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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Der Wanderer zwischen den Welten - Ein Kriegserlebnis - -Author: Walter Flex - -Release Date: May 21, 2016 [EBook #52118] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WANDERER ZWISCHEN DEN WELTEN *** - - - - -Produced by Peter Becker and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - - Das Original ist in Fraktur gesetzt. - - Im Original gesperrter Text ist +so dargestellt+. - - Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so dargestellt~. - - Im Original fetter Text ist =so dargestellt.= - - Weitere Anmerkungen finden sich am Ende des Buches. - - - - - Walter Flex - - Der Wanderer zwischen beiden Welten - - - - - »Auf Poesie ist die Sicherheit - der Throne gegründet.« - - +Gneisenau+ - - - - - Der Wanderer - zwischen beiden Welten - - Ein Kriegserlebnis - - von - - Walter Flex - - 40. bis 42. Auflage. Mit einem Nachwort - - 131. bis 140. Tausend - - [Illustration] - - C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung - Oskar Beck München 1918 - - ~By~ - - - - - Dem Gedächtnis meines lieben Freundes - - +Ernst Wurche+ - - Kriegsfreiwillig im 3. Niederschlesischen Inf.-Rgt. 50 - Leutnant d. R. im 3. Unterelsässischen Inf.-Rgt. 138 - - - - -Eine stürmische Vorfrühlingsnacht ging durch die kriegswunden -Laubwälder Welsch-Lothringens, wo monatelanger Eisenhagel jeden Stamm -gezeichnet und zerschroten hatte. Ich lag als Kriegsfreiwilliger -wie hundert Nächte zuvor auf der granatenzerpflügten Waldblöße als -Horchposten und sah mit windheißen Augen in das flackernde Helldunkel -der Sturmnacht, durch die ruhlose Scheinwerfer über deutsche und -französische Schützengräben wanderten. Der Braus des Nachtsturms -schwoll anbrandend über mich hin. Fremde Stimmen füllten die zuckende -Luft. Über Helmspitze und Gewehrlauf hin sang und pfiff es schneidend, -schrill und klagend, und hoch über den feindlichen Heerhaufen, die -sich lauernd im Dunkel gegenüberlagen, zogen mit messerscharfem Schrei -wandernde Graugänse nach Norden. - -Die verflackernde Lichtfülle schweifender Leuchtkugeln hellte wieder -und wieder in jähem Überfall die klumpigen Umrisse kauernder Gestalten -auf, die in Mantel und Zeltbahn gehüllt gleich mir, eine Kette von -Spähern, sich vor unseren Drahtverhauen in Erdmulden und Kalkgruben -schmiegten. Die Postenkette unsres schlesischen Regiments zog sich vom -Bois des Chevaliers hinüber zum Bois de Vérines, und das wandernde Heer -der wilden Gänse strich gespensterhaft über uns alle dahin. Ohne im -Dunkel die ineinanderlaufenden Zeilen zu sehen, schrieb ich auf einen -Fetzen Papier ein paar Verse: - - Wildgänse rauschen durch die Nacht - Mit schrillem Schrei nach Norden -- - Unstäte Fahrt! Habt acht, habt acht! - Die Welt ist voller Morden. - - Fahrt durch die nachtdurchwogte Welt, - Graureisige Geschwader! - Fahlhelle zuckt, und Schlachtruf gellt, - Weit wallt und wogt der Hader. - - Rausch' zu, fahr' zu, du graues Heer! - Rauscht zu, fahrt zu nach Norden! - Fahrt ihr nach Süden übers Meer -- - Was ist aus uns geworden! - - Wir sind wie ihr ein graues Heer - Und fahr'n in Kaisers Namen, - Und fahr'n wir ohne Wiederkehr, - Rauscht uns im Herbst ein Amen! - -Während ich das im Bois des Chevaliers schrieb, lag drüben -im Vérines-Walde ein zwanzigjähriger Student der Theologie, -Kriegsfreiwilliger gleich mir, auf Horchposten. Wir wußten damals noch -nichts voneinander. Aber als er, Monate später, die Verse in meinen -Kriegstagebuchblättern fand, entsann er sich deutlich jener Nacht und -des wandernden Gänseheers, das über uns beide dahinzog. Beide sahen -wir ihm mit den gleichen Gedanken nach. Und an uns beide trat in -derselben Stunde aus dem Dunkel der hinter uns liegenden Gräben eine -Gefechtsordonnanz mit dem Befehl, uns um Mitternacht marschfertig vor -dem Regimentsgeschäftszimmer zu melden. Mit müden und doch seltsam -wachen Sinnen sahen wir im Abstieg noch einmal die schwermütige -Schönheit der kahlen, grauen Hänge und Mulden, deren Kalk im Mondlicht -tot, fremd und schwer wird, und die lichtlose, graue Einsamkeit der -zerschossenen und verlassenen Steinhütten ... - -Im Geschäftszimmer des Regiments erfuhren wir, daß wir bei Morgengrauen -mit zwanzig andern Kriegsfreiwilligen nach Deutschland in Marsch -gesetzt würden, um im Posener Warthelager eine Offiziersausbildung -durchzumachen. - -Auf der abschüssigen Dorfstraße zwischen der granatenzertrümmerten -Kirche und dem Pfarrhaus mit seinen Kriegergräbern trat unser kleiner -Trupp in der Frühe des folgenden Tages an. Zur gleichen Zeit wie wir -sollte ein Kommando von Berufsschlächtern, die zur Verwendung in der -Heimat aus der Truppe gezogen waren, den Ort verlassen. Während wir -nun in Reih und Glied, des Marschbefehls gewärtig, vor dem Pfarrhaus -standen, trat ein Major an uns heran und rief uns von weitem zu: -»Seid Ihr die Metzger, Kerls?« und ein Chorus von beleidigten und -vergnügten Stimmen antwortete: »Nein, Herr Major, wir sind die -Offiziersaspiranten!« Während der Major mit einem verdrießlichen -Gemurmel an unserm grauen Häuflein vorbei die Suche nach seinen -Metzgern fortsetzte, sah ich zufällig in ein paar auffallend schöne -lichtgraue Menschenaugen. Sie gehörten meinem Nebenmann und standen -randvoll fröhlichen Lachens. Wir sahen uns an und begegneten uns in -der Freude an einem jener kleinen harmlos-spaßhaften Erlebnisse, an -denen unser Kriegsfreiwilligendasein reich war. Was für reine Augen -hat der junge Mensch! dachte ich und merkte beim Aufruf durch den -Regimentsschreiber auf seinen Namen. »Ernst Wurche.« »Hier!« Nun, -dachte ich, es ist hübsch, daß du und ich den gleichen Weg haben ... - -Ein paar Stunden später stieg unser kleiner Trupp die mit Strömen von -Heldenblut getränkten Höhen der Côtes Lorraines von Hâtonchatel nach -Vigneulles hinab. Der steile Abstieg und die von Tau und Sonne sprühend -frische Luft rückte einem, ohne daß man's recht wußte, den Kopf in -den Nacken, und bald flatterte ein Lied wie eine helle frohe Fahne -über dem grauen Häuflein. »Wohlauf, die Luft geht frisch und rein! Wer -lange sitzt, muß rosten. Den allersonnigsten Sonnenschein läßt uns der -Himmel kosten.« Wie lange hatte man das nicht gesungen! Wer hatte es -angestimmt? Der junge Student mir zur Seite hatte eine Stimme, so hell -und rein wie seine Augen. Wer so singt, mit dem wird gut plaudern sein, -dachte ich, während er unbekümmert froh die frischerwachte Wanderlust -im Liede ausschwingen ließ ... - -Steiler und steiler drängte die Straße in die weite lothringische -Ebene hinab. In scharfer Wendung zwang sie auf halber Höhe plötzlich -den Blick rückwärts und hinauf zu der in Morgenröte und Frühnebeln -badenden Kirche von Hâtonchatel, aus deren gotischem Zierat die -junge Sonne gleichsam in hellen Bächen hervorsickerte, empor zu den -zerschossenen Häusern, die sie umdrängten, und zu dem Bergfriedhof -davor, über dessen graue Mauern das Leben in Büscheln frischen Grüns -mit hundert schlanken Zweigen voll silbrig schimmernden Teufelszwirns -und schwellender Haselkätzchen hinausdrängte. Je tiefer wir stiegen, -desto thronender hob sich über das Tal und die taufeuchten Rebenhänge, -in immer hellerer Sonne schwelgend, die Kirchenruine von Hâtonchatel, -eine Gottesburg, vor der sich das reiche Land hinauf und hinab breitete -wie ein Gebetsteppich für Scharen von Pilgern. - -Vielleicht hätte ich dies alles nicht so gesehen ohne den -zwanzigjährigen Kameraden neben mir. Er sang nicht mehr, sondern war -ganz in Schauen und Schreiten versunken. Trotz und Demut, die Anmut des -Jünglings, lagen wie ein Glanz über der Haltung des straffen Körpers, -dem schlanken Kraftwuchs der Glieder, dem stolzen Nacken und der -eigenwilligen Schönheit von Mund und Kinn. Sein Gehen war federnde, in -sich beruhende und lässig bewegte Kraft, jenes Gehen, das »Schreiten« -heißt, ein geruhiges, stolzes und in Stunden der Gefahr hochmütiges -Schreiten. Der Gang dieses Menschen konnte Spiel sein oder Kampf oder -Gottesdienst, je nach der Stunde. Er war Andacht und Freude. Wie -der schlanke, schöne Mensch in dem abgetragenen grauen Rock wie ein -Pilger den Berg hinabzog, die lichten grauen Augen ganz voll Glanz -und zielsicherer Sehnsucht, war er wie Zarathustra, der von den Höhen -kommt, oder der Goethesche Wandrer. Die Sonne spielte durch den feinen -Kalkstaub, den seine und unsere Füße aufrührten, und der helle Stein -der Bergstraße schien unter seinen Sohlen zu klingen ... - -Sein Gang war Wille und Freude. Er ging aus Vergangenheit in Zukunft, -aus den Lehrjahren ging er in seine Meisterjahre hinüber. Hinter ihm -versanken die Berge, auf denen er mit Picke und Spaten geschanzt -hatte, die Wälder, deren zentnerschwere Stämme er stundenweit auf -willigen Schultern getragen, die Dörfer, deren Straßen er mit Schaufel -und Kotrechen saubergehalten hatte, die Gräben, in denen er zu allen -Stunden des Tages und der Nacht seinen Wachdienst getan und die -Erdlöcher und Unterstände, in denen er soviel Monate hindurch mit -Handwerkern, Fabrikern und polnischen Landarbeitern gute Kameradschaft -gehalten hatte. Er hatte sechs Monate hindurch den grauen Rock ohne -Knopf und Tressen getragen, und von den härtesten und niedrigsten -Diensten war ihm nichts geschenkt worden. Nun schritt er von den Bergen -herab, um Führer zu werden. Aber er warf die Vergangenheit nicht von -sich wie einen abgetragenen Rock, sondern nahm sie mit sich wie einen -heimlichen Schatz. Er hatte sechs schwere Monate hindurch um die Seele -seines Volkes gedient, von der so viele reden, ohne sie zu kennen. -Nur wer beherzt und bescheiden die ganze Not und Armseligkeit der -Vielen, ihre Freuden und Gefahren mitträgt, Hunger und Durst, Frost -und Schlaflosigkeit, Schmutz und Ungeziefer, Gefahr und Krankheit -leidet, nur dem erschließt das Volk seine heimlichen Kammern, seine -Rumpelkammern und seine Schatzkammern. Wer mit hellen und gütigen -Augen durch diese Kammern hindurchgegangen ist, der ist wohl berufen, -unter die Führer des Volkes zu treten. Als ein Wissender an Kopf und -Herzen stieg der junge Kriegsfreiwillige von den lothringischen Bergen -herab, um Führer und Helfer in seinem Volke zu werden. Davon klang sein -Schritt. Und wenn die Menschen mit allem lügen und heucheln könnten, -Blick und Stimme und Gang der Starken und Reinen können sie nicht -erheucheln und nachtäuschen. Noch hatte ich mit dem jungen Studenten -kein Wort gesprochen, aber Blick und Stimme und Gang des Jünglings -waren mir freund geworden. - -Im Eisenbahnwagen kamen wir ins Gespräch. Er saß mir gegenüber und -kramte aus seinem Tornister einen kleinen Stapel zerlesener Bücher: -ein Bändchen Goethe, den Zarathustra und eine Feldausgabe des Neuen -Testaments. »Hat sich das alles miteinander vertragen?« fragte ich. -Er sah hell und ein wenig kampfbereit auf. Dann lachte er. »Im -Schützengraben sind allerlei fremde Geister zur Kameradschaft gezwungen -worden. Es ist mit Büchern nicht anders als mit Menschen. Sie mögen so -verschieden sein, wie sie wollen -- nur stark und ehrlich müssen sie -sein und sich behaupten können, das gibt die beste Kameradschaft.« Ich -blätterte, ohne zu antworten, in seiner Sammlung Goethescher Gedichte. -Ein anderer Kamerad sah herüber und sagte: »Das Buch habe ich mir beim -Auszug auch in den Tornister gesteckt, aber wann hat man hier draußen -Zeit zum Lesen gehabt?« »Wenn man wenig Zeit zu lesen hat,« meinte der -junge Student, »so soll man auswendig lernen. Ich habe in diesem Winter -siebzig Goethesche Gedichte gelernt. Die konnte ich dann vorholen, so -oft ich wollte.« Er sprach frei und leicht und ohne jeden Anflug von -Selbstbespiegelung oder Schulmeisterlichkeit, aber seine unbefangene -und selbstsichere Art, ohne Scheu auch von wesentlichen und innerlichen -Dingen zu reden, zwang zum Aufhorchen. Seine Worte waren so klar wie -seine Augen, und aus jedem seiner frisch und ehrlich gefügten Sätze -konnte man sehen, weß Geistes Kind man vor sich hatte. - -Die Gespräche im Eisenbahnwagen kreuzten um die Aufgaben der nahen -Zukunft. Wir fuhren einer Lehrzeit entgegen. Dem einen schien's viel, -dem andern wenig, was in der kurzen Zeit zu lernen war. »Ein Zugführer -braucht ja kein Stratege zu sein,« meinte einer. »Leutnantsdienst tun -heißt: seinen Leuten vorsterben. Wer ein ganzer Kerl ist, braucht nur -ein wenig Handwerk zuzulernen.« Der so sprach, meinte es ehrlich, und -er hat nicht allzulang danach in Russisch-Polen sein Wort wahr gemacht, -aber seine ungelenke und hitzige Art, unvermittelt und oft am falschen -Platz große Worte zu machen, ließ ihn bei aller Redlichkeit oft zur -Zielscheibe harmlosen Spottes werden. Auch hier fiel sein Wort wie -ein Stein in leichtes Geplauder. Einige lächelten. Aber Ernst Wurche -hob den Stein leicht auf, und er wurde in seiner Hand zum Kristall. -»Leutnantsdienst tun heißt seinen Leuten +vor-leben+,« sagte er, -»das Vor-sterben ist dann wohl einmal ein Teil davon. Vorzusterben -verstehen viele, und das ›~Non dolet~‹, mit dem die römische Frau -ihrem zaghaften Gatten zeigte, wie gut und leicht sich sterben läßt, -steht dem Mann und Offizier noch besser, aber das Schönere bleibt das -Vor-leben. Es ist auch schwerer. Das +Zusammen+-leben im Graben war -uns vielleicht die beste Schule, und es wird wohl niemand ein rechter -Führer, der es nicht hier schon war.« - -Es erhob sich alsbald ein lebhafter Streit, ob es leicht oder schwer -sei, Einfluß auf das Denken und Fühlen des gemeinen Mannes zu gewinnen. -Mancher hatte mit Belehrungs- und Erziehungsversuchen kläglich -Schiffbruch gelitten und war immer wie ein fremder Vogel im Schwarm -gewesen. Vieles, das hin- und hergeredet wurde, ist mir entfallen, -und es verblaßte auch mit Recht neben einem kleinen Erlebnis, das der -junge Student erzählte. »Die großen Kerls«, meinte er lächelnd, »sind -wie die Kinder. Mit Schelten und Verbieten ist wenig getan. Sie müssen -einen gern haben. Ein Spiel, bei dem man nicht mittut, muß ihnen kein -rechtes Spiel sein. Wenn wir zu acht im Unterstand lagen, suchte auch -oft einer dem anderen mit unsaubern Witzen den Vogel abzuschießen. -Und ein Weilchen unterhielten sie sich damit ganz prächtig. Aber dann -war einer, ein Breslauer Sozialdemokrat, der gute Freundschaft mit -mir hielt; der merkte immer zuerst, wenn ich nicht mittat. ›Ernstel, -schläfst du auch?‹ fragte er dann jedesmal, und wir wußten alle beide, -daß sein Spott auf unsichern Beinen stand. Ich knurrte auch nur, -›Laßt mich zufrieden‹, oder so. Sie wußten recht gut, wenn ich nichts -von ihnen wissen wollte, und das paßte ihnen nicht. Es dauerte dann -meistens auch gar nicht lange, bis einer eine Schnurre erzählte, über -die ich mitlachte. Und dann hatten wir die lustigsten Stunden.« - -Er erzählte das ganz schlicht und mit so herzgewinnender Nachfreude, -daß man unwillkürlich die Kraft spürte, die sein Wesen auf grobe und -feine Herzen übte. Ich verstand ganz seine »großen Kerls«, die ihn -»gern hatten« und denen das Lachen ohne ihn schal war. Viel später, in -den Wäldern von Augustow, hat er mir dann zuweilen Briefe seiner alten -Kameraden zu lesen gegeben, denen er selbst fleißig schrieb. Darunter -war auch einer seines Breslauer Sozialdemokraten. Der fing mit »Lieber -Herr Leutnant« an, und ziemlich unvermittelt stand zwischen allerlei -Nachrichten: »Seit Sie fort sind, sind unsre Gespräche nicht besser -geworden. Über viele Witze würden Sie nicht lachen, und wir dann auch -nicht.« Es mag, auch in Deutschland, nicht viele Offiziere geben, -denen solche Briefe geschrieben werden ... - -In dem Eisenbahnwagen, der uns quer durch Deutschland von Metz nach -Posen führte, saß ich dem rasch liebgewonnenen Kameraden viele -Stunden gegenüber. Es wurde viel gelacht und geplaudert. Aus allen -seinen Worten sprach ein reiner, klarer, gesammelter Wille. So wie -er die Anmut des Knaben mit der Würde des Mannes paarte, war er ganz -Jüngling, und er erinnerte mich in seinem bescheidenen, selbstsicheren -Lebensfrohsinn fast schmerzhaft deutlich an meinen jüngsten Bruder, -der in den ersten Septembertagen in Frankreich gefallen war. »Sind -Sie nicht Wandervogel, Wurche?« fragte ich ihn aus meinen Gedanken -und Vergleichen heraus, und sieh', da hatte ich an die Dinge des -Lebens gerührt, die ihm die liebsten waren! Aller Glanz und alles Heil -deutscher Zukunft schien ihm aus dem Geist des Wandervogels zu kommen, -und wenn ich an ihn denke, der diesen Geist rein und hell verkörperte, -so gebe ich ihm recht ... - - * * * * * - -Die paar Wochen Lehrzeit im Warthelager haben dem Wesen des Jünglings -nichts gegeben und nichts genommen. Er wurde rasch nacheinander -Unteroffizier, Feldwebel und Leutnant. Mit seinen Aufgaben fand er sich -glatt und sicher ab, und an den Verdrießlichkeiten und Kleinlichkeiten, -wie sie der Friedensdrill mit sich bringt, ging er mit lässigem Hochmut -vorüber. Einmal entschlüpfte auch mir, ich weiß nicht mehr über wen -und worüber, ein verdrossenes Wort. Da schob er seinen Arm in meinen, -sah mich mit seiner herzlich zwingenden Heiterkeit an und zitierte aus -seinem Goethe: - - »Wandrer, gegen solche Not - Wolltest du dich sträuben? - Wirbelwind und trocknen Kot - Laß ihn drehn und stäuben!« - -Damit war die Sache abgetan. Wir wanderten in den Sonntagmorgen hinaus -zum Warthe-Ufer und sprachen von Flüssen, Bergen, Wäldern und Wolken ... - - * * * * * - -Es wurde Mai. Da zogen wir zum zweitenmal hinaus. Wohin? Das wußte -von den paar hundert jungen Offizieren noch keiner, als uns schon -die grellweißen Lichtkegel unsrer Autos zum Schlesischen Bahnhof in -Berlin vorausrasten. Die Zukunft war voller Geheimnisse und Abenteuer, -und aus dem Dunkel im Osten, in das sich die Lichter unsres Zuges -hineinfraßen, wuchs der Schatten Hindenburgs ... - -Der Zug fuhr ohne Halt durch die Mainacht, als wollte er Weg und Ziel -nicht verraten. Nur hin und wieder flog ein grell von Bahnhofslichtern -überstrahltes Schild mit einem Stationsnamen an uns vorüber. Es -ging nach Osten. Der Schatten Hindenburgs wuchs und wuchs. Kühl und -blausonnig ging der Maimorgen über den ostpreußischen Seen auf. Ging es -nach Kurland, ging es nach Polen? Ernst Wurche zeigte hartnäckig, so -oft wir hin- und herrieten, auf die Teile der großen Generalstabskarte, -die mit dem tiefsten Blau und dem lichtesten Grün gezeichnet waren. -Der helle, liebe Mai gaukelte dem Wandervogel die Lockbilder weiter, -sonniger Seen, schattiger Wälder und taunasser Wiesen vor. - -Auf dem Bahnhof eines ostpreußischen Städtchens wurden uns von -lachenden Mädchen Erfrischungen und Blumen ins Abteil gereicht. Als der -Zug sich unter Winken, Zurufen und Gelächter in Bewegung setzte, warf -uns ein älterer Herr mit einem fast zornigen Gesicht ein Extrablatt -zu. Wir fingen es auf und lasen. Italien hatte an Österreich den Krieg -erklärt ... - -Seit Tagen schon hatte man nichts anderes mehr erwartet. Es waren -nicht wenige unter uns, die noch in Berlin darauf gewettet hatten, -daß wir selbst an die italienische Front geworfen würden. Nun stand -der italienische Verrat schwarz auf weiß wie eine häßliche Fratze vor -uns. Ein Weilchen war es still. Dann fielen harte, starke und laute -Worte. Einer der Jüngsten von uns, der noch nicht allzulang der Sekunda -entlaufen war, steckte das Blatt auf die Spitze seines Degens und -winkte damit zum Fenster hinaus. Ein paar helle Mädchenarme winkten -fröhlich und übermütig zurück. Der alte Ostpreuße in seinem schwarzen -Rock stand unbeweglich und sah uns fast drohend nach. Der Bahnhof -floh zurück. Die Menschen auf dem Bahnsteig schrumpften zusammen. Ein -paar helle, bunte Flecke, mitten darin ein schwarzer Strich ... Dann -verschwand auch das. Nur das Blatt mit den großen, zornigen, schwarzen -Lettern lag noch auf dem roten Plüsch unseres Abteils. Eine Hand nach -der andern hob es auf. Zuletzt warf es eine Faust zerknüllt in die Ecke. - -Das Gespräch ging längst wieder andere Wege. Ein junger Berliner -Hochschullehrer, der als Kriegsfreiwilliger mit den jungen Regimentern -in Flandern gefochten hatte, erzählte aus der Hölle von Ypern. - -Mein Blick fiel zufällig auf Ernst Wurche. Er saß still in seiner Ecke, -aber seine hellen, frohen Augen spielten mit der Maisonne um die Wette -über die aufgeschlagenen Seiten eines Büchleins, das ihm auf den Knien -lag. Es war sein Neues Testament. »Ernstel, schläfst du?« neckte ich -ihn, da er's so ganz verschmähte, an unsern Gesprächen teilzunehmen. -Er sah voll und herzlich auf. Dann rückte er mir mit einer raschen, -fröhlichen Bewegung das schwarze Bändchen hin und tippte mit dem Finger -auf eine Zeilenreihe. - -»Der mit der Hand mit mir in die Schüssel tauchte, der wird mich -verraten,« las ich. Ich glaubte ihn zu verstehen. »Italien?« fragte -ich. Er nickte und tippte auf eine andere Stelle. - -»Da ging hin einer mit Namen Judas Ischarioth und sprach: +Was wollt -Ihr mir geben?+ Ich will ihn Euch verraten ...« Ich nickte ihm zu, da -warf er rasch ein paar Blätter herum. »Und das wird das Ende sein!« -Sein Zeigefinger lag auf dem kläglichen Wort des Verräters: »Ich habe -übel getan, daß ich unschuldig Blut verraten habe.« Und weiter: »+Sie -sprachen: Was geht uns das an! Da siehe du zu!+« - -Keine Spur eines finsteren Eiferers lag in seinem offenen Blick und -seiner frohen Gebärde. Seine Seele war weit und voll Sonne, und er -las die Bibelstellen nicht anders als in dem hellen, starken Geiste, -mit dem wir Kriegsfreiwilligen den Mondregenbogen an Gottes Himmel -schauten, als wir nach Frankreich hinausfuhren. Sein Christentum -war ganz Kraft und Leben. Die religiöse Erweckung aus Feigheit war -ihm erbärmlich. Er hatte eine stille, herzliche Verachtung für das -draußen und daheim wuchernde Angst-Christentum und die Gebetspanik -der Feigen. Von ihnen sagte er einmal: »Sie suchen immer in Gottes -Willen hineinzupfuschen. Gottes Wille ist ihnen nicht so heilig wie ihr -bißchen Leben. Man sollte immer nur um Kraft beten. Der Mensch soll -nach Gottes Hand greifen, nicht nach Pfennigen in seiner Hand.« Sein -Gott war mit einem Schwerte gegürtet, und auch sein Christus trug wohl -ein helles Schwert, wenn er mit ihm in den Kampf schritt. Zur Stunde -sah er seine blanke Schneide gegen die verräterischen Bundesgenossen -fliegen. Davon brannten ihm die Augen. - -Der junge Offizier ließ an seinen Glauben so wenig rühren wie an sein -Portepee. Sein Glaube und seine Ehre, das gehörte zusammen. Ich hörte -später einmal, wie ein etwas älterer Kamerad mit einer läppischen -Bemerkung über sein theologisches Studium witzelte. Den sah er hell an, -und dann sagte er ganz ruhig und liebenswürdig: »Theologie ist eine -Sache für feine Köpfe, nicht für Klötze.« Er verlor nie die Ruhe, auch -nicht, wenn er grob wurde, und er konnte vollendet grob werden. - -Allmählich ließ sich das Ziel unserer Reise erkennen. Eine Nacht -verbrachten wir in Suwalki, und am nächsten Morgen fauchte der Zug, -der nur noch wenige Wagen zählte, durch die endlosen Nadelwälder von -Augustowo zur Front. Ein Teil der Bahnstrecke wurde von den Russen -unter Artilleriefeuer gehalten. Auf offener Strecke blieben wir ein -paar Stunden liegen, während der Gegner weiter vorn die Geleise mit -Granaten abstreute. Einige Wipfel brachen wie unter jähen Blitzschlägen -zusammen. Ein Teil des Waldes brannte, ein grelles, heißes Rot fraß -sich durch den schweren Qualm von brennendem Holz und Harz. - -Nach einer Weile schwieg die feindliche Artillerie, und unser Zug -setzte sich wieder in Bewegung. Schneller und schneller glitten Fichten -und Sand, Sand und Fichten vorüber. Mit einmal erschütterte der ganze -Zug von dem schmetternden Krachen einer krepierenden Granate, deren -Sausen das Rattern der Bahn übertäubt hatte. Ein Knirschen von Holz -und Eisen. Ein paar Stöße, die wie Faustschläge durch die roten Polster -kamen. Eine Scheibe sprang mit peitschenartigem Knall aus dem Rahmen. -Der Wagen neigte sich hart rechtsüber, schwankte, stand. Die Granate -war unter dem fahrenden Zug in den Bahndamm geschlagen und hatte wie -eine Teufelsfaust die Erde unter den heißen Schienen fortgerissen. Der -Zug war aus den Gleisen gesprungen und stand mit gefährlicher Neigung -über der steilabfallenden Böschung. Ein Maschinengewehr hämmerte aus -der Ferne, wo man wohl durchs Scherenfernrohr den Treffer beobachtet -hatte, herüber. Tak--ta--tak--tak--tak--ta--tak ... - -Ernst Wurche hatte gerade am Fenster gestanden und sich rasiert. Mitten -in den Strich war das Krachen und Brechen gekommen. Er hob das Messer -leicht ab und hielt sich mit der Linken am Gepäcknetz fest. Aus den -Nebenabteilen sahen wir die Kameraden, zum Teil hemdärmelig, aus den -schwankenden Wagen springen. Mir selbst waren ein Koffer und Wäschesack -auf den Kopf gefallen und hatten mich vornüber geworfen. Ich rappelte -mich wieder auf. Der Zug stand. Ich sah nach Wurche und mußte lachen. -Er führte mit dem Messer sauber den unterbrochenen Strich zu Ende, -wischte sich den Seifenschaum aus dem Gesicht und sagte seelenruhig: -»Na, da können wir wohl auch aussteigen!« Er ließ sich seine fröhliche -Ruhe von niemand aus den Fingern schlagen, und es lag nicht in seiner -Art, bei einer Panik mit der Seife im Gesicht aus dem Rasierladen -zu laufen, wenn noch Zeit war, sie abzuwischen. Gelassenheit war -eins seiner Lieblingsworte, in ihr sah er das Wesen menschlicher und -männlicher Würde, heitere und lässige Sicherheit lag immer wie ein -Glanz über seinem Wesen, und es war in ihr soviel menschliche Anmut wie -männliche Würde. - -Mit dem »Aussteigen« freilich haperte es. Alle Türen nach draußen und -zu den Nebenabteilen waren verkeilt. »Eskaladieren wir!« sagte Wurche -und kletterte durch das zersprungene Fenster ins Freie. Ich warf unsre -Gepäckstücke nach und folgte auf demselben Wege. Wir rückten unsre -Koffer dicht an die dem Feinde abgekehrte Seite des steilabfallenden -Bahndamms und streckten uns daneben in Gras und Sonne. Zwei Stunden -später kam von Augustowo her ein Hilfszug und brachte uns mit einiger -Verspätung ans Ziel. Rußland hatte uns sein Willkommen entboten. - -Im Divisionsstabsquartier von Augustowo wurden wir auf Regimenter und -kurz danach in einer Russenkaserne auf Kompanien verteilt. Ich wußte es -beide Male einzurichten, daß ich mit Wurche zusammenblieb. Wir kamen -beide zur 9. Kompanie eines elsässischen Infanterie-Regiments. - -Wir schliefen die Nacht auf Stroh in der russischen Kaserne und -wanderten am andern Morgen zu viert in den Mai hinaus nach den Gräben -unsrer Kompanien, die ein paar Wegstunden entfernt in festen Stellungen -im Walde lagen. - -Ein Morgenbad im »Weißen See« gab dem ganzen Tage einen frischen -Glanz. Der Weg ging durch Sand und Föhrenwald. Zerstreutes Licht floß -in breiten Bahnen durch grüne Wipfel und goldrote Stämme. Dann lag -der weite See, von sonnigem Morgendunst überschäumt, vor uns. Pirole -schmetterten, Schwalben schossen mit den Schwingen durchs Wasser, -Taucher verschwanden vor uns, wie wir am Ufer entlangschlenderten. Nur -aus der Ferne kam ein gedämpftes Grollen zu uns herüber und ab und zu -das taktmäßige Hämmern eines Maschinengewehrs. »Spechte!« lachte Wurche -und ließ Sonne und Wasser über sich zusammenschlagen. - -Dann ging es am Augustower Kanal und den Nettawiesen weiter. Bald saß -uns der graue Staub der russischen Landstraße in den Röcken. Aber -neben dem Wandervogel her, der in Helm und Degen und Ledergamaschen den -ausgefahrenen Sandweg hinzog, schritt leicht auf reinlichen Füßen durch -feuchtes Wiesengras der Mai und lachte immer heller herüber. Die leise -Netta kam bald bis an unsern Weg heran und ließ ihre Wellen und ihr -sonniges Mückenspiel vor uns gaukeln, bald entwich sie uns wieder und -barg sich in Wiesenschaumkraut und wucherndem Gras. Ich hatte Wurche -lange von der Seite angesehen. Zuletzt mußte ich lachen. »Gestehen -Sie's nur!« sagte ich, »Sie müssen heut noch einmal ins Wasser?« -»Gleich!« sagte er, und wir gingen tief in die federnde Sumpfwiese -hinein, warfen die staubigen Kleider von uns und ließen uns von den -kühlen, guten Wellen treiben. - -Dann lagen wir lange in dem reinlichen Gras und ließen uns von Wind -und Sonne trocknen. Als Letzter sprang der Wandervogel aus den Wellen. -Der Frühling war ganz wach und klang von Sonne und Vogelstimmen. -Der junge Mensch, der auf uns zuschritt, war von diesem Frühling -trunken. Mit rückgeneigtem Haupte ließ er die Maisonne ganz über sich -hinfluten, er hielt ihr stille und stand mit frei ausgebreiteten Armen -und geöffneten Händen da. Seine Lippen schlossen sich zu Goethes -inbrünstigen Versen auf, die ihm frei und leicht von den Lippen -sprangen, als habe er die ewigen Worte eben gefunden, die die Sonne in -ihn hinein und über Herz und Lippen aus ihm herausströmte: - - »Wie im Morgenglanze - Du rings mich anglühst, - Frühling, Geliebter! - Mit tausendfacher Liebeswonne - Sich an mein Herz drängt - Deiner ewigen Wärme - Heilig Gefühl, - Unendliche Schöne! - Daß ich dich fassen möcht' - In diesen Arm! -- -- --« - -Feucht von den Wassern und von Sonne und Jugend über und über glänzend -stand der Zwanzigjährige in seiner schlanken Reinheit da, und die -Worte des Ganymed kamen ihm schlicht und schön und mit einer fast -schmerzlich hellen Sehnsucht von den Lippen. »Da fehlt nur ein Maler!« -sagte einer von uns. Ich schwieg und war fast traurig, ohne sagen zu -können warum. Unser Wandervogel aber ließ leicht die Arme fallen und -trat mit ein paar raschen, frischen Schritten in unsre Mitte. Wir -schleuderten uns die letzten Wassertropfen von den Händen und griffen -nach unsern Kleidern. Bald schritt mir der Freund wieder im grauen -Waffenrock, der die hohe Gestalt knapp und kleidsam umschloß, und mit -eingehenktem Degen zur Seite. Der Helmrand umlief die trotzige Form -seines eigenwillig gestreckten und prächtig gewölbten Schädels, und -wie er mit frei ausgreifendem Schritt den von fernen Donnern leise -erdröhnenden Wäldern entgegenschritt, schien er, von Freude und Kraft -bebend, begierig in eine klirrende Zukunft zu horchen. »Wen du nicht -verlässest, Genius, wird dem Regengewölk, wird dem Schloßensturm -entgegen singen ...!« Wenn ihm nicht die Lippen davon klangen, so -klang sein Schritt davon. »Tanztüchtig will ich den Jüngling und -waffentüchtig.« Alte Worte sprangen immer wie junge Quellen an seinem -Wege. - -Warum ergreift uns alle Schönheit des Lebens, statt daß +wir+ sie -ergreifen? Ach, wie der Mensch aus Erde gemacht ist und wieder zu Erde -wird, so ist alle Schönheit aus Sehnsucht gemacht und wird wieder zu -Sehnsucht. Wir jagen ihr nach, bis sie zur Sehnsucht wird. -- - -In den Winternächten, die wir in den Gräben vor Verdun zugebracht -hatten, war zuweilen ein jäh aufbrandendes und wie eine Sturmflut -weiterrollendes Hurra die endlose Front der Schützengräben -entlanggebraust. Wenn dieses Hurra in der Ferne verebbte, dann horchten -wir Kriegsfreiwilligen ihm nach, und in unserm Horchen war etwas Grimm -und Neid. Im Osten geschah alles Heiße, Wilde und Große. Über Rußland -stand immerfort eine brandrote Wolke, in der der Donner des Namens -Hindenburg grollte, und uns im Westen blieb nichts als Lauern und -Warten und Wachen und Gräbergraben, ohne daß wir den Tod von Angesicht -sahen, der heimtückisch bei Tag und Nacht in unsre Reihen hieb. Im -Osten schritten unsre Sturmkolonnen über Täler und Höhen, und wir lagen -wie Maulwürfe unter der Erde und riefen das Hurra zu ihren Siegen. - -Als wir an die Ostfront kamen, waren die großen Kämpfe der -Masurenschlacht längst zum Stellungskriege erstarrt. Unsere neue -Kompanie lag seit Wochen eingegraben am Waldrand einer breiten -Sumpfwiese, durch die ein träger Bach, die Kolnizanka, durch Sand und -Morast zum Kolnosee schlich. Jenseits des faulen Wassers war wieder -Wiese, Sand und Wald, und nur ein paar helle Streifen drüben zeigten, -wo der Feind hinter seinen Sandwällen hockte. Ein Stacheldrahthindernis -zog sich an unsrer Front entlang und die Nacht hindurch kreiste -durch das Drahtgewirr der elektrische Strom, der von Augustowo her -in mächtigen Kabeln gespeist wurde. »Draht!« knurrte Leutnant Wurche -verächtlich, als wir in der Mainacht nach unsrer Ankunft zum erstenmal -die Kompaniefront abgingen, und schlug spöttisch mit einer Gerte gegen -die glatten Schutzdrähte am Horchpostendurchlaß. Und so ging er die -erste Nacht an dem grauen Verhau hinauf und hinunter wie ein gefangener -Tiger an seinem Käfiggitter. - -Unsere Grabenabschnitte grenzten aneinander, und wir blieben Nachbarn -als Zugführer des zweiten und dritten Zuges oder, wie er sagte, als -»Obernachtwächter der Wach- und Schließgesellschaft im Osten«. Die -russischen Gräben lagen ein paar hundert Meter entfernt, so daß wir -uns selbst am hellen Tage frei im Walde hinter unsrer Stellung bewegen -konnten. Die russische Artillerie streute wohl dann und wann mit -Schrapnells und Granaten unsre Gräben ab, ein Volltreffer schlug sogar -einmal meinen Unterstand, als ich gerade die Tür aufmachte, zu einem -Scherbenhaufen zusammen, aber alles das ging immer rasch wie ein -Mairegen, eine »Husche«, vorüber, der Franzose hatte dies Spiel viel -besser verstanden, und im ganzen nahmen wir »Iwan den Schrecklichen«, -wie der Russe bei uns hieß, nicht ganz ernst. Wir haben es später -gelernt, ihn zu achten, aber einstweilen ließen wir uns von ihm unsre -»Sommerfrische in den Augustower Wäldern« nicht stören. Die Myriaden -von Schnaken, die Wälder und Sümpfe ausbrüteten, waren uns lästiger als -die Russen hinter ihrem Draht. - -Nur wenn es dämmerte und das rote, blaue, bunte Blühen von -Fleischblumen, Vergißmeinnicht, Kalla und Federnelken auf der -Sumpfwiese draußen im Glanz der Sterne und Leuchtraketen fahl und -farblos wurde, trat aus dem dunklen Walde drüben das Abenteuer wie -ein schönes Wild und schaute zu uns herüber, die wir an der Brustwehr -unsrer dunklen Gräben standen und lauschten. Jede Nacht ging von -der Kompanie eine Offizierspatrouille ins Vorgelände, und wir drei -Leutnants, ein Mecklenburger, ein Schlesier und ein Thüringer, hatten -uns in diesen Dienst zu teilen. Zuweilen gingen wir auch zu zweit mit -unsern Leuten hinaus, wenn wir einen besonders guten Fang machen zu -können glaubten. Meist aber ging nur einer als Führer. Und es war dann -ein seltsames Gefühl, wenn man lauschend an der Brustwehr stand, und -draußen im Dunkel knatterten plötzlich russische und deutsche Gewehre -oder das dumpfe Krachen detonierender Handgranaten wurde laut. Das -Warten und Wiedersehen solcher Stunden, von denen man nie sprach, läßt -Menschen ineinanderwachsen wie Bäume. Viele Worte freilich wurden nie -gemacht, und es blieb bei einem Scherz oder Handschlag, wenn der andere -hinausging oder wiederkam. - -Wie hätten junge Herzen nicht ineinanderwachsen sollen in diesen -Frühlingstagen und Frühlingsnächten, in denen sie gemeinsam immer -inniger vertraut wurden mit Erde und Luft und Wasser, mit den linden -Stunden der Nacht und mit den hellen Stunden der blühenden Tage! -Wie leise Sonnenwellen kommen die Erinnerungen an unsern ersten -Kriegsfrühling in den Augustower Wäldern zu mir, wo ich auch sein -mag. Die linde, junge Gütigkeit, die in ein paar hellen Grauaugen -lebte und frisch und warm aus einer lebendigen Menschenstimme klang, -brach wie ein helles, starkes Licht durch die Fenster meiner Seele, -durchsonnend, was dumpfig war, durchwärmend, was kühl und voll Schatten -war. Wie deutlich erhöre ich heute und immer, in die Vergangenheit -hineinhorchend, den raschen Schritt des Freundes. Ich sehe ihn schlank -und frei durch die Tür in mein helles Fichtenhäuschen treten und -sehe eine junge, lebendige Hand Blumen unter das kleine Bild meines -gefallenen Bruders legen mit einer frischen, herzlichen Bewegung, in -der doch die leise, gute Scheu der Jugend vor der Entschleierung des -Herzens zu spüren ist! Und oft ist mir, ich könne den lieben Gast -halten und mit ihm von dem bunten Erleben der hellen Zeit plaudern, -in der selbst der Ernst des Krieges sich in Spiel und Freude auflösen -wollte. Weißt du noch, Gesell, wie wir über meinen ersten Gefangenen -lachten? Im Sumpfbach vor unserm Graben, wo vom letzten Angriff -her noch über dreißig tote Russen lagen, war ich auf nächtlichem -Patrouillengang ahnungslos auf ihn zugegangen, um dem vermeintlich -Toten das Gewehr zu nehmen. Aber es war kein Toter, sondern ein -fixer und pfiffiger Moskauer Junge, der zu einer vor uns im Dunkel -herflüchtenden Russenpatrouille gehörte. Ohne es zu wissen, hatten -wir ihn von seinen Kameraden abgeschnitten, und er wollte sich uns -noch entziehen, indem er sich mitten unter die Toten hockte und in -Anschlagstellung wie sie erstarrte. Als ich sein Gewehr fassen wollte, -schlug er auf mich an, und mich warf der Schreck fast um, als der Tote -plötzlich die Büchse gegen mich hob. Gerade rechtzeitig noch rückte -ich ihm meine kleine Mauserpistole an die Stirn, daß er die Waffe -wegwarf und uns geduldig nachtrollte. Damit doch auch ein anderer -etwas von dem Schrecken abbekäme, schickte ich ihn samt seinem Gewehr, -ohne anzuklopfen, in den Unterstand des Leutnants vom ersten Zuge, der -sorglos bei der Flasche saß, aber der Mecklenburger ließ sich nicht -verblüffen, sondern hob nach dem verlegen grinsenden Burschen das -volle Glas, »Prosit, Iwan --!« Und Iwan taute auf und besah sich die -Postkarten unsrer Leute, die den holzverkleideten Graben schmückten, -blieb tiefsinnig vor einem bunten Hindenburgbilde stehen und sagte -ehrerbietig, »Ah -- Chindenburrg!«, indem er mit unermüdlich kreisenden -Händen um sein Russenhaupt fuhr, um uns das imaginäre Volumen eines -fabelhaften Feldherrnkopfes zu veranschaulichen. Darauf von unsern -lachenden Leuten nach seinem Landsmann Nikolajewitsch befragt, preßte -er den Kopf in die Hände wie ein Schwerkranker und brach in einen -Husten aus, der eine höchst schauderhafte Vorstellung von dem Zustand -seines Generalissimus gab ... - -Und weißt du noch, wie die russische Patrouille uns bei Nacht und Nebel -ein schön bemaltes Plakat mit der Inschrift »~Italiani -- auch Krieg!~« -vor die Drahtverhaue pflanzte? Und wie unsre Leute dann in der nächsten -Nacht ein noch schöneres Schild mit der Antwort »~Italiani -- auch -Prügel!~« den Russen in eins ihrer eigens zu diesem Zweck gesäuberten -Horchpostenlöcher pflanzten, daß sie den ganzen Tag über wütend danach -schossen? - -Weißt du noch, wie wir im Unterstande zusammensaßen, während die -russische Artillerie mit grobem Geschütz unsern Graben absuchte? Wie -unter dem Luftdruck der in der Nähe krepierenden schwerkalibrigen -Geschosse die zwei- und dreimal wieder angezündete Lampe dreimal -auslosch? Und wie wir zu viert im Dunkel saßen, und unsre Zigaretten -warfen einen Glimmerschein über die Gesichter, und wir lachten, »Iwan -bläst uns die Lampe aus!