seelen sein. Wären die Ossiangedichte altes Gut, so hätten wir -einen Beweis für diese Behauptung: „Meine Väter neigen sich herab von -ihren Gewölken, zu empfangen ihren graulockigen Sohn“, klagt Fingal -nach dem Fall seines geliebten Sohnes Oscar. Als Wolkengeister schweben -sie über kämpfenden Heeren und nehmen Teil an der Entscheidung, wie -die Walkyren, die ebenfalls Wolkengeister sind. Auch auf<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> dem Monde -weilen die Seelen, ein Glaube, der weit verbreitet ist. Dort hausen sie -unter Schnee und Eis und vergessen alles vom vergangenen Leben. Bei -Sonnenfinsternissen kehren sie zur Erde zurück, werden von der Sonne -erweckt und beginnen ein neues irdisches Dasein.</p> - -<p>Von den Griechen haben namentlich die <span class="gesperrt">Pythagoräer</span> und -<span class="gesperrt">Platon</span> die Wiedergeburt gelehrt. Jene beschränkten die -Seelenwanderung auf die Tiere und Menschen; Pflanzen sollte eine Seele -nicht zukommen. Zwischen zwei Leben liegt ein reiner Seelenzustand, -wie ja auch bei den Indiern, Kelten und bei Platon. Ob dieser Zustand -in Verbindung steht mit Lohn und Strafe, die die Pythagoräer wie auch -Andere lehrten, läßt sich schwer entscheiden, denn bekanntlich hat -sich durch Pythagoras’ Lehre ein Wust von allen möglichen mystischen -Ansichten ergossen. Eigenartig noch ist die Meinung, daß die Seele -nicht in jeden Körper eingehen kann, sondern nur in den, der ihrer -Harmonie (davon später) gemäß ist. Im allgemeinen betrachteten sie, wie -die Indier, die Verbindung der Seele mit dem Körper als unwillkommen. -Indessen sagten sie doch auch, daß die Seele durch die Organe, die der -Körper ihr bietet, Gelegenheit zur Erkenntnis bekomme, und daß sie -darum den Körper liebe, ein Gedanke, der ganz und gar den Anschauungen -der Indier widerspricht. Pythagoras selbst soll Waffen im Heratempel -zu Argos als die bezeichnet haben, die er in einem früheren Dasein vor -Troja geführt habe, und in einem Hund die Seele eines verstorbenen -Freundes erkannt haben; wenn ersteres kein Märchen, letzteres kein -boshafter Witz ist.</p> - -<p><span class="gesperrt">Platons</span> Ideen von der Seelenwanderung sind namentlich in -seinem Phaidros auseinandergesetzt. Max Müller weist auf die, zum -Teil allerdings verblüffende, Übereinstimmung mit indischen Ideen -hin; namentlich die Lehre, daß die Seelenbekörperung neun Stufen -hat, entspricht der in Manu’s Gesetzbuch, wo gleichfalls neun Stufen -vorgesehen sind. Auch der Zwischenzustand der Seele zwischen zwei -Leben und der Endzustand muten stark indisch an. Platon hat alles in -ein mythisch-dichterisches Bild gekleidet. Er behandelt Menschen<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span> und -Götter in eins, was abermals indischem Verfahren entspricht. Das Bild -vergleicht die Seele „der zusammengewachsenen Kraft eines befiederten -Gespannes und seines Führers. Der Götter Rosse und Führer nun sind -selbst gut und guter Abkunft, die anderen aber vermischt.“ „Die Kraft -des Gefieders besteht darin, das Schwere emporhebend hinaufzuführen, -wo das Geschlecht der Götter wohnt.“ Sie wächst vom Göttlichen und -schwindet vom Bösen. „Der große Herrscher im Himmel, Zeus“ zieht mit -seinem Gespann den Himmel hinauf voran, ihm folgen alle Götter und -dann die Seelen, „wer jedesmal will und kann“. Zeus und die Götter -lenken leicht und sicher und schauen völlig alle Herrlichkeiten. Die -Gespanne der anderen Seelen aber steigen schwer und in Unordnung, so -daß die Seelen von den Herrlichkeiten gar keinen oder nur teilweisen -Genuß haben. Auf des Himmels Rücken angelangt und vom Umschwung -fortgerissen, blicken die Götter in das, „was außerhalb des Himmels -ist“ und sehen „farblose, gestaltlose, stofflose, wahrhaft seiende -Wesen“ und sie „lassen sich wohl sein, bis der Umschwung sie wieder -an die vorige Stelle zurückgebracht hat“. Die ganze Fahrt vollbringen -von den Menschenseelen einige, die der Gottheit am nächsten „folgten -und nachahmten“, wenn auch in Ängsten und Beschwerden und „kaum das -Seiende erblickend“. Andere erhoben sich bisweilen und tauchten dann -unter im Sträuben der Rosse. Die übrigen aber werden nur im unteren -Raume umhergetrieben, einander stoßend und drängend. „Und dieses ist -das Gesetz der Adrasteia“, sagt der Dichter-Philosoph, daß die Seele, -welche als des Gottes Begleiterin etwas vom Wahrhaften erblickt hat, -keinen Schaden erleidet und, soweit an ihr liegt, unverletzt bleibt. -Die Seele aber, die nichts sieht, fällt zur Erde und beginnt den -Kreislauf der Wiedergeburten, die also, wie schon bemerkt, neun Stufen -haben. Die besten können als weise Männer geboren werden, oder als der -Musen und der Liebe Lieblinge. Die folgenden als verfassungsmäßige oder -kriegerische Könige, dann die nächsten als Staatsmänner usf., bis zu -den letzten, welche das dem Griechen Verächtlichste werden — Tyrannen. -Eine<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span> Seele kann mehrere Wiedergeburten erfahren. Die höchststehende -kehrt schon nach dreitausend Jahren dorthin zurück, woher sie gekommen -ist. Anderen Seelen mag dieses nicht unter zehntausend Jahren gelingen. -Innerhalb der Wiedergeburten, nach jedem Tode, kommt die Seele vor -das Gericht. Die böse verfällt dem unterirdischen Zuchtorte, wo sie -tausend Jahre Strafe erleidet, die bessere wird nach einer Stelle -des Himmels entrückt, wo sie, gleichfalls tausend Jahre, wie im -letzten Leben verweilt. Dann kann jede der beiden Seelen ihre fernere -Wiedergeburt frei wählen. Und so ist auch tierische Wiedergeburt -nicht ausgeschlossen. Der Philosoph leitet aus den Wiedergeburten die -Tatsache des Erinnerns ab, daß uns so manches, das wir zum erstenmal -sehen oder lernen, bekannt vorkommt. Die Ähnlichkeit der Platonischen -Anschauung mit indischer, sowohl in den Zwischenzuständen als im -Endzustand und in den Verwandlungen, ist nicht zu verkennen. Platon -ist von dieser Anschauung in anderen Schriften mehrfach abgewichen. -Gleichwohl muß sie für ihn doch grundlegende Bedeutung gehabt haben. -Wir sehen das an dem tiefen Ernst, mit dem <span class="gesperrt">Sokrates</span>, Platons -Wortführer, sie vorträgt.</p> - -<p>Es ist oft selbst von Griechen behauptet worden, daß Pythagoras und -Platon ihre Wiedergeburtanschauungen von den <span class="gesperrt">Ägyptern</span> entlehnt -haben. Auch sagt Herodot von den letzteren: „Auch sind die Ägypter -die ersten, die den Satz aufgestellt haben, daß des Menschen Seele -unsterblich ist, und wenn der Leib vergeht, so fährt sie in ein anderes -Tier, das immer gerade zu der Zeit entstände, und wenn sie herum ist, -durch alle Tiere des Landes und des Meeres und durch alle Vögel, so -fahre sie wiederum in einen Menschenleib, der gerade geboren würde, -und käme in dreitausend Jahren herum.“ Wenn Herodot dann fortfährt: -„Diese Meinung haben einige Hellenen auch vorgebracht, die einen -früher, die anderen später. Ihre Namen weiß ich zwar, will sie aber -nicht nennen“, so kann er damit nur Pythagoräer und Orphiker meinen. -Aber es ist immerhin eigenartig, daß auch Platon die dreitausend Jahre -hat, wenn auch nur für die auserwählten Seelen. Eduard Zeller lehnt die -Wiedergeburtslehre für die Ägypter ab. Es<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span> ist für uns schwer, eine -Entscheidung zu treffen, da die Ägypter sehr viel vom Animismus in -ihren Anschauungen besaßen. Die außerordentliche Mühe, die die Ägypter -sich gaben, ihrer Seele Wohnstätten auf Erden zu beschaffen, spricht -gegen den Glauben einer Wiedergeburt bei ihnen. Der, freilich späte, -Pausanias (zur Zeit Hadrians und der Antonine) meint, die Griechen -hätten ihre Anschauungen von den Chaldäern und Indiern erhalten. -Vielleicht hat er nicht so unrecht. Klingt es nicht ganz indisch, -wenn <span class="gesperrt">Empedokles</span> sagt: „Ich war bereits einmal Knabe, Mädchen, -Pflanze, Vogel und flutentauchender stummer Fisch“ und wenn er über das -furchtbare Geborenwerden klagt?</p> - -<p>Es ist noch zu erwähnen, daß auch bei den <span class="gesperrt">Chinesen</span> eine -Schule des Lao-tsse (<a href="#Seite_210">S. 210</a>) bestand, die Seelenwanderung und -Wiederbekörperung lehrte. Der bedeutende Mann sagt im Tao-te-king: „Wer -nicht einsieht, daß es eine Fortdauer gibt, und daß auch er fortdauere, -der bereitet sich durch seine Unüberlegtheit selbst Unheil. Wer aber -von der hohen Bedeutung der Fortdauer überzeugt und durchdrungen ist, -der ist sicher auch groß gesinnt, edel und vortrefflich“. Der Tod -bedingt Auflösung in die Grundstoffe. Aber hiernach erfolgt immer -ein Wiederaufleben zu einem neuen Zweck, zu einer neuen Bestimmung, -zu neuem Leben. Lao-tsse, der etwas später als Buddha blühte, ist -in Indien gewesen, er wird aus den dortigen Philosophenschulen -manches gelernt haben. Aber sein Taoismus ist doch kein Brahmanismus, -geschweige gar ein Buddhismus. Es ist, wie schon bemerkt, auch nicht zu -ersehen, wie er sich das Ende dachte, ob als ein Aufgehen im Tao, oder -als überhaupt nicht vorhanden, so daß die Wandlungen ins Unendliche -fortdauern.</p> - -<div class="section"> - -<h4>24. <span class="gesperrt">Seele und Unsterblichkeit, Leben-Reihe</span>.</h4> - -</div> - -<p>Leicht erkennt der Mensch, daß das Leben nach zwei Richtungen sich -abspielt, nach der animalen und nach der geistigen. Früh ist deshalb -schon zwischen einer <span class="gesperrt">animalen</span> Seele und einer <span class="gesperrt">geistigen</span> -unterschieden worden. Der<span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span> ersteren Seele Tätigkeit geht auf -Entwicklung des körperlichen Lebens, Erhaltung dieses Lebens, -Befriedigung der sinnlichen Begierden und Lüste und auf Zusammenleben -mit der äußeren Welt. Die zweite Seele hat es mehr mit dem Absehen -von dem körperlichen und äußeren Leben zu tun, und mit Denken, -Schließen und Erkennen. Platon hat von dieser zweiten Seele einen Teil -abgetrennt, den er θυμός (Mut) nennt. Wir wollen ihn mit „Verstand“ -bezeichnen. Er wirkt gegen die bösen und schlechten Triebe der ersten -Seele und leitet, im Gegensatz, die Wünsche und die Handlungen -zum Guten. Alsdann bleibt von der zweiten Seele das rein Geistige -übrig, der νοῦς, Nus, die „Vernunft“. Diese Dreiteilung nach Platon -(ἐπιθυμητικός, θυμός, νοῦς) erschöpft die Seelentätigkeiten zweifellos -nicht. Wenn aber die Stoiker eine Siebenteilung der Seele vornahmen -und davon fünf Teile an die Sinnentätigkeit vergaben (nach den fünf -Sinnesorganen), einen Teil auf die Fortpflanzung rechneten (wie die -Pythagoräer) und den letzten auf die Sprache, d. h. das Denken, so kann -dieses noch weniger befriedigen. Der Leser weiß, daß die Psychologie -meist eine Dreiteilung vornimmt: in Denken, Fühlen, Begehren, die -kaum für die Zwecke des reinen rationalen Teiles dieser Wissenschaft -ausreicht, und auf die übrigens auch nicht viel Wert gelegt wird. In -der Tat haben wir es hier mit Teilungen der Seele nur mit Rücksicht -auf die voraufgehenden Unsterblichkeitslehren zu tun. Denn naturgemäß -entsteht die Frage, was denn von der Seele unsterblich sein soll. Wir -wollen darum die Tätigkeit der Seele sorgfältiger unterteilen. Eine -eingehendere Untersuchung aller Seelentätigkeiten zeigt, daß man die -Seele für unseren Zweck, und wohl auch allgemeiner, in folgende Klassen -zerlegen kann.</p> - -<p><span class="gesperrt">Animale Seele</span>, zur Entwicklung, Erhaltung und Bewegung des -Körpers.</p> - -<p><span class="gesperrt">Trieb-Seele</span>, zur Befriedigung von sinnlicher Lust und von -Trieben.</p> - -<p><span class="gesperrt">Sinnen-Seele</span>, zum Wahrnehmen der Außenwelt und aller Reize an -und in unserem Körper.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span></p> - -<p><span class="gesperrt">Gefühls-Seele</span>, zum Empfinden der Affekte, wie Liebe, Haß, Zorn, -Mitleid usf.</p> - -<p><span class="gesperrt">Regulierende</span> oder <span class="gesperrt">kategorische Seele</span> (Bewußtsein, -Kategorien, Freiheit, Wille; Anschauungsformen).</p> - -<p><span class="gesperrt">Verstandes-Seele</span> (Erkennen, Behalten, Erinnern, Wissen, -Vorstellen u. a.).</p> - -<p><span class="gesperrt">Vernunft-Seele</span> (Sinnen, Denken, Schließen usf.).</p> - -<p><span class="gesperrt">Göttliche Seele</span>, <span class="gesperrt">Geist</span>, <span class="gesperrt">Glaube</span>, <span class="gesperrt">Intuition</span>.</p> - -<p>Über die vier erstgenannten Klassen ist nichts zu bemerken. Die -fünfte Klasse, deren Tätigkeiten wir auch insgesamt als Kategorien, -Stammtätigkeiten, bezeichnen können, gibt die Normen für alle -Seelentätigkeit überhaupt und zwar zwangmäßig. Unter dem Gesichtspunkt -des Bewußtseins kennen wir überhaupt nur die Tätigkeiten der Seele. -Nur das animale Leben bietet manche und sehr wichtige Tätigkeiten, -die unserem Bewußtsein sich entziehen. Die eigentlichen Kategorien, -wie Quantität, Qualität, Ursächlichkeit usf. regeln alle und jede -Wahrnehmung und Erfahrung und sind selbst für das animale Leben -unausweichlich. Freiheit wird allerdings als Kategorie von vielen -geleugnet. Eine Erörterung hierüber ist noch nicht am Platze. -Hier genügt es, daß alle unsere seelischen Tätigkeiten uns frei -<span class="gesperrt">erscheinen</span>, selbst wo wir gezwungen werden. Wille endlich -ist die Einleitung mindestens zu allen bewußten Tätigkeiten. Welche -kategorische Bedeutung dem Willen zugeschrieben wird, weiß der Leser -aus Schopenhauers Philosophie. Endlich die Anschauungsformen, unter -denen wir und die Welt uns erscheinen, sind Raum und Zeit. Die Wirkung -der regulierenden Seele erstreckt sich also über alle Tätigkeiten der -übrigen Seelen. Über die sechste und siebente Klasse ist wiederum -nichts zu bemerken. Die achte Klasse hat im Sinne namentlich der -indischen, und überhaupt der theosophischen, Lehren hinzugefügt -werden müssen; ihre Bedeutung wird durch die Darlegungen im folgenden -Buch noch klarer als durch die Bezeichnung werden. Und nach den -wichtigsten Ansichten ist diese Klasse als Intuitionen enthaltend -auch von der Macht der regulierenden Seele aus<span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span>zunehmen. Die modernen -<span class="gesperrt">Theosophen</span> scheinen diese Seele in drei Seelen abzustufen: -Buddhi-Manas, der Mensch als höchstes Prinzip; Buddhi, die Welt -als höchstes Prinzip; Atma, das höchste Prinzip überhaupt. Unsere -sieben anderen Klassen sind dann in vier untergebracht: Kama-Manas, -die intellektuelle Seele, Vernunft-, Verstandes- und regulierende -Seele einbegreifend; Kama, die Triebseele; Prana, die animale Seele; -Linga-Scharira (der Ätherleib), wohl die Sinnenseele. Die Namen -sind indisch wie die Ideen. Der Zerlegung der höchsten Seele in die -drei Seelen kann man zustimmen. Die Zusammenfassung der Vernunft-, -Verstandes- und regulierenden Seele scheint mir aber unzweckmäßig und -lediglich der heiligen Siebenzahl wegen erfolgt zu sein. Ich habe -übrigens in meinem Werke „Philosophische Grundlagen der Wissenschaft“ -die Seelentätigkeiten einzeln untersucht und sie in eine kanonische -Tafel gebracht, soweit sie für den dort entscheidenden Zweck nötig war. -Die obige Klasseneinteilung ist für das Allgemeine spezifizierter.</p> - -<p>Worauf bezieht sich nun die Unsterblichkeit? Auf die achte Seele unter -allen Umständen, und für diese ist die Unsterblichkeit eine absolute. -Das ist die Auffassung aller bisher behandelten Anschauungen. Der -Buddhismus scheint die absolute Unsterblichkeit auf diese Seele zu -beschränken, vermutlich auch der Wischnuismus, soweit er Pandeismus -ist (<a href="#Seite_229">S. 229</a> f.). In diesen beiden Anschauungen würde es sich hiernach -für die übrigen Seelen nur noch um relative Unsterblichkeit und -Fortleben nach dem Tode handeln, bis sie nach der abgelaufenen Zahl -von Inkarnationen, Bekörperungen, annihiliert werden, oder, wohl -besser, sich selbst annihilieren, in der Weise, daß sie entweder -in Tat verschwinden oder in ein Anderes übergehen, das nicht mehr -mit Leben und Individualität in Verbindung steht. Schreiben wir -den Tieren und Pflanzen keine achte Seele zu, so wären diese von -der absoluten Unsterblichkeit ausgeschlossen. Das ist, glaube ich, -auch der Standpunkt unserer modernen Theosophen. Nach Platon bezöge -sich die absolute Unsterblichkeit auch auf die siebente Seele, da -er sie mit der achten zu der Vernunft-<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span>Seele zusammenfaßt. Jedoch -diese und die anderen Anschauungen können wohl eine absolute oder -relative Unsterblichkeit ohne die fünfte Seele nicht behaupten, diese -müßte immer mit einbegriffen sein. Die, nach Platon, am wenigsten -konzedierende Ansicht schreibt hiernach auch dieser fünften und dazu -der sechsten Seele absolute Unsterblichkeit zu, den vier anderen Seelen -nur relative. Aber Anschauungen wie z. B. die des Mohammedanismus -und Christentums, soweit sie ewige körperliche Strafen und ewige -körperliche Freuden als Belohnungen im Jenseits annehmen, müssen auch -für diese vier Seelen absolute Unsterblichkeit behaupten, also für die -Seele als Ganzes. Glauben sie, daß eine Seele schon für sich Pein und -Lust empfinden kann, so mag die erste Seele mit dem Tode schwinden -oder, bei Behauptung einer Wiederbekörperung, beschränkt fortbestehen. -Zugleich wird angenommen, daß, was absolut oder beschränkt fortbesteht, -immer beisammen bleibt, sonst würde ja die Individualität verloren -gehen. Bei einer Wiederbekörperung ändert sich dann nur die Person. -Aber die Individualität muß immer freier werden von den Schlacken -des materiellen, persönlichen Lebens, je mehr von dem nur beschränkt -Fortbestehenden sich annihiliert oder annihiliert wird, bis absolute -Freiheit davon eintritt, die Person für immer schwindet und die -absolute Unsterblichkeit nur noch das höchste Sein bedeutet.</p> - -<p>Fassen wir nun in der allgemeinsten Darstellung der oben -behandelten Anschauungen alle Vor-Leben, Leben, Nach-Leben zu einer -<span class="gesperrt">Leben-Reihe</span> zusammen, mit verschiedenen Einzel-Leben, so träten -also die acht Seelen in den verschiedenen Leben in verschiedener -Weise, Intensität, in Tätigkeit. Jede von ihnen kann in einem Leben -aufs äußerste wirken, und in einem anderen Leben ganz zurückgedrängt -sein, daß sie wie nicht vorhanden erscheint. Und dieses kann auch -im Einzel-Leben der Fall sein; wir wissen ja, daß in unserem -Körper-Leben in der Tat die Seelentätigkeiten fortdauernd wechseln. -Daher kann auch der Unterschied zwischen Mensch und Tier und Pflanze, -überhaupt<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> zwischen Mensch und jedem anderen Ding, aufgehoben -werden, wie im Menschen die verschiedenen Zustände schwinden. Und es -ist kein Widerspruch, wenn eine Lehre, wie die der Indier von der -Metempsychose, die Menschenseele auch in Tiere, Pflanzen und andere -Dinge wandern und ein neues Körper-Leben beginnen läßt. Die Gesamtheit -der Seelen bleibt, aber sie treten in der Tätigkeit teilweise oder -ganz zurück, so daß auch eine von ihnen oder zwei von ihnen, wie -im Tiere die beiden animalischen Seelen, ausschließlich wirken. -Die ganze Reihe soll aber, wenn sie auch Rückschritte aufweist, im -wesentlichen in der angegebenen Weise doch nach aufwärts führen, bis -zuletzt die animalischen Seelen ganz geschwunden sind, wenn auch das -Gesamtseelenindividuum sich noch bekörpert zeigt. In Buddhas Lehre -heißt das, bis der Wille zum (Körper-) Leben völlig erloschen ist. -Alsdann enthält die Leben-Reihe keine Körper-Leben weiter und das -Nach-Leben ist ein einziges, körperfreies. Diese nähere Ausführung -unter Spezialisierung der Einzelseelen habe ich zum zusammenfassenden -Verständnis der voraufgehenden nicht leicht zu durchdringenden -Anschauungslehren von Welt und Leben unternommen. Will der Leser von -Einzelseelen nichts wissen, so mag er darunter Tätigkeitsklassen der -Seele überhaupt verstehen. Das ändert an den Ausführungen nichts. -Er beachte aber immerhin, wie doch die fünfte Tätigkeitsklasse als -regulierend und kategorisch so ganz verschieden ist von allen anderen -Tätigkeitsklassen. Davon werde ich bei Betrachtung der sogenannten -materialistischen Anschauungen von Welt und Leben eingehend zu sprechen -haben.</p> - -<p>Von je ist danach gefragt worden, warum, wenn das Leben auch Vor-Leben -hat, wir von diesen nichts wissen, wenigstens nicht Alle etwas davon -wissen, wenn auch Einzelne, wie Pythagoras und Buddha, volle Kenntnis -davon gehabt haben wollen. Die schon erwähnte (<a href="#Seite_217">S. 217</a>) Tatsache, daß -wir beim Kennenlernen neuer Dinge wohl <span class="gesperrt">glauben</span>, sie schon zu -kennen, reicht, wie jeder sieht, durchaus nicht zum Nachweis hin, -daß wir etwas von unserem Vor-Leben wissen, ganz abgesehen davon, -daß ja die Vor-Leben überhaupt vonein<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span>ander verschieden sein können -und auch sein sollen. Die einzige einigermaßen befriedigende Antwort -haben wiederum indische Weise gegeben, die ja, als die energischesten -Verfechter der Leben-Reihe, die Frage am meisten angeht, und an sie -sich anschließend unsere Theosophen. Wir können aber Frage und Antwort -erst in einem späteren Abschnitt behandeln.</p> - -<p>Den Eindruck wird aber, glaube ich, der Leser gewonnen haben, daß es -sich hier, wenn auch um zweifelvolle und vielleicht unrichtige, doch -um sehr großartige Anschauungen handelt, namentlich bei den in Indien -erblühten und später nach dem Westen verbreiteten von der Leben-Reihe -und ihrer Gipfelung im reinen absoluten Geistes- oder Gottes-Leben. Wir -lernen im nächsten Buch ihre mehr phantastische und im letzten Buch -ihre metaphysische Ausbildung kennen. Neben solchen Anschauungen nimmt -sich die von Paradies und Hölle philosophisch freilich recht dürftig -und derb naturmenschlich aus. Ob auch ethisch und erzieherisch, ist -allerdings eine andere Frage, denn die Leben-Reihe (<span class="gesperrt">Sansara</span> bei -den Indiern) ist gegen die Ruhe-Ewigkeit (<span class="gesperrt">Nirvana</span>) aufs äußerste -herabgesetzt.</p> - -<hr class="book" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="ZWEITES_BUCH"><span class="s5">ZWEITES BUCH.</span><br /> - -Philosophisch-deistische und theosophische Anschauungen.</h2> - -</div> - -<p>Zu den philosophisch-religiösen Anschauungen rechnen wir diejenigen -Lehren, bei denen Gott oder die Gottheit, oder eine wie eine Gottheit -wirkende Seele, den Mittelpunkt der Annahmen bildet, und wo zugleich -die Ordnung von Welt und Leben nach philosophischen Gesichtspunkten -betrachtet wird, rein religiöse Willkür ausschließend. Das Religiöse -lehnt sich an den Glauben, das Philosophische teils an Naturerkenntnis, -teils an metaphysische Begriffe an und strebt, alles mehr der ruhigen -Vernunft anzupassen. Manche der Anschauungen, die wir in diesem Buche -kennen lernen werden, liegen fast ganz im Bereiche der Dichtung. Eigen -ist ihnen allen aber die Erhöhung des Gottes- und des Seelenbegriffes -und die Bemühung, zwischen diesen Begriffen und der Welt mit dem -Menschen eine Verbindung herzustellen, die jenen Begriffen nicht zu -nahe tritt und doch Welt und Menschheit in keine zu unwürdige Stellung -bringt, ja im Gegenteil, Welt und Menschheit möglichst an jene Begriffe -anschließt. Die theosophischen Anschauungen haben ihre Grundlage, außer -im Glauben, in der Intuition.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h3 class="nobreak" id="DRITTES_KAPITEL"><span class="s5">DRITTES KAPITEL.</span><br /> - -Pandeistische und panpsychistische Anschauungen.</h3> - -</div> - -<h4>25. <span class="gesperrt">Pandeistische Anschauungen</span>.</h4> - -<p>Wenn auch nur durch einen Buchstaben (d statt th), unterscheiden -wir grundsätzlich <span class="gesperrt">Pandeismus</span> vom Pantheismus.<span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span> Die letztere -Anschauung rechnen wir zu den metaphysischen Anschauungen, während -die erstere noch an der Religion teilhaben soll. Sie ist eine Art -gesteigerten, vereinheitlichten und in das Göttliche übertragenen -Animismus. Die ganze Welt ist mit Seelengottheiten erfüllt, und diese -Gottheiten sind zu einer einzigen Welt-Seelengottheit (mitunter -freilich auch zu zwei solchen Gottheiten) zusammengeflossen, die alles -durchdringt und erfüllt und außer der Welt keine Bedeutung hat. Ansätze -dazu finden sich vielfach. Wir besprechen aber nur die hinreichend -deutlich hervortretenden Anschauungen. Daß einzelne Gottheiten Teile -der Welt sind, würde schon aus Naturmenschlichem folgen. Zeus soll -ursprünglich der Himmel selbst sein, Hera die Luft, Ge die Erde usf., -Gottheiten und Gegenstände zugleich (<a href="#Seite_127">S. 127</a> f.). Hades, Orcus waren -immer sowohl Gott als Unterwelt, ebenso war Hel Göttin und Totenwelt. -Von der <span class="gesperrt">ägyptischen</span> Himmelsgöttin Nut wird gesagt, sie sei -Lichtwohnung der Sonnenscheibe, Halle des Mondes, die Sterne träten -aus ihren Lenden hervor und gingen in ihren Mund hinein, sie spanne -und wölbe sich über der Erde: alles völlig materiell. Ich verweise -auch auf das Bild <a href="#Seite_181">S. 181</a>, wo die Göttin als durchstirnte Frau im -Doppelwinkel gebogen erscheint, die Füße im Osten, die Hände im Westen -auf die Erde gestützt, den Rumpf in der Höhe gestreckt. Gleiches gilt -auch von dem Luftgott (Shu), dem Erdgott (Qeb), sie sind mit ihr auf -demselben Bilde zu Personen vereinigt. Aber bei den Ägyptern soll -sich der Pandeismus auch vollständiger ausgedrückt finden. Heinrich -Brugsch bringt dafür Belege. Er sagt: „Gott und das Weltall erscheinen -verbunden wie die Seele mit dem Körper. Gott ist ein Geist, der in -seinem kosmischen Hause wohnt, das er sich selbst gebaut hat“. Der -Name für Gott soll ägyptisch Nutr, Nuta, Nuti lauten, und dasselbe -besagen wie physis-natura, „die stets fortwirkende Tätigkeit des -Erzeugens und Hervorbringens“, zugleich auch das in dem Erzeugten -Enthaltene einbegreifend, also das Erzeugte und das es Erzeugende. Von -Gott (ob Amun, Rā, Osiris, Chnum usf.) wird nun in Inschriften außer -vielem, das ihn als den „Einen“, den „Ur<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span>geist“, den „Uranfänglichen“ -(auch „Anfangslosen“?), den „Ewigen“, den „Schöpfer“, die „Wahrheit“, -das „Leben“, den „Urvater“, die „Urmutter“, den „Barmherzigen“ usf. -bezeichnet, auch ausgesagt: „er ist der Schöpfer seiner Gestalt und der -Bildner seines Leibes“, „das Bleibende, das sich mehrt, ohne vernichtet -zu werden“, „der Eine, der sich millionenfach vervielfältigt“, „der -Himmel birgt seinen Geist, die Erde seine Gestalt und die Tiefe -verschließt sein Geheimnis“, „bleibend ist er, das Bleibende in allen -Dingen“, „das Bleibende aller Dinge (Menchet)“ usf. Diese und ähnliche -Angaben zeigen allerdings, daß die Ägypter auch einer pandeistischen -Anschauung sich genähert haben. Da aber Gott und die Gottheiten in -anderen unzähligen Angaben zweifellos nicht selbst die Welt sind, -sondern sie und ihre Teile errichten und beherrschen, handelt es sich -mehr um besondere, nicht einmal genau ausgeführte Ansichten, als um -allgemein anerkannte.</p> - -<p>Entschiedener tritt Pandeismus bei den <span class="gesperrt">Indiern</span> hervor. So ist -in der Schöpfungsgeschichte, die von Brahmanaspati und Aditi ausgeht, -Varuna die ganze Welt. Die Erde, der Himmel, die Ozeane sind Varuna; -Sonne und Mond leuchten als seine Augen, der Himmel ist sein Leib, -seine drei Zungen sind Himmels-, Luft- und Erdenraum, er geht in seinen -eigenen Körper ein usf. Seine Gottheit tut er als Schöpfer seines -eigenen Leibes dar. In der Bhagavad-Gîtâ sagt Krischna-Wischnu dem -Ardschuna von sich: er sei aller Dinge Ursprung und Untergang, die -Kraft in allen Dingen und die Erscheinungen, Duft im Wein, Glanz in -Sonne, Mond und Gestirnen, Laut im Wort, sogar jeder Buchstabe, jedes -Lied, Gebirg Himalaja, Feigenbaum, Roß, Mensch, Schlange (überhaupt -jedes Tier), jede Jahreszeit. Wie er sich nachher Ardschuna als -Gottheit zeigt, da sieht dieser, außer unendlichem Strahlenglanz, „das -Weltall in ihm vereint:“</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Alle Wesen, alle Götter, seh’ an deinem Leib ich hangen,</div> - <div class="verse">Brahma auf dem Lotussitz, samt den Sehern und den Schlangen,</div> - <div class="verse">Viel Gesichter, Arme, Leiber, viele Augen, du Gewaltiger;</div> - <div class="verse">Aber weder Ziel noch Anfang seh ich an dir, Vielgestaltiger...</div> - </div> - </div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span></p> - -<p class="p0">Dann wird geschildert, wie alles auch seinen Untergang in -Krischna-Wischnu findet; sein Mund nimmt die Menschenscharen auf, in -ihn strömen sie hinein wie die Flüsse in das Meer. Gleichwohl ist -nicht zu verkennen, daß auch hier die Verschmelzung zwischen Gott und -Welt keine absolute ist. Das Geistige, das Leben wird bei weitem mehr -betont als das Materielle, und oft wird von Gott wie außer und über -der Welt gesprochen. In anderen Fällen heißt es, in einem Upanischad, -vom Purusha als Weltprinzip: aus ihm sei alles entstanden und in -ihn kehre alles zurück, „aus ihm wird der Atem (Geist) geboren, das -Denkorgan und alle Sinnesorgane, Äther, Luft, Licht, Wasser, und -die Erde, die Trägerin von allem“. Auch hier jedoch findet sich ein -Zwiespalt, denn aus Purusha (Person) wird auch, nachdem er geopfert -ist, von den Göttern die Welt der Gegenstände und Erscheinungen -gebildet, wie bei den Germanen aus dem Riesen Ymir. Mehr in das Gebiet -des Metaphysischen, also mehr zum Pantheismus, gehört, was vom Brahman -gelehrt wird. Es ist ganz unpersönlich, ein Es, das Selbst der ganzen -Welt, wozu auch das einzelne Ding, der einzelne Mensch zählt.</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Was Eins ist, die Dichter nennen es mit vielen Namen;</div> - <div class="verse">Sie nennen’s Agni, Yama, Mâtarisvan.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">sagt ein Rigvedalied (164 des ersten Buches) von diesem Bráhman. Als -Brahmán wird es persönlich und dann kommen, wie in den anderen Fällen, -die Zweifel, indem die Welt auch als von ihm geschieden angesehen -werden kann. Im Atharvaveda wird gefragt: Von wem wurde diese Erde -geordnet? Von wem der obere Himmel geschaffen? usf. Die Antwort -lautet von Brahmán. Wenn das nicht alles aus sich heraus geschehen -ist, wäre Brahmán außerhalb der Welt. Sätze wie in einem Upanishad: -„Brahmán schwillt durch Hitze, daraus entsteht Nahrung (Stoff), aus -Nahrung Atem, Geist u. a.“ sprechen für die erstere Auffassung. Ganz -metaphysisch schon wird Prana (Geist, Atem, Seele, ψυχή) als Welt -bezeichnet.</p> - -<p>Unter den <span class="gesperrt">Griechen</span> finden sich ähnliche Aussprüche erst bei -den Philosophen (und Orphikern). Auch diese Aussprüche sind insoweit -zweiseitig, als sie wie für Brahmán<span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span> und Bráhman theologische und -metaphysische Bedeutung haben. Pandeistisch ist, wenn der Eleate -<span class="gesperrt">Xenophanes</span> (aus Kolophon um 580–492 v. Chr.) von Gott gesagt -haben soll: „Er ist ganz und gar Geist und Gedanke und ewig“, „er -sieht ganz und gar, er denkt ganz und gar, er hört ganz und gar (οὖλος -δ’ορᾶ, οὖλος δέ νοεῖ, οὖλος δέ τ’ἀκούει)“. „Das Eine und Weltganze -(ἒν καὶ πᾶν) fällt mit ihm zusammen“. „Gott ist mit allen Dingen -mitgeboren.“ Der Agrigentiner <span class="gesperrt">Empedokles</span> (482–422 v. Chr.), den -man auch zu den Eleaten zählt, faßte die Welt in ihrem ursprünglichen -Zustand als eine in sich harmonisch geeinte Kugel auf, und nannte sie -persönlich: „der Sphairos“.</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Also steht er fest, im starken Busen des Einklangs,</div> - <div class="verse">Sphairos, rund und ganz vergnüglicher Ruhe sich freuend.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Sphairos ist darum von manchen als der empedokleische Gott bezeichnet -worden. Und das gehörte dem Pandeismus an; wenn nicht Aristoteles recht -hat, wonach die Gottheit später entstanden sei als die Kräfte, die den -Sphairos sich in die wirkliche Welt umwandeln ließen (Zwietracht und -Streit). Bekannt ist, daß auch die <span class="gesperrt">ionischen Naturphilosophen</span> -von einem mehr oder weniger belebten Urwesen ausgingen. Da aber dieses -Urwesen wohl als Seele aufgefaßt werden muß, sprechen wir davon im -nächsten Abschnitt.</p> - -<p>Die griechische Naturphilosophie ist durch die metaphysische -Spekulation, die Sophistik und die praktische Philosophie aufgehalten -und unterbrochen worden. Die Götter rückten in weite Ferne oder -wurden ganz wegdisputiert. Indem jedoch die Volksreligion sich -ungeschwächt erhielt und eher, aus dem Orient und Ägypten, neue -Elemente aufnahm als solche verlor, mußte auch die Philosophie zurück -in das Handgreiflich-religiöse gehen, um dieses so weit als möglich zu -heben und zu veredeln und dem Gedankenwege anzupassen. Namentlich in -der späteren Zeit, als durch die Römer ein unabwendbares Verhängnis -über die Mittelmeerwelt hereinbrach und die Gemüter bedrückte, macht -sich dieses Zurückgehen auf die Religion bemerkbar, und wir finden -vollständig ausgebildete pandeistische Lehren, die mit Emanis<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span>mus und -Theosophie zuletzt in das Mystische übergreifen und ihren Einfluß bis -in die Neuzeit hinein fühlbar machen. Noch von heidnischen Gottheiten -ausgehend, wachsen sie durch das Judentum allmählich in das Christentum -hinein, ohne dabei ihren hellenistisch-kosmopolitischen Charakter ganz -zu verlieren. Wie aber die Kenntnisse mehr und mehr schwinden und mit -ihnen die realen Verknüpfungen der Tatsachen, schweifen die Lehren -mit Vorliebe ins Uferlose und Phantastische und werden Gegenstand -mehr der Sentimentalität und des Aberglaubens als der Überlegung und -des Glaubens. Gleichwohl sind diese Lehren von hohem Interesse, zum -Teil von dichterischer Gewalt, und für sehr viele ein froher Ersatz -für das nur so wenigen gegebene und die meisten so abstoßende kühle -Philosophieren, das schließlich auch noch nichts Entscheidendes geboten -hatte, weder aus Erfahrung noch aus Denken, und das im Grunde zuletzt -jeden auf sich selbst verweist, indem es ihm freilich die Mittel zu -geordnetem Lernen und Schließen an die Hand gibt.</p> - -<p>Wir nehmen zuerst die Schule der <span class="gesperrt">Stoiker</span>. Zeus ist der Geist -(νοῦς) der Welt und in der Welt, er ist das Keimende in der Welt -(λόγος σπερματικός). Er wird sogar materiell vorgestellt, als feiner -feuriger Dunst und als bildendes Feuer (πῦρ τεχνικὸν), jedoch auch als -Hauch (πνεῦμα). Welches Etwas er auch sei, so führt er dieses doch -selbst in jede andere Materie, Luft, Wasser, Erde usf. über. Sein -besonderer Wohnsitz ist der Umkreis der Welt oder die Sonne, aber -von da breitet er sich durch die ganze Welt in ihren verschiedenen -Erscheinungen aus. Wie Zeus die Welt aus seiner Substanz bildet, so -nimmt er sie auch wieder in sich auf, wandelt sie also wieder in -feurigen Dunst durch einen Weltbrand, um sie später aus sich neu -niederzuschlagen. Die Seelen sind Teile des göttlichen feurigen -Dunstes, gewissermaßen mehr oder weniger bedeutende Konzentrationen -dieses Dunstes in den Lebewesen. Jede Seele hat, wie die Gottheit -im All, so in dem betreffenden Leibe einen Sitz, im Herzen, wo -sie sich von dem Blute nährt; von da breitet sie sich, wie die -Gottheit durch das All, so durch den Körper aus, namentlich in<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span> den -Sinnes-, Sprach- und Zeugungsorganen. Dieser Pandeismus, der von -<span class="gesperrt">Chrysippos</span> (aus Soloi 280–208 v. Chr.) herrühren soll, ist schon -eine Verbindung mit dem Emanismus; Gott ist die Welt, insofern als -diese aus seiner Substanz durch Verdichtung und Abkühlung entstanden -ist und entsteht, und er sich strahlengleich mit seiner Substanz -durch sie noch verbreitet. Daß Gott als feurig gedacht wird (jedoch -auch als Atem oder Äther) ist dem Menschen entnommen, dessen Wärme -sein Lebensprinzip bedeutet; eine Idee, die sich schon bei den ersten -griechischen Philosophen und namentlich bei Heraklit findet. Der -stoische Pandeismus ist namentlich darin ein erklärter Emanismus, daß -auch die Götter sich nur als Äußerungen und Ausflüsse des Welt-Gott -(Zeus) darstellen wie die Seelen. Und damit kam er der Volksreligion -durchaus entgegen, die ja von einer Theogonie ausging. Da die Gottheit -die ganze Welt durchstrahlt und ihrerseits ein Materielles ist, so -war es ganz folgerichtig von den Stoikern, wenn sie auch den leblos -scheinenden Körpern vom göttlichen Odem mitteilten; sie betrachteten -die Eigenschaften der Körper als materiell und hauchartig. Sie gingen -noch weiter und erklärten alle Eindrücke auf uns als materiell. -Und so konnten ihnen selbst Tugend, Gedanken, Stimmungen, ja auch -Zeitabschnitte wie Jahr, Tag, Jahreszeit usf. in gleicher Weise -erscheinen, göttlich-materiell. Das geht über alles hinaus, was selbst -naturmenschlicher Animismus phantasiert hat. Wenn weiter die Stoiker -dem konsequenten Sensualismus huldigten, daß alles Wissen, im weitesten -Sinne des Wortes, nur aus sinnlichen Eindrücken stammt, die Seele bei -ihrem Eintritt in den Körper tabula rasa ist, so hat auch dieses in -der Annahme des gleichen Göttlich-Materiellen für die Eigenschaften -der Körperwelt und für die Seele seinen Grund; Materielles wirkt eben -auf Materielles. Darin begegnen sie sich mit den älteren Atomisten und -Mechanisten, die ja die Seele gleichfalls als materiell auffaßten. -Nur das Leere sahen die Stoiker als nichtmateriell an, ferner den -Raum als solchen (also auch den Ort als solchen), die Zeit als solche -und den formalen potentiellen Schluß. Von Gott hatten sie trotz<span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span> der -angenommenen Materialität einen sehr hohen Begriff. „Er ist die ewige -Vernunft, welche die ganze Welt regiert und alle Materie durchdringt; -er ist die gütige Vorsehung, welche das Ganze sowohl wie das Einzelne -besorgt; er ist weise und Grund des natürlichen Gesetzes, welches das -Gute befiehlt und das Böse verbietet; er bestraft auch das Böse und -belohnt das Gute; er ist vollkommen und eines glückseligen Bewußtseins. -Seiner Naturseite nach ist er die bewegende Kraft der Materie, die -allgemeine Natur, ohne welche auch nicht das Geringste geschieht, er -ist das Verhängnis (εἱμαρμένη), welches alles nach notwendigen Gesetzen -des Zusammenhanges zwingt, und die Notwendigkeit aller Dinge.“ Die -Heimarmene findet sich gleichfalls bei Herakleitos und ist überhaupt -ein höchst beliebter Begriff. Aus den letzteren Eigenschaften Gottes -folgt der für die Stoiker so charakteristische <span class="gesperrt">Fatalismus</span>. „Er -(Gott) ist die belebende Seele der Welt, welche einen natürlichen Trieb -hat, aus sich wie aus einem Samen alles hervorwachsen zu lassen.“ So -stellt sich die stoische Anschauung als ein monistischer-deistischer -Materialismus und Mechanismus dar. Es ist bekannt, von welch -außerordentlicher Bedeutung der Stoizismus für die spätere Griechen- -und namentlich für die Römerwelt gewesen ist; seine Ethik und Dialektik -haben die besten Menschen und größten Staatsmänner beherrscht, trotz -des <span class="gesperrt">Indifferentismus</span>, den er aus dem Fatalismus heraus lehrte.</p> - -<p>Die späteren Schüler der <span class="gesperrt">platonisierenden Pythagoreer</span> und -der <span class="gesperrt">pythagorisierenden Platoniker</span> schlossen sich zum Teil -diesem Pandeismus an. Doch gehören deren Anschauungen in eine andere -Darlegung (<a href="#Seite_255">S. 255</a> ff.). Hier will ich allgemeiner noch hervorheben, -daß die Griechen, wenigstens in hellenistischer Zeit, auch einem -<span class="gesperrt">Pantheos</span> (<span class="gesperrt">Allgott</span>) Altäre errichtet haben. Ob dieser -Pantheos mit der Welt identifiziert wurde, kann ich nicht sagen; er -ist als eine aber persönliche Einheit aufgefaßt worden, nicht etwa als -eine Kollektivgottheit, wie aus Inschriften aus Epidauros und Pergamon -hervorgeht.</p> - -<p>Pandeistische Andeutungen finden sich selbstverständlich<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span> auch bei -vielen anderen Völkern. So könnte man den Taoismus der <span class="gesperrt">Chinesen</span>, -in der ihm von Lao-tsse gegebenen Form, hierher rechnen, wenn er nicht -auch dem Naturalismus zuzuzählen wäre, da bei ihm mehr die Natur als -die Gottheit in den Vordergrund gestellt wird. Die Erwähnung an dieser -Stelle muß genügen, zumal mit solchen Sätzen wie: „aus Tao ist alles -hervorgegangen, in Tao kehrt alles zurück“ nicht viel für unsere Frage -anzufangen ist. Von den <span class="gesperrt">Japanern</span> soll einer ihrer bedeutendsten -Philosophen, Yamazaki-Ansai, um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, -entwickelt haben: „Gott ist das Wesen aller Dinge und durchdringt -den Himmel und die Erde.“ Das klingt pandeistisch, kann jedoch auch -metaphorisch gemeint sein, wie wir ja ähnliche Aussprüche von Gott tun.</p> - -<p>Die weiteren Betrachtungen über pandeistische Anschauung schließen sich -an die in den nächsten Abschnitten zu besprechenden Lehren an.</p> - -<div class="section"> - -<h4>26. <span class="gesperrt">Panpsychistische Anschauungen; Hylopsychismus, -Hylozoismus</span>.</h4> - -</div> - -<p>Von diesen Anschauungen sind die als omnanimistisch bezeichneten -bereits geschildert. Die der Theosophie angehörenden finden später -ihre Erledigung. Was übrig bleibt folgt wie von selbst dem Pandeismus, -und ist im Grunde nur durch Seele und Gott verschieden. Eine -<span class="gesperrt">All-Weltseele</span> wird statt eines All-Weltgottes angenommen. Die -Seele steht uns näher als Gott, wir glauben sie besser zu kennen, da -wir sie uns selbst ja zuschreiben. Es hat darum scheinbar weniger -Schwierigkeit, sie mit der materiellen Welt verbunden zu denken als -Gott. Alle Einzelseelen sind dann nur Teile der Weltseele. Und wie im -Pandeismus von Gott den Dingen nur nach Maßgabe ihrer Stellung in der -Welt zukommt, so auch von der Seele. Da in unserer Seele Gutes und -Böses, Edles und Niedriges verbunden ist, entfällt bei Annahme einer -Allseele auch die Unbequemlichkeit eines Grundes für das Üble in der -Welt, den wir nicht gerne in Gott suchen, und nicht gerne für einen -zweiten Gott<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span> ausgeben. So gewinnen wir einen, wie man ihn auch nennt, -<span class="gesperrt">Hylopsychismus</span> (ὕλη, Materie) oder <span class="gesperrt">Hylozoismus</span>, der dem -Pandeismus nur so weit entspricht, als dieser reiner <span class="gesperrt">Hylodeismus</span> -ist und Gott außerhalb der Materie nicht weiter gesucht wird. <span class="gesperrt">Thales -von Milet</span> (phönizischer Abkunft, wahrscheinlich 624–546 v. Chr.) -scheint einen solchen Hylozoismus angenommen zu haben. Da er nach -Aristoteles gemeint haben soll, alle Dinge seien von Göttern voll -(πάντα πλήρη θεῶν εἶναι), so ist es freilich schwer, zu entscheiden, -ob seine Anschauung in einem höheren Sinne, als von der Annahme einer -Weltseele beherrscht, zu verstehen ist, oder lediglich in dem Sinne -des Naturmenschen. Man möchte fast das letztere glauben, da als -Beispiel der Magnetstein angeführt wird, der Eisen anzieht. Zeller -ist dieser Ansicht. Das Feuchte galt dem Thales als Seele, und darum -das Wasser als Urstoff, aus dem alles andere sich durch Erstarren -und Sichverflüchtigen bildete. Hiernach sollte in allem das Feuchte -noch bestehen, in größerem oder geringerem Grade. Daß die Seele im -Blut gesucht wurde und im feuchten Atem, wissen wir bereits. Es macht -keinen großen Unterschied, wenn <span class="gesperrt">Anaximenes</span> (wahrscheinlich -585–528 v. Chr.) statt des Feuchten das Luftartige als Seele, die -Luft als Urmaterie annahm. „Wie Luft (Atem) unsere Seele ist und uns -zusammenhält, so umfaßt auch die ganze Welt der wehende Hauch (πνεῦμα) -und die Luft.“ Thales sah in der Seele, wie aus dem Beispiel des -Magnets zu erkennen, ein Bewegendes, Anaximenes erkennt in ihr ein -sich selbst Bewegendes. Im übrigen herrscht Übereinstimmung. Feinste -Luft (durch Wärme ausgedehnteste) ist das Feuer, also am meisten -seelisch; dichteste (durch Kälte verdichtetste) ist die Erde, also am -wenigsten seelisch. Die Gestirne sind (von der Luft) zusammengedrücktes -Feuer, also jedenfalls hochbeseelt und doch erdenähnlich. Der gleichen -Anschauung huldigte <span class="gesperrt">Diogenes von Apollonia</span> (von 430 v. Chr.); -er sprach sie noch schärfer aus, indem er im Luftartigen geradezu ein -„ungewordenes, unbegrenztes, vernünftiges Wesen, das alles beherrscht -und ordnet“, behauptete. „Denn gerade dieser Stoff (Luft), dünkt mich, -ist Gott, ist<span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span> allgegenwärtig, alles verwaltend und in allem vorhanden. -Und es gibt auch nicht das Geringste, das nicht an seinem Wesen -teilhätte.“ Dieser Stoff ist „ewig und unsterblich“, er ist „Seele -und Geisteskraft“. „Bloße Umwandlungen der Luft sind alle Dinge.“ -Hier schwindet eigentlich die Materie und ist die Welt nur Seele in -verschiedener Darstellung, Manifestation. Schwierig ist es, die Rolle -der Wärme und Kälte (sie finden sich auch bei den Scholastikern als -Prinzipe) zu verstehen, die Diogenes wie auch seine Vorgänger zur -Bildung der Welt aus der Seelen-Urmaterie heranziehen. Man weiß nicht -recht, was sie neben der Seele noch sollen. Vielleicht, daß diese die -Wärme und Kälte aus sich selbst heraus entwickelt und so der eigene -Grund ihrer Verwandlungen mit der Urmaterie ist. Aber es wird auch von -äußerer Wärme gesprochen, der Sonnenwärme, welche Pflanzen, Tiere und -Menschen aus dem Urerdschlamm hervorgelockt haben soll.</p> - -<p>Daß der zwischen Thales und Anaximenes lebende Landsmann dieser beiden, -<span class="gesperrt">Anaximandros</span>, eine Weltseele angenommen hat, ist wohl nicht -sicher, aber wahrscheinlich. Er spricht von dem Ersten (ἀρχή) als von -einem Unbegrenzten (ἄπειρον), Unbestimmten, aus dem alles hervorgeht -und in das alles zurückkehrt nach der Ordnung der Zeit. Dieses Erste -ist ewig und ständig in innerer Bewegung, also wohl beseelt, zu denken. -Durch die Bewegung (also das Leben) treten Scheidungen und Bindungen -des im Ersten Enthaltenen ein, die so unsere Welt darstellen; wie -Warmes und Kaltes sich abtrennen und in ihrer Vereinigung das Feuchte -bilden, wie dann aus diesem durch die weiteren Bewegungen Erde, Luft -und Feuer sich sondern, letzteres sich zur Höhe begibt und sich in -einem Feuerkreis um die Luft sammelt, diese in Gewittern durchbrechend. -Mit den Scheidungen und Bindungen finden zugleich Lösungen und -Durchmischungen statt. Und so gibt die Bewegung im Ersten eine ständig -sich entwickelnde Welt und periodisch sich wiederholende Welten. Diese -letztere Anschauung ist viel bewundert und von vielen aufgenommen und -weiter entwickelt worden. Die Bewegung als Prinzip hielt auch der<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span> -Ephesier <span class="gesperrt">Herakleitos</span> (um 504 v. Chr.) fest, und er präzisierte -sie sogar in dem berühmten Ausspruch πάντα ρεῖ, „Alles ist in Fluß“. -Nirgend ist auch nur für Augenblicke Stillstand. „Man kann nicht -zweimal in denselben Fluß steigen und nicht zweimal eine Substanz -berühren.“ Allein das Seelische sah er nicht in dieser Bewegung selbst, -sondern in einem Feurigen; „diese Welt (κόσμος), die Eine für alle -Wesen, hat weder der Götter noch der Menschen einer gemacht, sondern -sie war immer und ist und wird sein ein ewig lebendes Feuer, sich -entzündend nach Maß und erlöschend nach Maß“. Das Feuer wird auch als -Hauch (ψυχή) bezeichnet, aus dem uns schon bekannten Grunde. Die Welt -ist aber stetige Umwandlungen von Feuer. Und diese nie stillstehenden -noch beharrenden Umwandlungen des eigentlich Seelischen geschehen wie -ein „Krieg, der ein Recht, Vater und König aller Dinge ist“. „Krieg -ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Und die Einen macht er zu -Göttern, die Anderen zu Menschen, die Einen zu Sklaven, die Anderen zu -Freien.“ So bildet das Psychisch-Wesentliche in Heraklits Lehre die -rastlose Tätigkeit der Seele auch im Kleinsten der Welt, wodurch alles, -wie es entsteht, sofort vergeht, so daß alles ist und auch nicht ist. -Der Begriff des Lebens ist der absoluter Veränderung. Nach solcher -steckt im Seelen-Feuer ein stetes, unstillbares Verlangen. Und wie die -Veränderungen nach der einen Richtung gehen, geschehen sie auch nach -der entgegengesetzten: „Des Feuers Verwandlungen sind zuerst Meer, des -Meeres zur Hälfte Erde, zur Hälfte Feuer.“ „Für die Seelen ist es Tod: -zu Wasser werden, für das Wasser Tod: zu Erde werden. Aus Erde wird -Wasser, aus Wasser Seele.“ „Verbindungen sind: Ganzes und Nichtganzes, -Eintracht und Zwietracht, Einklang und Mißklang, und aus Allem -Eins und aus Einem Alles.“ „Der Gott ist Tag-Nacht, Winter-Sommer, -Krieg-Frieden, Überfluß-Hunger.“ „Gut und Schlecht ist eins.“ Ganz rein -psychisch scheint die Anschauung Heraklits nicht gewesen zu sein. Daß -noch eine „verborgene Harmonie“ angenommen wird, die die<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span> Gegensätze -immer ausgleicht, kann eine Eigenheit der Weltseele bedeuten, wie ja -auch die Menschenseele sich in sich immer ausgleicht, daß trotz der -vielen und stetig wechselnden Tätigkeiten die Einheit gewahrt bleibt. -Allein es wird auch von göttlichen Gesetzen, von Weisheit, Vernunft, -ja von Verhängnis — die Heimarmene —, von Zeus als dem Regenten -über alles gesprochen, insgesamt von Prinzipien, „daß das Urwesen -nach festen Gesetzen sich in alle Dinge umsetze und aus ihnen wieder -zurücknehme“. „Denn die Sonne wird ihre Maße nicht überschreiten, -ansonst werden sie die Erinnyen, der Dike (als Weltordnung) Schergen -ausfindig machen.“ Davon handeln wir später. Ebenso von den hohen -Anschauungen des Anaxagoras und anderer, da sie über das rein -Psychische bereits hinausragen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h3 class="nobreak" id="VIERTES_KAPITEL"><span class="s5">VIERTES KAPITEL.</span><br /> - -Pythagoras, Anaxagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles.</h3> - -</div> - -<h4>27. <span class="gesperrt">Anschauungen aus Gesetz, Harmonie, -Weltvernunft, Ideen und Formen</span>.</h4> - -<p>Der Leser wird mir in den späteren Auseinandersetzungen leichter folgen -können, wenn ich, die bisherige Systematik scheinbar, jedoch nur -scheinbar, unterbrechend, zuvor von den Anschauungen spreche, die sich -an die Namen in der Kapitelüberschrift knüpfen.</p> - -<p><span class="gesperrt">Pythagoras</span>, aus Samos (etwa 571–497 v. Chr.), gehört zu -den geheimnisvollen Gestalten des Griechentums; und so rätselvoll -wie er sich darstellt, sind auch seine und seiner Schüler, der -<span class="gesperrt">Pythagoreer</span>, Lehren, mit denen sich schon die Alten abgemüht -haben, und die wir fortwährend wieder aufgenommen finden. Das -Wesentlichste aus diesen Lehren verdanken wir hier, wie in so vielen -anderen Gebieten, den Mitteilungen des Aristoteles. Originales scheint -von <span class="gesperrt">Philolaos</span> (<a href="#Seite_242">S. 242</a>) überliefert zu sein. Alle Dinge in der -Natur bestehen<span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span> aus Begrenzendem und Nichtbegrenztem, „wie denn auch -die ganze Weltordnung (κόσμος) und alles in ihr aus diesen beiden -besteht“. Das Begrenzende wird als Punkt oder Punkte aufgefaßt; und -sofern jeder Punkt eine Einheit bildet, heißt es das Eins und, weiter -gedehnt, die Zahl. Diese sei das Wesen aller Dinge. „Und in der Tat -hat ja alles, was man erkennen kann, eine Zahl. Denn ohne sie läßt -sich nichts erfassen oder erkennen.“ Das Nichtbegrenzte ist, was -zwischen den begrenzenden Einheiten sich befindet, wie beim Klang das -Intervall, bei den Körpern die Leere zwischen den einzelnen Punkten. -Und so bestehe alles aus den Gegensätzen des Begrenzenden und des -Nichtbegrenzten, das die Pythagoreer auch durch Grade und Ungrade -arithmetisch symbolisierten. Entstanden nun sei die Welt an sich -nicht, sondern nur nach der menschlichen Denkweise. Von je sei das -<span class="gesperrt">Ureins</span>, das Ungrade, gewesen und das <span class="gesperrt">Leere</span>. Indem dieses -Ureins das Leere an sich und in sich sog, zerging es in eine Vielheit -von Einsen, die durch das Leere getrennt wurden. Und so seien die Dinge -der Welt gegeben. Das Ureins war also eigentlich eine lückenlos zur -Einheit zusammengezogene Vielheit. Da die Punkte mathematisch angesehen -wurden, so konnte diese Urvielheit auch als Urpunkt bezeichnet werden, -denn sich berührende Punkte, selbst in unendlicher Zahl, geben immer -nur einen Punkt. Die Dinge entstehen erst durch das Zwischentreten -des Nichtbegrenzten, der Leere, des Intervalls. Daher wird das Ureins -„als Grund aller Dinge, als Gott gepriesen, welcher alles lenke und -führe, ein einiger und ewiger, bleibend und unbewegt, sich selbst -gleich und verschieden von allen anderen Dingen“. Denn alle anderen -Dinge enthalten ja noch ein anderes, das Leere. Und die Weltentstehung -und Weltentwicklung beruht auf einem An- und Einatmen des Leeren durch -das Ureins, auf einem Lebensprozeß. „Das Eins (τὸ ἕν auch ἥ μονάς) -ist aller Dinge Anfang.“ So ist die Welt dualistisch erwachsen und -dualistisch gedacht; das absolut vollkommene Ureins ist ihr einer Teil, -das völlig negierende Leere der andere Teil. Darum die Unvollkommenheit -der<span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span> Welt. Die Verschiedenheit der Dinge folgt aus der Verschiedenheit -der Menge des Leeren, die sie enthalten, wie die Verschiedenheit der -Klänge aus der Verschiedenheit der Intervalle zwischen den Tönen.</p> - -<p>Um auch die Ordnung der Welt zu erklären, gingen die Pythagoreer von -dem Prinzip aus, daß schon das Eins die Verbindung der Gegensätze -enthalte, denn zu Gradem addiert gibt es Ungrades, zu Ungradem Grades; -es vereinige in sich das Wesen des Graden und des ihm entgegengesetzten -Ungraden. In dieser Vereinigung liege die Grundharmonie. Und so seien -die Zahlen nicht bloß das Wesen der Dinge, sondern auch das Wesen -ihrer Zusammenstimmung, die <span class="gesperrt">Harmonie</span>. Das Leere aber bedinge -die Gegenstimmung, die Disharmonie. Zwei Töne für sich wären stets -harmonisch; nach Maß der Leere zwischen ihnen, ihres Intervalls, -können sie harmonisch bleiben wie in der Oktave, Quinte usf., oder -disharmonischen Klang geben, wie in der Sekunde, Septime usf. Im ganzen -wäre aber die Welt nach bestimmten Zahlenverhältnissen geordnet. „Denn -nichts von den Dingen wäre irgendwem klar, weder in ihrem Verhältnis -zu sich noch zu anderen, wenn die Zahl nicht wäre und ihr Wesen.“ So -richtig der letztere Gedanke an sich ist, so übertrieben verfolgten -ihn die Vertreter dieser Lehre, die schließlich alles in der Welt -durch Zahlen ausdrücken zu können glaubten, selbst Begriffe und -konkrete Gegenstände. In letzterer Hinsicht ist bekannt, wie sie durch -Zahlenverhältnisse die fünf regelmäßigen Körper: Kubus, Pyramide, -Oktaeder, Ikosaeder, Dodekaeder, daraus die fünf antiken Elemente: -Erde, Feuer, Luft, Wasser, Äther, letzteres das „Lastschiff“ der -Weltkugel, darstellten. Und so hatten sie eine gewaltige Ehrfurcht vor -den Zahlen, und die Vierzahl (Tetraktys), der sie eine ganz besondere -Bedeutung beimaßen, war ihnen sogar „die Quelle der nimmer versiegenden -Natur“.</p> - -<p>Das vornehmste, ursprünglichste und eigentlichste Element des Lebens -ist das Feuer. Es befinde sich in der Mitte der Welt, strahle von -da in die ganze Welt aus und ernähre so die ganze Welt und halte -sie zusammen. Um dieses Zentral<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a></span><span class="gesperrt">feuer</span> (die Hestia, die Burg -des Zeus) drehen sich die zehn Sphären, nämlich, von außen nach -innen, der Fixsternhimmel, die fünf Planeten (Merkur, Venus, Mars, -Jupiter, Saturn), Sonne, Mond, Erde und Gegenerde. Die Gegenerde -(ἀντίχθων) ist eingeführt, um die heilige Zahl Zehn zu erhalten, -die „alles vollendend, alles wirkend und Anfang und Führerin des -göttlichen, himmlischen und menschlichen Lebens“ ist. Die leuchtenden -Gestirne strahlten entweder das Licht der Sonne zurück oder das des -Zentralfeuers. Letzteres gelte insbesondere von der Sonne, die einem -spiegelnden Kristall zu vergleichen sei. Zwischen den Abständen der -Sphären und ihrer Bewegung herrsche musikalische Harmonie; und indem -jede Sphäre durch ihre Schwingung einen Ton erzeuge, erklänge die Welt -in der berühmten <span class="gesperrt">Sphärenharmonie</span>, die wir nicht wahrnähmen, -entweder weil die Töne für unsere Wahrnehmung zu hoch liegen, oder weil -wir sie ständig in gleicher Weise hören. Über der ganzen Welt und sie -umgebend sei wieder das Feuer. An der Unvollkommenheit der Erde liege -es, daß wir vom Zentralfeuer nichts direkt bemerkten, sondern unter -Vermittlung der anderen Weltkörper, welche von ihm Strahlung erhielten. -Diese anderen Weltkörper werden dann auch für vollkommener als die Erde -angesehen, so auch als von vollkommeneren Wesen bewohnt. Die Welt aber -ist einheitlich, und von der Mitte aus begann sie zu entstehen.</p> - -<p>Kaum eine Schule ist so konsequent verfahren wie die pythagoreische und -hat, von trockenen Zahlenbeobachtungen ausgehend (bekanntlich bei den -Experimenten über die Tonverhältnisse), so phantasievolle Vorstellungen -entwickelt. Ihr Weltgebäude ist kühn und schön entworfen, und seine -Entwicklung aus Punkt und Leere ist groß erdacht. Und Pythagoras soll -ja zuerst für die Welt die Bezeichnung Kosmos benutzt haben, was -Schmuck, Ordnung und Schönheit bedeutet. Wie die Pythagoreer, deren -bedeutendste <span class="gesperrt">Philolaos</span> und <span class="gesperrt">Archytas</span> (beide etwas älter -als Platon) waren, ihre Ideen bis in die feinsten Regungen der Seele -harmonisch verfolgten, gehört nicht hierher. Die Seele selbst scheinen -sie für die Harmonie des Körpers gehalten zu haben. Doch<span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span> unterschieden -sie die animalische Seele, mit dem Sitz im Herzen, von der Vernunft, -deren Wurzel im Gehirn liegt. „Hirn ist das Prinzip des Verstandes -(νοῦς), Herz das des Lebens (ψυχή) und der Empfindung (αἴσθησις)“. Von -einer dritten Seele, im Nabel, ließen sie Wachstum und Fortpflanzung -abhängen. Von einer vierten, im Schamglied, Zeugung. Wegen der -pythagoreischen Seelenwanderung darf ich auf Früheres verweisen (<a href="#Seite_217">S. -217</a>).</p> - -<p>Wie bei den Pythagoreern die Harmonie die Welt durchdringt, so bei -<span class="gesperrt">Anaxagoras</span> aus Klazomenai (um 500 bis 428 v. Chr.), dem Freunde -des Perikles und der Aspasia, die <span class="gesperrt">Weltvernunft</span> (Nus, νοῦς). -Es ist freilich nicht sicher, daß er diese Vernunft durch die ganze -Materie verbreitet sich gedacht hat. Indessen wirkt sie unmittelbar auf -die Materie ein. Diese ist ursprünglich, wie bei Anaximandros, eine -regellose Mischung aller möglichen Dinge. Die Weltvernunft aber bringt -in dieser Mischung eine Wirbelbewegung hervor, die sich weiter und -weiter ausbreitet, indem sie sich zugleich erhält. Durch die Bewegung -aber wird Verwandtes zusammengeführt, Verschiedenes getrennt; so -entstehen die Dinge. Verbindung und Scheidung ist niemals vollständig, -sondern nur mehr oder weniger vollständig, so daß jedes Ding von allen -Dingen an sich etwas enthält; nur von gewissen mehr, von anderen -weniger, wodurch seine Art bestimmt ist. Z. B. besitze der weiße Schnee -auch ein Dunkles, denn er löse sich im dunklen Wasser dunkel auf. Die -Gesamtheit aber kann sich weder vermindern noch vermehren, sondern -alles bleibt stets gleich. Ein ganz modernes Prinzip! „Der Geist ist -unendlich und nach eigener Wahl herrschend, und vermischt ist er mit -keinem Dinge (wiewohl in einigen Dingen enthalten), sondern allein -selbst ist er für sich“, sagt der Philosoph. Der Geist ist nicht nur -Ursache des Beginnes der Weltbildung, sondern auch der Entwicklung -der Welt, ihrer Ordnung, er ist der „Wächter“ der Welt, „er bewege -und ordne nicht nur das Vergangene, sondern auch das Gegenwärtige -und Zukünftige“. Schöpfer ist er nicht, die Materie besteht neben -ihm von je, nicht einmal<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span> ihre Bestandteile vermag er zu ändern. Ja -selbst die Bewegung und Entmischung beherrscht er nur teilweise, da -diese auch von der Natur der Materie abhängt. Er kann sein Streben nur -angenähert durchführen. Und so ist die Welt nur im großen und ganzen -durch ihn geordnet. Daher wohl das Unvollkommene. „Da der Geist anfing -(„von einem gewissen kleinen Punkte aus“) zu bewegen, sonderte er aus -dem bewegten All; und so viel der Geist bewegte, alles dieses wurde -ausgeschieden. Der bewegten, aber ausgesonderten, Dinge Umkreisung -machte noch um vieles mehr ausscheiden.“ Also die Welt bildet sich -nach dem Anstoß auch selbst weiter; wiederum ganz modern gedacht! -Die Griechen aber sahen in seinem Dualismus und der halben Macht der -Weltvernunft einen erheblichen Mangel seines Systems. Anaxagoras war -Physiker, Mechanist, nebenbei auch Theosoph. Als solchem werden wir -ihm noch begegnen. Die Athener nahmen ihm seine Indifferenz gegen die -Götter übel, die schon aus der halben Wirksamkeit selbst der Vernunft -folgt; und weil er auch die Gestirne für Steine (von der Erde durch -die Wirbel losgerissen oder im Äther durch die Entmischung entstanden) -erklärte, verfiel er der bösen Anklage der Gottlosigkeit, die selbst -einem Sokrates das Leben kostete. Er mußte trotz des Schutzes des -gewaltigen Perikles fliehen. <span class="gesperrt">Euripides</span> soll sein Schüler gewesen -sein.</p> - -<p>Es ist bekanntlich noch nicht gelungen, mit Sicherheit festzustellen, -was <span class="gesperrt">Platon</span> (427–347 v. Chr.) unter den „<span class="gesperrt">Ideen</span>“ (εἶδος, -ἰδέα) verstanden hat, und der Auffassungen gibt es gar viele. Ihre -Konzeption verdanken die Ideen offenbar der Erkenntnis, daß trotz des -Mannigfaltigen gewisse Züge ganzen Klassen von Dingen und Erscheinungen -gleicherweise zukommen. Rein dialektisch wäre also eine Idee das in -einer Mannigfaltigkeit Gemeinsame. So bedeutete die Idee jedoch nur -ein Abgezogenes, einfach einen Denkakt ohne jede Realität. Das ist -aber nicht Platons Meinung. Zunächst behandelt er die Ideen als vor -der Welt Vorhandenes. Im Timaios heißt es, indem von der Bildung -der Welt durch Gott (Zeus) gesprochen wird: „So ist denn jene (die -Welt) nach dem Urbilde dessen<span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span> entstanden, was der Vernunft und -Erkenntnis erfaßbar ist und beständig dasselbe bleibt. Schreiten wir -nun auf diesen Grundlagen zur Betrachtung dieser unserer Welt fort, -so ist sie eben hiernach ganz notwendigerweise ein Abbild von etwas -Ewigem.“ Dieses „Ewige“, oder auch die „ewigen Götter“, sind eben die -Ideen, die also vor der Welt vorhanden sein mußten, wenn die Welt ihr -Nachbild sein sollte. Und von ihnen, als dem „Vorbilde“ (παράδειγμα, -Paradigma) heißt es weiter: „Von allem nun, was zur Gattung der Teile -gehört, werden wir sie mit <span class="gesperrt">Nichts</span> in Vergleich bringen wollen, -denn was dem <span class="gesperrt">Unvollkommenen</span> (eben als Teil) gleicht, das kann -nicht schön sein. Wohl aber werden wir sie <span class="gesperrt">demjenigen</span>, wovon -die übrigen lebendigen Wesen (nämlich nach Platons panpsychistischer -Ansicht alle Wesen überhaupt) als Einzelne und nach ihren Gattungen -bloße Teile sind, als am allerähnlichsten setzen“. Im weiteren Verlauf -des Gesprächs, an das wir uns vorläufig halten, wird dann untersucht, -„ob es ein Feuer an und für sich gibt und überhaupt alles übrige, wovon -wir ein jedes so als an und für sich seiend zu bezeichnen pflegen. -Oder aber, ob nur das, was wir sehen und was wir sonst mit den Sinnen -des Körpers wahrnehmen, bereits die Wahrheit bedeutet, die wir suchen, -und einzig und allein Wahrheit hat, und es außerdem schlechthin nichts -anderes gibt. So daß es nur ein eitler Wahn von uns wäre, wenn wir -jedesmal von einem jeden Dinge eine nur dem Denken erfaßbare Idee als -das Seiende annehmen, und dieselbe nichts als ein Name wäre.“ Man -kann die Aufgabe nicht schärfer stellen. Und Platon entscheidet sich, -daß zugestanden werden müsse: „das Eine sei die stets auf dieselbe -Weise sich verhaltende Art, <span class="gesperrt">unerzeugt</span> und <span class="gesperrt">unvergänglich</span>, -weder in sich ein Anderes von anderswoher aufnehmend, noch selber in -irgendein Anderes ausgehend, unsichtbar und auch sonst mittelst der -Sinne nicht wahrnehmbar, das, dessen Betrachtung dem vernünftigen -Denken zuteil geworden ist. Das <span class="gesperrt">Zweite</span> aber, jenem gleichnamig -und ähnlich, sei sinnlich wahrnehmbar, erzeugt, in steter Bewegung, -entstehend an einem Ort und wieder von da verschwindend.“ Andere -Äußerungen<span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[S. 246]</a></span> Platons in anderen seiner Gespräche stimmen damit im -wesentlichen überein, daß die Ideen das An-sich- und Für-sich-Seiende -(οὐσία, αὐτοζῶον) und zugleich, als Urbilder (<span class="gesperrt">Paradigmen</span>) der -Dinge, das An-sich dieser Dinge, überhaupt von Allem seien. Und indem -jede Idee eine Klasse von Dingen in sich verkörpert, ist sie eine -Einheit, eine Henás oder Monás. Unter diesen Ideen scheint Platon -eine Rangstellung anerkannt zu haben, vermöge deren sie einander -untergeordnet, übergeordnet und beigeordnet sind. Ja, indem er von der -mitgeteilten Behauptung, daß jede Idee für sich sei, abgeht, bringt -er die Ideen selbst miteinander in Verbindung, so daß in einer Idee -auch mehrere Ideen sich abspiegeln können und in der Vorstellung jede -ein Vieles zu sein vermag, wodurch auch die sinnliche Mannigfaltigkeit -erklärt ist.</p> - -<p>Die Nachbilder der Ideen sind in etwas ausgeprägt, das am besten wohl -mit dem Heraklitischen Apeiron, dem unbegrenzten Etwas, verglichen -wird. Es ist nicht, was wir Materie heißen. Platon nennt es die -„<span class="gesperrt">Gattung des Raums</span>“, „dem Untergange nicht unterworfen, welche -allem, was ein Werden hat, eine Stätte gewährt, selbst aber den -Sinnen unzugänglich ist, auch vom Geiste nur sozusagen durch einen -erschlichenen Schluß erfaßt und kaum zuverlässig bestimmt wird, -die, welche wir auch im Auge haben, wenn wir träumen, es müsse doch -notwendig das, was ist, an einem Orte sein und einen Raum einnehmen; -was aber weder auf der Erde noch sonst im Weltall sich befinde, -sei überhaupt gar nicht vorhanden“. Dieses also Geträumte ist nach -Platon auch das „Nichtseiende“, indem ihm eben nur die Ideen das -wahrhaft Seiende bedeuten. Es ist auffallend, daß Platon den Raum -als ein Besonderes denkt, da doch die Zeit als Abbild der Idee -„Ewigkeit“ erklärt wird. Warum ist nicht der Raum ein Abbild der Idee -„Unbegrenztheit“? Ist der Raum der Ort der Äußerungen (Bilder) der -Ideen, so gibt die <span class="gesperrt">Seele</span> die Verbindung zwischen diesen Bildern -und den Ideen. Sie wird hiernach die Vorstellung dieser Ideen sein -und zugleich das deren Abbilder Belebende und Bewegende. Sie tritt -im Ein<span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span>zelnen auf, aber auch als Gesamtseele, <span class="gesperrt">Weltseele</span>. Sie -wird als der Grund aller körperlichen Gestalten bezeichnet und als -die Herrscherin. Ihr Sitz ist in der Mitte der Welt, die kugelförmig -gedacht ist; sie zieht sich aber durch alle Dinge, und die Einzelseelen -sind ihr angehörig. „Und so darf man es denn mit Wahrscheinlichkeit -aussprechen, daß diese Welt als ein wirklich beseeltes und vernünftiges -Wesen durch Gottes Vorsehung entstanden ist.“ Weltseelen und -Einzelseelen werden für Götter (zu diesen sind auch die Gestirne als -selige Wesen, „sichtbare Götter“, und die Götter der Volksreligion -gezählt) und Menschen von Gott selbst geschaffen, für Tiere, Pflanzen -und andere Dinge von den Göttern. Doch wird auch gesagt, die Seelen -seien von je. Davon und von ihren Wanderungen ist bereits gesprochen -(<a href="#Seite_217">S. 217</a> f.). Die Umgebung der Seelen mit dem Leibe erfolgt durch die -Götter, wenn es nicht, wie es auch den Anschein hat, durch die Seelen -selbst, wenigstens durch die Weltseele, geschieht. Und indem die Seelen -das Ewige sind und dem wahren Sein so nahe stehen, haben sie im Leben -dem Werden und Vergehen, dem Einstürmen der Veränderungen Widerstand -zu leisten, um ihre ewige Göttlichkeit zu wahren. Das würde freilich -dem, daß die Seelen auch das Bewegende sein sollen, widersprechen, wenn -nicht die von der Seele stammende Bewegung ein anderes bedeutet, als -die von außen kommenden Veränderungen, vielleicht die innere Bewegung -der Triebe, Gedanken und Gefühle. Dann wären die Veränderungen in -dem „Raum“ begründet. Und dieser müßte doch etwas mehr bedeuten als -bloß ein Nichtseiendes, zumal er ungeschaffen neben Gott bestehen und -dessen Wirken auf Vollkommenheit hinderlich sein soll, daß die Welt nur -unvollkommen aus den Händen des höchsten Werkmeisters hervorgeht. Trotz -der Allmacht dieses Werkmeisters und der absoluten Vollkommenheit der -Vorbilder, der Ideen.</p> - -<p>Eine weitere Schwierigkeit besteht in dem Verhältnis der Seele zu der -Ideenwelt. Sie soll in diese Welt hineinragen. Ist sie geschaffen, so -kann sie selbst nur Abbild einer Idee sein, also von den Ideen keine -vollkommene Kenntnis er<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span>reichen. Besteht sie seit je, so ist nicht -zu begreifen, wie sie in ein Abbild der Ideen gerät, da die Ideen es -doch nicht tun. Und noch weniger, wie sie aus den Abbildern der Ideen -Kenntnis von den letzteren erlangen soll, da doch die ganze Kenntnis -nur die aus den Abbildern geschöpfte sein kann, also unvollkommen und -schattenhaft. Indessen wird auch gesagt, die Seele kenne die Ideenwelt -aus ihrer Existenz außerhalb des Körpers, und im Leben erinnere sie -sich dieser Welt (<a href="#Seite_225">S. 225</a> f.). Das ist aber doch nur ein Notbehelf, -trotz dessen <span class="gesperrt">Ontologie</span> und <span class="gesperrt">Ideologie</span> unvermittelt -bleiben. So ist in Platons Lehre so manches unverständlich und einiges -mit anderem nicht zu vereinen. Der große Mann hat in seinem langen -Leben wahrscheinlich seine Ansichten nicht immer festgehalten oder -gegenüber weiteren Überlegungen nicht immer festhalten können. Und eine -letzte Zusammenfassung seines Systems besitzen wir nicht. Er hat wohl -auch ein festes System gar nicht geben wollen. Denn sein eigentliches -Bemühen gehörte der Sokratischen Ethik an. Das Gute und das Schöne -sind ihm die eigentlichen Ideen, beide sogar die Gottheit selbst. Und -so knüpft sich an seinen Namen der <span class="gesperrt">Sokratische Idealismus</span> in -seiner eingreifendsten Bedeutung. Wir aber haben zunächst seine Reihe: -Gott, Ideenwelt, Raum (auch Materie), Weltseele (auch Einzelseelen), -Welt (mit Einzeldingen). Die Welt ist durch die Ideenwelt bestimmt. -Gott schafft nach der Ideenwelt, er schafft auch die Seelen. Ist der -Raum bedeutungslos, so bildet das Ganze eine Art Monismus. Allein das -geht wohl zu weit, kaum kann man in Platons Lehren auch nur einen -Dualismus mit Sicherheit anerkennen. Plutarch freilich, in seinen -Lehrmeinungen der Philosophen, sagt: „<span class="gesperrt">Sokrates</span>, des Sophroniskos -Sohn, und <span class="gesperrt">Platon</span>, Aristons Sohn, haben über das All gleiche -Meinung. Sie geben drei Prinzipien an: Gott, die Materie und die Idee. -Gott ist nämlich der Verstand, die Materie der erste Gegenstand des -Entstehens und Vergehens, und die Idee ein unkörperliches Etwas, das -in den Gedanken und Vorstellungen Gottes existiert. Gott aber ist die -Seele der Welt“. Er meint also in der Tat einen Dualismus,<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span> indem -er die Ideen und die Weltseele in Gott verlegt oder als Emanationen -Gottes ansieht und neben Gott die Materie bestehen läßt. Nach Xenophon -hat übrigens <span class="gesperrt">Sokrates</span> es absichtlich vermieden, über das -Weltganze zu sprechen, und sogar diejenigen für Toren erklärt, die -darüber grübeln, da noch so viel über den Menschen selbst zu denken -sei. In seinen späteren Jahren muß Platon die Einfachheit der Ideen -aufgegeben haben. Pythagorisierend nahm er sie als zusammengesetzt -an aus dem Eins, als dem Guten, und aus dem Unbegrenzten — dem -Großen und dem Kleinen. Das soll wohl heißen, daß jede Idee in sich -ein unterschiedsloses Gutes einheitlich darstellt, das in seiner Art -allumfassend ist. Das Umfassende als „unbestimmte Zweiheit“ angesehen, -wäre jede Idee Einheit und Zweiheit. Diese Darstellung ist von anderen -übernommen, wir werden ihr wieder begegnen (<a href="#Seite_256">S. 256</a>).</p> - -<p>Platons Schule ist die <span class="gesperrt">Akademie</span>, zu der viele hervorragende -Männer gehörten, die jedoch mehr und mehr in pythagorisierende -Zahlenlehre verfielen, wie <span class="gesperrt">Speusippos</span>, der unmittelbare -Nachfolger Platons, alles aus Eins und der Vielheit abzuleiten suchte, -ohne dabei die Weltseele und die Idee des Guten aufzugeben, und -<span class="gesperrt">Xenokrates</span>, dem das Eins oder das Ungrade und das Zwei oder das -Grade „Vater“ und „Mutter“ der Götter waren, das Eins sogar dem Zeus -und dem Nus gleichkam. „Indem zu der Zahl das Selbige und das Andere -hinzutritt, entsteht die (Welt-) Seele.“ Die Kräfte der Natur waren -ihm Götter. Die Zahlenangaben sind symbolische Ausdrucksweisen, deren -Verständnis sich uns meist entzieht. Von den Neuplatonikern sprechen -wir später. Über Weltzeitalter, Seelenwanderung und den Platonischen -Ideen ähnliche Dinge bei anderen Völkern ist bereits gesprochen (<a href="#Seite_226">S. -226</a>).</p> - -<p>Der größte Schüler des Platon, der große <span class="gesperrt">Aristoteles</span> (384–322 v. -Chr.), der Sohn des Nikomachos, hat die Lehren seines Meisters vielfach -sehr scharf kritisiert. Er hat sie auch zu verbessern gesucht. Die -<span class="gesperrt">Formen</span> (εἶδη) der Dinge entsprechen den Platonischen Ideen. Sie -sind aber bei ihm nicht Wesen für sich, sondern nur das, was die Dinge -als<span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span> solche ausmacht. Alle Dinge bestehen zunächst aus Stoff (ὕλη) und -Form oder Inhalt (μορφή, εἶδος, λόγος, τό τὶ ἐστί usf.). Der Stoff -als solcher ist nicht die Dinge selbst, wie auch nicht bei Platon, -er ist eine „erste Materie“. Indem er aber doch Dinge werden kann, -muß er dazu die Fähigkeit besitzen. So ist er eine <span class="gesperrt">Dynamis</span>, -eine Möglichkeit, <span class="gesperrt">Potentialität</span> für Wirkliches. Verwirklicht -ist ein Ding in der Form, und so bedeutet diese die <span class="gesperrt">Energie</span> -oder <span class="gesperrt">Entelechie</span> des Dinges. Und sie ist so unveränderlich und -ewig wie bei Platon die Idee, nur daß sie nicht außerhalb des Dinges -etwas, ein Reales, bedeutet. Sie ist das, was das Ding zum Dinge -macht, also auch dessen Wesen, Begriff und Endzweck. „Wenn etwas wird, -so wird es nicht nur aus etwas, sondern <span class="gesperrt">durch</span> etwas“, heißt -es in der „Metaphysik“. Auch der Stoff ist ewig; er soll auch das -Unausweichliche, die <span class="gesperrt">Ananke</span>, einbegreifen und den Zufall, die -Tyche, und darum die Unvollkommenheit der Welt bedingen, die Platon -in dem „Nichtseienden“ des Stoffes sah. Die Form muß Macht haben, den -Stoff sich zu unterwerfen. Diese Macht aber wird nicht aktiv in der -Form gesucht, sondern passiv in dem Stoff, dem ein Verlangen (ὁρμή) -nach der Form zugeschrieben wird. Das wäre eine dritte Eigenheit -des Stoffes. Aristoteles faßt also den Stoff realer auf als Platon. -Indessen kann etwas Stoff mit Bezug auf Eines und Form mit Bezug auf -ein Anderes bedeuten. So ist Erz Stoff einer Bildsäule, Form aber mit -Bezug auf die Teile, aus denen es gewonnen ist; dadurch verläuft alles -freilich ins Begriffliche. Aus Form und Stoff gehen, wie die Dinge, so -auch die Veränderungen hervor; diese sind Wirklichkeiten von Möglichem -und als solche gleichfalls Energien oder Entelechien. Das Verändernde -ist die Form, das Veränderte der Stoff.</p> - -<p>Die Veränderung ist so anfang- und endlos wie Form und Stoff. Daher -(?) muß es ein unveränderliches Veränderndes (unbewegtes Bewegendes) -geben, also eine Form ohne Stoff, eine reine Aktualität, die, als -ohne Stoff, auch das absolut Vollkommene ist. Diese Form ist der -<span class="gesperrt">Geist</span> (νοῦς), die <span class="gesperrt">Gottheit</span>, die allumfassende, absolute -<span class="gesperrt">Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span>nunft</span>, die in unaufhörlichem Sich-selbst-Denken (θεωρία) das -„Denken des Denkens“ ist; eine Wendung, die Andere viel benutzt und -auch mißbraucht haben. Diese letzte Form ist nur in sich tätig; sie -wirkt aber durch ihre Anwesenheit, daß alles ihr zustrebt, und bedingt -dadurch das Leben der Welt in seiner bestimmten Ordnung. „Einen auf -die Welt gerichteten göttlichen Willen, eine schöpferische Tätigkeit -oder ein Eingreifen der Gottheit in den Weltlauf hat Aristoteles nicht -angenommen“, sagt Zeller. Man sieht, die ganze Anschauung ist höchst -mechanisch, im Grunde ist die letzte Form auch überflüssig; sie besagt -ja nur, daß das Leben der Welt einen bestimmten Lauf von Ewigkeit -zu Ewigkeit hat. Und so gehörte diese Lehre sachlich nicht hierher, -wenn es sich nicht sonst empfohlen hätte, sie an Platons lebendige -Ideenlehre anzuschließen. Auch ist die Stellung des νοῦς, nachdem -dieser einmal angenommen ist, in der Tat die einer besonderen Gottheit, -die nur als solche mit der Welt aktiv nichts zu tun hat. Diesen -Mangel der Gottheit, wenn er ein solcher ist, ersetzt Aristoteles -durch Einführung der „<span class="gesperrt">Natur</span>“ (φίσις), die für Leben und Sein -in der Welt den Grund abgibt, wie eine wirkliche Kraft. Vielleicht -hat Aristoteles doch die reine Passivität Gottes verlassen und Gottes -Vernunft als Weltvernunft aufgefaßt. Allein Aristoteles sagt, die Natur -sei nicht göttlich (οὔ θεία), sondern dämonisch (δαιμονία), sie wirke -wie eine nach unbewußten Trieben handelnde Künstlerin. Gleichwohl ist -seine Anschauung, wie die Platons und vieler Philosophen vor und nach -ihm, eine <span class="gesperrt">zweckheitliche</span>, <span class="gesperrt">teleologische</span>. „Die Natur -tut nichts zwecklos“, „sie strebt immer nach dem Besten“, „sie macht -nach Möglichkeit immer das Schönste“. Und insofern die Natur die Welt -selbst mit allen Geschehnissen ist, liegt die Teleologie in ihr. Ihre -Entwicklung ist durch sie selbst bestimmt. Das wäre durchaus modern -gedacht. Noch sei erwähnt, daß Aristoteles als drittes Prinzip den -Dingen die <span class="gesperrt">Beraubung</span>, <span class="gesperrt">Privation</span> (στέρησις) zuschreibt, -sicher um die Verschiedenheiten der Dinge dialektisch zum Ausdruck -zu bringen. Und er denkt sich die Dinge in der Tat auch<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a></span> der Art -nach verschieden und meidet die mathematischen Konstruktionen der -Pythagoreer und Platons, sowie die Ableitungen der Atomisten, die wir -noch kennen lernen werden.</p> - -<p>Die Welt hat bei Aristoteles Kugelform; in der Mitte ruht die Erde, -der Himmel dreht sich in stets gleicher Weise. Alles an diesem ist -viel vollkommener als auf der Erde, die Gestirne sind vollkommenere -Wesen als selbst der Mensch. Es gibt einen oberen Himmel der Fixsterne -und untere Himmel der Planeten. Außer der allgemeinen Bewegung des -oberen Himmels, der diese unteren Himmel mitführt, haben diese auch -noch eigene Bewegungen; schwingende und neigende, eben zur Erklärung -der scheinbaren Bewegungen der Planeten, zu denen auch Sonne und Mond -gezählt werden. Eine ähnliche Anordnung nimmt auch Platon an, und zwar -von der Erde aus: Mond, Sonne, Merkur (Stilbon), Venus (Heosphoros), -Mars (Pyroeis), Jupiter (Phaethon), Saturn (Phainon), Fixsterne. Im -übrigen ist alles in der Welt möglichst konzentrisch kugelförmig -geordnet, wie auch die Bewegung der Sphären kreisförmig sich darstellt -und die Elemente kugelig sich übereinander lagern (Erde, Wasser, Luft, -Feuer, Äther). In Aristoteles Ansichten liegt es, daß das Bessere -immer das Schlechtere regiert. So hängen die Winde der Luft von den -Gestirnen ab, die Wogen des Meeres von den Winden. Je mehr die Zahl der -Regierenden wächst, desto geringere Einheitlichkeit; und so herrscht in -allem auf der Erde die größte Unordnung, und diese nimmt ab, je höher -wir steigen. Aristoteles sah darum auch diejenigen Gestirne als die -ferneren an, die die geordneteren Bewegungen aufweisen, die Fixsterne -also als die fernsten. Die Sonderbewegungen der Planeten werden schon -von Platon und Früheren durch Einführung weiterer Sphärendrehungen -erklärt. Mit der Fixsternsphäre wird die Zahl aller erforderlichen -Sphären von Eudoxos auf 23, von Kallippos und Aristoteles auf 34 -geschätzt. Da aber jede höhere Sphäre jede tiefere in ihre Bewegung -hineinziehen müßte, sind noch 22 Sphären angenommen, die sich entgegen -jenen drehen. Insgesamt hat man so 56 Sphären. Jede Sphäre muß von -einem unkörperlichen und unbewußten<span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span> Geist bewegt werden, davon also -56 vorhanden sind, zu denen eben die Gestirne zählen. Dieses System, -in Verbindung mit pythagoreischen Harmonielehren, hat wohl Cicero -vorgeschwebt, als er seinen wunderlichen Aufsatz „Scipios Traum“ -schrieb. Die Welt ist ewig von je in je, und, indem auch die Formen -ewig sind, hat es die gleichen Dinge, zum Beispiel Menschen, immer -gegeben, wie auch Platon annimmt, trotz der stetigen Entwicklung nach -oben. Das Leben der Wesen hat niemand nach der vitalen wie nach der -geistigen Seite so eingehend zergliedert wie Aristoteles. Das gehört -nicht mehr hierher. Nur an seine berühmte, aus seiner Formenlehre -folgende Definition der <span class="gesperrt">animalen Seele als der Entelechie des -organischen Körpers</span> sei erinnert. Der Mensch besitzt noch einen -Geist (νοῦς) außerdem, mit der animalen Seele verbunden. Wie, ist nicht -zu ersehen, zumal vom Geist mindestens ein Teil, der tätige (ἀίδιος), -ewig sein soll.</p> - -<p>Aristoteles’ Schule ist die der <span class="gesperrt">Peripatetiker</span>, seine -eigentlichen Schüler aber hat er im Mittelalter unter den Arabern -und abendländischen Scholastikern gehabt, bei denen er Jahrhunderte -hindurch souverän herrschte, bis nach Anbruch der neueren Zeit diese -Herrschaft unter harten Kämpfen allmählich gebrochen worden ist, ohne -doch bisher ganz zu verschwinden. Er war eben ein außerordentlicher -Mann, der auf dem Gebiete der Dialektik Großes und auch als -Naturforscher höchst Bedeutendes geleistet hat. Er wird uns noch -oft begegnen, er und sein Lehrer Platon, die eigentlichen Sterne -griechischer Idealphilosophie.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h3 class="nobreak" id="FUENFTES_KAPITEL"><span class="s5">FÜNFTES KAPITEL.</span><br /> - -Anschauungen aus Theosophie, Deismus und Emanismus.</h3> - -</div> - -<p>Die <span class="gesperrt">Theosophie</span> und die mit ihr meist verbundene -<span class="gesperrt">Emanationslehre</span> beruhen außer auf dem Glauben, wie an -einer anderen Stelle bereits hervorgehoben, weniger auf logischen -Verstandesfolgerungen und auf Naturbetrachtungen,<span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span> als vielmehr auf -Eingebungen, innerem Schauen (contemplatio), auf Intuition, meist -aus dem Fühlen heraus. Es wird dieser Intuition, mitunter höchster -Phantasie und Verzückung, ihr Recht eingeräumt, selbst gegen den -Widerstand der kühlen Vernunft. Zugleich tritt die irdische Welt als -Selbständigkeit in den Hintergrund. Verband der Pandeismus Gott mit -der Welt, so schließt die Theosophie umgekehrt die Welt an Gott an. -Gleichwohl neigt sie meist zu einem gewissen <span class="gesperrt">Pandeismus</span>, wofür -wir manche Beispiele kennen lernen werden. So ist die Theosophie -doppeldeutig zu verstehen, als eine Erkenntnis Gottes durch die Welt -und als eine Erkenntnis der Welt durch Gott; letzteres also als eine -Erkenntnis, wie Gott sie besitzt, als eine absolute Erkenntnis. -Fast alle Schulen und Vereinigungen, die sich in dieser Weise mit -der Theosophie beschäftigt haben und noch beschäftigen, wie unsere -modernen Theosophen, haben die zweite Art der Erkenntnis in ihren -wesentlichen Teilen geheim, esoterisch behandelt. So verband und -verbindet sich mit der Theosophie ein <span class="gesperrt">Occultismus</span>, der, soweit -er an die Öffentlichkeit tritt, naturgemäß als <span class="gesperrt">Mystizismus</span> -erscheint. Und sie führt zu <span class="gesperrt">Supranaturalismus</span>. Ja in den -Auswüchsen zu <span class="gesperrt">Theurgie</span>, <span class="gesperrt">Nekromantie</span> und manchem Spuk, -den wir vom <span class="gesperrt">Spiritismus</span> kennen. Es ist auch vielfach das Gebiet -der <span class="gesperrt">Geheimgesellschaften</span>, deren Lehren nur den Eingeweihten, -Mysten, Adepten bekannt waren oder bekannt sind. Ob die griechischen -Mysterien hierhergehören, läßt sich nicht feststellen. Da wir nicht -mehr sagen können, als wir wissen, beschäftigen wir uns hier nur mit -den exoterischen Lehren. Sie enthalten viel Bedeutendes und Hohes neben -manchem, das wir nur kopfschüttelnd vernehmen mögen. Ich erinnere aber -zum Verständnis des Folgenden, namentlich in nichtheidnischen Kreisen -entstandenen, daß, frei von allem Mystizismus, schon in der Bibel -die Wesensgleichheit des Geistes des Menschen mit dem Odem Gottes -vorgetragen ist. Um solche Wesensgleichheiten in allgemeinerem Sinne -handelt es sich in allen zu beschreibenden theosophischen Anschauungen. -Für Gott werden wir auch <span class="gesperrt">Urgeist</span> setzen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span></p> - -<div class="section"> - -<h4>28. <span class="gesperrt">Orphiker und Neu-Pythagoreer</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die <span class="gesperrt">Orphiker</span> sagten: Vom Geiste (ὅλον, Universum) lösten sich, -wie vom Winde geweht, Stücke ab. Die lebenden Wesen atmeten sie ein und -würden dadurch zu belebten Dingen. Doch ist uns von den Neu-Orphikern -manches Ausführlichere überliefert. Nach der sogenannten Rhapsodischen -Schule ist eine Trias von drei Urwesen vorhanden: Chronos (wohl Zeit), -Aither (das allgemein Leuchtende), Chaos (wüste Materie). Aus Chronos -entsteht im Aither ein leuchtendes (silbernes) Ei. Daraus geht der -Weltschöpfer, als Trias: Phanes-Erikapaios-Metis, hervor. Der erste -Name hängt mit Leuchten zusammen, der zweite soll Lebensspender -bedeuten, der dritte tatkräftige Einsicht. Diese Dreigottheit strahlt -Sonne, Mond und Tag von sich, damit entsteht auch Nacht, dann Uranos, -Gaia, Kronos und die übliche Götterreihe mit Zeus. Sie führt auch -den Namen Eros, als schaffende Kraft, Protogonos als Urgeborener, -Monogenes als Einziggeborener, Dionysos, Pan usf. Zeus verschlingt -alles mit Phanes zugleich und bringt nun die eigentliche Welt hervor. -Eine andere Schule stellt an die Spitze ein „Unaussprechbares“, dann -ein Dreiwesen Chronos—Herakles—Ananke-Adrasteia und Materie als -Wasser und Erde, alles zusammen wieder eine Dreiheit. Aus dem Dreiwesen -geht hervor als zweite Trias: Feuchter Äther, unbegrenztes Chaos, -nebelartige Finsternis. Nun erst entsteht durch das Dreiwesen in dieser -Trias das Ei, darin der Same aller Dinge, und aus dem Ei, dem Phanes -entsprechend, das neue weltschöpferische Wesen Protogonos-Zeus-Pan. Der -Deutung wird durch die Namen nur wenig nachgeholfen. Gruppe glaubt, daß -einiges auf den Orient, als Heimat solcher Mythen, hinweise, namentlich -auf Babylon, und er führt die Istar-Tammuz-Sage (<a href="#Seite_197">S. 197</a>) als Quelle -an; ich habe nicht recht ersehen können, in welchem Zusammenhange. -Einiges sei auch wohl im kleinasiatischen Attiskult zu suchen. Pan -ist in solche kosmogonische Theorien, wie auch in die stoischen, nur -seines Namens wegen verschlagen, der als „All“ (τὸ πᾶν) übersetzt -wurde. Tatsächlich ist Pan<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> lediglich Hirtengott, und der Name bedeutet -nur Hirt (nach Roscher aus Paon zusammengezogen). Die Anordnung in -Triaden ist eigentlich neu-platonisch, wie wir noch sehen werden; doch -mag sie auch den orphischen Systemen eigen gewesen sein. Gruppe hält -es nicht für ausgeschlossen, daß solche Theosophien schon zur Zeit -der Peisistratiden in Griechenland (Athen) im Schwange gewesen sind. -Allerdings werden schon von dem behaupteten Lehrer des Pythagoras, -<span class="gesperrt">Pherekydes</span> aus der Insel Syros, ähnliche Theosophien mitgeteilt, -mit Zeus-Eros, Chronos, Chthonie (Erde) als erste Trias; Feuer, Luft, -Wasser (alle aus Chronos hervorgehend) als zweite, aus der dann die -Götter entstehen und die Welt von Zeus-Eros gebildet wird. Auch von -<span class="gesperrt">Epimenides</span> soll etwas Ähnliches gelehrt worden sein. Wir haben -es weniger mit Philosophen als mit Theologen zu tun.