«? - -Weißt du das alles noch, Lieber? Und weißt du auch noch, wie du einen -mächtigen bombensichren Unterstand für zwei Gruppen deines Zuges aus -Hunderten von schweren Fichtenstämmen und Bergen von Sand gebaut -hattest? Und wie wir dann dem Neubau die sinnige Türinschrift gaben: -»Selig, wer sich vor der Welt ohne Haß verschließt«? - -Und weißt du noch, wie du singend vor der zum Bad nach den Nettawiesen -marschierenden Kompanie herzogst und wie du mit uns ganze Nachmittage -im Wasser vertolltest? Weißt du das noch, du Wandervogel, der den -Widerwilligsten zum Mitsingen zwang und den Wasserscheusten im Wasser -zum Lachen brachte? - -Weißt du noch, wie das faule Holz im Walde um unsre dunklen Gräben -leuchtete? Und wie Myriaden von Junikäfern die Sumpfwiese zwischen -uns und dem Feinde nächtlicherweile zum Märchenland machten? Und wie -aus dem Drahthindernis die blauen Funken ins nasse Gras hinüber- -und hinunterzuckten wie die schillernden Schuppen einer glitzernden -Schlange, die unermüdlich kreisend durch das graue Verhau lief, immer -bereit zum tödlichen Bisse? - -Weißt du noch, wie wir im hellen Sand der sonnigen Waldlichtung -hinter unsern Gräben Zirkel ritten? Wie du reiten lernen wolltest wie -ein Kosak; denn das seien die sieben ritterlichen Künste der neuen -deutschen Jugend: Singen, Wandern, Turnen, Schwimmen, Fechten, Tanzen -und Reiten --? - -Und war doch ebensoviel Ernst in deiner Freude wie Freude in deinem -Ernst! Auch was du mit Lachen triebst, war mehr als Spiel. Ein Stück -Leben war alles, was du sprachst und tatst, und ein heller, klarer, -gesammelter Menschenwille schmiedete alle Stücke zu einem werdenden -Kunstwerk zusammen. - -Wenn der junge Führer mit seinen Leuten auf nächtliche Streife -auszog, so arbeitete ein frischer, beherrschter Wille unermüdlich -und unnachgiebig an den Menschen, die er führte. Wollten sie ihm, im -Dunkel plötzlich vom Feuer russischer Gewehre überfallen, aus der Hand -geraten, so zwang er sie wieder bis auf den Punkt zurück, den sie -eigenmächtig verlassen hatten. Aber er selbst ging immer als erster -voraus und kroch als letzter zurück. - -Als die unsicheren und baufälligen Unterstände seines Zuges durch -neue ersetzt wurden, ließ er die Arbeit an seinem eigenen Unterstand -bis zuletzt liegen. Ohne Lärm und schimpfendes Dreinfahren wußte er -alle Hände in Tätigkeit zu halten. Er war beim Fällen und Schleppen -der schweren Stämme dabei und verteilte die Kräfte. Er lehrte Stempel -setzen und Unterzüge einfügen, Deckbalken verknüpfen und federnde -Reisigdeckungen aufhäufen, wie er's in Frankreich gelernt hatte. -Selbst sauber an Seele und Leib, erzog er seinen Leuten die Freude an -Sauberkeit und schmucker Ordnung an, unauffällig und ohne viel Worte -sie durch frisches Handeln gewöhnend. Nicht weniger als die Arbeit -lag ihm die Ruhe seiner Leute am Herzen und als jüngster Offizier der -Kompanie wußte er's durchzusetzen, daß den Mannschaften Sonntagsruhe -geschenkt wurde. In seinen Briefen an Eltern und Schwester erbat er -immer wieder Bücher für den Feierabend seiner Leute und wählte die -Bücher selbst nach den Erfahrungen, die er in Frankreich als Kamerad -unter Kameraden gemacht hatte. - -Er kannte in vierzehn Tagen jeden Mann seines Zuges nach Namen und -Beruf, er wußte, ob einer verheiratet war und wie viel Kinder er hatte, -er kannte eines jeden Sorgen und Hoffnungen und verstand dem Stillsten -die Zunge zu lösen. »Das Herz seiner Leute muß man haben,« sagte er, -»dann hat man ganz von selbst Disziplin.« - -Nach dem Dienste, in stillen Abendstunden, zündeten wir die kleinen -Lichter in den farbigen Papierlaternen unsrer Holzhütten an und -plauderten oder lasen. Oft brannten uns die Kerzen dabei, ohne daß -wir's merkten, nieder, und durch das Glasdach meines Sommerhäuschens, -das ganz aus schlanken, moosverfugten Fichtenstämmchen gezimmert war, -brach Mond- und Sternenlicht über uns herein. - -Dann lebten Goethes Lieder auf, oder Zarathustras trotzige Reden -zerbrachen die Stille, oder aus den Versen des Neuen Testaments, das er -gern griechisch las, floß die Schönheit ewiger Worte geruhig über uns -hin. In solchen Stunden wachte in dem Soldaten der junge Gottesstudent -auf, und seine Seele streifte, frei und leicht zwischen beiden Welten -wandernd, dunklen Schönheiten und hellen Wahrheiten nach. »Im Gebete -sollen wir nicht mit Gott, Gott soll mit uns kämpfen,« sagte er einmal. -»Das Gebet ist ein Selbstgespräch mit dem Göttlichen in uns, es ist ein -Gespräch mit dem Gotte und ein Kampf mit dem Menschen in uns um die -Bereitschaft der Seele.« - -Willfährigkeit gegen das Göttliche und Wehrfähigkeit gegen das -Menschliche, das gab seinem Wesen Reife und Anmut. Was er unter -Bereitschaft der Seele verstand, sprach er ein andermal aus: »Wenn -es Sinn und Aufgabe des Menschenlebens ist, hinter die Erscheinung -des Menschlichen zu kommen, dann haben wir durch den Krieg unser Teil -am Leben mehr als andere dahin. Wenige sehen wie wir hier draußen so -viel Hüllen sinken, wenige haben so viel Niederträchtigkeit, Feigheit, -Schwachheit, Selbstsucht und Eitelkeit, wenige so viel Würde und -schweigsamen Seelenadel gesehen, wie wir. Wir können vom Leben nicht -mehr fordern, als daß es sich uns entschleiert; darüber hinaus ist -keine menschliche Forderung. Uns hat das Leben mehr als vielen gegeben, -warten wir ruhig ab, ob es auch mehr von uns zu fordern hat!« - -An Zarathustra gefiel ihm der schwingentragende Gedanke, daß der Mensch -ein Ding sei, das überwunden werden muß. Immer war seine Seele auf der -Streife nach dem Ewigen. Auch in Sachen seines Volkes scheute er sich -nicht, der Vergänglichkeit ins Auge zu sehen. Menschen und Völker, -beide waren ihm vergänglich und ewig zugleich. Darum liebte er mit -Herzlichkeit Gottfried Kellers »Fähnlein der sieben Aufrechten« mit -seinem unvergleichlich schönen und rührenden Gespräch der Schweizer -Bürger über den fernen Tod und die Hinterlassenschaft ihres Volkes. Die -Klarheit und Lieblichkeit dieser schönsten Novelle hat uns unendlich -oft erquickt und unsre Herzen fröhlich und unsre Lippen beredt gemacht -wie junger Wein. Wenn dann mitten in dem Frühling bunter Bilder -Meister Kellers nachdenkliches und geruhiges Wort vom Tode der Völker -aufklang, dann war's, als ob eine dunkle, tiefe Glocke in der Stille -zu tönen anhöbe, und unsre Herzen schwangen in dem Ewigkeitsklange -mit: »Wie es dem Manne geziemt, in kräftiger Lebensmitte zuweilen an -den Tod zu denken, so mag er auch in beschaulicher Stunde das sichere -Ende seines Vaterlandes ins Auge fassen, damit er die Gegenwart -desselben um so inbrünstiger liebe; denn alles ist vergänglich und -dem Wechsel unterworfen auf dieser Erde. Oder sind nicht viel größere -Nationen untergegangen, als wir sind? Oder wollt Ihr einst ein Dasein -dahinschleppen wie der ewige Jude, der nicht sterben kann, dienstbar -allen neu aufgeschossenen Völkern, er, der die Ägypter, die Griechen -und Römer begraben hat? Nein! ein Volk, welches weiß, daß es einst -nicht mehr sein wird, nützt seine Tage um so lebendiger, lebt um so -länger und hinterläßt ein rühmliches Gedächtnis; denn es wird sich -keine Ruhe gönnen, bis es die Fähigkeiten, die in ihm liegen, ans -Licht und zur Geltung gebracht hat, gleich einem rastlosen Manne, der -sein Haus bestellt, ehe denn er dahin scheidet. Dies ist nach meiner -Meinung die Hauptsache. Ist die Aufgabe eines Volkes gelöst, so kommt -es auf einige Tage längerer oder kürzerer Dauer nicht mehr an, neue -Erscheinungen harren schon an der Pforte ihrer Zeit! So muß ich denn -gestehen, daß ich alljährlich einmal in schlafloser Nacht oder auf -stillen Wegen solchen Gedanken anheimfalle und mir vorzustellen suche, -welches Völkerbild einst nach uns in diesen Bergen walten möge? Und -jedesmal gehe ich mit um so größerer Hast an meine Arbeit, wie wenn -ich dadurch die Arbeit meines Volkes beschleunigen könnte, damit -jenes künftige Völkerbild mit Respekt über unsere Gräber gehe!« Ich -sehe Ernst Wurche noch vor mir, wie er einmal das schmale Heftchen -bei seiner schönsten Stelle sinken ließ und über den Rand der Seiten -träumte. »Nur den Strohtod,« meinte er, »den möchte man seinem Volke -gern erspart sehen. Aber fast alle Völker sind den Strohtod gestorben. -Der Gedanke an den Heldentod eines Volkes ist nicht schrecklicher als -der an den Schwerttod eines Menschen. Nur das Sterben ist häßlich bei -Menschen und bei Völkern. Aber wenn ein Mann den tödlichen Schuß, der -ihm das Eingeweide zerreißt, empfangen hat, dann soll keiner mehr nach -ihm hinsehen. Denn was dann kommt, ist häßlich und gehört nicht mehr -zu ihm. Das Große und Schöne, das heldische Leben ist vorüber. So muß -es auch sein, wenn ein Volk in Ehren und in Größe seinen Todesstreich -empfangen hat, -- was danach kommt, darf niemand mehr seinem Leben -zurechnen, es ist kein Teil davon ...« Aus seinen Worten klang so -viel Jugend und Tapferkeit, daß ich am liebsten seine Hand gepackt und -herzhaft geschüttelt hätte. - -Die tiefe Ehrlichkeit, mit der er alles erlebte, ansah und überdachte, -brachte ihn oft in einen fast drolligen Zorn, wenn wir eins der -gutgemeinten und in Massen ins Volk geworfenen Bücher durchliefen, -in denen dieser oder jener berühmte Publizist seine Eindrücke an der -deutschen Front gesammelt hatte. Die rosa Schminke verdroß ihn, wo er -sie sah. »Wenn man doch die Phrase von dem allgemeinen Heldentum der -Masse lassen wollte,« sagte er einmal. »Als ob es nicht eben so gut -klänge, wenn man ehrlicher, ruhiger und wahrer von dem Vorherrschen des -Sinnes für Pflicht, Gehorsam und Treue im Volk spräche. Helden sind -Ausnahmen, sonst brauchte man nicht von ihnen zu reden.« Der Sinn für -Schlichtheit saß ihm tief im Blute, Schönfärberei und Phrase war ihm -verhaßt. - -Diese Scheu vor der Oberflächlichkeit konnte ihn je nach der Umgebung -einsilbig machen oder beredt. Und darum schien ihm das Zwiegespräch -mit Recht die schönste Unterhaltung; denn kein andres Gespräch vermag -so wie dieses ohne Sprunghaftigkeit ruhig in klare Tiefen zu steigen. -Manches liebe und nachdenksame Wort, in stillen Nachtstunden von -junger Menschenhand geschürft, ist mir seither ein Stück von der Habe -des Herzens geworden. Keins aber leuchtet heller nach als jenes, mit -dem er einmal an der Brustwehr seines Grabens ein nächtliches Gespräch -über den Geist des Wandervogels schloß: »Rein +bleiben+ und reif -+werden+ -- das ist schönste und schwerste Lebenskunst.« - -Die Wandervogeljugend und das durch ihren Geist verjüngte Deutschtum -und Menschentum lag ihm vielleicht zutiefst von allen Dingen am Herzen, -und um diese Liebe kreisten die wärmsten Wellen seines Blutes. Ihm, -dem selber Leib und Seele frei und ebenmäßig zu natürlicher Schönheit -wuchsen, schien die beste Erziehung zu sein, den jungen Baum leicht -und geruhig wachsen zu lassen, sich seines Blühens zu freuen und ihm, -wenn's not tat, einmal die Blätter zu waschen. Er verschloß seine Augen -nicht vor häßlichen Auswüchsen der großen Jugendbewegung. »Aber«, -meinte er, »die meisten Auswüchse kommen von dem sinnlosen Betasten -und Beklopfen des jungen Holzes. Ein eingeschnürtes Stämmchen muß -unnatürlich wuchern, auch wo es nicht will. Rührte man nicht immer und -immer mit knöchernem Finger an das Feinste und Beste der werdenden -Seele, an ihre Unbefangenheit, so würde ihr schönster Schmelz, die -Bescheidenheit, nicht so oft zerstäuben. Wer die Kampflust der Jugend -reizt, macht sie hochmütig und laut, und wer sie ungeschickt anfaßt, -der macht sie häßlich. Natürliche Jugend ist immer bescheiden und gütig -und dankbar für herzliches Gewähren, aber wer sich, ohne Ehrerbietung -wecken zu können, ans Erziehen macht, soll sich nicht wundern, wenn er -Frechheit und Grausamkeit weckt.« - -Den Kampf der deutschen Jugend um das gute Recht ihres natürlichen -Wachstums verfolgte er mit der gleichen inneren Leidenschaft wie das -Ringen der Völker, das ihn nun seit Monaten in seinem Strudel umtrieb. -Von seinem Leutnantsgehalt schickte er fleißig an die Wandervögel -daheim auf Schule und Hochschule. »Denn die Kriegskassen der Jugend muß -man füllen helfen,« lachte er. Und kamen dann Briefe mit ungelenken -Buchstaben und schrägen, drängenden Zeilen, oder es kamen die gelben -Hefte des »Wandervogels« mit ihren schwarzen Schattenbildern und bunten -Fahrtenbriefen, dann trat ihm beim Lesen die Seele in die Augen. Auch -seinen Geschwistern schickte er Geld »zum Wandern«, und immer wieder -zog seine Seele, frohherzig lauschend, dem fernen Klang der unter -einem Wirbel von Liedern wandernden Jugend nach. Er schaute lächelnd -dem Kahne nach, der seine Geschwister mit ihrem gastfreundlichen -Pfarrherrn durch den rosigen Abendfrieden der schimmernden Seebreite -trug und lachte sein leises, gutes Schelmenlachen, wenn die Posaune des -Pfarrherrn sich vor den gläubigen, jungen Augen zur Seele des zarten -Abendfriedens machte, einer gewaltigen Seele, die ihren leichten Körper -dröhnen und beben machte. - -Es kamen auch andere Briefe, die ihn still und einsilbig machten und -ihm das Warten und Lauern hinter dem Drahtzaun zur Qual werden ließen. -In Flandern und Galizien legten fremde Hände seine besten Fahrtgesellen -ins Grab. »Ich habe so viele gute Freunde zu rächen --« stieß er einmal -ingrimmig hervor. »Rächen --?« fragte ich. »Würden Sie selber gerächt -sein wollen?« Er sah nachdenklich mit zusammengezogenen Brauen zu -den russischen Gräben hinüber und antwortete langsam und vor innerer -Bewegung an den Worten zerrend: »Nein. Ich nicht. Aber die Freunde ...« -Ich nicht, aber die Freunde -- da reckte sich Mensch neben Mensch in -+einem+ engen Herzen auf. Ich stand neben ihm und schwieg. Nach einer -Weile schob er seinen Arm in meinen und sprach, indem er mir nah und -fest ins Auge sah: - - »Der Stahl, den Mutters Mund geküßt, - Liegt still und blank zur Seite. - Stromüber gleißt, waldüber grüßt, - Feldüber lockt die Weite! -- - -Das +ist doch+ schön, nicht wahr, mein Freund!« Und so machte sein -junges Herz die heiße Eisenprobe auf das, woran es als gut und schön -glaubte. Und zugleich gab es Dank und Freundschaft an ein anderes Herz, -das ihm brüderlich nahe war ... - -Seine Freundschaft ließ er mehr spüren, als daß er sie aussprach. Er -eröffnete sein und des andern Herz in dem gleichen, freien Vertrauen, -ohne Dringlichkeit und Überschwang. Das erste Exemplar meines -Kriegsbuches »Sonne und Schild« schenkte ich ihm, und als er's gelesen, -sagte er nichts als: »Ihre Mutter möchte ich kennen lernen, Flex. Ich -darf sie doch nach dem Kriege besuchen, nicht wahr?« -- -- -- - - * * * * * - -Allmählich war der süßherbe Frühlingsgeruch alten Laubs und junger -Erde in den schwülen Brodem sommerheißer Sümpfe und den Dunst -abgeblühter Wasser übergegangen. Die jungen Krähen, die unsre Leute -aus den Horsten der Föhrenwipfel zur Kurzweil heruntergeholt hatten, -stolzierten längst groß, frech und struppig mit gestutzten Flügeln auf -der Brustwehrkrone unsres Grabens entlang, krakehlten mit den Posten, -hieben mit den dreisten Krummschnäbeln nach den blanken Mündungen -der Gewehrläufe oder revidierten die Kochgeschirre und Trinkbecher -bei den Ruhebänken der Mannschaften. Im heißen Sande sonnten sich -Kreuzottern und Kupfernattern, die den Fröschen auf der kühlen -Grabensohle nachstellten. Der wunde und ausgeholzte Wald strömte -starken Harzgeruch aus. Die Sumpfwiesen wucherten von fettem Grün, und -von den sonnentrocknen Moorbreiten schwelten rote Torfbrände durch die -weißen Juninächte. Die Luft glimmerte und zitterte tagsüber von Sonne, -und rasch heraufziehende Gewitter entluden sich krachend über den -schwankenden Föhrenkronen. - -Von Galizien grollten die Donner neuer gewaltiger Kämpfe herüber, -und in die Riesenglieder der Hindenburgarmee, die in eiserner Ruhe -erstarrt schienen, kam ein Recken und Strecken, bis die endlose Front -von lärmendem Kampfgetöse erdröhnte. Wir lagen noch immer abwartend -hinter unsren Verhauen, aber wir lauerten nur noch auf den Befehl zum -Vorbrechen. Auf nächtlichen Streifzügen zum Feinde hatten wir schon -Papierfahnen mit der schadenfrohen Nachricht vom Fall Przemysls und -Lembergs an die russischen Drahtverhaue geheftet, und wir wußten, daß -diese Meldungen auch für uns heute oder morgen zu Angriffsfanfaren -werden mußten. - -Aber ehe uns der wachsende Strom des großen Kampfes erfaßte und in -seinen Strudeln fortriß, wurden uns noch ein paar klare, glückliche -Tage geschenkt, deren Bild aus der Vergangenheit herüberleuchtet wie -der Schimmer von fernen, schönen, hellspiegelnden Seen. Unsre Kompanie -wurde zu Anfang des Juli auf fünf Tage aus den Gräben gezogen und kam -unter Laubhütten und Zelten tiefer im Walde in Ruhestellung. Der Zufall -wollte, daß in diese Zeit mein Geburtstag fiel, und der Freund half -den Tag feiern, nicht mit vollen Gläsern und Liederlärmen, sondern in -seiner Art mit Sonne, Wald und Wasser und dem Ewigkeitsklang uralt -schöner Worte, die sich auf jungen Lippen verjüngten und beseelten. -Der waffenlose, wolkenlose Feiertag des sechsten Juli wurde ganz -ein Geschenk seines frischen Herzens an das meine. Als die Sonne am -höchsten stand, gingen wir aus dem Schatten der roten Föhren zu -den Nettawiesen hinunter. Die Sonne badete im tiefsten Blau des vom -Nachtgewitter erfrischten Himmels und überspiegelte mit feuchtem -Glanze die hellschimmernden Flußwindungen und den fern in stählernem -Blau aufblendenden Schild des Sajno-Sees. Das Licht troff durch das -vollsaftige Grün der strotzenden Pappeln und Weiden, und über dem -wuchernden Gras der weiten Koppeln flimmerte die Luft und zitterte -unter dem Atem der erwärmten Erde. Wir warfen die Kleider am Netta-Ufer -ab und badeten. Mit dem Strome trieben wir in langen Stößen hinab, -schwammen gegen den Strom zurück, daß sich uns das Wasser in frischem -Anprall über die Schultern warf und stürzten uns immer aufs neue von -der sonnenheißen Holzbrücke, die gegen die Sohlen brannte, kopfüber in -weitem Sprung in den Fluß. Auf dem Rücken trieben wir geruhig stromab -und liefen auf dem lauen Sande am Schilfufer zurück. Im buntwuchernden -Wiesenkraut ließen wir uns von Sonne und Wind trocknen, und die leisen, -zitternden Sonnenwellen rannen gleichmäßig durch Luft und Sand und -Menschenleib und durchgluteten alles Lebendige mit trunkener Kraft und -erschlaffender Freude. - - Die Wiese schäumt von Blüten, - Der Wind singt drüberhin, - Den sonnenlichtdurchglühten - Leib bad' ich kühl darin. - - Du freie Gottesschmiede, - Du lohe Sonnenglut, - Inbrünstiglich durchglühe - Leib, Seele, Herz und Blut! - - Ins Glühen unermessen - Und Blühen eingewühlt - Will ich den Tod vergessen, - Der alle Erde kühlt. - - Glüh', Sonne, Sonne glühe! - Die Welt braucht soviel Glanz! - Blüh', Sommererde, blühe, - Ach blühe Kranz bei Kranz! - -Geschützdonner grollte von fern herüber, aber die Welt des Kampfes, -dem wir auf Stunden entrückt waren, schien traumhaft fern und unwahr. -Unsre Waffen lagen unter den verstaubten Kleidern im Grase, wir -dachten ihrer nicht. Eine große Weihe kreiste unermüdlich über der -weiten schimmernden Tiefe grüner Koppeln und blauer Wasser; an ihr, -deren schlanke Schwingen in weitem, prachtvollem Schwunge zu lässigem -Schweben ausholten, hingen unsre Blicke. War es der Raubvogel, der die -Seele des jungen Menschen neben mir emporriß in freier Gottesfreude? -Der Wandervogel, der einst in deutschem Gotteshause eingesegnet worden -war mit dem seiner Seele ebenbürtigen Spruch: »Die auf den Herren -hoffen, haben neue Kraft, daß sie auffahren wie Adler!«, der junge -Gottesstudent fühlte seiner Seele die Schwingen wachsen von jener -ewigen Kraft, die »deinen Mund fröhlich macht, daß du wieder jung wirst -wie ein Adler,« und frei und leicht hob er sich und den Freund empor -über die hellen Tiefen der bunten Erde. Der junge Mensch stand schlank -und hell auf dem blühenden Grunde, die Sonne ging schimmernd durch -seine leichtgebreiteten Hände, und die Lippen, die so oft von Goethes -Liedern überflossen, strömten den uralt heiligen Wohlklang der Psalmen -Davids über den sonnentrunkenen Gottesgarten hin: - - »Herr, mein Gott; du bist sehr herrlich! - Du bist schön und prächtig geschmückt! - Licht ist dein Kleid, das du anhast! - Du breitest aus den Himmel wie einen Teppich. - Du wölbest es oben mit Wasser. - Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen - und gehest auf den Fittigen des Windes. - Du machst deine Engel zu Winden und deine Diener zu - Feuerflammen, der du das Erdreich gründest auf - seinem Boden, daß es bleibt immer und ewiglich. - Die Ehre des Herrn ist ewig. - Der Herr hat Wohlgefallen an seinen Werken. - Er schauet die Erde an, so bebet sie ... - Ich will dem Herren singen mein Leben lang und meinen Gott - loben, solange ich bin. - Meine Rede müsse dem Herrn wohlgefallen. Ich freue mich - des Herrn!« - -Das ewige Preislied Gottes aus seiner Schöpfung ging über die reife, -in ihren Tiefen erwärmte Erde hin. Der Wohlklang der jungen Stimme -umlief wie ein tönendes Kristall den klaren Wein der ewigen Worte. Der -ebenmäßige Mensch in seiner jungen Schlankheit stand selbst wie ein -Dankesmal der Schöpfung in dem hellprangenden Gottesgarten, und von -seinen frischen Lippen ging ein Hauch religiösen Frühlings über Erde -und Menschen hin. - -Über die weiten Koppeln hin stob der übermütige Galopp sattelloser -Pferde. Stuten und Fohlen weideten auf den Nettawiesen. Im Wasser und -an den grünen Ufern des Flusses wimmelte es von den hellen Leibern -badender Soldaten, die lichten Breiten der Netta schäumten von Wasser, -Sonne und ausgelassenem Lachen. Die ewige Schönheit Gottes prangte über -dem weiten Gottesgarten und leuchtete als Sonne und Schild über dem -hellen Bilde des Jünglings ... - -Über den Lärm und Glanz aller Kämpfe und Siege hin glänzt das Bild -dieser Stunde in mir nach als der stärkste Eindruck, den ich mit Seele -und Sinnen im Leben empfangen habe. - -Aber am Abend des Tages stand derselbe Mensch im grauen Waffenrock -neben mir auf dem dunklen Hochstand im Wipfel einer Doppelfichte, -von wo tagsüber unsre Baumposten das Kampfgelände mit Ferngläsern -absuchten, und ließ spielend den roten Mond im hellen Stahl seines -breiten Seitengewehrs spiegeln. Seine rechte Hand glitt in leiser -Unruhe prüfend an der Schneide entlang, und Auge und Hand freuten -sich, wie so oft, an der römischen Form der blanken Waffe. Mit leicht -vorgestrecktem Kopfe horchte er nach dem Dunkel der russischen -Gräben hinüber, über denen die wachsamen Leuchtkugeln stiegen und -sanken. Hinter den schwarzen Holzhütten von Obuchowizna glomm die -rote Glut eines Torfbrandes, und schwarzer Ruß flockte in Wolken über -den fackelhellen Himmel. Wir sprachen, ins Dunkel der Riesenfichte -geschmiegt, von den Kämpfen, denen wir entgegengingen. »Einen echten -und rechten Sturmangriff zu erleben,« sagte der junge Leutnant neben -mir, »das muß schön sein. Man erlebt vielleicht nur einen. Es muß -+doch+ schön sein.« Und schwieg wieder und blickte auf den breiten -Stahl in seinen Händen nieder. Mit einmal legte er mir den Arm um -die Schulter und rückte das helle Schwert vor meine Augen: »Das ist -+schön+, mein Freund! Ja?« Etwas wie Ungeduld und Hunger riß an den -Worten, und ich fühlte, wie sein heißes Herz den großen Kämpfen -entgegenhoffte. Lange noch stand er so, ohne sich zu rühren, mit leicht -geöffneten Lippen im heller werdenden Mondlicht, das über die breite -Klinge in seinen hellen Händen floß, und schien auf etwas Fremdartiges, -Großes und Feindseliges zu lauschen, das im Dunkel verhohlen war. -Wie er so wach und durstig in eine nahe, waffenklirrende Zukunft -hineinhorchte, schien er mir wie das lebendig gewordene Bild des jungen -Knappen, der in der Nacht vor der Schwertleite ritterliche Wacht vor -seinen Waffen hält. - -An diese seltsame, dunkle Stunde wurde ich erinnert, als ich vor -Weihnachten die Mutter des gefallenen Freundes in seiner Heimat -besuchte. Nach einer Weile des Schweigens fragte sie mich leise: »Hat -Ernst vor seinem Tode einen Sturmangriff mitgemacht?« Ich nickte mit -dem Kopfe. »Ja, bei Warthi.« Da schloß sie die Augen und lehnte sich -im Stuhle zurück. »Das war sein großer Wunsch,« sagte sie langsam, als -freue sie sich im Schmerze einer Erfüllung, um die sie lange gebangt -hatte. Eine Mutter muß wohl um den tiefsten Wunsch ihres Kindes wissen. -Und das muß ein tiefer Wunsch sein, um dessen Erfüllung sie noch nach -seinem Tode bangt. O, ihr Mütter, ihr deutschen Mütter! -- -- - -Wißt ihr nun, ihr, die ihr diesen Tag nacherlebt habt, von dem ich -redete, wißt ihr nun, was es heißt, Wandrer sein zwischen beiden -Welten? ... - - * * * * * - -In den letzten Tagen des Juli löste uns ein Landwehrregiment in den -Gräben vor Augustow ab. Mit übermütig vollen Herzen lasen wir den -Ablösungsbefehl. Wenn auch das Marschziel geheim gehalten wurde, so -wußten wir doch, es ging ins Gefecht, es wurde Ernst. Aber wir wollten -nicht klanglos aus den liebgewordenen Wäldern marschieren. Auf einer -ausgelassenen Abschiedspatrouille sagten wir nächtlicherweile den -russischen Muschiks Lebewohl, mit denen wir so lange feindnachbarlich -zusammen gehaust hatten. Mit roten und blauen Papierlaternen aus -unsern Unterständen und langen Hakenstangen schlichen wir im Dunkel -über den Kolnobach und krochen an die feindlichen Verhaue an. Dort -schafften wir uns mit den flinken Handspaten im lockern Sande eine -Kugeldeckung, hingen die bunten Lampen an die Stangenhaken und zündeten -sie in tiefen Wühllöchern gleichzeitig an. Auf ein leises Kommando -schwebten die hellen Laternen, rot und blau aufleuchtend, über den -russischen Verhauen empor und standen dort festlich und feierlich -still. Zugleich erhob sich, von einem Dutzend frischer Stimmen -gesungen, die Wacht am Rhein und schwoll über die Russengräben hin. -Die aus dem feindlichen Dunkel knatternden Salven taten den Sängern -hinter ihren guten Sandhaufen wenig, nur daß hie und da einer lachend -den Sand aus den Zähnen spuckte, den die über die Deckung streifenden -Kugeln in den offenen Mund peitschten. Die blaue Lampe erlosch und -fiel, von ein paar Kugeln zerfetzt, von der Stange. Aber die roten -Laternen hielten sich um so wackerer, nur daß sie eben ein paarmal im -Kugelwind schwankten und flackerten. Mählich wurde, während Gesang und -Gelächter unbekümmert fortklangen, der ganze Russenwald rebellisch, -aber je wütender aus den Gräben geschossen wurde, desto sichrer -wußten wir, daß keine stärkere Patrouille gegen uns vorging, um den -nächtlichen Unfug an den Stacheldrähten zu bestrafen. Leuchtkugeln -flogen steilauf, hielten sich ein Weilchen flackernd in schwebender -Helle, sanken nieder und erloschen blakend neben uns im Sande; sie -wurden mit Hallo als Bereicherung des nächtlichen Feuerwerks begrüßt. -Allmählich ließ das Schießen nach, und es war wohl an der Zeit, die -kleine Patrouille zurückzunehmen, ehe sie von stärkeren russischen -Kräften ausgehoben würde. Denn Verluste durfte der nächtliche Unfug nun -einmal nicht kosten. Aber kaum wollte ich den Befehl zum Rückzug geben, -da wälzte sich ein junger Kriegsfreiwilliger im Sande blitzschnell mit -dem Gesicht nach mir herum und bettelte: »Herr Leutnant -- Musketier -sein's lust'ge Brüder!« Und eh' ich noch antworten konnte, fielen zehn -Stimmen und mehr, sich vor Übermut überschlagend, in den Text des -braven Soldatenlieds ein. Dagegen war nichts zu machen. Ich fügte mich -und beschränkte mich darauf, die Augen wachsam spazieren zu lassen, -während die guten Kerls Vers um Vers heruntertobten. Das neueinsetzende -russische Feuer beruhigte mich zudem; die Russen schienen keine Lust -zu haben, der frechen Gesellschaft, die ihnen vor der Nase lärmte, -handgreiflich auf den Pelz zu rücken. Das längste Lied nimmt einmal -ein Ende, auch ein Soldatenlied. Aber meine Hoffnung erwies sich als -trügerisch, denn nach dem »lustigen Musketier« schien meinen grauen -Jungs das Lied von der »finstern Mitternacht« als unabweisliches -Bedürfnis. »Herr Leutnant -- Steh' ich in finstrer Mitternacht! ---?« Mochte vernünftig sein, wer wollte, angesichts solcher -Schuljungenlustigkeit nach zwölf Kriegsmonaten! Ich blieb bäuchlings im -Sande liegen und lachte, während meine Kerls immer wütender sangen und -Sand spuckten. Zwei rote Papierlaternen hielten sich unvergleichlich -trotz alles Flackerns und Baumelns. Aber alles muß einmal ein Ende -nehmen, und so setzte ich allen weiteren Programmvorschlägen ein -eisernes Nein entgegen und ließ die Leute einzeln bis zur nächsten -Wiesenschlenke zurückkriechen, wo wir uns in Deckung sammeln konnten. -Nach weitern hundert Metern sprangen wir auf und machten, daß wir -über den Bach zurückkamen. Gottlob, es bekam keiner etwas ab trotz der -Abschiedsgrüße, die fleißig hinter uns dreinpfiffen. In unsern Gräben -mußten wir noch einmal über das sorgenvolle Gesicht des Kompanieführers -lachen, der bereits dem Unterabschnittskommandeur telephonisch das -Auftauchen roter Signallichter in der russischen Stellung gemeldet -hatte und nun etwas verdutzt unsre Patrouillenmeldung entgegennahm. -Viel Zweck hatte der übermütige Streich nicht, aber es war doch ein -hübsches Zeichen für den Geist, mit dem unsre Leute nach wochenlangem -Stilliegen in den Bewegungskrieg gingen. - -Andern Tags erwarteten wir die Ablösung. Noch einmal streiften wir -zu zweit, den Mückenschleier unter der Feldmütze, durch den würzigen -Harzduft und schweren Torfgeruch der Sumpfwälder und schlenderten -bis zu den Nettawiesen. Am Waldrand im heißen Sand gelagert, hörten -wir die Schnaken singen und die Spechte hämmern. Das keifende -Geschwätz der Eichelhäher lärmte uns zu Häupten, und die schillernden -Blauspiegel ihrer Flügel leuchteten blank zwischen den sonnenroten -Stämmen auf, wie sie in ungeschicktem Schlingerflug von Lichtung zu -Lichtung herauf- und hinunterstoben. Die papageienbunten Mandelkrähen -schwangen sich über das dunkle Grün der Fichten und ließen die Sonne -in ihrem farbigen Gefieder aufblenden. Fern hinter dem breiten -Stahlschilde des Sajno-Sees verdämmerten im Sonnendunst des Horizonts -violette Zichorienfelder und die weißen Teppiche üppig blühender -Margaretenwiesen. Die blaue Netta gluckte leise aus prangendem Grün und -buntem Schaumkraut herüber. - -Am Spätabend rauschte und klirrte der Marsch der ablösenden -Landwehrkompanie durch den stillgewordenen Wald. Mit den Unterständen -und Gräben zugleich übernahmen die Landwehrleute von unsern Musketieren -das lebendige Erbe der zahmen Krähen und halbflüggen Blauraken. -Gute Wünsche herüber und hinüber, dann rückte die Kompanie ab. Im -Waldesdunkel intonierte die Kompaniekapelle, deren Instrumente zumeist -sehr sinnreich aus Blechbüchsen und Telephondraht hergestellt waren, -das »O Deutschland, hoch in Ehren!«, und Gruppe um Gruppe fielen die -Mannschaften ein. Unter Lachen und Singen ging es der ungewissen -Zukunft entgegen. - -Die Nacht verbrachten wir auf Stroh in den Russenkasernen von -Augustow. In den nächsten Tagen ging's über Suwalki nach Kalvarja -weiter. Auf diesen ersten Märschen, die den im monatelangen -Stellungskrieg eingerosteten Knochen der Leute recht sauer wurden, -erwies sich der junge Wandervogel als frischer Helfer. Ohne viel -Ermahnen, Schelten und Antreiben wußte er durch ein rasches Scherzwort -hier und dort einen niederhängenden Kopf zu heben, während er mit -leichtem, festem Schritt an der marschierenden Kolonne herauf- und -herunterging. Bot ihm einer der berittenen Offiziere während des -Marsches ein Pferd an, so schlug er's aus; als Zugführer marschierte -er mit seinen Leuten. Von einem Gaul herunter, der ihm nicht zustand, -die müden Gruppen anzutreiben, das lag ihm nicht. Etwas Festes und -Festliches war immer in seinem Gang, das jeden gern nach ihm hinschauen -ließ. Unweit Kalvarja wurden die Marschkolonnen des Bataillons von -der russischen Artilleriebeobachtung bemerkt, und über die auf -kurze Strecke eingesehene Straße fegten krachend die Sprengladungen -berstender Schrapnells. Hart neben den ziehenden Kolonnen schleuderten -einschlagende Granaten die schwarze Erde baumhoch empor und wühlten -mächtige Trichter auf. Die Kompanien wichen dem Feuer in den -Sumpfbruch rechts der Straße aus und zogen abseits außer Sicht im -Wiesengrunde weiter den Türmen von Kalvarja entgegen. Noch sehe ich -Ernst Wurche durch den Granatensegen von Kalvarja schreiten mit -demselben geruhigen und aufrechten Gang, mit dem er die Steilhänge der -Côtes Lorraines hinab, an ostpreußischen und polnischen Seen entlang -und singend an der Spitze der zum Baden ziehenden Kompanie durch die -Sonnenwälder von Augustow gezogen war. Dieser Gang wurde um nichts -hastiger. Das ruhige, feste, gleichsam befehlende Ausschreiten des -jungen Leutnants geleitete die Kompanie in guter Ordnung durch die -Feuerzone und verhinderte ein Auseinanderlaufen der Kolonnen in dem -unbekannten und gefährdeten Gelände. Nach stundenlangem, erschöpfendem -Marsch durch morastige Gründe und unwegsame Hänge bog die Kompanie -wieder auf die große Straße ein. Neben dem triebhaften Vorwärtsziehen -der müden grauen Masse klang der lebendige Schritt des jungen Führers -über das Steinpflaster von Kalvarja. - -Zwischen Kalvarja und Mariampol bezog das Regiment noch einmal -feste Stellung, die von preußischer Landwehr ausgebaut war. Ein -abscheulicher Fäulnisgeruch lag über den Lehmgräben, in denen trübes -Grundwasser immer in tiefen Lachen und Pfützen stand. Unter dem -Bodenbelag der Unterstände mußte das nachsickernde Wasser immer aufs -neue ausgeschöpft werden. Jenseits der Brustwehr lag der ausgeworfene -Schlamm in breiten, zähen Bächen. An der Luft und unter der Erde -wimmelte es von Ungeziefer. Das Fliegengeschmeiß sammelte sich um jeden -eßbaren Bissen in schwarzen Klumpen, und aus dem Deckbalkengefüge der -Unterstände warfen uns die unermüdlich wuselnden Mäuse den trocknen -Lehm auf Köpfe und Teller. Ernst Wurche, der in diesen Tagen seinen -dritten Zug an einen Kameraden mit älterem Patent abgeben mußte, teilte -mit mir ein enges Erdloch, in dem wir gerade auf zwei etagenförmig -übereinander gebauten Pritschen schlafen konnten. Gegen die Mäuse -eröffneten wir, wenn es zu toll wurde, mit unsern Pistolen von beiden -Pritschen her nächtliche Feuerüberfälle, die sich mitunter zu wütendem -Trommelfeuer steigerten. Wenn dann unsre Taschenlampen als Scheinwerfer -über den Kampfplatz spielten, beleuchteten sie ein wüstes Trümmerfeld -von Holzsplittern und Lehmbrocken, unter denen sich einmal sogar eine -Mäuseleiche begraben fand. Die Höhlenluft, in der wir schliefen, wurde -durch den Pulverschwaden, der das nächtliche Schlachtfeld deckte, -weder besser noch schlechter. Im übrigen mieden wir nach Möglichkeit -den Aufenthalt in dem unappetitlichen Loche, in dem wir uns trotz -der von Wurche besorgten pomphaften Türinschrift »Stabsquartier des -2. Zuges« nicht heimisch fühlten. Bei Nacht wanderten wir durch den -Graben und die Horchpostenlinie oder pirschten uns auf Patrouille an -die russische Feldwache heran. Bei Tage nützten wir jedes Stündlein -Sonne zum Faulenzen und Plaudern auf einer kärglichen Feldblumenwiese -hinter den Gräben. Die flache Wiese war der einzige saubere Fleck, der -uns in dem armseligen Lande, das sich um die »Leidensstadt« Kalvarja -dehnt, erreichbar war. Aber sie hatte den Nachteil, daß man sie nur -»liegend« bewohnen konnte. Vermaß man sich, aufrecht darauf zu wandeln, -so pfiffen einem vom Russengraben her die Salven um die Ohren. Aber es -war doch schön, sich auf dem blühenden Fleckchen zu strecken, die Hände -unterm Kopf zu verschränken und in den blauen, sonnenheißen Himmel -hinaufzusehen. Auf dieser Wiese haben der Freund und ich unsre letzten -Plauderstündchen gehalten, zum letzten Male habe ich mich hier seines -gedankenhurtigen und bildkräftigen Plauderns freuen dürfen ... Goethes -Lieder ließen uns die Armseligkeit der Umgebung vergessen, und oft rief -uns erst der Kugelsegen, der uns beim Aufstehen begrüßte, wieder in die -Wirklichkeit zurück. - -In der ersten Frühe des 19. August hatte ich den Freund eben im -Nachtdienst abgelöst, als ich vom Kompanieführer den Befehl erhielt, -mit einer Patrouille die Stärke der feindlichen Grabenbesatzung nach -Möglichkeit zu erkunden. Die Kämpfe um Kowno machten die Stellung -des Gegners mit jedem Tage unhaltbarer, und es lag alle Ursache vor -aufzupassen, ob er nicht einmal freiwillig bei Nacht und Nebel die -Gräben räumte, um sich weiter rückwärts in günstigerer Lage aufs neue -festzusetzen. - -Mit einer Patrouille von zwei Gruppen fühlte ich vor. Es war schon -fast heller Tag, und zunächst glaubte ich nicht, daß wir weit kommen -würden. Denn gleich als wir uns über die Ausfallrampe der Brustwehr -schwangen, pfiffen uns von drüben ein paar Kugeln um die Ohren, die -uns bewiesen, daß noch Leben in dem Russengraben war, und zudem mußten -wir fast den ganzen Weg in voller Sicht des Feindes zurücklegen. Aber -sonderbar, je weiter wir vorgingen, desto zaghafter kamen die Schüsse -vom gegnerischen Graben. Daß wir längst bemerkt waren, daran war kein -Zweifel. Entweder hatten also die Russen in der Nacht die Stellung -geräumt und nur ein paar Leute zurückgelassen, die durch fleißiges -Schießen die Grabenbesatzung so lange wie möglich »markieren« sollten -und denen es nun angesichts unsres Vorgehens rätlich schien, keine -zu große Erbitterung in uns aufzuspeichern, oder aber man wollte uns -herankommen lassen und in die Falle locken. Um herauszubekommen, -welche der zwei Möglichkeiten wahrscheinlich sei, nahm ich mit -meinen zwei Gruppen auf einem flachen Hügel Stellung, schoß ein -paar Salven nach den russischen Gräben und ging dann im Kehrt ein -Stückchen zurück, als wenn ich wieder in die eigene Stellung wollte. -Ich sagte mir: wollten die Russen uns in die Falle locken und sehen -nun, daß wir doch umkehren, so werden sie jetzt mit allen Gewehren -feuern, um uns zusammenzuschießen, ehe wir ganz entkommen. Aber trotz -der Kehrtschwenkung blieb es bei ein paar Schüssen, die bald von -rechts, bald von links her über unsre Köpfe weggingen. Dadurch sicher -gemacht, gingen wir wieder energisch gegen die russischen Verhaue -vor. Gleichzeitig schickte ich einen Mann zurück an Leutnant Wurche, -er möchte mir mit einer Handgranatengruppe möglichst rasch folgen. -Ich wollte ihn in einem abgebrannten Gehöft kurz vor dem russischen -Hindernis erwarten, dann in den Russengraben einbrechen und uns im -Fall einer Überrumpelung mit den Nahkampfmitteln doch noch aus der -Falle herauskämpfen. Es ging alles glatt ab. Auf ein verabredetes -Zeichen brachen wir unter den verkohlten Bäumen vor und rissen die -spanischen Reiter des russischen Hindernisses auseinander. Im Nu hatten -die hartzupackenden Fäuste unsrer Leute eine Bresche gelegt, und wir -sprangen über die Brustwehrkrone in den feindlichen Graben hinein. -Im kritischen Augenblick des Vorbrechens schlug doch allen das Herz -schneller, das merkte man an der Art, mit der die Hände der Leute in -den Stacheldraht hineinfuhren. Im russischen Graben holte uns Ernst -Wurche mit seiner Handgranatengruppe ein. Ein russischer Sergeant gab -sich mit einer Gruppe gefangen. Wir schickten eine Gefechtsordonnanz -an die Kompanie zurück, entwaffneten die Russen und schickten sie mit -zwei Mann als Bedeckung dem vorauseilenden Melder nach. Einen Teil -der Leute ließen wir zur weiteren Durchsuchung der Unterstände zurück -und gingen mit dem Rest der Patrouille aufklärend gegen die zweite -Stellung des Gegners vor. Die Gräben auf der beherrschenden Höhe 130 -fanden wir leer, und auch die Gehöfte weiter rückwärts waren verlassen. -Nur ansehnliche Batterien leerer Flaschen in den kahlen Stuben zeigten -deutlich, wo die höheren Stäbe quartiert hatten. Auch aus der zweiten -Stellung ging ein Melder an die Kompanie zurück. Wir selbst drangen -unbehindert noch mehrere Kilometer bis über die Szeszupa vor, schossen -uns mit einer Kosakenpatrouille herum und stellten fest, daß der Gegner -auch in den Gräben am Flußufer noch nicht wieder Halt gemacht hatte. -Danach war unsre Aufgabe gelöst, und wir suchten wieder Verbindung -mit der Kompanie. Auf der Rückkehr zu unsern Gräben -- wir fuhren mit -einem für unser Gepäck requirierten Wagen zurück -- trafen wir zwischen -der ersten und zweiten Grabenlinie der Russen bereits aufklärende -Dragoner, die auf Grund unsrer Meldung vorgeschickt waren. Kurz danach -stießen wir auf Infanteriepatrouillen und marschierende Kolonnen, und -als wir persönlich dem Kompanieführer Meldung machten, gingen bereits -Teile der Feldartillerie auf Balkenbrücken über unsre Gräben vor. Die -ganze Division war in Bewegung. Unsre Leute strahlten. Die »Neunte« -hatte als erste Kompanie den Abzug des Gegners erkundet. Darauf -war jeder Mann der Kompanie stolz. Wir wurden mit einer Patrouille -nochmals vorgeschickt, um an der Szeszupa-Brücke den Flußübergang zu -decken. Aber die Brücke dröhnte schon unter marschierenden Kolonnen, -Pferdehufen und Rädern. Kavallerie- und Infanteriepatrouillen fühlten -bereits weit voraus vor. Wir warfen die Kleider ab, badeten im Flusse -und erwarteten das Bataillon. Es war für Monate unser letztes Bad. - -Der gefangene Sergeant hatte ausgesagt, daß sein Regiment weiter -rückwärts an der Bahnlinie bei Krasna wieder feste Stellung bezogen -habe. Diese Angabe erwies sich als richtig. Die Rückzugsstraße des -Gegners, auf der wir alsbald vormarschierten, war von weggeworfenen -Patronen besät und stellenweise in ihrer ganzen Breite tiefaufgerissen -und zerstört, um das Vorankommen unsrer Geschütze und Fahrzeuge zu -hindern. Aber die Wälder längs der Straße hatten Stammholz genug, -um die Gräben im Augenblick zu überbrücken. Im Walde kurz vor dem -langgestreckten Dorfe Warthi krepierten die ersten russischen -Schrapnells über der Straße, auf der unser Bataillon marschierte. -Die Kompanien zogen sich in Gefechtsbereitschaft nach links in die -den feindlichen Stellungen vorgelagerten Waldstücke und erwarteten -den Angriffsbefehl. Unsere Artillerie fuhr auf und antwortete den -russischen Geschützen. Ein paar Gehöfte zwischen uns und dem Gegner -brannten wie Fackeln herunter. - -Schon beim Abmarsch aus unsrer alten Stellung hatte Leutnant Wurche den -Regimentsbefehl erhalten, der ihn zur zehnten Kompanie kommandierte. -Während des Marsches war er noch mit mir zusammengeblieben, aber jetzt -als die Kompanien zum Gefecht auseinandergezogen wurden, eilte er mit -kurzem Händedruck davon, um sich bei seinem neuen Kompanieführer zu -melden. Während des Marsches war er einsilbig gewesen. Ich verstand ihn -ganz. Es wurmte ihn, +seinen+ Zug, +seine+ Leute aus der Hand geben zu -müssen. Darin fühlte er recht wie ein Künstler, der einen andern über -eine angefangene Arbeit gehen lassen muß. Er war Soldat genug, darüber -nicht viele Worte zu machen. Er wußte Großes und Kleines recht wohl zu -unterscheiden. Das Kleine, das ihn anging, nahm er darum nicht weniger -ernst, aber er sprach nicht darüber. - -So kam es, daß wir in unser erstes Gefecht nicht Seite an Seite -vorsprangen. Zwei Züge der neunten Kompanie, darunter der meine, -wurden zuerst eingesetzt. Es war nicht viel mehr als eine gewaltsame -Erkundung. Gleich beim ersten Sprung unsrer hinter dem Waldrand -entwickelten Schützenlinie ins offene Gelände fegte der Hagel der -russischen Maschinengewehre ratternd gegen uns an und riß die ersten -Lücken. In drei Sprüngen arbeitete ich mich mit meinen Leuten bis zu -einer flachen Ackerwelle vor, die uns wenigstens gegen Flankenfeuer -Deckung gab. Der letzte Sprung kostete mich einen meiner braven -Gruppenführer, den Gefreiten Begemann, der noch am Morgen auf unsrer -Patrouille wacker und fröhlich unter den ersten in den russischen -Graben hineingesprungen war. In den Ackerfurchen hinter uns jammerten -Verwundete. Von unsrer kleinen Anhöhe aus konnten wir die russischen -Gräben überschauen. Es waren wochenlang ausgebaute schrapnellsichre -Gräben hinter tiefen, doppelten Drahtverhauen, eine meisterhafte, -schachbrettartige Anlage, die mit Maschinengewehren gespickt war -und den Angreifer an jedem Punkte in ein verheerendes Flankenfeuer -hineinzwang. Diese Stellungen waren von stürmender Infanterie ohne -starke Artillerievorbereitung nicht einfach zu überrennen. Mit ein -paar Gruppen dagegen anzulaufen, war unmöglich. Ich gab Befehl -»Spaten heraus!