</p> - -<p>Die <span class="gesperrt">Neu-Pythagoreer</span>, in ihren verschiedenen Lehren, -beschäftigten sich insgesamt mit den vier Stammannahmen der Tetras: -Gott, Seele, Materie, Widergott. Einige Schulen vereinigten Seele -mit Gott und gewannen so die Dreiheit, Trias: Weltgeist, Materie, -Widergeist. Entzogen andere Schulen auch noch der Materie ihre -Neutralität, indem sie den Widergeist in sie versetzten, so ergab -sich die Zweiheit, Dyas, von Geist und Materie, beide aktiv und -widerstreitend. In letzterem Sinne sprechen sie in Pythagoras’ -Zahlenlehre von dem Eins als dem Geist und dem Zwei als der Materie, -und das Eins sollte das Vollkommene, das Zwei das Unvollkommene sein. -Aber das Zwei muß zugleich das dem Eins Widerstreitende bilden, sonst -ist das Übel in der Welt nicht zu erklären. Gleichwohl beherrscht -das Eins das Zwei; absolut als Urgeist, weniger vollkommen als -Seele. Die lebenden Wesen haben nun teil am Urgeist als Seele oder -Geist und an der Materie, samt deren Widergeist. Wie sich aber in -ihnen Geist und Widergeist bekämpfen, ist nicht recht ersichtlich; -nur scheint strengste Ethik und Askese als Wirkerin gegen den -Widergeist betrachtet zu sein, die den Geist frei macht und ihn -in seiner Göttlichkeit erscheinen läßt. Der seltsame Wundermann -<span class="gesperrt">Apollonios</span> von <span class="gesperrt">Tyana</span> (4 v. Chr. bis<span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span> 96 n. Chr.), dessen -Leben <span class="gesperrt">Philostratos</span> beschrieben hat, gehört den Neu-Pythagoreern -an. In seinem Wesen gemahnt er sehr an die indischen Asketen, die -sich sogar Macht über den Beschluß der Götter zuschrieben, und die -Götter durch Buße und inniges Gebet zwingen zu können glaubten, wie -unsere Gesundbeter der „Christian Science“. Der Neu-Pythagoreismus -ist mit Platonischen Lehren durchsetzt und geht schließlich in den -Neu-Platonismus über. Aber auch stoische Elemente sind ihm nicht -fremd. Denn manche Neu-Pythagoreer vereinigten Geist und Materie zu -einer Unität, gleich derjenigen der Stoiker, und unterschieden sich -von diesen im Grunde nur noch durch das Mystische und durch ihren Hang -zur Weltentfremdung und Selbstkasteiung. Ihrem Mysticismus entspricht -ihr weitgehender <span class="gesperrt">Dämonenglaube</span>, den wir auch bei den Stoikern -finden und der hoch in das griechische Altertum hinaufreicht, als -ein Naturmenschliches. Einige sahen in den Dämonen die eigentlichen -Regenten, <span class="gesperrt">Archonten</span> der Welt, ganz im Sinne des alten Hesiodos, -dessen Anschauungen wir hier zur Klarstellung anführen. Nach ihm sind -die Dämonen Geister dahingeschiedener Menschengeschlechter, wie nach -dem Naturmenschen. Vom Geschlecht aus dem Goldenen Zeitalter heißt es -in den „Werken und Tagen“:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Gute, des Wehs Abwehrer, der sterblichen Menschen Behüter,</div> - <div class="verse">Welche die Obhut tragen des Rechts und der schnöden Vergehung,</div> - <div class="verse">Dicht in Nebel gehüllt, ringsum durchwandelnd das Erdreich,</div> - <div class="verse">Geber des Wohls; dies war ihr glänzendes Ehrenamt.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">An einer anderen Stelle nennt er sie „heilige Diener des Zeus“ -und gibt ihre Zahl auf drei Myriaden an. Die Seelen der anderen -Menschengeschlechter werden als „sterbliche Götter der oberen Erde“ -bezeichnet (die des zweiten, Silbernen Geschlechtes), oder als -indifferente selige Geister (die Halbgötter des vierten Geschlechtes), -oder sie werden gar nicht genannt. Darauf bezieht sich beispielsweise -<span class="gesperrt">Plutarchos</span> in seiner Schrift über Isis und Osiris (oder wer -diese Schrift verfaßt hat). Er bringt aber noch eine sehr eigenartige -Auffassung des Empedokles bei, wonach die Dämonen für ihre Fehler und -Vergehungen auch gestraft werden, bis sie ge<span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span>läutert ihrem früheren -Stande zurückgegeben sind. Wir werden diesen Dämonen bald unter -anderer Gestalt wieder begegnen. Aber solchem Dämonenglauben wird es -möglicherweise zuzuschreiben sein, wenn einige Neupythagoreer gar nur -die Materie mit ihrer Gottheit als ursprünglich anerkennen und das Gute -als eine daraus nachgeborene Gottheit ansehen wollten. Das erklärt dann -freilich das Unvollkommene der Welt radikal. Einen ähnlichen Gedanken -in einer sehr viel höheren, und auch umgekehrten, Auffassung finden -wir bei unserem Jakob Böhme wieder. Zunächst wenden wir uns noch zwei -morgenländischen Anschauungskreisen zu.</p> - -<div class="section"> - -<h4>29. <span class="gesperrt">Indische Theosophie und Sufismus</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wie die hebräische Philosophie auf der Bibel, beruht die -<span class="gesperrt">indische</span> auf Veda und Upanishaden, als den heiligen Büchern. Und -da die Upanishaden wesentlich der Erläuterung der Veden dienen, wird -die indische Philosophie besonders als die <span class="gesperrt">Vedantaphilosophie</span> -bezeichnet. Daß es jedoch indische Philosophien gibt, die weit ab von -den Lehren der Vedas und der Upanishaden führen, beweisen namentlich -die buddhistischen und manche Philosophien rein materialistischen -Charakters, die in Indien als das Fremdartigste dastehen. In der -Vedantaphilosophie nun, die uns hier noch allein angeht, herrscht -wesentlich die Anschauung, daß Seele und Urgeist das gleiche sind, -sei es, daß sie getrennt voneinander bestehen, so daß jedes lebende -Wesen eine Art Kleingott bedeutet, der nur durch die Verbindung mit -der Materie gehindert ist, Gott gleich zu werden, oder daß die Seelen -am Urgeist überhaupt teilhaben. Diese Anschauung ist späterhin nach -zwei Richtungen weitergebildet worden. <span class="gesperrt">Ramanuga</span> und seine Schule -betrachteten den Urgeist Brahman als wirkliche Gottheit, und für sie -war die Gottheit im lebenden Wesen real. Ja, ihre Lehre ging bei -Vielen in den schon behandelten Pandeismus über, wenn auch die Materie -mit der Gottheit verbunden wurde. Die Welt war eine <span class="gesperrt">Evolution -Brahmas</span>. Max Müller teilt einen interessanten Text aus dem -Kandogya-<span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span>Upanishad mit, der für Ramanugas Anschauung spricht. Indra -als Führer der glänzenden Götter, Devas, Virokana als Führer der den -Devas widerstreitenden Âsuras, wollen das absolute Selbst, das Atmân, -erkennen und wenden sich an Pragâpati, den Herrn der Schöpfung. Er -erklärt ihnen zuerst, was sie im Auge, im Wasser sich spiegeln sähen, -das sei das Selbst. Beide fassen danach das Bild als das Selbst auf, -also ein Anderes. Und Virokana ist damit befriedigt und gründet darauf -bei seinen Âsuras die Lehre der Äußerlichkeiten. Aber Indra merkt -bald, daß das Bild nicht das Selbst sein kann. Er kommt zu Pragâpati -zurück. Und das muß er nun wiederholt tun, indem er immer höhere -Antworten erhält, die die jedesmaligen Zweifel anerkennen und seine -Anschauung von Stufe zu Stufe steigen lassen. Der letzte Bescheid geht -von der Verbindung zwischen Körper und Seele aus. „Wie ein Pferd an -einen Wagen gespannt ist, so ist der Geist (prana) an diesen Körper -gespannt.“ Steht der Geist von dem Körper absolut frei, so ist er die -„höchste Person“ (uttama purusha). Wer weiß: ich will denken, der ist -das Selbst. Wer weiß: ich will reden, ich will sehen, der ist das -Selbst usf. Die Organe sind nur Mittel. Sogar das Denkorgan ist nur -Mittel; wer weiß, daß er denken will oder denkt, der ist das Selbst. -„Derjenige, welcher dieses Selbst kennt und es versteht, erlangt alle -Welten und alle Wünsche.“ Letzteres bedeutet, daß er die höchste -Erkenntnis besitzt, sich selbst und so die Welt erkennt. Schon hier -ist das Absolute stark verflüchtigt, obwohl es als purusha (Person) -bezeichnet wird.</p> - -<p>Noch mehr geschieht dieses in der zweiten Schule der -Vedantaphilosophie, der <span class="gesperrt">Sankhya</span>. Der Urgeist rückt in -unbegreifliche Fernen; die Seelen mögen an ihm teilhaben, für die -Anschauung ist dieses aber nicht von Belang. Dadurch geht die -Sankhyaphilosophie in einen gewöhnlichen Dualismus zwischen Geist und -Materie über, dessen Betrachtung nicht mehr ganz hierher gehört. Die -Abstammung von oder die Verbindung der Seele mit Brahman zeigt sich -nur darin, daß sie in der realen Welt allen Vorgängen gegenüber das -absolut<span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span> Ruhende, reiner Geist ist. Ihr Verhältnis zu der realen Welt -kommt nur dadurch zustande, daß von <span class="gesperrt">ihr</span> aus Licht auf die Dinge -fällt; wie manche Griechen geglaubt haben, daß wir dadurch sehen, daß -vom Auge Strahlen ausgehen, die die Gegenstände betasten. Und die -Hemmungen unseres Geisteslichtes an den Dingen sind unsere körperlichen -Leiden und Freuden, wenn wir sie als Hemmungen hinnehmen. Durchschauen -wir aber, daß Leiden und Freuden doch uns selbst gar nicht berühren, da -in uns gar nichts vorgeht, so haben wir die Erkenntnis erreicht, die -uns von der Welt frei macht und die Seele als absoluten Geist bestehen -läßt. Daß diese Lehre, wie jeder Dualismus, an der Unbegreiflichkeit -der Wirkung differenter Potenzen aufeinander leidet, sieht der Leser. -Verdeutlichungen durch Bilder, wie daß ein weißer Kristall rot -erscheint, wenn hinter ihm ein roter Gegenstand gehalten wird, sind -üble Notbehelfe, namentlich für uns, die wir die physikalischen Gründe -kennen. Eine Art Vermittlungsschule zwischen den beiden genannten -ist die von <span class="gesperrt">Sankara</span> begründete. Die Seele ist Brahman selbst. -Und die Welt? Diese ist überhaupt nicht. Wir werden diese Lehre im -dritten Buche behandeln. Hier erwähnen wir nur noch, daß Askese, -Selbstquälen und Sichversenken wie zur absoluten Erkenntnis, so auch -zur Erreichung hoher magischer Macht führen soll. Die <span class="gesperrt">Yoga</span>-Lehre -(Anspannungslehre) geht so auch in Okkultismus über. Und wer hat nicht -von den übermenschlichen Taten indischer Fakire gehört?</p> - -<p>Mit den orphischen und den indischen Lehren eine gewisse Ähnlichkeit -haben die der persisch-mohammedanischen Sekte der <span class="gesperrt">Sufi</span> (die -Reinen, Frommen). Die Seelen sind auch hier Teile Gottes, in der Art -Gott gleich, aber dem Grade nach unendlich von ihm verschieden. Im -letzteren Umstand besteht die Differenz gegen die indischen Lehren, -nach denen Seele und Brahman überhaupt das gleiche bedeuten. Indessen -durchdringt auch nach den Sufi Gott alle Materie. Darum sollen die -Menschen stets der geistigen Wesenseinheit mit ihm eingedenk sein, -und Gott lieben heißt: sich selbst lieben. Denn zuletzt wird die -Seele mit Gott vereinigt. Den Sufismus soll<span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span> zuerst eine Frau, -Rabia, im 8. Jahrhundert bekannt haben; von ihr werden viele schöne -Aussprüche mitgeteilt. Die Lehre ist bei vielen ihrer Anhänger in -einen Pandeismus und eine Theosophie (Arif) übergegangen. Manche -haben sich mit Gott derart verbunden geglaubt, daß sie sich für -„Leute der Gewißheit“ hielten und das Studium der heiligen Bücher -für ein Dreschen leeren Strohes erklärten. Die Derwische werden ein -Zerrbild der philosophischen Sufi bilden, wie die Fakire ein solches -der philosophischen Vedantisten. Im Sufismus spielt die Intuition die -Rolle, wie in der Theosophie überhaupt. Demut und Ergebung ziehen ihr -voraus, vollständiges Aufgehen in Gott folgt. Die Sufi haben sich -an der glühend sinnlichen Poesie des Orients in hervorragendstem -Maße beteiligt. Es wäre schade, wenn alle Schönheiten dieser Poesie -symbolisch gemeint sein sollten. Und ihr größter Lyriker, Mohammed -Schemseddin, genannt Hafis (Ehrennamen für jemand, der den Koran -auswendig weiß), soll Goethe zu seinem Westöstlichen Divan begeistert -haben.</p> - -<div class="section"> - -<h4>30. <span class="gesperrt">Philon von Alexandrien</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir kehren zum Abendlande zurück. Den Übergang zu den Neu-Platonikern -einerseits und den Gnostikern andererseits gibt die Anschauung -<span class="gesperrt">Philons</span>, des alexandrinischen Juden (geboren um 30 v. Chr.), die -zwischen Platons Philosophie und den biblischen Lehren zu vermitteln -suchte. Man rechnet Philon zu den Eklektikern. Eklektiker waren -übrigens fast alle hellenistischen Philosophen nach der Stoa. Höchst -charakteristisch ist schon, was er von der Schöpfung der Welt sagt: -„Gott sah in seiner Göttlichkeit voraus, daß eine schöne Nachahmung -nicht würde existieren können, ohne ein schönes Muster, und daß von den -sinnlichen Dingen keines tadelfrei sein würde, das nicht einem Vorbilde -und einer geistigen Idee nachgeformt worden wäre. Deshalb schuf er, -da er diese sichtbare Welt gründen wollte, vorher die nur im Denken -vorhandene Welt, damit er nach einem unkörperlichen und gottähnlichen -Muster das Körperliche ausführe, dieses ein späteres<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span> Abbild des -Früheren, ebensoviele sinnliche Dinge umfassend, wie in jenem ideelle -enthalten sind. Die Ideenwelt (sie entspricht der Platonischen) nun -dürfen wir nicht als an irgendeinem Ort vorhanden uns vorstellen oder -bezeichnen.“ Philon nimmt das Beispiel eines Architekten, der eine -Stadt gründen will, und führt weiter aus: „Ähnlich muß man es sich -in betreff Gottes vorstellen, der, als er die Gründung dieser seiner -ungeheuren Stadt überdachte, zuerst die <span class="gesperrt">Vorbilder</span> zu derselben -ersann und dann eine <span class="gesperrt">ideelle Welt</span> aus ihnen zusammensetzte und -endlich nach <span class="gesperrt">deren</span> Vorbild die <span class="gesperrt">Sinnes</span>welt schuf.“ „Es -ist offenbar, daß jene vorbildliche Abbildung, die wir die ideelle -Welt nennen, selbst das vorbildliche Muster ist, die Idee der Ideen.“ -Er nennt diese Idee der Ideen die „Vernunft Gottes“. Gemeint ist eine -Idee von den Ideen, so daß wir die absteigende Reihe hätten: Gott, -Ideen, Zusammenfassung der Ideen, sinnliche Welt. Und für diese Ansicht -führt er die Genesis selbst an: „Es ist dies nämlich die Meinung Mose, -nicht die von mir herrührende. Indem er uns die Schöpfung des Menschen -erzählt, sagt er ausdrücklich, daß derselbe <span class="gesperrt">nach</span> dem Bilde -Gottes geschaffen ist. Wenn aber der Teil (der Mensch) ein Bild des -Bildes ist, so ist es offenbar auch das Ganze, das heißt die gesamte -sinnlich offenbare Welt.“ Und so erklärt sich denn die Unvollkommenheit -in der Welt durch die absteigende Bedeutung in der Schöpfungsreihe, -und freilich auch dadurch, daß Gott von seiner <span class="gesperrt">unendlichen</span> Güte -der <span class="gesperrt">endlichen</span> Welt nur einen <span class="gesperrt">endlichen</span> Teil verliehen -hat. Gott selbst ist gänzlich außerhalb der Welt, zu nichts in der -Welt in Beziehung; er ist das „Seiende“. Die Idee der Ideen ist der -<span class="gesperrt">Logos</span>, „der intelligible Ort der intelligiblen Welt“ der -zusammengefaßten Ideen. Die „Fleischwerdung des Logos“, um mit dem -Evangelisten Johannes zu sprechen, gibt die sinnliche Welt. Und so ist -auch der Logos von Philon als Erzengel aufgefaßt, der Mittler zwischen -der sinnlichen Welt und Gott, indem er selbst die „Vernunft Gottes“ -ist, eine <span class="gesperrt">Ausstrahlung</span> Gottes, des absoluten Lichtes.</p> - -<p>Zu diesem und zu allem folgenden wollen wir ein ver<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span>sinnlichendes -Beispiel aus der Natur nehmen. Die Sonne ist, wie wir metaphorisch -sagen können, die Lichtgrundquelle, das Licht. Sie sendet mannigfache -Strahlen aus: rote, grüne, chemische, wärmende, elektrische usf. Die -Strahlen sind nicht die Sonne, haben aber ihren Ursprung in der Sonne; -schwindet die Sonne, so vergehen die Strahlen; sie sind ohne sie -nichts, die Sonne aber besteht auch ohne die Strahlen. Die einzelnen -Strahlenarten würden den einzelnen Ideen entsprechen. Alle zusammen -geben sie die Idee der Ideen und entsprechen dem Logos. Denken wir -uns, daß sie irgendwo im Raume etwas bewirken, das materiell sich neu -geltend macht (wie etwa die chemische Zusammensetzung von Chlor und -Wasserstoff zu Salzsäure, oder das Wachsen und Blühen einer Pflanze), -so haben wir ein Ähnliches für die Hervorbringung der sinnlichen -Welt durch den Logos. Das Beispiel zeigt, daß der Vorwurf, den man -Philon und überhaupt allen macht, die zwischen Gott und der Schöpfung -vermitteln, daß nämlich die Vermittlung selbst, der Logos, doch auch -nur Gott sei, nicht ganz gerechtfertigt ist. In der Tat sind es die -Strahlen, welche die Salzsäure zustandebringen, die Pflanze wachsen -und blühen lassen; nicht die Sonne selbst tut es, sie ist die Ursache -der Strahlen, wie Gott die Ursache des Logos, und dieser seinerseits -die Ursache der sinnlichen Welt. Die weitere Entwicklung geht nun -dahin, daß die verschiedenen Teile der Welt Materialisierungen -verschiedener Ideen innerhalb des Logos sind, durch den Logos. Der -Mensch ist Materialisierung der bedeutendsten Ideen; seine Seele -enthält sogar von den Ideen selbst, und die Zusammenfassung dieser -Ideen ist der <span class="gesperrt">Logos im Menschen</span>, seine <span class="gesperrt">Intuition</span>, die -hiernach von der Denkkraft ein Anderes ist. So enthält der Mensch neben -dem Körper auch Strahlen Gottes, die einzeln verschiedene Fähigkeiten -seiner Seele bedeuten, zusammen die absolute Einsicht. Diese Lehre -kann als <span class="gesperrt">Emanationslehre</span> bezeichnet werden, besser aber als -<span class="gesperrt">Radiationslehre</span>, denn bei Emanation denkt man an Ausfluß von -dem Gegenstande selbst, was ja nicht stattfinden soll. Der Mensch hat -nichts von Gott selbst in sich, sondern nur von seinen Ideen,<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span> seinen -Strahlen, wie auch der Logos als Zusammenfassung aller Ideen, aller -Strahlen. Bis hierher ist, glaube ich, das System ganz konsequent. Was -außerdem vom Menschen und der Seele ausgeführt wird, enthält freilich -Schwierigkeiten in reicher Zahl. Der Mensch soll als <span class="gesperrt">Mikrokosmos</span> -dem <span class="gesperrt">Makrokosmos</span> entsprechen, also würde er vom Logos im Kleinen -alles enthalten, was der Welt als Ganzes zukommt. Darin soll seine -Ebenbildlichkeit Gottes bestehen, er wäre eine Art inkorporierter, in -sich zusammengezogener Logos. Das ist schwer zu verstehen; wir müßten -denn alle Strahlen, die den Logos ausmachen, einzeln hinlänglich -geschwächt uns vorstellen. Wenn weiter dieser Logos dann als Nus (νοῦς) -bezeichnet und von der logischen Einsicht abgesondert wird, so müssen -wir zwischen der Intuition und der logischen Einsicht einen Unterschied -annehmen und jene vielleicht als <span class="gesperrt">absolute Einsicht</span> (ohne -logisches Denken und Schließen), diese als <span class="gesperrt">relative</span> bezeichnen. -Nun soll der Nus allein unsterblich, die übrige Seele, die, wie bei den -Stoikern die Seele überhaupt (<a href="#Seite_232">S. 232</a>), materiell gedacht ist, sterblich -sein. Die relative Einsicht wird aber gleichfalls als Logos bezeichnet, -wie soll sie denn sterblich sein? Auch daß sich, wie Philon lehrt, der -Nus soll von Gott trennen können — was offenbar zuliebe denjenigen -angenommen ist, die an einen Gott überhaupt nicht glauben — versteht -man nicht innerhalb des Systems. Wir können freilich auch für diese -Trennung physikalisch ein Analogon bieten. Wenn die Sonne plötzlich -keine Strahlen mehr aussendet, so laufen die vorher erregten, wie -innen gegen die Sonne zu abgerissen, durch den Raum weiter. Indessen -behalten sie doch, wenn auch von der Sonne getrennt, ihre Qualität bei -und schreiten fort, wie wenn sie noch mit der Sonne zusammenhingen, nur -sich immer weiter innen und nach außen von ihr entfernend, nichts aber -in ihrer Art noch in ihrem Gange ändernd.</p> - -<p>Wie die Idee der Ideen als Erzengel personifiziert, individualisiert -wird, so auch jede Idee oder ein Bündel von Ideen für sich. Daraus -resultiert das Heer der Engel, Dämonen, Geister. Die letzteren -sind auch Seelen; gehen sie in Körper<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span> ein, so verfallen sie der -Sinnlichkeit, aus der sie sich in einem Leben oder in mehreren Leben -— Philon ist also ein Anhänger von Platons Metempsychose — wieder -befreien müssen, wenn sie ihre frühere Göttlichkeit erreichen wollen. -Dieses kann man mit der Hauptlehre allerdings nicht in Einklang -bringen. Und das liegt eben daran, daß die Strahlen, Kräfte Gottes auch -als absolut gut behandelt werden. Ist die Materie gänzlich neutral, -so bleibt hier, wie in allen von den gleichen Voraussetzungen (der -absoluten Güte Gottes und der Neutralität der Materie) ausgehenden -Anschauungen, kein Platz für das Böse, und die Einführung beruht auf -Redewendung ohne Grund. Aber das berührt die allgemeine Anschauung des -Philosophen nicht.</p> - -<div class="section"> - -<h4>31. <span class="gesperrt">Der Logos und die Sophia</span>.</h4> - -</div> - -<p>Der Begriff des <span class="gesperrt">Logos</span> ist von so großer Bedeutung geworden, -weil der vierte Evangelist ihn zur Grundlage seines Systems gemacht -hat. Logos bedeutet ursprünglich das Wort, und so ist es von Luther -übersetzt worden. Das „<span class="gesperrt">Wort</span>“ aber hat bei Johannes die gleiche -Rolle wie der Logos bei Philon. „Im Anfang war das Wort, und das Wort -war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfange bei -Gott. Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist -nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben -war das Licht der Menschen. Und das Licht scheinet in der Finsternis, -und die Finsternis hat es nicht begriffen.“ Das ist alles durchaus -im Sinne der Philonischen Anschauung; nur daß das „Wort“ noch näher -mit Gott verknüpft ist als bei Philon. Logos hat schon früh bei den -Griechen die Nebenbedeutung von Gedanke, logische Ordnung, gehabt. -Herakleitos aus Ephesos soll bereits gelehrt haben, „das Wesen des -Schicksals sei der Logos, der die Substanz des Weltalls durchdringe“. -„Alles geschieht nach dem Logos.“ „Der Logos ist ewig.“ „Der Seele ist -der Logos eigen, der sich selbst mehrt.“ Letzteres ein Seitenstück zu: -„Der Sinn ist dem Menschen Dämon (ἦθος ἀθρώπῳ δαίμων).“ Max Müller -stellt diesen Logos mit dem indischen Ritam in Pa<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span>rallele, eben der -zwingenden Ordnung. Aber das „Wort“ selbst hatte bei den Indiern -kosmogonische Bedeutung im Brahma, als Spruch, während der Logos bei -Heraklit nicht schöpferisch auftritt, sondern nur als von je vorhanden -(ἀεὶ ἐῶν). Erst die Stoiker faßten den Logos auch als schöpferisch auf, -indem er bei ihnen die göttliche Vernunft bedeutete. Und so sprachen -sie auch gemäß ihrem schon gebildeten Pandeismus von einem Logos in -jedem Dinge, von „bekörperten Logoi“, die den Typus der Dinge, ihre -„spezifische Qualität“ darstellten; alle die platonischen Ideen real -gedacht. So hat sich also die später so wichtige Auffassung des Logos -allmählich vorbereitet. Die eigenartige Zwischenstellung des Logos -zwischen Gott und der Welt scheint aber vorher nicht gekannt zu sein, -denn Platons Ideen sind nicht schöpferisch, weder seine eigenen, noch -wie sie Aristoteles auffaßte; sie treten nicht als Mittler zwischen -Gott und der Welt auf, daß Gott selbst von der Welt völlig unberührt -bliebe. Goethe läßt Faust Logos zuletzt mit „Tat“ übersetzen. Das -entspricht der Auffassung Philons sehr nahe, wohl mehr als „Wort“, -da die Ideen bei Philon „Kräfte“ Gottes sind („Kraft“ benutzt ja -Faust vorher auch). Weiter nennt Philon den Logos den „Sohn Gottes“, -den „Einziggeborenen“, den „Erstgeborenen“. Diese Wendung scheint, -wenigstens für den Logos (sonst <a href="#Seite_255">S. 255</a>), vor Philon nicht bekannt -gewesen zu sein. Sie ist aber später die wichtigste geworden. Im -Evangelium Johannis wird sie auf Christus übertragen: „Und das Wort -ward Fleisch und wohnete unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, -eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater.“</p> - -<p>Noch ein zweites Prinzip bei Philon hat in der Folge große Bedeutung -erlangt: die Sophia, die „<span class="gesperrt">Weisheit</span>“ Gottes. Während dem -„Worte“ in der Bibel nur mit Zwang der Sinn des Philonischen Logos -beigelegt werden kann, das „Wort“ dort vielmehr lediglich soviel wie -Ruf, Befehl, etwa wie in den ersten Zeilen der Genesis, besagt, nicht -mehr, scheint die „Weisheit“ eine besondere Stellung einzunehmen. In -den „Sprüchen“ Salomos sagt die „Weisheit“ (Chachma) von sich: „Mich -schuf der Ewige als seines Wandels Anfang.“ Sie war, ehe<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[S. 267]</a></span> noch die -Erde, ehe Meer, Wolken, Himmel waren. „Da war ich Wonne Tag für Tag, -Pflegling, spielend vor ihm (vor Gott) aller Zeit.“ Ähnlich könnte -man die Aussprüche in Hiob, Kap. 28, interpretieren, wo die Weisheit -gleichfalls bei der Schöpfung zugegen ist. Doch wird sie hier zuletzt -als „Fürst des Herrn“ erläutert. Der geistvolle Sirachide aber sagt -(Sprüche, Kap. 24) ganz sinnfällig von der Weisheit: „Ich ging hervor -aus dem Munde des Höchsten, und wie ein Nebeldampf bedeckte ich die -Erde. Ich nahm meinen Wohnsitz in der Höhe und mein Thron war auf einer -Wolkensäule. Die Himmelswölbung durchkreiste ich allein, und in der -Tiefe der Fluten des Chaos wandelte ich.“ Sodann: „Von Ewigkeit her, -von Anfang an schuf er mich, und bis in die Ewigkeit werde ich nicht -aufhören.“ Dann folgt eine hochpoetische Schilderung, die die Weisheit -von sich selbst gibt. Bei Philon scheint die Weisheit mit dem Wort -zusammenzufallen: als „Vernunft Gottes“.</p> - -<div class="section"> - -<h4>32. <span class="gesperrt">Die Gnostiker und Manichäer</span>.</h4> - -</div> - -<p>Indem wir uns zu den christlichen <span class="gesperrt">Gnostikern</span> (Gnosis = -Erkenntnis, intuitives Wissen, Offenbarung) wenden, haben wir mit -der Schwierigkeit zu kämpfen, daß deren Lehren, abgesehen schon von -ihrer Dunkelheit, uns nur bruchstückweise überliefert sind. Die -Theosophie unserer Zeit wendet ihnen besondere Aufmerksamkeit zu. -Außer den älteren Werken von Baur und Harnack (in seiner Dogmatik) -besitzen wir ein zweibändiges Buch von Heinrich Schmitt, das mit -schöner Begeisterung geschrieben ist, aber doch auch vieles dunkel -läßt, trotz der „Licht“lehre, die die Gnosis sein soll, und das -manches enthält, das wie ein Spätprodukt aussieht, und leider viel -Allzuüberschwengliches, womit man nichts anzufangen weiß. Es hat -in der Gnosis zwei Hauptschulen gegeben, <span class="gesperrt">dualistische</span> und -<span class="gesperrt">monistische</span>. Die ersteren sind von zwei Prinzipien, Gott und -Widergott (auch Materie, als widersetzlich gedacht) ausgegangen, -die anderen von Gott allein. Und die Lehren sind eine Mischung von -Heidentum, Christentum und Philosophie. Sie sollen aber<span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[S. 268]</a></span> freilich -wesentlich dem Heiden-Christentum zugute kommen, obwohl sie sich -besonders der Philonischen Emanationslehre anschließen. Von beiden -Schulen können nur die bedeutendsten Vertreter hervorgehoben werden. -Ich werde mich an die trockene Darstellung der älteren Werke halten, -und was Schmitt ausführt zuletzt erwähnen.</p> - -<p><span class="gesperrt">Basilides</span> (ein Alexandriner zur Zeit Hadrians) gehört der -dualistischen Schule an. Seine Lehre ist eine <span class="gesperrt">Emanationslehre</span>. -Für den höchsten Begriff wollen wir immer Gott sagen. Gott ist das -Absolute und Unerkennbare im Sinne Philons. Aus ihm ist hervorgegangen -die Vernunft, aus dieser das Wort und nun in weiterer Reihe: die -Vernünftigkeit, die Weisheit, die (sittliche) Kraft, die Gerechtigkeit, -der Frieden. Das sind sieben Stufen nach Gott, alle geistig-ethisch. -Außerdem sollen Weisheit und Kraft ihrerseits die Tugenden, die -geistigen Herrscher, die Engel hervorgebracht haben. Alles wird als -reale <span class="gesperrt">Emanation</span> Gottes angesehen. Die Engel werden auch als die -Ersten genannt und als die Werkmeister der Welt, die <span class="gesperrt">Demiurgen</span>. -Also Gott schafft selbst die Welt nicht, sondern von ihm emanierte -Prinzipien bilden sie. Der weltbildenden Engel aber sind, in stetig -abnehmender Vollkommenheit, so viel als der Tage im Jahre, 365. -Die weitere Ausführung scheint nun wesentlich in den Bahnen des -Zarathustrismus zu laufen. Denn es wird offenbar ein böses Prinzip -vorausgesetzt, das, sobald es, wie Ahriman das Reich Ormuzds, das -Lichtreich Gottes erblickt, in Widerstreit mit den Engeln gerät. -Es entsteht eine „Verwirrung und Vermischung“, letztere wohl der -Lichtkräfte mit den Finsterniskräften. Und dabei bilden die Engel die -Welt, so gut sie es bei diesem Tohuwabohu vermögen, aus Lichtern mit -angehängter Finsternis. Den 365 Engeln entsprechen 365 Himmel oder -Welten. Unseren Himmel und unsere Welt hat der erste unter jenen Engeln -gewirkt. In diesem für uns eigentlichen <span class="gesperrt">Demiurgos</span> soll Basilides -den Gott der Bibel gesehen haben, was der Bibel selbst widerspricht, -da Jehova gar keine Widersacher hat, noch haben kann. Dieser Demiurgos -habe ein Volk sich auserwählt, die Israeliten, und habe ihnen die ganze -mensch<span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[S. 269]</a></span>liche Welt unterwerfen wollen. Dagegen hätten sich die anderen -Engel erhoben. Und den Streit zu schlichten, habe Gott <span class="gesperrt">Christus</span>, -seinen <span class="gesperrt">Mittler</span>, in die Welt gesandt. Eine andere Wendung sagt -auch, daß Christus in der Regierung der Welt überhaupt die, als nicht -hinreichend stark dem Finstern gegenüber erprobten, Engel ablösen -sollte. So wacht also über der Welt eine Vorsehung, die von Gott -ausgegangen ist und im Mittler ihre wirkende Kraft gefunden hat. -Wie die Welt entstanden ist, wird nicht gesagt; die Materie scheint -eine Art Mischung von Licht und Finsternis zu sein. Es wäre die Welt -eine doppelte Emanation: der Lichtmächte, von oben nach unten, und -der Finsternismächte, von unten nach oben. Letztere Emanation ist -auch eine <span class="gesperrt">Evolution</span>. Die der Lichtmächte wäre im Menschen die -bedeutendere. Mit ihr wachse die Intuition. Und die vollkommenen -Adepten seien darum auch absolut frei, sogar neben den Engeln. Diese -Überhebung soll zur moralischen Verkommenheit vieler Anhänger dieser -Lehre geführt haben. Im übrigen wird noch die Seelenwanderung völlig -im Sinne der Indier und namentlich Buddhas gelehrt, und in dem -Körper-Leben die Strafe für bewußte Sünden, Anhängen an die finstern -Mächte in uns, gesehen. Die Läuterung geschieht durch allmähliches -Abstreifen der Finsternis, wahrscheinlich in eranischem Sinne (<a href="#Seite_203">S. 203</a>). -Für die unverschuldeten Leiden hatten die Basilidianer den bekannten -Jammertrost, daß sie gegen mögliche, in der Anlage vorhandene, Sünden -hüten oder warnen sollten.</p> - -<p>Dieser Dualismus ist noch in verschiedener Weise durchgeführt worden. -Eine Schule (des Hermogenes, Arnobius, Synesius u. a.) nahm als zweites -Urwesen die Materie. In Gott sei alles in größter Ordnung, in der -Materie in größter Unordnung (beides wie bei Anaximander, Anaxagoras -und anderen griechischen Philosophen). Was dort in Ordnung, hier in -Unordnung sich befindet, soll das gleiche sein (Bewegung?). Gott bringt -nun in die Unordnung der Materie Ordnung hinein; indes, da es sich eben -um zwei Urwesen handelt, so weit nur, als das Gute in ihm dem Grade -nach das Böse in der Materie überragt. So entstehe und entwickle<span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[S. 270]</a></span> sich -die Welt, indem die Ordnung in Gott für sich schon die Unordnung in -der Materie zu ordnen beginne, wie ein Gegenstand die Wünsche lenkt. -Und die Welt sei Unordnung neben Ordnung. Die Seele sei aus dem Etwas -in der Materie hervorgegangen, oder auch sie sei eine Emanation einer -höheren Emanation Gottes, die ihrerseits noch weit von Gott abstehe. -Lactantius’ Dualismus enthält Christus als Prinzip des Guten, den -Teufel als Prinzip des Bösen, beide von Gott hervorgebracht.</p> - -<p>Endlich erwähne ich noch bei den Dualisten den <span class="gesperrt">Manichäismus</span>, der -diesem Gnostizismus nahe steht. Der Stifter Mani (um die Mitte des 3. -Jahrhund. n. Chr.) war ein Perser. Daraus erklärt sich, daß seine Lehre -wesentlich alten Zoroastrismus mit verarbeitet. Von Interesse ist, daß -jeder Schöpfung im Reiche der Finsternis eine gleichgebildete im Reiche -des Lichtes entspricht, was an die eranischen Fervers und Platons Ideen -erinnert. Auch die Wendung darf nicht übergangen werden, daß im Kampfe -zwischen Licht und Finsternis in manchen Stellen des Universums (in -Sonne und Mond) das Licht in bedeutendem Übergewicht sich befindet. -Und indem Verwandtes sich anzieht, wirken diese Stellen im Umschwung -der Welt wie Schöpfräder und führen mehr und mehr von mit Finsternis -behaftetem Licht in die Lichtsphäre. Dieser Prozeß des Heranlockens -von Licht durch Licht ist aufgefaßt als eine Kraft des Lichtes (der -Physik widerspricht er). Und Christus soll der höchste Walter dieser -Kraft sein. Wenn die Manichäer sonst nicht alles physisch betrachteten, -würde man die obige Anschauung als eine hübsche Allegorie ansehen, -um die Tätigkeit Christi in der Seligmachung der Menschen sinnfällig -auszudrücken. Aber was sollen dabei Sonne und Mond? In der Sonne -scheinen die Manichäer überhaupt etwas Göttliches gesehen, wenigstens -ihr Licht als eine göttliche Offenbarung angenommen zu haben. Auch ging -Mani bei ihnen bald aus einem <span class="gesperrt">Parakleten</span> in den Erlöser über -oder in den heiligen Geist. Er fiel in Persien als Opfer seiner Lehren, -da dort gerade die eranische Religion unter dem Einfluß der eben sich -erhebenden Sassaniden in den<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[S. 271]</a></span> Monotheismus geleitet wurde, der in der -Tat mit dem Zarathustrismus an sich nicht unverträglich ist.</p> - -<p>Die Lehre des <span class="gesperrt">Valentinus</span> (um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. -Chr. in Alexandrien und Zypern), der monistische Gnostizismus, wird als -idealistische bezeichnet. Der Anfang ist ein Ururwesen, die <span class="gesperrt">absolute -Stille</span>, das <span class="gesperrt">große Schweigen</span> (Sige, σιγή), und ihm zur Seite -als Urwesen das absolute <span class="gesperrt">Sich-in-sich-Denken</span> (Ennoia, ἔννοια) -und die unergründliche Tiefe, der <span class="gesperrt">unergründliche Schoß</span> (Bythos, -βυθός). Unter Vermittlung der beiden Urwesen emaniert aus dem Ururwesen -der <span class="gesperrt">Nus</span>, auch <span class="gesperrt">Monogenes</span> -(<a href="#Seite_266">S. 266</a>), der einziggeborene Vater und -Grund aller Dinge, der zugleich allein seinen Ursprung, das Ururwesen, -fassen kann. Nus wäre die absolute Vernunft, der absolute Geist, -Urvernunft, wie wir der Kürze halber sagen wollen. Mit dem Urgeist -geht die absolute Wahrheit, Urwahrheit (Aletheia, ἀλήθεια) hervor. -Dieses wird so gedeutet, daß Gott an sich nicht begriffen werden kann, -sondern nur unter den Gesichtspunkten der Vernunft und der Wahrheit, -dem man gewiß zustimmen wird. Aus den beiden letzteren nun emaniert -das Wort (der Logos) und das Leben (Zoê). Und aus diesen der geistige -Mensch (ἄνθρωπος) und die geistige Gemeinschaft (ἐκκλησία), Kirche. -So haben wir mit Bythos und Ennoia (oder Sigê, wie manche sagen) vier -Emanationspaare (<span class="gesperrt">Syzygien</span>), die die erste Emanationsreihe -darstellen, die <span class="gesperrt">Urachtheit</span>. Jedes der Paare wird als -männlich-weiblich angesehen; das männliche gab das Wesen, die Substanz, -das weibliche die Kraft. „Shakespeares Romeo und Julia“, sagt Heinrich -Schmitt in seinem genannten Buch, „ist in den herrlichsten Szenen -auch nur eine Umschreibung des heiligen Geheimnisses der Syzygie des -Valentinus.“ Allein Valentinus wird einfach von der gemein-irdischen -Beobachtung des Zeugens durch Mann und Weib ausgegangen sein, und -wird dieses Prinzip in die geistige Sphäre erhoben haben. Vielleicht -hat er auch nur die ägyptische Achtheit (<a href="#Seite_101">S. 101</a>) neu gedeutet, die ja -auch gepaart ist. Dieses System wird nun weitergeführt. Jede Emanation -wird als Aion bezeichnet, ein Name, der Zeitliches bedeutet<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[S. 272]</a></span> wie -auch Welt. Es bringen nun Logos und Zoê fünf physische, Mensch und -Gemeinschaft sechs ethische Aionenpaare durch Emanation hervor. Die -Namen kann ich nicht anführen, sie stehen auch nicht alle fest; es -finden sich aber darunter solche wie Mischung, Durchdringung, Lust -u. a. in den fünf Paaren; Glaube, Liebe, Hoffnung, Einsicht usf. in -den sechs Paaren. So haben wir insgesamt jetzt 15 Paare zu 30 Aionen. -Diese bilden das berühmte geistige <span class="gesperrt">Lichtreich der Fülle</span>, das -<span class="gesperrt">Plérôma</span> (πλήρωμα). Aber schon in diesem Reich geht die Bedeutung -herab mit der Entfernung vom Ururwesen, obwohl noch jeder Aion sich in -voller Seligkeit befindet, völlig frei von allem Übel. Die wachsende -Beschränktheit bezieht sich auf wachsenden Verlust an Einsicht in das -Ururwesen. So steht jedem Aion der Hóros (ὄρος), die Grenze, zur Seite -und hält ihn in sich zusammengefaßt.</p> - -<p>Nun heißt es, daß der letzte weibliche Aion, die <span class="gesperrt">himmlische -Weisheit</span>, <span class="gesperrt">Sophia</span>, vor Sehnsucht nach dem Ururwesen in -leidenschaftliche Wallung geriet, sich von ihrem männlichen Part -abwandte und nach dem Ururwesen, stürmend, begehrte. Sie wird zwar von -ihrem Hóros in sich zurückgeführt, aber der Abfall von ihrer Bestimmung -bleibt. Jetzt bringt das Aionenpaar Vernunft und Wahrheit das neue -Paar Christus und den Heiligen Geist hervor, die das Reich der Fülle -in sich festigen, derart, daß jeder Aion das ganze Pleroma in sich -erkennt, und wenigstens in dieser Beziehung die Sehnsucht gestillt -wird, wenn auch nicht die nach dem Höchsten. Wie in früheren Systemen -ist auch hier alles übersinnlich vorgebildet, was der sinnlichen Welt -angehört, das zeigt sich ja schon in den Paaren. Und so hat auch die -Leidenschaft der Sophia, ihr Sichvergessen, den Grund alles Übels in -der Welt. Denn diese Leidenschaft, als <span class="gesperrt">Achamoth</span> von ihr getrennt -gedacht, geht in die sinnliche Welt. Aus der Sophia also, weil ohne -Zusammenwirken mit ihrem männlichen Aion, entsteht die sinnliche Welt. -Diese Welt ist keine rechte Emanation mehr, sondern eher ein Akzidens -des letzten weiblichen Aion nach dem Abfall. Da sie aber immerhin -von einem Aion stammt, der das ganze übersinnliche<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[S. 273]</a></span> Reich in sich -vorstellt, so enthält sie alles Übersinnliche in sinnlichen Bildern, -gleicherweise also auch das Lebende, das Geistige und Wahrheitliche -usf. und das Leidenschaftlich-Üble. Wie die sinnliche Welt entsteht, -ist schwer zu ersehen. Eine hübsche Auslegung besagt, daß aus den vier -Äußerungen der Leidenschaft (Achamoth) die vier Elemente erwachsen -sind: aus den Tränen das Nasse, aus dem Lachen das Feurige, Lichte, -aus der Traurigkeit das Dunkle, Starre, aus der Furcht das Bewegliche, -Luftige. Aber es wird auch sehr vieles andere erzählt; so namentlich -das Befremdende, daß Christus aus Mitleid die Gedanken des abgefallenen -Aion in der Materie nachgestaltet habe. Das Wesentliche bleibt: die -Welt ein Produkt aus Tun und Leiden und aus dem Lichtreich, dem -Pleroma, als Folge und infolge eines Abfalles hervorgegangen. Achamoth -spielt die Rolle des Demiurgs, die Weltseele ist ihr Erzeugnis wie -die Welt. Nach einer anderen Wendung ist sogar erst diese Weltseele, -und zwar ganz unbewußt, der Weltbildner. Und so sinkt die Welt -allerdings immer tiefer in der Reihe des Göttlichen, einer blinden -Naturkraft verdankt sie ihre Entstehung. Und diese Naturkraft führt -den Plan ihrer Mutter, Achamoth, auch ohne diese und ihren Plan zu -kennen, aus und pflanzt der Welt auch das Lebende und Geistige ein. -Mit dem letzteren aber hat der Mensch ein Übersinnliches, wenn auch -nur im Abbild, gewonnen; insgesamt besteht er aus Materie (ὕλη), Seele -(ψυχή) und Geist (πνεῦμα). Und es wird von materiellen, psychischen -und geistigen Menschen (Hylikern, Psychikern und Pneumatikern) -gesprochen. Heiden, Juden und Eingeweihte bedeuten die Muster für -diese Dreiteilung. Materie und Seele sind vergänglich, ewig besteht -nur der Geist. Es scheint, als wenn die rein materiellen Menschen als -Ausflüsse besonderer Prinzipe angesehen werden, der <span class="gesperrt">Archonten</span> -(Herrscher), die zwischen dem himmlischen Reich des Lichtes und dem -irdischen weilen und vielleicht tiefere Emanationen des Demiurg sind. -Zu ihnen wird der Dämon <span class="gesperrt">Adamas</span> gehören (der alte Adam in uns), -der die Rolle des Teufels im System vertritt. Aber vielleicht hat -man eine weitere unterweltliche Emanation angenommen, deren Archon -Adamas ist,<span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[S. 274]</a></span> höllische Geister und Teufel. Christus, wie er nach dem -Fall der Weisheit die Äonenwelt geordnet, führt auch die Welt immer -mehr dem Geistigen zu, dem Lichtreiche. Und am Ende der Tage wird er -der Welt-Naturkraft das Bewußtsein ihrer Wesenseinheit mit Achamoth -verleihen, daß der Demiurg in Achamoth aufgeht, Achamoth aber sich -mit Sophia vereinigt. Und alles Materielle und alle Seelen verglühen -in einem allgemeinen sich selbst aufzehrenden Weltfeuer. Die Geister -aber schweben in das Lichtreich zu den ihnen vorgebildeten Aionen und -verschwimmen mit ihnen zu ewiger Ruhe. Der wahre Schluß wäre erreicht, -wenn auch diese Aionen in das Universum eingingen, in das große -Schweigen, bis vielleicht neue Aionen und neue Welten den Kreis der -Offenbarungen des Ururwesens durchlaufen. So in ewiger Reihe.</p> - -<p>Valentinus soll Verfasser des Buches <span class="gesperrt">Pistis Sophia</span> (Glaube -Weisheit) sein, das Schmitt als das Gnostikerevangelium bezeichnet. -In diesem Buche läßt er Christus selbst, nach seiner Verklärung, -im unendlichen Lichte noch einmal seinen Jüngern erscheinen und -das Geheimnis des Irdischen und Überirdischen offenbaren. <span class="gesperrt">Adolf -Harnack</span> denkt von den Gnostikern ziemlich hoch. Von ihren -Lehren sagt er (Dogmengeschichte): „So entstand ein philosophisches -dramatisches Gedicht, dem Platonischen ähnlich, aber ungleich -komplizierter und darum phantastischer, in dem gewaltige Mächte, -das Geistige und Gute mit dem Materiellen und Schlechten, in eine -unheilvolle Verbindung gesetzt erscheinen, aus der aber schließlich -das Geistige, unterstützt durch die stammverwandten Mächte, die zu -erhaben sind, um je in das Gemeine herabgezogen zu werden, doch wieder -befreit wird.“ Namentlich das System des Valentinus verdient wohl diese -bedeutenden Worte des großen Theologen. Heinrich Schmitt sieht aber -in diesen Lehren überhaupt das Höchste, was Menschengeist ersonnen -hat: wahre, absolute Offenbarung, und in Valentinus den größten -intuitiven Denker. „An der lebendigen Wirklichkeit und Wahrheit des -Pleroma zweifeln,“ sagt er, „bedeutet soviel wie an der Wahrheit des<span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[S. 275]</a></span> -mathematischen Bewußtseins zweifeln, denn seine höchsten Formen sind -nur die vollendete Selbsterkenntnis des mathematischen Bewußtseins.“ -Das „mathematische Bewußtsein“ steht hier wohl für formale Logik, denn -die Wahrheit der Mathematik geht nur so weit wie die der formalen -Logik. Diese allein ist intuitiv absolut wahr. Die Grundlagen der -Mathematik, die Axiome, sind nur Behauptungen, denen die Erfahrung -bisher noch nicht widersprochen hat.</p> - -<p>Zuletzt möchte ich den Leser auf eine merkwürdige Stelle in Goethes -„Dichtung und Wahrheit“ hinweisen, fast am Schluß des achten Buches. -Gott erscheint sich in seiner Produktion zunächst als Zweites, das -wir den Sohn nennen. Gott und Sohn wieder erscheinen sich im Dritten -(Heiliger Geist). Nun sagt unser Olympier: „Hiermit war jedoch der -Kreis der Gottheit geschlossen, und es wäre ihnen selbst nicht möglich -gewesen, abermals ein ihnen völlig Gleiches hervorzubringen. Da jedoch -der Produktionstrieb immer fortging, so erschufen sie ein Viertes, -das aber schon in sich einen Widerspruch hegte, indem es, wie sie, -unbedingt und doch zugleich in ihnen enthalten und durch sie begrenzt -sein sollte. Dieses war nun Luzifer, welchem von nun an die ganze -Schöpfungskraft übertragen war.“ Luzifer schafft die Engel, unbedingte, -aber nun in ihm enthaltene Wesen. „Umgeben von einer solchen Glorie -vergaß er seines höheren Ursprunges und glaubte ihn in sich selbst zu -finden, und aus diesem ersten Undank entsprang alles, was uns nicht mit -dem Sinne und den Absichten der Gottheit übereinzustimmen scheint.“ -Das Heer der Engel teilt sich, ein Teil konzentriert sich mit Luzifer, -der andere wendet sich seinem Ursprunge zu. „Aus dieser Konzentration -der ganzen Schöpfung, denn sie war von Luzifer ausgegangen und mußte -ihm folgen, entsprang nun alles das, was wir unter der Gestalt der -Materie gewahr werden, was wir uns als schwer, fest und finster -vorstellen, welches aber, indem es, wenn auch nicht unmittelbar, doch -durch Filiation vom göttlichen Wesen herstammt, ebenso unbedingt -mächtig und ewig ist als der Vater und die Großeltern.“ Goethe meint -nun, durch die stetige Konzentration ohne die<span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[S. 276]</a></span> Expansion hätte die -Welt samt Luzifer sich zuletzt doch aufgerieben. Darum verleihen nun -die „Elohim“ in einem Augenblick „dem unendlichen Sein die Fähigkeit, -sich auszudehnen, sich gegen sie zu bewegen; der eigentliche Puls des -Lebens war wiederhergestellt.“ „Dieses ist die Epoche, wo dasjenige -hervortrat, was wir als Licht kennen, und wo dasjenige begann, was wir -mit dem Worte Schöpfung zu bezeichnen pflegen.“ Was von der Expansion -hier gesagt ist, liegt ganz im Sinne des Valentinus, denn dieser -nimmt gerade die Sehnsucht (πάθη) nach oben, als den Aionen eigen, -die zwar Sophia zum Abfall bringt, aber doch zuletzt die Welt zu Gott -zurückführt. Bewegung nach unten und nach oben ist die Grundidee -des Gnostikers wie des Dichters, und übrigens auch griechischer -Naturphilosophen. Der Mensch soll auch nach unserem Dichter das -Vermittelnde zwischen oben und unten sein. So sicher legte sich der -junge Goethe, was er von den gnostischen Lehren las, zurecht. Schon in -den ersten Gesprächen, die wir von ihm noch besitzen, finden sich die -Ideen der Konzentration und Expansion. Und damit vergleiche man aus dem -späteren Zyklus „Gott und Welt“ die schöne Strophe:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Was wär’ ein Gott, der nur von Außen stieße,</div> - <div class="verse">Im Kreis das All am Finger laufen ließe!</div> - <div class="verse">Ihm ziemt’s, die Welt im Innern zu bewegen,</div> - <div class="verse">Natur in sich, sich in Natur zu hegen,</div> - <div class="verse">So daß, was in ihm lebt und webt und ist,</div> - <div class="verse">Nie seine Kraft, nie seinen Geist vermißt.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Die gnostischen Lehren sollen ihren Ursprung von dem rätselhaften -samaritanischen Messias <span class="gesperrt">Simon Magus</span> genommen haben. Harnack -sagt, daß seine Existenz und seine hohe geschichtliche Bedeutung nicht -geleugnet werden können. Er lebte zugleich mit Petrus, in heftigem -Widerstreit zu ihm, der seinen Zauber durch Gottes Wort zunichte -machte. Übrigens gibt es der gnostischen Schulen viele, wie die -<span class="gesperrt">Doketen</span>, <span class="gesperrt">Peraten</span>, <span class="gesperrt">Ophiten</span> usf. Jede Schule lehrte -noch etwas Besonderes. Doch Askese, Okkultismus, Astrologie und Magie -zeigten sich überall. Darauf habe ich nicht einzugehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[S. 277]</a></span></p> - -<div class="section"> - -<h4>33. <span class="gesperrt">Der Neuplatonismus</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir wenden uns nunmehr den <span class="gesperrt">neuplatonischen</span> Lehren zu, die mit -den gnostischen eine gewisse Verwandtschaft haben, im Grunde die -<span class="gesperrt">heidnische Gnosis</span> bedeuten. Der Urheber war ein Lastträger, -<span class="gesperrt">Ammonios Sakkâs</span> zu Alexandrien (Ende des 2. und Anfang des -3. Jahrhunderts n. Chr.), der eigentliche Begründer <span class="gesperrt">Plotinos</span> -(204–270 n. Chr.), in Ägypten geboren und des ersteren Schüler; -<span class="gesperrt">Longinus</span>, <span class="gesperrt">Porphyrios</span> und <span class="gesperrt">Jamblichos</span> sind die -Emendatoren und Interpreten. Die Philosophie, um deren Wiederbelebung -es sich handelt, ist zwar die platonische, aber das Ganze zeigt sich -mit Pythagoreertum und Stoischem gemischt und stellt eine Theosophie -dar, weshalb die Behandlung hier erfolgt. Gott als Urwesen steht über -allem Denken und Sein; selbst das Bewußtsein gehört nicht zu seinen -Eigenschaften, er ist überhaupt absolut eigenschaftslos. Ihn zu -erkennen ist daher nur Sache der reinen Intuition. Daher betrachtet -Plotinos alles Wahrnehmen, selbst alles Denken, wie wir es kennen, -als gänzlich belanglos. „Im Himmel bedürfen die Seelen der Worte -nicht; dort ist kein verständiges Denken und nicht das Vernünftige -in unserem Sein.“ Wir werden das im Mittelalter wiederfinden, bis zu -völliger Verachtung aller Wissenschaft. Und von Goethe erzählt Kestner -(Gespräche Bd. I, S. 22): „Er strebt nach Wahrheit, hält jedoch mehr -vom Gefühl derselben, als von ihrer Demonstration.“ Das Wahrnehmen -ist ein Leiden und eine beschwerliche Notwendigkeit für die Seele, -hervorgehend aus der allgemeinen <span class="gesperrt">Sympathie der Dinge</span> in der -Welt, und das Leben bedeutet kaum mehr als ein Traum. Einzig die -Intuition hilft: „Was die übersinnliche Wahrheit ist, weiß der, der sie -sieht.“ Eben diese Intuition stempelt die neuplatonische Philosophie -zu einer Theosophie. Und Plotinos behauptet selbst, „oftmals das -gepriesene Schauen des Göttlichen und die Einigung mit ihm erfahren -zu haben“. Überhaupt ist der Mensch niemals von Gott getrennt. „Wir -haben das Eins (Gott), wenn wir es auch nicht sagen“; vielleicht -auch, wenn wir es nicht bewußt sind. Sind wir es bewußt, so hört das -Eigen<span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[S. 278]</a></span>bewußtsein auf. Das ist eigentlich der Standpunkt des Indiers der -Upanishaden. Die Intuition gilt höher selbst als die Vernunft. Gott -weilt überall, aber nicht in den Dingen. Es ist eine Konzession an das -Menschenherz, wenn Gott auch das absolut Gute genannt wird, und an die -Kausalität, wenn er auch Urgrund (ἀρχή) bedeutet. An sich steht Gott in -gar keiner Beziehung zu irgend etwas. Es ist dann freilich schwer zu -verstehen, wie selbst die Intuition ihn fassen und mit dem Einen eins -sein soll. Nun folgt eine Art Emanationslehre. Gleich einer Quelle, -die Wasser aussendet und dabei doch Quelle unvermindert bleibt, warf -das Eins ein Zweites aus sich heraus, den Nus, den wir schon kennen, -die absolute Vernunft, die absolute Intuition. Als Zweites ist es -unvollkommener denn das Erste; es ist aber <span class="gesperrt">absolute Vernunft</span>, -weil es das Erste geschaut hat. Sonst ist es ein übersinnlich Seiendes, -ein Lebendes und Vermögendes. Hier sind offenbar mehrere Aionen der -Gnostiker in einen Aion vereinigt. Auch darin liegt Gnostisches, daß -nun der sinnlichen Materie entsprechend eine übersinnliche gesetzt -wird, welche nichts anderes ist als die Allgemeinheit der Vernunft. -Die Vernunft ist hiernach eine Einheit in sich, aber doch eine -Mannigfaltigkeit, ein κόσμος νοητός, gegenüber dem Einen, das sie -umgibt wie ein Kreis seine Mitte. Eine Emanation der Vernunft ist -nun die absolute <span class="gesperrt">Seele</span>, ein Gedanke, ein Logos von ihr. Wie -die Vernunft alle Arten des Denkens, so faßt ihre Emanation Seele -alle Arten des Seins zusammen, sie steht aber schon an der Grenze des -übersinnlichen Reiches. Plotinos’ Pleroma, um gnostisch zu reden, ist -also recht beschränkt, denn auch die absolute Seele begreift viele -Aionen in sich. Und so besteht das erste Universum mit dem Urwesen (τό -πρῶτον) nur aus dieser Dreiheit: Ureins, Urvernunft, Urseele. Plotinos -war eben Heide.</p> - -<p>Die absolute Seele bringt die <span class="gesperrt">Weltseele</span> hervor. Und diese ist -mit der Welt so verbunden wie die Menschenseele mit dem Leib. Sie ist -aber so mannigfaltig wie die absolute Seele, und so gehört sie allen -Teilen der Welt an. Die Welt wieder, als Materie gedacht, schafft sich -die zweite Seele selbst, unbewußt, wie der<span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[S. 279]</a></span> Demiurg der Gnostiker. -Die Emanation tritt als Drang, Notwendigkeit auf. Da aber die zweite -Seele doch Emanation der übersinnlichen ersten Seele, und diese -Emanation der absoluten Vernunft ist, muß sich die Welt immerhin als -so gut als möglich und so schön als möglich geordnet erweisen. Die -zweite Seele prägt ihr auch von ihrem Übersinnlichen ein. Das kann -wegen der Unfähigkeit der Materie nur allmählich geschehen; in diesem -allmählichen Aufnehmen des Übersinnlichen beruht, was wir Zeit nennen. -Da ferner alle Seelen die zweite Seele sind, so besteht zwischen ihnen, -also zwischen den Dingen, ein Zusammenhang, eine „<span class="gesperrt">Sympathie</span>“, -was wir noch oft und später, in anderer Form, auch bei den Leibnizschen -Monaden wiederfinden werden. Diese Sympathie bewirkt es, daß keinem -Dinge etwas widerfahren kann, das nicht alle Dinge mitempfinden. Ferner -führen die Seelen, wie bei den Gnostikern, als von oben stammend und -nach unten (wenn auch passiv) wirkend, ein Doppelleben, zur Höhe -und zur Tiefe. Die Materie aber ist der Gegenpol im Ganzen zu dem -Urwesen, und an der Grenze des Seins das Mangelhafte, das Böse. Das -Leben zeigt verschiedene Grade, aber alles hat Seele. Wir finden so -einen monistischen Idealismus, der zu einem Panpsychismus geführt hat; -selbst leblosen Körpern kommt eine Seele zu, wie der Erde, den Steinen. -Eine Auflösung der Welt erfolgt nicht; die Welt bleibt, nachdem sie -entstanden, ewig. Ewig strahlen auch die Seelen in die Materie hinein, -aber ihr Zusammenhang mit der Materie ist nur ein scheinbarer. Da die -Materie doch auch nur Emanation der Seelen sein soll, muß angenommen -werden, daß überhaupt die Emanationen miteinander an sich ohne -Verbindung sind. Nur die Gemeinschaft des letzten Ursprunges hält sie -zusammen. In der Tat lehrt Plotinos auch eine gewisse Willensfreiheit. -Und doch wird die Sucht nach Selbständigkeit als Ursprung alles Bösen -betrachtet (wie in Goethes „Weltbild“) und alles Niedrigen, wie von -allem Leben die Pflanze das niedrigste sein soll, da jede für sich -allein steht. Die reinste Seele kommt dem Himmel (Zeus?) zu. Diese ist -ganz in sich zusammen<span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[S. 280]</a></span>gezogen und folgt nur ihren absoluten ehernen -Gesetzen. Dann haben wir die Seelen der Gestirne. Und so werden auch -Himmel und Gestirne wie Götter behandelt; sie haben aber bloß die der -ersten absoluten Seele nächststehenden Manifestationen der Weltseele. -Mit der Welt hängen sie nur durch die „Sympathie der Dinge“ zusammen, -sonst sind sie in bezug auf diese, wie alles, passiv. Tatsächlich -liegt das Gesetz der Welt, die <span class="gesperrt">Vorsehung</span>, nur in der absoluten -Vernunft. Nach den sichtbaren Göttern kommen die Dämonen und dann die -Menschen, Tiere, Pflanzen usf. Des Menschen Aufgabe im Leben ist die -<span class="gesperrt">Katharsis</span>, die Reinigung von allem Irdischen, verbunden mit -<span class="gesperrt">Sichversenken</span>, die zur Intuition führt. Jede Seele kann durch -Dämonen, Götter und Himmel zurück zum Lichtreich gelangen. Die Schule -der Neuplatoniker lehrte denn auch Seelenwanderung.</p> - -<p>Man sieht, wie in den <span class="gesperrt">Emanationslehren</span> die Emanationen so -verschieden angegeben sich finden. In manchen Systemen werden Urwesen -und Emanationen nach Triaden als πατήρ, δύναμις, νοῦς geordnet (<a href="#Seite_255">S. -255</a>). Der mit dem Pseudonym <span class="gesperrt">Dionysios der Areopagite</span> (ein -unbekannter christlicher Neuplatoniker, der um 500 n. Chr. gelebt haben -mag) bezeichnete Schriftsteller, der einen so merkwürdigen Einfluß auf -die mittelalterlichen Religionsphilosophen ausgeübt hat, zählt als -<span class="gesperrt">Hierarchie</span> drei Triaden zu je drei Abteilungen von Emanationen -auf. Die erste Trias besteht aus den <span class="gesperrt">Seraphim</span>, die von Gott, -den <span class="gesperrt">Cherubim</span>, die von den Seraphim, und den <span class="gesperrt">Thronen</span> -(<span class="gesperrt">festen Naturen</span>), die von den Cherubim erleuchtet werden. Dann -folgen in den nächsten Triaden: die <span class="gesperrt">Archonten</span>, <span class="gesperrt">Tugenden</span>, -<span class="gesperrt">Mächte</span>; <span class="gesperrt">Prinzipes</span>, <span class="gesperrt">Erzengel</span> und <span class="gesperrt">Engel</span>, -die immer weiter das göttliche Licht durch Überlieferung verbreiten, -aber in immer geschwächterer Form, bis es zum Menschen gelangt. Doch -kann der Mensch zu den Engeln sich emporheben, ja noch höher, bis zu -Gott, wie er auch selbst Licht zu verbreiten weiß. Der himmlischen -Hierarchie sollte die kirchliche entsprechen. Die Kirche als Aion hat -schon Basilides aufgestellt. Bei Dionysios erscheint das ganze Pleroma -als über<span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[S. 281]</a></span>sinnliche Kirche. Fünf Stadien hätte der Mensch zu durchlaufen -bis zur Vergottung: Reinigung, Erleuchtung, Weihung, Vergöttlichung, -Aufgehen in Gott. Sie bilden das <span class="gesperrt">große Mysterium</span>, das, wie -man sieht, indisch ausläuft, und zu entsprechenden Mystizismen und -Verzückungen geführt hat.</p> - -<div class="section"> - -<h4>34. <span class="gesperrt">Übergang zum Mittelalter; Augustinus, -Scotus Erigena</span>.</h4> - -</div> - -<p>Schon lange vor Dionysios mußte die Kirchenlehre mehr und mehr in -die Anschauungen eingreifen, und nachdem der Evangelist Johannes -Christus mit dem Logos identifiziert hatte, war es nur folgerichtig, -daß nun allmählich Christus die weltschöpferische Rolle übernahm. -Gleichwohl konnte die völlige Hinausschiebung Gottes in das absolut -Untätige, entgegen dem deutlichen Bibelworte, nicht ohne Widerspruch -bleiben. Hieraus ist dann der durch das ganze Mittelalter und darüber -hinaus sich fortsetzende Streit über das Wesen Gottes und über das -Verhältnis der drei Einheiten zueinander entstanden, der durch ein -Glaubensbekenntnis allein naturgemäß nicht geschlichtet werden konnte. -Diesem Streit zu folgen ist nicht meine Aufgabe. Wir finden aber in -allen theosophischen Lehren die Rolle Gottes bald aktiv, bald passiv -aufgefaßt. Und seltsamerweise mußte sie für das Volk wie für den -verstandesmächtigen Philosophen immer passiver werden, für diesen -aus tiefer Überlegung der Hoheit des Gottesbegriffes, für jenes -aus Zurückdrängung Gottes durch die Zwischenstufen. Ja auch diese -Zwischenstufen wurden je höher, je mehr vom Volke in die neutrale Ferne -gerückt. Und wie die Macht der menschlich so schönen und rührenden -Gestalt der Himmelskönigin zunahm, und die Heiligen mit ihren Wundern -im Leben und im Tode sich überall einschoben, mußten zuletzt auch die -beiden anderen Einheiten der Trinität fast passiv werden, um so mehr -passiv, je genauer ihre Verbindung mit Gott selbst gedacht und geglaubt -wurde. Es kam noch ein anderes hinzu, was die poetischen Systeme der -Theosophen abseits drängte und<span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[S. 282]</a></span> zersetzte: die ständig wachsende Macht -der Aristotelischen Lehre, die, an Stelle der lebenden Gestalten -der Ideen Platons und der Emanationen, in den Formen dialektische -Bilder brachte und für die lichtgewobenen Schönheiten potentielle -Realitäten gab. Gleichwohl finden wir Emanationslehren noch das ganze -Mittelalter hindurch und sehen sie am Beginn der Neuzeit und in unserer -Zeit mit außerordentlicher Kraft sich wieder beleben. Sie sind eben -schöne Dichtungen und für den Menschen durch die Stellung, die sie -ihm im Universum verleihen, auch sehr schmeichelnd und Unendlichkeit -verheißend. Bringen wir zunächst für das Mittelalter noch einige -Angaben.</p> - -<p>Der große Kirchenvater <span class="gesperrt">Aurelius Augustinus</span> (geb. 354 zu Thagaste -in Afrika, gest. 430 als Bischof von Hippo Regius ebenda), das Licht -der <span class="gesperrt">patristischen Philosophie</span>, gehört nicht eigentlich zu den -Theosophen. Seine Anschauung muß aber kurz skizziert werden, weil -sie von so außerordentlichem Einfluß auf die des ganzen Mittelalters -gewesen ist. Gott hat die Welt geschaffen: Allein nicht aus sich, -sondern als <span class="gesperrt">Evolution</span> in Zeit und Raum aus dem <span class="gesperrt">Nichts</span> -(Platons Nichtseiendes?). Daher kann die Welt die Vollkommenheit -Gottes nicht besitzen. Sie ist nur für sich vollkommen, gegen Gott -aber unvollkommen. Gleichwohl wird für alles und jedes sein Grund -in Gott verlegt. Nur <span class="gesperrt">eine</span> Weisheit besteht, in dieser sind -die unendlichen unbegrenzten Schätze der <span class="gesperrt">intelligiblen Dinge</span> -(Rerum intelligibilium); letztere enthalten alle unfehlbaren und -unveränderlichen Gründe (rationes) der Dinge, auch der sichtbaren und -veränderlichen, welche durch sie (die Weisheit Gottes) geschaffen sind. -Denn Gott hat nichts nichtwissend geschaffen; hat er aber wissend -geschaffen, so hat er es so weit geschaffen, als er es wußte. In der -Tat ist ja das Nichts qualitätlos. Es liegt in solchen Anschauungen -zweifellos etwas Neuplatonisches, Theosophisches, und Augustinus -ist auch der Ansicht, daß das bloße offenbarende Wort, die Schrift, -nichts ist ohne die Bestätigung des göttlichen Geistes in uns, also -durch Intuition erst Realität gewinnt. Aber im Grunde läßt er das -Problem des Bösen in der<span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[S. 283]</a></span> Welt doch auch ungelöst; Unvollkommenheit -ist noch kein Böses, wenigstens sträubt sich unser menschliches -Gefühl gegen eine solche Ansicht. Denn wenn wir auch zugeben, daß aus -Passivität Anderen Unheil erwachsen kann, so ist doch das Böse für -uns ein durchaus aktiver Begriff. Eher vermöchten wir das Schlimme, -das uns selbst im Leben widerfährt, Krankheit, Verlust usf., der -Unvollkommenheit der Welt zuzuschreiben. Aber wir können nicht umhin, -dem Bösen auch eine ethische Bedeutung beizumessen; und dann ist es -aus einer Unvollkommenheit der Welt nicht abzuleiten, namentlich -nicht, wenn es <span class="gesperrt">bewußt</span> auftritt. Augustinus’ Lehre ist eben -optimistisch, und eine solche Lehre hat keine andere Erklärung für -das Schlechte als die Redewendung: „Das Böse oder das Übel bezeichnet -nur die Beraubung des Guten (privatio boni)“, welche eben nur -Redewendung ist für etwas, das wir nicht ergründen können. Wenn wir -Gott theologisch-religiös auffassen und ihn aktiv allein und aus Nichts -und gegen Nichts die Welt schaffend annehmen, so bleibt mindestens das -Bewußt-Schlechte unerklärt. Und das ist es auch in der Folge geblieben, -die bei weitem theologischer verfährt als der bei allem Aberglauben -so geistvolle und hochdenkende Kirchenvater. Seine Ansicht von der -Welt als Einheit mit absoluter Ordnung der Entwicklung unterscheidet -sich von den reinmaterialistischen Anschauungen, die wir noch kennen -lernen werden, nur durch den Grund der Einheit und Ordnung, denn -sogar die Wunder reiht er in diese Ordnung ein, so daß sie zur Natur -zählen. Der Materialist setzt keinen Grund, für Augustinus ist der -Grund im Schöpfer und Lenker der Welt. Und so gehören ihm zur Natur -auch die Engel. Und er hat nicht übel Lust, denen zu folgen, die im -Himmel und den Gestirnen zwar auch nur Dinge der Natur sehen, aber -höhergestellte als Mensch und andere Wesen (<a href="#Seite_289">S. 289</a>). Alles dieses, -zum Teil vergröbert, aber auch durch den Einfluß der Aristotelischen -Philosophie mehr ins Abstrakte gewendet, finden wir namentlich auch bei -den Scholastikern.</p> - -<p><span class="gesperrt">Johannes Scotus Erigena</span> (um das 9. Jahrhundert in<span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[S. 284]</a></span> Irland -geboren) läßt in einer seiner mehreren Ansichten alles von Gott -emaniert sein. Gottes Klarheit, welche mit Recht auch Dunkelheit -genannt wird, breite sich über alles aus. Die ungeformte Materie soll -nur das Unendliche bedeuten, welches, da es formlos sei, alle Formen -in sich enthalte. Gott hat die Welt aus seinem eigenen Wesen gebildet. -Jedes Geschöpf ist eine <span class="gesperrt">Theophanie</span>, ein Sichoffenbarmachen -Gottes. Gott sei an sich vorhanden wie ein Gedanke im Menschen bestehe; -er manifestiere sich in der Welt durch sich selbst, wie ein Gedanke, -der sich denkt, sich selbst zur Erkenntnis komme. So sei Gott ohne die -Welt absolut negativ. Es klingt wie eine Blasphemie, wenn gesagt wird, -Gott wisse nicht, was er sei, und er werde erst geschaffen mit der -Schöpfung, indem er sich in seiner Schöpfung offenbart, die Schöpfung -so aus Nichts hervorbringend. Das ist auch fast so abstrakt wie die -indische Tad-Anschauung. Freilich bleibt es bei diesem absoluten, und -ja auch nicht zu durchdringenden, Pandeismus nicht. Wie der Indier -muß Scotus Gott doch etwas zuschreiben, Willen, und die Geschöpfe -sind dann Willensakte. Der Wille ist persönlich als Emanation Gottes -(als Christus) gedacht, wie wohl auch die Ursachen (zusammengefaßt -als Heiliger Geist), die Scotus von Gott ausgehen läßt, Emanationen -sind, und die Wirkungen, die wieder von ihnen ausgehen, Emanationen -ihrer selbst darstellen. So ist Christus der Urheber, und der Heilige -Geist der Vollender der Welt (Pater vult, filius facit, spiritus -sanctus perficit, heißt die berühmte Formel). Die Ursachen müssen als -verschieden voneinander angesehen worden sein, und weil sie Emanationen -gleicher Ordnung bedeuten sollten, besteht kein Rang zwischen ihnen, -also auch keine Folge ihrer Wirkungen. Es wird nun jedes Geschöpf als -eine Art Mikrokosmos angesehen, indem aber die Ursachen in ihm sich in -beliebiger Folge geltend machen können, soll es eine allgemeine Folge -auch des Denkens nicht geben. Das ist freilich ein Schluß, der den -Weg zur absoluten Wahrheit, das heißt zur Erkennung des <span class="gesperrt">Ganzen</span> -im Mannigfaltigen versperrt; Jeder faßt nach <span class="gesperrt">seiner</span> Weise -sich und die Welt auf. Da Jeder aber eine Theophanie darstellt, so<span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[S. 285]</a></span> -ist seine Auffassung eine reale. Die Welt hat so viele Gestaltungen -als Geschöpfe sind, alle diese Gestaltungen sind die ganze Welt. -Indessen wird doch auch eine Abstufung in den Geschöpfen angenommen. -Und als ein unergründliches Geheimnis — darin verborgen, daß Gott -alles nach Maß und Zahl und Gewicht geschaffen habe — wird es -bezeichnet, daß jedes Geschöpf in der Ekstase, also intuitiv, Gott -(incomprehensibilem et inintelligibilem causam) in seiner nächsthöheren -Theophanie (proxima illi theophania) „von Angesicht zu Angesicht“ -erkenne. So konstatiert Scotus eine Harmonie in der Welt, in der -alles, selbst die Materie, eben als Theophanie, unvergänglich ist, -selbst jeder Gedanke, jedes gute oder böse Wollen; aber ohne jede -„Sympathie der Dinge“. Eine solche Welt würde es eher verstehen machen, -wenn wir, nachdem Jahrtausende hindurch Menschenliebe gepredigt -worden ist, uns Vorträge halten lassen über den ethischen Wert des -gegenseitigen Sichtotschlagens. Da die irdische Welt die letzte aller -Emanationen ist, so schafft sie selbst nichts wirklich; sie scheint -nur zu schaffen, und so ist sie auch Nichts, und sie wird mit allem -untergehen, was in ihr ist. Ewig ist nur das Geistige, und durch das -Geistige findet die Rückkehr zum Ursprung zurück, die Erkenntnis Gottes -in uns (als Theophanie). Das System ist idealistisch-monistisch, und -so fehlt auch eine wirkliche Erklärung des Bösen in der Welt. Es wird -nur eine indirekte <span class="gesperrt">doppelte Prädestination</span> gelehrt. Gott hat -die Zahl der Guten und Bösen vorherbestimmt, die letzteren jedoch nur -als notwendigen Gegensatz zu den Guten. Damit ist der Begriff des -Guten und Bösen als solcher aufgehoben, es tritt nur die Relativität -ein, und diese ist vergänglich. Wenn der Leser fragt: wie hat sich -der Philosoph mit der Kirchenlehre abgefunden? so kann man ihm nur -antworten: wie ein souveräner Denker, gar nicht! Da er aber gleichwohl -dem orthodoxen Glaubensbekenntnis angehört, so haben wir ein Beispiel -der „<span class="gesperrt">doppelten Wahrheit</span>“, die immer auftritt, wo Glaube und -Denken nebeneinander wirken, und die so oft gegen herrschende Gewalt -aushelfen muß. Auch stand Scotus erst am Beginne des <span class="gesperrt">dunklen</span> -Mittelalters und<span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[S. 286]</a></span> blieb auch für mehrere Jahrhunderte der bedeutendste -Denker der christlichen Welt. Seine Emanationslehre hat aber etwas -Nordisch-Düsteres, das Universum ist für ihn kein „überschäumendes -Licht“ wie für die südlichen Emanisten.</p> - -<div class="section"> - -<h4>35. <span class="gesperrt">Islamisch-arabische Theosophien</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir unterbrechen hier die Betrachtung der christlichen Theosophie, um -uns erst zu der <span class="gesperrt">islamisch-arabischen</span> und der <span class="gesperrt">jüdischen</span> -Philosophie zu wenden. Beide haben auf den Gang der christlichen -Philosophie im Mittelalter einen bedeutenden Einfluß gehabt, nicht -allein indirekt durch Verbreitung namentlich der Aristotelischen -Anschauungen, sondern auch unmittelbar, indem vieles von ihren -Lehren auf jene überging. Der Mohammedaner steht dem Koran gegenüber -gebundener da als wir der Bibel, denn der Koran enthält wenig -Erzählung, an die man glauben soll, sondern vor allem Lehre. Nimmt -der Moslem diese nicht an, so ist er eben kein Moslem. Daher können -mohammedanische Anschauungen, solange sie eben mohammedanisch sind, -nur Besonderes betreffen, worin der Koran der Deutung Spielraum läßt. -Liberal und orthodox kann sich hier nur auf die Auslegung gewisser -Einzelheiten beziehen. Aber diese Einzelheiten gehen wie überall eben -auf die Grundfragen der Menschheit. Und in diesen hat Mohammed keine -andere Lösung vorbereitet, als wir sie in unseren heiligen Schriften -finden. Daher die Verwandtschaft zwischen den mohammedanischen -Auslegungen und den unsrigen auch dort, wo auf dem Boden des -Bekenntnisses stehengeblieben, also von der eigentlichen Religionslehre -nicht abgewichen wird. Diese Verwandtschaft ist naturgemäß größer mit -den jüdischen Auslegungen als mit den christlichen, da die Trinität -dem Islamismus wie dem Mosaismus fehlt, beide also nur von Gott -Rechenschaft sich zu geben haben, während im Christentum noch von der -Wesenseinheit Christi und des Heiligen Geistes mit Gott die Klarheit -gewonnen werden muß. Wir behandeln zunächst die Anschauungen zweier -islamischen Sekten, die sich in der Tat<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[S. 287]</a></span> wie Kirchlich-Liberale und -Kirchlich-Orthodoxe gegenüberstehen, während beide doch kirchlich -sind. Wir würden sie nach den Auseinandersetzungen über religiöse -Anschauungen im voraufgehenden Buche sowenig zu erwähnen brauchen wie -jüdisch- oder christlich-kirchliche Anschauungen, wenn sie nicht einige -Wendungen hätten, die gerade hierher gehören.</p> - -<p>Zunächst die Anschauungen der freieren Sekte der <span class="gesperrt">Muatazile</span> -(Mu’tazila, die Sichabsondernden). Sie nehmen an, daß Gott bei der -Erschaffung der Welt, die in ihm mit allen ihren Eigenschaften als -eine Möglichkeit bestand, alles in sie hineingelegt habe, freilich -nur alles Gute. In die vernünftigen Wesen habe er auch den freien -Willen getan; wenn der Mensch diesen zum Bösen anwende, sei Gott -nicht verantwortlich. Es ist nicht eine Emanationslehre, sondern eine -Evolutionslehre; aber doch ist in den Dingen Göttliches vorausgesetzt, -da was jetzt in ihnen vorhanden, vorher als Mögliches in Gott bestanden -hat. Den Gegensatz zu den Muatazile bildeten die <span class="gesperrt">Motakallim</span> -(Mutakallimun, die Sprechenden) als Orthodoxe. Wir werden ihnen später -als Atomisten begegnen. Hier haben wir nur zu erwähnen, was sie von der -Welt und dem Menschen sagten. Alles ist von Gott geschaffen, aber ganz -nach Willkür. Gott hätte jede andere Welt ebenso schaffen können. Gott -regiert auch die Welt absolut und ständig; kein Vorgang ohne Gottes -Veranlassung. Und so entsteht alles in jedem Augenblick aus nichts, -als wenn die Welt fortwährend, in jedem Zeitmomente — die Motakallim -dachten sich die Zeit atomistisch als aus lauter „Jetzt“ sich reihend -— geschaffen würde. Wenn gleichwohl Naturgesetze gelten, so wird -Gottes an sich souveräner Wille durch seine Vernunft geleitet. Diese -Vernunft setze vieles als notwendig, wie die Vereinigung von Seele und -Leib und die sittliche Ordnung. Und Gottes Vorauswissen hemme ihn, -Böses und Übel, das eintreten soll, zu hindern; denn täte er es, so -würde er ja sein Wissen ändern, und Gott ist absolut. So sind denn -auch die menschlichen Handlungen solche Gottes; doch werde der Mensch -auch erleuchtet, und dann ist er ein „einsichtiges“ Werkzeug Gottes. -Diese Lehre, ab<span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[S. 288]</a></span>gesehen von der letzteren Erleichterung, ist um so -herber, als der Mensch gleichwohl für Missetat bestraft werden soll. -Und auch das Anthropomorphische in Gottes Eigenschaften wird dadurch -nicht annehmbarer, daß es mit absoluter unendlicher Macht verbunden -auftritt. Das Ganze ist auf dem starren Glauben des Mohammedanismus -gegründet, der ja auch zu dem <span class="gesperrt">Kismet</span> geführt hat. Die Vollendung -dieser orthodoxen Lehre ist die der <span class="gesperrt">Aschariten</span>, die auch jede -Kausalität leugnen, überhaupt jeden Zusammenhang in der Welt, außer -durch Gott, ablehnen.</p> - -<p>Die mohammedanische Wissenschaft übernahm, wie so vieles andere vom -Abendlande, auch den Neuplatonismus. Gleich einer ihrer bedeutendsten -Philosophen, <span class="gesperrt">Aviçenna</span> (Iba Sina 980–1037 n. Chr.), scheint -Plotins Lehren fast unverändert in seine Anschauungen übertragen -zu haben, nicht bloß hinsichtlich Gottes und der Emanationen, wo -seine <span class="gesperrt">Intelligenzen</span> der Nus Plotins und die beiden Seelen -sind, sondern selbst in bezug auf die Ordnung in der Welt und die -Stellung des Menschen. Ja selbst der große <span class="gesperrt">Averroes</span> (Ibn -Roschd 1105–1198 n. Chr. zu Cordova) gehört eigentlich hierher. Wir -betrachten seine Lehre etwas genauer, weil vieles in ihr enthalten -ist, das gegen die Emanationstheorie zu sprechen scheint, die er auch -abgelehnt haben soll. Die Welt ist von Gott gebildet, aus Materie. -Wesen, Wissen und Wirken sind bei Gott absolut und das gleiche mit -ihm selbst. Die Materie hat Gott nicht geschaffen, sie besteht neben -ihm, und zwar von vornherein mit allen Fähigkeiten begabt, das zu -werden, was sie in der Welt ist; also eine Welt mit allen Vorgängen -abzugeben. So wird die Schöpfung der Welt durch Gott mehr auf -einen Auslösungsakt zurückgeführt, und ist im Grunde nur in diesem -Auslösungsakt spiritualistisch, etwa wie bei Anaxagoras, gedacht. -Und auch dieses wenige Spiritualistische ist noch fast bedeutungslos -gemacht, indem die Schöpfung in die Unendlichkeit zurückverlegt wird. -Allein dieser Standpunkt ist offenbar nicht konsequent beibehalten, -sonst müßte Averroes zu einer rein physischen Anschauung von dem -Gang der Welt gekommen sein. Davon ist er aber oft weit abgewichen.<span class="pagenum"><a name="Seite_289" id="Seite_289">[S. 289]</a></span> -Schon die Sonderstellung, die er dem Himmel zuweist und die in vieler -Hinsicht an neuplatonische Anschauung erinnert, ist sehr eigenartig. -Dieser Himmel war nicht und ist nicht vergänglich. Ihm wird eine -Seele zugeschrieben, die ihn auch bewegt; und diese Seele ist mit -Vernunft begabt, und zwar mit solcher, wie sie eigentlich sonst Gott -beigemessen wird. Mit dieser Vernunft regiert der Himmel die Bewegungen -aller Gestirne. Und sein Erkennen geht nur auf sich und das Höhere; -das Niedrigere, die eingeschlossene Welt, erkennt der Himmel nicht -als solches, sondern allein aus dem Höheren. Und so wird ihm, was -für die Gestirne geschieht, für die Menschheit abgesprochen, wie -auch Gott selbst: nämlich die Vorsehung. Indessen doch nicht in dem -Grade wie Gott, über den es ja kein Höheres gibt, woraus ihm etwas -offenbar werden könnte; während der Himmel eben den Gang der Welt -noch aus höheren Ursachen entnehmen kann. Man muß nun schließen, daß -er diese Erkenntnis weiter dem Niederen zu erkennen gibt; wir hätten -die Astrologie, und alles so Befremdliche, was vom Himmel gesagt ist, -wäre nur dieser Astrologie wegen gesagt. Aber auch die Rolle Gottes -ist nicht so allein auf den ersten Anstoß beschränkt, wie aus den -Annahmen über die Materie sich zu ergeben scheint. Schon die höheren -Ursachen (Mächte), die der Himmel erkennt, müssen doch Gott ihre -Entstehung verdanken. Und wenn wir erfahren, daß der Mensch nicht -bloß sich und was unter ihm, sondern auch das Höchste zu erkennen -die Fähigkeit haben soll, so muß doch Gottes Geist wenigstens in ihm -sein. Und dieser Eindruck wird verstärkt, indem der Mensch auch zu -der letzten Erkenntnis soll gelangen können, worin er sich selbst -erkennt. Mitunter freilich scheint es, als wenn die Erkenntnis des -Höchsten nicht die Erkenntnis Gottes zu bedeuten hat, sondern nur die -Erkenntnis des Höheren und noch Höheren usf. Aber der Vernunft wird -doch auch Unsterblichkeit zugeschrieben. Nicht dem besonderen Verstande -des besonderen Menschen, welcher vielmehr mit ihm stirbt, sondern der -allgemeinen Vernunft, von der der besondere Verstand nur ein Akzidens -im Leben ist. Und diese allgemeine Vernunft ist eben einheitlich.<span class="pagenum"><a name="Seite_290" id="Seite_290">[S. 290]</a></span> -Wir haben also bei Averroes tatsächlich einen Dualismus von Geist und -Materie, vermehrt durch die Sonderstellung des Himmels, und durch die -In- und Außerweltstellung Gottes. Vieles aber verliert sich völlig in -Mystik; schon was vom Himmel gesagt ist, gehört hierher. Noch mehr, -wenn gar dem Himmel intelligibles Mitwirken bei der Entstehung der -Dinge zugeschrieben wird; so wird „der besondere Mensch von der Sonne -hervorgebracht und von der besonderen Materie, welche ein anderer -besonderer Mensch darbietet, daß sie von der erzeugenden Kraft der -Sonne belebt werde“. Daß, obwohl die Sonne allgemein Menschen beleben -kann, sie diesen besonderen Menschen belebt, liege daran, daß ihr eine -besondere Materie geboten ist, die eben nur Bestimmtes empfangen könne. -Das alles wird man nur verstehen, wenn Averroes, trotz seiner Ablehnung -der Emanationslehre, doch nach deren Schema gearbeitet hat; sonst kämen -Dinge heraus, die man einem so hervorragenden Denker nicht zumuten darf.</p> - -<p>Andere Philosophen der mohammedanischen Welt haben von ihrer -Rechtgläubigkeit hinzugefügt. Aber der große Einfluß der Gnosis auf sie -zeigt sich bei ihnen in dem so hervortretenden Hang zum Mystizismus -selbst bei den bedeutendsten unter ihnen. Wir verdanken solchem Tüfteln -und Forschen nach dem Geheimen der Natur die <span class="gesperrt">Alchemie</span> und die -feinste und spitzfindigste Ausbildung der <span class="gesperrt">Astrologie</span>. Und -abgesehen von ihren Übersetzungen der griechischen Werke (namentlich -der aristotelischen), haben sie durch nichts so erheblich auf die -Forschung des mittelalterlichen Abendlandes gewirkt wie durch ihre -Geheimwissenschaften. Wir werden übrigens von ihnen noch bei mehreren -Gelegenheiten zu sprechen haben.</p> - -<div class="section"> - -<h4>36. <span class="gesperrt">Jüdische Theosophie und Kabbala</span>.</h4> - -</div> - -<p>Da die Gnosis im Grunde aus jüdischen Anschauungen sich entwickelt -hat, denn das erste konsequente, wenn auch nicht vollständige, System -ist das von Philon, so darf es nicht wundernehmen, wenn sie auch bei -jüdischen Forschern sich weitergebildet findet. Hervorzuheben ist -zunächst der so bedeutende Dichter <span class="gesperrt">Salomon ben Gabirol</span> (1020 n. -Chr.<span class="pagenum"><a name="Seite_291" id="Seite_291">[S. 291]</a></span> zu Malaga geboren und in der Philosophie als Avicebron bekannt). -Ich brauche nur aus einem Hymnus von ihm, „die Königskrone“, die -entscheidenden Verse anzuführen:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Du bist Gott! Und nicht getrennt ist deine Einheit von deiner Göttlichkeit,</div> - <div class="verse">So wenig als dein Dasein von deiner Ursprünglichkeit;</div> - <div class="verse">Denn alles fließt aus <span class="gesperrt">einer</span> Quelle.</div> - <div class="verse">Und wenn auch jedes anders heißt, so ist doch aller Ziel dieselbe Stelle.</div> - <div class="verse">Du bist weise! Des „Lebens Quelle“ ist die <span class="gesperrt">Weisheit</span>, dir entstammend, hell und klar,</div> - <div class="verse">Und deiner Weisheit gegenüber ist der Mensch des Wissens bar.</div> - <div class="verse">Warst früher als alles Frühe, und in deinem Schoß</div> - <div class="verse">Da wuchs die Weisheit groß. — —</div> - <div class="verse">Du bist weise! Und deine Weisheit strahlte aus die <span class="gesperrt">Willenskraft</span>,</div> - <div class="verse">Die wie ein Meister, wie ein Künstler wirkt und schafft,</div> - <div class="verse">Die aus dem Nichts hervor ließ gehn das <span class="gesperrt">Sein</span>,</div> - <div class="verse">Wie aus dem Aug’ des Lichtes Schein,</div> - <div class="verse">Die ohne Eimer schöpft des Lichtes Kraft</div> - <div class="verse">Und ohne Werkgang alles schafft.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Also die Emanationen sind Weisheit, Willenskraft, Sein. Und die -Willenskraft baut die Welt als Emanation.</p> - -<p>Das imponierendste System der jüdischen Gnostik und Mystik ist die -<span class="gesperrt">Kabbala</span>. Früher mißachtet und verrufen, wird sie jetzt mit -Eifer hervorgezogen und auf ihren wissenschaftlichen Ideengehalt -untersucht. Das kabbalistische System ist in sehr vielen Traktaten und -Werken niedergelegt. Die bedeutendsten Schriften sind das <span class="gesperrt">Sepher -Jezira</span> (Buch der Schöpfung) und das <span class="gesperrt">Sepher Sohar</span> (Buch -des Glanzes), redigiert von <span class="gesperrt">Mose de Leon</span> um 1300 n. Chr. in -Spanien. Es ist eine ins Minutiöse durchgeführte Emanationslehre, -um die es sich handelt; freilich mit Zahlen- und Buchstabenmystik -aufs äußerste durchsetzt (namentlich im erstgenannten Werk, das -alles in der Welt aus Zahlen und Buchstaben aufbaut). Das Urwesen -ist „das Unendliche“ (<span class="gesperrt">En Soph</span>), oder „der heilige Alte“, oder -der „<span class="gesperrt">Alte vom Tage</span>“, auch das „heilige Antlitz“. Es bedeutet -ganz Licht. Der Emanationen gibt es zehn in absteigender Bedeutung: -die höchste Krone oder oberste Höhe, die ideelle Weisheit oder -ideelle Einsicht, die Liebe oder Gnade, die Stärke, das Recht, die -Herrlichkeit<span class="pagenum"><a name="Seite_292" id="Seite_292">[S. 292]</a></span> oder Barmherzigkeit, der Sieg oder die Geistesmacht, -der Glanz oder die Schönheit, der Grund, der Kranz oder das Reich. Es -bestehen nun vier Welten in absteigender Folge. Der Mensch ist in allen -beteiligt, nach den verschiedenen Bedeutungen seiner Seele, deren, -gemäß der Bibelbezeichnungen, vier angenommen werden: Adam mit dem -Beiwort Kadmon als Urmenschenseele, Neschamah als intuitive, Ruach als -denkende, Nephesch als lebende Seele (vgl. <a href="#Seite_221">S. 221</a> ff.). Daher kann der -Mensch sich bis zu dem Höchsten erheben. Die vier Welten aber sind: -Aziruth, entsprechend dem Pleroma, also das absolute Lichtreich, alle -Urbilder der Schöpfung enthaltend; Beriah, eine intellektuelle Sphäre -der Innerlichkeit, die Aionen Weisheit und Einsicht herrschen darin; -Jezirah, die Welt der Engel, an deren Spitze der Erzengel Metathron -(also dem Griechischen entnommen, der dem Throne Nächststehende), hier -waltet die Schönheit. Die letzte Welt zerfällt in mehrere Schichten, -die oberste Schicht ist die des Demiurgos; dann folgt die der Dämonen, -die irdische Welt. Und nun geht es merkwürdigerweise wieder in die -Höhe, denn die weitere Schicht enthält Emanationen von Sieg und -Glanz, und die letzte Schicht das Reich (Malkuth). H. Schmitt sieht -darin einen hervorragenden Optimismus, da schon in der niedrigsten -Welt das Lichtreich erreichbar ist. Weiteres anzuführen muß ich mir -versagen; meine Leser wissen aber, wie so vieles aus der Kabbala als -Mystik und Okkultismus in die Nekromantie, Theurgie, und was des -Spukes mehr, übergegangen ist. Wir haben es nur mit dem Gedanklichen -zu tun. Und dieses ist bedeutend genug in der Reihe der gnostischen -und neuplatonischen Systeme. Es führt sogar über diese hinaus durch -die bezeichnete konsequente Einfügung des Menschen in <span class="gesperrt">alle</span> -Welten, wodurch sein Anteil am Lichtreiche und seine Bestimmung, durch -reines Leben und durch Erkenntnis sich zu diesem Reiche aufschwingen -zu können — was ja der eigentliche Zweck dieser Lehren ist —, noch -entschiedener hervortreten. Darin kommt diesem System nur die indische -und die moderne Theosophie gleich. Die kabbalistische Literatur ist -unendlich.<span class="pagenum"><a name="Seite_293" id="Seite_293">[S. 293]</a></span> Unseres Goethe wegen verweise ich auf das tüchtige Werk -von C. Kiesewetter „Faust in der Geschichte und Tradition“, in dem der -Leser vieles Hierhergehörige finden wird, sowie auf das große Faustbuch -von Scheible in der absonderlichen Sammlung „Das Kloster“.</p> - -<p>Zum Schluß erwähne ich noch, daß unter den Juden auch Sekten wie die -Muatazile und Muatakallim sich finden; es sind die <span class="gesperrt">Karaiten</span> -oder <span class="gesperrt">Karäer</span>, die freiheitlicheren und die <span class="gesperrt">Rabbaniten</span>, -die orthodoxeren. Über die ersteren ist viel geschrieben worden; -ich kann aber darauf nicht eingehen, das Wesentliche ist schon bei -den islamischen Sekten gesagt. Unter den jüdischen Philosophen des -Mittelalters ist aber besonders der allbekannte Arzt der ägyptischen -Herrscher, <span class="gesperrt">Maimonides</span> (Mose ben Maimûn, abgekürzt Rambam, -gestorben 1205 n. Chr.) hervorzuheben, der den Karaiten zuneigt und -so die Schrift geistig auszulegen wünscht. In den Geschöpfen macht -er einen Unterschied zwischen solchen mit vergänglicher Seele, und -solchen mit unvergänglicher. Ob er zu letzteren <span class="gesperrt">alle</span> Menschen -rechnete, oder nur die tugendhaften und erleuchteten, kann ich nicht -sagen. Die Frage, ob die Welt in endlicher Zeit geschaffen ist, oder -seit unendlicher, hält er für unentscheidbar. Übrigens gehört auch der -so außerordentliche und edle Dichter <span class="gesperrt">Jehuda Halevi</span> (um 1140) -hierher.</p> - -<div class="section"> - -<h4>37. <span class="gesperrt">Die mittelalterliche Theosophie der -christlichen Scholastiker und Mystiker</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir wenden uns wieder den christlichen Anschauungen zu, um uns -mit ihnen ohne Unterbrechung bis zum Schluß dieses Buches zu -beschäftigen. Die Theosophen und Mystiker stehen in einem gewissen -Gegensatz zu den <span class="gesperrt">Scholastikern</span>, namentlich mußten sie sich -den <span class="gesperrt">Nominalisten</span> unter diesen, die mit Aristoteles den -Allgemeinheiten (Universalien, Ideen) der Dinge jede Existenz außerhalb -des menschlichen Verstandes absprechen und die Annahme einer solchen -für eine pure Einbildung erklären, fernhalten, während sie mit den -<span class="gesperrt">Realisten</span>, die mit Platon gerade jenen Allgemeinheiten absolutes -Vorhandensein zusprechen, wenigstens einige Be<span class="pagenum"><a name="Seite_294" id="Seite_294">[S. 294]</a></span>rührungspunkte haben -konnten. Gleichwohl gehört auch die Scholastik hierher, soweit sie -Welt- und Lebenanschauung betrifft; und seltsamerweise haben gerade die -Nominalisten viel Übernatürliches geglaubt. Die Lehren der Religion -werden möglichst dogmatisch aufgefaßt; Philosophisches kommt nur zum -Vorschein, wenn sie mehr oder weniger frei interpretiert sind. Gott -ist Schöpfer und Erhalter der Welt fast ganz im biblischen Sinne. Die -Welt ist sein Werk und real. Der Zweck des Lebens in der Welt ist -Vorbereitung für das Jenseits, wo Gottes Gnade vollendet, was sie im -Diesseits begonnen. Das Leben aber ist geregelt durch die religiöse -<span class="gesperrt">Offenbarung</span>. So mischt sich hier Transzendentes mit Realem, -und das Realste ist gerade die Offenbarung. Daher auch die Lehren -über Glauben, Ethik, Moral absolut, dogmatisch genommen werden. Und -Gott ist nicht bloß Schöpfer, sondern auch Erlöser und Vollender, die -Trinität. So ist weiter die Welt ein „Gottesstaat“ (die Civitas dei -des Augustinus) auch den Scholastikern. Ein Unterschied in ihr besteht -freilich; der Mensch als vernünftiges Wesen ist auch Selbstzweck, das -Nichtvernunftbegabte ist nur vorhanden. Derartige Anschauungen müssen -zu schwerzuverstehenden Prädestinationen führen, wie schon selbst die -Gnade Gottes nicht begriffen werden kann, da sie ja in der Welt fehlen -dürfte, wenn Gott die Welt vollkommen geschaffen hätte. Oder sie müssen -in einen Dualismus zwischen Gut und Böse, Materie und Geist auslaufen.</p> - -<p>Sehr bemerkenswert ist es, daß die beiden größten Scholastiker, -<span class="gesperrt">Albert der Große</span>, <span class="gesperrt">Albertus Magnus</span> (1193–1280, zu Lauingen -in Schwaben geboren) und <span class="gesperrt">Thomas von Aquino</span> (1225–1274) trotz -ihrer aristotelischen Richtung der Emanationslehre zuneigen. Der -erstere meint, Gott sei erkennbar durch Intuition, die seine Gnade -verleiht, und aus der Wahrnehmung in der Natur. Ganz faßbar könne -er nicht sein, weil er eine Unendlichkeit darstellt. Gott sei der -allgemeine tätige Verstand (Intellectus universaliter agens). Und -dieser ströme ständig Intelligenzen aus. Die Welt ist durch Gottes -Willen geschaffen. Dieser Wille ist frei; in der geschaffenen Natur -zeigt er sich in den Gesetzen, denen sie folgt, nur scheinbar<span class="pagenum"><a name="Seite_295" id="Seite_295">[S. 295]</a></span> -gebunden. So bildet sich die Natur stetig selbst, aber immer unter dem -Willen Gottes. Die ganze Welt aber ist eine Emanation nach absteigenden -Graden; letzteres, weil immer die Ursache vollkommener ist als die -Wirkung. Darum hat denn Gott auf diesem Wege nur eine unvollkommene -Welt hervorgehen lassen können. Sie bildet aber eine feste Einheit, -weil keine Emanationsstufe fehlt; die Emanationen sind stetig wie das -stetige Strahlen der Sonne. In dieser Weise ist also auch Gott in -den Seelen wie überhaupt in allen Dingen gegenwärtig, da selbst die -niedersten Grade der Emanation an die höchsten stetig anschließen. Und -so geschieht alles aus sich heraus, vermöge des Anteils am göttlichen -Willen und an der göttlichen Intelligenz. Die Dinge als solche sind -vergänglich wie die ganze sichtbare Welt; aber das in sie Emanierte -ist, als gottentstammt, unvergänglich. Die Materie ist gleichfalls -von Gott geschaffen; sie wird nicht als Emanation angesehen, sondern -als eine Art Bedingung für die sichtbare Schöpfung. Und so enthält -ihm die Materie die Keime aller Wesen von je und in die Zukunft in -sich, so daß die Entwicklung der Dinge wie bei Averroes, eine Art -Evolution ist, aber doch nur, weil Gott diese Keime von vornherein in -die Materie gelegt hat, während bei Averroes die Keime der Materie an -sich gehören sollen. Der Emanation von oben nach unten entspricht die -Evolution von unten nach oben, wie wir es schon von mehreren Systemen -kennen. So entwickelt sich auch die Menschheit zu immer höheren -Graden, wobei sie alles Frühere immer beibehält. Wie das geschieht, -ist nicht recht verständlich, wenn nicht wieder die präformierten -Keime zu Hilfe gerufen werden, also Gottes Willensakte. Trotz der -theosophisch-theologischen Anlage ist ein gewisser Mechanismus der -Durchführung nicht zu verkennen; er zeigt sich in der starren Evolution -des einmal in die Materie Gelegten. Wie denn auch deshalb Albertus -das Wunder, Augustinus nachahmend, ganz natürlich erachtete. Die -Verschiedenheit der Dinge (die <span class="gesperrt">Individuation</span>) folgt aus dem -gleichen Prinzip. Gott hat sie eingepflanzt, in der Materie evolviert -sie sich. Albert scheidet aber den Geist von der<span class="pagenum"><a name="Seite_296" id="Seite_296">[S. 296]</a></span> Materie, und ersteren -behandelt er wesentlich spiritualistisch; Gott zieht ihn unmittelbar -aus seinem Lichte heraus, nicht aus etwas der materiellen Prinzipe. -Daraus leitet er Freiheit des Willens ab, denn Gott ist absolut frei. -Und so stehen wir hier hinsichtlich des bewußten Bösen vor derselben -Schwierigkeit wie bei Augustinus und so vielen Anderen.</p> - -<p>Wenig verschieden von diesen Anschauungen sind die des größten -Schülers Alberts, des Scholastikers par excellence, <span class="gesperrt">Thomas von -Aquino</span>. Nur daß Gott eine noch höhere Stelle angewiesen wird -und, man möchte sagen, eine noch größere Freiheit. Alle möglichen -Welten sind Gott offenbar. Er wählt eine nach Maßgabe seiner Güte und -seiner Vollkommenheit. Aber den Geschöpfen ist nur das, und gerade -das verliehen, was der einmal gewählten Welt gemäß ist. Sollte damit -das Unvollkommene und Schlechte im einzelnen motiviert sein, so ist -also zugleich die Verantwortlichkeit aufgehoben. Gleichwohl vindiziert -der Philosoph den Geschöpfen Willensfreiheit; es bleibt also auch -hier bei der Unvollkommenheit im Verhältnis zu Gott. Im übrigen -wird die Emanation ganz so durchgeführt wie bei Albert dem Großen. -Dementsprechend liegt auch der Vernunftgrund (ratio) der Geschöpfe, -insgesamt und im einzelnen, in der Idee, die Gott von sich selbst -hat, nur daß diese Idee als unendlich durch die Vernunftgründe in der -Welt nicht erschöpft werden kann, viel weniger durch ein Einzelnes. -Und in einem ist Thomas konsequenter als Albert. Beide betrachten -die Materie als durchaus zugehörig zu den Wesen, nicht bloß zufällig -oder nach Willkür um die Seele gehüllt. Aber Thomas, die Seele eben -als Göttliches ansehend, schreibt ihr auch zu, daß sie sich selbst -den Körper aus der sonst eigenschaftlosen Materie aufbaut. Das ist -eine Durchbrechung der absoluten Evolutionslehre Alberts, und nach -der spiritualistischen Seite hin. Die Vernunft ist aber das oberste -Prinzip. Man hat darum diese Lehre als den <span class="gesperrt">intellektualistischen -Determinismus</span> bezeichnet. Auch das verdient noch besonders -hervorgehoben zu werden, daß eine Schöpfung in der Endlichkeit der Zeit -nicht angenommen zu werden brauche. Eine<span class="pagenum"><a name="Seite_297" id="Seite_297">[S. 297]</a></span> solche Schöpfung sei nur -Glaubenssache, denkbar sei auch eine Schöpfung in der Unendlichkeit. -Offenbar wollte der Aquinate dadurch der unschönen und vorwitzigen -Frage aus dem Wege gehen, was denn Gott vor der Erschaffung der Welt -getan habe. Daß aber, sobald die Schöpfung in die Unendlichkeit -hinausgerückt wird, die Idee der Schöpfung überhaupt aufhört, liegt -auf der Hand. Dann hat eben die Welt von je bestanden, sie ist gar -nicht erschaffen, und Gottes Tätigkeit beschränkt sich allenfalls -auf ein Leiten der Welt. Läßt man dieses Leiten auch noch fort, so -gelangt man zu der rein mechanistischen physischen Anschauung von der -Welt. Und daran ändert nichts, daß man die Schöpfung von ihrer Ursache -unterschieden hat, gemeint hat: Gott sei ohne Ursache, die Welt aber -mit Ursache. Das könnte für die Schaffung in der Unendlichkeit einen -Sinn nur haben, wenn die Welt Emanation Gottes wäre oder zu seinem -Wesen gehörte, was ja abgelehnt wird. Solchen im Grunde bedeutungslosen -Distinktionen begegnet man oft. Ich glaube darum, daß Thomas von -Aquino nur hat sagen wollen, wir vermögen für die Erschaffung der Welt -keinen Zeitpunkt anzugeben, und das Festhalten oder Nichtfesthalten -an der biblischen Angabe hierüber dürfe jedem überlassen bleiben. -Und das kann vom Standpunkte der Wissenschaft, die ja schon bei der -Entwicklung der Erde mit Hunderten Millionen von Jahren rechnen muß, -nur gutgeheißen werden, obwohl Thomas davon nichts gewußt hat. Albert -der Große (Doctor universalis) war auch ein großer Naturforscher, der -Aquinate (Doctor angelicus) ein gewaltiger Dialektiker. Diesem ist sein -noch außerordentlicherer Landsmann <span class="gesperrt">Dante</span> in seinen Anschauungen -gefolgt. Und die Verse am Schluß der ganzen „Göttlichen Komödie“ -(übersetzt von König Johann von Sachsen)</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">O ewiges Licht, das, auf dir selbst nur ruhend,</div> - <div class="verse">Allein du selbst dich kennst und, dich erkennend,</div> - <div class="verse">Sowie von dir erkannt dir liebend lächelst!</div> - <div class="verse">Das Kreisen, das in dir also erzeugt schien,</div> - <div class="verse">Wie rückgestrahltes Leuchten, da ich etwas</div> - <div class="verse">Mit meinen Augen es ringsum betrachtet,</div> - <div class="verse">Zeigt’ in dem Innern mir mit unserem Bilde</div> -<span class="pagenum"><a name="Seite_298" id="Seite_298">[S. 298]</a></span> - <div class="verse">Von seiner eigenen Farbe sich bemalet,</div> - <div class="verse">So daß ich mein Gesicht ganz drein versenkte. — —</div> - <div class="verse">Sehn wollt’ ich, wie das Bild sich mit dem Kreise</div> - <div class="verse">Vereint, und wie’s drin seine Stätte findet;</div> - <div class="verse">Doch gnügten nicht dazu die eignen Schwingen.</div> - <div class="verse">Bis daß mein Geist von einem Blitz durchzuckt ward,</div> - <div class="verse">In welchem sein Verlangen sich ihm nahte.</div> - <div class="verse">Der hehren Phantasie gebrach’s an Kraft hier,</div> - <div class="verse">Doch schon schwang um mein Wünschen und mein Wollen,</div> - <div class="verse">Wie sich gleichförmig dreht ein Rad, die Liebe,</div> - <div class="verse">Die da die Sonne rollt und andre Sterne.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">können durchaus auf thomistische wie gnostische Anschauungen -gedeutet werden. Solcher Verse aber gibt es viele in dem Gedicht des -Florentiners. Und das Standbild des Dichters vor der Santa Croce -in seiner Vaterstadt drückt dieses mächtige Hinausschreiten des -Begeisterten in das Reich des höchsten Schauens über alle Maßen schön -aus.</p> - -<p>Das Übernatürliche als eine notwendige Ergänzung unserer natürlichen -Erkenntnis sieht auch der große <span class="gesperrt">Johannes Duns Scotus</span> -(wahrscheinlich ein Schotte von der Grenze Englands, gestorben 1308 zu -Köln) an. Und dieses Übernatürliche ist das Göttliche in uns. Es ist -aber nur der Möglichkeit nach in uns. Ob wir zu ihm gelangen, hängt -von unseren Handlungen ab, die in unserem freien Willen liegen. Hier -ist, wie auch sonst vielfach, der freie Wille auf das Gute bezogen; bei -anderen Philosophen findet er sich auf das Schlechte gerichtet, wohin -er eigentlich mehr gehört, vom ethischen Standpunkt gesehen. Alles -Übernatürliche ist darum so weit natürlich, als es der vernünftigen -Seele von vornherein, wenn auch zunächst nur potentiell, vom Schöpfer -eingepflanzt ist. Außer der Natur steht das Übernatürliche, wenn es in -den Geschöpfen nicht schon vorhanden ist und jedesmal von Gott ausgeht -und diesen Geschöpfen erst verliehen wird. Gott ist das schlechthin -Einfache (simpliciter simplex). Gleichwohl müssen wir in ihm eine -Vielheit erkennen, nach der Augustinischen Trinitätslehre, als Wissen, -Verstand und Wille, und als Vorbilder der Mannigfaltigkeit in der Welt. -So ist die Schöpfung eine doppelte: nach dem Verstand — die Natur, -nach dem Willen — die Vernunft. Die Mannigfaltigkeit in<span class="pagenum"><a name="Seite_299" id="Seite_299">[S. 299]</a></span> der Welt ist -an sich zufällig; daher muß in Gott etwas sein, das ihn veranlaßt hat, -die Welt so zu schaffen, wie sie sich zeigt. Das ist eben der Wille -Gottes, und dieser ist ja frei in bezug auf alles, was nicht dem Wesen -Gottes angehört. Für uns die wichtige Folgerung hieraus wäre: die Welt -gehört nicht zum Wesen Gottes, weder direkt noch indirekt. Scotus ist -also weder Pandeist noch Emanist, er steht einfach auf dem Boden der -Bibel. Abweichend aber meint er, daß Gott auch eine dieser Welt, sogar -sittlich, entgegengesetzte Welt hätte hervorbringen können. Daraus -würde nun folgen, daß das Böse in der Welt auch durch Gottes Willen -entstanden ist, da ja alles absolut seinem Willen entspricht. Und so -sieht alles wie ganz nach Willkür geschaffen aus. Eine Milderung findet -sich nur darin, daß, nachdem Gott die Welt wie sie ist geschaffen -hat, er an sie gebunden sein soll, indem Gott neben einem absoluten -Willen auch einen geordneten Willen haben soll. Warum, sieht man -nicht ein. Es wird zwar gesagt, daß der Wille Gottes mit seinem Wesen -zusammenhängt. Aber was ist sein Wesen, wenn er auch Entgegengesetztes -wollen kann? Und das Ganze wird nicht klarer, wenn der Verstand Gottes -in zwei Teile zerlegt wird, einen in sein eigenes Wesen gerichteten -und einen, der die Welt erkennt, weil er sie gewollt hat, und wenn -ferner gemeint wird, der erste Verstand greife in den zweiten ein und -so entstehe die Welt dem Wesen Gottes gemäß. Auf diese Weise läuft man -eigentlich immer im Kreise herum, und das hat seinen Grund in dem ja -überall im Mittelalter sich zeigenden Wunsche, das Theologische mit -dem Philosophischen und der Naturerkenntnis, den <span class="gesperrt">liber scriptus</span> -mit dem <span class="gesperrt">liber vivus</span> zu versöhnen, was eben nicht möglich -ist. Der Begriff von Gott wird dabei immer komplizierter und immer -unverständlicher. Im übrigen denkt Scotus von der Welt ganz physisch, -namentlich ist ihm der Himmel nichts besonderes. Und alles ist ihm -vergänglich, das Göttliche in uns natürlich nicht.</p> - -<p>Mit einem Fuße bei den Mystikern steht der Empiriker <span class="gesperrt">Roger Bacon</span> -(Doctor mirabilis, 1214–1292), Landsmann des noch empirischeren Bacon -von Verulam, insofern er von einem<span class="pagenum"><a name="Seite_300" id="Seite_300">[S. 300]</a></span> intuitiven absoluten Wissen -spricht, zu dem man durch verschiedene Grade der Erleuchtung aufsteigt, -um zuletzt „reiner Spiegel Gottes“ zu werden. In Gott sei der tätige -Verstand des Menschen, der Verstand des Irdischen sei nur ein leidender -Verstand, wie auch arabische Philosophen sagen. So bestehe neben der -sinnlichen Erfahrung eine übersinnliche. Arabisch ist es auch (<a href="#Seite_289">S. 289</a> -f.), wenn er die Materie als die Keime aller Entwicklung der Welt -enthaltend ansieht. Indem er aber die Materie gleichwohl von Gott -erschaffen sein läßt, nähert er sich dem Standpunkt des Albert, daß -eben Gott diese Keime in die Materie gelegt hat (<a href="#Seite_295">S. 295</a>).</p> - -<p>Gehen wir zu den <span class="gesperrt">Mystikern</span> selbst über, so haben wir solche -verstandesklare Größen wie die genannten Scholastiker nicht zu -verzeichnen. Unser unglücklicher genialer Kaiser Otto III. war eine -durchaus mystisch veranlagte Natur. Mystiker waren alle großen Mönche -und Ordensstifter. Aber dieser Mystizismus bezieht sich nur auf die -bestimmte christliche Religion und die Erscheinungen in ihr, und geht -dabei stark in das Visionäre über, wie bei dem so sympathisch-milden -heiligen Franziskus und dem so energischen Bernhard von Clairvaux, der -trotz seines reinen Wollens so viel unfruchtbares Unheil auf die Welt -heraufbeschworen hat, weil er die schlechten Instinkte der Massen und -die niedrige Herrsch- und Goldbegier der Führer nicht in Rechnung zu -ziehen verstand. Wir haben es hier mit dem philosophischen Mystizismus -zu tun. Der Begründer dieses mittelalterlichen Mystizismus ist, obwohl -vor ihm schon <span class="gesperrt">Anselm von Canterbury</span> (in Italien 1033 geboren) -sich als ein halber Pandeist zeigte, der Deutsche (?) <span class="gesperrt">Hugo von St. -Victor</span> (gestorben 1140). Die Welt ist eine <span class="gesperrt">Abspiegelung</span> -Gottes. So ist die Vernunft ein Ebenbild Gottes, und die Offenbarung in -ihr bedeutet die übernatürliche Offenbarung Gottes. Unser Erkennen ist -eine Kette, die Glied an Glied bis zum Höchsten führt, der selbst keine -Wirkung ist und keine Ursache hat. Und wir hören bei ihm auf, weil -eben unsere Vernunft sich als Spiegel von ihm darstellt. Folgerichtig -erkennt Victor eine innere Lehre an, also eine Entwicklung aus sich -selbst heraus. Und diese soll auf der einen<span class="pagenum"><a name="Seite_301" id="Seite_301">[S. 301]</a></span> Seite zu der Erkenntnis -Gottes führen, welche allen Menschen gemeinsam ist, auf der anderen -Seite zu der des Erlösers, welche dem Christentum eigen ist. Da die -Vernunft aller Menschen gleichen Ursprung hat, muß man annehmen, daß -in manchen Menschen die zweite Erkenntnis schlummert oder durch eine -Widersetzlichkeit zurückgehalten wird. Diese ist die Sünde, welche die -Vernunft in Verwirrung gebracht hat und welche den Menschen überhaupt -von dem Höchsten entfernt. Woher aber die Sünde kommt, ist um so -weniger zu verstehen, als die vernünftigen Geschöpfe die <span class="gesperrt">ganze</span> -Idee Gottes spiegeln sollen, nicht bloß einen Teil, wie alle anderen -Dinge der Welt. Allerdings wird dieser Satz auch eingeschränkt; die -Vernunft soll sich nach dem Höchsten zu entwickeln. Demnach wäre -das Ebenbild Gottes nur potentiell und würde allmählich aktuell und -völlig real, sobald der Mensch sich von allen Schlacken gereinigt hat. -Alsdann erkennt er Gott durch Anschauen, intuitiv, denn die reine -verstandesmäßige Ableitung kann das Unendliche nicht begreifen. So -spricht Hugo von drei Augen der Seele; eines, das Auge des Fleisches, -für die sinnlichen Dinge und den Körper, eines der Vernunft, für die -Erkennung ihrer, der Seele selbst, und alles dessen, was in ihr ist, -und eines der Anschauung (contemplatio) für die Erkennung Gottes in -sich und in Gott. Gleichwohl ist die Seele einheitlich. In einer uns -schon bekannten, aber trotz der fortwährenden Wiederholung gleich -unverständlich bleibenden Wendung soll das Böse zum Guten dienen, -um letzteres zu durchschauen. Nicht viel verständlicher ist die -weitere, gleichfalls so oft wiederkehrende Behauptung, daß die Welt -der Menschen wegen da ist, der Mensch aber Gottes wegen. Letzteres -könnte doch nur einen Sinn haben, wenn Gott erst im Menschen sich -selbst offenbart, was Thomas von Aquino vom Verhältnis Christi zu Gott -aussagt. Sittlich aber scheint mir Hugos Idee bedeutender. Und sie ist -für ihn der Ausfluß aller Vorschriften für das Leben, die in dem Satz -gipfeln, daß gegenüber der Einsicht des Menschen in sich selbst und -seiner Beschäftigung mit sich selbst die Einsicht in die Natur und die -Beschäftigung<span class="pagenum"><a name="Seite_302" id="Seite_302">[S. 302]</a></span> mit der Natur ganz zurückzutreten hat, als wenn Gott nur -in uns, nicht in der Natur zu erkennen wäre. Der Mystiker sieht darum -sein Heil in Sittenreinheit und frommem Sich-in-sich-Versenken. Die -äußeren Mittel der Religion unterstützen beides.</p> - -<p>Ein Namensvetter unseres Philosophen, der Schotte <span class="gesperrt">Richard von St. -Victor</span> (gestorben 1173), hat für uns darum noch hervortretende -Bedeutung, weil er den Wert des Schauens ganz besonders betonte; der -Glaube steht ihm sehr tief gegenüber dem Schauen, tiefer noch als -der Verstand, der seinerseits schon tief genug angesetzt wird. Er -stirbt, wenn das Schauen beginnt; und wenn Gott erscheint, vergehen -Sinn, Gedächtnis und Vernunft. Das hätte ein Indier sagen können oder -ein Valentinianer. Und Schauen ist „Ekstase, Entrückung (raptus) des -Geistes, Herausschreiten (excessus) aus sich selbst“ usf. Wollte man -das wörtlich nehmen, so käme man zu den visionären Verzückungen der -Heiligen und Unheiligen oder auf naturmenschliche Denkweise. Und -wohin soll man die Ansicht bringen, daß Gott den Geschöpfen sich noch -besonders mitteilen kann? Das ist klarer und echter Mystizismus, in dem -die Gottheit des Menschen schon im Leben auf die Spitze getrieben ist. -Doch wird er dadurch gemäßigt, daß auch ein Schauen in der Vernunft -und in der Einbildungskraft, außer dem in der reinen Intelligenz, -anerkannt ist. Es dürfte dem Leser aufgefallen sein, daß hier und in -allem Früheren, obwohl wir im vollen Kirchentum stecken, fast nur -von Gott die Rede ist. In der Tat haben sich die Philosophen mit der -Trinität nicht gut abfinden können, oder nur vermittelst der „doppelten -Wahrheit“. Indessen möchte ich eine Ansicht nicht unterdrücken, die -hierüber ein Mystiker geäußert hat, der Engländer <span class="gesperrt">Isaac</span> (um -1150), und die man allerdings mit Heinrich Ritter (Geschichte der -christlichen Philosophie) als verständig ansehen darf. „An Gott (dem -Vater) hat alles teil, sofern es ist, weil er das höchste Sein ist -und das Sein allgemeines Prinzip aller Dinge ist. Die bestimmte Weise -des Teilnehmens, nach welcher ein jedes Ding ein besonderes Wesen von -Natur ist,<span class="pagenum"><a name="Seite_303" id="Seite_303">[S. 303]</a></span> empfängt aber ein jedes Geschöpf nur durch den Sohn Gottes, -indem der Vater alles nur durch den Sohn verleiht. Endlich aber muß -von der natürlichen Verleihung der Gaben der Gebrauch unterschieden -werden, welchen die vernünftigen Wesen von ihren Gaben machen und -durch welchen sie erst wahrhaft der Tugend und der Erkenntnis Gottes -teilhaftig werden. Dieser Gebrauch gelingt ihnen nur durch die -Erleuchtung des Heiligen Geistes.“ Andere Ganz- oder Halbmystiker, wie -den <span class="gesperrt">Alanus</span> (gegen 1200), seinerzeit ein großes Kirchenlicht -und für die unseligen Waldenser von verhängnisvoller Bedeutung, den -<span class="gesperrt">Bonaventura</span> (1221 im Kirchenstaate geboren), der eine Reise -des Geistes zu Gott geschrieben hat und stark pandeistische Neigungen -zeigt, den Franzosen <span class="gesperrt">Johann Gerson</span> (zu Gerson bei Rheims 1363 -geboren) usf., übergehen wir, es kommt Neues nicht zum Vorschein. Eine -Erwähnung verdient aber durchaus der fromme Dominikaner „<span class="gesperrt">Meister -Eckehart</span>“ (geboren bei Gotha, gestorben 1327). Seine Anschauungen -sind wesentlich gnostisch, und zwar mit den Valentinianischen verwandt. -Die Emanation beginnt mit Christus, dem Bilde des Vaters, und dem -Heiligen Geist, dem umfassenden Liebesbunde. Zugleich emanieren alle -Gründe der Schöpfung, deren Abbild die Schöpfung ist, wie ihr Sein -sich als ein Überströmen des Seins Gottes darstellt. Gott ist das Sein -selbst, für Gott gibt es keine Zeit, sondern — und diese Wendung -ist von großem Interesse — nur ein Jetzt; Vergangenheit, Gegenwart, -Zukunft sind ihm in das Jetzt zusammengezogen, so daß die ganze Welt -von je und in je ihm zugleich, im Jetzt webend, und nur ist durch -dieses Jetzt-Sein. Aber freilich nicht in diesem Sein. Denn Gott, als -das reine absolute Sein, hat nicht Teil an der mannigfaltigen endlichen -Welt. So besteht für ihn auch keine Mannigfaltigkeit, keine Zahl. Alles -ist Eins, es ist für ihn auch kein Raum. Im Grunde der Seele ist ein -„ungeschaffenes und unschaffbares Licht“, ein „Seelenfünklein“, das -mit den übrigen Seelenkräften nichts gemein hat, ein göttlicher Keim. -Dieser leuchtet intuitiv in das Lichtreich, und durch ihn kann der -Mensch zum Schauen des Höchsten gelangen. Damit<span class="pagenum"><a name="Seite_304" id="Seite_304">[S. 304]</a></span> wohl verträglich ist -die Ansicht, daß außerhalb dieses „Seelenfünkleins“ die Welt nur Schein -und Nichts ist. Von dem Gottesfunken in uns sind ja alle idealistischen -Denker und Dichter überzeugt. „Soll die Seele Gott erkennen,“ sagt -Eckehart, „so muß sie ihn erkennen oberhalb der Zeit und oberhalb des -Raumes. Denn Gott ist weder Dieses noch Jenes, wie diese mannigfaltigen -Dinge, Gott ist Eins! Soll die Seele Gott sehen, so darf sie nicht -zugleich den Blick auf irgendwelche Dinge richten, die in die Zeit -gehören (und in den Raum, müssen wir hinzufügen). Denn während Zeit und -Raum und sonst dergleichen Bilder (Körper) ihr (der Seele) Bewußtsein -erfüllen, vermag sie unmöglich Gott gewahr zu werden.“ Die Seele muß -sogar sich selbst vergessen und sich selbst verlieren. In Gott findet -sie sich wieder. Damit hat freilich die Welt ihre ganze Bedeutung -eingebüßt; man weiß nicht, wozu sie da ist. Im übrigen schließt sich -Eckehart den großen Scholastikern an.</p> - -<p>Der flämische <span class="gesperrt">Jan van Ruysbroek</span> (1293–1381) muß es in der -Verzückung sehr weit gebracht haben, da er „doctor ecstaticus“ genannt -wurde. In der Schilderung des Zustandes eines wahrhaft Gottschauenden -geht er so weit, daß er von einem „Verschlungenwerden in den grundlosen -Abgrund unserer ewigen Seligkeit“ spricht, wobei jedes Denken ein Ende -hat. „Wo wir aber prüfen und erfassen wollen, was wir fühlen, verfallen -wir in Vernunft. Und da finden wir sogleich Unterschied und Anderheit -zwischen Gott und uns und finden Gott als ein Unbegreifliches aus uns.“ -Außer dieser seligen Gnadeneinheit mit Gott haben wir im Leben in und -mit der Natur eine leidende und tätige Einheit, die jedoch gleichfalls -eine „Begegnung unseres Geistes mit Gott“ bedeutet. Vielleicht ist -dieser Mann der konsequenteste Theosoph des Mittelalters, trotz seiner -sonstigen Anhänglichkeit an die kirchlichen Lehren und Gebräuche. Und -er spricht in schönen Bildern. Maria war und ist ihm die „Morgenröte -und der Anbruch des Tages aller Gnaden“. „Gott hat unzugängliche Höhe -und abgründige Tiefe, unbegreifliche Breite und ewige Länge, (er ist) -ein dunkles Schweigen (Sigê der Gnostiker),<span class="pagenum"><a name="Seite_305" id="Seite_305">[S. 305]</a></span> eine wilde Wüste, das -Rufen aller Heiligen in der Einheit, ein allgemeiner Genuß an sich -selbst und an allen Heiligen in der Ewigkeit.“ Er kennt, wie andere -Gnostiker, zwei Himmel, den äußeren, ohne Zeit und Ort, für das Reich -Gottes und seiner Heiligen, „erfüllt mit Glorie und ewiger Freude“, -ohne jede Veränderung, und den inneren Himmel, „der erste Antrieb“. -Letzteres klingt averroistisch. Und das Böse und Schlechte? Davon wird -nur in Gleichnissen gesprochen, die ohne Bedeutung sind.</p> - -<div class="section"> - -<h4>38. <span class="gesperrt">Theosophie und Emanismus in neuerer -Zeit</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die Scholastik hatte den Vorrat an zugänglichen Begriffen und -Distinktionen bis zu einem gewissen Grade erschöpft und war zuletzt -dahin gelangt, ihr System, wie von <span class="gesperrt">Raimundus Lullus</span> (1235 auf -Malorca geboren, 1315 von fanatischen Mauren in Afrika gesteinigt) -geschehen, in Tabellen, Schemata und Reihen zu ordnen, die dem Menschen -sogar das Denken ersparen sollten. Gleichwohl ist ihre Bedeutung -nicht zu unterschätzen; die logische Schärfe des Ausdrucks hat ihr -sehr viel zu verdanken, und würde ihr noch weit mehr zu verdanken -haben, wenn das Latein wissenschaftliche Sprache geblieben wäre. Viel -ist uns von der emsigen Forscherarbeit der Scholasten im Gebiete -der Begriffsbestimmungen verloren gegangen, dadurch, daß wir ihre -Sprache verlassen und uns zu den Nationalsprachen gewendet haben. -Auch ist wohl deutlich genug hervorgetreten, daß sie die eigentlichen -Probleme der Menschheit keineswegs außer acht ließen. Wir haben Welt- -und Lebenanschauungen von ihnen kennen gelernt, die tief durchdacht -und durchfühlt sind. Die Scholastik konnte sich aber auf ihrer Höhe -nicht halten. Als die Wissenschaften erwachten, die Kenntnis der -Welt wuchs, die Schätze griechischen Geistes erschlossen wurden, als -die Renaissance mit der Fülle großer Erscheinungen auf fast allen -Gebieten menschlicher Tätigkeit anbrach, und als die Reformation sich -vorbereitete, die Geister frei zu machen, war für die Scholastik nur -noch ein stilles Dasein möglich,<span class="pagenum"><a name="Seite_306" id="Seite_306">[S. 306]</a></span> das sie lange wie im Verborgenen -führte, um später allerdings zu neuer Kraft sich aufzuraffen, dann -rasch zur Vereinzelung zurückzusinken. Sie hatte der Menschheit nicht -mehr viel Neues zu sagen, und wo sie einen Anlauf nahm, sprang sie -ihrer Natur nach zu kurz, vor die Naturwissenschaft, oder zu weit über -diese hinweg, und mußte darum zurückgewiesen werden. Anders verhält -es sich mit dem theosophischen Mystizismus. Ist er schon wegen seiner -dichterischen Färbung und schrankenlosen Unbegrenztheit von je ein -Schoßkind der Menschen gewesen, so eignet ihm noch zu, daß er sich -so leicht aller Wissenschaft anpaßt. Er kann ihre Ergebnisse in sich -aufnehmen, und indem er sie ins Hohe und Höchste zu führen vorgibt -und versucht, scheint er sie sogar zu veredeln. Dazu kommt der große -Einfluß, den er auf die Kunst ausübt, die ja von Dichtung sich nährt -und lebt. So darf es nicht wundernehmen, daß der Baum der Theosophie -mit seinen verschiedenen Zweigen immer reich in Blüten gestanden hat, -wenn auch diese Blüten nur selten Früchte entwickelten. Auch kommt es -dem Menschen nicht immer auf die Früchte an.</p> - -<p>Am Eingang der neueren Zeit steht die imponierende Gestalt des -Kardinals <span class="gesperrt">Nikolaus Cusanus</span> (eigentlich Krebs, zu Cues an der -Mosel 1401 geboren, gestorben 1464). Er ist bis zu einem gewissen Grade -Pandeist. Gott schafft die Welt nur aus sich (de nullo alio creat, sed -ex se); indem er alles umfaßt, entfaltet er alles aus sich, ohne doch -sich dabei irgend zu verändern. Im Grunde ist das eine Emanationslehre. -Doch verwirft der Cusaner die Abstufungen in dieser Lehre, die Welt ist -als Ganzes aus Gott entstanden. „Gott ist vermittelst des Universums in -allem, und die Vielheit der Dinge vermittelst des Universums in Gott“ -(Deus est mediante universo in omnibus et pluralitas rerum mediante -universo in deo). Und so gehört auch ausnahmslos alles zusammen, -und wir vermögen das Einzelne nur als Glied des Allgemeinen und das -Allgemeine nur als Ausfluß Gottes zu erkennen. Deshalb entscheidet -der Cusaner die oft aufgeworfene Frage, ob etwas aus der Wirkung oder -aus der Ursache erkannt werden kann,<span class="pagenum"><a name="Seite_307" id="Seite_307">[S. 307]</a></span> dahin, daß dieses nur aus der -Ursache, in letzter Instanz also nur aus Gott, zu geschehen vermag. -In der Welt haben wir daher „wie in einem Buche, geistig die Gedanken -Gottes zu lesen“. Die Idee von dem absoluten Ganzen der Welt, von ihrem -absoluten inneren Zusammenhange dürfen wir gerne entgegennehmen; sie -entspricht unserem Wissen von der Welt, und ist übrigens sehr alt, da -sie sich schon bei den ionischen Naturphilosophen und bei Herakleitos, -bei Platon u. a. findet. Einer pandeistischen Anschauung ist sie so -gemäß wie einer rein physischen. Freilich faßt er den Zusammenhang -der Geschöpfe nicht mechanistisch auf, sondern die allgemeine Liebe -aus Gott verbindet jedes mit allem, wie in einem Lebewesen, womit -nach Platon die Welt auch verglichen wird, indem jedes Glied mit -allen anderen Gliedern sympathisch zusammenhängt, so daß keines -verletzt werden kann, ohne daß alle Glieder darunter leiden. Wenn nun -Cusanus dazu kommt, gleichwohl drei Welten zu unterscheiden: eine -intelligible um Gott, eine intelligible um den menschlichen Geist, -eine sinnliche um die sinnliche Welt, so kann das eigentlich nur den -Sinn haben, daß unsere Tätigkeit sich auf Gott, auf unseren Geist, -auf die sinnliche Welt richtet, so daß es sich nur um drei Stufen der -Intelligenz handelt, die sich auf drei Verschiedenes in der Einheit -richten, wie uns schon bekannt. Indem der Mensch nun zunächst von oben -nach unten geht, findet er unten die Begrenzung und muß umkehren, -um nach oben zu steigen. So wendet sich alles erst vom Hohen zum -Sinnlichen und dann vom Sinnlichen zurück zum Hohen. „Dieses ist -der Kreislauf des Seins und des Denkens. Und so kehrt alles in das -Prinzip zurück, von welchem es ausgegangen ist.“ Goethes Kontraktion -und Expansion! die wir auch schon aus anderen Lehren kennen. Schlimm -ist es aber, daß der Mensch zwar in sich die Welt und sich in der -Welt erkennt, jedoch nur menschlich und vermittelst der Welt. Gott -und die Wahrheit unmittelbar zu erkennen, ist ihm nicht gegeben. Er -kann beides nur durch die Welt erkennen. Auch so noch ist er zuletzt -nur auf wahrscheinliche Vermutungen (conjecturae) angewiesen. Diese -Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_308" id="Seite_308">[S. 308]</a></span>mutungen, die unsere Vernunft, unsere Gedankenwelt zusammensetzen, -schaffen wir, wie Gott die Welt schafft. Und so befinden sich alle -unsere Wissenschaften nur innerhalb der Genauigkeit. Völlig wie ein -moderner Naturforscher räsoniert, wenn er von der leeren Wahrheit der -Unvereinbarkeit des Widersprechenden absieht und die Welt nimmt, wie -sie sich ihm darbietet. Es ist merkwürdig, daß ein Kardinal das sagen -konnte, denn die Vermutung bezieht sich auch auf unsere Kenntnis von -Gott und im Grunde auch auf die Sittengesetze. Nur die Vermittelung -durch Gott selbst gestattet, die Genauigkeit in eine gewisse Wahrheit -zu wandeln. Es scheint, als ob der Cusaner uns so beschränkt, weil wir -das Unendliche nicht fassen können. Und das hat seinen guten Grund. -Das Unendliche als Fertiges liegt allerdings nicht im Bereiche unserer -Intelligenz, die diskursiv ist. Ein Kreis bleibt für uns ein Kreis; -mag sein Mittelpunkt noch so weit von uns fortrücken, er wird im -Fortrücken seines Mittelpunktes niemals etwas anderes für uns als ein -Kreis. Und so wissen wir vom Kreis immer nur das eine; was ein Kreis -mit einem vollendet unendlich großen Radius ist, wissen wir nicht, denn -die Antwort: eine gerade Linie, ist falsch, obwohl der Herr Verfasser -sie selbst in einem Examen gegeben hat. Aber die Gnostiker behaupten -ja, daß wir die Unendlichkeit in der Intuition besitzen. Auf diesem -Standpunkt scheint also Nikolaus Cusanus sich nicht zu befinden. Im -übrigen ist für ihn die Welt zwar unendlich und für unendliche Zeit, -aber von Gott in der Endlichkeit geschaffen. Und indem sie von Gott -doch verschieden ist und nicht sein unendliches Wesen einbegreift, -ist sie auch „wegen der in ihr liegenden Zufälligkeit der Materie“ -unvollkommen, eine uns schon bekannte Wendung. Da zeigt sie sich denn -wenigstens als das Vollkommenste, ein bestes Gemeinsames, dem „das -Bild und das Leben Gottes in unvergänglicher Weise eingeprägt ist“. -Im Grunde wäre das die Sprache eines religiös-frommen Naturforschers, -nicht eines Mystikers, wie mitunter gesagt wird. Der Cusaner hat -uns lediglich auf die unendliche Entwicklung verwiesen, auf die -asymptotische An<span class="pagenum"><a name="Seite_309" id="Seite_309">[S. 309]</a></span>näherung an Wahrheit und Gott, obwohl auch in seinem -System ein mächtiger Helfer in Christus, als Mittler zwischen Mensch -und Gott, steht.</p> - -<p>Nicht ganz, aber fast Neuplatoniker, durch seinen Kampf gegen -Aristoteles und die aristotelischen Scholastiker bekannt, und -durch seinen Einfluß, den er auf Cosmo von Medici und dadurch auf -die Akademie zu Florenz geübt hat, von Bedeutung ist der Grieche -<span class="gesperrt">Gemistos Plethon</span> (um 1450), dem man sogar polytheistische -Neigungen nachgesagt hat. Gott ist das Eins, und in ihm sind Wesen, -Energie und Vermögen zu einer Einheit verbunden. Erste Emanationen sind -die Geister, die das ganze Gebiet der Vernunft (νοῦς), Gottheiten, -verschiedenen Wesens, verschiedener Energie und eines Vermögens, das -mit Wesen und Energie verbunden ist, bedeuten. Die zweite Emanation ist -die Seele als Weltseele, in der auch das Vermögen als ein Besonderes -sich geltend macht. Gott (Zeus, Basileus) schafft die Welt der -sinnlichen Dinge, die Materie ist als Unbestimmtes nur ein Zeichen -der Unvollkommenheit dieser sinnlichen Dinge, nicht ein Besonderes, -das schon dagewesen wäre vor der Welt. Vorsehung und Notwendigkeit -beherrschen die Welt, beide in Gott begründet und selbst die Gottheiten -beugend. Der Notwendigkeit ist sogar Gott selbst unterworfen. Die -Gottheiten sind Vermittler zwischen Gott und der Welt. Das Ganze macht -einen verworrenen Eindruck; man weiß nicht recht, was die Gottheiten -zu tun haben, wenn Gott selbst alles schafft, wenn Vorsehung und -Notwendigkeit herrschen. Wenn die Gottheiten nur Naturkräfte sind, -warum wird ihre Verehrung von einem Christen polytheistisch empfohlen? -Man weiß auch nicht, woher der Mensch den freien Willen hat, der von -ihm behauptet wird, und davon doch seine Verantwortlichkeit abhängt. -Ein Anhänger des Plethon war sein Schüler, der berühmte Kardinal -<span class="gesperrt">Bessarion</span>.</p> - -<p>Die Akademie zu Florenz hat wohl in Cosmo di Medici ihren Begründer, -es war eine geistige Gemeinschaft. Platonismus, und vor allem -Neuplatonismus wurden gepflegt. <span class="gesperrt">Marsilius Ficinus</span> (1433–1499) -gehörte zu den hervorragend<span class="pagenum"><a name="Seite_310" id="Seite_310">[S. 310]</a></span>sten Vertretern dieser Akademie. Den -Neuplatonikern kann er nur bis zu einem gewissen Grade zugezählt -werden, denn er verwirft die Plotinische Emanationslehre ganz und gar. -In vielem steht er auf dem Boden der Lehre des Thomas von Aquino, er -ist wesentlich Theologe. Daß er nebenbei auch Mystik treibt, von Seelen -der Gestirne spricht, von ihren Einflüssen auf die irdischen Dinge, -daher Kabbala lehrt und Alchymie, das hebt ihn noch nicht auf die Höhe -theosophischer Gedanken über die Welt. Doch nimmt er eine Weltseele an, -die alles belebt, und behauptet, daß wir mitunter schon im Dasein Gott -schauen können, und daß „die Seele, von den Fesseln des Körpers erlöst -und rein scheidend, aus einem sicheren Grunde Gott wird (fit deus); -Gott aber und Gottes Ewigkeit ist das gleiche“. Ganz theologisch ist -wieder, wenn jedem Wesen eine besondere Seele zugeschrieben wird.</p> - -<p>Eine sympathische und durch seinen frühen Tod verklärte Gestalt ist -der Freund des Ficinus, <span class="gesperrt">Giovanni Pico</span> (1463–1494), jüngster -Sohn des Fürsten von <span class="gesperrt">Mirandola</span>. 900 Streitsätze schlug er nach -der Sitte der Zeit, nach der ja auch Luther verfuhr, in Rom an und -forderte alle zum Kampfe um sie heraus. Selbst das Reisegeld für Ferne -wollte er bezahlen. Aber dreizehn dieser Sätze schienen ketzerisch, und -Innozenz VIII. verbot den Kampf. Pico war Dichter und Philosoph. Als -letzterer kam er zu der auch vielen anderen geläufigen Ansicht, daß im -Grunde die meisten Philosophen doch gar nicht so sehr voneinander in -ihren Meinungen abwichen. Der Leser wird das schon aus dem Bisherigen -bestätigen können. Der Mensch ist ein mittlerer Mikrokosmos. „Gott gibt -dem Menschen bei der Geburt die mannigfaltigen Samen und Sprossen aller -Art Leben ein.“ Ganz auf sich gestellt, vermag er alles nach unten -und alles nach oben zu durchleben. Wendet er seinen Blick nach oben -und zieht sich in die Mitte des Universums, also wohl in sich selbst, -zurück, so wird er „Eins mit Gott Geist werden, in des Vaters einsamer -Finsternis (Abgeschiedenheit? Sigê?), der über allem thront, und wird -allem vorausstehen“. Mit dem Begriffe Gottes plagt sich Pico nicht -minder, wie alle anderen<span class="pagenum"><a name="Seite_311" id="Seite_311">[S. 311]</a></span> vor ihm und nach ihm, die diesen Begriff -auf das Höchste treiben wollten und wollen. Das liegt daran, daß alle -Ausdrücke der sinnlichen Welt angepaßt sind. Und ob man „Sein“ sagt, -oder „Eins“, oder „Das“, oder „Selbst“, man bleibt in der sinnlichen -Welt und mindestens in den Kategorien der menschlichen Vernunft. Was -wir von Gott bejahen, müssen wir deshalb von ihm verneinen. Und so -meint in der Tat „Gott sei Alles“ das gleiche wie „Gott sei Eins“, -„Gott sei das Sein“ nichts anderes wie „Gott sei das Nichtsein“. In -manchen Lehren erinnert Pico an Nikolaus von Cusa, so namentlich in -der von der Einheit der Welt, von der Notwendigkeit der Materie für -das erste Leben und Erkennen, von der Befreiung von dieser Materie -durch die allumfassende Liebe, und in der Anerkennung und Hervorhebung -der Freude an der Schönheit der Welt und der Menschenwerke. Angenehm -berührt seine Toleranz gegen jede Religion bei eigener tiefer -Religiosität.</p> - -<p>Auf dem gleichen Wege treffen wir unseren Landsmann <span class="gesperrt">Johann -Reuchlin</span> (1455 zu Pforzheim geboren, gestorben 1522, er nannte -sich gräzisiert auch <span class="gesperrt">Kapnion</span>). Er war in Italien und kannte -Pico persönlich. Das ist nun ein Theosoph und Mystiker aus des -Herzens Grunde. Er hat auch ein höchst umfangreiches Werk über die -Kabbala geschrieben. Er verwirft manches dieser Lehre, aber das -meiste anerkennt er doch. „Denn was anderes bezweckt der Kabbalist -oder Pythagoras, als die Seelen der Menschen in Götter zu beziehen, -das heißt, sie zur vollkommenen Glückseligkeit zu fördern“, sagt -er. Und Gott gleich werden ist sein Bestreben, denn der Grund aller -Vernunft ist die letzte und höchste Wahrheit. Diese Wahrheit kann -aber nicht durch Denken erreicht werden, das ja nur diskursiv wirkt, -sondern allein durch innere Offenbarung. Er urteilt darum auch von -Denken und Logik sehr gering. Darin tut er eigentlich, gerade nach -seiner Ansicht, unrecht, denn die Gesetze der reinen Logik sind -als Selbstverständlichkeiten Offenbarungen, durch keinen Schluß zu -gewinnen. Ja solche Sätze wie „das Nichtseiende ist Seiendes und das -Seiende ist Nichtseiendes“ stellen<span class="pagenum"><a name="Seite_312" id="Seite_312">[S. 312]</a></span> nur scheinbar einen logischen -Widerspruch dar, wie schon oben bemerkt. Er meint — der Leser verzeihe -diese Abschweifung — der obige Satz sei in mente richtig, da könne -man Entgegengesetztes und Widersprechendes vereinigen, aber in ratione -würden sie weitest auseinandergehalten. Doch nicht, die Worte besagen -ja nichts ohne Bezugnahme. Der Satz an sich ist in mente gerade so -falsch wie in ratione. Wendet man ihn aber auf etwas an, dem wir -alle positiven und alle negativen Prädikate gleicherweise zusprechen -oder absprechen, so ist er richtig. Es gehört das zu den Antinomien -unserer Vernunft. Aber Reuchlin haßt die Logik — und das ist sehr -bezeichnend — als „Feind des Glaubens und der Theosophen“, was also -die arme Logik gar nicht ist, wenn Reuchlin unter Logik nicht das -Urteil des sogenannten kalten Verstandes meint. Dieses können Glaube -und Theosophie allerdings nicht brauchen, oder nur in dem Sinne des -Cusaners. Ganz entgegen dem Cusaner schreibt er jedem Dinge sein -eigenes besonderes Wesen zu, das es aus den allgemeinen Naturgesetzen -herausheben kann. Darum muß auch jedes Ding für sich in seinen -geheimsten Eigenschaften studiert werden. So kommt er also auch zur -Magie, freilich auch zur Naturwissenschaft.</p> - -<p>Ein Genosse Reuchlins in Theosophie und Okkultismus war der Kölner -<span class="gesperrt">Cornelius Agrippa von Nettesheim</span> (1486–1535), ein höchst -unruhiger und zerfahrener Herr, der alles mögliche trieb und sich -mit allen Leuten zankte. Und dabei doch ein nicht unbedeutender -Mann. Bei allem Hang zur Mystik spricht er mitunter wie ein moderner -Naturforscher, so hinsichtlich der Grundlagen der Wissenschaften, -und er hat auch die Naturwissenschaft zu fördern versucht. Und -obwohl er, ganz wie Reuchlin, die Offenbarung in uns sucht und alle -Schlußwissenschaften als eingebildet und leer abweist, ist doch seine -Mystik durch fromme Religiosität gemäßigt. „Nicht in der Zunge, sondern -im Herzen ist der Sitz der Wahrheit; nicht der Verstand, sondern der -Wille verbindet mit Gott.“ Die Freiheit des Menschen geht ins weiteste, -und so darf er auch die Schrift auslegen und braucht<span class="pagenum"><a name="Seite_313" id="Seite_313">[S. 313]</a></span> sich nicht an -theologische Behauptungen zu halten. Was Agrippa von der Religion -sagt, ist fast alles vortrefflich; Luther freilich zählt er zu den -Ketzern und Kupplern, ohne deshalb dem Papste gewogen zu sein. Alle -Dinge hängen aber in ihrem Urgrunde zusammen. Die Welt ist dreifach: -die elementare sinnliche (Welt der irdischen Dinge), die himmlische -(Welt der Gestirne), die übersinnliche (Welt der Intelligenzen). In -allen Welten findet sich das gleiche, nur in steigender Vergeistigung, -ein Gedanke, den wir schon von Gnostikern und Kabbalisten kennen. Gott -aber ist das Urbild von Allem. Was aus ihm hervorgeht ist: bei den -Intelligenzen die verteilten Gewalten, bei den Gestirnen die Kräfte, -in der sinnlichen Welt die Körper. Der Mensch hat vom Göttlichen, und -darum kann er auch das Göttliche schauen. Wie Reuchlin, schreibt er den -Dingen der Welt besondere Wesenheit, <span class="gesperrt">qualitates occultae</span>, zu und -mit den gleichen Folgen. Was ihn dazu veranlaßt, ist die Bemerkung, daß -die Körper aufeinander wirken, was aus der Materie nicht erklärbar sei. -Nun, wir plagen uns noch heute mit dieser Angelegenheit, obwohl wir von -den qualitates occultae nichts wissen wollen. Agrippa sieht in allen -Elementen Leben und Seele, er leitet sie aber von einer allgemeinen -<span class="gesperrt">Weltseele</span> ab, zwischen die und die Körper er als Vermittlung -einen <span class="gesperrt">Welthauch</span> (spiritus) setzt, der nicht Körper und nicht -Seele sein soll, eine Art Äther, nach den drei Welten und der Weltseele -auch „fünfte Essenz“. Das Ganze hat das Aussehen einer Emanationslehre. -Und durch einen Sinn der Natur, welcher auch den Tieren innewohnt und -ihnen einen wahrsagerischen Geist gibt, hängen wir mit der übrigen -Welt zusammen, in einer Weise, welche die menschliche Wahrheit weit -übersteigt; „wir vermögen durch ihn die verborgenen Zeichen der Dinge -zu erkennen und ihre geheimen Kräfte zu gebrauchen.“ Das wieder ist -hellste Mystik, wenn es nicht naturwissenschaftlich gedeutet wird.</p> - -<p>Wie eine starke Abkühlung nimmt sich solcher Schwärmerei gegenüber -die Lehre des Mantuaners <span class="gesperrt">Petrus Pomponatius</span> (1462–1525 oder -1530) aus, den man auch als Atheisten<span class="pagenum"><a name="Seite_314" id="Seite_314">[S. 314]</a></span> verschrien hat. Der Mensch -wird sehr tief gestellt nach Verstand und nach Sittlichkeit. Das -Wahre zu erkennen, ist ihm nicht gegeben. Übel und Sünde aus der -Unvollkommenheit der Welt zu erklären, lehnt er ab. Er meint, Gott habe -die Welt nach allen Möglichkeiten geschaffen. Zu diesen Möglichkeiten -gehörte aber ebenso alles Übel wie alles Gute. „Alles Gute und alles -Übel der Natur ist von Gott.“ Aber die bewußte Sünde gleichfalls -in dem Weltplan zu suchen, scheut sich unser Philosoph, wie alle -Religionsphilosophen sich scheuen. Er meint, diese stamme aus dem -freien Willen des Menschen. Die Welt ist wie zufällig aus dem Willen -Gottes in der Endlichkeit hervorgegangen und hört in der Endlichkeit -auf. So spielt auch die Welt eine nur sehr geringe Rolle. Es ist eine -trübselige Anschauung, etwas erhellt durch die Abweisung der noch -trübseligeren Lehre von der Prädestination. Die Gaben Gottes an die -Menschen gehen nur nach dem Guten, und auch nur ohne Zwang; der Mensch -hat die Fähigkeit bekommen, nach dem Guten zu streben. Tut er es nicht, -wendet er sich zum Bösen, so hat er die Folgen im Diesseits und im -Jenseits zu gewärtigen. Hier spricht er ganz wie ein Theologe, und -theologisch ist im Grunde auch seine Ansicht von der Unsterblichkeit -der Seele. Letztere ohne Leib kann er sich nicht denken; die absolute -Unsterblichkeit lehnt er darum ab. Aber die Auferstehung im Leibe gibt -er zu, wie ja auch die Lehre vom jüngsten Gericht fordert. Pomponatius -ist Aristoteliker und dementsprechend reichlich praktisch nüchtern. Er -gehört zu den Materialisten des Mittelalters.</p> - -<p>Den Praeceptor Germaniae und großen Humanisten <span class="gesperrt">Philipp -Melanchthon</span> dürfen wir hier übergehen. Abgesehen von der Theologie -und der schönen Sittlichkeitslehre, hat er nirgend einen besonderen -eigenen festen Standpunkt und keine Wendung, die in der Anschauung -von Welt und Leben etwas Neues besagte. <span class="gesperrt">Luther</span> werden vielfach -mystische Neigungen zugeschrieben, sein Verhalten gegen Teufel und -Hexen spricht wohl dafür. Aber der große Reformator hatte zu viel -mit der Praxis zu tun, als daß er sich der Schwärmerei<span class="pagenum"><a name="Seite_315" id="Seite_315">[S. 315]</a></span> oder neuen -Anschauungen hätte hingeben können. Höchstens, daß der Kirchenvater -Augustinus, dem der düstere <span class="gesperrt">Calvin</span> folgte, seine jugendlicheren -Jahre beherrschte. <span class="gesperrt">Zwingli</span> aber ist Neuplatoniker als Philosoph. -Überhaupt war die Reformation zunächst der Ausbildung größerer -Anschauungen nicht günstig. Die Religion zu reinigen von Schlacken und -Äußerlichkeiten, nahm alles in Anspruch, und wo auf die Innerlichkeit -zurückgegangen wurde, geschah es doch wesentlich auf Grund schon alter -Formeln. Wie rasch auch die reformierten Kirchen verknöcherten, ist -bekannt. Erst die entfesselte Forschung der Humanisten, Astronomen -und Naturforscher, die plötzliche Weitung des Blickes rings um die -Erde herum, haben die neue Zeit aufgehen lassen. Mit der eindringenden -Kenntnis des schönen und freien Heidentums, mit der Zertrümmerung des -Himmels und der Übertragung seiner Gebilde aus der Sphäre der Geister -und Engel in die irdische Welt, mit den experimental gewonnenen -Ergebnissen auf dem Gebiete der Mechanik, Physik und Chemie, mit der -Einsicht von der frei schwebenden Kugel der Erde, von ihren Landen, -Bewohnern und Produkten konnten alte Probleme mit neuen Ideen in Fülle -verarbeitet werden. Ob das aber ohne die Reformation so rasch hätte -geschehen können, darf nach dem Schicksal, das so viele edle Geister -unter dem Papsttum noch im 16. und 17. Jahrhundert betroffen hat, wohl -bezweifelt werden. Das Standbild auf dem Campo dei fiori redet eine zu -deutliche Sprache.</p> - -<p>Neben der rein theologischen Festigung der Welt- und Lebenanschauung -ging die mystische, die sich auch in den bekannten Aufständen Luft -machte. Es ist natürlich, daß zu einer so bewegten Zeit wie die der -Reformation viele für sich selbst denken und handeln wollen, zumal -wenn die Lösung, die man ihnen vom Bisherigen gibt, doch nur wieder -Fesseln anlegte, und keineswegs solche von Rosen, wenn auch nicht so -eiserne wie die früheren. Und so zeigt die Reformationszeit Menschen, -die sich ganz in sich zurückziehen möchten, um dort nach theosophischen -Lehren Gott und sein Werk zu finden, oder die das Reich Gottes auf -Erden schon gekommen<span class="pagenum"><a name="Seite_316" id="Seite_316">[S. 316]</a></span> wähnen und alles Volk zu diesem Reich berufen. -<span class="gesperrt">Karlstadt</span>, <span class="gesperrt">Sebastian Frank</span>, <span class="gesperrt">Schwenkfeld</span>, die -<span class="gesperrt">Wiedertäufer</span> sind einige Namen und Bezeichnungen. Etwas -marktschreierisch, namentlich aber verworren, trotz allen Ernstes und -aller Tüchtigkeit, wirkte der <span class="gesperrt">Bombastus Theophrastus Paracelsus -von Hohenheim</span> (1493 zu Einsiedeln in der Schweiz geboren, 1541 -gestorben), ein höchst unruhiger Mann, dem Aberglauben aufs äußerste -ergeben. Mitunter redet er durchaus wie ein moderner Naturforscher und -bald darauf wie in verirrter Phantasie. Er heilt durch gute chemische -Mittel und behauptet doch, daß in den Gestirnen das Schicksal des -Menschen bestimmt sei. Wie vielen, ist ihm der Mensch ein Mikrokosmos, -der den Makrokosmos in sich trägt. So deutet er die biblische -Erzählung, daß der Mensch aus dem Staube gemacht sei, dahin, dieser -Erdenkloß sei „ein Auszug aus allen Körpern und Geschöpfen, aus Himmel -und Erde“ gewesen, eine „fünfte Essenz“, die wir schon kennen. Das -meiste ist trivial, wenn man es aus seiner verstiegenen Sprache in -einfachen Ausdruck überträgt, oder es ist unverständlich. „Und wisse,“ -heißt es einmal, „daß die Seele (bei Paracelsus der unsterbliche -Teil des Menschen) Blut und Fleisch ist und in Blut und Fleisch sein -muß, und aber, daß da zweierlei Fleisch sind, das tödlich und das -ewig.“ Das Sterbliche ist der Geist oder die Geister im Menschen. Und -Geister sieht Paracelsus überall. Höchst sonderbar klingt es, wenn er -die drei chemischen Elemente, die er mit Früheren unterscheidet — -Quecksilber, Schwefel, Salz — mit Geist, Seele und Leib, nicht bloß -formell zusammenstellt. Sein Gewährsmann ist der Allerweltsgewährsmann -Hermes Trismegistos. Die ganze Welt ist ein chemischer Prozeß, in dem -aus der chaotischen Verwirrung der Verbindungen allmählich das Unreine -nach einer Seite, zur ewigen Qual in der Urmaterie, das Reine nach -der anderen Seite, zur Verklärung und Freude in Gott, ausgeschieden -wird; jenes ist das Böse, dieses das Gute. Der chemische Prozeß -ist nicht bildlich gemeint, aber selbstverständlich nicht in der -Beschränkung, in der wir einen solchen verstehen. Es ist nicht ohne -Interesse, solche Lehren<span class="pagenum"><a name="Seite_317" id="Seite_317">[S. 317]</a></span> vorzutragen, weil aus ihnen doch erhellt, -wie sich der Mensch bemüht, den Gang der Welt und des Lebens unter -ein ihm verständliches Prinzip zu bringen; der Chemiker und Arzt, der -Paracelsus vornehmlich war, nimmt ein chemisch-biologisches Prinzip. -Der Cosentiner <span class="gesperrt">Bernard Telesius</span> (1508 bis 1588) benutzte ein -anderes Prinzip, den Kampf zwischen Wärme und Kälte (fast möchte man -sagen Expansion und Kontraktion). Die Kälte ist in der Mitte der -Welt, in der Erde, die Wärme ringsum im Himmel und in der Sonne. Gott -hat sie so angeordnet, und nachdem er es getan, bedarf es keines -neuen Eingreifens. An der Grenze zwischen der Wärme und der Kälte -berühren sich beide und bringen dadurch alle Vorgänge hervor. Das ist -physikalisch gedacht, und Telesius war Physiker, sogar mathematischer -Physiker. Als solcher leugnete er auch die Leere und neigte er gar sehr -zum Materialismus. Das gehört aber nicht mehr hierher. Ein anderer, -wie der Illyrier <span class="gesperrt">Franz Patritius</span> (1529–1597) nimmt körperliches -und unkörperliches Licht für Kälte und Wärme. Doch ist ihm freilich -das unkörperliche Licht, das göttliche Licht der Gnostiker und -Neuplatoniker deren Anschauungen er sich anschließt. An die moderne -<span class="gesperrt">Panspermie</span> (<a href="#Seite_447">S. 447</a>) erinnert seine Annahme, daß die ganze -Welt von Samen des Lebens erfüllt sei, welche vom Lichte getragen -und verbreitet werden. Die Ähnlichkeit mit der modernen Panspermie -ist sogar durch den Träger viel größer als es auf den ersten Blick -scheint. Es gibt wirklich nichts Neues unter der Sonne! Selbst was ein -neuzeitlichster sonderbarer Vierdimensionenschwärmer ermittelt hat, daß -die Körper Schlacken (Faeces) sind, hat Patritius schon ausgesprochen. -Er nennt die Erde den Auswurf (faex) in dem Flusse des Weltlebens.</p> - -<p>Der edle Märtyrer <span class="gesperrt">Giordano Bruno</span> (zu Nola um 1548 geboren und -zu Rom 1600 schmachvoll verbrannt) ist hier zunächst wegen seiner -Anschauung vom Zusammenhange der Welt mit Gott zu nennen. Er schließt -sich darin Nikolaus von Cusa an, aber mit einer Neigung nach der mehr -gnostischen Seite hin. Gott ist zwar nur sich selbst erkennbar, aber -er ist nicht außer uns, und darum haben wir ein Bewußtsein von<span class="pagenum"><a name="Seite_318" id="Seite_318">[S. 318]</a></span> ihm. -„In allen Dingen ist das Göttliche in verborgener Weise und die Einheit -des alles umfassenden Prinzips, wenn auch in der Mannigfaltigkeit -zerstreut, vorhanden.“ Dieses Prinzip ist nach Bruno die universelle -Vernunft, „das innerste, wirklichste und eigenste Vermögen und der Teil -der Weltseele, der ihre Macht bildet. Sie ist ein Identisches, welches -das All erfüllt, das Universum erleuchtet und die Natur unterweist, -ihre Gattungen so, wie sie sein sollen, hervorzubringen.“ (Von der -Ursache, dem Prinzip und dem Einen, Übersetzung von Adolf Lasson.) -Diese universelle Vernunft wirkt also von Innen heraus. Sie ist der -Grund aller Bewegung und Entwicklung der Welt und aller Dinge. Sie -ist die Vernunft, „welche alles <span class="gesperrt">macht</span>“, in der Mitte zwischen -der Vernunft, welche alles <span class="gesperrt">ist</span>, und der Vernunft der einzelnen -Dinge, welche alles <span class="gesperrt">wird</span>. Wir haben es aber bisher nur mit -einem Teil der Weltseele zu tun gehabt, der Macht. Der zweite Teil ist -die absolute Herrschgewalt; sie lenkt die Welt, ohne von ihr irgend -beeinflußt zu werden, und verleiht ihr Leben und Vollkommenheit, -beides stufenweise aufsteigend bis zu den vollkommensten Wesen. Die -Welt wird als ein „gewaltiger Organismus“ bezeichnet und als „ein -Abbild des obersten Prinzips“. Und es werden diejenigen getadelt, -„welche nicht einsehen, noch anerkennen wollen, daß die Welt mit -ihren Gliedern belebt sei; als ob Gott sein Abbild beneidete“. Alle -Teile der Welt sind beseelt, und zwar „ohne allen Abzug“. Indessen -sind viele, eben die, die wir unbelebt nennen, nur der Fähigkeit nach -beseelt; sie enthalten wenigstens „ein Prinzip und einen Keim des -Lebens“. Das bedeutet eigentlich, daß diese Dinge in ein entstehendes -oder vorhandenes beseeltes Wesen eingehen können, ohne darin ein -Fremdes zu sein; ihre fakultative Beseelung geht in wirkliche über, -sie beleben sich. Aber doch scheint Bruno dem unbelebten Körper eine -gewisse andere Beseelung zuzuschreiben, indem er sich auf die Wirkungen -bezieht, welche sie auf uns, als beseelte Wesen, hervorbringen, wie -Affekte, Begierden, Gefühle usf. Er beruft sich sogar darauf — und -das ist für den so klaren Bruno etwas seltsam —, daß „die Nekromanten -viele<span class="pagenum"><a name="Seite_319" id="Seite_319">[S. 319]</a></span> Dinge durch Totengebeine zu bewirken hoffen, und daß sie -glauben, dieselben behielten, wenn auch nicht dieselbe, doch eine Art -von Lebensfunktion, welche ihnen zu jenen außerordentlichen Wirkungen -verhelfen können“. Lasson hat dazu eine sehr lesenswerte Bemerkung -geschrieben. Bruno zahlt seiner Zeit den Zoll. So verwirft er auch -nicht Krankenbehandlung durch Anhängen von Steinen und Murmeln von -Beschwörungsformeln, durch Magie oder durch Fünftelessenzen neben der -Behandlung durch die Apothekerheilmittel, aus dem Vernunftsatz, daß -es besser ist, auf irgendeine Weise geheilt zu werden als gar nicht. -Die Hauptsache ist, man weiß jetzt, was Bruno unter der Allbeseelung -meint: gewisse Funktionen, die auch dann noch bestehen, wenn ein Wesen -tot ist, und die überhaupt aller Materie angehören, höhere Funktionen -bei Pflanzen, noch höhere bei Tieren, Menschen usf. Die Beseelung ist -der Welt „immanent“. Außer der Weltseele besteht eine Materie, ein -Substrat, die von uns so wenig definiert werden kann wie die Weltseele. -Die Verbindung mit der letzteren gibt die Dinge. Die substanzielle Form -der Dinge ist die Seele. Materie wie jede Seele „können nicht zerstört -und vernichtet werden, so daß sie das Sein durchaus und in jedem Sinne -verlören“.</p> - -<p>So ist die Welt ein dreifaches Unvergängliches: Universelle Vernunft -oder allgemeine Weltseele, Macht der universellen Vernunft oder -eigentliche Weltseele, Materie oder Substrat. Bei Gott nun ist Vermögen -und Wirklichkeit das gleiche, er ist „Urvermögen“ und „Urwirklichkeit“. -Die Welt aber, deren jeder einzelne Teil ja etwas anderes sein könnte, -wie ein Stein auch Holz, ein Mensch dieser oder ein anderer, verbindet -Vermögen und Wirklichkeit nicht; ersteres ist bei weitem umfassender. -So ist alles expliziert, zerstreut, unterschieden. Darum wird die Welt -als Schatten, auch Ebenbild, des Urvermögens und der Urwirklichkeit -bezeichnet. Aber dieses Ebenbild „ist in <span class="gesperrt">spezifischer</span> -Wirklichkeit alles das, was es seinem <span class="gesperrt">spezifischen Vermögen</span> nach -ist“. „Deshalb“, wird dann noch gesagt, „wird es nicht schwierig und -nicht bedenklich sein, schließlich anzunehmen, daß <span class="gesperrt">das<span class="pagenum"><a name="Seite_320" id="Seite_320">[S. 320]</a></span> Ganze der -Substanz nach eines ist</span>.“ Beim Herabsteigen auf der Stufenleiter -der Natur gibt es zwar eine doppelte Substanz, eine geistige und eine -körperliche; aber schließlich gehen beide „auf ein Wesen und eine -Wurzel zurück“. Dieses wird in der mannigfachsten Weise variiert, -so indem in der Materie eine körperliche und eine unkörperliche -unterschieden wird, die beide aber doch nur Materie sind. Die Materie, -in diesem Sinne aufgefaßt, entfaltet alles, was sie unentfaltet -enthält, „darum muß man sie ein Göttliches, die gütigste Ahnfrau, die -Gebärerin und Mutter der natürlichen Dinge, ja der Substanz nach die -ganze Natur selber nennen“. Sie ist das Universum und ein „Einiges, -Unendliches, Unbewegliches“. Diese Eigenschaften des Universums werden -nach allen Richtungen ausgeführt, indem immer das Gegensätzliche als -mit dem Universum gleich vereinbar dargelegt wird (<a href="#Seite_311">S. 311</a>). Da es alles -vereinigt, kann es nicht ein Einzelnes sein. Also hat es keine Gestalt, -keine Bewegung, nicht Größe noch Kleinheit, nicht Zeit noch Ewigkeit, -nicht Zentrum noch Umgebung. Es ist unveränderlich; die einzelnen Dinge -ändern nur die Art des Seins, nicht das Sein selbst, und das Universum -umfaßt <span class="gesperrt">alle</span> Arten des Seins. So ist das Universum in allem. Von -diesem Standpunkt aus ist auch das Sterben nur ein Wechsel der Art des -Seins oder des Ortes im Universum. Und so gibt es auch nichts Neues im -Universum; was ist, war schon, und was kommt, war schon; ein Gedanke, -der sich auch bei dem Cusaner findet, und der im „Prediger“ so oft -ausgeführt wird. „Da seht ihr also wie alle Dinge im Universum sind -und das Universum in allen Dingen, wir in ihm, es in uns, und so alles -in eine vollkommene Einheit einmündet.“ Und diese Einheit ist stetig -und dauert immer, dieses Eine ist ewig. Jedes Ding im Universum, weil -es das, was alles in allem ist, in sich hat, umfaßt in seiner Art die -ganze Weltseele. Diese Weltseele ist also in jedem Teile des Universums -ganz. Auch sind die Welten nicht etwa wie in einer Ausdehnung oder -einem Orte, sondern „wie in einer umfassenden, erhellenden, bewegenden -wirkenden Kraft, welche von jeder dieser Welten ebenso umfaßt wird -wie die<span class="pagenum"><a name="Seite_321" id="Seite_321">[S. 321]</a></span> ganze Seele von jedem Teile derselben“. Wichtig ist auch die -Bemerkung, „daß es eine und dieselbe Stufenleiter ist, auf welcher -die Natur zur Hervorbringung der Dinge herabsteigt, und auf welcher -die Vernunft zur Erkenntnis derselben emporsteigt, indem sie durch -die Vielheit der Mittelglieder sich bewegen“. Fast darwinistisch -aber klingt es, „daß die Vernunft die Vielheit und Verschiedenheit -der Arten auf eine und dieselbe Wurzel zurückführt“. Und so faßt die -Urintelligenz alles aufs vollkommenste in <span class="gesperrt">einer</span> Anschauung. Und -diesem hat der Mensch nachzustreben, um zum „Unterschiedslosen“ zu -gelangen.</p> - -<p>Es ist schwer zu sagen, in welche Kategorie wir des großen Nolaners -Lehre einzutragen haben; sie ist ebensowohl theosophisch als -emanistisch, als panpsychistisch, als physisch (Bruno war Anhänger -des Kopernikanischen Systems), je nach der Deutung, die man seinen -Bezeichnungen gibt. In anderen Schriften tritt das Theosophische mehr -hervor als in der hier besonders benutzten Hauptschrift. Also darf man -vielleicht glauben, daß das ganze System eine Erhebung des Physischen -aus seiner Natur in das Göttliche ist oder eine Durchstrahlung des -Physischen durch das Göttliche; beides eine Art Pandeismus. Und so -zeigt sich auch der Begriff Gottes von dem des Universums nicht -getrennt; Gott ist naturierende Natur, Weltseele, Weltkraft. Da Bruno -durchaus ablehnt, gegen die Religion zu lehren, so hat man solche -Angaben wohl umgekehrt zu verstehen: Weltkraft, Weltseele, naturierende -Natur, Universum sind in Gott. <span class="gesperrt">Gott ist Kraft der Weltkraft, Seele -der Weltseele, Natur der Natur, Eins des Universums.</span> Bruno spricht -ja auch von mehreren Teilen der universellen Vernunft, des Urvermögens -und der Urwirklichkeit. Und damit hängt zusammen, daß für ihn die Welt -unendlich ist und ohne Anfang und Ende; sie ist in demselben Sinne -allumfassend wie Gott. Aber nicht ganz wie Gott. Gott sei in allem und -im einzelnen allumfassend, die Welt jedoch wohl in allem, aber nicht -im einzelnen, da sie ja Teile in sich zuläßt. „Ich sage,“ heißt es in -einer Schrift über das Unendliche, „das ganze Uni<span class="pagenum"><a name="Seite_322" id="Seite_322">[S. 322]</a></span>versum ist unendlich, -denn es hat weder Rand noch Grenze noch Oberfläche; doch sage ich, daß -das Universum nicht ganz und gar (totalmente) unendlich ist, daß, was -wir davon auch nehmen mögen, endlich ist.“ Und an dieser Endlichkeit -liegt die Verschiedenheit der Dinge und ihr Gegensatz zueinander. Für -die Übel, Tod und Böses, hat Bruno keine andere Erklärung als Mangel -und Unvermögen. „Sie finden sich in den explizierten Dingen, weil diese -nicht alles sind, was sie sein können, und durch äußeren Zwang werden, -was sie sein können. Da sie daher nicht zugleich und auf einmal so -vieles sein können, so geben sie das eine Sein auf, um das andere zu -erlangen.“ Das ist im Grunde nur eine Darlegung des Tatsächlichen.</p> - -<p>Bei Giordano Brunos universalistischem Gesinnungsgenossen, dem -Kalabrier <span class="gesperrt">Thomas Campanella</span> (1568 bis 1639, Dominikaner wie -jener; wenn auch nicht verbrannt, aber in allen Kerkern Spaniens -heimisch, und alle Torturen fast gewohnt), tritt das Theosophische -etwas stärker in den Vordergrund. Die Welt ist eine Mischung aus -Sein und Nichts. Dem Sein, Gott, wohnen drei <span class="gesperrt">Primalitäten</span> -inne: Allmacht, Allweisheit und Allwille; dem Nichtsein Unmacht, -Unbewußtheit, Bosheit. Die göttlichen Primalitäten äußern sich in der -Welt als Notwendigkeit, Vorsehung, Harmonie. Wie die Mischung zustande -kommt, ist ein transzendentes Geheimnis. Gott ist das schlechthin -Seiende, ein Überseiendes, eine Übersubstanz. Er hat von seinem -Sein und von seinen Primalitäten (als Liebe, Erkennen, Wollen) den -Geschöpfen mitgeteilt, wie eine Emanation. Und so sind alle Geschöpfe -ihrer Wahrheit nach in Gott, nur daß ihnen das Nichtsein als ein Mangel -anhaftet, davon Gott selbstverständlich frei ist. Und es gibt Welten, -die sich zu immer höheren Stufen erheben, wie Emanationen, und von -denen jede die niederen einschließt und von den höheren eingeschlossen -wird, bis zu Gott, der alles umfaßt. Selbst die Engel stehen noch viel -näher dem Nichts als Gott. Das Unterscheidende der Welt als Welt, da -es durch das Nichts gegeben ist, bildet also das Übel und das Böse, -sonst wären die Geschöpfe Gott, und alles bestände<span class="pagenum"><a name="Seite_323" id="Seite_323">[S. 323]</a></span> unterschiedslos. -Der Mensch ist frei zum Guten wie zum Bösen. Da jede Primalität von der -höheren eingeschlossen ist, geht das Tun vom Willen aus, muß gelenkt -werden durch das Erkennen und seine Richtung nehmen zur Liebe. Alles -dieses fließt aus der Natur der Geschöpfe. Wie in diesen Rahmen die -Materie, die als gänzlich eigenschaftslos angesehen wird, paßt, kann -ich nicht sagen. Es hat aber Gott zuerst den Raum geschaffen, der als -die Substanz der Materie anzusehen sei, dazu die Materie als solche, -als begrenzte Einheit und Grundlage für alle Verschiedenheiten. Zuletzt -zwei Kräfte, die, wie bei Telesius, als Wärme und Kälte angenommen -werden, die beide die ganze Materie angreifen und so in Streit geraten. -Durch sie aber entstehen im einzelnen lebendige Wesen, im ganzen die -Ordnung und Harmonie der Welt unter Leitung Gottes oder der Engel. -Dabei müssen den Wesen die Primalitäten mitgeteilt werden, direkt oder -indirekt. Das Ganze ist hier so wenig wie bei Telesius zu durchschauen. -Überhaupt sind alle allgemeinen Angaben noch verständlich, während -die Ausführungen im einzelnen für uns wenig mehr als unverständlich -verlaufen. Das liegt in dem Mangel an Kenntnissen. Und solche und -ähnliche Ausführungen fußen auch meist auf den Annahmen der ionischen -Naturphilosophen, die, weil sehr lückenhaft überliefert, nicht anders -als unklar wiedergegeben werden konnten.</p> - -<p>Wir kehren zu unseren deutschen Theosophen zurück. <span class="gesperrt">Nikolaus -Taurellus</span> und <span class="gesperrt">Valentin Weigel</span> übergehen wir, um uns sofort -zu unserem größten Mystiker <span class="gesperrt">Jakob Böhme</span> zu wenden. Dieser ebenso -sonderbare wie höchst bedeutende und liebenswerte Mann ist 1575 zu -Altseidenberg bei Görlitz geboren, hütete erst das Vieh und ward dann -ehrsamer Schuster. Als solcher lebte er bis 1624, seinem Todesjahre, in -Görlitz. Schreiben und Lesen verstand er nur notdürftig. Er wurde von -wunderbaren Gesichten und Verzückungen heimgesucht, war also vielleicht -ein armer kranker Mensch. Sie gaben ihm aber Anlaß, 1612 seine erste -Schrift „Morgenröte im Aufgang“ (Aurora) zu verfassen. Die Theologen, -überall unduldsam, eiferten gegen ihn, und so wurde ihm vom Magistrat -das<span class="pagenum"><a name="Seite_324" id="Seite_324">[S. 324]</a></span> Schreiben untersagt. Nach sieben Jahren, da sein Anhang wuchs -und sein Leben sich als ein frommes und unsträfliches erwies, ließ -man es zu, daß er weiterschrieb. Der einfache Mann muß viel gehört -und gelesen haben; er stand auch mit vielen in Verbindung. Wie der -frühere Schuster Hans Sachs ist er ein gewaltiger Poet, aber in seiner -innig-tiefen Weise, indem er sich eine außerordentliche Welt erdichtet -und in außerordentlicher Bildersprache redet. Dabei ist er von allen -Theosophen der konsequenteste, vielleicht der einzig konsequente.</p> - -<p>Mittel zur Erkenntnis ist ihm fast allein das Schauen. Gleich wie -das Auge des Menschen in die Gestirne sieht, so auch die Seele in -das göttliche Wesen, darinnen sie lebt. Und aus diesem Schauen hat -seine „Feder geschrieben“. Und da er eine tiefsittliche Natur ist, -gewinnt alles bei ihm sittliche oder gegensittliche Bedeutung. So ist -Licht: Freundlichkeit und Liebe, Wärme: Grimm, ist Haß: Finsternis -und — Paracelsistisch — Begierde: Salz, Angst: Schwefel. Die -Naturerscheinungen sind Gutes und Böses, und Gutes und Böses sind -Naturerscheinungen. Geist und Körper gehen durcheinander. Und Gott -selbst wird körperlich aufgefaßt, nur von ganz außerordentlicher -Feinheit. „Die harte Qualität, die zeucht das ganze körperliche Wesen -der Gottheit zusammen und hält es und vertrocknet es, daß es bestehe.“ -Das Auffallende einer solchen Behauptung schwindet, wenn man bedenkt, -daß ja auch der philosophisch und dialektisch so hochgeschulte Giordano -Bruno Materie und Seele schließlich in Eins, die allgemeine Substanz, -auslaufen läßt. Jakob Böhme hat dieses nur sinnlicher ausgedrückt. Und -so sieht er in der Tat in Gottes Wesen das Nichts; das Unkörperliche -und Eigenschaftslose, würden wir sagen. Aus diesem seinem Nichts -schafft Gott die Welt, absteigend sie immer derber verhärtend, indem er -sich zusammenzieht. In Gott ist zunächst die abgeschlossene Selbstheit, -die absolute Einheit. Außerdem aber der Drang nach Selbstoffenbarung -in der Vielheit. Gott bildet hiernach eine <span class="gesperrt">Polarität</span>, eine -<span class="gesperrt">Entzweiung</span> mit sich selbst. Und so ist Gott auch Gutes und -Böses. „<span class="gesperrt">Denn der<span class="pagenum"><a name="Seite_325" id="Seite_325">[S. 325]</a></span> heiligen Welt Gott und der finsteren Welt Gott -sind nicht zween Götter; es ist ein einziger Gott; er ist selber alles -Wesen; er ist Böses und Gutes, Himmel und Hölle, Licht und Finsternis, -Ewigkeit und Zeit, Anfang und Ende; wo seine Liebe in einem Wesen -verborgen ist, als da ist sein Zorn offenbar.</span>“ So zu lesen im -Mysterium magnum. Und man kann sich nicht deutlicher ausdrücken. Gerade -aus dieser Polarität heraus, die ja einfach der Welt entnommen ist, -erwächst die Welt durch Gott und in Gott, mit dem ethischen Endziele -— man denke an einen ähnlichen Gedanken der Eranier (<a href="#Seite_202">S. 202</a>) —, -daß im Bereich der Menschheit der Kampf zwischen Gut und Böse, Liebe -und Haß, Güte und Zorn usf. zum Vorteil der ersten Pole entschieden -wird. Jakob Böhme einfach den Gnostikern und Theosophen üblicher Art -zuzurechnen, geht also nicht wohl an, obwohl er Ausdrücke der Gnostiker -tatsächlich braucht. An ihm imponiert die vor nichts zurückschreckende -Folgerichtigkeit seines Systems, die in Lehren, welche nur das -Licht an der höchsten Stelle kennen und die absolute Einheit, nicht -vorhanden sein kann; die auch mangeln muß, wo von der schwächlichen -Unvollkommenheit der doch so derbe Teufel in der Welt sich herschreiben -soll. Als Feuer wird dieses Böse bezeichnet, verzehrend und peinigend, -wenn es sich im Menschen geltend macht. Auch ist der Teufel „in Kraft -des Zornes Gottes“. Diese Eigenschaft wird in zwei Eigenschaften -zerlegt, in Trieb, Begierde und in Aufnahme böser Befriedigung.</p> - -<p>Wir haben bis jetzt zwei Eigenheiten Gottes kennen gelernt, -„Quellgeister“, wie Jakob Böhme sie außerordentlich schön und -bezeichnend nennt. Ein dritter Quellgeist ist das In- und -Gegeneinanderwirken der beiden ersten Geister, wodurch alles aus der -Selbstheit drängt und in die Selbstheit zurückfließt, ein ewiger -Prozeß im Kreise. Hiernach scheint die Welt ständig auszuströmen und -zurückzuströmen, also immer zu werden und zu vergehen, wie bei den -Systemen, die in Gott nur das „Jetzt“ anerkennen, nicht Vergangenheit -noch Zukunft (<a href="#Seite_287">S. 287</a>, <a href="#Seite_303">303</a>). In diesen drei Quellgeistern sieht<span class="pagenum"><a name="Seite_326" id="Seite_326">[S. 326]</a></span> Jakob -Böhme furchtbarste Zerrissenheit, Unruhe und Pein, als kosmogonische -Begriffe. Der vierte Quellgeist, der Feuerblitz, soll die Enge in der -Welt zersprengen, aus dem Bösen in das Gute, aus dem Übel in das Heil -führen. Er ist also eine Art Erleuchtung durch Gottes lichte Gnade. -Als fünfter Quellgeist steht das himmlische Liebesfeuer, „der wahre, -der heilige Geist, der alles in Liebe eint“. Heinrich Schmitt (<a href="#Seite_267">S. -267</a>) vergleicht ihn mit der himmlischen Weisheit der Gnostiker. Den -sechsten Quellgeist bezeichnet Jakob Böhme als Hall oder Schall. Er -ist wohl das Wort, der Logos, bedeutet jedoch auch die Harmonie der -Geister, „gleich einer himmlischen Musik von vieltausend Instrumenten, -gegen deren göttlichen Schall, der von Ewigkeit zu Ewigkeit aufgeht, -die künstlichste irdische Musik nur wie ein Hundegebell erscheint.“ -„Hier herzet der Bräutigam die Braut und entstehet das wahre Leben -aller Kreatur, in jedem Ding nach seiner Eigenschaft.“ Also ist es -wohl auch die allgemeine Vernunft, die alles in sich in Einklang -ordnet. Endlich der siebente Quellgeist führt aus dem Himmlischen -ins Irdische, als irdische Vernunft und irdisches Leben und alles -Heilige in sich fassend. Aber im Leben sind alle Quellgeister, bis -auf die Feuer-Quellgeister, geschwächt und verdunkelt, und nur in -innerlichster Anschauung hinreichend erkennbar. Dem Menschen sollen -fünf von ihnen als Kampfmittel gegen die Feuer-Quellgeister dienen, -die in ihm das Böse bedingen. „So sich ein Feuer in einem Quellgeiste -erhebet, so ist’s der Seele nicht verborgen; sie mag alsbald die -anderen Quellgeister aufwecken, die dem angezündeten Feuer zuwider -sind, und mag löschen. Will aber das Feuer zu groß werden, so hat -sie (die Seele) ihr Gefängnis, da mag sie den angezündeten Geist -einschließen, als nämlich die herbe, harte Qualität (Entbehrung -und Kasteiung, Selbstzucht), und die anderen Geister müssen ihre -Stockmeister sein, bis ihm der Zorn vergehet und das Feuer verlischt.“ -Mitunter freilich scheint es, als wenn das „Feuer“ ein besonderes -ist, nicht ein Quellgeist. Über das Schauen der Quellgeister heißt -es: „Du sollt aber nicht denken, daß das himmlische Licht in dieser -Welt<span class="pagenum"><a name="Seite_327" id="Seite_327">[S. 327]</a></span> in den Quellgeistern gar erloschen sei; nein, es ist nur eine -Dunkelheit, welches wir mit unsern verderbten Augen nicht ergreifen -können. So aber Gott die Dunkelheit wegtäte, die über dem Lichte -schwebet, und würden dir deine Augen eröffnet, so sähest du auch -hier an der Stelle, wo du in deinem Gemache stehest, sitzest oder -liegest, das schöne Angesicht Gottes (ein kabbalistischer Ausdruck, -oder aus der Daniel-Apokalypse) und die ganze himmlische Pforten. Du -darfst deine Augen nicht erst in den Himmel schwingen; denn es stehet -geschrieben: das Wort ist dir nahe, nämlich auf deinen Lippen und an -deinem Herzen.“ Eine schöne und höchst charakteristische Stelle für die -reine Innerlichkeit der Anschauung! Der Mensch wird dreifach geboren; -in der ersten Geburt (der siderischen) voll der Herrlichkeiten der -guten Quellgeister, in der zweiten (animalischen) gleich einem Tiere; -in der dritten, am Ende der Tage, zu Himmelreich oder Hölle. Die -Engel haben nur das Gute, die Teufel nur das Böse. Aber beide nicht -ausschließlich, da sie von Gott kommen und „Gott wider Gott steht“. -Eine Art doppelte Prädestination ist nicht zu verkennen, doch liegt -es in dem umfassenden Quellgeist, daß die Seele das Gute gegen das -Böse in Kampf rufen kann. Der Weltentstehung geht der Abfall der Engel -vor. „Das Wesen der verstoßenen Geister entzündet und verdichtet sich, -um die neue Welt zu gebären.“ Der Mensch tritt an Stelle Luzifers. -Adams Fall beginnt mit seinem ersten Schlaf im Paradiese, was für Eva -nicht sehr schmeichelhaft wäre, wenn Böhme nicht meinte, daß schon das -Sichüberlassen der Untätigkeit ein Zeichen der Fleischlichkeit sei. -Denn das Leben denkt er sich durchaus energisch geführt, als einen -Kampf des Guten in uns mit dem Bösen in uns, zum Siege des Guten.</p> - -<p>Unter den mehreren Anschauungen <span class="gesperrt">Schellings</span>, denen wir später -noch begegnen werden, finden sich auch solche, die ganz auf dem Boden -der Anschauungen Jakob Böhmes erwachsen sind. Gott ist die absolute -„Indifferenz“, der „Ungrund“, ohne jedes Prädikat. Aber Gott ist -gleichwohl potentiell eine Dualität, weil nämlich Gott auch den -Grund seines Seins in sich haben muß. Dieser Grund ist in ihm als<span class="pagenum"><a name="Seite_328" id="Seite_328">[S. 328]</a></span> -gesonderte Existenz. Und als Grund des Seins ist er zugleich ein -Begehren nach Sein. Da er aber Gott selbst angehört, so schaut Gott -hieraus sein Ebenbild, den Logos, eine Vereinigung von Vernunft und -Seins-Begehren, die sich als Schaffens-Wille äußert und nun die Welt -schafft und ordnet. Man sieht, wie Schelling die „Selbstentzweiung -Gottes“ auffaßt. Die Vernunft geht nach oben, dem Vollkommenen, das -Begehren nach unten, dem Niederen. Das Weitere, das Böhme ethisch -entwickelt, behandelt Schelling mehr historisch, unter Benutzung seiner -naturwissenschaftlichen und Geschichtskenntnisse. Erst überwiegt das -Begehren, und es werden rohe Produkte geschaffen und erhalten, wie die -ausgestorbene Vorwelt sie zeigt. Allmählich kommt die Vernunft mehr -und mehr zur Geltung, es entstehen die höheren Wesen; der Mensch tritt -auf, erst roh, barbarisch, dann edler. Vernunft und Begehren stehen -immer in Kampf; das Fortschreiten der Vernunft ist kein stetiges, -aber ihre Wirkung geht, mit Schwankungen, doch aufwärts. Das Endziel -ist die Oberherrschaft der Vernunft, das Schwinden des Begehrens, die -Vereinigung der Welt mit dem Göttlichen zu einer Identität.</p> - -<p>Auch <span class="gesperrt">Krause</span> (1781–1832) scheint sich dem Hauptprinzip Böhmes -angeschlossen zu haben, indem er das Dasein der Welt aus einer „inneren -Entgegensetzung der Wesenheit in Gott“ ableitet. Und obgleich er -Pantheist ist, überträgt er doch alles in Gott, so daß seine Lehre eine -All-in-Gott-Lehre sein soll, und verleiht Gott Eigenschaften, die nicht -weit ab von den Quellgeistern Böhmes liegen. Manches aber freilich paßt -sich den Anschauungen der Zeit an, und einzelnes, wie es scheint, dem -Spinozaschen Pantheismus. Überhaupt werden wir sehen, daß Jakob Böhmes -Entzweiung Gottes mit sich sehr oft benutzt wird, noch bis in die -neueste Zeit hinein und in Systemen, die vom Böhmeschen weit abzuliegen -scheinen, wie zum Beispiel in dem dialektischen System Hegels.</p> - -<p>Wir gehen in der Zeit stark zurück und führen von anderen Theosophen -noch besonders an den Brüsseler Arzt <span class="gesperrt">Johann Baptist van Helmont</span> -(1577–1644), der in Visionen und Träumen die Wahrheit suchte und -Logik und Vernunft<span class="pagenum"><a name="Seite_329" id="Seite_329">[S. 329]</a></span>wissenschaft, wie alle Intuitiven, verachtete, und -der dabei doch zugleich ein nicht unbedeutender Naturforscher war, -indem er das Reich Gottes von dem Reich der Natur scharf trennte. Er -sah aber überall Leben und glaubte, daß jede natürliche Kraft als -<span class="gesperrt">Archeus</span> sich selbst ihren Körper bilde. „Aber in der Tat sind -so viele Arten (species) lebender (von Gott in die Natur gelegter) -Lichter, als Arten lebender Kreaturen. Und so ist in diesen Lichtern -selbst alle und jede Unterscheidung der Arten.“ Die Materie ist das -zweite Prinzip der Natur. In jedem Dinge ist ein Samen, daraus es sich -entwickelt. Die Entwicklung wird aber durch eine innere Anlage, ein -„Ferment“, eingeleitet und weitergeleitet. Eigenartig ist seine Annahme -einer Wirkung in die Ferne, einer Art Strahlung — er hat dafür das -wunderliche Wort <span class="gesperrt">Blas</span> geprägt — die von den Gestirnen nicht -minder wie von den Wesen ausgeht und nach Außen und Innen wirken soll, -was ja mit astrologischen und mit modernen Ideen übereinkommt. Außer -Archeus und Blas wird noch, als an einem Punkt im Körper konzentriert, -die Seele angenommen. Diese sitzt im Magenmund, der Archeus in der -Milz. Gehirn und Nerven sind Werkzeuge der Seele, der Archeus ist ihr -ausführendes Organ, für das körperliche Leben. Dazu kommt der Geist -als das Gotteslicht. Es sind etwas viel Distinktionen: Archeus, Seele, -Geist, Samen, Ferment, und man weiß zuletzt doch nicht recht, wie -all diese Dinge miteinander zusammenhängen. Namentlich konkurrieren -Archeus und Ferment, Seele und Geist. Zu Jakob Böhme bildet van Helmont -insofern einen Gegensatz, als er den energischen Kampf in der Natur, -den jener so dichterisch und geistvoll vertritt, ablehnt. Die Natur -ist ihm vielmehr ein geordnetes Ganzes mit selbständigen einzelnen -Wesen. Den Engländer <span class="gesperrt">Fludd</span> (1574–1637), einen ganz gehörigen -Mystiker, erwähne ich, nicht weil er Wärme und Kälte als weltbildende -Prinzipe benutzt, wie schon viele vor ihm getan, sondern weil er sich -auf Versuche mit einem Thermometer beruft, dessen Beschreibung er -in einem wenigstens 500 Jahre alten Manuskript gefunden haben will. -Die Ergebnisse der Versuche sind zutreffend. <span class="gesperrt">Blaise Pascal</span><span class="pagenum"><a name="Seite_330" id="Seite_330">[S. 330]</a></span> -(1623–1662) hat mit Jakob Böhme einige Ähnlichkeit, er zeigt sich als -tiefsinniger, religiöser Mystiker und zugleich doch als Skeptiker. -<span class="gesperrt">Montaigne</span> (1533–1592) ist als Mystiker nur zu erwähnen, mehr -noch ist er Skeptiker. Aber <span class="gesperrt">Swedenborg</span> (1689–1772) ist ganz und -gar Mystiker.