« und ließ meine Leute sich einschanzen. Dann schickte -ich Gefechtsordonnanzen mit Meldung zurück und erhielt Befehl, mich -bei Dunkelheit auf die Höhe der andern Kompanien zurückzuziehen. Als -es dämmerte, gruben wir dem Gefreiten Begemann, den ein Herzschuß -niedergestreckt hatte, in der vordersten Linie ein Grab. Die Kameraden -in der Schützenlinie knieten auf und entblößten das Haupt. Ich sprach -laut das Vaterunser. Ein paar russische Schrapnells barsten krachend -über dem offenen Grabe. Wir schlossen das Grab, legten Helm und -Seitengewehr auf den flachen Hügel und schickten drei Ehrensalven -darüber hin gegen die russischen Gräben. Dann zogen wir uns auf die -Höhe des Bataillons zurück. Hinter den niederbrennenden Bauernhöfen -hoben die Kompanien Gräben aus und erwarteten in Bereitschaftsstellung -den Morgen. - -Auch der folgende Tag brachte noch keinen Angriffsbefehl. Wie es -hieß, wurde in aller Eile Artillerieverstärkung herangezogen, um die -feindliche Stellung sturmreif zu machen. - -Am 21. August wurde nach zweistündigem Artilleriefeuer auf der ganzen -Linie angegriffen. Das Gefecht von Krasna und Warthi lebt als einer -der blutigsten Tage in der Geschichte der Brigade. - -Hinter den kahlen Hängen vor Warthi entfaltete sich das Bataillon. Die -Kompanien zogen an den feuernden Batterien vorüber und entwickelten -sich aus den flachen Mulden gegen die Höhe, von wo der Angriff -vorgetragen wurde. Über diese Anhöhe lief zwischen den verbrannten -Höfen eine Straße, die beim Angriff überquert werden mußte und vom -Feinde rasend mit Maschinengewehren bestrichen wurde. Zugweise und -gruppenweise sprangen die Kompanien über den Todesweg. Ich sah Leutnant -Wurche mit seinem Zuge springen, Gewehr in der Hand, den Kopf im -Nacken. Links und rechts von ihm rissen die Russenkugeln Lücken. -Verwundete krochen zurück und taumelten hangabwärts zum Verbandplatz. -Neue Feuersbrünste flammten um Warthi auf und warfen schwelende -Rauchschwaden über das Schlachtfeld. Die Maschinengewehre hämmerten und -schütteten. Das Infanteriefeuer brodelte. Die Artillerien zerrissen -Luft und Erde. Die Schwarmlinien des Bataillons verschwanden im -Gelände, verschmolzen mit Feld und Acker. Hier und dort eine springende -Gruppe, die alsbald, wie von der Erde verschluckt, wieder verschwand. -Die starke Stellung des Gegners hatte durch unser Artilleriefeuer -nur wenig gelitten. Die Maschinengewehre waren nicht niedergekämpft. -Der tiefe Angriffsraum, der zudem von verschanzten Höhen aus mit -vernichtendem Flankenfeuer bestrichen wurde, kostete harte Verluste. -Teile des Bataillons drangen nahe an die russischen Hindernisse vor, -der Angriff gewann ein paar hundert Meter Raum, aber es war nicht -möglich, sturmkräftige Schützenlinien vor den feindlichen Verhauen -aufzufüllen. Die letzten Reserven wurden nicht mehr eingesetzt. -Die vorgedrungenen Schützenlinien hatten sich auf dem Gefechtsfeld -eingegraben. In der Dämmerung kam Befehl an die Kompanien, sich -in +einer+ Höhe in durchlaufenden Gräben einzuschanzen. Es wurde -dunkel. Leuchtkugeln stiegen. Spaten und Beilpicken klirrten. Von -den überstürmten Äckern kam ein Stöhnen und Rufen. Die Krankenträger -gingen vor und zerstreuten sich mit Bahren übers Feld. In den rasch -aufgeworfenen Gräben saßen die Gruppen beisammen, schnitzten Kreuze und -machten Kränze aus Wacholder und Fichtenzweigen. Aus der dunklen Erde -wuchsen Gräber und schlossen sich über den Toten von Warthi. Brände -verschwelten. Ab und zu ein prasselndes Zusammenstürzen ausgebrannter -Häuser und Scheunen. Und immer wieder irgendwo ein Wimmern, ein -messerscharfes Schreien. Ablösende Posten gingen zu zweien und dreien -ins Dunkel vor. Patrouillen streiften durch die Postenkette zu den -Russengräben hinüber. Die ganze Nacht hindurch ging das Suchen und -Fragen und stille Finden ... - -Ernst Wurche lag mit seinen Leuten in der vordersten Linie. Da sein -Kompanieführer gleich zu Beginn des Gefechts ausfiel, hatte er -mitten im Sturm die Führung der zehnten Kompanie übernommen. Seine -Fernsprecher hatten Verbindung nach rückwärts gelegt. Mitten in der -Nacht rief mich der Freund durchs Feldtelephon an. Nach jedem einzelnen -Mann seines alten dritten Zuges fragte er. Ich hatte die Verluste der -Kompanie zusammengestellt. Auch in den dritten Zug hatte der Tag seine -Lücken gerissen. Nach jedem der Verwundeten fragte er mehr, als ich -antworten konnte. Von seinem eignen Erleben sprach er nicht. »Alles -Gute für morgen!« »Gute Nacht!« Ich hing den Hörer ab. Dann ging ich -zum dritten Zuge und brachte den Leuten die Grüße des Freundes. Der -Morgen ging blaß über Gräben und Gräbern auf ... - -Der neue Tag verging unter Wachen und Schanzen. Es hieß, daß schwere -Artillerie im Anmarsch sei. Aber in der nächsten Nacht wichen die -Russen weiter ostwärts auf Olita zurück. In der Frühe des 23. August -drängten wir nach. Mein Zug hatte während des Marsches die Spitze. An -unsern Kolonnen vorüber zogen auf dem ganzen Wege zwischen Nowewloki, -Warthi und Solceniki die endlosen Flüchtlingszüge der von den Russen -mitgeschleppten lettischen Bauern, die mit einem Troß armseliger -Karren voller Betten und Hausrat, mit dem Rest ihrer Herden und -Pferde ihren verlassenen Höfen hinter den deutschen Linien wieder -zustrebten. Nur selten flog ein Zuruf, ein Gelächter hin und her -zwischen den grauen Kolonnen der marschierenden Soldaten und der armen -Herde bündelschleppender Frauen, schreiender Kinder und hastig die -Kappen und Pelzmützen rückender Männer. Die Dörfer und Höfe, zu denen -die Vertriebenen zurückwanderten, lagen in Asche unter verkohlten -Fruchtbäumen und niedergetretenen Zäunen. Der ferne Widerschein ihrer -brennenden Dörfer hatte durch Tage und Nächte den Heimatlosen in die -Augen gebrannt und ihren Glanz stumpf gemacht. Abseits der Straße irrte -blökendes Vieh über die zertretenen Felder, barfüßige, schreiende -Jungen mit Stöcken und kläffende Hunde sprangen dazwischen herum. -Vorüber an der Völkerwanderung der Abgehausten ging unser Marsch, -ging durch menschenöde Dörfer aus altersschwarzen Holzhütten mit -tiefhängenden, moosverfilzten Strohdächern und geplünderten Obstgärten, -vorbei an frischen Gräbern und vorbei an den gespenstisch-verwahrlosten -lettischen Kirchhöfen, die mit ihren schwarz und riesenhaft über einen -Wall von rohen Felsblöcken emporstakenden Holzkreuzen geheimnisvollen -Schädelstätten glichen, öden, verlassenen, von allem Lebendigen -gemiedenen Richtplätzen. Pferdekadaver und verlassene Wagen, zerfetzte -Uniformstücke und verstreute Patronen überall auf Weg und Feld, -zerfahrene und zertretene Ernten zur Seite ... - -Am Wegekreuz vor Zajle erhielt ich durch Zuruf der Verbindungsrotten -Befehl zu halten. Der Bataillonsstab kam zur Spitze vorgeritten, saß ab -und studierte im Straßengraben die Karte. Meldereiter brachten Befehle. -Der Vormarsch fand an der Seensperre vor dem Gilujicie- und Simno-See -für heute sein Ende. Die Kompanieführer wurden nach vorn gerufen und -empfingen die Befehle für die Nacht. Der Stab bezog mit zwei Kompanien -Quartier im Gutshof von Ludawka, die neunte und zehnte Kompanie -sicherte mit Feldwachen und Vorposten zwischen den Buchciánski-Sümpfen -und dem Simno-See. Über Karte und Meldeblock gebückt, standen die -Offiziere um den am Grabenrand sitzenden Major. Auf der Straße von -Zajle her kam eine Sicherungspatrouille mit einer Rotte heftig -redender und gestikulierender Bauernburschen; es waren großgewachsene, -strohblonde Kerle, die ohne Kleider in den Betten gelegen hatten, nur -die Soldatenhemden hatten sie verraten. - -Unter dem hochragenden Wegekreuz von Zajle sah ich den Freund noch -einmal. Er hatte den Weg nach Posiminicze erkundet, wo er mit einem -Zuge Feldwache beziehen sollte. Wir sprachen über die Toten von Warthi. -Ich redete von diesem und jenem, den ich in seinem ersten Gefechte -fallen sah, nachdem ein frischer und herzlicher Führerwille durch lange -Monate unermüdlich an ihm gearbeitet hatte. Ein Sprung und Sturz -- -tot! Und für diesen +einen+ Schritt so viele Mühe und Liebe -- »Nicht -für diesen +einen+ Sprung,« unterbrach mich der Freund, »sondern -dafür, daß er ihn mit hellen und beherzten Augen, mit +Menschen+augen -tat! Und sollte das nicht genug sein?« Ich sah ihn an und schwieg. -Schwieg aus Freude und nicht aus Widerspruch. Aber er schien's dafür zu -nehmen und schob seinen Arm unter meinen. »Haben Sie denn vergessen, -was Sie Ihren alten Klaus von Brankow in der einen Bismarcknovelle -sagen lassen?« Und er holte die Worte aus seinem frischen, jungen -Gedächtnis: »Umsonst --? Es mag enden, wie es will -- Ihr werdet Euer -Brandenburg, Brandenburg! nicht umsonst gejubelt haben. Hat nicht -der tote Begriff Vaterland lebendige Schönheit und Taten gezeitigt? -Haben nicht tausend junge Menschen durch tausend Stunden menschlichen -Lebens nicht an Leichtes und Leeres und Arges gedacht, sondern sind mit -warmen und festen Herzen durch Tage und Nächte gegangen? Kann eine Zeit -umsonst sein, die aus dem sprödesten der Stoffe, aus dem menschlichen, -Kunstwerke gemacht und sie auch denen offenbart hat, die sie wie -Barbaren zertrümmern mußten?« -- - -In diesem Augenblick wurde ich zum Kompanieführer gerufen und erhielt -Befehl, zur Sicherung der Postenaufstellung mit meinem Zuge bis -Dembowy Roq vorzugehen und dort Stellung zu nehmen. Ich sprang noch -einmal, während meine Leute unter Gewehr traten, über den Graben und -drückte dem Freunde die Hand. »Ich habe für die Nacht Feldwache in -Posiminicze,« sagte er, »kommen Sie doch auf eine Stunde herüber!« »Das -geht nun nicht, ich liege selbst auf Vorposten.« »Ja dann -- aber es -ist schade!« Ich ließ seine Hand und sprang über den Graben zurück. -»Gewehre in die Hand!« Ich marschierte mit der Spitzengruppe ab, der -Rest des Zuges folgte auf kurzen Abstand. Unter dem hohen, schwarzen -Kreuze von Zajle stand die schlanke, aufrechte Gestalt des Freundes. -»Auf Wiedersehen!« rief ich ihm zu. Er stand still unter dem Kreuze und -hob die Hand zum Helmrande ... - -Die Feldwachen und Posten waren aufgestellt, und ich war mit -meinem Zuge nach Zajle zur Vorpostenkompanie zurückmarschiert. Ich -saß am Tisch einer Bauernstube und schrieb Briefe nach Haus. Der -Kompanieführer schlief auf einer Strohschütte. Die Bauernfamilie lag -in einem riesigen Holzbett unter grellbunten Kissenbergen. In einer -Stubenecke zwischen Tornistern und Gewehren hockten die Fernsprecher -um ein Lichtstümpfchen am Apparat. Ab und zu klöhnte der Summer, eine -ferne quäkende Stimme gab Meldungen durch, die der Telephonist halblaut -wiederholte und niederschrieb. Das menschenüberfüllte Zimmer war voll -verbrauchter Luft. Ich stand auf und öffnete ein Fenster. Zögernd und -blaß traten die Sterne aus dem Himmel. Vor dem Hause klang der Schritt -des Postens. Hinter mir tönte ab und zu das verschlafene Wimmern eines -kleinen Kindes, das in der lettischen Wiege, einem an rußschwarzen -Stricken von der Decke herabschwebenden Holzkasten, lag. Leise und kühl -wehte die Nachtluft mich an. - -Wieder klöhnte der Summer des Telephons aus der Stubenecke. »Herr -Leutnant --!« »Ja, was ist?« Ich wandte mich ahnungslos um. Der -Fernsprecher hielt mir den Hörer entgegen. Der Summer hatte dreimal -lang angerufen. Das ging mich nichts an. Irgend jemand sprach mit dem -Bataillon. Aber ich nahm doch den Hörer, den der Fernsprecher mir mit -kurzem Ruck aufdrängte. Warum sah mich der Mann so an? Ich hörte das -Gespräch ab. »Meldung von Feldwache in Posiminicze: Leutnant Wurche -auf Patrouille am Simno-See schwerverwundet. Bitte um Wagen zum -Transport.« ... - -Es war ganz still im Zimmer. Der Mann am Fernsprecher sah mich an. Ich -wandte mich ab. Die Gedanken flogen mir durcheinander. Ich wollte aus -dem Zimmer stürzen und nach Posiminicze laufen ... Aber ich lag ja auf -Vorposten. Und draußen verblutete vielleicht der Freund. Ich durfte -nicht fort. »Ja dann -- aber es ist schade.« Das Abschiedswort unter -dem Kreuz von Zajle ging plötzlich durch die Stille. Ich biß die Zähne -aufeinander. Immer wieder hörte ich das Wort, das halb gleichgültige, -sinnlose Wort, das mich höhnte. »Es ist schade ... Es ist schade ...« -Und draußen verblutete der Freund. - -Da nahm ich den Hörer wieder und rief die zehnte Kompanie an. Der -Summer schrillte. Die Kompanie meldete sich. Aber es war keine neue -Meldung von der Feldwache eingelaufen. Der Verwundete lag noch draußen. -Ein Wagen war nach Posiminicze unterwegs. Das war alles. »Sobald neue -Meldung kommt, rufen Sie mich an!« »Jawohl, Herr Leutnant.« Alles -dienstlich, ruhig, gleichgültig, müde wie immer. Ich saß und wartete. -Ich stand auf und ging auf und nieder. Der Mann in der Ecke folgte -mir mit den Augen. Ich ging aus dem Zimmer und war allein. Von Stunde -zu Stunde rief ich durchs Feldtelephon an. »Keine weitere Meldung, -die Leute sind noch draußen.« Immer dasselbe. Und ich saß kaum eine -Wegstunde fern und durfte nicht zu dem Freunde eilen. Ich stand auf -der dunklen Straße von Zajle, starrte in die Finsternis nach Südosten -hinüber und kämpfte mit mir und war meiner nicht mehr Herr. - -Das Fenster klang. »Herr Leutnant!« Ich stürzte ins Zimmer und faßte -den Hörer. »Hier Leutnant Flex!« »Hier zehnte Kompanie! Leutnant Wurche -ist tot.« - -Ich gab den Hörer aus der Hand, ohne Antwort. »Schluß!« rief der -Fernsprecher in den Schalltrichter. Sinnlos, sinnlos war das alles ... -Wieder stand ich unter dem blassen Himmel. Die Häuser um mich her als -drohende, schwarze Klumpen. Und die Stunden schlichen weiter, eine nach -der andern. - -Ich wartete nur auf das Frührot. Dann jagte ich nach Posiminicze -hinüber. Zwei Stunden gab mir die Kompanie Urlaub. Dann mußte ich -zum Abmarsch zurück sein. Ohne Pferde war es unmöglich. Ich brachte -einen Leiterkarren auf, meine Leute holten ein paar Gäule von der -Weide. Der Bauer mußte anspannen. Aber er machte Schwierigkeiten. -Er hatte kein Lederzeug. Ich riß die Pistole heraus und drohte die -Gäule zusammenzuschießen. Der Bauer und die Weiber warfen sich auf -die Erde, rangen die Hände und heulten. Ich riß ihn hoch. »Stricke!« -Es waren keine Stricke da. Erst als ich auf die Pferde anschlug, -brachte ein halbwüchsiger Bursche Stricke aus einem Schuppen. Es war -keine Zeit zu verlieren. Ich mußte den Freund noch einmal sehen. Er -sollte durch eine Hand zur Ruhe gebettet werden, die ihn brüderlich -liebte. Die Gäule waren angesträngt. Ich sprang auf. Einen jungen -Kriegsfreiwilligen, der das Grab für die Eltern zeichnen sollte, nahm -ich mit. Vorwärts! Ich hieb auf die Pferde und jagte querfeld nach -Posiminicze hinüber. - -Dann stand ich vor dem Toten und wußte nun erst: Ernst Wurche war tot. -In einer kahlen Stube auf seinem grauen Mantel lag der Freund, lag -mit reinem, stolzem Gesicht vor mir, nachdem er das letzte und größte -Opfer gebracht hatte, und auf seinen jungen Zügen lag der feiertäglich -große Ausdruck geläuterter Seelenbereitschaft und Ergebenheit in Gottes -Willen. Aber ich selbst war zerrissen und ohne einen klaren Gedanken. -Vor dem Hause, zur Linken der Tür, unter zwei breiten Linden hatte ich -die offene Grube gesehen, die die Leute der Feldwache ausgehoben hatten. - -Dann sprach ich die Mannschaften, die am Abend mit ihm auf Patrouille -gegangen waren. Ernst hatte feststellen sollen, ob die Gräben der -Seensperre vor Simno noch von Russen besetzt wären. Im Vorgehen war -die Patrouille vom Feind mit Schrapnells unter Feuer genommen worden. -Es war unmöglich, unbemerkt an die zu erkundende Stellung mit der -Patrouille heranzukommen. Aber der junge Führer kehrte nicht um, ohne -seinen Auftrag restlos zu erfüllen. Nur seine Leute ließ er zurück. -Während sie in Deckung warteten, machte er einen letzten Versuch, sich -die Einsicht in den russischen Graben zu erzwingen. Gewohnt, immer -zuerst sich als den Führer einzusetzen, kroch er allein Meterbreite -um Meterbreite vor und arbeitete sich so noch weitere hundertfünfzig -Meter heran. Der Graben war nur noch von Kosakenposten besetzt, aber im -Vorkriechen wurde der deutsche Offizier von einem der Russen bemerkt, -der alsbald auf ihn feuerte. Eine Kugel drang ihm in den Leib, die -großen Blutgefäße zerreißend und den Tod in kurzer Zeit herbeiführend. -Seine Leute bargen ihn aus dem Feuer der flüchtenden Kosaken. Einer -fragte, wie sie ihn trugen: »Geht es so, Herr Leutnant?« Er antwortete -noch ruhig wie immer: »Gut, ganz gut.« Dann verließen ihn die Sinne, -und er starb still, ohne zu klagen. - -Vor dem lettischen Gehöft, wo er als Feldwachhabender gelegen, auf den -Seehöhen vor Simno schmückte ich ihm das Heldengrab. Zwei Linden über -ihm als geruhige Grabwächter, das nahe Rauschen der Wälder und das -ferne Gleißen des Sees sollten ihn behüten. In den Bauerngärten umher -war eine blühende, schwellende Fülle von Sonne und Sommerblumen. Ein -Grab voll Sonne und Blumen sollte der sonnenfrohe Junge haben. Mit Grün -und Blumen kleidete ich die kühle Erde aus. Dann brach ich eine große, -schöne Sonnenblume mit drei golden blühenden Sonnen, trug sie ihm ins -Haus und gab sie ihm in die gefalteten Hände, die, fast Knabenhände -noch, so gerne mit Blumen gespielt hatten. Und ich kniete vor ihm, sah -wieder und wieder in den feiertäglich stillen Frieden seines stolzen -jungen Gesichts und schämte mich meiner Zerrissenheit. Aber ich rang -mich nicht los von dem armseligen Menschenschmerze um das einsame -Sterben des Freundes, in dessen Hand in der letzten Stunde keine andere -gelegen hatte, die ihn liebte. - -Doch je länger ich kniete und in das reine, stolze Gesicht sah, desto -tiefer wuchs in mir eine angstvolle und unerklärliche Scheu. Etwas -Fremdes wehte mich an, das mir den Freund entrückte. Dann schlug -mir das Herz in aufwallender Scham. Er, der seinem Gotte so gerne -nahe war, wäre +allein+ gestorben? Ein Bibelwort fiel mir ein aus -Jeremias: »+Ich+ bin bei dir, spricht der Herr, daß ich dir helfe.« Das -letzte große Zwiegespräch auf Erden, die Zweieinsamkeit zwischen Gott -und Mensch hatte kein Unberufener gestört ... Und ich klagte um ein -freundloses Sterben -- -- -- - -Nicht daß ich's in jener Stunde klar empfunden hätte, aber als Keim -senkte es sich damals in meine Seele, der in später Erinnerung heller -und heller aufblühte. Großen Seelen ist der Tod das größte Erleben. -Wenn der Erdentag zur Rüste geht und sich die Fenster der Seele, die -farbenfrohen Menschenaugen verdunkeln wie Kirchenfenster am Abend, -blüht in dem verdämmernden Gottestempel des sterbenden Leibes die Seele -wie das Allerheiligste am Altar unter der ewigen Lampe in dunkler Glut -auf und füllt sich mit dem tiefen Glanze der Ewigkeit. Dann haben -Menschenstimmen zu schweigen. Auch Freundesstimmen ... Darum forscht -und sehnt euch nicht nach letzten Worten! Wer mit Gott spricht, redet -nicht mehr zu Menschen. - -Hätte ich's doch klarer empfunden in jener Abschiedsstunde! Ich ließ -den Freund hinaustragen und half ihn in das grünausgekleidete Grab -unter den Linden senken. In seiner vollen Offiziersausrüstung bettete -ich ihn zum Heldenschlafe mit Helm und Seitengewehr. In der Hand trug -er die Sonnenblume wie eine schimmernde Lanze. Dann deckte ich ihn mit -der Zeltbahn. Über dem offenen Grabe sprach ich ein Vaterunser, zu dem -mir nun freilich wieder die Worte in Tränen versagten, und warf die -ersten drei Hände Erde auf ihn, danach sein Bursche, dann die andern. -Dann schloß sich das Grab, und der Hügel wuchs. Eine Sonnenblume steht -darauf und ein Kreuz. Darauf ist geschrieben: »Leutnant Wurche. I. R. -138. Gefallen für das Vaterland. 23. 8. 1915.« Der Stahl, den der -Waffenfrohe blank durch sein junges Leben getragen, liegt ihm nahe am -Herzen, als ein Gruß von Erde, Luft und Wasser der Heimat, aus dem -Marke deutscher Erde geschmiedet, in deutschem Feuer gehärtet und mit -deutschem Wasser gekühlt. - - Der Stahl, den Mutters Mund geküßt, - Liegt still und blank zur Seite. - Stromüber gleißt, waldüber grüßt, - Feldüber lockt die Weite ... - -Die Verse, die er im Leben geliebt, lebt er im Tode. - -Über das Kreuz hing ich zum Abschied einen aus hundert flammenden -farbigen Bauernblumen gewundenen Kranz, für den seine Leute alle -Gartenbeete der lettischen Bauern geplündert hatten. Weichsamtene -Levkojen und rotgoldene Studentenblumen, Nachtschatten und -Sonnenblumen, der ganze reife Sommer blühte über dem Grabe des -Jünglings, als ich schied. - -Durchs Feldtelephon kam der Marschbefehl. Ich mußte im Galopp zu -meiner Kompanie zurück. Das Bild des Grabes, das der Kriegsfreiwillige -gezeichnet, in der Brieftasche, brach ich zur weiteren Verfolgung -des Feindes auf. Wir marschierten den Weg, den er so treu mit seiner -Patrouille unter Hingabe seines Lebens aufgeklärt hatte. - -Am Abend lagen wir wieder vor dem Feinde. Die Schrapnells und Granaten -russischer Feldgeschütze fuhren gurgelnd und krachend, wirbelnde -Luftschleppen hinter sich herreißend, gegen die Gehöfte, hinter denen -wir Deckung suchten. Ich saß auf einem Tornister und schrieb auf -ein paar Meldekarten an die Eltern des Freundes. »Glauben Sie mir: -Sie tun ihm die letzte Liebe, wenn Sie seinen Tod so tragen, wie es -seiner würdig ist und wie er es wünschen würde! Gott lasse seine -Geschwister, an denen er so brüderlich hing, aufwachsen, ihm gleich an -Treue, Tapferkeit und Weite und Tiefe der Seele!« Aber ach, wie fern -war ich selbst, während ich dies schrieb, von solcher Ergebung und -Herzenstapferkeit, die ich andere lehrte! -- - - * * * * * - -Und weiter Märsche und Gefechte, Gefechte und Märsche ... Olita fiel. -Bei Preny gingen wir über den Njemen. Vor Zwirdany zerbrachen wir -in nächtlichem Sturm die Russensperre am Daugi-See, nachdem wir am -Tage die Höhenstellungen bei Tobolanka erstürmt hatten. Am Ufer der -Mereczanka, vor dem brennenden Orany, lagen wir im Feuer. Und zogen -der Wilia entgegen in neue Schlachten. Allabendlich flammten und -schwelten Dörfer und Scheunen am Horizonte als Brandfackeln, die dem -rückflutenden Russenheere meldeten, wie weit die deutschen Heeressäulen -vorgedrungen waren. Verstörte Einwohner huschten mit Kindern, Bündeln -und Packen schattenhaft auf unsern Wegen um zerschossene Wohnstätten -und zertretene Gärten. Hunde jaulten um verlassene und zerstörte -Höfe. Vieh und Pferde tauchten auf und verschwanden. Gleichgültig -und mit müden Augen sahen wir all die schattenhaften Bilder, die wie -Sonnenaufgang und Untergang sich täglich und stündlich wiederholten, -stumpf und schlafhungrig hörten wir den Wirrwarr lauter Befehle und -Zurufe, das »Germanski, Germanski!«-Jammern der verwundeten Russen in -Wald und Feld -- -- Schlafen! nur schlafen! - -Das Zwielicht eines baufälligen Stalles von Winknobrosz schied mich -von der scharfen, grauen Helle eines Septembermorgens voll Sturm und -Regen. Die Strohschütten, auf denen ich unter meinem grauen Mantel -lag, strömten faden, süßlichen Fäulnisgeruch aus und erfüllten die -regen- und schlammschweren Kleider mit dunstfeuchter Wärme. Von den -braunen Leibern der zwei müden Kompaniepferde, mit denen ich den -dumpfen, zugigen Raum teilte, stieg farbloser Schweißdunst auf und -stand als grauer Nebel in den durch die Löcher der Holzwand und die -Risse des Strohdachs hereinbrechenden grellen Lichthaufen. Durch die -klaffenden Sprünge und Spalten der rohen Holztür, die das armselige -Wohngelaß des polnischen Dorfschmieds von uns schied, quoll der -unruhige Lärm der Telephonisten und Offiziersburschen, untermischt -mit weinerlichem Polnisch und dem stoßweisen Wimmern eines Kindes, -das in der Schwebewiege durch den Armeleutebrodem des überfüllten -Raumes schaukelte. Der Summer des Telephons klöhnte und klöhnte ... -Alles wie an jenem Abend in Zajle. Warum traten Menschen und Dinge -immer wieder zu dem quälenden Bild der Erinnerung zusammen und taten -Gespensterdienst und schafften alle Nächte zu Todesnächten um? Heute -und morgen -- wie oft noch? - -Aus den klammen Falten des Mantels über meinen Knien schimmerten im -Halbdunkel zwei wandernde leuchtende Punkte, die Radiumzeiger einer -flachen, kleinen Stahluhr, auf der die Stunden des Ruhetages nach -wochenlangen Kämpfen und Märschen träge und müde abliefen, eine um die -andere. - -Ich sah auf das bißchen Glanz, das inmitten von so viel Armseligkeit -schimmerte, und mühte mich, das Ticken der kleinen Uhr zu hören. Ich -hob sie auf und glaubte wieder das unermüdliche Gangwerk zu spüren wie -den Pulsschlag von etwas Lebendigem. Ich redete mir so gerne ein, daß -es ein Stücklein Leben wäre, das mir gut und treu nahe sei. Denn dieses -leise pulsende Treiben war noch von der Hand in Gang gebracht worden, -die mir vor andern Menschenhänden lieb war und die nun still über dem -kühlen Stahl des Schwertes im Grabe ruhte. Ernst Wurches Uhr, die mit -mir durch die Kämpfe der Njemenschlacht und der Schlacht bei Wilna den -Weg zu den Eltern in der schlesischen Heimat suchte ... Als ich in der -Frühe des Unglückstages, der seiner Sterbenacht folgte, an die Seite -des Toten eilte, schwiegen Lippen, Puls und Herz des Freundes seit -Stunden, aber als mir die kleine Uhr in die Hand hinüberglitt, erspürte -ich das leise, behutsame Pulsen des Werkes, das +er+ noch in Gang -gesetzt, wie ein Stücklein Leben von seinem Leben, und ich hatte und -hegte einen Augenblick lang das törichte Leidgefühl, als hielte ich das -liebe Herz meines Freundes in Händen. - -Durch Stunden und Tage mühte ich mich, die kleine unermüdliche Stimme, -die mich seitdem durch Märsche und Gefechte begleitete, besser zu -verstehen. Und sie redete zu mir und sprach auch heute: »Du lebst die -Lebensstunden meines toten Herren, deines Freundes, die Gott ihm als -ein Opfer abforderte. Denkst du daran? Du lebst seine Zeit, wirke seine -Arbeit! Er schläft, du wachst, und ich teile dir die Stunden deiner -Lebenswache zu. Ein rechter Kamerad wacht für den andern, wache du für -ihn! Sieh, ich hüte treu das Amt, das er mir zugeteilt, sei ihm treu -wie ich, du Mensch, der mehr ist als wir toten Dinge, deren Leben von -euch stammt!« ... Die leise kleine Uhr sprach und sprach, und ihre -Stimme sickerte mir tiefer und tiefer ins Herz ... Ich wollte gehorchen -und mich über den Schmerz emporreißen. Und schrieb im Halbdunkel: - - »Im Osten, von wannen die Sonne fährt, - Ich weiß ein Grab im Osten, - Ein Grab vor tausend Gräbern wert, - Drin schläft ein Jüngling mit Fackel und Schwert - Unter des Kreuzes Pfosten. - - Als Fackel trägt er in weißer Hand - Eine goldene Sonnenblume, - Auch loht von des Heldenhügels Rand - Eine Sonnenblume wie Feuersbrand, - Eine Fackel zu seinem Ruhme. - - Das Schwert, so oft beschaut mit Lust, - Glüht still in eig'nem Glanze. - Es deckt des Sonnenjünglings Brust - Als Sonnenwappen der Blütenblust - Der gold'nen Blumenlanze. - - Er war ein Hüter, getreu und rein, - Des Feuers auf Deutschlands Herde. - Nun blüht seiner Jugend Heiligenschein - Als Opferflamme im Heldenhain - Über der blutigen Erde. - - Die Fackel, die seinem Grabe entloht, - Soll Jugend um Jugend hüten, - Bis unter Morgen- und Abendrot - In Friedensträumen und Schlachtentod - Die letzten Deutschen verblühten. - - Ein Flammenengel des Weltgerichts - Schläft still in schimmernden Waffen. - Einst wird er, zerstäuben die Welten in Nichts, - Die blühende Lanze voll schwellenden Lichts - Von seinem Grabe raffen. - - Dann leuchtet sein Leib aus der Toten Chor, - Ein Blitz aus wogender Wolke, - Dann bricht er mit Fackel und Schwert hervor - Und leuchtet durch der Ewigkeit Tor - Voran seinem deutschen Volke.« - -Die Pulse flogen mir. Ich stand auf und ging hinaus. Freie und Frische -wehten mich an. Das Herz wallte mir leichter als seit langem. Da -- -ein Rauschen in den Lüften, ein scharfes Schreien, ein Näherbrausen, -ein wanderndes Gänseheer rauschte hoch über Winknobroscz hin nach -Süden. Ihre Schatten flogen über mich hin. Eine Erinnerung drückte auf -mich wie eine lastende Hand. Wie lange war es her, daß das Gänseheer -wandernd nach Norden rauschte über die kriegswunden Wälder vor Verdun -hin, über den Freund und mich? - - »Rausch' zu, fahr' zu, du graues Heer! - Rauscht zu, fahrt zu nach Norden! - Fahrt ihr nach Süden übers Meer -- - Was ist aus uns geworden? - - Wir sind wie ihr ein graues Heer - Und fahr'n in Kaisers Namen, - Und fahr'n wir ohne Wiederkehr, - Rauscht uns im Herbst ein Amen!« - -Aus Frühling und Sommer war Herbst geworden. Die Graugänse wanderten -nach Süden. Fernhin rauschte ihre Fahrt über das einsame Grab auf den -stillen Höhen über dem Simno-See ... Ich schaute dem wandernden Heere -nach, doch nicht lange. Wie eine Hand lag mir's im Nacken, die mich -duckte. Da ging ich zurück in die polnische Schmiede und warf mich ins -Stroh. - -Tiefer und tiefer hinein in russisches Land ging der Vormarsch. -Moskauer und Petersburger Garden warfen wir aus verschanzten Wäldern, -setzten auf Pontons über die Wilia und lagen in der Hölle des -brennenden Porakity, über dessen Trümmer die Flut der Russengeschosse -hinging, während wir wehrlos, von siedender Helle übergossen, durch -mörderische Stunden warteten. Wir schanzten uns vor Ostrow ein und -hörten das Geheul der durch das brennende Uljany vorbrechenden und -wieder zurückgeworfenen Russenhorden. - - Wir stoßen unsre Schwerter - Nach Polen tief hinein. - Die Hand wird hart und härter, - Das Herz wird hart wie Stein. - - Die Lust ist uns bestohlen. - Wer nahm uns Glück und Glut? - Das macht im Sand von Polen - Das viele stille Blut. - - Wir tragen unsre Fahnen - Still in die Nacht hinein, - Das Blut auf unsern Bahnen - Ist unser Frührotschein. - - Durch Polen möcht' ich traben, - Bis mir das Blut erglüht. - Das kommt vom Gräbergraben, - Das macht die Hände müd'. - - Bei Schwertern und bei Fahnen - Schlief uns das Lachen ein. - Wen schert's! -- Wir soll'n die Ahnen - Lachender Enkel sein. - -Das Hin und Her der Märsche und Gefechte ging weiter. Aber der Krieg -brannte nieder. Aus der Schlacht bei Wilna führte ich zuletzt die Reste -zweier Kompanien heraus hinter die Kette der litauischen Seen, an denen -wir uns einschanzen sollten. - - ... Und wieder vor der Kompanie - Tappt meines Fuchsen müder Schritt. - Durch Wald und Nachtwind führ' ich sie, - Und hundert Füße rauschen mit. - - Der Wald ist wie ein Sterbedom, - Der von verwelkten Kränzen träuft, - Die Kompanie ein grauer Strom, - Der müde Wellen rauschend häuft. - - Der graue Strom rauscht hinter mir, - Durch Sand und Schnee, durch Laub und Staub, - Und Well' um Welle dort und hier - Wird Sonnenraub, wird Erdenraub. - - Es schwillt der Strom und ebbt und schwillt ... - Mein Herz ist müd', mein Herz ist krank - Nach manchem hellen Menschenbild, - Das in dem grauen Strom versank. - - Die Welt ist grau, die Nacht ist fahl, - Mein Haupt zum Pferdehals geduckt, - Träum' ich, wie hell durchs Todestal - Mein Strom einst klang lichtüberzuckt ... - - Mein Fuchs geht immer gleichen Tritt - Voran, entlang dem grauen Zug, - Und graue Reiter reiten mit, - Die er vor mir im Sattel trug. -- - -Bei Nacht zogen wir uns hinter die natürliche Verteidigungsstellung -der Seensperre zurück, hoben in größter Eile Gräben aus und ließen -den Gegner anlaufen. Tag und Nacht schanzten unsre Leute. Rings um -die Seen brannten die Russendörfer nieder, rotlodernde Leichenfackeln -des sterbenden Krieges. Und wieder monatelanges Stilliegen in -Schützengräben wie einst auf den Maashöhen vor Verdun und in den -Wäldern vor Augustow. Und doch alles anders. Wie ein ferner, schöner -Traum lagen die lauen Sommernächte hinter uns, die wir singend und -plaudernd durchwacht hatten. Jetzt türmten sich Schneewälle um unsre -Erdhöhlen. Schneidende Ostwinde fegten das graue Eis der Seen und -peitschten nadelscharfe Kristalle gegen die wachtmüden Augen. Dreizehn -und vierzehn Stunden dauerte das nächtliche Horchen und Lauern der -Wacht im Osten. - - Eisgrauer See, - Mondheller Schnee ... - Wie lang' noch soll ich schreiten - Das kalte Schwert zur Seiten? - Wie lang' währt Mord und Streiten? - Weh', Russenerde, weh' --! - - Einsame Wacht, - Schneekühle Nacht. - Es knarrt der Frost im Eise, - Der Sturm singt harsche Weise, - Der Friede, den ich preise, - Der ist in Bann und Acht. - - Brandhelle loht! - Mord, Haß und Tod, - Sie recken ob der Erde - Zu grauser Drohgebärde, - Daß niemals Friede werde, - Schwurhände blutigrot. - - Was Frost und Leid! - Mich brennt ein Eid. - Der glüht wie Feuersbrände - Durch Schwert und Herz und Hände. - Es ende drum, wie's ende -- - Deutschland, ich bin bereit. - -Die Zeit schlich durch die Winternächte hin so träge wie eine Flamme, -die sich schwelend durch feuchte Buchenkloben frißt ... - -Die Lücken, die der Bewegungskrieg gerissen, schließen sich durch -Ersatz aus der Heimat. Frisch ausgebildeter Landsturm und junge -Rekruten. Der Graben füllt sich mit fremden Gesichtern und neuen grauen -Röcken, die seltsam von den verwitterten, erdfarbenen Kleidern der -alten Leute abstechen. Und wieder Wochen und Wochen des Schanzens und -Lauerns, und in Schnee und Regen sind alle Röcke sich gleich geworden. -Es gibt keine fremden Gesichter mehr im Graben. Aber die fehlenden -kommen nicht wieder. Nur in den langen, grauen Nächten kommen sie und -reden. Der Verkehr mit den Toten macht einsilbig und still ... - -Ich liege erst zwischen den Seen, dann fünf Monate hindurch mit meiner -»Sechsten«. Schanzen und Wachen, Wachen und Schanzen. Alle Nächte sind -tief und dunkel wie Abgründe und voll unfaßbaren Lebens. Die Tage sind -fahl und kurz und sind nichts als bleierner Schlaf und verworrener -Traum. Die Nächte sind ein verhohlenes Leben in Erdhöhlen und dunklen -Gräben, ein Auf- und Abwandern an starrenden, grauen Drähten in -aufflackernder und verwehender Helle, ein Lauern über Brustwehren und -Schießscharten und ein Hocken am Feldtelephon ... Und aus jeder Nacht -hebt sich dunkel und bedrückend vor den überwachen Sinnen die eine -verschollene Nacht, die Nacht von Zajle ... Der Summer im Feldtelephon -klöhnt. Die stille Fläche des Simno-Sees schimmert auf. Ferne -Schüsse knattern. Der Posten geht auf und nieder ... O, ihr Nächte, -ihr Totenbeschwörer! Traum und Trug sind die Tage, die wie Blätter -verwehen, und in jeder Nacht erneut sich das Dunkel der Sterbenacht -über dem Simno-See. Ich sitze zusammengekauert vor der flackernden -Kerze im Unterstand und lausche den Stimmen der Nacht und hadere. -Jede Nacht erlebe ich dein Sterben, Freund! Du und ich, wir beide in -+einem+ brennenden Hause, die Habe unseres Volkes zu retten, durch -dünne Wände geschieden, du und ich. Und du, mein Bruder, verbrennst -in der Kammer neben mir, und ich darf dir nicht helfen ... Ich sitze -zusammengeduckt und hadere. Und fühle doch deine Nähe. Du bist bei mir -und schwichtigst. Ich höre deine gute, junge Stimme. - -»Leutnantsdienst tun heißt seinen Leuten vorleben, das Vorsterben -ist dann wohl einmal ein Teil davon.« Ich hebe die Augen und suche. -Gestalt und Stimme verwehen. Ich schlage den Mantelkragen hoch und -trete ins Freie. Und die russische Nacht durchfrostet mich wieder. -Vor den Gräben und Horchlöchern wandre ich auf und nieder. Von der -Höhe über den verkohlten Dorftrümmern ragen gespenstisch die hohen, -schwarzen Kreuze des lettischen Friedhofs. Wie oft sind wir im Morgen- -und Abenddämmern an diesen kahlen Todesstätten mit den müden Kompanien -vorübergezogen! Sie gleichen sich wie Schatten, einer wie der andere. -Und doch weht von keinem so kühler Schauer wie von dem Sonnengrabe über -dem Simno-See. Ich starre auf die Kreuze. Eine blasse Helle sickert aus -dem Wolkendunkel im Osten. Es ist Zeit, schlafen zu gehen. - -Alle Nächte sind eine Totenklage. Nachtstürme rütteln heulend an -meine Hütte aus Lehm und Brettern. Mein Herz ist eine Scheune voll -wilder Pferde, eine Scheune, die in Brand geriet. Rosse stampfen, -Halfterketten klirren ... - -Stille Nächte schleichen dahin wie Gespenster. Morgenkühle weht auf, -mit übernächtigen Augen sehe ich in den fahlgewordenen Kerzenschimmer -und lösche das Licht. Alle Nächte sind eine Totenklage. Der Morgen ist -von Nebeln überfallen, und sein Glanz ist dahin! Der Winter ist da, -und sein Frost macht die Scheiben blind. Meine Seele ist kalt wie ein -kahler Raum. Die Scheiben sind gefroren. Kein Strahl der vertrauten -Welt dringt von außen in mich hinein. Ich sitze einsam hinter -gefrorenen Fenstern, mein Freund, und starre auf deinen Schatten, der -den Raum füllt ... Und hadere. Aber draußen wächst das Licht. Und -wieder bist du mir nahe und schwichtigst. »So laß sehen, ob ich nicht -lebendiger bin als du! Sieh', ich trete an die Fenster und lege die -Hand auf das Eis. Es taut mir unter den Händen. Der erste Sonnenstrahl -bricht hell herein. Ich hauche lächelnd über das kalte, blinde Eis -- -sieh', wie es hinwegtaut! Wälder, Städte und Seen schauen herein, um -die wir gewandert sind, liebe Gesichter schauen von draußen herein. -Willst du ihnen nicht rufen? Sind wir nicht immerdar Wanderer zwischen -beiden Welten gewesen, Gesell? Waren wir nicht Freunde, weil dies unser -Wesen war? Was hängst du nun so schwer an der schönen Erde, seit sie -mein Grab ist, und trägst an ihr wie an einer Last und Fessel? Du mußt -hier wie dort daheim sein, oder du bist es nirgends ...