</p> - -<p>Die Theosophie zieht sich wie ein roter Faden noch lange durch alle -Systeme, wie wir sehen werden. In unserer Zeit konnte sie sogar einen -sehr bedeutenden Aufschwung erfahren, mit allem Zubehör von Mystizismus -und Okkultismus. Dem veränderten Verhalten der Menschen den besonderen -Religionen gegenüber entspricht es, daß sie sich wesentlich der -<span class="gesperrt">indischen</span> Auffassung angeschlossen hat. Ein anscheinend für -die betreffenden Kreise bestimmtes grundlegendes Werk hierüber, „The -Key to Theosophy“, von der klugen Helene Petrowna Blavatsky (Carl -Bleibtreu hat über sie ein Buch veröffentlicht, das leider durch -unnötige Ausfälle gegen Andere und durch Übertreibungen entstellt -ist), arbeitet ganz im Fahrwasser der schon mitgeteilten Lehren des -Wundervolkes der Indier. Ebenso im Grunde das Werk von Franz Hartmann -„Mysterien, Symbole und magisch wirkende Kräfte“. Die Hauptgedanken -erhellen bereits aus den <a href="#Seite_223">S. 223</a> mitgeteilten Ansichten über die -Seele, und auch das Prinzip, daß alles, ausnahmslos, Eines ist, der -Theos, das Brahma usf., ist uns schon bekannt. Ebenso die Lehre von der -Reinkarnation und das <span class="gesperrt">Karma-Gesetz</span>, daß jeder erntet, was er -gesäet hat. Ferner, daß die Erkennung des „Ich-selbst“ die Erkennung -von allem bedingt, auch die des Dinges hinter den Erscheinungen, des -Transzendentalen im Sinne Kants (<a href="#Seite_350">S. 350</a>). „Das Selbst des Universums -und das Selbst jeden Wesens im Universum ist ein und dasselbe Selbst“, -lautet der Hauptsatz dieser Theosophie. Und dieses Selbst ist eben -der Theos. Wir selbst sind es. Alles dieses entspricht durchaus dem, -was wir von indischer Theosophie wissen. Die Durchführung dieser -Hauptgedanken darzulegen muß ich mir versagen, ebenso muß ich die -Schilderung der sieben Reiche (im Anschluß an die sieben Seelen, <a href="#Seite_223">S. -223</a>) und die Erklärung der Symbole und Mysterien übergehen, zumal mir -sehr vieles allzudunkel<span class="pagenum"><a name="Seite_331" id="Seite_331">[S. 331]</a></span> geblieben ist. Nur weniges ist gnostischen -Anschauungen entnommen und noch weniger kirchlich-christlichen. Und es -läßt sich ja nicht bestreiten, daß, so poetisch schön die letzteren, -und namentlich die gnostischen, Anschauungen sind, sie philosophisch -den tiefdurchdachten und bis ins äußerste scharf getriebenen Lehren -der indischen Schulen zurückstehen. Und nach dem wirklich großen Jakob -Böhme ist ja auch kein christlicher Theosoph erschienen, der ein -befriedigendes System hätte aufstellen können. In Böhme aber haben -wir mehr den sittlich hohen und phantasiebegabten Mann zu verehren -als den unumwundenen Dialektiker. Er war rücksichtslos in seiner -Entzweiung Gottes mit sich selbst, sein frommer Sinn aber führte ihn -auf geschlungenen Pfaden immer wieder zurück zu dem einzig gnädigen -und gütigen Gott, wie ihn die Fülle der Menschheit ja allein als -Gott des Trostes und der Verheißung brauchen kann, wie ihn aber der -spekulative Menschenteil nicht ohne inneren Widerspruch, angesichts des -so unglaublich verbreiteten und fast unser ganzes Leben durchquälenden -Schlimmen und Üblen, auf sich wirken lassen kann. Wo die Persönlichkeit -verloren geht, schwindet die Poesie, und man mag uns Gott noch so -erhaben schildern, noch so gewaltig und unendlich, er wird uns immer -fremder und kälter und unverständlicher. Der strafende und der liebende -Vater geht verloren. Es kommt ein geheimnisvolles Etwas hinter grauen -Schleiern. Das Leben wird verschwommen, wie die Anschauung zerfließt. -Es ist überall ein Verstecktes da, nirgend doch ein Greifbares, und -die Gesellschaft muß sich schließlich mit einem feinen Schatten -begnügen und einem ethischen Kodex, mit einem ewigen marklosen Leben, -wenn nicht einem absoluten Tod. Diese Reaktion ist gegenüber den -unsäglichen Albernheiten, die so viele mit der persönlichen Religion -treiben, gegenüber den selbstsüchtigen Pachtungen des lieben Gottes, -dessen sich so viele erdreisten, gewiß durchaus gerechtfertigt. Eine -solche Reaktion hat die Philosophie von je gegen die Theologie geübt, -daher die eigentlich so unwahre <span class="gesperrt">doppelte Wahrheit</span>. Gegenwärtig -aber, wo ein dritter gewaltiger Kämpe auf<span class="pagenum"><a name="Seite_332" id="Seite_332">[S. 332]</a></span> den Plan getreten ist, -die kalte, beweiskräftige Naturwissenschaft, die allen Glauben -überhaupt hinwegzuschwemmen droht, ist es nur wohl zu verstehen, wenn -manche, abhold dem Zerstörlichen, sich in ein Reich flüchten, das der -Naturwissenschaft nicht angreifbar zu sein, den Gedanken keinen Zwang -zu tun und für Phantasie und Gefühl Befriedigung zu bieten scheint. -Kommt noch dazu, daß das Geheimnis vor der Grenze dieses Reiches -wandelt und jedem Nahenden mit dunklen Reden Wunderbares zu schauen -verheißt. Indessen scheint der anglo-amerikanische Stamm besonders -geneigt, sich dort einzubürgern; in Deutschland sind wir noch sehr -mißtrauisch den Verheißungen gegenüber. Die Menschheit verhält sich -gegenwärtig fast synkretistisch in bezug auf die Religion. Und wenn -gar einer Hochreligion, dem Christentum, das Wichtigste, Christi -Leben und Leiden auf Erden für die Menschheit, also sein persönliches -Erlöserwerk, fast mit Übereifer abgestritten wird, was bleibt vielen da -übrig, als zum Unerforschlichen in seiner Unnahbarkeit zurückzukehren -und, wie Jakob, mit der geheimnisvollen Erscheinung zu ringen, um -ihren Namen zu erfahren! Oder, unbekümmert um eine Gottheit, ein -irdisches Leben in ethischen Regeln als den alleinigen Zweck des -Menschen zu betrachten, wenn man dieses Leben nicht überhaupt als ein -Übel unter gleicher Voraussetzung zu überwinden hat! Wunderbar ist, -wie dabei die größten Gegensätze nebeneinander bestehen. Der mitunter -fast halluzinierende Theosoph und Spiritist hat den kühl abwägenden -und alles Supernaturalistische abweisenden Ethiker, Optimisten oder -Pessimisten zum Nachbarn. Wie sich allmählich aber eine Anschauung -mehr und mehr zur Herrschaft emporringt, die den Theismus (auch als -Deismus) mit dem sogenannten Atheismus versöhnt und verbindet, der -spinozistische Pantheismus, der mit der Theosophie die Idee eines -alles umfassenden, alles begreifenden Etwas, mit dem Atheismus die der -Selbständigkeit der Welt, ihr Freisein von einem persönlichen außer und -über ihr stehenden Herrscher, ihr Wurzeln auf sich selbst gemein hat, -werden wir später sehen. Einstweilen können wir vom Deismus noch nicht -scheiden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_333" id="Seite_333">[S. 333]</a></span></p> - -<div class="section"> - -<h4>39. <span class="gesperrt">Deistischer Rationalismus</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die weitere Entwicklung der Philosophie und Wissenschaft war jedoch -zunächst der intuitiv-religiösen Auffassung der Welt und des -Lebens an sich nicht günstig und mußte zu kühlerer Betrachtung der -Dinge führen und so an Stelle der Intuition den vernunftgemäßen -<span class="gesperrt">Rationalismus</span>, die festen Regeln der Vernunft, setzen. -Rationalistisch ist schon die Sokratische Ethik, ebenso zu einem sehr -großen Teil die Aristotelische Philosophie und vieles andere von -dem, was ich schon vorgetragen habe („Nichts Größeres als Vernunft, -denn sie ist die Seele der Seele“, soll Scaligers Wahlspruch gewesen -sein). Der moderne Rationalismus beginnt mit dem Urheber der modernen -Philosophie, <span class="gesperrt">René Descartes</span>, <span class="gesperrt">Renatus Cartesius</span> (1596 zu -La Haye bei Tours geboren, 1650 zu Stockholm gestorben). Er muß aber -bei diesem noch durchaus als mit Deismus gemischt bezeichnet werden, -weil Gott ganz und gar noch in der Mitte der Anschauung steht. Sein -Rationalismus beruht auf Gottbeweisen. „Der formale Grund,“ sagt -Descartes, „woraus wir den Glaubenssachen zustimmen, besteht in einem -gewissen inneren Licht, mit dem, von Gott erleuchtet, wir vertrauen, -daß was uns zu glauben gelehrt wird, von ihm enthüllt ist, und daß er -nicht lügen kann, da jenes Licht sicherer ist als das ganze Licht der -Natur.“ Das ist zunächst noch durchaus theosophisch gesprochen. Und -Descartes ist gläubiger, sogar wundergläubiger Katholik. Gleichwohl -ist er Rationalist, er will überall mit Vernunftgründen beweisen. Mit -dem „Licht der Natur“ will er wissenschaftlich in alles Natürliche -hineinleuchten und nur beim Allerletzten dem übernatürlichen Licht, -der inneren Offenbarung, Intuition, sein Vertrauen schenken. Dieses -lehrt ihn aber, daß Gott in jedem Augenblicke Grund der Welt ist, daß -diese ins Nichts versinkt, sobald er sie verläßt. Und so ist auch das -natürliche Licht von Gott in der Natur entzündet, denn Gott kann nur -wahr sein, selbst in seinen Werken. Diese Wahrheit ist an sich eine -relative, sofern Gott die Welt auch ganz anders hätte schaffen und -einrichten können, als<span class="pagenum"><a name="Seite_334" id="Seite_334">[S. 334]</a></span> geschehen ist; für uns jedoch bedeutet sie -eine absolute nach unserer Art. Unter solchen Umständen nimmt es sich -sonderbar aus, daß Descartes gleichwohl, mit anderen vor ihm, sich -noch nach <span class="gesperrt">Beweisen</span> für das Dasein Gottes umschaut. Diese sind -eben ein Teil seines Rationalismus. Er geht von dem berühmten Satz -aus: „Je pense, donc je suis“; cogito, ergo sum; Ich denke, also bin -ich; einem Satze, der sich lange vor ihm schon ausgesprochen findet. -Das ist also eine Gewißheit: „Ich bin“. Aus dieser Gewißheit schöpft -er die weitere: Was ich für sicher weiß, oder einfacher, was in mir -keinen Widersprüchen begegnet, ist auch wahr. Und wie so viele vor ihm -und nach ihm vertauscht er das Wahre mit der Existenz. Wir haben in -uns eine Idee von einem unendlichen, absolut vollkommenen und absolut -realen Wesen. Nun sind wir selbst endlich, unvollkommen und zeitlich -beschränkt. Und alles um uns ist es gleichfalls. Also können wir jene -Idee weder aus uns noch aus der Natur geschöpft haben. Und folglich -ist sie absolute Wahrheit, und Gott besteht. Offenbar ist dieser -<span class="gesperrt">psychologische</span> oder <span class="gesperrt">anthropologische</span> Beweis einzig ein -intuitiver. Er ist nicht falsch, wie man oft behauptet hat; er ist nur, -als intuitiv, unserer discursiven Vernunft, die rein logisch schließt -und sagt, weder ein Unendliches noch ein Absolutes liege <span class="gesperrt">fertig</span> -in unserem Geiste, sondern nur als stetig fortgeführte Abstraktion, -unzugänglich. Der andere Beweis heißt der <span class="gesperrt">ontologische</span>. Im -Grunde ist er eine Ergänzung zum psychologischen. In diesem wurde die -absolute Realität Gottes vorgesetzt. Descartes meint, diese gehöre -schon zum absolut Vollkommenen; was absolut vollkommen ist, muß auch -wirklich sein. Die Wurzel steckt in der so oft gemachten Annahme, -daß alles Unvollkommene aus einer Beimischung von Nichtwirklichem, -Nichtseiendem herstamme, die der Leser im Voraufgehenden so oft hat -hinnehmen müssen. Aber dieser Zusatzbeweis ist an sich nicht nötig. Der -psychologische Beweis genügt für die Intuition völlig. Und wer keine -Intuition zugibt, dem hilft der Zusatzbeweis auch nicht, denn wie Kant -nachgewiesen hat, gehört das <span class="gesperrt">Dasein</span> nicht zu dem Begriff eines -Dinges,<span class="pagenum"><a name="Seite_335" id="Seite_335">[S. 335]</a></span> wie die übrigen Merkmale. Hat nun Gott auch keine Merkmale, -was bleibt dann übrig, wenn ihm auch das Sein entzogen wird?</p> - -<p>Im Menschen erkennt Descartes eingeborene Begriffe (ideae innatae, -apriorische), sodann empirisch erworbene, auch abgezogene Begriffe -(ideae adventitiae, aposteriorische), zuletzt hervorgebrachte Begriffe -(ideae factae). Die ersteren umfassen die Hochbegriffe Gott, Wahrheit, -Freiheit usf.; die mittleren dienen zur Erkenntnis der Natur; die -letzten zum Hinausgehen über das unmittelbar in der Natur Gegebene, im -Anschluß daran. Vor allem ist der Mensch ein geistiges Wesen. Descartes -sieht aber in der Welt, wie Gott sie geschaffen hat, einen Dualismus: -Geist und Materie. Begrifflich werden beide als „<span class="gesperrt">Substanz</span>“ -bezeichnet. Jedes von ihnen hat ein „<span class="gesperrt">Attribut</span>“: der Geist -stetiges Denken, die Materie Ausdehnung. Die Einzelnen sind -„<span class="gesperrt">Modi</span>“: im Geist die Gedanken, in der Materie die Körper -mit Figur, Größe, Bewegung, Ruhe usf. Diese beiden Substanzen sind -absolut getrennt; und jede besteht nach ihrer Art, der Geist nach -geistiger, die Materie nach mechanischer Art. Dinge ohne Geist haben -nur mechanistisches (besser physisches) Leben. So unser Körper, in -dem alles rein mechanisch geschieht, wie in unbelebten Körpern, in -Maschinen. Tiere und Pflanzen sind den unbelebten Dingen gleich, sind -Maschinen. Der Mensch hat noch den unsterblichen Geist. Die Welt, ohne -die Geister, ist hiernach auch eine gewaltige Maschine. Geschaffen -wurde sie als eine harte Masse. Gott zerschlug diese Masse und setzte -ihre Teile (wie bei Anaxagoras der Nus) in wirbelnde Bewegung. Nun -stießen und rieben diese Teile aneinander, und es entstand so eine -feine, gröbere und ganz grobe Materie. Die feine zerstreute sich am -weitesten in das All und bildete in inneren Wirbeln allmählich die -Sonne und die Fixsterne. Die gröbste Materie gab Erde, Planeten, Monde, -Kometen usf. Die mittlere Materie wirbelt noch um Sonnen und Planeten -und andere Körper und reißt die Planeten um die Sonnen, die Monde um -die Planeten herum. Eine gewisse Ordnung unter allen Körpern<span class="pagenum"><a name="Seite_336" id="Seite_336">[S. 336]</a></span> entsteht -durch das Stoßen und Reiben; wie auch die drei Materien sich durch -Stoßen und Reiben voneinander geschieden haben. Descartes ist, wie wir -sehen, in seinem Dualismus theosophischer Deist in bezug auf Gott und -Geist, Mechanist in bezug auf die Körperwelt nach ihrer Entstehung und -der ihr eingeprägten Bewegung.</p> - -<p>Wie wirkt aber die Seele auf den Körper? An sich kann eine solche -Wirkung nicht stattfinden. Was Descartes darüber sagt, ist lediglich -seinen mechanistischen Anschauungen nachgebildet. Die Seele sitzt -in der Zirbeldrüse, in der Mitte des Gehirns. Die zu dieser Drüse -führenden Nerven werden von feinstem Blut (spiritus animalis) -durchströmt. Dadurch kommt die Drüse in Schwingungen, die die Seele -aufnimmt. Umgekehrt muß diese die Drüse in Schwingungen versetzen, die -den Gang des feinsten Blutes regulieren und so auf den Körper mittelbar -wirken. Diese Vergrobsinnlichung kann einen modernsten Mechanisten -erfreuen, aber die Frage nicht lösen. Darum ruft <span class="gesperrt">Geulincx</span> -(aus Antwerpen 1625–1669) Gott zu Hilfe. Jedem körperlichen Vorgang -entsprechend veranlaßt Gott einen seelischen, und jedem seelischen -entsprechend einen körperlichen. So lenkt Gott die Seele nach dem -Körper und den Körper nach der Seele. Frei ist nur immer je der erste -Vorgang, je der zweite ist von Gott veranlaßt, ausgelöst. Also wirkt -Gott <span class="gesperrt">gelegentlich</span>, es ist ein <span class="gesperrt">Okkasionalismus</span>, der -eine höhere Bedeutung gewinnt, wenn Gott nicht jedesmal regulierend -eingreift, sondern von vornherein Seele und Körper so gegeneinander -abgestimmt hat, daß sie, obwohl sich gegenseitig absolut fremd, doch -aufeinander antworten. Der Pariser <span class="gesperrt">Malebranche</span> (1638 bis 1715) -faßt das Verhältnis, nach Geulincx’ Vorgang, in dieser Weise auf. Aber -beide haben in Descartes’ Philosophie noch die Wendung gebracht, daß -der Geist überhaupt von Gott ist, die Materie freilich nicht. Dieser -Dualismus geht dann in einen solchen zwischen Gott und Welt über; und -er ist wenigstens insoweit pandeistisch, als Gott in den geistigen -Dingen vorhanden ist, vielleicht auch in den nichtgeistigen, sofern es -sich um Vorgänge handelt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_337" id="Seite_337">[S. 337]</a></span></p> - -<p>Es ist üblich, an diese Betrachtungen Spinozas Lehren anzuschließen, -gewissermaßen als letzte Ausbildung der Cartesischen. Allein Spinozas -Anschauungen sind rein monistisch und auch in keiner Weise deistisch. -Spinoza selbst hat Cartesius’ Schriften interpretiert und mag auch -sein System als aus dem Cartesischen erwachsen angesehen haben. Es ist -aber nicht mehr daraus hervorgegangen als des Cartesius’ System aus -irgendeinem der früheren Systeme mit Gott, Geist und Materie. Und das -rationalistische ist bei Cartesius kaum wo zu finden als in solchen -„Beweisen“, deren einer oben angeführt ist und seinen Grund doch allein -in der Intuition hat. Denn wiewohl Cartesius, wie schon bemerkt, auch -das natürliche Licht, die Erkenntnis aus dem Vorhandenen, auf Gott -zurückführt, ist er doch voller Zweifel an der Wirksamkeit dieses -Lichtes. Fürchtet er doch mitunter, daß dieses Licht von einem bösen -Dämon herrühren möchte, welcher uns Falsches für Gewisses vorspiegelt. -So daß ihm zuletzt nur das Intuitive bleibt, als das einzig Sichere, -wozu zunächst sein Grundsatz vom Dasein Gottes gehört und damit in -Verbindung der vom eigenen Dasein, der demnach lauten müßte: <span class="gesperrt">Ich -schaue Gott, also bin ich</span> (contemplor deum, ergo sum). Und in der -Tat ist Descartes auch nicht übel geneigt, den Geist als eine Emanation -Gottes anzusehen. Mit Descartes’ Deismus hängt auch zusammen, daß er -die Welt unendlich im Raume und unendlich in der Dauer, aber endlich -in der Entstehung auffaßt, und daß, wo er seinem Mechanismus abhold -wird, er Gott nicht allein die Schaffung der Welt, sondern auch ihre -stete Erhaltung und Leitung zuschreibt. In der Frage des freien Willens -verhält er sich sehr unsicher. Als Mechanist muß er ihn leugnen. Als -Deist kann er ihn bis zu einem gewissen Grade zulassen. Und in dem -Schwanken zwischen Mechanismus und Deismus ist wohl das Unsichere und -Sichwidersprechende in Descartes’ Anschauungen überhaupt zu suchen. -Spinozas System, das wir später kennen lernen werden, ist durchaus -konsequent. Und die Kunstausdrücke, die er nach Cartesius’ System -verwendet, besitzen ganz andere Wertgebung.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_338" id="Seite_338">[S. 338]</a></span></p> - -<div class="section"> - -<h4>40. <span class="gesperrt">Prästabilierte Harmonie, Determinismus, -Monaden, Korpuskeln, Realen, Samen</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir haben bereits an mehreren Stellen von der Anschauung einer -„Sympathie der Dinge“ gesprochen, durch die der Zusammenhang zwischen -den Dingen in der Welt erklärt werden sollte. Den Gipfel solcher -Lehren bildet die <span class="gesperrt">prästabilierte Harmonie</span> in Verbindung mit -der <span class="gesperrt">Monadologie</span>. Eine erste Fassung finden wir bei <span class="gesperrt">Franz -Mercurius van Helmont</span> (1618–1699), dem Sohn des uns schon bekannten -Arztes. Wie er die Seele stoisch betrachtet, so hat er sich im Grunde -auch eine Art Pandeismus zurecht gelegt, indem Gott zwar von allen -Dingen verschieden, aber doch nicht von allen Dingen abgetrennt oder -geteilt sein soll. Da Gott selbst ohne Zeit, ohne Raum, ohne Änderung, -ohne Vielheit ist, so läßt sich sein Zusammenhang mit den Dingen nur -so verstehen, daß er die Welt ständig ohne Ende schafft, indem er -immer weiter zu dem Vorhandenen Neues hinzubringt und zugleich alles -zur Veränderlichkeit bestimmt. Gedacht ist dieses emanistisch; der -Mittler ist das feinste von Gott ausgehende und das All erfüllende -Licht, die Welt ist ein davon abgeschwächtes. Und Christus ist insofern -in der Tat die Mitte, als er nur zum Guten veränderlich ist, nicht -zum Bösen, während die Geschöpfe zum Guten und Bösen sich neigen. -Indessen ist auch den Geschöpfen verliehen, sich dem Guten unendlich -zu nähern, und darin beruht die Unendlichkeit der Schöpfung. Die -Geschöpfe enthalten von Gott das Gute als Keim, und jedes Geschöpf ist -eine Unendlichkeit für sich, indem es eine geistige Reihe ohne Ende -bildet. So spiegelt jedes Geschöpf in gewisser Hinsicht Gott selbst -ab, nur unendlich unvollkommener als Gott. Wie Licht bemerkt wird, -wenn es an einem Körper reflektiert, (wir müssen sagen in uns, an der -Retina auftrifft), so kommt Gottes Licht zum Bewußtsein, indem es auf -eine dunkle Substanz trifft, die Materie des Körpers. Darum ist der -Körper notwendig auch zum Bewußtsein Gottes; als wenn das Licht seiner -selbst bewußt wird, indem es auf einen<span class="pagenum"><a name="Seite_339" id="Seite_339">[S. 339]</a></span> hemmenden Körper stößt. Lehren, -wonach Gott sich nur in der Schöpfung kennt, sind bereits erwähnt. -Und von Gott strahlt es auch ins Unendliche nach allen Seiten aus. -Dadurch ist die Verbindung aller Dinge bewirkt, indem eben jedes Ding -zu jedem Ding und durch jedes Ding geistige Emanationen sendet. So wäre -jedoch nur eine Art allgemeine Statik erreicht. Zur Dynamik in der -Welt kann van Helmont nur durch Mitwirkung Gottes gelangen. Die Welt -besteht aus unzähligen, unteilbaren <span class="gesperrt">Monaden</span>, die das physische -Leben bedingen, deren jede aber für sich absolut ein Individuum ist. -Verbunden sind die Monaden durch gottentstammte, allgemeine Sympathie -(wohl emanistisch so gedacht wie die Verbindung von Gott mit der Welt), -und ihre Wirkung aufeinander geschieht durch von Gott eingepflanzte -Bewegungsmöglichkeit der einen Monade zu der anderen. Also rührt alles -von Gott her, Unendlichkeit jedes Individuums zum Guten, Endlichkeit -zum Bösen, Sympathie Jedes gegen Jedes, Wirkung Jedes gegen Jedes. Die -körperlichen und geistigen Dinge sind Aggregate von Monaden, die unter -der Herrschaft einer Monade, der Seele, stehen, die als Zentralgeist -alle einzelnen Monaden in sich faßt, insbesondere des betreffenden -Dinges, aber auch der übrigen Welt (durch Sympathie?). Und wie keine -Monade, nachdem sie geschaffen, untergehen kann, so erst recht nicht -die Seele. Was noch von mehreren Welten gesagt wird, reicht ins -Mystische. Vier sind vorhanden: die oberste Welt ist Christus als -Lichtall. Die folgende, Welt der Schöpfung, ist wohl als eine Art -platonischer Ideenwelt gedacht. In der dritten Welt, Welt der Bildung, -wird in der oberen Schicht das Gute der Ideen verwirklicht, in der -unteren das Unvollkommene. Die Festigkeit nehmen die unvollkommenen -Verwirklichungen in der vierten, mechanischen körperlichen Welt der -Gestaltung. So gehört der Körper der vierten, der Geist der dritten, -die Seele der zweiten Welt an. Das stellte die eigentliche Welt (Mundus -factionis) wieder sehr niedrig, wenn eben nicht Gottes Strahlen bis -in sie hineinreichten und so eine Entwicklung nach oben ermöglichten. -Diese Entwicklung aber schließt die Seelenwanderung, „Re<span class="pagenum"><a name="Seite_340" id="Seite_340">[S. 340]</a></span>volution der -Seelen“, ein. Jede Seele bildet sich ihren Körper aus den Monaden -nach der durch ihren Zustand bestimmten Herrschermacht. So entwickelt -sich ihr Leib mit ihrer eigenen Entwicklung, und sie kann so aus den -niedrigsten Existenzen zu den höchsten steigen, aber auch von höchsten -zu niedrigsten fallen. Hat sie auf Erden die höchste Existenz erreicht, -so geht sie in die erste Welt ein und kommt nicht wieder; dort -entwickelt sie sich noch weiter. Die Seelen der Kinder sind Monaden der -Eltern, daraus die Vererbung des Guten wie des Bösen. Sehr verständlich -ist die ganze Lehre offenbar nicht; sie enthält zuviel nach einer -Seite, der der Vollkommenheit, und zu wenig nach der anderen, der -des Schlimmen; das letztere ein Mangel, den wir ja überall getroffen -haben, außer bei Jakob Böhme. Eine wirkliche Harmonie haben wir hier -nicht, viel weniger eine prästabilierte. Aber die Anlage ist zweifellos -vorhanden, namentlich in den lebensvoll aufgefaßten Monaden.</p> - -<p>Wir kommen zu einem der Größten, <span class="gesperrt">Gottfried Wilhelm Leibniz</span>. Er -ist zu Leipzig am 21. Juni 1646 als Sohn des Moralprofessors Leibniz -geboren. Gestorben ist er am 14. November 1716. Seine Bedeutung für -fast alle Zweige der Wissenschaft ist außerordentlich. Hier haben wir -es nur mit einer seiner Leistungen zu tun, die aus seiner Welt- und -Lebenanschauung fließt. In einer der vielen Auslassungen über seine -Anschauung, in der Schrift „De la nature en elle-même“, bezieht sich -Leibniz auf die bekannten Eigenheiten der Körper, die der „Trägheit“ -zugeschrieben werden, und meint mit Recht, daß diese allein aus der -Ausdehnung der Dinge oder ihrer Masse nicht zu verstehen sei, daß es -sich vielmehr um etwas handle, das außerdem den Dingen noch zukomme. -„Und dieses substantielle Prinzip,“ sagt er, „das in den lebenden Wesen -Seele heißt, in den anderen substantielle Form, und die zusammen mit -der Materie eine wirkliche Substanz bildet, aber schon durch sich eine -Einheit darstellt, dieses Prinzip nenne ich eine <span class="gesperrt">Monade</span>.“ Die -Monaden sind einfach, ohne Teile, nicht bildbar und nicht vernichtbar, -außer durch Gott. Jede Monade ist ein Gegenstand für sich;<span class="pagenum"><a name="Seite_341" id="Seite_341">[S. 341]</a></span> irgendeine -Einwirkung auf ihr Wesen und in ihrem Wesen durch ein Äußeres, außer -durch Gott, ist absolut ausgeschlossen. „Die Monaden,“ heißt es in -der Monadologie, „haben keine Fenster, durch die etwas eindringen und -hinaussteigen könnte.“ Alle Änderungen einer Monade kommen aus ihrem -eigenen Inneren. Die Monaden sind erschaffen und dabei mit ihren -Änderungen begabt. Sie sind jede eine Einheit einer Vielheit von -Einzelheiten, die hiernach eine Beziehung bilden. Diese jedesmalige -Vielheit in der Einheit, wechselnd in den vorübergehenden Zuständen, -ist die <span class="gesperrt">Perzeption</span>, und was den Wechsel von einer Perzeption -zur anderen bewirkt, bildet die <span class="gesperrt">Appetition</span>. Solches muß aus -unserem Seelenleben erschlossen sein, da wir uns unserer Einheit bewußt -sind, zugleich aber auch der Vielheit in unseren Seelentätigkeiten. -Perzeption wäre also die jeweilige Wahrnehmung aller inneren -Tätigkeiten, Appetition die des Wechsels der Tätigkeiten. Hiernach -kann man die Monaden auch als Seelen ansehen oder als Entelechien (<a href="#Seite_250">S. -250</a>); letzteres, weil sie eine gewisse Vollkommenheit der Zwecklichkeit -besitzen. Doch reserviert Leibniz die Bezeichnung „Seele“ für -diejenigen Monaden, deren Perzeptionen mehr unterschieden und von -Gedächtnis begleitet sind. Die Monaden weichen nämlich voneinander ab -in Perzeption und Appetition. Aber selbst jede Seele verhält sich bald -deutlich, bald undeutlich bewußt, nur daß bei ihr die undeutlichen -Perzeptionen vorübergehend sind, die bei den einfachsten Monaden -dauernd. Monaden ohne jede deutliche Perzeption werden als „ganz bloß“ -bezeichnet (Monades toutes nues). So stufen die Monaden sich ab von -gänzlicher Bloßheit bis zum Menschenseelischen, mit der Kenntnis der -notwendigen und ewigen Wahrheiten, und mit dem Bewußtsein von sich -selbst und von Gott. Alle Monaden haben die Gründe ihrer Vollkommenheit -und Unvollkommenheit in sich. Dem Grade der Vollkommenheit entspricht -die Tätigkeit (actio), dem der Unvollkommenheit das Leiden (passio). -Jede Monade hat ein Bewußtsein von demjenigen, was in den anderen -Monaden enthalten ist; sie gilt um so vollkommener, je mehr sie sich -a priori Rechenschaft geben kann von dem, was in den anderen Monaden -vorgeht; und darin besteht ihre<span class="pagenum"><a name="Seite_342" id="Seite_342">[S. 342]</a></span> Wirkung auf sie. Leidend verhält sie -sich, sobald der Grund von dem, was in ihr vorgeht, in demjenigen sich -befindet, das es deutlich in einem anderen, eben in ihr, kennt.</p> - -<p>Die gegenseitige Wirkung ist hiernach nur eine ideelle. An sich -liegt sie in Gott, indem Gott bei Schaffung der Dinge überhaupt -für jede Monade mit Bezug auf alle anderen Monaden bedacht war. In -diesem Bedachtsein Gottes bei der Schaffung jeder Monade auf alle -anderen Monaden, wodurch deren geordnete Wirkungen aufeinander nach -ewigen Gesetzen sich erklärt, ist die <span class="gesperrt">prästabilierte Harmonie</span> -begründet. Jede Monade wirkt zwar nur nach ihrer Art, aber diese -Art ist von vornherein so beschaffen, wie es die Rücksicht auf alle -anderen Monaden erforderte, so daß jede Monade nach ihrer Art ihre -bestimmte Stellung in der Welt von vornherein einnimmt. So hat -jede Monade Bewußtsein vom ganzen All. Indessen doch immer wieder -in ihrer Art. Und so schaut die Welt vom Gesichtspunkte (point de -vue) jeder Monade anders und anders aus. Aber wie eine Stadt von -verschiedenen Standpunkten verschiedene Anblicke bietet und doch nur -immer dieselbe Stadt ist, so die Welt. Sie ist nur eine, wenn auch von -den verschiedenen Monaden verschieden aufgefaßt. Gott ist aber der -allgemeine Grund aller Dinge, in ihm erscheint jedes wie es ist. Und -wie es ist, mußte es aus der Natur Gottes sein, der die Welt nicht -nach einem willkürlichen Plan so oder anders hätte schaffen können, -sondern wie er sie geschaffen hat, als Gott schaffen mußte. Denn Gott -ist absolut vollkommen; sein Können, sein Wissen, sein Wollen — bei -den Monaden: Subjekt (Eigen), Perzeption, Appetition — sind absolut -unbeschränkt. Und weil sie absolut sind, konnte es sich nicht um die -„Wahl eines Besseren“ handeln, das ja ein endliches Wissen bedeutet.</p> - -<p>Alle Dinge sind aus Monaden zusammengesetzt. Da die Wirkung der Monaden -aufeinander nur eine gedachte ist, so besagt die Zusammensetzung -nicht ein Zusammenhalten, sondern ein deutlicheres Bewußtsein -dieser Monaden von einander als von anderen Monaden, die nicht dem -betreffenden Dinge angehören. In dem Wechsel des Bewußtseins von dem<span class="pagenum"><a name="Seite_343" id="Seite_343">[S. 343]</a></span> -anderen ist es begründet, wenn Monaden aus den Dingen ausscheiden. -So ist alles Wachsen nur ein Zunehmen von Monaden mit Bewußtsein vom -Vorhandenen und im Bewußtsein des Vorhandenen. Und umgekehrt, alles -Schwinden eine Abnahme von Monaden mit solchem Bewußtsein und in -solchem Bewußtsein. Und so sind auch räumliche Form und Materie nur -solche Bewußtseinszustände. Alles dieses liegt in den Monaden und -der prästabilierten Harmonie. Und die Welt ist ein „Phainomenon bene -fundatum“, eine gewaltige Maschine, deren einzelne Teile, die Monaden, -gleiche Maschinen sind. Im Kleineren werden wir diese Vergleichung -später bei dem philosophischen Biologen <span class="gesperrt">Driesch</span> wiederfinden. -Die Welt ist nirgend und niemals unterbrochen, sie ist kontinuierlich -und lebt kontinuierlich nach Gottes Harmonie. Die Unvollkommenheiten -liegen in der Endlichkeit der Monaden, hinsichtlich ihres Subjekts, -ihrer Perzeption und ihrer Appetition, die ja notwendig war, sollte -überhaupt eine Welt vorhanden sein, da, wenn diese Endlichkeit -aufgehoben wird, alles ja Gott ist. Dem Preis Gottes und dem Verhältnis -des Menschen zu ihm ist die berühmte Théodicée gewidmet. Diejenige -Monade in einem Ding, welche namentlich Bewußtsein von allen anderen -Monaden hat, ist die <span class="gesperrt">Zentralmonade</span>, bei den Lebewesen die -<span class="gesperrt">Seele</span>. Nur sofern eine solche Zentralmonade vorhanden ist, darf -von einem „Körper“ gesprochen werden, der im übrigen nichts bedeutet -als Monaden, hauptsächlich im Bewußtsein der Seele. So gibt es keinen -Leib ohne Geist. Aber auch keinen Geist ohne Leib, denn das würde -bedeuten, daß eine Monade überhaupt von anderen Monaden kein Bewußtsein -hätte. Freilich besagt dieses, daß im Grunde jeder Leib unendlich -ist wie das All, so daß an sich die ganze Welt, jedes darin Seele -und Leib wäre, und das was wir Leib nennen, nur den Teil bedeutete, -der besonders zum Bewußtsein gelangt ist. Dieser Schwierigkeit kann -man nur entgehen, wenn man annimmt, daß die Monaden von gewissen -Monaden so gut wie gar kein Bewußtsein haben. Sie ist aber auch allen -panpsychistischen und pandeistischen Anschauungen inhärent. Da die -Monaden<span class="pagenum"><a name="Seite_344" id="Seite_344">[S. 344]</a></span> keine Ausdehnung haben, und da die Welt als Kontinuum besteht, -so sind die Dinge nicht bloß dem Gedanken nach ins Unendliche teilbar, -sondern tatsächlich ins Unendliche organisiert. Charakteristisch -aber für Leibniz, in dem wir ja auch einen großen Mathematiker und -Physiker besitzen, ist, daß er nach Prästabilierung der Harmonie nur -die Weltgesetze walten und ein stetes Eingreifen Gottes, wenn es -vorhanden ist, immer nur in den Weltgesetzen sich äußern läßt. Und -seine Naturerklärung ist eine mechanische; unvermittelte Wirkungen -lehnt er ab, so die Newtonsche Attraktionswirkung in die Ferne, die -er für ein stetes Wunder erklärt. Das gehört schon in das folgende -Buch. Wie man von der Leibnizschen Anschauung zur Unsterblichkeit der -Seele kommen muß und zur Seelenwanderung kommen kann, ist klar. Wie -aber die Unsterblichkeit hier eine ganz andere Bedeutung hat als die -theologische, ist ebenso klar. Die irdische Persönlichkeit kann ja gar -nicht bestehen bleiben, wenn die Zentralmonade sich von den anderen -Monaden, dem Körper, getrennt und so das deutliche Bewußtsein ihrer -verloren hat. Sie kann dann von ihnen kein anderes inneres Bewußtsein -haben als im Leben von den ihrem Körper nicht gehörigen Monaden, also -nur das allgemeine Weltbewußtsein, das gegenüber dem Bewußtsein vom -Körper so gut wie gar nicht besteht.</p> - -<p>Zum Schluß noch eine Bemerkung. Es ist mehrfach behauptet worden, -daß die von Leibniz eingeführte <span class="gesperrt">Perzeption</span> im Gegensatz zur -<span class="gesperrt">Apperzeption</span> ein rein unbewußtes Vorstellen sein soll. Das ist, -wie ich glaube, nicht richtig. Leibniz scheint mir unter Perzeption -nur eine passive, automate Art des Vorstellens zu verstehen, die -stufenweise von völliger Unbewußtheit zu Höchstbewußtsein steigt. -Leibniz hat sich freilich nicht bestimmt genug ausgedrückt. Allein -seine ganze prästabilierte Harmonie hätte ja gar keinen besonderen -Wert neben der einfacheren Mechanistik, wenn er unter Perzeption -in der Tat nur ein absolutes Unbewußtes verstanden hätte. Außerdem -könnte man nicht, wie Leibniz es tut, von verschiedenen Perzeptionen -sprechen; was unbewußt ist, kann nicht verschieden sein. Ich glaube, es -ist<span class="pagenum"><a name="Seite_345" id="Seite_345">[S. 345]</a></span> verwechselt worden das Eintreten der Vorstellung, das allerdings -unbewußt sein soll, mit der Vorstellung selbst, die alle Stufen der -Deutlichkeit durchlaufen kann.</p> - -<p>Die Monadenlehre Leibniz’s ist von <span class="gesperrt">Droßbach</span> in zwei lesenswerten -Büchern: „Die persönliche Unsterblichkeit“ und „Die Genesis des -Bewußtseins“ ins Atomistische übertragen und nicht unerheblich -ausgebaut worden. Ich muß mich aber auf diesen Hinweis beschränken. -Eine „Harmonie der Welt“ hat der große <span class="gesperrt">Kepler</span> (1571–1630) -an die Spitze seiner Anschauungen gestellt, freilich mehr in -pythagoreisch-mathematischem Sinne.</p> - -<p>Daß des „Professors der Menschheit“ und großen philosophischen -Systematikers und Polyhistors <span class="gesperrt">Christian Wolff</span> (geboren zu -Breslau 1679, gestorben 1754) letzte Elemente, <span class="gesperrt">Corpuscula</span> -derivativa, der Dinge mit Leibniz’s Monaden und sein Determinismus mit -dessen prästabilierter Harmonie übereinkommen, ist schon zu Lebzeiten -des bedeutenden Mannes erkannt worden. Nur will er den Monaden statt -des geistigen Weltbewußtseins, -vorstellens, -kennens mehr Kräfte -zuschreiben, durch die sie wirken und leiden; Kräfte jedoch, die -mit dem, was wir gewöhnlich Kraft nennen, keine Ähnlichkeit haben, -überhaupt sich nicht aus der physischen Natur verstehen lassen. Es -findet also gegen Leibniz eigentlich nur ein Namentausch statt, der -aber nicht zum Vorteil des Systems ausschlägt. Diese Philosophia -corpuscularis soll aber die wahre Ratio der besonderen Phänomene -beibringen, denn diese sind begründet in den Qualitäten der Korpuskeln -und der Art, wie diese untereinander verbunden sind. Die schöne Poesie -des Leibnizschen Systems fehlt hier, im Grunde auch die Konsequenz. -Sobald es sich jedoch um die Wirkung zwischen Körper und Seele handelt, -erkennt Wolff die prästabilierte Harmonie als die beste Erklärung an.</p> - -<p>Determinist im Leibnizschen Sinne, soweit seine Rechtgläubigkeit es -zuließ, war auch <span class="gesperrt">Moses Mendelssohn</span> (1729 zu Dessau geboren, -1786 in Berlin gestorben). Indessen war er es nur unter der Bedingung -der Unsterblichkeit. Wenn die Hoffnung dieser nicht wäre, sei der -Mensch das elendeste Tier auf Erden und bliebe ihm nichts übrig, als -in Betäubung<span class="pagenum"><a name="Seite_346" id="Seite_346">[S. 346]</a></span> dahinzuleben und zu verzweifeln. Und wie er bemüht war -die Unsterblichkeit zu erweisen und zu ihr mit aller Kunst eines -gottgläubigen und edlen Gemütes zu überreden, zeigt sein <span class="gesperrt">Phädon</span>, -der erst als Übersetzung des gleichnamigen Gesprächs des Platon -beabsichtigt ist, dann aber das Vorbild verläßt und schärfer noch als -dieses, und mit besseren Waffen, für unsere Seele kämpft. Aber überall -tritt bei ihm der Deismus hervor und spielt die Contemplatio eine -viel größere Rolle als die Ratio. Seltsam ist, daß, obwohl er selbst -pandeistische Neigungen verrät, die außerordentliche Philosophie seines -geistesgewaltigen Glaubensgenossen Spinoza ihm so zuwider war, daß -der Kampf gegen die Meinung, sein Freund Lessing sei in den letzten -Lebensjahren Spinozist gewesen, ihm das Herz brach und ihn früh ins -Grab senkte.</p> - -<p>Es ist möglich, das <span class="gesperrt">Lessing</span> in der Tat zuletzt sich dem -Pantheismus Spinozas zugewandt hat; ursprünglich aber war er -Leibnizianer, namentlich in bezug auf die letzten Wesen und die -Harmonie. Was Gott denkt, ist; dachte er sich selbst insgesamt, so -ward der ihm identische Sohn, Christus. Stellte er sich in seinen -Vollkommenheiten zerteilt vor, so ward die Welt. Diese muß darum -von allen möglichen Welten die vollkommenste sein, die vollkommene -Stufenleiter der Vollkommenheiten darstellen. Der unmittelbare -Gegenstand dieser schöpferischen Tätigkeit sind einfache Wesen, alles -Zusammengesetzte ist nur eine Folge dieser Schöpfung. Alles was in der -Welt vorgeht, ist aus der Harmonie der einfachen Wesen zu erklären. -Die einfachen Wesen sind „gleichsam eingeschränkte Götter“. Sie sind -voneinander unterschieden durch größeres oder geringeres Bewußtsein -ihrer Vollkommenheit. Das Gesetz des Menschen sei: „Handle deinen -individualischen Vollkommenheiten gemäß“. Im Grunde steckt schon hier -ein Stück Pandeismus, denn die Welt ist: die Vollkommenheiten Gottes -zerteilt gedacht. Und Lessing sagt auch, daß er sich die Wirklichkeit -einer Welt außer Gott nicht denken könne. Aber Spinozas Pantheismus ist -das gleichwohl nicht. Die Unsterblichkeit betrachtet er wie Platon, die -Indier u. a., als Mittel zur steten Vervollkommnung. Und<span class="pagenum"><a name="Seite_347" id="Seite_347">[S. 347]</a></span> gleicherweise -die Seelenwanderung. Paragraph 93 und folgende in „Die Erziehung -des Menschengeschlechts“ heißt es: „Eben die Bahn, auf welcher das -Geschlecht zu seiner Vollkommenheit gelangt, muß jeder einzelne Mensch -(der früher, der später) erst durchlaufen haben... Warum könnte jeder -einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt gewesen -sein?... Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue -Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich -auf einmal so viel weg, daß es der Mühe, wieder zu kommen, etwa nicht -lohnet? Darum nicht? — Oder weil ich es vergesse, daß ich schon -dagewesen?... Und was ich auf jetzt vergessen <span class="gesperrt">muß</span>, habe ich denn -das auf ewig vergessen? Oder weil so zuviel Zeit für mich verloren -gehen würde? — Verloren? — Und was habe ich denn zu versäumen? Ist -nicht die ganze Ewigkeit mein?“ Das wiegt tausend Räsonnements eines -trockenen Theologen auf. Schwierig damit, daß nämlich der Einzelne -sich fortschreitend vervollkommnet, zu vereinen ist Lessings Ansicht, -daß die Vollkommenheit der Welt keine fortschreitende sondern eine -(durchschnittlich) stabile ist, was eben daraus folgen würde, daß Gott -sie geschaffen hat. Ob dem Fortschritt Rückschritte entsprechen? Daß -ein Lessing die Leibnizschen Lehren von Himmel und Hölle des Orthodoxen -entkleiden mußte, versteht sich von selbst. Lessing wird auch zu den -<span class="gesperrt">Popularphilosophen, Aufklärungsphilosophen</span> gerechnet.</p> - -<p>Von <span class="gesperrt">Herbart</span> (1776 in Oldenburg geboren, 1841 gestorben) -gehören wenigstens die <span class="gesperrt">Realen</span> hierher. Darin, daß sie absolute -Einheiten, unteilbar, zeitlos, raumlos sein und Aggregate von ihnen -die Dinge bedeuten sollen, gleichen sie den Leibnizschen Monaden. Sie -sind auch uranfänglich voneinander verschieden. Jede Reale soll ihre -Qualität stetig und in Ewigkeit behalten. Das einzige, ihr inneres -Leben Bedeutende ist lediglich die „<span class="gesperrt">Selbsterhaltung</span>“. Diese -macht sich geltend den „<span class="gesperrt">Störungen</span>“ anderer Realen gegenüber, -und in dieser Selbsterhaltung besteht alles Leben und Vergehen in -der Natur. So sind alle unsere seelischen Tätigkeiten wie Denken, -Fühlen, Wollen usf. nur Selbsterhaltungen gegen<span class="pagenum"><a name="Seite_348" id="Seite_348">[S. 348]</a></span> Anderes; und das -Bewußtsein ist der Inbegriff all dieser Selbsterhaltungen. Die -Dinge sind wie bei Leibniz ein Zusammensein von Realen, aber nicht -in dessen geistigem Sinne, da die Realen keine Vorstellung haben, -sondern ein mehr zufälliges. Wenn verschiedene Reihen von Realen -einen gleichen Ausgangspunkt haben, so fassen wir sie als Ding auf. -Gegenüber der Klarheit des Leibnizschen Systems weiß man sich hier kaum -durchzufinden. Da die Realen absolut einfach und ohne jede Vorstellung -von Anderem sein sollen, namentlich ohne jeden Wechsel in ihrem -Inneren, wie erfährt da eine Seele die „Störung“, also die Gegenwart -einer anderen Seele? Was kann Selbsterhaltung anderes bedeuten als -Tätigkeit zur Erhaltung eines Vorhandenen, eben des Selbst? Wie ist -das aber mit der absoluten, einfachen Wechsellosigkeit zu vereinigen? -Was führt die Realen zusammen? Herbart spricht auch von Vorstellungen. -Zeller (Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz) meint, -die Konsequenz dieses Systems wäre, „daß die Form, unter der uns -die Realen erscheinen, ihre Verbindungen und die Änderung dieser -Verbindungen, nicht in ihnen selbst und ihrem objektiven Verhältnis, -sondern nur in unserer subjektiven Auffassung begründet sei“. Aber -auch das geht nicht. Wir sind ja selbst Reale; wie kommen <span class="gesperrt">wir</span> -denn zu Auffassungen, ob subjektiven oder objektiven? In Herbarts -Naturphilosophie machen sich die Übel dieser Unbegreiflichkeiten so -schwer geltend, daß zuletzt — eben aus absolutem Mangel an jedem -ideellen oder wirklichen Zusammenhang zwischen den Realen, wodurch -auch ein Raum und eine Zeit, selbst nur gedacht „intelligibel“, -ausgeschlossen wird — sogar <span class="gesperrt">Möglichkeiten</span> von Zusammensein -von Realen, erst als Bilder und dann als Reale selbst, behandelt -werden, wie geometrische Konfigurationen, und daß auch teilweise -Durchdringlichkeit der Realen angenommen wird. Ich darf hier -aufhören, weil ich doch nicht weiß, wie eine deutliche Anschauung zu -gewinnen ist. Nur das möchte ich noch erwähnen, daß Herbart Gott aus -teleologischen Gründen setzt. Bringt Gott den Zusammenhang hinein? Und -wie?</p> - -<hr class="book" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_349" id="Seite_349">[S. 349]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="DRITTES_BUCH"><span class="s5">DRITTES BUCH.</span><br /> - -Metaphysische und physische Welt- und Lebenanschauungen.</h2> - -</div> - -<p>Wir sammeln in diesem Buche alle diejenigen Anschauungen von Welt und -Leben, bei denen von Gott als Weltschöpfer und Welterhalter entweder -ganz abgesehen oder der geringst mögliche Gebrauch gemacht wird. -Vielfach widerstreitet hier die Theorie der Praxis; und so bestehen -Anschauungen, bei denen von Gott entweder nur nicht gesprochen wird, -indeß er im Hintergrunde doch mindestens als erste Ursache waltet, -oder bei denen, was theoretisch wegdisputiert ist, praktisch wieder -eingeführt wird. Es soll dieses im einzelnen erhellen. Viele aber -nehmen in der Tat lieber einen blinden Zwangsmechanismus als einen -unumschränkten Herrn, der so viel Übel in der Welt geschehen läßt. Die -Gesamtheit der Anschauungen teilt sich in metaphysische und physische. -Jene erwachsen aus Untersuchungen über die letzten Dinge, über das was -wahr ist, diese aus der umgebenden Wirklichkeit. Die Unterscheidung -besteht jedoch nur für die Extreme, sonst geht Metaphysisches und -Physisches durch und ineinander.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h3 class="nobreak" id="SECHSTES_KAPITEL"><span class="s5">SECHSTES KAPITEL.</span><br /> - -Welt- und Lebenanschauungen des Idealismus.</h3> - -</div> - -<p>Wenn wir die Dinge, und uns mit, so nehmen, wie sie uns erscheinen, -und nichts weiter hinter ihnen als Anderes setzen, so sprechen wir -von einem <span class="gesperrt">Realismus</span>. Betrachten wir aber die Dinge nur als von -uns verdinglichte Erscheinungen, hinter denen ein Anderes entweder -gar nicht vorhanden, oder<span class="pagenum"><a name="Seite_350" id="Seite_350">[S. 350]</a></span> eben als ein Anderes vorhanden ist, so -sprechen wir von einem <span class="gesperrt">Idealismus</span>, und das was etwa hinter -den Dingen steht, bedeutet das <span class="gesperrt">Transzendente</span>. Dinge sind dann -für uns objektivierte Transzendente; entweder Nichts oder unserem -Begreifen entzogene Gegenstände, <span class="gesperrt">transzendente Wirklichkeiten</span>. -Die zahlreichen Arten und Abarten des Idealismus besonders zu -erklären, darf ich hier unterlassen, sie werden bald in der Behandlung -hervortreten.</p> - -<div class="section"> - -<h4>41. <span class="gesperrt">Phantomismus (Illusionismus), Eleaten, -Skeptiker</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die <span class="gesperrt">Indier</span> hatten auch die Anschauung, daß die ganze Welt, -einschließlich aller Lebewesen, nur ein Traum Brahmas sei. Mit dem -Traum ist alles entstanden, und wenn Brahma erwacht, ist alles -geschwunden, wie die Bilder unserer Träume kommen und spurlos verwehen. -Denn Traumgestalten sind wir, und Traumgestalten sind Himmel, Gestirne -und Erde. Eine Milderung dieser Anschauung bedeutet es, wenn, in einer -anderen Anschauung, dieser Traum nur in den Menschen verlegt wird, es -also heißt, die Welt ist nur in <span class="gesperrt">uns</span> als ein Traum. Wir bestehen, -die Welt aber besteht nur in uns. Unser irdisches Leben ist Träumen. -Sind wir von diesem Leben befreit, so ist keine Welt, nur wir sind. In -dieser, dem Verständnis aus der Analogie unserer wirklichen Traumwelten -leichter zugänglichen Form ist die Lehre weit verbreitet. Wir finden -sie selbst bei den realistischen Chinesen. Lao-tsse sagt, das Leben sei -ein Gaukelspiel eines wirren Traumes.</p> - -<p>Indessen gibt dieses letztere kein philosophisches System, weil -es gar zu sehr metaphorisch unernst wirkt. In der ersten Wendung -aber finden wir bei den Indiern Lehren, die durchaus einem solchen -philosophischen System angehören. Eines nur ist: Brahman (<a href="#Seite_230">S. 230</a>). -Dieses Eine ist ewig und unveränderlich, ohne jede Qualität, ein -absolutes Eins. Zu diesem Eins kommt das Unwissen (Avidyiâ), oder -das Sichtäuschen (Mâyâ), ein Unbegreifliches; und unter diesem ist -das Eins Mannigfaltigkeit, Welt geworden, mit allen Dingen und allen -Veränderungen. Das ist ein Pan<span class="pagenum"><a name="Seite_351" id="Seite_351">[S. 351]</a></span>theismus, aber nur als Phänomen, nicht -als Wirklichkeit; die transzendente Wirklichkeit ist allein das Eins, -Brahman. Die Dinge und die Vorgänge sind als Täuschung praktisch real, -als transzendente Wirklichkeit Nichts, oder vielmehr Brahman. So lautet -die <span class="gesperrt">Illusionslehre</span> des <span class="gesperrt">Sankara</span> in der Vedantaphilosophie -(<a href="#Seite_259">S. 259</a>):</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„In einem halben Vers will ich erklären, was in Millionen Bänden erklärt worden ist;</div> - <div class="verse">Brahman ist wahr, die Welt ist falsch, die Seele ist Brahman und nichts anderes.“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Und so besteht ein doppelter Brahman, die absolute transzendente -Wirklichkeit, das Eins, Param Brahman, und die Illusionswirklichkeit, -das phänomenale Brahman, Aparam Brahman. Damit hat die Welt Realität -und hat auch keine. Praktisch ist sie aber durchaus real. Letzteres -mußte Sankara lehren, denn sonst fielen ja alle ethischen Grundsätze -und alle Religion mit allen Göttern fort, und für Sankara war die Veda -eine heilige Schrift. Warum die Illusion hinzukommt, wird nicht gesagt, -noch woher sie stammt. Sie wird aber mitunter neben Brahman (oder -<span class="gesperrt">in</span> Brahman?) so real bezeichnet, daß sie als Mâyâ Persönlichkeit -erlangt, gar als Gattin Brahman sich zugesellt.</p> - -<p>Der Leser, dem die griechische Philosophie bekannt ist, wird schon -bemerkt haben, welche außerordentliche Ähnlichkeit die obigen -Darlegungen mit denen der Schule der sogenannten <span class="gesperrt">Eleaten</span> haben. -Als Stifter dieser Schule wird <span class="gesperrt">Xenophanes</span> (<a href="#Seite_231">S. 231</a>) bezeichnet, -ein Ionier, der sich in Elea in Unteritalien niederließ. Er ist es, -von dem der berühmte Ausspruch stammt, daß, wenn Rosse und Ochsen -„malen könnten und Werke bilden wie die Menschen, so würden die Rosse -roßähnliche, die Ochsen ochsenähnliche Göttergestalten malen und -Werke bilden, wie jede Art gerade selbst das Aussehen hätte“. Und -so tadelte er die Griechen nicht bloß wegen ihrer Anthropomorphie -der Götter, sondern auch wegen ihrer Götter-Vielheit. Nur einen Gott -gibt es, ein Eins, ein Ewiges, Unvergängliches. Und dieses ist das -Weltganze. Mehr ist von seinen allgemeinen Lehren mit<span class="pagenum"><a name="Seite_352" id="Seite_352">[S. 352]</a></span> Zuverlässigkeit -nicht bekannt. Selbst daß er in Gott das Weltganze gesehen hat, -dürfte mehr Vermutung sein, da, was er sonst von der Welt sagt, rein -physisch ist und der Würde der Gottheit kaum entspricht. Sicherer -ist was <span class="gesperrt">Parmenides</span> (um 544 v. Chr. geboren) aus Elea lehrte: -„Nötig ist dies zu sagen und zu denken, das Seiende existiert, denn -das Sein (τὸ ἐόν) ist, das Nicht ist nicht.“ „So bleibt nur noch -Kunde von einem Wege, daß das Seiende existiert. Darauf stehen gar -viele Merkpfähle. Weil ungeboren, ist es auch unvergänglich, ganz, -einziggeboren (μονογενές), unerschütterlich und ohne (zeitliches) -Ende. Es war nie und wird nicht sein, weil es jetzt ganz alles ist.“ -„Auch teilbar ist es nicht, weil es ganz gleichartig ist. Und es ist -auch nirgend etwa ein intensiveres, das seinen Zusammenhang hindern -möchte, noch ein geringeres; es ist ganz vom Seienden erfüllt... -Sodann liegt es unbeweglich in den Schranken starker Fesseln, ohne -Anfang, ohne Ende... Als Selbiges in Selbigem verharrend, ruht es in -sich selbst und verharrt so standhaft alldort. Denn der starke Zwang -(ἀνάγκη, Ananke) hält es in den Banden der Schranke, die es rings -umgibt. Darum darf das Seiende nicht unabgeschlossen sein, denn es ist -mangellos, und es wäre gänzlich mangelhaft, wär’s anders...“ (Diels: -Fragmente der Vorsokratiker. Ich habe hier und im folgenden, sowie -im voraufgegangenen, die Übersetzungen dabei benutzt, jedoch, meinem -Zweck entsprechend, sie möglichst genau an den Wortlaut des Originals -angepaßt.) Schon der Abschluß zeigt, daß Parmenides sich das Seiende -als eine Realität dachte. Was er weiter sagt, rückt diese Realität fast -ins Materielle: „Aber da eine letzte Grenze vorhanden ist, so ist das -Seiende abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse -einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich -stark“. Das wäre auch der Sphairos des Empedokles (<a href="#Seite_231">S. 231</a>). Es ist -aber nichts weiter als dieses in sich gleiche, in sich ruhende, rings -umschränkte, zeitlose, absolut Seiende. „Und so ist auch alles leerer -Schall, wovon die Menschen sprechen, überzeugt, es sei wahr: nämlich -<span class="gesperrt">Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als<span class="pagenum"><a name="Seite_353" id="Seite_353">[S. 353]</a></span> Nichtsein, Veränderung -des Ortes und Wechsel der Farbe, überhaupt der Eigenschaften</span>.“ In -diesem letzteren Satze liegt das Schwergewicht der eigentlichen Lehre. -Und dieser Satz hat die Philosophen unendlich geplagt, und plagt sie -noch jetzt. Er besteht im Grunde aus zwei Sätzen: „Aus Nichtsein kann -kein Sein werden“ und „Aus Sein kann kein Nichtsein hervorgehen“. -Indem ein jedes Entstehen bedeuten soll, daß vorher Nichtsein war, wo -jetzt Sein ist, und ein Vergehen, daß jetzt Nichtsein ist, wo vorher -Sein war, dürfte es überhaupt keine Änderung geben, da nur das Sein -da sein soll. Es ist bekannt, wie der Hauptdialektiker der Eleaten, -<span class="gesperrt">Zenon</span> (etwa nach 500 v. Chr. geboren), gleichfalls aus Elea, mit -diesen Sätzen bewies, es gäbe in der Tat nicht die geringste Änderung -in der Natur. Nicht einmal Bewegung sei möglich, denn alles setze -sich aus Ruhe zusammen, und Ruhe sei keine Änderung; der Übergang aus -einer Ruhe in eine andere aber sei undenkbar, weil dabei ein Seiendes -schwände und ein Nichtseiendes entstehe. „Das Bewegte bewegt sich -weder in dem Raume, in dem es sich befindet, noch in dem es sich nicht -befindet.“ Das gehört nicht hierher; es kommt im Grunde alles darauf -hinaus, daß ein „Werden“ und „Vergehen“ als für sich begrifflich nicht -faßbar angesehen wird und durchaus aus Nichtsein und Sein oder aus Sein -und Nichtsein soll zusammengesetzt sein müssen. <span class="gesperrt">Herakleitos</span> -ist gerade vom entgegengesetzten Standpunkt ausgegangen (<a href="#Seite_238">S. 238</a>), für -ihn gab es nur „Werden“ und „Vergehen“. Auch die Spitzfindigkeiten -der Eleaten — wie die berühmte Schlußfolge, Achill könnte nie eine -Schildkröte einholen, weil, so oft er einen Weg mache, die Schildkröte -doch auch einen zurücklege, also ihm immer voraus sei — beruhen -auf solchen Unfaßbarkeitsannahmen, die dann Zusammensetzungen aus -Widersprechendem bedingen. Seltsamerweise spukt die Formel: Werden = -Sein + Nichtsein noch heute in vielen Köpfen. Die Eleaten leugneten -auch alle Größe und alle Teilung ab, kurz alles, was die Welt als -Mannigfaltigkeit in Raum und Zeit darstellt. Nur das Sein erkannten sie -an. Was ist dann die Welt? — Lediglich Schein,<span class="pagenum"><a name="Seite_354" id="Seite_354">[S. 354]</a></span> nichts als Schein, -ganz im Sinne der Indier. Und wenn beispielsweise Parmenides ziemlich -eingehend von der Entstehung und Ordnung der Welt spricht, so bemerkt -er, daß es sich doch um ein „Wahngebild“ handelt und um „Wahngedanken“. -<span class="gesperrt">Melissos</span> aus Samos (um 440) sagt, weil der Dinge viele sind -und sie sich ändern. Woher aber der Schein, der Wahn? Darüber haben -die Eleaten keine Vermutung ausgesprochen, und so stehen sie den -Indiern erheblich nach, die wenigstens ein Prinzip dafür aufgestellt -haben, wenn dieses auch nichts anderes besagt, als daß der Schein, als -Unkenntnis und Täuschung, ein Etwas für sich sei, das zusammen mit dem -Absoluten die Welt gebe. In der Tat ist auch die eleatische Lehre nur -nach Worten monistisch, an sich verfährt sie dualistisch, denn der -Schein ist nicht Sein, und doch sind beide vorhanden. Hierher gehört -im Grunde auch die sogenannte <span class="gesperrt">Megarisch-Elische Schule</span> (von -<span class="gesperrt">Eukleides</span> aus Megara, einem Verehrer des Sokrates begründet), -die nur ein Seiendes anerkannte, das <span class="gesperrt">Gute</span>, alles andere in -der Welt für nichtseiend, Schein erklärte und sich der eleatischen -Dialektik zum Nachweis einer solchen Behauptung bediente. Im übrigen -ist der eleatischen Lehre Großartigkeit nicht abzusprechen. Melissos -sagt: „So ist es (das Seiende) denn ewig, und unendlich, und eins, -und ein in sich gleiches Alles. Und es könnte nicht irgend einmal -untergehen, noch empfindet es Schmerz oder Leid.“ „Auch gibt es kein -Leeres, denn das Leere ist nichts; demnach kann das, was ja nichts ist, -nicht vorhanden sein.“ Also Eins nur besteht, zeitlich und räumlich -überall, nie sich ändernd, in sich ohne jede Unterscheidung.</p> - -<p>An diese Lehren schließen sich sachlich die des <span class="gesperrt">Skeptizismus</span> -(Skepsis, Zweifel) an. Sie können hier kurz behandelt werden, da sie -nicht eigentlich eine Welt- und Lebenanschauung geben. Die Erfahrung, -wie vieles unsicher und widersprechend ist, führt zu der Meinung, daß -man nichts mit Bestimmtheit behaupten könne, und in der Übertreibung, -deren sich die <span class="gesperrt">Sophisten</span> schuldig gemacht haben, daß man -von allem alles behaupten könne, was sie in ihrer Streitmethode, -<span class="gesperrt">Eristik</span>, zu so scharfsinnigen Auseinandersetzungen,<span class="pagenum"><a name="Seite_355" id="Seite_355">[S. 355]</a></span> aber auch -zu so verderblichen Lehren geführt, hat. <span class="gesperrt">Protagoras</span> (480–410 -v. Chr.), <span class="gesperrt">Gorgias</span> (zwischen 484 und 375), <span class="gesperrt">Prodikos</span>, -<span class="gesperrt">Hippias</span> sind die hervorragendsten Vertreter der noch -wissenschaftlichen und ethischen Schule der Sophistik. Das Heer der -übrigen Sophisten darf übergangen werden. Der ungeheure Einfluß der -Sophisten als Lehrer, namentlich der praktischen Staatskunst, ist -bekannt. Manche unter ihnen haben Macchiavelli nichts nachgegeben. -Von Protagoras rührt der Spruch her: „Aller Dinge Maß ist der Mensch, -das Seiende für sein Sein, das Nichtseiende für sein Nichtsein“. -Dieser Satz ist offenbar von Wichtigkeit für den Idealismus überhaupt, -namentlich in dessen Form als <span class="gesperrt">Kritizismus</span>. Skeptizismus findet -sich naturgemäß überall in der Philosophie. In die Akademie eingeführt -hat ihn <span class="gesperrt">Pyrrhon</span> aus Elis (365–275 v. Chr.). Ein bedeutender -Vertreter ist <span class="gesperrt">Arkesilaos</span> (315 bis 240 v. Chr.), der jede -Möglichkeit, durch Erfahrung oder Nachdenken zu Erkenntnissen zu -gelangen, bestritt, also für die Wahrheit kein Merkmal in der Welt -fand, und dem so die Wahrscheinlichkeit (Eulogon) als Richtschnur -aller Behauptungen und Handlungen dienen mußte. Das eigentliche Haupt -der so genannten <span class="gesperrt">Neuen Akademie</span> war aber <span class="gesperrt">Karneades</span> aus -Kyrene (224–155 v. Chr.), der unerbittliche Kritiker den Dogmatikern -gegenüber, die sich wesentlich aus der stoischen Schule rekrutierten. -Ein höchst scharfsinniger Mann, vermochte er alle dogmatischen Lehren -von Gott und Wahrheit mit guten Gründen anzugreifen und zu bekämpfen, -indem er überall Widersprüche und nicht zu beweisende Annahmen -aufdeckte. Nun, die Menschheit leidet ja von je daran. Wäre dem nicht -so, so gäbe es ja keine Wissenschaft von Welt und Gott, sondern ein -Wissen. Darum gerade retten sich die einen in die Dogmatik, andere in -den Glauben, noch andere in die Wahrscheinlichkeit, und viele in die -Intuition. „Was ist Wahrheit?“ soll Pilatus gefragt haben. Das wird -eben immer und von je gefragt. Und die Untersuchungen der neueren -Philosophie richten sich eben auf die Kriterien der Wahrheit, und -darauf, eine Wahrheit aufzustellen, um alles andere daran anschließen -zu können, wie Descartes eine solche in dem Aus<span class="pagenum"><a name="Seite_356" id="Seite_356">[S. 356]</a></span>spruch „Ich denke, also -bin ich!“ gefunden zu haben glaubte und Fichte in seinem Ich-Satz. Wir -werden noch vielen Skeptikern begegnen.</p> - -<div class="section"> - -<h4>42. <span class="gesperrt">Phänomenaler Idealismus</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die Idee, daß die Dinge nicht so sind wie sie uns scheinen, findet sich -vom Altertum durch das ganze Mittelalter mehr oder weniger deutlich -ausgesprochen. In der neueren Zeit zuerst in ein System verarbeitet -hat sie der in Irland geborene Engländer <span class="gesperrt">George Berkeley</span> -(1684–1753), ein großer Denker und Naturkenner. Er ist ein heftiger -Gegner des Materialismus und Spinozismus und bezeichnet seine Lehre als -<span class="gesperrt">Immaterialismus</span>. In der Tat hat sie auch viel Theosophisches, -wie er auch so manches von den mittelalterlichen Theosophen und -Mystikern einfach übernahm. Er ist von der Wahrhaftigkeit Gottes im -Cartesischen Sinne überzeugt. Also können Wahrnehmung und Vernunft -nicht absolut lügen und trügen. Darum ist er auch Nominalist. Nun -aber meint er, Wahrnehmung sei durchaus von dem Wahrgenommenen zu -trennen. „Da wir wahrnehmen, daß verschiedene von den Empfindungen -einander begleiten, so werden diese durch einen Namen umgrenzt -und so für ein Ding ausgegeben.“ „Sinnliche Dinge sind hiernach -nichts anderes als so viele sinnliche Qualitäten oder Kombinationen -von sinnlichen Qualitäten.“ Alle diese Qualitäten sind aber, da -<span class="gesperrt">wir</span> wahrnehmen, nur in unserer Seele. Außerhalb Gottes und der -Seele gibt es keine Erscheinungen. Da nun eine Erscheinung ganz ein -Inneres ist, so können die Dinge den Erscheinungen nicht gleichen, -die Erscheinungen sind keine Kopien der Dinge. Berkeley beruft sich -überall auf physikalische und physiologische Erkenntnisse, die durchaus -zutreffend sind. Und so ist es auch richtig, wenn er meint, daß wir -unsere Wahrnehmung der Ausdehnung nicht den Dingen zuschreiben können, -denn ein anderes ist die Ausdehnung in den Wahrnehmungen des Sehens, -ein anderes in denen des Tastens; sie werden nur konfundiert, weil sie -sich stets begleiten. Berkeleys <span class="gesperrt">Sensualismus</span> ist hiernach ein -<span class="gesperrt">innerer</span>, ein <span class="gesperrt">Phänomenalismus</span>. Und so<span class="pagenum"><a name="Seite_357" id="Seite_357">[S. 357]</a></span> ist zu verstehen, -daß er Dinge ohne Erscheinungen in uns als Fiktionen bezeichnet, wie -die abstrakten Figuren und Zahlen in der Mathematik. Ich darf auf -entsprechende Ausführungen in meinem Buche „Philosophische Grundlagen -der Wissenschaften“ hinweisen. So kämpft er auch gegen die Annahme -einer absoluten Substanz, Materie, die niemand kennt und niemand -kennen kann, und der man, um zu einer Welt zu gelangen, gezwungen ist, -eine Menge verborgener Eigenschaften zuzuschreiben, die anderweit -wieder abgestritten werden müssen; so Bewegung aus sich heraus, der -doch die Trägheit widerspricht. Nur der Geist ist absolute Substanz, -er allein ist tätig und wo er sich leidend verhält, folgt dieses aus -der Schranke, die ihm gesetzt ist. Die Körper sind nicht, sondern sie -werden: durch unsere Wahrnehmungen. Und so existieren sie nur „sekundär -und abhängig“.</p> - -<p>Gleichwohl ist Berkeleys System kein solches des reinen Scheines, -noch weniger des Nichts. Das Kausalitätsprinzip greift bei ihm ein. -Die Wahrnehmungen müssen doch irgend einen Grund haben. Diesen sieht -er nicht wie Indier und Eleaten in uns selbst, sondern außer uns, in -einem Geist außer unserem Geiste; und das ist der göttliche Geist. -Seiner sind wir sicher, eben aus den Wahrnehmungen in uns, nämlich -aus den Naturerscheinungen und ihrer Ordnung. „Der große Beweger -und Urheber der Natur offenbart sich ständig selbst den Augen der -Menschen durch sinnliche Intervention willkürlicher Zeichen (wie der -Mensch durch willkürliche Zeichen, Sprache, seinen Geist offenbart), -welche keine Ähnlichkeit noch Verbindung mit den bezeichneten Dingen -haben.“ Das ist von vielen vor ihm schon gesagt und wird auch in der -Bibel in der mannigfachsten Weise variiert. Aber hier handelt es -sich um den <span class="gesperrt">kosmologischen Beweis Gottes</span>. Und so ist Gott die -naturierende Natur, und der überall und jederzeit wirkt. Wahrhaft -ist alles nur in Gott als Eins. Was wir kennen und erkennen, sind -Abbilder dieses Wahrhaften. Unser Geist wirkt wie Gott. Nur daß -Gott ohne jede Beschränkung ist, so daß er beliebig schafft, und -was er schafft der Ewigkeit angehört. Aus unserer Gottähnlichkeit -folgt dann ein gewisser freier Wille. Wie aber<span class="pagenum"><a name="Seite_358" id="Seite_358">[S. 358]</a></span> das bewußt Böse? Das -ist nicht gesagt, wenn es nicht als zur Ordnung der Dinge gehörig -angesehen wird. Trotz allem Schein ist die Welt real. „Alle Dinge -zusammen mögen ein Universum sein, Eines durch die Verbindung, -Beziehung und Ordnung zu ihren einzelnen Teilen, welches das Werk des -Verstandes ist.“ Rein intelligibel betrachtet aber sind die Dinge -unbeweglich und unveränderlich. Man sieht: nur die Intervention -Gottes, der absolut wahrhaft ist, macht es, daß hinter dem Schein -eine transzendente Wirklichkeit vorhanden sein könnte. Und aus der -gleichen Intervention ergäbe sich Berkeleys Rationalismus und die -Möglichkeit der Wissenschaften, im Grunde wie bei Descartes. Die -transzendente Wirklichkeit aber, soweit sie zugestanden sein sollte, -wird fast pandeistisch aufgefaßt, und unser Verhältnis zu ihr, und -damit zu Gott theosophisch. Im wesentlichen aber ist Berkeleys -Phänomenalismus wirklicher Schein. Kant nennt das <span class="gesperrt">empirischen</span> -oder <span class="gesperrt">dogmatischen Idealismus</span>.</p> - -<p>Mit dieser Berkeleyschen Anschauung hat die spätere <span class="gesperrt">Fichte</span>sche -große Ähnlichkeit. Gott wird unmittelbar gesetzt als das absolute -Sein, wie die Eleaten sich dieses Sein dachten. Alles andere ist nur -Wissen als Bild des göttlichen Seins: Ein Sein Gottes außer seinem -Sein, nicht Gott selbst, sondern sein Schema. In diesem Bilde ist -das Sein ein Mannigfaltiges. Indem es aber, wenn auch ein Bild, doch -ein Göttliches ist, muß es eine göttliche Weltordnung darstellen. -Gleichwohl ist wie bei Berkeley die Natur nur die Schranke des -Bewußtseins, und an sich eine nichtige und wesenlose Erscheinung, die -ihr Dasein nur in unserer Vorstellung hat. Wieder ganz wie bei Berkeley -steht die Natur zwischen Gott und Geist, Bewußtsein. Wir werden später -sehen, daß in seiner ersten Philosophie Fichte umgekehrt Gott aus der -Weltordnung abgeleitet, eigentlich die Weltordnung für Gott erklärt -hat. Dieser Idealismus, der die äußere Welt in einen Schein auflöst -und sie nur retten kann durch die Annahme Gottes und dessen absoluter -Wahrhaftigkeit, ist sogleich nach Berkeley von dem Schotten <span class="gesperrt">David -Hume</span> (1711–1776) vollends auf die Spitze getrieben worden, indem -auch die Autorität unserer<span class="pagenum"><a name="Seite_359" id="Seite_359">[S. 359]</a></span> eigenen Vernunft in Zweifel gesetzt ist. -Denn unsere Vernunft ist nichts Bleibendes, sondern stetig Wechselndes, -eine <span class="gesperrt">Folge</span> von Bewußtseinsinhalten, kein <span class="gesperrt">seiender</span> -Bewußtseinsinhalt, so daß ein ständiges seiendes Ich nicht behauptet -werden kann. Nur die zusammenhängende Kette dieser Folge erweckt den -Schein eines solchen Ich, in Wahrheit leben wir ein solches Leben ohne -Ich. Unsere Psychologie hat kein Subjekt, keine Seele, sie besteht -lediglich aus <span class="gesperrt">assoziierten</span> inneren Erscheinungen, ein Satz, den -wir später bei modernen Psychologen wiederfinden werden. Es gibt also -nirgend ein Wirkliches in der Welt, nicht außer uns, nicht in uns; -alles ist Schein und Erscheinung, hier wie dort. Was die Erscheinungen -und ihre Assoziation, Vergesellschaftung, in uns hervorbringt, wissen -wir nicht. Wie auf einer Schaubühne treten die inneren Erscheinungen -auf; Bühne und Regisseur sind uns aber unbekannt, von ihnen ist nichts -aussagbar. Und was darüber ausgesagt wird, ist pure Einbildung. Es -ist eine Art Deutung der Heraklitischen Lehre in eleatischem Sinne, -und Hume kann sehr wohl auf diesem Standpunkte seiner Philosophie als -Skeptiker bezeichnet werden. Gleichwohl hat er auch ein realistisches -System begründet, das wir später (<a href="#Seite_407">S. 407</a> ff.) kennen lernen werden, -indem er das Unerschaubare beiseite ließ, sich an den Schein hielt, und -diesen gleich einem festen Gegebenen behandelte.</p> - -<div class="section"> - -<h4>43. <span class="gesperrt">Kants transzendentaler Idealismus</span>.<br /> -<span class="gesperrt">Organisierte Wesen und Naturzweck</span>.</h4> - -</div> - -<p>„Wir haben also sagen wollen: daß alle unsere Anschauung nichts als -die Vorstellung von Erscheinung sei: daß die Dinge, die wir anschauen, -nicht das an sich selbst sind, wofür wir sie anschauen, noch ihre -Verhältnisse an sich selbst so beschaffen sind, als sie uns erscheinen, -und daß, wenn wir unser Subjekt, oder auch nur die subjektive -Beschaffenheit der Sinne überhaupt aufheben, alle die Beschaffenheit, -alle Verhältnisse der Objekte in Raum und Zeit, ja selbst Raum und -Zeit verschwinden würden, und als Erscheinungen nicht an sich selbst, -sondern nur in uns existieren können. Was es für eine Be<span class="pagenum"><a name="Seite_360" id="Seite_360">[S. 360]</a></span>wandtnis mit -den Gegenständen an sich und abgesondert von aller dieser Rezeptivität -unserer Sinnlichkeit haben möge, bleibt uns gänzlich unbekannt. Wir -kennen nichts als unsere Art, sie wahrzunehmen, die uns eigentümlich -ist, die auch nicht notwendig jedem Wesen, obzwar jedem Menschen -zukommen muß.“ (Kritik der reinen Vernunft, S. 66, ich zitiere dieses -Werk nach der ausgezeichneten Reclam-Ausgabe). Diese Auffassung nennt -Kant selbst Idealismus, und sofern gleichwohl alles als wirklich -angesehen wird, den <span class="gesperrt">transzendentalen</span> oder <span class="gesperrt">formalen</span> -Idealismus, während vom <span class="gesperrt">materialen</span> der <span class="gesperrt">dogmatische</span> -Idealismus die Dinge leugnet, der <span class="gesperrt">skeptische</span> sie bezweifelt. -Kant ist transzendentaler oder formaler Idealist. Raum und Zeit -(besser Räumlichkeit und Zeitlichkeit) sind die berühmten beiden -„Anschauungsformen“ der Vernunft. „Sie hängen unserer Sinnlichkeit -schlechthin notwendig an, welcher Art auch unsere Empfindungen sein -mögen.“ Der Raum ist die Anschauungsform des nach Außen gerichteten -Sinnes, die Zeit die des nach Innen gerichteten Sinnes. Die -Bedeutung dieser Feststellungen habe ich in meinem früher genannten -Buche, ich glaube auf das sorgfältigste, zergliedert, und ich habe -nachgewiesen, daß die Eigenschaften des Raumes sich ohne den Begriff -der Ursächlichkeit nicht erschöpfen lassen, und daß die Besonderheit -der Zeit in den Geschehnissen als Projektion des inneren Bewußtseins -vom Wechsel in unserer Seelentätigkeit nach Außen aufzufassen ist. Ich -muß auf dieses Buch verweisen, darin der Leser auch gewisse andere -Distinktionen hinsichtlich der verschiedenen Arten von Raum und Zeit -finden wird. Obwohl nun Raum und Zeit unausweichliche Formen unserer -Anschauung nach Außen und nach Innen sein sollen, können sie uns doch -nichts, weder über die Welt noch über die Seele, lehren. Sie sind als -Stammbegriffe, Räumlichkeit und Zeitlichkeit, <span class="gesperrt">a priori</span>, „das -ist, vor aller wirklichen Wahrnehmung“, vorhanden; sie sind „reine -Anschauung“. Wogegen Empfindung ist „das in unserer Erkenntnis, was -da macht, daß sie Erkenntnis <span class="gesperrt">a posteriori</span>, das ist empirische -Anschauung heißt“.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_361" id="Seite_361">[S. 361]</a></span></p> - -<p>Die apriorischen Stammbegriffe, deren Bedeutung als apriorische so oft -und so energisch geleugnet worden ist und noch geleugnet wird, spielen -bei Kant eine große Rolle. Ich selbst halte sie für ganz unerläßlich; -ein äußeres oder inneres Leben ohne beispielsweise den Stammbegriff -der Ursächlichkeit, scheint mir absolut ausgeschlossen. Kein Tier -würde essen oder trinken ohne diesen Stammbegriff, kein Tier auf einen -Reiz irgendeine Wahrnehmung haben. Daß die Stammbegriffe uns nicht -immer bewußt sind, ist zwar richtig, tut aber nichts zur Sache. Das -Bewußtsein gehört überhaupt nicht zu allen physischen Handlungen. Wir -wenden viele Tätigkeiten der Seele, z. B. das Wollen, mehr oder weniger -bewußt, zuweilen ganz unbewußt an. Zwar geschieht sehr vieles bewußt, -was uns nachher unbewußt geschehen erscheint, weil wir kein Interesse -daran hatten, es zu behalten, wie namentlich animalische Handlungen, -Gehen, Essen usf., und auch logische, wie das Rechnen aus „Gewohnheit“. -Aber mögen auch die Handlungen vom Tiere oder vom Kinde unbewußt -geschehen, aus „Instinkt“ oder „Trieb“, so bleibt doch zweifellos der -<span class="gesperrt">Grund</span> für diesen Instinkt oder Trieb. Und will man keinen Grund -angeben, so sind Instinkt oder Trieb apriorisch, angeboren, und man hat -nichts gewonnen außer etwas, das man bei entwickeltem Verstande wieder -fallen läßt. Es ist etwas nötig, das die Wesen animalisch, weltlich -und geistig überhaupt leben läßt. Damit müssen sie von vornherein -ausgerüstet sein, sonst ist keines dieser Leben als Leben möglich, -wenigstens nicht für den, der in den Wesen nicht pure Zwangsmaschinen -sieht. Dieser braucht allerdings keine apriorischen Seelentätigkeiten. -Es sind — ich will mich vorsichtig ausdrücken — gewisse apriorische -Seelentätigkeiten nötig, die von den untersten Wesen nach oben und vom -Geborensein nach dem Alter, phylogenetisch und ontogenetisch, mehr und -mehr ins Bewußtsein treten, deutlicher und deutlicher werden, wie ein -Gedanke, eine Vorstellung, ein Wille, eine Empfindung usf., die ja -auch verschwommen beginnen und zuletzt scharfstrahlig leuchten können. -„Erworben“, „erlernt“ sind hier nur leere Rede<span class="pagenum"><a name="Seite_362" id="Seite_362">[S. 362]</a></span>wendungen, denn man -wird immer fragen müssen, woher die <span class="gesperrt">Fähigkeit</span> zum Erwerben, -Erlernen kommt, und wird dann eben auf das Apriorische zurückgelangen. -Einer Puppe kann man die menschliche Gestalt geben und sie so oft -zum Gehen anleiten als man will, sie geht doch nicht von selbst, -sie hat im Inneren die Fähigkeit dazu nicht. Diejenigen aber, die -auch in den lebenden Wesen zwangsmäßige äußere und innere Automaten -sehen, dazu eigentlich auch die Okkasionalisten gehören, brauchen -freilich, wie bemerkt, Apriorisches nicht, sie brauchen dann auch keine -<span class="gesperrt">abgeleiteten</span> Begriffe, keine Erfahrung, überhaupt gar nichts. -Ich werde später diese Ausführungen vervollständigen (<a href="#Seite_474">S. 474</a> f.), auch -mich auf sie zu berufen haben, und verweise nur noch auf das früher -(<a href="#Seite_222">S. 222</a> f.) von der kategorischen oder regulativen Seele Gesagte. Denn -das Apriorische ist kategorisch, regulativ. Es gehört zu den größten -Verdiensten Kants, daß er das Angeborene von dem Erworbenen so scharf -zu unterscheiden gelehrt hat, indem er nachwies, wie ersteres durchaus -die unausweichliche Voraussetzung für letzteres ist. Die Notwendigkeit -für das Leben überhaupt hat er nicht betont, sie folgt aber unmittelbar.</p> - -<p>Also, es besteht eine Welt. Sie ist transzendental. Die Seele faßt -sie nach ihren Kategorien auf. Welches diese Kategorien außer Raum -und Zeit noch sind, habe ich hier nicht auseinanderzusetzen. Nach -der reinen Vernunft gehören die ethisch-religiösen Begriffe, wie -Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, nicht zu diesen Kategorien. Sie -unterliegen mit anderem den <span class="gesperrt">Antinomien</span> (Gegensätzlichkeiten) und -<span class="gesperrt">Paralogismen</span> (Vorspiegelungen, Einbildungen, Erschleichungen) -der Vernunft. Darauf kommen wir noch zurück. Daß die Welt tatsächlich -ist und sich nicht, wie bei Berkeley, in einen von Gott in uns -eingeimpften Schein auflöst, hat Kant oft betont. „Wenn ich sage: -im Raum und in der Zeit stellt die Anschauung, sowohl der äußeren -Objekte, als auch die Selbstanschauung des Gemüts, beides vor, so wie -es unsere Sinne affiziert, das ist, wie es erscheint, so will das -nicht sagen, daß diese Gegenstände ein bloßer <span class="gesperrt">Schein</span> wären. -Denn in der Erscheinung werden jederzeit die Objekte,<span class="pagenum"><a name="Seite_363" id="Seite_363">[S. 363]</a></span> ja selbst -die Beschaffenheiten, die wir ihnen beilegen, als etwas wirklich -Gegebenes angesehen, nur daß, sofern diese Beschaffenheit nur von der -Anschauungsart des Subjekts in der Relation des gegebenen Gegenstandes -zu ihm abhängt, dieser Gegenstand als <span class="gesperrt">Erscheinung</span> von ihm selber -als <span class="gesperrt">Objekt an sich</span> unterschieden wird. So sage ich nicht, die -Körper scheinen bloß außer mir zu sein, oder meine Seele scheint -nur in meinem Selbstbewußtsein gegeben zu sein, wenn ich behaupte, -daß die Qualität des Raumes und der Zeit, welcher, als Bedingung -ihres Daseins, gemäß ich beide setze, in meiner Anschauungsart und -nicht in diesen Objekten an sich liege. Es wäre meine eigne Schuld, -wenn ich aus dem, was ich zur Erscheinung zählen sollte, bloßen -Schein machte. Dieses geschieht aber nicht nach unserem Prinzip der -Idealität aller unserer sinnlichen Anschauungen“, sondern, wie Kant -nun weiter ausführt, gerade nach dem Prinzip der objektiven Realität -der Anschauungsformen. Und er wundert sich nicht, daß Berkeley aus -Widerspruch gegen diese objektive Realität der Anschauungsformen zur -Aufhebung aller Objektivität der Gegenstände gekommen sei, indem er -sie für einen Schein erklärte. Er hätte sogar die eigene Existenz für -Schein erklären müssen. Kant meint, die letztere Ungereimtheit hätte -sich noch niemand zu Schulden kommen lassen; den Indiern war sie keine -Ungereimtheit. Für die Wirklichkeit, wenn auch transzendente, von -uns nicht zu erfassende, der Welt hat sich Kant oft in gleicher und -nachdrücklicher Weise ausgesprochen. Der vierte Paralogismus bezieht -sich ja unmittelbar auf Ablehnung der Schein-Welt (s. unten). Es -gibt also Dinge-an-sich, <span class="gesperrt">Noumena</span>; wie diese uns erscheinen, -sind sie <span class="gesperrt">Phänomena</span>. Alle unsere Erfahrungen beziehen sich auf -letztere, ob es Dinge außer uns sind oder in uns. Aus der Übertragung -unserer Kenntnisse und Meinungen von den Phänomena auf die Noumena -entstehen jene berühmten vier <span class="gesperrt">kosmologischen Antinomien</span>, die -sich im Satz, der Thesis, wie in dem Gegen-Satz, der Antithesis, mit -gleicher Evidenz beweisen lassen, wie: Die Welt hat einen Anfang in -der Zeit und Grenzen im Raum; Die Welt hat keinen<span class="pagenum"><a name="Seite_364" id="Seite_364">[S. 364]</a></span> Anfang in der Zeit -und keine Grenzen im Raum. Alles besteht aus einfachen Teilen, und -nur das Einfache ist; Nichts besteht aus einfachen Teilen und nirgend -existiert Einfaches. Außer Gesetzen ist Freiheit notwendig; Es ist -keine Freiheit, nur Gesetze sind. Zu der Welt gehört ein schlechthin -notwendiges Wesen, Gott; Es existiert kein zur Welt schlechthin -notwendiges Wesen. Im Gebiete des inneren Lebens führt jene Übertragung -zu den vier <span class="gesperrt">Paralogismen</span>, den Erschleichungen wie: Die Seele ist -etwas, das zur Bestimmung keines Dinges gebraucht werden kann, absolute -Substanz. Die Seele ist einfach. Die Seele ist persönlich. Das Dasein -aller Gegenstände äußerer Sinne ist zweifelhaft (skeptischer oder -dogmatischer Idealismus). Die Antinomien beziehen sich der Reihe nach -auf: Schöpfung und Ende oder Nicht-Schöpfung und Nichtende der Welt, -und Nichtgrenzen oder Grenzen der Welt; Eins oder Mannigfaltigkeit der -Welt; Verantwortlichkeit oder Nicht-Verantwortlichkeit des Menschen -(oder Gut und Böse und Nicht-Gut und Nicht-Böse) in der Welt; Gott ein -Schöpfer und Herr der Welt oder Gott Nicht-Schöpfer und Nicht-Herr. -Und die Paralogismen auf: Vorhandensein einer von allen wahrnehmbaren -Objekten auszunehmenden Seele; Unsterblichkeit der Seele; Seele als -Sonderwesen; Nichtwirklichkeit der Welt. Es sind die Kardinalfragen, -um die es sich handelt. Und nur der vierte Paralogismus führt zu -einem positiven Ergebnis, daß die Nichtwirklichkeit der Welt nur eine -Erschleichung des Verstandes ist. Die Antinomien sind nicht lösbar; -die drei ersten Paralogismen ergeben ein Negatives. In der Tat ist -auch hier mit der Dialektik nichts auszurichten; die Naturwissenschaft -aber bietet einiges zur Lösung dieser Fragen in dem einen oder anderen -Sinne, was später zur Sprache kommt.</p> - -<p>Gehen wir noch einmal zurück auf die kosmologischen Verhältnisse. Die -vier Antinomien betreffen in der Thesis Vollkommenheiten, nämlich: der -Dauer und Grenzen, der Zusammensetzung, des Daseins, des Absoluten. -Kant spricht so von vier <span class="gesperrt">transzendentalen Ideen</span>. Sie sind -<span class="gesperrt">kosmologisch</span>, solange sie die Vollständigkeit der Bedingungen<span class="pagenum"><a name="Seite_365" id="Seite_365">[S. 365]</a></span> -in der Sinnenwelt betreffen, also in der Welt der Erscheinungen, -Phänomene. Sobald wir sie jedoch auf dasjenige beziehen, was außerhalb -dieser Sinnenwelt steht, auf die Noumena, so werden sie schlechthin -<span class="gesperrt">transzendent</span>. Schon die kosmologischen Ideen sind an keiner -Erscheinung in concreto vorzustellen, da sie die <span class="gesperrt">Vollendung</span> -einer empirischen Reihe bedeuten. Die transzendenten aber trennen sich -überhaupt von der Erfahrung; sie beruhen allein auf Begriffen a priori. -Gleichwohl, meint Kant, drängt uns vieles zunächst die vierte Idee, -von Gott, wenigstens auf eine transzendente Wirklichkeit zu beziehen, -also eine solche anzunehmen. Sofern etwas durch die Idee allein, in -individuo, also als ein Einzelnes, bestimmbar oder gar schon bestimmt -ist, nennt Kant es <span class="gesperrt">Ideal</span> oder <span class="gesperrt">Prototypon</span>. Gewisse -Ideen haben nun, wenn auch nicht wie Platons Idee der göttlichen -Kraft, <span class="gesperrt">schöpferische</span>, aber doch <span class="gesperrt">praktische Kraft</span> als -<span class="gesperrt">regulative Prinzipe</span>, und die ihnen entsprechenden Ideale sind -„Urbilder“ für diese Regeln. „Diese Ideale,“ sagt nun Kant (Kritik -der reinen Vernunft, S. 453), „ob man ihnen gleich nicht objektive -Realität (Existenz) zugestehen möchte, sind doch um deswillen nicht -für Hirngespinste anzusehen, sondern geben ein unentbehrliches -Richtmaß der Vernunft ab, die des Begriffes von dem, was in seiner -Art ganz vollständig ist, bedarf, um darnach den Grad und die Mängel -des Unvollständigen zu schätzen und abzumessen.“ Und er warnt -ausdrücklich, sie etwa mit den Geschöpfen der Einbildungskraft zu -verwechseln, „welche mehr eine im Mittel verschiedener Erfahrungen -gleichsam schwebende Zeichnung, als ein bestimmtes Bild ausmachen“, -Monogramme, wie er sagt. Ein solches transzendentales Ideal ist nun das -<span class="gesperrt">Ding-an-sich</span> als Allbesitz der Realität, das ens realissimum, -indem es der durchgängigen Bestimmung, die notwendig bei allem was -existiert angetroffen wird, zugrunde liegt. Dieses Ideal „ist aber -auch das einzige eigentliche Ideal, dessen die menschliche Vernunft -fähig; weil nur in diesem einzigen Falle ein an sich allgemeiner -Begriff von einem Dinge durch sich selbst durchgängig bestimmt, und -als die Vorstellung von<span class="pagenum"><a name="Seite_366" id="Seite_366">[S. 366]</a></span> einem Individuum erkannt wird.“ So ist dieses -Ideal das Prototyp aller Dinge, welche insgesamt als Nachbilder -(Ektypa) den Stoff zu ihrer Möglichkeit von ihm nehmen, und indem sie -demselben mehr oder weniger nahekommen, dennoch unendlich weit daran -fehlen, es zu erreichen. Es ist in der Vernunft die „Möglichkeit -aller Dinge“, und so das „Urwesen (ens originarium)“, „höchste Wesen -(ens summum)“, „Wesen aller Wesen (ens entium)“. „Der Begriff eines -solchen Wesens ist der von <span class="gesperrt">Gott</span> in transzendentalem Verstande -gedacht.“ Indessen doch wieder alles nur in der Vernunft; die objektive -Existenz eines „Wesens von so ausnehmendem Vorzuge“ ist uns völlig -ungewiß. Und nun bringt Kant, wiewohl er also in der Vernunft die -Notwendigkeit eines solchen Ideals, das aber im Grunde nichts anderes -ist als die einzige Idee aller Realität, zugesteht, seine berühmten -Gründe gegen alle vermeintlichen „Beweise“ einer Existenz Gottes. Und -dabei bleibt es der reinen Vernunft gegenüber. Daß wir „diese Idee vom -Inbegriffe aller Realität hypostasieren, kommt daher, weil wir die -<span class="gesperrt">distributive</span> Einheit des Erfahrungsgebrauchs des Verstandes -in die <span class="gesperrt">kollektive</span> Einheit eines Erfahrungsganzen dialektisch -verwandeln, und an diesem Ganzen der Erscheinung uns ein einzelnes -Ding denken, was alle empirische Realität in sich enthält, welches -dann vermittelst der... transzendentalen Subreption, mit dem Begriffe -eines Dinges verwechselt wird, was an der Spitze der Möglichkeit -aller Dinge steht, zu deren durchgängiger Bestimmung es die realen -Bedingungen hergibt“. Die Reihe ist: Realisierung, Hypostasierung, -Personifizierung. „Die Vernunft wird durch einen Hang ihrer Natur -getrieben, über den Erfahrungsgebrauch hinauszugehen, sich in einem -reinen Gebrauche und vermittelst bloßer Ideen zu den äußersten Grenzen -aller Erkenntnis hinaus zu wagen, und nur allererst in der Vollendung -ihres Kreises, in einem für sich bestehenden systematischen Ganzen -Ruhe zu finden.“ Damit ist aber eben keine objektive Existenz gegeben, -das heißt, nicht <span class="gesperrt">bewiesen</span>. Manche, namentlich Materialisten, -haben nun gemeint, Kant hätte Gott, Seele usf. überhaupt abgelehnt, -er hätte <span class="gesperrt">bewiesen</span>, daß sie vor der reinen Vernunft<span class="pagenum"><a name="Seite_367" id="Seite_367">[S. 367]</a></span> nicht -existieren. Das ist völliges Mißverständnis. Er hat nur erklärt, daß -die Existenz dieser Dinge sich aus der reinen Vernunft nicht beweisen -lasse. Daß diese Dinge auch als Dinge-an-sich überhaupt nicht vorhanden -sind, hat er nirgend gesagt; es würde auch seinem transzendentalen -Standpunkt, den er so oft betont, widersprechen. Denn dieses alles -gehört ja zur transzendenten Wirklichkeit. Wenn er daher in der „Kritik -der praktischen Vernunft“ davon Gebrauch macht, und von jenen Dingen -als von praktisch-regulativen Prinzipien handelt, so ist er ganz -innerhalb seines Systems geblieben und keineswegs von ihm abgewichen. -Charakteristisch dafür ist, wie er vom freien Willen spricht. Wenn -wir alle menschlichen Handlungen bis auf den Grund verfolgen könnten, -würden wir eine stetige Kette von Ursache und Wirkung finden, und jede -Handlung aus ihren Bedingungen als notwendig sogar voraussagen können. -Also „in Ansehung unseres <span class="gesperrt">empirischen</span> Charakters gibt es keine -Freiheit“. Allein wir haben auch den transzendenten „intelligiblen -Charakter“; und da hier von einer Naturkausalität keine Rede ist, so -können dieselben Handlungen ihrer Ursache nach vollkommen frei sein. -Wir können nur nicht <span class="gesperrt">beweisen</span>, daß, so aufgefaßt, sie es sind, -weil das Transzendente außerhalb aller Erfahrung liegt. Aber beweisen, -daß sie es, transzendent aufgefaßt, <span class="gesperrt">nicht</span> sind, können wir -aus gleichem Grunde auch nicht. Und das gilt von allen Hoch-Ideen -und Hoch-Idealen, und hat auch Bezug auf Kants „<span class="gesperrt">Kategorischen -Imperativ</span>“, Schillers „<span class="gesperrt">Du kannst, denn du sollst</span>“. Daß sein -System ein Dualismus ist, hat übrigens der große Philosoph selbst -anerkannt; es ist ein solcher in der Unterscheidung der transzendenten -Welt von der empirischen, in der Annahme beider Welten, praktisch auch -in der Annahme von Gott und Welt oder von Geist und Welt usf.</p> - -<p>Auch die dritte große Kritik, die „Kritik der Urteilskraft“, enthält -ein kosmologisches Regulativ: die <span class="gesperrt">Teleologie</span>, den <span class="gesperrt">Begriff -der Zweckmäßigkeit</span>. Es bezieht sich auf die Ordnung der Dinge — -z. B. in Familien, Rassen, Arten, Gattungen usf. — und den Übergang -der Abteilungen ineinander,<span class="pagenum"><a name="Seite_368" id="Seite_368">[S. 368]</a></span> die Ordnung der Geschehnisse — z. B. -staatliche, individuelle, elektrische usf. —, endlich die Ordnung der -Ursachen. Der Begriff bezweckt hiernach wesentlich Vereinfachung der -Naturübersicht durch Zusammenziehung und Zusammenhang, Auffassung der -Weltordnung vom Standpunkte einer Einheitlichkeit und eines Zweckes. -Vom Verstand selbst wird ein solcher Begriff nicht gefordert, wohl -aber von der <span class="gesperrt">Urteilskraft</span>; und sofern er eine Bedingung a -priori feststellt, unter der allein Dinge Objekte unserer Erkenntnis -werden können, bedeutet er ein transzendentales Prinzip. Er ist aber -ein <span class="gesperrt">subjektives</span> Prinzip der Urteilskraft; denn nicht der -Natur als solcher wird der Begriff der Zweckmäßigkeit unterlegt und -vorgeschrieben, sondern die Urteilskraft ordnet sich selbst ein Gesetz -für die Reflexion über die Natur vor. „Es ist nicht ein Prinzip der -bestimmenden, sondern bloß der reflektierenden Urteilskraft. Man -will nur, daß man — die Natur mag ihren allgemeinen Gesetzen nach -eingerichtet sein wie sie wolle — durchaus nach jenem Prinzip und den -sich darauf gründenden Maximen ihren empirischen Gesetzen nachspüren -müsse, weil wir nur so weit als jenes (Prinzip) stattfindet, mit -dem Gebrauche unseres Verstandes fortkommen und Erkenntnis erwerben -können.“ Man sieht, wie außerordentlich vorsichtig Kant dieses Prinzip -der Teleologie einführt. Keineswegs gibt er es als ein Prinzip der -Natur selbst aus. Nicht einmal den Kategorien zählt er es zu. Die -Zweckmäßigkeit ist kein <span class="gesperrt">konstitutives</span> Prinzip der Ableitung der -Produkte der Natur, keine neue Kausalität, als welche sie der reinen -Vernunft angehören und zur Anschauung dienen würde, sondern lediglich -ein <span class="gesperrt">regulatives</span> Prinzip, nur für die reflektierende Beurteilung. -Unter dem Begriff der Kausalität <span class="gesperrt">müssen</span> wir die Natur -betrachten, unter dem der Zweckmäßigkeit <span class="gesperrt">beurteilen</span> wir sie nur. -Soweit das Urteil auf Empfindungen (Lust, Unlust, Schön, Unschön usf.) -zurückgeht, ist die Zweckmäßigkeit <span class="gesperrt">subjektiv</span> (oder formal) und -Gegenstand der ästhetischen Urteilskraft. Begründet es sich aber auf -Verstand und Vernunft, indem es sich um bestimmte Bedingungen handelt, -„unter denen etwas, (z. B.<span class="pagenum"><a name="Seite_369" id="Seite_369">[S. 369]</a></span> ein organisierter Körper) nach der Idee -eines Zweckes der Natur zu beurteilen sei“, so wird die Zweckmäßigkeit -<span class="gesperrt">objektiv</span> (auch <span class="gesperrt">real</span>) genannt. Wir wissen, daß die -Menschheit sich von je mit beiden Arten von Zweckmäßigkeit beschäftigt -hat: die Welt und das Leben einerseits einer harmonischen Schönheit, -andererseits einer zielstrebigen Entwicklung und Ordnung zuzuführen. -In anderer Form wird das Prinzip auch in drei Prinzipe zerlegt: -<span class="gesperrt">Gesetzmäßigkeit</span>, <span class="gesperrt">engere Zweckmäßigkeit</span>, <span class="gesperrt">Zweck</span>, -und wird die Anwendung dem Verstand, der Urteilskraft, der Vernunft -zugewiesen. Alle fließen aus dem allgemeinen transzendentalen Prinzip. -Die weiteren, ungemein scharfen und schönen Distinktionen muß ich -übergehen.