« Der Tag ist -mächtig geworden, und mein Herz will hell werden und gläubig. - -Alle Nächte sind eine Totenklage. In grauem Mantel lehne ich an der -verschneiten Brustwehr und sehe auf zu den bleichen Sternen der -Winteröde. Und mein Herz hadert. »Wir sind alt geworden an unsern Taten -und alt an unsern Toten. Der Tod war einmal jung und verschwenderisch, -aber er ist alt und gierig geworden.« Aber der Freund ist neben mich -getreten, still, ich weiß nicht woher, und ich frage nicht. Sein Arm -liegt in meinem wie in den Waldgräben vor Augustow. Und er schwichtigt: -»Ihr glaubt zu altern und werdet reif. Eure Taten und eure Toten machen -euch reif und halten euch jung. Das Leben ist alt und gierig geworden, -der Tod bleibt sich immerdar gleich. Weißt du nichts von der ewigen -Jugend des Todes? Das alternde Leben soll sich nach Gottes Willen an -der ewigen Jugend des Todes verjüngen. Das ist der Sinn und das Rätsel -des Todes. Weißt du das nicht?« - -Ich schweige. Aber mein Herz hadert weiter. Und er läßt seinen Arm -nicht aus meinem und hört nicht auf zu schwichtigen, leise, voll guten, -geruhigen Eifers. »Totenklage ist ein arger Totendienst, Gesell! Wollt -ihr eure Toten zu Gespenstern machen oder wollt ihr uns Heimrecht -geben? Es gibt kein Drittes für Herzen, in die Gottes Hand geschlagen. -Macht uns nicht zu Gespenstern, gebt uns Heimrecht! Wir möchten gern -zu jeder Stunde in euren Kreis treten dürfen, ohne euer Lachen zu -zerstören. Macht uns nicht ganz zu greisenhaft ernsten Schatten, laßt -uns den feuchten Duft der Heiterkeit, der als Glanz und Schimmer über -unsrer Jugend lag! Gebt euren Toten Heimrecht, ihr Lebendigen, daß wir -unter euch wohnen und weilen dürfen in dunklen und hellen Stunden. -Weint uns nicht nach, daß jeder Freund sich scheuen muß, von uns zu -reden! Macht, daß die Freunde ein Herz fassen von uns zu plaudern und -zu lachen! Gebt uns Heimrecht, wie wir's im Leben genossen haben!« - -Ich schweige noch immer, aber ich fühle mein Herz ganz in seinen guten -Händen. Und seine liebe Stimme schwingt und schwichtigt weiter. »Wie -wundgeschlagene Bäume süße und herbe Säfte ausströmen, so die Herzen -der Dichter süße und herbe Lieder. Gott hat in dein Herz geschlagen. -Singe Dichter!« - -»Mein Freund, mein Freund, meine Seele klingt von der deinen -wider, wie eine Glocke, die im wogenden Klange der Schwesterglocke -mitschwingt!« -- -- - -Aus dem Himmel im Osten fließt hellflüssiges Gold über schwarze -Wolken und dunkle Erde. Ein Rosenschimmer schwebt in den Jungtrieben -der Birkenkronen. Ein Wölklein frisches Grün hängt fern und nah in den -Wipfeln über der schwarzen Erde. Der zweite Kriegsfrühling hebt an. Der -Sturm geht über die Gräber in Polen. - - Es weht ein Sturm aus West, aus West, - Heimatwind, Gotteswind, - Der Kreuz und Kranz erbeben läßt, - Wo er ein Grab in Polen find't. - Es klagt und klagt der Sturm aus West: - Weh, deutscher Erde Kind! - Was hält dich Polens Erde fest? - Die deutsche Erde kühlt so lind, - Dich kühlt sie nicht! - - Der Sturm aus Westen klingt und klagt: - Hätt' ich Kraft, hätt' ich Kraft, - Ich hätte wie eine Kindesmagd - Dich längst in meinen Arm gerafft! - Kann's nicht, kann's nicht, Gott sei's geklagt! - Hätt' ich Kraft, hätt' ich Kraft, - Ich hätte euch auf nächtiger Jagd - Eine Handvoll Heimaterde geschafft - Zu Kranz und Grab! - - Es fährt ein Sturm aus Ost, aus Ost, - Gräberwind, Gotteswind: - Du liebe Heimat, sei getrost! - Wir bleiben deiner Erde Kind ... - Von allen Gräbern weht's aus Ost: - Erde ist immer lind. - Erde, aus Heimaterde entsproßt, - Wir selbst nur Heimaterde sind, - Fürchtet euch nicht! -- - -[Illustration] - - - - -Ein Nachwort - - -Sommer und Winter kamen und gingen. Russenstürme zerschellten vor -den Hindernissen. Unerschüttert hielt das deutsche Ostheer in seinen -Gräben. Und wieder monatelange stille Wacht hinter Brustwehr und -Drahtverhau. -- - -Die Frühlingsstürme des vierten Kriegsjahres brausten über die Lande. -Im Osten entfachten sie den Krieg nicht zu neuen Gluten. Aber drüben -in Frankreich brannte er lodernd auf, an der Aisne und bei Arras. -Die vereinte Kraft der Westmächte rannte Sturm gegen die deutsche -Mauer. Walter Flex hielt es nicht länger in der Stille des östlichen -Stellungskriegs. Es trieb ihn nach dem kampfdurchwogten Westen: - -»Ich habe mich mit ein paar Kameraden, darunter ein prächtiger alter -Major, freiwillig zur Westfront gemeldet. Schwer ist's mir nur geworden -im Gedanken an meine Mutter, die auch noch nichts davon weiß. Im -übrigen kennen Sie mein Denken. Es ist nicht damit getan, sittliche -Forderungen aufzustellen, sondern man muß sie an sich vollstrecken, -um ihnen Leben zu geben. Abenteurerlust und Idealismus sind zu -Anfang des Krieges viel verwechselt worden, und der unbeugsame und -zu keiner Konzession bereite Idealismus, in dem allein das Heil für -Gegenwart und Zukunft unseres Volkes liegt, ist selten geworden. Ihr -Brief gibt mir willkommene und dankbar ergriffene Gelegenheit, mich -zu einem gleichgesinnten Menschen auszusprechen, zumal Sie selbst -an die Stimmung rühren, in der ich mich in dieser Schicksalsstunde -unseres Volkes befinde, wenn Sie schreiben: ›Es steht mir allerlei -Sorgliches vor der Seele, wenn ich an Sie denke.‹ Dazu ist kein -Anlaß. Diese Sorge wäre nur begründet gewesen, wenn ich durch -Verzicht auf meine Meldung die Einheit zwischen Handeln und Denken -aus Herzensrücksichten verletzt hätte. Ich bin heute innerlich so -kriegsfreiwillig, wie am ersten Tage. Ich bin's und war es nicht, wie -viele meinen, aus nationalem, sondern aus sittlichem Fanatismus. Nicht -nationale, sondern sittliche Forderungen sind's, die ich aufstelle und -vertrete. Was ich von der ›Ewigkeit des deutschen Volkes‹ und von der -welterlösenden Sendung des Deutschtums geschrieben habe, hat nichts -mit nationalem Egoismus zu tun, sondern ist ein sittlicher Glaube, -der sich selbst in der Niederlage oder, wie Ernst Wurche gesagt haben -würde, im Heldentode eines Volkes verwirklichen kann ... Eine klare -Grenze des Denkens habe ich freilich immer festgehalten: ich glaube, -daß die Menschheitsentwickelung ihre für das Individuum und seine -innere Entwicklung vollkommenste Form im Volke erreicht, und daß -der Menschheitspatriotismus eine Auflösung bedeutet, die den in der -Volksliebe gebundenen persönlichen Egoismus wieder freimacht und auf -seine nackteste Form zurückschraubt. Mein Glaube ist, daß der deutsche -Geist im August 1914 und darüber hinaus eine Höhe erreicht hat, wie -sie kein Volk vordem gesehen hat. Glücklich jeder, der auf diesem -Gipfel gestanden hat und nicht wieder herabzusteigen braucht. Die -Nachgeborenen des eigenen und fremder Völker werden diese Flutmarke -Gottes über sich sehen an den Ufern, an denen sie vorwärtsschreiten. --- Das ist mein Glaube und mein Stolz und mein Glück, das mich allen -persönlichen Sorgen entreißt ...« - -Sein Wunsch, sich in den entscheidungsvollen Kämpfen des Westens -einzusetzen, blieb unerfüllt. Ein mehrwöchiges Kommando rief ihn -nach Berlin. Heißen Herzens verfolgte er von dort das Schicksal -seiner Kameraden: Sein Regiment kämpfte um Tarnopol. Er erreichte es -rechtzeitig, um an der Eroberung Rigas teilzuhaben. Frohe Grüße flogen -in die Heimat: »Ich bin ganz glücklich, dabei sein zu dürfen.« Auf Riga -folgte Ösel. Aus den neuen Angriffsvorbereitungen heraus schrieb er -weiter: - -»Von den Kameraden, die vor Monaten nach dem Westen gingen, ist kaum -einer mehr am Leben. Es waren ein paar prächtige Menschen darunter, -mit denen ich gern hinausgegangen wäre. Ich sehe sie noch am Bahnhof -aus dem abfahrenden Zuge winken. ›Schad' daß Sie nicht mitkommen!‹ -rief mir Erichson noch zu, der Mecklenburger, der mit Wurche und mir -vor Augustow in der 9. Kompanie das Zugführer-Kleeblatt bildete. Nun -liegt er auch vor Verdun begraben. Hätte er damals geahnt, daß wir -kurz darauf Tarnopol und Riga mitschlagen sollten, er wäre wohl bei -uns geblieben. Wo wäre ich wohl heute, wenn meine Meldung damals -nicht kassiert worden wäre? Zufälligkeiten oder Bestimmung? Dankbar -bin ich immer von neuem für das Gleichgewicht des Herzens, das mir -nie ernstlich erschüttert worden ist. Nicht etwa, daß ich das Gefühl -hätte, vor anderen bewahrt und aufgehoben zu sein -- aber ich habe das -geruhige, innere Wissen, daß alles, was mit mir geschieht und geschehen -kann, Teil einer lebendigen Entwicklung ist, über die nichts Totes -Macht hat ...« - -An dem Tage, der diesen Brief in die Heimat brachte, traf ihn auf -Ösel die tödliche Kugel. Er hatte seine neunte Kompanie zum Angriff -auf Lewwal entwickelt. Das Gefecht neigte sich zu siegreichem Ende. -Unschlüssig zwischen Widerstand und Übergabe schwankend hielten die -Russen noch vor Peudehof. Sein linker Zugführer geht vor und fordert -Ergebung. Russische Offiziere erklären den Ankommenden für gefangen. -Der springt zurück, das Gewehr im Anschlag: »Herr Leutnant, sie -wollen sich nicht ergeben!« Walter Flex hat ein russisches Beutepferd -gegriffen und reitet vor. Ein Schuß kracht und fehlt ihn. Er zieht den -Säbel, der ihm am Sattel hängt. Mit blanker Klinge reitet er gegen den -Schützen an. Gewehrfeuer schlägt ihm entgegen. Eine Kugel fährt ihm -durch die Degenhand in den Leib und wirft ihn vom Pferd. Seine Kompanie -greift an. Die Russen heben die Hände. Sie sind gefangen. -- Die ersten -Worte des Verwundeten fragen nach dem Stand des Gefechts. Die Antwort -läßt ihn beruhigt zurücksinken. - -Seine Leute trugen ihn in eine nahe Hütte. Heiteren Herzens erreichte -er das Lazarett. Seinem treuen Burschen diktierte er diese Karte: -»Liebe Eltern! Diese Karte diktiere ich, weil ich am Zeigefinger der -rechten Hand leicht verwundet bin. Sonst geht es mir sehr gut. Habt -keinerlei Sorge. Viele herzliche Grüße! Euer Walter.« - -Am nächsten Tage, am Geburtstag seines ihm im Soldatentod -vorangegangenen jüngsten Bruders, ist er gestorben. Eins im Leben und -Sterben wie im Denken und Handeln ist er stille eingegangen zum größten -Erleben, ein wegesicherer Wanderer zwischen beiden Welten. -- - -Der Abend brachte seinem Regiment den Marschbefehl. Die Nachtstunden, -die vor dem Aufbruch verblieben, führten seine Leute zusammen zu -stillem Totendienst: Laubgewinde wuchsen unter ihren Händen zu letztem -Gruß und Dank. - -Das Regiment marschierte. Neun Leute seiner lieben Kompanie blieben -zurück. Im Morgenlicht betteten sie ihn in der grünen Ostseeinsel, die -sein Herzblut trank. Graugänse rauschten über die frische Erde nach -Süden. -- - -Er ruht in deutscher Erde, wo einst das alte Ordensschloß von Peude -stand. Eichenkränze, die ihm Soldatenliebe wand, schmücken Kreuz und -Grab. In den Winden des baltischen Meeres webt sein letztes Lied von -der lebenspendenden Kraft rein vergossenen Blutes. Der Nordwald rauscht -über den Hügeln: - - »Wir sanken hin für Deutschlands Glanz. - Blüh, Deutschland, uns als Totenkranz! - Der Bruder, der den Acker pflügt, - ist mir ein Denkmal wohlgefügt. - Die Mutter, die ihr Kindlein hegt, - ein Blümlein überm Grab mir pflegt. - Die Büblein schlank, die Dirnlein rank - blühn mir als Totengärtlein Dank. - Blüh, Deutschland, überm Grabe mein - jung, stark und schön als Heldenhain!« - -Im Felde, November 1917. - - +Martin Flex.+ - - - - -Bücher von Walter Flex - - -Soeben ist erschienen: - - - Klaus von Bismarck - - Eine Kanzlertragödie - - Zweite Auflage Gebunden M 4.-- - - Schon die Umschlagzeichnung des Buches gibt der Phantasie - des Lesers die Richtung auf den Schauplatz und den Stoff der - Tragödie: das gotische Stadtbild Stendals mit seinen Tortürmen - und dem trotzigen, im Roland symbolisierten Mannesgeist, der - in diesen Mauern einst herrschte. Das Drama, dessen Held ein - Vorfahre des eisernen Kanzlers ist, wurde in Weimar erfolgreich - aufgeführt, ihm werden sich jetzt nach dem Tode des Dichters - sicher noch viele Bühnen öffnen. - - - Wallensteins Antlitz - - Gesichte und Geschichten vom Dreißigjährigen Kriege - - 17.--19. Tausend. Preis gebunden M 3.--. Soeben erschienen - -+Inhalt+: Das Blut der Almuth Petrus -- Wallensteins Antlitz -- Letzte -Wacht -- Das Gewitter -- Der Trommelbube des Todes -- Der Kreis -- Der -Ring mit den blauen Steinen -- Das Armesünderwürfeln - - »Allen gemeinsam ist eine großzügige Gestaltungsgabe, die - stark plastische Bildreihen schafft. Zugleich weiß Flex in der - Art der kräftigen Darstellung, der Häufung der dichterischen - Gesichte, der gedrungenen, knappen und doch lebendigen - Schilderung den Stil jener Zeit unvergleichlich zu treffen. - Ein trotziges, aufschäumendes Leben in bunter, farbsatter - Pracht durchströmt die einzelnen Szenen. Das ist ein Abbild - der Kraftfülle des damaligen Deutschtums, das dreißig Jahre - Krieg zu ertragen verstanden ... eine der besten Gaben - unserer letzten deutschen Literatur. Ein deutsches Werk von - vollgültiger literarischer Bedeutung!« +Die Post+. - - - Im Felde zwischen Nacht und Tag - - Gedichte - - 20./21. Auflage. 38. bis 42. Tausend. Preis gebunden M 2.80 - - »Das Bild von des Dichters Art, wie es seine früheren Werke in - scharfen Umrissen erkennen ließen, zeigt sich klar, fast noch - schärfer umrissen auch hier. Da ist das feine Naturempfinden, - das sich in prachtvoller Sprache, bald in reichen Farben in - verborgener Musik schimmernd, bald herb und knapp ausspricht; - daneben die Kunst, in scharfen Strichen menschliche Gestalten, - menschliches Erleben zu umreißen. Der Dramatiker wird so zum - kraftvollen Balladendichter, der aus Einzelheiten des Krieges - das Persönliche, das Große wuchtig heraushebt und darstellt. - Ein inniges menschliches Mit- und Nachempfinden, eng verbunden - mit heißer Liebe zum Vaterland, sturmerprobtes Gottvertrauen - und in aller Not des Kriegs nicht umzubringende Behauptung des - innersten Selbst, dem auch ein Schuß Humor eignet, durchzieht - die Gedichte, die unter der Kriegsliteratur wirkliche - und bleibende Werte bedeuten.« +Schwäb. Merkur+. -- »Ein - Kriegsdichter, dem die Kraft gegeben, sein reiches Erleben in - klangvolle, sprachlich eigenartige und kraftgesättigte Verse zu - gießen: er war der edelste Typus der akademischen Jugend, die - bei Ausbruch des Krieges freiwillig zu den Waffen griff, er war - die Idealverkörperung der deutschen Jünglinge, die aus reinstem - Hochsinn für ihr Vaterland sich aufzuopfern gelobten. Der Krieg - hatte Walter Flex zum Mann und Dichter herangereift; was er - geschrieben, ist durchlebt, hundert- und tausendfältig; seine - anschaulichen, bildreichen Gedichte sind der Spiegel seines jäh - abgerissenen kampffrohen und friedenssehnsüchtigen Lebens.« - +Kölnische Zeitung+. - - - Vom großen Abendmahl - - Verse und Gedanken aus dem Feld - - 27./29. Auflage. 58. bis 64. Tausend. M 1.20 - - »Eines der besten Bücher, die ich je las. Der Krieg ward - Walter Flex zu einem wahrhaften, inneren Erleben, und was er - in diesem Büchlein schreibt, ist eine Phantasie, geboren aus - dem Erleben des Leides dieser Zeit, so wunderbar gestimmt - auf den Herzenston der Menschen, wie ich es bei keinem Buche - zuvor empfand. Eine tiefe Tragik offenbart sich uns in seinem - Büchlein. Er führt uns das Erdenleid der Menschen vor Augen, - jedoch nur, daß wir erkennen sollen, daß der Weg zu einem - glücklichen Seelenleben nur durch einen Weg tiefen Erdenleides - zu erreichen ist.« +Alt-Wandervogel+. -- »Tiefdurchdachte und - tiefempfundene symbolische Dichtung, die Herr wird über das - grausame Einzelschicksal, das der Krieg bringt, flammende - Begeisterung und glühende Vaterlandsliebe, die die gewaltige - Größe der Schicksalsstunde unseres ganzen Volkes empfindet - und mitschafft, verklärende Poesie, die teils im mystischen - Doppelempfinden, teils in mutiger Bejahung des Lebens und des - Todes die Gegensätze im Menschenleben deutet und versöhnt.« - +Der Wächter+. - - - - -Neue Gedichtbücher von Will Vesper: - - - Schön ist der Sommer. - - Ein Buch Liebeslieder. - - Gebunden M 2.80 Soeben erschienen - - »Jede lyrische Gabe von Will Vesper bringt einen Strauß - poetischer Feinheiten ... Es finden sich Perlen unter den - Gedichten, die von unvergleichlicher innerer Rhythmik beseelt - sind.« +Die Post+. - - - Der blühende Baum. - - Neue Lieder und Gedichte. - - 2. Auflage Gebunden M 2.80 - - »Wieder kommt dem Leser in diesem Buche zum Bewußtsein, - daß kein lebender Dichter, außer Dehmel, so rein und - selbstverständlich die Tradition unserer größten Lyriker - fortsetzt wie Vesper.« +Berliner Tageblatt+. - - - Briefe zweier Liebenden. - - Gedichte. - - 5. und 6. Taus. Geb. M 2.80 - - »Hier steht Vesper auf der Höhe seines künstlerischen - Schaffens.« +Preuß. Jahrb.+ - - - Vom großen Krieg. - - Gedichte. - - 4. u. 5. Tsd. Geb. M 3.-- - - »Diese Gedichte werden für alle Zeiten zu den bedeutendsten - Schöpfungen unserer vaterländischen, überhaupt unserer - lyrischen Dichtung gehören.« +Münchener Zeitung+. - - - Der Deutsche Krieg in Dichtungen - - Herausgegeben von =Walther Eggert Windegg= - - 5. und 6. Tausend Gebunden M 2.50 - - »Der Herausgeber hat ein offenes Auge für alles Charaktervolle - und Eigentümliche, das die neue Lyrik bot, und zu loben ist - sein unbefangenes Urteil ... eine vornehme, streng gesichtete - und charaktervolle Sammlung.« +Eckart+. - - - Hans Benzmann / Für Kaiser und Reich - - +Kriegsgedichte+. Geheftet M 1.40 - - »Schlachtenschilderungen, die in der Realistik an Liliencron - erinnern ... Echte Balladen, vorzüglich zum Vortrage geeignet.« - +Deutsche Presse+, Wien. - - - Eugen Kühnemann - - Univ.-Professor in Breslau - - Deutschland und Amerika - - Briefe an einen deutsch-amerikanischen Freund - - 3. Auflage 8. u. 9. Tausend. Preis M 2.50 - -+Aus dem Inhalt+: Deutschland und Amerika -- Aufklärungsarbeit und -Propaganda -- Das deutsche Amerika und der Krieg -- Das englische -Amerika und der Krieg -- Präsident Wilson -- Universitäten, Kirche, -Presse, Gesellschaft -- Amerika im Kriege -- Deutschland im Kriege - - »Der Breslauer Philosoph und berühmte Vorkämpfer für - deutsches Wesen und deutsche Kultur in Amerika, hat uns hier - das Buch über die Vereinigten Staaten geschenkt, ein Buch, - das uns mit unerbittlicher Logik und Klarheit aufzeigt, - daß wir drüben niemals Freundschaft erwarten konnten, wie - wir in unserem unverbesserlichen Idealismus immer gehofft - haben ... Den Deutsch-Amerikanern widmet der Verfasser ein - besonders ergreifendes Kapitel ... Das ganze Buch ist ein - stolzes Bekenntnis eines bedeutenden Mannes zu der Größe, - der sittlichen Kraft und Ueberlegenheit seines Vaterlandes.« - +Deutsche Tageszeitung+. - - - ~Dr.~ Hans Volkelt - - Demobilisierung der Geister? - - Eine Auseinandersetzung vornehmlich mit - Geheimrat Professor ~Dr.~ Ernst Troeltsch - - 1.--3. Tausend · (Soeben erschienen) · Kartoniert M 1.50 - - »Das Ziel der Schrift ist die Stärkung der deutschen Kraft, die - Aufweisung der großen Gefahr einer matten Verzichtsgesinnung, - die über einem Hangen an abstrakten Theorien der Aufklärung die - wahre Lage und Aufgabe der Gegenwart verkennt und verleugnet - ... Sie ist eine in Fichteschem Sinne, und wir dürfen mit - Freude sagen, auch mit Fichteschem Geist geschriebene - Aufforderung an das deutsche Volk, auf der Höhe der großen, - wenn auch schweren Zeit zu stehen und allen Gefahren draußen - und drinnen standzuhalten, alle Ermattung und Verflachung, - auch wo sie sich einschmeichelnder Phrasen bedient, energisch - abzuweisen. So geht in Wahrheit eine stärkende und belebende - Kraft von diesem Büchlein aus; man sollte es in Masse - verbreiten.« +Rudolf Eucken+ (Magdeburgische Zeitung). - - - Robert Saitschick - - Wotan und Brünnhilde (Die Geburt der Seele) - - (Soeben erschienen!) - - Gebunden M 4.--, in Halbpergament und auf Bütten M 12.-- - - Der Leser wird erstaunen, welche Schönheiten, welche bisher - nicht von ihm bemerkten Tiefen Richard Wagners Dichtung des - Nibelungenringes in sich birgt. Nun sieht er, daß neben der - Musik auch die Dichtung genauerer Betrachtung wert ist, daß - Alberich, Wotan, Freya, Loge, Erda, Brünnhilde nicht bloß - die Gestalten eines in ferner Urzeit liegenden Mythos sind, - den Wagner dramatisch gestaltet hat, sondern Verkörperungen - der Lebensmächte, die, so lange diese Weltzeit dauert, im - Leben walten, also auch heute noch. Saitschicks Buch ist ein - Führer zur Kunde vom Geistigen, eine ganze Philosophie steckt - darin, die der Leser ohne großes Bemühen für das tägliche - Leben fruchtbar machen kann. Wir möchten dieser Philosophie - viele offene Herzen wünschen, denn sie ist eine Wegbereiterin - zu noch höheren Erkenntnissen. Das Buch ist ohne Zweifel den - klassischen Schöpfungen unserer Literatur beizuzählen. - - - Saitschick / Von der innern Not unseres Zeitalters - - Ein Ausblick auf Fausts künftigen Weg - - Gebunden M 3.50 - - »Faust ist auch in Saitschicks Betrachtung nur der Name für den - innern Menschen unserer Tage. Und wie Goethe, so setzt auch - Saitschick sich mit ihm selbständig auseinander. Nur sieht er - schärfer; denn Faust ist inzwischen ein Jahrhundert seinen Weg - weiter gegangen. Die Konflikte sind ausgeprägter, der Ausgleich - schwerer. Die innere Not ist darum intensiver, ich bin versucht - zu sagen ehrlicher empfunden. Und darauf zielt der Sinn des - Büchleins: dem strebenden Faust unserer Tage Ausblick zu geben - auf den kommenden Weg.« +Hochland.+ - - - Robert Saitschick / Franziskus von Assisi - - Dritte Auflage. Gebunden M 4.--, Halbpergament M 6.-- - - »Diese neue Gabe Saitschicks, abgeklärt in sich und gelöst von - jeder Kontroverse und Diskussion, hat uns in seltener Weise - angesprochen, ergriffen, gefesselt.« +Preußische Jahrbücher+. - - - Joseph Bernhart / Tragik im Weltlauf - - Leicht gebunden M 2.80 - - »In der Tat ein wahres Trostbuch für jeden, der in der - allgemeinen Erschütterung der Dinge die Frage nach den - Fundamenten unseres Daseins stellt.« +Alfred Frhr. Menst von - Klarbach+ (Bayerische Staatszeitung). - - - Johannes Müller / Vom Leben und Sterben - - 16. bis 20. Tausend Leicht gebunden M 1.40 - -+Inhalt+: Der Tod -- Gibt es ein Leben nach dem Tode? -- Diesseits -und Jenseits -- Das Ende -- Der Abschied -- Die Heimsuchung -- Der -Aufschwung - - - Johannes Müller / Hemmungen des Lebens - - 17. bis 21. Tausend Gebunden M 4.-- - -+Inhalt+: Die Trauer -- Die Furcht -- Die Sorge -- Das Tragischnehmen --- Die Unsicherheit -- Der Zweifel (das Mißtrauen) -- Das Kritisieren --- Der Andere in uns - - - Johannes Müller / Die deutsche Not - - Erlebnisse und Bekenntnisse aus der Kriegszeit - - Gebunden M 4.-- - -+Aus dem Inhalt+: Kriegseindrücke und Kriegsfragen -- Wie soll sich der -Christ zum Kriege stellen? -- Jesus und der Krieg -- Und die Kirche? --- Geduld im Kriege -- Wider den Haß -- Bankerott des Christentums? -- -Briefe eines Hauptmanns aus dem Felde -- Vom Wiedersehen in der Heimat --- Ueber den Krieg hinaus -- Verlust und Gewinn usw. - - - Johannes Müller / Reden über den Krieg - - Gebunden M 3.50 - -+Inhalt+: 1. Der Krieg als Schicksal und Erlebnis. 41. bis 43. Tsd. --- 2. Der Krieg als Not und Aufschwung. 31. bis 35. Tsd. -- 3. Der -Krieg als Gericht und Aufgabe. 31. bis 33. Tsd. -- 4. Der Tod fürs -Vaterland und die Hinterbliebenen. 31. bis 34. Tsd. -- 5. Der Krieg als -religiöses Erlebnis - - - Ludwig Kemmer / Briefe an einen jungen Offizier - - Zweite Auflage Gebunden M 1.-- - - - Friedr. Th. Körner - - Die inneren Werte des deutschen Soldaten - - Geheftet M --.70 - -+Inhalt+: Die innere Sittlichkeit -- Gehorsam und Pflichtgefühl -- -Heldentum und Tapferkeit -- Kameradschaft -- Religiöses Empfinden -- -Gemüt und Empfindung - - - Karl Berger. Vom Weltbürgertum - zum Nationalgedanken - - Zwölf Bilder aus Schillers Lebenskreis und Wirkungsbereich - - Gebunden M 8.50 Soeben erschienen - - »Sämtlichen Betrachtungen Bergers, in deren Mittelpunkt immer - wieder Schillers edle, alle überragende Gestalt als unser - gewaltigster Führer in der Wende der Zeiten hervortaucht, - gebührt die Anerkennung, daß sie in strenger Sichtung des - reichen Stoffes und in gefälliger Form bedeutende Ausblicke in - eine lehrreiche Vergangenheit eröffnen und auch unmittelbar - für die Gegenwart vertiefende Anregungen geben.« +Schlesische - Zeitung+. - - - Hermann Reich - - Die Flotte. Eine Tragödie - - Preis kartoniert M 4.50; in Halbpergament M 6.-- - - »Dionysische Ekstase, Aechyleischen Schwung und Shakespearesche - mimische Buntheit verschmilzt Reich zu einem großen modernen - Stil. Es ist der Stil des neuen Deutschen Reiches, das aus - dem Weltbrand hervorgehen muß. -- Sonst wüßte ich mit Reichs - Sprache nur die Luthers an den christlichen Adel deutscher - Nation zu vergleichen.« Prof. +v. Hauff+ (Monatshefte der - Comeniusgesellschaft). - - - Will Vesper - - Martin Luthers Jugendjahre - - Bilder und Legenden - - Gebunden M 4.-- - - »Ein deutsches Festes- und Feierbuch lauterster Art. Wer sich - ein offenes Herz, ein empfängliches Gemüt bewahrt hat, wird - aus diesen zauberhaft poetischen Ausflüssen einer religiösen - Seelenmelodik, aus diesen heilig-ernsten Ergebnissen eines - unvergleichlich tiefen dichterischen Sehnens und Schauens - die Gestalt des jungen Luther sich erheben sehen, wie er sie - niemals aus den wissenschaftlichen Erörterungen zu begreifen - vermochte.« +Die Post+. - - - - -Soeben ist erschienen: - - - Der Pfeifenkönig - - Ein Roman aus der Gegenwart - - Von =Karl Strecker= - - Zweite Auflage Gebunden M 6.-- - - Kein Kriegsroman und doch tief aus dem Born unserer Zeit - geschöpft. Was dieser Zeit an Gebresten und Vorurteilen, aber - auch an Keimen der Größe innewohnt, das ist mit klarem Blick - umfaßt und an dem bewegten Leben des »Pfeifenkönigs« (ein - Spitzname mit tragikomischem Beigeschmack) aufgezeigt. In der - tiefen Problemstellung und in der ganzen Weltauffassung des - feinstilisierten Buches klingt das Ethos einer neuen Zeit. Es - wird gemünzt in kluge Gedanken, es wird getragen von einem - starken Poetenempfinden, das sich nicht zum wenigsten in - knappen, leuchtenden Naturschilderungen kundgibt. - - - Von berühmten Zeitgenossen - - Lebenserinnerungen einer Siebzigerin - - Von =R. Braun-Artaria= - - Mit zwei Bildnissen der Verfasserin von - +Anselm Feuerbach+ und +Franz von Lenbach+ - - Achte Auflage Gebunden M 5.50 - - »Ein prächtiges Buch und von wirklichem kulturgeschichtlichem - Wert ... Auch wer die hier vorkommenden Personen gekannt - hat, wird sie immer da oder dort von einer neuen Seite - beleuchtet sehen. Sie gehören den verschiedensten Gebieten - von Wissenschaft, Kunst und Dichtung an. Ob Naturforscher - und Geographen wie Zittel, Wagner und Ratzel vor uns treten, - ob Gespräche mit Döllinger berichtet werden, ob wir von - Piloty, Feuerbach, Schwind, Lenbach, Otto Greiner, Franz von - Liszt hören, ob Bodenstedt, Heyse, Scheffel, um nur einiges - anzudeuten, überall wird man sogleich gefesselt und folgt dem - Lauf der Erzählung mit Genuß, und bedauern wird man an dem - Buche zuletzt nur, daß man es schon zu Ende gelesen hat.« - +Literarisches Zentralblatt+. - - - C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München - - - C. H. Beck'sche Buchdruckerei in Nördlingen - - - - - Weitere Anmerkungen zur Transkription - - - Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend - korrigiert. Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. - - Die unterschiedlichen Bezeichnungen »Augustowo« und »Augustow« - wurden beibehalten. - - Korrekturen (das korrigierte Wort ist in {} eingeschlossen): - - S. 20: war → waren - Mir selbst {waren} ein Koffer und Wäschesack - - S. 28: Offizierpatrouille → Offizierspatrouille - ging von der Kompanie eine {Offizierspatrouille} ins - - S. 30: toten → Toten - um dem vermeintlich {Toten} das Gewehr zu nehmen - - S. 51: tagüber → tagsüber - von wo {tagsüber} unsre Baumposten - - S. 89: Offizierburschen → Offiziersburschen - Telephonisten und {Offiziersburschen}, untermischt - - S. 104: wieder → wider - klingt von der deinen {wider}, wie - - S. viii: kulturgeschichtlichen → kulturgeschichtlichem - und von wirklichem {kulturgeschichtlichem} Wert - - - - - -End of Project Gutenberg's Der Wanderer zwischen den Welten, by Walter Flex - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WANDERER ZWISCHEN DEN WELTEN *** - -***** This file should be named 52118-0.txt or 52118-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/2/1/1/52118/ - -Produced by Peter Becker and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Der Wanderer zwischen den Welten - Ein Kriegserlebnis - -Author: Walter Flex - -Release Date: May 21, 2016 [EBook #52118] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WANDERER ZWISCHEN DEN WELTEN *** - - - - -Produced by Peter Becker and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> -<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Das Original ist in Fraktur gesetzt.</p> - -<p>Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so dargestellt</em>.</p> - -<p>Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so dargestellt</em>.</p> - -<p>Weitere Anmerkungen finden sich am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/cover.jpg" alt="Cover" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="h2">Walter Flex<br /> -Der Wanderer zwischen beiden Welten -</p> -<hr class="chap" /> -</div> - -<div class="divcenter"> -<p> -»Auf Poesie ist die Sicherheit<br /> -der Throne gegründet.«</p> -<p class="right"> -<em class="gesperrt">Gneisenau</em><br /> -</p> -</div> -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<h1>Der Wanderer<br /> -zwischen beiden Welten</h1> - -<p class="center">Ein Kriegserlebnis</p> - -<p class="center">von</p> - -<p class="h2">Walter Flex</p> - -<p class="center">40. bis 42. Auflage. Mit einem Nachwort</p> - -<p class="center">131. bis 140. Tausend</p> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/signet.png" alt="Signet" /> -</div> - -<p class="center">C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung</p> - -<p class="center"> -Oskar Beck<span class="space"> </span>München 1918 -</p> - -<p class="center"><em class="antiqua">By</em> -</p> -<hr class="chap" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="center">Dem Gedächtnis meines lieben Freundes</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Ernst Wurche</em></p> - -<p class="center">Kriegsfreiwillig im 3. Niederschlesischen Inf.-Rgt. 50<br /> -Leutnant d. R. im 3. Unterelsässischen Inf.-Rgt. 138 -</p> -<hr class="chap" /> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_1">[1]</a></span></p> - -<p class="drop">Eine stürmische Vorfrühlingsnacht ging durch die -kriegswunden Laubwälder Welsch-Lothringens, -wo monatelanger Eisenhagel jeden Stamm gezeichnet -und zerschroten hatte. Ich lag als Kriegsfreiwilliger -wie hundert Nächte zuvor auf der granatenzerpflügten -Waldblöße als Horchposten und sah mit windheißen -Augen in das flackernde Helldunkel der -Sturmnacht, durch die ruhlose Scheinwerfer über -deutsche und französische Schützengräben wanderten. -Der Braus des Nachtsturms schwoll anbrandend -über mich hin. Fremde Stimmen füllten die zuckende -Luft. Über Helmspitze und Gewehrlauf hin sang -und pfiff es schneidend, schrill und klagend, und hoch -über den feindlichen Heerhaufen, die sich lauernd -im Dunkel gegenüberlagen, zogen mit messerscharfem -Schrei wandernde Graugänse nach Norden.</p> - -<p>Die verflackernde Lichtfülle schweifender Leuchtkugeln -hellte wieder und wieder in jähem Überfall die -klumpigen Umrisse kauernder Gestalten auf, die in -Mantel und Zeltbahn gehüllt gleich mir, eine Kette -von Spähern, sich vor unseren Drahtverhauen in -Erdmulden und Kalkgruben schmiegten. Die Postenkette -unsres schlesischen Regiments zog sich vom<span class="pagenum"><a id="Seite_2">[2]</a></span> -Bois des Chevaliers hinüber zum Bois de Vérines, -und das wandernde Heer der wilden Gänse strich -gespensterhaft über uns alle dahin. Ohne im Dunkel -die ineinanderlaufenden Zeilen zu sehen, schrieb ich -auf einen Fetzen Papier ein paar Verse:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Wildgänse rauschen durch die Nacht<br /></span> -<span class="i0">Mit schrillem Schrei nach Norden –<br /></span> -<span class="i0">Unstäte Fahrt! Habt acht, habt acht!<br /></span> -<span class="i0">Die Welt ist voller Morden.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Fahrt durch die nachtdurchwogte Welt,<br /></span> -<span class="i0">Graureisige Geschwader!<br /></span> -<span class="i0">Fahlhelle zuckt, und Schlachtruf gellt,<br /></span> -<span class="i0">Weit wallt und wogt der Hader.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Rausch' zu, fahr' zu, du graues Heer!<br /></span> -<span class="i0">Rauscht zu, fahrt zu nach Norden!<br /></span> -<span class="i0">Fahrt ihr nach Süden übers Meer –<br /></span> -<span class="i0">Was ist aus uns geworden!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Wir sind wie ihr ein graues Heer<br /></span> -<span class="i0">Und fahr'n in Kaisers Namen,<br /></span> -<span class="i0">Und fahr'n wir ohne Wiederkehr,<br /></span> -<span class="i0">Rauscht uns im Herbst ein Amen!<br /></span> -</div></div> - -<p>Während ich das im Bois des Chevaliers schrieb, -lag drüben im Vérines-Walde ein zwanzigjähriger<span class="pagenum"><a id="Seite_3">[3]</a></span> -Student der Theologie, Kriegsfreiwilliger gleich mir, -auf Horchposten. Wir wußten damals noch nichts -voneinander. Aber als er, Monate später, die Verse -in meinen Kriegstagebuchblättern fand, entsann er -sich deutlich jener Nacht und des wandernden Gänseheers, -das über uns beide dahinzog. Beide sahen -wir ihm mit den gleichen Gedanken nach. Und an -uns beide trat in derselben Stunde aus dem Dunkel -der hinter uns liegenden Gräben eine Gefechtsordonnanz -mit dem Befehl, uns um Mitternacht -marschfertig vor dem Regimentsgeschäftszimmer zu -melden. Mit müden und doch seltsam wachen Sinnen -sahen wir im Abstieg noch einmal die schwermütige -Schönheit der kahlen, grauen Hänge und Mulden, -deren Kalk im Mondlicht tot, fremd und schwer wird, -und die lichtlose, graue Einsamkeit der zerschossenen -und verlassenen Steinhütten …</p> - -<p>Im Geschäftszimmer des Regiments erfuhren wir, -daß wir bei Morgengrauen mit zwanzig andern -Kriegsfreiwilligen nach Deutschland in Marsch gesetzt -würden, um im Posener Warthelager eine -Offiziersausbildung durchzumachen.</p> - -<p>Auf der abschüssigen Dorfstraße zwischen der -granatenzertrümmerten Kirche und dem Pfarrhaus -mit seinen Kriegergräbern trat unser kleiner Trupp<span class="pagenum"><a id="Seite_4">[4]</a></span> -in der Frühe des folgenden Tages an. Zur gleichen -Zeit wie wir sollte ein Kommando von Berufsschlächtern, -die zur Verwendung in der Heimat aus -der Truppe gezogen waren, den Ort verlassen. -Während wir nun in Reih und Glied, des Marschbefehls -gewärtig, vor dem Pfarrhaus standen, trat -ein Major an uns heran und rief uns von weitem -zu: »Seid Ihr die Metzger, Kerls?« und ein Chorus -von beleidigten und vergnügten Stimmen antwortete: -»Nein, Herr Major, wir sind die Offiziersaspiranten!« -Während der Major mit einem verdrießlichen -Gemurmel an unserm grauen Häuflein -vorbei die Suche nach seinen Metzgern fortsetzte, -sah ich zufällig in ein paar auffallend schöne lichtgraue -Menschenaugen. Sie gehörten meinem Nebenmann -und standen randvoll fröhlichen Lachens. -Wir sahen uns an und begegneten uns in der -Freude an einem jener kleinen harmlos-spaßhaften -Erlebnisse, an denen unser Kriegsfreiwilligendasein -reich war. Was für reine Augen hat der junge -Mensch! dachte ich und merkte beim Aufruf durch -den Regimentsschreiber auf seinen Namen. »Ernst -Wurche.« »Hier!« Nun, dachte ich, es ist hübsch, -daß du und ich den gleichen Weg haben …</p> - -<p>Ein paar Stunden später stieg unser kleiner Trupp<span class="pagenum"><a id="Seite_5">[5]</a></span> -die mit Strömen von Heldenblut getränkten Höhen -der Côtes Lorraines von Hâtonchatel nach Vigneulles -hinab. Der steile Abstieg und die von Tau und -Sonne sprühend frische Luft rückte einem, ohne daß -man's recht wußte, den Kopf in den Nacken, und -bald flatterte ein Lied wie eine helle frohe Fahne -über dem grauen Häuflein. »Wohlauf, die Luft -geht frisch und rein! Wer lange sitzt, muß rosten. -Den allersonnigsten Sonnenschein läßt uns der -Himmel kosten.« Wie lange hatte man das nicht -gesungen! Wer hatte es angestimmt? Der junge -Student mir zur Seite hatte eine Stimme, so hell -und rein wie seine Augen. Wer so singt, mit dem -wird gut plaudern sein, dachte ich, während er unbekümmert -froh die frischerwachte Wanderlust im -Liede ausschwingen ließ …</p> - -<p>Steiler und steiler drängte die Straße in die -weite lothringische Ebene hinab. In scharfer Wendung -zwang sie auf halber Höhe plötzlich den Blick -rückwärts und hinauf zu der in Morgenröte und -Frühnebeln badenden Kirche von Hâtonchatel, aus -deren gotischem Zierat die junge Sonne gleichsam -in hellen Bächen hervorsickerte, empor zu den zerschossenen -Häusern, die sie umdrängten, und zu dem -Bergfriedhof davor, über dessen graue Mauern das<span class="pagenum"><a id="Seite_6">[6]</a></span> -Leben in Büscheln frischen Grüns mit hundert -schlanken Zweigen voll silbrig schimmernden Teufelszwirns -und schwellender Haselkätzchen hinausdrängte. -Je tiefer wir stiegen, desto thronender hob sich über -das Tal und die taufeuchten Rebenhänge, in immer -hellerer Sonne schwelgend, die Kirchenruine von -Hâtonchatel, eine Gottesburg, vor der sich das reiche -Land hinauf und hinab breitete wie ein Gebetsteppich -für Scharen von Pilgern.</p> - -<p>Vielleicht hätte ich dies alles nicht so gesehen -ohne den zwanzigjährigen Kameraden neben mir. -Er sang nicht mehr, sondern war ganz in Schauen -und Schreiten versunken. Trotz und Demut, die -Anmut des Jünglings, lagen wie ein Glanz über -der Haltung des straffen Körpers, dem schlanken -Kraftwuchs der Glieder, dem stolzen Nacken und -der eigenwilligen Schönheit von Mund und Kinn. -Sein Gehen war federnde, in sich beruhende und -lässig bewegte Kraft, jenes Gehen, das »Schreiten« -heißt, ein geruhiges, stolzes und in Stunden der -Gefahr hochmütiges Schreiten. Der Gang dieses -Menschen konnte Spiel sein oder Kampf oder -Gottesdienst, je nach der Stunde. Er war Andacht -und Freude. Wie der schlanke, schöne Mensch in -dem abgetragenen grauen Rock wie ein Pilger den<span class="pagenum"><a id="Seite_7">[7]</a></span> -Berg hinabzog, die lichten grauen Augen ganz -voll Glanz und zielsicherer Sehnsucht, war er wie -Zarathustra, der von den Höhen kommt, oder der -Goethesche Wandrer. Die Sonne spielte durch den -feinen Kalkstaub, den seine und unsere Füße aufrührten, -und der helle Stein der Bergstraße schien -unter seinen Sohlen zu klingen …</p> - -<p>Sein Gang war Wille und Freude. Er ging aus -Vergangenheit in Zukunft, aus den Lehrjahren ging -er in seine Meisterjahre hinüber. Hinter ihm versanken -die Berge, auf denen er mit Picke und Spaten -geschanzt hatte, die Wälder, deren zentnerschwere -Stämme er stundenweit auf willigen Schultern getragen, -die Dörfer, deren Straßen er mit Schaufel -und Kotrechen saubergehalten hatte, die Gräben, -in denen er zu allen Stunden des Tages und der -Nacht seinen Wachdienst getan und die Erdlöcher -und Unterstände, in denen er soviel Monate hindurch -mit Handwerkern, Fabrikern und polnischen -Landarbeitern gute Kameradschaft gehalten hatte. -Er hatte sechs Monate hindurch den grauen Rock -ohne Knopf und Tressen getragen, und von den -härtesten und niedrigsten Diensten war ihm nichts -geschenkt worden. Nun schritt er von den Bergen -herab, um Führer zu werden. Aber er warf die<span class="pagenum"><a id="Seite_8">[8]</a></span> -Vergangenheit nicht von sich wie einen abgetragenen -Rock, sondern nahm sie mit sich wie einen heimlichen -Schatz. Er hatte sechs schwere Monate hindurch um -die Seele seines Volkes gedient, von der so viele -reden, ohne sie zu kennen. Nur wer beherzt und -bescheiden die ganze Not und Armseligkeit der -Vielen, ihre Freuden und Gefahren mitträgt, Hunger -und Durst, Frost und Schlaflosigkeit, Schmutz und -Ungeziefer, Gefahr und Krankheit leidet, nur dem -erschließt das Volk seine heimlichen Kammern, seine -Rumpelkammern und seine Schatzkammern. Wer mit -hellen und gütigen Augen durch diese Kammern -hindurchgegangen ist, der ist wohl berufen, unter -die Führer des Volkes zu treten. Als ein Wissender -an Kopf und Herzen stieg der junge Kriegsfreiwillige -von den lothringischen Bergen herab, um Führer -und Helfer in seinem Volke zu werden. Davon klang -sein Schritt. Und wenn die Menschen mit allem -lügen und heucheln könnten, Blick und Stimme -und Gang der Starken und Reinen können sie -nicht erheucheln und nachtäuschen. Noch hatte ich -mit dem jungen Studenten kein Wort gesprochen, -aber Blick und Stimme und Gang des Jünglings -waren mir freund geworden.