</p> - -<p>Nur einen Begriff möchte ich hervorheben, den der <span class="gesperrt">organisierten -Wesen</span>, diese sind „Dinge als Naturzwecke“. Ein solches Ding muß -„sich zu sich selbst wechselseitig als Ursache und Wirkung verhalten“. -Ein Ding ist aber Natur<span class="gesperrt">zweck</span>, wenn seine Teile „nur durch -ihre Beziehung auf das Ganze möglich sind“, so daß ein jeder Teil, -„sowie er nur <span class="gesperrt">durch</span> alle übrigen da ist, auch als <span class="gesperrt">um</span> -der anderen und <span class="gesperrt">des Ganzen willen</span>“, als ein „hervorbringendes -Organ“ besteht. Diese Definition schließt alle Kunstprodukte aus. -Wir können uns eine Maschine vorstellen, samt Kessel, Heizung und -Regulatoren, die sich selbst in Gang erhält, indem sie selbst Wasser -in den Kessel nachpumpt, Kohlen in die Heizung nachschüttet und auch -ihren Gang selbst reguliert; ein vollständiger Automat. Sie wirkt -und verursacht (indirekt) ihre Wirkung. Ja, wir können uns sogar die -Maschine so eingerichtet denken, daß sie auch physikalisch und chemisch -Teile ersetzt, entfernt und ansetzt. Ist sie nach der obigen Definition -ein organisiertes Wesen? Keineswegs! Sie gleicht einem solchen, zum -Beispiel dem Menschen, in äußeren Tätigkeiten, etwa Gehen, Drehen usf., -sodann in der Stoffaufnahme und -abgabe, in der Regulierung der äußeren -Tätigkeiten, obzwar hier schon nur noch, soweit Kraft erforderlich -oder überflüssig ist und durch die Stoffaufnahme oder -abgabe geregelt -wird. Zuletzt auch etwa in Dingen wie Ankleidung, Entkleidung, Ersatz -von<span class="pagenum"><a name="Seite_370" id="Seite_370">[S. 370]</a></span> Teilen durch künstliche Teile. Aber die Hauptsache fehlt: das -Hervorbringen jedes Teiles aus sich selbst, die Schaffung der Form, ihr -Wachstum und ihre Erhaltung an jeder Stelle aus sich selbst. Indem Kant -gerade dieses fordert, erhebt er den organisierten Körper, der eine -Maschine ja auch ist, zum organisierten Wesen, zum belebten Wesen, das -keine Maschine sein kann. Viel unnötiger Streit würde vermieden sein, -wenn die modernen Automatenanhänger unter Materialisten und Philosophen -die lichtvollen Darlegungen unseres Kant sich recht zu Gemüte führen -wollten. Automat ist nicht einmal das geringfügigste Lebewesen, -geschweige der Mensch. Cartesius hatte durchaus Unrecht, die Pflanzen -und Tiere dafür zu erklären, und moderne Mechanisten und Sensualisten -irren bei weitem mehr, auch den Menschen hinzuzuziehen. <span class="gesperrt">Driesch</span> -in seinem belehrenden Buche „Philosophie des Organischen“, ist viel -zu gelinde verfahren, als er erklärte, daß, wenn ein Lebewesen eine -Maschine sein sollte, jeder, auch der kleinste ihrer Teile die gleiche -Maschine sein müßte, und daß, in Verbindung mit dem Zusammenhang dieser -Teile miteinander, eine solche aus unendlich vielen gleichen Maschinen -zusammengesetzte, ihnen gleiche Maschine nicht denkbar sei. Die -Wirksamkeit der organisierten Wesen von <span class="gesperrt">Innen</span> heraus und <span class="gesperrt">auf -sich selbst</span>, auf ihre eigene Form, ihr eigenes Sein, ihr eigenes -Leben — das ist das Entscheidende; das leisten auch die kleinen -Maschinen, die man etwa für jede Zelle setzen wollte, oder gar, wie bei -den einzelligen Wesen, für jeden Teil einer Zelle, nicht, und — was -die Hauptsache ist — eine Maschine, die das leisten müßte — etwa eine -Lokomotive, deren Räder, Kolben, Kessel, Regulatoren usf. ganz und in -jedem Teil gleichfalls Lokomotiven sind —, ist auch nicht vorstellbar -für uns. Denn, wie wiederum Kant hervorgehoben hat, da unser Denken -ein diskursives, kein intuitives ist, vermögen wir am Fertigen den -Aufbau nicht nach Gesetzen abzuleiten. Da tritt eben der Zweck ein, -und wir haben für die Urteilskraft im Fertigen einen Naturzweck, als -organisiertes Wesen, wenn es den obigen Bestimmungen Kants entspricht, -ein nicht organisiertes, wenn Entstehung, Wachstum,<span class="pagenum"><a name="Seite_371" id="Seite_371">[S. 371]</a></span> Erhaltung von -außen positiv oder negativ erfolgt, wie bei einem Kristall oder bei den -Pseudozellen. Es ist immer auf das <span class="gesperrt">fertige, stabile</span> Lebewesen -Bedacht genommen, nicht auf das <span class="gesperrt">entstehende</span> und <span class="gesperrt">sich -entwickelnde</span> und <span class="gesperrt">sich erhaltende</span>. Im Fertigen mag manches -maschinenmäßig aussehen, Entwicklung und Erhaltung aber schließen die -Maschine gänzlich aus.</p> - -<p>Diese Betrachtung, die ich an Kants Erklärungen anlehne, ist von -ungemeiner Wichtigkeit für die grundsätzliche Unterscheidung zwischen -der lebenden und der unbelebten Welt, mag auch die erstere durchaus -wie die letztere von äußeren Umständen abhängen, selbst wenn dieses -nach Darwinschen Prinzipien geschieht, in ihrer allerübertriebensten -Form. „Aber <span class="gesperrt">innere Naturvollkommenheit</span>,“ sagt Kant (Kritik der -Urteilskraft, Ausgabe von Kirchmann, S. 249), „wie sie diejenigen -Dinge besitzen, welche nur als <span class="gesperrt">Naturzwecke</span> möglich sind und -darum organisierte Wesen heißen, ist nach keiner Analogie irgendeines -uns bekannten physischen, das ist Naturvermögens, ja, da wir selbst -zur Natur im weitesten Verstande gehören, selbst nicht einmal durch -eine genau angemessene Analogie mit menschlicher Kunst, denkbar und -erklärlich.“ Und das gilt, trotz aller Phrasen von mechanistischer und -anderer Seite und aller Hinweisungen auf Maschinen allerwunderbarster -Art und Vollkommenheit und auf Kristalle und künstliche Zellen. Das -<span class="gesperrt">Von-innen-heraus</span>, das <span class="gesperrt">Aus-sichselbst-heraus</span> (wenn auch -unter Benutzung aufgenommener Stoffe) fehlt immer und <span class="gesperrt">kann</span> nach -unseren Begriffen nicht vorhanden sein, wenn nicht ein Neues zu dem -Physischen hinzukommt, eben das Psychische, das den Naturzweck von -innen heraus vollbringt. Driesch unterscheidet eine dreifache Harmonie -in der Entwicklung der Wesen: <span class="gesperrt">Harmonie der Konstellation</span> — -die Teile entwickeln sich zu einem individuellen Ganzen, selbst wenn -sie sich unabhängig voneinander entwickeln, wie bei dem Menschen -Muskeln und Nerven; <span class="gesperrt">Harmonie der Kausalität</span> — die bildenden -(formativen) Ursachen treffen genau die sich entwickelnden Teile -nach der Richtung der Endform, obwohl diese Teile sich<span class="pagenum"><a name="Seite_372" id="Seite_372">[S. 372]</a></span> jedes -nach ganz verschiedenen Richtungen entwickeln können; <span class="gesperrt">Harmonie -der Funktion</span> — alle Funktionen greifen ineinander zu einer -einheitlichen Wirkung ein. Diese drei Harmonien sind Kants Naturzweck. -Ihr <span class="gesperrt">Erfolg</span> sieht physisch aus, ihren <span class="gesperrt">Gang</span> aber in der -Entwicklung und Erhaltung wird man unter keinen Umständen als physisch -im gewöhnlichen Sinne des Wortes erklären können. Selbst eine Maschine -ist ein Automat nur als <span class="gesperrt">fertiger</span> Gegenstand; gebaut aber hat -sie sich nicht selbst, der Mensch hat sie hergestellt und muß sie auch -erhalten. Wenn man das Psychische auch zum Physischen rechnen will, -so mag das geschehen. Zur Welt gehört es ja. Das berührt aber die -Sonderstellung des Psychischen nicht, daß es eben von Innen heraus -schafft, nach Innen und nach Außen schafft, da alles andere nur von -Außen nach der Oberfläche heranzieht, von der Oberfläche nach Außen -abgibt. Höchstens spontane physikalische und chemische Umsetzungen -könnten als ein Ähnliches erwähnt werden. Aber abgesehen davon, -daß auch hier die Ähnlichkeit nur eine höchst oberflächliche ist, -wie sich jeder selbst zurechtlegen kann, werden wir später sehen, -wie grundverschieden der Lebensvorgang ist von den bezeichneten -Umsetzungen, ja wie er ihm zum Teil geradezu entgegenläuft. Und -dieses erhellt auch schon daraus, daß jene Umsetzungen eben -<span class="gesperrt">Umsetzungen</span> sind, die Organisierung aber das Gegenteil -bezweckt und erreicht: fortdauernde Schaffung des <span class="gesperrt">Gleichen</span> und -Erhaltung des <span class="gesperrt">Gleichen</span>, wenn auch durch physikalisch-chemische -<span class="gesperrt">Assimilation</span> und <span class="gesperrt">Dissimilation</span>. Wir sprechen von dieser -Angelegenheit später noch mehr.</p> - -<p>Naturzweck darf nicht verwechselt werden mit Zweckmäßigkeit; es kann -etwas sehr Unzweckmäßiges gleichfalls Naturzweck sein, wie das ohne -Hilfe gänzlich hilflose Kind der ersten Zeit. Das liegt daran, daß der -Zweck tatsächlich noch nicht erreicht ist, oder nur so weit erreicht -ist, als es dieses Ding selbst betrifft, noch nicht aber so weit, als -sein Verhältnis zur äußeren Welt erfordert. Auch hier drückt sich -Kant, wenn auch bestimmt, doch sehr vorsichtig aus. Das Beispiel der -organisierten Natur führt dazu, daß die an sich<span class="pagenum"><a name="Seite_373" id="Seite_373">[S. 373]</a></span> subjektive Maxime des -Naturzwecks ausgedehnt und gesagt wird: „Alles in der Welt ist irgend -wozu gut, nichts ist in ihr umsonst; und man ist durch das Beispiel, -das die Natur an ihren organischen Produkten gibt, berechtigt, ja -berufen, von ihr und ihren Gesetzen nichts als was nur zweckmäßig -ist zu erwarten.“ Und er meint, <span class="gesperrt">insgesamt</span> aufgefaßt; denn er -führt als Beispiele an, auch was für Einzelnes unzweckmäßig ist, wie -Gifte, Ungeziefer usf. Also in toto sei man berufen, Zweckmäßigkeit zu -erwarten. Was Kant zu seiner Zeit vermißte, nämlich die Einbeziehung -der Zweckmäßigkeit in die Naturwissenschaft, das konnte in unserer -Zeit zum Teil nachgeholt werden. Er selbst hat ja schon allein durch -sein unübertroffenes und in seiner Vollständigkeit (soweit selbst -gegenwärtig nur möglich) und allumfassenden Tiefe noch heute einzig -stehendes Werk über den Weltbau gewaltig vorgearbeitet. Und er hat -auch der modernen Entwicklungs-Naturwissenschaft vorgearbeitet, daß er -sogar als Vorläufer Darwins bezeichnet und in Anspruch genommen werden -konnte. Wir verlassen diesen Größten, dessen System als Kritisches zu -jedem System gehört und gehören muß. Was Eugen Dühring von ihm sagt, -ist eine schwere Unbegreiflichkeit dieses doch geistig selbst so -bedeutenden Mannes.</p> - -<div class="section"> - -<h4>44. <span class="gesperrt">Ich, Nicht-Ich; Thesis, Antithesis, -Synthesis; Naturphilosophie</span>.</h4> - -</div> - -<p>Unter dieser Überschrift besprechen wir Anschauungen unmittelbarer -Nach-Kantianer. Wir können aber sehr kurz sein, denn es handelt sich -nicht um eine fruchtbare Fortbildung der Lehre des Meisters, sondern -eigentlich um eine Verschleppung in das Gestrüpp der Dialektik. -<span class="gesperrt">Fichte</span> (1762–1814), in seiner ersten Philosophie, stellt sich -idealistischer als Kant. Er geht allein vom <span class="gesperrt">Ich</span> aus, als erstem -Grundsatz; diesem muß ein <span class="gesperrt">Nicht-Ich</span> als zweiter Grundsatz -entsprechen, und als dritter Grundsatz steht die <span class="gesperrt">Reaktion</span> des -Ich gegen das Nicht-Ich. Nun haben wir eine unbedingte Wahrheit: -<span class="gesperrt">Ich ist Ich</span>, oder <span class="gesperrt">Ich bin</span>. Das gibt die Identität oder -Realität;<span class="pagenum"><a name="Seite_374" id="Seite_374">[S. 374]</a></span> die <span class="gesperrt">Thesis der Identität</span> (<span class="gesperrt">Realität</span>). Diese -enthüllt alle innere Tätigkeit. Das Ich setzt sich selbst, allein -durch sich selbst. Die zweite Wahrheit lautet: <span class="gesperrt">Nicht-Ich ist nicht -Ich</span>, also führt sie zur <span class="gesperrt">Verneinung</span> (<span class="gesperrt">Negation</span>). -Diese Wahrheit ist nicht mehr, wie die erste, unbedingt, da außer -dem Nicht-Ich ein Ich gesetzt ist, das vorhanden sein muß; sie ist -aber unbedingt der Form nach, und dem Inhalt nach, sobald eben das -Ich gesetzt ist. Die dritte Wahrheit gibt die <span class="gesperrt">Umgrenzung</span> -(<span class="gesperrt">Limitation</span>), indem die Gegensätzlichkeit, die zwischen den -beiden ersten Wahrheiten besteht — es wird sogar Widerspruch gesagt; -ich sehe aber nicht einmal eine Gegensätzlichkeit, die Wahrheiten -sind doch lediglich koordiniert und stehen in gar keiner Verbindung -zueinander —, aufgehoben wird, sie lautet: <span class="gesperrt">Ich zum Teil Nicht-Ich, -wenn Nicht-Ich zum Teil Ich</span>. Es ist die reine symbolische -Mathematik. Wert gewinnt sie nur durch die empirischen Bestimmungen, -und so wird sie auch aus dem empirischen Bewußtsein entnommen und -versachlicht. Das Nicht-Ich ist entweder ein eigenes Tätiges und -<span class="gesperrt">kausal</span> der Grund des „Leidens“ des Ich. Oder es ist an sich -nicht vorhanden, aber das Ich wechselt in seiner Tätigkeit, ist -begrenzt, und faßt diese Begrenztheit als Leiden durch ein Nicht-Ich -auf. Der letztere Fall gibt den dogmatischen Idealismus, der erstere -soll dogmatischer Realismus sein; ich vermag aber nicht einzusehen, -warum er nicht den transzendentalen Idealismus soll konstruieren -können. Das Gefühl der Begrenztheit (<a href="#Seite_338">S. 338</a>) ist wie eine Reflexion der -Ich-Tätigkeit nach dem Ich zurück. Und dadurch kommt die Anschauung, -als wenn außer dem Ich noch etwas wäre, gegen das das Ich nicht -ausgedehnt werden kann. Indem nun Fichte sich für diese Auffassung des -Idealismus entschließt, verlegt er Kants Ding-an-sich zwar in das Ich -selbst, bringt aber dafür das Unbegreifliche der Begrenztheit des Ich -als ein Neues, wodurch für die Vereinfachung der Anschauung nichts -gewonnen ist. Außerdem fragt man vergeblich, wie ein allein bestehendes -Ich je von einer solchen Begrenztheit soll Bewußtsein haben können. -Wenn es allein besteht, ist es ja absolut vollkommen. Wahr<span class="pagenum"><a name="Seite_375" id="Seite_375">[S. 375]</a></span>scheinlich -ist Fichte deshalb zuletzt ganz zum Berkeleyschen deistischen -Idealismus gedrängt worden, seiner späteren Philosophie, von der schon -gesprochen ist (<a href="#Seite_358">S. 358</a>). In seiner ersten Philosophie aber geht er -in mancher Hinsicht noch radikaler vor als Kant; er sieht sogar von -Gott ganz ab. „Die moralische Weltordnung ist das Göttliche, das wir -annehmen.“</p> - -<p>Von den vielen Anschauungen <span class="gesperrt">Schellings</span> (1775–1854) schließt -sich die erste, ganz an Fichtes Entwicklungen an. Später gestand er -im Sinne Kants dem Ding-an-sich eine objektive Existenz zu, und ging -sogar so weit, die Identität dieses Dinges mit der Vorstellung in uns -zu behaupten. Richtete er nun die Vorstellung nach dem Ding, so kam -er zum gewöhnlichen dogmatischen Realismus. Tat er das Umgekehrte, -indem er das Ding der Vorstellung anpaßte, so folgte der Kantische -Idealismus; verhielt er sich aber zwischen beiden indifferent, so -geriet er auf Spinozas Anschauung. Er hat das letztere getan, und so -in der Identitätsphilosophie auch Spinozas Anschauung, die wir noch -kennen lernen werden, vertreten. Wir haben gesehen, daß Schelling in -der weiteren Entwicklung sich auch dem Mystizismus und Jakob Böhmes -Theosophie angeschlossen hat. Zuletzt ist er auch positiver Philosoph -geworden. Aus allem darf man ihm keinen Vorwurf machen; es hat ihn eben -keine Anschauung befriedigt, und selbst eine sich zu schaffen, reichte -seine Begabung, die wesentlich nach dem Methodischen ging, nicht hin. -Mehr kann man ihm, wie auch dem bald zu nennenden Hegel und auch -Herbart, das etwas wüste Wirtschaften mit den naturwissenschaftlichen -Kenntnissen und die willkürlichen Analogisierungen des Geistigen mit -dem Physischen verdenken, wodurch bekanntlich diese ganze Philosophie -und namentlich ihr bedeutendster Teil, die Naturphilosophie, aufs -höchste in Verruf gekommen ist, so daß gerade die Naturforscher sich -von ihr voll Widerwillen abwandten, und daß, fast bis in unsere Zeit, -Naturphilosophie verpönt war. Wertvoll noch jetzt ist, gleichfalls nach -Fichte, Schellings Unterscheidung zwischen dieser Naturphilosophie -und der Transzendentalphilosophie. In jener ist die Natur zum Ersten -gemacht, und es wird gefragt, wie sie<span class="pagenum"><a name="Seite_376" id="Seite_376">[S. 376]</a></span> in das Intelligente des Subjekts -dringt; in dieser ist die Intelligenz des Subjekts das Primäre, und es -ist zu entscheiden, wie aus ihr die Natur entsteht. Die Antwort für -die erste Frage ist in Kants Prinzip der Urteilskraft enthalten (<a href="#Seite_367">S. -367</a>), die für die zweite in dessen transzendentem Idealismus. Schelling -geht empirischer vor; er erhebt einen Erfahrungssatz, dessen innere -Notwendigkeit erkannt ist, zu einem apriorischen Satz: „Empirismus, -zur Unbedingtheit erweitert, ist Naturphilosophie“. Es wird nicht -viele geben, die mit dieser Definition einverstanden sind. Oder es -muß eine theoretische Naturphilosophie unterschieden werden von einer -praktischen; jene ist wieder Transzendentalphilosophie, da überhaupt -alles Unbedingte transzendent ist. Schelling freilich behauptet, daß -man in der Natur auch das Absolute erkennen kann. Ich wüßte nicht, wie -das empirisch geschehen soll. Selbst wir, die wir die Einheitlichkeit -der Vorgänge und der Stoffe in der Natur so bis ins Einzelne verfolgt -haben, können keine absolute Einheit in der Natur feststellen; -nicht einmal für alles, das Psychische eingeschlossen, auch nur -wahrscheinlich machen. Man denke, wie jetzt sogar das Trägheitsgesetz -wankt, wie die allgemeine Gravitation zweifelhaft wird, selbst das -Substanz- und Energiegesetz nicht mehr sichere Wahrheit ist. Wissen von -der Natur kann eben nie zur Unbedingtheit gelangen; nicht etwa allein, -weil die Erfahrungen immer unvollständig sind, sondern einfach, weil -die Welt sich stetig wandelt und uns immer nur das Jetzt zur Verfügung -steht, nicht das Vor noch das Nach. Eine Naturphilosophie kann also nur -transzendent oder empirisch sein. Im ersteren Falle gehört sie mit der -Transzendentalphilosophie überhaupt zusammen, im zweiten ist sie eine -gewöhnliche empirische Wissenschaft. In unseren „Naturphilosophien“ -vereinigen wir beide Arten, aber nur um möglichst vollständig zu sein, -und wegen der Zweckmäßigkeitsmaxime der Urteilskraft, die jedoch, wie -wir wissen, nichts bedingt, sondern nur leitet.</p> - -<p><span class="gesperrt">Hegels</span> (1770–1831) Entwicklung der verschiedenen Stufen des -Geistes ist sehr lehrreich, hat aber auch bei ihm mehr<span class="pagenum"><a name="Seite_377" id="Seite_377">[S. 377]</a></span> methodischen -Wert, wie überhaupt sein ganzes philosophisches System im Grunde -Methodik ist. Die reale und ideale Welt sind auch hier gesetzt. -Ihr Wirken für sich und ihr Verhalten zueinander wird aber aus der -<span class="gesperrt">logischen Idee</span>, die der Welt zugrunde liegt, und der Entwicklung -nach dieser Idee erklärt. Diese logische Idee ist nicht der Nus des -Anaxagoras, noch der sonst bekannte Logos. Er wirkt in besonderer -Weise, nämlich zufolge den drei Grundsätzen Fichtes, vielleicht -richtiger nach denen Jakob Böhmes. Wir sahen, wie bei diesem Manne -Gott sich mit sich selbst entzweite, und wie dann das Entzweite sich -in der Entwicklung zur Identität wieder erheben sollte. Hegel meint -ganz entsprechend, jeder Begriff entzweie sich mit sich selbst und -schlage so in sein Gegenteil um, um dann in einer höheren Einheit sich -mit ihm auszugleichen. Der gesetzte Begriff ist die <span class="gesperrt">Thesis</span>, -der durch Umschlagen erzeugte die <span class="gesperrt">Antithesis</span>, die Ausgleichung -in der höheren Einheit die <span class="gesperrt">Synthesis</span>. So geht das Universum -in stetiger Entwicklung von Thesis zur Antithesis, Synthesis, von -dieser zu neuer Antithesis, Synthesis usf. Solche Kreisvorgänge sind -dem Naturforscher wohl vertraut. So meinte es aber Hegel nicht. Seine -Ansicht ist rein transzendent: die Idee schlägt um in Natur, ganz -oder, soweit in der Natur Nichtnaturgesetzliches vorhanden ist, etwa -Zufälliges, zum Teil, wobei dieses Zufällige Idee ist. Beide, Idee und -Natur, vereinigen sich in der höheren Einheit Geist, der von der Natur -abhängig, zur Natur im Gegensatz und die Natur erkennend ist. Der Geist -bedeutet hiernach die aus ihrer Entäußerung in sich zurückgekehrte -Idee. Wie, infolge der Abhängigkeit von der Idee, das Wesen der Natur -Notwendigkeit und Zufälligkeit ist, so das des Geistes Freiheit, -Unabhängigkeit von allem Äußeren. Er entwickelt sich aber in drei -Stufen als: <span class="gesperrt">subjektiver Geist</span>, hinsichtlich seines Verhaltens -zur Natur (neutral, leidend, gegensätzlich); <span class="gesperrt">objektiver Geist</span>, -der das Allgemeine in den Äußerungen menschlichen Zusammenseins -betrifft (Moral, Sittlichkeit, Recht, Verhalten zu Staat, Gesellschaft -und Familie usf.), <span class="gesperrt">absoluter Geist</span>, der als Anschauung auf Kunst -und Wissenschaft, als Vorstellung auf<span class="pagenum"><a name="Seite_378" id="Seite_378">[S. 378]</a></span> Religion, als Vernunft auf -Begriffsbildung (Philosophie) sich bezieht. So gut diese Distinktionen -sind, so lehren sie doch für das Wesentliche nichts. Mit Sätzen -wie: Die Natur ist die „Idee in der Form des Anderssein“ ist nichts -anzufangen. Woher stammt die Idee? Wie ist sie aufzufassen? Als -transzendentaler Grund alles Seins und Denkens, etwa wie die „Vernunft -Gottes“? Wie ist ihr Umschlagen in Natur zu verstehen? Hat man dabei -die gnostisch-theosophischen Vorstellungen anzuwenden oder ist das -Ganze einfach ein Gesetztes? Mehr bedeutet es, wenn Religion als Denken -des Absoluten, als „Inseinswissen mit Gott“ bezeichnet wird, so daß -ein <span class="gesperrt">Wissen</span> von Gott erfolgt. Wenn dann noch näher bestimmt -wird, Religion sei „Wissen des göttlichen Geistes von sich durch -Vermittlung des endlichen Geistes“, so muß der göttliche Geist in uns -stecken; und wäre nicht die „Idee“, die so unvermittelt steht, so hätte -man einen üblichen Pandeismus. Ich habe schon hervorgehoben, daß im -Hegelschen System die Methodik die Hauptsache ist, und in dieser hat -Hegel höchst Bedeutendes geleistet. Auch seine naturwissenschaftlichen -Systematisierungen sind nicht von der Hand zu weisen. Das gehört aber -alles nicht hierher.</p> - -<p>Den edlen <span class="gesperrt">Schleiermacher</span> (1768–1834) erwähne ich sogleich -hier. Denn er spricht gleichfalls von etwas wie These und Antithese, -jedoch empirischer, indem er meint, daß, da unser Denken an -Wahrnehmungen gebunden ist, es sich immer in Gegensätzen bewegt und das -Gegensatzlose, also die letzte Synthese in Hegels Sinn, nie erreicht. -Einen transzendentalen Grund alles Seins und Denkens erkennt er mit -Kant an, doch weiter mehr in der Bedeutung von Spinozas System, das er -sehr hochstellt. Seine Individualitätslehre ist aber wie ein Ausschnitt -aus Leibniz’ Monadologie. Jedes Individuum, jeder Mensch bedeutet ein -Wesen für sich, eine „eigentümliche und ursprüngliche Darstellung -der Welt“. Deshalb ist der Mensch aber auch ein „Kompendium“ seiner -ganzen Gattung, der Menschheit, so daß er in dieser Menschheit „sein -eigenes vervielfältigtes, deutlicher ausgezeichnetes und in allen -seinen Veränderungen gleichsam verewigtes Ich anschaut“.<span class="pagenum"><a name="Seite_379" id="Seite_379">[S. 379]</a></span> „Der Geist -ist das Erste und Einzige, die ganze Welt nur sein selbstgeschaffener -Spiegel (<a href="#Seite_370">S. 370</a>), nur der große gemeinschaftliche Leib der Menschheit.“ -Es ist schwer zu verstehen, was das besagen soll, vielleicht ist es -spinozistisch zu deuten.</p> - -<div class="section"> - -<h4>45. <span class="gesperrt">Die Welt als Wille und Vorstellung; -Pessimismus, Philosophie des Unbewußten, moderner Idealismus</span>.</h4> - -</div> - -<p><span class="gesperrt">Arthur Schopenhauer</span>, dieser ganz außerordentliche Mann (1788 -in Danzig geboren, 1860 zu Frankfurt a. M. gestorben), ist eigentlich -der einzige, der Kants System erfolgreich bereichert hat. Die Welt ist -wie bei Kant ein transzendentes Objekt. Wir haben von ihr nur unsere -Vorstellungen. Diesen Standpunkt glaubt Schopenhauer energischer -zu vertreten als Kant. Die Vorwürfe, die er diesem macht, er hätte -in der zweiten Ausgabe seiner Kritik der reinen Vernunft seinen -transzendental-idealistischen Standpunkt verlassen, sind jedoch -ungerechtfertigt. Auch in der zweiten Auflage des Grundwerkes ist das -Ding-an-sich kein Objekt, das je an Anschauung und Kategorien gebunden -ist, sondern das Transzendentale hinter den Vorstellungen, und das -Wirkliche. Schopenhauer reduziert alle Kategorien auf Kausalität, -Ursächlichkeit; es ist in der Tat die Grundkategorie (<a href="#Seite_361">S. 361</a>). -Ursächlichkeit mit Raum und Zeit sind so die Bedingungen a priori -aller Vorstellungen. Und die Welt ist zunächst Vorstellung unter -diesen Bedingungen. „Die Welt ist meine Vorstellung“, leitet sich -das Hauptwerk Schopenhauers: „Die Welt als Wille und Vorstellung“ -ein. Indessen damit kann der Gegenstand nicht erschöpft sein. Der -Philosoph geht als Naturforscher, der er zugleich ist, auf den Teil -der Welt zurück, der unser Leib ist. Und da findet er denn, daß -diesem gegenüber, außer der Vorstellung, doch noch etwas anderes -vorhanden ist, wodurch er in toto genere verschiedener Art aufgefaßt -wird. In meinem Buche „Philosophische Grundlagen usf.“ habe ich -für diese Auffassung die Bezeichnung „Körperbewußtsein“ gewählt. -Nach Schopenhauer ist es <span class="gesperrt">Wille</span>. Der Körper ist durchaus dem -unterworfen, was<span class="pagenum"><a name="Seite_380" id="Seite_380">[S. 380]</a></span> wir in uns als Wille kennen, namentlich: er bewegt -sich, und Teile von ihm bewegen sich. Aber dieses ist nicht so zu -verstehen, daß der Wille als Ursache die Bewegung des Körpers zur Folge -hat, keineswegs, sondern beide sind absolut miteinander verbunden; -Bewegung und Wille sind ein Akt. „Der Willensakt und die Aktion des -Körpers sind nicht zwei objektiv erkannte verschiedene Zustände, die -das Band der Kausalität verknüpft, stehen nicht im Verhältnis der -Ursache und Wirkung; sondern sie sind eins und dasselbe, nur auf -zwei gänzlich verschiedene Weisen gegeben: einmal ganz unmittelbar -und einmal in der Anschauung für den Verstand. Die Aktion des Leibes -ist nichts weiter als der objektivierte, das heißt in die Anschauung -getretene Akt des Willens.“ Ja, der ganze Leib ist nichts anderes als -der objektivierte, das heißt zur Vorstellung (= Anschauung) gewordene -Wille. Und so erklärt Schopenhauer den Leib als die „<span class="gesperrt">Objektität des -Willens</span>“. Der Leib ist also ein Doppeltes: eine bloße Vorstellung -in Raum, Zeit und nach Kausalität, und eine Objektität des Willens. In -diese Objektität des Willens zieht Schopenhauer auch anderes hinein, -denn er rechnet zu der Objektivation des Willens auch Gefühle wie Lust -und Unlust, Schmerz, Behagen usf. „Man hat aber gänzlich Unrecht, wenn -man Schmerz und Wollust Vorstellungen nennt: das sind sie keineswegs, -sondern unmittelbare Affektionen des Willens in seiner Erscheinung, dem -Leibe: ein erzwungenes augenblickliches Wollen oder Nichtwollen des -Eindruckes, den dieser erleidet“. Vorher meint er: es ist „andererseits -jede Einwirkung auf den Leib, unmittelbar auch Einwirkung auf den -Willen: sie heißt als solche Schmerz, wenn sie dem Willen zuwider; -Wohlbehagen, Wollust, wenn sie dem Willen gemäß ist“. Ich gestehe, daß -ich nicht recht folgen kann; mir scheint das Nichtwollen und Wollen -des Eindruckes, das zweifellos vorhanden ist, doch sehr verschieden -zu sein von der Empfindung selbst, mehr eine Begleiterscheinung als -der Gegenstand selbst. Doch mag das sein, da Schopenhauer offenbar -Wille in einer sehr weiten Bedeutung faßt, neben Verstand, der die -Vorstellungen ist,<span class="pagenum"><a name="Seite_381" id="Seite_381">[S. 381]</a></span> als ein Zweites im Ich. Ob die Objektität zwischen -Leib und Willen nicht auch als eine gegenseitige angesehen wird: Leib -Objektität des Willens, Wille Objektität des Leibes, weiß ich nicht. Es -dürfte aber wohl anzunehmen sein. Denn es heißt weiter: „Ich erkenne -meinen Willen nicht im Ganzen, nicht als Einheit, nicht vollkommen -seinem Wesen nach, sondern ich erkenne ihn allein in seinen einzelnen -Akten, also in der Zeit, welche die Form der Erscheinung meines Leibes, -wie jedes Objektes, ist: daher ist der Leib Bedingung der Erkenntnis -meines Willens. Diesen Willen ohne meinen Leib kann ich demnach -eigentlich nicht vorstellen.“ Und so wären Leib und Wille allerdings -eines des anderen Objektität, oder doch Bedingung. Diese Erkenntnis -kann nur nachgewiesen, „zum Wissen der Vernunft erhoben, oder in die -Erkenntnis in abstracto übertragen werden“. Sie kann aber ihrer Natur -nach nicht bewiesen werden, da sie selbst „die unmittelbarste ist“. -Und sie ist um so bedeutender als sie zwei ganz inkommensurable Dinge -betrifft: den Leib, der „eine anschauliche Vorstellung“ ist, und den -Willen, der „gar nicht Vorstellung ist, sondern ein von dieser toto -genere Verschiedenes“. Wie sonst das Verhältnis zwischen Körper und -Geist. Er nennt jene Erkenntnis „die philosophische Wahrheit κὰτ’ -ἐξοχήν“. Mit der Objektität des Willens bringt er auch, was Kant als -Naturzweck bezeichnet hat, in Verbindung; und es ergibt sich hieraus -vielleicht noch schärfer, wie gar nicht zu vergleichen Maschinen mit -organisierten Wesen sind (<a href="#Seite_369">S. 369</a>). „Die Teile des Leibes müssen den -Hauptbegehrungen, durch welche der Wille sich manifestiert, vollkommen -entsprechen, müssen der sichtbare Ausdruck desselben sein: Zähne, -Schlund und Darmkanal sind der objektivierte Hunger; die Genitalien der -objektivierte Geschlechtstrieb; die greifenden Hände, die raschen Füße -entsprechen dem schon mehr mittelbaren Streben des Willens, welches -sie darstellen. Wie die allgemeine menschliche Form dem allgemeinen -menschlichen Willen, so entspricht dem individuell modifizierten -Willen, dem Charakter des Einzelnen die individuelle Korporisation, -welche daher durchaus und in allen Teilen charakteristisch und -aus<span class="pagenum"><a name="Seite_382" id="Seite_382">[S. 382]</a></span>drucksvoll ist.“ Noch mehr gilt letzteres natürlich bei Übergang -von Art zu Art, von Gattung zu Gattung usf.</p> - -<p>Es ist bis jetzt von Dingen gesprochen mit Vorstellung und Willen. -Wie verhält es sich mit den anderen Dingen, die wir unbelebt nennen? -Dazu bedarf es einer genaueren Auseinandersetzung dessen, was „Wille“ -bedeutet. Wille ist ein absolut Unbedingtes, Grundloses. Er ist -weder der Kausalität noch einer Anschauung unterworfen außerhalb -seiner Objektivation. „<span class="gesperrt">Ding-an-sich</span> aber ist allein der -<span class="gesperrt">Wille</span>.“ „Er ist es, wovon alle Vorstellung, alles Objekt, die -Erscheinung, die Sichtbarkeit, die <span class="gesperrt">Objektität</span> ist.“ Wille ist -also das Transzendente Kants. Objektiv möglichst deutlich gedacht ist -er das, was wir gewöhnlich Wille nennen, Wille des Menschen. Diese -Unterscheidung zwischen Willen an sich und objektivem Willen in der -Objektivität gibt Schopenhauer die Möglichkeit, in der gleichen Weise -wie Kant die transzendente Freiheit mit der objektiven Unfreiheit zu -vereinen. Ferner, da Wille an sich grundlos ist, so wird er nicht von -Vorstellungen geleitet, obzwar von ihnen begleitet. Wille-an-sich darf -also nicht mit dem objektiven bewußten Willen verwechselt werden. -Er ist Wille, ob in bewußten oder unbewußten Handlungen. Das ist -von großer Bedeutung wenn wir bedenken, wie viel in unserem Körper -unbewußt vor sich geht und selbst in unseren geistigen Tätigkeiten. -Was wir also Trieb und Instinkt nennen, ist auch nur in Erscheinung -getretener Wille-an-sich. Nun hat man immer den objektiven Willen mit -den Kräften in der Natur verglichen. Schopenhauer kehrt das Verhältnis -um und stellt die Kräfte unter die Erscheinungen des transzendenten -Willens. Er will „jede Kraft in der Natur als Wille gedacht wissen“. -Er meint damit ein Unbekannteres auf ein Bekannteres zurückgeführt -zu haben. Das muß man ohne weiteres zugestehen. Indem nun, wiewohl -beim transzendenten Willen weder von Freiheit noch von Unfreiheit -gesprochen werden kann, doch bei dem objektivierten Willen Freiheit -ausgeschlossen ist, da er ja das Objekt eines Anderen ist, wirken auch -die Kräfte unfrei nach festen Gesetzen. Nun ist der Weg zu der übrigen -Natur<span class="pagenum"><a name="Seite_383" id="Seite_383">[S. 383]</a></span> offen. Wie der Leib sich zu dem Willen verhält, so verhält sich -die Natur überhaupt zu dem Willen, der in Erscheinung als objektiver -Wille oder als Kräfte auftritt. Also die ganze Natur ist Objektität -des Willens in seinen verschiedenen Erscheinungen. Und wie Leib und -Wille an sich inkommensurabel sind, so auch die Natur überhaupt und -Wille. „Denn in jedem Ding in der Natur ist etwas, davon kein Grund je -angegeben werden kann, keine Erklärung möglich, keine Ursache weiter -zu suchen ist; es ist die spezifische Art seines Wirkens, das heißt -eben die Art seines Daseins, sein Wesen. Zwar von jeder einzelnen -Wirkung des Dinges ist eine Ursache nachzuweisen, aus welcher folgt, -daß es gerade jetzt, gerade hier wirken mußte; aber davon, daß es -überhaupt und gerade so wirkt, nie.“ Ein Ding zeigt als Schwere, -Undurchdringlichkeit, Magnetisierung usf. „jenes unergründliche Etwas“: -„dieses (Etwas) aber, sage ich, ist ihm (dem Ding), was dem Menschen -sein Wille (der transzendente) ist, und ist, so wie dieser, seinem -inneren Wesen nach, der Erklärung nicht unterworfen, ja, ist an sich -mit diesem identisch“. Der Philosoph vergleicht dann den Charakter des -einzelnen Menschen mit der wesentlichen Qualität (forma substantialis) -eines einzelnen Dinges und erklärt letztere wie ersteren. Der Wille -ist nur eins, das Ding-an-sich, „das Wesen-an-sich“, sagt Schopenhauer -auch; die Vielheit in unserer Anschauung, die Erscheinungen, sind -aus den Anschauungsformen Raum und Zeit gegeben. Und so hat die -Objektivation des Willens unzählige Stufen, die in den zahllosen -Individuen ausgedrückt sind, und die „als die unerreichten Musterbilder -dieser oder als die ewigen Formen der Dinge dastehen, nicht selbst -in Zeit und Raum, das Medium der Individuen, austretend, sondern -feststehend, keinem Wechsel unterworfen, immer seiend, nie geworden; -während jene (Individuen) entstehen und vergehen, immer werden und nie -sind“. Und diese Stufen der Objektivation, sagt Schopenhauer, sind -nichts anderes als <span class="gesperrt">Platons Ideen</span>, was er des Genauern noch -ausführt. Die <span class="gesperrt">Stufen der Objektivation</span> aber führen vom Tiefsten -zum Höchsten, vom Leblosen durch Pflanze, Tier<span class="pagenum"><a name="Seite_384" id="Seite_384">[S. 384]</a></span> zum Menschen. Und die -Weltordnung, im Einzelnen wie in bezug Jedes zu Jedem, rührt daher, -daß es ja ein Wille ist, dem alle Stufen der Objektivation angehören, -der sich in allem objektiviert. Von diesem Wesen, „was immer es auch -sein möchte“, wird gesagt, daß die unendliche Ausdehnung der Welt -ganz allein seiner <span class="gesperrt">Erscheinung</span> angehört, „es selbst hingegen -in jeglichem Dinge der Natur, in jedem Lebenden, ganz und ungeteilt, -gegenwärtig ist“. Schopenhauer steht nicht weit von den drei größten -Metaphysikern Platon, Spinoza, Kant. Sein unsterblicher Ruhm aber ist, -daß er dem transzendenten Wesen <span class="gesperrt">bekanntes</span> Leben einhauchte durch -den „Willen“.</p> - -<p>Und so ist die ganze Natur ein gewaltiges Leben, und durch und durch -erfüllt von <span class="gesperrt">Willen zum Leben</span>. „Alles drängt und treibt zum -<span class="gesperrt">Dasein</span>“, heißt es. Namentlich an der tierischen Natur wird -es augenscheinlich, „daß Wille zum Leben der Grundton ihres Wesens, -die einzige unwandelbare und unbedingte Eigenschaft derselben ist“. -Sogar eine generatio aequivoca, nach den Kenntnissen seiner Zeit, -schreibt Schopenhauer diesem ungestümen Drange, namentlich zum -organischen Leben, zu. Und gleichfalls „den entsetzlichen Alarm -und wilden Aufruhr desselben (des Stoffes), wenn er in irgendeiner -einzelnen Erscheinung aus dem Dasein weichen soll, zumal, wo dieses -bei deutlichem Bewußtsein eintritt. Da ist es nicht anders, als ob in -dieser einzelnen Erscheinung die ganze Welt auf immer vernichtet werden -sollte“. So ist der Wille zum Leben „das nicht weiter Erklärliche, -sondern jeder Erscheinung zugrunde zu Legende“. Und dieser Wille -ist weit entfernt, „wie das Absolutum, das Unendliche, die Idee und -ähnliche Ausdrücke mehr, ein leerer Wortschwall zu sein“. Er ist das -„Allerrealste“, das wir kennen, ja der „Kern der Realität selbst“. Aber -grundlos wie der Wille, ist auch dieses Streben und Hasten zum Leben. -Und so wirkt die Lebenswut nie befriedigt, nie zu befriedigen, und -blind drängend durch die Flut der Erscheinungen. Daher ist die Welt -unvollkommen. Noch mehr, sie ist ein <span class="gesperrt">Übel</span>, nicht die beste, nach -Leibniz, sondern die allerschlechteste. So<span class="pagenum"><a name="Seite_385" id="Seite_385">[S. 385]</a></span> tönt diese Philosophie in -den so eigenartigen <span class="gesperrt">Pessimismus</span> Schopenhauers aus, in seinen -Lebenshaß. Er ist scheinbar durch sein System begründet, aber doch -wohl namentlich durch seine trübe Gemütsverfassung, die er ja mit so -vielen Großen teilt, welche das Treiben der Welt anwidert und die darum -einsam ihre Wege durch die Tage gehen. Auch seine Bekanntschaft mit den -Upanishadenlehren muß zu diesem Pessimismus beigetragen haben. Er war -von diesen Lehren hochbegeistert, wie jeder es sein muß, der ihre Tiefe -erkennt. Aber in seinem System kann er keinen Trost gefunden haben, wie -der Indier und namentlich der Buddhist. Denn wenn er auch Bekämpfung -des Willens zum Leben lehrte, sein System zeigt, daß diese Bekämpfung -aussichtslos ist. Die Welt ist eben Wille zum Leben, von je in je. -Und das „Wunder“, das diesen Willen zur Ruhe brächte, kann nur die -Vernichtung des Willens selbst sein, die ja bei einem transzendenten -Ding-an-sich ohne ein noch höheres Wesen, davon Schopenhauer aber die -Welt nicht abhängen läßt, unmöglich ist.</p> - -<p>Die Schopenhauersche Lehre ist <span class="gesperrt">Identitätsphilosophie</span>, aber -kein wirklicher Monismus. Beziehungen zu Fichtes Philosophie, die -behauptet worden sind, kann ich überall nicht finden. Auch ist bekannt, -wie ablehnend sich Schopenhauer zur Trias Fichte-Schelling-Hegel -verhalten hat und mit seiner Leben-Philosophie gegenüber der fast -inhaltleeren Dialektik dieser Vorgänger, über die er oft genug spottet, -sich verhalten mußte. Der gewaltige <span class="gesperrt">Richard Wagner</span> darf als -Schopenhauerianer bezeichnet werden.</p> - -<p>In <span class="gesperrt">Fr. Nietzsches</span> (1844 zu Röcken geboren, gest. 1900) System -spielt bekanntlich der Wille eine sehr hervorragende Rolle. Aber wie -dieser Dichter unter den Philosophen fast ausschließlich sich mit dem -Menschen und dem Leben beschäftigt, hat der Wille bei ihm nur Bedeutung -mit Bezug auf den Menschen und mit Bezug auf das Leben. Und selbst hier -betrifft er nur das <span class="gesperrt">Verhalten</span> des Menschen im Leben und das -Verhalten der gesamten Menschheit. Was der Große hier Außerordentliches -gedichtet hat, gehört jedoch nicht zu unserem Thema. Im rein -Philosophischen<span class="pagenum"><a name="Seite_386" id="Seite_386">[S. 386]</a></span> rechnet man Nietzsche wohl auch zu den Phänomenalisten -und zu den Naturalisten, von denen wir später sprechen werden. Er hat -sogar die innere Welt für phänomenalistisch (<a href="#Seite_356">S. 356</a>) erklärt, falls -das nicht bildlich dichterisch gemeint ist. Mir jedoch scheint er mehr -zu den Mystikern nach indischer Art, namentlich in der Auffassung -Schopenhauers, zu neigen. Was er von der periodischen Wiederholung -der Welt sagt, klingt dahin. Freilich nicht ganz in dem Sinne der -Indier, den wir kennen, denn nach ihm soll die Welt sich in genau -<span class="gesperrt">derselben</span> Weise ständig wiederholen, so daß alles die gleiche -Existenz innerhalb der Ewigkeit immer und immer würde durchmachen. Auf -seinem eigentlichen Gebiete wird ihm <span class="gesperrt">Max Stirner</span> (für Kaspar -Schmitt, gest. 1856) als Vorläufer zugewiesen.</p> - -<p>In der Einleitung zu seiner „Philosophie des Unbewußten“ sagt <span class="gesperrt">Eduard -v. Hartmann</span> (geboren zu Berlin 1842, gestorben 1906): „Ich -bekenne freudig, daß die Lektüre des Leibniz es war, was mich zuerst -zu den hier niedergelegten Untersuchungen angeregt hat“. Wenn das ad -verbum zu verstehen ist, so würden wir, nach dem was auf <a href="#Seite_344">S. 344</a> vom -Unbewußten in Leibniz’ Lehre gesagt ist, Hartmanns Philosophie einem -Mißverständnis zu verdanken haben. In der Tat ist diese Philosophie -auch keine Fortbildung der Leibnizschen Lehre, namentlich nicht in dem -Hauptpunkte; sie ist die Lehre Schopenhauers, mit einem, allerdings bei -diesem nicht enthaltenen, aber darum sie gerade sehr komplizierenden, -weiteren Prinzip, dem der Zweckmäßigkeit des <span class="gesperrt">Ganzen</span>, während -der volle Ausdruck des Willens im <span class="gesperrt">Einzelnen</span> durchaus -Schopenhauerisch ist, da er ja diesen Ausdruck auch den Platonschen -Ideen gleichsetzt (<a href="#Seite_383">S. 383</a>). Die beiden Prinzipe Schopenhauers, -<span class="gesperrt">Vorstellung</span> und <span class="gesperrt">Wille</span>, sind auch Hartmanns Prinzipe. -Nun unterscheidet er in der Welt das <span class="gesperrt">Bewußte</span> und das -<span class="gesperrt">Unbewußte</span> und findet, daß das Bewußtsein „die Möglichkeit der -Emanzipation des Intellektes vom Willen“ ist, während im Unbewußten -Vorstellung und Wille „in untrennbarer Einheit verbunden“ sind. Es -kann im Unbewußten „nichts gewollt werden, was nicht vorgestellt wird, -und nichts vorgestellt werden, was nicht gewollt ist“. <span class="gesperrt">Dabei<span class="pagenum"><a name="Seite_387" id="Seite_387">[S. 387]</a></span> -sind Wollen und Vorstellung beide unbewußt</span>. Es bedeutet ein -zweifellos hohes Verdienst Hartmanns, die Rolle des Unbewußten so -sorgfältig durch die organische Welt, die ja hier hauptsächlich in -Betracht kommt, verfolgt und untersucht zu haben. Alle Kenntnisse der -Physiologie, Biologie, Anatomie, Physik usf. werden dabei zu Rate -gezogen und mit größter Gründlichkeit verarbeitet. Das Ergebnis ist: -1. Das Unbewußte bildet, erhält und ergänzt den Organismus und leitet -alle seine Tätigkeiten und den Gebrauch für den bewußten Willen. 2. -Es gibt dem Lebewesen die Instinkte zur Sinneswahrnehmung, Sprach- -und Staatenbildung usf., wozu ein bewußtes Denken nicht ausreicht. -3. Es erhält das Geschlecht durch den Geschlechtstrieb, paßt die -Lebewesen ihren Bedingungen und den Menschen insbesondere seiner -Geschichte an und führt zur möglichsten Vollkommenheit. 4. Es leitet -oft die Handlungen durch Ahnungen und Gefühle. 5. Es fördert das -bewußte Denken durch Eingebungen (Intuition?). 6. Es beglückt durchs -Gefühl für das Schöne und durch künstlerische Produktion. Es kommt -darauf an, ob dieses alles zutrifft, denn wir sind oft genug in -Zweifel, was an uns unbewußt geschieht, was bewußt. Und wenn Hartmann -meint, das Bewußte werde von Gedächtnis begleitet, das Unbewußte -nicht, so ist das selbstverständlich ein sehr täuschendes Kriterium. -Die anderen Kriterien aber können wir entweder nicht brauchen, als -unkontrollierbar, wie z. B., daß das unbewußte Denken nur unsinnlicher -Art sein kann. Oder sie sind nicht zutreffend, wie „das Unbewußte irrt -nicht“. Es irrt sehr oft, wie wir an Fehlgeburten, Fehlbildungen, -Fehlschlüssen im Traum, Fehleingebungen im Wachen usf. reichlich sehen. -Ist aber gemeint: es irrt nicht unter den gegebenen Verhältnissen, -so ist das zwar richtig, aber dann haben wir nur wieder ein -Unkontrollierbares. Und so sind alle Kriterien nicht immer zutreffend -oder nicht kontrollierbar. Und wenn nun gar gesagt wird (Philosophie -des Unbewußten, 9. Aufl. Bd. II, S. 4), „das unbewußte Denken kann nur -von <span class="gesperrt">unsinnlicher</span> Art sein“, und dann (S. 30) „denn auch das -Unbewußte muß die Form der <span class="gesperrt">Sinnlichkeit</span> gedacht haben“,<span class="pagenum"><a name="Seite_388" id="Seite_388">[S. 388]</a></span> sonst -hätte es nämlich diese Form „nicht so zweckmäßig schaffen können“, -so weiß man eigentlich nicht mehr, was nun das Unbewußte ist. Sein -Denken soll unsinnlich sein, und es soll doch die Form der Sinnlichkeit -gedacht haben? Und so zieht Hartmann zwischen dem Bewußtsein und -dem Unbewußten zuletzt die grobe materialistische Grenze: „die -Gehirnschwingungen, allgemeiner die materielle Bewegung, als conditio -sine qua non des Bewußtseins“. Während das Unbewußte „notwendig als ein -Immaterielles angesehen werden muß“.</p> - -<p>Die Sache wird aber noch dadurch verwickelter, daß „Wille und -Vorstellung“ zwar im Unbewußten sind, aber nicht <span class="gesperrt">das</span> Unbewußte. -Es wird angenommen, daß Wille und Vorstellung „das unbewußter und -bewußter Vorstellung Gemeinschaftliche“ sind. Die Form des Unbewußten -wird als „das Ursprüngliche“ gesetzt, „das des Bewußtseins aber als -ein Produkt des unbewußten Geistes und der materiellen Einwirkung -auf denselben“. Hartmann entscheidet sich aus einer Alternative für -diese Annahme. Das zweite Glied dieser Alternative ist: „daß zwar -der unbewußte Geist ein von der Materie unabhängiges selbständiges -Dasein habe, der bewußte aber ein ausschließliches Produkt materieller -Vorgänge ohne jede Mitwirkung unbewußten Geistes sei“. Dieses Glied -lehnt er ab, wegen der „Wesensgleichheit der bewußten und unbewußten -Geistestätigkeit“, übersieht aber, daß er dafür Materie auf ein -Immaterielles wirken läßt. Wenn er dann später die „Wesensgleichheit -von Geist und Materie“ dartut, so hebt er eben jeden wirklichen -Unterschied zwischen Bewußtem und Unbewußtem, außer in Worten, auf. Es -ist, wie ich glaube, nicht möglich, in diese Distinktionen Hartmanns -Konsequenz und Schärfe hineinzubringen; das System läuft im Kreise in -sich zurück. Und das folgt eben, weil das Unbewußte für das Bewußte und -das Bewußte für das Unbewußte als Kriterium benutzt werden muß. Läßt -man also das alles fort, so bleibt nur der transzendente „unbewußte -Geist“ als, im Schopenhauerschen Sinne, weltbildend. Aber während bei -Schopenhauer für diesen Geist nur Wille steht, ist ihm hier Vorstellung -hinzugenommen, die, bewußt oder<span class="pagenum"><a name="Seite_389" id="Seite_389">[S. 389]</a></span> unbewußt, kaum anders als sinnlich -gedacht werden kann. Vielleicht ist das der Grund, daß Hartmann sein -System als <span class="gesperrt">transzendentalen Realismus</span> ausgibt. Nach Kant ist -solcher Realismus dogmatisch.</p> - -<p>Es wäre damit eine ganz bedeutende Verschlechterung des -Schopenhauerschen Systems herbeigeführt, wenn es sich nicht um die -„Zweckmäßigkeit“ und den „Zweck“ der Welt handelte. Für Hartmann ist -zwar die Welt auch so schlecht als möglich, sie ist eine „unselige“. -Allein sie ist hervorgetreten, wenn auch nicht als Selbstzweck, doch -als Zweck, und zwar das zu erreichen, was, wie wir gesehen haben, im -Schopenhauerschen System nicht möglich ist, nämlich, „den Willen von -der Unseligkeit seines Wollens zu erlösen“. Es wird nämlich im Willen -selbst ein Blindes, ein „Alogisches“ gesehen, im Vorstellen dagegen -ein „Logisches“, das in der höchsten Potenz als bewußte Vernunft die -höchste Intelligenz wird. Der Weltprozeß erscheint hiernach „als ein -<span class="gesperrt">fortdauernder Kampf des Logischen mit dem Unlogischen</span>, <span class="gesperrt">der -mit der Besiegung des letzteren endet</span>“. Diese Besiegung kann -aber erst „mit dem zeitlichen Ende des Weltprozesses, dem jüngsten -Tage, zusammenfallen“. Die Weltdauer ist begrenzt; am Ende der Tage -kommt die <span class="gesperrt">Welterlösung</span>, das Ende der Illusion, „die Aufhebung -alles Wollens ins absolute Nichtwollen“. Dazu ist erforderlich, daß -möglichst viel Menschheit vorhanden sei, weil diese allein imstande -ist, Willensverneinung durchzuführen, die Vernunft über den Willen -zu erheben. Und ferner, daß diese Menschheit mehr und mehr „von der -Torheit des Wollens und dem Elend des Daseins <span class="gesperrt">durchdrungen</span> sei, -daß dieselbe eine so <span class="gesperrt">tiefe Sehnsucht</span> nach dem Frieden und der -Schmerzlosigkeit des Nichtseins erfaßt habe“, und so alles für Wollen -und Dasein Sprechende als Eitelkeit und Nichtigkeit erkannt werde. Das -ist alles offenbar aus der Menschheit selbst entnommen. Wie das auf den -transzendentalen unbewußten Geist Anwendung finden soll, kann man nicht -einsehen, wenn man nicht die ganze Lehre in die reine pandeistische -Theosophie überträgt, aus dem unbewußten Geist Gott macht und aus -Wille und Vor<span class="pagenum"><a name="Seite_390" id="Seite_390">[S. 390]</a></span>stellung zwei Manifestationen von ihm, über die er -besonders schaltet. Sobald der Welt ein Ende gegen ein <span class="gesperrt">Anderes</span> -vorausgesagt wird, muß eben etwas da sein, das dieses Ende herbeiführt. -Außerdem bemerkt man übrigens, daß, wenn nicht die Welt zuletzt -<span class="gesperrt">ganz</span> aus vernünftigen Wesen besteht, alles Leblose überhaupt -in Vernunftbegabtes übergegangen ist, ein solches Ende nicht möglich -ist. Oder soll das Ende der Welt ein gemeiner Kadaver sein? Dann wäre -diese ganze Philosophie überhaupt nur auf die belebte Welt zu beziehen. -Im letzten Kapitel aber werden wir das Ende der Welt von ganz anderen -Gesichtspunkten betrachten und sehen, daß eine allmähliche Entwicklung -des Alls nach reiner Beseelung in der Tat nicht ausgeschlossen ist (<a href="#Seite_479">S. -479</a> f.). Die Hartmannsche Philosophie aber ist inkonsequent und im -ganzen keine Verbesserung der Schopenhauerschen, in mancher Hinsicht -sogar eine Trübung dieser.</p> - -<p>Auf dem Boden des Idealismus stehen auch viele von den modernen -Philosophen, wir werden sie im folgenden kennen lernen. Ihr Verfahren -ist ein mehr naturwissenschaftlich-induktives, das, im Gegensatz zu -dem analytischen, deduktiven Vorgehen der älteren Metaphysiker, Kant -schon eingeleitet und oft angewendet hat. Gleichwohl wird dem Geist, -wie z. B. von R. <span class="gesperrt">Eucken</span> geschieht, eine außerordentliche -Vormacht eingeräumt, vermöge deren er zum Absoluten aufsteigt, als ein -Selbständiges in der Welt.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h3 class="nobreak" id="SIEBENTES_KAPITEL"><span class="s5">SIEBENTES KAPITEL.</span><br /> - -Spinozismus und Neuspinozismus sowie Neuidealismus.</h3> - -</div> - -<p>Der <span class="gesperrt">Spinozismus</span> ist im Wesen aufs äußerste getriebener -Idealismus. Er hat trotz seiner Bezeichnung als <span class="gesperrt">Pantheismus</span> mit -religiösen Überzeugungen nichts zu tun. <span class="gesperrt">Gott ist hier allein das -transzendente Ding-an-sich</span>. Und wenn man sich vor dem Spinozismus -als einem <span class="gesperrt">Atheismus</span> gefürchtet hat und von gewissen Seiten -noch fürchtet, so hat das seine Berechtigung für diejenigen, welche -sich Gott nur mit per<span class="pagenum"><a name="Seite_391" id="Seite_391">[S. 391]</a></span>sönlichen Eigenschaften begabt denken konnten -und nur denken können. Der Spinozismus in seiner reinen Form schließt -einen <span class="gesperrt">persönlichen</span> Gott völlig aus. Aber gerade deshalb konnte -sich ihm die moderne Naturwissenschaft anpassen. Und so hat er in -unserer Zeit eine Bedeutung erlangt, die in Verbindung mit Kants -und Schopenhauers transzendenten Anschauungen die aller anderen -Philosophien weit überragt und in der Form des <span class="gesperrt">Neuspinozismus</span> -allmählich sich zur wissenschaftlichen Herrschaft aufschwingt. -Dieses ist auch mit ein Grund, warum der Spinozismus erst an dieser -Stelle behandelt wird. Außerdem wollte ich ihn auch äußerlich vom -Cartesianismus ablösen, mit dem er, wie früher ausgeführt (<a href="#Seite_337">S. 337</a>), -gar keine Beziehung hat, außer etwa, daß er auf ihn folgt und daß der -Urheber sich mit ihm eifrig beschäftigt hat und seiner öfter gedenkt -und seiner Nomenklatur sich bedient.</p> - -<p>Der Neuidealismus ist vom Spinozismus schwer zu trennen, er ist darum -mit diesem zusammen behandelt.</p> - -<div class="section"> - -<h4>46. <span class="gesperrt">Spinoza und der Pantheismus</span>.</h4> - -</div> - -<p><span class="gesperrt">Baruch</span> (<span class="gesperrt">Benedikt</span>) <span class="gesperrt">Spinoza</span> ist 1632 in Amsterdam -geboren und 1677 im Haag gestorben. Er ist Sohn eines portugiesisch -(oder spanisch, aus Espinoza stammend?) -jüdischen Mannes und gehört -zu den nicht vielen, von denen Eugen Dühring in seiner zwar sehr -scharfsinnigen, aber mitunter überscharfen Geschichte der Philosophie -mit hoher Achtung auch vor dem Menschen spricht. Das für uns in -Betracht kommende Hauptwerk (ich benutze die Ausgabe von Berthold -Auerbach) Spinozas ist die „Ethik“; sie ist nach seinem Tode von seinem -Lebensfreunde, dem Arzt Ludwig Meyer, herausgegeben und enthält eine -Darstellung seines Systems in völlig mathematischer Form. Sie beginnt -mit Definitionen der wichtigsten Begriffe. <span class="gesperrt">Ursache seiner selbst</span> -ist das, dessen Wesen das Dasein in sich schließt, oder das, dessen -Natur nicht anders als daseiend begriffen werden kann. <span class="gesperrt">Substanz</span> -ist, was in sich ist und aus sich begriffen wird, das also keines -anderen<span class="pagenum"><a name="Seite_392" id="Seite_392">[S. 392]</a></span> bedarf, um daraus gebildet zu werden. <span class="gesperrt">Attribut</span> ist, -was der Verstand von der Substanz als ihr Wesen ausmachend erkennt. -Modi sind die Affektionen der Substanz, oder das was in einem -Anderen ist, wodurch man dieses Andere auch begreift. <span class="gesperrt">Gott</span> -ist das schlechthin unendlich Seiende, „das heißt die Substanz, -die aus <span class="gesperrt">unendlichen</span> Attributen besteht, von denen jedes ein -<span class="gesperrt">ewiges</span> und <span class="gesperrt">unendliches Wesen</span> ausdrückt.“ Das sind die -fünf Hauptbegriffe des Spinozaschen Systems. Was <span class="gesperrt">unendlich</span> -ist, wird negativ durch das, was endlich ist, festgestellt: dasjenige -heißt in seiner <span class="gesperrt">Art endlich</span>, was durch ein anderes von gleicher -Natur begrenzt werden kann. <span class="gesperrt">Ewigkeit</span> ist das Dasein selbst, -sofern es allein aus der Definition des ewigen Dinges begriffen wird. -Die Attribute Gottes sind hiernach durch nichts begrenzt, und ewig -aus dem Sein Gottes. <span class="gesperrt">Frei</span> ist ein Ding, wenn es allein aus der -Notwendigkeit seiner Natur da ist, und allein von sich zum Handeln -bestimmt wird; <span class="gesperrt">unfrei</span>, was von einem anderen zu sein, oder -in bestimmter Weise zu sein und zu wirken gezwungen ist. Nach den -Definitionen folgen Axiome; eines enthält den Satz der Kausalität: -Eine bestimmte <span class="gesperrt">Ursache</span> hat notwendig eine <span class="gesperrt">Wirkung</span>, eine -Wirkung ohne Ursache kann nicht erfolgen. Die Erkenntnis der Wirkung -schließt die Erkenntnis der Ursache in sich. Von den Sätzen müssen -wir gleichfalls einige anführen. Dinge, die nichts miteinander gemein -haben, können nicht gegenseitige Ursache sein. Eduard v. Hartmann, -wenn er diesen so klaren Satz beachtet hätte, wäre nie zu seiner so -inkonsequenten Weltendetheorie gekommen. Zu der Natur einer Substanz -gehört notwendig das Dasein und die Unendlichkeit (Nicht-Begrenztheit -durch ein anderes gleicher Natur). Attribute einer Substanz können nur -aus sich begriffen werden.</p> - -<p><span class="gesperrt">Gott ist notwendig da. Außer Gott kann es keine Substanz geben und -läßt sich keine begreifen. Alles was ist, ist in Gott, und nichts -kann ohne Gott sein oder begriffen werden. Gott ist absolut frei, -handelt nur aus den Gesetzen seiner Natur. Gottes Dasein, Gottes Macht -und Gottes Wesenheit sind ein und das<span class="pagenum"><a name="Seite_393" id="Seite_393">[S. 393]</a></span>selbe, Gott ist nicht nur die -wirkende Ursache des Daseins, sondern auch der Wesenheit der Dinge. Die -Welt ist notwendig so wie sie ist, kein Ding ist frei, nichts in der -Welt geschieht frei, noch zufällig. Alles ist aus der Notwendigkeit -der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise da zu sein und zu -wirken. Die Dinge sind die Modi, Existenzweisen Gottes, nach zwei -Attributen: Ausdehnung (Körperlichkeit) und Vorstellung (Geist), die -ihre formale Wesenheit sind.</span> Diese gesperrt gedruckten Sätze -enthalten das gewaltige, so konsequente und darum in seiner Starrheit -fast unheimliche System Spinozas. Es ist, wie der Leser sieht, in der -Tat pantheistisch; ein jedes Ding wird nur begriffen aus den Attributen -Gottes, und bedeutet nur eine Existenzweise Gottes. Dabei handelt es -sich um ein Zwangsystem; daß nichts anders ist als es sein muß, nichts -anders wirkt als es wirken muß; und die Kette der Ursachen wird ins -Unendliche geführt. Ein Zweck findet in der Welt nicht statt. <span class="gesperrt">Die -Ordnung und Verknüpfung der Vorstellungen ist dieselbe wie die Ordnung -und Verknüpfung der Dinge.</span> Aus diesem wichtigen Satz ergibt sich -die <span class="gesperrt">Parallelität zwischen Körper und Geist</span>. Es ist an sich kein -Zusammenhang zwischen den beiden formalen Wesenheiten der Welt und -des Menschen vorhanden, außer daß die entsprechenden Attribute, deren -Existenzweisen die Dinge sind, Attribute Gottes, der einen und einzigen -Substanz, sind. Weil sie aber dieser einen Wesenheit angehören, können -sie nur in paralleler Art Existenzweisen sein. <span class="gesperrt">Und so sind Körper -und Geist parallele Erscheinungen und wirken parallel.</span> Dieses ist -so streng ausgedrückt, daß sogar gesagt wird: „Der Körper kann den -Geist nicht zum Denken, noch der Geist den Körper zur Bewegung oder -Ruhe, noch zu etwas anderem bestimmen“. Nur die Parallelität zeigt -Körper und Geist als in Abhängigkeit voneinander. An sich ist der -Geist nur Geist, der Körper nur Körper. Aber vermöge der Parallelität -und der Zugehörigkeit der Attribute zu dem Einen, sind im Geiste -adäquate Vorstellungen von dem Körper und der Körperwelt vor<span class="pagenum"><a name="Seite_394" id="Seite_394">[S. 394]</a></span>handen. -Darum konnte Spinoza auch behaupten: der Gegenstand der Vorstellung, -welche den menschlichen Geist ausmacht, ist der Körper, oder ein -gewisser, in der Wirklichkeit vorhandener Modus der Ausdehnung. -Und darum konnte er weiter feststellen, daß alles wirklich da ist, -insbesondere auch unser Körper da ist, wie wir ihn wahrnehmen. Hier -berührt sich Spinozas Philosophie mit der der <span class="gesperrt">Positivisten</span>, -der <span class="gesperrt">Wirklichkeitsphilosophen</span>. Und wenn Spinoza weiter folgert: -Der menschliche Geist faßt einen äußeren Körper nur durch die -Vorstellungen der Affektionen seines Körpers als wirklich daseiend auf, -so haben wir einen Hauptsatz der <span class="gesperrt">Sensualisten</span> vor uns. Auch -das <span class="gesperrt">Transzendentale</span> finden wir in diesem System, sofern die -Vorstellungen in Gott der Existenzweisen als <span class="gesperrt">Essenzen</span> (essentia) -von den tatsächlichen Existenzweisen als <span class="gesperrt">Existenzen</span> (existentia) -und damit <span class="gesperrt">Ideal</span>dinge von <span class="gesperrt">Real</span>dingen getrennt werden. -Die Dinge unterscheiden sich in der formalen Wesenheit gar nicht -voneinander, sondern nur in ihren Existenzweisen. So ist also der Geist -überall wie der menschliche, der Körper überall wie der menschliche; -nur die Weise, wie beide die Dinge ausmachen, ist von Ding zu Ding -abweichend. <span class="gesperrt">Also ist die Welt an sich durchaus einheitlich.</span> -Spinozas System ist hiernach ein <span class="gesperrt">Monismus</span>. Es werden zwar Körper -und Geist unterschieden und sogar absolut auseinandergehalten; sie sind -jedoch Parallel-Existenzweisen des gleichen einen Urwesens, um so zu -sprechen, nach absoluten Gesetzen, so daß sie durchaus wie eine Einheit -bilden, und ihre formalen Wesenheiten fließen aus den Attributen des -gleichen einen Urwesens. Auch ist der Mensch nur ein Teil der Natur und -leidet auch als ein solcher, und lebt und stirbt als ein solcher. Nur -aus sich heraus sich zu verändern, ist ihm nicht gegeben, da er ja bloß -eine Existenz<span class="gesperrt">weise</span> bedeutet.</p> - -<p>Spinozas System ist die einleitende Begründung zu seinem eigentlichen -Thema, eben der Ethik. Von dieser zu sprechen, ist nicht unsere -Aufgabe. Sie ist viel angegriffen und viel geschmäht worden, wegen -des kühlen Verstandes, der in ihrer Auffassung herrscht. In seinem -stillen Kämmerlein<span class="pagenum"><a name="Seite_395" id="Seite_395">[S. 395]</a></span> wird aber kaum jemand umhin können, zu gestehen, -daß sie das enthält, was eine von Phrasen und leeren Einbildungen freie -Menschenethik enthalten muß. Eher kann man ihr den Vorwurf machen, -daß sie dem System selbst nicht immer folgt und aus dem Pantheismus -zuweilen in einen Deismus übergeht. Wer hat in solchen Dingen je ganz -konsequent gedacht? Für uns von Bedeutung ist, daß Spinoza auch die -Unsterblichkeit lehrt. Er sagt: „Der menschliche Geist kann mit dem -Körper (d. h. mit dem Leben des Körpers) nicht gänzlich vernichtet -werden, sondern es bleibt etwas von ihm übrig, das ewig ist“. -Dieses folgt schon daraus, daß eben der Geist, wenn auch nur eine -Existenzweise, doch jedenfalls in einem Attribut, in einer Vorstellung -Gottes enthalten ist. Und es gilt selbstverständlich ebenso für den -Körper. Weil aber der Geist im Dasein eben nur eine Existenzweise ist, -kann er sich dessen, was er vorher gewesen, nicht erinnern können. „Die -Vorstellung,“ sagt Spinoza, „welche die Wesenheit des Körpers unter -der Form der Ewigkeit ausdrückt, ist ein gewisser Modus des Denkens, -der zum Wesen des Geistes gehört und notwendig ewig ist. Demnach ist -es unmöglich, daß wir uns erinnern, vor dem Körper dagewesen zu sein, -da es ja in dem Körper keine Spuren davon geben, noch die Ewigkeit -durch die Zeit definiert werden oder irgendeine Beziehung auf die Zeit -haben kann“. Das hebt die <span class="gesperrt">persönliche</span> Unsterblichkeit auf. Aber -„nichtsdestoweniger denken und erfahren wir, daß der Geist ewig ist. -Denn der Geist bemerkt diejenigen Dinge, die er durch den Verstand -begreift, nicht minder als diejenigen, die er im Gedächtnis hat. Denn -die Augen des Geistes, womit er die Dinge sieht und beobachtet, sind -eben die Beweise. Wenn wir uns daher auch nicht erinnern, vor dem -Körper dagewesen zu sein, so bemerken wir doch, daß unser Geist ewig -ist, insofern er die Wesenheit des Körpers unter der Form der Ewigkeit -enthält, und daß dieses sein Dasein (des Körpers) nicht durch die Zeit -definiert oder durch Dauer erklärt werden könne“. Es ist nicht leicht, -sich in diesen Gedankengang hineinzufinden. Er soll aber wohl besagen, -daß, weil wir<span class="pagenum"><a name="Seite_396" id="Seite_396">[S. 396]</a></span> den Begriff der Ewigkeit der Materie als zu ihrem Wesen -gehörig in uns haben, auch die Ewigkeit des Geistes gewährleistet ist, -wohl aus dem Parallelverhalten der zwei in Einem zusammenlaufenden -Attribute in den Existenzweisen. Die Ethik faßt auch Gott persönlicher -auf, als dem System entspricht. Sie hat jedoch aus den Grundlagen -recht, wenn sie alle Erkenntnis auf die Erkenntnis Gottes richtet und -diese Erkenntnis als wahr ansieht. Wir sind ja Existenzweisen Gottes, -die Seele ist eine begrenzte Weise des allgemeinen Denkens als Attribut -Gottes.</p> - -<div class="section"> - -<h4>47. <span class="gesperrt">Neuspinozismus und Neuidealismus</span>.</h4> - -</div> - -<p>Spinozas System hat wegen seiner unerbittlichen Strenge und Konsequenz, -wie bemerkt, der Menschheit lange widerstrebt. Es ist wohl auch nicht -immer recht verstanden worden. Daß aber große Geister zu ihm neigten, -sehen wir an <span class="gesperrt">Goethes</span> Beispiel, der schon früh sich mit ihm -beschäftigte. Lavater erzählt (Gespräche Goethes, Bd. I, S. 75) vom -28. Juni 1774, wie eifrig Goethe ihn von Spinoza und Spinozismus -unterhalten und wie bedeutend er von ihm gesprochen habe. Später hat -Goethe dem Spinozismus mehr und mehr seine interessierte Aufmerksamkeit -geschenkt, so daß er sogar als Spinozist bezeichnet worden ist. In -der neuesten Zeit hat der Spinozismus großen Zuzug aus den Kreisen -namentlich der Naturforscher und seltsamerweise auch aus den Kreisen -der Materialisten unter ihnen erfahren. Ich kann hier nur auf einiges -eingehen, da Entscheidendes dem letzten Kapitel vorbehalten bleiben -muß. Schon von Schleiermacher habe ich erwähnt, daß er in wesentlichen -Anschauungen Spinozist gewesen ist. Der Neuspinozismus aber knüpft sich -vor allem an die Namen Fechner, Wundt und Häckel. Zuerst jedoch ein -<span class="gesperrt">spiritualistischer Spinozist</span>.</p> - -<p><span class="gesperrt">Lotze</span> (1817 in Bautzen geboren, gestorben in Berlin 1881) ist, -als Naturforscher und Mediziner, Atomistiker und Physiker, jedoch -nur, soweit es sich um die Körper, auch unseren Körper, und die -Vorgänge zwischen und in ihnen handelt.<span class="pagenum"><a name="Seite_397" id="Seite_397">[S. 397]</a></span> Die Seele ist aber vom Körper -durchaus verschieden, obzwar Körper und Seele aufeinanderwirken. -Letzteres müßte unverständlich bleiben, wenn die Dinge nicht Modi -einer <span class="gesperrt">Allsubstanz</span>, eines <span class="gesperrt">Weltgeistes</span> wären. Dessen -Verhalten zu den Dingen entspricht unserem Verhalten zu unseren inneren -Tätigkeiten; es ist also immanent, Eigenheit des Weltgeistes. Der -Weltgeist ist in sich folgerichtig, und dieses bedeutet in der Welt -der Erscheinungen die Ordnung. So ist die Einheit der Dinge trotz der -Vielheit ihrer Eigenschaften in dem <span class="gesperrt">Gesetz</span> begründet. Das wäre -alles allenfalls noch Spinozistisch. Spinozistisch ist auch noch die -Korrespondenz der Zustände und Änderungen in den Dingen an Stelle der -Abhängigkeiten, denn sie erinnert an Spinozas Parallelismus, zumal auch -alle einheitlichen Dinge als Seelen oder Geister aufgefaßt werden. -Abweichend wird jedoch einerseits der Weltgeist, Gott, über die Dinge -erhoben, und andererseits werden die Dinge mehr verselbständigt. So -geht der straffe Monismus Spinozas fast in einen theistisch-deistischen -Dualismus über. Und indem noch Leibniz’ Monadenlehre Verwendung findet, -haben wir mehr einen geistvollen Eklektizismus von Materialismus, -Spinozismus, Cartesianismus und Monadenlehre als ein einheitliches -festes System. Aber alles ist innig und fein verarbeitet. Das zeigt -sich namentlich darin, daß die Monaden einerseits mehr physikalisch -aufgefaßt werden mit wirklichen Wechselwirkungen zwischen ihnen, die -bei den Leibnizschen Monaden als wirklich nicht vorhanden sind, auch -nicht bei Spinozas Modi, andererseits sie in Spinozas Art als Modi -der Allsubstanz betrachtet werden, so daß sie nach drei Richtungen -strahlen würden. In jeder Monade sind beide Attribute der Allsubstanz -zu erkennen. Die Seele ist nur eine Monas, der Körper besteht aus -vielen Monaden. Aus der teilweisen Unabhängigkeit der Monaden von der -Allsubstanz — wie diese Unabhängigkeit entsteht, soll eine nicht zu -beantwortende Frage sein — ergibt sich eine gewisse Freiheit des -Willens und damit eine freiere Ethik, die in Verbindung mit einer -Zwecklichkeit der Welt den <span class="gesperrt">teleologischen Idealismus</span> bildet. Die -Einheit wird dadurch gegeben, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_398" id="Seite_398">[S. 398]</a></span> alles sich auf die Ethik beziehen -soll, selbst Logik und Metaphysik. Darin spricht sich der Zug der -modernen Zeit aus.</p> - -<p><span class="gesperrt">G. Th. Fechner</span> (1801–1887) ist Naturforscher, induktiver -Idealist, Spinozist und Mystiker in einer Person. Mit dem als -Astrophysiker so bedeutenden <span class="gesperrt">Zöllner</span> hat er eine Zeitlang auch -dem Spiritismus gehuldigt. Das tut nichts. Er war ein hervorragender -Forscher und hat die Wissenschaft der <span class="gesperrt">Psychophysik</span> begründet -und mit einem berühmt gewordenen Gesetz bereichert. Seele und Körper -sind Formen einer Substanz, eines Realen. Er führt aber diesen -Spinozismus in das Kant-Schopenhauersche Transzendentale. Die Welt -ist für uns nicht die Modi selbst, sondern die <span class="gesperrt">Erscheinungen</span> -dieser in unserem Bewußtsein. Spinoza hatte schon zwischen Essenzen -und Existenzen unterschieden. Die letzteren wären die Erscheinungen. -Gleichwohl ist die Welt nicht etwa ein Traumbild, ein Phantom, sondern -eine Wirklichkeit, wenn auch eine transzendente. Das wird erwiesen -durch die in unserem Bewußtsein von der Welt vorhandene Ordnung und -Gesetzmäßigkeit. Ordnung und Gesetz sind das Wesen der Erscheinungen. -Das Bewußtsein davon ist das höhere Bewußtsein, die Vernunft. Und -da wir in Spinozas Sinn Existenzweisen Gottes sind, so ist Gott -das höchste Wesen, dessen Bewußtsein alle Erscheinungen und alle -Zusammenhänge umfaßt. In der von Fechner verfolgten Wechselbeziehung -von Körper und Seele, die auch <span class="gesperrt">Wilhelm Wundt</span> -(<a href="#Seite_399">S. 399</a>) lehrt, -sehen manche einen Widerspruch gegen Spinozas System. Das ist nicht der -Fall, da ja eine solche Wechselbeziehung als Parallelsein von Körper -und Seele gerade nach Spinozas Anschauung, eben der <span class="gesperrt">psychophysische -Parallelismus</span>, unvermeidlich ist. Es ist nur ein Streit um Worte, -wenn man Wechselbeziehung von Parallelbeziehung unterscheiden und -trennen will. Ist jene so unveränderlich wie diese, so gelten beide -gleich viel. Spinozas Theorie hat ja gerade darin ihren Vorzug, daß -wirkliche Beziehungen zwischen zwei absolut verschiedenen Attributen -nicht angenommen werden, sondern Parallelbeziehungen, aus der -Zugehörigkeit der Attribute zu dem All-Einen. Fechner frei<span class="pagenum"><a name="Seite_399" id="Seite_399">[S. 399]</a></span>lich -bezeichnet seine Lehre wegen dieser Wechselbeziehungen auch als -materialistisch. Überdem soll nicht nur kein Geist ohne Körper sein, -sondern auch kein Gott ohne Welt, ein Gedanke, dem wir schon öfter -begegnet sind. Sein Mystizismus drückt sich in der Annahme von Wesen -höher als der Mensch aus, von Geistern. Solche sollten zum Teil mit -den Weltkörpern Wesen bilden, oder noch höher, mit den Weltsystemen. -Die Erde als großes Tier hat auch der französische Astronom Flammarion -angesehen. Man bemerkt aber, daß man so zuletzt überhaupt die Welt -als Ganzes, wie ein Lebewesen betrachten würde, mit untergeordneten -Weltsystemen, Welten usf. als Einzel-Lebewesen, die die Welt -zusammensetzen, wie ja die organischen Wesen in der Tat aus Lebewesen, -sichtlich oder verborgen, aufgebaut sind. Diese Konsequenz hat, auf -die Erde, auch Fechner gezogen; und weiter, daß immer die umfassendere -Seele von den eingeschlossenen Seelen weiß, während sich ausschließende -Seelen voneinander ohne Wissen sind. Die Bedeutung einer Seele aber -richtet sich nicht nach dem Umfang, und so bleibt die Menschenseele -auf ihrer Höhe auch den umfangreicheren Seelen gegenüber. Denn -entscheidend ist die Größe des Bewußtseins, im Leibnizschen Sinne: ihre -Deutlichkeit, und diese braucht mit dem Umfang nicht zusammenzuhängen. -Es kommt hier die Lehre von der <span class="gesperrt">Schwelle</span> des Bewußtseins in -Betracht, aus der eine Art <span class="gesperrt">Bewußtseinsleiter</span>, wie eine Tonleiter -aufgebaut wird. Fechner hat auch über die Pflanzenseele eine Schrift: -„Nanna oder über das Seelenleben der Pflanzen“ verfaßt, deren Ideen -sich gerade jetzt mehr und mehr Bahn brechen. Aber den kleinsten -Teilen der Materie, den Atomen, hat Fechner Leibniz’ Monadenleben doch -abgesprochen.</p> - -<p><span class="gesperrt">Wilhelm Wundt</span> (geb. 1832 zu Neckarau), der geistvolle Führer in -der Psychophysiologie, den wir schon genannt haben, steht, abgesehen -vom Mystizismus Fechners, ungefähr auf gleichem Boden. Er ist als -Physiolog und Psycholog sehr ins Einzelne gegangen und hat in allen -Seelenfunktionen nachzuweisen versucht, daß sie mit Körperfunktionen -zusammenhängen. Persönlich halte ich einen solchen Nachweis nur im -Gröbsten<span class="pagenum"><a name="Seite_400" id="Seite_400">[S. 400]</a></span> für möglich, und namentlich den Hauptnachweis, als Ursache -und Folge, überhaupt nicht für erbringbar, da in solchen transzendenten -Fragen die Zeit ausscheidet. Für die Erfahrung ist aber sehr viel -durch solche Untersuchungen gewonnen, und der Nachweis, daß Körper -und Geist als Erscheinungen in der Tat untrennbar sind, ist von -höchster Bedeutung. Wir kommen im letzten Kapitel noch darauf zu -sprechen. Das gesamte <span class="gesperrt">Leben</span> sieht Wundt als nie rastendes -inneres <span class="gesperrt">Geschehen</span> an, das kein <span class="gesperrt">Beharrendes</span> besitzt. -Zum Beharrenden glaubt er, kommen wir lediglich durch Projektion -der Außenwelt in unsere innere Welt; zum <span class="gesperrt">Bewußtsein</span> wie für -die Außenwelt zum Raum, indem wir für das aus jener Projektion -fälschlich gewonnene Beharrende einen Ort brauchen und ihn uns -einbilden, eben das Bewußtsein. An sich drückt Bewußtsein nichts -aus, als daß wir ein inneres Leben führen, und es ist nicht von den -anderen inneren Erscheinungen des Lebens verschieden. Kaum daß der -Wille herausgehoben wird. Offenbar kann ebenso auf das ganze Gebiet -dessen, was auf <a href="#Seite_222">S. 222</a> f. als regulative oder kategorische Seele -bezeichnet ist, geschlossen werden. Eine solche Seele wäre also nicht -ein Besonderes, und wir hätten eine <span class="gesperrt">assoziative Psychologie</span> -(<a href="#Seite_359">S. 359</a>). Die Verneinung alles Beharrenden ist heraklitisch. Ich -weiß aber nicht, wie sie sich für das innere Leben soll durchführen -lassen, ohne dieses in ein völliges Schattenspiel aufzulösen, denn -mit der Verneinung des Bewußtseins als eines Beharrenden — ich -glaube eines Organs für die innere Welt, wie die Sinnesorgane für -die äußere — ist auch die Verneinung der Individualität gegeben, -damit auch die Verneinung der Anschauungsformen. Und so wäre auch -die Welt zu verneinen. Dann bliebe nur noch die indische Maja. Wir -haben auch davon noch zu sprechen. Gleichwohl wird die Welt als eine -Totalität aufgefaßt, nämlich als Ganzheit der Willenstätigkeiten. -Diesen entsprechen die Vorstellungstätigkeiten und ordnen sich -nach ihnen. Der Gedanke ist spinozistisch mit genauerer Angabe der -Attribute. Allein die <span class="gesperrt">Gottesidee</span> scheint gesondert behandelt -zu sein. Von Bedeutung ist noch Wundts Unterscheidung<span class="pagenum"><a name="Seite_401" id="Seite_401">[S. 401]</a></span> zwischen -einer <span class="gesperrt">quantitativen Transzendenz</span>, wie wenn der Umfang eines -Gegenstandes oder einer Vorstellung über die Grenzen hinaus erweitert -wird, und der <span class="gesperrt">qualitativen Transzendenz</span>, wenn das Hinausgehen -zu überhaupt Verschiedenem erfolgt. In allen metaphysischen Problemen -haben wir es mit beiden Transzendenzen zu tun. Offenbar hängen sie -mit den Attributen zusammen. Die große Bedeutung Wundts als Ordner -der philosophischen Wissenschaften habe ich nur zu erwähnen. Zu den -Neu-Spinozisten ist wohl auch A. <span class="gesperrt">Riehl</span> (geb. 1844) zu rechnen, -jedoch mit einer starken Neigung zum Transzendental-Idealistischen, -da er die „gemeinsame Quelle von Natur und Verstand“ für transzendent -erklärt und außerdem die psychische Welt durchaus von der physischen -scheidet. Aber der Parallelismus vermittelt ihm einen „philosophischen -Monismus“. Ähnlich verhält es sich mit dem freundlichen <span class="gesperrt">Adolf -Lasson</span> (geb. 1832). Über <span class="gesperrt">Häckels</span> Spinozismus kann ich nur im -Zusammenhange mit dem Energismus reden.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h3 class="nobreak" id="ACHTES_KAPITEL"><span class="s5">ACHTES KAPITEL.</span><br /> - -Empirismus, Sensualismus, Realismus, Naturalismus, Positivismus.</h3> - -</div> - -<p>Wir nähern uns der physischen Anschauung von Welt und Leben. Den wenn -auch nicht zeitlichen, aber sachlichen Übergang bilden die in der -Überschrift verzeichneten Anschauungen. Die Namen besagen schon, um was -es sich dabei handelt. Nur ist hervorzuheben, daß unter Sensualismus -der <span class="gesperrt">äußere</span> Sensualismus verstanden ist, nicht der innere, der -der Phänomenalismus ist, und den wir schon untersucht haben (<a href="#Seite_356">S. 356</a> -ff.). Diese Anschauungsweisen sind die sich von selbst darbietenden; -eine Besprechung verdienen sie nur, soweit sie philosophisch durchdacht -sind. Wir finden sie selbstverständlich bei allen Völkern und zu allen -Zeiten, so auch bei den Griechen (unter den Zynikern, Epikureern, -Stoikern usf.). Zu einem System ausgebildet sind sie jedoch erst in -den neueren Zeiten, und von denen allein wollen wir hier sprechen. -Den Idealismus haben wir fast ganz in Deutsch<span class="pagenum"><a name="Seite_402" id="Seite_402">[S. 402]</a></span>land behandeln können; -was wir jetzt vortragen werden, betrifft wesentlich englische und -französische Denker, deutsche kommen erst in neuerer Zeit und, -hinsichtlich der Originalität, in zweiter Reihe in Betracht. Dafür -haben wir freilich in <span class="gesperrt">Ernst Mach</span> einen der konsequentesten -Sensualisten.</p> - -<div class="section"> - -<h4>48. <span class="gesperrt">Die englische Trias: Bacon, Locke, -Hume</span>.</h4> - -</div> - -<p>Von dem englischen Dreigestirn ist <span class="gesperrt">Francis Bacon von Verulam</span> -(1561–1626), der bekannte Begründer der naturwissenschaftlichen -Erfahrungsmethoden, für uns von geringerer Bedeutung; er hat eine -neue, besondere Anschauung von Welt und Leben nicht entwickelt. Nur -auf die Notwendigkeit der Beurteilung der Welt und ihrer Geschehnisse -auf Grund der Erfahrung hat er scharf hingewiesen. Die neuere -<span class="gesperrt">Empirie</span>, als Untersuchungsmethode, nimmt mit ihm namentlich -in den Naturwissenschaften ihren eigentlichen Anfang. Endursachen -lehnt er ab, weil mit ihnen nichts anzufangen sei, sie gehörten in -die Gotteslehre, nicht in die eigentliche Wissenschaft. Die Natur -müsse aus ihren eigenen Vorgängen und Ursachen erklärt werden, also -empirisch, nicht metaphysisch, ein Standpunkt, den schon viele vor ihm -vertreten haben, auf dem wir auch Aristoteles finden. Seine Methode -ist die der <span class="gesperrt">Induktion</span>. Reiner Empirist ist aber Bacon nicht, -eher empirischer Panpsychist, da er die ganze Materie belebt sein läßt. -Auch nimmt er ein allgemeines Gesetz an, das die Natur beherrschen -soll. Er gesteht sogar Intuition zu. Und doch schreckt er uns mit den -Trugbildern, Idolen, die uns aus unserer allgemeinen Natur, doch auch -aus unserer individuellen Art und aus gedankenloser Einbildung, als -Tradition und Anlernung, stetig verfolgen sollen.</p> - -<p><span class="gesperrt">John Locke</span> (1632 in Wrington geboren, gestorben 1704) gehört -zu den Größten im Reiche des Gedankens. Sein Meisterwerk: „An essay -concerning human understanding“ (ich zitiere nach der Reclam-Ausgabe) -ist das Hauptalles des Empirismus. Locke ist aber nicht bloß Empirist; -wir finden auch Idealismus, Sensualismus und Realismus bei ihm -vertreten. Empirist ist er hinsichtlich unserer Ideen, Idealist in -be<span class="pagenum"><a name="Seite_403" id="Seite_403">[S. 403]</a></span>zug auf die Materie, und zwar transzendentaler, Sensualist, wo es -sich um Verbindung der Ideen mit der Erfahrung handelt, Realist in -bezug auf Körper und Vorgänge. Die Ideen (Empfindung, Vorstellung, -Begriff usf.) sind sämtlich aus der Erscheinung erworben; keine Idee -ist uns angeboren, ist a priori, alle sind a posteriori. „Bei manchen -Leuten,“ sagt er, „steht die Ansicht fest, daß der Verstand gewisse ihm -angeborene Grundbegriffe enthalte, gewisse ursprüngliche Vorstellungen, -κοιναὶ ἔννοιαι, dem menschlichen Bewußtsein gewissermaßen aufgeprägte -Schriftzüge, die die Seele bei ihrem ersten Eintritt in das Dasein -empfange und mit sich in die Welt bringe.“ Das soll also nicht der -Fall sein: „Sie sind dem Geiste nicht von Natur eingeprägt, weil sie -den Kindern, Idioten usw. nicht bekannt sind.“ Alle Kinder und Idioten -hätten nicht den geringsten Begriff von ihnen. Und es scheint ihm „fast -ein Widerspruch darin zu liegen, wenn man sagen wollte, es gäbe der -Seele eingeprägte Wahrheiten, die sie nicht bemerke oder verstehe.“ -„Denn daß dem Geiste etwas eingeprägt werde, ohne daß es ihm zum -Bewußtsein käme, scheint mir kaum verständlich zu sein.“ Die Vernunft -entdeckt auch die Ideen nicht, sie bildet sie nur allmählich aus den -Eindrücken, die sie empfängt. Locke unterscheidet nun die innere -Erfahrung (reflection) von der äußeren (sensation). Aber eine innere -Erfahrung ohne äußere erkennt er nicht an. Wie bei den Stoikern und -vielen andern, ist die Seele für ihn erst eine tabula rasa, ein „leeres -Kabinet“. Die Sinne lassen „erst Vorstellungen ein, der Verstand -einverleibt sie dem Gedächtnis und versieht sie mit Zeichen, Namen. -Dann, im weiteren Fortschreiten abstrahiert er aus ihnen Begriffe -und lernt allmählich allgemeinere Namen. So gewinnt er Materialien -für sein Denkvermögen.“ Wir haben also nur die Fähigkeit Ideen zu -bilden, nicht besitzen wir diese Ideen von vornherein. Nicht einmal -die logischen Begriffe sind angeboren; Kinder kennen weder den Satz -der Identität, noch den des Widerspruchs. Die Idee Gottes ist nicht -angeboren. Ebensowenig die Idee der Materie. Das Kind und der Idiot -wissen von beiden nichts. Alles an Ideen<span class="pagenum"><a name="Seite_404" id="Seite_404">[S. 404]</a></span> ist allein aus den Eindrücken -abgeleitet, die Ideen sind empirisch gewonnen. Das wird nun auch mit -stärkerem Grunde von den praktischen Grundsätzen behauptet, ebenfalls -zum Teil von den moralischen und ethischen. Diese sind erst recht nicht -angeboren. Die Beweise dafür werden aus dem Leben des Einzelnen und -der Menschen eingehend geführt. In der Tat ist ja das Material für -solche Beweise scheinbar groß genug. Alle Ideen sind aus Sensation -und Reflexion gewonnen. „Äußere Gegenstände versehen den Geist mit -den Ideen sinnlicher Eigenschaften, die aus allen den verschiedenen -Wahrnehmungen bestehen, die sie in uns hervorbringen, und der Geist -versieht den Verstand mit den Ideen seiner eigenen Tätigkeit.“ Die -Ideen der Reflexion werden aber später erworben, und die Seele -fängt an, Ideen zu haben, wenn sie mit der Wahrnehmung beginnt. Die -Wahrnehmung ist das eine, das der Geist tut, und die Reflexion an -diesen Wahrnehmungen ist das zweite. Aber ohne Wahrnehmungen gibt es -auch keine Reflexion. So sind die Wahrnehmungen das Grundlegende. -Das ist reiner <span class="gesperrt">Empirismus</span>. Nun aber sind Wahrnehmungen solche -doch nur insoweit, als wir sie bewußt erfassen. Daher ist unsere -innere Tätigkeit Voraussetzung der Wahrnehmungen. Und so entsteht ein -gegenseitiges Sichbedingen: ohne Sensation keine Reflexion, und ohne -Reflexion keine Sensation. Das letztere aber liegt auf dem Gebiete des -<span class="gesperrt">Sensualismus</span>. Unser Inneres erst macht die Wahrnehmungen zu dem, -was sie sind. Und als solche sind sie in unserem Inneren durchaus real.</p> - -<p>Ob sie auch objektive Realität haben, muß die Verbindung der -Wahrnehmungen unter dem Einfluß der Reflexion entscheiden. Dann zeigt -sich, daß manche Wahrnehmungen nicht den Dingen selbst anhaften, -sondern nur durch Eindrücke von ihnen auf uns hervorgebracht werden, -wie Farben, Töne, Gerüche, Wärme, Kälte usf. Anderen dagegen, wie -Festigkeit, Ausdehnung, Figur, Ruhe, Bewegung, schreibt Locke -<span class="gesperrt">objektive</span> Wahrheit zu, sie sind wirklich. Selbst Raum, -Zeit und Zahl gehören dazu. Hier haben wir einen <span class="gesperrt">Realismus</span> -und <span class="gesperrt">Positivismus</span>. „Weil unsere Sinne außerstande sind,<span class="pagenum"><a name="Seite_405" id="Seite_405">[S. 405]</a></span> -irgendwelche Ungleichheit zwischen der in uns entstandenen Idee und der -Beschaffenheit des sie hervorbringenden Objekts (das Objekt selbst, -nicht das Ding-an-sich, wie der Herausgeber meint) zu entdecken, -so sind wir zu der Vorstellung geneigt, daß unsere Vorstellungen -Ebenbilder von etwas in den Objekten Enthaltenem und nicht die -Wirkungen gewisser in der Modalität ihrer primären Eigenschaften -liegender Kräfte seien, mit welchen primären Eigenschaften die in -uns entstandenen Ideen keine Ähnlichkeit haben.“ Das letztere klingt -freilich idealistisch gesprochen. Und an einer weit davon entfernten -Stelle wird gesagt: „Offenbar erkennt der Geist die Dinge nicht -unmittelbar, sondern nur vermittelst der Ideen, die er von ihnen hat. -Unser Wissen ist deshalb nur so weit real, als eine Übereinstimmung -zwischen unseren Ideen und der Realität der Dinge besteht. Was soll -aber hierfür als Kriterium dienen? Woran soll der Geist, wenn er nichts -als seine eigenen Ideen wahrnimmt, deren Übereinstimmung mit den Dingen -selbst erkennen?“ Locke glaubt sich helfen zu können, indem er die Art -der Ideen in Betracht zieht. Er hatte gleich im Anfang seines Werkes -<span class="gesperrt">einfache</span> Ideen (simple ideas) von komplexen (complex ideas) -unterschieden und zu jenen alle Ideen gerechnet, denen Wahrnehmung -durch die äußeren Sinne (einen Sinn oder mehrere Sinne zugleich) -entspricht, oder durch den inneren Sinn allein (Denken, Fühlen usf.), -oder durch beide Sinnenarten zusammen (Lust, Schmerz, Kraft, Existenz, -Einheit). Auf diese einfachen Ideen stützt er sich. Nach seiner Lehre -kann der Geist keine von ihnen aus sich selbst hervorbringen; er ist -nur reflexiv beteiligt, ihre Entstehung verdanken sie Eindrücken (s. -oben). Also müssen sie „notwendigerweise das Erzeugnis von Dingen -sein,“ „die auf natürlichem Wege auf den Geist einwirken und an ihm -eben die Wahrnehmung hervorbringen, wofür sie durch die Weisheit und -den Willen des Schöpfers bestimmt und eingerichtet sind. Daraus folgt, -daß die einfachen Ideen nicht Erdichtungen unserer Phantasie, sondern -die natürlichen und regelmäßigen Erzeugnisse von Dingen außer uns -sind, die tatsächlich auf uns einwirken, und daß<span class="pagenum"><a name="Seite_406" id="Seite_406">[S. 406]</a></span> sie also die ganze -beabsichtigte oder für unseren Zustand erforderliche Ähnlichkeit an -sich tragen.“ Die Einführung Gottes zum Beweise der Realität der Dinge -entspricht dem Verfahren des Descartes (<a href="#Seite_337">S. 337</a>). Selbst die komplexen -Ideen, mit Ausnahme der Idee von der Substanz (Materie) sollen zu dem -gleichen Schluß führen. Unserer eigenen Existenz sind wir intuitiv -gewiß. Gottes Dasein können wir mit Gewißheit erkennen. Und der -Beweis dafür wird wie immer aus den ihm zugeschriebenen Eigenschaften -entnommen. Indessen auch von der Welt; er ist also ontologisch und -kosmologisch. Sonst entscheidet überall einzig die Vernunft in -Verbindung mit der Wahrnehmung.</p> - -<p>Der Raum wird als ein eigenes Reales angesehen, also ist auch ein von -Körpern freier Raum zugestanden. Die Zeit wird durch die Folge unserer -eigenen Ideen gewonnen. Hier ist der Gedankengang von hohem Interesse. -Erst haben wir in unserem Inneren die Idee der Sukzession; in unser -Bewußtsein kommt einiges, anderes verschwindet. Ein Abstand zwischen -den Teilen der Sukzession ist die Dauer. Indem wir ferner „gewisse -Erscheinungen in bestimmten regelmäßigen Dauern sinnlich wahrnehmen, -erlangen wir die Ideen von bestimmten Längen oder Maßen der Dauer, wie -Minuten, Stunden, Tagen, Jahren usf.