</p> - -<p>Im Eisenbahnwagen kamen wir ins Gespräch.<span class="pagenum"><a id="Seite_9">[9]</a></span> -Er saß mir gegenüber und kramte aus seinem -Tornister einen kleinen Stapel zerlesener Bücher: -ein Bändchen Goethe, den Zarathustra und eine -Feldausgabe des Neuen Testaments. »Hat sich das -alles miteinander vertragen?« fragte ich. Er sah -hell und ein wenig kampfbereit auf. Dann lachte er. -»Im Schützengraben sind allerlei fremde Geister -zur Kameradschaft gezwungen worden. Es ist mit -Büchern nicht anders als mit Menschen. Sie mögen -so verschieden sein, wie sie wollen – nur stark und -ehrlich müssen sie sein und sich behaupten können, -das gibt die beste Kameradschaft.« Ich blätterte, -ohne zu antworten, in seiner Sammlung Goethescher -Gedichte. Ein anderer Kamerad sah herüber und -sagte: »Das Buch habe ich mir beim Auszug auch -in den Tornister gesteckt, aber wann hat man hier -draußen Zeit zum Lesen gehabt?« »Wenn man -wenig Zeit zu lesen hat,« meinte der junge Student, -»so soll man auswendig lernen. Ich habe in diesem -Winter siebzig Goethesche Gedichte gelernt. Die -konnte ich dann vorholen, so oft ich wollte.« Er -sprach frei und leicht und ohne jeden Anflug von -Selbstbespiegelung oder Schulmeisterlichkeit, aber -seine unbefangene und selbstsichere Art, ohne Scheu -auch von wesentlichen und innerlichen Dingen zu<span class="pagenum"><a id="Seite_10">[10]</a></span> -reden, zwang zum Aufhorchen. Seine Worte waren -so klar wie seine Augen, und aus jedem seiner frisch -und ehrlich gefügten Sätze konnte man sehen, weß -Geistes Kind man vor sich hatte.</p> - -<p>Die Gespräche im Eisenbahnwagen kreuzten um -die Aufgaben der nahen Zukunft. Wir fuhren einer -Lehrzeit entgegen. Dem einen schien's viel, dem -andern wenig, was in der kurzen Zeit zu lernen -war. »Ein Zugführer braucht ja kein Stratege zu -sein,« meinte einer. »Leutnantsdienst tun heißt: -seinen Leuten vorsterben. Wer ein ganzer Kerl ist, -braucht nur ein wenig Handwerk zuzulernen.« Der -so sprach, meinte es ehrlich, und er hat nicht allzulang -danach in Russisch-Polen sein Wort wahr gemacht, -aber seine ungelenke und hitzige Art, unvermittelt -und oft am falschen Platz große Worte -zu machen, ließ ihn bei aller Redlichkeit oft zur -Zielscheibe harmlosen Spottes werden. Auch hier -fiel sein Wort wie ein Stein in leichtes Geplauder. -Einige lächelten. Aber Ernst Wurche hob den Stein -leicht auf, und er wurde in seiner Hand zum Kristall. -»Leutnantsdienst tun heißt seinen Leuten <em class="gesperrt">vor-leben</em>,« -sagte er, »das Vor-sterben ist dann wohl -einmal ein Teil davon. Vorzusterben verstehen viele, -und das ›<em class="antiqua">Non dolet</em>‹, mit dem die römische Frau<span class="pagenum"><a id="Seite_11">[11]</a></span> -ihrem zaghaften Gatten zeigte, wie gut und leicht -sich sterben läßt, steht dem Mann und Offizier noch -besser, aber das Schönere bleibt das Vor-leben. Es -ist auch schwerer. Das <em class="gesperrt">Zusammen</em>-leben im Graben -war uns vielleicht die beste Schule, und es wird -wohl niemand ein rechter Führer, der es nicht hier -schon war.«</p> - -<p>Es erhob sich alsbald ein lebhafter Streit, ob es -leicht oder schwer sei, Einfluß auf das Denken und -Fühlen des gemeinen Mannes zu gewinnen. Mancher -hatte mit Belehrungs- und Erziehungsversuchen kläglich -Schiffbruch gelitten und war immer wie ein -fremder Vogel im Schwarm gewesen. Vieles, das -hin- und hergeredet wurde, ist mir entfallen, und -es verblaßte auch mit Recht neben einem kleinen -Erlebnis, das der junge Student erzählte. »Die -großen Kerls«, meinte er lächelnd, »sind wie die -Kinder. Mit Schelten und Verbieten ist wenig getan. -Sie müssen einen gern haben. Ein Spiel, bei -dem man nicht mittut, muß ihnen kein rechtes Spiel -sein. Wenn wir zu acht im Unterstand lagen, suchte -auch oft einer dem anderen mit unsaubern Witzen -den Vogel abzuschießen. Und ein Weilchen unterhielten -sie sich damit ganz prächtig. Aber dann -war einer, ein Breslauer Sozialdemokrat, der gute<span class="pagenum"><a id="Seite_12">[12]</a></span> -Freundschaft mit mir hielt; der merkte immer zuerst, -wenn ich nicht mittat. ›Ernstel, schläfst du auch?‹ -fragte er dann jedesmal, und wir wußten alle -beide, daß sein Spott auf unsichern Beinen stand. -Ich knurrte auch nur, ›Laßt mich zufrieden‹, oder so. -Sie wußten recht gut, wenn ich nichts von ihnen -wissen wollte, und das paßte ihnen nicht. Es dauerte -dann meistens auch gar nicht lange, bis einer eine -Schnurre erzählte, über die ich mitlachte. Und dann -hatten wir die lustigsten Stunden.«</p> - -<p>Er erzählte das ganz schlicht und mit so herzgewinnender -Nachfreude, daß man unwillkürlich die -Kraft spürte, die sein Wesen auf grobe und feine -Herzen übte. Ich verstand ganz seine »großen -Kerls«, die ihn »gern hatten« und denen das -Lachen ohne ihn schal war. Viel später, in den -Wäldern von Augustow, hat er mir dann zuweilen -Briefe seiner alten Kameraden zu lesen gegeben, -denen er selbst fleißig schrieb. Darunter war auch -einer seines Breslauer Sozialdemokraten. Der fing -mit »Lieber Herr Leutnant« an, und ziemlich unvermittelt -stand zwischen allerlei Nachrichten: »Seit -Sie fort sind, sind unsre Gespräche nicht besser geworden. -Über viele Witze würden Sie nicht lachen, -und wir dann auch nicht.« Es mag, auch in Deutschland,<span class="pagenum"><a id="Seite_13">[13]</a></span> -nicht viele Offiziere geben, denen solche Briefe -geschrieben werden …</p> - -<p>In dem Eisenbahnwagen, der uns quer durch -Deutschland von Metz nach Posen führte, saß ich -dem rasch liebgewonnenen Kameraden viele Stunden -gegenüber. Es wurde viel gelacht und geplaudert. -Aus allen seinen Worten sprach ein reiner, klarer, -gesammelter Wille. So wie er die Anmut des -Knaben mit der Würde des Mannes paarte, war -er ganz Jüngling, und er erinnerte mich in seinem -bescheidenen, selbstsicheren Lebensfrohsinn fast schmerzhaft -deutlich an meinen jüngsten Bruder, der in -den ersten Septembertagen in Frankreich gefallen war. -»Sind Sie nicht Wandervogel, Wurche?« fragte ich -ihn aus meinen Gedanken und Vergleichen heraus, -und sieh', da hatte ich an die Dinge des Lebens -gerührt, die ihm die liebsten waren! Aller Glanz -und alles Heil deutscher Zukunft schien ihm aus -dem Geist des Wandervogels zu kommen, und wenn -ich an ihn denke, der diesen Geist rein und hell -verkörperte, so gebe ich ihm recht …</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die paar Wochen Lehrzeit im Warthelager haben -dem Wesen des Jünglings nichts gegeben und -nichts genommen. Er wurde rasch nacheinander<span class="pagenum"><a id="Seite_14">[14]</a></span> -Unteroffizier, Feldwebel und Leutnant. Mit seinen -Aufgaben fand er sich glatt und sicher ab, und an -den Verdrießlichkeiten und Kleinlichkeiten, wie sie -der Friedensdrill mit sich bringt, ging er mit lässigem -Hochmut vorüber. Einmal entschlüpfte auch mir, ich -weiß nicht mehr über wen und worüber, ein verdrossenes -Wort. Da schob er seinen Arm in meinen, -sah mich mit seiner herzlich zwingenden Heiterkeit -an und zitierte aus seinem Goethe:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wandrer, gegen solche Not<br /></span> -<span class="i0">Wolltest du dich sträuben?<br /></span> -<span class="i0">Wirbelwind und trocknen Kot<br /></span> -<span class="i0">Laß ihn drehn und stäuben!«<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">Damit war die Sache abgetan. Wir wanderten -in den Sonntagmorgen hinaus zum Warthe-Ufer -und sprachen von Flüssen, Bergen, Wäldern und -Wolken …</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Es wurde Mai. Da zogen wir zum zweitenmal -hinaus. Wohin? Das wußte von den paar hundert -jungen Offizieren noch keiner, als uns schon die -grellweißen Lichtkegel unsrer Autos zum Schlesischen -Bahnhof in Berlin vorausrasten. Die Zukunft war -voller Geheimnisse und Abenteuer, und aus dem -Dunkel im Osten, in das sich die Lichter unsres<span class="pagenum"><a id="Seite_15">[15]</a></span> -Zuges hineinfraßen, wuchs der Schatten Hindenburgs …</p> - -<p>Der Zug fuhr ohne Halt durch die Mainacht, -als wollte er Weg und Ziel nicht verraten. Nur -hin und wieder flog ein grell von Bahnhofslichtern -überstrahltes Schild mit einem Stationsnamen an -uns vorüber. Es ging nach Osten. Der Schatten -Hindenburgs wuchs und wuchs. Kühl und blausonnig -ging der Maimorgen über den ostpreußischen -Seen auf. Ging es nach Kurland, ging es nach -Polen? Ernst Wurche zeigte hartnäckig, so oft wir -hin- und herrieten, auf die Teile der großen Generalstabskarte, -die mit dem tiefsten Blau und dem -lichtesten Grün gezeichnet waren. Der helle, liebe -Mai gaukelte dem Wandervogel die Lockbilder -weiter, sonniger Seen, schattiger Wälder und taunasser -Wiesen vor.</p> - -<p>Auf dem Bahnhof eines ostpreußischen Städtchens -wurden uns von lachenden Mädchen Erfrischungen -und Blumen ins Abteil gereicht. Als der Zug sich -unter Winken, Zurufen und Gelächter in Bewegung -setzte, warf uns ein älterer Herr mit einem fast -zornigen Gesicht ein Extrablatt zu. Wir fingen es -auf und lasen. Italien hatte an Österreich den Krieg -erklärt …</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_16">[16]</a></span></p> - -<p>Seit Tagen schon hatte man nichts anderes mehr -erwartet. Es waren nicht wenige unter uns, die -noch in Berlin darauf gewettet hatten, daß wir -selbst an die italienische Front geworfen würden. -Nun stand der italienische Verrat schwarz auf weiß -wie eine häßliche Fratze vor uns. Ein Weilchen war -es still. Dann fielen harte, starke und laute Worte. -Einer der Jüngsten von uns, der noch nicht allzulang -der Sekunda entlaufen war, steckte das Blatt -auf die Spitze seines Degens und winkte damit -zum Fenster hinaus. Ein paar helle Mädchenarme -winkten fröhlich und übermütig zurück. Der alte -Ostpreuße in seinem schwarzen Rock stand unbeweglich -und sah uns fast drohend nach. Der Bahnhof -floh zurück. Die Menschen auf dem Bahnsteig -schrumpften zusammen. Ein paar helle, bunte Flecke, -mitten darin ein schwarzer Strich … Dann verschwand -auch das. Nur das Blatt mit den großen, zornigen, -schwarzen Lettern lag noch auf dem roten Plüsch -unseres Abteils. Eine Hand nach der andern hob es -auf. Zuletzt warf es eine Faust zerknüllt in die Ecke.</p> - -<p>Das Gespräch ging längst wieder andere Wege. -Ein junger Berliner Hochschullehrer, der als Kriegsfreiwilliger -mit den jungen Regimentern in Flandern -gefochten hatte, erzählte aus der Hölle von Ypern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_17">[17]</a></span></p> - -<p>Mein Blick fiel zufällig auf Ernst Wurche. Er -saß still in seiner Ecke, aber seine hellen, frohen -Augen spielten mit der Maisonne um die Wette -über die aufgeschlagenen Seiten eines Büchleins, -das ihm auf den Knien lag. Es war sein Neues -Testament. »Ernstel, schläfst du?« neckte ich ihn, -da er's so ganz verschmähte, an unsern Gesprächen -teilzunehmen. Er sah voll und herzlich auf. Dann -rückte er mir mit einer raschen, fröhlichen Bewegung -das schwarze Bändchen hin und tippte mit dem -Finger auf eine Zeilenreihe.</p> - -<p>»Der mit der Hand mit mir in die Schüssel -tauchte, der wird mich verraten,« las ich. Ich glaubte -ihn zu verstehen. »Italien?« fragte ich. Er nickte -und tippte auf eine andere Stelle.</p> - -<p>»Da ging hin einer mit Namen Judas Ischarioth -und sprach: <em class="gesperrt">Was wollt Ihr mir geben?</em> Ich -will ihn Euch verraten …« Ich nickte ihm zu, da -warf er rasch ein paar Blätter herum. »Und das -wird das Ende sein!« Sein Zeigefinger lag auf -dem kläglichen Wort des Verräters: »Ich habe übel -getan, daß ich unschuldig Blut verraten habe.« Und -weiter: »<em class="gesperrt">Sie sprachen: Was geht uns das an! -Da siehe du zu!</em>«</p> - -<p>Keine Spur eines finsteren Eiferers lag in seinem<span class="pagenum"><a id="Seite_18">[18]</a></span> -offenen Blick und seiner frohen Gebärde. Seine -Seele war weit und voll Sonne, und er las die -Bibelstellen nicht anders als in dem hellen, starken -Geiste, mit dem wir Kriegsfreiwilligen den Mondregenbogen -an Gottes Himmel schauten, als wir -nach Frankreich hinausfuhren. Sein Christentum war -ganz Kraft und Leben. Die religiöse Erweckung aus -Feigheit war ihm erbärmlich. Er hatte eine stille, -herzliche Verachtung für das draußen und daheim -wuchernde Angst-Christentum und die Gebetspanik -der Feigen. Von ihnen sagte er einmal: »Sie suchen -immer in Gottes Willen hineinzupfuschen. Gottes -Wille ist ihnen nicht so heilig wie ihr bißchen Leben. -Man sollte immer nur um Kraft beten. Der Mensch -soll nach Gottes Hand greifen, nicht nach Pfennigen -in seiner Hand.« Sein Gott war mit einem Schwerte -gegürtet, und auch sein Christus trug wohl ein -helles Schwert, wenn er mit ihm in den Kampf -schritt. Zur Stunde sah er seine blanke Schneide -gegen die verräterischen Bundesgenossen fliegen. -Davon brannten ihm die Augen.</p> - -<p>Der junge Offizier ließ an seinen Glauben so -wenig rühren wie an sein Portepee. Sein Glaube -und seine Ehre, das gehörte zusammen. Ich hörte -später einmal, wie ein etwas älterer Kamerad mit<span class="pagenum"><a id="Seite_19">[19]</a></span> -einer läppischen Bemerkung über sein theologisches -Studium witzelte. Den sah er hell an, und dann -sagte er ganz ruhig und liebenswürdig: »Theologie -ist eine Sache für feine Köpfe, nicht für Klötze.« -Er verlor nie die Ruhe, auch nicht, wenn er grob -wurde, und er konnte vollendet grob werden.</p> - -<p>Allmählich ließ sich das Ziel unserer Reise erkennen. -Eine Nacht verbrachten wir in Suwalki, -und am nächsten Morgen fauchte der Zug, der nur -noch wenige Wagen zählte, durch die endlosen -Nadelwälder von Augustowo zur Front. Ein Teil -der Bahnstrecke wurde von den Russen unter -Artilleriefeuer gehalten. Auf offener Strecke blieben -wir ein paar Stunden liegen, während der Gegner -weiter vorn die Geleise mit Granaten abstreute. -Einige Wipfel brachen wie unter jähen Blitzschlägen -zusammen. Ein Teil des Waldes brannte, ein grelles, -heißes Rot fraß sich durch den schweren Qualm von -brennendem Holz und Harz.</p> - -<p>Nach einer Weile schwieg die feindliche Artillerie, -und unser Zug setzte sich wieder in Bewegung. -Schneller und schneller glitten Fichten und Sand, -Sand und Fichten vorüber. Mit einmal erschütterte -der ganze Zug von dem schmetternden Krachen -einer krepierenden Granate, deren Sausen das<span class="pagenum"><a id="Seite_20">[20]</a></span> -Rattern der Bahn übertäubt hatte. Ein Knirschen -von Holz und Eisen. Ein paar Stöße, die wie -Faustschläge durch die roten Polster kamen. Eine -Scheibe sprang mit peitschenartigem Knall aus dem -Rahmen. Der Wagen neigte sich hart rechtsüber, -schwankte, stand. Die Granate war unter dem fahrenden -Zug in den Bahndamm geschlagen und hatte -wie eine Teufelsfaust die Erde unter den heißen -Schienen fortgerissen. Der Zug war aus den Gleisen -gesprungen und stand mit gefährlicher Neigung über -der steilabfallenden Böschung. Ein Maschinengewehr -hämmerte aus der Ferne, wo man wohl durchs -Scherenfernrohr den Treffer beobachtet hatte, herüber. -Tak–ta–tak–tak–tak–ta–tak …</p> - -<p>Ernst Wurche hatte gerade am Fenster gestanden -und sich rasiert. Mitten in den Strich war das -Krachen und Brechen gekommen. Er hob das Messer -leicht ab und hielt sich mit der Linken am Gepäcknetz -fest. Aus den Nebenabteilen sahen wir die -Kameraden, zum Teil hemdärmelig, aus den schwankenden -Wagen springen. Mir selbst <span id="corr020">waren</span> ein Koffer -und Wäschesack auf den Kopf gefallen und hatten -mich vornüber geworfen. Ich rappelte mich wieder -auf. Der Zug stand. Ich sah nach Wurche und mußte -lachen. Er führte mit dem Messer sauber den unterbrochenen<span class="pagenum"><a id="Seite_21">[21]</a></span> -Strich zu Ende, wischte sich den Seifenschaum -aus dem Gesicht und sagte seelenruhig: »Na, -da können wir wohl auch aussteigen!« Er ließ sich -seine fröhliche Ruhe von niemand aus den Fingern -schlagen, und es lag nicht in seiner Art, bei einer -Panik mit der Seife im Gesicht aus dem Rasierladen -zu laufen, wenn noch Zeit war, sie abzuwischen. -Gelassenheit war eins seiner Lieblingsworte, in ihr -sah er das Wesen menschlicher und männlicher -Würde, heitere und lässige Sicherheit lag immer -wie ein Glanz über seinem Wesen, und es war in -ihr soviel menschliche Anmut wie männliche Würde.</p> - -<p>Mit dem »Aussteigen« freilich haperte es. Alle -Türen nach draußen und zu den Nebenabteilen -waren verkeilt. »Eskaladieren wir!« sagte Wurche -und kletterte durch das zersprungene Fenster ins -Freie. Ich warf unsre Gepäckstücke nach und folgte -auf demselben Wege. Wir rückten unsre Koffer dicht -an die dem Feinde abgekehrte Seite des steilabfallenden -Bahndamms und streckten uns daneben -in Gras und Sonne. Zwei Stunden später kam -von Augustowo her ein Hilfszug und brachte uns -mit einiger Verspätung ans Ziel. Rußland hatte -uns sein Willkommen entboten.</p> - -<p>Im Divisionsstabsquartier von Augustowo wurden<span class="pagenum"><a id="Seite_22">[22]</a></span> -wir auf Regimenter und kurz danach in einer Russenkaserne -auf Kompanien verteilt. Ich wußte es beide -Male einzurichten, daß ich mit Wurche zusammenblieb. -Wir kamen beide zur 9. Kompanie eines -elsässischen Infanterie-Regiments.</p> - -<p>Wir schliefen die Nacht auf Stroh in der russischen -Kaserne und wanderten am andern Morgen zu -viert in den Mai hinaus nach den Gräben unsrer -Kompanien, die ein paar Wegstunden entfernt in -festen Stellungen im Walde lagen.</p> - -<p>Ein Morgenbad im »Weißen See« gab dem -ganzen Tage einen frischen Glanz. Der Weg ging -durch Sand und Föhrenwald. Zerstreutes Licht floß -in breiten Bahnen durch grüne Wipfel und goldrote -Stämme. Dann lag der weite See, von -sonnigem Morgendunst überschäumt, vor uns. Pirole -schmetterten, Schwalben schossen mit den Schwingen -durchs Wasser, Taucher verschwanden vor uns, wie -wir am Ufer entlangschlenderten. Nur aus der -Ferne kam ein gedämpftes Grollen zu uns herüber -und ab und zu das taktmäßige Hämmern eines -Maschinengewehrs. »Spechte!« lachte Wurche und -ließ Sonne und Wasser über sich zusammenschlagen.</p> - -<p>Dann ging es am Augustower Kanal und den -Nettawiesen weiter. Bald saß uns der graue Staub<span class="pagenum"><a id="Seite_23">[23]</a></span> -der russischen Landstraße in den Röcken. Aber neben -dem Wandervogel her, der in Helm und Degen -und Ledergamaschen den ausgefahrenen Sandweg -hinzog, schritt leicht auf reinlichen Füßen durch -feuchtes Wiesengras der Mai und lachte immer -heller herüber. Die leise Netta kam bald bis an -unsern Weg heran und ließ ihre Wellen und ihr -sonniges Mückenspiel vor uns gaukeln, bald entwich -sie uns wieder und barg sich in Wiesenschaumkraut -und wucherndem Gras. Ich hatte Wurche lange -von der Seite angesehen. Zuletzt mußte ich lachen. -»Gestehen Sie's nur!« sagte ich, »Sie müssen heut -noch einmal ins Wasser?« »Gleich!« sagte er, und -wir gingen tief in die federnde Sumpfwiese hinein, -warfen die staubigen Kleider von uns und ließen -uns von den kühlen, guten Wellen treiben.</p> - -<p>Dann lagen wir lange in dem reinlichen Gras -und ließen uns von Wind und Sonne trocknen. -Als Letzter sprang der Wandervogel aus den -Wellen. Der Frühling war ganz wach und klang -von Sonne und Vogelstimmen. Der junge Mensch, -der auf uns zuschritt, war von diesem Frühling -trunken. Mit rückgeneigtem Haupte ließ er die Maisonne -ganz über sich hinfluten, er hielt ihr stille -und stand mit frei ausgebreiteten Armen und geöffneten<span class="pagenum"><a id="Seite_24">[24]</a></span> -Händen da. Seine Lippen schlossen sich zu -Goethes inbrünstigen Versen auf, die ihm frei und -leicht von den Lippen sprangen, als habe er die -ewigen Worte eben gefunden, die die Sonne in -ihn hinein und über Herz und Lippen aus ihm -herausströmte:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wie im Morgenglanze<br /></span> -<span class="i0">Du rings mich anglühst,<br /></span> -<span class="i0">Frühling, Geliebter!<br /></span> -<span class="i0">Mit tausendfacher Liebeswonne<br /></span> -<span class="i0">Sich an mein Herz drängt<br /></span> -<span class="i0">Deiner ewigen Wärme<br /></span> -<span class="i0">Heilig Gefühl,<br /></span> -<span class="i0">Unendliche Schöne!<br /></span> -<span class="i0">Daß ich dich fassen möcht'<br /></span> -<span class="i0">In diesen Arm! – – –«<br /></span> -</div></div> - -<p>Feucht von den Wassern und von Sonne und -Jugend über und über glänzend stand der Zwanzigjährige -in seiner schlanken Reinheit da, und die -Worte des Ganymed kamen ihm schlicht und schön -und mit einer fast schmerzlich hellen Sehnsucht von -den Lippen. »Da fehlt nur ein Maler!« sagte einer -von uns. Ich schwieg und war fast traurig, ohne -sagen zu können warum. Unser Wandervogel aber -ließ leicht die Arme fallen und trat mit ein paar<span class="pagenum"><a id="Seite_25">[25]</a></span> -raschen, frischen Schritten in unsre Mitte. Wir -schleuderten uns die letzten Wassertropfen von den -Händen und griffen nach unsern Kleidern. Bald -schritt mir der Freund wieder im grauen Waffenrock, -der die hohe Gestalt knapp und kleidsam umschloß, -und mit eingehenktem Degen zur Seite. Der -Helmrand umlief die trotzige Form seines eigenwillig -gestreckten und prächtig gewölbten Schädels, -und wie er mit frei ausgreifendem Schritt den von -fernen Donnern leise erdröhnenden Wäldern entgegenschritt, -schien er, von Freude und Kraft bebend, -begierig in eine klirrende Zukunft zu horchen. »Wen -du nicht verlässest, Genius, wird dem Regengewölk, -wird dem Schloßensturm entgegen singen …!« -Wenn ihm nicht die Lippen davon klangen, so -klang sein Schritt davon. »Tanztüchtig will ich den -Jüngling und waffentüchtig.« Alte Worte sprangen -immer wie junge Quellen an seinem Wege.</p> - -<p>Warum ergreift uns alle Schönheit des Lebens, -statt daß <em class="gesperrt">wir</em> sie ergreifen? Ach, wie der Mensch -aus Erde gemacht ist und wieder zu Erde wird, -so ist alle Schönheit aus Sehnsucht gemacht und -wird wieder zu Sehnsucht. Wir jagen ihr nach, bis -sie zur Sehnsucht wird. –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_26">[26]</a></span></p> - -<p>In den Winternächten, die wir in den Gräben -vor Verdun zugebracht hatten, war zuweilen ein -jäh aufbrandendes und wie eine Sturmflut weiterrollendes -Hurra die endlose Front der Schützengräben -entlanggebraust. Wenn dieses Hurra in der -Ferne verebbte, dann horchten wir Kriegsfreiwilligen -ihm nach, und in unserm Horchen war etwas Grimm -und Neid. Im Osten geschah alles Heiße, Wilde -und Große. Über Rußland stand immerfort eine -brandrote Wolke, in der der Donner des Namens -Hindenburg grollte, und uns im Westen blieb nichts -als Lauern und Warten und Wachen und Gräbergraben, -ohne daß wir den Tod von Angesicht sahen, -der heimtückisch bei Tag und Nacht in unsre Reihen -hieb. Im Osten schritten unsre Sturmkolonnen über -Täler und Höhen, und wir lagen wie Maulwürfe -unter der Erde und riefen das Hurra zu ihren -Siegen.</p> - -<p>Als wir an die Ostfront kamen, waren die großen -Kämpfe der Masurenschlacht längst zum Stellungskriege -erstarrt. Unsere neue Kompanie lag seit -Wochen eingegraben am Waldrand einer breiten -Sumpfwiese, durch die ein träger Bach, die Kolnizanka, -durch Sand und Morast zum Kolnosee -schlich. Jenseits des faulen Wassers war wieder<span class="pagenum"><a id="Seite_27">[27]</a></span> -Wiese, Sand und Wald, und nur ein paar helle -Streifen drüben zeigten, wo der Feind hinter seinen -Sandwällen hockte. Ein Stacheldrahthindernis zog -sich an unsrer Front entlang und die Nacht hindurch -kreiste durch das Drahtgewirr der elektrische Strom, der -von Augustowo her in mächtigen Kabeln gespeist wurde. -»Draht!« knurrte Leutnant Wurche verächtlich, als wir -in der Mainacht nach unsrer Ankunft zum erstenmal -die Kompaniefront abgingen, und schlug spöttisch mit -einer Gerte gegen die glatten Schutzdrähte am -Horchpostendurchlaß. Und so ging er die erste Nacht -an dem grauen Verhau hinauf und hinunter wie -ein gefangener Tiger an seinem Käfiggitter.</p> - -<p>Unsere Grabenabschnitte grenzten aneinander, und -wir blieben Nachbarn als Zugführer des zweiten -und dritten Zuges oder, wie er sagte, als »Obernachtwächter -der Wach- und Schließgesellschaft im -Osten«. Die russischen Gräben lagen ein paar hundert -Meter entfernt, so daß wir uns selbst am hellen -Tage frei im Walde hinter unsrer Stellung bewegen -konnten. Die russische Artillerie streute wohl -dann und wann mit Schrapnells und Granaten -unsre Gräben ab, ein Volltreffer schlug sogar einmal -meinen Unterstand, als ich gerade die Tür -aufmachte, zu einem Scherbenhaufen zusammen,<span class="pagenum"><a id="Seite_28">[28]</a></span> -aber alles das ging immer rasch wie ein Mairegen, -eine »Husche«, vorüber, der Franzose hatte dies -Spiel viel besser verstanden, und im ganzen nahmen -wir »Iwan den Schrecklichen«, wie der Russe bei -uns hieß, nicht ganz ernst. Wir haben es später gelernt, -ihn zu achten, aber einstweilen ließen wir uns -von ihm unsre »Sommerfrische in den Augustower -Wäldern« nicht stören. Die Myriaden von Schnaken, -die Wälder und Sümpfe ausbrüteten, waren uns -lästiger als die Russen hinter ihrem Draht.</p> - -<p>Nur wenn es dämmerte und das rote, blaue, -bunte Blühen von Fleischblumen, Vergißmeinnicht, -Kalla und Federnelken auf der Sumpfwiese draußen -im Glanz der Sterne und Leuchtraketen fahl und -farblos wurde, trat aus dem dunklen Walde drüben -das Abenteuer wie ein schönes Wild und schaute -zu uns herüber, die wir an der Brustwehr unsrer -dunklen Gräben standen und lauschten. Jede Nacht -ging von der Kompanie eine <span id="corr028">Offizierspatrouille</span> ins -Vorgelände, und wir drei Leutnants, ein Mecklenburger, -ein Schlesier und ein Thüringer, hatten uns -in diesen Dienst zu teilen. Zuweilen gingen wir -auch zu zweit mit unsern Leuten hinaus, wenn wir -einen besonders guten Fang machen zu können -glaubten. Meist aber ging nur einer als Führer.<span class="pagenum"><a id="Seite_29">[29]</a></span> -Und es war dann ein seltsames Gefühl, wenn man -lauschend an der Brustwehr stand, und draußen im -Dunkel knatterten plötzlich russische und deutsche Gewehre -oder das dumpfe Krachen detonierender Handgranaten -wurde laut. Das Warten und Wiedersehen -solcher Stunden, von denen man nie sprach, läßt -Menschen ineinanderwachsen wie Bäume. Viele -Worte freilich wurden nie gemacht, und es blieb -bei einem Scherz oder Handschlag, wenn der andere -hinausging oder wiederkam.</p> - -<p>Wie hätten junge Herzen nicht ineinanderwachsen -sollen in diesen Frühlingstagen und Frühlingsnächten, -in denen sie gemeinsam immer inniger -vertraut wurden mit Erde und Luft und Wasser, -mit den linden Stunden der Nacht und mit den -hellen Stunden der blühenden Tage! Wie leise -Sonnenwellen kommen die Erinnerungen an unsern -ersten Kriegsfrühling in den Augustower Wäldern -zu mir, wo ich auch sein mag. Die linde, junge -Gütigkeit, die in ein paar hellen Grauaugen lebte -und frisch und warm aus einer lebendigen Menschenstimme -klang, brach wie ein helles, starkes Licht -durch die Fenster meiner Seele, durchsonnend, was -dumpfig war, durchwärmend, was kühl und voll -Schatten war. Wie deutlich erhöre ich heute und<span class="pagenum"><a id="Seite_30">[30]</a></span> -immer, in die Vergangenheit hineinhorchend, den -raschen Schritt des Freundes. Ich sehe ihn schlank -und frei durch die Tür in mein helles Fichtenhäuschen -treten und sehe eine junge, lebendige Hand Blumen -unter das kleine Bild meines gefallenen Bruders -legen mit einer frischen, herzlichen Bewegung, in -der doch die leise, gute Scheu der Jugend vor der -Entschleierung des Herzens zu spüren ist! Und oft -ist mir, ich könne den lieben Gast halten und mit -ihm von dem bunten Erleben der hellen Zeit -plaudern, in der selbst der Ernst des Krieges sich -in Spiel und Freude auflösen wollte. Weißt du -noch, Gesell, wie wir über meinen ersten Gefangenen -lachten? Im Sumpfbach vor unserm Graben, wo -vom letzten Angriff her noch über dreißig tote Russen -lagen, war ich auf nächtlichem Patrouillengang -ahnungslos auf ihn zugegangen, um dem vermeintlich -<span id="corr030">Toten</span> das Gewehr zu nehmen. Aber es -war kein Toter, sondern ein fixer und pfiffiger -Moskauer Junge, der zu einer vor uns im Dunkel -herflüchtenden Russenpatrouille gehörte. Ohne es zu -wissen, hatten wir ihn von seinen Kameraden abgeschnitten, -und er wollte sich uns noch entziehen, -indem er sich mitten unter die Toten hockte und in -Anschlagstellung wie sie erstarrte. Als ich sein Gewehr<span class="pagenum"><a id="Seite_31">[31]</a></span> -fassen wollte, schlug er auf mich an, und mich -warf der Schreck fast um, als der Tote plötzlich die -Büchse gegen mich hob. Gerade rechtzeitig noch -rückte ich ihm meine kleine Mauserpistole an die -Stirn, daß er die Waffe wegwarf und uns geduldig -nachtrollte. Damit doch auch ein anderer etwas -von dem Schrecken abbekäme, schickte ich ihn samt -seinem Gewehr, ohne anzuklopfen, in den Unterstand -des Leutnants vom ersten Zuge, der sorglos bei der -Flasche saß, aber der Mecklenburger ließ sich nicht -verblüffen, sondern hob nach dem verlegen grinsenden -Burschen das volle Glas, »Prosit, Iwan –!« Und -Iwan taute auf und besah sich die Postkarten unsrer -Leute, die den holzverkleideten Graben schmückten, blieb -tiefsinnig vor einem bunten Hindenburgbilde stehen -und sagte ehrerbietig, »Ah – Chindenburrg!«, indem -er mit unermüdlich kreisenden Händen um sein -Russenhaupt fuhr, um uns das imaginäre Volumen -eines fabelhaften Feldherrnkopfes zu veranschaulichen. -Darauf von unsern lachenden Leuten nach seinem -Landsmann Nikolajewitsch befragt, preßte er den -Kopf in die Hände wie ein Schwerkranker und -brach in einen Husten aus, der eine höchst schauderhafte -Vorstellung von dem Zustand seines Generalissimus -gab …</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_32">[32]</a></span></p> - -<p>Und weißt du noch, wie die russische Patrouille -uns bei Nacht und Nebel ein schön bemaltes Plakat -mit der Inschrift »<em class="antiqua">Italiani – auch Krieg!</em>« vor die -Drahtverhaue pflanzte? Und wie unsre Leute dann -in der nächsten Nacht ein noch schöneres Schild mit -der Antwort »<em class="antiqua">Italiani – auch Prügel!</em>« den Russen -in eins ihrer eigens zu diesem Zweck gesäuberten -Horchpostenlöcher pflanzten, daß sie den ganzen Tag -über wütend danach schossen?</p> - -<p>Weißt du noch, wie wir im Unterstande zusammensaßen, -während die russische Artillerie mit grobem -Geschütz unsern Graben absuchte? Wie unter dem -Luftdruck der in der Nähe krepierenden schwerkalibrigen -Geschosse die zwei- und dreimal wieder -angezündete Lampe dreimal auslosch? Und wie wir -zu viert im Dunkel saßen, und unsre Zigaretten -warfen einen Glimmerschein über die Gesichter, und -wir lachten, »Iwan bläst uns die Lampe aus!«?</p> - -<p>Weißt du das alles noch, Lieber? Und weißt du -auch noch, wie du einen mächtigen bombensichren -Unterstand für zwei Gruppen deines Zuges aus -Hunderten von schweren Fichtenstämmen und Bergen -von Sand gebaut hattest? Und wie wir dann dem -Neubau die sinnige Türinschrift gaben: »Selig, wer -sich vor der Welt ohne Haß verschließt«?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_33">[33]</a></span></p> - -<p>Und weißt du noch, wie du singend vor der zum -Bad nach den Nettawiesen marschierenden Kompanie -herzogst und wie du mit uns ganze Nachmittage -im Wasser vertolltest? Weißt du das noch, du -Wandervogel, der den Widerwilligsten zum Mitsingen -zwang und den Wasserscheusten im Wasser -zum Lachen brachte?</p> - -<p>Weißt du noch, wie das faule Holz im Walde -um unsre dunklen Gräben leuchtete? Und wie -Myriaden von Junikäfern die Sumpfwiese zwischen -uns und dem Feinde nächtlicherweile zum Märchenland -machten? Und wie aus dem Drahthindernis -die blauen Funken ins nasse Gras hinüber- und -hinunterzuckten wie die schillernden Schuppen einer -glitzernden Schlange, die unermüdlich kreisend durch -das graue Verhau lief, immer bereit zum tödlichen -Bisse?</p> - -<p>Weißt du noch, wie wir im hellen Sand der -sonnigen Waldlichtung hinter unsern Gräben Zirkel -ritten? Wie du reiten lernen wolltest wie ein Kosak; -denn das seien die sieben ritterlichen Künste der -neuen deutschen Jugend: Singen, Wandern, Turnen, -Schwimmen, Fechten, Tanzen und Reiten –?</p> - -<p>Und war doch ebensoviel Ernst in deiner Freude -wie Freude in deinem Ernst! Auch was du mit<span class="pagenum"><a id="Seite_34">[34]</a></span> -Lachen triebst, war mehr als Spiel. Ein Stück Leben -war alles, was du sprachst und tatst, und ein heller, -klarer, gesammelter Menschenwille schmiedete alle -Stücke zu einem werdenden Kunstwerk zusammen.</p> - -<p>Wenn der junge Führer mit seinen Leuten auf -nächtliche Streife auszog, so arbeitete ein frischer, -beherrschter Wille unermüdlich und unnachgiebig -an den Menschen, die er führte. Wollten sie ihm, -im Dunkel plötzlich vom Feuer russischer Gewehre -überfallen, aus der Hand geraten, so zwang er sie -wieder bis auf den Punkt zurück, den sie eigenmächtig -verlassen hatten. Aber er selbst ging immer -als erster voraus und kroch als letzter zurück.</p> - -<p>Als die unsicheren und baufälligen Unterstände -seines Zuges durch neue ersetzt wurden, ließ er die -Arbeit an seinem eigenen Unterstand bis zuletzt -liegen. Ohne Lärm und schimpfendes Dreinfahren -wußte er alle Hände in Tätigkeit zu halten. Er -war beim Fällen und Schleppen der schweren -Stämme dabei und verteilte die Kräfte. Er lehrte -Stempel setzen und Unterzüge einfügen, Deckbalken -verknüpfen und federnde Reisigdeckungen aufhäufen, -wie er's in Frankreich gelernt hatte. Selbst sauber -an Seele und Leib, erzog er seinen Leuten die -Freude an Sauberkeit und schmucker Ordnung an,<span class="pagenum"><a id="Seite_35">[35]</a></span> -unauffällig und ohne viel Worte sie durch frisches -Handeln gewöhnend. Nicht weniger als die Arbeit -lag ihm die Ruhe seiner Leute am Herzen und als -jüngster Offizier der Kompanie wußte er's durchzusetzen, -daß den Mannschaften Sonntagsruhe geschenkt -wurde. In seinen Briefen an Eltern und -Schwester erbat er immer wieder Bücher für den -Feierabend seiner Leute und wählte die Bücher -selbst nach den Erfahrungen, die er in Frankreich -als Kamerad unter Kameraden gemacht hatte.</p> - -<p>Er kannte in vierzehn Tagen jeden Mann seines -Zuges nach Namen und Beruf, er wußte, ob einer -verheiratet war und wie viel Kinder er hatte, er -kannte eines jeden Sorgen und Hoffnungen und -verstand dem Stillsten die Zunge zu lösen. »Das -Herz seiner Leute muß man haben,« sagte er, »dann -hat man ganz von selbst Disziplin.«</p> - -<p>Nach dem Dienste, in stillen Abendstunden, zündeten -wir die kleinen Lichter in den farbigen Papierlaternen -unsrer Holzhütten an und plauderten oder -lasen. Oft brannten uns die Kerzen dabei, ohne -daß wir's merkten, nieder, und durch das Glasdach -meines Sommerhäuschens, das ganz aus schlanken, -moosverfugten Fichtenstämmchen gezimmert war, -brach Mond- und Sternenlicht über uns herein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_36">[36]</a></span></p> - -<p>Dann lebten Goethes Lieder auf, oder Zarathustras -trotzige Reden zerbrachen die Stille, oder aus den -Versen des Neuen Testaments, das er gern griechisch -las, floß die Schönheit ewiger Worte geruhig über -uns hin. In solchen Stunden wachte in dem Soldaten -der junge Gottesstudent auf, und seine Seele -streifte, frei und leicht zwischen beiden Welten wandernd, -dunklen Schönheiten und hellen Wahrheiten -nach. »Im Gebete sollen wir nicht mit Gott, Gott -soll mit uns kämpfen,« sagte er einmal. »Das Gebet -ist ein Selbstgespräch mit dem Göttlichen in uns, -es ist ein Gespräch mit dem Gotte und ein Kampf -mit dem Menschen in uns um die Bereitschaft der -Seele.«</p> - -<p>Willfährigkeit gegen das Göttliche und Wehrfähigkeit -gegen das Menschliche, das gab seinem -Wesen Reife und Anmut. Was er unter Bereitschaft -der Seele verstand, sprach er ein andermal -aus: »Wenn es Sinn und Aufgabe des Menschenlebens -ist, hinter die Erscheinung des Menschlichen -zu kommen, dann haben wir durch den Krieg unser -Teil am Leben mehr als andere dahin. Wenige -sehen wie wir hier draußen so viel Hüllen sinken, -wenige haben so viel Niederträchtigkeit, Feigheit, -Schwachheit, Selbstsucht und Eitelkeit, wenige so viel<span class="pagenum"><a id="Seite_37">[37]</a></span> -Würde und schweigsamen Seelenadel gesehen, wie -wir. Wir können vom Leben nicht mehr fordern, -als daß es sich uns entschleiert; darüber hinaus ist -keine menschliche Forderung. Uns hat das Leben -mehr als vielen gegeben, warten wir ruhig ab, ob -es auch mehr von uns zu fordern hat!«</p> - -<p>An Zarathustra gefiel ihm der schwingentragende -Gedanke, daß der Mensch ein Ding sei, das überwunden -werden muß. Immer war seine Seele auf -der Streife nach dem Ewigen. Auch in Sachen -seines Volkes scheute er sich nicht, der Vergänglichkeit -ins Auge zu sehen. Menschen und Völker, beide -waren ihm vergänglich und ewig zugleich. Darum -liebte er mit Herzlichkeit Gottfried Kellers »Fähnlein -der sieben Aufrechten« mit seinem unvergleichlich -schönen und rührenden Gespräch der Schweizer -Bürger über den fernen Tod und die Hinterlassenschaft -ihres Volkes. Die Klarheit und Lieblichkeit -dieser schönsten Novelle hat uns unendlich oft erquickt -und unsre Herzen fröhlich und unsre Lippen -beredt gemacht wie junger Wein. Wenn dann mitten -in dem Frühling bunter Bilder Meister Kellers nachdenkliches -und geruhiges Wort vom Tode der Völker -aufklang, dann war's, als ob eine dunkle, tiefe Glocke -in der Stille zu tönen anhöbe, und unsre Herzen<span class="pagenum"><a id="Seite_38">[38]</a></span> -schwangen in dem Ewigkeitsklange mit: »Wie es -dem Manne geziemt, in kräftiger Lebensmitte zuweilen -an den Tod zu denken, so mag er auch in -beschaulicher Stunde das sichere Ende seines Vaterlandes -ins Auge fassen, damit er die Gegenwart -desselben um so inbrünstiger liebe; denn alles ist -vergänglich und dem Wechsel unterworfen auf dieser -Erde. Oder sind nicht viel größere Nationen untergegangen, -als wir sind? Oder wollt Ihr einst ein -Dasein dahinschleppen wie der ewige Jude, der nicht -sterben kann, dienstbar allen neu aufgeschossenen -Völkern, er, der die Ägypter, die Griechen und Römer -begraben hat? Nein! ein Volk, welches weiß, daß -es einst nicht mehr sein wird, nützt seine Tage um -so lebendiger, lebt um so länger und hinterläßt ein -rühmliches Gedächtnis; denn es wird sich keine Ruhe -gönnen, bis es die Fähigkeiten, die in ihm liegen, -ans Licht und zur Geltung gebracht hat, gleich einem -rastlosen Manne, der sein Haus bestellt, ehe denn -er dahin scheidet. Dies ist nach meiner Meinung die -Hauptsache. Ist die Aufgabe eines Volkes gelöst, -so kommt es auf einige Tage längerer oder kürzerer -Dauer nicht mehr an, neue Erscheinungen harren -schon an der Pforte ihrer Zeit! So muß ich denn -gestehen, daß ich alljährlich einmal in schlafloser<span class="pagenum"><a id="Seite_39">[39]</a></span> -Nacht oder auf stillen Wegen solchen Gedanken -anheimfalle und mir vorzustellen suche, welches -Völkerbild einst nach uns in diesen Bergen walten -möge? Und jedesmal gehe ich mit um so größerer -Hast an meine Arbeit, wie wenn ich dadurch die -Arbeit meines Volkes beschleunigen könnte, damit -jenes künftige Völkerbild mit Respekt über unsere -Gräber gehe!« Ich sehe Ernst Wurche noch vor mir, -wie er einmal das schmale Heftchen bei seiner -schönsten Stelle sinken ließ und über den Rand der -Seiten träumte. »Nur den Strohtod,« meinte er, -»den möchte man seinem Volke gern erspart sehen. -Aber fast alle Völker sind den Strohtod gestorben. -Der Gedanke an den Heldentod eines Volkes ist -nicht schrecklicher als der an den Schwerttod eines -Menschen. Nur das Sterben ist häßlich bei Menschen -und bei Völkern. Aber wenn ein Mann den tödlichen -Schuß, der ihm das Eingeweide zerreißt, -empfangen hat, dann soll keiner mehr nach ihm -hinsehen. Denn was dann kommt, ist häßlich und -gehört nicht mehr zu ihm. Das Große und Schöne, -das heldische Leben ist vorüber. So muß es auch -sein, wenn ein Volk in Ehren und in Größe seinen -Todesstreich empfangen hat, – was danach kommt, -darf niemand mehr seinem Leben zurechnen, es ist<span class="pagenum"><a id="Seite_40">[40]</a></span> -kein Teil davon …« Aus seinen Worten klang -so viel Jugend und Tapferkeit, daß ich am liebsten -seine Hand gepackt und herzhaft geschüttelt hätte.</p> - -<p>Die tiefe Ehrlichkeit, mit der er alles erlebte, ansah -und überdachte, brachte ihn oft in einen fast -drolligen Zorn, wenn wir eins der gutgemeinten -und in Massen ins Volk geworfenen Bücher durchliefen, -in denen dieser oder jener berühmte Publizist -seine Eindrücke an der deutschen Front gesammelt -hatte. Die rosa Schminke verdroß ihn, wo er sie -sah. »Wenn man doch die Phrase von dem allgemeinen -Heldentum der Masse lassen wollte,« sagte -er einmal. »Als ob es nicht eben so gut klänge, -wenn man ehrlicher, ruhiger und wahrer von dem -Vorherrschen des Sinnes für Pflicht, Gehorsam und -Treue im Volk spräche. Helden sind Ausnahmen, -sonst brauchte man nicht von ihnen zu reden.« Der -Sinn für Schlichtheit saß ihm tief im Blute, Schönfärberei -und Phrase war ihm verhaßt.</p> - -<p>Diese Scheu vor der Oberflächlichkeit konnte ihn -je nach der Umgebung einsilbig machen oder beredt. -Und darum schien ihm das Zwiegespräch mit Recht -die schönste Unterhaltung; denn kein andres Gespräch -vermag so wie dieses ohne Sprunghaftigkeit ruhig -in klare Tiefen zu steigen. Manches liebe und nachdenksame<span class="pagenum"><a id="Seite_41">[41]</a></span> -Wort, in stillen Nachtstunden von junger -Menschenhand geschürft, ist mir seither ein Stück -von der Habe des Herzens geworden. Keins aber -leuchtet heller nach als jenes, mit dem er einmal -an der Brustwehr seines Grabens ein nächtliches -Gespräch über den Geist des Wandervogels schloß: -»Rein <em class="gesperrt">bleiben</em> und reif <em class="gesperrt">werden</em> – das ist schönste -und schwerste Lebenskunst.«</p> - -<p>Die Wandervogeljugend und das durch ihren Geist -verjüngte Deutschtum und Menschentum lag ihm -vielleicht zutiefst von allen Dingen am Herzen, und -um diese Liebe kreisten die wärmsten Wellen seines -Blutes. Ihm, dem selber Leib und Seele frei und -ebenmäßig zu natürlicher Schönheit wuchsen, schien -die beste Erziehung zu sein, den jungen Baum leicht -und geruhig wachsen zu lassen, sich seines Blühens -zu freuen und ihm, wenn's not tat, einmal die -Blätter zu waschen. Er verschloß seine Augen nicht -vor häßlichen Auswüchsen der großen Jugendbewegung. -»Aber«, meinte er, »die meisten Auswüchse -kommen von dem sinnlosen Betasten und -Beklopfen des jungen Holzes. Ein eingeschnürtes -Stämmchen muß unnatürlich wuchern, auch wo es -nicht will. Rührte man nicht immer und immer mit -knöchernem Finger an das Feinste und Beste der<span class="pagenum"><a id="Seite_42">[42]</a></span> -werdenden Seele, an ihre Unbefangenheit, so würde -ihr schönster Schmelz, die Bescheidenheit, nicht so oft -zerstäuben. Wer die Kampflust der Jugend reizt, -macht sie hochmütig und laut, und wer sie ungeschickt -anfaßt, der macht sie häßlich. Natürliche -Jugend ist immer bescheiden und gütig und dankbar -für herzliches Gewähren, aber wer sich, ohne -Ehrerbietung wecken zu können, ans Erziehen macht, -soll sich nicht wundern, wenn er Frechheit und -Grausamkeit weckt.«</p> - -<p>Den Kampf der deutschen Jugend um das gute -Recht ihres natürlichen Wachstums verfolgte er mit -der gleichen inneren Leidenschaft wie das Ringen -der Völker, das ihn nun seit Monaten in seinem -Strudel umtrieb. Von seinem Leutnantsgehalt schickte -er fleißig an die Wandervögel daheim auf Schule -und Hochschule. »Denn die Kriegskassen der Jugend -muß man füllen helfen,« lachte er. Und kamen dann -Briefe mit ungelenken Buchstaben und schrägen, -drängenden Zeilen, oder es kamen die gelben Hefte -des »Wandervogels« mit ihren schwarzen Schattenbildern -und bunten Fahrtenbriefen, dann trat ihm -beim Lesen die Seele in die Augen. Auch seinen -Geschwistern schickte er Geld »zum Wandern«, und -immer wieder zog seine Seele, frohherzig lauschend,<span class="pagenum"><a id="Seite_43">[43]</a></span> -dem fernen Klang der unter einem Wirbel von -Liedern wandernden Jugend nach. Er schaute lächelnd -dem Kahne nach, der seine Geschwister mit ihrem -gastfreundlichen Pfarrherrn durch den rosigen Abendfrieden -der schimmernden Seebreite trug und lachte -sein leises, gutes Schelmenlachen, wenn die Posaune -des Pfarrherrn sich vor den gläubigen, jungen Augen -zur Seele des zarten Abendfriedens machte, einer -gewaltigen Seele, die ihren leichten Körper dröhnen -und beben machte.</p> - -<p>Es kamen auch andere Briefe, die ihn still und -einsilbig machten und ihm das Warten und Lauern -hinter dem Drahtzaun zur Qual werden ließen. -In Flandern und Galizien legten fremde Hände -seine besten Fahrtgesellen ins Grab. »Ich habe so -viele gute Freunde zu rächen –« stieß er einmal -ingrimmig hervor. »Rächen –?« fragte ich. »Würden -Sie selber gerächt sein wollen?« Er sah nachdenklich -mit zusammengezogenen Brauen zu den russischen -Gräben hinüber und antwortete langsam und vor -innerer Bewegung an den Worten zerrend: »Nein. -Ich nicht. Aber die Freunde …« Ich nicht, aber -die Freunde – da reckte sich Mensch neben Mensch -in <em class="gesperrt">einem</em> engen Herzen auf. Ich stand neben ihm -und schwieg. Nach einer Weile schob er seinen Arm<span class="pagenum"><a id="Seite_44">[44]</a></span> -in meinen und sprach, indem er mir nah und fest -ins Auge sah:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Der Stahl, den Mutters Mund geküßt,<br /></span> -<span class="i0">Liegt still und blank zur Seite.<br /></span> -<span class="i0">Stromüber gleißt, waldüber grüßt,<br /></span> -<span class="i0">Feldüber lockt die Weite! –<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">Das <em class="gesperrt">ist doch</em> schön, nicht wahr, mein Freund!« Und -so machte sein junges Herz die heiße Eisenprobe auf -das, woran es als gut und schön glaubte. Und -zugleich gab es Dank und Freundschaft an ein -anderes Herz, das ihm brüderlich nahe war …</p> - -<p>Seine Freundschaft ließ er mehr spüren, als daß -er sie aussprach. Er eröffnete sein und des andern -Herz in dem gleichen, freien Vertrauen, ohne Dringlichkeit -und Überschwang. Das erste Exemplar meines -Kriegsbuches »Sonne und Schild« schenkte ich ihm, -und als er's gelesen, sagte er nichts als: »Ihre -Mutter möchte ich kennen lernen, Flex. Ich darf sie -doch nach dem Kriege besuchen, nicht wahr?« – – –</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Allmählich war der süßherbe Frühlingsgeruch -alten Laubs und junger Erde in den schwülen -Brodem sommerheißer Sümpfe und den Dunst abgeblühter -Wasser übergegangen. Die jungen Krähen, -die unsre Leute aus den Horsten der Föhrenwipfel<span class="pagenum"><a id="Seite_45">[45]</a></span> -zur Kurzweil heruntergeholt hatten, stolzierten längst -groß, frech und struppig mit gestutzten Flügeln auf -der Brustwehrkrone unsres Grabens entlang, krakehlten -mit den Posten, hieben mit den dreisten -Krummschnäbeln nach den blanken Mündungen der -Gewehrläufe oder revidierten die Kochgeschirre und -Trinkbecher bei den Ruhebänken der Mannschaften. -Im heißen Sande sonnten sich Kreuzottern und -Kupfernattern, die den Fröschen auf der kühlen -Grabensohle nachstellten. Der wunde und ausgeholzte -Wald strömte starken Harzgeruch aus. -Die Sumpfwiesen wucherten von fettem Grün, -und von den sonnentrocknen Moorbreiten schwelten -rote Torfbrände durch die weißen Juninächte. -Die Luft glimmerte und zitterte tagsüber von -Sonne, und rasch heraufziehende Gewitter entluden -sich krachend über den schwankenden Föhrenkronen.</p> - -<p>Von Galizien grollten die Donner neuer gewaltiger -Kämpfe herüber, und in die Riesenglieder -der Hindenburgarmee, die in eiserner Ruhe erstarrt -schienen, kam ein Recken und Strecken, bis die endlose -Front von lärmendem Kampfgetöse erdröhnte. -Wir lagen noch immer abwartend hinter unsren -Verhauen, aber wir lauerten nur noch auf den Befehl<span class="pagenum"><a id="Seite_46">[46]</a></span> -zum Vorbrechen. Auf nächtlichen Streifzügen -zum Feinde hatten wir schon Papierfahnen mit der -schadenfrohen Nachricht vom Fall Przemysls und -Lembergs an die russischen Drahtverhaue geheftet, -und wir wußten, daß diese Meldungen auch für -uns heute oder morgen zu Angriffsfanfaren werden -mußten.</p> - -<p>Aber ehe uns der wachsende Strom des großen -Kampfes erfaßte und in seinen Strudeln fortriß, -wurden uns noch ein paar klare, glückliche Tage -geschenkt, deren Bild aus der Vergangenheit herüberleuchtet -wie der Schimmer von fernen, schönen, hellspiegelnden -Seen. Unsre Kompanie wurde zu Anfang -des Juli auf fünf Tage aus den Gräben -gezogen und kam unter Laubhütten und Zelten -tiefer im Walde in Ruhestellung. Der Zufall wollte, -daß in diese Zeit mein Geburtstag fiel, und der -Freund half den Tag feiern, nicht mit vollen Gläsern -und Liederlärmen, sondern in seiner Art mit Sonne, -Wald und Wasser und dem Ewigkeitsklang uralt -schöner Worte, die sich auf jungen Lippen verjüngten -und beseelten. Der waffenlose, wolkenlose Feiertag -des sechsten Juli wurde ganz ein Geschenk seines -frischen Herzens an das meine. Als die Sonne am -höchsten stand, gingen wir aus dem Schatten der<span class="pagenum"><a id="Seite_47">[47]</a></span> -roten Föhren zu den Nettawiesen hinunter. Die -Sonne badete im tiefsten Blau des vom Nachtgewitter -erfrischten Himmels und überspiegelte mit -feuchtem Glanze die hellschimmernden Flußwindungen -und den fern in stählernem Blau aufblendenden -Schild des Sajno-Sees. Das Licht troff durch das -vollsaftige Grün der strotzenden Pappeln und Weiden, -und über dem wuchernden Gras der weiten Koppeln -flimmerte die Luft und zitterte unter dem Atem der -erwärmten Erde. Wir warfen die Kleider am Netta-Ufer -ab und badeten. Mit dem Strome trieben wir -in langen Stößen hinab, schwammen gegen den -Strom zurück, daß sich uns das Wasser in frischem -Anprall über die Schultern warf und stürzten -uns immer aufs neue von der sonnenheißen -Holzbrücke, die gegen die Sohlen brannte, kopfüber -in weitem Sprung in den Fluß. Auf dem Rücken -trieben wir geruhig stromab und liefen auf dem -lauen Sande am Schilfufer zurück. Im buntwuchernden -Wiesenkraut ließen wir uns von Sonne -und Wind trocknen, und die leisen, zitternden -Sonnenwellen rannen gleichmäßig durch Luft und -Sand und Menschenleib und durchgluteten alles -Lebendige mit trunkener Kraft und erschlaffender -Freude.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_48">[48]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Wiese schäumt von Blüten,<br /></span> -<span class="i0">Der Wind singt drüberhin,<br /></span> -<span class="i0">Den sonnenlichtdurchglühten<br /></span> -<span class="i0">Leib bad' ich kühl darin.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Du freie Gottesschmiede,<br /></span> -<span class="i0">Du lohe Sonnenglut,<br /></span> -<span class="i0">Inbrünstiglich durchglühe<br /></span> -<span class="i0">Leib, Seele, Herz und Blut!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Ins Glühen unermessen<br /></span> -<span class="i0">Und Blühen eingewühlt<br /></span> -<span class="i0">Will ich den Tod vergessen,<br /></span> -<span class="i0">Der alle Erde kühlt.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Glüh', Sonne, Sonne glühe!<br /></span> -<span class="i0">Die Welt braucht soviel Glanz!<br /></span> -<span class="i0">Blüh', Sommererde, blühe,<br /></span> -<span class="i0">Ach blühe Kranz bei Kranz!<br /></span> -</div></div> - -<p>Geschützdonner grollte von fern herüber, aber die -Welt des Kampfes, dem wir auf Stunden entrückt -waren, schien traumhaft fern und unwahr. Unsre -Waffen lagen unter den verstaubten Kleidern im -Grase, wir dachten ihrer nicht. Eine große Weihe -kreiste unermüdlich über der weiten schimmernden -Tiefe grüner Koppeln und blauer Wasser; an ihr,<span class="pagenum"><a id="Seite_49">[49]</a></span> -deren schlanke Schwingen in weitem, prachtvollem -Schwunge zu lässigem Schweben ausholten, hingen -unsre Blicke. War es der Raubvogel, der die Seele -des jungen Menschen neben mir emporriß in freier -Gottesfreude? Der Wandervogel, der einst in -deutschem Gotteshause eingesegnet worden war -mit dem seiner Seele ebenbürtigen Spruch: »Die -auf den Herren hoffen, haben neue Kraft, daß -sie auffahren wie Adler!«, der junge Gottesstudent -fühlte seiner Seele die Schwingen wachsen -von jener ewigen Kraft, die »deinen Mund fröhlich -macht, daß du wieder jung wirst wie ein -Adler,« und frei und leicht hob er sich und den -Freund empor über die hellen Tiefen der bunten -Erde. Der junge Mensch stand schlank und hell auf -dem blühenden Grunde, die Sonne ging schimmernd -durch seine leichtgebreiteten Hände, und die Lippen, -die so oft von Goethes Liedern überflossen, strömten -den uralt heiligen Wohlklang der Psalmen Davids -über den sonnentrunkenen Gottesgarten hin:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Herr, mein Gott; du bist sehr herrlich!<br /></span> -<span class="i0">Du bist schön und prächtig geschmückt!<br /></span> -<span class="i0">Licht ist dein Kleid, das du anhast!<br /></span> -<span class="i0">Du breitest aus den Himmel wie einen Teppich.<br /></span> -<span class="i0">Du wölbest es oben mit Wasser.<br /></span><span class="pagenum"><a id="Seite_50">[50]</a></span> -<span class="i0">Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen<br /></span> -<span class="i0">und gehest auf den Fittigen des Windes.<br /></span> -<span class="i0">Du machst deine Engel zu Winden und deine Diener zu<br /></span> -<span class="i0">Feuerflammen, der du das Erdreich gründest auf<br /></span> -<span class="i0">seinem Boden, daß es bleibt immer und ewiglich.<br /></span> -<span class="i0">Die Ehre des Herrn ist ewig.<br /></span> -<span class="i0">Der Herr hat Wohlgefallen an seinen Werken.<br /></span> -<span class="i0">Er schauet die Erde an, so bebet sie …<br /></span> -<span class="i0">Ich will dem Herren singen mein Leben lang und meinen Gott<br /></span> -<span class="i0">loben, solange ich bin.<br /></span> -<span class="i0">Meine Rede müsse dem Herrn wohlgefallen. Ich freue mich<br /></span> -<span class="i0">des Herrn!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Das ewige Preislied Gottes aus seiner Schöpfung -ging über die reife, in ihren Tiefen erwärmte Erde -hin. Der Wohlklang der jungen Stimme umlief wie -ein tönendes Kristall den klaren Wein der ewigen -Worte. Der ebenmäßige Mensch in seiner jungen -Schlankheit stand selbst wie ein Dankesmal der -Schöpfung in dem hellprangenden Gottesgarten, -und von seinen frischen Lippen ging ein Hauch -religiösen Frühlings über Erde und Menschen hin.</p> - -<p>Über die weiten Koppeln hin stob der übermütige<span class="pagenum"><a id="Seite_51">[51]</a></span> -Galopp sattelloser Pferde. Stuten und Fohlen -weideten auf den Nettawiesen. Im Wasser und an -den grünen Ufern des Flusses wimmelte es von -den hellen Leibern badender Soldaten, die lichten -Breiten der Netta schäumten von Wasser, Sonne -und ausgelassenem Lachen. Die ewige Schönheit -Gottes prangte über dem weiten Gottesgarten und -leuchtete als Sonne und Schild über dem hellen -Bilde des Jünglings …</p> - -<p>Über den Lärm und Glanz aller Kämpfe und -Siege hin glänzt das Bild dieser Stunde in mir -nach als der stärkste Eindruck, den ich mit Seele -und Sinnen im Leben empfangen habe.</p> - -<p>Aber am Abend des Tages stand derselbe Mensch -im grauen Waffenrock neben mir auf dem dunklen -Hochstand im Wipfel einer Doppelfichte, von wo -<span id="corr051">tagsüber</span> unsre Baumposten das Kampfgelände mit -Ferngläsern absuchten, und ließ spielend den roten -Mond im hellen Stahl seines breiten Seitengewehrs -spiegeln. Seine rechte Hand glitt in leiser Unruhe -prüfend an der Schneide entlang, und Auge und -Hand freuten sich, wie so oft, an der römischen -Form der blanken Waffe. Mit leicht vorgestrecktem -Kopfe horchte er nach dem Dunkel der russischen -Gräben hinüber, über denen die wachsamen Leuchtkugeln<span class="pagenum"><a id="Seite_52">[52]</a></span> -stiegen und sanken. Hinter den schwarzen -Holzhütten von Obuchowizna glomm die rote -Glut eines Torfbrandes, und schwarzer Ruß flockte -in Wolken über den fackelhellen Himmel. Wir -sprachen, ins Dunkel der Riesenfichte geschmiegt, von -den Kämpfen, denen wir entgegengingen. »Einen -echten und rechten Sturmangriff zu erleben,« sagte -der junge Leutnant neben mir, »das muß schön -sein. Man erlebt vielleicht nur einen. Es muß <em class="gesperrt">doch</em> -schön sein.« Und schwieg wieder und blickte auf den -breiten Stahl in seinen Händen nieder. Mit einmal -legte er mir den Arm um die Schulter und rückte -das helle Schwert vor meine Augen: »Das ist -<em class="gesperrt">schön</em>, mein Freund! Ja?« Etwas wie Ungeduld -und Hunger riß an den Worten, und ich fühlte, -wie sein heißes Herz den großen Kämpfen entgegenhoffte. -Lange noch stand er so, ohne sich zu rühren, -mit leicht geöffneten Lippen im heller werdenden -Mondlicht, das über die breite Klinge in seinen -hellen Händen floß, und schien auf etwas Fremdartiges, -Großes und Feindseliges zu lauschen, das -im Dunkel verhohlen war. Wie er so wach und -durstig in eine nahe, waffenklirrende Zukunft hineinhorchte, -schien er mir wie das lebendig gewordene -Bild des jungen Knappen, der in der Nacht vor<span class="pagenum"><a id="Seite_53">[53]</a></span> -der Schwertleite ritterliche Wacht vor seinen Waffen -hält.</p> - -<p>An diese seltsame, dunkle Stunde wurde ich erinnert, -als ich vor Weihnachten die Mutter des gefallenen -Freundes in seiner Heimat besuchte. Nach -einer Weile des Schweigens fragte sie mich leise: -»Hat Ernst vor seinem Tode einen Sturmangriff -mitgemacht?« Ich nickte mit dem Kopfe. »Ja, bei -Warthi.« Da schloß sie die Augen und lehnte sich -im Stuhle zurück. »Das war sein großer Wunsch,« -sagte sie langsam, als freue sie sich im Schmerze -einer Erfüllung, um die sie lange gebangt hatte. -Eine Mutter muß wohl um den tiefsten Wunsch -ihres Kindes wissen. Und das muß ein tiefer Wunsch -sein, um dessen Erfüllung sie noch nach seinem Tode -bangt. O, ihr Mütter, ihr deutschen Mütter! – –</p> - -<p>Wißt ihr nun, ihr, die ihr diesen Tag nacherlebt -habt, von dem ich redete, wißt ihr nun, was es -heißt, Wandrer sein zwischen beiden Welten? …</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>In den letzten Tagen des Juli löste uns ein -Landwehrregiment in den Gräben vor Augustow -ab. Mit übermütig vollen Herzen lasen wir den -Ablösungsbefehl. Wenn auch das Marschziel geheim -gehalten wurde, so wußten wir doch, es ging ins<span class="pagenum"><a id="Seite_54">[54]</a></span> -Gefecht, es wurde Ernst. Aber wir wollten nicht -klanglos aus den liebgewordenen Wäldern marschieren. -Auf einer ausgelassenen Abschiedspatrouille -sagten wir nächtlicherweile den russischen Muschiks -Lebewohl, mit denen wir so lange feindnachbarlich -zusammen gehaust hatten. Mit roten und blauen -Papierlaternen aus unsern Unterständen und langen -Hakenstangen schlichen wir im Dunkel über den -Kolnobach und krochen an die feindlichen Verhaue -an. Dort schafften wir uns mit den flinken Handspaten -im lockern Sande eine Kugeldeckung, hingen -die bunten Lampen an die Stangenhaken und -zündeten sie in tiefen Wühllöchern gleichzeitig an. -Auf ein leises Kommando schwebten die hellen -Laternen, rot und blau aufleuchtend, über den -russischen Verhauen empor und standen dort festlich -und feierlich still. Zugleich erhob sich, von einem -Dutzend frischer Stimmen gesungen, die Wacht am -Rhein und schwoll über die Russengräben hin. Die -aus dem feindlichen Dunkel knatternden Salven -taten den Sängern hinter ihren guten Sandhaufen -wenig, nur daß hie und da einer lachend den Sand -aus den Zähnen spuckte, den die über die Deckung -streifenden Kugeln in den offenen Mund peitschten. -Die blaue Lampe erlosch und fiel, von ein paar<span class="pagenum"><a id="Seite_55">[55]</a></span> -Kugeln zerfetzt, von der Stange. Aber die roten -Laternen hielten sich um so wackerer, nur daß sie -eben ein paarmal im Kugelwind schwankten und -flackerten. Mählich wurde, während Gesang und Gelächter -unbekümmert fortklangen, der ganze Russenwald -rebellisch, aber je wütender aus den Gräben -geschossen wurde, desto sichrer wußten wir, daß keine -stärkere Patrouille gegen uns vorging, um den -nächtlichen Unfug an den Stacheldrähten zu bestrafen. -Leuchtkugeln flogen steilauf, hielten sich ein -Weilchen flackernd in schwebender Helle, sanken -nieder und erloschen blakend neben uns im Sande; -sie wurden mit Hallo als Bereicherung des nächtlichen -Feuerwerks begrüßt. Allmählich ließ das -Schießen nach, und es war wohl an der Zeit, die -kleine Patrouille zurückzunehmen, ehe sie von stärkeren -russischen Kräften ausgehoben würde. Denn Verluste -durfte der nächtliche Unfug nun einmal nicht -kosten. Aber kaum wollte ich den Befehl zum Rückzug -geben, da wälzte sich ein junger Kriegsfreiwilliger -im Sande blitzschnell mit dem Gesicht nach mir -herum und bettelte: »Herr Leutnant – Musketier -sein's lust'ge Brüder!« Und eh' ich noch antworten -konnte, fielen zehn Stimmen und mehr, sich vor -Übermut überschlagend, in den Text des braven<span class="pagenum"><a id="Seite_56">[56]</a></span> -Soldatenlieds ein. Dagegen war nichts zu machen. -Ich fügte mich und beschränkte mich darauf, die -Augen wachsam spazieren zu lassen, während die -guten Kerls Vers um Vers heruntertobten. Das -neueinsetzende russische Feuer beruhigte mich zudem; -die Russen schienen keine Lust zu haben, der frechen -Gesellschaft, die ihnen vor der Nase lärmte, handgreiflich -auf den Pelz zu rücken. Das längste Lied -nimmt einmal ein Ende, auch ein Soldatenlied. -Aber meine Hoffnung erwies sich als trügerisch, -denn nach dem »lustigen Musketier« schien meinen -grauen Jungs das Lied von der »finstern Mitternacht« -als unabweisliches Bedürfnis. »Herr Leutnant -– Steh' ich in finstrer Mitternacht! –?« -Mochte vernünftig sein, wer wollte, angesichts solcher -Schuljungenlustigkeit nach zwölf Kriegsmonaten! -Ich blieb bäuchlings im Sande liegen und lachte, -während meine Kerls immer wütender sangen und -Sand spuckten. Zwei rote Papierlaternen hielten sich -unvergleichlich trotz alles Flackerns und Baumelns. -Aber alles muß einmal ein Ende nehmen, und so -setzte ich allen weiteren Programmvorschlägen ein -eisernes Nein entgegen und ließ die Leute einzeln -bis zur nächsten Wiesenschlenke zurückkriechen, wo -wir uns in Deckung sammeln konnten. Nach weitern<span class="pagenum"><a id="Seite_57">[57]</a></span> -hundert Metern sprangen wir auf und machten, -daß wir über den Bach zurückkamen. Gottlob, es -bekam keiner etwas ab trotz der Abschiedsgrüße, die -fleißig hinter uns dreinpfiffen. In unsern Gräben -mußten wir noch einmal über das sorgenvolle Gesicht -des Kompanieführers lachen, der bereits dem -Unterabschnittskommandeur telephonisch das Auftauchen -roter Signallichter in der russischen Stellung -gemeldet hatte und nun etwas verdutzt unsre -Patrouillenmeldung entgegennahm. Viel Zweck hatte -der übermütige Streich nicht, aber es war doch ein -hübsches Zeichen für den Geist, mit dem unsre Leute -nach wochenlangem Stilliegen in den Bewegungskrieg -gingen.</p> - -<p>Andern Tags erwarteten wir die Ablösung. Noch -einmal streiften wir zu zweit, den Mückenschleier -unter der Feldmütze, durch den würzigen Harzduft -und schweren Torfgeruch der Sumpfwälder und -schlenderten bis zu den Nettawiesen. Am Waldrand -im heißen Sand gelagert, hörten wir die -Schnaken singen und die Spechte hämmern. Das -keifende Geschwätz der Eichelhäher lärmte uns zu -Häupten, und die schillernden Blauspiegel ihrer -Flügel leuchteten blank zwischen den sonnenroten -Stämmen auf, wie sie in ungeschicktem Schlingerflug<span class="pagenum"><a id="Seite_58">[58]</a></span> -von Lichtung zu Lichtung herauf- und hinunterstoben. -Die papageienbunten Mandelkrähen schwangen sich -über das dunkle Grün der Fichten und ließen die -Sonne in ihrem farbigen Gefieder aufblenden. Fern -hinter dem breiten Stahlschilde des Sajno-Sees verdämmerten -im Sonnendunst des Horizonts violette -Zichorienfelder und die weißen Teppiche üppig -blühender Margaretenwiesen. Die blaue Netta -gluckte leise aus prangendem Grün und buntem -Schaumkraut herüber.</p> - -<p>Am Spätabend rauschte und klirrte der Marsch -der ablösenden Landwehrkompanie durch den stillgewordenen -Wald. Mit den Unterständen und -Gräben zugleich übernahmen die Landwehrleute -von unsern Musketieren das lebendige Erbe der -zahmen Krähen und halbflüggen Blauraken. Gute -Wünsche herüber und hinüber, dann rückte die -Kompanie ab. Im Waldesdunkel intonierte die -Kompaniekapelle, deren Instrumente zumeist sehr -sinnreich aus Blechbüchsen und Telephondraht hergestellt -waren, das »O Deutschland, hoch in Ehren!«, -und Gruppe um Gruppe fielen die Mannschaften -ein. Unter Lachen und Singen ging es der ungewissen -Zukunft entgegen.</p> - -<p>Die Nacht verbrachten wir auf Stroh in den<span class="pagenum"><a id="Seite_59">[59]</a></span> -Russenkasernen von Augustow. In den nächsten -Tagen ging's über Suwalki nach Kalvarja weiter. -Auf diesen ersten Märschen, die den im monatelangen -Stellungskrieg eingerosteten Knochen der -Leute recht sauer wurden, erwies sich der junge -Wandervogel als frischer Helfer. Ohne viel Ermahnen, -Schelten und Antreiben wußte er durch -ein rasches Scherzwort hier und dort einen niederhängenden -Kopf zu heben, während er mit leichtem, -festem Schritt an der marschierenden Kolonne herauf- -und herunterging. Bot ihm einer der berittenen -Offiziere während des Marsches ein Pferd an, so -schlug er's aus; als Zugführer marschierte er mit -seinen Leuten. Von einem Gaul herunter, der ihm -nicht zustand, die müden Gruppen anzutreiben, das -lag ihm nicht. Etwas Festes und Festliches war -immer in seinem Gang, das jeden gern nach ihm -hinschauen ließ. Unweit Kalvarja wurden die Marschkolonnen -des Bataillons von der russischen Artilleriebeobachtung -bemerkt, und über die auf kurze Strecke -eingesehene Straße fegten krachend die Sprengladungen -berstender Schrapnells. Hart neben den -ziehenden Kolonnen schleuderten einschlagende Granaten -die schwarze Erde baumhoch empor und -wühlten mächtige Trichter auf. Die Kompanien<span class="pagenum"><a id="Seite_60">[60]</a></span> -wichen dem Feuer in den Sumpfbruch rechts der -Straße aus und zogen abseits außer Sicht im -Wiesengrunde weiter den Türmen von Kalvarja -entgegen. Noch sehe ich Ernst Wurche durch den -Granatensegen von Kalvarja schreiten mit demselben -geruhigen und aufrechten Gang, mit dem er die -Steilhänge der Côtes Lorraines hinab, an ostpreußischen -und polnischen Seen entlang und singend -an der Spitze der zum Baden ziehenden Kompanie -durch die Sonnenwälder von Augustow gezogen -war. Dieser Gang wurde um nichts hastiger. Das -ruhige, feste, gleichsam befehlende Ausschreiten des -jungen Leutnants geleitete die Kompanie in guter -Ordnung durch die Feuerzone und verhinderte ein -Auseinanderlaufen der Kolonnen in dem unbekannten -und gefährdeten Gelände. Nach stundenlangem, -erschöpfendem Marsch durch morastige -Gründe und unwegsame Hänge bog die Kompanie -wieder auf die große Straße ein. Neben dem triebhaften -Vorwärtsziehen der müden grauen Masse -klang der lebendige Schritt des jungen Führers -über das Steinpflaster von Kalvarja.</p> - -<p>Zwischen Kalvarja und Mariampol bezog das -Regiment noch einmal feste Stellung, die von -preußischer Landwehr ausgebaut war. Ein abscheulicher<span class="pagenum"><a id="Seite_61">[61]</a></span> -Fäulnisgeruch lag über den Lehmgräben, in -denen trübes Grundwasser immer in tiefen Lachen -und Pfützen stand. Unter dem Bodenbelag der -Unterstände mußte das nachsickernde Wasser immer -aufs neue ausgeschöpft werden. Jenseits der Brustwehr -lag der ausgeworfene Schlamm in breiten, -zähen Bächen. An der Luft und unter der Erde -wimmelte es von Ungeziefer. Das Fliegengeschmeiß -sammelte sich um jeden eßbaren Bissen in schwarzen -Klumpen, und aus dem Deckbalkengefüge der Unterstände -warfen uns die unermüdlich wuselnden Mäuse -den trocknen Lehm auf Köpfe und Teller. Ernst -Wurche, der in diesen Tagen seinen dritten Zug -an einen Kameraden mit älterem Patent abgeben -mußte, teilte mit mir ein enges Erdloch, in dem wir -gerade auf zwei etagenförmig übereinander gebauten -Pritschen schlafen konnten. Gegen die Mäuse eröffneten -wir, wenn es zu toll wurde, mit unsern -Pistolen von beiden Pritschen her nächtliche Feuerüberfälle, -die sich mitunter zu wütendem Trommelfeuer -steigerten. Wenn dann unsre Taschenlampen -als Scheinwerfer über den Kampfplatz spielten, beleuchteten -sie ein wüstes Trümmerfeld von Holzsplittern -und Lehmbrocken, unter denen sich einmal -sogar eine Mäuseleiche begraben fand. Die Höhlenluft,<span class="pagenum"><a id="Seite_62">[62]</a></span> -in der wir schliefen, wurde durch den Pulverschwaden, -der das nächtliche Schlachtfeld deckte, weder -besser noch schlechter. Im übrigen mieden wir nach -Möglichkeit den Aufenthalt in dem unappetitlichen -Loche, in dem wir uns trotz der von Wurche besorgten -pomphaften Türinschrift »Stabsquartier des -2. Zuges« nicht heimisch fühlten. Bei Nacht wanderten -wir durch den Graben und die Horchpostenlinie -oder pirschten uns auf Patrouille an die russische -Feldwache heran. Bei Tage nützten wir jedes -Stündlein Sonne zum Faulenzen und Plaudern -auf einer kärglichen Feldblumenwiese hinter den -Gräben. Die flache Wiese war der einzige saubere -Fleck, der uns in dem armseligen Lande, das sich -um die »Leidensstadt« Kalvarja dehnt, erreichbar -war. Aber sie hatte den Nachteil, daß man sie nur -»liegend« bewohnen konnte. Vermaß man sich, aufrecht -darauf zu wandeln, so pfiffen einem vom -Russengraben her die Salven um die Ohren. Aber -es war doch schön, sich auf dem blühenden Fleckchen -zu strecken, die Hände unterm Kopf zu verschränken -und in den blauen, sonnenheißen Himmel hinaufzusehen. -Auf dieser Wiese haben der Freund und -ich unsre letzten Plauderstündchen gehalten, zum -letzten Male habe ich mich hier seines gedankenhurtigen<span class="pagenum"><a id="Seite_63">[63]</a></span> -und bildkräftigen Plauderns freuen dürfen … -Goethes Lieder ließen uns die Armseligkeit der Umgebung -vergessen, und oft rief uns erst der Kugelsegen, -der uns beim Aufstehen begrüßte, wieder in -die Wirklichkeit zurück.</p> - -<p>In der ersten Frühe des 19. August hatte ich -den Freund eben im Nachtdienst abgelöst, als ich -vom Kompanieführer den Befehl erhielt, mit einer -Patrouille die Stärke der feindlichen Grabenbesatzung -nach Möglichkeit zu erkunden. Die Kämpfe um -Kowno machten die Stellung des Gegners mit -jedem Tage unhaltbarer, und es lag alle Ursache -vor aufzupassen, ob er nicht einmal freiwillig bei -Nacht und Nebel die Gräben räumte, um sich weiter -rückwärts in günstigerer Lage aufs neue festzusetzen.</p> - -<p>Mit einer Patrouille von zwei Gruppen fühlte -ich vor. Es war schon fast heller Tag, und zunächst -glaubte ich nicht, daß wir weit kommen würden. -Denn gleich als wir uns über die Ausfallrampe der -Brustwehr schwangen, pfiffen uns von drüben ein paar -Kugeln um die Ohren, die uns bewiesen, daß noch -Leben in dem Russengraben war, und zudem -mußten wir fast den ganzen Weg in voller Sicht -des Feindes zurücklegen. Aber sonderbar, je weiter -wir vorgingen, desto zaghafter kamen die Schüsse<span class="pagenum"><a id="Seite_64">[64]</a></span> -vom gegnerischen Graben. Daß wir längst bemerkt -waren, daran war kein Zweifel. Entweder hatten -also die Russen in der Nacht die Stellung geräumt -und nur ein paar Leute zurückgelassen, die durch -fleißiges Schießen die Grabenbesatzung so lange -wie möglich »markieren« sollten und denen es nun -angesichts unsres Vorgehens rätlich schien, keine zu -große Erbitterung in uns aufzuspeichern, oder aber -man wollte uns herankommen lassen und in die -Falle locken. Um herauszubekommen, welche der -zwei Möglichkeiten wahrscheinlich sei, nahm ich mit -meinen zwei Gruppen auf einem flachen Hügel -Stellung, schoß ein paar Salven nach den russischen -Gräben und ging dann im Kehrt ein Stückchen -zurück, als wenn ich wieder in die eigene Stellung -wollte. Ich sagte mir: wollten die Russen uns in -die Falle locken und sehen nun, daß wir doch umkehren, -so werden sie jetzt mit allen Gewehren -feuern, um uns zusammenzuschießen, ehe wir ganz -entkommen. Aber trotz der Kehrtschwenkung blieb -es bei ein paar Schüssen, die bald von rechts, bald -von links her über unsre Köpfe weggingen. Dadurch -sicher gemacht, gingen wir wieder energisch gegen -die russischen Verhaue vor. Gleichzeitig schickte ich -einen Mann zurück an Leutnant Wurche, er möchte<span class="pagenum"><a id="Seite_65">[65]</a></span> -mir mit einer Handgranatengruppe möglichst rasch -folgen. Ich wollte ihn in einem abgebrannten Gehöft -kurz vor dem russischen Hindernis erwarten, -dann in den Russengraben einbrechen und uns im -Fall einer Überrumpelung mit den Nahkampfmitteln -doch noch aus der Falle herauskämpfen. Es ging -alles glatt ab. Auf ein verabredetes Zeichen brachen -wir unter den verkohlten Bäumen vor und rissen -die spanischen Reiter des russischen Hindernisses -auseinander. Im Nu hatten die hartzupackenden -Fäuste unsrer Leute eine Bresche gelegt, und wir -sprangen über die Brustwehrkrone in den feindlichen -Graben hinein. Im kritischen Augenblick des Vorbrechens -schlug doch allen das Herz schneller, das -merkte man an der Art, mit der die Hände der -Leute in den Stacheldraht hineinfuhren. Im russischen -Graben holte uns Ernst Wurche mit seiner -Handgranatengruppe ein. Ein russischer Sergeant -gab sich mit einer Gruppe gefangen. Wir schickten -eine Gefechtsordonnanz an die Kompanie zurück, -entwaffneten die Russen und schickten sie mit -zwei Mann als Bedeckung dem vorauseilenden -Melder nach. Einen Teil der Leute ließen wir zur -weiteren Durchsuchung der Unterstände zurück und -gingen mit dem Rest der Patrouille aufklärend<span class="pagenum"><a id="Seite_66">[66]</a></span> -gegen die zweite Stellung des Gegners vor. Die -Gräben auf der beherrschenden Höhe 130 fanden -wir leer, und auch die Gehöfte weiter rückwärts -waren verlassen. Nur ansehnliche Batterien leerer -Flaschen in den kahlen Stuben zeigten deutlich, wo -die höheren Stäbe quartiert hatten. Auch aus der -zweiten Stellung ging ein Melder an die Kompanie -zurück. Wir selbst drangen unbehindert noch mehrere -Kilometer bis über die Szeszupa vor, schossen uns -mit einer Kosakenpatrouille herum und stellten fest, -daß der Gegner auch in den Gräben am Flußufer -noch nicht wieder Halt gemacht hatte. Danach war -unsre Aufgabe gelöst, und wir suchten wieder Verbindung -mit der Kompanie. Auf der Rückkehr zu -unsern Gräben – wir fuhren mit einem für unser -Gepäck requirierten Wagen zurück – trafen wir -zwischen der ersten und zweiten Grabenlinie der -Russen bereits aufklärende Dragoner, die auf Grund -unsrer Meldung vorgeschickt waren. Kurz danach -stießen wir auf Infanteriepatrouillen und marschierende -Kolonnen, und als wir persönlich dem -Kompanieführer Meldung machten, gingen bereits -Teile der Feldartillerie auf Balkenbrücken über unsre -Gräben vor. Die ganze Division war in Bewegung. -Unsre Leute strahlten. Die »Neunte« hatte als erste<span class="pagenum"><a id="Seite_67">[67]</a></span> -Kompanie den Abzug des Gegners erkundet. Darauf -war jeder Mann der Kompanie stolz. Wir wurden -mit einer Patrouille nochmals vorgeschickt, um an -der Szeszupa-Brücke den Flußübergang zu decken. -Aber die Brücke dröhnte schon unter marschierenden -Kolonnen, Pferdehufen und Rädern. Kavallerie- -und Infanteriepatrouillen fühlten bereits weit voraus -vor. Wir warfen die Kleider ab, badeten im -Flusse und erwarteten das Bataillon. Es war für -Monate unser letztes Bad.</p> - -<p>Der gefangene Sergeant hatte ausgesagt, daß -sein Regiment weiter rückwärts an der Bahnlinie -bei Krasna wieder feste Stellung bezogen habe. -Diese Angabe erwies sich als richtig. Die Rückzugsstraße -des Gegners, auf der wir alsbald vormarschierten, -war von weggeworfenen Patronen -besät und stellenweise in ihrer ganzen Breite tiefaufgerissen -und zerstört, um das Vorankommen -unsrer Geschütze und Fahrzeuge zu hindern. Aber -die Wälder längs der Straße hatten Stammholz -genug, um die Gräben im Augenblick zu überbrücken. -Im Walde kurz vor dem langgestreckten Dorfe Warthi -krepierten die ersten russischen Schrapnells über der -Straße, auf der unser Bataillon marschierte. Die -Kompanien zogen sich in Gefechtsbereitschaft nach<span class="pagenum"><a id="Seite_68">[68]</a></span> -links in die den feindlichen Stellungen vorgelagerten -Waldstücke und erwarteten den Angriffsbefehl. Unsere -Artillerie fuhr auf und antwortete den russischen Geschützen. -Ein paar Gehöfte zwischen uns und dem -Gegner brannten wie Fackeln herunter.</p> - -<p>Schon beim Abmarsch aus unsrer alten Stellung -hatte Leutnant Wurche den Regimentsbefehl erhalten, -der ihn zur zehnten Kompanie kommandierte. -Während des Marsches war er noch mit mir zusammengeblieben, -aber jetzt als die Kompanien -zum Gefecht auseinandergezogen wurden, eilte er -mit kurzem Händedruck davon, um sich bei seinem -neuen Kompanieführer zu melden. Während des -Marsches war er einsilbig gewesen. Ich verstand -ihn ganz. Es wurmte ihn, <em class="gesperrt">seinen</em> Zug, <em class="gesperrt">seine</em> Leute -aus der Hand geben zu müssen. Darin fühlte er -recht wie ein Künstler, der einen andern über eine -angefangene Arbeit gehen lassen muß. Er war -Soldat genug, darüber nicht viele Worte zu machen. -Er wußte Großes und Kleines recht wohl zu unterscheiden. -Das Kleine, das ihn anging, nahm er -darum nicht weniger ernst, aber er sprach nicht -darüber.</p> - -<p>So kam es, daß wir in unser erstes Gefecht nicht -Seite an Seite vorsprangen. Zwei Züge der neunten<span class="pagenum"><a id="Seite_69">[69]</a></span> -Kompanie, darunter der meine, wurden zuerst eingesetzt. -Es war nicht viel mehr als eine gewaltsame -Erkundung. Gleich beim ersten Sprung unsrer hinter -dem Waldrand entwickelten Schützenlinie ins offene -Gelände fegte der Hagel der russischen Maschinengewehre -ratternd gegen uns an und riß die ersten -Lücken. In drei Sprüngen arbeitete ich mich mit -meinen Leuten bis zu einer flachen Ackerwelle vor, -die uns wenigstens gegen Flankenfeuer Deckung gab. -Der letzte Sprung kostete mich einen meiner braven -Gruppenführer, den Gefreiten Begemann, der noch -am Morgen auf unsrer Patrouille wacker und -fröhlich unter den ersten in den russischen Graben -hineingesprungen war. In den Ackerfurchen hinter -uns jammerten Verwundete. Von unsrer kleinen Anhöhe -aus konnten wir die russischen Gräben überschauen. -Es waren wochenlang ausgebaute schrapnellsichre -Gräben hinter tiefen, doppelten Drahtverhauen, -eine meisterhafte, schachbrettartige Anlage, -die mit Maschinengewehren gespickt war und den -Angreifer an jedem Punkte in ein verheerendes -Flankenfeuer hineinzwang. Diese Stellungen waren -von stürmender Infanterie ohne starke Artillerievorbereitung -nicht einfach zu überrennen. Mit ein -paar Gruppen dagegen anzulaufen, war unmöglich.