“ Nun können wir in unserem Sinn -Dauern wiederholen, so kommen wir dazu, „uns eine Dauer vorzustellen, -wo nichts wirklich fortdauert oder besteht“. Indem wir Maße von Dauern -immer weiter aneinanderfügen, gelangen wir zu dem Begriff der Ewigkeit. -Endlich: „durch die Betrachtung irgendeines Teiles der unendlichen -Dauer, als abgegrenzt durch periodische Maße, kommen wir zu der Idee -dessen, was wir im allgemeinen die Zeit nennen“. Hier wirkt Inneres und -Äußeres. Und ich glaube, nichts zeigt so klar, wie wenig angeborene -Ideen entbehrt werden können, als diese mühsame und nach Außen und -nach Innen schwingende Ableitung der Zeit. Sofern die Reflexion nur an -Wahrnehmung anschließen soll, möchte man der Zeit Realität zusprechen. -Aber sie scheint mit gleichem Rechte auch idealistisch aufzufassen -zu sein, da ja die Reflexion wieder Bedingung der<span class="pagenum"><a name="Seite_407" id="Seite_407">[S. 407]</a></span> Wahrnehmung ist, -also auch der Folge in den Wahrnehmungen. Von der Materie (Substanz) -wird gesagt, daß wir von ihr „im allgemeinen keine klare Idee“ haben. -Weil wir von körperlichen Substanzen, „wie Pferd, Stein usf. reden und -an sie denken, so ist zwar unsere Idee von jeder derselben nur die -Verknüpfung oder Zusammenfassung einer Mehrzahl einfacher Ideen von -sinnlichen Eigenschaften, die wir gewohnt sind in dem Pferd oder Stein -genannten Dinge vereinigt zu finden; weil wir uns aber nicht denken -können, wie sie jede für sich oder eine durch die andere bestehen -sollten, so setzen wir voraus, daß sie durch ein gemeinschaftliches -Subjekt existieren und getragen werden, und diese Stütze bezeichnen -wir mit dem Namen „Substanz“, obgleich wir sicherlich von dem Dinge, -das wir voraussetzen, keine klare oder deutliche Idee haben.“ Also -ist die Substanz als solche idealistisch gedacht. Dagegen haben wir -vom „Geiste“ „eine ebenso klare Idee wie vom Körper“. Mit demselben -Recht, mit dem wir dem Körper Realität zuschreiben, können wir auch die -Realität des Geistes behaupten. Der Geist scheint fast substantiell -gedacht zu sein, denn es wird ihm Bewegungsfähigkeit zugeschrieben. Es -heißt: „Denn da meine Seele, so gut wie mein Körper, ein reales Wesen -ist, so ist sie gewiß ebensogut wie der Körper imstande, ihren Abstand -von einem anderen Körper oder Wesen zu verändern, und also der Bewegung -fähig.“</p> - -<p>Von <span class="gesperrt">David Hume</span> (bei Edinburg 1711 geboren, 1776 gestorben), der -als der bedeutendste Philosoph Englands anerkannt wird, haben wir in -anderem Zusammenhange bereits gesprochen (<a href="#Seite_358">S. 358</a>). Hier kommt es auf -seinen <span class="gesperrt">Empirismus</span> und <span class="gesperrt">Sensualismus</span> an. Er geht insofern -nicht so weit wie Locke, als er Begriffe auch a priori anerkennt. -Sein für uns in Betracht kommendes Hauptwerk ist „Enquiry concerning -human understanding“ (ich zitiere nach der deutschen Ausgabe der -Philosophischen Bibliothek). Für Humes Anschauungen von Wichtigkeit -ist seine Unterscheidung zwischen Eindrücken und Gedanken oder -Vorstellungen. Eindrücke (impressions) sind „alle unsere lebhafteren -Auffassungen,<span class="pagenum"><a name="Seite_408" id="Seite_408">[S. 408]</a></span> wenn wir hören, sehen, tasten, drücken, wünschen, -wollen.“ <span class="gesperrt">Gedanken</span> oder <span class="gesperrt">Vorstellungen</span> (ideas, perceptions) -sind die weniger lebhaften Auffassungen, „deren wir uns bewußt -werden, wenn wir uns auf eine jener oben erwähnten Wahrnehmungen oder -Regungen besinnen“. Vorstellungen sind also immer „einem gleichartigen -Eindruck nachgebildet“. Es gibt Ausnahmen von dieser Regel, indem -die Einbildung Vorstellungen in einer Reihe von Vorstellungen auch -ohne voraufgegangenen Eindruck aus benachbarten Vorstellungen zu -ergänzen vermag, zum Beispiel eine besondere, nie gesehene Farbe in -einer Farbenskala, wo sie fehlt. Hume führt diesen Fall selbst an; -aber er legt diesen Ausnahmen kein Gewicht bei, vielleicht weil die -Ergänzung lediglich eine Mittelung aus den einschließenden bekannten -Vorstellungen ist. Versteht man nun unter angeboren das, „was -ursprünglich, das heißt von keiner vorangegangenen Auffassung das -Abbild ist, dann können wir wohl behaupten, daß alle unsere Eindrücke -angeboren und unsere Vorstellungen nicht angeboren sind“. Wir würden -uns im Kreise bewegen, wenn wir nicht umgekehrt sagen wollten: Es -gibt Seelentätigkeiten, die angeboren sind, wie die Wahrnehmungen, -der Wunsch, der Wille (Humes Ausdrucksweise ist zu unbestimmt, um -die Reihe in seinem Sinne selbst fortsetzen zu können), diese nennen -wir Eindrücke; und es gibt weiter Tätigkeiten, die nicht angeboren, -sondern Abbilder jener Tätigkeiten sind, diese heißen Gedanken oder -Vorstellungen. Hume legt aber auf die Unterscheidung zwischen angeboren -und nichtangeboren anscheinend gar keinen Wert. Wie Eindrücke die -Grundlage der Vorstellungen sind, so können sie ihrerseits wieder -Eindrücke hervorrufen, diese wieder Vorstellungen veranlassen usf. -Aus den Eindrücken folgen die Tatsachen. Alle Denkakte, die Tatsachen -betreffen, „scheinen sich auf die Beziehung von Ursache und Wirkung -zu gründen“. Aber Hume sagt: „Ich wage es, als einen ausnahmlosen -Satz hinzustellen, daß die Kenntnis dieser Beziehung in keinem Falle -durch Denkakte a priori gewonnen wird; sondern daß sie ganz und gar -aus der Erfahrung stammt, indem wir finden, daß gewisse Gegen<span class="pagenum"><a name="Seite_409" id="Seite_409">[S. 409]</a></span>stände -beständig in Zusammenhang stehen.“ Die Beispiele, die Hume wählt — -ein Mann, dem ein gänzlich fremder Gegenstand vorgelegt wird, würde -nicht imstande sein, trotz genauester Prüfung, „irgendwelche von seinen -Ursachen oder Wirkungen zu entdecken“. Adam hätte „aus der Flüssigkeit -und Durchsichtigkeit des Wassers nicht herleiten können, daß es ihn -ersticken, noch aus der Helligkeit und Wärme des Feuers, daß es ihn -verzehren würde“ — zeigen aber deutlich, daß es sich für Hume nicht -um den Ursächlichkeitsbegriff handelte, sondern allein um objektive -Ursache und Wirkung. Seine Behauptungen enthalten also keineswegs eine -Ableugnung des Kausalitätsbegriffes, sondern nur der Möglichkeit, -<span class="gesperrt">besondere</span> Ursachen und Wirkungen allein aus der Vernunft zu -erkennen. Und darin muß jeder beistimmen. Die Kausalität außer der -Erfahrung sagt ja nicht, das und das <span class="gesperrt">wird</span> aus <span class="gesperrt">dem</span> und -<span class="gesperrt">dem</span> geschehen, sondern: was geschieht, geschah und geschehen -wird, ist eine Folge von irgend etwas; wir sehen alles als Folge von -etwas an; nicht, wir erwarten Dieses als Folge von Jenem. Letzteres -kann selbstverständlich nur durch Erfahrung gerechtfertigt werden. -Ja, man muß Hume beipflichten, wenn er weiter meint, wir hätten -auch aus der Erfahrung noch kein Recht, aus bestimmten Ursachen auf -bestimmte Wirkungen zu schließen, selbst wenn wir so und so oft die -Wirkungen haben eintreten sehen. „Vergeblich behauptet man, die -Natur der Körper aus vergangener Erfahrung kennen gelernt zu haben. -Ihre verborgene Natur und alle ihre Wirkungen können wechseln, ohne -jeden Wechsel in ihren sinnlichen Eigenschaften“. Und er sagt ferner: -„Diese Verknüpfung also (daß wir in einer Reihe von Fällen Ereignisse -stets im Zusammenhange sehen), die wir im Geist <span class="gesperrt">empfinden</span>, -dieser gewohnheitsmäßige Übergang von einem Gegenstand zu seinem -üblichen Begleiter, ist das Gefühl oder der Eindruck, nach dem wir -die Vorstellung von Kraft oder notwendiger Verknüpfung bilden. Weiter -steckt nichts dahinter“. Gleichwohl glaube ich, daß diejenigen zu weit -gehen, welche Hume den Ursächlichkeitsbegriff als solchen ablehnen -lassen; von diesem Begriff ist bei ihm, wie bemerkt, gar keine<span class="pagenum"><a name="Seite_410" id="Seite_410">[S. 410]</a></span> Rede; -er lehnt nur ab, daß wir je ohne Erfahrung Verknüpfung zwischen -Erscheinungen ermitteln können, und daß wir je, wo wir Verknüpfungen -festgestellt haben, mit Gewißheit sie auch für nicht festgestellte -Fälle in der Vergangenheit oder für die Zukunft behaupten können. -Deshalb wird Ursache auch noch anders definiert, als ein „Gegenstand, -dem ein anderer folgt, und dessen Erscheinen stets das <span class="gesperrt">Denken</span> -zu jenem anderen führt“. Somit ist das Verhältnis zwischen Ursache und -Wirkung entweder reine Tatsachenbehauptung — auf diese Schwingung -folgt dieser Ton, und allen gleichgearteten Schwingungen sind -gleichgeartete Töne gefolgt — oder eine Denkfolge — auf diese -Schwingung folgt dieser Ton, beim Erscheinen dieser Schwingung greift -der Geist vor und bildet die Vorstellung des Tones —. Außer diesen -beiden Gesichtspunkten, meint Hume, haben wir für die Beziehung von -Ursache und Wirkung keine Vorstellung. Der erste Gesichtspunkt geht auf -unmittelbar Erfahrenes, der zweite auf Erwartetes. Letzterer betrifft -selbst nach Hume einen geistigen Akt. Die beiden Gesichtspunkte sollen -in gleicher Weise auch für psychische Erscheinungen gelten. Eine Art -<span class="gesperrt">gewohnheitsmäßiges</span> Schließen des Geistes sei es, das beide -Fälle umfaßt. Von denselben Gesichtspunkten aus ist, was Hume über -das „Wunder“ sagt, höchst interessant und bedeutend. Die Vernunft -spricht hier gar nicht mit, sondern nur der Glaube. Er nennt die Leute -gefährliche Freunde oder versteckte Feinde, die es unternommen haben -und unternehmen, die christliche Religion mit den Prinzipien der -menschlichen Vernunft zu verteidigen. „Unsere allerheiligste Religion -gründet sich auf Glauben, nicht auf Vernunft.“ Die gleiche Ruhe des -Denkens trägt die Untersuchungen über Vorsehung und zukünftiges Dasein. -Beides wird in das Gebiet des Glaubens verwiesen. Vernünftigerweise -haben wir kein Recht, sie zu behaupten. Bei der Vorsehung, die die -Weltordnung umfaßt, sind es nur Tatsachen, die wir vor uns haben, und -die zurück auf eine allgemeine Ursache zu führen wir durch nichts -rechtfertigen können. Zu der Annahme eines Jenseits veranlassen -uns gleichfalls nur Tatsachen, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_411" id="Seite_411">[S. 411]</a></span> nämlich vieles nicht genügend -belohnt oder bestraft wird, sogar Gutes bestraft, Übles belohnt sich -findet. „Daher all die fruchtlosen Bemühungen, Rechenschaft über die -Erscheinungen des Übels in der Natur zu geben und die Ehre der Götter -zu retten (Hume läßt einen Athener sprechen), während wir doch die -Tatsache des Bösen und des Wirrens, woran die Welt so überreich ist, -anerkennen müssen.“ Außer <span class="gesperrt">Ursache und Wirkung</span> haben wir als -Vorstellungsverknüpfungen noch <span class="gesperrt">Ähnlichkeit</span> (und <span class="gesperrt">Kontrast</span>) -und <span class="gesperrt">Berührung in Zeit oder Raum</span>. Es sind dieses die drei -<span class="gesperrt">Assoziationsprinzipe</span>.</p> - -<p>Die ganze Anschauung ist eine <span class="gesperrt">Tatsachen</span>anschauung, sowohl in -bezug auf das äußere wie auf das innere Leben, ein <span class="gesperrt">Positivismus</span>. -Der reinen Vernunft wird fast nichts eingeräumt. Alles ist eine Häufung -von äußeren assoziierten Erscheinungen und inneren assoziierten -Erscheinungen. Wie für die äußeren Tatsachen keine allgemeine Ursache -behauptet wird, so für die inneren keine allgemeine Seele. Von dieser -subjektlosen Psychologie habe ich bereits gesprochen (<a href="#Seite_359">S. 359</a>, <a href="#Seite_400">400</a>). Nur -eine Art „Ich“ wird anerkannt und die Welt so gesetzt, wie sie sich -bietet. Sensualistisch ist diese Anschauung, weil alle Vorstellungen -durchaus nicht ohne Eindrücke sein sollen. Freilich werden zu diesen -Eindrücken auch psychische gerechnet, so daß der Sensualismus in der -Tat kein vollständiger ist, sondern mit Idealismus sich überdeckt.</p> - -<div class="section"> - -<h4>49. <span class="gesperrt">Die weitere Entwicklung</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die in gewaltigen Strömen sich ergießenden Anschauungen des -Materialismus und des Idealismus hemmten die weitere Entwicklung der -vorstehend behandelten Ansichten. So haben wir denn aus früherer Zeit -nur noch einen namhafteren Sensualisten vorzuführen, der nicht zugleich -Materialist gewesen ist, <span class="gesperrt">Etienne Bonnot de Condillac</span> (in -Grenoble 1715 geboren, 1780 gestorben). Und selbst er gehört nicht ganz -hierher, da er nicht allein sensualistisch, sondern auch idealistisch -urteilt. Unser Geist entwickelt sich aus<span class="pagenum"><a name="Seite_412" id="Seite_412">[S. 412]</a></span> unseren Lebensbedürfnissen, -zu denen noch das Bedürfnis der Erfüllung unserer Neugier kommt. -Angeborene Begriffe haben wir nicht; die Begriffe dienen überhaupt -nur zur Klassifikation der Dinge. Eigenheiten unseres Geistes, wie -Wahrnehmen, Denken, Wollen usf., als Ursprüngliches gibt es nicht, -nur erworbene Fertigkeiten, Gewohnheiten (habitudes acquises). Unsere -Sinne sind das Prinzip unserer Kenntnisse; mit den Sinnen beginnen -sie und durch die Sinne vervollkommnen sie sich. Die Aufmerksamkeit -ist eine im Gewirr von Empfindungen hervortretende Empfindung, also -ein höherer Grad der Lebhaftigkeit einer Empfindung. Das ist auch -das Bewußtsein in seinen beliebigen Abtönungen. Unsere Empfindungen -können nicht bloß einmal zugleich sein, sondern auch beisammen -hintereinander, indem eine ihre Spur zurückläßt; alsdann haben wir die -Erinnerung. Diese aber ist eine Vergleichung. Und so kommen wir zu -Lockes Reflexion neben der Sensation. Condillac will also über Locke -hinaus vereinfachen, die Reflexion aus der Sensation entstehen lassen. -Daß dieser Versuch als ein mißglückter bezeichnet werden muß, ist klar, -denn: „eine lebhafte Empfindung ist Aufmerksamkeit“ und „Empfindungen -lassen Spuren zurück“ sind doch nur Redewendungen. Das erhellt noch -mehr, wenn unserem Geist Freiheit in der Kombination der Empfindungen -gelassen wird. Wir haben aber nur den Sinnen und dem, was sie uns -zuführen, der Natur, zu folgen. Somit können wir nie auf den Grund -der Erscheinungen kommen; die einzigen Grundlagen aller Wissenschaft -sind nur Tatsachen. Auch unsere Empfindungen durch die Sinne sind nur -solche Tatsachen; die einfachen Ideen, die sie bieten, lassen sich -nicht erklären. Nur die komplexen Ideen können wir auseinanderwickeln, -analysieren. Alle Empfindungen sind nur Modifikationen unseres Ich. -Hier spielt ein <span class="gesperrt">innerer</span> Sensualismus als Phänomenalismus hinein, -„die Seele ist es, die empfindet, ihr allein gehören die Empfindungen -an“. „Unsere Empfindungen existieren außer uns nicht.“ Und so verbindet -sich Condillacs Positivismus auch mit Dualismus, sogar mit Deismus, -da einerseits zwischen Körper und Geist<span class="pagenum"><a name="Seite_413" id="Seite_413">[S. 413]</a></span> unterschieden wird und -andererseits alles Bestimmende, der Materie wie der Seele, von Gott -kommen soll. Da nun Körper und Geist absolut verschieden sein sollen -und in Gott auch nicht Vereinigung finden, so gelangt Condillac zu -einem <span class="gesperrt">okkasionalistischen</span> (<a href="#Seite_336">S. 336</a>) <span class="gesperrt">Sensualismus</span> und einem -<span class="gesperrt">freien Psychismus</span>. Man sollte nun glauben, daß das Ich eine -besondere Bedeutung hat. Keineswegs! Das Ich wird erst erkannt aus der -Folge der Empfindungen, und es ist nur „eine Sammlung von Empfindungen, -die es erfährt, und solcher, die das Gedächtnis ihm in Erinnerung -bringt“. Für die Erkenntnis der Außenwelt hat er sein berühmtes -Beispiel der Statue erfunden, die er allmählich mit allen Sinnen -begabt. Er findet, daß nur das Tastgefühl uns eine Außenwelt gewiß -macht, die übrigen Empfindungen können es nicht tun. Nicht einmal unser -eigenes Körperbewußtsein vermöge uns unseren Körper zu sichern; nur -wenn wir ihn betasten, haben wir ihn. Trotz dieser sehr mangelhaften -Erweisung der Körperwelt, sieht Condillac diese als sicher an; er ist -darin dogmatischer Realist. Es ist erstaunlich, was man alles als -Sensualist sein kann! Selbst wenn man ein so methodischer Kopf ist, wie -Condillac sich anscheinend überall durch seine fast minutiösen Analysen -und Synthesen zeigt.</p> - -<p>Zu den Sensualisten werden noch <span class="gesperrt">Hemsterhuis</span>, <span class="gesperrt">Montesquieu</span>, -ja <span class="gesperrt">Rousseau</span> gezählt, aber mehr in der Weise wie Männer, die -sensualistisch denken, nicht sensualistische Systeme errichten. -Vielleicht ist bei Rousseau (1712 zu Genf geb., 1778 gest.) aus seinem -Sensualismus seine berühmte Vorliebe für den Naturzustand abzuleiten -und seine Feindschaft gegen die Reflexion, die er weit gegen die -Sensation zurückstellt und der er doch bei jeder Gelegenheit so -huldigt, wie dem menschlichen Gefühl und Hochdenken. Im 19. Jahrhundert -haben wir zunächst in <span class="gesperrt">Beneke</span> (1798–1854) einen Realisten nach -Art der vorgeführten zu sehen. Auch für ihn gibt es keine angeborenen -Begriffe an sich, wohl aber die Fähigkeit, Begriffe herzustellen. Man -hat bisher darin gefehlt, meint er, „daß man die in der ausgebildeten -Seele hervortretenden Formen als schon vor der Erfahrung, oder -bestimmter, vor der Entwicklung der Seele<span class="pagenum"><a name="Seite_414" id="Seite_414">[S. 414]</a></span> gegebene (angeborene) -voraussetzt. Dies ist falsch: Die Formen, welche für die Erkenntnis -zunächst vorliegen, <span class="gesperrt">sind erst in der Entwicklung der Seele -entstanden</span>, vor derselben nur <span class="gesperrt">prädeterminiert</span> in angeborenen -Anlagen und Verhältnissen, welche ganz andere Formen an sich tragen“.</p> - -<p>Diese, übrigens nicht neue, Auffassung hat viele begeisterte Anhänger -gefunden, namentlich in der neuesten Zeit, da der Führer der modernen -Sensualisten, Ernst Mach, sie anerkannt hat. Aber wie wenig sie -erklärt und wie sehr sie eigentlich nur ein Spiel mit Worten ist, -erhellt, glaube ich, genügend aus dem bisher Vorgetragenen. Seit -Aristoteles seine <span class="gesperrt">potentiellen Eigenschaften</span> erfunden und in -die Welt gebracht hat, spuken sie in allen Wissenschaften, selbst -in den exakten, trotz der so bestimmten Aufklärungen, die Kant uns -über sie gegeben hat. Ich setze mit einem Wirklichen nicht mehr als -mit einem Potentiellen, das Wirklichkeit wird. Und ein Potentielles, -das Wirklichkeit nicht wird, hat für Erklärungen, für Einsichten gar -keinen Wert. Es ist nur ein Streit um Worte, veranlaßt durch das -Mißverständnis, als wenn wir von allem, was wir enthalten, in jedem -Moment durchaus die gleiche intensive Kenntnis haben müßten. Auf diese -Weise ist für uns alles potentiell, und zwar in jedem Moment; wir, die -Welt, die Eindrücke, unser Gehen, Stehen usf., denn dies alles ist -uns durchaus nicht immer in gleicher Weise gegenwärtig, und es lohnt -nicht, überhaupt über etwas nachzudenken. Wir wenden im ausgebildetsten -Zustand immer nur einzelnes an, sind uns mitunter unseres Körpers, -der ganzen Umgebung nicht bewußt, folgen einem fremden Wollen, einem -verborgenen Fühlen. Gleichwohl ist doch alles in unserer Seele da, -und wir benutzen es sofort, sobald wir dazu gezwungen werden oder es -wollen. Sofort empfinden wir dann, und empfinden wir räumlich und -zeitlich und kausal. Sofort bei der Geburt empfindet das Kind Hunger, -Durst, Schmerz, Sättigung usf. Es urteilt noch nicht logisch, aber -schon kausal; es hat den Raumbegriff, denn es führt Gegenstände zum -Mund und sucht die Brust der Mutter. Das gilt alles<span class="pagenum"><a name="Seite_415" id="Seite_415">[S. 415]</a></span> für das Kind wie -für das Tier, und das nennt man eben angeboren. Die Fähigkeiten würden -dem Kinde gar nichts nützen, es wüßte selbst nach dem ersten Schluck -aus der Mutter Brust nicht, daß es weitersaugen soll, um den Hunger -zu stillen, wenn es den Kausalbegriff nicht hätte. Daß wir lange Zeit -nicht darauf kommen, was wir besitzen anzuwenden, hat mit dem Besitz -nichts zu schaffen. Erwerbung sagt rein gar nichts, sondern drückt nur -die Tatsache aus, daß Gleiches allgemein Gleichem gleicht. Es gibt eben -Dinge in der Welt, die man <span class="gesperrt">nicht</span> ableiten kann, weil sie schon -das Einfachste sind. Etwas muß doch da sein; wenn auch nur die Mittel, -daß wir überhaupt existieren, überhaupt wahrnehmen, fühlen, denken -usf. Wenn dieses Etwas nicht von vornherein vorhanden ist, so kann ja -niemals ein Anfang gemacht werden, denn zu diesem Anfang, so unbestimmt -und dunkel er sein mag, gehört ja schon das Etwas. Es mag einer noch -so schlecht gehen, so muß er seine Beine doch dazu haben; hat er sie -nicht, oder nur potentiell, indem sie ihm im Körper stecken, so kann er -nicht einmal auf die miserabelste Weise auch nur den kleinsten Schritt -tun. Ohne angeborene Eigenheiten gibt es gar keinen Anfang des Lebens, -das Leben würde sofort zu Grunde gehen. Welche Eigenheiten man als -angeboren annehmen soll, und ob bei allen Wesen die gleichen, darüber -kann gestritten werden; aber nicht, ob überhaupt Eigenheiten als -angeboren anzunehmen sind (<a href="#Seite_362">S. 362</a>).</p> - -<p>Um auf unseren Philosophen zurückzukommen, so leitete er alle -psychischen Vorgänge aus Grundvorgängen ab: aus Reizaneignung, -das heißt Empfindung und Wahrnehmung, den „Urvermögen“ der Seele; -aus Umbildung zu neuen Urvermögen; aus Assoziation und Nachklang -der Reizaneignung; aus Kombination. Diese Vermögen, ihr Wirken -und Zusammenwirken sind die Seele. Es ist also abermals eine Art -assoziative Psychologie, aber doch mit einem, wenn auch im Hintergrund -wirkenden Ich.</p> - -<p>In dem gleichen Jahre wie Beneke ist auch <span class="gesperrt">Auguste Comte</span> (zu -Montpellier) geboren, der eigentliche Positivist des 19. Jahrhunderts, -ehe er durch Krankheit in Mystizismus<span class="pagenum"><a name="Seite_416" id="Seite_416">[S. 416]</a></span> verfiel, in dem er 1859 -zu Paris starb. Seine „Philosophie positive“ ist ein Grundwerk. -Die Metaphysik mit ihren Ideen und Kategorien wird von vornherein -abgelehnt; sie ist nur eine Scheinwissenschaft, eine Art Theologie. -Drei Folgen des Denkens nennt Comte. Zuerst sieht der Mensch in und -hinter den Dingen Persönlichkeiten. Wir kennen diesen Zustand schon -und haben ihn im ersten Buch eingehend dargelegt. Später verlieren -die Persönlichkeiten das Persönliche allmählich und gehen zuletzt, -soweit sie noch übrig gelassen werden, in metaphysische Begriffe über. -„Sie (die Scheinwissenschaft) setzt ihre Kategorien an die Stelle der -Dämonen; aber sie hört nicht auf, Entitäten, das heißt erdichtete -Wesenheiten, im Hintergrunde der Erscheinungen vorauszusetzen“ (E. -Dühring, Geschichte der Philosophie). Das soll sich wohl auf die -Dinge-an-sich beziehen. Im dritten Stadium wendet sich das Denken dem -zu, was ist, der rein positiven Betrachtung der Welt. Comte hat von -diesem Gesichtspunkt aus die bekanntesten Wissenschaften: Mathematik, -Mechanik, Physik, Chemie, Astronomie, Physiologie, Gesellschaftslehre -behandelt. Es ist eine „Hierarchie der positiven Wissenschaften“, die -Wissenschaften werden positiv-induktiv vorgeführt. Für die Welt- und -Lebenanschauung ergibt sich fast nichts; nur daß Comte das geistige -Leben von der Physik und Chemie doch geschieden hat, verdient besondere -Erwähnung. Er erkennt bloß an, daß in diesem Leben physische Vorgänge -als Momente eintreten. Das Leben selbst aber ist etwas anderes als -diese Vorgänge, aus ihnen nicht zu begreifen und als etwas für sich -nach seinen Positiven zu studieren. Comte hat viele Nachfolger in -Frankreich, England wie Deutschland gehabt.</p> - -<p>Bei uns der bedeutendste Positivist ist <span class="gesperrt">Eugen Dühring</span> (geb. -1833) ein Mann, so scharfsinnig in kritischen Untersuchungen wie -wissenschaftlichen Entdeckungen; die Physik verdankt ihm eines ihrer -sichersten und schönsten Gesetze. Seine „Wirklichkeitsphilosophie“ -betrachtet alles: Raum, Zeit, Welt wie wir es uns vorstellen, nach -Maßgabe wohl des Zusammenwirkens aller Sinne. Aus dem „Gesetz der -bestimmten Anzahl“ wird geschlossen, daß, wenn der Raum<span class="pagenum"><a name="Seite_417" id="Seite_417">[S. 417]</a></span> unbegrenzt -sein sollte, doch die Welt der Dinge begrenzt ist, und auch, daß sie -zeitlich einen Anfang gehabt hat, soweit wenigstens es sich um Vorgänge -handelt. Vor diesem Anfang bestand also ein vorgangloses Sein. In -diesem Urzustande können gleichwohl Verschiedenheiten in den Dingen -und Zuständen vorhanden gewesen sein, nur zeitliche Folgen davon -nicht. Diese sind aus diesem Zustande heraus entstanden und entwickeln -sich nun immer weiter. Aber alles Beharrliche oder nach Beharrung -strebende haben wir als aus diesem Urzustande noch überkommen oder -zurückgeblieben anzusehen. War einmal ein Anfang zu den Geschehnissen -unserer Welt, so können sich Anfänge zu neuartigen Geschehnissen noch -einstellen. Das Ganze stellt aber eine Entwicklungsreihe dar, und zwar -aus der Natur selbst heraus, ohne Zuhilfenahme einer höheren Macht. -Und die ganze Natur ist eine Einheit. Man wird unwillkürlich an die -Anschauungen der ionischen Naturphilosophen erinnert. Dem Anfang kann -ein Ende entsprechen, etwa ein Zustand analog dem Urzustand. Jedoch -sei ewige Wiederholung des Gewesenen nicht ausgeschlossen. Eine Seele -als Sondergegenstand wird nicht zugestanden, wohl aber werden Kräfte -in der Natur angenommen. Zwischen der inneren Welt und der äußeren -Welt besteht ein Parallelismus. Manches wird mechanistisch aufgefaßt, -wie daß alle Subjektivität aus Widerstandsempfindungen und das -Bewußtsein aus einem Antagonismus mechanischer Kräfte stammen soll. Das -eigenartigste ist der „Urzustand“. In einer Wirklichkeitsphilosophie -darf man über ihn nicht hinausgehen. Aber wer kann sich dabei -beruhigen? Wir sprechen noch davon. Auf weiteres in Dührings -Philosophie einzugehen, muß ich mir versagen, sie betrifft mehr die -Lebensbetrachtung.</p> - -<p>Von den modernsten Sensualisten und Positivisten nenne ich nur -<span class="gesperrt">Ernst Mach</span> (geb. 1838) als den tonangebenden. Seine Schriften -sind, wie die des ihm ähnlichen <span class="gesperrt">Poincaré</span>, voll Geist und einer -erdrückenden Menge von Tatsachen. Worin er bestimmt ist, folgt er -namentlich Hume, Kant, Beneke und Wundt. Indem er aber die tieferen -Untersuchungen als „Scheinprobleme“ ablehnt, kann er trotz seines -Positivismus<span class="pagenum"><a name="Seite_418" id="Seite_418">[S. 418]</a></span> und Sensualismus doch kein befriedigendes System geben. -Und wenn er so viele Nachbeter hat, so ist der Grund, daß seine -„wissenschaftliche Ökonomie“ so bequem ist. Der Mann selbst hat sie -gar nicht geübt; er ist nicht einmal den Scheinproblemen aus dem Wege -gegangen — das kann nämlich überhaupt kein ernst denkender Mensch, -der nicht einfach Heusammler sein will —. Aber es folgt eine Koterie -seinen Spuren, die, den Lehrer mißverstehend und übertreibend, fast -alles verdammt, was wie Verletzung der „wissenschaftlichen Ökonomie“ -ausschaut, und alle Theorie und Spekulation mit der törichtesten -Ironie verfolgt, weil sie den Freipaß des Meisters zu haben glaubt, -nicht über das Positive hinaus gehen zu brauchen, ja nicht hinaus -gehen zu sollen. In der Beurteilung des Machschen Positivismus und -Sensualismus kann ich mich nur <span class="gesperrt">Max Planck</span> -(<a href="#Seite_442">S. 442</a>) anschließen. -Wir wollen aber erst einiges darüber sagen. Das meiste werde ich -der Hauptschrift Machs „Erkenntnis und Irrtum“ entnehmen. „Wir sind -ebensolche Dinge wie die Dinge der <span class="gesperrt">physikalischen</span> Umgebung, die -wir durch <span class="gesperrt">uns selbst auch</span> kennen lernen.“ Es wird uns aber eine -gewisse Stabilität zugeschrieben, also eine Art Ich. Dieses Ich ist -die Gesamtheit der untereinander zusammenhängenden Vorstellungen, also -„dasjenige, was nur für uns allein vorhanden ist“. Das wäre innere, -assoziative Auffassung. Die Stabilität der Gedanken, also das Ich, aber -wird erklärt, indem sie auf die Stabilität der Tatsachen schließen -läßt, diese Stabilität voraussetzt, von dieser Stabilität ein Teil ist. -Daß diese drei Bestimmungen nicht das gleiche besagen, ist klar. Die -dritte steht sogar im Gegensatz zu den beiden ersten, denn wenn etwas -ein Teil von einem anderen ist, so kann es dieses nicht voraussetzen, -noch darauf schließen lassen. Ein Stück eines Körpers ist ein Teil von -ihm; aber von dem Stück kann ich weder auf den Körper schließen, noch -ihn voraussetzen. Die Schwierigkeit und Unbegreiflichkeit liegt hier -genau da, wo sie sich bei den materialistischen Anschauungen allgemein -befindet. Ich verweise, um nicht zweimal dasselbe zu sagen, auf die -Ausführungen im letzten Abschnitt dieses Buches.</p> - -<p>Ich und die Welt werden in Eins betrachtet: „Ein <span class="gesperrt">iso<span class="pagenum"><a name="Seite_419" id="Seite_419">[S. 419]</a></span>liertes Ich</span> -gibt es ebensowenig, als ein <span class="gesperrt">isoliertes Ding</span>.“ <span class="gesperrt">Ding</span> und -<span class="gesperrt">Ich</span> sind provisorische Fiktionen gleicher Art. Das Physische und -Psychische enthalten gemeinsame Elemente. Zwar wird die „solipsistische -Position“, das heißt der Phänomenalismus als solcher abgelehnt. Aber -wir haben „die Elemente der realen Welt und die Elemente des Ich -zugleich vor uns. Was uns allein noch weiter interessieren kann, ist -die <span class="gesperrt">funktionale Abhängigkeit</span> (in mathematischem Sinne) dieser -Elemente <span class="gesperrt">voneinander</span>“. Diese funktionale Abhängigkeit kann -ein <span class="gesperrt">Ding</span> genannt werden. Also wir und die ganze Welt, wir -können beides Dinge nennen, sind eine funktionale Abhängigkeitsreihe. -Die Grundlage bilden die Sinnesempfindungen; von ihnen geht alles -intellektuelle Leben aus, und zu ihnen kehrt es zurück. Die sinnlichen -Vorstellungen sind die „psychischen Arbeiter“; die Begriffe, aus ihnen -und ihrem Zusammenhang stammend (sie sind auch Zusammenfassung der -Tatsachen), sind die „Ordner und Aufseher“, welche die Scharen jener -Arbeiter „auf ihren Platz stellen und ihnen ihr Geschäft anweisen“. -„Die Sinnesempfindungen sind eben die eigentlichen <span class="gesperrt">ursprünglichen -Motoren</span>, während die Begriffe sich nur auf jene (die -Sinnesempfindungen), oft nur durch andere begriffliche Zwischenglieder -berufen.“ Wenn das nicht bloß Poesie sein soll, so muß das innere -Leben mit dem äußeren <span class="gesperrt">automatisch</span> aufgefaßt werden. In der -Tat sagt auch Mach: „Das fest Bestimmte, Regelmäßige, Automatische -ist der Grundzug des tierischen und menschlichen Verhaltens“, a -fortiori natürlich des Verhaltens der Welt. Automatisches paßt sich an -Automatisches, das es durch die Sinne zugeleitet erhält, automatisch -an. Eine freie Seele läßt sich zwar nicht widerlegen, aber sie als -„wissenschaftliche Hypothese“ anzunehmen oder nach ihr zu forschen, -ist eine „methodologische Verkehrtheit“. Über angeborene Ideen und -Kausalität denkt Mach ganz wie Hume. Über Raum und Zeit, soweit ich zu -sehen vermag, wie Kant. Seine Unterscheidung der verschiedenen Raum- -und Zeitauffassungen, begrifflich, physiologisch, mathematisch usf. -ist von Interesse; ich habe darüber in meinem Buche „Philosophische -Grundlagen usf.“ eingehend<span class="pagenum"><a name="Seite_420" id="Seite_420">[S. 420]</a></span> gehandelt. Die Folgen der Machschen Lehren -sind die jedes übertriebenen Sensualismus; es ist alles rein subjektiv, -niemand kann für sich, noch weniger natürlich für einen anderen -etwas behaupten, noch ihm widersprechen. Jeder reine Sensualismus -vernichtet sich notwendig selbst. Und das tut der Machsche durchaus. -<span class="gesperrt">Verworn</span>, dessen Auseinandersetzungen über Nerven und Gehirn man -mit Interesse liest, scheint ihm philosophisch nachzufolgen.</p> - -<p>Wir haben es mit einem <span class="gesperrt">Agnostizismus</span> zu tun von der Art etwa des -von <span class="gesperrt">Herbert Spencer</span> vertretenen. Aber dieser steht in seinem, -trotz Positivismus und Materialismus fast kirchlichen Deismus weit ab -von Mach. Als Positivist ist er Evolutionist im Sinne Darwins, jedoch -in bezug auf die ganze Natur, und mit starker Neigung zu den Ansichten -der ionischen Naturphilosophen, indem bei ihm Konzentration und -Dissipation (auch Evolution und Dissolution) eine große Rolle spielen. -Das Absolute ist das Unerkennbare, eine transzendente Substanz an sich. -Überhaupt ist das Wesen der Welt unerkennbar.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<h3 class="nobreak" id="NEUNTES_KAPITEL"><span class="s5">NEUNTES KAPITEL.</span><br /> - -Physische Welt- und Lebenanschauungen.</h3> - -</div> - -<p>Trennen wir Welt und Leben, so haben wir also eine Anschauung in bezug -auf die Welt und eine solche in bezug auf das Leben. Wenn wir aber die -ganze Natur, unbelebt und belebt, nur unter dem einen Gesichtspunkt -des Materiellen und der in und zwischen den Materien wirkenden Kräfte -und Vorgänge betrachten, so schließen wir uns an die allgemeine -<span class="gesperrt">physische Welt- und Lebenanschauung</span> an. Übernatürliche und -geistige Wirkungen und Vorgänge werden weder für die Welt noch für -das Leben angenommen, ebensowenig Stoffe, die andere Eigenschaften -besitzen, als die wir an der Materie kennen. Sollten Elektrizität, -Magnetismus und elektrischer Strom nicht unter der gewöhnlichen trägen -Materie einzubegreifen sein, so fügen wir sie trotzdem an diese an, -indem wir unter Materie als Stoff alles das<span class="pagenum"><a name="Seite_421" id="Seite_421">[S. 421]</a></span> verstehen, wovon wir rein -physische Eigenschaften, also physikalisch-chemische, kennen und in -unveränderlicher Weise finden. Was aber die Vorgänge anbetrifft, so -dürfen wir sie zunächst in drei Typen einreihen: <span class="gesperrt">Bewegungen</span>, -<span class="gesperrt">Induktionen</span>, <span class="gesperrt">chemische Umsetzungen</span>. Über Bewegungen -und chemische Umsetzungen ist nichts zu sagen. Zu den Induktionen -rechnen wir solche Vorgänge, wie das Hervorrufen oder Vernichten von -Elektrizität, Magnetismus, Strom. Indem wir von <span class="gesperrt">Umsetzungen</span> -allgemein sprechen, wollen wir diese Induktionen mit den chemischen -Umsetzungen vereint denken. Und sollten wir alle drei Typen zusammen -nehmen, so sprechen wir von mechanistischen Vorgängen, ohne damit sagen -zu wollen, daß sie der gewöhnlichen Mechanik angehören, sie könnten -auch dem Elektromagnetismus oder einem anderen Erscheinungsgebiet -zuzuschreiben sein. Neuerdings hat man auch die Energien in Rücksicht -gezogen, und so müssen wir von einem weiteren Typus handeln, dem der -<span class="gesperrt">Energieumwandlungen</span>. Ob diese, nun vier, Typen in einen Typus -übergeführt werden können und in welchen, etwa in den der Bewegung -oder der Energieumwandlung, hat die Wissenschaft zu ermitteln; -einstweilen wissen wir noch nichts Sicheres und bleiben die Typen -besser noch getrennt. Es macht auch für die folgenden Untersuchungen -nichts aus, ob wir von einem Typus oder von allen Typen ausgehen. -Das allein Wesentliche ist das Physische. Indessen bietet der Typus -der Energieumwandlungen soviele Besonderheiten, und hat er in der -Wissenschaft eine so umfassende Eigenwichtigkeit erlangt, daß wir -ihn später für sich untersuchen werden. Und so wollen wir, jene drei -ersten Typen vereinigend, von einer <span class="gesperrt">mechanistischen</span> Welt- und -Lebenanschauung sprechen, hinsichtlich des vierten Typus aber von einer -<span class="gesperrt">energetischen</span>, und, wo beide Anschauungen verbunden sind, von -einer <span class="gesperrt">mechanistisch-energetischen</span>. <span class="gesperrt">Materialistisch</span> nennen -wir eine Anschauung, in der alles auf Materie begründet ist. Eine -solche Anschauung müssen wir, je nachdem die Seele als ein Besonderes, -wenn auch gleichwohl Stoffliches, behandelt wird oder nicht, indem -im letzteren Falle eine Seele überhaupt nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_422" id="Seite_422">[S. 422]</a></span> in Frage kommt, in -zwei Klassen trennen, in <span class="gesperrt">psychischen</span> und in <span class="gesperrt">physischen -Materialismus</span>. Alle diese Namen sind nicht sehr bezeichnend; aber -da sie eben erklärt sind, mögen sie, als gewohnt, so stehen bleiben. -Die Geschichte des reinen Materialismus ist bekanntlich von F. A. -<span class="gesperrt">Lange</span> (1828–1875) in einem umfangreichen Werke behandelt. Ich -darf mich darum auf die allerwichtigsten Angaben beschränken und den -Raum mehr zu kritischen Bemerkungen verwenden.</p> - -<div class="section"> - -<h4>50. <span class="gesperrt">Materialismus und Mechanismus, -Atomistik</span>.</h4> - -</div> - -<p>Als bereits untersucht ist derjenige psychische Materialismus -auszuscheiden, der aus naturmenschlichen Anschauungen entspringt. -Wissenschaftlichen solchen Materialismus finden wir zuerst bei den -<span class="gesperrt">Griechen</span>. Auch davon habe ich bei mehreren Gelegenheiten schon -gesprochen, und es genügt hervorzuheben, daß die Seele als stofflich -angesehen wird, wie der Körper, wenn auch als feiner stofflich. So sind -alle Wirkungen zwischen Seele und Welt die gleichen wie zwischen den -Körpern der Welt. Und indem noch die Wirkungen zwischen den letzteren -als rein mechanistisch betrachtet werden, ohne jede unmittelbare -oder mittelbare Beeinflussung durch ein außer- oder übernatürliches -Wesen, auch ohne jeden Vernunftgrund, erhalten wir das konsequenteste -materialistische System, das von <span class="gesperrt">Demokritos</span> (aus <span class="gesperrt">Abdera</span>, -geboren um 470, gestorben um 390 v. Chr.) begründete, einen fast -vollständigen <span class="gesperrt">materialistischen Monismus</span>. Stoß und Druck sind -die Kräfte, Lösung und Verbindung, zusammen mit Bewegung, sind die -Vorgänge. Nicht Zweck noch Zufall sind vorhanden, einzig Grund (λόγος) -und Notwendigkeit (ἀνάγκη) herrschen. Andere Griechen haben Liebe und -Haß, Anziehung und Abstoßung als wirkende Ursachen angenommen und -Verhängnis (εἰμαρμένη) als Grund. Die Angaben sind meist sehr dunkel -und unbestimmt. Da die Griechen für keine Kraft eine Regel ihrer -Wirkung kannten, waren die Namen schließlich nicht mehr als Namen, wenn -sie nicht aus einem allgemeinen Prinzip flossen, wie bei Empedokles, -Heraklit, Anaxagoras u. a. Demokrits Druck und Stoß, oder auch Stoß -allein, ist der modernen Wissenschaft wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_423" id="Seite_423">[S. 423]</a></span>bekannt und dient noch jetzt -als Grundlage für die fremdesten Kraftberechnungen.</p> - -<p>Ehe wir weitergehen, müssen wir jedoch von der <span class="gesperrt">Atomistik</span> -sprechen. Sie scheint fast gleichzeitig, wenn auch in verschiedener -Ausbildung, von mehreren <span class="gesperrt">Forschern</span> eingeführt worden zu sein. Es -ist schon von Bedeutung, daß <span class="gesperrt">Empedokles</span> (aus Akragas 483–423) -die Stoffe in vier <span class="gesperrt">Elemente</span> (Stoicheia) Feuer, Luft, Wasser, -Erde einteilte, die ihrer Beschaffenheit nach verschieden voneinander -sein sollten, und aus deren Mischung er alle Körper bestehen ließ, -während er die Vorgänge als Mischungen und Entmischungen ansah, -veranlaßt durch Liebe und Haß. „Denn zuerst vernimm die vierfache -Wurzel aller Dinge: Zeus (Feuer) der Schimmernde und Here (Luft) die -Lebenspendende und Aidoneus (Erde) und Nestis (Wasser), die ihren -Tränen sterblichen Lebensquell entfließen läßt.“ „Denn aus diesen -Elementen entsproßt alles, was da war, ist und sein wird, Bäume und -Männer und Weiber und Tiere, Vögel und wassergenährte Fische.“ Sogar -Götter „langlebige an Ehren reichste.“ „Geburt gibt es bei keinem -einzigen von allen sterblichen Dingen und kein Ende in verderblichem -Tod. Nur Mischung gibt es vielmehr und Austausch des Gemischten“: -Wäre Empedokles nicht zugleich ein großer Mystiker, so könnte er für -die Welt- und Lebenanschauung als der erste ganz klare mechanistische -Materialist angesehen werden. Denn Mischung und Entmischung sind -mechanische Vorgänge, und Liebe und Haß (oder Streit) bedeuten kaum -etwas anderes als Anziehung und Abstoßung. Das alles soll aber die -Grundlage der ganzen Weltentwicklung bilden, das Leben eingeschlossen. -Indessen, die Elemente wie die Kräfte werden eben mystisch dargestellt, -wie ja im Grunde auch die sogenannte Ionische Naturphilosophie eine -mystische ist (<a href="#Seite_231">S. 231</a>). <span class="gesperrt">Anaxagoras</span> (<a href="#Seite_243">S. 243</a>) ging in der -Unterteilung der Körper viel weiter. Alle Stoffe sollten aus kleinsten -Teilchen zusammengesetzt sein. Diese Teilchen, <span class="gesperrt">Samenteilchen</span> -(Spermata, σπέρματα), später <span class="gesperrt">Homoiomerien</span> (ὁμοιομερῆ) genannt, -sollten alle gleich groß sein, in der Be<span class="pagenum"><a name="Seite_424" id="Seite_424">[S. 424]</a></span>schaffenheit aber den Körpern -gleichen, denen sie angehörten; also bei Fleisch Fleischteilchen, -bei Luft Luftteilchen usf. sein. <span class="gesperrt">Leukippos</span> (Zeitgenosse des -Anaxagoras) faßte diese Teilchen entgegengesetzt auf; sie sollten in -der Beschaffenheit gleich, in den Massen und Formen verschieden sein. -Er setzte auch für sie Unteilbarkeit fest und gewann so die Atome, -deren wir uns noch jetzt bedienen, und aus denen, wenn auch in ganz -neuer Wendung, auch die Monaden, Realen usf. hervorgegangen sind, -falls sie nicht eher den Anaxagorischen Samenteilchen entsprechen. Ich -darf nicht vergessen hinzuzufügen, daß auch in <span class="gesperrt">Indien</span> Atome -(Paramanu) bekannt gewesen sind; das Lehrsystem des Vaiseshika führt -sie als die wahrnehmbaren Körper zusammensetzend auf. Auch diese -scheinen jedoch den Anaxagorischen Homoiomerien zu gleichen. Die -Atomistik ist von arabischen und anderen Forschern sogar auf die Zeit -übertragen worden (<a href="#Seite_287">S. 287</a>).</p> - -<p>Kehren wir zu Demokritos zurück. Die Atome sind durch <span class="gesperrt">Leere</span> -getrennt. Ihre Zahl ist unendlich, ebenso unendlich verschieden ist -ihre Schwere und ihre Form. Die feinsten Atome sind kugelig. Aus -solchen feinsten Atomen ist die Seele zusammengesetzt, die darum ein -äußerst Dünnes und Bewegliches darstellt. Die eigentlichen Körper sind -Aggregate von Atomen, auch Mischungen von solchen, selbst mit jenen -feinsten Atomen, daher auch die Körper überhaupt als mehr oder weniger -belebt angesehen werden. Die Atome halten sich durch Rauheiten, Zacken, -Ärmchen usf. zusammen, da Molekularkräfte noch nicht bekannt waren. -Alle Wirkungen beruhen auf Bewegungen der Atome gegeneinander, also -in Stoß und Druck. Auch die Wirkung des Körpers auf die Seele und der -Seele auf den Körper ist keine andere. <span class="gesperrt">Demokritos</span> soll sehr viel -geschrieben haben; wir besitzen auch einiges von ihm, namentlich zum -Teil sehr schöne Sprüche (Diels Fragmente der Vorsokratiker I<sup>2</sup>, <a href="#Seite_398">S. 398</a> -ff.), aber leider fast nichts von seiner Naturphilosophie. Und so sind -wir auf die Berichte Anderer angewiesen, die zwar reichlich fließen, -aber das Wichtigste doch unentschieden lassen, namentlich die Frage, -woher die Atome ihre unregelmäßige seitliche Be<span class="pagenum"><a name="Seite_425" id="Seite_425">[S. 425]</a></span>wegung haben, da die -ungleichen Massen nur geregelte Bewegungen in parallelen Linien oder -nach Zentren ergeben, nicht beliebige nach allen möglichen Richtungen, -die ja angenommen werden müssen, weil wir Wahrnehmungen aus allen -möglichen Richtungen empfangen, und weil wir nach allen möglichen -Richtungen wirken, und ja auch Bewegungen nach allen möglichen -Richtungen sehen. Demokrits System, mit oder ohne Seele aus besonderen -Atomen, hat im Altertum sehr viele Anhänger gefunden, namentlich unter -den Sophisten und Epikureern. <span class="gesperrt">Epikuros</span>, ein Samier (341–271 v. -Chr.), und durchaus edel denkend und edel lehrend, übernahm zur Stütze -seiner bekannten Lebensansicht jenes System fast unverändert. Doch -brachte er einige Verbesserungen an. Wir sahen, daß zur Wirkung die -Stöße der Atome notwendig sind. Nun kannten die Alten die allgemeine -Gravitation nicht, ebensowenig die molekularen Anziehungen, sondern -nur den Fall der Körper. Da aber dieser Fall im leeren Raum, wie der -scharfsinnige Naturforscher Aristoteles erkannte und einwandte, für -alle Atome, trotz ihrer abweichenden Massen und Formen, gleich schnell -vor sich gehen muß, so können Zusammenstöße nicht erfolgen, also -gerade das kann nicht stattfinden, was notwendig ist. Epikuros verlieh -deshalb den Atomen eine Neigung, aus sich heraus von der geraden Bahn -ein wenig abzuweichen. Alsdann können sie allerdings zusammenstoßen, -Wirbel bilden usf. Der Lehre Demokrits angehörig war es auch, wenn er -eine unendliche Zahl von Welten für zulässig hielt, da ja bei unendlich -vielen Atomen unendlich viele Bewegungsverteilungen und Aggregationen -möglich sind, nicht bloß solche wie sie unsere Welt zusammensetzen. -Teleologisches schlägt Epikur so sorgfältig aus wie sein Vorgänger. Die -Entstehung der Lebewesen aus der Erde, dem Schlamm, lehrte er mit so -vielen anderen. Im übrigen ist er reinster Sensualist, so daß er sogar -nicht anstand, Sonne und Mond für gerade so groß oder nur wenig größer, -als sie gesehen werden, zu behaupten.</p> - -<p>Seine Vollendung hat das empedokleisch-demokritisch-epikureische -System durch den römischen Dichter <span class="gesperrt">Titus<span class="pagenum"><a name="Seite_426" id="Seite_426">[S. 426]</a></span> Lucretius Carus</span> -(wahrscheinlich 99–55 v. Chr.) erhalten, der in seinem Lehrgedicht -„De rerum natura“ Anschauungen entwickelt, die von denen der modernen -kinetischen Theorie der Körper sich nur noch in wenigem unterscheiden. -Bernhardy, in seiner Geschichte der römischen Literatur, erklärt jenes -Lehrgedicht für „eins der edelsten Denkmäler jener Literatur“, den -Dichter als „einen Geist, den an Reichtum der Gedanken und der Tiefe -wenige übertreffen“. Der Begriff der Zweckmäßigkeit, des Anfanges und -des Endes ist völlig entfernt, entfernt ist auch der Begriff einer -außer- und überweltlichen Macht und einer besonderen Seele. Einzig und -allein die Atome mit ihren ewigen Bewegungen und Zusammenstößen bilden -die Welt. Die Atome werden wie von Demokritos angenommen, Trennungen -und Verbindungen wie von Empedokles, die Körperzusammenballungen wie -von Epikuros. Alle Unterschiede zwischen den Körpern werden aus der -Zahl der Atome, ihren Formen und ihren Aneinanderlagerungen erklärt. -Die Atome sind auch in den Körpern in steter Bewegung, die wir nur -wegen der Kleinheit dieser Atome nicht sehen; ähnlich, wie wir auch -bei einer Herde aus weiter Entfernung die Bewegung der einzelnen Tiere -nicht unterscheiden. Auch hinsichtlich der Entwicklung und Auflösung -von Welten nach Welten, infolge der ständigen Bewegung der Atome, folgt -der Römer dem Griechen. Er läßt die Welten sich stetig weiter bilden, -denn im Raume überall um uns und neben uns und zwischen uns sind noch -unzählige Atome, die noch nicht zu Körpern sich zusammengefunden -haben. So bilden die Welten eine unendliche Kette von stetem Werden -und Vergehen, wie wir das auch bei Herakleitos und anderen gesehen -haben. Unendlichkeiten und Unendlichkeiten streiten gegeneinander und -führen zu Unendlichkeiten. Die Seele (anima) und der Geist (animus) -sind selbst körperlich, aus den feinsten, rundesten und beweglichsten -Atomen bestehend. Die Seele ist in der Wärme und Lebensluft des Körpers -enthalten, der Geist bedeutet einen besonders feinen Teil von ihr. Im -Tode verlassen diese Atome den Körper ganz oder größtenteils; im Leben -nehmen sie<span class="pagenum"><a name="Seite_427" id="Seite_427">[S. 427]</a></span> besonders alle Atomstöße von außen auf und geben ihrerseits -Stöße nach außen. Da die Atome nur physikalisch betrachtet werden, -so kann kein Atom für sich seelische oder geistige Eigenschaften -aufweisen, also auch nicht Empfindungen haben. Woher nun die Empfindung -der Lebewesen? Das wird allein aus der Ansammlung der Atome zum Körper -erklärt. Diese Ansammlung erhält Eigenschaften, die den einzelnen -Atomen nicht zukommen, wie auch ein Atom keine Farbe hat, ein Körper -aus Atomen aber Farbe aufweist. Solche und viele ähnliche Analogien -kann man allerdings anführen. Dann muß alles aus den Ansammlungen -selbst erklärt werden. Da sogar unsere Wissenschaft solche Erklärungen -kaum für einige der einfachsten Eigenschaften der Körper aus der -Atomlehre abzuleiten weiß und sich meist mit der Angabe begnügen -muß, daß Bewegung und Verteilung der Atome und Atomverbände diese -Eigenschaften bewirken, wie schon die alten Atomisten behaupteten, -so darf es nicht wundernehmen, wenn diese schließlich einfach -auch sagten: <span class="gesperrt">Bewegung der Atome ist Empfindung</span>. Auf dieses -Hauptdogma kommen wir noch zu sprechen. Daß Lucretius die persönliche -Unsterblichkeit ablehnen mußte, versteht sich von selbst. Der Tod hebt -die Persönlichkeit, die ja durch den besonderen Komplex des Körpers -mit den feinen Seelenatomen begründet ist, vollständig auf. Sobald die -Seelenatome ausgetreten sind, können sie nicht mehr auf den Körper und -kann der Körper nicht mehr auf sie wirken. Beide bedeuten nun zwei -getrennte Atomhaufen. Nur als sich diese Atomhaufen durchdrangen, -zeigte das Ganze was wir Leben nennen, eben als Ganzes. Und so gibt es -auch kein Jenseits. Alle Furcht, alles Bangen, aller Schmerz und alles -Leid, mit dem Tode sind sie vorbei, nichts bleibt vom Leben im Leben -zurück. Daher ist die Todesfurcht so töricht und zu verwerfen. Ein -Trost ist die Einsicht in den Gang der Natur, in ihre unausweichliche -Notwendigkeit und absolute Gleichgültigkeit gegen alles ohne Ausnahme. -Selbstverständlich gibt es weder Gott noch Götter in irgendeiner -persönlichen Gestalt. Die Menschen sind nur aus Unkenntnis der wahren -Grundlagen<span class="pagenum"><a name="Seite_428" id="Seite_428">[S. 428]</a></span> der Welt zur Annahme der Götter gekommen. Lucretius -ist geneigt, die Religion aus der Naturbewunderung abzuleiten, und -schreibt darum der ursprünglichen Religion große Reinheit zu. Die -Verschlechterung sei erst später hervorgetreten. Wie weit das richtig -sein kann, wissen wir bereits. Vieles andere, was sein Gedicht noch -sehr Schönes und Tiefgedachtes enthält, müssen wir übergehen.</p> - -<p>Was im <span class="gesperrt">Mittelalter</span> von materialistischen und mechanistischen -Anschauungen geäußert worden ist, habe ich bereits im zweiten Buche -angeführt. Ein System ist nicht ausgebildet worden, weder unter -Christen noch unter Arabern oder Juden; Religion und Mystizismus waren -gleich hinderlich. Daß aber manche Systeme stark ans Mechanistische -streiften, haben wir dort gesehen. Die neuere und die moderne Zeit -haben an der Grundlage des alten Materialismus und Mechanismus nur -wenig geändert und sie, und die sich anschließenden Betrachtungen, nur -mehr den mittlerweile gewonnenen naturwissenschaftlichen Kenntnissen -angepaßt. Hier müssen wir nun den Unterschied zwischen belebter und -unbelebter Welt schärfer betonen. Seit der großen Anschauung des -Kopernikus vom Bau der Welt, seit Keplers und Newtons Berechnungen -der Himmelsbewegungen sind für die unbelebte Welt der Materialismus -und Mechanismus zu immer allgemeinerer Anerkennung gelangt, soweit -sie das Bestehende betreffen. Gegenwärtig hält es wohl jeder, der -die Natur kennt, für töricht, unkontrollierbare außerirdische und -überirdische Eingriffe in ihren Gang anzunehmen. Aber schon für die -unbelebte Welt werden die Verhältnisse andere, sobald es sich um ihren -Anfang und ihren Plan handelt. Kennzeichnend für den Materialismus ist -dann, daß ein Anfang überhaupt nicht zugegeben wird und ebensowenig -ein Plan. Das erstere besagt, die Welt ist von je, sie ist nicht -entstanden. Das zweite lehnt jede Zwecklichkeit ab, die Welt ist -ein Mechanismus, der ewig läuft. Es ist mit ihr und in ihr nichts -beabsichtigt, und sie führt nicht zu einem Ziele. Wir würden bei -einer ewiggehenden Uhr, ohne Zeiger und Stundenblatt, auch nicht von -Plan und Zwecklichkeit sprechen. Und wenn wir gleichwohl<span class="pagenum"><a name="Seite_429" id="Seite_429">[S. 429]</a></span> sehen, daß -Ordnung in der Welt herrscht, Vorgänge nach bestimmten Regeln sich -richten, Welten sich entwickeln usf., so gehört das eben alles zur -Welt und ihrem Gange, gerade so wie die regelrechte Anordnung der -Räder, Federn usf. einer Uhr, wie das Eingreifen aller ihrer Teile -ineinander, wie das von Zeit zu Zeit in Wirksamkeittreten besonderer -Teile u. a. Es ist nur konsequent, wenn aus einer solchen Anschauung -heraus auch das Vorhandensein von besonderen Kräften abgelehnt wird. -Die Welt ist eine Anordnung und ein Vorgang; alle Einzelvorgänge sind -nur dieser eine Vorgang, wie alle Teile der Uhr die Uhr sind und -Einzeldrehungen, Schwingungen usf. darin, der Gang der Uhr. So wie -die Räder sich drehen, müssen sie sich drehen, so wie andere Teile -schwingen, müssen sie schwingen, alles aus dem Gang der Uhr. Und das -ist ohne weiteres auf die Welt zu übertragen. Manche möchten im Gang -selbst den Plan und die Zwecklichkeit sehen. Allein das verfliegt -ebenfalls, wenn kein Anfang und kein Ende vorhanden ist. Auch diesem -mechanistischen Monismus in bezug auf die unbelebte Welt haben sich -vom Altertum ab sehr viele angeschlossen. Und ein unverkennbarer und -sehr schwerwiegender Vorzug von ihr ist, daß sie eben keiner Kräfte -bedarf, auch nicht derjenigen, die wir natürliche, physische Kräfte -nennen. Die Kräfte werden nur symbolisch zugelassen, Zufälligkeiten -kommen überhaupt nicht in Frage. Wenn wir so manches voraussehen und -voraussagen können, so verhält es sich damit, um beim Beispiel zu -bleiben, wie mit der Uhr, wo wir auch vorher wissen, welche Zähne -der Räder in welche andere Zähne eingreifen werden, daß und wann ein -Stift irgendwo etwas mitnehmen oder auslösen oder hemmen wird, weil -wir die Teile kennen und den Zwang durchschaut haben. So kennen wir -auch die uns erreichbaren Teile der Welt und haben den Zwang in ihnen -durchschaut. Und damit operieren wir. Wir stehen der Welt wie einer -Uhr gegenüber; sie ist bei weitem komplizierter als eine Uhr, sie ist -unendlich an Vorgängen und Körpern. Aber das berührt das Wesentliche -nicht. Wir können sie gleichwohl wie einen Zwangsmechanismus ansehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_430" id="Seite_430">[S. 430]</a></span></p> - -<p>Nun aber wir, die Lebewesen. Hier scheiden sich die Wege der nur -Welt-Mechanisten von den Wegen auch der Leben-Mechanisten. Jene -sehen im Leben, wie wir schon wissen, doch ein Besonderes, das nicht -mechanisch ist; diese einbeziehen das Leben in den Mechanismus der -Welt überhaupt. Das Leben ist gleichfalls der Vorgang der Welt, ein -Zwangsvorgang wie alle anderen Einzelvorgänge dieses Allvorganges, -und von diesen Einzelvorgängen nicht im Wesen, sondern nur in der -Erscheinung verschieden; letzteres ganz so, wie wir unzählige -Bewegungsarten haben, die doch alle nur Bewegung sind, sogar solche, -die nicht im geringsten mehr wie Bewegung erscheinen — zum Beispiel -die molekularen Bewegungen in den Körpern als Wärme u. a. Was wir -als freie Lebensäußerungen ansehen, sind nur Einzelvorgänge, die im -Vorgang der Welt kommen und gehen müssen, wie die Weltkörper sich -bewegen müssen. Was wir Denken, Wollen und Fühlen nennen, sind auch -nur solche Vorgänge, etwa — und das haben fast alle Materialisten -und Scheinidealisten, wie Eduard von Hartmann (<a href="#Seite_388">S. 388</a>), bis auf -unsere Zeit, wo die energetische Auffassung vorwiegt, von den alten -Mechanisten dogmatisch übernommen — Bewegungen bestimmter Teile in -unserem Körper, im Gehirn, in den Ganglien. Daß wir nicht imstande -sind, hier wie in der unbelebten Welt, den Zwang aufzuweisen, daß -wir hier noch von Zweckmäßigkeiten und von Freiheit reden müssen, -liegt an der Unvollständigkeit unserer Kenntnisse, wie wir auch den -gewöhnlichen Zufall noch stehen lassen, weil wir die Gründe seines -Eintretens nicht überschauen, obwohl selbst ein Psychist Zufälle -als solche nicht zugestehen mag. Daß weiter uns die Erkenntnis der -Welt zwar wie selbstverständlich erscheint, die Nichterkenntnis des -Lebens aber gleichfalls, ist nur Einbildung. Die Welt ist trotz -ihrer Ungeheuerlichkeit als Ganzes einfach, das Leben aber schon für -sich überkompliziert. Sobald wir jedoch ins Einzelne gehen, scheint -uns auch von der Welt vieles nicht erkennbar zu sein, zum Beispiel -ihr atomistischer Bau. Und derartige Aufstellungen sind um so -entscheidender, als ein fundamentaler Unterschied zwischen<span class="pagenum"><a name="Seite_431" id="Seite_431">[S. 431]</a></span> Lebewesen -und nichtbelebten Dingen überhaupt nicht zugegeben wird; die Lebewesen -sollen auf der niedrigsten Stufe in die nichtbelebten Wesen übergehen. -Oder das Leben beginnt unendlich schwach und uncharakterisiert, so -daß es vom Nichtleben nicht mehr zu unterscheiden sei; die Reihe -der unbelebten Dinge bilde mit der der belebten eine Folge. Nur -die Extreme unterschieden sich so sehr; aber sie seien gleichwohl -durch eine stetige Kette verbunden, die nach unten allmählich zu -Dingen wie Steine führt, nach oben in wachsender Komplikation und -Verzweigung zu so gearteten Vorgängen, die als seelische und geistige -Tätigkeiten erscheinen, wie Bewußtsein und Denken, die abwärts jedoch -allmählich auf nichts zusammenschrumpfen. Das ungefähr ist die -Anschauung der konsequenten Welt- und Leben-Mechanisten. Wir werden -sie später besprechen und dann auch sehen, welcher Annahmen sie noch -bedarf. Daß auch ideale Philosophien, wenn auch nicht in physischen -Zwangsmechanismus, doch in einen Welt- und Leben-Zwang auslaufen können -und ausgelaufen sind, wissen wir schon. Selbst die rein religiöse -Anschauung, konsequent aufgefaßt, führt zu einem solchen Zwang und -muß dazu führen. Hier handelt es sich aber um den <span class="gesperrt">physischen</span> -Zwangsmechanismus, nicht um den göttlichen oder geistigen oder -transzendentalen.</p> - -<p><span class="gesperrt">Pierre Gassendi</span> (1592 in der Provence geboren, gestorben 1655) -ist noch kein vollständiger Materialist im vorbezeichneten Sinne. -Wie sehr er bibelgläubig sich verhält, zeigt, daß er trotz besserer -Einsicht das tychonische Weltsystem dem Kopernikanischen vorzog, weil -nach der Bibel die Sonne sich bewegen soll. Und so läßt er auch die -Welt mit Allem von Gott erschaffen sein. Nach der Erschaffung jedoch -gibt er allein physische Vorgänge zu, namentlich nach Muster der Alten: -Verbindungen und Trennungen der Atome. Diesen teilt er eine innere -Fähigkeit mit, sich zu bewegen. Ebenso verhält er sich zu der Welt des -Lebens. Er gesteht einen unsterblichen Geist zu, nimmt aber zugleich -eine Demokritische Seele an und sucht sogar zu erweisen, daß diese in -der Tat das leisten kann, was von ihr gefordert wird. Also teilt er -mit<span class="pagenum"><a name="Seite_432" id="Seite_432">[S. 432]</a></span> der einen Hand aus und nimmt mit der anderen; eine wunderliche -Mischung von Spiritualistischem und Materio-Mechanistischem aus der -„doppelten Wahrheit“. Sein Hauptkampf galt dem Cartesianismus; hier -ist er erfolgreich. Seine eigene Lehre ist aber so inkonsequent als -möglich, wahrscheinlich, weil er sie nicht konsequent aussprechen -durfte. Das Kopernikanische System verdankt ihm ein schönes Experiment. -Die Gegner hatten eingewandt, wenn die Erde sich bewegte, könnte ein -in die Höhe geworfener Stein nicht auf dieselbe Stelle herabfallen, -von der aus er geworfen ist. Der Einwand ist zutreffend, wenn von der -Trägheit abgesehen wird, die es veranlaßt, daß der Stein die Bewegung -der Erde auch dann noch mitmacht, wenn er in die Höhe fliegt und -zurückkehrt. Gassendi aber bewies das, indem er einen Gegenstand auf -einem in der Tat sich bewegenden anderen Gegenstand, einem Schiff, aus -der Höhe, von der Mastspitze, herabfallen ließ, mit dem erwarteten -Erfolg, daß der Gegenstand am Fuße des Mastes ankam, nicht hinter ihm.</p> - -<p>In diesem Zusammenhang ist auch der in seiner Staatsraisonauffassung -noch den harten Vormund der Antigone übertreffende <span class="gesperrt">Thomas -Hobbes</span> (geboren in Malmesbury 1588, gestorben 1679) zu nennen. Die -Wahrnehmungen werden mechanistisch so erklärt, wie die klassischen -Materialisten sie auffaßten: Bewegungen pflanzen sich zu den -Sinnesorganen fort und verursachen dort Bewegungen, die ins Gehirn -und von da ins Herz gehen. Erinnerung und Gedächtnis sind nur Reste -der Bewegungsaffektion, ebenso ist Ideenassoziation Verkettung -solcher Bewegungsaffektionen. Jede Materie hat in sich Anlage zur -Empfindung. So ist es wohl zu verstehen, wenn Hobbes, was vielen ein -Widerspruch gegen seine mechanistische Ansicht zu sein scheint, die -Vernunft auch als etwas <span class="gesperrt">Angeborenes</span> erklärt. Angeborenheit -einer Fähigkeit steht durchaus nicht im Gegensatz zu Mechanismus; -sie ruht ja schon in der Grundannahme einer besonderen atomistischen -Seele; die belebten Wesen haben mit dieser körperlichen Seele eben die -Anlage zum „Leben“ bekommen. Und so brauchte Hobbes selbst angeborene -Begriffe und Fähigkeit, solche zu<span class="pagenum"><a name="Seite_433" id="Seite_433">[S. 433]</a></span> fassen und zu bilden, nicht ohne -weiteres abzulehnen. Die Angeborenheit liegt in den Atomen, die sich -zu Seele und Geist vereinigt haben, in ihrer Form, Bewegung und -Anordnung — wenn man das versteht. Doch mag Hobbes selbst in der -Tat in Inkonsequenzen verfallen sein. Alle Materialisten, gerade die -ernsten und ernst denkenden, können den Faden nicht ganz festhalten, -ebenso wie die Idealisten ihren Faden mitunter fallen lassen, sobald -sie hinreichend Naturforscher sind. Beurteilung von Empfindungen beruhe -auf Wechsel der Bewegungen bei gleichzeitiger Fortdauer, Erfahrung auf -Beurteilung von solchen Bewegungen nach Gleichheit oder Ungleichheit -mit früher in die Seele Gedrungenem und dort an den Atomen noch nicht -Verklungenem. Ein Bewegungssystem muß ein anderes als sich gleich -erkennen oder ungleich; vielleicht, indem es sich zu ihm widerstandslos -addiert oder Widerstand leistet. Solche Beurteilungen fixieren wir in -Namen, und diese erst geben uns die Mittel einer geordneten Folge von -Vorstellungen. Wie, ist eigentlich nicht zu verstehen. Jedenfalls ist -alles Seelische und Geistige aus Veränderungen im Körper abzuleiten -(Mens nihil aliud erit praeterquam motus in partibus quibusdam corporis -organici; die Vernunft wird nichts weiter sein, denn eine Bewegung -in gewissen Teilen des organischen Körpers). Und so ist auch alles -von <span class="gesperrt">außen</span> durch Bewegung verursacht. „Nichts nimmt von sich -selbst Beginnen, sondern von der Wirkung eines unmittelbaren Tätigen -außerhalb seiner.“ Die Fähigkeit dazu hat aber Alles in sich selbst, -sofern Bewegung nur Bewegung hervorruft. So ist denn Erkenntnis -Erkennen der Bewegungen und ihres Zusammenhanges. Wir müssen wohl -sagen, <span class="gesperrt">Sich</span>erkennen. Raum und Zeit werden von Materialisten -im allgemeinen als real angesehen. Hobbes aber sagt: „Raum ist das -Phantasma eines existierenden Dinges, als existierend“. „Zeit das -Phantasma einer existierenden Bewegung, als existierend.“ Also -beständen beide außer den Dingen nicht. Wenn nun Hobbes weitergehend -behauptet: ein Mensch würde die Welt aus sich, aus den Bewegungen -seiner Seelenatome heraus nach außen projizieren, auch<span class="pagenum"><a name="Seite_434" id="Seite_434">[S. 434]</a></span> wenn eine -solche Welt nicht da wäre, so kann er das nur für den Fall meinen, -daß der Mensch Bewegungen aus einer Welt schon empfangen hat, sonst -würde sich sein Materialismus in reinen Phantomismus auflösen, und er -könnte von den Bewegungen ganz absehen, die ja gerade zum Verständnis -des Zusammenhanges unserer mit einer wirklichen <span class="gesperrt">Außenwelt</span> nötig -sein sollen. Weiter läßt Hobbes noch Gott gelten als ein besonders -feines und reines, unendliches körperliches Wesen. Und mit dieser -Annahme ist eine Art Deismus verbunden. Ein solcher Deismus kann auch -unbeschadet des Materialismus bestehen, da ja Gott als körperliches -Wesen nur selbst zur Welt gehört. Ob das freilich die Ansicht von -Hobbes war, möchte ich nicht entscheiden. Aber zuzutrauen wäre es -schon diesem rücksichtslosen Forscher. So erklärt er ja auch: „Die -Furcht vor unsichtbaren Mächten sei es, daß diese aus Erdichtungen -oder aus Erzählungen ihre Öffentlichkeit hernehmen, diese Furcht ist -<span class="gesperrt">Religion</span>; sind die Mächte nicht öffentlich angenommen, so ist -die Furcht <span class="gesperrt">Aberglaube</span>“. Die Religion hat also kein Kennzeichen, -außer daß sie vom Staat anerkannt ist, sonst ist sie eben purer -Aberglaube. Rücksichtsloser denkt der modernste Materialist auch -nicht. Nur daß dieser nicht wie Hobbes jeden hängen würde, der die -Staatsreligion abweist. Gleichwohl ist der Gottesbegriff bei Hobbes -ein hoher. Die Atome sah Hobbes nicht bloß als nach Form und Größe -verschieden an, sondern auch im Wesen, so daß sogar Atome ohne Schwere, -Imponderabilien, vorhanden sein sollten, als die feinsten für Geist und -Gott körperlich in Betracht kommenden.</p> - -<p><span class="gesperrt">Robert Boyle</span> (1627–1691) gehört hierher nur als Atomist, der -die Atome in die Chemie und Physik in exakter Weise eingeführt hat. -Seine Atome sind, wie die Descartes’, Trümmer einer zersplitterten -Materie. <span class="gesperrt">Newton</span> (1642–1727) haben wir lediglich als den großen -Begründer der Mechanik des Weltalls zu nennen. Beide waren keine -materialistischen Mechanisten.</p> - -<p>Die übertriebenste Ausbildung hat der materialistische Mechanismus im -18. Jahrhundert erfahren. Die <span class="gesperrt">Aufklärungsphilosophie</span>, die in -Deutschland in Lessing,<span class="pagenum"><a name="Seite_435" id="Seite_435">[S. 435]</a></span> Herder u. a. zu so schönen idealen Blüten -ersproßte, zeitigte in Frankreich, dicht neben den so bedeutenden -Bestrebungen <span class="gesperrt">Rousseaus</span> und <span class="gesperrt">Voltaires</span>, auch den -<span class="gesperrt">Enzyklopädismus</span>. <span class="gesperrt">Diderot</span> und <span class="gesperrt">d’Alembert</span> sind -noch gemäßigte Naturalisten und Materialisten. Aber der Pfälzer -Baron <span class="gesperrt">Holbach</span> und die Franzosen <span class="gesperrt">Mirabaud</span> und <span class="gesperrt">de la -Mettrie</span> gehören zu den extremsten Materialisten, ohne daß die -Naturkenntnisse der damaligen Zeit sie dazu eigentlich berechtigte. -Materialistische Werke schossen damals wie Pilze aus der Erde. Sie -wären nicht so schlimm gewesen, wenn sie sich nicht zum Teil auch -bemüht hätten, die Lebensanschauungen auf fast gemeinen <span class="gesperrt">Egoismus</span> -und <span class="gesperrt">Utilismus</span> zu lenken, die an sich gar nichts mit einer -materialistischen Betrachtung von Welt und Leben zu tun haben. War -der Materialismus bei denen, die ihn nicht kannten, schon oft in -den Verdacht eine Lehre der Unmoral und des Eigennutzes zu sein, -geraten, so schien er gegen Ende des 18. Jahrhunderts diesen Verdacht -zu rechtfertigen. Aber die Revolution schwemmte mit anderem auch -diesen ethischen Materialismus hinweg; und die Menschheit hat ihr -zweifellos dafür zu danken. Der Materialismus konnte wieder reine -Wissenschaft werden, was er im Altertum war und in unserer Zeit ist. -Als ernsteres Hauptwerk des enzyklopädischen Materialismus wird das -„Système de la nature ou des lois du monde physique et du monde -morale“, 1770 in London gedruckt, angesehen. Als Verfasser ist Mirabaud -angegeben; aber es ist längst fest ausgemacht, daß der Pfälzer Baron -<span class="gesperrt">Holbach</span> der Verfasser war. Die Schrift ist zwar gegen die -übliche Religion gerichtet, scheint aber im übrigen weder Eigennutz -noch Unmoral zu lehren, sie bricht sogar für die Tugend eine Lanze. -Der Materialismus darin bewegt sich in den Bahnen, die wir schon -kennen; er folgt anscheinend namentlich Hobbes. Doch ist er stark mit -Mystizismus versehen, denn die Atome werden nicht bloß mit Ausdehnung -und Masse begabt, sondern auch mit besonderen geheimnisvollen Kräften -und Eigenheiten, wie Sympathie und Antipathie, Liebe und Haß. Die -Atome sind selbst noch zusammen<span class="pagenum"><a name="Seite_436" id="Seite_436">[S. 436]</a></span>gesetzt aus kleinsten Körperchen; in -diese werden wohl die Besonderheiten verlegt. Übrigens hat unsere -Wissenschaft die Atome zwar der Häkchen, Vorsprünge, Ärmchen usf. zum -gegenseitigen Anhalten und Verketten beraubt, aber dafür notgedrungen -Eigenschaften bei ihnen eingeführt, die nicht weit ab von den eben -genannten liegen, wie Anziehung, Abstoßung, Polarität, Affinität -usf. Und noch sind unsere Bemühungen, für diese Eigenschaften einen -allgemeinen Ausdruck zu finden, nicht gelungen, obwohl wir überzeugt -sind, daß ein solcher vorhanden sein wird, und wir auch den Weg, der -zu ihm führt, zu kennen glauben dürfen. Auch die Zerteilung der Atome -in noch kleinere Teilchen, wir nennen sie Corpusceln, entspricht -modernen Anschauungen. Mystischer ist, wenn den Atomen auch eigenes -inneres Streben zur Bewegung zugeschrieben wird. Hier kommt auch etwas -wie die Herbartsche „Selbsterhaltung“ zum Vorschein. Es heißt: „Die -Erhaltung ist also der allgemeine Zweck, nach dem alle Energien, alle -Kräfte, alle Fähigkeiten der Wesen ständig gerichtet zu sein scheinen.“ -Sie wird mit der Trägheit identifiziert und gehört tatsächlich einem -allgemeinen großen Naturgesetz an. Die Natur ist ganz Leben, Leben -aus den materiellen Kräften der Natur, wofür auch das berühmte -Phlogiston herangezogen wird. Denn nur Materie und Bewegung sind da; -ohne Anfang, ohne Ende, ohne Zufall, ohne Freiheit, ohne Schöpfer, -wie es bei einem Materialisten strenger Observanz sein muß. Und -keine Ausnahme gibt es; der Mensch bildet sich nur ein, ein anderes -zu sein als die Natur überhaupt. Auch er und alle seine körperliche -und seelische und geistige Tätigkeit ist nur Materie und Bewegung, -und ganz nach der gleichen Notwendigkeit geregelt wie bei jedem Ding -der Natur. Götter und Gott hat nur der Aberglaube erdacht, und damit -Gedankenträgheit, Vorurteil, Unduldsamkeit und Verfolgungssucht in der -Welt heraufbeschworen. Wer die Natur kennt, braucht keine Gottheit, so -wenig wie er einer Seele und eines Geistes als etwas Besonderen bedarf. -Spricht man aber von einer bewegenden Ursache in der Natur, so mag man -wohl Gott meinen. „Wenn wir dem Worte „Gott“ einen Sinn<span class="pagenum"><a name="Seite_437" id="Seite_437">[S. 437]</a></span> unterlegen -wollen, so werden wir finden, daß es nichts anderes bezeichnen kann -als die Summe der unbekannten Kräfte, welche das Universum beleben.“ -So ist denn die Natur auch „die Notwendigkeit ihrer selbst“, was sonst -genau so von Gott ausgesagt wird. Und von gleichem Standpunkt werden -Tugend, Vernunft und Wahrheit die „verehrungswürdigen Töchter der -Natur, der Souveränin aller Wesen“ genannt und als „unsere einzigen -Gottheiten für immer“ bezeichnet. Es ist also eine Hypostasie der -Natur, bei aller Auffassung als nur Materie und Bewegung. Aus dieser -Natur heraus fließen alle sittlichen Vorschriften als auf Selbstliebe -begründet. Hier geht das Ganze in eine Art edlen Epikureismus über, -und unter Wahrung des frohen Lebensgenusses. Holbach spricht in dieser -Beziehung wie unsere modernen Materialisten, die eine Ethik aus sich -selbst heraus lehren, welche neben gesundem Egoismus verbindlichen -Altruismus enthält, nicht die fast zuchthausmäßig zwingenden Religionen -von Hobbes, oder einen Krieg aller gegen alle. So ist dieses Système -ein ganz modernes Werk, und ein menschlich gesundes dazu, wo nicht die -Grenzen nach der einen und der anderen Seite überschritten werden. Und -wo nicht solche Unentschiedenheiten herrschen wie in der wichtigsten -Frage, ob die Atome auf sich selbst beruhen und die Natur ein Vieles -aus diesen Einzelnen darstellt, oder ob die Natur eine absolute Einheit -ist, von der noch die Atome eine Art Scheinleben haben, so daß für -Eigenleben nirgend Platz und, wie im Pandeismus und Pantheismus, alles -Zwang und Fatalismus ist.</p> - -<p>Rücksichtslose Krönung fand das Werk des mechanistischen Materialismus -in <span class="gesperrt">Julien Offraye de la Mettries</span> Werk: „L’homme machine“, der -Mensch eine Maschine. Sein System ist älter als das eben behandelte -Holbachsche, aber fast noch konsequenter. Der Mensch ist durchaus von -seinem Körper abhängig. „Ein Nichts, eine kleine Fiber, irgend etwas, -das die subtilste Anatomie nicht entdecken kann, hätte aus Erasmus und -Fontanella zwei Toren gemacht“. Das ist Binsenwahrheit, die Lamettrie -durch eine Unzahl von Beispielen in der oben genannten Schrift und dem -älteren<span class="pagenum"><a name="Seite_438" id="Seite_438">[S. 438]</a></span> Werke: „Histoire naturelle de l’âme“ oder „Traité de l’âme“ -belegt hat. Und in dieser Hinsicht unterscheidet sich der Mensch vom -Tiere (oder der Pflanze) in keiner Weise. Sind nach Descartes die Tiere -Maschinen, so sind es auch die Menschen. Und nun wird das Maschinelle -des Menschen im einzelnen verfolgt. Wir brauchen das nicht genauer -darzutun. Indessen scheint Lamettrie nicht den Menschen als Ganzes -als Maschine angesehen zu haben, sondern in allen seinen Teilen; denn -er findet das Leben in <span class="gesperrt">allen</span> Teilen des Organismus und gibt -Erläuterungen dazu, wie das Weiterleben von abgetrennten tierischen -Teilen, die Ergänzung zerschnittener Polypen usf. Zu der hieraus -folgenden Idee, daß ein Lebewesen eine in jedem Teile gleiche Maschine -ist (<a href="#Seite_369">S. 369</a> f.), gelangt er aber nicht; er unterscheidet die Wesen -nur nach Kompliziertheit der maschinellen Einrichtung. „Der Mensch -verhält sich zu den Tieren, wie eine Planetenuhr von Huyghens zu einem -gemeinen Uhrwerk.“ Auf die Zahl der Teile, Räder usf. kommt es bei ihm -an. Wir wissen aber, daß es darauf allein nicht ankommt. Keine noch so -komplizierte Maschine kann einem Lebewesen verglichen werden; gerade -aus Lamettries Gründen für das Leben überall im Körper. Was er sonst -in seiner Schrift noch mit gewisser „absichtlicher Frechheit“ (Lange, -Geschichte des Materialismus) ethisch vorbringt, müssen wir übergehen. -Im übrigen darf ich auf die eingehende Würdigung dieses, immerhin sehr -merkwürdigen, Mannes in dem genannten Werk von Lange hinweisen, dem -hiernach in der Tat viel bitter Unrecht geschehen ist, als eine Art -„Prügeljungen des französischen Materialismus“.</p> - -<p>Ganz im Sinne Lamettries klingt der Satz <span class="gesperrt">Ludwig Feuerbachs</span>: -„Was der Mensch ißt, das ist er“, obwohl Feuerbach mehr Positivist -und Empirist, als Materialist gewesen ist, trotz Ablehnung der -Unsterblichkeitslehre. Im übrigen brauchen wir den modernen -mechanistischen Materialismus nicht weiter zu verfolgen. Er knüpft -sich an die Namen <span class="gesperrt">Karl Vogt</span>, <span class="gesperrt">Büchner</span>, <span class="gesperrt">Moleschott</span>, -<span class="gesperrt">Czolbe</span>, <span class="gesperrt">Dubois-Reymond</span> in seiner ersten Zeit usf. Weder -ist er so konsequent wie der klassische oder englisch-französische,<span class="pagenum"><a name="Seite_439" id="Seite_439">[S. 439]</a></span> -noch bietet er neue Gesichtspunkte, oder konnte er solche bieten. -Lediglich aus den vermehrten Kenntnissen in Astronomie, Physik, Chemie, -Physiologie und beschreibenden Naturwissenschaften sind festere Stützen -für die materialistische Anschauung gewonnen worden. Wir sprechen davon -im Zusammenhang mit dem folgenden. Was aber allzu seicht ist, wie -beispielsweise die Belehrungen von Büchner, werden wir übergehen. Des -geistvollen und tiefen <span class="gesperrt">David Friedrich Strauß</span>’ Materialismus -in „Der alte und der neue Glaube“ kann ich nur aus einer Art -Vergnügen an Errungenschaft aus fremdem Gebiete und aus Überschätzung -der, ihm naturgemäß nicht hinreichend geläufigen, Ergebnisse der -Naturwissenschaften erklären.</p> - -<div class="section"> - -<h4>51. <span class="gesperrt">Allgemeine und besondere -Naturgesetze, Entwicklungslehre</span>.</h4> - -</div> - -<p>Die Erfahrung hat gelehrt, daß alle Erscheinungen und Vorgänge der -physischen Welt zunächst von drei allgemeinen Gesetzen beherrscht -werden, die wir als <span class="gesperrt">kosmische Regulative</span> bezeichnen wollen: dem -Gesetz der Erhaltung der Massen, dem der Erhaltung der Energien und -dem der Trägheit und des gleichsinnigen Strebens nach einem bestimmten -Endzustande. Die beiden ersten Gesetze sind einfach, wenn man die -Begriffe von Masse und Energie aufgefaßt hat. Ich muß diese Begriffe -als bekannt voraussetzen. Der dritte Satz, soweit er von Trägheit -spricht, ist ebenfalls einfach; er besagt nur, daß Zustände, welche -bestehen, sich nur durch Anlaß oder dauernde Kraft ändern. Wenn ein -Anlaß schon ausreicht, den Zustand dauernd zu ändern, in einen anderen -überzuführen, so ist jener Zustand <span class="gesperrt">labil</span> gewesen. Bedarf es -einer stetig wirkenden Kraft, so daß die Änderung immer nur der Kraft -nachgebend geschieht, so war jener Zustand <span class="gesperrt">stabil</span>. Ob ein -Zustand stabil oder labil ist, hängt ab sowohl von diesem Zustand -selbst als auch von dem, der in der Umgebung, also allgemein in der -Welt herrscht, wenn wir die Welt als eine Einheit auffassen. Hiernach -ist auch der zweite Teil des dritten Satzes leicht zu verstehen, denn -der darin<span class="pagenum"><a name="Seite_440" id="Seite_440">[S. 440]</a></span> enthaltene Endzustand wird ein stabiler Zustand sein. Daß -es kein labiler sein kann, folgt daraus, daß ein stabiler Zustand -sich wiederherstellen kann, wenn die ihn ändernde Kraft aufgehört -hat zu wirken, ein labiler Zustand dagegen nicht. Eine Kugel in dem -tiefsten Punkt eines vertikal gestellten Kreiskanals ist in stabilem -Zustand; schiebt man sie aus diesem Punkt heraus, so kehrt sie in ihn -zurück oder schwingt um ihn hin und her. Die gleiche Kugel auf den -höchsten Punkt des Kanals gelegt, kann dort ebenfalls ruhen, beim -geringsten Anlaß aber fällt sie herab und kehrt nicht wieder zurück. -Die Wissenschaft hat für den Endzustand auch eine gewisse mathematische -Bestimmung gefunden, nämlich, daß etwas, das <span class="gesperrt">Entropie</span> genannt -wird, den höchstmöglichen Wert erreicht, so daß alle Änderungen in der -Natur zur <span class="gesperrt">Vermehrung</span> dieser Entropie dienen, wenn sie dieselbe -nicht ungeändert lassen. Es heißt darum der dritte Satz auch der -<span class="gesperrt">Entropiesatz</span>. Der Satz wird noch in anderer Weise ausgesprochen. -Die Vorgänge in der Natur vermögen wir uns so vorzustellen, daß sie -auch rückwärts durchlaufen werden können, wie ein Körper in die Höhe -steigen und von da herabfallen kann; oder so, daß dieses nicht zulässig -ist, wie der Ofen einen Raum erwärmt, aber dieser Raum seine Wärme -an den Ofen nicht zurückzugeben vermag. Demnach sind die Vorgänge -<span class="gesperrt">umkehrbar</span>, <span class="gesperrt">reversibel</span>, oder <span class="gesperrt">nicht umkehrbar</span>, -<span class="gesperrt">irreversibel</span>. An sich kennen wir keinen Vorgang, der vollständig -umkehrbar ist. Genau genommen sind alle Vorgänge in der Natur nicht -umkehrbar. Aber wie dem auch sein mag, so besagt jener dritte Satz, daß -aus allen Vorgängen immer ein Rest bleibt, der nicht umgekehrt werden -kann. Die Welt kommt also allmählich in einen Zustand, der sich nicht -redressieren läßt.</p> - -<p>Endlich sei noch ein Ausspruch des Satzes erwähnt, der von -<span class="gesperrt">Boltzmann</span> und <span class="gesperrt">Planck</span> herrührt, nämlich: Die Natur führt -alle Änderungen in der Weise, daß zu jeder Zeit derjenige Zustand -herrscht, der unter den gegebenen Verhältnissen der wahrscheinlichste -ist. Von allen Zuständen, die die Welt erreichen könnte, strebt sie -demjenigen zu, der für<span class="pagenum"><a name="Seite_441" id="Seite_441">[S. 441]</a></span> sie, wie sie sich nun einmal eingerichtet -zeigt, der wahrscheinlichste ist. Es kommt also darauf an, wie wir -sie eben als eingerichtet ansehen müssen. Tiefe Untersuchungen -der genannten Forscher haben ergeben, daß diese Einrichtung so -angenommen werden muß, daß in den <span class="gesperrt">letzten Einzelnen</span> räumlich -wie zeitlich absolute <span class="gesperrt">Nichtordnung</span> besteht. Die letzten -Einzelnen sind die Atome oder Molekeln der Materie in ihrer Bewegung, -oder auch solche Erscheinungen, wie eine Unzahl von unendlich rasch -aufeinanderfolgenden Lichtschwingungen aller möglichen Art, welche -einen Strahl natürlichen Lichtes ausmachen u. ä. Bei den Atomen oder -Molekeln bezieht sich die Nichtordnung auf die Bewegungen in den -Körpern, Atom- und Molekularbewegungen; diese Bewegungen dürfen für -alle Atome oder Molekeln im Raume, sowie für <span class="gesperrt">eine</span> Molekel in -der Zeit, keine Ordnung aufweisen, weder in der Richtung noch in der -Geschwindigkeit. Bei Erscheinungen wie dem natürlichen Licht müssen die -unzähligen es zusammensetzenden, unendlich rasch aufeinanderfolgenden -Einzelstrahlen in keiner ihrer Eigenschaften, wie Farbe, Polarisation, -Schwingungskurve, Stärke usf. Ordnung zeigen. Absolute Nichtordnung muß -herrschen, so daß alles zu erwarten und nichts vorauszusetzen ist. Das -betrifft aber, um es nochmals hervorzuheben, die letzten Einzelnen, die -ein Ganzes (Körper, natürlicher Strahl, Wärme usf.) zusammensetzen. -Daher von <span class="gesperrt">elementarer Nichtordnung</span> gesprochen werden kann. Das -ist ein etwas wunderliches Ergebnis für die Einrichtung unserer Welt: -Ordnung in den Ganzen, Nichtordnung in den Elementen. Aber Lucretius -Carus hat schon für die Atome von der Nichtordnung gesprochen, und -Bernouilli, Krönig, Clausius, Maxwell u. a. haben diese besondere -Nichtordnung zur Begründung der bekannten kinetischen Theorie der -Körper und der Wärme benutzt, wie sie für Strahlen schon von Fresnel -in der Theorie des natürlichen Lichtes Anwendung gefunden hat. Alle -elementaren Einzelnen sollen in ihrer Nichtordnung auch voneinander -völlig <span class="gesperrt">unabhängig</span> sein. Findet das nicht statt, sind Systeme von -ihnen zusammenhängend im Wechsel ihrer Zustände, <span class="gesperrt">kohärent</span>, wie<span class="pagenum"><a name="Seite_442" id="Seite_442">[S. 442]</a></span> -zwei Strahlen, die von derselben Lichtquellenstelle ausgehen, so bleibt -zwar auch für sie im gesamten der Erscheinungen und Vorgänge das dritte -Gesetz bestehen, aber im besonderen kommen Änderungen hinzu, welche -den Erfolg dieses Gesetzes aufhalten, also verzögern, indem sie gegen -dieses Gesetz verlaufen. Zwei Lichtstrahlen gleicher Temperatur sollten -nach diesem Gesetz, wenn man sie in andere Strahlen umwandelt, auch -dann keinen Temperaturunterschied zeigen; sie lassen jedoch gleichwohl -einen solchen hervortreten, falls sie kohärent sind. Ich darf auf den -kurzen, aber sehr gehaltvollen Aufsatz von Max Planck, „Die Einheit des -physikalischen Weltbildes“ verweisen.</p> - -<p>Das Recht, diese Sätze, die selbstverständlich nur auf der Erde -geprüft werden können, auf das ganze uns bekannte Weltall auszudehnen, -nehmen wir aus der, namentlich durch die Spektralanalyse erwiesenen -Tatsache, daß die Himmelskörper aus den Stoffen bestehen, die auch -unsere Erde bietet. Es wäre ein Verfahren ins Blaue hinein und -ganz unwissenschaftlich, wenn jemand behaupten wollte, daß die -Grundeigenschaften der Stoffe und der Vorgänge zwischen ihnen auf den -Himmelskörpern andere sind und anderen Gesetzen folgen als auf der -Erde. Freilich müssen wir zugeben, daß wir gewisse Zustände, unter -denen sie sich auf den Himmelskörpern befinden, auf der Erde noch -nicht herzustellen vermögen. Aber jene Gesetze nehmen wir eben als -von den besonderen Zuständen unabhängig an, da sie sich so auf der -Erde erweisen, soweit hier Prüfung möglich ist. Das Bestehen etwaiger -Kohärenz hat auf diese Gesetze keinen Einfluß, auf die beiden ersten -Gesetze in keiner Beziehung, auf das dritte Gesetz in seinem Enderfolge -nicht, wenn es auch, wie bemerkt, den Gang nach diesem Gesetz aufhalten -und verzögern kann.</p> - -<p>Regieren diese drei Gesetze alle physischen Erscheinungen und Vorgänge -der Welt ausnahmslos, so bestehen für die Einzelerscheinungen und -Einzelvorgänge noch besondere Gesetze und Regeln. Manche von diesen -sind von so allgemeiner Bedeutung, daß sie wieder die ganze Welt -betreffen. So<span class="pagenum"><a name="Seite_443" id="Seite_443">[S. 443]</a></span> die Massenanziehung nach der Newtonschen Formel, -von der keine greifbare Substanz ausgenommen ist und die absolut -unveränderlich scheint. So die Regel, wonach für alle nicht kohärenten -Systeme die Wärme immer nach den kälteren Körpern von selbst hinströmt -und strahlt, und nie umgekehrt nach den wärmeren. Andere dagegen sind -Spezialgesetze, wie die Formeln, nach denen Körper sich anziehen -oder abstoßen oder drehen, wenn elektrische oder magnetische oder -Stromeinflüsse sich geltend machen, oder wie diejenigen, welche die -Beugung, Reflexion und Brechung von Licht- und Schallstrahlen, die -Zusammendrückbarkeit der Körper, zum Beispiel der Gase, feststellen -usf. Solche Gesetze können in ihrer Wirkung auch von der Umgebung -abhängen. Wie dem aber auch sei, so nehmen wir uns doch die Freiheit, -auch sie auf das Weltall auszudehnen, das heißt, ihre Gültigkeit -überall anzusetzen, wo sich Gelegenheit zu ihrer Geltendmachung bietet, -nicht bloß auf der Erde. Von dem Gesetz der Massenanziehung und dem -der Zerstreuung der Wärme nach den kälteren Stellen sind wir ja der -Allgemeingültigkeit fast sicher.</p> - -<p>So können wir uns hiernach die Welt aufbauen, so daß sie unserer -irdischen entspricht, und dürfen aus dem, was wir für diese wissen, auf -das All übertragen: alle Stoffe, alle Erscheinungen, alle Vorgänge, -alle Gesetze. Und in dieser Weise ist der mechanistische Materialismus -für das physische All zunächst zu verstehen. Aus dem gleichen Grunde -dürfen wir die systematische Ordnung am Himmel, in Raum und Zeit, -wiederum aus irdischen Erfahrungen ableiten. So ist die gewaltige -Lehre Kants vom Weltsystem und seiner Entwicklung entstanden, nachdem -seit dem Altertum ein solches System aufzubauen die Bemühungen nicht -geruht haben und Descartes schon ein sehr eigenartiges, aber nicht den -Tatsachen hinreichend entsprechendes System aus seiner Theorie der -Himmelswirbel abgeleitet hatte. Wir haben hier die Geburt, das Leben, -den Untergang, das Wiederaufleben usf. der einzelnen Systeme im Weltall -nach bestimmten Prinzipien.