<span class="pagenum"><a id="Seite_70">[70]</a></span> -Ich gab Befehl »Spaten heraus!« und ließ meine -Leute sich einschanzen. Dann schickte ich Gefechtsordonnanzen -mit Meldung zurück und erhielt Befehl, -mich bei Dunkelheit auf die Höhe der andern -Kompanien zurückzuziehen. Als es dämmerte, gruben -wir dem Gefreiten Begemann, den ein Herzschuß -niedergestreckt hatte, in der vordersten Linie ein -Grab. Die Kameraden in der Schützenlinie knieten -auf und entblößten das Haupt. Ich sprach laut das -Vaterunser. Ein paar russische Schrapnells barsten -krachend über dem offenen Grabe. Wir schlossen -das Grab, legten Helm und Seitengewehr auf den -flachen Hügel und schickten drei Ehrensalven darüber -hin gegen die russischen Gräben. Dann zogen wir -uns auf die Höhe des Bataillons zurück. Hinter -den niederbrennenden Bauernhöfen hoben die Kompanien -Gräben aus und erwarteten in Bereitschaftsstellung -den Morgen.</p> - -<p>Auch der folgende Tag brachte noch keinen Angriffsbefehl. -Wie es hieß, wurde in aller Eile -Artillerieverstärkung herangezogen, um die feindliche -Stellung sturmreif zu machen.</p> - -<p>Am 21. August wurde nach zweistündigem Artilleriefeuer -auf der ganzen Linie angegriffen. -Das Gefecht von Krasna und Warthi lebt als<span class="pagenum"><a id="Seite_71">[71]</a></span> -einer der blutigsten Tage in der Geschichte der -Brigade.</p> - -<p>Hinter den kahlen Hängen vor Warthi entfaltete -sich das Bataillon. Die Kompanien zogen an den -feuernden Batterien vorüber und entwickelten sich -aus den flachen Mulden gegen die Höhe, von wo -der Angriff vorgetragen wurde. Über diese Anhöhe -lief zwischen den verbrannten Höfen eine Straße, -die beim Angriff überquert werden mußte und vom -Feinde rasend mit Maschinengewehren bestrichen -wurde. Zugweise und gruppenweise sprangen die -Kompanien über den Todesweg. Ich sah Leutnant -Wurche mit seinem Zuge springen, Gewehr in der -Hand, den Kopf im Nacken. Links und rechts von -ihm rissen die Russenkugeln Lücken. Verwundete -krochen zurück und taumelten hangabwärts zum -Verbandplatz. Neue Feuersbrünste flammten um -Warthi auf und warfen schwelende Rauchschwaden -über das Schlachtfeld. Die Maschinengewehre hämmerten -und schütteten. Das Infanteriefeuer brodelte. -Die Artillerien zerrissen Luft und Erde. Die Schwarmlinien -des Bataillons verschwanden im Gelände, -verschmolzen mit Feld und Acker. Hier und dort -eine springende Gruppe, die alsbald, wie von der -Erde verschluckt, wieder verschwand. Die starke<span class="pagenum"><a id="Seite_72">[72]</a></span> -Stellung des Gegners hatte durch unser Artilleriefeuer -nur wenig gelitten. Die Maschinengewehre -waren nicht niedergekämpft. Der tiefe Angriffsraum, -der zudem von verschanzten Höhen aus mit vernichtendem -Flankenfeuer bestrichen wurde, kostete -harte Verluste. Teile des Bataillons drangen nahe -an die russischen Hindernisse vor, der Angriff gewann -ein paar hundert Meter Raum, aber es war -nicht möglich, sturmkräftige Schützenlinien vor den -feindlichen Verhauen aufzufüllen. Die letzten Reserven -wurden nicht mehr eingesetzt. Die vorgedrungenen -Schützenlinien hatten sich auf dem Gefechtsfeld eingegraben. -In der Dämmerung kam Befehl an die -Kompanien, sich in <em class="gesperrt">einer</em> Höhe in durchlaufenden -Gräben einzuschanzen. Es wurde dunkel. Leuchtkugeln -stiegen. Spaten und Beilpicken klirrten. Von -den überstürmten Äckern kam ein Stöhnen und -Rufen. Die Krankenträger gingen vor und zerstreuten -sich mit Bahren übers Feld. In den rasch -aufgeworfenen Gräben saßen die Gruppen beisammen, -schnitzten Kreuze und machten Kränze aus -Wacholder und Fichtenzweigen. Aus der dunklen -Erde wuchsen Gräber und schlossen sich über den -Toten von Warthi. Brände verschwelten. Ab und -zu ein prasselndes Zusammenstürzen ausgebrannter<span class="pagenum"><a id="Seite_73">[73]</a></span> -Häuser und Scheunen. Und immer wieder irgendwo -ein Wimmern, ein messerscharfes Schreien. Ablösende -Posten gingen zu zweien und dreien ins Dunkel vor. -Patrouillen streiften durch die Postenkette zu den -Russengräben hinüber. Die ganze Nacht hindurch -ging das Suchen und Fragen und stille Finden …</p> - -<p>Ernst Wurche lag mit seinen Leuten in der -vordersten Linie. Da sein Kompanieführer gleich -zu Beginn des Gefechts ausfiel, hatte er mitten -im Sturm die Führung der zehnten Kompanie -übernommen. Seine Fernsprecher hatten Verbindung -nach rückwärts gelegt. Mitten in der Nacht rief mich -der Freund durchs Feldtelephon an. Nach jedem -einzelnen Mann seines alten dritten Zuges fragte -er. Ich hatte die Verluste der Kompanie zusammengestellt. -Auch in den dritten Zug hatte der Tag -seine Lücken gerissen. Nach jedem der Verwundeten -fragte er mehr, als ich antworten konnte. Von seinem -eignen Erleben sprach er nicht. »Alles Gute für -morgen!« »Gute Nacht!« Ich hing den Hörer ab. -Dann ging ich zum dritten Zuge und brachte den -Leuten die Grüße des Freundes. Der Morgen ging -blaß über Gräben und Gräbern auf …</p> - -<p>Der neue Tag verging unter Wachen und -Schanzen. Es hieß, daß schwere Artillerie im Anmarsch<span class="pagenum"><a id="Seite_74">[74]</a></span> -sei. Aber in der nächsten Nacht wichen die -Russen weiter ostwärts auf Olita zurück. In der -Frühe des 23. August drängten wir nach. Mein -Zug hatte während des Marsches die Spitze. An -unsern Kolonnen vorüber zogen auf dem ganzen -Wege zwischen Nowewloki, Warthi und Solceniki die -endlosen Flüchtlingszüge der von den Russen mitgeschleppten -lettischen Bauern, die mit einem Troß -armseliger Karren voller Betten und Hausrat, mit -dem Rest ihrer Herden und Pferde ihren verlassenen -Höfen hinter den deutschen Linien wieder zustrebten. -Nur selten flog ein Zuruf, ein Gelächter hin und her -zwischen den grauen Kolonnen der marschierenden -Soldaten und der armen Herde bündelschleppender -Frauen, schreiender Kinder und hastig die Kappen -und Pelzmützen rückender Männer. Die Dörfer und -Höfe, zu denen die Vertriebenen zurückwanderten, -lagen in Asche unter verkohlten Fruchtbäumen und -niedergetretenen Zäunen. Der ferne Widerschein ihrer -brennenden Dörfer hatte durch Tage und Nächte -den Heimatlosen in die Augen gebrannt und ihren -Glanz stumpf gemacht. Abseits der Straße irrte -blökendes Vieh über die zertretenen Felder, barfüßige, -schreiende Jungen mit Stöcken und kläffende -Hunde sprangen dazwischen herum. Vorüber an<span class="pagenum"><a id="Seite_75">[75]</a></span> -der Völkerwanderung der Abgehausten ging unser -Marsch, ging durch menschenöde Dörfer aus altersschwarzen -Holzhütten mit tiefhängenden, moosverfilzten -Strohdächern und geplünderten Obstgärten, -vorbei an frischen Gräbern und vorbei an den -gespenstisch-verwahrlosten lettischen Kirchhöfen, die -mit ihren schwarz und riesenhaft über einen Wall -von rohen Felsblöcken emporstakenden Holzkreuzen -geheimnisvollen Schädelstätten glichen, öden, verlassenen, -von allem Lebendigen gemiedenen Richtplätzen. -Pferdekadaver und verlassene Wagen, zerfetzte -Uniformstücke und verstreute Patronen überall -auf Weg und Feld, zerfahrene und zertretene Ernten -zur Seite …</p> - -<p>Am Wegekreuz vor Zajle erhielt ich durch Zuruf -der Verbindungsrotten Befehl zu halten. Der -Bataillonsstab kam zur Spitze vorgeritten, saß ab -und studierte im Straßengraben die Karte. Meldereiter -brachten Befehle. Der Vormarsch fand an der -Seensperre vor dem Gilujicie- und Simno-See für -heute sein Ende. Die Kompanieführer wurden nach -vorn gerufen und empfingen die Befehle für die -Nacht. Der Stab bezog mit zwei Kompanien -Quartier im Gutshof von Ludawka, die neunte -und zehnte Kompanie sicherte mit Feldwachen und<span class="pagenum"><a id="Seite_76">[76]</a></span> -Vorposten zwischen den Buchciánski-Sümpfen und -dem Simno-See. Über Karte und Meldeblock gebückt, -standen die Offiziere um den am Grabenrand -sitzenden Major. Auf der Straße von Zajle her -kam eine Sicherungspatrouille mit einer Rotte heftig -redender und gestikulierender Bauernburschen; es -waren großgewachsene, strohblonde Kerle, die ohne -Kleider in den Betten gelegen hatten, nur die -Soldatenhemden hatten sie verraten.</p> - -<p>Unter dem hochragenden Wegekreuz von Zajle -sah ich den Freund noch einmal. Er hatte den Weg -nach Posiminicze erkundet, wo er mit einem Zuge -Feldwache beziehen sollte. Wir sprachen über die -Toten von Warthi. Ich redete von diesem und -jenem, den ich in seinem ersten Gefechte fallen sah, -nachdem ein frischer und herzlicher Führerwille durch -lange Monate unermüdlich an ihm gearbeitet hatte. -Ein Sprung und Sturz – tot! Und für diesen -<em class="gesperrt">einen</em> Schritt so viele Mühe und Liebe – »Nicht -für diesen <em class="gesperrt">einen</em> Sprung,« unterbrach mich der -Freund, »sondern dafür, daß er ihn mit hellen und -beherzten Augen, mit <em class="gesperrt">Menschen</em>augen tat! Und -sollte das nicht genug sein?« Ich sah ihn an und -schwieg. Schwieg aus Freude und nicht aus Widerspruch. -Aber er schien's dafür zu nehmen und schob<span class="pagenum"><a id="Seite_77">[77]</a></span> -seinen Arm unter meinen. »Haben Sie denn vergessen, -was Sie Ihren alten Klaus von Brankow -in der einen Bismarcknovelle sagen lassen?« Und -er holte die Worte aus seinem frischen, jungen Gedächtnis: -»Umsonst –? Es mag enden, wie es will – -Ihr werdet Euer Brandenburg, Brandenburg! nicht -umsonst gejubelt haben. Hat nicht der tote Begriff -Vaterland lebendige Schönheit und Taten gezeitigt? -Haben nicht tausend junge Menschen durch tausend -Stunden menschlichen Lebens nicht an Leichtes und -Leeres und Arges gedacht, sondern sind mit warmen -und festen Herzen durch Tage und Nächte gegangen? -Kann eine Zeit umsonst sein, die aus dem sprödesten -der Stoffe, aus dem menschlichen, Kunstwerke gemacht -und sie auch denen offenbart hat, die sie wie -Barbaren zertrümmern mußten?« –</p> - -<p>In diesem Augenblick wurde ich zum Kompanieführer -gerufen und erhielt Befehl, zur Sicherung der -Postenaufstellung mit meinem Zuge bis Dembowy -Roq vorzugehen und dort Stellung zu nehmen. -Ich sprang noch einmal, während meine Leute -unter Gewehr traten, über den Graben und drückte -dem Freunde die Hand. »Ich habe für die Nacht -Feldwache in Posiminicze,« sagte er, »kommen Sie -doch auf eine Stunde herüber!« »Das geht nun<span class="pagenum"><a id="Seite_78">[78]</a></span> -nicht, ich liege selbst auf Vorposten.« »Ja dann – -aber es ist schade!« Ich ließ seine Hand und sprang -über den Graben zurück. »Gewehre in die Hand!« -Ich marschierte mit der Spitzengruppe ab, der Rest -des Zuges folgte auf kurzen Abstand. Unter dem -hohen, schwarzen Kreuze von Zajle stand die -schlanke, aufrechte Gestalt des Freundes. »Auf -Wiedersehen!« rief ich ihm zu. Er stand still -unter dem Kreuze und hob die Hand zum Helmrande …</p> - -<p>Die Feldwachen und Posten waren aufgestellt, -und ich war mit meinem Zuge nach Zajle zur -Vorpostenkompanie zurückmarschiert. Ich saß am Tisch -einer Bauernstube und schrieb Briefe nach Haus. -Der Kompanieführer schlief auf einer Strohschütte. -Die Bauernfamilie lag in einem riesigen Holzbett -unter grellbunten Kissenbergen. In einer Stubenecke -zwischen Tornistern und Gewehren hockten die -Fernsprecher um ein Lichtstümpfchen am Apparat. -Ab und zu klöhnte der Summer, eine ferne quäkende -Stimme gab Meldungen durch, die der Telephonist -halblaut wiederholte und niederschrieb. Das menschenüberfüllte -Zimmer war voll verbrauchter Luft. Ich -stand auf und öffnete ein Fenster. Zögernd und -blaß traten die Sterne aus dem Himmel. Vor dem<span class="pagenum"><a id="Seite_79">[79]</a></span> -Hause klang der Schritt des Postens. Hinter mir -tönte ab und zu das verschlafene Wimmern eines -kleinen Kindes, das in der lettischen Wiege, einem -an rußschwarzen Stricken von der Decke herabschwebenden -Holzkasten, lag. Leise und kühl wehte -die Nachtluft mich an.</p> - -<p>Wieder klöhnte der Summer des Telephons aus -der Stubenecke. »Herr Leutnant –!« »Ja, was ist?« -Ich wandte mich ahnungslos um. Der Fernsprecher -hielt mir den Hörer entgegen. Der Summer hatte -dreimal lang angerufen. Das ging mich nichts an. -Irgend jemand sprach mit dem Bataillon. Aber ich -nahm doch den Hörer, den der Fernsprecher mir -mit kurzem Ruck aufdrängte. Warum sah mich der -Mann so an? Ich hörte das Gespräch ab. »Meldung -von Feldwache in Posiminicze: Leutnant Wurche auf -Patrouille am Simno-See schwerverwundet. Bitte -um Wagen zum Transport.« …</p> - -<p>Es war ganz still im Zimmer. Der Mann am -Fernsprecher sah mich an. Ich wandte mich ab. Die -Gedanken flogen mir durcheinander. Ich wollte aus -dem Zimmer stürzen und nach Posiminicze laufen … -Aber ich lag ja auf Vorposten. Und draußen verblutete -vielleicht der Freund. Ich durfte nicht fort. -»Ja dann – aber es ist schade.« Das Abschiedswort<span class="pagenum"><a id="Seite_80">[80]</a></span> -unter dem Kreuz von Zajle ging plötzlich -durch die Stille. Ich biß die Zähne aufeinander. -Immer wieder hörte ich das Wort, das halb gleichgültige, -sinnlose Wort, das mich höhnte. »Es ist -schade … Es ist schade …« Und draußen verblutete -der Freund.</p> - -<p>Da nahm ich den Hörer wieder und rief die -zehnte Kompanie an. Der Summer schrillte. Die -Kompanie meldete sich. Aber es war keine neue -Meldung von der Feldwache eingelaufen. Der Verwundete -lag noch draußen. Ein Wagen war nach -Posiminicze unterwegs. Das war alles. »Sobald -neue Meldung kommt, rufen Sie mich an!« »Jawohl, -Herr Leutnant.« Alles dienstlich, ruhig, gleichgültig, -müde wie immer. Ich saß und wartete. Ich -stand auf und ging auf und nieder. Der Mann in -der Ecke folgte mir mit den Augen. Ich ging aus -dem Zimmer und war allein. Von Stunde zu -Stunde rief ich durchs Feldtelephon an. »Keine -weitere Meldung, die Leute sind noch draußen.« -Immer dasselbe. Und ich saß kaum eine Wegstunde -fern und durfte nicht zu dem Freunde eilen. Ich -stand auf der dunklen Straße von Zajle, starrte -in die Finsternis nach Südosten hinüber und kämpfte -mit mir und war meiner nicht mehr Herr.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_81">[81]</a></span></p> - -<p>Das Fenster klang. »Herr Leutnant!« Ich stürzte -ins Zimmer und faßte den Hörer. »Hier Leutnant -Flex!« »Hier zehnte Kompanie! Leutnant Wurche -ist tot.«</p> - -<p>Ich gab den Hörer aus der Hand, ohne Antwort. -»Schluß!« rief der Fernsprecher in den Schalltrichter. -Sinnlos, sinnlos war das alles … Wieder stand -ich unter dem blassen Himmel. Die Häuser um mich -her als drohende, schwarze Klumpen. Und die -Stunden schlichen weiter, eine nach der andern.</p> - -<p>Ich wartete nur auf das Frührot. Dann jagte -ich nach Posiminicze hinüber. Zwei Stunden gab -mir die Kompanie Urlaub. Dann mußte ich zum -Abmarsch zurück sein. Ohne Pferde war es unmöglich. -Ich brachte einen Leiterkarren auf, meine -Leute holten ein paar Gäule von der Weide. Der -Bauer mußte anspannen. Aber er machte Schwierigkeiten. -Er hatte kein Lederzeug. Ich riß die Pistole -heraus und drohte die Gäule zusammenzuschießen. -Der Bauer und die Weiber warfen sich auf die -Erde, rangen die Hände und heulten. Ich riß ihn -hoch. »Stricke!« Es waren keine Stricke da. Erst -als ich auf die Pferde anschlug, brachte ein halbwüchsiger -Bursche Stricke aus einem Schuppen. Es -war keine Zeit zu verlieren. Ich mußte den Freund<span class="pagenum"><a id="Seite_82">[82]</a></span> -noch einmal sehen. Er sollte durch eine Hand zur -Ruhe gebettet werden, die ihn brüderlich liebte. -Die Gäule waren angesträngt. Ich sprang auf. -Einen jungen Kriegsfreiwilligen, der das Grab für -die Eltern zeichnen sollte, nahm ich mit. Vorwärts! -Ich hieb auf die Pferde und jagte querfeld nach -Posiminicze hinüber.</p> - -<p>Dann stand ich vor dem Toten und wußte nun -erst: Ernst Wurche war tot. In einer kahlen Stube -auf seinem grauen Mantel lag der Freund, lag -mit reinem, stolzem Gesicht vor mir, nachdem er das -letzte und größte Opfer gebracht hatte, und auf -seinen jungen Zügen lag der feiertäglich große Ausdruck -geläuterter Seelenbereitschaft und Ergebenheit -in Gottes Willen. Aber ich selbst war zerrissen und -ohne einen klaren Gedanken. Vor dem Hause, zur -Linken der Tür, unter zwei breiten Linden hatte -ich die offene Grube gesehen, die die Leute der -Feldwache ausgehoben hatten.</p> - -<p>Dann sprach ich die Mannschaften, die am Abend -mit ihm auf Patrouille gegangen waren. Ernst -hatte feststellen sollen, ob die Gräben der Seensperre -vor Simno noch von Russen besetzt wären. -Im Vorgehen war die Patrouille vom Feind mit -Schrapnells unter Feuer genommen worden. Es<span class="pagenum"><a id="Seite_83">[83]</a></span> -war unmöglich, unbemerkt an die zu erkundende -Stellung mit der Patrouille heranzukommen. Aber -der junge Führer kehrte nicht um, ohne seinen Auftrag -restlos zu erfüllen. Nur seine Leute ließ er -zurück. Während sie in Deckung warteten, machte er -einen letzten Versuch, sich die Einsicht in den russischen -Graben zu erzwingen. Gewohnt, immer zuerst sich -als den Führer einzusetzen, kroch er allein Meterbreite -um Meterbreite vor und arbeitete sich so noch -weitere hundertfünfzig Meter heran. Der Graben -war nur noch von Kosakenposten besetzt, aber im -Vorkriechen wurde der deutsche Offizier von einem -der Russen bemerkt, der alsbald auf ihn feuerte. -Eine Kugel drang ihm in den Leib, die großen -Blutgefäße zerreißend und den Tod in kurzer Zeit -herbeiführend. Seine Leute bargen ihn aus dem -Feuer der flüchtenden Kosaken. Einer fragte, wie -sie ihn trugen: »Geht es so, Herr Leutnant?« Er -antwortete noch ruhig wie immer: »Gut, ganz gut.« -Dann verließen ihn die Sinne, und er starb still, -ohne zu klagen.</p> - -<p>Vor dem lettischen Gehöft, wo er als Feldwachhabender -gelegen, auf den Seehöhen vor Simno -schmückte ich ihm das Heldengrab. Zwei Linden -über ihm als geruhige Grabwächter, das nahe<span class="pagenum"><a id="Seite_84">[84]</a></span> -Rauschen der Wälder und das ferne Gleißen des -Sees sollten ihn behüten. In den Bauerngärten -umher war eine blühende, schwellende Fülle von -Sonne und Sommerblumen. Ein Grab voll Sonne -und Blumen sollte der sonnenfrohe Junge haben. -Mit Grün und Blumen kleidete ich die kühle Erde -aus. Dann brach ich eine große, schöne Sonnenblume -mit drei golden blühenden Sonnen, trug sie -ihm ins Haus und gab sie ihm in die gefalteten -Hände, die, fast Knabenhände noch, so gerne mit -Blumen gespielt hatten. Und ich kniete vor ihm, -sah wieder und wieder in den feiertäglich stillen -Frieden seines stolzen jungen Gesichts und schämte -mich meiner Zerrissenheit. Aber ich rang mich nicht -los von dem armseligen Menschenschmerze um das -einsame Sterben des Freundes, in dessen Hand in -der letzten Stunde keine andere gelegen hatte, die -ihn liebte.</p> - -<p>Doch je länger ich kniete und in das reine, stolze -Gesicht sah, desto tiefer wuchs in mir eine angstvolle -und unerklärliche Scheu. Etwas Fremdes -wehte mich an, das mir den Freund entrückte. -Dann schlug mir das Herz in aufwallender Scham. -Er, der seinem Gotte so gerne nahe war, wäre -<em class="gesperrt">allein</em> gestorben? Ein Bibelwort fiel mir ein aus<span class="pagenum"><a id="Seite_85">[85]</a></span> -Jeremias: »<em class="gesperrt">Ich</em> bin bei dir, spricht der Herr, daß -ich dir helfe.« Das letzte große Zwiegespräch auf -Erden, die Zweieinsamkeit zwischen Gott und Mensch -hatte kein Unberufener gestört … Und ich klagte -um ein freundloses Sterben – – –</p> - -<p>Nicht daß ich's in jener Stunde klar empfunden -hätte, aber als Keim senkte es sich damals in meine -Seele, der in später Erinnerung heller und heller -aufblühte. Großen Seelen ist der Tod das größte -Erleben. Wenn der Erdentag zur Rüste geht und -sich die Fenster der Seele, die farbenfrohen Menschenaugen -verdunkeln wie Kirchenfenster am Abend, -blüht in dem verdämmernden Gottestempel des -sterbenden Leibes die Seele wie das Allerheiligste -am Altar unter der ewigen Lampe in dunkler Glut -auf und füllt sich mit dem tiefen Glanze der Ewigkeit. -Dann haben Menschenstimmen zu schweigen. -Auch Freundesstimmen … Darum forscht und sehnt -euch nicht nach letzten Worten! Wer mit Gott spricht, -redet nicht mehr zu Menschen.</p> - -<p>Hätte ich's doch klarer empfunden in jener Abschiedsstunde! -Ich ließ den Freund hinaustragen und half -ihn in das grünausgekleidete Grab unter den Linden -senken. In seiner vollen Offiziersausrüstung bettete -ich ihn zum Heldenschlafe mit Helm und Seitengewehr.<span class="pagenum"><a id="Seite_86">[86]</a></span> -In der Hand trug er die Sonnenblume -wie eine schimmernde Lanze. Dann deckte ich ihn -mit der Zeltbahn. Über dem offenen Grabe sprach -ich ein Vaterunser, zu dem mir nun freilich wieder -die Worte in Tränen versagten, und warf die ersten -drei Hände Erde auf ihn, danach sein Bursche, dann -die andern. Dann schloß sich das Grab, und der -Hügel wuchs. Eine Sonnenblume steht darauf und -ein Kreuz. Darauf ist geschrieben: »Leutnant Wurche. -I. R. 138. Gefallen für das Vaterland. 23. 8. 1915.« -Der Stahl, den der Waffenfrohe blank durch sein -junges Leben getragen, liegt ihm nahe am Herzen, -als ein Gruß von Erde, Luft und Wasser der -Heimat, aus dem Marke deutscher Erde geschmiedet, -in deutschem Feuer gehärtet und mit deutschem -Wasser gekühlt.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Der Stahl, den Mutters Mund geküßt,<br /></span> -<span class="i0">Liegt still und blank zur Seite.<br /></span> -<span class="i0">Stromüber gleißt, waldüber grüßt,<br /></span> -<span class="i0">Feldüber lockt die Weite …<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">Die Verse, die er im Leben geliebt, lebt er im -Tode.</p> - -<p>Über das Kreuz hing ich zum Abschied einen aus -hundert flammenden farbigen Bauernblumen gewundenen -Kranz, für den seine Leute alle Gartenbeete<span class="pagenum"><a id="Seite_87">[87]</a></span> -der lettischen Bauern geplündert hatten. Weichsamtene -Levkojen und rotgoldene Studentenblumen, -Nachtschatten und Sonnenblumen, der ganze reife -Sommer blühte über dem Grabe des Jünglings, -als ich schied.</p> - -<p>Durchs Feldtelephon kam der Marschbefehl. Ich -mußte im Galopp zu meiner Kompanie zurück. Das -Bild des Grabes, das der Kriegsfreiwillige gezeichnet, -in der Brieftasche, brach ich zur weiteren Verfolgung -des Feindes auf. Wir marschierten den Weg, den -er so treu mit seiner Patrouille unter Hingabe seines -Lebens aufgeklärt hatte.</p> - -<p>Am Abend lagen wir wieder vor dem Feinde. -Die Schrapnells und Granaten russischer Feldgeschütze -fuhren gurgelnd und krachend, wirbelnde -Luftschleppen hinter sich herreißend, gegen die Gehöfte, -hinter denen wir Deckung suchten. Ich saß -auf einem Tornister und schrieb auf ein paar Meldekarten -an die Eltern des Freundes. »Glauben Sie -mir: Sie tun ihm die letzte Liebe, wenn Sie seinen -Tod so tragen, wie es seiner würdig ist und wie -er es wünschen würde! Gott lasse seine Geschwister, -an denen er so brüderlich hing, aufwachsen, ihm -gleich an Treue, Tapferkeit und Weite und Tiefe -der Seele!« Aber ach, wie fern war ich selbst,<span class="pagenum"><a id="Seite_88">[88]</a></span> -während ich dies schrieb, von solcher Ergebung und -Herzenstapferkeit, die ich andere lehrte! –</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Und weiter Märsche und Gefechte, Gefechte und -Märsche … Olita fiel. Bei Preny gingen wir über -den Njemen. Vor Zwirdany zerbrachen wir in nächtlichem -Sturm die Russensperre am Daugi-See, nachdem -wir am Tage die Höhenstellungen bei Tobolanka -erstürmt hatten. Am Ufer der Mereczanka, -vor dem brennenden Orany, lagen wir im Feuer. -Und zogen der Wilia entgegen in neue Schlachten. -Allabendlich flammten und schwelten Dörfer und -Scheunen am Horizonte als Brandfackeln, die dem -rückflutenden Russenheere meldeten, wie weit die -deutschen Heeressäulen vorgedrungen waren. Verstörte -Einwohner huschten mit Kindern, Bündeln -und Packen schattenhaft auf unsern Wegen um zerschossene -Wohnstätten und zertretene Gärten. Hunde -jaulten um verlassene und zerstörte Höfe. Vieh und -Pferde tauchten auf und verschwanden. Gleichgültig -und mit müden Augen sahen wir all die schattenhaften -Bilder, die wie Sonnenaufgang und Untergang -sich täglich und stündlich wiederholten, stumpf -und schlafhungrig hörten wir den Wirrwarr lauter -Befehle und Zurufe, das »Germanski, Germanski!«-Jammern<span class="pagenum"><a id="Seite_89">[89]</a></span> -der verwundeten Russen in Wald und -Feld – – Schlafen! nur schlafen!</p> - -<p>Das Zwielicht eines baufälligen Stalles von -Winknobrosz schied mich von der scharfen, grauen -Helle eines Septembermorgens voll Sturm und -Regen. Die Strohschütten, auf denen ich unter -meinem grauen Mantel lag, strömten faden, süßlichen -Fäulnisgeruch aus und erfüllten die regen- und -schlammschweren Kleider mit dunstfeuchter Wärme. -Von den braunen Leibern der zwei müden Kompaniepferde, -mit denen ich den dumpfen, zugigen Raum -teilte, stieg farbloser Schweißdunst auf und stand -als grauer Nebel in den durch die Löcher der Holzwand -und die Risse des Strohdachs hereinbrechenden -grellen Lichthaufen. Durch die klaffenden Sprünge -und Spalten der rohen Holztür, die das armselige -Wohngelaß des polnischen Dorfschmieds von uns -schied, quoll der unruhige Lärm der Telephonisten -und <span id="corr089">Offiziersburschen</span>, untermischt mit weinerlichem -Polnisch und dem stoßweisen Wimmern eines Kindes, -das in der Schwebewiege durch den Armeleutebrodem -des überfüllten Raumes schaukelte. Der Summer -des Telephons klöhnte und klöhnte … Alles wie -an jenem Abend in Zajle. Warum traten Menschen -und Dinge immer wieder zu dem quälenden Bild<span class="pagenum"><a id="Seite_90">[90]</a></span> -der Erinnerung zusammen und taten Gespensterdienst -und schafften alle Nächte zu Todesnächten um? -Heute und morgen – wie oft noch?</p> - -<p>Aus den klammen Falten des Mantels über -meinen Knien schimmerten im Halbdunkel zwei -wandernde leuchtende Punkte, die Radiumzeiger -einer flachen, kleinen Stahluhr, auf der die Stunden -des Ruhetages nach wochenlangen Kämpfen und -Märschen träge und müde abliefen, eine um die andere.</p> - -<p>Ich sah auf das bißchen Glanz, das inmitten von -so viel Armseligkeit schimmerte, und mühte mich, das -Ticken der kleinen Uhr zu hören. Ich hob sie auf -und glaubte wieder das unermüdliche Gangwerk -zu spüren wie den Pulsschlag von etwas Lebendigem. -Ich redete mir so gerne ein, daß es ein Stücklein -Leben wäre, das mir gut und treu nahe sei. Denn -dieses leise pulsende Treiben war noch von der -Hand in Gang gebracht worden, die mir vor andern -Menschenhänden lieb war und die nun still über -dem kühlen Stahl des Schwertes im Grabe ruhte. -Ernst Wurches Uhr, die mit mir durch die Kämpfe -der Njemenschlacht und der Schlacht bei Wilna den -Weg zu den Eltern in der schlesischen Heimat suchte … -Als ich in der Frühe des Unglückstages, der seiner -Sterbenacht folgte, an die Seite des Toten eilte,<span class="pagenum"><a id="Seite_91">[91]</a></span> -schwiegen Lippen, Puls und Herz des Freundes -seit Stunden, aber als mir die kleine Uhr in die -Hand hinüberglitt, erspürte ich das leise, behutsame -Pulsen des Werkes, das <em class="gesperrt">er</em> noch in Gang gesetzt, -wie ein Stücklein Leben von seinem Leben, und -ich hatte und hegte einen Augenblick lang das -törichte Leidgefühl, als hielte ich das liebe Herz -meines Freundes in Händen.</p> - -<p>Durch Stunden und Tage mühte ich mich, die -kleine unermüdliche Stimme, die mich seitdem durch -Märsche und Gefechte begleitete, besser zu verstehen. -Und sie redete zu mir und sprach auch heute: »Du -lebst die Lebensstunden meines toten Herren, deines -Freundes, die Gott ihm als ein Opfer abforderte. -Denkst du daran? Du lebst seine Zeit, wirke seine -Arbeit! Er schläft, du wachst, und ich teile dir die -Stunden deiner Lebenswache zu. Ein rechter Kamerad -wacht für den andern, wache du für ihn! Sieh, ich -hüte treu das Amt, das er mir zugeteilt, sei ihm -treu wie ich, du Mensch, der mehr ist als wir toten -Dinge, deren Leben von euch stammt!« … Die -leise kleine Uhr sprach und sprach, und ihre Stimme -sickerte mir tiefer und tiefer ins Herz … Ich wollte -gehorchen und mich über den Schmerz emporreißen. -Und schrieb im Halbdunkel:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_92">[92]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Im Osten, von wannen die Sonne fährt,<br /></span> -<span class="i0">Ich weiß ein Grab im Osten,<br /></span> -<span class="i0">Ein Grab vor tausend Gräbern wert,<br /></span> -<span class="i0">Drin schläft ein Jüngling mit Fackel und Schwert<br /></span> -<span class="i0">Unter des Kreuzes Pfosten.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Als Fackel trägt er in weißer Hand<br /></span> -<span class="i0">Eine goldene Sonnenblume,<br /></span> -<span class="i0">Auch loht von des Heldenhügels Rand<br /></span> -<span class="i0">Eine Sonnenblume wie Feuersbrand,<br /></span> -<span class="i0">Eine Fackel zu seinem Ruhme.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Das Schwert, so oft beschaut mit Lust,<br /></span> -<span class="i0">Glüht still in eig'nem Glanze.<br /></span> -<span class="i0">Es deckt des Sonnenjünglings Brust<br /></span> -<span class="i0">Als Sonnenwappen der Blütenblust<br /></span> -<span class="i0">Der gold'nen Blumenlanze.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Er war ein Hüter, getreu und rein,<br /></span> -<span class="i0">Des Feuers auf Deutschlands Herde.<br /></span> -<span class="i0">Nun blüht seiner Jugend Heiligenschein<br /></span> -<span class="i0">Als Opferflamme im Heldenhain<br /></span> -<span class="i0">Über der blutigen Erde.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Fackel, die seinem Grabe entloht,<br /></span> -<span class="i0">Soll Jugend um Jugend hüten,<br /></span> -<span class="i0">Bis unter Morgen- und Abendrot<br /></span><span class="pagenum"><a id="Seite_93">[93]</a></span> -<span class="i0">In Friedensträumen und Schlachtentod<br /></span> -<span class="i0">Die letzten Deutschen verblühten.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Ein Flammenengel des Weltgerichts<br /></span> -<span class="i0">Schläft still in schimmernden Waffen.<br /></span> -<span class="i0">Einst wird er, zerstäuben die Welten in Nichts,<br /></span> -<span class="i0">Die blühende Lanze voll schwellenden Lichts<br /></span> -<span class="i0">Von seinem Grabe raffen.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Dann leuchtet sein Leib aus der Toten Chor,<br /></span> -<span class="i0">Ein Blitz aus wogender Wolke,<br /></span> -<span class="i0">Dann bricht er mit Fackel und Schwert hervor<br /></span> -<span class="i0">Und leuchtet durch der Ewigkeit Tor<br /></span> -<span class="i0">Voran seinem deutschen Volke.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Die Pulse flogen mir. Ich stand auf und ging -hinaus. Freie und Frische wehten mich an. Das -Herz wallte mir leichter als seit langem. Da – ein -Rauschen in den Lüften, ein scharfes Schreien, ein -Näherbrausen, ein wanderndes Gänseheer rauschte -hoch über Winknobroscz hin nach Süden. Ihre -Schatten flogen über mich hin. Eine Erinnerung -drückte auf mich wie eine lastende Hand. Wie lange -war es her, daß das Gänseheer wandernd nach -Norden rauschte über die kriegswunden Wälder vor -Verdun hin, über den Freund und mich?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_94">[94]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Rausch' zu, fahr' zu, du graues Heer!<br /></span> -<span class="i0">Rauscht zu, fahrt zu nach Norden!<br /></span> -<span class="i0">Fahrt ihr nach Süden übers Meer –<br /></span> -<span class="i0">Was ist aus uns geworden?<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Wir sind wie ihr ein graues Heer<br /></span> -<span class="i0">Und fahr'n in Kaisers Namen,<br /></span> -<span class="i0">Und fahr'n wir ohne Wiederkehr,<br /></span> -<span class="i0">Rauscht uns im Herbst ein Amen!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Aus Frühling und Sommer war Herbst geworden. -Die Graugänse wanderten nach Süden. Fernhin -rauschte ihre Fahrt über das einsame Grab auf den -stillen Höhen über dem Simno-See … Ich schaute -dem wandernden Heere nach, doch nicht lange. Wie -eine Hand lag mir's im Nacken, die mich duckte. Da -ging ich zurück in die polnische Schmiede und warf -mich ins Stroh.</p> - -<p>Tiefer und tiefer hinein in russisches Land ging -der Vormarsch. Moskauer und Petersburger Garden -warfen wir aus verschanzten Wäldern, setzten auf -Pontons über die Wilia und lagen in der Hölle -des brennenden Porakity, über dessen Trümmer die -Flut der Russengeschosse hinging, während wir wehrlos, -von siedender Helle übergossen, durch mörderische -Stunden warteten. Wir schanzten uns vor Ostrow<span class="pagenum"><a id="Seite_95">[95]</a></span> -ein und hörten das Geheul der durch das brennende -Uljany vorbrechenden und wieder zurückgeworfenen -Russenhorden.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Wir stoßen unsre Schwerter<br /></span> -<span class="i0">Nach Polen tief hinein.<br /></span> -<span class="i0">Die Hand wird hart und härter,<br /></span> -<span class="i0">Das Herz wird hart wie Stein.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Lust ist uns bestohlen.<br /></span> -<span class="i0">Wer nahm uns Glück und Glut?<br /></span> -<span class="i0">Das macht im Sand von Polen<br /></span> -<span class="i0">Das viele stille Blut.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Wir tragen unsre Fahnen<br /></span> -<span class="i0">Still in die Nacht hinein,<br /></span> -<span class="i0">Das Blut auf unsern Bahnen<br /></span> -<span class="i0">Ist unser Frührotschein.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Durch Polen möcht' ich traben,<br /></span> -<span class="i0">Bis mir das Blut erglüht.<br /></span> -<span class="i0">Das kommt vom Gräbergraben,<br /></span> -<span class="i0">Das macht die Hände müd'.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Bei Schwertern und bei Fahnen<br /></span> -<span class="i0">Schlief uns das Lachen ein.<br /></span> -<span class="i0">Wen schert's! – Wir soll'n die Ahnen<br /></span> -<span class="i0">Lachender Enkel sein.<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_96">[96]</a></span></p> -<p>Das Hin und Her der Märsche und Gefechte ging -weiter. Aber der Krieg brannte nieder. Aus der -Schlacht bei Wilna führte ich zuletzt die Reste zweier -Kompanien heraus hinter die Kette der litauischen -Seen, an denen wir uns einschanzen sollten.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">… Und wieder vor der Kompanie<br /></span> -<span class="i0">Tappt meines Fuchsen müder Schritt.<br /></span> -<span class="i0">Durch Wald und Nachtwind führ' ich sie,<br /></span> -<span class="i0">Und hundert Füße rauschen mit.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Der Wald ist wie ein Sterbedom,<br /></span> -<span class="i0">Der von verwelkten Kränzen träuft,<br /></span> -<span class="i0">Die Kompanie ein grauer Strom,<br /></span> -<span class="i0">Der müde Wellen rauschend häuft.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Der graue Strom rauscht hinter mir,<br /></span> -<span class="i0">Durch Sand und Schnee, durch Laub und Staub,<br /></span> -<span class="i0">Und Well' um Welle dort und hier<br /></span> -<span class="i0">Wird Sonnenraub, wird Erdenraub.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Es schwillt der Strom und ebbt und schwillt …<br /></span> -<span class="i0">Mein Herz ist müd', mein Herz ist krank<br /></span> -<span class="i0">Nach manchem hellen Menschenbild,<br /></span> -<span class="i0">Das in dem grauen Strom versank.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Welt ist grau, die Nacht ist fahl,<br /></span> -<span class="i0">Mein Haupt zum Pferdehals geduckt,<br /></span><span class="pagenum"><a id="Seite_97">[97]</a></span> -<span class="i0">Träum' ich, wie hell durchs Todestal<br /></span> -<span class="i0">Mein Strom einst klang lichtüberzuckt …<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Mein Fuchs geht immer gleichen Tritt<br /></span> -<span class="i0">Voran, entlang dem grauen Zug,<br /></span> -<span class="i0">Und graue Reiter reiten mit,<br /></span> -<span class="i0">Die er vor mir im Sattel trug. –<br /></span> -</div></div> - -<p>Bei Nacht zogen wir uns hinter die natürliche -Verteidigungsstellung der Seensperre zurück, hoben -in größter Eile Gräben aus und ließen den Gegner -anlaufen. Tag und Nacht schanzten unsre Leute. -Rings um die Seen brannten die Russendörfer -nieder, rotlodernde Leichenfackeln des sterbenden -Krieges. Und wieder monatelanges Stilliegen in -Schützengräben wie einst auf den Maashöhen vor -Verdun und in den Wäldern vor Augustow. Und -doch alles anders. Wie ein ferner, schöner Traum -lagen die lauen Sommernächte hinter uns, die wir -singend und plaudernd durchwacht hatten. Jetzt -türmten sich Schneewälle um unsre Erdhöhlen. -Schneidende Ostwinde fegten das graue Eis der -Seen und peitschten nadelscharfe Kristalle gegen -die wachtmüden Augen. Dreizehn und vierzehn -Stunden dauerte das nächtliche Horchen und Lauern -der Wacht im Osten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_98">[98]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Eisgrauer See,<br /></span> -<span class="i0">Mondheller Schnee …<br /></span> -<span class="i0">Wie lang' noch soll ich schreiten<br /></span> -<span class="i0">Das kalte Schwert zur Seiten?<br /></span> -<span class="i0">Wie lang' währt Mord und Streiten?<br /></span> -<span class="i0">Weh', Russenerde, weh' –!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Einsame Wacht,<br /></span> -<span class="i0">Schneekühle Nacht.<br /></span> -<span class="i0">Es knarrt der Frost im Eise,<br /></span> -<span class="i0">Der Sturm singt harsche Weise,<br /></span> -<span class="i0">Der Friede, den ich preise,<br /></span> -<span class="i0">Der ist in Bann und Acht.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Brandhelle loht!<br /></span> -<span class="i0">Mord, Haß und Tod,<br /></span> -<span class="i0">Sie recken ob der Erde<br /></span> -<span class="i0">Zu grauser Drohgebärde,<br /></span> -<span class="i0">Daß niemals Friede werde,<br /></span> -<span class="i0">Schwurhände blutigrot.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Was Frost und Leid!<br /></span> -<span class="i0">Mich brennt ein Eid.<br /></span> -<span class="i0">Der glüht wie Feuersbrände<br /></span> -<span class="i0">Durch Schwert und Herz und Hände.<br /></span> -<span class="i0">Es ende drum, wie's ende –<br /></span> -<span class="i0">Deutschland, ich bin bereit.