</p> - -<p>Das alles gilt von der physischen Welt. Wie steht es mit der lebenden -Welt? Soweit die Körper der Lebewesen<span class="pagenum"><a name="Seite_444" id="Seite_444">[S. 444]</a></span> in Betracht kommen, nicht anders -als mit der physischen Welt; sie sind den Weltgesetzen unterworfen wie -allen Einzelgesetzen, und kein lebendes Wesen kann seinen Körper diesen -Gesetzen entziehen, sie gelten hier so streng wie in der unbelebten -Natur. Hinsichtlich der Körper dürfen wir die lebenden Wesen dem All -ohne weiteres einverleiben. Wie es hinsichtlich der Psyche steht, -wird später besprochen. Hier erwähnen wir nur das, für die Psyche -Unbedeutende, aber für das Leben und seine Entwicklung sehr Bedeutende. -Im Bereiche dieser Erscheinungen kennen wir außer jenen kategorischen -Gesetzen noch zwei andere Gesetze: das der <span class="gesperrt">Selbsterhaltung</span> und -das der <span class="gesperrt">Erhaltung der Art</span> (<span class="gesperrt">Vererbung</span>), das heißt der -Erhaltung des individuellen Körpers und Geistes und der Erhaltung der -Nachkommen in der besonderen Gestaltung dieses Körpers und Geistes. -Sehen wir von allen psychischen Wirkungen ab, so würden in einer -absolut unveränderlichen Umgebung beide Gesetze streng zur Ausführung -gelangen können. Wir vermögen uns sehr wohl einen Zustand zu denken, -in dem ein Wesen nach seiner Einrichtung lebt und vergeht und genau -entsprechende Wesen produziert, so daß die Kette der Wesen immer aus -gleichen Ringen zusammengesetzt ist. Alsdann ist auch nur eine einzige -Wesenart vorstellbar, und von je in je. Ob das irgendwo in der Welt -stattfindet, wissen wir nicht; sollte das der Fall sein, so dürfte es -sich entweder auf Wesen beschränken ohne geistige Tätigkeit, oder auf -solche mit höchster Vernunft. Die Gründe sind leicht einzusehen. Genug, -ein solcher Zustand ist durchaus vorstellbar. Wie nun die Verhältnisse -auf der Erde sind, steht die Selbsterhaltung wie die Erhaltung der Art -in einem steten Kampf mit der ganzen Umgebung. Die Lebewesen suchen -instinktiv oder planmäßig die Umgebung ihrer Art anzupassen, aber auch -sich selbst der Umgebung anzupassen. Letzteres geschieht größtenteils -nur instinktiv, unbewußt — wir werden später die Bedeutung davon -kennen lernen. Unter Umgebung ist dabei nicht allein die unbelebte -Natur verstanden, sondern auch die belebte. Aus der Anpassung an die -Umgebung aber folgt, daß die beiden Erhaltungsgesetze<span class="pagenum"><a name="Seite_445" id="Seite_445">[S. 445]</a></span> nur bedingt -erfüllt werden können, nämlich mit Rücksicht auf diese Umgebung. Und -so treten schon im Leben des Individuums Änderungen seines Selbst -ein und folglich nach dem zweiten Erhaltungsgesetz Änderungen der -Art. Auf diesen Grundgedanken — von den Einzelheiten müssen wir -hier absehen — ist die <span class="gesperrt">Entwicklungslehre der belebten Wesen</span> -aufgebaut worden, namentlich von Lamarck und Darwin, nachdem Geister -wie die ionischen Naturphilosophen, Kant, Goethe und andere sie schon -mehr oder weniger bestimmt gedacht haben. Ob diese Entwicklungslehre, -<span class="gesperrt">Phylogenie</span>, in der <span class="gesperrt">Paläontologie</span> und in der -Wachstumslehre, <span class="gesperrt">Ontogenie</span>, eine durchaus sichere Stütze hat, ist -gegenwärtig wieder etwas zweifelhaft geworden. Daß aber die Arten sich -ändern müssen, wo die Umgebung sich ändert, ist ganz unausweichlich, -wenn auch daraus noch lange nicht folgt, daß alle Arten wie die Zweige -eines Baumes aus einem Lebewesen hervorgegangen sein müssen. Das hängt -mit der Entstehung der Lebewesen überhaupt zusammen.</p> - -<p>Ich will darüber und über die <span class="gesperrt">Abstammungs</span>-, -<span class="gesperrt">Deszendenzlehre</span> nur einiges sagen. Erstens ist es sehr wohl -möglich, daß große Klassen von Lebewesen aus verschiedenen Urwesen -ihren Ursprung genommen haben. Der Bau eines Insektes ist trotz der -entsprechenden Organe, wie Magen, Lunge, Füße, Augen usf. so himmelweit -von dem eines Säugetieres verschieden, daß, wenn nicht absolut -zwingende Gründe der Paläontologie vorhanden sind, die irgendwann in -der Geschichte der Erde ein Wesen nachweisen, das sich ebensogut zu der -Stufe der Säugetiere wie zu der der Insekten entwickeln konnte, man -noch wissenschaftlicher verfährt, Insekt und Säugetier auf verschiedene -Urwesen zurückzuführen. Man verliert ja dadurch gar nichts hinsichtlich -des Hauptsächlichen, der Entwicklungslehre. Auch eingeschränkt auf -Arten, die wirklich einander entsprechen, hat sie immer noch ihre -hohe Bedeutung und braucht auch nicht so sehr mit dem Mangel an Zeit -zu kämpfen. Doch mag das sein, es hat mehr ein Interesse des Kennens -als des Erkennens, denn das Psychische berührt es gar nicht. Und die -törichten Exklamationen von<span class="pagenum"><a name="Seite_446" id="Seite_446">[S. 446]</a></span> Leuten, die fürchten, ihre Gottähnlichkeit -würde ihnen durch die Entwicklungslehre genommen werden, beruhen auf zu -geringer Überlegung. Wir sind Gott ähnlich mit und ohne Entwicklung, -wenn wir uns dessen bewußt sind. Die Entwicklungslehre für sich kann -den Geist, die Seele nicht aus der Welt schaffen. Und wenn sie eine -Art Mechanistik darstellt aus den physischen Einwirkungen von außen, -so sagt sie damit an sich nichts Neues, sondern etwas, das der Mensch -seit je gewußt hat, daß er nämlich von solchen Einwirkungen durchaus -abhängig ist. Wir können also die Entwicklungslehre ruhig bestehen -lassen, ohne unserer Seele etwas anzutun. Selbst ein Nachweis, daß die -seelische Organisation mit der körperlichen in der Entwicklungsreihe -wächst, würde von keinem Belang sein. Aber ein solcher Nachweis, wie -soll er wohl geführt werden, ohne auf die auffälligsten Widersprüche -und Unbegreiflichkeiten zu stoßen? Die Pflanzenwelt besteht so lange -wie die Tierwelt; hat aber die höchste Pflanze — mögen auch die -Pflanzen, wie die neusten Untersuchungen gelehrt haben, nicht ohne -Sinnesorgane und Nerven, vielleicht auch nicht ohne Vorstellungen sein -— psychisch Ähnlichkeit auch nur mit einer Schnecke? Eine Ameise, die -in der körperlichen Organisation so vielen Insekten nachsteht, von den -Säugetieren gar nicht zu reden, besitzt eine viel größere geistige -Rührigkeit als manches höchste Säugetier. Körperlich ganz benachbarte -Arten zeigen durchaus verschiedene geistige Äußerungen. Die geistigen -Verschiedenheiten selbst innerhalb derselben Art sind auch dann noch -ungeheuer, wenn wir von pathologischen Verhältnissen absehen, nur das -Normale nehmen.</p> - -<p>Viel wichtiger ist das zweite. Woher kam das Urwesen, oder woher -kamen die Urwesen? Die beiden Hauptansichten darüber sind schon -im Altertum geäußert worden. Nach den Mechanisten müßte es sich -gerade so gebildet haben wie jeder unbelebte Körper. Damit hängt die -sogenannte generatio equivoca, die Selbstzeugung, zusammen, an die noch -Schopenhauer geglaubt hat. Ließen doch manche Griechen die Lebewesen -einfach aus Schlamm oder Erde unter der Einwirkung der<span class="pagenum"><a name="Seite_447" id="Seite_447">[S. 447]</a></span> Hitze der Sonne -auf diesen Schlamm oder die Erde erwachsen sein. Gerade die moderne -Naturwissenschaft hat die Selbstzeugung als nichtig erwiesen. Unter den -Umständen, die wir nur herzustellen vermögen, sagen die Materialisten -strenger Observanz; aber unter anderen Umständen? — Darüber läßt sich -nicht streiten, es liegt außerhalb der wissenschaftlichen Methode. -Ich verweise aber, um Mißverständnissen vorzubeugen, durchaus auf -die Definition der Lebewesen, wie wir sie unserem Kant verdanken und -die wohl auch für den Materialisten allerstrengster Observanz gültig -sein wird. Die zweite, schon im Altertum bekannte Annahme ist die -neuerdings als <span class="gesperrt">Panspermie</span> bezeichnete. Keime aller Dinge, auch -der belebten Wesen, sollten durch das ganze Weltall verteilt sein, und -wenn letztere in geeignete Verhältnisse kamen, sollten sie sich zu -den betreffenden Lebewesen entwickeln. Die Entwicklung wurde mitunter -nach der <span class="gesperrt">Evolutionslehre</span> gedacht, deren neuerer intensiver -Vertreter <span class="gesperrt">Albrecht von Haller</span> gewesen ist. In jedem Keim -(nach der Hauptansicht in der Eizelle, nach anderen Ansichten in der -Samenzelle) steckt schon das Wesen in kleinster Gestalt, in diesem -eingehüllten Wesen ein von ihm eingehülltes usf., so daß jeder Keim -eine unendliche Zahl immer ineinander eingekapselter Wesen einer Art -enthielte. Ein Keim ist so in der Lage, durch stete Fortpflanzung -eine unbegrenzte Reihe von Wesen einer Art herauszuwickeln, und es -genügte, wenn von jeder Art auch nur ein Keim von je vorhanden war. -Wir wissen jetzt (bereits seit <span class="gesperrt">Caspar Friedrich Wolff</span> 1759), -daß diese Evolutionslehre in dieser Form nicht zutrifft. Auch in einer -anderen Form, die <span class="gesperrt">Weismann</span> ihr gegeben hat, und die lange in der -Biologie großes Ansehen genoß, daß nämlich zwar nicht die vollständigen -Wesen, aber doch die letzten Teile, aus denen sie sich bilden, in -den Keimen schon vorhanden seien, so daß es sich um eine Trennung -dieser Teile und dann um ein Wachstum handelt, muß die Evolutionslehre -gegenwärtig abgelehnt werden. Denn gegenwärtig meint man: die Wesen -entwickeln sich durch Sprossung oder Teilung aus einer Zelle, unter -sehr verwickelten Erscheinungen<span class="pagenum"><a name="Seite_448" id="Seite_448">[S. 448]</a></span> auf Grund des Stoffwechsels, eine -Lehre, die als <span class="gesperrt">Epigenesis</span> bezeichnet wird, indem alles -erst in der Entwicklung entsteht, aus gewissen Eigenschaften der -Keimteile. Aber die Panspermie behält gleichwohl ihre Bedeutung. Eine -Hauptschwierigkeit für sie kannten die Alten nicht, nämlich die sehr -tiefe Temperatur des Weltalls, die wohl 150° C unter Null beträgt. -Moderne Forscher, wie W. <span class="gesperrt">Thomson</span> und <span class="gesperrt">Helmholtz</span>, haben -darum mehr gelegentlichen Transport von Keimen durch Meteorite für -nicht ausgeschlossen gehalten und so Verbreitung von Weltkörper -zu Weltkörper. <span class="gesperrt">Arrhenius</span> hat dann, nach den Forschungen -der neuesten Zeit über Strahlen- und Elektrizitätsdruck, gezeigt, -daß kleine Keime auch ohne Meteorite von Weltkörper zu Weltkörper -geschleudert werden können, und daß die Fluggeschwindigkeit dabei so -groß sein kann, daß die Keime zwischen Körper und Körper die furchtbare -Kälte des Weltraumes überdauern können. Das alles muß man jetzt -zugeben; und so ist in der Tat die Verbreitung von Leben durch das -Weltall möglich, zumal wenn man Keime aller Art zuläßt, namentlich auch -solche, die unter ganz anderen Verhältnissen sich entwickeln können als -auf der Erde herrschen, etwa unter solchen auf dem Monde, wo atmende -Wesen in unserem Sinne nicht vorhanden sein können usf. Ich wüßte -nicht, was dem entgegenstehen sollte. Atome werden ja auch von allen -möglichen Arten angenommen, und wie wenig bei Keimen in ihrer Struktur -dazu gehört, sie nach ganz verschiedenen Richtungen sich entwickeln -zu lassen, ist ja bekannt; die Keimzellen (z. B. Ei und Sperma) -differentester Lebewesen sind für uns mitunter kaum zu unterscheiden. -Gleichwohl müssen sie jede ein Eigenes haben, das sie veranlaßt, sich -gerade zu dem bestimmten Wesen zu entwickeln. Sind einmal Keimzellen -gegeben, so hat es weiter keine Not, denn nun entwickeln sich solche -Zellen im Laufe des Lebensprozesses immer weiter, wie gesagt, durch -Sprossung oder Teilung; der Intervention einer neuen Urzelle bedarf es -dann nicht.</p> - -<p>Das alles betrifft die Entwicklung der <span class="gesperrt">Wesen-Reihe</span>, die -<span class="gesperrt">Phylogenie</span>. Die Entwicklung der <span class="gesperrt">Einzelwesen</span>, die<span class="pagenum"><a name="Seite_449" id="Seite_449">[S. 449]</a></span> -Ontogenie, wäre sehr einfach, wenn die Evolutionstheorie sich als -zutreffend erwiesen hätte; die Keime mit ihren ins Unendliche -ineinandergekapselten Wesen gleicher Art wären von je, oder geschaffen, -das Weitere beträfe nur die Auswicklung, sozusagen aus der Hülle, -wobei der betreffende Urkeim von Geschlecht zu Geschlecht weiter und -weiter gegeben würde. Nur die Umstände, unter denen die Auswicklung -erfolgt und die Art, wie sie erfolgt und wie das Wachstum geschieht, -böten, freilich recht bedeutende, Schwierigkeiten. Allein wir sollen -es mit der Epigenesis zu tun haben, und da handelt es sich nicht bloß -um diese Schwierigkeiten, sondern auch um die Frage, warum sich aus -Ei und gegebenenfalls Samenzelle jedesmal ein den Eltern gleiches -Wesen entwickelt. Hier gilt nun, wie man sagt, das <span class="gesperrt">Gesetz der -Vererbung</span>; und es wird darum als erwiesen angesehen, daß die -Entwicklung der Einzelwesen in den ersten Stadien die der Wesenreihe -bis zu einem gewissen Grade wiederholt. <span class="gesperrt">Die Phylogenie spiegelt -sich in der Ontogenie wieder</span>, oder noch schärfer: <span class="gesperrt">Die Ontogenie -ist eine Rekapitulation der Phylogenie</span>. Die Untersuchungen -darüber sind außerordentlich verwickelt. Ich darf wegen dieses -<span class="gesperrt">biogenetischen Grundgesetzes</span> namentlich auf unseres greisen, dem -Vaterlande zum Stolz gereichenden Forschers <span class="gesperrt">Häckel</span> Schriften -verweisen, denen nur grobe Unbedachtheit, um nicht ein härteres -Wort zu benutzen, aus kleinen Irrtümern und Versehen, wie sie bei -sorgfältigster Arbeit sich nicht vermeiden lassen, absichtliche -Unrichtigkeiten unterschieben konnte. Wie weit die Ontogenie als -<span class="gesperrt">Palingenesie</span> in der Tat Phylogenetisches wiederholt, ist wohl -noch strittig. Häckel selbst hat hervorgehoben, daß manche Stufen in -der Ontogenie fehlen, andere abgekürzt auftreten und viele Stufen -nachträgliche Erwerbungen, <span class="gesperrt">zenogenetisch</span> sind, die sich in der -Phylogenie nicht finden. Aber alles würde immer nur beweisen, daß -Bestehendes möglichst erhalten wird, selbst wenn es längst vergangen -ist, um so mehr, wenn es noch blüht. Tatsachen der Vererbung gibt -es aber unzählige, sie sind durch die <span class="gesperrt">Deszendenztheorie</span> fast -Gemeingut geworden. Was veranlaßt aber die Vererbung, daß Wesen -verschiedener Art nicht einmal<span class="pagenum"><a name="Seite_450" id="Seite_450">[S. 450]</a></span> Nachkommen hervorbringen können? Der -Grund muß in den Elementen, aus denen die Lebewesen sich entwickeln, -liegen, in Ei und Samen. Aber worin er besteht, wissen wir nicht. -Der Inhalt von Ei und Samenzelle (Protoplasma, Nukleus, Chromatin, -Zentrosom und vielleicht noch anderes) ist außerordentlich kompliziert -gebaut. Noch komplizierter, abgesehen von den Einzelligen und den -Amöben, trotz Feststellung typischer Vorgänge, wie namentlich der -<span class="gesperrt">Gastrulation</span>, ist die Entwicklung selbst. Es scheinen auch -polare Kräfte mitzuspielen, für die wir noch keinen Ausdruck haben, und -Struktur- und Beschaffenheitsdifferenzen in den Inhalten der Elemente. -So ist das Gesetz der Vererbung einstweilen nur eine Umschreibung für -eine Reihe von Tatsachen. Es muß aber mit außerordentlicher Energie -wirken, da es aus einer unendlichen Zahl von Möglichkeiten immer nur -ein Bestimmtes zuläßt und selbst noch Dinge, <span class="gesperrt">rudimentäre Organe</span>, -erhält, die für das Wesen nutzlos oder gar schädlich sind, worüber -Darwin so eingehend geschrieben hat. Und dabei wirkt die Vererbung, -indem sie sich nicht bloß auf das Ganze erstreckt, sondern sogar -auf die kleinsten Einzelheiten; alle Organe, alle Gliedmaßen, alle -Nerven, Muskeln, Knochen usf., und alles dieses in den feinsten -histologischen Feinheiten, werden vererbt. Wir wollen diese Vererbung -die <span class="gesperrt">morphologische</span> nennen und setzen ihr an die Seite die -<span class="gesperrt">biologische</span>, indem die Vererbung auch die <span class="gesperrt">Folge</span> in der -Entwicklung der einzelnen Teile betrifft, sowie die <span class="gesperrt">funktionale</span>, -welche sich auf die <span class="gesperrt">Tätigkeiten</span> der einzelnen Teile bezieht.</p> - -<p>Allein die Vererbung geht selbst auf die <span class="gesperrt">Stellen</span> des Eies, aus -denen die Entwicklung geschieht; bestimmte Stellen entwickeln sich -in bestimmter, immer gleicher Weise, wenn die Entwicklung ungestört -geschieht. Das ist eine <span class="gesperrt">Lokalisationsvererbung</span>. Driesch spricht -darum von einer <span class="gesperrt">morphologischen Bedeutung</span> der einzelnen Stellen -im Ei, indem die Bedeutung dasjenige ist, was aus dieser Stelle bei -ungestörter Entwicklung hervorgeht. Die Vererbung sorgt, daß auch -hier immer das gleiche folgt; das nun ist um so wunderbarer, als die -neuere Biologie wohl unzweifelhaft nachgewiesen<span class="pagenum"><a name="Seite_451" id="Seite_451">[S. 451]</a></span> hat, daß aus derselben -Stelle sich sehr vieles andere entwickeln kann und unter Umständen in -der Tat sich entwickelt, daß Stellen die Entwicklung anderer Stellen -übernehmen und durchführen können. Der gleiche Forscher spricht deshalb -auch von einer <span class="gesperrt">morphologischen Potenz</span> dieser Stellen, welche -viel umfassender ist als die morphologische Bedeutung. <span class="gesperrt">Unter allen -Potenzen einer Stelle treibt die Vererbung bei normalen Verhältnissen -also immer nur eine in die Aktualität, in die Bedeutung hinaus.</span> -Und nun kommt noch das weitere Wunderbare, daß, wenn die Verhältnisse -bei der Entwicklung anormal sind, diese Entwicklung, trotz des dadurch -bedingten Wechsels der in die Wirklichkeit gebrachten Potenzen der -einzelnen Stellen des Eies, <span class="gesperrt">doch ein durchschnittlich normales -richtiges Wesen zutage fördert</span>. So mächtig ist das Gesetz der -Vererbung im Kleinsten wie im Großen. Es ist ein <span class="gesperrt">morphologisches -Gesetz</span> von zwingender Gewalt. Also regelt die Vererbung Gestalt, -Entwicklung aus dem Kleinsten in das Kleinste und Große, und in das -Ganze, den Gang der Entwicklung, die Wirksamkeit aller Teile, ja auch -Geistestätigkeit, wie jeder weiß. Es ist ein großzügiges Gesetz, da -es Abweichungen zuläßt, ohne das Wesentliche zu beeinträchtigen. -Als Erhaltungsgesetz steht es in einem gewissen Gegensatz zu dem -Anpassungsgesetz, wirkt aber auch mit ihm zusammen, indem es immer das -erhält, was nach dem Anpassungsgesetz eingetreten ist.</p> - -<p>Zu der morphologischen Potenz möchte ich selbst noch folgende Bemerkung -machen. Sie ist zunächst <span class="gesperrt">ontogenetisch</span> verstanden, bezieht sich -also auf dieselbe Wesensart, eigentlich auf eine bestimmte Zelle. Wenn -man aber beachtet, daß die Ontogenie der Phylogenie entspricht, so -möchte man fast glauben, daß die morphologische Potenz noch eine viel -allgemeinere Bedeutung hat, nämlich auch eine <span class="gesperrt">phylogenetische</span>. -Alsdann würde sie besagen, daß aus dem Eiinhalt an sich überhaupt jedes -mögliche Wesen entstehen kann. Von vornherein hätte der Eiinhalt die -Eigenschaft, nicht bloß aus jeder Stelle jedes zu dem betreffenden -Individuum Gehörige hervorzubringen, sondern auch jedes beliebige -Individuum jeder<span class="pagenum"><a name="Seite_452" id="Seite_452">[S. 452]</a></span> beliebigen Art. Er sei morphogenetisch gänzlich -universell, und die phylogenetische Entwicklung bedeute lediglich ein -immer weiteres Zutagetreten der Potenzen des Eiinhaltes zu immer neuen -Formen. Es wäre dieses eine Art <span class="gesperrt">phylogenetische Evolution</span>, -jedoch nicht vorhandener Formen, auch nicht von Differenzierungen -vorhandener Bausteine, sondern von Potenzen, die dem protoplasmatischen -Stoffe, der den Eiinhalt bildet, von vornherein innewohnen, -<span class="gesperrt">Potenzen</span>, wie <span class="gesperrt">im Individuum zu allen seinen Teilen</span>, <span class="gesperrt">so -in der Wesenreihe zu allen Wesen beliebiger Art</span>. Eine derartige -Anschauung würde den Zusammenhang zwischen Ontogenie und Phylogenie -ins klare setzen und die Entstehung der verschiedenen Wesenformen in -den Gang der Entwicklung eines Wesens und den durch äußere oder andere -Einflüsse herbeigeführten Abschluß dieser Entwicklung verlegen. Die -bestehenden Wesen wären nicht die <span class="gesperrt">vollendeten</span> Entwicklungen, -sondern <span class="gesperrt">Stufen</span> in der allgemeineren Entwicklung der Gesamtpotenz -des protoplasmatischen Stoffes. Und das Steigen in der Reihe der Wesen -wäre bedingt durch das immer später eintretende Abschließen der Stufen. -Kennen wir doch Lebewesen, die unmittelbar Stufen in einer bestimmten -Entwicklung sind und als solche ihr ganzes Dasein verbringen, wenn sie -nicht später die Entwicklung fortsetzen. Manche halten sogar das Weib -für ein Wesen, das gegenüber dem Mann auf einer früheren Stufe der -Entwicklung stehen geblieben ist. Vielleicht ist nicht bloß eine Art -des betreffenden Stoffes vorhanden, sondern es bestehen zwei Arten, mit -abweichenden phylogenetischen Potenzen; eine für die Reihe der Tiere, -die andere für die Reihe der Pflanzen. Vielleicht sind auch selbst -für die Reihe der Tiere mehrere Arten des protoplasmatischen Stoffes -anzunehmen. In einer so ungemein verwickelten Sache hat man das Recht, -auch allgemeine Ideen zu äußern. Doch mag es bei dieser Äußerung selbst -verbleiben; der Phantasie sei es überlassen zu träumen, wie viele -neuartige Wesen noch als weiterer, später eintretender Abschluß der -Entwicklung aus dem protoplasmatischen Stoff entstehen können.</p> - -<p>Ein ferneres Erhaltungsgesetz können wir in der <span class="gesperrt">Restitu<span class="pagenum"><a name="Seite_453" id="Seite_453">[S. 453]</a></span>tion</span>, -die als Sonderfall die <span class="gesperrt">Regeneration</span> enthält, sehen, wonach -Lebewesen ihren Körper ergänzen und erneuen, vollständig oder -wenigstens zum Teil. Die Beispiele hierfür streifen mitunter das -Verblüffende; so wenn von manchen Tieren abgeschnittene Stücke sich zu -ganzen, gleichen Tieren wieder auswachsen, unmittelbar oder nachdem -sie zuvor eine Rückverwandlung fast in den ersten Zustand erfahren -haben, so weiter, wenn von gewissen Zellen einer Pflanze neue Zweige -oder Blätter oder gar eine ganze neue gleiche Pflanze hervorwächst -usf. Je höher wir in die Reihe der Lebewesen kommen, desto mehr -verliert allerdings der Körper die Fähigkeit, sich zu ergänzen. -Aber selbst bei dem Menschen ist sie noch nicht ganz erloschen. Und -wo die unmittelbare körperliche Restitution, hier oder bei anderen -Wesen, fehlt, tritt wenigstens Nebenbildung, Umbildung, Weiterbildung -oder Funktionsübertragung ein. Für Nebenbildung sind Beispiele die -adventiven Restitutionen, indem in der Nähe eines verlorenen Organs -ein anderes entsteht wie bei Pflanzen, wozu auch die Bildung von -neuen Organen neben nur teilweise entfernten Organen gehört wie „der -Gliedmaßen und des Schwanzes bei Amphibien, des Kopfes der Planarien, -der Wurzelspitze der Pflanzen“; für Umbildung bei Pflanzen die -Umwandlung von Schuppen in Blätter oder die Umbildung von verletzten -Augen bei gewissen Krebstieren in Antennen; Weiterbildung durch -kompensatorische Hypertrophie zeigt sich in der Vergrößerung von -Organen, wenn das Gegenorgan verloren ist, wie einer Niere nach Verlust -der zweiten Niere; endlich Funktionsübertragung finden wir oft bei -Gehirnkrankheiten, wenn zum Beispiel bei Lähmung des Sprechzentrums -andere Stellen des Gehirns allmählich die Sprechermöglichung übernehmen.</p> - -<p>Zu diesen Erhaltungsgesetzen kommt noch ein -<span class="gesperrt">morphologisch-biologisches Ordnungsgesetz</span>, das schon erwähnte -und in Kants Auseinandersetzungen vom Naturzweck (<a href="#Seite_369">S. 369</a>) behandelte -<span class="gesperrt">Gesetz der Harmonie</span>, das die Zusammenstimmung aller Teile in der -Ordnung, der Ursache und Folge und in der Wirksamkeit vermittelt. Doch -es ist in einem so außerordentlich dunkeln und schwierigen Gebiet, auf -dem<span class="pagenum"><a name="Seite_454" id="Seite_454">[S. 454]</a></span> sogar die speziellen Fachleute, weil eben die Beobachtungen noch -nicht entfernt hinreichen und darum die mannigfachste Deutung zulassen, -gefährlich, von bestimmten Gesetzen nach bestimmten Richtungen zu -sprechen.</p> - -<p>Ich habe darum nur dasjenige vorgebracht, was mir gegenwärtig noch -am sichersten zu sein scheint, wenngleich es wohl sehr vieles andere -gibt, das nicht minder bedeutungsvoll ist. Und alles betrifft, wie -der Leser sieht, meist den Körper und dessen Funktionen. Und die -Gesetze sind <span class="gesperrt">Regulation</span> für den Körper und dessen Funktionen, -<span class="gesperrt">morphologisch-biologische Regulation</span>, und zwar nicht bloß für -die Einzelwesen, sondern auch für die Wesenreihe, also ontogenetisch -und phylogenetisch. Wie es sich mit der Psyche verhält, werden wir noch -sehen. Aber auch das obige wird noch zu ergänzen sein.</p> - -<div class="section"> - -<h4>52. <span class="gesperrt">Energetische Anschauungen; -Ostwald und Häckel</span>.</h4> - -</div> - -<p>Es muß hervorgehoben werden, daß kein Vorgang in der Natur ohne -Änderung von Energien in ihrer Menge oder Umwandlung in andere -Energien vorhanden ist. Wir sprechen allgemein von Umwandlung von -Energien. Ein Stein, den ich halte, hat Schwereenergie; lasse ich -ihn fallen, so geht ein Teil dieser Energie in Bewegungsenergie -über, ist der Stein auf die Erde gestürzt, so wandelt sich die -Bewegungsenergie in Wärme oder Energie beim Zerschlagen usf. um. Die -Schule der <span class="gesperrt">Energetiker</span>, deren Führer Wilhelm Ostwald ist, -setzt an Stelle aller Vorgänge Energieumwandlungen. Die Welt enthält -eine gewisse Zahl von Energien in bestimmter Gesamtmenge; das Leben -der Welt bedeutet die stetige Umwandlung dieser Energien hier und -überall, unter Wahrung der Gesamtmenge, die unveränderlich ist. -Bewegungsvorgänge, Lichtvorgänge, Wärmevorgänge, chemische Vorgänge -usf., alles ist nur Energieumwandlung. Das soll nun ebenso für die -Vorgänge des Lebens gelten, und zwar nicht bloß des animalischen, -sondern auch des seelischen und geistigen. Ostwald, in seinem Buche -„Die Energie“, sagt: „Dieses Verhältnis (des Begriffes der Energie -zu dem des Geistes) glaube<span class="pagenum"><a name="Seite_455" id="Seite_455">[S. 455]</a></span> ich so auffassen zu dürfen, daß die -geistigen Geschehnisse ebenso sich als energetische auffassen und -deuten lassen, wie alle übrigen Geschehnisse auch.“ Diese Theorie wird -an den Tatsachen des Lebens erläutert. Zunächst das rein Animalische -bietet keine Schwierigkeit, die Vorgänge im Körper sind ja die gleichen -wie sonst in und an beliebigen Körpern. Sind die Vorgänge in der -physischen Welt überhaupt nur Energieumwandlungen, so sind sie es auch -im Körper der Lebewesen. Die Sinneswahrnehmungen sollen gleichfalls -nur solche Umwandlungen bedeuten. Energien gelangen an und in unsere -Sinnesorgane, dort werden sie in andere Energien umgewandelt (z. B. wie -die Lichtenergie im Sehpurpur des Auges auch in chemische Energie), -dann findet eine Leitung durch den Nerv (seinen Achsenzylinder) -statt, als „Nervenenergie“, deren Art Ostwald selbst als noch nicht -bestimmbar angibt. Im Zentralorgan, Gehirn oder Rückenmark (in den -Ganglien) angelangt, erfährt die Energie eine abermalige Umwandlung -in „psychische Energie“ (vielleicht Energie chemischer Zersetzung, -Dissimilation). Ein Teil wird Wahrnehmung, der andere geht als -Nervenenergie zurück, wandelt sich in den Organen des Körpers um und -veranlaßt dort die Energieumwandlungen, die wir in der Bewegung, -Ausscheidung usf. sehen. Also nur Umwandlung von Energien in Energien. -Und Ostwald sagt ausdrücklich: „Daß die geistigen Vorgänge in all -ihrer Mannigfaltigkeit eben nicht als <span class="gesperrt">Begleiterscheinungen</span> der -betreffenden Energie, sondern <span class="gesperrt">als diese Energie selbst</span> aufgefaßt -werden müssen“. Also die ganze psychische Tätigkeit ist Energie und -deren Umwandlung. (Übrigens behaupten die Mechanisten das gleiche in -bezug auf Bewegung: die psychistische Tätigkeit ist Bewegung und deren -Umwandlung. Ostwald faßt die Mechanistik anders auf: die psychistische -Tätigkeit soll danach Begleiterscheinung der Bewegung sein; das -ist aber, wie ich glaube, nicht die Ansicht Demokrits und seiner -Nachfolger.) Was dazu zu sagen ist, werde ich im nächsten Abschnitt -beibringen.</p> - -<p>Hier will ich nur einen der interessantesten Punkte dieser Energetik -hervorheben. Ostwald meint, die wesentlichste Ener<span class="pagenum"><a name="Seite_456" id="Seite_456">[S. 456]</a></span>gie in uns sei -die chemische. Nun lassen sich chemische Anordnungen ersinnen und -aufweisen, welche wiederholte Vorgänge leichter ausführen als -erstmalige. Dieses vergleicht Ostwald mit dem Gedächtnis in den -Lebewesen sowohl hinsichtlich des Eigenlebens als hinsichtlich -der Vererbung, also die chemische Erinnerungsfähigkeit mit der -psychischen. Indem er dann weiter das Bewußtsein des Ich gleichfalls -in die Erinnerung und die Erinnerungsmöglichkeit setzt, gewinnt er -einen Zusammenhang dieses Bewußtseins mit der chemischen Erinnerung. -So sagt er dann: „Hier schützt uns die Energetik alsbald gegen die -kindliche Vorstellung von der ‚Aufbewahrung der Erinnerungsbilder‘ -in den Zellen des Gehirns, indem sie an die Stelle der <span class="gesperrt">Bilder</span> -die entsprechenden Vorgänge, das heißt an die Stelle einer gedachten -<span class="gesperrt">räumlichen</span> Mannigfaltigkeit, für welche kein Substrat -nachzuweisen ist, eine <span class="gesperrt">zeitliche Reaktionsfolge</span> setzt, die -allein dem zeitlichen Charakter der geistigen Vorgänge gerecht wird“. -Ostwald hat mit der Ersetzung des Raumes durch die Zeit sicher recht, -wenn jemand die Bilder im Raume annehmen würde. Der Psychiker tut das -aber nicht; er setzt sie in die Seele, die mit dem Raum gar nichts zu -tun hat. Der Mechanist muß freilich die Bewegungen im Gehirn verteilt -annehmen. Der Energetiker hebt — so muß man wohl Ostwald verstehen -— den Begriff des Raumes überhaupt auf, da er den der Masse auflöst. -Darüber später. Gleichwohl ist es schwer einzusehen, wie aus der -Reaktionsfolge Erinnerung und Erinnerungsvermögen sich ergeben sollen. -Jeder Schritt in einer Reaktion ist ja geschwunden, sobald er beendet -ist; er hat ja kein Bleibendes eben als Folge. Wie soll da im Laufe -einer Reaktionsfolge ein vergangener Schritt zum Vorschein kommen? -Wir entwickeln einen Gedankengang, das wäre eine Reaktionsfolge. Wir -können ihn nur entwickeln, wenn wir alle Schritte dieses Ganges uns -fortwährend vorhalten; sobald ein Schritt uns nicht gegenwärtig ist, -haben wir den Faden verloren, wie wir sagen. Also soll eine physische -Reaktionsfolge bei jedem Schritt die ganze voraufgegangene Reaktion -zugleich darstellen. Das ist notwendig; die einfache Nachwirkung von<span class="pagenum"><a name="Seite_457" id="Seite_457">[S. 457]</a></span> -Reaktionen, wie sie in der Physik und Chemie bekannt sind — ein -Kautschukfaden dehnt sich anders, wenn er vorher schon gedehnt gewesen -ist, als wenn er das nicht war — genügt nicht. Die ganze verflossene -Reaktion muß bei jedem Schritt der Reaktion immer wieder da sein. Es -ist dieses ein Seitenstück zu der Darlegung der organisierten Körper -als Maschinen mit ganz gleichen Maschinen als kleinsten Teilchen -derselben. Ich weiß nicht, wie man das verstehen soll. Nun gar das -Erinnerungs<span class="gesperrt">vermögen</span>. Hier soll irgendeine Reaktion längst -verflossene Reaktionsfolgen hervorrufen, die mitunter mit ihr nicht die -geringste Ähnlichkeit haben, wie wenn man einen Ton hört und sich dabei -einer Farbe erinnert oder eines Gegenstandes oder einer Begebenheit. -Die Vorstellungen ohne Substrat müssen ja nach dieser Theorie -gleichfalls Reaktionsfolgen von Energien sein. Ich hebe diese Bedenken -schon hier hervor. Über die Auffassung unserer geistigen Tätigkeiten, -unserer Gefühle, unserer Anschauungsformen, unserer Kategorien (ob -erworben oder nicht erworben) im Sinne der Energetik, hat sich Ostwald -nicht ausgesprochen; er hat selbst anerkannt, daß das meiste noch sehr -dunkel sei.</p> - -<p>Ostwald hat in seiner Energetik den Begriff der Materie in den -der Energien aufgelöst. Ich muß auch darauf hier schon eingehen, -da wir wissen müssen, was diese Auflösung eigentlich bedeutet. -Auch ist sie für seine Theorie von größter Wichtigkeit. Jede -Energie ist <span class="gesperrt">zwiespältig</span>, ein Produkt von zwei Faktoren, der -<span class="gesperrt">Intensität</span> und der <span class="gesperrt">Kapazität</span>. Der nicht physikalisch -vorgebildete Leser wird mich am besten an einem Beispiel verstehen. -Lebendige Kraft (Masse mal Quadrat einer Geschwindigkeit) ist eine -Energie. Steigen wir auf einen Turm und lassen da ein Kilogramm aus -freier Hand herunterfallen, so bekommt dieses, an der Erde angelangt, -eine bestimmte Geschwindigkeit und eine bestimmte lebendige Kraft, -Energie. Nehmen wir statt ein Kilogramm ein Stück von zwei Kilogramm, -so langt dieses an der Erde mit der gleichen Geschwindigkeit an, -aber seine lebendige Kraft ist doppelt so groß. Bei drei Kilogramm -ist die Geschwindigkeit wiederum die näm<span class="pagenum"><a name="Seite_458" id="Seite_458">[S. 458]</a></span>liche, aber die lebendige -Kraft dreimal so groß usf. Also richtet sich die Aufnahmefähigkeit, -Kapazität, für diese Energie nach der Masse. Diese ist der eine Faktor. -Nun besteigen wir einen anderen, viermal so hohen Turm und lassen -wieder das eine Kilogramm frei fallen. Wir finden jetzt die Energie -unten am Boden, indem die Geschwindigkeit, mit der das Kilogramm dort -anlangt, jetzt doppelt so groß ist, aufs vierfache gesteigert. Bei -einem neunmal so hohen Turm würden wir unten am Boden das Kilogramm -mit der dreifachen Geschwindigkeit ankommen sehen und bei ihm eine -neunfache Energie bemerken usf. Also ist hier die Geschwindigkeit -entscheidend. Diese, oder vielmehr ihr Quadrat, ist das zweite an der -Energie, ihr Intensitätsfaktor. Was hat nun Masse mit Geschwindigkeit -zu tun? Wir können jeder Masse jede beliebige Geschwindigkeit erteilen. -In der behandelten Energie sind aber Masse und Geschwindigkeit zu einem -Produkt vereint. Entsprechendes gilt für alle Energien ausnahmslos. -Alle führen ein zwiespältiges Dasein nach zwei Richtungen.</p> - -<p>Wir haben gewissermaßen eine Spinozasche Substanz mit zwei Attributen: -Intensität, Kapazität. Das wäre ganz gut. Aber diese Attribute sind -voneinander <span class="gesperrt">absolut unabhängig</span>; jedes kann für sich beliebig -konstant bleiben, wenn das andere variiert, oder variieren, wenn das -andere konstant ist; und variieren beide, so variiert jedes durchaus -nur für sich, ohne jede Beziehung zum anderen. Nicht einmal eine -Parallelvariation, wie bei den Spinozaschen Attributen der Substanz, -ist hier vorhanden. Auch die Abhängigkeit von der Energie ist nur eine -relative, denn wenn letztere variiert, braucht nur eines der Attribute -mit zu variieren, und wenn beide Attribute reziprok variieren, bleibt -die Energie konstant. Daraus folgt, daß keines der Attribute in Energie -aufgelöst ist. Beide Attribute, Kapazität und Intensität, stehen neben -Energie durchaus selbständig da. Nun ist in den wichtigsten Vorgängen -Masse eine solche Kapazität. Somit <span class="gesperrt">bleibt</span> die Masse. Sie hat -nur ihren Namen geändert; sie ist als Kapazität einem allgemeinen -Begriff untergeordnet, zu dem Volumen, Form, Elektrizitätsmenge usf. -gehört. Eine wirkliche<span class="pagenum"><a name="Seite_459" id="Seite_459">[S. 459]</a></span> Vereinfachung hat so wenig stattgefunden, wie -bei mechanischen Vorgängen, wenn man das Bewegungsmoment einführt, das -gleichfalls Kapazität und Intensität hat, Masse und Geschwindigkeit. -Und alle Schwierigkeiten, die aus dem Begriff der Masse erwachsen, -namentlich alle Dualismen, sind in der Energetik nicht vermieden; sie -bleiben als solche und müssen sofort zutage treten, sowie man die -Energieumwandlungen in physischen Vorgängen wirklich verfolgt. Was -wandelt sich da, Kapazität oder Intensität? Oder wandeln sich beide? -Was bedeuten im einzelnen Vorgang Kapazität und Intensität? Fragt man -darnach nicht, so weiß man nicht, wie die Energie sich wandelt; ob -sie in ihrer Art unverändert bleibt oder in eine neue Art übergeht, -das heißt, ob wir innerhalb der einen Erscheinung bleiben, und diese -nur intensiv steigt oder fällt, oder ob wir überhaupt eine andere -Erscheinung erhalten. Also vom Wichtigsten bleibt man ununterrichtet. -Geht man aber in das Einzelne, so sitzt man sofort wieder fest mit -der Kapazität und Intensität, zum Beispiel der Masse und dem Quadrat -der Geschwindigkeit usf. Und das ewige Problem: wie kann Variation -einer Masse psychische Vorgänge auch nur beeinflussen, zum Beispiel -sie stärken oder schwächen? bleibt so ungelöst, wie überhaupt in der -materialistischen Theorie. Denn die Antwort: weil die Masse Kapazität -der Energie ist, besagt gar nichts für das Problem, sie ändert nur -den Namen, Kapazität für Masse. Die Energetik leistet, von diesem -Gesichtspunkte betrachtet, nicht mehr als die Mechanistik; die -Hauptfragen läßt sie offen.</p> - -<p>Gleichwohl darf man zugestehen, daß, wenn sonst nichts gegen sie -vorläge, sie der Mechanistik vorzuziehen ist, da sie ja bei weitem -allgemeiner sich darstellt und alles Physische umfaßt, und da -Arbeit, Energie viel mehr an Psychisches anklingt als Bewegung. Nur -was sie zu leisten verspricht, das leistet sie tatsächlich nicht: -Kapazität (darunter auch Masse) und Intensität bleiben jede für -sich und jede neben der Energie, ganz so, wie in der Mechanistik -Masse und Geschwindigkeit jede für sich stehen und jede neben dem -Bewegungsmoment. Sagt der Mechanistiker, alle psychischen<span class="pagenum"><a name="Seite_460" id="Seite_460">[S. 460]</a></span> Vorgänge -sind Umwandlungen von Bewegungsmomenten, so spricht er gerade so wie -der Energetiker. Aber das Erhaltungsprinzip, das doch für Energien -immer, für Bewegungsmomente nur ausnahmsweise gilt? Das Prinzip hat -für die <span class="gesperrt">Art</span> der Vorgänge gar keine Bedeutung. Man kann aus ihm -für diese Art absolut nichts entnehmen. Es ist für die Grundfrage -völlig irrelevant. Die Energetik sagt: psychische Vorgänge sind -Energieumwandlungen. Wir erfahren damit, daß sie dem Prinzip der -Erhaltung unterworfen sind. Aber was da wandelt, wie es wandelt, -erfahren wir durchaus nicht, da wir es doch erfahren müssen, wenn -wir nicht ein Wort für ein anderes setzen, und wenn wir zwischen -den verschiedenen psychischen Vorgängen unterscheiden wollen. Meint -man, daß wir das jetzt noch nicht können und daß die Zukunft uns -das aufdecken muß — wohl! Aber die Rollen der Kapazitäten und der -Intensitäten muß die Energetik so gut wie die Mechanistik sogleich -aufdecken. Sogleich muß sie zeigen, warum, wenn im Gehirn eine Masse -variiert, zum Beispiel Wasser austritt, Ermüdung und Bewußtlosigkeit -entstehen können. Die Antwort, weil damit eine Energieänderung -verbunden ist, belehrt nicht. Denn erstens braucht das gar nicht der -Fall zu sein, da der zweite Faktor, die Intensität, die Energieänderung -durch die Stoffänderung sowohl nach Stärke als nach Art aufheben kann. -Zweitens ist eine solche Antwort nur eine Antwort in Worten, gerade so -wie in der Mechanistik. Über der Energie sind ihre beiden Faktoren zu -sehr vergessen worden. Obwohl sie doch so variieren können, daß die -Energie überhaupt nicht variiert, weder nach Stärke noch nach Art. Was -dann wirklich geschieht, werden wir uns ja leicht vorstellen, es kann -das ganze Leben zerstört werden. Was geschieht dann aber psychisch nach -der Energetik? Gar nichts!</p> - -<p>Ich habe dieses alles erwähnen müssen, nicht um die Mechanistik -gegenüber der Energetik hervorzuheben — die Mechanistik ist meines -Erachtens noch bei weitem unbrauchbarer auf psychischem Gebiete als -die Energetik —, sondern um klarzulegen, was wir an der etwas stark -prätentiös auftretenden Lehre der Energetik haben, worin sie uns -gerade<span class="pagenum"><a name="Seite_461" id="Seite_461">[S. 461]</a></span> so in Stich läßt wie alle physischen Theorien. Was im nächsten -Abschnitt zu sagen ist, wird das Vorstehende noch sehr verstärken.</p> - -<p><span class="gesperrt">Häckel</span> ist nicht so weit gegangen wie Ostwald, er hat der -Materie ihr Recht gelassen und möchte alles aus Umwandlungen von -Materie und Energie erklären. Häckel ist materialistischer Spinozist. -Mit Spinoza nimmt er ein Ding-an-sich an, und an diesem Ding Attribute. -Für das eine Attribut setzt er, entsprechend der Ausdehnung nach -Spinoza, die Materie. Als zweites Attribut nimmt er die Energie an. -Indessen fühlt er selbst sich gezwungen, dieses Attribut in zwei -Attribute zu zerlegen: in Energie, nach Art dessen, was wir gewöhnlich -Energie nennen, nämlich die gewöhnliche physikalisch-chemische, -oder physische, wie wir kürzer sagen, und in Energie, die er als -<span class="gesperrt">Psychom</span> bezeichnet. Letztere ist etwa die psychische Energie -nach Ostwald. Allein während Ostwald diese Energie nur so bezeichnet, -weil er frei lassen will, daß in psychischen Vorgängen auch andere -Arten von Energie mitwirken als die wir vorläufig kennen, haben Häckels -Psychome eine selbständigere Bedeutung. Sie wandeln wie die anderen -Energien und mit den anderen Energien, jedoch sie erhalten sich selbst, -ohne diese anderen Energien. Dadurch aber sind sie scharf von ihnen -geschieden, und sie sind ein <span class="gesperrt">drittes</span> Attribut des Ding-an-sich, -der allgemeinen Substanz. Häckel sagt in seinem an Sich ausgezeichneten -und höchst edel geschriebenen Buche „Die Welträtsel“, einem Buche, -das übrigens den einzigen wirklichen Versuch einer Enträtselung -der Welt auf Grund der modernen Naturwissenschaft unternimmt: „Die -drei fundamentalen Attribute der Substanz (des Ding-an-sich): a. -Raumerfüllung oder Ausdehnung, Stoff (= Materie); b. Bewegung oder -Mechanik, Kraft (= Energie); und c. Empfindung oder Weltseele, Geist (= -Psychom) sind demnach ganz allgemeine Grundeigenschaften aller Körper.“ -Und — was also besonders bedeutungsvoll ist — das Erhaltungsgesetz, -das er für die beiden ersten Attribute, Materie und Energie, für jedes -besonders, annimmt, läßt er in ganz gleicher Weise für das dritte -Attribut,<span class="pagenum"><a name="Seite_462" id="Seite_462">[S. 462]</a></span> das Psychom abermals besonders, gelten, denn gesperrt -gedruckt stellt er den Satz hin: „<span class="gesperrt">Die Summe der Empfindung im -unendlichen Weltraum ist unveränderlich.</span>“ Also die drei Attribute -stehen nebeneinander; es handelt sich um eine <span class="gesperrt">Trinität</span> der Welt, -die Häckel auch nennt. Materialist ist er nur darin, daß er dem dritten -Attribut die Eigenschaft der zwei anderen Attribute zuschreibt, was -aber gleichfalls Spinoza entsprechen würde. Indem er aber bei diesem -dritten Attribut von stufenweiser Verschiedenheit in der Reihe der -Körper spricht, von Erwerbung in der Entwicklung (der ontogenetischen -wie der phylogenetischen) und von Vererbung, stellt er es noch weiter -ab von der physischen Energie, bei der nichts von derartigem zu finden -ist, als allein aus der Verselbständigung folgen würde. Seine Lehre ist -aber durchaus eine Entwicklungslehre. Was also von dieser gesagt ist -und von ihrem Verhältnis zu den psychischen Eigenheiten, trifft hier in -jeder Hinsicht völlig zu. Und Häckel selbst kommt ja dem entgegen durch -die Sonderstellung des Psychomattributs. In allem aber, was er von -der Entwicklung des Bewußtseins spricht, so schön es ist, kann man im -Grunde nur eine Verfolgung der Bewußtseinszustände durch die organische -Reihe sehen. Wie aber diese Zustände <span class="gesperrt">physisch</span> entstanden sind, -wie sie sich <span class="gesperrt">physisch</span> entwickeln, davon wird nichts gesagt. Und -das gerade ist doch für uns die Hauptsache. Die geringste seelische -Regung zeigt sich so grundverschieden von jeder physischen Kraft, jedem -physischen Vorgang, jeder physischen Umwandlung, daß sie schon ein -Wunder dünkt, und daß es uns gar nichts hilft, wenn man uns erklärt, -daß zwischen unserer geistigen Tätigkeit und der der tiefststehenden -Lebewesen eine kontinuierliche Stufenleiter ist. Wir können das -zugeben. Aber woher selbst nur die erste tiefste Seelentätigkeit? -Die Frage bleibt unbeantwortet wie die: woher das erste tiefste -organisierte Wesen (nach Kant)? Hätte Häckel das nicht selbst gefühlt, -so würde er das Psychom als drittes Attribut nicht von der Energie -absolut abgesondert haben in seinem Wesen, es sogar für vererblich -erklärt haben.</p> - -<p>Ostwald und Häckel sind die originalen Schöpfer der<span class="pagenum"><a name="Seite_463" id="Seite_463">[S. 463]</a></span> Energetik der -Psyche, nach zwei recht verschiedenen Richtungen. Ihre Schüler haben -nichts Wesentliches hinzugefügt, nicht selten aber die Lehren ihrer -Meister höchst mißverstehend angewendet. Nur den bekannten Physiker -<span class="gesperrt">Felix Auerbach</span> muß ich hervorheben, doch spreche ich von ihm -später.</p> - -<div class="section"> - -<h4>53. <span class="gesperrt">Über die physischen Welt- und -Lebenanschauungen überhaupt; Weltende, Unsterblichkeit</span>.</h4> - -</div> - -<p>Wir kommen zu einer letzten Besprechung der vorstehend dargelegten -Anschauungen und nehmen erst die unbelebte Welt. Es handelt sich -allein um den Anfang, da nur hier etwas Außer- und Übernatürliches -in Frage kommen kann, für alles Folgende aber wir auf dem physischen -Standpunkt durchaus bleiben dürfen. Von dem Anfang nun wissen wir, -bestimmt, nichts. Aber wir können auf ihn schließen aus dem Ende, -falls wir annehmen, daß die Welt nicht unendlich ist an Stoff und -Energie. Diese Annahme der Begrenztheit an Stoff und Energie — sie -entspricht der Anschauung von E. Dühring (<a href="#Seite_417">S. 417</a>) — wollen wir -machen; ob sie sich rechtfertigen läßt, ist später untersucht. Wir -haben drei regulative Prinzipe kennen gelernt, nur das dritte kommt in -Betracht. Dieses Prinzip hat zur Folge, daß alle Vorgänge, erzwungene -und freie zusammen, die in einem absolut abgeschlossenen System -stattfinden, dahin gerichtet sind, in diesem System einen bestimmten -Zustand herzustellen, in dem nur noch in sich genau zurücklaufende und -rückgängig zu machende Vorgänge möglich sind, wie zum Beispiel Bewegung -von Körpern in stets gleichen Bahnen. Wo nun Widerstände vorhanden sind -und wo Energien mitspielen, die nur beschränkt sich in andere Energien -umwandeln, besteht keine Möglichkeit für genau rückgängig zu machende -Vorgänge. In diesen Fällen geht der Endzustand in einen solchen über, -in dem überhaupt keine Vorgänge mehr vorhanden sind; das System ist, -wie wir sagen können, physisch tot. Und — das ist das Wichtigste — -<span class="gesperrt">allein aus sich heraus kann dieses System niemals wieder zu Leben -gelangen, es bleibt in Ewig<span class="pagenum"><a name="Seite_464" id="Seite_464">[S. 464]</a></span>keit in dem gleichen Beharrungszustand, -wenn von außen nicht etwas eingreift</span>. Dehnen wir diesen Satz auf -das Universum aus, so würde er bedeuten, daß, wenn jene genannten -Bedingungen erfüllt sind, auch das Universum einmal physisch absterben, -in einen bestimmten Beharrungszustand übergehen muß. Nun kennen wir -in der Tat Energien, die, nach den Verhältnissen, wie sie eben im -Weltall bestehen, nur beschränkt verwandelbar sind. Dazu gehört als -die wichtigste Energie die Wärme. Ob auch im Weltenraume überall -Widerstände vorhanden sind oder nur in beschränkter Zahl auftreten, -wissen wir natürlich nicht. Wir wissen aber, daß überall ungeheure -Massen von kleinen Körpern und von Staubwolken verbreitet sich finden. -Wir wissen, daß sehr oft Himmelskörper zusammenstoßen. Endlich sind -wir mehr und mehr gezwungen, anzunehmen, daß der Weltenraum mit einem -Stoff erfüllt ist, dem Äther, der ganz außerhalb alles Materiellen -stünde, wenn er nicht der Bewegung der Körper durch ihn einen — wenn -auch noch so geringen — Widerstand leistete. Über die Natur des Äthers -wird freilich noch viel zwischen den Gelehrten gestritten. Jedenfalls -haben wir Widerstände im Weltall, und wenn etwa irgendwo ein System -sich in der Tat absolut widerstandslos in Ewigkeit bewegen sollte, -wofür aber kaum eine Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, so würde eben -der Endbeharrungszustand die Bewegung dieses Systems einbegreifen. -Von den verlorenen Vorgängen könnte aber keiner allein aus der Welt -heraus wieder erstehen. Ich habe mich hier absichtlich sehr vorsichtig -ausgedrückt. Andere fassen das „Ende der Welt“ viel schärfer. Hier -betrifft das Ende entweder alle Vorgänge oder wenigstens gewisse -Vorgänge.</p> - -<p>Wenn aber ein Vorgang ein Ende hat, so muß er in einer endlichen Welt -einmal begonnen haben. Er kann aus anderen Vorgängen erwachsen sein, -wie Wärmebewegung aus dem Zusammenstoß von Körpern. Dann sind es diese -anderen Vorgänge, an die wir uns zu halten haben. So können wir in -der Reihe weiter zurückgehen. Ist nun die Welt endlich, so müssen wir -in endlicher Zeit auf etwas gelangen, hinter<span class="pagenum"><a name="Seite_465" id="Seite_465">[S. 465]</a></span> dem die Reihe nicht -mehr fortgesetzt werden kann, da in einer endlichen Welt die Zahl der -Zustände nicht unendlich sein kann. Das bedeutet aber, daß irgend wann -Vorgänge geschaffen sein müssen, aus denen heraus sich alle Vorgänge -unserer Welt entwickelt haben, die zuletzt wieder zur Beharrung führen. -Wieviele Vorgänge geschaffen sein sollen, ist gleichgültig, denn eine -Schöpfung ist eine solche, ob es sich um Millionen von Vorgängen -handelt oder nur um einen Vorgang. Das gilt für die gesamte Welt, auch -wenn Kohärenzen (<a href="#Seite_441">S. 441</a>) stattfinden. Also für eine endliche Welt -kommt man — so lehrt die Naturwissenschaft — nicht ohne einen Anfang -aus, das heißt, nicht ohne einen Schöpfungsakt der Vorgänge. Eugen -Dühring nimmt, wie wir wissen (<a href="#Seite_417">S. 417</a>), gleichfalls einen vorgangslosen -Urzustand der Welt an. Er lehnt einen Schöpfungsakt für die Vorgänge, -oder wenigstens für einen Vorgang, ab. Wie er aber dann zu einer Welt -mit Vorgängen kommen will, ist rein naturwissenschaftlich absolut nicht -zu ersehen. Eine Schöpfung, ob durch Gott oder eine Weltseele, ist ganz -unausweichlich. Ein absoluter Ruhezustand kann aus sich niemals einen -Vorgang hervorbringen. Es bedarf dazu durchaus eines Einwirkens von -Außen.</p> - -<p>Es ist begrifflich gleichgültig, ob wir von einer Schöpfung der -Vorgänge, oder der Körper, oder einer Materie im Sinne eines Chaos -sprechen. Doch ist es zweckmäßig, nicht mehr zu sagen als die Lehre -ergibt. Gleichwohl möchte ich noch folgendes hinzufügen. Die neuere -Wissenschaft führt mehr und mehr zu der Anschauung, daß, was man letzte -Teilchen der Materie nennt, Atome, Korpuskeln usf., Ungleichheiten -im Weltäther bedeuten, wie kleine Wirbel Ungleichheiten in einem -Wasser. Die Körper wären Ansammlungen solcher Ungleichheiten. -Ungleichheiten aber können entstehen und vergehen. Sind in dem Stoff, -in dem sie sich finden, hier der Weltäther, Widerstände vorhanden, -so müssen die Ungleichheiten einmal entstanden, das heißt geschaffen -sein. Dann reduzierte sich der Anfang auf den Äther allein, außer -der Schöpferkraft. Und zuletzt müssen die Ungleichheiten schwinden. -Zusammen bedeutet dieses, daß die Welt der Materie<span class="pagenum"><a name="Seite_466" id="Seite_466">[S. 466]</a></span> geschaffen ist und -allmählich sich auflöst. Mit dem Prinzip der Erhaltung der Materie -steht das nicht im Widerspruch, wenn wir den Äther in Rücksicht -ziehen, denn die Ungleichheiten lösen sich eben nur auf, der Äther in -ihnen bleibt. Was die Energien anbetrifft, so müssen sie am Anfang -alle sogenannte Spannungsenergien gewesen sein, und zwar, wenn auch -die Materie geschaffen ist, solche im Äther. Der große englische -Physiker Maxwell hat derartige Energien im Äther angenommen. An die -Materie knüpfen sie sich entweder nur scheinbar oder tatsächlich, wenn -die Materie selbst nur Äther in besonderem Zustand ist. Aus diesen -ursprünglichen Spannungsenergien sind dann durch die Geschehnisse -die anderen Energien hervorgegangen, und in diese Spannungsenergien -werden diese anderen Energien zurückkehren, wenn die körperliche Welt -das bezeichnete Ende, auch der Körper, gefunden hat. Das Ende ist der -Anfang. Eine Idee, die übrigens schon bei den Alten sich findet.</p> - -<p>Ist nun die Welt wirklich endlich? Darüber kann man nur Vermutungen -anstellen. Die meisten werden der Ansicht sein, daß das nicht der -Fall ist. Indessen haben William Thomson (Lord Kelvin) und Ritter -Berechnungen über die möglichen Geschwindigkeiten der Himmelskörper im -Weltall aufgestellt, aus denen sich ergibt, daß die materielle Welt -nicht wohl unendlich angenommen werden kann. Ich darf auf mein Buch -„Die Entstehung der Welt“ usf. verweisen. Wäre diese Welt unendlich, -so müßte sie entweder erst seit endlicher Zeit bestehen, geschaffen -sein, oder die Himmelskörper sollten außerordentlich viel größere -durchschnittliche Geschwindigkeiten aufweisen, als sie solche zeigen. -William Thomson geht so weit, die Zahl der Himmelskörper, an der -Größe der Sonne gemessen, auf höchstens Tausend oder zehntausend -Millionen zu schätzen. Selbstverständlich ist eine solche Schätzung -nicht entscheidend, da wir einerseits nicht bis in die unendlichen -Tiefen des Raumes tauchen können, andererseits unsere Kenntnisse von -den Geschwindigkeiten der Gestirne doch nur sehr beschränkt sind. -Aber während die Antinomie der Vernunft an sich Unendlichkeit<span class="pagenum"><a name="Seite_467" id="Seite_467">[S. 467]</a></span> und -Endlichkeit gleich wahrscheinlich läßt, ist für die Endlichkeit doch -wenigstens ein Argument aus der Wirklichkeit beigebracht, während -die Unendlichkeit nur durch eine Meinung vertreten werden kann. Das -Argument müssen wir anerkennen. Und so ist die Endlichkeit der Welt -wahrscheinlicher als die Unendlichkeit, und damit die Schöpfung -wahrscheinlicher als die Anfangslosigkeit.</p> - -<p>Um einer solchen, für den Materialismus ja verhängnisvollen, Schöpfung -(als Folge des Endes) zu entgehen, hat Häckel gemeint, jenes dritte -Weltprinzip gelte zwar für isolierte endliche Systeme, nicht aber für -das Universum, denn in der Unendlichkeit könne manches vorkommen, -was das Prinzip durchbricht. (Ich weiß nicht, ob er dabei an die -Boltzmann-Planckschen Kohärenzen gedacht hat, die ja aber das Prinzip -gerade im Universum nicht durchbrechen.) Das heißt doch eigentlich, -Vorgänge im Universum zugestehen, die man für irgendwelche endliche -Teile der Welt absolut leugnet. Nun wissen wir freilich nicht viel -vom Universum, aber seine Einheitlichkeit ist doch gut erwiesen. -Und ferner: will man hier besondere, in dem uns bekannten Teil der -Welt verbotene Vorgänge zugestehen, dann fallen alle Naturgesetze, -namentlich auch die beiden Erhaltungsgesetze für Materie und Energie, -die wir doch auch nur in sehr beschränktem Gebiete prüfen können. -Es liegt also hier eine arge Inkonsequenz vor. Man kann nicht -monistisch-materialistisch auf einer Seite die absolute Gleichheit in -der Natur behaupten, und auf der anderen Seite ein Gesetz, das für noch -so große und noch so gelegene Systeme der Welt Geltung haben soll, für -die <span class="gesperrt">ganze</span> Welt ableugnen, ohne gerade das einzuführen, was ja -der Materialist am meisten bekämpft, außerweltliche Eingriffe.</p> - -<p>Wir wenden uns zu der <span class="gesperrt">belebten Welt</span>. Über die Mechanistik -selbst, wie sie vorzustellen sein möchte, ist nichts zu sagen; -Bewegung, Stoß, Druck, Strahlung sind allen bekannt. <span class="gesperrt">Zehnder</span> -hat in einer Schrift: „Das Leben im Weltall“ vielleicht das -vollständigste und durchgearbeitetste materialistisch-mechanistische -System für die Struktur und die Bildung der Lebe<span class="pagenum"><a name="Seite_468" id="Seite_468">[S. 468]</a></span>wesen gegeben. Ich -kann die Lektüre dieser ausgezeichneten und anregenden Arbeit nur -auf das angelegentlichste empfehlen. Doch wird der Leser an der -Hand der vorstehenden und der noch folgenden Auseinandersetzungen -bald ersehen, daß für die Lösung unserer Fragen, trotz der tiefen -Untersuchung, nichts gewonnen ist, wie meines Erachtens auf diesem -Wege auch gar nichts gewonnen werden kann. Den Ansichten Zehnders -über die <span class="gesperrt">Fistillen(Röhrchen-)struktur</span> der kleinsten Elemente -der organischen Gewebe dürfte aber neben der von Quincke und anderen -vermuteten <span class="gesperrt">Schaumstruktur</span> des Protoplasma vielleicht dauernder -Wert zukommen.</p> - -<p>Eingehender muß ich von der Energetik sprechen. Was da zu entwickeln -ist, werden wir auf die Mechanistik anwenden, soweit über diese -noch etwas bemerkt werden muß. Das physische Leben soll also -Energieumwandlungen sein. Über die Art der Energien und ihrer -Umwandlung ist nichts gesagt. Etwas kann aber darüber festgesetzt -werden, und muß es auch, wenn die Energetik nicht von vornherein -abgewiesen werden soll. Es stehen nämlich die Folgen der einwirkenden -Energien mitunter in gar keinem Verhältnis zu der Stärke dieser -Energien, was sie doch nach dem Prinzip der Erhaltung tun müßten. -Hier hilft nur die Erfahrung aus, daß ungeheure Wirkungen durch -geringe Ursachen ausgelöst werden können, wie die Explosion eines -Pulverfasses durch einen Funken. Der Funke reißt vielleicht nur zwei -Atome des Pulverhaufens auseinander, aber das genügt, daß nunmehr alle -Atome des Haufens auseinanderfahren. Der Funke hat mit seiner Energie -die Spannungsenergie im Pulverhaufen frei gemacht, daß sie sich in -furchtbare Explosionsenergie verwandelt.</p> - -<p>Ich glaube nun, daß, wenn man die Seelentätigkeiten überhaupt als -Energien ansehen will, man sie als <span class="gesperrt">auslösende Energien</span> -betrachten muß. Daß der Wille wie eine auslösende Tätigkeit wirkt, -ist schon lange vermutet und behauptet worden. Ich meine aber, daß -alle anderen Seelentätigkeiten gleichfalls nur auslösend sich kundtun. -Es seien zur Klarstellung einige Beispiele angeführt. Ein Riß, ein -Schnitt<span class="pagenum"><a name="Seite_469" id="Seite_469">[S. 469]</a></span> in unseren Körper kann keine größere physikalisch-chemische -Energie bedeuten, als zum Zerteilen des betreffenden Gewebes -erforderlich ist. Diese Energie bringt das Gefühl Schmerz hervor. -Und welche enormen physikalisch-chemischen Energien kann dieser -Schmerz zur Äußerung bringen: Schreien, Weinen, Umsichschlagen, -Krampf aller Muskeln, selbst Selbstverletzung usf., Energien, die -schon jede für sich die ursprünglich angewandte Energie beim Riß -oder Schnitt bei weitem überragen. Fände nur eine Umwandlung statt, -so dürften sie alle zusammen nur höchstens so intensiv sein wie -diese letztere Energie. Also sind durch die Seelentätigkeit Schmerz -ganz neue physikalisch-chemische Energiemengen ins Leben gerufen, -sie können nur ausgelöst sein. Dazu denke man noch, daß wir diese -Energien bis zu einem gewissen Grade durch unseren Willen ja auch zu -unterdrücken vermögen; wir halten uns tapfer oder wir schämen uns, -uns so gehen zu lassen, die Energien sind dann nicht ausgelöst, ein -Antagonist gegen den Schmerz, der Wille, hat ihre Auslösung gehemmt. -Beispiele entsprechender Art ließen sich unzählige anführen; man -denke an die ungeheuren Energieentwicklungen, welche das Ehrgefühl, -das Rachegefühl, die Liebe usf. im Gefolge haben können und haben, -während die auf uns einwirkende physikalisch-chemische Energie — ein -Wort, also ein Schall, der unser Gehör trifft, oder Licht, von der -Geliebten Gestalt in unser Auge gestrahlt, und ähnliches — äußerst -geringfügig sein kann. Ferner, wir sind imstande, eine Unzahl von -Bewegungen mit demselben Willen gleichzeitig auszuführen. Als Knabe -habe ich in meinem Heimatorte fahrende Musikanten bewundert, die ein -ganzes Orchester waren; Hand und Fuß, Kopf und Mund, kurz, fast jeder -Körperteil bearbeitete ein Instrument, und nicht selten klangen alle -Instrumente zugleich und machten einen Heidenlärm. Wir vermögen ja auch -von einer Zentrale beliebig viele Sprengungen zugleich zu vollführen, -alles auslösend. Man könnte im letzten Beispiel freilich sagen, um -mehr oder viel zu tun, bedarf es einer entsprechend vergrößerten -Willensleistung, wie in dem analogen physikalischen Beispiel die<span class="pagenum"><a name="Seite_470" id="Seite_470">[S. 470]</a></span> -Zahl der erforderlichen elektrischen Funken wächst wie die Zahl der -Sprengungen. Wir besitzen noch kein entscheidendes objektives Maß -für die Intensität unserer Seelentätigkeiten; was davon nach außen -zum Vorschein kommt, steht in gar keinem Verhältnis zu ihnen, wie ja -schon daraus erhellt, daß wir bei noch so heftiger innerer Erregung -jede Äußerung unterdrücken können, so daß wir wie innerlich völlig -tatlos erscheinen. Es ist möglich, daß man noch Mittel und Wege -finden wird, auch die im Inneren verlaufenden Seelentätigkeiten -physikalisch-chemisch festzustellen und zu verfolgen. Die Wirkungen von -Reizen auf das Zentralnervensystem werden ja bereits nach geistvollen -Methoden untersucht. Einstweilen aber wenden wir uns noch am besten an -uns selbst. Und da glaube ich, daß man zwar seinen Willen stärken und -schwächen kann, aber nicht, indem man ihn verdoppelt, verdreifacht, -vervierfacht usf. oder unterteilt, sondern indem man mit dem gleichen -Willen andere Seelentätigkeiten wie Gleichgültigkeit, Trägheit, -Abschweifung, Bedenken, Furcht usf., kurz, Antagonisten oder Hemmer -aus dem Wege schafft. Der „Geübte“ braucht ja auch nur eines relativ -kleinen Willens, um die physikalisch-chemische äußere Energie zu -entwickeln, die der Ungeübte bei noch so heftigem Wollen nicht zustande -bringt, weil eben die Seelentätigkeiten einander nicht beliebig -weichen, von den bekannten physiologischen Verhältnissen zu schweigen, -da sie im letzten Grunde — selbst wenn für „gewohnte Nervenbahnen“ -andere histologische Struktur oder chemische Zusammensetzung oder -physikalisches Verhalten nachgewiesen sein sollten, wie für die -ungewohnten — doch wieder auf psychologische Verhältnisse zurückführen.</p> - -<p>Die obigen Auseinandersetzungen mögen noch Zweifel lassen, im ganzen -werden sie aber wohl die aufgestellte Behauptung rechtfertigen, daß -die psychischen Energien <span class="gesperrt">auslösende</span> sind. Über die Frage, wie -sich die psychischen Energien gegeneinander verhalten, wird später -gesprochen werden.</p> - -<p>Indessen haben die psychischen Energien noch ganz andere Aufgaben -zu erfüllen, als nur Energien auszulösen. Vier Klassen von -Zusammenwirkungen zwischen physischen und<span class="pagenum"><a name="Seite_471" id="Seite_471">[S. 471]</a></span> psychischen Energien sind zu -unterscheiden: physische Energien gegen physische, psychische Energien -gegen physische, physische Energien gegen psychische, psychische -Energien gegen psychische.</p> - -<p>Die erste Klasse bietet gegenwärtig grundsätzlich kein besonderes -Interesse mehr. Es besteht, wie schon oft hervorgehoben, kein Zweifel, -daß alle physikalischen und chemischen Vorgänge im Körper der Lebewesen -ganz nach den Gesetzen der physikalisch-chemischen Vorgänge überhaupt, -wie sie in der unbelebten Welt sich abspielen, erfolgen. Das haben -unsere großen Physiko-Physiologen Johannes Müller, du Bois-Reymond, -Helmholtz und viele andere unzweideutig nachgewiesen.</p> - -<p>Die zweite Klasse ist schon schwieriger zu übersehen. Es handelt sich -hier um die Wirkungen der Psyche auf den Körper. Wir nennen sie, nur -dem Brauch folgend, motorische Wirkungen. An sich sind sie nicht bloß -bewegend, sondern überhaupt auch der Art nach sehr mannigfaltig. -Wir haben Bewegungen, wie die der einzelnen Gliedmaßen, mancher -Eingeweide, des Herzens, der Augen usf. Der Wille löst hier lebendige -Kräfte aus. Dann kommen Ausscheidungen, Sekretionen, wie die in den -Verdauungsorganen und den Drüsen. Mit solchen Wirkungen verbinden -sich die Vorgänge bei der Aufnahme von Stoffen in den Körper, durch -unmittelbare Einführung, durch Absorption, Osmose usf. Kurz, alles was -zum Wachstum, zur Ernährung und zur Erhaltung des Körpers dient. Diese -Wirkungen sind nicht mehr rein motorischer Art, hier spielen chemische -und besondere physikalische Energien mit, aber immerhin handelt es -sich noch um Auslösung von Energien. Nun aber kommen Wirkungen der -Psyche auf den Körper, die rein <span class="gesperrt">regulierend</span> sind. Wir können -hierher schon Hunger, Durst, Atemnot, Sekretionsdrang und ähnliches -rechnen, die analog den Zentrifugalregulatoren unserer Dampfmaschinen -wirken. Sie regulieren den Stoffgehalt, also auch den Energieinhalt -des Körpers. Noch wichtiger ist, daß Seelentätigkeiten die physischen -Energien zwingen, sich in ganz bestimmter Weise<span class="pagenum"><a name="Seite_472" id="Seite_472">[S. 472]</a></span> zu äußern und zu -wandeln. Das wichtigste Beispiel der morphologisch-biologischen -Regulierung haben wir behandelt (<a href="#Seite_453">S. 453</a> f.). Andere Beispiele geben -die regulierenden Tätigkeiten mittels des Nervus vagus und anderer -Nerven auf Herz, Zwerchfell, Drüsen, Eingeweide usf. Hier handelt -es sich also nicht mehr um Umwandlungen von Energien ineinander, -sondern um Herbeiführung von bestimmten Verhältnissen in diesen -Umwandlungen. Die Psyche, so können wir zunächst sagen, verhält -sich hier dem Energieprinzip gegenüber ganz so wie das physische -Regulativ, welches gleichfalls die Energieumwandlungen innerhalb -jenes Prinzips beherrscht. Die Energien als solche regulieren ihre -Umwandlungen selbst nicht, nur daß ihre Summe konstant bleibt, ist -gesichert. Aber eine Summe kann aus den verschiedensten Summandenreihen -hervorgehen; daß eine bestimmte Summandenreihe sie bildet, erfordert -ein eingreifendes Prinzip. Das ist in der Physik und Chemie eben das -dritte physische Prinzip. Man könnte sagen, in die Lebenserscheinungen -greife ebenfalls das dritte Weltprinzip ein. Das tut es gewiß. -Allein wozu sind die regulierenden Gefühle und Nerven vorhanden? Die -äußeren Umstände sollten doch, wie in physikalischen und chemischen -Vorgängen, allein genügen, die Umwandlungen zu regulieren. Aber immer, -wenn die Umwandlungen einen für die Entwicklung oder Erhaltung des -Lebens ungeeigneten Verlauf einschlagen, tritt die Regulierung durch -besondere Seelentätigkeiten ein. Wir haben eben zwei Regulierungen, -eine rein physische Regulierung nach dem physischen Prinzip, bestimmt -durch den Zustand des Körpers, die rein mechanisch wirkt, wie in -einem unbelebten Körper, ganz ohne Bezugnahme auf das Leben, und eine -Regulierung, die unmittelbar auf das Leben gerichtet ist. Diese kommt -bei belebten Wesen als neue hinzu. Unser Denken ist diskursiv, nicht -intuitiv. Wenn wir Teile haben, die sich vor uns zu einem Ganzen -zusammensetzen, so wissen wir, wie das Ganze aus ihnen hervorgegangen -ist, haben wir aber nur ein Ganzes, so ist uns die Entstehung aus den -Teilen verborgen. Kant begründet damit in der Kritik der Urteils<span class="pagenum"><a name="Seite_473" id="Seite_473">[S. 473]</a></span>kraft -das Prinzip der Zweckmäßigkeit. Das wollen nun die Materialisten nicht -anerkennen, sie lehnen es als Einbildung ab. Aber ich weiß nicht, wie -man rein mechanistisch oder energetisch die psychische Regulierung -bei Entwicklung des Körpers aus den unzähligen Möglichkeiten nach der -ganz bestimmten Richtung (<a href="#Seite_450">S. 450</a> f.), und im Körper sich verständlich -machen will, <span class="gesperrt">die zweifellos ein Besonderes neben der physischen -ist</span>, die, ich möchte sagen, immer die Umstände so wandelt, daß -das physische Regulativ so reguliert, wie es für die Erhaltung -des Körpers erforderlich ist. Das zeigt sich ja schon bei der -chemisch-physikalischen Assimilation und Dissimilation der Stoffe in -den Zellen (z. B. den Ganglien), die immer im Gleichgewicht gehalten -werden, und bei dem Ruhebedürfnis, sobald durch körperliche oder -geistige Tätigkeit die Dissimilation vorherrschend geworden ist. Wenn -also die psychischen Tätigkeiten physische Energien auslösen, so würden -sie auch das physische Regulativ für die Vorgänge zwischen den Energien -stetig auslösen. Kann man da die psychischen Tätigkeiten überhaupt noch -als physische Energien ansehen? In der Physik und Chemie tun Energien, -wie bemerkt, <span class="gesperrt">nichts</span> dergleichen. Nur <span class="gesperrt">auszulösen</span> vermögen -sie und sich ineinander zu wandeln, <span class="gesperrt">weiter nichts</span>. Das ist noch -der entgegenkommendste Ausdruck für das Verhältnis der psychischen -Regulierung zur physischen. Manche werden sogar geneigt sein, die -erstere als Kampfregulierung gegen die letztere zu betrachten. Und -sie hätten recht, da, sobald die psychische Regulierung fehlt und die -physische frei waltet, der Körper zugrunde geht.</p> - -<p>Zu dieser Klasse gehören auch noch diejenigen Auslösungen, welche -als Ausdruck unserer Seelentätigkeiten nach Außen dienen, wie die -der physischen Energien beim Sprechen zum Ausdruck der Gedanken und -Wünsche, beim Wechseln der Gesichtszüge zum Ausdruck der Empfindungen, -bei vielen anderen Bewegungen zum Ausdruck der Triebe, Gefühle usf. -Hier liegen die Verhältnisse anscheinend wieder einfach, physische -Energien treten als Folge von psychischen auf. Die Bedeutung, die diese -Vorgänge haben, beruht zum großen<span class="pagenum"><a name="Seite_474" id="Seite_474">[S. 474]</a></span> Teil auf Übereinkommen, wie bei -der Sprache. In anderen Fällen ist es naturgemäße Abwehr oder Flucht. -In noch anderen, wie bei Schreien aus Schmerz, das so weit in der -Tierreihe verbreitet ist, bei Lachen und Singen aus Vergnügen und bei -Weinen ist es schwer, die Bedeutung abzuleiten.</p> - -<p>Wir kommen zur dritten Klasse; sie umfaßt das Tätigkeitsgebiet der -sensiblen Nerven; Reize der physischen Energien bringen psychische -Erscheinungen, und zwar fast alle — die Physizisten sagen, -überhaupt alle — hervor. Teilen wir die psychischen Erscheinungen -ein in: Wahrnehmen (physisch und psychisch), Vorstellen (Anschauen, -Phantasieren, Erkennen, Erinnern usf.), Empfinden (Fühlen, Begehren -usf.), Denken (Schließen, Glauben usf.), Wollen, so würden also im -Extrem alle diese Erscheinungen von physischen Energien hervorgerufen -werden können. Dagegen läßt sich nichts sagen, jeder weiß es. Und -wenn der Körper mit der Außenwelt in Verbindung sein soll, muß es ja -auch selbstverständlich so sein. Es fragt sich nur wie? Wenn jemand -unsere zur Faust geschlossene Hand ergreift und öffnen will, so löst -diese Energie unseren Willen aus, und dieser löst die physische -Gegenwirkung unserer Muskeln gegen den Angriff aus. Das ist einfach: -ein explodierender Pulverhaufen kann von Feuererscheinungen begleitet -sein, die den erloschenen Funken, der ihn zur Explosion gebracht -hat, wieder entzünden. Ähnlich brächten physische Energien in den -Sinnesorganen psychische Sinneswahrnehmungen hervor, wie die fünf -bekannten, dazu noch Kälte- und Wärmeempfindung, Schmerzempfindung, -Gleichgewichtsgefühl, Körpergefühl usf., wobei nicht entschieden zu -werden braucht, ob spezifische oder nur graduelle Verschiedenheiten -zwischen einigen dieser Wahrnehmungen bestehen. Schwieriger ist -es schon, zu begreifen, wenn Reize Erkennen, Erinnern, Denken, -Fühlen auslösen, und noch mühevoller, wenn dieses mit mehreren -Seelentätigkeiten der verschiedensten Art zugleich geschieht.</p> - -<p>Ich habe bei den bisherigen Betrachtungen die unbewußten -Seelentätigkeiten von den bewußten nicht getrennt; um so mehr aber muß -jetzt ein Unterschied gemacht werden. Über<span class="pagenum"><a name="Seite_475" id="Seite_475">[S. 475]</a></span> das Verhältnis der ersteren -zu den physischen Energien kann man die Behauptungen nicht prüfen, denn -es fehlt hier auch die <span class="gesperrt">innere</span> Untersuchung, von der äußeren -ganz zu schweigen. Bei den bewußten Seelentätigkeiten aber haben wir -die innere Prüfung zur Verfügung. Hier glaube ich nun behaupten zu -dürfen, daß zwischen Reiz und ausgelöster Seelentätigkeit stets ein -anderes sich schiebt, die Kausalität. Es ist bekannt, daß die physische -Anschauung apriorische Eigenschaften der Psyche nicht anerkennt. Mit -allen Kategorien soll die Kausalität erworben, aus der Erfahrung -jedes einzelnen oder ganzer Geschlechter erschlossen, abstrahiert -sein. Die Kausalität ist dann, wie alle Kategorien, selbst psychisch -wesenlos, denn die Seelentätigkeit ist das Schließen, nicht das Ende -des Schließens, der Schluß. Und eine andere Ansicht kann die physische -Anschauung vom Leben auch gar nicht haben. Von diesem Standpunkte -aus <span class="gesperrt">folgt</span> die Kausalität, wie jede Kategorie, den durch Reize -ausgelösten Seelentätigkeiten. Der Gegenstand ist außerordentlich -schwierig. Ich glaube aber, wie schon bemerkt, in meinem Buche -„Philosophische Grundlagen der Wissenschaften“ naturwissenschaftlich -das getan zu haben, was Kant philosophisch geleistet hat: erwiesen -zu haben, daß Reize bewußte Seelentätigkeiten gar nicht auslösen -ohne Mitwirkung der Kausalität, daß diese Mitwirkung — wenn nicht -gar <span class="gesperrt">Vor</span>wirkung — die unausweichliche Bedingung ist für jedes -bewußte Leben in der physischen Welt. In dieser Hinsicht nimmt die -Kausalität für das Leben die gleiche Stellung ein wie das Bewußtsein -selbst. Ja, man könnte wohl sagen: es gibt gar kein Bewußtsein -von der Einheit des Ich im Verhältnis zur äußeren Welt und zu der -Mannigfaltigkeit der inneren Welt ohne Kausalität, denn ohne Kausalität -ist ein Erkennen sowohl des Verschiedenen als des Gleichen völlig -ausgeschlossen, also das Erkennen überhaupt und jeder Zusammenhang. -Ich glaube sogar erwiesen zu haben, daß selbst die Anschauung, die wir -von den Besonderheiten des Raumes haben, nicht ohne die Kausalität hat -gewonnen werden können, gerade wenn naturwissenschaftlich gesprochen -wird. Ist dies aber alles zutreffend<span class="pagenum"><a name="Seite_476" id="Seite_476">[S. 476]</a></span> -(man vgl. auch <a href="#Seite_409">S. 409</a>, <a href="#Seite_414">414</a> f.), -wie soll man sich dann die Verbindung zwischen Kausalität — und das -gilt auch für alle anderen Kategorien — und physischen Energien -vorstellen? Kann da auch nur von einer Auslösung gesprochen werden? Ich -glaube, so wenig wie bei der Zeit- und Raumanschauung. Und diese haben -wir ununterbrochen im bewußten Zustande, die Kausalität tritt aber hier -jedesmal erst auf, wenn ein Reiz ausgeübt wird, und dann folgt die -betreffende Seelentätigkeit als Erkennung des Reizes.</p> - -<p>Endlich die vierte Klasse, die Verbindung der psychischen Tätigkeiten -miteinander. Häckel sagt geradezu: „Jede Psychomform kann in eine -andere übergeführt werden“. Also Umwandlung der psychischen Energien -ineinander. Hierfür scheint manches zu sprechen. Wir haben die -Empfindung „Hunger“; wir essen, und allmählich schwindet diese -Empfindung, und es wächst die Empfindung „satt“ heran, die bis zu -„übersatt“ steigen kann, die eine oder andere als Äquivalent für die -verlorene Empfindung Hunger. So wandelt sich auch mitunter das Gefühl -der Verehrung in das der Gleichgültigkeit oder gar der Verachtung, -das der Liebe in Haß usf. Indessen kennen wir auch Fälle, in denen -von einer Umwandlung des einen in das andere doch wohl nicht die -Rede sein kann. Es scheint, als ob die Seelentätigkeiten in Gruppen -zu teilen sind, die sich getrennt voneinander halten, sich nicht -ineinander wandeln. Worin soll sich das Bewußtsein wandeln, da es -doch überall dabei sein muß und, wie das Auge die Gegenstände, so die -anderen Seelentätigkeiten wie ganz außer und über ihnen betrachtet? -Wer Kategorien, wie die Kausalität, anerkennt, wird auch wegen ihrer -in Verlegenheit sein. Sie sind die Regulative für alle inneren -Seelentätigkeiten, wie Wahrnehmen, Denken usf. Nehmen wir noch ein -handgreiflicheres Beispiel. Es meint ein Mensch, aus Unwissenheit oder -aus Aberglauben, oder aus besonderer Stimmung heraus, ein Gespenst -zu sehen. Es ist eine innere Wahrnehmung. Bangen, Furcht und Angst -ergreifen ihn und dauern mit der Wahrnehmung. Eine Umwandlung der -Wahrnehmung in diese Gefühle hat nicht statt<span class="pagenum"><a name="Seite_477" id="Seite_477">[S. 477]</a></span>gefunden, die Wahrnehmung -kann diese Gefühle sogar überdauern. Aus solchen und ähnlichen -Beispielen glaube ich entnehmen zu sollen, daß auch die psychischen -Energien, um wieder energetisch zu reden, sich nur auslösen, und daß -die Umwandlungen nur scheinbar sind, indem immer ein anderes dazwischen -tritt, so der Reiz, den die Speisen ausüben, der die eine Empfindung, -Hunger, aufhebt und die andere, „satt“ oder „übersatt“, auslöst, neue -Wahrnehmungen über den Gegenstand der Verehrung oder Liebe usf. Daß -aber außerdem, auch hier wie bei der dritten Klasse, Erscheinungen -auftreten, Regulierungen, die keiner physischen Energie zukommen.</p> - -<p>Überblicken wir alles bisher Gesagte, so ergibt sich folgendes:</p> - -<p>1. Werden die Seelentätigkeiten als physische Energien betrachtet, so -hat man sie als auslösende Energien anzusehen. Sie können dann ihr -Äquivalent nur ineinander finden, was allgemein nicht zutrifft. Oder -sie haben ihr Äquivalent in den physischen Energien der betreffenden -Nervenzellen (Ganglien und Ganglienanhäufungen im Gehirn, Rückenmark, -Sonnengeflecht), im <span class="gesperrt">Psychoplasma</span>, wie Häckel sagt. Das letztere -zu behaupten sind die Materialisten und Energetiker naturgemäß am -meisten geneigt. Aber haben sie die Behauptung auch schon experimentell -bewiesen? Man kann darauf nur mit Nein antworten. Die feststehende -Tatsache, auf die sie sich immer berufen, daß Körper und Geist sich -stets beeinflussen, ist kein Beweis. Es ist richtig, daß das Gehirn -eines müden Menschen durch Dissimilation gewisse Stoffe mehr enthält -und andere weniger als das eines nicht müden. Müssen darum diese -Umwandlungen Äquivalente der Gedanken- oder Gefühlsenergien sein, -können sie nicht indirekt entstanden sein? Man denke an folgenden -Fall. Der Wille zwingt einen Muskel, sich zusammenzuziehen oder zu -strecken. Während des Zustandes der Kontraktion oder Streckung bildet -sich im Muskel als störender Stoff Milchsäure aus, und der Muskel -ermüdet und zehrt zuletzt gewissermaßen den Willen auf. Aber unter -wie anderen Ernährungsverhältnissen steht der<span class="pagenum"><a name="Seite_478" id="Seite_478">[S. 478]</a></span> kontrahierte oder -gestreckte Muskel gegenüber dem normal liegenden! Diese Änderung der -Ernährungsverhältnisse hat die Änderung in der Zusammensetzung des -Muskels herbeigeführt, die Änderung ist kein Äquivalent des Willens. -Ähnlich ist kaum eine Seelentätigkeit ohne Beeinflussung des Herzens -und anderer Teile des Körpers vorhanden. Die dadurch herbeigeführten -physischen Änderungen müssen auch die Ernährung der Zellen ändern. Dies -alles kann man, wie ich glaube, mit großem Rechte jener apodiktischen -Behauptung so lange entgegenhalten, als nicht Beweise im einzelnen -beigebracht sind. Und diese fehlen noch, wenn auch zugestanden werden -kann, daß die Untersuchung namentlich der Stromschwankungen in den -Nerven und der Stoffumsetzungen in den Ganglien einiges in Aussicht -stellen mag.</p> - -<p>2. Die Seelentätigkeiten bieten Erscheinungen, die bei keiner -physischen Energie anzutreffen sind, indem sie namentlich, zur -Entwicklung und Erhaltung des Körpers als <span class="gesperrt">lebenden</span> Gegenstandes, -auch <span class="gesperrt">regulierend</span> wirken. Hierüber ist nach dem Gesagten nichts -hinzuzufügen.</p> - -<p>3. Es gibt Seelentätigkeiten, denen der Charakter von Energien -beizumessen nicht angängig ist. Dahin gehört vor allem die Anschauung -der Zeit und gehören die Kategorien, wie namentlich die Kausalität, -Regulative des inneren Lebens und des Lebens in und mit der äußeren -Welt. Auch das Bewußtsein würde ich hierher rechnen als Organ zur -<span class="gesperrt">Wahrnehmung</span> des inneren Lebens.</p> - -<p>Endlich bedenke man noch folgendes: Was haben wir von den physischen -Erklärungen der psychischen Tätigkeiten noch außerdem zu verlangen?</p> - -<p>4. Alle physischen Vorgänge müssen sich zusammengefaßt als ein -<span class="gesperrt">Gesamtes</span> erkennen; es entspricht das unserem Bewußtsein von -unserem Ich und dem was auf <a href="#Seite_455">S. 455</a> f. davon und von den Ostwaldschen -Reaktionsfolgen gesagt ist.</p> - -<p>5. Jeder physische Vorgang muß sich außerdem für sich <span class="gesperrt">in sich</span> -erkennen.</p> - -<p>6. Jeder physische Vorgang muß <span class="gesperrt">jeden anderen</span> Vorgang kennen -und erkennen, da jeder jeden anderen hervorruft und<span class="pagenum"><a name="Seite_479" id="Seite_479">[S. 479]</a></span> korrigiert, zum -Beispiel die Empfindung Schmerz den Willen Schreien.</p> - -<p>7. Kein physischer Vorgang darf durch Hinzutreten neuer Vorgänge oder -durch Schwinden vorhandener <span class="gesperrt">gestört</span> werden. Das könnte man -physisch noch am ehesten verstehen.</p> - -<p>8. Jeder physische Vorgang muß andere Vorgänge, beliebiger Art, selbst -entgegengesetzte, <span class="gesperrt">voraussehen</span>, denn wir kennen unsere inneren -und äußeren Handlungen und wissen, was auf jeden Vorgang in uns folgt, -bis zu bestimmter Vorstellung oder gar Wahrnehmung.</p> - -<p>Wer das alles von physischen Vorgängen glaubt zugestehen zu können, mag -die Welt der Psyche der Welt der Physis gleich machen. Ich persönlich -halte ein solches Zugeständnis für ganz undenkbar. Automaten, selbst -solche unseres phantastischesten Dichters E. T. A. Hoffmann wird -wohl niemand mehr als Beispiele anführen. Oberflächliche Analogien -kann man überall finden. Darum handelt es sich nicht. Um bestimmte -Verständlichmachung handelt es sich, daß man mit Einsicht sagen -kann: Jawohl, so kann es sich in der Tat verhalten. Davon aber sind -Mechanistik und Energetik unendlich weit entfernt, selbst wenn man von -den Widersprüchen absieht, in die sie sich gegen sich selbst verwickeln -und von denen der bedeutendste der der Gegenwirkung des physischen und -des psychischen Regulativs ist. Die physikalisch-chemischen Gesetze -wirken im Leben ganz so wie in der unbelebten Welt. Aber sie sind im -Leben nicht die einzigen Gesetze, es kommen noch andere Gesetze hinzu, -namentlich regulierende, die in der unbelebten Welt nicht bestehen, -soviel wir wissen, und deren Aufgabe in Gegenwirkungen gerade gegen -jene physikalischen Gesetze besteht. Auch die physikalisch-chemischen -Erscheinungen erschöpfen das Leben nicht; es sind im Leben noch -andere Erscheinungen vorhanden, die wir in der unbelebten Welt nicht -treffen, wie die wunderbaren der phylogenetischen und ontogenetischen -Entwicklung aus den unzähligen Möglichkeiten (<a href="#Seite_448">S. 448</a> ff.). Das Leben -enthält eben mehr als das Unbelebte, und zwar Eigenes, Besonderes.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_480" id="Seite_480">[S. 480]</a></span></p> - -<p>Nun noch einige Worte. Die physischen Anschauungen bringen es -anscheinend mit sich, daß weder von Gott noch von Freiheit oder -Unsterblichkeit gesprochen werden kann. Ich will nur über das letztere -etwas sagen, die Unsterblichkeit. Als Ganzes kommt sie physisch nicht -in Betracht. Aber vielleicht zum Teil? Wir wissen, daß in der Natur -Wärme unsterblich ist. Alle Vorgänge in der Natur sind irgendwo -mit Wärmeentwicklung verbunden. Wärme ist nur beschränkt in andere -Energie verwandelbar, also muß insgesamt immer eine Wärmezunahme -erfolgen. Und so steigt die Menge Wärme im Weltall zu bestimmtem -Höchstbetrag, der dann bleiben muß (vgl. jedoch <a href="#Seite_440">S. 440</a>). Wenn in den -psychischen Energien solche vorhanden sein sollten, die gleichfalls -nur beschränkt verwandelbar sind, so müssen diese stetig zunehmen. -Ohne Umwandlungen sind solche Energien Leben ohne Tätigkeit; also -dieses Leben muß im Weltall stetig wachsen. Am Ende sind diese Energien -allein von allen psychischen Energien vorhanden, und wir haben nur -Leben ohne Tätigkeit, kein anderes. Das erinnert frappierend an das -buddhistische Nirwana-Leben. Es ist ein Leben, nur ohne Tätigkeit. -Und sollten etwa gar selbst die sonst beschränkt verwandelbaren -Energien der Natur diesen psychischen Energien gegenüber unbeschränkt -verwandelbar sein, was ja in keiner Weise ausgeschlossen ist, so würden -überhaupt die letzten Energien nur Leben sein, ohne Tätigkeit. Das -Nirwana-Leben würde in den Äther versinken, wo es zum Beginn der Welt -war und durch einen gewaltigen Akt in physisches Leben übergeführt -worden ist, um am Ende der Tage in den Äther zurückzukehren. Kaum -brauche ich hervorzuheben, daß diese Unsterblichkeitslehre nicht -die spiritualistische ist, die sich ja auf das Individuum bezieht, -während es sich hier um das Gesamte handelt, wofür Häckel in seinem -Psychom-Erhaltungsgesetz sie unmittelbar feststellt. Aber etwas -Individuelles haftet ihr doch auch an, wenn die Psychome eben nur -beschränkt verwandelbar sind. Fast ist es schade, daß man eine Theorie -ablehnen muß, die zu so bedeutenden Unsterblichkeitsfolgerungen führen -kann. Aber gegenwärtig scheint<span class="pagenum"><a name="Seite_481" id="Seite_481">[S. 481]</a></span> mir jede Anschauung auf rein physischer -Grundlage aussichtslos.</p> - -<p>In letzter Stunde ist mir eine Schrift von <span class="gesperrt">Felix Auerbach</span> -bekannt geworden, „Ektropismus oder die physikalische Theorie des -Lebens“. Der zweite Titel hätte besser fortgelassen werden sollen, -denn eine physikalische Theorie des Lebens wird nicht gegeben, -nicht einmal angedeutet. Nur daß der Verfasser der Ostwaldschen -Energetik anhängt, möchte aus der Schrift hervorgehen. Doch spricht -er von Geist und Willen wie von etwas Besonderem — er nennt sie -das „Göttliche“ im Menschen — gegenüber den Erscheinungen in der -unbelebten Natur. Es handelt sich also nur um den Ektropismus. -Ektropismus nun ist der Gegensatz zum Entropismus. Letzterer -bedeutet, wie wir wissen, und Auerbach namentlich feststellt, die -<span class="gesperrt">Ausgleichung</span>, <span class="gesperrt">Zerstreuung</span> und <span class="gesperrt">Entwertung</span> der -Energie. <span class="gesperrt">Ektropismus</span> bezieht sich also auf <span class="gesperrt">Sonderung</span>, -<span class="gesperrt">Konzentrierung</span> und <span class="gesperrt">Werthebung</span> der Energie. Von selbst -tritt allein Entropismus ein, Ektropismus dagegen immer nur durch -Wirkung von außen. So ist der Vorgang des Falles schwerer Körper -entropisch, die Körper fallen von selbst. Das Steigen schwerer Körper -aber ist ektropisch, in jeder höheren Lage haben sie mehr Energie. -Und von selbst steigen sie nicht, sie müssen von außen gehoben oder -heraufgedrückt werden. Auerbach ist nun der Ansicht, daß die belebten -Wesen ektropisch wirken. Das ist an sich nicht neu; denn daß die -lebenden Wesen Energien vor der Zerstreuung wahren und aufspeichern, -z. B. die Pflanzen in ihrem Körper, wer weiß es nicht? Aber Auerbach -gibt dieser Tatsache eine höhere Bedeutung, und zwar analog derjenigen -der Regulation (<a href="#Seite_451">S. 451</a>). Das Leben ist eine Regulation gegen den Tod -des Weltalls, der nach dem Entropieprinzip unvermeidlich eintreten -soll; ist es kein absolut abhelfendes Prinzip — verstehe ich Auerbach -recht, so möchte er sogar so weit gehen — so ist es doch jedenfalls -ein retardirendes. Daß Anfang und Ende aufs genaueste zusammenhängen, -stellt auch er fest, und so will ich seinen Hauptsatz, soweit er hier -in Betracht kommt, im Wortlaut anführen. Er setzt einen Urzustand etwa -im Sinne<span class="pagenum"><a name="Seite_482" id="Seite_482">[S. 482]</a></span> Eugen Dührings voraus, Chaos nennt er ihn, in dem also alle -Energie entropisch war (oder war gar keine Energie da?), da keine -Vorgänge bestanden. Dieser Urzustand wurde plötzlich durch einen -Schöpfungsakt zur höchstmöglichen Ektropie gebracht: „Am Anfange wurde -aus dem Chaos der Kosmos (also die Welt der Vorgänge). Das Chaos war -schlaff und träge, der Kosmos ist gespannt und bewegt. Das Chaos ist -leer, der Kosmos ist gefüllt mit Energie. Ihre Quantität bleibt immer -dieselbe, aber ihre Qualität unterliegt fortwährendem Wandel; und was -die Rolle der Wandlungen durchgemacht hat, ist für den Kosmos verloren. -Spannung und Bewegung lassen nach, die Energie wird gebunden und -zerstreut, verwirrt und entwertet, die Energie strebt einem Maximum zu. -Da tritt eine neue Erscheinung auf den Plan: das Leben. In der leblosen -Natur herrscht der Ablauf, nur schwach gedämpft durch den Aufzug. In -der lebendigen Natur herrscht die Entwickelung, und sie versucht, dem -auch hier tätigen Ablauf die Spitze zu bieten. Der Versuch gelingt -nur allmählich und nur in bescheidenen Grenzen. Aber die ordnende, -auslösende und ektropische Begabung kommt und reift mählich und -heimlich. Und im Menschengeschlechte feiert sie mit strahlendem Glanze -das Fest ihrer Befreiung.“ Das Leben ist wie ein „Wächter“, der -unablässig eingreift und das „Schädliche“ (das Entropische) „absiebt“. -Wenn der Leser das in unsere einfache Sprache überträgt, so findet -er es nicht weit von den hier geäußerten Ideen, wenigstens nach -<span class="gesperrt">einer</span> Richtung, denn die anderen, fast noch bedeutungsvolleren -Regulationen kommen bei Auerbach nicht zur Behandlung. Eigenartig -ist noch, daß Auerbach an die Entstehung des Kosmos aus dem Chaos -die Entstehung auch der größten Ordnung anschließt, die allmählich -entropisch in die Un-Ordnung übergeht (<a href="#Seite_441">S. 441</a>). Das Leben greift wieder -regulierend ein, es schafft Ordnungen aus den Un-Ordnungen. Wie das -Leben dieses tut, wie es überhaupt den Kampf gegen den Entropismus -durch Ektropismus führt, darüber sagt der Verfasser nichts Bestimmtes. -Aus einigen Nebenäußerungen möchte man schließen, daß er das Leben in -gewissen selektiven Eigenschaften der protoplasmati<span class="pagenum"><a name="Seite_483" id="Seite_483">[S. 483]</a></span>schen Stoffe sucht, -analog etwa der selektiven Eigenschaft mancher als halbdurchlässig -bezeichneten Stoffe, die zum Teil von einer Zuckerlösung wohl das -Wasser, aber nicht den Zucker durchlassen. Aber freilich sollte die -grobe Mechanistik seinem System sehr fern stehen. Wegen der weiteren -Schlüsse in bezug auf das Verhalten des Menschen und der Menschheit, -darf ich auf die sehr interessante Schrift verweisen. Der Satz „Der -Kosmos — und mit ihm sein Vertreter, der Staat — hat ein direktes -Interesse nur an dem starken und ektropischen Individuum“, klingt ganz -nach Nietzsche.