<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_99">[99]</a></span></p> -<p>Die Zeit schlich durch die Winternächte hin so -träge wie eine Flamme, die sich schwelend durch -feuchte Buchenkloben frißt …</p> - -<p>Die Lücken, die der Bewegungskrieg gerissen, -schließen sich durch Ersatz aus der Heimat. Frisch -ausgebildeter Landsturm und junge Rekruten. Der -Graben füllt sich mit fremden Gesichtern und neuen -grauen Röcken, die seltsam von den verwitterten, -erdfarbenen Kleidern der alten Leute abstechen. -Und wieder Wochen und Wochen des Schanzens -und Lauerns, und in Schnee und Regen sind alle -Röcke sich gleich geworden. Es gibt keine fremden -Gesichter mehr im Graben. Aber die fehlenden -kommen nicht wieder. Nur in den langen, grauen -Nächten kommen sie und reden. Der Verkehr mit -den Toten macht einsilbig und still …</p> - -<p>Ich liege erst zwischen den Seen, dann fünf Monate -hindurch mit meiner »Sechsten«. Schanzen und Wachen, -Wachen und Schanzen. Alle Nächte sind tief und -dunkel wie Abgründe und voll unfaßbaren Lebens. -Die Tage sind fahl und kurz und sind nichts als -bleierner Schlaf und verworrener Traum. Die Nächte -sind ein verhohlenes Leben in Erdhöhlen und dunklen -Gräben, ein Auf- und Abwandern an starrenden, -grauen Drähten in aufflackernder und verwehender<span class="pagenum"><a id="Seite_100">[100]</a></span> -Helle, ein Lauern über Brustwehren und Schießscharten -und ein Hocken am Feldtelephon … Und -aus jeder Nacht hebt sich dunkel und bedrückend vor -den überwachen Sinnen die eine verschollene Nacht, -die Nacht von Zajle … Der Summer im Feldtelephon -klöhnt. Die stille Fläche des Simno-Sees -schimmert auf. Ferne Schüsse knattern. Der Posten -geht auf und nieder … O, ihr Nächte, ihr Totenbeschwörer! -Traum und Trug sind die Tage, die -wie Blätter verwehen, und in jeder Nacht erneut -sich das Dunkel der Sterbenacht über dem Simno-See. -Ich sitze zusammengekauert vor der flackernden -Kerze im Unterstand und lausche den Stimmen der -Nacht und hadere. Jede Nacht erlebe ich dein Sterben, -Freund! Du und ich, wir beide in <em class="gesperrt">einem</em> brennenden -Hause, die Habe unseres Volkes zu retten, durch -dünne Wände geschieden, du und ich. Und du, mein -Bruder, verbrennst in der Kammer neben mir, und -ich darf dir nicht helfen … Ich sitze zusammengeduckt -und hadere. Und fühle doch deine Nähe. -Du bist bei mir und schwichtigst. Ich höre deine -gute, junge Stimme.</p> - -<p>»Leutnantsdienst tun heißt seinen Leuten vorleben, -das Vorsterben ist dann wohl einmal ein -Teil davon.« Ich hebe die Augen und suche. Gestalt<span class="pagenum"><a id="Seite_101">[101]</a></span> -und Stimme verwehen. Ich schlage den -Mantelkragen hoch und trete ins Freie. Und die -russische Nacht durchfrostet mich wieder. Vor den -Gräben und Horchlöchern wandre ich auf und nieder. -Von der Höhe über den verkohlten Dorftrümmern -ragen gespenstisch die hohen, schwarzen Kreuze des -lettischen Friedhofs. Wie oft sind wir im Morgen- -und Abenddämmern an diesen kahlen Todesstätten -mit den müden Kompanien vorübergezogen! Sie -gleichen sich wie Schatten, einer wie der andere. -Und doch weht von keinem so kühler Schauer wie -von dem Sonnengrabe über dem Simno-See. Ich -starre auf die Kreuze. Eine blasse Helle sickert aus -dem Wolkendunkel im Osten. Es ist Zeit, schlafen -zu gehen.</p> - -<p>Alle Nächte sind eine Totenklage. Nachtstürme -rütteln heulend an meine Hütte aus Lehm und -Brettern. Mein Herz ist eine Scheune voll wilder -Pferde, eine Scheune, die in Brand geriet. Rosse -stampfen, Halfterketten klirren …</p> - -<p>Stille Nächte schleichen dahin wie Gespenster. -Morgenkühle weht auf, mit übernächtigen Augen -sehe ich in den fahlgewordenen Kerzenschimmer und -lösche das Licht. Alle Nächte sind eine Totenklage. -Der Morgen ist von Nebeln überfallen, und sein<span class="pagenum"><a id="Seite_102">[102]</a></span> -Glanz ist dahin! Der Winter ist da, und sein Frost -macht die Scheiben blind. Meine Seele ist kalt wie -ein kahler Raum. Die Scheiben sind gefroren. Kein -Strahl der vertrauten Welt dringt von außen in -mich hinein. Ich sitze einsam hinter gefrorenen -Fenstern, mein Freund, und starre auf deinen -Schatten, der den Raum füllt … Und hadere. -Aber draußen wächst das Licht. Und wieder bist -du mir nahe und schwichtigst. »So laß sehen, ob -ich nicht lebendiger bin als du! Sieh', ich trete an -die Fenster und lege die Hand auf das Eis. Es -taut mir unter den Händen. Der erste Sonnenstrahl -bricht hell herein. Ich hauche lächelnd über das -kalte, blinde Eis – sieh', wie es hinwegtaut! Wälder, -Städte und Seen schauen herein, um die wir gewandert -sind, liebe Gesichter schauen von draußen -herein. Willst du ihnen nicht rufen? Sind wir nicht -immerdar Wanderer zwischen beiden Welten gewesen, -Gesell? Waren wir nicht Freunde, weil dies unser -Wesen war? Was hängst du nun so schwer an der -schönen Erde, seit sie mein Grab ist, und trägst an -ihr wie an einer Last und Fessel? Du mußt hier -wie dort daheim sein, oder du bist es nirgends …« -Der Tag ist mächtig geworden, und mein Herz will -hell werden und gläubig.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_103">[103]</a></span></p> - -<p>Alle Nächte sind eine Totenklage. In grauem -Mantel lehne ich an der verschneiten Brustwehr -und sehe auf zu den bleichen Sternen der Winteröde. -Und mein Herz hadert. »Wir sind alt geworden -an unsern Taten und alt an unsern Toten. Der -Tod war einmal jung und verschwenderisch, aber -er ist alt und gierig geworden.« Aber der Freund -ist neben mich getreten, still, ich weiß nicht woher, -und ich frage nicht. Sein Arm liegt in meinem wie -in den Waldgräben vor Augustow. Und er schwichtigt: -»Ihr glaubt zu altern und werdet reif. Eure Taten -und eure Toten machen euch reif und halten euch -jung. Das Leben ist alt und gierig geworden, der -Tod bleibt sich immerdar gleich. Weißt du nichts -von der ewigen Jugend des Todes? Das alternde -Leben soll sich nach Gottes Willen an der ewigen -Jugend des Todes verjüngen. Das ist der Sinn -und das Rätsel des Todes. Weißt du das nicht?«</p> - -<p>Ich schweige. Aber mein Herz hadert weiter. Und -er läßt seinen Arm nicht aus meinem und hört nicht -auf zu schwichtigen, leise, voll guten, geruhigen Eifers. -»Totenklage ist ein arger Totendienst, Gesell! Wollt -ihr eure Toten zu Gespenstern machen oder wollt -ihr uns Heimrecht geben? Es gibt kein Drittes für -Herzen, in die Gottes Hand geschlagen. Macht uns<span class="pagenum"><a id="Seite_104">[104]</a></span> -nicht zu Gespenstern, gebt uns Heimrecht! Wir möchten -gern zu jeder Stunde in euren Kreis treten dürfen, -ohne euer Lachen zu zerstören. Macht uns nicht ganz -zu greisenhaft ernsten Schatten, laßt uns den feuchten -Duft der Heiterkeit, der als Glanz und Schimmer -über unsrer Jugend lag! Gebt euren Toten Heimrecht, -ihr Lebendigen, daß wir unter euch wohnen -und weilen dürfen in dunklen und hellen Stunden. -Weint uns nicht nach, daß jeder Freund sich scheuen -muß, von uns zu reden! Macht, daß die Freunde -ein Herz fassen von uns zu plaudern und zu lachen! -Gebt uns Heimrecht, wie wir's im Leben genossen -haben!«</p> - -<p>Ich schweige noch immer, aber ich fühle mein Herz -ganz in seinen guten Händen. Und seine liebe -Stimme schwingt und schwichtigt weiter. »Wie wundgeschlagene -Bäume süße und herbe Säfte ausströmen, -so die Herzen der Dichter süße und herbe -Lieder. Gott hat in dein Herz geschlagen. Singe -Dichter!«</p> - -<p>»Mein Freund, mein Freund, meine Seele -klingt von der deinen <span id="corr104">wider</span>, wie eine Glocke, -die im wogenden Klange der Schwesterglocke mitschwingt!« – –</p> - -<p>Aus dem Himmel im Osten fließt hellflüssiges<span class="pagenum"><a id="Seite_105">[105]</a></span> -Gold über schwarze Wolken und dunkle Erde. Ein -Rosenschimmer schwebt in den Jungtrieben der Birkenkronen. -Ein Wölklein frisches Grün hängt fern und -nah in den Wipfeln über der schwarzen Erde. Der -zweite Kriegsfrühling hebt an. Der Sturm geht über -die Gräber in Polen.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Es weht ein Sturm aus West, aus West,<br /></span> -<span class="i0">Heimatwind, Gotteswind,<br /></span> -<span class="i0">Der Kreuz und Kranz erbeben läßt,<br /></span> -<span class="i0">Wo er ein Grab in Polen find't.<br /></span> -<span class="i0">Es klagt und klagt der Sturm aus West:<br /></span> -<span class="i0">Weh, deutscher Erde Kind!<br /></span> -<span class="i0">Was hält dich Polens Erde fest?<br /></span> -<span class="i0">Die deutsche Erde kühlt so lind,<br /></span> -<span class="i0">Dich kühlt sie nicht!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Der Sturm aus Westen klingt und klagt:<br /></span> -<span class="i0">Hätt' ich Kraft, hätt' ich Kraft,<br /></span> -<span class="i0">Ich hätte wie eine Kindesmagd<br /></span> -<span class="i0">Dich längst in meinen Arm gerafft!<br /></span> -<span class="i0">Kann's nicht, kann's nicht, Gott sei's geklagt!<br /></span> -<span class="i0">Hätt' ich Kraft, hätt' ich Kraft,<br /></span> -<span class="i0">Ich hätte euch auf nächtiger Jagd<br /></span> -<span class="i0">Eine Handvoll Heimaterde geschafft<br /></span> -<span class="i0">Zu Kranz und Grab!<br /></span><span class="pagenum"><a id="Seite_106">[106]</a></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Es fährt ein Sturm aus Ost, aus Ost,<br /></span> -<span class="i0">Gräberwind, Gotteswind:<br /></span> -<span class="i0">Du liebe Heimat, sei getrost!<br /></span> -<span class="i0">Wir bleiben deiner Erde Kind …<br /></span> -<span class="i0">Von allen Gräbern weht's aus Ost:<br /></span> -<span class="i0">Erde ist immer lind.<br /></span> -<span class="i0">Erde, aus Heimaterde entsproßt,<br /></span> -<span class="i0">Wir selbst nur Heimaterde sind,<br /></span> -<span class="i0">Fürchtet euch nicht! –<br /></span> -</div></div> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/illu-106.png" alt="" /> -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_107">[107]</a></span></p> -<h2><a id="Ein_Nachwort">Ein Nachwort</a></h2> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_108">[108]</a></span></p> -<p class="drop">Sommer und Winter kamen und gingen. Russenstürme -zerschellten vor den Hindernissen. Unerschüttert -hielt das deutsche Ostheer in seinen Gräben. -Und wieder monatelange stille Wacht hinter Brustwehr -und Drahtverhau. –</p> - -<p>Die Frühlingsstürme des vierten Kriegsjahres -brausten über die Lande. Im Osten entfachten sie -den Krieg nicht zu neuen Gluten. Aber drüben in -Frankreich brannte er lodernd auf, an der Aisne -und bei Arras. Die vereinte Kraft der Westmächte -rannte Sturm gegen die deutsche Mauer. Walter -Flex hielt es nicht länger in der Stille des östlichen -Stellungskriegs. Es trieb ihn nach dem kampfdurchwogten -Westen:</p> - -<p>»Ich habe mich mit ein paar Kameraden, darunter -ein prächtiger alter Major, freiwillig zur Westfront -gemeldet. Schwer ist's mir nur geworden im -Gedanken an meine Mutter, die auch noch nichts -davon weiß. Im übrigen kennen Sie mein Denken. -Es ist nicht damit getan, sittliche Forderungen aufzustellen, -sondern man muß sie an sich vollstrecken, -um ihnen Leben zu geben. Abenteurerlust und Idealismus -sind zu Anfang des Krieges viel verwechselt -worden, und der unbeugsame und zu keiner Konzession -bereite Idealismus, in dem allein das Heil<span class="pagenum"><a id="Seite_109">[109]</a></span> -für Gegenwart und Zukunft unseres Volkes liegt, -ist selten geworden. Ihr Brief gibt mir willkommene -und dankbar ergriffene Gelegenheit, mich zu einem -gleichgesinnten Menschen auszusprechen, zumal Sie -selbst an die Stimmung rühren, in der ich mich in -dieser Schicksalsstunde unseres Volkes befinde, wenn -Sie schreiben: ›Es steht mir allerlei Sorgliches vor -der Seele, wenn ich an Sie denke.‹ Dazu ist kein -Anlaß. Diese Sorge wäre nur begründet gewesen, -wenn ich durch Verzicht auf meine Meldung die -Einheit zwischen Handeln und Denken aus Herzensrücksichten -verletzt hätte. Ich bin heute innerlich so -kriegsfreiwillig, wie am ersten Tage. Ich bin's und -war es nicht, wie viele meinen, aus nationalem, -sondern aus sittlichem Fanatismus. Nicht nationale, -sondern sittliche Forderungen sind's, die ich aufstelle -und vertrete. Was ich von der ›Ewigkeit des deutschen -Volkes‹ und von der welterlösenden Sendung -des Deutschtums geschrieben habe, hat nichts mit -nationalem Egoismus zu tun, sondern ist ein sittlicher -Glaube, der sich selbst in der Niederlage oder, -wie Ernst Wurche gesagt haben würde, im Heldentode -eines Volkes verwirklichen kann … Eine klare -Grenze des Denkens habe ich freilich immer festgehalten: -ich glaube, daß die Menschheitsentwickelung<span class="pagenum"><a id="Seite_110">[110]</a></span> -ihre für das Individuum und seine innere Entwicklung -vollkommenste Form im Volke erreicht, und -daß der Menschheitspatriotismus eine Auflösung -bedeutet, die den in der Volksliebe gebundenen -persönlichen Egoismus wieder freimacht und auf -seine nackteste Form zurückschraubt. Mein Glaube -ist, daß der deutsche Geist im August 1914 und darüber -hinaus eine Höhe erreicht hat, wie sie kein Volk -vordem gesehen hat. Glücklich jeder, der auf diesem -Gipfel gestanden hat und nicht wieder herabzusteigen -braucht. Die Nachgeborenen des eigenen und -fremder Völker werden diese Flutmarke Gottes über -sich sehen an den Ufern, an denen sie vorwärtsschreiten. -– Das ist mein Glaube und mein Stolz -und mein Glück, das mich allen persönlichen -Sorgen entreißt …«</p> - -<p>Sein Wunsch, sich in den entscheidungsvollen -Kämpfen des Westens einzusetzen, blieb unerfüllt. -Ein mehrwöchiges Kommando rief ihn nach Berlin. -Heißen Herzens verfolgte er von dort das Schicksal -seiner Kameraden: Sein Regiment kämpfte um -Tarnopol. Er erreichte es rechtzeitig, um an -der Eroberung Rigas teilzuhaben. Frohe Grüße -flogen in die Heimat: »Ich bin ganz glücklich, -dabei sein zu dürfen.« Auf Riga folgte Ösel. Aus<span class="pagenum"><a id="Seite_111">[111]</a></span> -den neuen Angriffsvorbereitungen heraus schrieb -er weiter:</p> - -<p>»Von den Kameraden, die vor Monaten nach -dem Westen gingen, ist kaum einer mehr am Leben. -Es waren ein paar prächtige Menschen darunter, -mit denen ich gern hinausgegangen wäre. Ich sehe -sie noch am Bahnhof aus dem abfahrenden Zuge -winken. ›Schad' daß Sie nicht mitkommen!‹ rief -mir Erichson noch zu, der Mecklenburger, der mit -Wurche und mir vor Augustow in der 9. Kompanie -das Zugführer-Kleeblatt bildete. Nun liegt er auch -vor Verdun begraben. Hätte er damals geahnt, -daß wir kurz darauf Tarnopol und Riga mitschlagen -sollten, er wäre wohl bei uns geblieben. Wo wäre -ich wohl heute, wenn meine Meldung damals nicht -kassiert worden wäre? Zufälligkeiten oder Bestimmung? -Dankbar bin ich immer von neuem für das -Gleichgewicht des Herzens, das mir nie ernstlich erschüttert -worden ist. Nicht etwa, daß ich das Gefühl -hätte, vor anderen bewahrt und aufgehoben zu sein -– aber ich habe das geruhige, innere Wissen, daß -alles, was mit mir geschieht und geschehen kann, -Teil einer lebendigen Entwicklung ist, über die nichts -Totes Macht hat …«</p> - -<p>An dem Tage, der diesen Brief in die Heimat<span class="pagenum"><a id="Seite_112">[112]</a></span> -brachte, traf ihn auf Ösel die tödliche Kugel. Er -hatte seine neunte Kompanie zum Angriff auf Lewwal -entwickelt. Das Gefecht neigte sich zu siegreichem -Ende. Unschlüssig zwischen Widerstand und Übergabe -schwankend hielten die Russen noch vor Peudehof. -Sein linker Zugführer geht vor und fordert -Ergebung. Russische Offiziere erklären den Ankommenden -für gefangen. Der springt zurück, das Gewehr -im Anschlag: »Herr Leutnant, sie wollen sich -nicht ergeben!« Walter Flex hat ein russisches Beutepferd -gegriffen und reitet vor. Ein Schuß kracht -und fehlt ihn. Er zieht den Säbel, der ihm am -Sattel hängt. Mit blanker Klinge reitet er gegen -den Schützen an. Gewehrfeuer schlägt ihm entgegen. -Eine Kugel fährt ihm durch die Degenhand in den -Leib und wirft ihn vom Pferd. Seine Kompanie -greift an. Die Russen heben die Hände. Sie sind -gefangen. – Die ersten Worte des Verwundeten -fragen nach dem Stand des Gefechts. Die Antwort -läßt ihn beruhigt zurücksinken.</p> - -<p>Seine Leute trugen ihn in eine nahe Hütte. -Heiteren Herzens erreichte er das Lazarett. Seinem -treuen Burschen diktierte er diese Karte: »Liebe Eltern! -Diese Karte diktiere ich, weil ich am Zeigefinger der -rechten Hand leicht verwundet bin. Sonst geht es<span class="pagenum"><a id="Seite_113">[113]</a></span> -mir sehr gut. Habt keinerlei Sorge. Viele herzliche -Grüße! Euer Walter.«</p> - -<p>Am nächsten Tage, am Geburtstag seines ihm -im Soldatentod vorangegangenen jüngsten Bruders, -ist er gestorben. Eins im Leben und Sterben wie -im Denken und Handeln ist er stille eingegangen -zum größten Erleben, ein wegesicherer Wanderer -zwischen beiden Welten. –</p> - -<p>Der Abend brachte seinem Regiment den Marschbefehl. -Die Nachtstunden, die vor dem Aufbruch -verblieben, führten seine Leute zusammen zu stillem -Totendienst: Laubgewinde wuchsen unter ihren -Händen zu letztem Gruß und Dank.</p> - -<p>Das Regiment marschierte. Neun Leute seiner -lieben Kompanie blieben zurück. Im Morgenlicht -betteten sie ihn in der grünen Ostseeinsel, die sein -Herzblut trank. Graugänse rauschten über die frische -Erde nach Süden. –</p> - -<p>Er ruht in deutscher Erde, wo einst das alte -Ordensschloß von Peude stand. Eichenkränze, die -ihm Soldatenliebe wand, schmücken Kreuz und -Grab. In den Winden des baltischen Meeres webt -sein letztes Lied von der lebenspendenden Kraft rein -vergossenen Blutes. Der Nordwald rauscht über -den Hügeln:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_114">[114]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wir sanken hin für Deutschlands Glanz.<br /></span> -<span class="i0">Blüh, Deutschland, uns als Totenkranz!<br /></span> -<span class="i0">Der Bruder, der den Acker pflügt,<br /></span> -<span class="i0">ist mir ein Denkmal wohlgefügt.<br /></span> -<span class="i0">Die Mutter, die ihr Kindlein hegt,<br /></span> -<span class="i0">ein Blümlein überm Grab mir pflegt.<br /></span> -<span class="i0">Die Büblein schlank, die Dirnlein rank<br /></span> -<span class="i0">blühn mir als Totengärtlein Dank.<br /></span> -<span class="i0">Blüh, Deutschland, überm Grabe mein<br /></span> -<span class="i0">jung, stark und schön als Heldenhain!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Im Felde, November 1917.</p> - -<p class="right"> -<em class="gesperrt">Martin Flex.</em><br /> -</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_i">[i]</a></span></p> - -<p class="center large">Bücher von Walter Flex</p> -</div> - -<p class="center p2">Soeben ist erschienen:</p> - -<p class="h2">Klaus von Bismarck</p> - -<p class="center">Eine Kanzlertragödie</p> - -<p class="center"> -Zweite Auflage<span class="space"> </span> -Gebunden M 4.– -</p> - -<div class="adv"> -<p>Schon die Umschlagzeichnung des Buches gibt der Phantasie des Lesers die -Richtung auf den Schauplatz und den Stoff der Tragödie: das gotische Stadtbild -Stendals mit seinen Tortürmen und dem trotzigen, im Roland symbolisierten -Mannesgeist, der in diesen Mauern einst herrschte. Das Drama, dessen -Held ein Vorfahre des eisernen Kanzlers ist, wurde in Weimar erfolgreich -aufgeführt, ihm werden sich jetzt nach dem Tode des Dichters sicher noch viele -Bühnen öffnen.</p></div> - -<p class="h2 p2">Wallensteins Antlitz</p> - -<p class="center">Gesichte und Geschichten vom Dreißigjährigen Kriege</p> - -<p class="center">17.–19. Tausend. Preis gebunden M 3.–. Soeben erschienen -</p> - -<p><em class="gesperrt">Inhalt</em>: Das Blut der Almuth Petrus – Wallensteins -Antlitz – Letzte Wacht – Das Gewitter – Der Trommelbube -des Todes – Der Kreis – Der Ring mit den blauen -Steinen – Das Armesünderwürfeln</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Allen gemeinsam ist eine großzügige Gestaltungsgabe, die stark plastische Bildreihen -schafft. Zugleich weiß Flex in der Art der kräftigen Darstellung, der -Häufung der dichterischen Gesichte, der gedrungenen, knappen und doch lebendigen -Schilderung den Stil jener Zeit unvergleichlich zu treffen. Ein trotziges, -aufschäumendes Leben in bunter, farbsatter Pracht durchströmt die einzelnen -Szenen. Das ist ein Abbild der Kraftfülle des damaligen Deutschtums, das -dreißig Jahre Krieg zu ertragen verstanden … eine der besten Gaben unserer -letzten deutschen Literatur. Ein deutsches Werk von vollgültiger literarischer -Bedeutung!« <em class="gesperrt">Die Post</em>.</p></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_ii">[ii]</a></span></p> - -<p class="h2 p2">Im Felde zwischen Nacht und Tag</p> - -<p class="center">Gedichte</p> - -<p class="center">20./21. Auflage. 38. bis 42. Tausend. Preis gebunden M 2.80 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Das Bild von des Dichters Art, wie es seine früheren Werke in scharfen Umrissen -erkennen ließen, zeigt sich klar, fast noch schärfer umrissen auch hier. -Da ist das feine Naturempfinden, das sich in prachtvoller Sprache, bald in -reichen Farben in verborgener Musik schimmernd, bald herb und knapp ausspricht; -daneben die Kunst, in scharfen Strichen menschliche Gestalten, menschliches -Erleben zu umreißen. Der Dramatiker wird so zum kraftvollen Balladendichter, -der aus Einzelheiten des Krieges das Persönliche, das Große wuchtig -heraushebt und darstellt. Ein inniges menschliches Mit- und Nachempfinden, -eng verbunden mit heißer Liebe zum Vaterland, sturmerprobtes Gottvertrauen -und in aller Not des Kriegs nicht umzubringende Behauptung des innersten -Selbst, dem auch ein Schuß Humor eignet, durchzieht die Gedichte, die unter der -Kriegsliteratur wirkliche und bleibende Werte bedeuten.« <em class="gesperrt">Schwäb. Merkur</em>. – -»Ein Kriegsdichter, dem die Kraft gegeben, sein reiches Erleben in klangvolle, -sprachlich eigenartige und kraftgesättigte Verse zu gießen: er war der edelste -Typus der akademischen Jugend, die bei Ausbruch des Krieges freiwillig zu -den Waffen griff, er war die Idealverkörperung der deutschen Jünglinge, die -aus reinstem Hochsinn für ihr Vaterland sich aufzuopfern gelobten. Der Krieg -hatte Walter Flex zum Mann und Dichter herangereift; was er geschrieben, -ist durchlebt, hundert- und tausendfältig; seine anschaulichen, bildreichen Gedichte -sind der Spiegel seines jäh abgerissenen kampffrohen und friedenssehnsüchtigen -Lebens.« <em class="gesperrt">Kölnische Zeitung</em>.</p></div> - -<p class="h2 p2">Vom großen Abendmahl</p> - -<p class="center">Verse und Gedanken aus dem Feld</p> - -<p class="center">27./29. Auflage. 58. bis 64. Tausend. M 1.20 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Eines der besten Bücher, die ich je las. Der Krieg ward Walter Flex zu -einem wahrhaften, inneren Erleben, und was er in diesem Büchlein schreibt, -ist eine Phantasie, geboren aus dem Erleben des Leides dieser Zeit, so wunderbar -gestimmt auf den Herzenston der Menschen, wie ich es bei keinem Buche -zuvor empfand. Eine tiefe Tragik offenbart sich uns in seinem Büchlein. Er -führt uns das Erdenleid der Menschen vor Augen, jedoch nur, daß wir erkennen -sollen, daß der Weg zu einem glücklichen Seelenleben nur durch einen Weg -tiefen Erdenleides zu erreichen ist.« <em class="gesperrt">Alt-Wandervogel</em>. – »Tiefdurchdachte -und tiefempfundene symbolische Dichtung, die Herr wird über das grausame -Einzelschicksal, das der Krieg bringt, flammende Begeisterung und glühende -Vaterlandsliebe, die die gewaltige Größe der Schicksalsstunde unseres ganzen -Volkes empfindet und mitschafft, verklärende Poesie, die teils im mystischen -Doppelempfinden, teils in mutiger Bejahung des Lebens und des Todes die -Gegensätze im Menschenleben deutet und versöhnt.« <em class="gesperrt">Der Wächter</em>.</p></div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_iii">[iii]</a></span></p> - -<p class="center larger">Neue Gedichtbücher von Will Vesper:</p> -</div> - -<p class="h2 p2">Schön ist der Sommer.</p> - -<p class="center">Ein Buch Liebeslieder.</p> - -<p class="center"> -Gebunden M 2.80<span class="space"> </span>Soeben erschienen -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Jede lyrische Gabe von Will Vesper bringt einen Strauß poetischer Feinheiten … -Es finden sich Perlen unter den Gedichten, die von unvergleichlicher -innerer Rhythmik beseelt sind.« <em class="gesperrt">Die Post</em>.</p></div> - -<p class="h2 p2">Der blühende Baum.</p> - -<p class="center">Neue Lieder und Gedichte.</p> - -<p class="center"> -2. Auflage<span class="space"> </span>Gebunden M 2.80 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Wieder kommt dem Leser in diesem Buche zum Bewußtsein, daß kein lebender -Dichter, außer Dehmel, so rein und selbstverständlich die Tradition unserer -größten Lyriker fortsetzt wie Vesper.« <em class="gesperrt">Berliner Tageblatt</em>.</p></div> - -<p class="h2 p2">Briefe zweier Liebenden.</p> - -<p class="center">Gedichte.</p> - -<p class="center"> -5. und 6. Taus.<span class="space"> </span>Geb. M 2.80 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Hier steht Vesper auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens.« <em class="gesperrt">Preuß. Jahrb.</em></p></div> - -<p class="h2 p2">Vom großen Krieg.</p> - -<p class="center">Gedichte.</p> - -<p class="center"> -4. u. 5. Tsd.<span class="space"> </span> -Geb. M 3.– -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Diese Gedichte werden für alle Zeiten zu den bedeutendsten Schöpfungen unserer -vaterländischen, überhaupt unserer lyrischen Dichtung gehören.« <em class="gesperrt">Münchener -Zeitung</em>.</p></div> - -<p class="h2 p2">Der Deutsche Krieg in Dichtungen</p> - -<p class="center">Herausgegeben von <b>Walther Eggert Windegg</b></p> - -<p class="center"> -5. und 6. Tausend<span class="space"> </span>Gebunden M 2.50 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Der Herausgeber hat ein offenes Auge für alles Charaktervolle und Eigentümliche, -das die neue Lyrik bot, und zu loben ist sein unbefangenes Urteil … -eine vornehme, streng gesichtete und charaktervolle Sammlung.« <em class="gesperrt">Eckart</em>.</p></div> - -<p class="h2 p2">Hans Benzmann / Für Kaiser und Reich</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Kriegsgedichte</em>. Geheftet M 1.40 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Schlachtenschilderungen, die in der Realistik an Liliencron erinnern … -Echte Balladen, vorzüglich zum Vortrage geeignet.« <em class="gesperrt">Deutsche Presse</em>, Wien.</p></div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_iv">[iv]</a></span></p> - -<p class="center p2 larger">Eugen Kühnemann</p> - -<p class="center">Univ.-Professor in Breslau</p> - -<p class="h2">Deutschland und Amerika</p> - -<p class="center">Briefe an einen deutsch-amerikanischen Freund</p> - -<p class="center">3. Auflage 8. u. 9. Tausend.<span class="space"> </span>Preis M 2.50 -</p> - -<p><em class="gesperrt">Aus dem Inhalt</em>: Deutschland und Amerika – Aufklärungsarbeit -und Propaganda – Das deutsche Amerika und der -Krieg – Das englische Amerika und der Krieg – Präsident -Wilson – Universitäten, Kirche, Presse, Gesellschaft – -Amerika im Kriege – Deutschland im Kriege</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Der Breslauer Philosoph und berühmte Vorkämpfer für deutsches Wesen und -deutsche Kultur in Amerika, hat uns hier das Buch über die Vereinigten Staaten -geschenkt, ein Buch, das uns mit unerbittlicher Logik und Klarheit aufzeigt, -daß wir drüben niemals Freundschaft erwarten konnten, wie wir in unserem -unverbesserlichen Idealismus immer gehofft haben … Den Deutsch-Amerikanern -widmet der Verfasser ein besonders ergreifendes Kapitel … Das ganze Buch ist -ein stolzes Bekenntnis eines bedeutenden Mannes zu der Größe, der sittlichen -Kraft und Ueberlegenheit seines Vaterlandes.« <em class="gesperrt">Deutsche Tageszeitung</em>.</p></div> - -<p class="center p2 larger"><em class="antiqua">Dr.</em> Hans Volkelt</p> - -<p class="h2">Demobilisierung der Geister?</p> - -<p class="center">Eine Auseinandersetzung vornehmlich mit -Geheimrat Professor <em class="antiqua">Dr.</em> Ernst Troeltsch</p> - -<p class="center">1.–3. Tausend · (Soeben erschienen) · Kartoniert M 1.50 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Das Ziel der Schrift ist die Stärkung der deutschen Kraft, die Aufweisung -der großen Gefahr einer matten Verzichtsgesinnung, die über einem Hangen -an abstrakten Theorien der Aufklärung die wahre Lage und Aufgabe der -Gegenwart verkennt und verleugnet … Sie ist eine in Fichteschem Sinne, -und wir dürfen mit Freude sagen, auch mit Fichteschem Geist geschriebene Aufforderung -an das deutsche Volk, auf der Höhe der großen, wenn auch schweren -Zeit zu stehen und allen Gefahren draußen und drinnen standzuhalten, alle -Ermattung und Verflachung, auch wo sie sich einschmeichelnder Phrasen bedient, -energisch abzuweisen. So geht in Wahrheit eine stärkende und belebende Kraft -von diesem Büchlein aus; man sollte es in Masse verbreiten.« <em class="gesperrt">Rudolf Eucken</em> -(Magdeburgische Zeitung).</p></div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_v">[v]</a></span></p> - -<p class="center p2 larger">Robert Saitschick</p> - -<p class="h2">Wotan und Brünnhilde (Die Geburt der Seele)</p> - -<p class="center">(Soeben erschienen!)</p> - -<p class="center">Gebunden M 4.–, in Halbpergament und auf Bütten M 12.– -</p> - -<div class="adv"> - -<p>Der Leser wird erstaunen, welche Schönheiten, welche bisher nicht von ihm bemerkten -Tiefen Richard Wagners Dichtung des Nibelungenringes in sich birgt. -Nun sieht er, daß neben der Musik auch die Dichtung genauerer Betrachtung -wert ist, daß Alberich, Wotan, Freya, Loge, Erda, Brünnhilde nicht bloß die -Gestalten eines in ferner Urzeit liegenden Mythos sind, den Wagner dramatisch -gestaltet hat, sondern Verkörperungen der Lebensmächte, die, so lange diese -Weltzeit dauert, im Leben walten, also auch heute noch. Saitschicks Buch ist -ein Führer zur Kunde vom Geistigen, eine ganze Philosophie steckt darin, die -der Leser ohne großes Bemühen für das tägliche Leben fruchtbar machen kann. -Wir möchten dieser Philosophie viele offene Herzen wünschen, denn sie ist eine -Wegbereiterin zu noch höheren Erkenntnissen. Das Buch ist ohne Zweifel den -klassischen Schöpfungen unserer Literatur beizuzählen.</p></div> - -<p class="h2 p2">Saitschick / Von der innern Not unseres Zeitalters</p> - -<p class="center">Ein Ausblick auf Fausts künftigen Weg</p> - -<p class="center">Gebunden M 3.50 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Faust ist auch in Saitschicks Betrachtung nur der Name für den innern -Menschen unserer Tage. Und wie Goethe, so setzt auch Saitschick sich mit ihm -selbständig auseinander. Nur sieht er schärfer; denn Faust ist inzwischen ein -Jahrhundert seinen Weg weiter gegangen. Die Konflikte sind ausgeprägter, -der Ausgleich schwerer. Die innere Not ist darum intensiver, ich bin versucht -zu sagen ehrlicher empfunden. Und darauf zielt der Sinn des Büchleins: -dem strebenden Faust unserer Tage Ausblick zu geben auf den kommenden -Weg.« <em class="gesperrt">Hochland.</em></p></div> - -<p class="h2 p2">Robert Saitschick / Franziskus von Assisi</p> - -<p class="center">Dritte Auflage. Gebunden M 4.–, Halbpergament M 6.– -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Diese neue Gabe Saitschicks, abgeklärt in sich und gelöst von jeder Kontroverse -und Diskussion, hat uns in seltener Weise angesprochen, ergriffen, gefesselt.« -<em class="gesperrt">Preußische Jahrbücher</em>.</p></div> - -<p class="h2 p2">Joseph Bernhart / Tragik im Weltlauf</p> - -<p class="center">Leicht gebunden M 2.80 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»In der Tat ein wahres Trostbuch für jeden, der in der allgemeinen Erschütterung -der Dinge die Frage nach den Fundamenten unseres Daseins stellt.« -<em class="gesperrt">Alfred Frhr. Menst von Klarbach</em> (Bayerische Staatszeitung).</p></div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_vi">[vi]</a></span></p> - -<p class="h2 p2">Johannes Müller / Vom Leben und Sterben</p> - -<p class="center"> -16. bis 20. Tausend<span class="space"> </span>Leicht gebunden M 1.40 -</p> - -<p><em class="gesperrt">Inhalt</em>: Der Tod – Gibt es ein Leben nach dem Tode? – Diesseits und -Jenseits – Das Ende – Der Abschied – Die Heimsuchung – Der Aufschwung</p> - -<p class="h2 p2">Johannes Müller / Hemmungen des Lebens</p> - -<p class="center"> -17. bis 21. Tausend<span class="space"> </span>Gebunden M 4.– -</p> - -<p><em class="gesperrt">Inhalt</em>: Die Trauer – Die Furcht – Die Sorge – Das Tragischnehmen -– Die Unsicherheit – Der Zweifel (das Mißtrauen) – Das Kritisieren – -Der Andere in uns</p> - -<p class="h2 p2">Johannes Müller / Die deutsche Not</p> - -<p class="center">Erlebnisse und Bekenntnisse aus der Kriegszeit</p> - -<p class="center">Gebunden M 4.– -</p> - -<p><em class="gesperrt">Aus dem Inhalt</em>: Kriegseindrücke und Kriegsfragen – Wie soll sich der -Christ zum Kriege stellen? – Jesus und der Krieg – Und die Kirche? – -Geduld im Kriege – Wider den Haß – Bankerott des Christentums? – -Briefe eines Hauptmanns aus dem Felde – Vom Wiedersehen in der Heimat – -Ueber den Krieg hinaus – Verlust und Gewinn usw.</p> - -<p class="h2 p2">Johannes Müller / Reden über den Krieg</p> - -<p class="center">Gebunden M 3.50 -</p> - -<p><em class="gesperrt">Inhalt</em>: 1. Der Krieg als Schicksal und Erlebnis. 41. bis 43. Tsd. – 2. Der -Krieg als Not und Aufschwung. 31. bis 35. Tsd. – 3. Der Krieg als Gericht -und Aufgabe. 31. bis 33. Tsd. – 4. Der Tod fürs Vaterland und die Hinterbliebenen. -31. bis 34. Tsd. – 5. Der Krieg als religiöses Erlebnis</p> - -<p class="h2 p2">Ludwig Kemmer / Briefe an einen jungen Offizier</p> - -<p class="center">Zweite Auflage<span class="space"> </span>Gebunden M 1.– -</p> - -<p class="center p2 larger">Friedr. Th. Körner</p> - -<p class="h2">Die inneren Werte des deutschen Soldaten</p> - -<p class="center">Geheftet M –.70 -</p> - -<p><em class="gesperrt">Inhalt</em>: Die innere Sittlichkeit – Gehorsam und Pflichtgefühl – Heldentum -und Tapferkeit – Kameradschaft – Religiöses Empfinden – Gemüt -und Empfindung</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_vii">[vii]</a></span></p> - -<p class="h2 p2">Karl Berger. Vom Weltbürgertum -zum Nationalgedanken</p> - -<p class="center">Zwölf Bilder aus Schillers Lebenskreis und Wirkungsbereich</p> - -<p class="center">Gebunden M 8.50<span class="space"> </span>Soeben erschienen -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Sämtlichen Betrachtungen Bergers, in deren Mittelpunkt immer wieder -Schillers edle, alle überragende Gestalt als unser gewaltigster Führer in der -Wende der Zeiten hervortaucht, gebührt die Anerkennung, daß sie in strenger -Sichtung des reichen Stoffes und in gefälliger Form bedeutende Ausblicke in -eine lehrreiche Vergangenheit eröffnen und auch unmittelbar für die Gegenwart -vertiefende Anregungen geben.« <em class="gesperrt">Schlesische Zeitung</em>.</p></div> - -<p class="center p2 larger">Hermann Reich</p> - -<p class="h2">Die Flotte. <span class="smaller">Eine Tragödie</span></p> - -<p class="center">Preis kartoniert M 4.50; in Halbpergament M 6.– -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Dionysische Ekstase, Aechyleischen Schwung und Shakespearesche mimische Buntheit -verschmilzt Reich zu einem großen modernen Stil. Es ist der Stil des -neuen Deutschen Reiches, das aus dem Weltbrand hervorgehen muß. – -Sonst wüßte ich mit Reichs Sprache nur die Luthers an den christlichen Adel -deutscher Nation zu vergleichen.« Prof. <em class="gesperrt">v. Hauff</em> (Monatshefte der Comeniusgesellschaft).</p></div> - -<p class="center p2 larger">Will Vesper</p> - -<p class="h2">Martin Luthers Jugendjahre</p> - -<p class="center">Bilder und Legenden</p> - -<p class="center">Gebunden M 4.– -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Ein deutsches Festes- und Feierbuch lauterster Art. Wer sich ein offenes Herz, -ein empfängliches Gemüt bewahrt hat, wird aus diesen zauberhaft poetischen -Ausflüssen einer religiösen Seelenmelodik, aus diesen heilig-ernsten Ergebnissen -eines unvergleichlich tiefen dichterischen Sehnens und Schauens die Gestalt des -jungen Luther sich erheben sehen, wie er sie niemals aus den wissenschaftlichen -Erörterungen zu begreifen vermochte.« <em class="gesperrt">Die Post</em>.</p></div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_viii">[viii]</a></span></p> - -<p class="center">Soeben ist erschienen:</p> -</div> - -<p class="h2">Der Pfeifenkönig</p> - -<p class="center">Ein Roman aus der Gegenwart</p> - -<p class="center">Von <b>Karl Strecker</b></p> - -<p class="center">Zweite Auflage<span class="space"> </span>Gebunden M 6.– -</p> - -<div class="adv"> - -<p>Kein Kriegsroman und doch tief aus dem Born unserer Zeit geschöpft. Was -dieser Zeit an Gebresten und Vorurteilen, aber auch an Keimen der Größe -innewohnt, das ist mit klarem Blick umfaßt und an dem bewegten Leben des -»Pfeifenkönigs« (ein Spitzname mit tragikomischem Beigeschmack) aufgezeigt. -In der tiefen Problemstellung und in der ganzen Weltauffassung des feinstilisierten -Buches klingt das Ethos einer neuen Zeit. Es wird gemünzt in -kluge Gedanken, es wird getragen von einem starken Poetenempfinden, das sich -nicht zum wenigsten in knappen, leuchtenden Naturschilderungen kundgibt.</p></div> - -<p class="h2 p2">Von berühmten Zeitgenossen</p> - -<p class="center">Lebenserinnerungen einer Siebzigerin</p> - -<p class="center">Von <b>R. Braun-Artaria</b></p> - -<p class="center">Mit zwei Bildnissen der Verfasserin von -<em class="gesperrt">Anselm Feuerbach</em> und <em class="gesperrt">Franz von Lenbach</em></p> - -<p class="center">Achte Auflage<span class="space"> </span>Gebunden M 5.50 -</p> - -<div class="adv"> - -<p>»Ein prächtiges Buch und von wirklichem <span id="corr122">kulturgeschichtlichem</span> Wert … Auch -wer die hier vorkommenden Personen gekannt hat, wird sie immer da oder -dort von einer neuen Seite beleuchtet sehen. Sie gehören den verschiedensten -Gebieten von Wissenschaft, Kunst und Dichtung an. Ob Naturforscher und -Geographen wie Zittel, Wagner und Ratzel vor uns treten, ob Gespräche mit -Döllinger berichtet werden, ob wir von Piloty, Feuerbach, Schwind, Lenbach, -Otto Greiner, Franz von Liszt hören, ob Bodenstedt, Heyse, Scheffel, um nur -einiges anzudeuten, überall wird man sogleich gefesselt und folgt dem Lauf -der Erzählung mit Genuß, und bedauern wird man an dem Buche zuletzt nur, -daß man es schon zu Ende gelesen hat.« <em class="gesperrt">Literarisches Zentralblatt</em>.</p></div> - -<hr class="tb" /> -<p class="center">C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München -</p> -<hr class="tb" /> - -<p class="center">C. H. Beck'sche Buchdruckerei in Nördlingen -</p> -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"></div> - -<div class="transnote" id="tnextra"> - -<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend korrigiert. -Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.</p> - -<p>Die unterschiedlichen Bezeichnungen »Augustowo« und »Augustow« wurden -beibehalten.</p> - -<p>Korrekturen:</p> -<div class="corr"> -<p> -S. 20: war → waren<br /> -Mir selbst <a href="#corr020">waren</a> ein Koffer und Wäschesack</p> -<p> -S. 28: Offizierpatrouille → Offizierspatrouille<br /> -ging von der Kompanie eine <a href="#corr028">Offizierspatrouille</a> ins</p> -<p> -S. 30: toten → Toten<br /> -um dem vermeintlich <a href="#corr030">Toten</a> das Gewehr zu nehmen</p> -<p> -S. 51: tagüber → tagsüber<br /> -von wo <a href="#corr051">tagsüber</a> unsre Baumposten</p> -<p> -S. 89: Offizierburschen → Offiziersburschen<br /> -Telephonisten und <a href="#corr089">Offiziersburschen</a>, untermischt</p> -<p> -S. 104: wieder → wider<br /> -klingt von der deinen <a href="#corr104">wider</a>, wie</p> -<p> -S. viii: kulturgeschichtlichen → kulturgeschichtlichem<br /> -und von wirklichem <a href="#corr122">kulturgeschichtlichem</a> Wert</p> -</div> -</div> - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of Project Gutenberg's Der Wanderer zwischen den Welten, by Walter Flex - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WANDERER ZWISCHEN DEN WELTEN *** - -***** This file should be named 52118-h.htm or 52118-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/2/1/1/52118/ - -Produced by Peter Becker and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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