</p> - -<p>Alles was in diesem Abschnitt ausgeführt ist, hängt mit dem -<span class="gesperrt">Vitalismus</span> und <span class="gesperrt">Neuvitalismus</span>, z. B. nach <span class="gesperrt">Reinke</span>, -zusammen. Ich habe diese Bezeichnungen zu benutzen vermieden; ihre -Bedeutung geht nach der einen Seite, nach der physischen, zu weit, nach -der anderen Seite, nach der psychischen, hier geistigen, viel zu sehr -in die Enge. Man soll auch keine Worte auffrischen, die nun einmal, und -mit Recht, eine so unwissenschaftliche Nebenbedeutung bekommen haben -wie der Vitalismus. Ich schließe dieses Buch mit einigen Bemerkungen -über die Welträtsel im allgemeinen.</p> - -<p><span class="gesperrt">Du Bois-Reymond</span>, in seiner berühmt gewordenen Ignorabimusrede, -die Häckel einer psychologischen Metamorphose zuschreibt, die aber -aus einer allmählich gewachsenen Erkenntnis geflossen ist, daß der -Materialismus in keiner Form ausreicht, die „Welträtsel“ zu lösen, -wie sie ja bei vielen anderen Forschern gleichfalls allmählich sich -geltend machen mußte, hat sieben solche Welträtsel aufgestellt. Drei -davon sollen überhaupt unlösbar, „transzendent“ sein: der Ursprung -der Materie und der Kraft, der Ursprung der Bewegung, die Entstehung -der einfachen Sinnesempfindung und des Bewußtseins. Drei andere -sollen lösbar sein, wenn auch schwer: die Entstehung des Lebens, die -(anscheinend absichtsvolle) Zweckmäßigkeit der Natur, das vernünftige -Denken und der Ursprung der damit verbundenen Sprache. Eines bleibt -unentschieden: die Frage nach der Willensfreiheit. Hat die spätere -Entwicklung der physischen An<span class="pagenum"><a name="Seite_484" id="Seite_484">[S. 484]</a></span>schauungen dem Manne Unrecht gegeben? -Ich glaube nein! Im Gegenteil, mir scheint sie die Rätsel noch -mehr transzendent gemacht zu haben als er sie auffaßte. Wir sehen, -selbst mit den bei weitem besseren Mitteln der Energetik kommt man -der Lösung jener Rätsel nicht einen Schritt näher, höchstens, daß -man sie auf andere Dinge bezieht, etwa das erste Welträtsel statt -auf Materie und Kraft, auf Energie mit seinen beiden Faktoren; das -zweite Rätsel statt auf Bewegung auf Energieumwandlung. Nur das -Ignorabimus möchte ich ablehnen. Es ist gar kein Ignorare, wenn man -sich davon überzeugt hat, daß es in der Welt doch etwas mehr gibt als -ein Einzelnes im ewigen Einerlei der Existenz und des Wechsels. Wir -suchen zwar überall nach Vereinfachung und sollen danach suchen. Wenn -aber Vereinfachungen zu nichts führen als zu Redewendungen, ohne die -Einsicht in das Wesen der Sache irgend zu fördern, und nur Rätsel -und Unverständliches zu Rätseln häufen, so sind sie kein Gewinn und -müssen fallen gelassen werden, sobald ihre Untauglichkeit erkannt -ist. Bei den rein physischen Anschauungen ist dieses, glaube ich, -der Fall. Die rein materialistische mag schon kein Mensch mehr. Die -energetische, so bestechend sie ist, wird, davon bin ich überzeugt, -ihr Schicksal teilen. Spinozas Anschauung in Verbindung mit Kants -Transzendentalismus, scheint mir allem am besten gerecht zu werden, -soweit menschliche Voraussicht und Einsicht etwas behaupten darf. Sie -bietet noch den ungeheuren Vorteil, daß wir sie so leicht fortführen -und erweitern können, wie Häckels Beispiel zeigt. In der Tat müssen -wir jetzt schon sagen, daß der allgemeinen Substanz für unsere Welt -mindestens drei Attribute zukommen: Geist, Energie, Materie (oder was -für Materie stehen kann). Die allgemeine Substanz soll ja unendlich -viele Attribute haben. So ist es durch nichts ausgeschlossen, daß -unsere Welt in der Tat diese drei oder vielleicht noch mehr Attribute -ausmacht. Und andere Welten, von denen schon die Alten träumten, -können mit diesen noch andere Attribute bedeuten in beliebiger Zahl. -Wer also ein Ding-an-sich mit unendlich vielen<span class="pagenum"><a name="Seite_485" id="Seite_485">[S. 485]</a></span> Attributen annimmt, -muß unendlich viele Welten zugestehen und vielleicht noch Übergänge -und Überdeckungen zwischen ihnen. Und er darf sogar die Leben-Reihe -(<a href="#Seite_221">S. 221</a>) durch diese verschiedenen Welten führen. Auch eine solche -Auffassung bildet einen Monismus und gehörte in die Anschauungen des -so umfassenden <span class="gesperrt">Monistenbundes</span>. Aber freilich verirrt sich -schon manches ins Mystische, wohin Kant auch seine „Träume eines -Geistersehers“ geführt haben, da wir von nichts wissen als allein von -unserer Welt.</p> - -<hr class="book" /> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Namen-_und_Sachregister">Namen- und Sachregister.</h2> - -</div> - -<ul class="index"><li class="ifrst"> A</li> - -<li class="indx"> Aberglaube <a href="#Seite_27">27</a>, <a href="#Seite_434">434</a>.</li> - -<li class="indx"> Abspiegelung, die Welt als <a href="#Seite_300">300</a>, <a href="#Seite_379">379</a>.</li> - -<li class="indx"> Abwehrformeln <a href="#Seite_190">190</a>.</li> - -<li class="indx"> Achamoth <a href="#Seite_273">273</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Adam <a href="#Seite_150">150</a>.</li> - -<li class="indx"> Adam von Bremen <a href="#Seite_93">93</a>.</li> - -<li class="indx"> Afrika <a href="#Seite_20">20</a> ff., <a href="#Seite_57">57</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Agnostizismus <a href="#Seite_420">420</a>.</li> - -<li class="indx"> Agrippa Cornelius <a href="#Seite_312">312</a>.</li> - -<li class="indx"> Ägypter <a href="#Seite_100">100</a> ff., <a href="#Seite_129">129</a>, <a href="#Seite_132">132</a>, <a href="#Seite_155">155</a>, <a href="#Seite_158">158</a>, <a href="#Seite_165">165</a>, <a href="#Seite_180">180</a>, <a href="#Seite_184">184</a>, <a href="#Seite_188">188</a>, <a href="#Seite_198">198</a>, <a href="#Seite_219">219</a>, -<a href="#Seite_228">228</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Ahnenkult <a href="#Seite_43">43</a> ff., <a href="#Seite_46">46</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Aion <a href="#Seite_271">271</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Akademie <a href="#Seite_248">248</a>, <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Akzidens <a href="#Seite_289">289</a>.</li> - -<li class="indx"> Alanus <a href="#Seite_303">303</a>.</li> - -<li class="indx"> Albertus Magnus <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - -<li class="indx"> Alchemie <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> d’Alembert <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="indx"> Allegorie <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx"> Alte vom Tage <a href="#Seite_291">291</a>.</li> - -<li class="indx"> Altruismus <a href="#Seite_437">437</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Amerika <a href="#Seite_17">17</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Ammonios Sakkâs <a href="#Seite_277">277</a>.</li> - -<li class="indx"> Amulett <a href="#Seite_40">40</a>.</li> - -<li class="indx"> Ananke, ἀνάγκη <a href="#Seite_250">250</a>, <a href="#Seite_352">352</a>, <a href="#Seite_422">422</a>.</li> - -<li class="indx"> Anaxagoras <a href="#Seite_243">243</a>, <a href="#Seite_269">269</a>, <a href="#Seite_423">423</a>.</li> - -<li class="indx"> Anaximandros <a href="#Seite_237">237</a>, <a href="#Seite_269">269</a>.</li> - -<li class="indx"> Anaximenes <a href="#Seite_236">236</a>.</li> - -<li class="indx"> Andrée <a href="#Seite_164">164</a>.</li> - -<li class="indx"> Animismus <a href="#Seite_36">36</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Anschauungsformen <a href="#Seite_360">360</a> ff., <a href="#Seite_475">475</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Anselm <a href="#Seite_300">300</a>.</li> - -<li class="indx"> Antinomien <a href="#Seite_363">363</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Apokastase <a href="#Seite_253">253</a>.</li> - -<li class="indx"> Apollonios von Tyana <a href="#Seite_256">256</a>.</li> - -<li class="indx"> A posteriori <a href="#Seite_360">360</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Appetition <a href="#Seite_341">341</a> ff.</li> - -<li class="indx"> A priori <a href="#Seite_360">360</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Araber <a href="#Seite_108">108</a>, <a href="#Seite_208">208</a>.</li> - -<li class="indx"> Archeus <a href="#Seite_329">329</a>.</li> - -<li class="indx"> Archonten <a href="#Seite_257">257</a>, <a href="#Seite_273">273</a>.</li> - -<li class="indx"> Archytas <a href="#Seite_242">242</a>.</li> - -<li class="indx"> Ariost <a href="#Seite_18">18</a>.</li> - -<li class="indx"> Aristoteles <a href="#Seite_249">249</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Arkesilaos <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Arnobios <a href="#Seite_269">269</a>.</li> - -<li class="indx"> Arrhenius <a href="#Seite_179">179</a>, <a href="#Seite_448">448</a>.</li> - -<li class="indx"> ἀρχαί <a href="#Seite_7">7</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Aschariten <a href="#Seite_288">288</a>.</li> - -<li class="indx"> Äschylos <a href="#Seite_185">185</a>.</li> - -<li class="indx"> Assimilation <a href="#Seite_372">372</a>, <a href="#Seite_473">473</a>.</li> - -<li class="indx"> Assoziationsprinzipe <a href="#Seite_359">359</a>, <a href="#Seite_400">400</a>, <a href="#Seite_411">411</a>, <a href="#Seite_415">415</a>, <a href="#Seite_418">418</a>.</li> - -<li class="indx"> Assyrier <a href="#Seite_108">108</a> ff.; s. a. <a href="#babylonier">Babylonier</a>.</li> - -<li class="indx"> Astrologie <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_188">188</a>, <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> Atheismus <a href="#Seite_154">154</a>.</li> - -<li class="indx"> Äther <a href="#Seite_465">465</a> f.</li> - -<li class="indx"> Atomistik <a href="#Seite_422">422</a> ff., <a href="#Seite_465">465</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Attribute <a href="#Seite_335">335</a>, <a href="#Seite_392">392</a> ff., <a href="#Seite_461">461</a> f., <a href="#Seite_484">484</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Auerbach, Felix <a href="#Seite_463">463</a>, <a href="#Seite_482">482</a> f.</li> - -<li class="indx"> Auferstehung <a href="#Seite_192">192</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Aufklärungsphilosophie <a href="#Seite_347">347</a>, <a href="#Seite_434">434</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Augustinus <a href="#Seite_281">281</a>, <a href="#Seite_315">315</a>.</li> - -<li class="indx"> Australien <a href="#Seite_17">17</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Automatisches <a href="#Seite_419">419</a>, <a href="#Seite_428">428</a>, <a href="#Seite_479">479</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Averroes <a href="#Seite_288">288</a>, <a href="#Seite_295">295</a>.</li> - -<li class="indx"> Avicebrol <a href="#Seite_291">291</a>.</li> - -<li class="indx"> Avicenna <a href="#Seite_288">288</a>.</li> - -<li class="indx"> Avidyia <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Awatars <a href="#Seite_169">169</a>.</li> - -<li class="ifrst"> B</li> - -<li class="indx"> <a name="babylonier" id="babylonier"></a>Babylonier <a href="#Seite_108">108</a> ff., <a href="#Seite_130">130</a>, <a href="#Seite_134">134</a>, <a href="#Seite_153">153</a>, <a href="#Seite_158">158</a>, <a href="#Seite_160">160</a>, <a href="#Seite_161">161</a>, <a href="#Seite_178">178</a>, <a href="#Seite_183">183</a>, <a href="#Seite_196">196</a>.</li> - -<li class="indx"> Bacon Roger <a href="#Seite_299">299</a>.</li> - -<li class="isub1"> — von Verulam <a href="#Seite_402">402</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Barden <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx"> Basilides <a href="#Seite_268">268</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Bastian Adolf <a href="#Seite_66">66</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Baur <a href="#Seite_267">267</a>.</li> - -<li class="indx"> Begriffsgottheiten <a href="#Seite_141">141</a> f.</li> - -<li class="indx"> Belebung <a href="#Seite_32">32</a> ff., <a href="#Seite_424">424</a>, <a href="#Seite_436">436</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Beneke <a href="#Seite_413">413</a>.</li> - -<li class="indx"> Berkeley <a href="#Seite_356">356</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Bernhardy <a href="#Seite_426">426</a>.</li> - -<li class="indx"> Bernouilli <a href="#Seite_441">441</a>.</li> - -<li class="indx"> Beschwörung <a href="#Seite_54">54</a>, <a href="#Seite_190">190</a>.</li> - -<li class="indx"> Beseelung <a href="#Seite_36">36</a> ff., <a href="#Seite_319">319</a>, <a href="#Seite_382">382</a> ff., <a href="#Seite_390">390</a>, <a href="#Seite_424">424</a>, <a href="#Seite_436">436</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Besessene <a href="#Seite_56">56</a>.</li> - -<li class="indx"> Bessarion <a href="#Seite_309">309</a>.</li> - -<li class="indx"> Bewegungsmoment <a href="#Seite_459">459</a>.</li> - -<li class="indx"> Bewußtsein <a href="#Seite_400">400</a>, <a href="#Seite_474">474</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Bewußtseinsleiter <a href="#Seite_399">399</a>.</li> - -<li class="indx"> Bewußtseinsschwelle <a href="#Seite_399">399</a>.</li> - -<li class="indx"> Bhagavad-Gîtâ <a href="#Seite_115">115</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Bibel <a href="#Seite_106">106</a> f., <a href="#Seite_157">157</a>, <a href="#Seite_177">177</a>, <a href="#Seite_184">184</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Biogenetisches Grundgesetz <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Blavatsky, Helene Petrowna <a href="#Seite_330">330</a>.</li> - -<li class="indx"> Böhme, Jakob <a href="#Seite_323">323</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Boltzmann <a href="#Seite_440">440</a>.</li> - -<li class="indx"> Bonaventura <a href="#Seite_303">303</a>.</li> - -<li class="indx"> Boyle, Robert <a href="#Seite_434">434</a>.</li> - -<li class="indx"> Brahmaismus <a href="#Seite_120">120</a>.</li> - -<li class="indx"> Brugsch <a href="#Seite_100">100</a>, <a href="#Seite_146">146</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Bruno Giordano <a href="#Seite_317">317</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Büchner <a href="#Seite_438">438</a>.</li> - -<li class="indx"> Buddha <a href="#Seite_215">215</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Buddhismus <a href="#Seite_120">120</a>, <a href="#Seite_122">122</a>, <a href="#Seite_214">214</a>.</li> - -<li class="indx"> Bürger <a href="#Seite_55">55</a>.</li> - -<li class="ifrst"> C</li> - -<li class="indx"> Calvin <a href="#Seite_315">315</a>.</li> - -<li class="indx"> Campanella <a href="#Seite_322">322</a>.</li> - -<li class="indx"> Cartesius <a href="#Seite_333">333</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Cäsar <a href="#Seite_88">88</a> f., <a href="#Seite_94">94</a>, <a href="#Seite_97">97</a>, <a href="#Seite_216">216</a>.</li> - -<li class="indx"> Centrosom <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Chachma <a href="#Seite_266">266</a>.</li> - -<li class="indx"> Chamberlain <a href="#Seite_83">83</a>.</li> - -<li class="indx"> Chauvinismus <a href="#Seite_83">83</a>.</li> - -<li class="indx"> Cherubim <a href="#Seite_280">280</a>.</li> - -<li class="indx"> Chinesen <a href="#Seite_120">120</a> f., <a href="#Seite_143">143</a>, <a href="#Seite_164">164</a>, <a href="#Seite_210">210</a>, <a href="#Seite_235">235</a>.</li> - -<li class="indx"> Christian Science <a href="#Seite_257">257</a>.</li> - -<li class="indx"> Chromatin <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Chrysippos <a href="#Seite_233">233</a>.</li> - -<li class="indx"> Cicero <a href="#Seite_99">99</a>, <a href="#Seite_253">253</a>.</li> - -<li class="indx"> Civitas dei <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - -<li class="indx"> Claudius, Kaiser <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx"> Clausius <a href="#Seite_441">441</a>.</li> - -<li class="indx"> Comte <a href="#Seite_40">40</a>, <a href="#Seite_415">415</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Condillac <a href="#Seite_411">411</a>.</li> - -<li class="indx"> Constant, Benjamin <a href="#Seite_29">29</a>.</li> - -<li class="indx"> Contemplatio <a href="#Seite_304">304</a>.</li> - -<li class="indx"> Cooper <a href="#Seite_23">23</a>.</li> - -<li class="indx"> Curtis <a href="#Seite_50">50</a> f.</li> - -<li class="indx"> Cusanus, Nikolaus <a href="#Seite_306">306</a>.</li> - -<li class="indx"> Czolbe <a href="#Seite_438">438</a>.</li> - -<li class="ifrst"> D</li> - -<li class="indx"> Dämonenglaube <a href="#Seite_43">43</a> ff., <a href="#Seite_53">53</a>, <a href="#Seite_257">257</a>.</li> - -<li class="indx"> Dante <a href="#Seite_206">206</a>, <a href="#Seite_297">297</a>.</li> - -<li class="indx"> Darwin <a href="#Seite_445">445</a> ff., <a href="#Seite_450">450</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Deismus <a href="#Seite_253">253</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Delitzsch, F. <a href="#Seite_153">153</a>.</li> - -<li class="indx"> Demiurg <a href="#Seite_268">268</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Demokritos <a href="#Seite_423">423</a> f.</li> - -<li class="indx"> Dennis <a href="#Seite_205">205</a>.</li> - -<li class="indx"> Derwische <a href="#Seite_261">261</a>.</li> - -<li class="indx"> Descartes <a href="#Seite_333">333</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Deszendenzlehre <a href="#Seite_445">445</a> ff., <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Determinismus <a href="#Seite_296">296</a>.</li> - -<li class="indx"> Dharma <a href="#Seite_215">215</a>.</li> - -<li class="indx"> Diderot <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="indx"> Diels <a href="#Seite_352">352</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Dies fasti et nefasti <a href="#Seite_191">191</a>.</li> - -<li class="indx"> <a name="dingansich" id="dingansich"></a>Ding-an-sich <a href="#Seite_365">365</a>, <a href="#Seite_390">390</a> ff., <a href="#Seite_461">461</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Diogenes von Apollonia <a href="#Seite_236">236</a>.</li> - -<li class="indx"> Dionysios Areopagita <a href="#Seite_280">280</a>.</li> - -<li class="indx"> Dissimilation <a href="#Seite_372">372</a>, <a href="#Seite_455">455</a>.</li> - -<li class="indx"> Doketen <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Driesch <a href="#Seite_343">343</a>, <a href="#Seite_370">370</a>, <a href="#Seite_450">450</a> f.</li> - -<li class="indx"> Droßbach <a href="#Seite_345">345</a>.</li> - -<li class="indx"> Dualismus <a href="#Seite_13">13</a>, <a href="#Seite_148">148</a>, <a href="#Seite_267">267</a>, <a href="#Seite_458">458</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Dubois Reymond <a href="#Seite_438">438</a>, <a href="#Seite_471">471</a>, <a href="#Seite_483">483</a>.</li> - -<li class="indx"> Dühring, Eugen <a href="#Seite_416">416</a> ff., <a href="#Seite_463">463</a>, <a href="#Seite_481">481</a>.</li> - -<li class="indx"> Duns Scotus <a href="#Seite_298">298</a>.</li> - -<li class="ifrst"> E</li> - -<li class="indx"> Eckehart, Meister <a href="#Seite_303">303</a>.</li> - -<li class="indx"> Edda <a href="#Seite_93">93</a> f.</li> - -<li class="indx"> Egoismus <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="indx"> Ei <a href="#Seite_450">450</a> ff.</li> - -<li class="indx"> εἴδωλον <a href="#Seite_37">37</a>, <a href="#Seite_193">193</a>.</li> - -<li class="indx"> Einheitlichkeit der Welt <a href="#Seite_16">16</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Eklektiker <a href="#Seite_261">261</a>.</li> - -<li class="indx"> Ektropie <a href="#Seite_480">480</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Eleaten <a href="#Seite_351">351</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Elemente <a href="#Seite_423">423</a>.</li> - -<li class="indx"> Elysium <a href="#Seite_204">204</a>.</li> - -<li class="indx"> Emanationslehre <a href="#Seite_253">253</a> ff., <a href="#Seite_263">263</a> f., <a href="#Seite_278">278</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Empedokles <a href="#Seite_220">220</a>, <a href="#Seite_423">423</a>.</li> - -<li class="indx"> Empirismus <a href="#Seite_376">376</a>, <a href="#Seite_401">401</a> ff., <a href="#Seite_454">454</a> ff., <a href="#Seite_483">483</a>.</li> - -<li class="indx"> Endlichkeit <a href="#Seite_363">363</a> f., <a href="#Seite_464">464</a> f.</li> - -<li class="indx"> Energetiker <a href="#Seite_454">454</a>, <a href="#Seite_483">483</a>.</li> - -<li class="indx"> Energie <a href="#Seite_421">421</a> ff., <a href="#Seite_454">454</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="isub1"> — psychische <a href="#Seite_455">455</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Energismus <a href="#Seite_420">420</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Engel <a href="#Seite_261">261</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Entelechie <a href="#Seite_250">250</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Entropie <a href="#Seite_440">440</a> u. a. a O.</li> - -<li class="indx"> Entwicklungslehre <a href="#Seite_443">443</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Enzyklopädismus <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="indx"> Epigenesis <a href="#Seite_448">448</a>.</li> - -<li class="indx"> Epikuros <a href="#Seite_425">425</a>.</li> - -<li class="indx"> Eranier <a href="#Seite_110">110</a>, <a href="#Seite_131">131</a>, <a href="#Seite_139">139</a>, <a href="#Seite_148">148</a>, <a href="#Seite_159">159</a>, <a href="#Seite_162">162</a>, <a href="#Seite_166">166</a>, <a href="#Seite_174">174</a>, <a href="#Seite_202">202</a>, <a href="#Seite_216">216</a>.</li> - -<li class="indx"> Erhaltungsprinzipe <a href="#Seite_440">440</a>.</li> - -<li class="indx"> Eristik <a href="#Seite_354">354</a>.</li> - -<li class="indx"> Eschatologie <a href="#Seite_71">71</a> ff., <a href="#Seite_192">192</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Eschmunazar, König <a href="#Seite_108">108</a>.</li> - -<li class="indx"> Essäer <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Ethische Gottheiten <a href="#Seite_138">138</a> f.</li> - -<li class="indx"> Etrusker <a href="#Seite_205">205</a>.</li> - -<li class="indx"> Eucken <a href="#Seite_390">390</a>.</li> - -<li class="indx"> Euemeros <a href="#Seite_52">52</a>, <a href="#Seite_97">97</a>.</li> - -<li class="indx"> Eukleides aus Megara <a href="#Seite_354">354</a>.</li> - -<li class="indx"> Euripides <a href="#Seite_96">96</a> f., <a href="#Seite_183">183</a>, <a href="#Seite_244">244</a>.</li> - -<li class="indx"> Evolution <a href="#Seite_258">258</a>, <a href="#Seite_269">269</a>, <a href="#Seite_282">282</a>, <a href="#Seite_295">295</a>, <a href="#Seite_420">420</a>, <a href="#Seite_447">447</a> f., <a href="#Seite_452">452</a>.</li> - -<li class="ifrst"> F</li> - -<li class="indx"> Fakire <a href="#Seite_261">261</a>.</li> - -<li class="indx"> Fananybrauch <a href="#Seite_42">42</a>.</li> - -<li class="indx"> Fatalismus <a href="#Seite_138">138</a>, <a href="#Seite_234">234</a>, <a href="#Seite_437">437</a>.</li> - -<li class="indx"> Faust <a href="#Seite_54">54</a>, <a href="#Seite_266">266</a>.</li> - -<li class="indx"> Fechner <a href="#Seite_398">398</a> f.</li> - -<li class="indx"> Fegefeuer <a href="#Seite_192">192</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Ferment <a href="#Seite_329">329</a>.</li> - -<li class="indx"> Fervers <a href="#Seite_111">111</a>, <a href="#Seite_208">208</a>.</li> - -<li class="indx"> Fetische <a href="#Seite_39">39</a> ff., <a href="#Seite_90">90</a>, <a href="#Seite_104">104</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Fetischismus <a href="#Seite_36">36</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Feuerbach, Ludwig <a href="#Seite_438">438</a>.</li> - -<li class="indx"> Feuth, Ludwig <a href="#Seite_113">113</a>.</li> - -<li class="indx"> Fichte <a href="#Seite_358">358</a>, <a href="#Seite_373">373</a> f.</li> - -<li class="indx"> Flammarion <a href="#Seite_399">399</a>.</li> - -<li class="indx"> Florenz, Karl <a href="#Seite_124">124</a>.</li> - -<li class="indx"> Fludd <a href="#Seite_329">329</a>.</li> - -<li class="indx"> Flutsagen <a href="#Seite_161">161</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Fohi <a href="#Seite_121">121</a>.</li> - -<li class="indx"> Foismus <a href="#Seite_122">122</a>.</li> - -<li class="indx"> Formen <a href="#Seite_249">249</a>, <a href="#Seite_383">383</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Frank, Sebastian <a href="#Seite_316">316</a>.</li> - -<li class="indx"> Franziskus der Heilige <a href="#Seite_300">300</a>.</li> - -<li class="indx"> Freiheit <a href="#Seite_182">182</a> ff., <a href="#Seite_367">367</a>, <a href="#Seite_393">393</a>, <a href="#Seite_479">479</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Fresnel <a href="#Seite_441">441</a>.</li> - -<li class="indx"> Frobenius <a href="#Seite_5">5</a>, <a href="#Seite_42">42</a>, <a href="#Seite_57">57</a> ff., <a href="#Seite_74">74</a>, <a href="#Seite_79">79</a>.</li> - -<li class="indx"> Frohars <a href="#Seite_111">111</a>, <a href="#Seite_208">208</a>.</li> - -<li class="indx"> Funktionsübertragung <a href="#Seite_453">453</a>.</li> - -<li class="ifrst"> G</li> - -<li class="indx"> Ganglien <a href="#Seite_455">455</a>, <a href="#Seite_473">473</a>.</li> - -<li class="indx"> Gassendi <a href="#Seite_431">431</a>.</li> - -<li class="indx"> Gastrulation <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Gegengottheiten <a href="#Seite_148">148</a> f.</li> - -<li class="indx"> Gegenstandsgottheiten <a href="#Seite_127">127</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Geheimbünde <a href="#Seite_57">57</a>, <a href="#Seite_254">254</a>.</li> - -<li class="indx"> Geheimlehre <a href="#Seite_189">189</a>.</li> - -<li class="indx"> Geister <a href="#Seite_55">55</a>.</li> - -<li class="indx"> Geisterglaube <a href="#Seite_48">48</a> ff., <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx"> Geistige Vorgänge <a href="#Seite_455">455</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Generatio equivoca <a href="#Seite_384">384</a>, <a href="#Seite_446">446</a>.</li> - -<li class="indx"> Germanen <a href="#Seite_88">88</a> ff., <a href="#Seite_136">136</a> f., <a href="#Seite_140">140</a>, <a href="#Seite_156">156</a>, <a href="#Seite_158">158</a>, <a href="#Seite_167">167</a>, <a href="#Seite_173">173</a>, <a href="#Seite_206">206</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Nord- <a href="#Seite_92">92</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Gerson, Johann <a href="#Seite_303">303</a>.</li> - -<li class="indx"> Gespenster <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx"> Geulincx <a href="#Seite_336">336</a>.</li> - -<li class="indx"> Gilgamesepos <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_188">188</a>, <a href="#Seite_196">196</a>.</li> - -<li class="indx"> Gleichartigkeit der Menschheit <a href="#Seite_11">11</a> f.</li> - -<li class="indx"> Gnostiker <a href="#Seite_267">267</a> ff., <a href="#Seite_277">277</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Goethe <a href="#Seite_266">266</a>, <a href="#Seite_275">275</a>, <a href="#Seite_277">277</a>, <a href="#Seite_307">307</a>, <a href="#Seite_396">396</a>, <a href="#Seite_445">445</a>.</li> - -<li class="indx"> Gorgias <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Götterglaube <a href="#Seite_56">56</a>.</li> - -<li class="indx"> Götterneid <a href="#Seite_185">185</a>.</li> - -<li class="indx"> Götzenbilder <a href="#Seite_48">48</a>.</li> - -<li class="indx"> Götzendienst <a href="#Seite_43">43</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Graßmann <a href="#Seite_103">103</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Grey <a href="#Seite_4">4</a>, <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx"> Griechen <a href="#Seite_50">50</a>, <a href="#Seite_95">95</a> ff., <a href="#Seite_130">130</a>, <a href="#Seite_137">137</a> f., <a href="#Seite_143">143</a>, <a href="#Seite_162">162</a>, <a href="#Seite_167">167</a>, <a href="#Seite_171">171</a>, <a href="#Seite_203">203</a>, <a href="#Seite_230">230</a> -u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Grimm, Jakob <a href="#Seite_37">37</a>, <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_73">73</a>, <a href="#Seite_75">75</a>, <a href="#Seite_90">90</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Gruppe <a href="#Seite_255">255</a> f.</li> - -<li class="indx"> Gubernatis <a href="#Seite_114">114</a>.</li> - -<li class="ifrst"> H</li> - -<li class="indx"> Häckel <a href="#Seite_401">401</a>, <a href="#Seite_449">449</a>, <a href="#Seite_461">461</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Hades <a href="#Seite_204">204</a>.</li> - -<li class="indx"> Hafis <a href="#Seite_261">261</a>.</li> - -<li class="indx"> Halbkulturvölker <a href="#Seite_4">4</a>.</li> - -<li class="indx"> Haller, Albrecht v. <a href="#Seite_447">447</a>.</li> - -<li class="indx"> Hammurabi <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx"> Hanusch <a href="#Seite_86">86</a>.</li> - -<li class="indx"> Harmonie <a href="#Seite_241">241</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Gesetz der <a href="#Seite_453">453</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Prästabilierte <a href="#Seite_338">338</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Harnack, Adolf <a href="#Seite_267">267</a> ff., <a href="#Seite_274">274</a>.</li> - -<li class="indx"> Harpyen <a href="#Seite_73">73</a>.</li> - -<li class="indx"> Hartmann, Eduard v. <a href="#Seite_386">386</a> ff.</li> - -<li class="isub1"> — Franz <a href="#Seite_330">330</a>.</li> - -<li class="indx"> Hebräer <a href="#Seite_49">49</a>, <a href="#Seite_106">106</a> ff., <a href="#Seite_144">144</a>, <a href="#Seite_156">156</a>, <a href="#Seite_177">177</a>, <a href="#Seite_192">192</a>.</li> - -<li class="indx"> Hegel <a href="#Seite_376">376</a>.</li> - -<li class="indx"> Heimarmene, εἰμαρμένη, <a href="#Seite_239">239</a>, <a href="#Seite_422">422</a>.</li> - -<li class="indx"> Hel <a href="#Seite_206">206</a> f.</li> - -<li class="indx"> Helmholtz <a href="#Seite_448">448</a>, <a href="#Seite_471">471</a>.</li> - -<li class="indx"> Helmont, Baptist van <a href="#Seite_328">328</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Franz van <a href="#Seite_338">338</a>.</li> - -<li class="indx"> Hemsterhuis <a href="#Seite_413">413</a>.</li> - -<li class="indx"> Henotheismus <a href="#Seite_144">144</a>, <a href="#Seite_147">147</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Herakleitos <a href="#Seite_238">238</a>, <a href="#Seite_353">353</a>.</li> - -<li class="indx"> Herbart <a href="#Seite_347">347</a>.</li> - -<li class="indx"> Herder <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="indx"> Hermogenes <a href="#Seite_269">269</a>.</li> - -<li class="indx"> Herodot <a href="#Seite_45">45</a> f., <a href="#Seite_50">50</a>, <a href="#Seite_89">89</a>, <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx"> Hesiod <a href="#Seite_158">158</a>, <a href="#Seite_172">172</a>.</li> - -<li class="indx"> Hexen <a href="#Seite_53">53</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Hierarchie <a href="#Seite_280">280</a>.</li> - -<li class="indx"> Himmel der Erde gleich <a href="#Seite_17">17</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Himmelskörper <a href="#Seite_466">466</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Hinduismus <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx"> Hippias <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Hobbes <a href="#Seite_432">432</a> f.</li> - -<li class="indx"> Hoffmann, E. T. A. <a href="#Seite_479">479</a>.</li> - -<li class="indx"> Holbach <a href="#Seite_435">435</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Hölle <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_192">192</a> ff., <a href="#Seite_208">208</a>.</li> - -<li class="indx"> Homa <a href="#Seite_96">96</a>, <a href="#Seite_155">155</a> f., <a href="#Seite_171">171</a>.</li> - -<li class="indx"> Homer <a href="#Seite_112">112</a>.</li> - -<li class="indx"> Homoiomerien <a href="#Seite_423">423</a>.</li> - -<li class="indx"> Horatius <a href="#Seite_188">188</a>.</li> - -<li class="indx"> Hugo von St. Victor <a href="#Seite_300">300</a>.</li> - -<li class="indx"> Hume <a href="#Seite_358">358</a>, <a href="#Seite_407">407</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Hylodeismus <a href="#Seite_236">236</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Hylopsychismus <a href="#Seite_235">235</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Hylozoismus <a href="#Seite_235">235</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Hypostasie <a href="#Seite_366">366</a>, <a href="#Seite_437">437</a>.</li> - -<li class="ifrst"> I</li> - -<li class="indx"> Ideale <a href="#Seite_365">365</a>.</li> - -<li class="indx"> Idealismus <a href="#Seite_349">349</a> ff., <a href="#Seite_360">360</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Idealphilosophie <a href="#Seite_253">253</a>, <a href="#Seite_349">349</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Ideen <a href="#Seite_244">244</a> ff., <a href="#Seite_264">264</a>, <a href="#Seite_335">335</a>, <a href="#Seite_364">364</a>, <a href="#Seite_405">405</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Ideenassoziation <a href="#Seite_432">432</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Identitätsphilosophie <a href="#Seite_385">385</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Idololatrie <a href="#Seite_50">50</a> f.</li> - -<li class="indx"> Illusionslehre <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Indier <a href="#Seite_113">113</a> ff., <a href="#Seite_132">132</a>, <a href="#Seite_135">135</a>, <a href="#Seite_139">139</a>, <a href="#Seite_156">156</a> f., <a href="#Seite_161">161</a>, <a href="#Seite_162">162</a>, <a href="#Seite_166">166</a>, <a href="#Seite_176">176</a>, <a href="#Seite_187">187</a>, <a href="#Seite_200">200</a>, -<a href="#Seite_211">211</a>, <a href="#Seite_228">228</a>, <a href="#Seite_258">258</a>, <a href="#Seite_350">350</a> f., <a href="#Seite_424">424</a>.</li> - -<li class="indx"> Indifferentismus <a href="#Seite_234">234</a>.</li> - -<li class="indx"> Individuation <a href="#Seite_295">295</a>.</li> - -<li class="indx"> Induktion <a href="#Seite_402">402</a>.</li> - -<li class="indx"> Inkarnationen <a href="#Seite_169">169</a>.</li> - -<li class="indx"> Intelligenzen <a href="#Seite_288">288</a>.</li> - -<li class="indx"> Intelligible Dinge <a href="#Seite_282">282</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Intensität <a href="#Seite_457">457</a>.</li> - -<li class="indx"> Intuition <a href="#Seite_263">263</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Irreversibilität <a href="#Seite_440">440</a> f.</li> - -<li class="indx"> Isaak <a href="#Seite_302">302</a>.</li> - -<li class="indx"> Istars Höllenfahrt <a href="#Seite_197">197</a>.</li> - -<li class="indx"> Italiker <a href="#Seite_158">158</a>.</li> - -<li class="ifrst"> J</li> - -<li class="indx"> Jamblichos <a href="#Seite_277">277</a>.</li> - -<li class="indx"> Japaner <a href="#Seite_123">123</a> f., <a href="#Seite_133">133</a>, <a href="#Seite_164">164</a>, <a href="#Seite_210">210</a>, <a href="#Seite_235">235</a>.</li> - -<li class="indx"> Jehuda Halevi <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Jenseits der Kulturvölker <a href="#Seite_192">192</a> ff.</li> - -<li class="isub2"> — — Naturvölker <a href="#Seite_71">71</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Jeremias, Alfred <a href="#Seite_110">110</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Jezira <a href="#Seite_291">291</a>.</li> - -<li class="indx"> Johannes, Apostel <a href="#Seite_265">265</a>.</li> - -<li class="ifrst"> K</li> - -<li class="indx"> Kabbala <a href="#Seite_290">290</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Kalpa <a href="#Seite_201">201</a>.</li> - -<li class="indx"> Kant, Immanuel <a href="#Seite_359">359</a> ff., <a href="#Seite_484">484</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Kapazität <a href="#Seite_457">457</a>.</li> - -<li class="indx"> Karäer <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Karlstadt <a href="#Seite_316">316</a>.</li> - -<li class="indx"> Karma <a href="#Seite_215">215</a>, <a href="#Seite_330">330</a>.</li> - -<li class="indx"> Karneades <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Katasterismen <a href="#Seite_34">34</a>.</li> - -<li class="indx"> <a name="kategorien" id="kategorien"></a>Kategorien <a href="#Seite_222">222</a> f., <a href="#Seite_360">360</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Kategorischer Imperativ <a href="#Seite_367">367</a>.</li> - -<li class="indx"> Kausalität <a href="#Seite_409">409</a>, <a href="#Seite_414">414</a> f., <a href="#Seite_474">474</a> ff. u. a. a. O.; -s. auch <a href="#kategorien">Kategorien</a>, <a href="#regulative">Regulative</a>.</li> - -<li class="indx"> Keimteilchen <a href="#Seite_423">423</a>, <a href="#Seite_447">447</a>.</li> - -<li class="indx"> Kelten <a href="#Seite_94">94</a> ff., <a href="#Seite_208">208</a>, <a href="#Seite_216">216</a>.</li> - -<li class="indx"> Kepler <a href="#Seite_345">345</a>.</li> - -<li class="indx"> Kiesewetter <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Kismet <a href="#Seite_138">138</a>, <a href="#Seite_288">288</a>.</li> - -<li class="indx"> Klopstock <a href="#Seite_150">150</a>.</li> - -<li class="indx"> Kohärente Systeme <a href="#Seite_441">441</a>, <a href="#Seite_467">467</a>.</li> - -<li class="indx"> Konstitutionsprinzip <a href="#Seite_366">366</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Kopernikus <a href="#Seite_321">321</a>, <a href="#Seite_428">428</a>, <a href="#Seite_432">432</a>.</li> - -<li class="indx"> Kosmos, κόσμος <a href="#Seite_238">238</a>, <a href="#Seite_240">240</a>, <a href="#Seite_481">481</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Kräfte als Wille <a href="#Seite_382">382</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Krause <a href="#Seite_328">328</a>.</li> - -<li class="indx"> Kritizismus <a href="#Seite_355">355</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Krönig <a href="#Seite_441">441</a>.</li> - -<li class="indx"> Kultur <a href="#Seite_80">80</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Kulturvölker <a href="#Seite_4">4</a>, <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_80">80</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Kyrenaiker <a href="#Seite_355">355</a> f.</li> - -<li class="ifrst"> L</li> - -<li class="indx"> Labilität <a href="#Seite_439">439</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Lactantius <a href="#Seite_270">270</a>.</li> - -<li class="indx"> Lamaismus <a href="#Seite_122">122</a>.</li> - -<li class="indx"> Lamarck <a href="#Seite_445">445</a>.</li> - -<li class="indx"> Lamettrie <a href="#Seite_435">435</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Lange, F. A. <a href="#Seite_422">422</a>, <a href="#Seite_438">438</a>.</li> - -<li class="indx"> Lao-tsse <a href="#Seite_210">210</a>, <a href="#Seite_220">220</a>, <a href="#Seite_235">235</a>, <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Lasson, Adolf <a href="#Seite_319">319</a>, <a href="#Seite_401">401</a>.</li> - -<li class="indx"> Lavater <a href="#Seite_396">396</a>.</li> - -<li class="indx"> Leben <a href="#Seite_16">16</a> ff., <a href="#Seite_482">482</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Lebenanschauung, Erklärung <a href="#Seite_1">1</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Leben-Reihe <a href="#Seite_220">220</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Lebensschicksal <a href="#Seite_182">182</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Leere <a href="#Seite_240">240</a>, <a href="#Seite_424">424</a>.</li> - -<li class="indx"> Leibniz <a href="#Seite_340">340</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Lessing <a href="#Seite_346">346</a>, <a href="#Seite_434">434</a>.</li> - -<li class="indx"> Leukippos <a href="#Seite_424">424</a>.</li> - -<li class="indx"> Liber scriptus <a href="#Seite_299">299</a>.</li> - -<li class="indx"> Liber vivus <a href="#Seite_299">299</a>.</li> - -<li class="indx"> Lichtreich <a href="#Seite_272">272</a>.</li> - -<li class="indx"> Lilith <a href="#Seite_150">150</a>.</li> - -<li class="indx"> Lippert <a href="#Seite_40">40</a> ff., <a href="#Seite_84">84</a> ff., <a href="#Seite_90">90</a> ff., <a href="#Seite_102">102</a> f., <a href="#Seite_112">112</a>, <a href="#Seite_124">124</a> ff., <a href="#Seite_131">131</a>.</li> - -<li class="indx"> Littauer <a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_87">87</a>, <a href="#Seite_164">164</a>.</li> - -<li class="indx"> Livingstone <a href="#Seite_74">74</a>.</li> - -<li class="indx"> Locke, John <a href="#Seite_402">402</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Logos <a href="#Seite_142">142</a>, <a href="#Seite_262">262</a>, <a href="#Seite_265">265</a> ff., <a href="#Seite_422">422</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Longfellow <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx"> Longinus <a href="#Seite_277">277</a>.</li> - -<li class="indx"> Lotze <a href="#Seite_396">396</a> f.</li> - -<li class="indx"> Lucanus <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx"> Lucretius Carus <a href="#Seite_426">426</a> ff., <a href="#Seite_441">441</a>.</li> - -<li class="indx"> Lullus, Raimundus <a href="#Seite_305">305</a>.</li> - -<li class="indx"> Luther <a href="#Seite_265">265</a>, <a href="#Seite_314">314</a>.</li> - -<li class="ifrst"> M</li> - -<li class="indx"> Mach, Ernst <a href="#Seite_414">414</a>, <a href="#Seite_417">417</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Magier <a href="#Seite_112">112</a>.</li> - -<li class="indx"> Maimonides <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Malebranche <a href="#Seite_336">336</a>.</li> - -<li class="indx"> Mandäer <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Manichäer <a href="#Seite_270">270</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Manu <a href="#Seite_213">213</a>, <a href="#Seite_217">217</a>.</li> - -<li class="indx"> Märchen <a href="#Seite_22">22</a>.</li> - -<li class="indx"> Marsilius Ficinus <a href="#Seite_309">309</a>.</li> - -<li class="indx"> Maschinen <a href="#Seite_369">369</a>, <a href="#Seite_457">457</a>.</li> - -<li class="indx"> Materialismus <a href="#Seite_420">420</a> ff., <a href="#Seite_467">467</a> f., <a href="#Seite_477">477</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Materie <a href="#Seite_246">246</a>, <a href="#Seite_279">279</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Maui <a href="#Seite_4">4</a> ff., <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx"> Maxwell <a href="#Seite_441">441</a>, <a href="#Seite_466">466</a>.</li> - -<li class="indx"> Maya <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Mayavölker <a href="#Seite_125">125</a>.</li> - -<li class="indx"> Mechanismus <a href="#Seite_420">420</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> „Medizin“ <a href="#Seite_42">42</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Melanchthon <a href="#Seite_314">314</a>.</li> - -<li class="indx"> Melissos aus Samos <a href="#Seite_354">354</a>.</li> - -<li class="indx"> Mendelssohn, Moses <a href="#Seite_345">345</a>.</li> - -<li class="indx"> Menschenopfer <a href="#Seite_46">46</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Messiasidee <a href="#Seite_169">169</a>.</li> - -<li class="indx"> Metamorphosen <a href="#Seite_37">37</a>.</li> - -<li class="indx"> Metempsychose <a href="#Seite_214">214</a> f.</li> - -<li class="indx"> Metensomatose <a href="#Seite_214">214</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Mexikaner <a href="#Seite_124">124</a>.</li> - -<li class="indx"> Meyer, Ludwig <a href="#Seite_391">391</a>.</li> - -<li class="indx"> Milton <a href="#Seite_150">150</a>.</li> - -<li class="indx"> Mirabaud <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="indx"> Modus <a href="#Seite_335">335</a>, <a href="#Seite_392">392</a>.</li> - -<li class="indx"> Mohammedanismus <a href="#Seite_208">208</a>.</li> - -<li class="indx"> Moleschott <a href="#Seite_13">13</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Monaden <a href="#Seite_339">339</a>, <a href="#Seite_340">340</a> ff., <a href="#Seite_397">397</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Monismus <a href="#Seite_13">13</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Monistenbund <a href="#Seite_484">484</a>.</li> - -<li class="indx"> Monolatrie <a href="#Seite_70">70</a>.</li> - -<li class="indx"> Monotheismus <a href="#Seite_151">151</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Montaigne <a href="#Seite_330">330</a>.</li> - -<li class="indx"> Montesquieu <a href="#Seite_413">413</a>.</li> - -<li class="indx"> Morphologisch-Biologisches Ordnungsgesetz <a href="#Seite_453">453</a>.</li> - -<li class="indx"> Morphologisches Gesetz <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Mose de Leon <a href="#Seite_291">291</a>.</li> - -<li class="indx"> Motakhallim <a href="#Seite_287">287</a>.</li> - -<li class="indx"> Muatazile <a href="#Seite_287">287</a>.</li> - -<li class="indx"> Müller, Johannes <a href="#Seite_470">470</a>.</li> - -<li class="isub1"> — K. O. <a href="#Seite_205">205</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Max <a href="#Seite_20">20</a>, <a href="#Seite_24">24</a> ff., <a href="#Seite_33">33</a> f., <a href="#Seite_38">38</a>, <a href="#Seite_81">81</a>, <a href="#Seite_115">115</a>, <a href="#Seite_211">211</a>, <a href="#Seite_217">217</a>, <a href="#Seite_265">265</a>.</li> - -<li class="indx"> Multismus <a href="#Seite_13">13</a>.</li> - -<li class="indx"> Mysterien <a href="#Seite_57">57</a>.</li> - -<li class="indx"> Mystiker <a href="#Seite_290">290</a> f., <a href="#Seite_293">293</a> ff., <a href="#Seite_300">300</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Mystizismus <a href="#Seite_254">254</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Mythologie <a href="#Seite_56">56</a>.</li> - -<li class="ifrst"> N</li> - -<li class="indx"> Natur <a href="#Seite_251">251</a>.</li> - -<li class="indx"> Naturalismus <a href="#Seite_401">401</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Naturgesetze <a href="#Seite_439">439</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Naturphilosophen <a href="#Seite_231">231</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Naturphilosophie <a href="#Seite_376">376</a>.</li> - -<li class="indx"> Naturreligion <a href="#Seite_56">56</a> f.</li> - -<li class="indx"> Naturvölker <a href="#Seite_4">4</a>, <a href="#Seite_16">16</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Naturzweck <a href="#Seite_369">369</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Nekromantie <a href="#Seite_254">254</a>.</li> - -<li class="indx"> Nephesch <a href="#Seite_292">292</a>.</li> - -<li class="indx"> Neschamah <a href="#Seite_292">292</a>.</li> - -<li class="indx"> Neuplatonismus <a href="#Seite_277">277</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Neupythagoräer <a href="#Seite_255">255</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Neuspinozismus <a href="#Seite_396">396</a>.</li> - -<li class="indx"> Neuvitalismus <a href="#Seite_483">483</a>.</li> - -<li class="indx"> Newton <a href="#Seite_428">428</a>, <a href="#Seite_434">434</a>.</li> - -<li class="indx"> Nichtordnung, elementare <a href="#Seite_441">441</a>, <a href="#Seite_482">482</a>.</li> - -<li class="indx"> Nichtumkehrbarkeit <a href="#Seite_440">440</a> f.</li> - -<li class="indx"> Nietzsche <a href="#Seite_385">385</a>.</li> - -<li class="indx"> Nikolaus Cusanus <a href="#Seite_306">306</a>.</li> - -<li class="indx"> Nirvana <a href="#Seite_211">211</a> ff., <a href="#Seite_226">226</a>, <a href="#Seite_480">480</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Nominalisten <a href="#Seite_293">293</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Noumena <a href="#Seite_363">363</a>.</li> - -<li class="indx"> Nukleus <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Nus, νοῦς <a href="#Seite_243">243</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="ifrst"> O</li> - -<li class="indx"> Objektivation <a href="#Seite_379">379</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Occasionalismus <a href="#Seite_336">336</a>, <a href="#Seite_413">413</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Occultismus <a href="#Seite_254">254</a>.</li> - -<li class="indx"> Offenbarung <a href="#Seite_30">30</a>, <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - -<li class="indx"> Ontogenie <a href="#Seite_445">445</a> ff., <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Ophir <a href="#Seite_61">61</a>.</li> - -<li class="indx"> Ophiten <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Orakel <a href="#Seite_189">189</a>.</li> - -<li class="indx"> Orcus <a href="#Seite_205">205</a>.</li> - -<li class="indx"> Organisierte Dinge <a href="#Seite_369">369</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Wesen <a href="#Seite_369">369</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Orphiker <a href="#Seite_255">255</a> f.</li> - -<li class="indx"> Ossian <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx"> Ostwald, Wilhelm <a href="#Seite_454">454</a> ff., <a href="#Seite_462">462</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Otto III., Kaiser <a href="#Seite_300">300</a>.</li> - -<li class="indx"> Ovid <a href="#Seite_100">100</a>.</li> - -<li class="indx"> Ozeanier <a href="#Seite_17">17</a> ff.</li> - -<li class="ifrst"> P</li> - -<li class="indx"> Palingenesie <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> πᾶν, τό <a href="#Seite_231">231</a>, <a href="#Seite_255">255</a>.</li> - -<li class="indx"> Pan <a href="#Seite_255">255</a>.</li> - -<li class="indx"> Pandämonismus <a href="#Seite_56">56</a>.</li> - -<li class="indx"> Pandeismus <a href="#Seite_227">227</a> ff., <a href="#Seite_254">254</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Panpsychismus <a href="#Seite_235">235</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Panspermie <a href="#Seite_317">317</a>, <a href="#Seite_447">447</a>.</li> - -<li class="indx"> Pantheismus <a href="#Seite_227">227</a>, <a href="#Seite_390">390</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Pantheos <a href="#Seite_234">234</a>.</li> - -<li class="indx"> Paracelsus <a href="#Seite_316">316</a>.</li> - -<li class="indx"> Paradies <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_159">159</a>, <a href="#Seite_192">192</a> ff., <a href="#Seite_208">208</a>.</li> - -<li class="indx"> Paraklet <a href="#Seite_270">270</a>.</li> - -<li class="indx"> Parallelen, anthropologische <a href="#Seite_10">10</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Parallelismus, psychophysischer <a href="#Seite_393">393</a>, <a href="#Seite_397">397</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Paralogismen <a href="#Seite_363">363</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Parmenides <a href="#Seite_352">352</a>.</li> - -<li class="indx"> Pascal, Blaise <a href="#Seite_329">329</a>.</li> - -<li class="indx"> Patristische Philosophie <a href="#Seite_281">281</a>.</li> - -<li class="indx"> Patritius <a href="#Seite_317">317</a>.</li> - -<li class="indx"> Paulus Diaconus <a href="#Seite_45">45</a>.</li> - -<li class="indx"> Pausanias <a href="#Seite_97">97</a>.</li> - -<li class="indx"> Peraten <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Peripatetiker <a href="#Seite_253">253</a>.</li> - -<li class="indx"> Peruaner <a href="#Seite_125">125</a>.</li> - -<li class="indx"> Perzeption <a href="#Seite_341">341</a>.</li> - -<li class="indx"> Pessimismus <a href="#Seite_384">384</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Peters, Carl <a href="#Seite_61">61</a>.</li> - -<li class="indx"> Phänomenalismus <a href="#Seite_356">356</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Pherekydes <a href="#Seite_256">256</a>.</li> - -<li class="indx"> Philolaos <a href="#Seite_242">242</a>.</li> - -<li class="indx"> Philon <a href="#Seite_261">261</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Philostratos <a href="#Seite_257">257</a>.</li> - -<li class="indx"> Phönizier <a href="#Seite_108">108</a>.</li> - -<li class="indx"> Phylogenetische Evolution <a href="#Seite_452">452</a>.</li> - -<li class="indx"> Phylogenie <a href="#Seite_445">445</a> ff., <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Physische Energien <a href="#Seite_468">468</a> ff., <a href="#Seite_473">473</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Physizismus <a href="#Seite_420">420</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Pico Giovanni <a href="#Seite_310">310</a> f.</li> - -<li class="indx"> Pistis Sophia <a href="#Seite_274">274</a>.</li> - -<li class="indx"> Planck, Max <a href="#Seite_418">418</a>, <a href="#Seite_440">440</a>, <a href="#Seite_442">442</a>.</li> - -<li class="indx"> Platon <a href="#Seite_217">217</a> f., <a href="#Seite_221">221</a>, <a href="#Seite_244">244</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Pleroma <a href="#Seite_272">272</a>.</li> - -<li class="indx"> Plethon Gemistos <a href="#Seite_309">309</a>.</li> - -<li class="indx"> Plotinos <a href="#Seite_277">277</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Pluralismus <a href="#Seite_13">13</a>.</li> - -<li class="indx"> Plutarchos <a href="#Seite_257">257</a>.</li> - -<li class="indx"> Poincaré <a href="#Seite_417">417</a>.</li> - -<li class="indx"> Polarität <a href="#Seite_324">324</a>, <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Polygnotos <a href="#Seite_204">204</a>.</li> - -<li class="indx"> Polylatrie <a href="#Seite_70">70</a> f.</li> - -<li class="indx"> Polynesier <a href="#Seite_66">66</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Polytheismus <a href="#Seite_127">127</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Porphyrios <a href="#Seite_277">277</a>.</li> - -<li class="indx"> Positivismus <a href="#Seite_394">394</a>, <a href="#Seite_401">401</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Potentialität <a href="#Seite_250">250</a>, <a href="#Seite_414">414</a>.</li> - -<li class="indx"> Potenz, morphologische <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Prana <a href="#Seite_223">223</a>, <a href="#Seite_230">230</a>.</li> - -<li class="indx"> Prädestination <a href="#Seite_285">285</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Prädetermination <a href="#Seite_414">414</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Prediger <a href="#Seite_186">186</a>.</li> - -<li class="indx"> Preußen <a href="#Seite_87">87</a>.</li> - -<li class="indx"> Primalitäten <a href="#Seite_322">322</a>.</li> - -<li class="indx"> Prinzipe <a href="#Seite_7">7</a> ff., <a href="#Seite_367">367</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Prodikos <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Propheten <a href="#Seite_107">107</a>.</li> - -<li class="indx"> Protagoras <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Protoplasma <a href="#Seite_450">450</a> ff., <a href="#Seite_468">468</a>.</li> - -<li class="indx"> ψυχή <a href="#Seite_36">36</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Psychische Energien <a href="#Seite_454">454</a> ff., <a href="#Seite_468">468</a>.</li> - -<li class="indx"> Psychologie, assoziative <a href="#Seite_359">359</a>, <a href="#Seite_397">397</a>, <a href="#Seite_400">400</a>, <a href="#Seite_411">411</a>, <a href="#Seite_415">415</a>, <a href="#Seite_418">418</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Psychom <a href="#Seite_461">461</a>.</li> - -<li class="indx"> Psychophysik <a href="#Seite_398">398</a>.</li> - -<li class="indx"> Psychophysiologie <a href="#Seite_399">399</a>.</li> - -<li class="indx"> Psychoplasma <a href="#Seite_477">477</a>.</li> - -<li class="indx"> Pyramidentexte <a href="#Seite_198">198</a>.</li> - -<li class="indx"> Pyrrhon <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Pythagoräer <a href="#Seite_217">217</a>, <a href="#Seite_239">239</a>.</li> - -<li class="indx"> Pythagoras <a href="#Seite_239">239</a>.</li> - -<li class="ifrst"> Q</li> - -<li class="indx"> Qualitates occultae <a href="#Seite_313">313</a>.</li> - -<li class="indx"> Quellgeister <a href="#Seite_325">325</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Quincke <a href="#Seite_468">468</a>.</li> - -<li class="indx"> Quinta essentia <a href="#Seite_313">313</a>, <a href="#Seite_316">316</a>.</li> - -<li class="ifrst"> R</li> - -<li class="indx"> Rabbaniten <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Ramanuga <a href="#Seite_258">258</a>.</li> - -<li class="indx"> Rationalismus <a href="#Seite_333">333</a>.</li> - -<li class="indx"> Ratzel <a href="#Seite_61">61</a>.</li> - -<li class="indx"> Raum <a href="#Seite_246">246</a>, <a href="#Seite_360">360</a>, <a href="#Seite_433">433</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Realen <a href="#Seite_347">347</a>.</li> - -<li class="indx"> Realismus <a href="#Seite_349">349</a> ff., <a href="#Seite_401">401</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Realisten <a href="#Seite_293">293</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Regeneration <a href="#Seite_453">453</a>.</li> - -<li class="indx"> Regulation <a href="#Seite_454">454</a>, <a href="#Seite_481">481</a>.</li> - -<li class="isub1"> — biologische <a href="#Seite_454">454</a>.</li> - -<li class="isub1"> — morphologische <a href="#Seite_454">454</a>.</li> - -<li class="indx"> <a name="regulative" id="regulative"></a>Regulative <a href="#Seite_360">360</a> ff., <a href="#Seite_365">365</a> ff., <a href="#Seite_439">439</a> ff. <a href="#Seite_471">471</a>.</li> - -<li class="indx"> Reinkarnation <a href="#Seite_211">211</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Reinke <a href="#Seite_483">483</a>.</li> - -<li class="indx"> Religionsursprung <a href="#Seite_23">23</a> ff., <a href="#Seite_434">434</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Rephaim <a href="#Seite_193">193</a>.</li> - -<li class="indx"> Restitution <a href="#Seite_452">452</a> f.</li> - -<li class="indx"> Resurrektion <a href="#Seite_79">79</a>.</li> - -<li class="indx"> Reuchlin, Johann <a href="#Seite_311">311</a>.</li> - -<li class="indx"> Reversibilität <a href="#Seite_440">440</a> f.</li> - -<li class="indx"> Richard von St. Victor <a href="#Seite_302">302</a>.</li> - -<li class="indx"> Riehl <a href="#Seite_401">401</a>.</li> - -<li class="indx"> Rigveda <a href="#Seite_20">20</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Ritter, Heinrich <a href="#Seite_466">466</a>.</li> - -<li class="indx"> Römer <a href="#Seite_50">50</a>, <a href="#Seite_98">98</a> ff., <a href="#Seite_129">129</a>, <a href="#Seite_143">143</a>, <a href="#Seite_172">172</a>, <a href="#Seite_203">203</a>.</li> - -<li class="indx"> Rousseau <a href="#Seite_413">413</a>.</li> - -<li class="indx"> Ruach <a href="#Seite_292">292</a>.</li> - -<li class="indx"> Rudimentäre Organe <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Runen <a href="#Seite_94">94</a>.</li> - -<li class="indx"> Ruysbroek <a href="#Seite_304">304</a>.</li> - -<li class="ifrst"> S</li> - -<li class="indx"> Salomon ben Gabirol <a href="#Seite_291">291</a>.</li> - -<li class="indx"> Samenteilchen, Keimteilchen <a href="#Seite_423">423</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Sankara <a href="#Seite_260">260</a>, <a href="#Seite_351">351</a>.</li> - -<li class="indx"> Sankhya <a href="#Seite_259">259</a>.</li> - -<li class="indx"> Satan <a href="#Seite_149">149</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Schamanismus <a href="#Seite_39">39</a>, <a href="#Seite_44">44</a> ff., <a href="#Seite_122">122</a>.</li> - -<li class="indx"> Scheible <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Schelling <a href="#Seite_327">327</a>, <a href="#Seite_375">375</a>.</li> - -<li class="indx"> Schicksalsgottheiten <a href="#Seite_136">136</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Schiller <a href="#Seite_367">367</a>.</li> - -<li class="indx"> Schleiermacher <a href="#Seite_378">378</a>.</li> - -<li class="indx"> Schmitt, Heinrich <a href="#Seite_267">267</a>, <a href="#Seite_271">271</a>, <a href="#Seite_274">274</a>.</li> - -<li class="indx"> Scholastiker <a href="#Seite_293">293</a> f., <a href="#Seite_305">305</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Schopenhauer <a href="#Seite_379">379</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Schöpfer <a href="#Seite_131">131</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Schöpfung <a href="#Seite_464">464</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Schwartz, W. <a href="#Seite_132">132</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwenkfeld <a href="#Seite_316">316</a>.</li> - -<li class="indx"> Scotus Erigena <a href="#Seite_283">283</a> f.</li> - -<li class="indx"> Seele <a href="#Seite_36">36</a> ff., <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_71">71</a> ff., <a href="#Seite_343">343</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Seelenarten <a href="#Seite_221">221</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Seelenkult <a href="#Seite_43">43</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Seelentätigkeiten <a href="#Seite_221">221</a> ff., <a href="#Seite_473">473</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Seelenwanderung <a href="#Seite_211">211</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Selbsterhaltung <a href="#Seite_347">347</a>, <a href="#Seite_436">436</a>, <a href="#Seite_444">444</a>.</li> - -<li class="indx"> Sensualismus <a href="#Seite_356">356</a>, <a href="#Seite_394">394</a>, <a href="#Seite_401">401</a> ff., <a href="#Seite_425">425</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Seraphim <a href="#Seite_280">280</a>.</li> - -<li class="indx"> Shintoismus <a href="#Seite_123">123</a>.</li> - -<li class="indx"> Sigê <a href="#Seite_271">271</a>.</li> - -<li class="indx"> Simon Magus <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Sirenen <a href="#Seite_73">73</a> f.</li> - -<li class="indx"> Skeptizismus <a href="#Seite_354">354</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Slawen <a href="#Seite_85">85</a> ff., <a href="#Seite_208">208</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Sohar <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - -<li class="indx"> Sokrates <a href="#Seite_219">219</a>, <a href="#Seite_248">248</a>.</li> - -<li class="indx"> Soma <a href="#Seite_117">117</a>.</li> - -<li class="indx"> Sophia <a href="#Seite_267">267</a> ff., <a href="#Seite_272">272</a>.</li> - -<li class="indx"> Sophisten <a href="#Seite_354">354</a> f.</li> - -<li class="indx"> Speiseverbote <a href="#Seite_191">191</a>.</li> - -<li class="indx"> Spektralanalyse <a href="#Seite_442">442</a>.</li> - -<li class="indx"> Spencer, Herbert <a href="#Seite_420">420</a>.</li> - -<li class="indx"> Speusippos <a href="#Seite_249">249</a>.</li> - -<li class="indx"> Sphärenharmonie <a href="#Seite_242">242</a>.</li> - -<li class="indx"> Spieß <a href="#Seite_77">77</a>.</li> - -<li class="indx"> Spinoza <a href="#Seite_337">337</a>, <a href="#Seite_390">390</a> ff., <a href="#Seite_484">484</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Spinozismus <a href="#Seite_390">390</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Spiritismus <a href="#Seite_254">254</a>.</li> - -<li class="indx"> Stabilität <a href="#Seite_439">439</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Stammannahmen <a href="#Seite_7">7</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Stammbegriffe <a href="#Seite_360">360</a> ff.; s. auch <a href="#kategorien">Kategorien</a>.</li> - -<li class="indx"> Stephens, John <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Steresis <a href="#Seite_251">251</a>.</li> - -<li class="indx"> Sterne, Carus <a href="#Seite_113">113</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Stirner, Max <a href="#Seite_386">386</a>.</li> - -<li class="indx"> Stoff <a href="#Seite_250">250</a>.</li> - -<li class="indx"> Stoiker <a href="#Seite_232">232</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Strabon <a href="#Seite_112">112</a>.</li> - -<li class="indx"> Stuhlmann <a href="#Seite_52">52</a>.</li> - -<li class="indx"> Substanz <a href="#Seite_335">335</a>, <a href="#Seite_392">392</a> ff.; s. auch <a href="#dingansich">Ding-an-sich</a>.</li> - -<li class="indx"> Sufismus <a href="#Seite_258">258</a>.</li> - -<li class="indx"> Sundainseln <a href="#Seite_17">17</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Sündenfall <a href="#Seite_159">159</a> f.</li> - -<li class="indx"> Supranaturalismus <a href="#Seite_254">254</a>.</li> - -<li class="indx"> Swedenborg <a href="#Seite_330">330</a>.</li> - -<li class="indx"> Sympathie der Dinge <a href="#Seite_277">277</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Synesius <a href="#Seite_269">269</a>.</li> - -<li class="indx"> Syzygien <a href="#Seite_271">271</a>.</li> - -<li class="ifrst"> T</li> - -<li class="indx"> Tabu <a href="#Seite_48">48</a>.</li> - -<li class="indx"> Tacitus <a href="#Seite_88">88</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Tangaroa <a href="#Seite_69">69</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Tao <a href="#Seite_121">121</a>, <a href="#Seite_143">143</a>, <a href="#Seite_210">210</a>.</li> - -<li class="indx"> Taurellus <a href="#Seite_323">323</a>.</li> - -<li class="indx"> Teleologie <a href="#Seite_251">251</a> f., <a href="#Seite_367">367</a>, <a href="#Seite_397">397</a>.</li> - -<li class="indx"> Telesius <a href="#Seite_317">317</a>.</li> - -<li class="indx"> Teufel <a href="#Seite_37">37</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Thales <a href="#Seite_236">236</a>.</li> - -<li class="indx"> Themistokles <a href="#Seite_97">97</a>.</li> - -<li class="indx"> Theogonie <a href="#Seite_131">131</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Theosophie <a href="#Seite_223">223</a>, <a href="#Seite_253">253</a> ff., <a href="#Seite_286">286</a> ff., <a href="#Seite_330">330</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Therapeuten <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Theophanie <a href="#Seite_284">284</a>.</li> - -<li class="indx"> Theromorphie <a href="#Seite_101">101</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Theurgie <a href="#Seite_254">254</a>.</li> - -<li class="indx"> Thomas von Aquino <a href="#Seite_296">296</a>.</li> - -<li class="indx"> Thomson, William <a href="#Seite_448">448</a>, <a href="#Seite_466">466</a>.</li> - -<li class="indx"> Thronen <a href="#Seite_280">280</a>.</li> - -<li class="indx"> Totemismus <a href="#Seite_39">39</a>, <a href="#Seite_47">47</a>.</li> - -<li class="indx"> Totenbehandlung <a href="#Seite_41">41</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Totenbuch <a href="#Seite_199">199</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Totenkahn <a href="#Seite_72">72</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Totenkult <a href="#Seite_72">72</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Totenland <a href="#Seite_73">73</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Totenrichter <a href="#Seite_192">192</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Totenvögel <a href="#Seite_73">73</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Trägheit <a href="#Seite_340">340</a>, <a href="#Seite_436">436</a>, <a href="#Seite_439">439</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Transzendentalismus <a href="#Seite_359">359</a> ff., <a href="#Seite_484">484</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Transzendenz <a href="#Seite_350">350</a> ff., <a href="#Seite_400">400</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Träume <a href="#Seite_43">43</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Twesten <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx"> Tylor <a href="#Seite_34">34</a> f., <a href="#Seite_49">49</a>.</li> - -<li class="ifrst"> U</li> - -<li class="indx"> Überlebsel <a href="#Seite_55">55</a>.</li> - -<li class="indx"> Umkehrbarkeit <a href="#Seite_440">440</a>.</li> - -<li class="indx"> Unbewußtes <a href="#Seite_386">386</a> ff., <a href="#Seite_474">474</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Unendlichkeit <a href="#Seite_363">363</a> f., <a href="#Seite_464">464</a>.</li> - -<li class="indx"> Universalien <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Unsterblichkeit <a href="#Seite_192">192</a> ff., <a href="#Seite_204">204</a>, <a href="#Seite_220">220</a> ff., <a href="#Seite_395">395</a>, <a href="#Seite_479">479</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Unterwelt <a href="#Seite_171">171</a> ff., <a href="#Seite_192">192</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Upanishaden <a href="#Seite_201">201</a>, <a href="#Seite_211">211</a> f., <a href="#Seite_385">385</a>.</li> - -<li class="indx"> Urwesen <a href="#Seite_446">446</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Urzustand <a href="#Seite_417">417</a>, <a href="#Seite_481">481</a>.</li> - -<li class="indx"> Utilismus <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="ifrst"> V</li> - -<li class="indx"> Vaiseshika <a href="#Seite_424">424</a>.</li> - -<li class="indx"> Valentinus <a href="#Seite_271">271</a>.</li> - -<li class="indx"> Vedantaphilosophie <a href="#Seite_212">212</a> f., <a href="#Seite_258">258</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Vedareligion <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx"> Vererbung <a href="#Seite_444">444</a> ff.</li> - -<li class="isub1"> — biologische <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="isub1"> — funktionale <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Lokalisations- <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="isub1"> — morphologische <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Verworn <a href="#Seite_420">420</a>.</li> - -<li class="indx"> Virgil <a href="#Seite_206">206</a>.</li> - -<li class="indx"> Vischer, Friedrich <a href="#Seite_35">35</a>.</li> - -<li class="indx"> Vitalismus <a href="#Seite_483">483</a>.</li> - -<li class="indx"> Vogt, Karl <a href="#Seite_438">438</a>.</li> - -<li class="indx"> Volksetymologie <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx"> Voltaire <a href="#Seite_435">435</a>.</li> - -<li class="indx"> Vorstellung, die Welt als <a href="#Seite_379">379</a> ff.</li> - -<li class="ifrst"> W</li> - -<li class="indx"> Wahrheit, doppelte <a href="#Seite_285">285</a>, <a href="#Seite_331">331</a>.</li> - -<li class="indx"> Wahrsagung <a href="#Seite_189">189</a>.</li> - -<li class="indx"> Walhalla <a href="#Seite_207">207</a>.</li> - -<li class="indx"> Weigel <a href="#Seite_323">323</a>.</li> - -<li class="indx"> Weinstein <a href="#Seite_150">150</a>.</li> - -<li class="indx"> Weismann <a href="#Seite_447">447</a>.</li> - -<li class="indx"> Weissagungen <a href="#Seite_107">107</a>.</li> - -<li class="indx"> Weltanfang <a href="#Seite_416">416</a> ff., <a href="#Seite_464">464</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Weltanschauung, Erklärung <a href="#Seite_1">1</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Weltbau <a href="#Seite_170">170</a> ff., <a href="#Seite_252">252</a>.</li> - -<li class="indx"> Weltbaum <a href="#Seite_110">110</a>, <a href="#Seite_132">132</a>.</li> - -<li class="indx"> Weltentstehung <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_67">67</a> ff., <a href="#Seite_155">155</a>, <a href="#Seite_240">240</a>, <a href="#Seite_335">335</a>.</li> - -<li class="indx"> Welterlösung <a href="#Seite_389">389</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Weltgang <a href="#Seite_440">440</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Weltgesetze <a href="#Seite_439">439</a> ff., <a href="#Seite_467">467</a>.</li> - -<li class="indx"> Welträtsel <a href="#Seite_461">461</a> ff., <a href="#Seite_483">483</a>.</li> - -<li class="indx"> Weltseele <a href="#Seite_247">247</a>, <a href="#Seite_278">278</a>, <a href="#Seite_313">313</a>, <a href="#Seite_321">321</a>.</li> - -<li class="indx"> Weltuntergang <a href="#Seite_166">166</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Weltvernunft <a href="#Seite_243">243</a>, <a href="#Seite_278">278</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Weltwiederholung <a href="#Seite_237">237</a>, <a href="#Seite_346">346</a>, <a href="#Seite_386">386</a>, <a href="#Seite_416">416</a>, <a href="#Seite_425">425</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Widergott <a href="#Seite_267">267</a>.</li> - -<li class="indx"> Wiedertäufer <a href="#Seite_316">316</a>.</li> - -<li class="indx"> „Wilde“ <a href="#Seite_70">70</a>.</li> - -<li class="indx"> Wille, die Welt als <a href="#Seite_379">379</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Windischmann <a href="#Seite_174">174</a>.</li> - -<li class="indx"> Wirklichkeitsphilosophie <a href="#Seite_398">398</a>, <a href="#Seite_416">416</a>.</li> - -<li class="indx"> Wirklichkeit, transzendente <a href="#Seite_350">350</a> ff., <a href="#Seite_360">360</a> ff. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Wolff, Caspar Friedrich <a href="#Seite_447">447</a>.</li> - -<li class="isub1"> — Christian <a href="#Seite_345">345</a>.</li> - -<li class="indx"> Wollheim da Fonseca <a href="#Seite_200">200</a>.</li> - -<li class="indx"> „Wort“ <a href="#Seite_265">265</a>, s. Logos.</li> - -<li class="indx"> Wunderglaube <a href="#Seite_21">21</a>, <a href="#Seite_283">283</a>.</li> - -<li class="indx"> Wundt, Wilh. <a href="#Seite_399">399</a> ff.</li> - -<li class="ifrst"> X</li> - -<li class="indx"> Xenokrates <a href="#Seite_249">249</a>.</li> - -<li class="indx"> Xenophanes <a href="#Seite_231">231</a>, <a href="#Seite_351">351</a>.</li> - -<li class="ifrst"> Y</li> - -<li class="indx"> Yamazaki-Ansai <a href="#Seite_235">235</a>.</li> - -<li class="indx"> Yelch <a href="#Seite_62">62</a>, <a href="#Seite_73">73</a>.</li> - -<li class="indx"> ὕλη <a href="#Seite_236">236</a>.</li> - -<li class="indx"> Yoga <a href="#Seite_260">260</a>.</li> - -<li class="ifrst"> Z</li> - -<li class="indx"> Zahl <a href="#Seite_240">240</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Zalmaweth <a href="#Seite_193">193</a>.</li> - -<li class="indx"> Zauberer und Zauberwesen <a href="#Seite_53">53</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Zehnder <a href="#Seite_46">46</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Zeit <a href="#Seite_360">360</a>, <a href="#Seite_406">406</a> u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Zeitatome <a href="#Seite_287">287</a>.</li> - -<li class="indx"> Zenogenesie <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Zenon <a href="#Seite_353">353</a> f.</li> - -<li class="indx"> Zöllner, Friedrich <a href="#Seite_398">398</a>.</li> - -<li class="indx"> Zufall <a href="#Seite_182">182</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Zwangsmechanismus <a href="#Seite_428">428</a> ff., <a href="#Seite_435">435</a> f. u. a. a. O.</li> - -<li class="indx"> Zweckmäßigkeit <a href="#Seite_372">372</a>, <a href="#Seite_472">472</a> f.</li> - -<li class="indx"> Zwingli <a href="#Seite_315">315</a>.</li></ul> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<div class="transnote mtop3"> - -<p class="s4 center mbot2"><b>Anmerkungen zur Transkription:</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand des 1910 erschienenen Buchausgabe -so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung -und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend -korrigiert. Verschiedene Schreibweisen, insbesondere hinsichtlich -Bindestrichen und Akzenten, sowie der Verwendung von Apostrophen beim -‚Genitiv-s‘ wurden hingegen dem Originaltext gemäß belassen.</p> - -<p class="nohtml p0">Gesperrt gedruckte Passagen werden in <em>kursiver</em> -Schrift dargestellt.</p> - -</div> - -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Welt- und Lebenanschauungen; -hervorgegangen aus Religion,, by Max Bernhard Weinstein - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELT- UND LEBENANSCHAUUNGEN *** - -***** This file should be named 51586-h.htm or 51586-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/1/5/8/51586/ - -Produced by Mark C. Orton, Knujon Mapson, Reiner Ruf, and -the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. Special rules, -set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to -copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to -protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project -Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you -charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you -do not charge anything for copies of this eBook, complying with the -rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose -such as creation of derivative works, reports, performances and -research. They may be modified and printed and given away--you may do -practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License (available with this file or online at -http://gutenberg.org/license). - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy -all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. -If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project -Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the -terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or -entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement -and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic -works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" -or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project -Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the -collection are in the public domain in the United States. If an -individual work is in the public domain in the United States and you are -located in the United States, we do not claim a right to prevent you from -copying, distributing, performing, displaying or creating derivative -works based on the work as long as all references to Project Gutenberg -are removed. Of course, we hope that you will support the Project -Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by -freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of -this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with -the work. You can easily comply with the terms of this agreement by -keeping this work in the same format with its attached full Project -Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in -a constant state of change. If you are outside the United States, check -the laws of your country in addition to the terms of this agreement -before downloading, copying, displaying, performing, distributing or -creating derivative works based on this work or any other Project -Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning -the copyright status of any work in any country outside the United -States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate -access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently -whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the -phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project -Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, -copied or distributed: - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived -from the public domain (does not contain a notice indicating that it is -posted with permission of the copyright holder), the work can be copied -and distributed to anyone in the United States without paying any fees -or charges. If you are redistributing or providing access to a work -with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the -work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 -through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the -Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or -1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional -terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked -to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the -permission of the copyright holder found at the beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any -word processing or hypertext form. However, if you provide access to or -distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than -"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version -posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), -you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a -copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon -request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other -form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm -License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided -that - -- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is - owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he - has agreed to donate royalties under this paragraph to the - Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments - must be paid within 60 days following each date on which you - prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax - returns. Royalty payments should be clearly marked as such and - sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the - address specified in Section 4, "Information about donations to - the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." - -- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or - destroy all copies of the works possessed in a physical medium - and discontinue all use of and all access to other copies of - Project Gutenberg-tm works. - -- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any - money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days - of receipt of the work. - -- You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm -electronic work or group of works on different terms than are set -forth in this agreement, you must obtain permission in writing from -both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael -Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the -Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -public domain works in creating the Project Gutenberg-tm -collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic -works, and the medium on which they may be stored, may contain -"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or -corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual -property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a -computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by -your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium with -your written explanation. The person or entity that provided you with -the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a -refund. If you received the work electronically, the person or entity -providing it to you may choose to give you a second opportunity to -receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy -is also defective, you may demand a refund in writing without further -opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER -WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO -WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. -If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the -law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be -interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by -the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any -provision of this agreement shall not void the remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance -with this agreement, and any volunteers associated with the production, -promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, -harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, -that arise directly or indirectly from any of the following which you do -or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm -work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any -Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. - - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of computers -including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit http://pglaf.org - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. -To donate, please visit: http://pglaf.org/donate - - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic -works. - -Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm -concept of a library of electronic works that could be freely shared -with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project -Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. - - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. -unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/51586-h/images/cover.jpg b/old/51586-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 1d14ac3..0000000 --- a/old/51586-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-086_a.jpg b/old/51586-h/images/illus-086_a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index a62710e..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-086_a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-086_b.jpg b/old/51586-h/images/illus-086_b.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index fa89af0..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-086_b.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-120.jpg b/old/51586-h/images/illus-120.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index c41b99a..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-120.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-138.jpg b/old/51586-h/images/illus-138.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 0ec779a..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-138.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-172.jpg b/old/51586-h/images/illus-172.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 4dd8528..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-172.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-187.jpg b/old/51586-h/images/illus-187.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index e532858..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-187.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-188.jpg b/old/51586-h/images/illus-188.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 376d622..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-188.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-190.jpg b/old/51586-h/images/illus-190.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 21d4601..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-190.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/illus-193.jpg b/old/51586-h/images/illus-193.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 19e3dc7..0000000 --- a/old/51586-h/images/illus-193.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/51586-h/images/signet.jpg b/old/51586-h/images/signet.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 5b2eed5..0000000 --- a/old/51586-h/images/signet.jpg +++ /dev/null |
